Wertpapierprospektgesetz / Verkaufsprospektgesetz: Kommentar mit Anhängen zur ProspektVO (EG) Nr. 809/2004 • VermVerkProspV • VermVerkProspGebV [2. neu bearbeitete und erweiterte Auflage] 9783504381639

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German Pages 1852 [1854] Year 2010

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Wertpapierprospektgesetz / Verkaufsprospektgesetz: Kommentar mit Anhängen zur ProspektVO (EG) Nr. 809/2004 • VermVerkProspV • VermVerkProspGebV [2. neu bearbeitete und erweiterte Auflage]
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Assmann . Schlitt . von Kopp-Colomb Wertpapierprospektgesetz . Verkaufsprospektgesetz Kommentar

Wertpapierprospektgesetz Verkaufsprospektgesetz Kommentar mit Anhängen zur ProspektVO (EG) Nr. 809/2004 VermVerkProspV . VermVerkProspGebV herausgegeben von

Professor Dr. Heinz-Dieter Assmann Prorektor und Universitätsprofessor in Tübingen

Professor Dr. Michael Schlitt Rechtsanwalt in Frankfurt/M., Honorarprofessor in Köln

Wolf von Kopp-Colomb Regierungsdirektor, Referatsleiter bei der BaFin in Frankfurt/M. 2. neu bearbeitete und erweiterte Auflage

2010

Bearbeiter Professor Dr. Heinz-Dieter Assmann, LL.M. (Philadelphia) Prorektor und Universitätsprofessor in Tübingen Frank Bierwirth Rechtsanwalt in Frankfurt/M. Jana Gajdos, LL.M. (Canterbury, NZ) Oberregierungsrätin bei der BaFin in Frankfurt/M. Philipp von Ilberg Rechtsanwalt in Frankfurt/M. Wolf von Kopp-Colomb Regierungsdirektor, Referatsleiter bei der BaFin in Frankfurt/M. Frederik Knobloch Oberregierungsrat bei der BaFin in Frankfurt/M. Uta Kunold Rechtsanwältin in Frankfurt/M. Gero Maas, LL.M. oec. (Jena) Oberregierungsrat bei der BaFin in Frankfurt/M.

Peter R. Maier Rechtsanwalt in Frankfurt/M. Dr. Susanne Schäfer, LL.M. (London) Rechtsanwältin in Frankfurt/M. Professor Dr. Michael Schlitt Rechtsanwalt in Frankfurt/M., Honorarprofessor in Köln Dr. Jochen Seitz Rechtsanwalt in Frankfurt/M. Marika M. E. Witte Oberregierungsrätin bei der BaFin in Frankfurt/M.

Zitierempfehluog: Verfasser in Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb (Hrsg.l, WpPG/VerkProspG, 2. Aufl. 2010, § ... Rz....

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-40099-6 @2010 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom UrheberrechtsgesetZ zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfilt:igungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmtmgen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort Das 2005 in Kraft getretene Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz hat die kapitalmarktrechtliche Prospektpublizität auf ein neues rechtliches Fundament gestellt. Es brachte u.a. die Trennung der nunmehr im WpPG und in der ProspektVO geregelten Prospektpflichten für das Angebot und die Börsenzulassung von Wertpapieren einerseits und für das Angebot nicht wertpapiermäßig verbriefter Vermögensanlagen im VerkProspG und der VermVerkProspV andererseits. Das hat nicht nur eine Neufassung des 2001 erschienenen Kommentars von Assmann, Lenz und Ritz zum VerkProspG und zur VerkProspVO erforderlich gemacht, sondern auch eine integrierte Kommentierung der die neuen Bereiche regelnden Vorschriften nahegelegt. Nicht nur die Fundamente beider Regelungsfelder sind in mancherlei Hinsicht dieselben, sondern auch im Detail gibt es zahlreiche Überschneidungen, die Synergien in der Kommentierung eröffnen: Viele Bestimmungen ähneln sich, manche sind gar wortgleich und nicht zuletzt wird die Haftung für fehlerhafte oder fehlende nach dem WpPG zu erstellende Wertpapierprospekte im VerkProspG geregelt. Neben dem WpPG hat auch die bereits mehrfach geänderte, unmittelbar als deutsches Recht geltende Prospektverordnung (EG) Nr. 809/2004 große Bedeutung erlangt. Die Kommentierung umfasst daher auch die wichtigsten Anhänge der Prospektverordnung, die Vorgaben für den Mindestinhalt von Wertpapierprospekten enthalten. Was die ProspektVO für das WpPG ist die VermVerkProspV für das VerkProspG. Dem entsprechend wird auch die Kommentierung des VerkProspG – wie in der Vorauflage durch Erläuterungen zur VermVerkProspV sowie zur VermVerkProspGebV, denen in der Vorauflage die zwischenzeitlich aufgehobenen VerkProspVO und VerkProspGebVO entsprachen – ergänzt. Die der Kommentierung des WpPG zu Grunde liegende Prospektrichtlinie 2001/34/EG wird derzeit überarbeitet. Am 17. Juni 2010 ist der Standpunkt des Europäischen Parlaments in erster Lesung festgelegt worden. Die Erläuterungen des Gesetzes in diesem Kommentar gehen anhand der Stellungnahme des Rates vom 4. November 2009 bzw. des gemeinsamen Entwurfs der Europäischen Kommission und des Rates vom 28. Mai 2010 bereits auf die geplanten Änderungen ein, so dass bei deren – erwartungsgemäß – unveränderter Umsetzung das Werk nicht nur weiterhin Aktualität bewahren wird, sondern als erste Kommentierung der neuen Vorschriften gelten darf. Der Kreis der Autoren hat sich angesichts der Ausweitung sowohl der prospektpflichtigen Kapitalanlagen als auch der Prospektpflichten gegenüber der Vorauflage deutlich erweitert. Wie in der Vorauflage haben die Herausgeber jedoch wieder erfahrene Praktiker und Wissenschaftler mit der Erstellung der Kommentierung betraut, um den Anspruch einer Kommentierung auf hohem fachlichem Niveau und großer Praxisnähe aufrecht zu erhalten. Auch ist der Autorenkreis wieder so zusammengesetzt, dass die Kommentierung des Prospektrechts sowohl die Perspektive derer, die Prospekte zu

VII

Bearbeiterverzeichnis

erstellen haben, als auch derer, die sie prüfen müssen, einnimmt. Dabei sei betont, dass die Kommentierungen die persönliche Meinung der Autoren wiedergeben. Die schon in der Vorauflage ausgesprochene Ermunterung, den Herausgebern und Autoren Hinweise, Anregungen und Kritik zukommen zu lassen, sei an dieser Stelle wiederholt. Zu Kommentierungen wie der Vorliegenden sind viele Hilfestellungen Dritter erforderlich, denen die Herausgeber und die Autoren je für sich zu danken haben. An dieser Stelle und herausgehoben ist aber Frau Dr. Birgitta Peters und Herrn Dr. Bastian Schoppe vom Verlag Dr. Otto Schmidt ein besonderer Dank zu sagen: Beide haben die Arbeit an der Neuauflage unbeirrbar vorangetrieben, konzeptionell begleitet, koordiniert und die Manuskripte lektoriert. Ihnen sei dafür, auch im Namen der Autoren, herzlich gedankt. Tübingen und Frankfurt am Main, im Juni 2010 Heinz-Dieter Assmann

Michael Schlitt

Wolf von Kopp-Colomb

Es haben bearbeitet: Assmann

Einl. WpPG, §§ 27–31 WpPG, Einl. VerkProspG, §§ 8j–10, 12–13a, 17, 18 VerkProspG, §§ 1, 5–8, 10–13, 15, 16 VermVerkProspV

Bierwirth

Anhänge VII, VIII EU-ProspektVO

von Ilberg

§§ 11, 19, 20 WpPG

von Kopp-Colomb

§§ 13, 21–26 WpPG

von Kopp-Colomb/ Gajdos

§ 3 WpPG

von Kopp-Colomb/ Knobloch

§ 2 WpPG

von Kopp-Colomb/ Witte

§§ 1, 17, 18 WpPG

Kunold

§§ 10, 14 WpPG, Anhänge I (Rz. 167 bis Rz. 272), II EU-ProspektVO

Maas

§§ 8f–8i, 11, 16, 16a VerkProspG, §§ 2–4, 9, 14 VermVerkProspV, §§ 1–4 VermVerkProspGebV

Schlitt/Schäfer

§§ 4, 5, 7, 8, 15, 16 (Rz. 124 bis Rz. 139) WpPG, Anhänge I (bis Rz. 166, ab Rz. 273), III, VI, XIX EU-ProspektVO

Seitz

§§ 6, 9, 12, 16 (bis Rz. 123, ab Rz. 140) WpPG

Seitz/Maier

Anhänge IV, V, IX, XI–XIII EU-ProspektVO

VIII

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII XV XVII

1. Teil Wertpapiere A. Wertpapierprospektgesetz (WpPG) Text des WpPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 27

Abschnitt 1 Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen §1 §2 §3 §4

Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts und Ausnahmen im Hinblick auf die Art des Angebots. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts im Hinblick auf bestimmte Wertpapiere. . . . . . . . .

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48 82

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132

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161

Abschnitt 2 Erstellung des Prospekts §5 §6 §7 §8 §9 § 10 § 11 § 12

Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Basisprospekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mindestangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtaufnahme von Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gültigkeit des Prospekts, des Basisprospekts und des Registrierungsformulars. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jährliches Dokument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angaben in Form eines Verweises . . . . . . . . . . . . . . . . Prospekt aus einem oder mehreren Einzeldokumenten

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185 203 241 256

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274 301 320 337

IX

Inhaltsverzeichnis

Abschnitt 3 Billigung und Veröffentlichung des Prospekts Seite

§ 13 § 14 § 15 § 16

Billigung des Prospekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinterlegung und Veröffentlichung des Prospekts Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachtrag zum Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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353 375 398 412

Grenzüberschreitende Geltung gebilligter Prospekte . . . . . . . . Bescheinigung der Billigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

467 487

Abschnitt 4 Grenzüberschreitende Angebote und Zulassung zum Handel § 17 § 18

Abschnitt 5 Sprachenregelung und Emittenten mit Sitz in Drittstaaten § 19 § 20

Sprachenregelung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drittstaatemittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

503 531

Abschnitt 6 Zuständige Behörde und Verfahren § 21 § 22 § 23 § 24 § 25 § 26

Befugnisse der Bundesanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorsichtsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bekanntmachung von Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortige Vollziehung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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540 556

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576 586 590 594

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597 608 611 612 633

Abschnitt 7 Sonstige Vorschriften § 27 § 28 § 29 § 30 § 31

X

Register . . . . . . . . . . . . . . Gebühren und Auslagen . Benennungspflicht . . . . . . Bußgeldvorschriften. . . . . Übergangsbestimmungen.

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Inhaltsverzeichnis

B. Anhänge zur Verordnung (EG) Nr. 809/2004 (EU-ProspektVO) Seite

Anhang I

Mindestangaben für das Registrierungsformular für Aktien (Modul). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 Anhang II Modul für Pro forma-Finanzinformationen. . . . . 767 Anhang III Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für Aktien (Schema) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 799 Anhang IV Mindestangaben für das Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere (Schema) (Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von weniger als EUR 50.000) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840 Anhang V Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel (Schema) (Schuldtitel mit einer Stückelung von weniger als EUR 50.000) . . . . . . 869 Anhang VI Mindestangaben für Garantien (Zusätzliches Modul) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 891 Anhänge VII, VIII Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895 Anhang VII Mindestangaben für das Registrierungsformular für durch Vermögenswerte unterlegte Wertpapiere („asset backed securities“/ABS) (Schema) . 906 Anhang VIII Mindestangaben für durch Vermögenswerte unterlegte Wertpapiere („asset backed securities“/ABS) (Zusätzliches Modul) . . . . . . . . 925 Anhang IX Mindestangaben für das Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere (Schema) (Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von EUR 50.000). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 954 Anhang X (nicht kommentiert) Anhang XI Mindestangaben für das Registrierungsformular für Banken (Schema) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 968 Anhang XII Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für derivative Wertpapiere (Schema) . . . . . . . . . . 985 Anhang XIII Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 EUR (Schema). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1036 Anhänge XIV–XVIII (nicht kommentiert) Anhang XIX Verzeichnis bestimmter Kategorien von Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1046

XI

Inhaltsverzeichnis

C. Wertpapierprospektgebührenverordnung (WpPGebV) Seite

Text der WpPGebV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1055

2. Teil Vermögensanlagen A. Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) Text des VerkProspG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1059 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1069

I.–III. Abschnitt (§§ 1–8e weggefallen) IIIa. Abschnitt Prospektpflicht für Angebote anderer Vermögensanlagen § 8f § 8g § 8h § 8i § 8j § 8k

Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prospektinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinterlegungsstelle, Rechte der Hinterlegungsstelle, sofortige Vollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . 1089 . . . . . 1152 . . . . . 1163 . . . . . 1173 . . . . . 1201 . . . . . 1207

IV. Abschnitt Veröffentlichung des Verkaufsprospekts; Prospekthaftung §9 § 10 § 11 § 12 § 13 § 13a

Frist und Form der Veröffentlichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts Veröffentlichung ergänzender Angaben . . . . . . . . . . . . . . . Hinweis auf Verkaufsprospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung bei fehlerhaftem Prospekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung bei fehlendem Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V. Abschnitt (§§ 14, 15 weggefallen)

XII

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1210 1224 1233 1250 1260 1328

Inhaltsverzeichnis

VI. Abschnitt Gebühren; Bekanntgabe und Zustellung; Bußgeld- und Übergangsvorschriften Seite

§ 16 § 16a § 17 § 18

Gebühren . . . . . . . . . . . . . . Bekanntgabe und Zustellung Bußgeldvorschriften. . . . . . . Übergangsvorschriften . . . . .

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1344 1356 1360 1374

Text der VermVerkProspV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §2 Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §3 Angaben über Personen oder Gesellschaften, die für den Inhalt des Verkaufsprospekts die Verantwortung übernehmen . . . . . . §4 Angaben über die Vermögensanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §5 Angaben über den Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §6 Angaben über das Kapital des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . §7 Angaben über Gründungsgesellschafter des Emittenten . . . . . . §8 Angaben über die Geschäftstätigkeit des Emittenten . . . . . . . . §9 Angaben über die Anlageziele und Anlagepolitik der Vermögensanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10 Angaben über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Angaben über die Prüfung des Jahresabschlusses des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12 Angaben über Mitglieder der Geschäftsführung oder des Vorstands, Aufsichtsgremien und Beiräte des Emittenten, den Treuhänder und sonstige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13 Angaben über den jüngsten Geschäftsgang und die Geschäftsaussichten des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 14 Gewährleistete Vermögensanlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 15 Verringerte Prospektanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 16 Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1381 1389 1390

B. Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung (VermVerkProspV)

1438 1445 1486 1494 1499 1508 1514 1538 1547

1551 1563 1567 1570 1578

XIII

Inhaltsverzeichnis

C. Vermögensanlagen-Verkaufsprospektgebührenverordnung (VermVerkProspGebV) Seite

Text der VermVerkProspGebV . . . . . . . . . . . . . §1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . §2 Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §3 Gebührenerhebung in besonderen Fällen §4 Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1579 1581 1582 1582 1584

Textanhang* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1585 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1775

* Ausführliches Verzeichnis der abgedruckten Texte siehe zu Beginn des Textanhangs.

XIV

Allgemeines Schrifttumsverzeichnis Ausführliche Schrifttumshinweise finden Sie auch zu Beginn der Kommentierungen.

Arndt/Voß (Hrsg.) Assmann/Lenz/Ritz

Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider (Hrsg.) Assmann/Uwe H. Schneider (Hrsg.) Assmann/Schütze (Hrsg.)

Baumbach/Hopt

Verkaufsprospektgesetz, 2008 Verkaufsprospektgesetz, VerkaufsprospektVerordnung, Verkaufsprospektgebühren-Verordnung, 2001 (mit Nachtrag 2002) Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2005 Wertpapierhandelsgesetz, 5. Aufl. 2009 Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. 2007

Buck-Heeb

Handelsgesetzbuch, begr. von Baumbach, bearb. von Hopt und Merkt, 34. Aufl. 2010 Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2009

Ekkenga/Maas

Das Recht der Wertpapieremissionen, 2006

Fuchs (Hrsg.)

Wertpapierhandelsgesetz, 2009

Groß Grunewald/Schlitt

Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009 Einführung in das Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2009

Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.) Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.) Happ (Hrsg.) Heidel (Hrsg.)

Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2008

Holzborn (Hrsg.) Hüffer

Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008 Aktienrecht, 3. Aufl. 2007 Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2007 Wertpapierprospektgesetz, 2008 Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz – Prospektpflicht und Anlegerschutz, 1996

Just/Voß/Ritz/Zeising (Hrsg.)

Wertpapierprospektgesetz, 2009

Keunecke Kölner Kommentar zum AktG

Prospekte im Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2009 hrsg. von Zöllner, 2. Aufl. 1986 ff.; hrsg. von Zöllner und Noack, 3. Aufl. 2004 ff.

XV

Allgemeines Schrifttumsverzeichnis

Kölner Kommentar zum WpHG Kölner Kommentar zum WpÜG Kübler/Assmann Kümpel Kümpel/Hammen/ Ekkenga

hrsg. von Hirte und Möllers, 2007 hrsg. von Hirte und von Bülow, 2003 Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006 Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004 Kapitalmarktrecht, Loseblatt

Lenenbach

Kapitalmarkt- und Börsenrecht, 2002

Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.) Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Münchener Kommentar zum AktG

Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009

Münchener Kommentar zum BGB Münchener Kommentar zum HGB

Band 4, Aktiengesellschaft, hrsg. von Hoffmann-Becking, 3. Aufl. 2007 hrsg. von Kropff und Semler, 2. Aufl. 2000 ff.; hrsg. von Goette und Habersack, 3. Aufl. 2008 ff. hrsg. von Rebmann, Säcker und Rixecker, 4. Aufl. 2000 ff., 5. Aufl. 2006 ff. hrsg. von Karsten Schmidt, 2. Aufl. 2005 ff.

Palandt

Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl. 2010

Renz/Mentzer

Leitfaden Wertpapierprospekte – Eine Darstellung der gesetzlichen Vorgaben für die Emissionspraxis, 2. Aufl. 2006

Schäfer (Hrsg.)

Wertpapierhandelsgesetz, Börsengesetz mit BörsZulV, Verkaufsprospektgesetz mit VerkProspV, 1999 Kapitalmarktgesetze, Loseblatt Börseneinführung, 3. Aufl. 2007 Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl. 2007

Schäfer/Hamann (Hrsg.) Schanz Schwark (Hrsg.) Steinmeyer/Häger (Hrsg.)

Wiegel

XVI

Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung – eine dogmatische, ökonomische und rechtsvergleichende Analyse, 2008

Abkürzungsverzeichnis aA abl. ABl. ABS abw. AcP ADR aE AEUV aF AG AGB AktG allg. Alt. Anm. AnSVG AO Art. Aufl. AuslInvG Az. B.V. BaFin BAFinBefugV

BAKred BAnz. BauGB BAWe BB BBl. BDI BDSG bearb. BEG begr. Begr.

anderer Ansicht ablehnend Amtsblatt Asset Backed Securities abweichend Archiv für die civilistische Praxis American Depositary Receipts am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift), Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Aktiengesetz allgemein Alternative Anmerkung Anlegerschutzverbesserungsgesetz Abgabenordnung Artikel Auflage Auslandinvestmentgesetz Aktenzeichen Besloten Vennootschap (niederländische Kapitalgesellschaft) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Bundesanzeiger Baugesetzbuch Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Betriebs-Berater Bundesblatt (Schweiz) Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Bundesdatenschutzgesetz bearbeitet Bucheffektengesetz (Schweiz) begründet Begründung

XVII

Abkürzungsverzeichnis

BEHG

BilMoG BilKoG BilReG BKAG BKR BMF BMJ BörsG BörsZulV BR BR-Drucks. bspw. BStBl. BT BT-Drucks. BuB Buchst. bzgl. bzw.

Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (Schweiz) Bundesfinanzhof Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Amtliche Sammlung Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bilanzkontrollgesetz Bilanzrechtsreformgesetz Bundeskriminalamtgesetz Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesminister(ium) der Finanzen Bundesminister(ium) der Justiz Börsengesetz Börsenzulassungs-Verordnung Bundesrat Bundesrats-Drucksache bespielsweise Bundessteuerblatt Bundestag Bundestags-Drucksache Bankrecht und Bankpraxis Buchstabe bezüglich beziehungsweise

ca. CBF CDO CESR cic CMBS CMLJ CSES

circa Clearstream Banking Frankfurt Collateralized Debt Obligations Committee of European Securities Regulators culpa in contrahendo Commercial Mortgage-Backed Securities Capital Markets Law Journal Centre for Strategy and Evaluation Services

DAI DASB DB DDI dh. DiskE DrittelbG DRiZ DRS

Deutsches Aktieninstitut e.V. Deutscher-Anlegerschutzbund e.V. Der Betrieb Deutsches Derivate Institut e.V. das heißt Diskussionsentwurf Drittelbeteiligungsgesetz Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechnungslegungs Standards

BFH BFuP BGB BGBl. BGH BGHZ

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

Drucks. DStR DSW DVBl DZWIR

Drucksache Deutsches Steuerrecht Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

E e.V. eBAnz. ebd. EBIT EBITDA

Entwurf eingetragener Verein elektronischer Bundesanzeiger ebenda Earnings before Interest and Taxes Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization Earnings before Taxes Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments Erneuerbare-Energien-Gesetz Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Euro Medium Term Note endgültige Fassung (Teil des Aktenzeichens europäischer Dokumente) Energiewirtschaftsgesetz Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz European Securities Council European Securities and Markets Authority European Securities Markets Expert Group et cetera Europäische Union Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung Europäischer Gerichtshof Europarecht (Zeitschrift) European Interbank Offered Rate Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Europäische Zentralbank

EBT ECON EEG EG EGAktG EGV Einl. EMTN endg. EnWG ErbStG ESC ESMA ESME etc. EU EU-ProspektVO/ ProspektVO

EuGH EuR EURIBOR EuZW EWiR EWR EWS EZB

XIX

Abkürzungsverzeichnis

f./ff. FB FESCO FFG FG FGG-ReformG

FinDAG FinDAGKostV

FinMin. FMStFG FMStFV FMStG Fn. FR FRUG FS FSA FSAP FWB G GbR GDR GenG GewStG GG ggf. ggü. GmbH GmbHG grds. GVBl. GVG Gz. Hdb. HessVGH HFA HGB hM Hrsg.

XX

folgende/fortfolgende Finanz-Betrieb Forum of European Securities Commissions Finanzmarktförderungsgesetz Finanzgericht Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Finanzminister(ium) Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Finanz-Rundschau Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz Festschrift Financial Services Authority Financial Services Action Plan Frankfurter Wertpapierbörse Gesetz Gesellschaft bürgerlichen Rechts Global Depositary Receipts Genossenschaftsgesetz Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls gegenüber Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung grundsätzlich Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Geschäftszeichen Handbuch Hessischer Verwaltungsgerichtshof Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber

Abkürzungsverzeichnis

IAASB

iS des/iS von ISA ISAE ISIN ISRE iVm.

International Auditing and Assurance Standards Board id est International Accounting Standards Verordnung Nr. Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards International Accounting Standards Board International Bar Association in der Fassung in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer im Ergebnis im engeren Sinne/im weiteren Sinne International Federation of Accountants Informationsfreiheitsgesetz International Financial Reporting Interpretation Committee International Financial Reporting Standards insbesondere Investmentgesetz International Organization of Securities Commissions Initial Public Offering Internationales Privatrecht InfrastrukturRecht Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen im Sinne des/im Sinne von International Standards on Auditing International Standard on Assurance Engagements International Securities Identification Number International Standard on Review Engagements in Verbindung mit

KAG KAGG Kap. KapInHaG KapMuG KfW KG KGaA KGR KMG KölnKomm.

Kapitalanlagegesellschaft Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitel Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz Kreditanstalt für Wiederaufbau/KfW-Bankengruppe Kommanditgesellschaft, Kammergericht Kommanditgesellschaft auf Aktien KG-Report Berlin Kapitalmarktgesetz (Österreich) Kölner Kommentar

i.e. IAS IAS-VO

IASB IBA idF idR IDW/IdW iE ieS/iwS IFAC IFG IFRIC IFRS insb., insbes. InvG IOSCO IPO IPR IR IRG

XXI

Abkürzungsverzeichnis

KonTraG KWG

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kreditwesengesetz

LG LIBA LIBOR lit. LoI Ls.

Landgericht London Investment Banking Association London Interbank Offered Rate Buchstabe Letter of Intent Leitsatz

m. Anm. maW MD&A

MünchKomm. MVP mwN

mit Anmerkung mit anderen Worten Management’s Discussion and Analysis of Financial Condition and Results of Operations Mitglied des Bundestages Markets in Financial Instruments Directive (Finanzmarktrichtlinie) Million Mitbestimmungsgesetz Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Münchener Kommentar Melde- und Veröffentlichungsplattform mit weiteren Nachweisen

nF NJOZ NJW Nr./Nrn. NZG

neue Fassung Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Nummer(n) Neue Zeitschrift für Gesellschaftrecht

oÄ OECD OFD OFR OLG OR OWiG

oder Ähnliches Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Oberfinanzdirektion Operating and Financial Review Oberlandesgericht Obligationenrecht (Schweiz) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

PfandBG PIA PM PRIP

Pfandbriefgesetz Personal Investment Authority Pressemitteilung Packaged Retail Investment Products

MdB MiFID Mio. MitbestG MoMiG

XXII

Abkürzungsverzeichnis

ProspektVO/EUProspektVO

PUAG PublG

Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung Untersuchungsausschussgesetz Publizitätsgesetz

RechKredV RefE RegBegr. RegE REIT RIW RMBS Rspr. Rz.

Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung Referentenentwurf Regierungsbegründung Regierungsentwurf Real Estate Investment Trust Recht der Internationalen Wirtschaft Residential Mortgage-Backed Securities Rechtsprechung Randziffer

S. SchVG SE SEC SGB SIC SIFMA SoFFin sog. SPAC SPV StGB StPO str.

Seite Schuldverschreibungsgesetz Societas Europaea Securities and Exchange Commission Sozialgesetzbuch Standing Interpretation Committee Securities Industry and Financial Markets Association Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung sogenannt Special Purpose Acquisition Company Special Purpose Vehicle Strafgesetzbuch Strafprozessordnung streitig

TranspRLDV TSI TUG Tz.

Transparenzrichtlinie-Durchführungsverordnung True Sale Initiative Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Textziffer

ua. uä. uÄ UCITS

unter anderem, und andere und ähnliche und Ähnliches Undertakings for Collective Investment in Transferable Securities unseres/meines Erachtens Umwandlungsgesetz

uE/mE UmwG

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

unstr. Unterabs. USB USD usf. usw. US-GAAP usw. uU UWG

unstreitig Unterabsatz Universal Serial Bus US-Dollar und so fort und so weiter United States Generally Accepted Accounting Principles und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

v. v.a. VAEU verb. VerkProspG VerkProspGebV VerkProspGebVO VerkProspVO VermVerkProspGebV VermVerkProspV vgl. VO VwGO VwKostG VwVfG VwVG VwZG vzbv

vom, von vor allem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbunden Verkaufsprospektgesetz Verkaufsprospektgebührenverordnung Verkaufsprospektgebühren-Verordnung (alte Fassung) Verkaufsprospekt-Verordnung (alte Fassung) Vermögensanlagen-Verkaufsprospektgebührenverordnung Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung vergleiche Verordnung Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungskostengesetz Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz Verwaltungszustellungsgesetz Verbaucherzentrale Bundesverband

WA wistra WKN WM WpDVerOV

Wertpapieraufsicht Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Wertpapierkennnummer Wertpapier-Mitteilungen Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsprüferordnung Wertpapierprospektgesetz Wertpapierprospektgebührenverordnung Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WpÜG-Angebotsverordnung

WPg WpHG WPO WpPG WpPGebV WpÜG WpÜG-AngV

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

zB ZBB ZEuS ZfBR ZfgK ZfIR ZGB ZGR ZHR Ziff. ZIP ZKA ZPO zT

zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für europarechtliche Studien Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Immobilienrecht Zivilgesetzbuch (Schweiz) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zentraler Kreditausschuss Zivilprozessordnung zum Teil

XXV

1. Teil Wertpapiere A. Wertpapierprospektgesetz (WpPG) Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist (Wertpapierprospektgesetz – WpPG) vom 22. Juni 2005 (BGBl. I S. 1698)1, geändert durch Art. 11 Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 10), Art. 13b Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1330), Art. 19a Investmentänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3089), Art. 36 Jahressteuergesetz vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794) Abschnitt 1. Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen § 1 Anwendungsbereich. (1) Dieses Gesetz ist anzuwenden auf die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung von Prospekten für Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen. (2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf 1. Anteile oder Aktien, die von einer Kapitalanlagegesellschaft, Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital oder ausländischen Investmentgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 9 des Investmentgesetzes ausgegeben werden und bei denen die Anteilinhaber oder Aktionäre ein Recht auf Rückgabe der Anteile oder Aktien haben; 2. Nichtdividendenwerte, die von einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums oder einer Gebietskörperschaft eines solchen Staates, von internationalen Organisationen des öffentlichen Rechts, denen mindestens ein Staat des Europäischen Wirtschaftsraums angehört, von der Europäischen Zentralbank oder von den Zentralbanken der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums ausgegeben werden; 3. Wertpapiere, die uneingeschränkt und unwiderruflich von einem Staat des EuropäischenWirtschaftsraums oder einer Gebietskörperschaft eines solchen Staates garantiert werden; 1 Artikel 1 des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes. Gemäß Artikel 10 dieses Gesetzes sind § 4 Abs. 3, § 20 Abs. 3, § 27 Abs. 5 und § 28 Abs. 2 des WpPG am 28. Juni 2005 in Kraft getreten; im Übrigen ist das WpPG am 1. Juli 2005 in Kraft getreten.

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Text

4. Wertpapiere, die von Einlagenkreditinstituten oder von Emittenten, deren Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, ausgegeben werden; dies gilt nur, wenn der Verkaufspreis für alle angebotenen Wertpapiere weniger als 2,5 Millionen Euro beträgt, wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen ist; 5. Nichtdividendenwerte, die von Einlagenkreditinstituten dauernd oder wiederholt für einen Verkaufspreis aller angebotenen Wertpapiere von weniger als 50 Millionen Euro ausgegeben werden, wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen ist, sofern diese Wertpapiere a) nicht nachrangig, wandelbar oder umtauschbar sind oder b) nicht zur Zeichnung oder zum Erwerb anderer Wertpapiere berechtigen und nicht an ein Derivat gebunden sind. (3) Unbeschadet des Absatzes 2 Nr. 2 bis 5 sind Emittenten, Anbieter oder Zulassungsantragsteller berechtigt, einen Prospekt im Sinne dieses Gesetzes zu erstellen, wenn Wertpapiere öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden. § 2 Begriffsbestimmungen. Im Sinne dieses Gesetzes ist oder sind 1. Wertpapiere: übertragbare Wertpapiere, die an einem Markt gehandelt werden können, insbesondere a) Aktien und andere Wertpapiere, die Aktien oder Anteilen an Kapitalgesellschaften oder anderen juristischen Personen vergleichbar sind, sowie Zertifikate, die Aktien vertreten, b) Schuldtitel, insbesondere Schuldverschreibungen und Zertifikate, die andere als die in Buchstabe a genannten Wertpapiere vertreten, c) alle sonstigen Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung solcher Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die anhand von übertragbaren Wertpapieren, Währungen, Zinssätzen oder -erträgen, Waren oder anderen Indizes oder Messgrößen bestimmt wird, mit Ausnahme von Geldmarktinstrumenten mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten; 2. Dividendenwerte: Aktien und andere Wertpapiere, die Aktien vergleichbar sind, sowie jede andere Art übertragbarer Wertpapiere, die das Recht verbriefen, bei Umwandlung dieses Wertpapiers oder Ausübung des verbrieften Rechts die erstgenannten Wertpapiere zu erwerben, sofern die letztgenannten Wertpapiere vom Emittenten der zugrunde liegenden Aktien oder von einem zum Konzern des Emittenten gehörenden Unternehmen begeben wurden; 3. Nichtdividendenwerte: alle Wertpapiere, die keine Dividendenwerte sind; 4. öffentliches Angebot von Wertpapieren: eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über

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Text

5.

6.

7.

8.

WpPG

den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden; dies gilt auch für die Platzierung von Wertpapieren durch Institute im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder ein nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Kreditwesengesetzes tätiges Unternehmen, wobei Mitteilungen auf Grund des Handels von Wertpapieren an einem organisierten Markt oder im Freiverkehr kein öffentliches Angebot darstellen; Angebotsprogramm: ein Plan, der es erlauben würde, Nichtdividendenwerte ähnlicher Art oder Gattung sowie Optionsscheine jeder Art dauernd oder wiederholt während eines bestimmten Emissionszeitraums zu begeben; qualifizierte Anleger: a) Institute im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes, nach § 53 Abs. 1 Satz 1, § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Kreditwesengesetzes tätige Unternehmen, private und öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen, Kapitalanlagegesellschaften, Investmentaktiengesellschaften sowie ausländische Investmentgesellschaften und von diesen beauftragte Verwaltungsgesellschaften, Pensionsfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften, Warenderivatehändler sowie Einrichtungen, die weder zugelassen sind noch beaufsichtigt werden und deren einziger Geschäftszweck in der Wertpapieranlage besteht, b) nationale und regionale Regierungen, Zentralbanken, internationale und supranationale Institutionen wie der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank, die Europäische Investitionsbank, andere vergleichbare internationale Organisationen und die Kreditanstalt für Wiederaufbau, c) andere juristische Personen, es sei denn, es handelt sich um kleine oder mittlere Unternehmen, d) kleine oder mittlere Unternehmen mit Sitz im Inland, sofern sie in das nach Maßgabe des § 27 geführte Register eingetragen sind, und kleine oder mittlere Unternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, sofern sie in diesem Staat in ein als gleichwertig anerkanntes Register eingetragen sind, und e) natürliche Personen mit Wohnsitz im Inland, sofern sie in das nach Maßgabe des § 27 geführte Register eingetragen sind, und natürliche Personen mit Wohnsitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, sofern sie in diesem Staat in ein als gleichwertig anerkanntes Register eingetragen sind; kleine und mittlere Unternehmen: Personen oder Gesellschaften, die laut ihrem letzten Jahresabschluss oder Konzernabschluss mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: eine durchschnittliche Beschäftigtenzahl im letzten Geschäftsjahr von weniger als 250, eine Gesamtbilanzsumme von höchstens 43 Millionen Euro und ein Jahresnettoumsatz von höchstens 50 Millionen Euro; Einlagenkreditinstitute: Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 3d Satz 1 des Kreditwesengesetzes;

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9. Emittent: eine Person oder Gesellschaft, die Wertpapiere begibt oder zu begeben beabsichtigt; 10. Anbieter: eine Person oder Gesellschaft, die Wertpapiere öffentlich anbietet; 11. Zulassungsantragsteller: die Personen, die die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragen; 12. dauernde oder wiederholte Ausgabe von Wertpapieren: die dauernde oder mindestens zwei Emissionen umfassende Ausgabe von Wertpapieren ähnlicher Art oder Gattung während eines Zeitraums von zwölf Monaten; 13. Herkunftsstaat: a) für alle Emittenten von Wertpapieren, die nicht in Buchstabe b genannt sind, der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem der Emittent seinen Sitz hat, b) für jede Emission von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 1.000 Euro sowie für jede Emission von Nichtdividendenwerten, die das Recht verbriefen, bei Umwandlung des Wertpapiers oder Ausübung des verbrieften Rechts übertragbare Wertpapiere zu erwerben oder einen Barbetrag in Empfang zu nehmen, sofern der Emittent der Nichtdividendenwerte nicht der Emittent der zugrunde liegenden Wertpapiere oder ein zum Konzern dieses Emittenten gehörendes Unternehmen ist, je nach Wahl des Emittenten, des Anbieters oder des Zulassungsantragstellers der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem der Emittent seinen Sitz hat, oder der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem die Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind oder zugelassen werden sollen, oder der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem die Wertpapiere öffentlich angeboten werden; dies gilt auch für Nichtdividendenwerte, die auf andere Währungen als auf Euro lauten, wenn der Wert solcher Mindeststückelungen annähernd 1.000 Euro entspricht, c) für alle Drittstaatemittenten von Wertpapieren, die nicht in Buchstabe b genannt sind, je nach Wahl des Emittenten, des Anbieters oder des Zulassungsantragstellers entweder der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem die Wertpapiere erstmals öffentlich angeboten werden sollen, oder der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem der erste Antrag auf Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt gestellt wird, vorbehaltlich einer späteren Wahl durch den Drittstaatemittenten, wenn der Herkunftsstaat nicht gemäß seiner Wahl bestimmt wurde; 14. Aufnahmestaat: der Staat, in dem ein öffentliches Angebot unterbreitet oder die Zulassung zum Handel angestrebt wird, sofern dieser Staat nicht der Herkunftsstaat ist; 15. Staat des Europäischen Wirtschaftsraums: die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum;

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Text

WpPG

16. Organisierter Markt: ein im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt; 17. Bundesanstalt: die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. § 3 Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts und Ausnahmen im Hinblick auf die Art des Angebots. (1) 1Für Wertpapiere, die im Inland öffentlich angeboten werden, muss der Anbieter einen Prospekt veröffentlichen. 2 Dies gilt nicht, soweit ein Prospekt nach den Vorschriften dieses Gesetzes bereits veröffentlicht worden ist oder sofern sich aus Absatz 2 oder § 4 Abs. 1 etwas anderes ergibt. (2) 1Die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts gilt nicht für ein Angebot von Wertpapieren, 1. das sich ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet, 2. das sich in jedem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums an weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger richtet, 3. das sich an Anleger richtet, die bei jedem gesonderten Angebot Wertpapiere ab einem Mindestbetrag von 50.000 Euro pro Anleger erwerben können, 4. sofern die Wertpapiere eine Mindeststückelung von 50.000 Euro haben oder 5. sofern der Verkaufspreis für alle angebotenen Wertpapiere weniger als 100.000 Euro beträgt, wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen ist. 2 Jede spätere Weiterveräußerung von Wertpapieren, die zuvor Gegenstand einer oder mehrerer der in Satz 1 genannten Angebotsformen waren, ist als ein gesondertes Angebot anzusehen. 3Bei der Platzierung von Wertpapieren durch Institute im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder ein nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Kreditwesengesetzes tätiges Unternehmen ist ein Prospekt zu veröffentlichen, wenn die endgültige Platzierung keine der unter Satz 1 Nr. 1 bis 5 genannten Bedingungen erfüllt. (3) Für Wertpapiere, die im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, muss der Zulassungsantragsteller einen Prospekt veröffentlichen, soweit sich aus § 4 Abs. 2 nichts anderes ergibt. § 4 Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts im Hinblick auf bestimmte Wertpapiere. (1) Die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts gilt nicht für öffentliche Angebote folgender Arten von Wertpapieren:

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WpPG

Text

1. Aktien, die im Austausch für bereits ausgegebene Aktien derselben Gattung ausgegeben werden, ohne dass mit der Ausgabe dieser neuen Aktien eine Kapitalerhöhung verbunden ist; 2. Wertpapiere, die anlässlich einer Übernahme im Wege eines Tauschangebots angeboten werden, sofern ein Dokument verfügbar ist, dessen Angaben denen des Prospekts gleichwertig sind; 3. Wertpapiere, die anlässlich einer Verschmelzung angeboten oder zugeteilt werden oder zugeteilt werden sollen, sofern ein Dokument verfügbar ist, dessen Angaben denen des Prospekts gleichwertig sind; 4. Aktien, die den Aktionären nach einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln angeboten werden, sowie Dividenden in Form von Aktien derselben Gattung wie die Aktien, für die solche Dividenden ausgeschüttet werden, sofern ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über die Anzahl und die Art der Aktien enthält und in dem die Gründe und Einzelheiten zu dem Angebot dargelegt werden; 5. Wertpapiere, die derzeitigen oder ehemaligen Mitgliedern von Geschäftsführungsorganen oder Arbeitnehmern von ihrem Arbeitgeber, dessen Wertpapiere bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, oder von einem verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes angeboten werden, sofern ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über die Anzahl und die Art der Wertpapiere enthält und in dem die Gründe und die Einzelheiten zu dem Angebot dargelegt werden. (2) Die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts gilt nicht für die Zulassung folgender Arten von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt: 1. Aktien, die über einen Zeitraum von zwölf Monaten weniger als 10 Prozent der Zahl der Aktien derselben Gattung ausmachen, die bereits zum Handel an demselben organisierten Markt zugelassen sind; 2. Aktien, die im Austausch für bereits an demselben organisierten Markt zum Handel zugelassene Aktien derselben Gattung ausgegeben werden, ohne dass mit der Ausgabe dieser neuen Aktien eine Kapitalerhöhung verbunden ist; 3. Wertpapiere, die anlässlich einer Übernahme im Wege eines Tauschangebots angeboten werden, sofern ein Dokument verfügbar ist, dessen Angaben denen des Prospekts gleichwertig sind; 4. Wertpapiere, die anlässlich einer Verschmelzung angeboten oder zugeteilt werden oder zugeteilt werden sollen, sofern ein Dokument verfügbar ist, dessen Angaben denen des Prospekts gleichwertig sind; 5. Aktien, die nach einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln den Inhabern an demselben organisierten Markt zum Handel zugelassener Aktien derselben Gattung angeboten oder zugeteilt werden oder zugeteilt werden sollen, sowie Dividenden in Form von Aktien derselben Gattung wie die Aktien, für die solche Dividenden ausgeschüttet werden, sofern ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über die

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WpPG

Anzahl und die Art der Aktien enthält und in dem die Gründe und Einzelheiten zu dem Angebot dargelegt werden; 6. Wertpapiere, die derzeitigen oder ehemaligen Mitgliedern von Geschäftsführungsorganen oder Arbeitnehmern von ihrem Arbeitgeber oder von einem verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes angeboten oder zugeteilt werden oder zugeteilt werden sollen, sofern es sich dabei um Wertpapiere derselben Gattung handelt wie die Wertpapiere, die bereits zum Handel an demselben organisierten Markt zugelassen sind, und ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über die Anzahl und den Typ der Wertpapiere enthält und in dem die Gründe und Einzelheiten zu dem Angebot dargelegt werden; 7. Aktien, die nach der Ausübung von Umtausch- oder Bezugsrechten aus anderen Wertpapieren ausgegeben werden, sofern es sich dabei um Aktien derselben Gattung handelt wie die Aktien, die bereits zum Handel an demselben organisierten Markt zugelassen sind; 8. Wertpapiere, die bereits zum Handel an einem anderen organisierten Markt zugelassen sind, sofern sie folgende Voraussetzungen erfüllen: a) die Wertpapiere oder Wertpapiere derselben Gattung sind bereits länger als 18 Monate zum Handel an dem anderen organisierten Markt zugelassen, b) für die Wertpapiere wurde, sofern sie nach dem 30. Juni 1983 und bis einschließlich 31. Dezember 2003 erstmalig börsennotiert wurden, ein Prospekt gebilligt nach den Vorschriften des Börsengesetzes oder den Vorschriften anderer Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, die auf Grund der Richtlinie 80/390/EWG des Rates vom 17. März 1980 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist (ABl. EG Nr. L 100 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung oder auf Grund der Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung vonWertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen (ABl. EG Nr. L 184 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung erlassen worden sind; wurden die Wertpapiere nach dem 31. Dezember 2003 erstmalig zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen, muss die Zulassung zum Handel an dem anderen organisierten Markt mit der Billigung eines Prospekts einhergegangen sein, der in einer in § 14 Abs. 2 genannten Art und Weise veröffentlicht wurde, c) der Emittent der Wertpapiere hat die auf Grund der Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft erlassenen Vorschriften betreffend die Zulassung zum Handel an dem anderen organisierten Markt und die hiermit im Zusammenhang stehenden Informationspflichten erfüllt, d) der Zulassungsantragsteller erstellt ein zusammenfassendes Dokument in deutscher Sprache,

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WpPG

Text

e) das zusammenfassende Dokument nach Buchstabe d wird in einer in § 14 vorgesehenen Art und Weise veröffentlicht und f) der Inhalt dieses zusammenfassenden Dokuments entspricht den Anforderungen des § 5 Abs. 2 Satz 2. Ferner ist in diesem Dokument anzugeben, wo der neueste Prospekt sowie Finanzinformationen, die vom Emittenten entsprechend den für ihn geltenden Publizitätsvorschriften offen gelegt werden, erhältlich sind. (3) 1Das Bundesministerium der Finanzen kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmen, welche Voraussetzungen die Angaben in den in Absatz 1 Nr. 2 und 3 sowie Absatz 2 Nr. 3 und 4 genannten Dokumenten im Einzelnen erfüllen müssen, um gleichwertig im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 oder 3 oder im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 oder 4 zu sein. 2Dies kann auch in der Weise geschehen, dass Vorschriften des deutschen Rechts oder des Rechts anderer Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums bezeichnet werden, bei deren Anwendung die Gleichwertigkeit gegeben ist. 3Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. Abschnitt 2. Erstellung des Prospekts § 5 Prospekt. (1) 1Der Prospekt muss unbeschadet der Bestimmungen des § 8 Abs. 2 in leicht analysierbarer und verständlicher Form sämtliche Angaben enthalten, die im Hinblick auf den Emittenten und die öffentlich angebotenen oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Wertpapiere notwendig sind, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste, die Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers sowie über die mit diesen Wertpapieren verbundenen Rechte zu ermöglichen. 2Insbesondere muss der Prospekt Angaben über den Emittenten und über die Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, enthalten. 3Der Prospekt muss in einer Form abgefasst sein, die sein Verständnis und seine Auswertung erleichtern. (2) 1Der Prospekt muss eine Zusammenfassung enthalten. 2In der Zusammenfassung sind kurz und allgemein verständlich die wesentlichen Merkmale und Risiken zu nennen, die auf den Emittenten, jeden Garantiegeber und die Wertpapiere zutreffen. 3Die Zusammenfassung muss Warnhinweise enthalten, dass 1. sie als Einführung zum Prospekt verstanden werden sollte, 2. der Anleger jede Entscheidung zur Anlage in die betreffenden Wertpapiere auf die Prüfung des gesamten Prospekts stützen sollte, 3. für den Fall, dass vor einem Gericht Ansprüche auf Grund der in einem Prospekt enthaltenen Informationen geltend gemacht werden, der als Klä-

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ger auftretende Anleger in Anwendung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums die Kosten für die Übersetzung des Prospekts vor Prozessbeginn zu tragen haben könnte und 4. diejenigen Personen, die die Verantwortung für die Zusammenfassung einschließlich einer Übersetzung hiervon übernommen haben, oder von denen deren Erlass ausgeht, haftbar gemacht werden können, jedoch nur für den Fall, dass die Zusammenfassung irreführend, unrichtig oder widersprüchlich ist, wenn sie zusammen mit den anderen Teilen des Prospekts gelesen wird. 4 Betrifft der Prospekt die Zulassung von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro zum Handel an einem organisierten Markt, muss keine Zusammenfassung erstellt werden. (3) 1Der Prospekt ist mit dem Datum seiner Erstellung zu versehen und vom Anbieter zu unterzeichnen. 2Sollen auf Grund des Prospekts Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden, ist der Prospekt vom Zulassungsantragsteller zu unterzeichnen. (4) 1Der Prospekt muss Namen und Funktionen, bei juristischen Personen oder Gesellschaften die Firma und den Sitz der Personen oder Gesellschaften angeben, die für seinen Inhalt die Verantwortung übernehmen; er muss eine Erklärung dieser Personen oder Gesellschaften enthalten, dass ihres Wissens die Angaben richtig und keine wesentlichen Umstände ausgelassen sind. 2Im Falle des Absatzes 3 Satz 2 hat stets auch das Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätige Unternehmen, mit dem der Emittent zusammen die Zulassung der Wertpapiere beantragt, die Verantwortung zu übernehmen und muss der Prospekt dessen Erklärung nach Satz 1 enthalten. § 6 Basisprospekt. (1) Für die folgenden Wertpapierarten kann der Anbieter oder der Zulassungsantragsteller einen Basisprospekt erstellen, der alle nach den §§ 5 und 7 notwendigen Angaben zum Emittenten und den öffentlich anzubietenden oder zum Handel an einem organisierten Markt zuzulassenden Wertpapieren enthalten muss, nicht jedoch die endgültigen Bedingungen des Angebots: 1. Nichtdividendenwerte sowie Optionsscheine jeglicher Art, die im Rahmen eines Angebotsprogramms ausgegeben werden; 2. Nichtdividendenwerte, die dauernd oder wiederholt von Einlagenkreditinstituten begeben werden, a) sofern die Wertpapiere durch in ein Deckungsregister eingetragene Vermögensgegenstände gedeckt werden, die eine ausreichende Deckung der aus den betreffenden Wertpapieren erwachsenden Verbindlichkeiten bis zum Fälligkeitstermin bieten, und b) sofern die Vermögensgegenstände im Sinne des Buchstaben a im Falle der Insolvenz des Einlagenkreditinstituts unbeschadet der auf Grund der Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

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vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (ABl. EG Nr. L 125 S. 15) erlassenen Vorschriften vorrangig zur Rückzahlung des Kapitals und der aufgelaufenen Zinsen bestimmt sind. (2) Die Angaben des Basisprospekts sind erforderlichenfalls durch aktualisierte Angaben zum Emittenten und zu den Wertpapieren, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, nach Maßgabe des § 16 zu ergänzen. (3) 1Werden die endgültigen Bedingungen des Angebots weder in den Basisprospekt noch in einen Nachtrag nach § 16 aufgenommen, hat der Anbieter oder Zulassungsantragsteller sie spätestens am Tag des öffentlichen Angebots in der in § 14 genannten Art und Weise zu veröffentlichen. 2Der Anbieter oder Zulassungsantragsteller hat die endgültigen Bedingungen des Angebots zudem spätestens am Tag der Veröffentlichung bei der Bundesanstalt zu hinterlegen. 3Ist eine fristgerechte Veröffentlichung oder Hinterlegung aus praktischen Gründen nicht durchführbar, ist sie unverzüglich nachzuholen. 4§ 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 ist in den in Satz 1 genannten Fällen entsprechend anzuwenden. § 7 Mindestangaben. Die Mindestangaben, die in einen Prospekt aufzunehmen sind, bestimmen sich nach der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung (ABl. EU Nr. L 149 S. 1, Nr. L 215 S. 3). § 8 Nichtaufnahme von Angaben. (1) 1Für den Fall, dass der Ausgabepreis der Wertpapiere (Emissionspreis) und die Gesamtzahl der öffentlich angebotenen Wertpapiere (Emissionsvolumen) im Prospekt nicht genannt werden können, muss der Prospekt die Kriterien oder die Bedingungen angeben, anhand deren die Werte ermittelt werden. 2Abweichend hiervon kann bezüglich des Emissionspreises der Prospekt auch den Höchstpreis angeben. 3Enthält der Prospekt nicht die nach Satz 1 oder Satz 2 erforderlichen Kriterien oder Bedingungen, hat der Erwerber das Recht, seine auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung innerhalb von zwei Werktagen nach Hinterlegung des endgültigen Emissionspreises und des Emissionsvolumens zu widerrufen. 4Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und ist in Textform gegenüber der im Prospekt als Empfänger des Widerrufs bezeichneten Person zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. 5Auf die Rechtsfolgen des Widerrufs ist § 357 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anzuwenden. 6Der Anbieter oder Zulassungsantragsteller muss den endgültigen Emissionspreis und das Emissionsvolumen unverzüglich nach deren Festlegung in einer nach § 14 Abs. 2 zulässigen Art und Weise veröffentlichen. 7Erfolgt kein öffentliches Angebot, sind der endgültige Emissionspreis und das Emissionsvolumen spätestens einen-

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Werktag vor der Einführung der Wertpapiere zu veröffentlichen. 8Werden Nichtdividendenwerte eingeführt, ohne dass ein öffentliches Angebot erfolgt, kann die Veröffentlichung nach Satz 6 nachträglich vorgenommen werden, wenn die Nichtdividendenwerte während einer längeren Dauer und zu veränderlichen Preisen ausgegeben werden. 9Der endgültige Emissionspreis und das Emissionsvolumen sind zudem stets am Tag der Veröffentlichung bei der Bundesanstalt zu hinterlegen. 10Der Prospekt muss in den Fällen des Satzes 3 an hervorgehobener Stelle eine Belehrung über das Widerrufsrecht enthalten. (2) Die Bundesanstalt kann gestatten, dass bestimmte Angaben, die nach diesem Gesetz oder der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 vorgeschrieben sind, nicht aufgenommen werden müssen, wenn 1. die Verbreitung dieser Angaben dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft, 2. die Verbreitung dieser Angaben dem Emittenten erheblichen Schaden zufügt, sofern die Nichtveröffentlichung das Publikum nicht über die für eine fundierte Beurteilung des Emittenten, des Anbieters, des Garantiegebers und der Wertpapiere, auf die sich der Prospekt bezieht, wesentlichen Tatsachen und Umstände täuscht, oder 3. die Angaben für das spezielle Angebot oder für die spezielle Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt von untergeordneter Bedeutung und nicht geeignet sind, die Beurteilung der Finanzlage und der Entwicklungsaussichten des Emittenten, Anbieters oder Garantiegebers zu beeinflussen. (3) Sind bestimmte Angaben, die nach der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 in den Prospekt aufzunehmen sind, dem Tätigkeitsbereich oder der Rechtsform des Emittenten oder den Wertpapieren, auf die sich der Prospekt bezieht, ausnahmsweise nicht angemessen, hat der Prospekt unbeschadet einer angemessenen Information des Publikums Angaben zu enthalten, die den geforderten Angaben gleichwertig sind. § 9 Gültigkeit des Prospekts, des Basisprospekts und des Registrierungsformulars. (1) Ein Prospekt ist nach seiner Veröffentlichung zwölf Monate lang für öffentliche Angebote oder Zulassungen zum Handel an einem organisierten Markt gültig, sofern er um die nach § 16 erforderlichen Nachträge ergänzt wird. (2) Im Falle eines Angebotsprogramms ist der Basisprospekt nach seiner Veröffentlichung zwölf Monate lang gültig. (3) Bei Nichtdividendenwerten im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 ist der Prospekt gültig, bis keines der betroffenenWertpapiere mehr dauernd oder wiederholt ausgegeben wird. (4) 1Ein hinterlegtes Registrierungsformular im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 3 ist zwölf Monate gültig. 2Das Registrierungsformular ist zusammen mit der Wertpapierbeschreibung und der Zusammenfassung als gültiger Prospekt anzusehen.

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(5) Nach Ablauf der Gültigkeit darf auf Grund dieses Prospekts kein neues öffentliches Angebot von Wertpapieren erfolgen oder deren Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt werden. § 10 Jährliches Dokument. (1) 1Ein Emittent, dessen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, hat mindestens einmal jährlich dem Publikum ein Dokument in der in Satz 2 vorgesehenen Weise zur Verfügung zu stellen, das alle Informationen enthält oder auf sie verweist, die der Emittent in den vorausgegangenen zwölf Monaten auf Grund 1. der §§ 15, 15a, 26, 30b Abs. 1 und 2, §§ 30e, 30f Abs. 2, §§ 37v, 37w, 37x, 37y, 37z Abs. 4 des Wertpapierhandelsgesetzes, 2. weggefallen 3. des § 42 Abs. 1 des Börsengesetzes in Verbindung mit einer Börsenordnung oder 4. der den Nummern 1 bis 3 entsprechenden ausländischen Vorschriften veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt hat. 2Das Dokument ist dem Publikum zur Verfügung zu stellen, indem es entsprechend § 14 Abs. 2 in der dort beschriebenen Weise veröffentlicht wird. (2) 1Der Emittent hat das Dokument nach der Offenlegung des Jahresabschlusses bei der Bundesanstalt zu hinterlegen. 2Verweist das Dokument auf Angaben, so ist anzugeben, wo diese zu erhalten sind. (3) Die in Absatz 1 genannte Verpflichtung gilt nicht für Emittenten von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro. § 11 Angaben in Form eines Verweises. (1) 1Der Prospekt kann Angaben in Form eines Verweises auf ein oder mehrere zuvor oder gleichzeitig veröffentlichte Dokumente enthalten, die nach diesem Gesetz, insbesondere nach § 10, oder den in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. EU Nr. L 345 S. 64) erlassenen Vorschriften oder nach dem Börsengesetz oder den in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums zur Umsetzung der Titel IV und V der Richtlinie 2001/34/EG erlassenen Vorschriften von der zuständigen Behörde gebilligt oder bei ihr hinterlegt wurden. 2Dabei muss es sich um die aktuellsten Angaben handeln, die dem Emittenten zur Verfügung stehen. 3Die Zusammenfassung darf keine Angaben in Form eines Verweises enthalten. (2) Werden Angaben in Form eines Verweises aufgenommen, muss der Prospekt eine Liste enthalten, die angibt, an welchen Stellen Angaben im Wege des Verweises in den Prospekt aufgenommen worden sind, um welche Angaben es sich handelt und wo die im Wege des Verweises einbezogenen Angaben veröffentlicht sind.

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§ 12 Prospekt aus einem oder mehreren Einzeldokumenten. (1) 1Der Prospekt kann als ein einziges Dokument oder in mehreren Einzeldokumenten erstellt werden. 2Besteht ein Prospekt aus mehreren Einzeldokumenten, so sind die geforderten Angaben auf ein Registrierungsformular, eine Wertpapierbeschreibung und eine Zusammenfassung aufzuteilen. 3Das Registrierungsformular muss die Angaben zum Emittenten enthalten. 4Die Wertpapierbeschreibung muss die Angaben zu den Wertpapieren, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, enthalten. 5Für die Zusammenfassung gilt § 5 Abs. 2 Satz 2 bis 4. 6Ein Basisprospekt darf nicht in mehreren Einzeldokumenten erstellt werden. (2) Ein Emittent, dessen Registrierungsformular bereits von der Bundesanstalt gebilligt wurde, ist zur Erstellung der Wertpapierbeschreibung und der Zusammenfassung verpflichtet, wenn die Wertpapiere öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden. (3) 1Im Falle des Absatzes 2 enthält die Wertpapierbeschreibung die Angaben, die im Registrierungsformular enthalten sein müssen, wenn es seit der Billigung des letzten aktualisierten Registrierungsformulars oder eines Nachtrags nach § 16 zu erheblichen Veränderungen oder neuen Entwicklungen gekommen ist, die sich auf die Beurteilung durch das Publikum auswirken könnten. 2Die Wertpapierbeschreibung und die Zusammenfassung werden von der Bundesanstalt gesondert gebilligt. (4) Hat ein Emittent nur ein nicht gebilligtes Registrierungsformular hinterlegt, so bedürfen alle Dokumente der Billigung der Bundesanstalt. Abschnitt 3. Billigung und Veröffentlichung des Prospekts § 13 Billigung des Prospekts. (1) 1Ein Prospekt darf vor seiner Billigung nicht veröffentlicht werden. 2Die Bundesanstalt entscheidet über die Billigung nach Abschluss einer Vollständigkeitsprüfung des Prospekts einschließlich einer Prüfung der Kohärenz und Verständlichkeit der vorgelegten Informationen. (2) 1Die Bundesanstalt teilt dem Anbieter oder dem Zulassungsantragsteller innerhalb von zehn Werktagen nach Eingang des Prospekts ihre Entscheidung mit. 2Die Frist beträgt 20 Werktage, wenn das öffentliche Angebot Wertpapiere eines Emittenten betrifft, dessen Wertpapiere noch nicht zum Handel an einem in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums gelegenen organisierten Markt zugelassen sind und der Emittent zuvor keine Wertpapiere öffentlich angeboten hat. (3) 1Hat die Bundesanstalt Anhaltspunkte, dass der Prospekt unvollständig ist oder es ergänzender Informationen bedarf, so gelten die in Absatz 2 genannten Fristen erst ab dem Zeitpunkt, an dem diese Informationen eingehen. 2Die Bundesanstalt soll den Anbieter oder Zulassungsantragsteller hierüber innerhalb von zehn Werktagen ab Eingang des Prospekts unterrichten.

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(4) Die Bundesanstalt macht die gebilligten Prospekte auf ihrer Internetseite für jeweils zwölf Monate zugänglich. (5) 1Die Bundesanstalt kann vom Anbieter oder Zulassungsantragsteller verlangen, dass der Prospekt einschließlich der Übersetzung der Zusammenfassung ihr in elektronischer Form übermittelt wird. 2Hat der Anbieter oder Zulassungsantragsteller die in Satz 1 genannten Dokumente bereits in Papierform eingereicht, hat er gegenüber der Bundesanstalt schriftlich zu erklären, dass die in elektronischer Form übermittelten Dokumente mit den eingereichten Dokumenten übereinstimmen. § 14 Hinterlegung und Veröffentlichung des Prospekts. (1) 1Nach seiner Billigung hat der Anbieter oder Zulassungsantragsteller den Prospekt bei der Bundesanstalt zu hinterlegen und unverzüglich, spätestens einen Werktag vor Beginn des öffentlichen Angebots, nach Absatz 2 zu veröffentlichen. 2 Werden die Wertpapiere ohne öffentliches Angebot in den Handel an einem organisierten Markt eingeführt, ist Satz 1 mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass für den Zeitpunkt der spätesten Veröffentlichung anstelle des Beginns des öffentlichen Angebots die Einführung der Wertpapiere maßgebend ist. 3Findet vor der Einführung der Wertpapiere ein Handel von Bezugsrechten im organisierten Markt statt, muss der Prospekt mindestens einen Werktag vor dem Beginn dieses Handels veröffentlicht werden. 4Im Falle eines ersten öffentlichen Angebots einer Gattung von Aktien, für die der Emittent noch keine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt erhalten hat, muss die Frist zwischen dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prospekts nach Satz 1 und dem Abschluss des Angebots mindestens sechs Werktage betragen. (2) Der Prospekt ist zu veröffentlichen 1. in einer oder mehreren Wirtschafts- oder Tageszeitungen, die in den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, in denen das öffentliche Angebot unterbreitet oder die Zulassung zum Handel angestrebt wird, weit verbreitet sind, 2. indem der Prospekt in gedruckter Form zur kostenlosen Ausgabe an das Publikum bereitgehalten wird a) bei den zuständigen Stellen des organisierten Marktes, an dem die Wertpapiere zum Handel zugelassen werden sollen, b) beim Emittenten, c) bei den Instituten im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder den nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätigen Unternehmen, die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, oder d) bei den Zahlstellen, 3. auf der Internetseite a) des Emittenten, b) der Institute im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder der nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengeset-

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zes tätigen Unternehmen, die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, oder c) der Zahlstellen oder 4. auf der Internetseite des organisierten Marktes, für den die Zulassung zum Handel beantragt wurde. (3) Der Anbieter oder der Zulassungsantragsteller hat der Bundesanstalt Datum und Ort der Veröffentlichung des Prospekts unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (4) 1Wird der Prospekt in mehreren Einzeldokumenten erstellt oder enthält er Angaben in Form eines Verweises, können die den Prospekt bildenden Dokumente und Angaben getrennt in einer der in Absatz 2 genannten Art und Weise veröffentlicht werden. 2In jedem Einzeldokument ist anzugeben, wo die anderen Einzeldokumente erhältlich sind, die zusammen mit diesem den vollständigen Prospekt bilden. (5) Wird der Prospekt im Internet veröffentlicht, so muss dem Anleger vom Anbieter, vom Zulassungsantragsteller oder von den Instituten im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder den nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätigen Unternehmen, die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, auf Verlangen eine Papierversion kostenlos zur Verfügung gestellt werden. (6) 1Der hinterlegte Prospekt wird von der Bundesanstalt zehn Jahre aufbewahrt. 2Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Prospekt hinterlegt worden ist. § 15 Werbung. (1) 1Jede Art von Werbung, die sich auf ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder auf eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt bezieht, muss nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 erfolgen. 2 Die Absätze 2 bis 4 sind nur anzuwenden, wenn das öffentliche Angebot vonWertpapieren oder die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt prospektpflichtig ist. (2) In allen Werbeanzeigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Prospekt veröffentlicht wurde oder zur Veröffentlichung ansteht und wo die Anleger ihn erhalten können. (3) 1Werbeanzeigen müssen als solche klar erkennbar sein. 2Die darin enthaltenen Angaben dürfen nicht unrichtig oder irreführend sein. 3Die Angaben dürfen darüber hinaus nicht im Widerspruch zu den Angaben stehen, die der Prospekt enthält oder die im Prospekt enthalten sein müssen, falls dieser erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht wird. (4) Alle über das öffentliche Angebot oder die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt verbreiteten Informationen, auch wenn sie nicht zu Werbezwecken dienen, müssen mit den im Prospekt enthaltenen Angaben übereinstimmen. (5) 1Besteht nach diesem Gesetz keine Prospektpflicht, muss der Anbieter wesentliche Informationen über den Emittenten oder über ihn selbst, die sich an qualifizierte Anleger oder besondere Anlegergruppen richten, ein-

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schließlich Informationen, die im Verlauf von Veranstaltungen betreffend Angebote von Wertpapieren mitgeteilt werden, allen qualifizierten Anlegern oder allen besonderen Anlegergruppen, an die sich das Angebot ausschließlich richtet, mitteilen. 2Muss ein Prospekt veröffentlicht werden, sind solche Informationen in den Prospekt oder in einen Nachtrag zum Prospekt gemäß § 16 Abs. 1 aufzunehmen. (6) 1Hat die Bundesanstalt Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Absätze 2 bis 5, kann sie anordnen, dass die Werbung für jeweils höchstens zehn aufeinander folgende Tage auszusetzen ist. 2Die Bundesanstalt kann die Werbung mit Angaben untersagen, die geeignet sind, über den Umfang der Prüfung nach § 13 oder § 16 irrezuführen. 3Vor allgemeinen Maßnahmen nach Satz 2 sind die Spitzenverbände der betroffenen Wirtschaftskreise und des Verbraucherschutzes zu hören. § 16 Nachtrag zum Prospekt. (1) 1Jeder wichtige neue Umstand oder jede wesentliche Unrichtigkeit in Bezug auf die im Prospekt enthaltenen Angaben, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen könnten und die nach der Billigung des Prospekts und vor dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder der Einführung oder Einbeziehung in den Handel auftreten oder festgestellt werden, müssen in einem Nachtrag zum Prospekt genannt werden. 2Der Anbieter oder Zulassungsantragsteller muss den Nachtrag bei der Bundesanstalt einreichen. 3Der Nachtrag ist innerhalb von höchstens sieben Werktagen nach Eingang bei der Bundesanstalt nach § 13 zu billigen. 4Nach der Billigung muss der Anbieter oder Zulassungsantragsteller den Nachtrag unverzüglich in derselben Art und Weise wie den ursprünglichen Prospekt nach § 14 veröffentlichen. (2) Die Zusammenfassung und etwaige Übersetzungen davon sind um die im Nachtrag enthaltenen Informationen zu ergänzen. (3) 1Anleger, die vor der Veröffentlichung des Nachtrags eine auf den Erwerb oder die Zeichnung der Wertpapiere gerichtete Willenserklärung abgegeben haben, können diese innerhalb einer Frist von zwei Werktagen nach Veröffentlichung des Nachtrags widerrufen, sofern noch keine Erfüllung eingetreten ist. 2§ 8 Abs. 1 Satz 3 bis 5 ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle der im Prospekt als Empfänger des Widerrufs bezeichneten Person die im Nachtrag als Empfänger des Widerrufs bezeichnete Person tritt. 3Der Nachtrag muss an hervorgehobener Stelle eine Belehrung über das Widerrufsrecht nach Satz 1 enthalten. Abschnitt 4. Grenzüberschreitende Angebote und Zulassung zum Handel § 17 Grenzüberschreitende Geltung gebilligter Prospekte. (1) Soll ein Wertpapier auch oder ausschließlich in einem oder mehreren anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden, so ist unbeschadet des § 24 der von der Bundesanstalt gebilligte Prospekt einschließlich etwaiger Nachträge in beliebig vielen Aufnahmestaaten ohne zusätzliches Bil-

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ligungsverfahren für ein öffentliches Angebot oder für die Zulassung zum Handel gültig, sofern die zuständige Behörde jedes Aufnahmestaates nach § 18 unterrichtet wird. (2) 1Sind seit der Billigung des Prospekts wichtige neue Umstände oder wesentliche Unrichtigkeiten im Sinne von § 16 aufgetreten, hat die Bundesanstalt vom Anbieter oder Zulassungsantragsteller die Einreichung eines Nachtrags zum Prospekt zur Billigung und dessen Veröffentlichung zu verlangen. 2Hat die Bundesanstalt Anhaltspunkte dafür, dass ein Nachtrag nach § 16 zu veröffentlichen ist, kann sie diese nach § 23 der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates übermitteln. (3) Ein von der zuständigen Behörde eines anderen Staates des Europäischen Wirtschaftsraums gebilligter Prospekt einschließlich etwaiger Nachträge ist in der Bundesrepublik Deutschland ohne zusätzliches Billigungsverfahren für ein öffentliches Angebot oder für die Zulassung zum Handel gültig, sofern die Bundesanstalt nach den § 18 entsprechenden Vorschriften des Herkunftsstaates unterrichtet wird und die Sprache des Prospekts die Anforderungen des § 19 Abs. 4 und 5 erfüllt. § 18 Bescheinigung der Billigung. (1) 1Die Bundesanstalt übermittelt den zuständigen Behörden der Aufnahmestaaten auf Antrag des Anbieters oder Zulassungsantragstellers innerhalb von drei Werktagen eine Bescheinigung über die Billigung des Prospekts, aus der hervorgeht, dass der Prospekt gemäß diesem Gesetz erstellt wurde, sowie eine Kopie dieses Prospekts. 2Wird der Antrag zusammen mit der Einreichung des Prospekts zur Billigung gestellt, so beträgt die Frist nach Satz 1 einen Werktag nach Billigung des Prospekts. 3Der Anbieter oder Zulassungsantragsteller hat dem Antrag die Übersetzungen der Zusammenfassung gemäß der für den Prospekt geltenden Sprachenregelung des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaates beizufügen. (2) Absatz 1 ist auf gebilligte Nachträge zum Prospekt entsprechend anzuwenden. (3) Im Falle einer Gestattung nach § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 sind die Vorschriften, auf denen sie beruht, in der Bescheinigung zu nennen und ihre Anwendung zu begründen. Abschnitt 5. Sprachenregelung und Emittenten mit Sitz in Drittstaaten § 19 Sprachenregelung. (1) 1Werden Wertpapiere, für die der Herkunftsstaat des Emittenten die Bundesrepublik Deutschland ist, im Inland öffentlich angeboten oder wird im Inland die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt und nicht auch in einem anderen Staat oder mehreren anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, ist der Prospekt in deutscher Sprache zu erstellen. 2Die Bundesanstalt kann die Erstellung eines Prospekts in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache gestatten, sofern der Prospekt auch eine Übersetzung der Zusammenfassung in die deutsche Sprache enthält und im Einzelfall unter Berück-

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sichtigung der Art der Wertpapiere eine ausreichende Information des Publikums gewährleistet erscheint. (2) 1Werden Wertpapiere, für die der Herkunftsstaat des Emittenten die Bundesrepublik Deutschland ist, nicht im Inland öffentlich angeboten und wird nicht im Inland die Zulassung an einem organisierten Markt beantragt, sondern nur in einem anderen Staat oder mehreren anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, kann der Anbieter oder Zulassungsantragsteller den Prospekt nach seiner Wahl in einer von der zuständigen Behörde des Aufnahmestaates oder den zuständigen Behörden der Aufnahmestaaten anerkannten Sprache oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache erstellen. 2In den Fällen des Satzes 1 ist der Prospekt zusätzlich in einer von der Bundesanstalt anerkannten oder in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache zu erstellen, sofern eine solche Sprache nicht bereits nach Satz 1 gewählt worden ist. (3) 1Werden Wertpapiere, für die der Herkunftsstaat des Emittenten die Bundesrepublik Deutschland ist, im Inland öffentlich angeboten oder wird im Inland die Zulassung an einem organisierten Markt beantragt und werden die Wertpapiere auch in einem anderen Staat oder mehreren anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums öffentlich angeboten oder wird auch dort die Zulassung zum Handel beantragt, ist der Prospekt in deutscher oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache zu erstellen. 2Ist der Prospekt nicht in deutscher Sprache erstellt, muss er auch eine Übersetzung der Zusammenfassung in die deutsche Sprache enthalten. (4) 1Werden Wertpapiere, für die der Herkunftsstaat des Emittenten nicht die Bundesrepublik Deutschland ist, im Inland öffentlich angeboten oder wird im Inland die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt, kann der Prospekt in einer von der Bundesanstalt anerkannten Sprache oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache erstellt werden. 2Ist der Prospekt nicht in deutscher Sprache erstellt, muss er auch eine Übersetzung der Zusammenfassung in die deutsche Sprache enthalten. (5) Wird die Zulassung von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro zum Handel an einem organisierten Markt in einem Staat oder mehreren Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums beantragt, kann der Prospekt in einer von der Bundesanstalt und der zuständigen Behörde des Aufnahmestaates oder den zuständigen Behörden der Aufnahmestaaten anerkannten Sprache oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache erstellt werden. § 20 Drittstaatemittenten. (1) Die Bundesanstalt kann einen Prospekt, der von einem Emittenten nach den für ihn geltenden Rechtsvorschritten eines Staates, der nicht Staat des Europäischen Wirtschaftsraums ist, erstellt worden ist, für ein öffentliches Angebot oder die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt billigen, wenn 1. dieser Prospekt nach den von internationalen Organisationen von Wertpapieraufsichtsbehörden festgelegten internationalen Standards, ein-

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schließlich der Offenlegungsstandards der International Organisation of Securities Commissions (IOSCO), erstellt wurde und 2. die Informationspflichten, auch in Bezug auf Finanzinformationen, den Anforderungen dieses Gesetzes gleichwertig sind. (2) Die §§ 17, 18 und 19 sind entsprechend anzuwenden. (3) 1Das Bundesministerium der Finanzen kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Informationspflichten gleichwertig im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 sind. 2Dies kann auch in der Weise geschehen, dass Vorschriften bezeichnet werden, bei deren Anwendung die Gleichwertigkeit gegeben ist. 3 Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. Abschnitt 6. Zuständige Behörde und Verfahren § 21 Befugnisse der Bundesanstalt. (1) Ist bei der Bundesanstalt ein Prospekt zur Billigung eingereicht worden, kann sie vom Anbieter oder Zulassungsantragsteller die Aufnahme zusätzlicher Angaben in den Prospekt verlangen, wenn dies zum Schutz des Publikums geboten erscheint. (2) 1Die Bundesanstalt kann vom Emittenten, Anbieter oder Zulassungsantragsteller Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien verlangen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes erforderlich ist. 2Die Befugnis nach Satz 1 besteht auch gegenüber 1. einem mit dem Emittenten, dem Anbieter oder Zulassungsantragsteller verbundenen Unternehmen, 2. demjenigen, bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Anbieter im Sinne dieses Gesetzes ist. 3 Im Falle des Satzes 2 Nr. 2 dürfen Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien nur insoweit verlangt werden, als sie für die Prüfung, ob es sich um einen Anbieter im Sinne dieses Gesetzes handelt, erforderlich sind. (3) Die Bundesanstalt kann von den Abschlussprüfern und Mitgliedern von Aufsichts- oder Geschäftsführungsorganen des Emittenten, des Anbieters oder Zulassungsantragstellers sowie von den mit der Platzierung des öffentlichen Angebots oder der Zulassung zum Handel beauftragten Instituten im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder einem nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätigen Unternehmen Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien verlangen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes erforderlich ist. (4) 1Die Bundesanstalt hat ein öffentliches Angebot zu untersagen, wenn entgegen § 3 kein Prospekt veröffentlicht wurde, entgegen § 13 ein Prospekt

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veröffentlicht wird, der Prospekt oder das Registrierungsformular nicht mehr nach § 9 gültig ist, die Billigung des Prospekts nicht durch eine Bescheinigung im Sinne des § 18 Abs. 1 nachgewiesen worden ist oder der Prospekt nicht der Sprachenregelung des § 19 genügt. 2Hat die Bundesanstalt Anhaltspunkte dafür, dass gegen eine oder mehrere der in Satz 1 genannten Bestimmungen verstoßen wurde, kann sie jeweils anordnen, dass ein öffentliches Angebot für höchstens zehn Tage auszusetzen ist. 3Die nach Satz 2 gesetzte Frist beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung. (5) Die Bundesanstalt kann der Geschäftsführung der Börse und der Zulassungsstelle Daten einschließlich personenbezogener Daten übermitteln, wenn Tatsachen den Verdacht begründen, dass gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen worden ist und die Daten zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der Geschäftsführung der Börse oder der Zulassungsstelle liegenden Aufgaben erforderlich sind. (6) 1Der zur Erteilung einer Auskunft Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. 2Der Verpflichtete ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. (7) Die Bundesanstalt darf personenbezogene Daten nur zur Erfüllung ihrer aufsichtlichen Aufgaben und für Zwecke der Zusammenarbeit nach Maßgabe des § 23 verwenden. (8) 1Werden der Bundesanstalt bei einem Prospekt, auf Grund dessen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, Umstände bekannt gegeben, auf Grund derer begründete Anhaltspunkte für die wesentliche inhaltliche Unrichtigkeit oder wesentliche inhaltliche Unvollständigkeit des Prospekts bestehen, die zu einer Übervorteilung des Publikums führen, stehen ihr die Befugnisse des Absatzes 2 zu. 2 Die Bundesanstalt kann in den Fällen des Satzes 1 vom Anbieter verlangen, das öffentliche Angebot bis zur Klärung des Sachverhalts auszusetzen. 3 Steht die inhaltliche Unrichtigkeit oder inhaltliche Unvollständigkeit des Prospekts fest, kann die Bundesanstalt die Billigung widerrufen und das öffentliche Angebot untersagen. 4Die Bundesanstalt kann nach Satz 1 erhobene Daten sowie Entscheidungen nach den Sätzen 2 und 3 der Geschäftsführung der Börse und inländischen sowie ausländischen Zulassungsstellen übermitteln, soweit diese Informationen zur Erfüllung deren Aufgaben erforderlich sind. § 22 Verschwiegenheitspflicht. (1) 1Die bei der Bundesanstalt Beschäftigten und die nach § 4 Abs. 3 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes beauftragten Personen dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse eines nach diesem Gesetz Verpflichteten oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie personenbezogene Daten, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre

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Tätigkeit beendet ist. 2Dies gilt auch für andere Personen, die durch dienstliche Berichterstattung Kenntnis von den in Satz 1 bezeichneten Tatsachen erhalten. 3Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an 1. Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte, 2. kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Überwachung von Börsen oder anderen Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, des Handels mit Finanzinstrumenten oder Devisen, von Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten, Investmentgesellschaften, Finanzunternehmen oder Versicherungsunternehmen betraute Stellen sowie von diesen beauftragte Personen, soweit diese Stellen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. 4 Für die bei diesen Stellen beschäftigten Personen gilt die Verschwiegenheitspflicht nach Satz 1 entsprechend. 5An eine Stelle eines anderen Staates dürfen die Tatsachen nur weitergegeben werden, wenn diese Stelle und die von ihr beauftragten Personen einer dem Satz 1 entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen. (2) 1Die §§ 93, 97 und 105 Abs. 1, § 111 Abs. 5 in Verbindung mit § 105 Abs. 1 sowie § 116 Abs. 1 der Abgabenordnung gelten nicht für die in Absatz 1 Satz 1 oder 2 genannten Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden. 2Sie finden Anwendung, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, und nicht Tatsachen betroffen sind, die den in Absatz 1 Satz 1 oder 2 bezeichneten Personen durch eine Stelle eines anderen Staates im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 Nr. 2 oder durch von dieser Stelle beauftragte Personen mitgeteilt worden sind. § 23 Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums. (1) 1Der Bundesanstalt obliegt die Zusammenarbeit mit den für die Überwachung öffentlicher Angebote oder die Zulassung von Wertpapieren an einem organisierten Markt zuständigen Stellen der anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums. 2Die Bundesanstalt kann im Rahmen ihrer Zusammenarbeit zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und entsprechender Bestimmungen der in Satz 1 genannten Staaten von allen ihr nach dem Gesetz zustehenden Befugnissen Gebrauch machen, soweit dies geeignet und erforderlich ist, einem Ersuchen der in Satz 1 genannten Stellen nachzukommen. (2) 1Auf Ersuchen der in Absatz 1 Satz 1 genannten zuständigen Stellen kann die Bundesanstalt Untersuchungen durchführen und Informationen übermitteln, soweit dies für die Überwachung von organisierten Märkten sowie von Emittenten, Anbietern oder Zulassungsantragstellern oder deren Abschlussprüfern oder Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen nach den

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Vorschriften dieses Gesetzes und entsprechenden Vorschriften der in Absatz 1 genannten Staaten oder damit zusammenhängender Verwaltungsoder Gerichtsverfahren erforderlich ist. 2Bei der Übermittlung von Informationen hat die Bundesanstalt den Empfänger darauf hinzuweisen, dass er unbeschadet seiner Verpflichtungen im Rahmen von Strafverfahren die übermittelten Informationen einschließlich personenbezogener Daten nur zur Erfüllung von Überwachungsaufgaben nach Satz 1 und für damit zusammenhängende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren verwenden darf. (3) Die Bundesanstalt kann eine Untersuchung oder die Übermittlung von Informationen verweigern, wenn 1. hierdurch die Souveränität, die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden könnte, 2. auf Grund desselben Sachverhalts gegen die betreffenden Personen bereits ein gerichtliches Verfahren eingeleitet worden oder eine unanfechtbare Entscheidung ergangen ist oder 3. die Untersuchung oder die Übermittlung von Informationen nach dem deutschen Recht nicht zulässig ist. (4) 1Die Bundesanstalt kann die in Absatz 1 Satz 1 genannten zuständigen Stellen um die Durchführung von Untersuchungen und die Übermittlung von Informationen ersuchen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach den Vorschriften dieses Gesetzes erforderlich sind, insbesondere wenn für einen Emittenten mehrere Behörden des Herkunftsstaates zuständig sind, oder wenn die Aussetzung oder Untersagung des Handels bestimmter Wertpapiere verlangt wird, die in mehreren Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums gehandelt werden. 2Werden der Bundesanstalt von einer Stelle eines anderen Staates des Europäischen Wirtschaftsraums Informationen mitgeteilt, so darf sie diese unbeschadet ihrer Verpflichtungen in strafrechtlichen Angelegenheiten, die Verstöße gegen Vorschriften dieses Gesetzes zum Gegenstand haben, nur zur Erfüllung von Überwachungsaufgaben nach Absatz 2 Satz 1 und für damit zusammenhängende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren offenbaren oder verwerten. 3Eine anderweitige Verwendung der Informationen ist nur mit Zustimmung der übermittelnden Stelle zulässig. (5) Die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes über die Zusammenarbeit mit den entsprechenden zuständigen Stellen anderer Staaten sowie die Regelungen über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen bleiben unberührt. § 24 Vorsichtsmaßnahmen. (1) 1Verstößt der Emittent, ein mit der Platzierung des öffentlichen Angebots beauftragtes Institut im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder ein mit der Platzierung beauftragtes nach § 53 Abs. 1 Satz 1, § 53b Abs. 1 oder 7 des Kreditwesengesetzes tätiges Unternehmen gegen § 3 Abs. 1 oder 3, die §§ 7, 9, 10, 14 bis 16, 18 oder 19 oder gegen Zulassungsfolgepflichten, kann die Bundesanstalt diese Informationen der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates übermitteln. 2§ 23 Abs. 3 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

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(2) 1Verstößt der Emittent, ein mit der Platzierung des öffentlichen Angebots beauftragtes Institut im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder ein mit der Platzierung beauftragtes nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätiges Unternehmen trotz der von der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates ergriffenen Maßnahmen oder weil Maßnahmen der Behörde des Herkunftsstaates unzweckmäßig sind, gegen die einschlägigen Rechts- oder Verwaltungsbestimmungen, so kann die Bundesanstalt nach vorheriger Unterrichtung der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates alle für den Schutz des Publikums erforderlichen Maßnahmen ergreifen. 2Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist zum frühestmöglichen Zeitpunkt über derartige Maßnahmen zu unterrichten. § 25 Bekanntmachung von Maßnahmen. Die Bundesanstalt kann unanfechtbare Maßnahmen, die sie wegen Verstößen gegen Verbote oder Gebote dieses Gesetzes getroffen hat, auf ihrer Internetseite öffentlich bekannt machen, soweit dies zur Beseitigung oder Verhinderung von Missständen geboten ist, es sei denn, diese Veröffentlichung würde die Finanzmärkte erheblich gefährden oder zu einem unverhältnismäßigen Schaden bei den Beteiligten führen. § 26 Sofortige Vollziehung. Keine aufschiebende Wirkung haben 1. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach § 15 Abs. 6 und § 21 sowie 2. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Androhung oder Festsetzung von Zwangsmitteln. Abschnitt 7. Sonstige Vorschriften § 27 Register. (1) Natürliche Personen sowie kleine oder mittlere Unternehmen können sich in ein bei der Bundesanstalt geführtes Register für qualifizierte Anleger eintragen lassen. (2) 1Eine natürliche Person wird auf Antrag für die Dauer eines Jahres in das Register eingetragen, wenn sie zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens zwei der folgenden Voraussetzungen erfüllt: 1. die Person hat in großem Umfang Geschäfte an Wertpapiermärkten durchgeführt und dabei in den letzten vier Quartalen durchschnittlich mindestens zehn Transaktionen pro Quartal getätigt, 2. der Wert ihres Wertpapierportfolios übersteigt 500.000 Euro oder 3. die Person war mindestens ein Jahr lang im Finanzsektor in einer beruflichen Position tätig, die Kenntnis auf dem Gebiet der Wertpapieranlage voraussetzt. 2 Kleine und mittlere Unternehmen werden auf Antrag für die Dauer eines Jahres in das Register eingetragen, wenn sie im Zeitpunkt der Antragstellung die in § 2 Nr. 7 genannten Voraussetzungen erfüllen.

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(3) 1Die Eintragung verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn vor Ablauf des Jahres die Verlängerung beantragt und nachgewiesen wird, dass die Voraussetzungen für die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 weiterhin vorliegen. 2Die eingetragenen Personen und Unternehmen können von der Bundesanstalt jederzeit die Löschung ihrer Daten innerhalb von zwei Wochen ab Eingang des Löschungsantrages verlangen. (4) Das Register darf von einem Emittenten eingesehen werden, wenn dieser glaubhaft macht, dass die Einsichtnahme erforderlich ist, um sicherzustellen, dass das Angebot nur dem in § 3 Abs. 2 Nr. 1 genannten Personenkreis unterbreitet wird. (5) 1Das Bundesministerium der Finanzen kann zum Schutz der in dem Register gespeicherten Daten und personenbezogenen Daten durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen 1. über Inhalt und Aufbau des nach Absatz 1 bei der Bundesanstalt einzurichtenden Registers, 2. über das Verfahren zur Eintragung und der Verlängerung der Eintragung in das Register, die Nutzung der in dem Register gespeicherten Daten durch einen Emittenten und die Löschung der Daten und 3. über die Register anderer Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, die als gleichwertig im Sinne des § 2 Nr. 6 Buchstabe d und e anerkannt werden. 2 Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. § 28 Gebühren und Auslagen. (1) Für Amtshandlungen nach diesem Gesetz, nach den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften und nach Rechtsakten der Europäischen Union kann die Bundesanstalt Gebühren und Auslagen erheben. (2) 1Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebühren nach festen Sätzen oder als Rahmengebühren näher zu bestimmen. 2Die Gebührensätze und die Rahmengebühren sind so zu bemessen, dass zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung ein angemessenes Verhältnis besteht. 3Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. § 29 Benennungspflicht. 1Ist für einen Emittenten mit Sitz im Ausland gemäß § 2 Nr. 13 Buchstabe b oder c die Bundesanstalt zuständig, so hat er im Inland einen Bevollmächtigten zu benennen. 2§ 15 Satz 2 und 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gilt entsprechend.

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§ 30 Bußgeldvorschriften. (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig 1. entgegen § 3 Abs. 1 Satz 1 im Inland Wertpapiere öffentlich anbietet, ohne dass ein Prospekt nach den Vorschriften dieses Gesetzes bereits veröffentlicht worden ist, 2. entgegen § 8 Abs. 1 Satz 6 oder 7 den Emissionspreis oder das Emissionsvolumen nicht, nicht richtig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht, 3. entgegen § 8 Abs. 1 Satz 9 den Emissionspreis oder das Emissionsvolumen nicht oder nicht rechtzeitig hinterlegt, 4. entgegen § 10 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 das dort genannte Dokument dem Publikum nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellt oder nicht oder nicht rechtzeitig hinterlegt, 5. entgegen § 13 Abs. 1 Satz 1 einen Prospekt veröffentlicht, 6. entgegen § 14 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, einen Prospekt nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht, 7. entgegen § 14 Abs. 3 eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig macht, 8. entgegen § 14 Abs. 5 eine Papierversion des Prospekts nicht zur Verfügung stellt oder 9. entgegen § 16 Abs. 1 Satz 4 einen Nachtrag nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht. (2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer vollziehbaren Anordnung nach 1. § 15 Abs. 6 Satz 1 oder 2 oder § 21 Abs. 2 Satz 1 oder 2. § 21 Abs. 4 Satz 1 oder 2 zuwiderhandelt. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 5 und des Absatzes 2 Nr. 2 mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 mit einer Geldbuße bis zu einhunderttausend Euro und in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. (4) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Bundesanstalt. § 31 Übergangsbestimmungen. (1) 1Drittstaatemittenten, deren Wertpapiere bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, können die Bundesanstalt als für sie zuständige Behörde im Sinne des § 2 Nr. 13 Buchstabe c wählen und haben dies der Bundesanstalt bis zum 31. Dezember 2005 mitzuteilen. 2Für Drittstaatemittenten, die bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes im Inland Wertpapiere öffentlich angeboten oder für

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Wertpapiere einen Antrag auf Zulassung zum Handel an einem im Inland gelegenen organisierten Markt gestellt haben, ist die Bundesrepublik Deutschland Herkunftsstaat, vorausgesetzt es handelt sich um a) das erste öffentliche Angebot von Wertpapieren in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach dem 31. Dezember 2003 oder b) den ersten Antrag auf Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem im Europäischen Wirtschaftsraum gelegenen organisierten Markt nach dem 31. Dezember 2003. (2) Bis zum 31. Dezember 2008 können Einlagenkreditinstitute und andere Kreditinstitute, die nicht unter § 1 Abs. 2 Nr. 5 fallen, weiterhin Schuldverschreibungen und andere, Schuldverschreibungen vergleichbare übertragbare Wertpapiere, die dauernd oder wiederholt begeben werden, im Inland anbieten, ohne einen Prospekt nach Maßgabe des § 3 zu veröffentlichen.

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Einleitung Schrifttum: Apfelbacher/Metzner, Das Wertpapierprospektgesetz in der Praxis – Eine erste Bestandsaufnahme, BKR 2006, 81; Ekkenga, Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zum Regierungsentwurf eines neuen Wertpapierprospektgesetzes, BB 2005, 561; Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005; Grub/ Thiem, Das neue Wertpapierprospektgesetz – Anlegerschutz und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland, NZG 2005, 750; Heidelbach/Preuße, Einzelfragen in der praktischen Arbeit mit dem neuen Prospektregime, BKR 2006, 316; Heidelbach/Preuße, Zweieinhalb Jahre neues Prospektregime und noch viele Fragen offen, BKR 2008, 19; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668; Holzborn/Schwarz-Gondek, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BKR 2003, 927; von Ilberg/Neises, Die Richtlinien-Vorschläge der EU-Kommission zum „Einheitlichen Europäischen Prospekt“ und zum „Marktmissbrauch“ aus Sicht der Praxis, WM 2002, 635; Kaum/Zimmermann, Das „jährliche Dokument“ nach § 10 WpPG, BB 2005, 1466; von Kopp-Colomb/Lenz, Der europäische Pass für Emittenten, AG 2002, 24; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG), WM 2005, 1068; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BB 2004, 501; Lachner/von Heppe, Die prospektfreie Zulassung nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG („10 %-Ausnahme“) in der jüngsten Praxis, WM 2008, 576; Langenbucher (Hrsg.), Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. 2008; Leuering, Prospektpflichtige Anlässe im WpPG, Der Konzern 2006, 4; Mattil/Möslein, Die Sprache des Emissionsprospekts, WM 2007, 819; Müller/Oulds, Transparenz im europäischen Fremdkapitalmarkt, WM 2007, 573; Sandberger, Die EU-Prospektrichtlinie – „Europäischer Pass für Emittenten“, EWS 2004, 297; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked-Emissionen, AG 2005, 493; Schlitt/Schäfer, Aktuelle Rechtsfragen und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251; Schlitt/Schäfer, Drei Jahre Praxis unter dem Wertpapierprospektgesetz – eine Zwischenbilanz, AG 2008, 525; Schnorbus, Die prospektfreie Platzierung von Wertpapiern nach dem WpPG, AG 2008, 389; Seibt/von Bonin/Isenberg, Prospektfreie Zulassung von Aktien bei Internationalen Aktientausch-Transaktionen mit gleichwertigen Dokumentenangaben (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 WpPG), AG 2008, 565; Wagner, Der Europäische Pass für Emittenten – die neue Prospektrichtlinie, Die Bank 2003, 680. Siehe im Übrigen das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis.

Inhaltsübersicht I. Das WpPG im System der Prospektpublizität . . . . . . . . II. Europarechtliche Grundlagen des WpPG und die EG-Prospektverordnung 1. Europarechtliche Grundlagen des WpPG . . . . . . . . . . . . . . 2. Die EG-Prospektverordnung .

1

6 10

III. Entwicklung und Anwendung der Vorschriften des WpPG 1. Entwicklung . . . . . . . . . . . . 14 2. Anwendung . . . . . . . . . . . . 15

IV. Regelungsfelder des WpPG . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . 2. Billigung, Hinterlegung, Veröffentlichung und Gültigkeitsdauer des Prospekts . . . 3. Grenzüberschreitende Angebote . . . . . . . . . . . . . . 4. Prospektinhalt und Prospektgestaltung . . . . . . . . . . . . . . a) Prospektformat („Aufmachung“) . . . . . . . . . . . b) Prospektinhalt . . . . . . . . . c) Sprache . . . . . . . . . . . . . .

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Einl. WpPG 5. Werbung und anderweitige Verlautbarungen . . . . . . . . . 6. Folgepflichten für börsennotierte Emittenten . . . . . . .

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7. Prospekthaftung . . . . . . . . . 8. Überwachung und Sanktionen . . . . . . . . . . . . . 9. Gebühren . . . . . . . . . . . . . .

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I. Das WpPG im System der Prospektpublizität 1

Gegenstand des WpPG ist die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung von Prospekten für Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen (§ 1 Abs. 1 WpPG): Für diese Wertpapiere hat der Anbieter einen Prospekt zu veröffentlichen (§ 3 Abs. 1 und Abs. 3 WpPG), der den Anforderungen des WpPG (§§ 5 ff. WpPG) und der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission v. 29.4.20041 genügen muss. Der Prospekt ist der BaFin zur Billigung vorzulegen; über diese ist nach Abschluss einer Vollständigkeitsprüfung des Prospekts einschließlich einer Prüfung der Kohärenz und Verständlichkeit der vorgelegten Informationen zu entscheiden (§ 13 Abs. 1 WpPG). Nach der Billigung des Prospekts hat der Anbieter oder Zulassungsantragsteller den Prospekt bei der BaFin zu hinterlegen und unverzüglich, spätestens einen Werktag vor Beginn des öffentlichen Angebots, zu veröffentlichen (§ 14 Abs. 1 WpPG). Eine Veröffentlichung des Prospekts vor seiner Billigung ist unzulässig (§ 13 Abs. 1 Satz 1 WpPG), jedoch darf schon vor der Veröffentlichung für das Angebot nach Maßgabe von § 15 Abs. 3–5 WpPG geworben werden, wenn in den Werbeanzeigen darauf hingewiesen wird, dass ein Prospekt veröffentlicht wurde oder zur Veröffentlichung ansteht und wo die Anleger ihn erhalten können (§ 15 Abs. 2 WpPG).

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Das WpPG stellt die vorläufig letzte Etappe in der Entwicklung der Prospektpublizität dar. Diese erschöpfte sich zunächst in der Börsenzulassungspublizität, dh. der Pflicht, bei Einführung eines Wertpapiers zum Handel an einer Börse, einen von der Börsenzulassungsstelle gebilligten Prospekt – den Börsenzulassungsprospekt – zu veröffentlichen. Die Prospektpublizität war damit eine reine Primärmarktpublizität, wobei der Gesetzgeber des BörsG von 1896, auf dem diese Regelung beruht, davon ausging, Börsenzulassungsprospekte seien ein hinreichendes Mittel der Anlegerinformation, weil nicht börsennotierten Wertpapieren der Absatz so gut wie verschlossen sei 1 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, erstveröffentlichte Fassung ABl. EU Nr. L 149 v. 30.4.2004, berichtigte Fassung ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3 ff. Zur Änderung der Verordnung durch Verordnung (EG) Nr. 211/2007 der Kommission vom 27.2.2007, ABl. EG Nr. L 61 v. 28.2.2007, S. 24, siehe unten Rz. 12. Zu weiteren Änderungen siehe Verordnung (EG) Nr. 1787/2006 der Kommission vom 4.12.2006, ABl. EU Nr. L 337 v. 5.12.2006, S. 17 und Verordnung (EG) Nr. 1289/2008 der Kommission vom 12.12.2008, ABl. EU Nr. L 340 v. 19.12.2008, S. 17.

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Einleitung

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(siehe Einl. VerkProspG Rz. 5). So irrig diese Ansicht schon seinerzeit war, weil die Wertpapiere bei Veröffentlichung des Zulassungsprospekts zumeist bereits platziert waren, blieb sie aber doch so lange folgenlos, als der deutsche Kapitalmarkt weitgehend im börslichen Markt für Aktien aufging. Erst das Aufkommen anderer als wertpapiermäßig verbriefter Anlageinstru- 3 mente brachte eine zunächst moderate Erweiterung der Prospektpublizität. Das Aufkommen von Investmentanteilen als Anlageform ging mit einem Prospektzwang nach § 19 Abs. 1 KAGG einher, der unter dem Eindruck der Invasion ausländischer Anbieter in Gestalt und im Gefolge von Bernie Cornfelds IOS1, durch § 3 AuslInvestmG auf ausländische Investmentanteile erstreckt wurde. Zwar verlangten diese Vorschriften die Aushändigung eines Vertriebsprospekts vor Abschluss des Anteilserwerbs, doch wurden diese meist erst bei Vertragsschluss ausgehändigt, so dass diese Form der Vertriebspublizität in der Sache nicht über die regelmäßig zu spät einsetzende Börsenzulassungspublizität hinausging. Eine veritable Vertriebspublizität mittels Prospekten stellte sich erst in dem Moment ein, in dem sich in den 1970er Jahren ein so genannter grauer Kapitalmarkt nicht wertpapiermäßig verbriefter Kapitalanlagen herausbildete, auf dem zunächst in erster Linie Anteile an Publikumskommanditgesellschaften und so genannte Bauherrenmodelle vertrieben wurden. Vertriebsgrundlage waren zunächst fraglos als Werbematerial konzipierte Broschüren, die erst dadurch zu Prospekten wurden, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung sie zu solchen erklärte und einer neu entwickelten Haftung für Prospekte unterwarfen, die auf der richterrechtlichen Fortbildung der Grundsätze der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten (cic) beruhte und sich an den gesetzlichen Prospekthaftungstatbeständen orientierte. Die so geschaffene bürgerlich-rechtliche (auch: allgemein-zivilrechtliche) Prospekthaftung vermochte die Praxis, Anlagen des grauen Kapitalmarkts – ohne entsprechende gesetzliche Verpflichtung – unter Einsatz von Prospekten zu vertreiben, nicht zurückzudrängen, denn ohne Prospekt war der Weg zum Publikum de facto versperrt. So entstand das Kuriosum eines Prospektzwangs ohne gesetzliche Prospektpflicht. Es gehörte zu den nicht wenigen Folgewirkungen sowohl der richterrechtlich entwickelten bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung als auch der Prospektpublizität am grauen Kapitalmarkt auf die Prospektpublizität am organisierten Kapitalmarkt, dass deren System im Hinblick auf die rechtzeitige und haftungsbewehrte Information des Markts als unbefriedigend empfunden wurde. Als ein Meilenstein der Fortbildung der Prospektpublizität hin zur Vertriebspublizität darf deshalb der Erlass des VerkProspG v. 13.12.19902 gelten: Zum einen führte es zu einer Vorverlagerung der Prospektpflicht auf das erstmalige öffentliche Angebot von Wertpapieren, und zum anderen unterwarf es auch solche öffentlichen Angebote von Wertpapieren einem Prospektzwang, die nicht an einer Börse gehandelt werden sollten. Damit war 1 Siehe Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 10. 2 BGBl. I 1990, 2749 ff. Siehe dazu ausführlich Einl. VerkProspG Rz. 4 ff.

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zwar gewährleistet, dass schon beim erstmaligen öffentlichen Angebot jedweden Wertpapiers im Inland ein Prospekt zu veröffentlichen war, doch blieb die Prospektpflicht nach wie vor auf den Vertrieb von Wertpapieren beschränkt. Das änderte sich erst durch die Novellierung des VerkProspG durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) v. 28.10.20041: Mit diesem und dem neu in das VerkProspG eingefügten § 8f VerkProspG wurde der Anwendungsbereich des Gesetzes auf bestimmte Kapitalanlagen erweitert, die keine Verbriefung in Wertpapieren aufwiesen, nämlich Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, Anteile an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet (Treuhandvermögen), Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds, sofern nicht bereits nach anderen Vorschriften eine Prospektpflicht besteht oder ein Prospekt nach dem VerkProspG veröffentlicht worden ist, sowie Namensschuldverschreibungen (§ 8f Abs. 1 VerkProspG). 5

Schließlich wurde mit dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.20052, welches die Prospektrichtlinie 2003/71/EG3 in deutsches Recht transformierte, die Regelung der Prospektpublizität für wertpapiermäßig verbriefte Kapitalanlagen iS des bisherigen § 1 VerkProspG (aF) aus dem VerkProspG herausgenommen und in das nach Maßgabe von Art. 1 Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz neu geschaffene WpPG überführt. Dieses Gesetz regelt seitdem die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung von Prospekten sowohl für den Fall des öffentliche Angebots von Wertpapieren 1 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BGBl. I 2004, 2630. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2005, 1698. Siehe dazu auch Einl. VerkProspG Rz. 24. Gesetzgebungsgeschichte: Diskussionsentwurf des Bundesfinanzministeriums v. 26.11.2004, BMFDiskE2611, abrufbar unter http://www.uni-leipzig.de/bankinstitut/alt/dokumente/2005-01-25-01.pdf; Begründung des Diskussionsentwurfs v. 26.11.2004, BMFDiskEBegr2611, abrufbar unter http://www.uni-leipzig.de/bankinstitut/alt/dokumente/2005-01-25-02.pdf; RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005; Stellungnahme des Bundesrates zum RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz und Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 15/5219 v. 7.4.2005; sonstige Stellungnahmen zum Diskussionsentwurf und zum RegE abrufbar unter http://www.uni-leipzig.de/bankinstitut/node/80. 3 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 325 v. 31.12.2003, S. 64 ff. Zur Historie der Richtlinie und ihrer Umsetzung sowie zu Reformüberlegungen und Revisionsvorschlägen siehe die Website der Kommission unter: http://ec.europa.eu/internal_market/securities/prospectus/index_de.htm; von hier aus sind sämtliche einschlägige Dokumente abrufbar.

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Einleitung

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als auch für den bisher im BörsG und der BörsZulV geregelten Fall, dass die Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen. In Bezug auf die Haftung für fehlerhafte oder fehlende Prospekte hat diese Neuordnung der Prospektpublizität, in Umsetzung von Art. 6 der Prospektrichtlinie betreffend die Prospekthaftung, ein verwirrendes System der Haftung hervorgebracht, das aber in der Sache eine Vereinheitlichung der Haftung für fehlerhafte Prospekte mit sich bringt, indem es sicherstellt, dass die Haftung für die Fehlerhaftigkeit von Prospekten, die nach dem WpPG und dem VerkProspG zu veröffentlichen sind, gleichen Grundsätzen folgt. Dass die mit dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz eingeführte Regelungstechnik der Prospekthaftung für Prospekte nach dem WpPG und dem VerkProspG wenig glücklich ist, ist den an dem Gesetzgebungsverfahren Beteiligten nicht entgangen: Der Bundesrat bat in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf, „im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Regelung der Prospekthaftung im Wertpapierprospektgesetz zu prüfen“1. Eine solche Prüfung sagte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zwar zu, erklärte aber, die Prüfung werde „allerdings nicht im vorliegenden Gesetzgebungsverfahren“ erfolgen können, sondern erst „im Rahmen eines weiteren Gesetzgebungsvorhabens, dass sich u.a. mit der Prospekthaftung befassen“ werde; eine „Berücksichtigung im laufenden Verfahren würde die Verabschiedung des Gesetzes unnötig verzögern“2. Für das angekündigte Gesetzgebungsvorhaben gibt es bislang keine Anzeichen. Zu Einzelheiten zum System der Prospekthaftung siehe unten Rz. 47.

II. Europarechtliche Grundlagen des WpPG und die EG-Prospektverordnung 1. Europarechtliche Grundlagen des WpPG Ungeachtet der deutschen Besonderheit eines in einen so genannten grauen und in einen so genannten organisierten Kapitalmarkt gespaltenen Kapitalmarkts hat sich das System der Prospektpublizität entlang europäischer Vorgaben entwickelt. Das hat seinen Grund darin, dass die auf die Integration der mitgliedstaatlichen Kapitalmärkte in Gestalt der Schaffung der Voraussetzungen zur wechselseitigen Durchdringung der nationalen Märkte ausgerichteten Harmonisierungsmaßnahmen im Bereich des Kapitalmarktrechts vor allem auf das Instrument der Primärmarktpublizität und in dessen Rahmen vor allem auf die Prospektpublizität setzten. Selbst die Entwicklung der Prospektpublizität von der Börsenzulassungspublizität zur vertriebsbezogenen Kapitalmarktpublizität hat seine Grundlage in entspre-

1 Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. S. 1. 2 Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. S. 7.

Bundesregierung zum 15/5219 v. 7.4.2005, Bundesregierung zum 15/5219 v. 7.4.2005,

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Einleitung

chenden Wandlungen des europäischen Konzepts der Kapitalmarktregulierung (siehe dazu näher Einl. VerkProspG Rz. 9 ff.). 7

So wie die zunächst börsengesetzlich dominierte Prospektpublizität auf der Börsenzulassungsrichtlinie sowie den auf dieser aufbauenden Börsenzulassungsprospektrichtlinie, Halbjahresberichtsrichtlinie und Transparenzrichtlinie (siehe Einl. VerkProspG Rz. 9) beruhte und das VerkProspG der Transformation der Emissionsprospektrichtlinie (Einl. VerkProspG Rz. 4, 9) diente, setzt das durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz (siehe oben Rz. 5) eingeführte WpPG die (auf Maximalharmonisierung ausgerichtete1, dh. keine strengeren nationalen Vorschriften erlaubende) Prospektrichtlinie 2003/71/EG (siehe oben Rz. 5) in deutsches Recht um2. Niedergelegt in §§ 17 Abs. 1 und 2, 18 WpPG schafft das Gesetz damit zugleich die Voraussetzungen für einen „Europäischen Pass für Emittenten“, demzufolge der von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats der EU bzw. eines Vertragsstaats des EWR gebilligt wird, in allen anderen Mitglieds- bzw. Vertragsstaaten ohne weitere Prüfung anzuerkennen ist3. Auf die Emission von Wertpapieren beschränkt, kann dieser Pass allerdings nur für die Emission von Kapitalanlagen erlangt und genutzt werden, die in Wertpapieren verbrieft sind (siehe dazu Einl. VerkProspG Rz. 11). Näher hierzu unten Rz. 30.

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Im Zusammenhang mit ihrer sich aus Art. 31 der Prospektrichtlinie ergebenden Verpflichtung, fünf Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie deren Anwendung zu überprüfen und dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht vorzulegen, der gegebenenfalls mit Vorschlägen für eine Revision der Richtlinie einhergeht, hat die Kommission Vorschläge für eine Änderung der Prospektrichtlinie unterbreitet und hierzu Anfang 2009 das Konsultationsverfahren zur Überprüfung der Prospektrichtlinie eingeleitet4. 1 Vgl. CESR, CESR’s Report on the supervisory functioning of the Prospectus Directive and Regulation, June 2007, CESR/07-225, Rz. 25 („As the PD [Prospectus Directive] is a maximum harmonisation Directive…“), abrufbar unter http:// www.cesr-eu.org/data/document/07_225.pdf. 2 Zu den einzelnen Etappen der Rechtsangleichung in Bezug auf Börsen- und Verkaufsprospekte bis hin zum Vorschlag zur Revision der Prospektrichtlinie v. 23.9.2009 siehe die Zusammenstellung auf der Website der Europäischen Kommission unter http://ec.europa.eu/internal_market/securities/prospectus/index_ de.htm. 3 Zur Grundlage des „Europäischen Passes für Emittenten“ in der Prospektrichtlinie siehe etwa Sandberger, EWS 2004, 297; Kullmann/Sester, WM 2005, 1069 ff.; Wagner, Die Bank 2003, 680. Auf der Grundlage des Vorschlags einer Prospektrichtlinie auch von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24. 4 Das Konsultationsdokument „Consultation on a draft proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directives 2003/71/EC on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading and 2004/109/EC on the harmonisation of transparency requirements in relation to information about issuers whose securities are admitted to trading on a regulated market“ mit dem Vorschlag einer Änderungsrichtlinie und das „Background Document Review of Directive 2003/71/EC on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading and amending Directive 2001/34/EC (Prospectus Directive)“ mit einer Erläute-

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Die Vorschläge der Kommission, die auf Berichte europäischer Organisationen und Expertengruppen über Erfahrungen mit der Prospektrichtlinie und ihrer Umsetzung zurückgreifen konnten1, zielen auf eine verbesserte rechtliche Klarheit und Effizienz der Prospektregelungen sowie die Reduktion des Verwaltungsaufwands und der übrigen Kosten, die im Zusammenhang mit der auf der Grundlage der Prospektrichtlinie harmonisierten Prospektpublizität für Emittenten und Finanzintermediäre entstehen. Für eine Harmonisierung der Prospekthaftungsbestimmungen sah die Kommission aber weiterhin keinen Bedarf. Daran hält auch der am 23.9.2009 vorgelegte Vorschlag zur Änderung der 9 Prospektrichtlinie2 und der am 28.5.2010 vorgelegte Kompromissvorschlag3 fest. Im Wesentlichen werden folgende Änderungen vorgeschlagen: – Lockerung der Angabepflichten für bestimmte Arten von Wertpapieremissionen (kleine Unternehmen, kleine Kreditinstitute, Bezugsrechteemissionen und staatliche Bürgschaftsprogramme); – Verbesserung von Format und Inhalt der Prospektzusammenfassung; – präzisere Fassung der Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts bei Verkauf durch Unternehmen über Finanzintermediäre („retail cascade“) sowie bei Belegschaftsaktienprogrammen; – Aufhebung von Angabepflichten, die sich derzeit mit der Transparenzrichtlinie überschneiden; – Möglichkeit der Bestimmung des Herkunftsmitgliedstaats für Emittenten aller Nichtdividendenwerte; rung der vorgeschlagenen Änderungen sind abrufbar über Konsultations-Website http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2009/prospectus_en.htm. 1 Insbesondere: (1) CESR, CESR’s Report on the supervisory functioning of the Prospectus Directive and Regulation, June 2007, CESR/07-225, abrufbar unter http://www.cesr-eu.org/data/document/07_225.pdf. (2) European Securities Markets Expert Group (ESME), Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading, v. 5.9.2007, abrufbar unter http:// ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/esme/05092007_report_en.pdf; Informationen zur ESME (Auftrag, Zusammensetzung, Berichte) unter http://ec.europa.eu/internal_market/securities/esme/index_de.htm. (3) Centre for Strategy & Evaluation Services (CSES), Study on the Impact of the Prospectus Regime on EU Financial Markets – Final Report, June 2008, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/prospectus/cses_report_en.pdf. 2 Vorschlag einer Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, v. 23.9.2009, KOM(2009) 491 endgültig, abrufbar unter http:// ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/prospectus/proposal_ 240909/proposal_de.pdf. Dem Vorschlag ist ein Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen, SEK(2009) 1222, v. 23.9.2009 beigegeben, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/prospectus/proposal_240909/summary_de.pdf. 3 Gemeinsame Stellungnahme, Ratsdokument 10254/10 v. 28.5.2010.

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– Anpassung der Definition des Begriffs „qualifizierte Anleger“ in der Prospektrichtlinie an die Definition des Begriffs „professionelle Kunden“ in der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente. 2. Die EG-Prospektverordnung 10

Die Vorschriften des WpPG werden im Hinblick auf den Inhalt und die Gestaltung von Prospekten durch die (nach Art. 249 Abs. 2 EG-Vertrag) in jedem Mitgliedstaat der EG unmittelbar geltende und die Prospektrichtlinie 2003/71/EG (siehe oben Rz. 5) konkretisierende Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission v. 29.4.2004 (im Folgenden auch: ProspektVO, siehe oben Rz. 1) ergänzt. Der Hinweis auf die Verordnung in § 7 WpPG hat insoweit nur klarstellende Bedeutung sowie die Funktion eines Merkpostens und Fundstellennachweises.

11

Im Einzelnen ist in der Verordnung geregelt: – die Aufmachung des Prospekts, auf die in Art. 5 der Prospektrichtlinie Bezug genommen wird; – die in einen Prospekt gemäß Art. 7 der Prospektrichtlinie aufzunehmenden Mindestangaben; – die Art der Veröffentlichung iS von Art. 10 der Prospektrichtlinie; – die Modalitäten, nach denen Angaben in Form eines Verweises iS von Art. 11 der Prospektrichtlinie in einen Prospekt aufgenommen werden können; – die Veröffentlichungsart eines Prospekts, um sicherzustellen, dass ein Prospekt gemäß Art. 14 der Prospektrichtlinie öffentlich verfügbar ist; – die Art zur Verbreitung von Werbung, auf die in Art. 15 der Prospektrichtlinie Bezug genommen wird.

12

Um sicherzustellen, dass die Prospekte dem Anleger auch dann das von Art. 5 Abs. 1 der Prospektrichtlinie geforderte fundierte Urteil über die Finanzlage und die Zukunftsaussichten des Emittenten erlauben, wenn die Finanzlage des Emittenten so eng mit der anderer Gesellschaften verbunden ist, dass ohne Finanzinformationen über diese Gesellschaften ein solches Urteil nicht möglich ist, sah sich die Kommission gehalten, die insoweit lückenhafte Verordnung zu ergänzen. Die Verordnung (EG) Nr. 809/2004 wurde dementsprechend durch die Verordnung (EG) Nr. 211/2007 der Kommission v. 27.2.20071 in Bezug auf Finanzinformationen, die bei Emittenten mit komplexer finanztechnischer Vorgeschichte oder bedeutenden finanziellen Verpflichtungen im Prospekt enthalten sein müssen, geändert. 1 Verordnung (EG) Nr. 211/2007 der Kommission vom 27.2.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Finanzinformationen, die bei Emittenten mit komplexer finanztechnischer Vorgeschichte oder bedeutenden finanziellen Verpflichtungen im Prospekt enthalten sein müssen, ABl. EG Nr. L 61 v. 28.2.2007, S. 24.

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Einl. WpPG

Für die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 (oben Rz. 10) von Be- 13 deutung sind die „Recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses No. 809/2004“ des Committee of European Securities Regulators (CESR) v. 10.2.20051. Bei diesen handelt es sich um Empfehlungen, die auf Stufe 3 der Rechtssetzung in der Europäischen Union nach Maßgabe des Lamfalussy-Verfahrens ergingen und der Umsetzung und Durchführung der Rechtsvorschriften von Stufe 1 und Stufe 2 dieses auch als Komitologieverfahren bezeichneten Verfahrens dienen2. Die Empfehlungen stellen weder einen unmittelbar verbindlichen noch einen durch nationalstaatliche Maßnahmen umzusetzenden Akt europäischer Rechtssetzung dar3. Für die Auslegung der Verordnungsvorschriften ist im Übrigen auch das Dokument „Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members“ heranzuziehen4. Sie spiegeln das Verständnis und die Praxis der Aufsichtsbehörden wieder, sind darüber hinaus aber weder für die Kommission noch für die Gerichte rechtlich bindend5.

1 CESR/05-054b, abrufbar unter http://www.cesr-eu.org/popup2.php?id=2999. 2 Zu dem Verfahren etwa von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24; Möllers, ZEuP 2008, 480; Schmolke, NZG 2005, 912; Seitz, BKR 2002, 340. 3 In Ziffer 9 der Empfehlungen (CESR/05-054b) wird ihr Rechtsquellenstatus wie folgt umschrieben: „The outcome of CESR’s work is reflected in common recommendations which do not constitute European Union legislation and will not require national legislative action. CESR Members will introduce these recommendations in their day-to-day regulatory practices on a voluntary basis. The way in which these recommendations will be applied will be reviewed regularly by CESR. CESR recommendations for the consistent implementation of the Commission’s Regulation on Prospectuses will not prejudice, in any case, the role of the Commission as guardian of the Treaties“. 4 10th Updated Version, December 2009, CESR/09-1148, abrufbar unter http:// www.cesr-eu.org/popup2.php?id=6472. 5 Zum Rechtsquellenstatus heißt es in der Einleitung (S. 1) zum Dokument CESR/09-1148 (entsprechend allen seinen früheren Fassungen): „This consolidated … publication … which is intended to provide market participants with responses in a quick and efficient manner, to ‚everyday‘ questions which are commonly posed to the CESR secretariat or CESR Members. CESR responses do not contain standards, guidelines or recommendations, and therefore no prior consultation process has been followed. It is CESR’s intention to operate in a way that will enable its Members to react quickly and efficiently if any aspect of the common positions published need to be modified or the responses clarified further. The views of the Commission Services on some of the issues discussed were sought. However, the Commission Services note that only the European Court of Justice can give a legally binding interpretation of provisions of EU legislation. Moreover, the views expressed in the paper do not bind the European Commission as an institution, and the Commission would be entitled to take a position different to that set out in this … guide in any future judicial proceedings concerning the relevant provisions.“

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III. Entwicklung und Anwendung der Vorschriften des WpPG 1. Entwicklung 14

Seit seiner Einführung durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz (siehe oben Rz. 1) hat das WpPG nur geringe Änderungen erfahren: Die von Art. 11 des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 5.1.2007 (TUG)1 veranlassten Änderungen des Gesetzes sind bloße Folge der Änderung anderer Gesetze2. Gleiches gilt für die auf das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 16.7.2007 (FRUG)3, das Investmentänderungsgesetz v. 21.12.20074 und das Jahressteuergesetz 2009 v. 19.12.20085 zurückgehende Änderung des WpPG. 2. Anwendung

15

Wie bereits an früherer Stelle (Rz. 7) erwähnt, ist bei der Auslegung der Bestimmungen des WpPG zu beachten, dass es sich bei diesen um gemeinschaftsrechtlich angeglichenes nationales Recht handelt, dh. um Recht, das der nationale Gesetzgeber entsprechend gemeinschaftssekundärrechtlichen Vorgaben erlassen hat. In diesem Sinne „angeglichenes Recht“ unterliegt nicht nur im Hinblick auf seine Änderung, sondern auch in Bezug auf seine Anwendung und Fortbildung einigen Besonderheiten: Soweit eine Norm unmittelbar der Transformation einer Richtlinie in nationales Recht dient oder zumindest den Regelungsbereich einer solchen Richtlinie berührt, ist sie, im Rahmen und auf der Grundlage des nach den nationalen Auslegungsregeln Möglichen6, richtlinienkonform auszulegen7. Das schließt die über den Wortlaut einer Vorschrift hinausgehende richtlinienkonforme 1 BGBl. I 2007, 10. 2 Die Änderungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpPG sind Folge der von dem TUG veranlassten Modifikationen in Abschnitt 5 des WpHG und im Zweiten Kapitel der BörsZulV. Die Aufhebung von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpPG ist Folge der Aufhebung von § 39 Abs. 1 Nr. 3 BörsG durch das TUG. Vgl. RegE TuG, BTDrucks. 16/2498 v. 4.9.2006, S. 57. 3 BGBl. I 2007, 1330. Auf Grund von Art. 13b Nr. 2 des FRUG wurde in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpPG die Angabe der „§§ 42 und 54“ BörsG durch die Angabe des „§ 42 Abs. 1“ BörsG ersetzt. 4 BGBl. I 2007, 3089. Auf Grund von Art. 19 Nr. 1 des Investmentänderungsgesetzes wurde die Definition des organisierten Markts in § 2 Nr. 16 WpPG durch die jetzige ersetzt. 5 BGBl. I 2008, 2794. Auf Grund von Art. 36 des Jahressteuergesetzes 2009 wurde der bisherige § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG aufgehoben und in § 30 Abs. 1 Nr. 7 WpPG die Angabe § 14 Abs. 3 Satz 1 durch die Angabe § 14 Abs. 3 ersetzt. 6 EuGH v. 5.10.2004 – verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, ZIP 2004, 2342 (2343, Rz. 115 ff.) (Pfeiffer); EuGH v. 4.7.2006 – Rs. C-212/04, Slg. I 2006, S. 6057, Rz. 110, 113 (Adeneler ua./Ellinikos Organismos Galaktos). 7 EuGH v. 10.4.1984 – Rs. C-14/83, EuGHE 1984, 1891 (1909) (von Colson und Kamann); EuGH v. 10.4.1984 – Rs. C-79/83, EuGHE 1984, 1921 (1942) (Harz); EuGH v. 8.10.1987 – Rs. C-80/86, EuGHE 1987, 3969 (3986 f.) (Kolpinghuis Nijmegen); EuGH v. 4.2.1988 – Rs. C-157/86, EuGHE 1988, 673 (678 f.) (Murphy); EuGH v. 7.11.1989 – Rs. C-125/88, EuGHE 1989, 3533 (3546) (Nijmann); EuGH v.

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Rechtsfortbildung ein1. Wie der BGH im Anschluss an das Urteil des EuGH v. 17.4.20082 in seiner so genannten Quelle-Folgeentscheidung v. 26.11.20083 ausführt, fordert der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden, um gegebenenfalls auch durch teleologische Reduktion der auszulegenden Norm einen mit der Richtlinie zu vereinbarenden Inhalt zu geben. Das impliziert vor allem, dass der Wortlaut einer angeglichenes Recht darstellenden Norm keine absolute Grenze für die richtlinienkonforme Auslegung bildet. Richtlinienkonforme Auslegung verlangt im Übrigen eine Auslegung des 16 Gemeinschaftsrechts nach den hierfür maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Auslegungsmethoden4: In deren Vordergrund steht die Wortlautauslegung. Sie führt allerdings gerade bei der Interpretation des Gemeinschaftssekundärrechts selten zu klaren Ergebnissen, weil die Auslegung auf die Ermittlung der Wortbedeutung in dem insoweit rechtsdogmatisch noch wenig elaborierten Gemeinschaftsrecht gerichtet ist und selbst dann nicht auf eine mitgliedstaatliche Begriffsbildung zurückgegriffen werden darf, wenn diese einem Regelungszusammenhang entstammt, welcher der fraglichen Richtlinie ganz offenbar als Regelungsvorbild oder -grundlage diente. Im Mittelpunkt der Auslegung des Gemeinschaftssekundärrechts steht deshalb die systematisch-teleologische Auslegung5. Sie umfasst einerseits die Frage nach dem sich aus der Systematik des Vertrages, des Gemeinschaftssekundärrechts und der jeweiligen Richtlinie ergebenden Sinn der Norm und andererseits diejenige nach dem Zweck der Vorschrift.

1

2 3 4 5

13.11.1990 – Rs. C-106/89, EuGHE 1990, 4135 (4158 ff.) (Marleasing); EuGH v. 16.12.1993 – Rs. C-334/92, EuGHE 1993, 6911 (6932) (Wagner Miret); EuGH v. 14.7.1994 – Rs. C-91/92, EuGHE 1994, 3325 (3357) (Faccini Dori); EuGH v. 27.6.2000 – Rs. C-240 bis 244/98, EuGHE 2000, 4941 (4955) (Océano); EuGH v. 13.7.2000 – Rs. C-456/98, EuGHE 2000, 1651 (Centrosteel). Zur richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts siehe den Überblick bei Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Kap. 3 Rz. 17 ff.; Langenbucher in Langenbucher, § 1 Rz. 75 ff. Ferner etwa Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994; Ehricke, RabelsZ 59 (1995), 598; Everling, ZGR 1992, 376 (382 ff.); di Fabio, NJW 1990, 947 ff.; Götz, NJW 1992, 1849 ff.; Grundmann, ZEuP 1996, 399; Grundmann, JZ 1996, 274; Jarass, EuR 1991, 211 ff.; Lutter, JZ 1992, 593 (604 ff.); Roth, EWS 2005, 385; Thüsing, ZIP 2004, 2301; Unberath, ZEuP 2005, 5 (6 ff. mwN). EuGH v. 5.10.2004 – verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, ZIP 2004, 2342 (2343, Rz. 115 ff.) (Pfeiffer). Das schließt die über den Wortlaut einer Vorschrift hinausgehende „richtlinienkonforme“ Rechtsfortbildung ein. Siehe Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Kap. 3 Rz. 37 ff.; Langenbucher in Langenbucher, § 1 Rz. 90 f. EuGH v. 17.4.2008 – 5 Rs. C-404/06, NJW 2008, 1433 (Quelle AG/Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände). BGH v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, NJW 2009, 427 (Rz. 21). Zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht siehe etwa Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Kap. 3 Rz. 3 ff.; Langenbucher in Langenbucher, § 1 Rz. 5 ff.; Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 8 Rz. 18 ff. Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Kap. 3 Rz. 7.

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So wie sich der EuGH im Zusammenhang mit der Auslegung des Gemeinschaftsrechts durchaus der Rechtsvergleichung (in Bezug auf die einzelnen mitgliedstaatlichen Regelungen) bedient, verlangt er eine solche auch bei der Auslegung angeglichenen nationalen Rechts durch den nationalen Rechtsanwender: Auch wenn die Herkunft des Regelungsmodells einer Richtlinie oder einzelner ihrer Vorschriften aus dem Rechtssystem bestimmter Mitgliedstaaten bei der Anwendung angeglichenen Rechts als unbeachtlich zu gelten hat1, ist bei der Auslegung angeglichenen Rechts doch die Art und Weise der Umsetzung und Auslegung einer Richtlinie durch die übrigen Mitgliedstaaten bzw. deren Gerichte mit zu berücksichtigen.

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Zur Bedeutung der „Recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses No. 809/2004“ des Committee of European Securities Regulators (CESR) v. 10.2.2005 bei der Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 siehe oben Rz. 13.

IV. Regelungsfelder des WpPG 19

Die nachfolgende Darstellung gibt einen Überblick über die wichtigsten Regelungsfelder des WpPG und der unmittelbar geltenden ProspektVO2. In einzelnen Feldern, wie namentlich im Bereich der Haftung für fehlerhafte Wertpapierprospekte, wird damit zugleich auf einschlägige Regelungen außerhalb des WpPG hingewiesen. 1. Anwendungsbereich

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Das WpPG und die ProspektVO (Rz. 10) finden Anwendung auf die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung von Prospekten für Wertpapiere, die iS von § 2 Nr. 16 WpPG öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt iS von § 2 Nr. 16 WpPG zugelassen werden sollen (§ 1 Abs. 1 WpPG). Auch die Emission von Wertpapieren, für die eine Zulassung zum oder Einbeziehung in den Handel an einer inländischen Börse beantragt ist oder werden soll, unterliegt mithin den Prospektierungspflichten nach dem WpPG und der ProspektVO. § 3 Abs. 3 WpPG ordnet zudem ausdrücklich an, dass für Wertpapiere, die im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, der Zulassungsantragsteller einen Prospekt veröffentlichen muss, soweit sich nicht aus § 4 Abs. 2 WpPG etwas anderes ergibt. BörsG und BörsZulV enthalten dagegen prospektbezogene Vorschriften im Wesentlichen nur im Hinblick auf die Regelung der

1 Lutter, JZ 1992, 593 (601 f. mwN). 2 Eine ausführliche systematische Darstellung des WpPG findet sich bei Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, S. 805 ff. Siehe auch Grub/Thiem, NZG 2005, 750 ff.; Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 ff.; Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 ff. Eine Zwischenbilanz der Praxis unter dem WpPG ziehen Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 ff.; Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 19 ff.

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Voraussetzungen des Zulassungsverfahrens, indem sie die Zulassung davon abhängig machen, dass ein nach anderen Gesetzen zu erstellender Prospekt vorgelegt wird (§ 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG, § 48 Abs. 2 BörsZulV). Im Übrigen enthält die BörsZulV nur einige wenige Sondervorschriften zu 21 Prospekthinweispflichten für den Fall des Antrags auf Zulassung nicht voll eingezahlter Wertpapiere (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BörsZulV), zur Prospektierung im Falle von Ausnahmen vom Erfordernis der Zulassung aller Aktien derselben Gattung (§ 7 Abs. 1 BörsZulV), zu Hinweisen auf die nicht ausreichend fälschungssichere Druckausstattung von Wertpapieren (§ 8 Abs. 2 BörsZulV), zur Prospektveröffentlichung bei Schuldverschreibungen (§§ 48a, 72a BörsZulV), zur Prospektveröffentlichung als Voraussetzung der Einführung der Wertpapiere (§ 52 BörsZulV), zur Zulassung später öffentlich ausgegebener Aktien derselben Gattung wie der bereits zugelassenen (§ 69 Abs. 2 BörsZulV), den gegebenenfalls nach der BörsZulV in einen Prospekt aufzunehmenden Einzelabschluss (§ 72 Abs. 2 BörsZulV). Dem BörsG sind weiter die Bestimmungen zu entnehmen, nach denen sich die Prospekthaftung in Bezug auf Wertpapiere richtet, die auf Grund eines Prospekts zum Börsenhandel zugelassen sind (§§ 44–47 BörsG); siehe dazu unten Rz. 47 ff.

22

Erstmals findet sich in § 2 Nr. 4 WpPG eine Definition des für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Vorschriften des WpPG und der ProspektVO (auch schon unter dem durch das WpPG abgelösten Regime der Prospektpublizität) maßgeblichen Begriffs des öffentlichen Angebots von Wertpapieren. Die Vorschrift definiert ein öffentliches Angebot als „Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden“. Siehe dazu im Einzelnen die Erläuterungen zu § 2 Nr. 4 WpPG.

23

Das WpPG enthält im Übrigen zahlreiche (nunmehr als Legalausnahmen ausgestaltete und nicht mehr auf entsprechenden Antrag von der BaFin zu gewährende) Ausnahmen, die seinen Anwendungsbereich einschränken. Unter diesen finden sich solche, die das öffentliche Angebot bestimmter Emittenten betreffen (§ 1 Abs. 2 WpPG), als auch solche, die bestimmte Arten des Angebots (§ 3 Abs. 2 WpPG) oder bestimmte Wertpapiere (§ 4 WpPG) von den Vorschriften des WpPG ausnehmen.

24

2. Billigung, Hinterlegung, Veröffentlichung und Gültigkeitsdauer des Prospekts Ist für Wertpapiere, die im Inland öffentlich angeboten werden, ein Prospekt 25 zu veröffentlichen, so darf die Veröffentlichung erst nach seiner Billigung durch die BaFin erfolgen (§ 13 Abs. 1 WpPG). Die Billigungsentscheidung er-

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geht auf der Grundlage einer Prüfung des Prospekts auf seine Vollständigkeit in Bezug auf die erforderlichen Mindestangaben (siehe Rz. 40), welche nach § 13 Abs. 1 Satz 2 WpPG auch eine Prüfung der Kohärenz und Verständlichkeit der vorgelegten Informationen umfasst. 26

Die Entscheidung über die Billigung des Prospekts ist demjenigen, der den Zulassungsantrag gestellt hat, innerhalb einer Frist von zehn Werktagen (in dem in § 13 Abs. 2 Satz 2 WpPG genannten Fall innerhalb von zwanzig Werktagen) nach Eingang des Prospekts mitzuteilen (§ 13 Abs. 2 Satz 1 WpPG). Hat die Bundesanstalt Anhaltspunkte, dass der Prospekt unvollständig ist oder es ergänzender Informationen bedarf, so beginnen die vorgenannten Fristen erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, an dem die fraglichen Informationen eingehen (§ 13 Abs. 3 WpPG). Eine Fiktion der Billigung des Prospekts, wie sie § 8a Abs. 1 VerkProspG aF für den Fall der Nichteinhaltung der Billigungsfrist kannte, findet sich im WpPG nicht mehr. Nach der Billigung des Prospekts hat der Anbieter oder Zulassungsantragsteller den Prospekt bei der Bundesanstalt zu hinterlegen und unverzüglich, spätestens einen Werktag vor Beginn des öffentlichen Angebots, nach § 14 Abs. 2 WpPG zu veröffentlichen (§ 14 Abs. 1 WpPG). Die BaFin wiederum macht die gebilligten Prospekte auf ihrer Internetseite für jeweils zwölf Monate zugänglich (§ 13 Abs. 4 WpPG).

27

Neue Umstände oder Unrichtigkeiten eines Prospekts, die für die Beurteilung der Wertpapiere wesentlich sind, sind auch nach der Billigung eines Prospekts bis zum endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder der Einführung oder Einbeziehung der Wertpapiere in den Börsenhandel in einem ebenfalls von der BaFin zu billigenden Nachtrag zu veröffentlichen (§ 16 Abs. 1 WpPG).

28

Einzelheiten des Billigungs-, Hinterlegungs- und Veröffentlichungsverfahrens sind im Wesentlichen im 3. und 6. Abschnitt des Gesetzes (§§ 13 ff., 21 ff. WpPG) geregelt. Dieses Verfahren ist von demjenigen zur Zulassung oder Einbeziehung von Wertpapieren zum bzw. in den Börsenhandel nach §§ 32 ff. BörsG zu trennen. Eine weitere Prüfung des für die Zulassung oder Einbeziehung vorzulegenden Prospekts (§ 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG, § 48 Abs. 2 BörsZulV) durch eine Börsenstelle findet nicht statt. Die für die Zulassung oder Einbeziehung zuständige Geschäftsführung einer Börse prüft vielmehr lediglich, ob die Zulassungsvoraussetzungen nach §§ 32 f. BörsG und namentlich §§ 1–12 BörsZulV erfüllt sind.

29

Ein Prospekt ist gemäß § 9 Abs. 1 WpPG nach seiner Veröffentlichung zwölf Monate lang für öffentliche Angebote oder Zulassungen zum Handel an einem organisierten Markt gültig, sofern er um die nach § 16 WpPG erforderlichen Nachträge ergänzt wird.

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3. Grenzüberschreitende Angebote Für Angebote, die auch oder ausschließlich in einem oder mehreren anderen 30 Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums1 öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden, kann gemäß § 17 Abs. 1 WpPG der gebilligte Prospekt bzw. Nachtrag in beliebig vielen Aufnahmestaaten ohne zusätzliches Billigungsverfahren verwandt werden, sofern die zuständige Behörde jedes Aufnahmestaates nach § 18 WpPG unterrichtet wird. Umgekehrt ist nach § 17 Abs. 3 WpPG ein von der zuständigen Behörde eines anderen Staates des Europäischen Wirtschaftsraums gebilligter Prospekt einschließlich etwaiger Nachträge in Deutschland ohne zusätzliches Billigungsverfahren für ein öffentliches Angebot oder für die Zulassung zum Handel gültig, sofern die BaFin nach den § 18 WpPG entsprechenden Vorschriften des Herkunftsstaates unterrichtet wird und die Sprache des Prospekts die Anforderungen des § 19 Abs. 4 und 5 WpPG erfüllt. Durch diese und die diesen entsprechenden an die Vorgaben der Prospektrichtlinie angeglichenen Bestimmungen werden die Voraussetzungen der Schaffung eines „Europäischen Passes für Emittenten“ geschaffen (siehe schon oben Rz. 7). Der nach dem Emissionsrecht eines Drittstaats (dh. eines Staats, der nicht 31 Staat des Europäischen Wirtschaftsraums ist) erstellte Prospekt kann von der BaFin nach § 20 Abs. 1 WpPG für ein öffentliches Angebot oder die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt im Inland gebilligt werden, wenn der Prospekt nach den von internationalen Organisationen von Wertpapieraufsichtsbehörden festgelegten internationalen Standards, einschließlich der Offenlegungsstandards der International Organisation of Securities Commissions (IOSCO), erstellt wurde und die Informationspflichten, auch in Bezug auf Finanzinformationen, den Anforderungen des WpPG gleichwertig sind. Hierbei sind die §§ 17, 18 und 19 WpPG entsprechend anzuwenden (§ 20 Abs. 2 WpPG). 4. Prospektinhalt und Prospektgestaltung Kern des europäischen Prospektregimes sind die Anforderungen an den Prospektinhalt und die Prospektgestaltung. Diese sind im Wesentlichen in der ProspektVO (oben Rz. 10) niedergelegt, die in den Mitgliedstaaten der EU unmittelbar gilt. Das WpPG enthält zum Prospektinhalt dagegen nur einige grundsätzliche und allgemeine Regelungen und verweist in § 7 WpPG im Hinblick auf die in einen Prospekt aufzunehmenden Mindestangaben auf die ProspektVO. Ebenfalls nur in Verbindung mit der ProspektVO zu erschließen sind die Anforderungen in Bezug auf das Format des Prospekts (dh. die Struktur/Gliederung eines Prospekts, in der Prospektrichtlinie und der ProspektVO ist von „Aufmachung“ die Rede) und seine Darstellungsform (dh. die formale und sprachliche Präsentation der erforderlichen Angaben). 1 Zu den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums gehören nach § 2 Nr. 15 WpPG die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.

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a) Prospektformat („Aufmachung“) 33

Allgemein verlangt § 5 Abs. 1 Satz 3 WpPG, den Prospekt in einer Form abzufassen, die sein Verständnis und seine Auswertung erleichtern. Über diesen Grundsatz hinaus sind jedoch die Vorgaben des WpPG und der ProspektVO über die Form und die „Aufmachung“ eines Prospekt zu beachten.

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Aus § 12 WpPG iVm. Art. 5 Abs. 3 Prospektrichtlinie und Art. 25 ProspektVO folgt, dass der Prospekt als eingliedriger Prospekt, bestehend aus einem einzigen Dokument, oder als mehrgliedriger Prospekt, bestehend aus mehreren Einzeldokumenten, erstellt werden kann (zur Unterscheidung Rz. 35). In beiden Fällen muss der Prospekt in der Regel ein Vollprospekt sein, dh. sämtliche Angaben enthalten, die im Hinblick auf den Emittenten und die angebotenen Wertpapiere notwendig sind, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste, die Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers sowie über die mit diesen Wertpapieren verbundenen Rechte zu ermöglichen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 WpPG). Ausnahmsweise kann der Prospekt jedoch als Basisprospekt ausgestaltet werden, dh. als ein Prospekt, der noch keine Angaben über die endgültigen (und nach Maßgabe von § 6 Abs. 2 und 3 WpPG in den Prospekt einzufügenden bzw. bekannt zu machenden) Bedingungen des Angebots enthält (§ 6 Abs. 1 WpPG iVm. Art. 22 ProspektVO). Ein Basisprospekt steht jedoch nur für das Angebot von Wertpapieren der in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpPG angeführten Wertpapierarten zur Verfügung und darf nach § 12 Abs. 1 Satz 6 WpPG nur als eingliedriger Prospekt erstellt werden. Wertpapierprospekt

Eingliedriger Prospekt

Vollprospekt

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Mehrgliedriger Prospekt

Basisprospekt

Im Falle eines mehrgliedrigen, dh. aus mehreren Einzeldokumenten bestehenden Prospekts sind die geforderten Angaben auf ein Registrierungsformular, eine Wertpapierbeschreibung und eine Zusammenfassung aufzuteilen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 WpPG). Eine Zusammenfassung mit dem sich aus § 5 Abs. 2 Sätze 2 und 3 WpPG ergebenden Inhalt muss indes nach §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 1 Satz 1 WpPG (Art. 5 Abs. 2 der Prospektrichtlinie umsetzend) auch der eingliedrige Prospekt enthalten. Der Vorteil eines mehrgliedrigen Prospekts besteht darin, dass das Registrierungsformular eines gebilligten Prospekts im Rahmen von dessen Gültigkeitsdauer (siehe unten Rz. 10) auch für weitere Wertpapieremissionen genutzt werden kann.

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Von der Zusammenfassung abgesehen erfolgt die Erstellung des Prospekts 36 im „Baukastenprinzip“1 anhand so genannter Schemata und Module (Art. 5 Abs. 1 ProspektVO), die nach Maßgabe von Art. 25 Abs. 1 ProspektVO für einen eingliedrigen Prospekt, von Art. 25 Abs. 2 ProspektV für einen mehrgliedrigen Prospekt und nach Art. 26 ProspektVO für einen Basisprospekt im Hinblick auf die anzubietenden Wertpapiere auszuwählen und anzuordnen sind. Je nach Emittent und/oder anzubietenden Wertpapieren können nach Maßgabe von Art. 21 Abs. 1 iVm. Anhang XVIII ProspektVO Schemata und Module kombiniert werden. Dabei handelt es sich bei einem Schema um eine Liste von Mindestangaben, die auf die Spezifika der unterschiedlichen Arten von Emittenten und/oder die verschiedenen betreffenden Wertpapiere abgestimmt sind, und bei einem Modul um eine Liste zusätzlicher Angaben, die nicht in den Schemata enthalten und einem oder mehreren dieser Schemata anzufügen sind (Art. 1 Nr. 1 ProspektVO), je nachdem, um welches Instrument und/oder um welche Transaktion es sich handelt (Art. 1 Nr. 2 ProspektVO). Die Reihenfolge der Darstellung der erforderlichen Informationsbestandteile, wie sie sich aus den Schemata und Modulen ergeben, kann geändert werden (Art. 25 Abs. 2, 26 Abs. 2 ProspektVO). In diesem Falle kann die BaFin verlangen, dass eine Aufstellung von Querverweisen für die Prüfung des Prospekts vor seiner Billigung zu erstellen ist (Art. 25 Abs. 3, 26 Abs. 3 ProspektVO). Die Abweichung von der vorgegebenen Reihenfolge und das Erfordernis der Erstellung einer Referenzliste mit Querverweisen stellt die Regel dar2.

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b) Prospektinhalt Hinsichtlich des Inhalts eines Prospekts verlangt § 5 Abs. 1 Satz 1 WpPG 38 (in Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 der Prospektrichtlinie) allgemein, dass der Prospekt – unbeschadet der Bestimmungen des § 8 Abs. 2 WpPG über die Befreiung von der Pflicht zur Veröffentlichung einzelner Angaben durch die BaFin – in leicht zu analysierender und verständlicher Form sämtliche Angaben enthält, die im Hinblick auf den Emittenten und die öffentlich angebotenen oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Wertpapiere notwendig sind, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste, die Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers sowie über die mit diesen Wertpapieren verbundenen Rechte zu ermöglichen. Dazu gehören Angaben über den Emittenten der fraglichen Wertpapiere (§ 5 Abs. 1 Satz 2 WpPG). Für den Inhalt der nach § 5 Abs. 2 Satz 1 (mit der Ausnahme in Satz 4) WpPG erforderlichen Zusammenfassung des Prospekts bestimmt § 5 Abs. 2 WpPG (Art. 5 Abs. 1 der Prospektrichtlinie umsetzend) zweierlei: Zum ei-

1 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (502): building block approach. 2 Vgl. Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (503).

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nen, dass in der Zusammenfassung kurz und allgemein verständlich die wesentlichen Merkmale und Risiken zu nennen sind, die auf den Emittenten, jeden Garantiegeber und die Wertpapiere zutreffen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 WpPG)1; und zum anderen, dass die Zusammenfassung die in § 5 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 1–4 WpPG näher bestimmten Warnhinweise enthalten muss (§ 5 Abs. 2 Satz 3 WpPG). Im Übrigen gibt es keine Vorgaben über den detaillierten Inhalt der Zusammenfassung des Prospekts oder des Basisprospekts (Art. 24 ProspektVO). 40

Die Mindestangaben, die in einen Prospekt aufzunehmen sind, bestimmen sich (wie § 7 WpPG klarstellt) nach der ProspektVO. Sie ergeben sich im Einzelnen, je nach Emittent und in Frage stehenden Wertpapieren, aus den für die Prospekterstellung auszuwählenden und gegebenenfalls zu kombinierenden Schemata und Modulen (siehe oben Rz. 36).

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Der Prospekt kann nach § 11 Abs. 1 Satz 1 WpPG und nach Maßgabe von Art. 28 ProspektVO Angaben in Form eines Verweises auf ein oder mehrere zuvor oder gleichzeitig veröffentlichte Dokumente enthalten. In diesem Fall muss der Prospekt gemäß § 11 Abs. 2 WpPG eine Liste enthalten, aus der sich ergibt, an welchen Stellen Angaben im Wege des Verweises in den Prospekt aufgenommen worden sind, um welche Angaben es sich handelt und an welcher Stelle die im Wege des Verweises einbezogenen Angaben veröffentlicht sind. c) Sprache

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Die Sprache, in welcher der Prospekt zu erstellen ist, richtet sich im Kern nach dem Herkunftsstaat des Emittenten und dem Staat, in dem die fraglichen Wertpapiere ausschließlich oder zusätzlich zum Inland angeboten werden. Werden Wertpapiere, für die der Herkunftsstaat des Emittenten die Bundesrepublik Deutschland ist, im Inland öffentlich angeboten oder wird im Inland die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt und nicht auch in einem anderen Staat oder mehreren anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, so ist der Prospekt in deutscher Sprache zu erstellen. Weitere Einzelheiten regeln §§ 19 und 21 WpPG (Art. 19 und 20 der Prospektrichtlinie umsetzend). 5. Werbung und anderweitige Verlautbarungen

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Werbung, die sich auf ein prospektpflichtiges öffentliches Angebot von Wertpapieren oder auf eine prospektpflichtige Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt bezieht, muss den Anforderungen von § 15

1 In Erwägungsgrund 21 Satz 2 der Prospektrichtlinie (siehe oben Rz. 1) heißt es zum Format der Zusammenfassung: „Damit diese Information leicht zugänglich ist, sollte die Zusammenfassung in allgemein verständlicher Sprache abgefasst werden und in der Regel nicht mehr als 2 500 Wörter in der Sprache umfassen, in der der ursprüngliche Prospekt abgefasst wurde.“

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Abs. 2–5 WpPG entsprechen (§ 15 Abs. 1 WpPG). Zu den formalen Anforderungen an die Werbung gehört, dass die Werbung klar als solche erkennbar ist (§ 15 Abs. 3 Satz 1 WpPG) und den Hinweis enthält, dass ein Prospekt veröffentlicht wurde oder zur Veröffentlichung ansteht und von wem die Anleger ihn erhalten können (§ 15 Abs. 2 WpPG). In Bezug auf den Inhalt der Werbung bestimmt § 15 WpPG, dass deren Angaben nicht unrichtig oder irreführend sein dürfen (§ 15 Abs. 3 Satz 2 WpPG) und nicht im Widerspruch zu den Prospektangaben stehen dürfen (§ 15 Abs. 3 Satz 3 WpPG). Irreführend sind vor allem Aussagen, die Fehlvorstellungen über den Umfang hervorrufen, in dem die BaFin einen Prospekt oder einen Nachtrag zu demselben im Billigungsverfahren nach Maßgabe von §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 16 Abs. 1 Satz 3 WpPG unterzieht. Auch alle anderen Informationen, die über ein prospektpflichtiges öffent- 44 liches Angebot oder die prospektpflichtige Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt verbreitet werden, müssen – auch wenn sie keinen Werbezwecken dienen – mit den im Prospekt enthaltenen Angaben übereinstimmen (§ 15 Abs. 4 WpPG). Hat die BaFin Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die vorstehend angeführten Bestimmungen, kann sie die Aussetzung der Werbung für jeweils höchstens zehn aufeinander folgende Tage anordnen. Vor allem kann die BaFin nach § 15 Abs. 6 Satz 2 WpPG die Werbung mit Angaben untersagen, die geeignet sind, über den Umfang der Prüfung des Prospekts oder eines Nachtrags zu einem solchen irrezuführen (siehe oben Rz. 43 aE), muss aber vor hierauf gerichteten allgemeinen Maßnahmen die Spitzenverbände der betroffenen Wirtschaftskreise und des Verbraucherschutzes hören (§ 15 Abs. 6 Satz 3 WpPG).

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6. Folgepflichten für börsennotierte Emittenten Ein Emittent, dessen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten 46 Markt zugelassen sind, hat mindestens einmal jährlich dem Publikum ein Dokument zur Verfügung zu stellen, das alle Informationen enthält oder auf sie verweist, die der Emittent in den vorausgegangenen zwölf Monaten auf Grund (1) der in §§ 15, 15a, 26, 30b Abs. 1 und 2, §§ 30e, 30f Abs. 2, §§ 37v, 37w, 37x, 37y, 37z Abs. 4 WpHG, (2) von § 42 Abs. 1 BörsG iVm. einer Börsenordnung oder (3) den vorstehenden Bestimmungen entsprechenden ausländischen Vorschriften veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt hat (§ 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG, Art. 10 der Prospektrichtlinie umsetzend). Die Veröffentlichung erfolgt in der für die Prospektveröffentlichung vorgesehenen Weise (§ 10 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 2 WpPG ). 7. Prospekthaftung Die Verlagerung der Regelung der Prospektpublizität für Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelas-

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sen werden sollen, aus dem BörsG und aus dem VerkProspG in das WpPG hat, worauf bereits an früherer Stelle hingewiesen wurde (siehe oben Rz. 5), zu einem verwirrenden System der Haftung für die nach dem WpPG zu erstellenden Prospekte geführt. Ohne dass dies dem WpPG selbst entnommen werden kann, ist die Haftung für fehlerhafte Prospekte oder für pflichtwidrig nicht veröffentlichte Prospekte teils im BörsG, teils im VerkProspG geregelt. – Für fehlerhafte Prospekte, die Wertpapiere betreffen, die im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen und nach Maßgabe von § 3 Abs. 3 WpPG prospektpflichtig sind, richtet sich die Haftung unmittelbar nach §§ 44–47 BörsG. – Für fehlerhafte Prospekte im Hinblick auf Wertpapiere, die nicht an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, aber im Inland öffentlich angeboten werden (§ 3 Abs. 1 WpPG), wird dagegen nach Maßgabe von § 13 VerkProspG gehaftet, der diesbezüglich jedoch (mit nur geringen, sich aus § 13 Abs. 1 VerkProspG ergebenden Modifikationen) auf die Vorschriften der §§ 44–47 BörsG über die börsengesetzliche Prospekthaftung verweist. – Nur für Wertpapiere, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind und nach § 3 Abs. 1 der Prospektpflicht unterliegen, wird darüber hinaus auch nach Maßgabe von § 13a VerkProspG für pflichtwidrig nicht veröffentlichte – fehlende – Prospekte gehaftet; für Wertpapiere, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, fehlt eine solche Bestimmung, weil eine Börsenzulassung ohne Veröffentlichung eines von der BaFin gebilligten Prospekts unzulässig (§ 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG) und praktisch ausgeschlossen ist. 48

Wie ebenfalls bereits an früherer Stelle angemerkt (Rz. 5), hat der Verweis in § 13 Abs. 1 VerkProspG auf die Vorschriften der börsengesetzlichen Prospekthaftung nach §§ 44–47 BörsG jedoch zur Folge, dass die Haftung für die Richtigkeit (und darin eingeschlossen: die Vollständigkeit) sämtlicher nach dem WpPG und nach dem VerkProspG veröffentlichter Prospekte den gleichen Regeln folgt. Die sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 1–3 VerkProspG ergebende modifizierte Anwendung der §§ 44–47 BörsG auf Prospekte, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassene Wertpapiere oder Prospekte für Kapitalanlagen iS des § 8f VerkProspG betreffen, sind dem Umstand geschuldet, dass die §§ 44 ff. BörsG an einen Prospekt anknüpfen, auf Grund dessen Wertpapiere zum Börsenhandel zugelassen wurden; das tut dem Gleichlauf der Prospekthaftungsgrundsätze indes keinen Abbruch.

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Die Anordnung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 der Prospektrichtlinie, der zufolge die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass niemand lediglich auf Grund der Zusammenfassung eines Prospekts (siehe oben Rz. 35) einschließlich einer Übersetzung davon haftet, es sei denn, die Zusammenfassung ist irreführend, unrichtig oder widersprüchlich, wenn sie zusammen mit den anderen Teilen des Prospekts gelesen wird, ist in § 45 Abs. 2 Nr. 5 BörsG umgesetzt worden.

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Da die Prospekthaftung für Kapitalanlagen, die nach § 3 Abs. 1 oder 3 WpPG 50 oder nach § 8f VerkProspG prospektpflichtig sind, den gleichen Grundsätzen folgt, wird sie in diesem Kommentar im Wege einer systematischen Darstellung der §§ 44 ff. BörsG und des § 13 VerkProspG im Rahmen der Kommentierung des § 13 VerkProspG behandelt. 8. Überwachung und Sanktionen Die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des WpPG und der EG- 51 ProspektVO sowie die Billigung des Prospekts obliegt der BaFin. Ihr stehen hierfür die in §§ 21 ff. WpPG geregelten Befugnisse zu. Insbesondere hat die BaFin in den in § 21 Abs. 4 WpPG angeführten Fällen – etwa wenn entgegen § 3 WpPG kein Prospekt veröffentlicht wurde – ein öffentliches Angebot zu untersagen. In grenzüberschreitenden Sachverhalten innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums arbeitet die BaFin mit den in den jeweiligen Mitgliedstaaten zuständigen Stellen nach Maßgabe von § 23 WpPG zusammen. Die BaFin kann unanfechtbare Maßnahmen, die sie wegen Verstößen gegen 52 Verbote oder Gebote dieses Gesetzes getroffen hat, auf ihrer Internetseite öffentlich bekannt machen, soweit dies zur Beseitigung oder Verhinderung von Missständen geboten ist, es sei denn, diese Veröffentlichung würde die Finanzmärkte erheblich gefährden oder zu einem unverhältnismäßigen Schaden bei den Beteiligten führen (§ 25 WpPG). Zahlreiche der sich aus dem WpPG ergebenden Pflichten (siehe § 30 Abs. 1 Nr. 1–9 WpPG) sowie Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Anordnungen (siehe § 30 Abs. 2 WpPG) stellen bußgeldbewehrte (siehe § 30 Abs. 3 WpPG) Ordnungswidrigkeiten dar.

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9. Gebühren Die BaFin erhebt für Amtshandlungen nach dem Wertpapierprospektgesetz 54 und nach Rechtsakten der EU Gebühren nach der Wertpapierprospektgebührenverordnung (Verordnung über die Erhebung von Gebühren nach dem Wertpapierprospektgesetz – WpPGebV). Auslagen werden gemäß § 1 der WpPGebV nicht gesondert erhoben. Im Übrigen gilt das Verwaltungskostengesetz. Die Verordnung erging auf der Grundlage von § 28 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 des WpPG iVm. dem 2. Abschnitt des Verwaltungskostengesetzes v. 23.6.19701 und dem auf Art. 7 Nr. 3 des Gesetzes v. 22.6.20052 zurückgehenden § 1 Nr. 7 der Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFinBefugV).

1 BGBl. I 1970, 821. 2 BGBl. I 2005, 1698.

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Abschnitt 1 Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen §1 Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz ist anzuwenden auf die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung von Prospekten für Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen. (2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf 1. Anteile oder Aktien, die von einer Kapitalanlagegesellschaft, Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital oder ausländischen Investmentgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 9 des Investmentgesetzes ausgegeben werden und bei denen die Anteilinhaber oder Aktionäre ein Recht auf Rückgabe der Anteile oder Aktien haben; 2. Nichtdividendenwerte, die von einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums oder einer Gebietskörperschaft eines solchen Staates, von internationalen Organisationen des öffentlichen Rechts, denen mindestens ein Staat des Europäischen Wirtschaftsraums angehört, von der Europäischen Zentralbank oder von den Zentralbanken der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums ausgegeben werden; 3. Wertpapiere, die uneingeschränkt und unwiderruflich von einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums oder einer Gebietskörperschaft eines solchen Staates garantiert werden; 4. Wertpapiere, die von Einlagenkreditinstitute oder von Emittenten, deren Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, ausgegeben werden; dies gilt nur, wenn der Verkaufspreis für alle angebotenen Wertpapiere weniger als 2,5 Millionen Euro beträgt, wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen ist; 5. Nichtdividendenwerte, die von Einlagenkreditinstituten dauernd oder wiederholt für einen Verkaufspreis aller angebotenen Wertpapiere von weniger als 50 Millionen Euro ausgegeben werden, wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen ist, sofern diese Wertpapiere a) nicht nachrangig, wandelbar oder umtauschbar sind oder b) nicht zur Zeichnung oder zum Erwerb anderer Wertpapiere berechtigen und nicht an ein Derivat gebunden sind. (3) Unbeschadet des Absatzes 2 Nr. 2 bis 5 sind Emittenten, Anbieter oder Zulassungsantragsteller berechtigt, einen Prospekt im Sinne dieses Gesetzes zu erstellen, wenn Wertpapiere öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698).

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§ 1 WpPG

Anwendungsbereich Schrifttum:

BaFin in BaFinJournal, Mitteilungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, April 2008; Beckmann in Beckmann/Scholtz/Vollmer (Hrsg.), Investment – Ergänzbares Handbuch für das gesamte Investmentwesen, Loseblatt; Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Elsen/Jäger, Auslaufen des Daueremittentenprivilegs, ZfgK 2008, 615; Ewer/Behnsen, Der Finanzmarktstabilisierungsfonds – Herzschrittmacher bei drohendem Kollaps der Finanzmärkte, NJW 2008, 3457; Fürhoff/Ritz, Richtlinienentwurf der Kommission über den Europäischen Pass für Emittenten, WM 2001, 2280; Giedinghagen, Arbeitnehmerbeteiligungen im Lichte des Wertpapierprospektgesetzes, BKR 2006, 233; Hackländer/ Iken in Beckmann/Scholtz/Vollmer (Hrsg.), Investment – Ergänzbares Handbuch für das gesamte Investmentwesen, Loseblatt; Heidelbach/Preuße, Einzelfragen in der praktischen Arbeit mit dem neuen Wertpapierprospektregime, BKR 2006, 316; Heidelbach/Preuße, Zweieinhalb Jahre neues Prospektregime und noch viele Fragen offen, BKR 2008, 10; Holzborn/Schwarz-Gondek, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BKR 2003, 927; Horn, Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz und das Risikomanagement zur globalen Finanzkrise, BKR 2008, 452; König, Die neue europäische Prospektrichtlinie – Eine kritische Analyse und Überlegungen zur Umsetzung in das deutsche Kapitalmarktrecht, ZEuS 2004, 251; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, Inhalt und Auswirkungen auf das deutsche Kapitalmarktrecht, BB 2004, 501; Leuering, Prospektpflichtige Anlässe im WpPG, Der Konzern 2006, 4; Maunz in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Loseblatt; Möllers/Voß, Schlaglicht Wertpapierprospektrecht: Der Wegfall des Daueremittentenprivilegs erfordert schnelles Handeln, BB 2008, 1131; Sandberger, Die EU-Prospektrichtlinie – „Europäischer Pass für Emittenten“, EWS 2004, 297; Schanz/Schalast, Wertpapierprospekte, Markteinführungspublizität nach EU-Prospektverordnung und Wertpapierprospektgesetz 2005, 2006; Schnorbus, Die prospektfreie Platzierung von Wertpapieren nach dem WpPG, AG 2008, 389; Seitz, Das neue Wertpapierprospektrecht – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678; Sprau in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl. 2010; Wagner, Der Europäische Pass für Emittenten – die neue Prospektrichtlinie, Die Bank 2003, 680; Weber, Die Entwicklung des Kapitalmarktrechts im Jahr 2008, NJW 2009, 33; Wendt in von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl. 2005.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . .

1

II. Anwendungsbereich (§ 1 Abs. 1 WpPG) 1. Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 WpPG . . . . . . . . . 2. Prospektbegriff . . . . . . . . . .

13 19

III. Ausnahmetatbestände (§ 1 Abs. 2 WpPG) 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmetatbestände im Einzelnen a) Anteile oder Aktien iS des Investmentgesetzes (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) . . . . .

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b) Nichtdividendenwerte der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums oder ihrer Gebietskörperschaften sowie der Zentralbanken (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 WpPG) . . . . . . . . . . c) Von einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums oder seiner Gebietkörperschaften garantierte Wertpapiere (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 WpPG) . . . . . . . . . . . . . .

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§ 1 WpPG d) Wertpapiere mit einem Gesamtverkaufpreis von weniger als 2,5 Mio. Euro (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG) aa) Berechtigte Emittenten bb) Angebotsvolumen . . . cc) Zeitraum von zwölf Monaten . . . . . . . . . . dd) Verhältnis zu § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG . . . . . . . . e) Daueremissionen von Nichtdividendenwerten der Einlagenkreditinstitute (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG)

Anwendungsbereich

37 39 49 51

aa) Nichtdividendenwerte iS des § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG . . . . . . . . . . . . 52 bb) Weitere Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG . . . . . . . . 60 cc) Auslauf des Daueremittentenprivilegs . . . . . . 62 IV. Freiwillige Prospekterstellung (§ 1 Abs. 3 WpPG) . . . . . . . . 64

I. Normentwicklung 1

§ 1 WpPG dient der Umsetzung von Art. 1 Prospektrichtlinie1. Deren Ziel, die Harmonisierung der Bedingungen für die Erstellung, die Billigung und die Verbreitung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren bzw. bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem geregelten Markt, der in einem Mitgliedstaat2 gelegen ist oder dort funktioniert, zu veröffentlichen ist, wird in Art. 1 Abs. 1 Prospektrichtlinie bestimmt. Danach gilt die Prospektrichtlinie sowohl für öffentliche Angebote von Wertpapieren als auch für die Zulassung von Wertpapieren an einem geregelten Markt. Die ursprünglich auf europäischer Ebene bestehende und auf der Emissionsrichtlinie3 und der Börsenzulassungsrichtlinie4 beruhende Differenzierung der Anwendungsbereiche wurde damit aufgehoben5. Dieses stellt einen der Unterschiede zwischen der ehemaligen und der derzeit gel-

1 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64; zum Umsetzungsziel von § 1 WpPG siehe Begr. RegE zu § 1 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. 2 Der Begriff Mitgliedstaaten meint die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums. Der Begriff Europäischer Wirtschaftsraum umfasst derzeit die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation mit Ausnahme der Schweiz. 3 Richtlinie 89/298/EWG des Rates vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8. 4 Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.5.2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1. 5 Siehe dazu auch Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (502); Sandberger, EWS 2004, 297 (298); Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 185 f.

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Anwendungsbereich

§ 1 WpPG

tenden Systematik dar1. Im Vergleich zu der Emissionsrichtlinie und Börsenzulassungsrichtlinie wurden Definitionen einzelner Tatbestandmerkmale des Anwendungsbereichs in Art. 2 Abs. 1 Prospektrichtlinie aufgenommen; dabei handelt es sich um die Begriffe des Wertpapiers, des öffentlichen Angebots und des geregelten Marktes. Verzichtet wurde hingegen darauf, die Wertpapierzulassung durch ein bestimmtes Marktsegment innerhalb des Art. 1 Abs. 1 Prospektrichtlinie zu konkretisieren, da auf der Ebene aller Mitgliedstaaten keine entsprechenden Definitionen existierten2. Der Anwendungsbereich wurde nicht mehr lediglich auf die Zulassung zur amtlichen Notierung beschränkt. Durch die Nennung der Zulassung zur amtlichen Notierung in der Börsenzulassungsrichtlinie waren Lücken in der Aufsicht entstanden, da eine Zulassung zur amtlichen Notierung in einigen Mitgliedstaaten keine zwangsläufige Zulassung zum Handel mit einschloss oder der Begriff der amtlichen Notierung aufgrund der Umsetzung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie3 teilweise abgeschafft wurde4. Art. 1 Abs. 2 Prospektrichtlinie enthält einen Katalog von Ausnahmen vom 2 Anwendungsbereich der Prospektrichtlinie. Den einzelnen Mitgliedstaaten stand es frei, inwieweit sie diese Ausnahmetatbestände in nationales Recht umsetzten5. Zu unterscheiden sind die Ausnahmen vom Anwendungsbereich von den Ausnahmen von der Prospektpflicht gemäß Artt. 3, 4 Prospektrichtlinie6. Der Grund für die Trennung der Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie und von der Prospektpflicht liegt darin, dass zwingend umzusetzende Ausnahmen von solchen abgegrenzt werden sollten, die nicht harmonisiert sind, und über deren Umsetzung die Mitgliedstaaten frei entscheiden konnten7. 1 Vgl. die Erläuterungen zu Art. 1 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122. 2 Erläuterungen zu Art. 1 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122; Fürhoff/ Ritz, WM 2001, 2280 (2283); vgl. auch Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 3. 3 Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27. 4 Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2283); vgl. auch Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 3. 5 Crüwell, AG 2003, 243 (245); Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (928); König, ZEuS 2004, 251 (261); Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 7; vgl. auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 7 f. 6 Vgl. dazu auch Crüwell, AG 2003, 243 (245); Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (928); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (503); Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 7. 7 Vgl. dazu auch Crüwell, AG 2003, 243 (245); Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (928); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (503); Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 7.

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§ 1 WpPG 3

Anwendungsbereich

Die einzelnen Ausnahmen vom Anwendungsbereich wurden stark diskutiert. Die Ausnahme für Anteilsscheine, die von Organismen für gemeinsame Anlagen eines anderen als des geschlossenen Typs ausgegeben werden, gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. a Prospektrichtlinie bezog sich in dem Vorschlag der Kommission für eine Prospektrichtlinie noch eindeutig auf geschlossene Fonds1 und wurde schließlich mit dem Wortlaut, der bereits in Art. 2 Abs. 2 lit. b Emissionsrichtlinie verwendet wurde, in die Prospektrichtlinie übernommen. Die Ausnahme vom Anwendungsbereich der Prospektrichtlinie für von einem Mitgliedstaat oder staatlichen Organisationen ausgegebenen Nichtdividendenwerten gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. b Prospektrichtlinie sollte gemäß dem Vorschlag der Kommission für eine Prospektrichtlinie alle Wertpapierarten umfassen2. Infolge der Stellungnahme des Europäischen Parlaments in seiner ersten Lesung3 wurde diese Ausnahme vom Anwendungsbereich in dem geänderten Kommissionsvorschlag auf Nichteigenkapitalwertpapiere beschränkt4. Die Ausnahme vom Anwendungsbereich von Mitgliedstaaten oder ihren Gebietskörperschaften garantierten Wertpapieren wurde erstmals in dem geänderten Kommissionsvorschlag für eine Prospektrichtlinie aufgeführt5 und nach Anpassung aufgrund des gemeinsamen Standpunktes des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union wortgleich in Art. 1 Abs. 2 lit. d Prospektrichtlinie übernommen6. 1 Art. 1 Abs. 3 lit. a des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, von der Kommission vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272. 2 Art. 1 Abs. 3 lit. b des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, von der Kommission vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272. 3 Art. 1 Abs. 3 lit. b des Standpunktes des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, festgelegt in erster Lesung am 14.3.2002, ABl. EU Nr. C 47 E v. 27.2.2003, S. 525. 4 Art. 1 Abs. 2 lit. b des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003. 5 Art. 1 Abs. 2 lit. c des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003. 6 Art. 1 Abs. 2 lit. d des gemeinsamen Standpunktes (EG) Nr. 25/2003 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom … betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, vom Rat festgelegt am 24.3.2003, ABl. EU Nr. C 125 E v. 27.5.2003, S. 21.

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Anwendungsbereich

§ 1 WpPG

In Art. 1 Abs. 2 lit. h Prospektrichtlinie ist eine Ausnahme von der Pro- 4 spektpflicht bei Kleinemissionen ohne Einschränkung auf bestimmte Emittenten vorgesehen. Gegenüber der ehemaligen Regelung gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. c Emissionsrichtlinie wurde die Grenze für Kleinemissionen von 40.000 Euro auf 2,5 Mio. Euro erheblich angehoben1. Diese Ausnahme wurde im geänderten Vorschlag der Europäischen Kommission für die Prospektrichtlinie noch als nicht öffentliches Angebot definiert2. Der Rat der Europäischen Union setzte sich dafür ein, dass diese Kleinemissionen aus dem Anwendungsbereich herausgenommen wurden3. In dem gemeinsamen Standpunkt des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union waren die Kleinemissionen als Ausnahme von dem Anwendungsbereich der Richtlinie vorgesehen4 und wurden entsprechend in die Richtlinie aufgenommen. Ein auf den ersten Blick erscheinender Widerspruch zwischen der Ausnahme von dem Anwendungsbereich der Richtlinie gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. h Prospektrichtlinie für Wertpapierangebote mit einem Gesamtverkaufspreis von weniger als 2,5 Mio. Euro und der Ausnahme von der Prospektpflicht gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. e Prospektrichtlinie für Wertpapierangebote mit einem Gesamtverkaufspreis von weniger als 100.000 Euro kann durch teleologische Auslegung der Regelungen ausgeräumt werden5. Den Mitgliedstaaten sollte es gerade frei stehen, zwar eine Prospektpflicht für Wertpapieremissionen bis zu einer Grenze von 2,5 Mio. Euro vorzusehen. Für diesen Fall sollte jedoch sichergestellt werden, dass Emissionen mit einem Gesamtverkaufspreis von weniger als 100.000 Euro von der Prospektpflicht ausgenommen werden6. 1 Vgl. auch König, ZEuS 2004, 251 (261). 2 Art. 2 Abs. 2 lit. e des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122; vgl. auch Holzborn/ Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (928). 3 Art. 1 Abs. 2 lit. h der Begründung des Rates v. 24.3.2003, Interinstitutionelles Dossier 2001/0117 (COD), 5390/4/03 REV 4 ADD 1, elektronisch verfügbar auf der Internetseite des Rates der Europäischen Union, http://www.consilium.europa.eu; vgl. auch Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (928). 4 Art. 1 Abs. 2 lit. h des gemeinsamen Standpunktes (EG) Nr. 25/2003 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom … betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, vom Rat festgelegt am 24.3.2003, ABl. EU Nr. C 125 E v. 27.5.2003, S. 21. 5 Vgl. dazu Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (929 f.); König, ZEuS 2004, 251 (263); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (504); Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 43. 6 Art. 3 Abs. 2 lit. e der Begründung des Rates v. 24.3.2003, Interinstitutionelles Dossier 2001/0117 (COD), 5390/4/03 REV 4 ADD 1, elektronisch verfügbar auf der Internetseite des Rates der Europäischen Union, http://www.consilium.europa.eu; Art. 3 Abs. 2 lit. e des gemeinsamen Standpunktes (EG) Nr. 25/2003 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom … betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot

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§ 1 WpPG

Anwendungsbereich

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Die in Art. 1 Abs. 2 lit. j Prospektrichtlinie normierte Ausnahme für Daueremissionen für Kreditinstitute wurde während des europäischen Gesetzgebungsverfahrens kontrovers diskutiert1. Die deutschen Vertreter befürworteten eine Aufnahme dieses sog. Daueremittentenprivilegs, damit auch kleinere Kreditinstitute, wie zum Beispiel Sparkassen, leicht am Kapitalmarkt teilnehmen können2. Das Europäische Parlament setzte sich dafür ein, dass die Ausnahme für Daueremissionen von Kreditinstituten in die Prospektrichtlinie aufgenommen wurde3, wobei diese von dem Europäischen Parlament in seiner ersten Lesung noch nicht als Ausnahme vom Anwendungsbereich der Richtlinie, sondern als Ausnahme aufgrund der Angebotsart angesehen wurde4 und auch keine Beschränkung im Hinblick auf das Emissionsvolumen enthielt5.

6

Die Möglichkeit der freiwilligen Prospekterstellung gemäß Art. 1 Abs. 3 Prospektrichtlinie sollte zunächst nur den Mitgliedstaaten und einigen ihrer staatlichen Einrichtungen, der Europäischen Zentralbank sowie den Zentralbanken der Mitgliedstaaten zustehen6. Im Laufe des europäischen Gesetzgebungsverfahrens wurde die Möglichkeit zur Erstellung eines freiwilligen Prospekts auf alle Emittenten, Anbieter und Zulassungsantragsteller ausgeweitet7.

1 2 3 4 5

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von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, vom Rat festgelegt am 24.3.2003, ABl. EU Nr. C 125 E v. 27.5.2003, S. 21; Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (929 f.); König, ZEuS 2004, 251 (263); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (504); Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 43. Renz/Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte – Eine Darstellung der gesetzlichen Vorgaben für die Emissionspraxis, S. 46; vgl. auch Elsen/Jäger, ZfgK 2008, 615 (616). Renz/Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte – Eine Darstellung der gesetzlichen Vorgaben für die Emissionspraxis, S. 46; vgl. auch Elsen/Jäger, ZfgK 2008, 615 (616); Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 23. Wagner, Die Bank 2003, 680 (681). Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (928). Art. 3 Abs. 3 lit. m des Standpunktes des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, festgelegt in erster Lesung am 14.3.2002, ABl. EU Nr. C 47 E v. 27.2.2003, S. 525. Erläuterungen zu Art. 1 Abs. 3 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122. Art. 1 Abs. 3 des gemeinsamen Standpunktes (EG) Nr. 25/2003 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom … betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, vom Rat festgelegt am 24.3.2003, ABl. EU Nr. C 125 E v. 27.5.2003, S. 21.

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Anwendungsbereich

§ 1 WpPG

Gemäß Art. 31 Prospektrichtlinie erfolgt eine Überprüfung der Prospekt- 7 richtlinie fünf Jahre nach ihrem Inkrafttreten durch die Europäische Kommission; diese legt dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union einen Bericht, gegebenenfalls mit Vorschlägen für eine Revision der Richtlinie, vor. Die Europäische Kommission hat in diesem Zusammenhang ein Konsultationsdokument1 und ein Hintergrunddokument2 veröffentlicht. Letztgenanntes enthält zur Diskussion gestellte Vorschläge zu Art. 1 Abs. 2 lit. h Prospektrichtlinie und Art. 1 Abs. 2 lit. d und Abs. 3 Prospektrichtlinie, die jedoch noch keine konkreten Änderungsvorschläge darstellen. Danach geben kleinere Unternehmen zu bedenken, die in Art. 1 Abs. 2 lit. h Prospektrichtlinie aufgeführte Grenze von weniger als 2,5 Mio. Euro für prospektfreie Wertpapierangebote sei aus Kostengesichtspunkten zu niedrig3. Das Hintergrunddokument enthält zwei alternative Lösungsvorschläge, nämlich eine Erhöhung der Grenze von 2,5 Mio. Euro oder geringere Informationsanforderungen an kleinere Unternehmen für den Prospekt („mini prospectus“)4. Hinsichtlich Art. 1 Abs. 2 lit. d und Abs. 3 Prospektrichtlinie wird ausgeführt, der Grund, Wertpapiere, die uneingeschränkt und unwiderruflich von einem Mitgliedstaat gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. d Prospektrichtlinie garantiert werden, von dem Anwendungsbereich der Prospektrichtlinie auszunehmen, liege darin, dass Staaten solide sowie wohl bekannte Garantiegeber seien und die Öffentlichkeit eine dauernde Einsicht in ausreichende Informationen über die Solvenz und die wirtschaftliche Lage von Staaten habe5. Daher wird zur Diskussion gestellt, 1 Consultation on draft proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directives 2003/71/EC on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading and 2004/109/EC on the harmonisation of transparency requirements in relation to information about issuers whose securities are admitted to trading on a regulated market, elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Europäischen Kommission unter http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2009/prospectus_en.htm. 2 Background Document, Review of Directive 2003/71/EC on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading and amending Directive 2001/34/EC (Prospectus Directive), elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Europäischen Kommission unter http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2009/prospectus_en.htm. 3 Nr. 4.3. Background Document, Review of Directive 2003/71/EC on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading and amending Directive 2001/34/EC (Prospectus Directive), elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Europäischen Kommission unter http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2009/prospectus_en.htm. 4 Nr. 4.3. Background Document, Review of Directive 2003/71/EC on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading and amending Directive 2001/34/EC (Prospectus Directive), elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Europäischen Kommission unter http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2009/prospectus_en.htm. 5 Nr. 4.4. Background Document, Review of Directive 2003/71/EC on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading and amending Directive 2001/34/EC (Prospectus Directive), elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Europäischen Kommission unter http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2009/prospectus_en.htm.

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§ 1 WpPG

Anwendungsbereich

bei einem freiwillig nach Art. 1 Abs. 3 Prospektrichtlinie erstellten Prospekt, der von einem Mitgliedstaat uneingeschränkt und unwiderruflich garantierte Wertpapiere zum Gegenstand hat, von der Anforderung gemäß Art. 5 Abs. 1 Prospektrichtlinie, Angaben über den Garantiegeber gemäß den Anhängen VI und XVI ProspektVO aufzunehmen, abzusehen1. 8

Der Richtlinienvorschlag2 sieht eine Erhöhung der Grenze des Emissionsvolumens für Art. 1 Abs. 2 lit. h Prospektrichtlinie von 2,5 Mio. Euro auf 5 Mio. Euro und für Art. 1 Abs. 2 lit. j Prospektrichtlinie von 50 Mio. Euro auf 75 Mio. Euro vor; daneben soll klargestellt werden, dass die Berechnung der jeweiligen Obergrenze auf der Basis der innerhalb der Europäischen Union und nicht jeweils in einem Land angebotenen bzw. begebenen Wertpapiere gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. h Prospektrichtlinie bzw. Nichtdividendenwerte gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. j Prospektrichtlinie vorzunehmen ist3. Als Gründe für die letztgenannte Änderung hatte die Europäische Kommission die Sicherheit und Wirksamkeit angeführt, da die Berechnung dieser Obergrenzen der Emissionsvolumina in den Mitgliedstaaten unterschiedlich erfolgt4. Daneben beinhaltet der Richtlinienvorschlag in Art. 1 Abs. 4 die Ermächtigung der Europäischen Kommission zur Festlegung vom Maßnahmen hinsichtlich der Anpassung der in Art. 1 Abs. 2 lit. h und j Prospektrichtlinie genannten Obergrenzen, um den Entwicklungen der Finanzmärkte Rechnung zu tragen; bei der Festlegung der Maßnahmen sollen Art. 24 Prospektrichtlinie sowie Art. 24a und 24b des

1 Nr. 4.4. Background Document, Review of Directive 2003/71/EC on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading and amending Directive 2001/34/EC (Prospectus Directive), elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Europäischen Kommission unter http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2009/prospectus_en.htm. 2 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, v. 28.5.2010, 10254/10, 2009/0132 (COD). 3 Art. 1 Abs. 2 lit. h, j Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, v. 28.5.2010, 10254/10, 2009/0132 (COD), englische Fassung S. 16. 4 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, v. 23.9.2009, KOM(2009) 491 endgültig, 2009/0132 (COD), S. 6.

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Anwendungsbereich

§ 1 WpPG

Richtlinienvorschlags berücksichtigt werden1. Diese Ergänzung wurde von der Europäischen Union damit begründet, dass die Obergrenzen nach Art. 1 Abs. 2 lit. h und j Prospektrichtlinie sich künftig als hinfällig erweisen könnten2. Durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz3 fand die einheitliche Re- 9 gelung eines Anwendungsbereichs Eingang in das deutsche Recht. § 1 Abs. 1 WpPG beinhaltet die Neuerung, dass sowohl das öffentliche Angebot als auch die Zulassung von Wertpapieren an einem organisierten Markt in einem Gesetz geregelt sind (zu dem Begriff des organisierten Marktes gemäß § 1 Abs. 1 WpPG iVm. § 2 Nr. 16 WpPG siehe Rz. 17 f. und § 2 WpPG Rz. 89)4. Damit existiert ein einheitlicher Prospektbegriff und eine einheitliche Prospektpflicht im WpPG5. Demgegenüber musste nach früherem nationalem Recht für ein öffentliches Angebot ein Verkaufsprospekt nach der alten Fassung des Verkaufsprospektgesetzes iVm. der damaligen Fassung der Verkaufsprospekt-Verordnung und für eine Zulassung von Wertpapieren zu den damaligen Zulassungssegmenten des amtlichen oder geregelten Marktes ein Börsenzulassungsprospekt bzw. Unternehmensbericht nach der alten Fassung des Börsengesetzes in Verbindung mit der damaligen Börsenzulas-

1 Art. 1 Abs. 4 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, v. 28.5.2010, 10254/10, 2009/0132 (COD), englische Fassung S. 17. 2 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen, v. 23.9.2009, KOM(2009) 491 endgültig, 2009/0132 (COD), S. 6. 3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 22.6.2005, BGBl. I 2005, 1698. 4 Begr. RegE zu Allgemeiner Teil, WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 25; siehe dazu auch Groß, Kapitalmarktrecht, WpPG, Vorbemerkungen Rz. 6; Hamann in Schäfer/Hamann, Vor § 1 WpPG Rz. 16; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 105 f.; Leuering, Der Konzern 2006, 4 (5); Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/ Zeising, Einleitung WpPG Rz. 33; Schanz/Schalast, Wertpapierprospekte, Markteinführungspublizität nach EU-Prospektverordnung und Wertpapierprospektgesetz 2005, S. 6; Weber, NZG 2004, 360 (361). 5 Vgl. auch Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Einleitung WpPG Rz. 33; Schlitt/ Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 13; Weber, NZG 2004, 360 (361).

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§ 1 WpPG

Anwendungsbereich

sungs-Verordnung erstellt werden1. Beim öffentlichen Angebot bereits zum Börsenhandel zugelassener Wertpapiere war kein Prospekt zu veröffentlichen (§§ 1, 7 VerkProspG aF)2. Grundlage des Verkaufsprospektgesetzes war die Emissionsrichtlinie; das Börsengesetz basierte auf der Börsenzulassungsrichtlinie. 10

Art. 1 Abs. 2 Prospektrichtlinie führt bestimmte Wertpapiere, die vom Anwendungsbereich der Prospektrichtlinie ausgenommen sind, auf. Dies bedeutet, dass der deutsche Gesetzgeber frei war, solche Ausnahmen in das deutsche Gesetz umzusetzen3. Davon hat er allerdings nur in geringem Maße Gebrauch gemacht. Ein Grund dafür war, dass die in Art. 1 Abs. 2 Prospektrichtlinie aufgeführten Ausnahmetatbestände teilweise auf unterschiedliche nationale Besonderheiten zugeschnitten sind4, wie die Ausnahmen für Anteile am Kapital von Zentralbanken in der Form einer Aktiengesellschaft gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. c Prospektrichtlinie, für Anteile, die in einigen Mitgliedstaaten, insbesondere in Finnland, mit dem Recht auf Nutzung einer Immobilie verbunden sind, gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. g Prospektrichtlinie und für eine spezifische Art von Hypothekenanleihen, der sog. Bostadsobligationer, welche nur in Schweden emittiert wird, gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. i Prospektrichtlinie5. In deutsches Recht umgesetzt wurde ebenfalls nicht die Ausnahme für Wertpapiere, die von Vereinigungen mit Rechtspersönlichkeit oder von einem Mitgliedstaat anerkannten Einrichtungen ohne Erwerbscharakter zum Zweck der Mittelbeschaffung für ihre nicht erwerbsorientierten Ziele ausgegeben werden, gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. e Prospektrichtlinie. Diese wurde aus deutscher Sicht als systemfremd angesehen, da nur die Ziele einer Vereinigung und nicht die Mittelbeschaffung am Kapitalmarkt als gemeinnützig angesehen werden können6. Ferner wurde der in Art. 1 Abs. 2 lit. f Prospektrichtlinie aufgeführte Ausnahmetatbestand nicht in das WpPG übernommen. Im Unterschied zu Art. 1 Abs. 2 Prospektrichtlinie waren die Ausnahmen gemäß Artt. 3, 4 Prospektricht1 Groß, Kapitalmarktrecht, WpPG, Vorbemerkungen Rz. 6; Hamann in Schäfer/ Hamann, Vor § 1 WpPG Rz. 16; Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Einleitung WpPG Rz. 26; Schanz/Schalast, Wertpapierprospekte, Markteinführungspublizität nach EU-Prospektverordnung und Wertpapierprospektgesetz 2005, S. 6; siehe dazu auch Crüwell, AG 2003, 243 (244). 2 Leuering, Der Konzern 2006, 4 (7). 3 Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27; vgl. auch Crüwell, AG 2003, 243 (245); Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (928); König, ZEuS 2004, 251 (261); Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 9; Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 7. 4 Crüwell, AG 2003, 243 (245); vgl. auch Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 8. 5 Begründung des Rates zu Art. 1 des gemeinsamen Standpunktes (EG) Nr. 25/2003 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom … betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, vom Rat festgelegt am 24.3.2003, ABl. EU Nr. C 125 E v. 27.5.2003, S. 21; Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 8; vgl. auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 9. 6 Crüwell, AG 2003, 243 (245); vgl. auch Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 9.

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Anwendungsbereich

§ 1 WpPG

linie von den Mitgliedstaaten zwingend umzusetzen, ohne dass ihnen dabei ein Gestaltungsspielraum zukam (dazu auch Rz. 2; zu den Folgen bei einem öffentlichen Angebot oder einer Börsenzulassung sowohl in Deutschland als auch in einem anderen Mitgliedstaat siehe Rz. 24; zu den daraus folgenden Auswirkungen auf die freiwillige Prospekterstellung siehe Rz. 68)1. Mit § 1 Abs. 2 Nr. 1 WpPG, der sich an § 3 Nr. 3 VerkProspG aF orientiert2, wird Art. 1 Abs. 2 lit. a Prospektrichtlinie in das deutsche Recht übernommen. Gegenüber der ehemaligen Regelung des § 3 Nr. 3 VerkProspG aF bezieht sich diese Ausnahme auch auf Aktien und nicht nur auf Anteilsscheine3. Vor dem Hintergrund, dass auf europarechtlicher Ebene keine Definition des in Art. 1 Abs. 2 lit. a Prospektrichtlinie verwendeten Begriffs „Organismen für gemeinsame Anlagen eines geschlossenen Typs“ entwickelt wurde (Art. 18 Abs. 2 Nr. 1 ProspektVO4), fehlte es an klaren Bestimmungen zur Auflösung des Konkurrenzverhältnisses zwischen dem WpPG und dem InvG5. Dieser Punkt wurde während des nationalen Gesetzgebungsverfahrens ausgiebig diskutiert. Der in dem Diskussionsentwurf des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz des Bundesfinanzministeriums vorgeschlagene Wortlaut wurde ohne Änderung während des Gesetzgebungsverfahrens in das WpPG übernommen6. Die Ausnahme von der Prospektpflicht für Nichtdividendenwerte der Mitgliedstaaten oder ihrer Gebietskörperschaften sowie der Zentralbanken gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. b Prospektrichtlinie wird durch § 1 Abs. 2 Nr. 2 WpPG umgesetzt. Diese Vorschrift ist § 3 Nr. 1 VerkProspG aF und den §§ 36, 52 BörsG aF nachgebildet7. § 1 Abs. 2 Nr. 3 WpPG, der sich an § 3 Nr. 4 VerkProspG aF orientiert8, setzt die Ausnahme für von einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums oder seinen Gebietskörperschaften garantierte Wertpapiere gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. d Prospektrichtlinie um. Gegenüber § 3 Nr. 4 VerkProspG 1 Crüwell, AG 2003, 243 (245); Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2283); Holzborn/ Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (928); König, ZEuS 2004, 251 (261 f.). 2 Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. 3 Vgl. auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 10; Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 11. 4 Berichtigung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlament und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3. 5 Vgl. dazu auch die Darstellung der „großen Lösung“ und der „kleinen Lösung“, die von dem deutschen Gesetzgeber gewählt wurde, Ritz/Zeising in Just/Voß/ Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 12 f. 6 Diskussionsentwurf – Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 26.11.2004, BMFDiskE2611. 7 Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 2 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. 8 Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27.

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Anwendungsbereich

aF, der eine Beschränkung der Ausnahme auf Schuldverschreibungen vorsah, umfasst der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 3 WpPG alle Wertpapierarten1. Aufgegeben wurde die Ausnahme für eine Gesellschaft oder eine juristische Person, die ihre Tätigkeit unter einem Staatsmonopol ausübt2. Die in Art. 1 Abs. 2 lit. h Prospektrichtlinie vorgesehene Ausnahme von der Prospektpflicht bei Kleinemissionen ohne Einschränkung auf bestimmte Emittenten wurde bei der Umsetzung dieser Regelung in das deutsche Recht (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG) auf Einlagenkreditinstitute und Emittenten, deren Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, beschränkt3. Hinsichtlich der Höhe des Emissionsvolumens, welches prospektfrei angeboten werden kann, hat der deutsche Gesetzgeber das von Art. 1 Abs. 2 lit. h Prospektrichtlinie vorgegebene Emissionsvolumen von weniger als 2,5 Mio. Euro voll ausgeschöpft. Damit ging auch eine erhebliche Erhöhung der ehemaligen Grenze für Kleinemissionen von 40.000 Euro (§ 2 Nr. 4 VerkProspG aF) einher4. § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG setzt Art. 1 Abs. 2 lit. j Prospektrichtlinie um. Diese Ausnahme orientiert sich an § 3 Nr. 2 VerkProspG aF. Im Gegensatz dazu dürfen nach der Regelung im WpPG nur Nichtdividendenwerte in einem Gesamtgegenwert von weniger als 50 Mio. Euro, bezogen auf einen Zeitraum von zwölf Monaten, prospektfrei emittiert werden5. Nach der ehemaligen Regelung des § 3 Nr. 2 VerkProspG aF war für dauernd oder wiederholt von Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituten ausgegebene Schuldverschreibungen kein Verkaufsprospekt zu veröffentlichen6. Für eine Zulassung derartiger Schuldverschreibungen musste der Börsenzulassungsprospekt nur wenigen Anforderungen genügen (§ 30 BörsG aF iVm. § 38 BörsZulV aF)7. Neu ist auch die Begrenzung der Nichtdividendenwerte auf die in § 1 Abs. 2 Nr. 5 lit. a und b WpPG genannten Arten8. Die in Art. 1 Abs. 3 Prospektrichtlinie vorgesehene Regelung der freiwilligen Prospekterstellung wurde für die in Art. 1 Abs. 2 lit. b, d, h und j Prospektrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen inhaltsgleich in § 1 Abs. 3 WpPG übernommen. Bestimmungen der Begriffe Wertpapier, öffentliches Angebot und organisierter Markt, die innerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 1 Prospektrichtlinie aufgeführt sind, wurden in § 2 Nr. 1, 4 und 16 WpPG übernommen.

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Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 17. Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 17. Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. Vgl. im Zusammenhang mit der Prospektrichtlinie König, ZEuS 2004, 251 (261). Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27; vgl. dazu auch Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 113; Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 22. 6 Siehe dazu Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 9; Renz/ Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte – Eine Darstellung der gesetzlichen Vorgaben für die Emissionspraxis, S. 47 f. 7 Vgl. dazu Renz/Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte – Eine Darstellung der gesetzlichen Vorgaben für die Emissionspraxis, S. 46 f. 8 Vgl. auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 19.

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§ 1 WpPG

Anwendungsbereich

Entsprechend legt § 1 WpPG in Abs. 1 den Anwendungsbereich des WpPG 12 fest, bestimmt in Abs. 2 die Ausnahmen vom Anwendungsbereich und regelt in Abs. 3 die Möglichkeit der freiwilligen Prospekterstellung.

II. Anwendungsbereich (§ 1 Abs. 1 WpPG) 1. Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 WpPG Der Anwendungsbereich des Gesetzes erstreckt sich gemäß § 1 Abs. 1 13 WpPG auf die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung von Prospekten für Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen. Die Prospekterstellung ist in Abschnitt 2, §§ 5 bis 12 WpPG geregelt. Die 14 Vorschriften zur Prospektbilligung und -veröffentlichung finden sich in Abschnitt 3, §§ 13 bis 16 WpPG1. Die für die Festlegung des Anwendungsbereiches des WpPG wesentlichen Tatbestandsmerkmale Wertpapiere, öffentliches Angebot und organisierter Markt sind in § 2 Nr. 1, 4 und 16 WpPG legaldefiniert (dazu § 2 WpPG Rz. 5 ff., Rz. 28 ff. und Rz. 89). Mit dem Begriff der Zulassung ist der Zulassungsbeschluss, der als Verwal- 15 tungsakt durch die Geschäftsführung der Börse erlassen wird2, gemeint. Während die BaFin für die Prospektprüfung und -billigung zuständig ist, wird das Verfahren für die Zulassung der Wertpapiere an einem organisierten Markt bei der Börse durchgeführt3. Voraussetzung für die Zulassung ist die Veröffentlichung eines gebilligten Prospekts. Die Börse lässt sich daher den Prospekt und den Nachweis über dessen Veröffentlichung vorlegen. Sie unterzieht den Prospekt jedoch keiner Prüfung im Hinblick auf die Anforderungen des WpPG, sondern beschränkt sich darauf zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Zulassung gemäß §§ 32, 34 BörsG iVm. der BörsZulV vorliegen. Das WpPG ist nicht anwendbar auf öffentliche Angebote, die keine Wertpapiere gemäß § 2 Nr. 1 WpPG zum Gegenstand haben (zu dem Begriff Wertpapier siehe § 2 WpPG Rz. 5 ff.)4. Für die in § 8f VerkProspG aufgeführten, nicht in den Anwendungsbereich des WpPG fallenden Vermögensanlagen besteht jedoch die Pflicht zur Prospekterstellung nach den Vorschriften des Verkaufsprospektgesetzes. Davon zu unterscheiden ist die alte Rechtslage, nach der für öffentlich angebotene Wertpapiere eine Prospektpflicht gemäß der alten Fassung des Verkaufsprospektgesetzes bestand (Rz. 9)5.

1 Siehe auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 3; Ritz/Zeising in Just/ Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 1. 2 Vgl. auch Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rz. 36. 3 Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (255). 4 Vgl. auch Leuering, Der Konzern 2006, 4 (9). 5 Siehe auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 5.

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Anwendungsbereich

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Der Begriff des organisierten Marktes ist in § 2 Nr. 16 WpPG legaldefiniert. Die Definition des Begriffs organisierter Markt wurde im Zuge der Änderung des Investmentänderungsgesetzes neu formuliert (zu dem Begriff organisierter Markt siehe § 2 WpPG Rz. 89)1. In Deutschland handelt es sich bei dem regulierten Markt iS von §§ 32 f. BörsG um einen organisierten Markt gemäß § 1 Abs. 1 WpPG iVm. § 2 Nr. 16 WpPG, nachdem die ursprünglichen Marktsegmente amtlicher Markt und geregelter Markt am 1.11.2007 in den regulierten Markt zusammengeführt wurden2. Durch die Änderung des Börsengesetzes aufgrund des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes3 wurde der Begriff des regulierten Marktes eingeführt.

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Um keinen organisierten Markt iS von § 1 Abs. 1 WpPG iVm. § 2 Nr. 16 WpPG handelt es sich aufgrund der privatrechtlichen Organisationsform beim Freiverkehr gemäß § 48 BörsG4, weshalb das WpPG auf die alleinige Einbeziehung von Wertpapieren in den Freiverkehr nicht anwendbar ist5. Hingegen besteht eine Prospektpflicht nach dem WpPG, sofern die Wertpapiere, die in den Freiverkehr einbezogen werden sollen, auch öffentlich angeboten werden. 2. Prospektbegriff

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Das WpPG enthält keine Legaldefinition des Begriffs Prospekt6. In § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 WpPG sind jedoch allgemeine Anforderungen, die an einen Prospekt gestellt werden, genannt7. Danach muss er Angaben über den Emittenten und über die Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, enthalten mit der Zielrichtung, dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Ver1 Art. 19a Gesetz zur Änderung des Investmentgesetzes und Anpassung anderer Vorschriften (Investmentänderungsgesetz) v. 21.12.2007, BGBl. I 2007, 3089. 2 Siehe auch Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 8; Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 2; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 39. 3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330. 4 Begr. RegE zu § 1 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 25, 27; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 2, § 2 WpPG Rz. 43; Groß, Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 2, § 2 WpPG Rz. 35; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 110; Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 5; Renz/Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte – Eine Darstellung der gesetzlichen Vorgaben für die Emissionspraxis, S. 46; Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 3. 5 Begr. RegE zu § 1 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 2; Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 3. 6 Vgl. zu dem Prospektbegriff im Rahmen der Prospektrichtlinie Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung. 7 Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 123.

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mögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste, die Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers sowie über die mit diesen Wertpapieren verbundenen Rechte zu ermöglichen. Folglich stellt der Prospekt ein Informationspapier dar, das dem Anlegerschutz zu Gute kommt1. Daneben dient er als wirksames Mittel, um das Vertrauen in die Wertpapiere zu erhöhen und zur reibungslosen Funktionsweise und Entwicklung der Wertpapiermärkte beizutragen2. Da Grundlage für eine Prospekthaftung gemäß §§ 44 f. BörsG iVm. § 13 VerkProspG der Prospekt ist, stellt er auch das zentrale Haftungsdokument dar. Prospektgegenstand kann gemäß § 1 Abs. 1 WpPG ein öffentliches Angebot 20 von Wertpapieren oder eine Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt sein. Für den Prospekt gelten – im Gegensatz zu der früheren Rechtslage, gemäß der bei der Erstellung von Prospekten für öffentliche Angebote und Börsenzulassungen unterschiedliche Regelungen zu berücksichtigen waren (Rz. 9) – nun dieselben Regelungen, nämlich das WpPG iVm. der ProspektVO3. Diese ist aufgrund des Verweises in § 7 WpPG vollständiger Gegenstand des WpPG4. Unabhängig davon, welcher der beiden Teile des Anwendungsbereichs des Gesetzes relevant ist, richten sich die für die nach dem WpPG und der ProspektVO aufzunehmenden Angaben grundsätzlich nach denselben Vorgaben5. Auch wenn in § 1 Abs. 1 WpPG die beiden Teile des Anwendungsbereiches alternativ aufgeführt sind, können beide Gegenstand eines Dokuments sein. Die Erstellung eines Dokuments reicht dann aus, wenn beabsichtigt ist, dieselben Wertpapiere, die öffentlich angeboten werden sollen, im Zuge dessen auch an einem organisierten Markt zuzulassen. Zu berücksichtigen ist, dass der Begriff Prospekt auch in anderen Gesetzen, 21 wie dem Verkaufsprospektgesetz (Rz. 16) und dem Investmentgesetz (Rz. 25 ff.) verwendet wird.

1 Vgl. Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64: siehe auch Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 5 WpPG Rz. 1 sowie Fn. 2; Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 165. 2 Vgl. Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64; siehe auch Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 5 WpPG Rz. 1 sowie Fn. 2. 3 Vgl. auch Hamann in Schäfer/Hamann, Vor § 1 WpPG Rz. 16 sowie § 1 WpPG Rz. 4. 4 Siehe auch Leuering, Der Konzern 2006, 4 (5). 5 Vgl. auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 4.

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§ 1 WpPG

Anwendungsbereich

III. Ausnahmetatbestände (§ 1 Abs. 2 WpPG) 1. Übersicht 22

In § 1 Abs. 2 WpPG sind Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Gesetzes aufgeführt. Das WpPG ist nicht anwendbar auf bestimmte Arten von Wertpapieren, die von qualifizierten Emittenten ausgegeben werden1. § 1 Abs. 2 WpPG befreit von der Anwendung des WpPG insgesamt; dh. auch neben der Prospektpflicht weiteren nach dem WpPG bestehenden Pflichten, wie der Mitteilung wesentlicher Informationen bei Nichtvorliegen einer Prospektpflicht (§ 15 Abs. 5 Satz 1 WpPG), muss nicht nachgekommen werden. Im Vergleich dazu besteht bei Vorliegen einer der Ausnahmen gemäß § 3 Abs. 2 WpPG und § 4 Abs. 1 und 2 WpPG nur eine Befreiung von der Pflicht zur Prospektveröffentlichung, die weiteren Pflichten existieren weiter2.

23

Wertpapiere können gemäß § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG prospektfrei zugelassen werden, sofern nach § 1 Abs. 2 WpPG von der Veröffentlichung eines Prospekts abgesehen werden kann3. Eine prospektfreie Erstzulassung ist hingegen nicht möglich (Rz. 37).

24

Für den Fall, dass ein öffentliches Angebot oder eine Börsenzulassung von Wertpapieren sowohl in Deutschland als auch in einem anderen Mitgliedstaat stattfinden soll und die Wertpapiere in Deutschland aufgrund einer in § 1 Abs. 2 WpPG aufgeführten Ausnahmen prospektfrei angeboten werden können, der nationale Gesetzgeber des anderen Mitgliedstaates jedoch den relevanten Ausnahmetatbestand des Art. 1 Abs. 2 Prospektrichtlinie nicht in nationales Gesetz umgesetzt hat, muss ein Prospekt für das öffentliche Angebot bzw. die Börsenzulassung in dem anderen Mitgliedstaat erstellt werden, sofern keine anderen Ausnahmen gemäß dem § 3 Abs. 2 WpPG und dem § 4 WpPG entsprechenden Vorschriften des anderen Mitgliedstaates in Betracht kommen (zu der Möglichkeit der freiwilligen Prospekterstellung in diesem Fall siehe Rz. 68). Umgekehrt ist ein Prospekt für ein öffentliche Angebot bzw. eine Börsenzulassung in Deutschland zu erstellen, sofern der andere Mitgliedstaat, in dem die Wertpapiere ebenfalls öffentlich angeboten oder zugelassen werden sollen, einen Ausnahmetatbestand des Art. 1 Abs. 2 Prospektrichtlinie umgesetzt hat, der deutsche Gesetzgeber jedoch nicht, und auch keine Ausnahme nach § 3 Abs. 2 WpPG und § 4 WpPG einschlägig ist4. 2. Ausnahmetatbestände im Einzelnen a) Anteile oder Aktien iS des Investmentgesetzes (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 WpPG)

25

Voraussetzung für die Ausnahme nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 WpPG ist, dass Anteile oder Aktien von einer Kapitalanlagegesellschaft gemäß §§ 2 Abs. 6, 6 f. 1 Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 6, 10. 2 Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 8; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (316). 3 Siehe auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 9. 4 Vgl. auch Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 7.

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Anwendungsbereich

§ 1 WpPG

InvG1, einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital gemäß §§ 2 Abs. 5, 96 ff. InvG2 iVm. § 104 f. InvG oder einer ausländischen Investmentgesellschaft gemäß §§ 2 Abs. 9, 135 ff. InvG ausgegeben werden, bei denen den Anteilsinhabern oder Aktionären ein Recht auf Rückgabe der Anteile oder Aktien zusteht. Der Anwendungsbereich des WpPG umfasst grundsätzlich keine Invest- 26 mentanteile3. Die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 1 WpPG ist den Regelungen des InvG angepasst4. Auf den in § 1 Abs. 2 Nr. 1 WpPG genannten Tatbestand kann das WpPG nicht angewendet werden, da hier das InvG als spezialgesetzliche Regelung gilt5. Durch diese Ausnahmevorschrift wird vermieden, dass zwei Gesetze, die jeweils eine Prospektpflicht für dieselben Fälle normieren, zur Anwendung gelangen. Da bereits nach den §§ 42, 137 InvG die Pflicht zur Erstellung eines vereinfachten bzw. ausführlichen Verkaufsprospekts besteht und damit dem Anlegerschutz ausreichend entsprochen wird, muss nach dem WpPG kein weiterer Prospekt veröffentlicht werden6. Zwar müssen nach dem WpPG erstellte Prospekte bereits vor ihrer Verwendung von der BaFin gebilligt werden (§ 13 Abs. 1 WpPG), wohingegen Verkaufsprospekte nach dem InvG nur nach ihrer ersten Verwendung bei der BaFin einzureichen sind (§ 42 Abs. 6 InvG), sofern nicht eine ausländische Investmentgesellschaft den Vertrieb ausländischer Investmentanteil beabsichtigt und daher den Verkaufsprospekt nach § 139 Abs. 2 Nr. 3 InvG zusammen mit der Anzeige bei der BaFin einzureichen hat7. Dieser Unterschied wird jedoch allgemein als nicht erheblich angesehen8. Für die Definition des Begriffs Recht auf Rückgabe gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 WpPG kann die Bestimmung des entsprechenden Tatbestandsmerkmals des § 2 Abs. 9 InvG iVm. §§ 37, 105 InvG herangezogen werden9. Das Recht auf 1 Vgl. zu dem Begriff der Kapitalanlagegesellschaft Beckmann in Beckmann/ Scholtz/Vollmer, Investment – Ergänzbares Handbuch für das gesamte Investmentwesen, § 2 InvG Rz. 125 ff. und § 6 InvG Rz. 1 ff. 2 Vgl. zu dem Begriff der Investmentaktiengesellschaft Beckmann in Beckmann/ Scholtz/Vollmer, Investment – Ergänzbares Handbuch für das gesamte Investmentwesen, § 2 InvG Rz. 112 ff.; Hackländer/Iken in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment – Ergänzbares Handbuch für das gesamte Investmentwesen, § 96 InvG Rz. 1 ff. 3 Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 112. 4 Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. 5 Vgl. auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 11. 6 Vgl. auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 4; Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 11; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 112. 7 Vgl. Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 11. 8 Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 11. 9 Vgl. näher zu dem Begriff Recht auf Rückgabe Beckmann in Beckmann/Scholtz/ Vollmer, Investment – Ergänzbares Handbuch für das gesamte Investmentwesen, § 37 InvG Rz. 1 ff.; Nr. I. 2. des Rundschreibens der BaFin 14/2008 (WA) zum Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG v. 22.12.2008, elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, http://www.bafin.de.

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§ 1 WpPG

Anwendungsbereich

Rückgabe stellt einen schuldrechtlichen Anspruch des Anteilsinhabers oder Aktionärs dar1. Dabei kommt es nicht auf individuell mit einem Anteilsinhaber oder Aktionär vereinbarte Rücknahmeregelungen an, sondern auf ein für die Mehrheit der Anteile bzw. Aktien geltendes Rückgaberecht gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 WpPG iVm. §§ 37, 105 InvG2. Ausreichend ist, wenn die Rücknahme zu bestimmten Terminen, jedoch mindestens einmal innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren, erfolgen kann3. Da der Anwendungsbereich des WpPG nicht eröffnet ist, wenn dem Inhaber der Anteile oder Aktien das Recht auf Rückgabe zusteht, fallen offene Fonds nicht in den Anwendungsbereich des WpPG. Das WpPG bleibt grundsätzlich bei geschlossenen Fonds anwendbar, wenn diese als Wertpapiere gemäß § 2 Nr. 1 WpPG ausgegeben werden. Wiederum keine Anwendung findet das WpPG, sofern Gegenstand eines öffentlichen Angebots nicht in Wertpapieren iS des WpPG verbriefte Anteile gemäß § 8f Abs. 1 VerkProspG sind (zu dem Begriff Wertpapier siehe § 2 WpPG Rz. 5 ff.). 28

Nicht vom Anwendungsbereich des WpPG umfasst sind Anteile oder Aktien, die von einer ausländischen Investmentgesellschaft iS des § 2 Abs. 9 InvG ausgegeben werden und bei denen die Anteilsinhaber oder Aktionäre ein Recht auf Rückgabe der Anteile oder Aktien haben (zu dem Recht auf Rückgabe siehe Rz. 27)4. Seit der Neuregelung des InvG durch das Investmentänderungsgesetz5 fallen in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 9 InvG nur noch Anteile an ausländischen Investmentvermögen (§ 2 Abs. 8 InvG), bei denen der Anleger verlangen kann, dass ihm gegen Rückgabe seines Anteils sein Anteil an dem ausländischen Investmentvermögen ausgezahlt wird (offenen Fonds), und bei denen der Anleger kein Recht auf Rückgabe hat (geschlossene Fonds), die ausländische Investmentgesellschaft aber in ihrem Sitzstaat einer Investmentaufsicht unterstellt ist6. Nach § 2 1 Beckmann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment – Ergänzbares Handbuch für das gesamte Investmentwesen, § 37 InvG Rz. 4 ff. 2 Nr. I. 2. des Rundschreibens der BaFin 14/2008 (WA) zum Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG v. 22.12.2008, elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, http://www.bafin.de. 3 Nr. I. 2. des Rundschreibens der BaFin 14/2008 (WA) zum Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG v. 22.12.2008, elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, http://www.bafin.de. 4 Vgl. dazu auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 15. 5 Art. 1 Gesetz zur Änderung des Investmentgesetzes und Anpassung anderer Vorschriften (Investmentänderungsgesetz) v. 21.12.2007, BGBl. I 2007, 3089. 6 Begr. RegE zu § 2 Abs. 9 InvG im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Investmentgesetzes und zur Anpassung anderer Vorschriften (Investmentänderungsgesetz), BT-Drucks. 16/5576 v. 11.6.2007, S. 56; Nr. I. des Rundschreibens der BaFin 14/2008 (WA) zum Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG v. 22.12.2008, elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, http://www.bafin.de; vgl. zu den Tatbestandsmerkmalen des Begriffs ausländischer Investmentanteil iS von § 2 Abs. 9 InvG Nr. I. des Rundschreibens der BaFin 14/2008 (WA) zum

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Anwendungsbereich

§ 1 WpPG

Abs. 8 Satz 1 InvG handelt es sich bei ausländischen Investmentvermögen um Investmentvermögen iS von § 1 Satz 2 InvG1, die dem Recht eines anderen Staates unterstehen2. Entsprechend stellt es Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenstände iS von § 2 Abs. 4 InvG3 angelegt sind, dar4. Bei einer Investmentaufsicht handelt es sich um eine staatliche Aufsicht insbesondere zum Schutz der Anleger5. Gemäß § 137 Abs. 3 InvG müssen ausländische Investmentvermögen iS des § 136 Abs. 3 InvG einen Prospekt nach dem WpPG, dessen Angaben sich nach dem WpPG und der ProspektVO bestimmen, veröffentlichen. Diese Vorschrift dient jedoch nicht zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche des WpPG und des InvG. Mangels weiterer Verweise auf das WpPG bestimmt § 137 Abs. 3 InvG, dass sich die Prospektangaben des nach dem InvG erforderlichen Prospekts nach dem WpPG und der ProspektVO richten6.

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Teilweise kommt eine Anwendung sowohl des WpPG als auch des InvG in 30 Betracht. Die Notifizierung eines iS der Prospektrichtlinie erstellten Prospekts, der einen ausländischen geschlossenen Fonds, dessen Anteile als Wertpapiere iS der Prospektrichtlinie ausgegeben werden, zum Gegenstand hat und von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaates gebilligt

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Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG v. 22.12.2008, elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, http://www.bafin.de. Vgl. zu den Voraussetzungen des § 1 Satz 2 InvG Beckmann in Beckmann/ Scholtz/Vollmer, Investment – Ergänzbares Handbuch für das gesamte Investmentwesen, § 1 InvG Rz. 1 ff.; Nr. I. 1. des Rundschreibens der BaFin 14/2008 (WA) zum Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG v. 22.12.2008, elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, http://www.bafin.de. Vgl. zu den Voraussetzungen des § 2 Abs. 8 Satz 1 InvG Beckmann in Beckmann/ Scholtz/Vollmer, Investment – Ergänzbares Handbuch für das gesamte Investmentwesen, § 2 InvG Rz. 143 ff.; Nr. I. 1. des Rundschreibens der BaFin 14/2008 (WA) zum Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG v. 22.12.2008, elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, http://www.bafin.de. Vgl. zu den Vermögensgegenständen des § 2 Abs. 4 InvG Beckmann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment – Ergänzbares Handbuch für das gesamte Investmentwesen, § 4 InvG Rz. 25 ff.; Nr. I. 1. c) des Rundschreibens der BaFin 14/2008 (WA) zum Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG v. 22.12.2008, elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, http://www.bafin.de. Vgl. auch Nr. I. 1. des Rundschreibens der BaFin 14/2008 (WA) zum Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG v. 22.12.2008, elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, http://www.bafin.de. Nr. I. 3. des Rundschreibens der BaFin 14/2008 (WA) zum Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG v. 22.12.2008, elektronisch verfügbar auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, http://www.bafin.de. Begr. RegE zu § 137 Abs. 3 InvG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 43.

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§ 1 WpPG

Anwendungsbereich

wurde, an die BaFin ist zwar grundsätzlich möglich (zu von nach Deutschland notifizierten Prospekten siehe § 17 WpPG Rz. 26 ff.). Da jedoch das Recht auf Rückgabe bei ausländischen Investmentfonds nicht zwingend Voraussetzung ist (§ 2 Abs. 9 Alt. 2 InvG), können ausländische geschlossene Fonds sowohl dem Anwendungsbereich des WpPG als auch dem des InvG unterliegen. Dieses hat zur Folge, dass neben den mit einem an die BaFin notifizierten Prospekt verbundenen Verpflichtungen (dazu § 17 WpPG Rz. 26 ff.) auch die Anforderungen des InvG zu berücksichtigen sind. Unter anderem ist die Absicht, die Anteile öffentlich zu vertreiben, der BaFin gemäß § 139 Abs. 1 InvG anzuzeigen, womit die Pflicht, die Voraussetzungen des § 139 Abs. 2 InvG zu erfüllen, verbunden ist. b) Nichtdividendenwerte der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums oder ihrer Gebietskörperschaften sowie der Zentralbanken (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 WpPG) 31

Ausgenommen von der Prospektpflicht sind von staatlichen Einrichtungen des Europäischen Wirtschaftsraums1, namentlich einem Mitgliedstaat oder seinen Gebietskörperschaften2, von internationalen Organisationen des öffentlichen Rechts der Mitgliedstaaten3, von der Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten, ausgegebene Nichtdividendenwerte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 WpPG. Der Grund für diese Ausnahme ist, dass von einer positiven Bonität dieser Emittenten ausgegangen wird4. Der Anlegerschutz erfordert daher keinen Prospekt5. Der Begriff Nichtdividendenwerte ist in § 2 Nr. 3 WpPG legaldefiniert (dazu § 2 WpPG Rz. 27). c) Von einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums oder seiner Gebietskörperschaften garantierte Wertpapiere (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 WpPG)

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Nicht vom Anwendungsbereich des WpPG umfasst sind nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 WpPG uneingeschränkt und unwiderruflich von einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums (Rz. 31) oder seiner Gebietskörperschaften (Rz. 31) garantierte Wertpapiere. Begründet wird diese Ausnahme, eben1 Der Begriff Europäischer Wirtschaftsraum umfasst derzeit die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation mit Ausnahme der Schweiz; vgl. auch Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 15 Fn. 30. 2 Zu den Gebietskörperschaften in Deutschland gehören im Wesentlichen der Bund, die Bundesländer, Landkreise und Gemeinden. 3 Zu den internationalen Organisationen des öffentlichen Rechts der Mitgliedstaaten gehören die Europäische Union, der Europarat, der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, die Europäische Investitionsbank, die Asiatische Entwicklungsbank und die Interamerikanische Entwicklungsbank; vgl. Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 15 Fn. 32. 4 Groß, Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 5; Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 13; Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 10, 16; Ritz/Zeising in Just/ Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 16. 5 Groß, Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 5; Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 13; Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 16.

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Anwendungsbereich

§ 1 WpPG

so wie in § 1 Abs. 2 Nr. 3 WpPG, mit der ausreichenden Bonität der genannten Emittenten1 (Rz. 31). Unter dem Begriff Garantie ist die Übernahme einer Einstandspflicht durch 33 einen Garanten, dh. die Gewähr eines bestimmten Erfolges oder die Übernahme eines künftigen Schadens, zu verstehen2. Diese Bedeutung kommt ihr im Zivilrecht und Öffentlichen Recht zu. Die Verpflichtung des Garanten kann sich sowohl aus einer vertraglichen Vereinbarung als auch aus einer gesetzlichen Vorschrift ergeben3. § 1 Abs. 2 Nr. 3 WpPG setzt voraus, dass die Garantie uneingeschränkt und unwiderruflich ist. Das Tatbestandsmerkmal der Unwiderruflichkeit kann bejaht werden, sofern der Garantievertrag unkündbar ist4. Enthält der Garantievertrag oder die gesetzliche Vorschrift über die Garantieverpflichtung keine Regelung hinsichtlich einer Einschränkung und Widerrufsmöglichkeit der Garantie, kann sie in der Regel als uneingeschränkt und unwiderruflich angesehen werden.

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Von dem Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 3 WpPG umfasst sind von 35 Unternehmen des Finanzsektors iS von § 2 Abs. 1 FMStFG5 vom 18.10.2008 bis 31.12.2010 begebene Schuldtitel mit einer Laufzeit von bis zu 60 Monaten gemäß § 6 Abs. 1 FMStFG, für die der Finanzmarktstabilisierungsfonds (Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung: „SoFFin“)6 eine Garantie gemäß § 6 FMStFG iVm. § 2 FMStFV7 übernommen hat, sofern die Garantie uneingeschränkt und unwiderruflich iS von § 1 Abs. 2 Nr. 3 WpPG ist8. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 FMStFV werden die näheren Bedingungen der Garantiegewährung durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds im Einzelfall festgelegt. Ob es sich um eine uneingeschränkte und unwiderrufliche Garantie handelt, ist anhand der Garantiebedingungen im Einzelfall zu beurteilen.

1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 6; Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 14; Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 10, 17; Ritz/Zeising in Just/ Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 20. 2 Maunz in Maunz/Dürig, Art. 115 GG Rz. 20; Sprau in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Einf v § 765 BGB Rz. 16; vgl. auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 21. 3 Vgl. auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 21; siehe zu Beispielen für durch gesetzliche Vorschriften begründete Garantien Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 23 f. 4 Vgl. Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 21. 5 Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes [Finanzmarktstabilisierungsgesetz] v. 17.10.2008, BGBl. I 2008, 1982). 6 Zu dem Finanzmarktstabilisierungsfonds allgemein siehe Ewer/Behnsen, NJW 2008, 3457 (3457 ff.); Horn, BKR 2008, 452 (452 ff.). 7 Verordnung zur Durchführung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung) v. 20.10.2008, eBAnz. 2008, AT123 V1. 8 Vgl. dazu auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 22.

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§ 1 WpPG 36

Anwendungsbereich

Eine Bürgschaft führt nicht dazu, dass der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 3 WpPG erfüllt ist1. Die Bürgschaft wird schon nicht vom Wortlaut dieser Ausnahmevorschrift, der als Voraussetzung eine uneingeschränkte und unwiderrufliche Garantie nennt, umfasst. Für diese Auffassung spricht zudem das Anlegerschutzinteresse. Auch wenn der wirtschaftliche Wert einer Garantie sowie einer Bürgschaft von der Bonität des Sicherungsgebers abhängt, bietet die Garantie dem Anleger den Vorteil, dass er seine Rechte mangels Einwendungsmöglichkeiten des Garanten leichter durchsetzen kann. Er muss das Bestehen der Grundforderung weder darlegen noch beweisen. d) Wertpapiere mit einem Gesamtverkaufspreis von weniger als 2,5 Mio. Euro (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG) aa) Berechtigte Emittenten

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Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG werden Kleinemissionen von weniger als 2,5 Mio. Euro vom Anwendungsbereich des WpPG nicht erfasst. Von dieser Ausnahmevorschrift können nur Emittenten Gebrauch machen, bei denen es sich um Einlagenkreditinstitute handelt, oder börsennotierte Unternehmen, deren Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Eine prospektfreie Erstzulassung von Wertpapieren an einem organisierten Markt ist damit nicht möglich (Rz. 23)2. Für den Begriff Einlagenkreditinstitut wird in § 2 Nr. 8 WpPG auf die Legaldefinition des § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG verwiesen (zu dem Begriff Einlagenkreditinstitute siehe § 2 WpPG Rz. 68).

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Die Beschränkung der Kleinemissionen auf Einlagekreditinstitute und Emittenten, deren Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, wird teilweise kritisch betrachtet, weil die Kosten des Prospektverfahrens bei derartigen Emissionen als unverhältnismäßig angesehen werden3. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der deutsche Gesetzgeber schon von der Möglichkeit, einzelne Ausnahmetatbestände aus dem Katalog des Art. 1 Abs. 2 Prospektrichtlinie in nationales Recht umzusetzen, nur eingeschränkt Gebrauch gemacht hat (Rz. 10). Er übernahm aus Art. 1 Abs. 2 Prospektrichtlinie die Ausnahmen in § 1 Abs. 2 WpPG, durch die eine Überschneidung von zwei Anwendungsbereichen ausgeschlossen wurde (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) (Rz. 25 ff.), und die mit der grundsätzlich ausreichenden Bonität der Emittenten begründet werden (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 WpPG) (Rz. 31 und Rz. 32 ff.). Unter der Berücksichtigung, dass Einlagenkreditinstitute bereits den aufsichtsrechtlichen Vorschriften des KWG unterliegen und die Emittenten mit bereits an einem organisierten Markt 1 AA, nach der der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 3 WpPG erfüllt ist, sofern die Bürgschaft als eine selbstschuldnerische Bürgschaft ausgestaltet ist, Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 18. 2 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 5. 3 Giedinghagen, BKR 2007, 233 (235); Groß, Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 3; Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 15.

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Anwendungsbereich

§ 1 WpPG

zugelassenen Aktien Zulassungsfolgepflichten nachkommen müssen1, erscheint die Beschränkung der Ausnahme der Kleinemissionen auf die in § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG genannten Emittenten auch vor dem Hintergrund des Anlegerschutzes nur schlüssig2. Für die nicht unter diese Ausnahme von der Prospektpflicht fallenden Emittenten gilt bei Wertpapierangeboten nur die Grenze des § 3 Abs. 2 Nr. 5 WpPG3. bb) Angebotsvolumen Für die Ausnahme des § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG ist weiterhin Voraussetzung, dass der Verkaufspreis für alle von den berechtigten Emittenten (Rz. 37 f.) angebotenen Wertpapieren weniger als 2,5 Mio. Euro während eines Zeitraums von zwölf Monten beträgt. Maßgeblich für die Berechnung der Obergrenze ist das Volumen der während des Zeitraums von zwölf Monaten emittierten Wertpapiere4.

39

Der Begriff Wertpapiere umfasst alle Wertpapierarten, die unter die Definiti- 40 on des § 2 Nr. 1 WpPG fallen5. Zulässig ist, die Grenze von 2,5 Mio. Euro auf unterschiedliche Arten von Wertpapieren, wie Aktien und Schuldverschreibungen, getrennt anzuwenden; die jeweiligen Emissionsvolumina müssen nicht zusammengerechnet werden6. Sind jedoch die Wertpapiere verschiedener Tranchen einer Emission nicht vergleichbar, hat die BaFin zur Verhinderung der Umgehung einer Prospektpflicht die Möglichkeit, die verschiedenen Tranchen zusammenzufassen7. Der Rahmen des Volumens bezieht sich auf alle an allen geregelten Märk- 41 ten der Mitgliedstaaten iS von Art. 2 lit. j Prospektrichtlinie angebotenen Wertpapiere8. Für die Beurteilung der Höhe des Volumens ist also nicht auf die jeweils in einem Mitgliedstaat angebotenen Wertpapiere abzustel-

1 Vgl. auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 15. 2 Im Ergebnis gleich Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 15. 3 Vgl. auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 15; Ritz/Zeising in Just/ Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 25. 4 Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. 5 Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 16. 6 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 26 lit. b; Ausführungen für die Richtlinie, Europäische Kommission, 4th Informal Meeting on Prospectuses Transposition, 8.3.2005, MARKT/G3/WG D (2005), zu Art. 1 Abs. 2 lit. h Prospektrichtlinie, S. 1 f.; vgl. auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 28; im Ergebnis gleich Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 178; aA Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 16; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (316). 7 Vgl. auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 28. 8 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 26 lit a; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 6; Groß, Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 7; Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 16; Ritz/Zeising in Just/Voß/ Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 29.

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§ 1 WpPG

Anwendungsbereich

len1. Dieses ergibt sich bei einem Vergleich des § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG mit § 3 Abs. 2 Nr. 2 WpPG2. § 3 Abs. 2 Nr. 2 WpPG erwähnt ausdrücklich, dass für ein Eingreifen der Ausnahme die maximale Höhe der qualifizierten Anleger, an die sich das Angebot richten darf, für jeden Mitgliedstaat getrennt gilt; § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG nimmt hingegen keine entsprechende Begrenzung auf jeden Mitgliedstaat vor3. Hätte der Gesetzgeber das Angebotsvolumen auf jeden Mitgliedstaat auch für die Ausnahme nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG begrenzen wollen, wäre sie auch dort – entsprechend § 3 Abs. 2 Nr. 2 WpPG – explizit aufgenommen worden4. 42

Der Gesamtverkaufspreis der angebotenen Wertpapiere darf die Grenze von 2,5 Mio. Euro nicht erreichen. Maßgeblich für die Berechnung des Ausgabevolumens ist der erste Ausgabepreis5. Ist ein Ausgabepreis nicht festgelegt, gilt als Ausgabepreis der erste nach der Einführung der Wertpapiere festgestellte oder gebildete Börsenpreis, im Fall einer gleichzeitigen Feststellung oder Bildung an mehreren Börsen der höchste erste Börsenpreis6. Bei der Einführung der Wertpapiere handelt es sich gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 BörsG um die Notierungsaufnahme zugelassener Wertpapiere im regulierten Markt7. Sofern Wertpapiere nicht börsennotiert sind, gilt als Verkaufspreis der Preis, den der Emittent seinem Kunden bzw. Vertriebspartner gegenüber festlegt; etwaige Auf- oder Abschläge eines Vertriebspartners gegenüber seinem Endkunden bleiben bei der Bestimmung des Preises unberücksichtigt8. Bei Wertpapieren mit derivativen Komponenten ist der Verkaufspreis des Wertpapiers und nicht der Basiswert für die Berechnung maßgeblich9.

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Das Emissionsvolumen kann ermittelt werden, indem die einzelnen Ausgabepreise aller ausgegebenen Wertpapiere addiert werden, unter der Berücksichtigung, dass die Grenze von 2,5 Mio. Euro für unterschiedliche Wertpapierarten auch getrennt genutzt werden kann (Rz. 40). Möglich wäre auch, bei der Berechnung des Volumens auf die tatsächlich verkauften Wertpapiere abzustellen; diese Methode dürfte jedoch für die Emittenten nicht praktikabel sein. 1 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 26 lit. a; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 6; Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 16; Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 29. 2 So auch Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 6; vgl. dazu auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 29. 3 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 6. 4 Im Ergebnis gleich Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 6. 5 Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. 6 Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. 7 Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 17. 8 Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 17; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (316, 323); Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 27 f. 9 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 40; siehe auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 17.

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Anwendungsbereich

§ 1 WpPG

Bei der Berechnung des Emissionsvolumens ist die aktuelle Emission, die 44 zu der Überschreitung der Grenze von 2,5 Mio. Euro führt, mitzuberücksichtigen, dh. für sie besteht eine Prospektpflicht1. Nicht prospektpflichtig werden mit Überschreiten der 2,5 Mio. Euro-Grenze die Emissionen, die vor der aktuellen Emission stattgefunden haben2. Emittenten, die bislang unter das Daueremittentenprivileg gemäß § 31 45 Abs. 2 WpPG fielen, benötigen seit dem 31.12.2008 einen Prospekt, sofern nicht die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG vorliegen (zu § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG siehe Rz. 52 ff.; zum Auslaufen des Daueremittentenprivilegs siehe Rz. 62 f. sowie § 31 WpPG Rz. 7 ff.). Alle Wertpapiere, die nach dem 31.12.2008 öffentlich angeboten werden, sind zu berücksichtigen, auch wenn das öffentliche Angebot bereits vor dem Stichtag begonnen hat3. Die bis zu dem Stichtag im Rahmen einer Emission tatsächlich verkauften Wertpapiere müssen bei der Berechnung des Angebotsvolumens nicht eingerechnet werden. Können die im Rahmen einer Emission verkauften Wertpapiere zu dem Stichtag aufgrund mangelnder Praktikabilität nicht festgestellt werden, ist davon auszugehen, dass die gesamte Emission angerechnet werden muss, dh. auch die bis zum dem Stichtag im Rahmen der Emission tatsächlich verkauften Wertpapiere. Bei einer Verschmelzung von zwei gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG berechtig- 46 ter Emittenten ist für die Berechnung der Grenze von weniger als 2,5 Mio. Euro auf die Angebotsvolumina beider Gesellschaften abzustellen4. Rechtlich besteht nur noch das übernehmende Institut, auf den das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers einschließlich den Verbindlichkeiten übergeht (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG)5. Bei der Berechnung des Emissionsvolumens müssen Emissionen, die unter Verwendung eines Prospekts während des Zeitraums von zwölf Monaten ausgegeben wurden, nicht berücksichtigt werden6. Das Gleiche gilt für den Fall, dass Wertpapiere, die bereits emittiert und anschließend wieder zurückgekauft wurden, wieder emittiert werden sollen.

1 Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 30. 2 Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 30. 3 Vgl. auch BaFin, BaFinJournal April 2008, S. 4; Elsen/Jäger, ZfgK 2008, 615 (616); Möllers/Voß, BB 2008, 1131 (1131 f.); Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 31 WpPG Rz. 21 ff.; Weber, NJW 2009, 33 (34); aA Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (15). 4 So auch Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (318); vgl. dazu auch die Darstellung im Rahmen von § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 38. 5 Zu unterschiedlichen Fallkonstellationen im Falle einer Verschmelzung von nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG berechtigter Emittenten vgl. Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (316 f.). 6 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 26 lit. d; vgl. auch Ritz/Zeising in Just/ Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 28.

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§ 1 WpPG 48

Anwendungsbereich

Die Kombination der Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Gesetzes gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG und einer Ausnahme von der Pflicht, einen Prospekt zu veröffentlichen, gemäß § 3 Abs. 2 WpPG und § 4 WpPG ist möglich. Bei der Berechnung der Grenze von 2,5 Mio. Euro sind also nur die Emissionen zu berücksichtigen, die aufgrund des § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG prospektfrei angeboten worden sind1. Emissionen, bei denen gemäß § 3 Abs. 2 WpPG, wie zB bei Angeboten an institutionelle Investoren2, oder gemäß § 4 WpPG von der Prospektveröffentlichung abgesehen worden ist, werden folglich nicht berücksichtigt. Auch wenn eine Kombination einer Ausnahme vom Anwendungsbereich des Gesetzes und einer Ausnahme von der Prospektpflicht auf den ersten Blick nicht systematisch erscheint, kann dieser methodische Bruch unter der Berücksichtigung der Struktur der Prospektrichtlinie ausgeräumt werden. Die Systematik der Ausnahmeregelungen der Richtlinie, die entsprechend in das WpPG übernommen wurde, ist darin begründet, dass den Mitgliedstaaten unterschiedliche Gestaltungsspielräume bei der Umsetzung der Ausnahmeregelungen eingeräumt wurden (Rz. 2 f.). cc) Zeitraum von zwölf Monaten

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Die Berechnung der Frist von zwölf Monaten, innerhalb der Wertpapiere mit einem Gesamtverkaufspreis von weniger als 2,5 Mio. Euro angeboten werden dürfen, damit die Ausnahme für Kleinemissionen greift, erfolgt entsprechend den §§ 187 BGB ff.3. Für den Beginn der Frist von zwölf Monaten ist der Tag maßgeblich, an dem der Anbieter oder Zulassungsantragsteller erstmals einen Ausgabepreis veröffentlicht4. Dieses ist bei einer Verwendung von endgültigen Angebotsbedingungen im Zusammenhang mit einem Basisprospekt gemäß § 6 Abs. 1 und 2 WpPG spätestens der Tag, an dem die endgültigen Angebotsbedingungen veröffentlicht werden und das öffentliche Angebot beginnt (§ 6 Abs. 3 Satz 1 WpPG)5. Bei einer bloßen Wertpapierzulassung dürfte dieses der Tag des Zulassungsbeschlusses sein6.

50

Bei der Beurteilung der Prospektpflicht einer neuen Wertpapieremission sind für die Berechnung des gesamten Emissionsvolumens während des Zeitraums von zwölf Monaten alle während der vergangenen zwölf Monate

1 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 26 lit. c; so auch Ritz/Zeising in Just/Voß/ Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 29; aA Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 16; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (316); Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 20. 2 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 26 lit. c. 3 Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. 4 Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. 5 Siehe auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 18; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (316); Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 30. 6 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 6; Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 18.

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Anwendungsbereich

emittierten Wertpapiere zu berücksichtigen1. Daraus folgt, dass nicht nur die Emissionen, deren Angebot während den vergangenen zwölf Monaten begonnen hat, einzubeziehen sind, sondern auch die Emissionen, bei denen der Angebotsbeginn vor diesem Zeitraum lag und noch währenddessen andauert. Diese Ansicht entspricht dem Wortlaut des Gesetzes. Die Wertpapiere wurden gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG während der letzten zwölf Monaten angeboten, auch wenn das Angebot vor diesem Zeitraum begann. Können die im Rahmen einer Emission vor dem relevanten Zeitraum von zwölf Monaten verkauften Wertpapiere aufgrund mangelnder Praktikabilität nicht festgestellt werden, ist davon auszugehen, dass die Emission im Zweifelsfall vollständig berücksichtigt werden muss. dd) Verhältnis zu § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG Die prospektfreie Zulassung von Aktien kann grundsätzlich entweder auf 51 eine Ausnahme vom Anwendungsbereich oder auf eine Ausnahme von der Prospektpflicht gestützt werden. So kann der Emittent wählen, ob er die prospektfreie Zulassung von Aktien auf die Ausnahme vom Anwendungsbereich gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG oder auf die Ausnahme von der Prospektpflicht gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG stützen möchte (Prinzip der sog. Meistbegünstigung2)3. Innerhalb des Zeitraums von zwölf Monaten, auf den beide Ausnahmeregelungen abstellen, können auch beide Vorschriften zur Anwendung gelangen4. e) Daueremissionen von Nichtdividendenwerten der Einlagenkreditinstitute (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG) aa) Nichtdividendenwerte iS von § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG Von der Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG können Einlagenkreditinstitute, die Nichtdividendenwerte dauernd oder wiederholt für einen Verkaufspreis aller angebotenen Wertpapiere von weniger als 50 Mio. Euro ausgeben, wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen ist, Gebrauch machen. § 2 Nr. 3 WpPG enthält eine Legaldefinition des Begriffs Nichtdividendenwerte (dazu § 2 WpPG Rz. 27). Zu berücksichtigen ist, dass die Ausnahme gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 lit. a und b WpPG auf nicht nachrangige, wandelbare oder umtauschbare oder auf nicht zur Zeichnung oder zum Erwerb anderer Wertpapiere berechtigende und nicht an Derivate gebundene Nichtdividendenwerte beschränkt ist. Der Grund dieser Beschränkung ist, dass andere als die genannten Wertpapiere mit einem höheren Risiko behaftet sind, auch wenn die Bonität der Emit-

1 2 3 4

Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 31. Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 4 WpPG Rz. 23. Siehe auch Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 4 WpPG Rz. 23. Vgl. zu der Zulassungspraxis der Frankfurter Wertpapierbörse Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 7; Gebhardt in Schäfer/ Hamann, § 4 WpPG Rz. 29; aA Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 4 WpPG Rz. 29.

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tenten als grundsätzlich positiv zu beurteilen wäre1. Schuldverschreibungen, bei denen der Emittent das Recht auf Rückkauf vor Fälligkeit besitzt, fallen auch unter die Ausnahme2. 53

Die Verknüpfung der beiden in § 1 Abs. 2 Nr. 5 lit. a und b WpPG aufgeführten Tatbestände durch ein „oder“ entspricht zwar nicht Art. 1 Abs. 2 lit. j Prospektrichtlinie und dem Wortlaut der Gesetzesbegründung3. Da jedoch diese Merkmale nicht alle kumulativ in einem Wertpapier vereint sein können, erscheint die Verbindung durch ein „oder“ schlüssig4.

54

Infolge der Einschränkung der Ausnahme nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpPG auf nicht nachrangige, nicht wandelbare und nicht umtauschbare Nichtdividendenwerte fallen nicht unter die Ausnahme nachrangige Schuldverschreibungen, Wandelschuldverschreibungen und ähnliche Produkte5.

55

Die Nichtdividendenwerte dürfen nicht zur Zeichnung oder zum Erwerb anderer Wertpapiere berechtigen (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 lit. b WpPG). Dabei muss die Berechtigung die Lieferung von Wertpapieren bezwecken6.

56

Die Nichtdividendenwerte dürfen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 lit. b WpPG nicht an ein Derivat gebunden sein. § 2 Abs. 2 WpHG enthält eine Legaldefinition des Begriffs Derivate. Diese Definition gilt gemäß dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 WpHG nur für dieses Gesetz, so dass sie nicht vorrangig maßgebend sein kann7. Zur Bestimmung des Begriffs für Zwecke des WpPG ist der rechtliche Rahmen des Prospektrechts heranzuziehen8. Hier hilft ein Vergleich der für Schuldtitel und derivative Wertpapiere relevanten Artt. 8 und 15 ProspektVO9. Nach Art. 8 Abs. 2 ProspektVO handelt es sich um einen Schuldtitel, wenn der Emittent aufgrund der Emissionsbedingungen ver-

1 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 8. 2 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 38. 3 Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27; vgl. auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 21; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (317 Fn. 16). 4 Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 21; vgl. auch Ritz/Zeising in Just/ Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 40 f.; aA Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (317); Seitz, AG 2005, 678 (682); Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 29; vgl. in diesem Zusammenhang zu dem früheren Streit um den Begriff der Schuldverschreibung Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 26; Ritz in Assmann/ Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 19 ff.; Seitz, AG 2005, 678 (682); Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 28 f.; Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 43. 5 Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 22; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (317). 6 Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 23. 7 Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 24. 8 Im Ergebnis gleich Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (317); Seitz, AG 2005, 678 (682). 9 Im Ergebnis gleich Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (317); Seitz, AG 2005, 678 (682); aA Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 25.

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pflichtet ist, dem Anleger 100 % des Nominalwertes zu zahlen, wobei zusätzlich noch eine Zinszahlung erfolgen kann. Gemäß Art. 15 Abs. 2 ProspektVO sind bei derivativen Wertpapieren die Zahlungs- und/oder Lieferverpflichtungen an ein zugrundeliegendes Wertpapier/Aktie gekoppelt. Somit fallen Schuldverschreibungen, bei denen die Rückzahlung des Nominalbetrags von einer derivativen Komponente abhängt, nicht unter die Ausnahme des § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG; hingegen ist für Schuldverschreibungen, bei denen eine Rückzahlung zum Nominalbetrag vorgesehen ist, die Ausnahme eröffnet1. Auch ein Vergleich der in § 1 Abs. 2 Nr. 5 lit. a und b WpPG genannten Begriffe2 führt zu dem gleichen Ergebnis. Das Kriterium der Abhängigkeit eines Wertpapiers von einem Basiswert muss für die Bestimmung des Begriffs „Bindung eines Wertpapiers an ein Derivat“ maßgebend sein, weil alle in § 1 Abs. 2 Nr. 5 lit. a und b WpPG genannten Merkmale eine Abhängigkeit des Wertpapiers von einem anderen Wertpapier beinhalten – ausgenommen das Merkmal der Nachrangigkeit3. Sofern die derivative Komponente allein in der Verzinsung des Nichtdivi- 57 dendenwertes liegt, sollte die Ausnahmeregelung einschlägig sein4, da das Wertpapierrisiko darin zu sehen ist, dass der Investor keine Zinsen erhält und eben nicht der Wert des Nichtdividendenwertes und damit nicht auch das eingesetzte Kapital von der Entwicklung eines Basiswertes abhängt. Auch das Ergebnis des bereits vorgenommenen Vergleichs der in § 1 Abs. 2 Nr. 5 lit. a und b WpPG aufgeführten Merkmale (Rz. 56) führt zu keiner anderen Beurteilung, da diese Fälle – mit Ausnahme der Nachrangigkeit – die Gemeinsamkeit der Abhängigkeit des Wertpapiers von einem anderen Wertpapier aufweisen (Rz. 56). Daher muss davon ausgegangen werden, dass mit der Bindung eines Wertpapiers an ein Derivat nicht auch die Bindung an eine derivativ strukturierte Verzinsung gemeint sein soll. Die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG gelangt nicht zur An- 58 wendung, sofern sich die derivative Komponente bei Schuldverschreibungen, hinsichtlich derer der Emittent ein Rückkaufsrecht besitzt, auf das Recht des Investors bezieht5. Schließt der Emittent für solche Wertpapiere

1 Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (317); Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 49; Seitz, AG 2005, 678 (682); Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 30; vgl. zur Anwendung von § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG auf Garantieprodukte Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 48 f. 2 Siehe dazu Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 27. 3 Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 27. 4 Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (317); Seitz, AG 2005, 678 (682); Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 30; wohl auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 44, 49; gleiche Ansicht bei Bezugnahme der Verzinsung auf einen Referenzzinssatz, jedoch aA, sofern auf andere Größen Bezug genommen wird, Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 28. 5 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 38; Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 20.

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derivative Verträge zur Absicherung seiner Risiken ab, ist die Anwendung der Ausnahme nicht ausgeschlossen1. 59

Zusammengefasst fallen damit in die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 lit. a und b WpPG nicht nachrangige fest und variabel verzinsliche Schuldverschreibungen sowie Null-Kupon-Anleihen; nicht erfasst hingegen sind nachrangige Schuldverschreibungen (Rz. 54), Wandelschuldverschreibungen (Rz. 54), nachrangige Genussscheine, Optionsscheine sowie Aktienanleihen2. bb) Weitere Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG

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Daneben sind die folgenden Begriffe in § 2 WpPG legaldefiniert: Einlagenkreditinstitute (§ 2 Nr. 8 WpPG verweist auf die Legaldefinition des § 1 Abs. 3 lit. d Satz 1 KWG; zu dem Begriff Einlagenkreditinstitute siehe § 2 WpPG Rz. 68), dauernd oder wiederholte Ausgabe (§ 2 Nr. 12 WpPG, dazu § 2 WpPG Rz. 75 ff.)3. Hinsichtlich der Berechnung des Emissionsvolumens und des Beginns der Frist von zwölf Monaten sowie ihrer Berechnung sind die Ausführungen zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG heranzuziehen4. Daher wird für die Berechnung des Emissionsvolumens auf Rz. 39 bis Rz. 48 und für den Fristbeginn und die Fristberechnung auf Rz. 49 f. verwiesen, letzteres unter der Berücksichtigung, dass die Ausnahme nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG auf die genannten Nichtdividendenwerte beschränkt ist und eine Obergrenze des Emissionsvolumens von weniger als 50 Mio. Euro gilt.

61

In Anlehnung an § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG ist auch für die Ausnahme vom Anwendungsbereich des Gesetzes gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG die Kombination mit einer Ausnahme von der Prospektpflicht gemäß § 3 Abs. 2 WpPG zulässig (Rz. 48). cc) Auslauf des Daueremittentenprivilegs

62

Seit dem 31.12.2008 benötigen Emittenten, die bislang unter das Daueremittentenprivileg gemäß § 31 Abs. 2 WpPG fielen, einen Prospekt, sofern nicht die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG vorliegen. Nach dem 31.12.2008 ist es nicht mehr möglich, mit einem öffentlichen Angebot von in § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG genannten Nichtdividendenwerten zu beginnen, ohne dass ein Prospekt gebilligt und ver1 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 38; Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 20; Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 49. 2 Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (317); Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 44, 48 f. 3 Zu der Prospektpflicht bei verschiedenen Konstellationen der Verschmelzung von Daueremittenten bzw. nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG berechtigter Emittenten Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 37 f.; Heidelbach/ Preuße, BKR 2006, 316 (318 f., 323). 4 Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27; vgl. auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 50.

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öffentlicht wurde. Sofern das öffentliche Angebot noch im Jahr 2008 begonnen hat und über den 31.12.2008 hinaus gelaufen ist, fallen die Wertpapiere, die nach dem 31.12.2008 Gegenstand des öffentlichen Angebots sind, unter die Prospektpflicht1. Zu berücksichtigen ist, dass der Prospekt Zwischenfinanzinformationen 63 mindestens für die ersten sechs Monate des Geschäftsjahres enthalten muss (§ 7 WpPG iVm. Ziffer 13.5.2. Anhang IV ProspektVO und Ziffer 11.5.2. Anhang XI ProspektVO), sofern die billigungsfähige Prospektfassung nicht bis zum 30.9. eines jeden Jahres der BaFin vorliegt (zu dem Auslaufen des Daueremittentenprivilegs siehe § 31 WpPG Rz. 7 ff.).

IV. Freiwillige Prospekterstellung (§ 1 Abs. 3 WpPG) § 1 Abs. 3 WpPG regelt die freiwillige Prospekterstellung. Damit besteht die 64 Möglichkeit, einen Prospekt zu erstellen, auf den nach dem Willen der Berechtigten die Vorschriften des WpPG Anwendung finden sollen2. Sie besitzen damit die Wahl, ob sie einen Prospekt erstellen oder nicht3, sog. Opting In4. Berechtigte sind gemäß § 1 Abs. 3 WpPG Emittenten, Anbieter und Zulassungsantragsteller; diese Begriffe sind in § 2 Nr. 9, 10 und 11 WpPG legaldefiniert (dazu § 2 WpPG Rz. 69 f., Rz. 71 ff. und Rz. 74). Dieses Wahlrecht bedeutet jedoch nicht, dass bei Nichtanwendbarkeit des 65 WpPG eine allgemeine Möglichkeit, freiwillig einen Prospekt zu erstellen, besteht5, wie zB die Erstellung eines Prospekts für die bloße Einbeziehung von Wertpapieren in den Freiverkehr, ohne dass damit auch ein öffentliches Angebot dieser Wertpapiere verbunden wäre (dazu auch Rz. 18)6. Voraussetzung für die freiwillige Prospekterstellung ist, dass ein öffentliches Angebot und/oder eine Zulassung von Wertpapieren beabsichtigt ist, jedoch eine der Ausnahmen für eine Prospektpflicht gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 WpPG greift. Ein Prospekt kann hingegen nicht freiwillig erstellt werden, wenn einer der Ausnahmetatbestände des § 3 Abs. 2 WpPG und § 4 Abs. 1 und 2 WpPG vorliegt7. Dafür spricht die ausdrückliche Bezugnahme des § 1 Abs. 3 1 Vgl. auch BaFin, BaFinJournal April 2008, S. 4; Elsen/Jäger, ZfgK 2008, 615 (616); Möllers/Voß, BB 2008, 1131 (1131 f.); Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 31 WpPG Rz. 21 ff.; Weber, NJW 2009, 33 (34); aA Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (15). 2 Begr. RegE zu § 1 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27; Groß, Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 9. 3 Begr. RegE zu § 1 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27 f. 4 Vgl. Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (929); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (503); Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 51; Seitz, AG 2005, 678 (684). 5 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 9; Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 30. 6 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 9. 7 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 9; Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 30; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 111; aA Schnorbus, AG 2008, 389 (401).

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§ 1 WpPG

Anwendungsbereich

WpPG auf die Ausnahmevorschriften gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 WpPG1. Diese Ansicht wird gestützt durch die Gesetzesbegründung, wonach § 1 Abs. 3 WpPG den in § 1 Abs. 2 Nr. 2, 3, 4 und 5 WpPG genannten Emittenten die Möglichkeit eröffnet, einen Wertpapierprospekt zu erstellen2. Zu berücksichtigen ist auch die Systematik des Gesetzes. Die Regelung über das Opting In befindet sich innerhalb von § 1 WpPG, wohingegen in den §§ 3, 4 WpPG keine entsprechende Berechtigung normiert ist. Zudem waren die in Artt. 3, 4 Prospektrichtlinie aufgeführten Ausnahmetatbestände abschließend, so dass den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Ausnahmetatbestände in nationales Recht keine Flexibilität zukam (dazu Rz. 2 f.)3. Daher besteht auch kein Bedarf an einer freiwilligen Prospekterstellung nach dem WpPG, da bei Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes der §§ 3, 4 WpPG ein prospektfreies öffentliches Angebot im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erfolgen kann. 66

Gegenstand eines freiwillig erstellten Prospekts können nur Wertpapiere iS von § 2 Nr. 1 WpPG sein, ebenso wie bei einem Prospekt, der aufgrund einer nach dem WpPG bestehenden Prospektpflicht zu erstellen ist4.

67

Sofern sich die Berechtigten für die Prospekterstellung entscheiden, finden die Vorschriften des WpPG in ihrer Gesamtheit, einschließlich der Prospektverordnung, Anwendung5. Emittenten, Anbieter und Zulassungsantragssteller, die zwar aufgrund einer der Ausnahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 WpPG nicht der Prospektpflicht unterliegen, sich jedoch freiwillig für eine Prospekterstellung entscheiden, können sich folglich nicht darauf berufen, dass bestimmte Vorschriften des WpPG bei der Prospekterstellung nicht von ihnen erfüllt werden müssen, weil keine Prospektpflicht besteht. Dieses gilt auch für den Fall, dass der Finanzmarktstabilisierungsfonds eine uneingeschränkte und unwiderrufliche Garantie für von Unternehmen des Finanzsektors begebene Schuldtitel gemäß § 6 FMStFG iVm. § 2 FMStFV übernimmt (dazu Rz. 35)6. Es kann nicht ausnahmsweise auf die Beschreibung des Garantiegebers gemäß § 7 WpPG iVm. den Anhängen VI und XVI ProspektVO verzichtet werden. Allerdings besteht für die Herkunftsmitglied-

1 Schnorbus, AG 2008, 389 (401). 2 Begr. RegE zu § 1 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27; Schnorbus, AG 2008, 389 (401 und Fn. 116). 3 Crüwell, AG 2003, 243 (245); Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2283); Holzborn/ Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (928). 4 Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 32. 5 Begr. RegE zu § 1 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 28; Groß, Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 9; Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 51; Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 32. 6 So auch in CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 70 lit. 1; zu einem konkreten Beispiel und den dabei anwendbaren Anhängen der Prospektverordnung vgl. ebenfalls CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 70 lit. 1; vgl. dazu auch Ritz/ Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 22.

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Anwendungsbereich

§ 1 WpPG

staatbehörde die Möglichkeit, das Weglassen von Angaben nach § 8 WpPG und Art. 23 Abs. 4 ProspektVO zuzulassen1. Die Erstellung eines Prospektes ist zwar einerseits mit einem nicht uner- 68 heblichen Aufwand und mit Kosten verbunden. Auf der anderen Seite besteht jedoch der Vorteil eines gebilligten Prospekts in der Möglichkeit der Nutzung des Europäischen Passes, indem der Prospekt gemäß §§ 17, 18 WpPG notifiziert wird (dazu § 17 WpPG Rz. 1 ff. und § 18 WpPG Rz. 1 ff.)2. Damit können die Wertpapiere unter Verwendung eines nach den Vorschriften des WpPG iVm. der ProspektVO freiwillig erstellten Prospekts grenzüberschreitend öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt eines anderen Mitgliedstaates zugelassen werden3. Insbesondere für den Fall, dass eine der Ausnahmeregelungen gemäß Art. 1 Abs. 2 Prospektrichtlinie in einem anderen Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums nicht umgesetzt wurde, ist die Möglichkeit der freiwilligen Prospekterstellung von Bedeutung. Hätten zum Beispiel andere Mitgliedsstaaten Art. 1 Abs. 2 lit. d Prospektrichtlinie nicht in nationales Recht umgesetzt, könnte ein deutscher Emittent, Anbieter oder Zulassungsantragsteller, dessen Herkunftsstaat Deutschland ist, die Billigung eines Prospekts weder bei der BaFin noch bei den anderen Mitgliedstaatbehörden erhalten, um in den anderen Mitgliedstaaten Wertpapiere öffentlich anzubieten oder zuzulassen4. Aufgrund des § 1 Abs. 3 WpPG besitzt er die Möglichkeit, einen Prospekt nach den Vorschriften des WpPG zu erstellen und von der BaFin billigen zu lassen. Da der Prospekt im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums gültig wäre, könnte er an die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten notifiziert werden. Ein freiwillig erstellter Prospekt unterliegt der Prospekthaftung gemäß §§ 44 f. BörsG iVm. § 13 VerkProspG5. Bei diesem handelt es sich um einen Prospekt iS des WpPG gemäß § 13 Abs. 1 VerkProspG6. Zu berücksichtigen ist auch, dass für einen freiwillig erstellten Prospekt die Vorschriften des WpPG in ihrer Gesamtheit Anwendung finden7. Folglich muss er haftungs1 Vgl. CSER, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148,Nr. 70 lit. 1; zu einem konkreten Beispiel und den dabei anwendbaren Anhängen der Prospektverordnung vgl. ebenfalls Nr. 70 lit. 1 Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148. 2 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 9; Spindler in Holzborn, § 1 WpPG Rz. 32; vgl. auch Erwägungsgrund 17 Prospektrichtlinie. 3 Begr. RegE Allgemeiner Teil, WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 25 f.; Groß, Kapitalmarktrecht, § 1 WpPG Rz. 9; siehe auch auch Ritz/Zeising in Just/ Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 6. 4 Vgl. auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 1 WpPG Rz. 53. 5 Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 33. 6 Vgl. auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 1 WpPG Rz. 33. 7 Begr. RegE zu § 1 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 28: „Absatz 3 eröffnet den in Absatz 2 Nr. 2, 3, 4 und 5 genannten Emittenten die Möglichkeit, einen Wertpapierprospekt zu erstellen, …“.

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§ 2 WpPG

Begriffsbestimmungen

rechtlich bedeutsame Angaben, nämlich die Verantwortungserklärung gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 WpPG und den Warnhinweis über die Übernahme der Haftung für die Zusammenfassung des Prospekts gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 WpPG, beinhalten. Zwar handelt es sich bei diesen beiden Normen nicht um Anspruchsgrundlagen1. Aus § 5 Abs. 4 Satz 1 WpPG ergibt sich jedoch, wer im Falle einer Prospekthaftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit einzustehen hat, und aus § 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 WpPG, dass sich Haftungsansprüche bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ergeben können2.

§2 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Gesetzes ist oder sind 1. Wertpapiere: übertragbare Wertpapiere, die an einem Markt gehandelt werden können, insbesondere a) Aktien und andere Wertpapiere, die Aktien oder Anteilen an Kapitalgesellschaften oder anderen juristischen Personen vergleichbar sind, sowie Zertifikate, die Aktien vertreten, b) Schuldtitel, insbesondere Schuldverschreibungen und Zertifikate, die andere als die in Buchstabe a genannten Wertpapiere vertreten, c) alle sonstigen Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung solcher Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die anhand von übertragbaren Wertpapieren, Währungen, Zinssätzen oder -erträgen, Waren oder anderen Indizes oder Messgrößen bestimmt wird, mit Ausnahme von Geldmarktinstrumenten mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten; 2. Dividendenwerte: Aktien und andere Wertpapiere, die Aktien vergleichbar sind, sowie jede andere Art übertragbarer Wertpapiere, die das Recht verbriefen, bei Umwandlung dieses Wertpapiers oder Ausübung des verbrieften Rechts die erstgenannten Wertpapiere zu erwerben, sofern die letztgenannten Wertpapiere vom Emittenten der zugrunde liegenden Aktien oder von einem zum Konzern des Emittenten gehörenden Unternehmen begeben wurden; 3. Nichtdividendenwerte: alle Wertpapiere, die keine Dividendenwerte sind; 4. öffentliches Angebot von Wertpapieren: eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden 1 So bzgl. § 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 WpPG auch Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 5 WpPG Rz. 19. 2 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 5 WpPG Rz. 19, 23.

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Begriffsbestimmungen

§ 2 WpPG

Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden; dies gilt auch für die Platzierung von Wertpapieren durch Institute im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder ein nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Kreditwesengesetzes tätiges Unternehmen, wobei Mitteilungen auf Grund des Handels von Wertpapieren an einem organisierten Markt oder im Freiverkehr kein öffentliches Angebot darstellen; 5. Angebotsprogramm: einen Plan, der es erlauben würde, Nichtdividendenwerte ähnlicher Art oder Gattung sowie Optionsscheine jeder Art dauernd oder wiederholt während eines bestimmten Emissionszeitraums zu begeben; 6. qualifizierte Anleger: a) Institute im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes, nach § 53 Abs. 1 Satz 1, § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Kreditwesengesetzes tätige Unternehmen, private und öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen, Kapitalanlagegesellschaften, Investmentaktiengesellschaften sowie ausländische Investmentgesellschaften und von diesen beauftragte Verwaltungsgesellschaften, Pensionsfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften, Warenderivatehändler sowie Einrichtungen, die weder zugelassen sind noch beaufsichtigt werden und deren einziger Geschäftszweck in der Wertpapieranlage besteht, b) nationale und regionale Regierungen, Zentralbanken, internationale und supranationale Institutionen wie der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank, die Europäische Investitionsbank, andere vergleichbare internationale Organisationen und die Kreditanstalt für Wiederaufbau, c) andere juristische Personen, es sei denn, es handelt sich um kleine oder mittlere Unternehmen, d) kleine oder mittlere Unternehmen mit Sitz im Inland, sofern sie in das nach Maßgabe des § 27 geführte Register eingetragen sind, und kleine oder mittlere Unternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, sofern sie in diesem Staat in ein als gleichwertig anerkanntes Register eingetragen sind, und e) natürliche Personen mit Wohnsitz im Inland, sofern sie in das nach Maßgabe des § 27 geführte Register eingetragen sind, und natürliche Personen mit Wohnsitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, sofern sie in diesem Staat in ein als gleichwertig anerkanntes Register eingetragen sind; 7. kleine und mittlere Unternehmen: Personen oder Gesellschaften, die laut ihrem letzten Jahresabschluss oder Konzernabschluss mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: eine durchschnittliche Beschäftigtenzahl im letzten Geschäftsjahr von weniger als 250, eine Gesamtbilanzsumme von höchstens 43 Millionen Euro und ein Jahresnettoumsatz von höchstens 50 Millionen Euro;

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§ 2 WpPG

Begriffsbestimmungen

8. Einlagenkreditinstitute: Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 3d Satz 1 des Kreditwesengesetzes; 9. Emittent: eine Person oder Gesellschaft, die Wertpapiere begibt oder zu begeben beabsichtigt; 10. Anbieter: eine Person oder Gesellschaft, die Wertpapiere öffentlich anbietet; 11. Zulassungsantragssteller: die Personen, die die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragen; 12. dauernde oder wiederholte Ausgabe von Wertpapieren: die dauernde oder mindestens zwei Emissionen umfassende Ausgabe von Wertpapieren ähnlicher Art oder Gattung während eines Zeitraums von zwölf Monaten; 13. Herkunftsstaat: a) für alle Emittenten von Wertpapieren, die nicht in Buchstabe b genannt sind, der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem der Emittent seinen Sitz hat, b) für jede Emission von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 1.000 Euro sowie für jede Emission von Nichtdividendenwerten, die das Recht verbriefen, bei Umwandlung des Wertpapiers oder Ausübung des verbrieften Rechts übertragbare Wertpapiere zu erwerben oder einen Barbetrag in Empfang zu nehmen, sofern der Emittent der Nichtdividendenwerte nicht der Emittent der zugrunde liegenden Wertpapiere oder ein zum Konzern dieses Emittenten gehörendes Unternehmen ist, je nach Wahl des Emittenten, des Anbieters oder des Zulassungsantragstellers der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem der Emittent seinen Sitz hat, oder der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem die Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind oder zugelassen werden sollen, oder der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem die Wertpapiere öffentlich angeboten werden; dies gilt auch für Nichtdividendenwerte, die auf andere Währungen als auf Euro lauten, wenn der Wert solcher Mindeststückelungen annähernd 1.000 Euro entspricht, c) für alle Drittstaatemittenten von Wertpapieren, die nicht in Buchstabe b genannt sind, je nach Wahl des Emittenten des Anbieters oder des Zulassungsantragstellers entweder der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem die Wertpapiere erstmals öffentlich angeboten werden sollen, oder der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem der erste Antrag auf Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt gestellt wird, vorbehaltlich einer späteren Wahl durch den Drittstaatemittenten, wenn der Herkunftsstaat nicht gemäß seiner Wahl bestimmt wurde; 14. Aufnahmestaat: der Staat, in dem ein öffentliches Angebot unterbreitet oder die Zulassung zum Handel angestrebt wird, sofern dieser Staat nicht der Herkunftsstaat ist;

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Begriffsbestimmungen

§ 2 WpPG

15. Staat des Europäischen Wirtschaftsraums: die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum; 16. Organisierter Markt: ein im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt; 17. Bundesanstalt: die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698), geändert durch das Investmentänderungsgesetz vom 21.12.2007 (BGBl. I 2007, 2089). Schrifttum: Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Elsen/Jäger, Revision der Prospektrichtlinie – Überblick wesentlicher Änderungen, BKR 2010, 97; Fleischer, Prospektpflicht und Prospekthaftung für Vermögensanlagen des Grauen Kapitalmarkts nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 339; Fürhoff/ Ritz, Richtlinienentwurf der Kommission über den Europäischen Pass für Emittenten, WM 2001, 2280; Giedinghagen, Arbeitnehmerbeteiligungen im Lichte des Wertpapierprospektgesetzes, BKR 2007, 233; Harrer/Müller, Die Renaissance des Freiverkehrs – Eine aktuelle Analyse mit internationalem Vergleich, WM 2006, 653; Heidelbach/Preuße, Einzelfragen in der praktischen Arbeit mit dem neuen Wertpapierprospektregime, BKR 2006, 316; Heidelbach/Preuße, Zweieinhalb Jahre neues Prospektregime und noch viele Fragen offen, BKR 2008, 10; Hess/Friedrich, Das neue Bucheffektengesetz (BEG) – Hinweise auf Grundlagen und praktische Auswirkungen, GesKR 2008, 98; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668; Holzborn/Schwarz-Gondek, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BKR 2003, 927; von Ilberg/Neises, Die Richtlinien-Vorschläge der EU Kommission zum „Einheitlichen europäischen Prospekt“ und zum „Marktmissbrach“ aus Sicht der Praxis, WM 2002, 635; Keller/Langner, Überblick über die EU-Gesetzgebungsvorhaben im Finanzbereich, BKR 2003, 616; König, Die neue europäische Prospektrichtlinie – Eine kritische Analyse und Überlegungen zur Umsetzung in das deutsche Recht –, ZEuS 2004, 251; Kollmorgen/Feldhaus, Zur Prospektpflicht bei aktienbasierten Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, BB 2007, 225; von KoppColomb/Lenz, Angebote von Wertpapieren über das Internet, BKR 2002, 5; von Kopp-Colomb/Lenz, Der europäische Pass für Emittenten, AG 2002, 24; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – Zentrale Punkte des neuen Regimes für Wertpapieremisionen, WM 2005, 1068; Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB 2005, 209; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, Inhalt und Auswirkungen auf das deutsche Kapitalmarktrecht, BB 2004, 501; Leuering, Prospektpflichtige Anlässe im WpPG, Der Konzern 2006, 4; Pellegrini, Critical Analysis of the Prospectus Directive, European Business Law Review (EBLR) 2006, 1679; Pfeiffer/Buchinger, Prospektpflicht bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen US-amerikanischer Arbeitgeber, NZG 2006, 449; Sandberger, Die EU-Prospektrichtlinie – „Europäischer Pass für Emittenten“, EWS 2004, 297; Schanz/Schalast, Wertpapierprospekte – Markteinführungspublizität nach EU-Prospektverordnung und Wertpapierprospektgesetz 2005, HfB-Wor-

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Begriffsbestimmungen

king Paper Series 74, 2006; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des ProspektrichtlinieUmsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schlitt/Schäfer, Der neue Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse, AG 2006, 147; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen der Umsetzung der Transparenzrichtlinie und der Finanzmarktrichtlinie auf Aktien- und Equity-Linked-Emissionen, AG 2007, 227; Schlitt/Seiler/Singhof, Aktuelle Rechtsfragen und Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Wandelschuldverschreibungen, AG 2003, 254; Schnorbus, Die prospektfreie Platzierung von Wertpapieren nach dem WpPG, AG 2008, 389; Seitz, Das neue Wertpapierprospektrecht – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678; Wagner, Der Europäische Pass für Emittenten – die neue Prospektrichtlinie, Die Bank 2003, 680; Weber, Unterwegs zu einer europäischen Prospektkultur, NZG 2004, 360. Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . . II. Begriffsbestimmungen 1. Wertpapiere (§ 2 Nr. 1 WpPG) a) Allgemeines . . . . . . . . . . b) Inländische Wertpapiere . . c) Ausländische Wertpapiere aa) Wertpapiere aus einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums . . . . bb) Wertpapiere aus einem Drittstaat . . . . . . . . . . d) Geldmarktinstrumente mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten . . . . . . 2. Dividendenwerte (§ 2 Nr. 2 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktien und vergleichbare Wertpapiere . . . . . . . . . . . b) Wandel- und Ausübungspapiere . . . . . . . . . . . . . . 3. Nichtdividendenwerte (§ 2 Nr. 3 WpPG) . . . . . . . . . 4. Öffentliches Angebot (§ 2 Nr. 4 WpPG) . . . . . . . . . a) Normentwicklung . . . . . . b) Tatbestandsmerkmale . . . aa) Mitteilung in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise . . . . . . bb) An das Publikum . . . . cc) Ausreichende Information über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere, um die Anleger in die Entscheidungslage zu versetzen . . . . . . . . dd) Konkrete Erwerbsmöglichkeit . . . . . . . .

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5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

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c) Platzierung durch Finanzintermediäre . . . . . . . . . . d) Ende des öffentlichen Angebots . . . . . . . . . . . . . e) Ausgewählte Definitionsansätze europäischer Mitgliedstaaten . . . . . . . . aa) Frankreich . . . . . . . . . bb) Großbritannien . . . . . cc) Italien . . . . . . . . . . . . dd) Irland . . . . . . . . . . . . . ee) Luxemburg . . . . . . . . ff) Niederlande . . . . . . . . gg) Österreich . . . . . . . . . hh) Spanien . . . . . . . . . . . Angebotsprogramm (§ 2 Nr. 5 WpPG) . . . . . . . . . Qualifizierte Anleger (§ 2 Nr. 6 WpPG) . . . . . . . . . Kleine und mittlere Unternehmen (§ 2 Nr. 7 WpPG) . . . Einlagenkreditinstitute (§ 2 Nr. 8 WpPG) . . . . . . . . . Emittent (§ 2 Nr. 9 WpPG) . . Anbieter (§ 2 Nr. 10 WpPG) . Zulassungsantragsteller (§ 2 Nr. 11 WpPG) . . . . . . . . Dauernde oder wiederholte Ausgabe von Wertpapieren (§ 2 Nr. 12 WpPG) . . . . . . . . Herkunftsstaat (§ 2 Nr. 13 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundregel nach § 2 Nr. 13 lit. a WpPG . . . . . . . . . . . b) Wahlrecht nach § 2 Nr. 13 lit. b WpPG . . . . . . . . . . . c) Drittstaatenemittenten nach § 2 Nr. 13 lit. c WpPG . . . . . . . . . . .

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§ 2 WpPG

Begriffsbestimmungen 14. Aufnahmestaat (§ 2 Nr. 14 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (§ 2 Nr. 15 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . .

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16. Organisierter Markt (§ 2 Nr. 16 WpPG) . . . . . . . . 17. Bundesanstalt (§ 2 Nr. 17 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Normentwicklung Die Vorschrift des § 2 WpPG dient der Umsetzung von Art. 2 der Prospekt- 1 richtlinie1. In seinem Wortlaut entspricht § 2 WpPG weitgehend Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie. Wie die Prospektrichtlinie übernimmt das WpPG damit angelsächsischer Regelungstypik folgend eine allgemeine einleitende Begriffsdefinition. Die einheitliche Definition der Begrifflichkeiten in der Prospektrichtlinie stellt einen wesentlichen Harmonisierungsansatz auf europäischer Ebene dar. So wurde schon beim Abstecken des Rahmens für den so genannten Financial Service Action Plan v. 28.10.1998 festgehalten, dass eine europaweit einheitliche Auslegung von Begrifflichkeiten notwendig ist2. Im Bericht des Ausschusses der Weisen v. 15.11.2000 wurde als Manko konstatiert, dass die unterschiedlichen Begriffsverständnisse in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union einem einheitlichen Finanz- und Kapitalmarkt im Wege stehen. Denn europaweit einheitliche Definitionen stellen eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren des Kernstücks der Richtlinie, des so genannten Europäischen Passes, dar3. Im Laufe der Entwicklung der Richtlinie haben die Definitionsansätze vielfältige Änderungen erfahren4. Neben der Frage, welche Begriffe der Definition bedürfen, stellte sich auch die Aufgabe der Regelungstechnik. Diese Frage ist eng verknüpft mit der Entscheidung, welche Bereiche der europaweiten Harmonisierung bedürfen, und in welchen Bereichen den Mitgliedstaaten Regelungsspielräume verbleiben sollen. Wählt man beispielsweise ein Bagatellvolumen als negatives Abgrenzungskriterium zum Begriff des öffentlichen Angebots, erklärt man damit diese Definition einschließlich des negativen Elements als europaweit verbindlich. Unterscheidet man jedoch hinsichtlich dieses Umstands zwischen Anwendungsbereich der 1 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. 2 Mitteilung der Kommission über das Abstecken eines Aktionsrahmens für den Financial Service Action Plan v. 28.10.1998 (ohne Dokumentennummer), S. 10 Ziffer 13. 3 Vgl. allgemeine Bemerkungen zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, Dokument KOM(2001) 280 endgültig – 2001/0117 (COD) v. 30.5.2001, S. 3. 4 Hierzu sehr ausführlich Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG mit vielfältigen Beispielen und Nachweisen zur jeweiligen Begriffsdefinition.

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§ 2 WpPG

Begriffsbestimmungen

Richtlinie und der positiven Begriffsdefinition, kann der einzelne Mitgliedstaat eigenständig entscheiden, wie weit er den Anwendungsbereich über den Minimalansatz hinaus ausdehnen will1. Eine ähnliche Abgrenzungsfrage stellte sich auch im Hinblick auf Ausnahmeregelungen: So sollte zunächst der Begriff des öffentlichen Angebots zugleich durch die Einschränkungen um qualifizierte Anleger sowie einer bestimmten Mindeststückelung je Wertpapier (etc.) ergänzt werden2. Deshalb sollte beispielsweise ein Angebot an qualifizierte Anleger schon generell kein öffentliches Angebot darstellen und nicht erst per Ausnahmevorschrift von der Prospektpflicht befreit werden3. Von alldem wurde jedoch abgesehen, um den Auslegungsspielraum der Nationalstaaten zugunsten einer weitestgehenden Harmonisierung auf ein Minimum zu reduzieren. Anders als noch in vorangegangenen Richtlinienentwürfen angedacht, entschied man sich daher letztendlich gegen eine Verknüpfung von Anwendungsbereich, Begriffsdefinitionen und Ausnahmen. Diese Dreiteilung findet sich auch im WpPG wieder, weshalb die Begriffsbestimmungen des § 2 WpPG weitgehend losgelöst von Anwendungsbereich und Ausnahmevorschriften betrachtet werden müssen. 3

Im Vergleich zum Richtlinientext weicht § 2 WpPG ab, soweit die Mitgliedstaaten Adressat sind und die Vorgabe der Richtlinie durch die Bundesrepublik Deutschland umgesetzt wurde, etwa bei Art. 2 Abs. 1 lit. a Satz 2 der Richtlinie, die dem Mitgliedstaat Ausgestaltungsspielraum hinsichtlich einer Prospektpflicht für Geldmarktinstrumente gewährt. Weiterhin werden Verweise auf andere Richtlinien entweder ausformuliert oder durch solche auf unmittelbar geltendes nationales Recht ersetzt. Insbesondere wurde die Definitionen nach Art. 2 Abs. 2 lit. o bis r der Richtlinie nicht übernommen. Diese betreffen die Definition für „Organismen für gemeinsame Anlagen eines anderen als des geschlossenen Typs“ (Art. 2 Abs. 2 lit. o), für „Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen“ (Art. 2 Abs. 2 lit. p), für den Begriff der „Billigung“ (Art. 2 Abs. 2 lit. q) und die Begriffsdefinition des „Basisprospekt“ (Art. 2 Abs. 2 lit. r). Eine gesonderte Definition dieser Begriffe erscheint entbehrlich, weil sie entweder am Verwendungsplatz unmittelbar mit bestimmt werden können (Art. 2 Abs. 2 lit. o und lit. p in § 1 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) oder sich aus der Verwendung am jeweiligen Ort unmissverständlich ergeben (Art. 2 Abs. 2 lit. q in § 13 Abs. 1 WpPG und Art. 2 Abs. 2 lit. r in § 6 WpPG), ohne dass es einer weiteren Beschreibung 1 Hierzu etwa Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (928). 2 Erläuterung zu Art. 2, Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, v. 30.5.2001, S. 8; konsequent dann die folgende Fassung: Erläuterung zu Art. 2, Geänderter Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, v. 9.8.2002, S. 13, sowie der Richtlinientext, S. 33 ff. (insb. Art. 2 Abs. 2). 3 In dieser Eindeutigkeit die Kommission erstmals in The Proposed Prospectus Directive – Frequently Asked Questions v. 28.9.2001, Nr. 11 S. 8, obwohl der damalige Richtlinienentwurf noch eine andere Lesart nahe legt.

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Begriffsbestimmungen

§ 2 WpPG

bedarf. Dagegen findet die Definition des Zulassungsantragstellers gemäß § 2 Nr. 11 WpPG in der Richtlinie keine Entsprechung. Die Vorgaben in Art. 2 Abs. 2 und 3 der Richtlinie haben in § 2 Nr. 6 WpPG und insbesondere in § 27 WpPG Niederschlag gefunden. Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie enthält die Ermächtigung für die Europäische Kommission zum Erlass von bestimmten Durchführungsmaßnahmen iS des Art. 24 der Richtlinie. Diese Ermächtigungsvorschrift muss nun an die Vorgaben des so genannten Vertrags von Lissabon1 angeglichen werden, was in einer Omnibus-Richtlinie erfolgen soll2. In Erfüllung der im Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 4 2005–20103 formulierten Zielsetzungen hat die Europäische Kommission eine Expertengruppe4 einberufen, die einen Bericht zu ersten praktischen Erfahrungen mit der Prospektrichtlinie vorgelegt hat5. In diesem wird unter anderem auch die in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Interpretation der durch die Richtlinie vorgegebenen Begrifflichkeiten bemängelt. Hiervon betroffen sind auch oder gerade zentrale Definitionen der Richtlinie, wie etwa der Wertpapierbegriff oder das öffentliche Angebot. Auch deshalb wird im Rahmen der turnusmäßigen Überprüfung der Richtlinie gemäß Art. 31 durch die Europäische Kommission erwogen, Definitionen anzupassen6. So könnte sich der politische Wille, bestimmte Angebotsformen von einer umfassenden Prospektpflicht zu entlasten, auch auf das Verständnis des öffentlichen Angebots auswirken. Weiterhin bestehen Bestrebungen, die Definition der qualifizierten Anleger an die Regelung des Art. 4 Abs. 1 Nr. 11 der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) anzugleichen. Als einen wesentlichen Punkt hat die Europäische Kommission in ihrem Vor1 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13.12.2007 (VAEU), ABl. EU Nr. C 306 v. 17.12.2007, in der berichtigten Fassung v. 30.11.2009, ABl. EU Nr. C 290 v. 30.11.2009, der zum 1.12.2009 in Kraft getreten ist. Siehe insb. Art. 290 und 291 VAEU. 2 Siehe hierzu den Kommissionsvorschlag unter http://ec.europa.eu/internal_market/finances/docs/committees/supervision/20091026_576_de.pdf sowie die Ratsdokumente unter http://register.consilium.europa.eu/servlet/driver?page=Result &lang=EN&ssf=DATE_DOCUMENT+DESC&fc=REGAISEN&srm=25&md=400 &typ=Simple&cmsid=638&ff_TITRE=&ff_FT_TEXT=2009%2F0161+%28COD %29&ff_SOUS_COTE_MATIERE=&dd_DATE_REUNION=. 3 Weißbuch zur Finanzdienstleitungspolitik für die Jahre 2005–2010 v. 5.12.2005, zu beziehen über die Website der Europäischen Kommission unter http://ec.europa.eu/internal_market/finances/policy/index_en.htm. 4 European Securities Markets Expert Group (ESME), weitere Informationen unter „http://ec.europa.eu/internal_market/securities/esme/index_de.htm“. 5 Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading v. 5.9.2007, so genannter ESME-Report, zu beziehen unter http://ec.europa.eu / internal_market / securities / docs / esme / 05092007_report_ en.pdf, sowie den Anhang hierzu, http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/esme/05092007_annex_en.pdf. 6 Siehe allgemein zur Revision der Prospektrichtlinie auch Elsen/Jäger, BKR 2010, 97.

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§ 2 WpPG

Begriffsbestimmungen

schlag eine Weiterentwicklung der Prospektzusammenfassung aufgenommen. Diese soll zukünftig einfacher und lesbarer gestaltet werden sowie in Anlehnung an das Konzept über die horizontale Vergleichbarkeit von Anlageprodukten für Kleinanleger – sog. Packaged Retail Investment Products (PRIPs)1 – den Vergleich zwischen dem betroffenen Wertpapier und anderen Wertpapieren oder sogar Investmentprodukten ungeachtet ihrer Wertpapiereigenschaft gewährleisten2. Diese Vergleichbarkeit soll anhand standardisierter „Key Information“ erfolgen. Die Diskussion im Rat der Europäischen Union hat zwischenzeitlich zum Entwurf eines Art. 2 Abs. 1 lit. s der Richtlinie geführt, der eine Definition der „Key Information“ bereithält3. In Anleh-

1 Vgl. hierzu die „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Anlageprodukte für Kleinanleger“, KOM(2009) 204 endgültig v. 30.4.2009 sowie ein „Update zu den Arbeiten der Kommission zu Anlageprodukten für Kleinanleger“, jeweils zu beziehen über „http://ec.europa.eu/internal_ market/finservices-retail/investment_products_de.htm“; zur Interaktion mit der Prospektrichtlinie siehe auch Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen – Begleitdokument zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind – Zusammenfassung der Folgenabschätzung –, Dok-Nr. SEK(2009) 1222 v. 23.9.2009, S. 4, 74, als auch eine Zusammenfassung zur Thematik von CESR: „Packaged Retail Investment Products – summary of key points“, v. 8.9.2009, DokNr. CESR/09-844, sowie „CESR’s report on Packaged Retail Investment Products“ vom November 2009, Dok-Nr. CESR/09-814. 2 Siehe Begründung zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind; Dokument v. 23.9.2009, 2009/0132(COD), KOM(2009) 491 endgültig, Ziffer 5.3.6, S. 8. Ein denkbarer Anwendungskonflikt zwischen dem beabsichtigten neuen Format der Zusammenfassung und dem PRIPs-Konzept bleibt einer Regelung in einer späteren möglichen „PRIPs-Richtlinie“ vorbehalten. 3 Siehe hierzu den Kompromissvorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft v. 28.5.2010, der durch den Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (COREPER) am 2.6.2010 als gemeinsamer Ratsbeschluss gebilligt wurde und über „http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st10/ st10254.en10.pdf“ abzurufen ist. Dort heißt es: „(s) ‚key information‘ means essential and appropriately structured information which is to be provided to investors with a view to enable them to understand the nature and the risks of the securities that are being offered to them or admitted to trading on a regulated market and, without prejudice to Article 5(2)(b), to decide which offers of securities to consider further. In light of the offer and securities concerned, the key information shall include the following elements: (i) a short description of the risks associated with and essential characteristics of the issuer and any guarantor, included the assets, liabilities and financial position;

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nung an die Regelungen in der MiFID1 sowie UCITS2 wird dort ein erster Eindruck zwingender Bestandteile einer zukünftigen Prospektzusammenfassung vermittelt3, wobei die weitere Detailtiefe sowie die Form der Darstellung nachfolgend im Rahmen des Komitologieverfahrens (sog. Level 2) bestimmt werden sollen. Weiterhin wird diskutiert, für bestimmte Emissionen erleichterte Anforderungen an den Prospekt zuzulassen. Dies soll ua. auch für Gesellschaften mit reduzierter Marktkapitalisierung gelten. Hierzu wird vorgeschlagen, eine entsprechende Definition solcher Gesellschaften mit reduzierter Marktkapitalisierung als Art. 2 Abs. 1 lit. t in die Richtlinie aufzunehmen4. Unter schwedischer Ratspräsidentschaft konnte bis Ende 2009 ein erster gemeinsamer Entwurf des Rats der Europäischen Union für die geänderte Richtlinie vorgelegt werden5. Parallel dazu hat sich im Spätherbst 2009 der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments (ECON) des Vorschlags der Europäischen Kommission angenom-

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(ii) a short description of the risk associated with and essential characteristics of the investment in the relevant security, including any rights attaching to the securities; (iii) general terms of the offer, including estimated expenses charged to the investor by the issuer or the offeror; (iv) details of the admission to trading; (v) reasons for the offer and use of proceeds. Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente (sog. MiFID), insbesondere Art. 19 Abs. 3 MiFID. Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 32 (sog. UCITS IV); siehe auch „CESR’s technical advice to the European Commission on the level 2 measures related to the format and content of Key Information Document disclosures for UCITS“, CESR/09-949 v. 28.10.2009. Festgehalten werden muss in diesem Zusammenhang, dass es sich um eine Anlehnung an lediglich ähnliche Regelungen handelt, die – dies gilt insb. für die MiFID – eine andere Zwecksetzung verfolgen als die Prospektrichtlinie. Im spanischen Kompromissvorschlag v. 28.5.2010 heißt es diesbezüglich: „(t) ‚company with reduced market capitalization‘ means a company listed on a regulated market and having had an average market capitalization of less than EUR 100 000 000 on the basis of end-year quotes during the last three calendar years“, abzurufen über http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/ st10/st10254.en10.pdf. Siehe hierzu den Kompromissvorschlag der schwedischen Ratspräsidentschaft v. 11.12.2009, der durch den Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (COREPER) am 17.12.2009 als gemeinsamer Ratsbeschluss gebilligt wurde und der über http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/09/st17/st17451.en09.pdf abzurufen ist. Die schwedische Ratspräsidentschaft hat sich entschieden, ihre zwischenzeitlichen Kompromissvorschläge über die Internetseite des Rats der Europäischen Union http://register.consilium.europa.eu/servlet/driver?page= Result&lang=EN&ssf=DATE_DOCUMENT+DESC&fc=REGAISEN&srm=25& md=400&typ=Simple&cmsid=638&ff_TITRE=2003 %2F71 %2Fec&ff_FT_TEXT =&ff_SOUS_COTE_MATIERE=&dd_DATE_REUNION= öffentlich zugänglich zu machen.

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men und einen ergänzten Bericht des Berichterstatters angenommen1. In den so genannten Trilogverhandlungen hat man sich im Mai 2010 auf einen Entwurf eines gemeinsamen Standpunkts geeinigt2. Zielsetzung soll sein, im Juni 2010 unter spanischer Ratspräsidentschaft eine endgültige Version der Änderungsrichtlinie zu präsentieren. Den Mitgliedsstaaten sollen nach Inkrafttreten der Überarbeitungsrichtlinie 18 Monate zur Umsetzung ins nationale Recht verbleiben3.

II. Begriffsbestimmungen 1. Wertpapiere (§ 2 Nr. 1 WpPG) a) Allgemeines 5

In § 2 Nr. 1 WpPG wird der Begriff „Wertpapier“ definiert. Er entspricht Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente. Die Prospektrichtlinie stellt zwar noch auf Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 93/22/EWG ab, der so genannten Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie, obwohl deren Änderung seinerzeit bereits beabsichtigt war4. Nach Art. 69 der Richtlinie 2004/39/EG gelten Bezugnahmen auf Begriffsbestimmungen oder Artikel der Richtlinie 93/22/EWG jedoch als Bezugnahmen auf die entsprechenden Begriffsbestimmungen oder Artikel der Richtlinie 2004/39/EG (MiFID)5.

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Nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der MiFID sind Wertpapiere solche, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten6. Beispielhaft und nicht abschließend werden sodann in den 1 REPORTon the proposal for a directive of the European Parliament and of the Council amending Directives 2003/71/EC on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading and 2004/109/EC on the harmonisation of transparency requirements in relation to information about issuers whose securities are admitted to trading on a regulated market (COM(2009)0491 – C7-0170/2009 – 2009/0132(COD)) v. 26.3.2010, Dok.-Nr. A7-0102/2010, zu beziehen über http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP// NONSGML+REPORT+A7-2010-0102+0+DOC+PDF+V0//EN. 2 Der Kompromissvorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft v. 28.5.2010, zu beziehen über http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st10/st10254.en10.pdf, stellt das Ergebnis der so genannten Trilogverhandlungen zwischen Europäischem Parlament, Rat der Europäischen Union und Europäischer Kommission aus Sicht des Rates dar und wurde am 2.6.2010 vom Ausschuss der Ständigen Vertreter (COREPER) verabschiedet. 3 Art. 3 Abs. 1 iVm. Art. 4 des Richtlinienentwurfs. 4 Vgl. Crüwell, AG 2003, 243 (245). 5 Begr. RegE zum Wertpapierprospektgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 28. 6 Der Richtlinientext lautet: „Übertragbare Wertpapiere: die Gattungen von Wertpapieren, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, wie a) Aktien und andere, Aktien oder Anteilen an Gesellschaften, Personengesellschaften oder anderen Rechtspersönlichkeiten gleichzustellende Wertpapiere sowie Aktienzertifikate; b) Schuldverschreibungen oder andere verbriefte Schuldtitel, einschließlich Zertifikaten (Hinterle-

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Buchst. a–c typische Erscheinungsformen benannt. Da es sich um eine für die gesamte Europäische Union gleichermaßen gültige Definition handelt, folgt aus ihr ein einzig auf Basis der Handelbarkeit am Kapitalmarkt als gemeinsamem Nenner harmonisierter Wertpapierbegriff. Wertpapiere iS der MiFID sind also diejenigen Instrumente, die nach der jeweiligen Rechtsordnung eines Mitgliedstaats am dortigen Kapitalmarkt handelbar sind. Bewertet folglich ein Mitgliedstaat Instrumente als Wertpapiere, müssen diese Instrumente auch in allen anderen Mitgliedstaaten als Wertpapiere iS der MiFID anerkannt werden, ungeachtet dessen, ob der andere Mitgliedstaat nach seinen eigenen nationalstaatlichen Maßstäben das betreffende Instrumente ebenfalls als fungibel und damit als Wertpapier klassifiziert hätte. Anderenfalls würde das durch die MiFID verfolgte Ziel des harmonisierten, europaweit grenzüberschreitenden Wertpapierhandels nicht erreicht werden können. Die Auslegung des Wertpapierbegriffs hat somit „kapitalmarktrechtlich und nicht klassisch wertpapierrechtlich“ zu erfolgen1. Der Wertpapierbegriff der MiFID und damit der Prospektrichtlinie stellt also nicht auf zusätzliche nationale Erfordernisse ab. Es kommt demnach zunächst nicht auf eine Verbriefung, den Übertragungsweg bzw. die Möglichkeit eines gutgläubigen und damit einredefreien Erwerbs (etc.) an. Der deutsche Gesetzgeber konstatiert in der Begründung2 zum deutschen 7 WpPG, dass die Handelbarkeit der Wertpapiere nicht verlangt, die Wertpapiere müssten zugleich auch verbrieft sein. Vielmehr genügt etwa auch eine Registereintragung, wie sie beispielsweise in manchen europäischen Mitgliedstaaten üblich ist. Schon hieraus wird deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber nachvollzieht, dass der Wertpapierbegriff des WpPG in seiner Dimension vom deutschen, durch das deutsche Sachenrecht geprägten Wertpapierbegriff abweichen kann. Vereinzelt wird die Ansicht vertreten, der Wertpapierbegriff des WpPG ent- 8 spreche nicht dem der MiFID und damit dem der Prospektrichtlinie, weil nach deutschem Recht gestaltete Anteile an Gesellschaften, Personengesellschaften oder anderen Rechtspersönlichkeiten gleichzustellende Wertpapiere entgegen der MiFID nicht erfasst seien3. Hierbei wird jedoch verkannt, dass das alleinige Beurteilungskriterium die Handelbarkeit am Kapitalmarkt darstellt, und es sich bei zuvor genannter Aufzählung um Beispiele des Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 lit. a der MiFID handelt, die dieses Kriterium beinhalten4. Mittelbar erlangt die Definition des Wertpapierbegriffs des WpPG zudem im weiterführenden nationalen Recht Bedeutung, weil § 8f Abs. 1 Satz 1 Verk-

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gungsscheinen) für solche Wertpapiere; c) alle sonstigen Wertpapiere, die zum Kauf oder Verkauf solcher Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die anhand von übertragbaren Wertpapieren, Währungen, Zinssätzen oder -erträgen, Waren oder anderen Indizes oder Messgrößen bestimmt wird.“ Schäfer in Schäfer/Hamann, § 2 WpHG Rz. 7. Begr. RegE zum Wertpapierprospektgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 28. Volhard/Wilkens, DB 2006, 2051 (2054). Ausführlich hierzu Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 12 ff.

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ProspG an diesen anknüpft und die jeweiligen Anwendungsbereiche voneinander abgrenzt. Danach kann subsidiär eine Prospektpflicht nach dem VerkProspG greifen, wenn nicht Wertpapiere iS des WpPG (etc.) betroffen sind1. b) Inländische Wertpapiere 10

Wertpapiere deutschen Rechts müssen die vom europäischen Wertpapierbegriff vorausgesetzte Kapitalmarktfähigkeit aufweisen2. Die Voraussetzungen einer Kapitalmarktfähigkeit hat der Gesetzgeber aus deutscher Perspektive in der Begründung zum WpPG konkretisiert. Demnach setzt die Umlaufund Kapitalmarktfähigkeit nach deutschem Recht voraus, dass es sich um eine Gattung von Wertpapieren handelt, die am Kapital- oder Geldmarkt gehandelt werden können, mithin also untereinander austauschbar sind (so genannte Fungibilität)3. Dies schließt eine individuelle Ausgestaltung nach dem Wunsch einzelner Kunden aus. Keine Wertpapiere sind daher Namensschuldverschreibungen oder Schuldscheindarlehen deutschen Rechts, da diese nur mittels Abtretung übertragen werden können und individuelle Einreden somit nach deutschem Recht erhalten bleiben. Ihnen fehlt es also an der notwendigen Fungibilität4. Genauso wenig zählen Kommandit- oder GmbH-Anteile zu den Wertpapieren5. Soweit der deutsche Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung feststellt, dass der Wertpapierbegriff des WpPG eine Verbriefung nicht voraussetzt, trifft dies nicht auf am regulierten Markt zuzulassende Wertpapiere zu. Denn die Verbriefung ist Voraussetzung für die Börsenzulassung6. Dies wird aus § 32 BörsG gefolgert7. Insofern unterscheidet sich der Wertpapierbegriff des WpPG von dem des BörsG bzw. der BörsenZulV. Auch hieraus wird deutlich, dass der deutschrechtliche Maßstab des Eigentumserwerbs, wie ihn der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung anführt, nur als Beurteilungskriterium für deutsche Wertpapiere herangezogen werden kann, da nach deutschem Verständnis Eigentum an gegenständlich inexistenten Rechtsfiguren nicht erworben werden kann.

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Nichtverbriefte Optionen auf den Erwerb von Wertpapieren sind selbst keine Wertpapiere. Allerdings erfordert es der Schutzzweck des Gesetzes, den Erwerbszeitpunkt eines Wertpapiers auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Option vorzuverlagern, wenn die Option zwingend und automatisch in den Erwerb eines Wertpapiers mündet, beispielsweise bei entsprechend ausgestalteten Mitarbeiteroptionsprogrammen8. Bei genauer Betrachtung folgt diese 1 Siehe hierzu Arndt/Voß in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 42 f.; Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 6 ff. 2 Vgl. zur parallelen Problematik im WpHG Schäfer in Schäfer/Hamann, § 2 WpHG Rz. 9. 3 Seitz, AG 2005, 678 (680). 4 Begr. RegE zum Wertpapierprospektgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 28. 5 Begr. RegE zum Wertpapierprospektgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 28. 6 Die MiFID steht dem nicht entgegen, vgl. Erwägungsgrund 57 zur MiFID. 7 Vgl. (noch zum alten, insoweit jedoch identischen § 30 BörsG) Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 30 BörsG Rz. 11 und Rz. 15. 8 So wohl auch Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 159.

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Konsequenz allerdings aus der Definition des öffentlichen Angebots und nicht aus der des Wertpapierbegriffs1. Es handelt sich nämlich vielmehr um eine gesamtheitliche Betrachtung zeitlich weit auseinanderliegender Tatbestandelemente des Merkmals „öffentliches Angebot“ (vgl. Rz. 33). Ähnlich kann es sich auch in Fällen untypischer KG-Beteiligungen verhalten, bei denen der Gesellschaftsanteil in Aktien fremder Gesellschaften gewandelt wird, ohne dass der Gesellschafter nach Anteilserwerb noch Einfluss nehmen kann. In Ausgestaltung des Richtlinientexts hat der deutsche Gesetzgeber in Anlehnung an Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 MiFID in § 2 Nr. 1 lit. a bis c WpPG beispielhaft einige Wertpapierarten aufgeführt, ohne dass diese Aufzählung jedoch abschließend wäre. Demnach handelt es sich jedenfalls bei Aktien, denen vergleichbare Anteile sowie diese vertretende Zertifikate (§ 2 Nr. 1 lit. a WpPG), Schuldtiteln wie Schuldverschreibungen und Zertifikate (§ 2 Nr. 1 lit. b WpPG) und sonstigen Wertpapieren (§ 2 Nr. 1 lit. c WpPG) um Wertpapiere iS des WpPG.

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c) Ausländische Wertpapiere Die Frage, wie ausländische Wertpapiere im Rahmen des WpPG zu behan- 13 deln sind, stellt keine kollisionsrechtliche, sondern eine Frage der Auslegung deutschen Rechts dar. Denn nach dem deutschen Internationalen Privatrecht wird über Art. 43 EGBGB lediglich ermittelt, welche Rechtsordnung für das Recht aus dem Papier heranzuziehen ist (so genanntes Hauptstatut) bzw. nach welcher Rechtsordnung Rechte am Papier erworben werden (so genanntes Sachstatut). Entsprechend lässt sich auf diese Weise ermitteln, ob nach dem betreffenden ausländischen Recht ein Wertpapier vorliegt2. Nicht beantwortet wird dadurch jedoch die Frage, wie der Wertpapierbegriff des WpPG im Hinblick auf ausländische Rechtsfiguren auszulegen ist3. Die Rechtsprechung geht bei derartigen Fällen differenziert vor: Muss eine 14 deutsche Norm auf eine dem deutschen Recht unbekannte ausländische Rechtsfigur angewandt werden (so genannte Substitution), wird eine Gleichwertigkeitsprüfung iS einer funktionellen Äquivalenz der ausländischen Rechtsfigur mit der deutschen Vorgabe durchgeführt4. Kann eine Gleichwertigkeit nicht festgestellt werden, muss geprüft werden, inwieweit auch eine Ähnlichkeit ausreichend erscheint. Maßstab dabei ist immer der Sinn und Zweck der deutschen Norm.

1 Ebenso Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 145 mwN. 2 Ebenso Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rz. 5. 3 Vgl. Sonnenberger in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2006, EGBGB Einl. IPR Rz. 614 ff. mwN. 4 Heldrich in Palandt, (IPR) Einl. v. EGBGB Art. 3 Rz. 31; S. Lorenz in Bamberger/ Roth, 2. Aufl. 2008, EGBGB Einl. IPR Rz. 91, jeweils mwN.

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aa) Wertpapiere aus einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums 15

Da der Wertpapierbegriff durch die Prospektrichtlinie europaweit einheitlich vorgegeben ist (vgl. Rz. 6), folgt die europaweite Bewertung demselben Maßstab. Rechtsfiguren also, die nach dem richtlinienkonformen Recht eines EWR-Mitgliedstaats ein Wertpapier darstellen, müssen daher auch als Wertpapier iS des WpPG gelten. Harmonisierte Rechtsfiguren kann man folglich in der Regel als gleichwertig ansehen1. Dies ist auch nur konsequent, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass für solche Wertpapiere im Herkunftsmitgliedstaat richtlinienkonforme Wertpapierprospekte gebilligt und nach Deutschland notifiziert werden können. Sollte für dieselben Papiere nun im Aufnahmestaat Deutschland entschieden werden müssen, ob auf sie weitere Normen des Wertpapierprospektrechts Anwendung finden – beispielsweise eine spätere Anwendung von Ausnahmetatbeständen –, wäre es unverständlich und systemwidrig, dies nunmehr an der Wertpapiereigenschaft scheitern zu lassen. Allein die Bezeichnung im Ausland, etwa als Namensschuldverschreibungen nach luxemburger Recht, ist nicht entscheidend2. Konsequenz dessen ist beispielsweise, dass Genossenschaftsanteile nach niederländischem Recht Wertpapiere darstellen, während weitgehend identische Genossenschaftsanteile nach deutschem Recht als Vermögensanlagen nach dem VerkProspG einzuordnen sind. Die europäische Definitionsvorgabe beinhaltet also einen klassischen Fall der (zulässigen) Inländerdiskriminierung. bb) Wertpapiere aus einem Drittstaat

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Handelt es sich bei den zu beurteilenden Wertpapieren um solche, die nicht nach dem Recht eines Staats des EWR, sondern dem eines Drittstaats konzipiert sind, muss dessen Gleichwertigkeit positiv festgestellt werden. Es erscheint dabei schon fragwürdig, das Kriterium der Art und Weise der dinglichen Übertragung auf grenzüberschreitende Vorgänge zu übertragen3. Schließlich stellt dies keine Frage der Ausgestaltung des Wertpapiers dar, sondern eine der Anwendung ausländischen Rechts beim Erwerbsvorgang. 1 Vgl. Sonnenberger in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2006, EGBGB Einl. IPR Rz. 615. 2 So auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 60 bzgl. Namensschuldverschreibungen nach englischem Recht. 3 Wie zuvor (unter Rz. 14) festgestellt, ist der Maßstab, an dem das Instrument des Drittstaats gemessen werden muss, die deutsche Sachnorm. Da der Gesetzgeber dieser jedoch zwei Ausprägungen mit auf den Weg gegeben hat, steht nunmehr in Frage, ob die Norm in ihrer deutschrechtlichen oder ihrer europäischen Dimension heranzuziehen ist. Handelte es sich ausschließlich um einen europäischen Begriff, wäre alleiniges Kriterium die Handelbarkeit (siehe zuvor Rz. 15). Da sich der Gesetzgeber jedoch in der Regierungsbegründung zum WpPG-E für eine deutschrechtliche Betrachtungsweise ausgesprochen hat, muss diese, soweit europarechtlich nicht anders geboten, den Ausschlag geben. Mittelbar folgt hieraus, dass Drittstaatenpapiere im EWR unterschiedlich behandelt werden können, dh. bspw. als Wertpapier in denjenigen Mitgliedstaat notifiziert werden können, der sie als solches nicht anerkannt hat.

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Auch deutsche Wertpapiere werden, wenn sie im Ausland gelagert werden, nach dem Recht dieses Landes übertragen. Dies gilt auch für den Erwerb über eine deutsche Börse. Da dingliche Übertragung und Ausgestaltung eines Papiers jedoch miteinander verwoben sind, kann zumindest in strukturell ähnlichen Fällen dieses Kriterium herangezogen werden. Die Abgrenzung ist nach Art der Übertragung bei ausländischen Anlageinstrumenten deshalb immer dann praktikabel, wenn in der ausländischen Rechtsordnung ohnehin entsprechend dem deutschen Recht zwischen sachenrechtlicher Übertragung und Zession unterschieden wird. Beispielsweise können an schweizer Instrumente weitgehend die gleichen Maßstäbe wie an deutsche Wertpapiere gestellt werden. Kennt das zu beurteilende Rechtssystem kein dem deutschen vergleich- 17 bares Abstraktionsprinzip, muss zur Substitution des Wertpapierbegriffs eine Prüfung der Funktionsäquivalenz im ausländischen Recht vorgenommen werden1. Die vom deutschen Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien decken diese Fallgestaltungen nicht ab. Können beispielsweise die Anlageinstrumente tatsächlich an einer Börse gehandelt werden und kann eine börsenübliche Abwicklung (Clearing) stattfinden, erscheint es bedenklich, dem Emittenten die deutschrechtlich motivierten Bedenken des Gesetzgebers im Hinblick auf eine für Börsenzwecke hinreichende Übertragbarkeit der Anlageinstrumente entgegenzuhalten. Vielmehr erscheint es in einem solchen Fall sachgerecht, dann durch die Möglichkeit des Börsenhandels sowie einer börsenüblichen Abwicklung (Clearing) die Zweifel des deutschen Gesetzgebers an ausreichender Übertragbarkeit der Anlageinstrumente iS des Wertpapierbegriffs als ausgeräumt anzusehen. Das Erfordernis der börsenüblichen Abwicklung (Clearing) hat dabei zum einen die Funktion, die reibungslose bzw. gleichsam automatisiert funktionierende Übertragung der Wertpapiere zu belegen und zum anderen eine Abgrenzung zu Vermögensanlagen zu ermöglichen, die mitunter ebenfalls „über die Börse“ gehandelt werden können (Anteile an geschlossenen Fonds), wobei jedoch keine börsenübliche Abwicklung (Clearing) erfolgt, sondern eine Art Vermittlung zwischen Käufer und Verkäufer. Sind die Zweifel an der für Börsenhandelszwecke erforderlichen Übertragbarkeit beseitigt, können die Papiere nach ausländischem Recht auch in Deutschland als Wertpapiere angesehen werden, vorausgesetzt alle Merkmale des Wertpapierbegriffs sind erfüllt. Diese Frage kann sich praktisch im Rahmen von Angebotsprogrammen auf 18 subtile Weise stellen, wenn in einem Basisprospekt die Möglichkeit eröffnet wird, die zu emittierenden Anlageinstrumente wahlweise nach unterschiedlichen Rechtsordnungen zu bestimmen. So kommt es beispielsweise vor, dass eine Auswahloption schweizer Recht in Gestalt der Emission so 1 Vgl. hierzu allgemein Sonnenberger in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2006, EGBGB Einl. IPR Rz. 614; Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rz. 5 und Ritz/ Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 45 sprechen hier von Parallelwertung nach deutschem Recht.

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genannter Wertrechte, bei denen der Titeldruck aufgeschoben bzw. aufgehoben ist1, vorsieht. Da das schweizer Recht ähnlich dem deutschen eine Unterscheidung zwischen schuldrechtlicher Zession (Art. 164 ff. OR) und dinglichem Erwerb (Art. 641 ff. ZGB) kennt, läge bei Wahl dieser Option kein Wertpapier iS des WpPG vor. Greift auch keine Prospektpflicht nach anderen Vorschriften, kann eine Darstellung mit dem deutlichen Hinweis, dass die betreffenden Passagen nicht von der Prüfung und der Billigung nach dem WpPG umfasst sind, erfolgen. Anderenfalls muss ein gesonderter Prospekt nach den einschlägigen Vorschriften – etwa dem InvG oder dem VerkProspG – erstellt werden2. Der schweizer Gesetzgeber hat das Modell der Wertrechte sowohl als Fremdkörper im nationalen Rechtsrahmen als auch diesen Rahmen im internationalen Wettbewerb als nachteilig erkannt und daher eine Struktur entworfen, die sich vom nationalen Grundmodell löst3. Seit 2010 existieren Bucheffekte als eine Rechtsfigur eigener Art4, die per Definition alle Eigenschaften eines Wertpapiers nach schweizer Recht aufweisen, ohne jedoch eine Sache nach schweizer Sachenrecht darzustellen5. Da sich diese Bucheffekte dem hergebrachten Maßstab entziehen, wird man sie wohl bei der Einordnung als Wertpapier nach dem WpPG nicht vor dem System des schweizer Schuld- und Sachenrechts beurteilen dürfen, sondern ausschließlich vor dem eigens geschaffenen Rahmen des schweizer Bucheffektengesetzes. d) Geldmarktinstrumente mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten 19

Entsprechend Art. 2 Abs. 1 lit. a der Prospektrichtlinie sind Geldmarktinstrumente, die unter den Wertpapierbegriff fallen, bei einer Gesamtlauf1 Entgegen der klassischen Vorstellung eines Wertpapiers gemäß Art. 965 OR wird dieses in der Praxis entmaterialisiert, indem es lediglich als Buchposition bzw. „Wertrecht“ ausgegeben wird, allerdings führt das zur Kollision mit schweizer Sachenrecht, da als Erscheinungsform zwar in Art. 2 Buchst. a BEHG gesetzlich anerkannt, jedoch ohne materiellrechtliche Regelung; vgl. Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierabkommen v. 15.11.2006, Dokument 06.089, BBl. 2006, S. 9315 (9328). 2 Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 60; Seitz, AG 2005, 678 (684). 3 Vgl. zum schweizer Bucheffektengesetz (BEG) etwa Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98. 4 Gemäß Beschluss des schweizer Bundesrats v. 6.5.2009 werden das Bucheffektengesetz mit Ausnahme des neu eingeführten Art. 470 Abs. 2bis OR sowie die Änderungen im Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht zum 1.1.2010 in Kraft gesetzt. Art. 470 Abs. 2bis OR wurde bereits zum 1.10.2008 in Kraft gesetzt. 5 Bundesgesetz über Bucheffekten (Bucheffektengesetz, BEG) v. 3.10.2008; vgl. insgesamt auch den Bericht der vom Eidgenössischen Finanzdepartement eingesetzten technischen Arbeitsgruppe zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Verwahrung und Übertragung von Bucheffekten (Bucheffektengesetz) und zur Ratifikation des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte an Intermediär verwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung (Haager Wertpapierübereinkommen), zu beziehen über http://www.efd.admin.ch/dokumentation/zahlen/00578/00887/index.html?lang=de.

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zeit von weniger als zwölf Monaten vom prospektrechtlichen Wertpapierbegriff ausgenommen. Insoweit wird diese spezielle Regelung der Prospektrichtlinie nicht durch den Wertpapierbegriff der MiFID verdrängt, weil dort keine Beschränkung auf eine zwölfmonatige Laufzeit vorgesehen ist1. Zu den Geldmarktinstrumenten zählen gemäß § 2 Abs. 1a WpHG bzw. § 1 Abs. 11 Satz 3 KWG beispielsweise Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate und Commercial Papers2. Typische Emittenten dieser großvolumigen Papiere sind in der Regel institutionelle Kapitalmarktteilnehmer, denen die Papiere auch zur Refinanzierung bei Zentralbanken dienen. Schuldverschreibungen für Kleinanleger sind daher keine Geldmarktinstrumente, auch wenn sie eine unterjährige Laufzeit aufweisen3. 2. Dividendenwerte (§ 2 Nr. 2 WpPG) § 2 Nr. 2 WpPG beinhaltet die Definition des Begriffs Dividendenwert. Relevanz entfaltet die Unterscheidung zwischen Dividendenwert und Nichtdividendenwert insbesondere im Rahmen von § 2 Nr. 13 lit. b WpPG, aber auch bei der Frage, ob ein so genannter Basisprospekt erstellt werden darf (vgl. hierzu § 6 WpPG). Zudem hat die Einordnung indizielle Wirkung für die Frage, welche Schemata bzw. Anhänge der Prospektverordnung4 anzuwenden sind.

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a) Aktien und vergleichbare Wertpapiere Vom Begriff der Aktie erfasst sind neben den schon wörtlich genannten Ak- 21 tien nach dem AktG auch Anteile an einer deutschen SE. Andere Wertpapiere, die Aktien oder Anteilen an Kapitalgesellschaften oder anderen juristischen Personen vergleichbar sind, stellen gegenüber der Aktie ein Aliud dar, das jedoch wegen seiner Vergleichbarkeit gleichgestellt ist. Hiermit sind jedenfalls solche Beteiligungsformen gemeint, die ein Mitgliedschaftsrecht verbriefen und aufgrund derer daher ein statutorischer Dividendenanspruch, mithin also ein Anspruch auf Beteiligung am Bilanzgewinn, besteht. Daher gilt die Vorschrift auch für ausländische Eigenkapitalanteile5, soweit sie denn Wertpapiere (vgl. Rz. 13 ff.) darstellen. 1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rz. 2. 2 Vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 19 der Richtlinie 2004/39/EG (Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, sog. MiFID), so auch schon Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 93/22/EWG (sog. Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie oder ISD) sowie diesbezügliche Erwägungsgründe Abs. 10. 3 So auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 71. 4 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, in der berichtigten (deutschen) Fassung v. 18.7.2005, ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3. 5 Ein früherer Richtlinienentwurf sprach denn auch ausdrücklich von „Eigenkapitalwertpapieren“, vgl. Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen

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Während unter § 2 Nr. 1 lit. a WpPG Zertifikate, die Aktien vertreten (sog. Depositary Receipts), noch explizit im Zusammenhang mit Aktien und vergleichbaren Wertpapieren genannt werden, finden diese unter § 2 Nr. 2 WpPG keine ausdrückliche Erwähnung mehr. Dies verdeutlicht, dass bei der Beurteilung, ob es sich bei einem Wertpapier um einen Dividendenwert handelt, regelmäßig unmittelbar auf den Wert selbst zurückgegriffen wird1. Entsprechend heißt es in Erwägungsgrund 12 zur Prospektrichtlinie2, dass Aktienzertifikate bzw. Depositary Receipts (so die Begrifflichkeit in der englischsprachigen Fassung der Richtlinie) Nichtdividendenwerte darstellen3. Konsequenterweise findet sich als Schema X zur Prospektverordnung ein gesonderter Anhang, der diese Aktien vertretenden Zertifikate zum Gegenstand hat und erst im Hinblick auf die zugrundeliegenden Aktien weitgehend auf Angaben für Dividendenwerte zurückgreift4.

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Problematisch gestaltet sich die Einordnung bei so genannten hybriden Finanzierungsformen, etwa bei Genussscheinen5. Diese verbriefen keine originären mitgliedschaftlichen Rechte, auch wenn solche schuldrechtlich vereinbart sein sollten. So ist weder die an den Bilanzgewinn gekoppelte Verzinsung einschließlich der Verlustteilnahme noch die Nachrangigkeit oder eine lange Laufzeit ein Alleinstellungsmerkmal von Dividendenwerten. Die bilanzielle Erfassung als Eigen- oder Fremdkapital stellt kein taugliches Abgrenzungskriterium dar, da die bilanzielle Beurteilung des selben Wertpapiers abhängig vom verwendeten Rechnungslegungsstandard (bspw. HGB/ IRFS) als auch branchenspezifisch (vgl. etwa Formblatt 1 zur RechKredV)

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Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (2003/C 20 E/14) (KOM(2002) 460 endg. – 2001/0117(COD), ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122, 141, konnte sich allerdings in dieser Form nicht durchsetzen, siehe Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 25/2003 v. 24.3.2003, ABl. EU Nr. C 125 E v. 27.5.2003, S. 21, 49. So im Rahmen einer Vorfrage auch CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 39, S. 24, zu beziehen über die Website von CESR: http://www.cesr-eu.org. Erwägungsgrund 12 aE zur Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. Diese Annahme findet sich auch bei CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 39, S. 24; aA Crüwell, AG 2003, 243 (245); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (503), wonach die Bezeichnung in Erwägungsgrund 12 zur Prospektrichtlinie nur versehentlich auf „Nichtdividendenwert“ laute. Ebenso Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (499 Fn. 14); Schlitt/Ponick in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 26; ähnlich Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 90. Vgl. Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 25.

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variieren kann. Die alleinige Feststellung: eigenkapitalähnlich hilft nicht weiter, sodass als Einordnungskriterium letztlich nur eine formaljuristische Betrachtung bleibt. Danach handelt es sich bei einem Genussschein strukturell um eine Schuldverschreibung. Genussscheine, die den Vorgaben von § 10 Abs. 5 KWG folgen, wird man daher tendenziell als Nichtdividendenwerte einordnen müssen mit der Konsequenz, dass sie im Rahmen eines Basisprospekts nach Maßgabe der Schuldverschreibungsanhänge dokumentiert werden dürfen1. Dies entspricht auch der europäischen Praxis bei vergleichbaren hybriden Instrumenten. Einzelfallabhängig können darüber hinaus zusätzliche Prospektangaben verlangt werden, um der Ähnlichkeit zum Eigenkapital gerecht zu werden. Diese Möglichkeit wird schließlich auch ausdrücklich in Erwägungsgrund 23 zur ProspektVO2 angenommen, wobei die Grenzen der Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit zu wahren sind. Letztendlich kann dies sogar bedeuten, dass immer noch eine Einordnung als Dividendenwert in Betracht kommen kann. b) Wandel- und Ausübungspapiere Jede andere Art von Wertpapieren, die das Recht verbriefen, bei Umwand- 24 lung dieses Wertpapiers oder Ausübung des verbrieften Rechts Aktien oder denen vergleichbare Wertpapiere zu erwerben, sofern die Wertpapiere vom Emittenten der zugrundeliegenden Aktien oder von einem zum Konzern des Emittenten gehörenden Unternehmen begeben wurden, stellen ebenfalls Dividendenwerte dar. Technisch handelt es sich bei solchen Werten zum einen um das Recht auf Wandlung der Fremdkapitalposition in eine Eigenkapitalposition (Wandlungsrecht) und zum anderen um das Recht auf Umtausch des Rückzahlungsanspruchs in einen Lieferanspruch auf Aktien bzw. vergleichbarer Wertpapiere des Emittenten (Austauschrecht). In beiden Varianten mündet der vorherige Primäranspruch des Anlegers gleichermaßen im Erwerb von Aktien bzw. vergleichbaren Wertpapieren des Emittenten. Solche Wertpapiere wurden vom europäischen Richtliniengeber in die Definition aufgenommen, um zu verhindern, dass die für Aktienemissionen zuständige Herkunftsstaatsbehörde3 auf diese Weise umgangen werden kann4. Nicht entscheidend für die Tragweite der Definition soll nach CESR sein, ob das Wandlungs- bzw. Austauschrecht dem Schuldner oder Gläubiger res-

1 Unentschieden Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 80 ff. und insbesondere Rz. 85. 2 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, in der berichtigten (deutschen) Fassung v. 18.7.2005, ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3. 3 Wagner, Die Bank 2003, 680 (682) sieht dies gerade vor dem Hintergrund südeuropäischer Herkunftsstaatsbehörden. 4 Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 75.

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pektive beiden gleichermaßen zusteht. Denn entscheidend sei allein der Umstand, ob die zugrunde liegenden Aktien bzw. vergleichbaren Wertpapieren vom emittierenden Konzern stammten1. Über diese Frage herrschte Uneinigkeit. So hätte man der Sorge einer Umgehung der für Eigenkapitalemissionen zuständigen Heimatstaatsbehörde auch begegnen können, indem man unter dem erweiterten Dividendenbegriff lediglich Pflichtwandelanleihen und Umtauschanleihen fasste, deren Ausübungsrecht ausschließlich beim Emittenten liegt. Denn nur durch den Emittenten könnte eine Umgehung der Zuständigkeitsregelung erfolgen, während der Anleger nicht Adressat einer Prospektpflicht und damit der Zuständigkeitsregelung ist. Dieses Ergebnis hätte auch dem Wortlaut von Erwägungsgrund 12 zur Prospektrichtlinie entsprochen: Wertpapiere, die nach Wahl des Anlegers umgewandelt werden können, gelten demnach als Nichtdividendenwerte. Dagegen wurde eingewandt, Erwägungsgrund 12 beinhalte ein redaktionelles Versehen. Weil nämlich der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments (ECON) die ausschließliche Geltung der in Erwägungsgrund 12 getroffenen Aussage vergeblich entsprechend klargestellt haben wollte2, wurde hieraus gefolgert, das Gegenteil sei normiert worden. Vielmehr sei also gemeint, dass auch solche Schuldtitel, die auf Wunsch des Anlegers in Dividendenwerte des Schuldtitelemittenten zu wandeln sind, selbst Dividendenwerte darstellten. In Erwägungsgrund 12 sei daher lediglich versehentlich von Nichtdividendenwerten die Rede3. Durch die Positionierung von CESR ist dagegen nunmehr umfassend Klarheit für die Auslegungspraxis geschaffen und anderweitigen Spekulationen der Raum entzogen. Demnach ist Erwägungsgrund 12 nicht Teil der Definitionsfindung des Begriffs „Dividendenwerte“, sondern bezieht sich von vorne herein ausschließlich auf solche Wertpapiere, die nicht vom Emittenten der zugrundeliegenden Aktien oder von einem zum Konzern des Emittenten gehörenden Unternehmen begeben wurden4. 26

Unter den zugrundeliegenden Wertpapieren sind nicht nur die explizit erwähnten Aktien zu verstehen, sondern auch die mit diesen vergleichbare Wertpapiere. Anderenfalls ergäbe sich eine Regelungslücke. 1 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 28, S. 19; allgemein zur Problematik Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 174. 2 Vgl. hierzu Änderungsantrag 5 der Empfehlung für die zweite Lesung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist (5390/4/2003 – C5-0143/2003 – 2001/0117(COD)), S. 8. 3 Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (503); Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 24; unentschieden Weber, NZG 2004, 360 (362). 4 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 28, S. 19; ebenso Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 78.

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3. Nichtdividendenwerte (§ 2 Nr. 3 WpPG) Nichtdividendenwerte sind negativ definiert als solche, die keine Dividen- 27 denwerte iS des vorangegangenen § 2 Nr. 2 WpPG darstellen. In den Erwägungsgründen ausdrücklich als Nichtdividendenwerte benannt werden bspw. Schuldverschreibungen, Zertifikate und Optionsscheine jeglicher Form (mit Ausnahme von bestimmten Wandel- und Ausübungspapieren, vgl. Rz. 24 f.)1. Insbesondere stellen deswegen auch solche Schuldtitel Nichtdividendenwerte dar, die zwar das Erwerbsrecht hinsichtlich einer zugrundeliegenden Aktie verbriefen, wo aber zwischen dem Emittenten der Schuldverschreibung und der Aktien keine Identität besteht bzw. keinerlei Konzernverbindung herrscht2. Explizit als Nichtdividendenwerte werden in Erwägungsgrund 12 zur Prospektrichtlinie zudem American bzw. Global Depositary Receipts (ADR/GDR) genannt, auch wenn bzw. gerade weil sie lediglich Stellvertreter für Eigenkapitalanteile darstellen (vgl. Rz. 22). 4. Öffentliches Angebot von Wertpapieren (§ 2 Nr. 4 WpPG) Zentraler Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Gesetzes und einer 28 Prospektpflicht ist neben der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt das öffentliche Angebot. Zugleich ist der Begriff einer der problematischsten des Gesetzes. Da im Hinblick auf viele Teilbereiche der Definition unterschiedliche Ansichten vertreten werden und es an klärenden gerichtlichen Entscheidungen bislang mangelt, bewegt sich der Anwender der Vorschrift – wie selbstverständlich bei anderen Vorschriften des WpPG auch – potentiell immer zugleich auch im Anwendungsbereich der Ordnungswidrigkeiten des § 30 WpPG sowie von § 13a VerkProspG, welcher die Haftung bei fehlendem Prospekt zum Gegenstand hat. Insbesondere wird man sich in Haftungsprozessen nicht auf Einschätzungen und Entscheidungen der Bundesanstalt berufen können, da diese für die Gerichte keinerlei Bindungswirkung entfalten. Auch muss festgestellt werden, dass in anderen Mitgliedsstaaten andere Detailansichten vorherrschen können, ohne dass bisher eine europaweit einheitliche Verständigung erreicht werden konnte. Deshalb und auch wegen unterschiedlicher Haftungsregime3 wird der Emit1 Erwägungsgrund 13 zur Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. 2 Wagner, Die Bank 2003, 680 (682); Foelsch in Holzborn, § 2 WpPG Rz. 9; vgl. zu den diversen Ausgestaltungsformen auch Schlitt/Seiler/Singhof, AG 2003, 254 ff. 3 Das Europäische Parlament plant, der Kommission aufzugeben, eine Übersicht über die unterschiedlichen nationalen Haftungsregelungen aufzustellen, siehe Amendment 5 bzw. Entwurf eines Erwägungsgrunds 8b in DRAFT REPORT on the proposal for a directive of the European Parliament and of the Council amending Directives 2003/71/EC on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading and 2004/109/EC on the harmonisation of transparency requirements in relation to information about issuers whose securities are admitted to trading on a regulated market (COM(2009)0491

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tent bei grenzüberschreitenden Vorhaben besondere Sorgfalt walten lassen müssen1. a) Normentwicklung 29

Der Begriff des öffentlichen Angebots wird in Art. 2 Abs. 1 lit. d der Richtlinie erstmals legal definiert. Wie auch in Erwägungsgrund 5 zur Richtlinie festgehalten, sah sich das Europäische Parlament und der Rat aufgrund der unterschiedlichen Definitionen des öffentlichen Angebots von Wertpapieren innerhalb der Europäischen Union veranlasst, den Begriff nach den Erfahrungen der vorangegangenen Emissionsprospektrichtlinie2, in der noch zu keiner einheitlichen Definition gefunden werden konnte, europaweit einheitlich vorzugeben. Auf europäischer Ebene zu einem gemeinsamen Verständnis zu gelangen, war in der Vergangenheit unmöglich3, weshalb in der Formulierung der Richtlinie ein Meilenstein gesehen wird4.

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Auch das deutsche Recht kannte unter dem alten Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz keine gesetzliche Definition des öffentlichen Angebots. Deshalb sah sich das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe), das zum 1.5.2002 in der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin, vgl. hierzu auch § 2 WpPG Nr. 17, unten Rz. 92 f.) aufgegangen ist, veranlasst, im Rahmen einer Bekanntmachung ua. eine Definition des öffentlichen Angebots unter dem Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz zu veröffentlichen5. Zu dieser Definition versucht der deutsche Gesetzgeber auch unter dem neuen Rechtsregime eine weitgehende Kontinuität herzustellen6. Zum einen erweitert er hierzu die definitorische Vorgabe der Richtlinie durch eine Klarstellung, zum anderen interpretiert er die Definition in

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– C7-0170/2009 – 2009/0132(COD)), zu beziehen über http://www.europarl. europa.eu / sides / getDoc.do?type=COMPARL&mode=XML&language=EN&reference=PE431.183. Um einen Überblick über die verschiedenen Haftungsregime der Mitgliedsstaaten zu erlangen, soll die Europäische Kommission gemäß Erwägungsgrund 8b des Entwurfs der Überarbeitungsrichtlinie hierzu eine Vergleichstabelle erstellen. Weiterhin soll die Europäische Kommission gemäß Art. 3a des Richtlinienentwurfs Definitionen der Begriff „Primärmarkt“ und „Sekundärmarkt“ entwickeln sowie die Definition „öffentliches Angebot“ präzisieren, vgl. auch Erwägungsgrund 8a zum Entwurf der Überarbeitungsrichtlinie, zu beziehen über http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st10/st10254.en10.pdf. Richtlinie 89/298/EWG des Rates vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8–15 (sog. Emissionsprospektrichtlinie). Erwägungsgrund 7 zur sog. Emissionsprospektrichtlinie (Richtlinie 89/298/EWG des Rates vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8–15). Crüwell, AG 2003, 243 (244 f.). Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. In dieser Erwartung schon Wagner, Die Bank 2003, 680 (682).

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der begleitenden Begründung als dem Begriffsverständnis aus dem Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz entsprechend1. Dies kann jedoch nur eingeschränkt gelingen, nämlich soweit es nicht dem durch die Richtlinie gesetzten Recht widerspricht2. b) Tatbestandsmerkmale Beim öffentlichen Angebot handelt es sich nach dem Gesetzeswortlaut um eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden. Zur Verwirklichung der einzelnen Tatbestandselemente durch mehrere Akteure siehe unten Rz. 71 (Anbietereigenschaft) sowie Rz. 72 (Zurechnung).

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Methodisch muss bei der Definition des öffentlichen Angebots von Wertpapieren grundsätzlich von einem weiten Auslegungsansatz ausgegangen werden3. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang, wonach das öffentliche Angebot den Regelfall darstellt und diesem einige Ausnahmen von einer Prospektpflicht zur Seite gestellt sind. Zu erkennen ist der Regelfall daher zuweilen insbesondere über die negative Abgrenzung zur Ausnahme.

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Die Tatbestandsmerkmale müssen nicht alle zeitgleich vorliegen. Vielmehr genügt es, wenn die Wirkung des einen Merkmals bis zum Vorliegen des anderen fortbesteht. Praktisch ist diese Fallgestaltung nicht selten, da häufig Wertpapiere zur Zeichnung angeboten werden, die erst nach abgeschlossener Zeichnungsphase entstehen sollen, so etwa im Fall einer Kapitalerhöhung gegen Bareinlage: Zum Kommunikationszeitpunkt liegt das betreffende Wertpapier noch gar nicht vor, sodass lediglich für zukünftige Wertpapiere geworben würde, während bei deren Entstehen diese gar nicht mehr angepriesen werden. Zu keinem punktuellen Zeitpunkt läge ein öffentliches Angebot vor. Kann jedoch das betreffende Wertpapier schon zum Zeitpunkt des Anpreisens verbindlich gezeichnet werden, überbrückt dieser Umstand den Zeitraum bis zum tatsächlichen Entstehen und Bezug des Wertpapiers. Auch Extremfälle sind so zu erfassen, wie beispielsweise der Erwerb rein schuldrechtlicher Mitarbeiteroptionen (isoliert betrachtet kein Wertpapier), die erst nach dem Ablauf von Jahren automatisch in den Bezug von Wertpapieren münden4. Sind die verschiedenen Zeitpunkte, zu denen jeweils ein Tatbestandsmerkmal erfüllt wird, miteinander nahtlos verknüpft, und mündet das eine zwangsläufig, dh. ohne weitere Einflussmöglichkeit des Erwerbers, in das andere, so ist das Gesamtgeschehen als einheitlicher Vorgang zu betrachten.

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1 Begr. RegE zum Wertpapierprospektgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 28. 2 Ebenso Foelsch in Holzborn, § 2 WpPG Rz. 10; anders wohl Ritz/Zeising in Just/ Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 96 ff., die (zu) weitgehend die Auslegungspraxis des BAWe fortführen wollen. 3 Im Ergebnis Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 112; ebenso wohl auch Harrer/Müller, WM 2006, 653 (656). 4 Vgl. Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 145 f.

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aa) Mitteilung in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise 34

Schon das erste Tatbestandsmerkmal folgt dem weiten Definitionsansatz, indem klargestellt wird, dass die Mitteilungseigenschaft nicht durch die Wahl des Kommunikationsmediums beschränkt wird. So liegt eine Mitteilung vor ungeachtet dessen, ob sie (fern)mündlich, schriftlich, elektronisch oder auf sonstige Weise übermittelt wird. Die Beispiele reichen weit von qualifizierten Werbebroschüren über Internetwerbung bis hin zu Zeitungsannoncen. Auf die rechtliche Qualifikation der Mitteilung kommt es nicht an, insbesondere muss es sich nicht um einen Antrag auf Vertragsschluss handeln1. Geradezu typisch zB bei einem Börsengang ist die Aufforderung zur Abgabe eines Kaufangebots (invitatio ad offerendum), ohne dass sich der Anbieter seinerseits binden will. Die schlichte Weiterleitung von Informationen durch die Depotbank an die Depotkunden beinhaltet dagegen noch kein öffentliches Angebot der depotführenden Bank2.

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So genannte Mitteilungen aufgrund des Handels an einem organisierten Markt oder im Freiverkehr sind im letzten Halbsatz des § 2 Nr. 4 WpPG ausdrücklich vom Definitionsbereich ausgenommen, dh. sie begründen für sich genommen noch kein öffentliches Angebot. Ursprünglich wurde dieser Teilbereich von Mitteilungen ausgenommen, um Hinweise auf die Einbeziehung im Freiverkehr ohne Werbemaßnahmen oder das Veröffentlichen reiner Emissionsdaten nicht prospektpflichtig werden zu lassen. Unter reinen Emissionsdaten werden zum Beispiel die Angabe der Wertpapierkennnummer (WKN) oder der International Securities Identification Number (ISIN), etwaiger Basiswerte oder der kleinsten handelbaren Einheit verstanden. Nicht hierunter fallen jedoch Angaben zum Ausübungspreis und zu den Ausübungsmodalitäten3, während nunmehr die Kursangabe im Zusammenhang mit der WKN bzw. ISIN und ggf. auch Basisinformationen über den Emittenten noch kein öffentliches Angebot auslösen soll4. Dies vereinfacht insbesondere Zweitlistings von Wertpapieren, die bereits innerhalb des EWR an einem regulierten Markt zugelassen sind. Voraussetzung ist jedoch, dass die weiteren Umstände nicht doch auf die Absicht für ein öffentliches Angebot der betreffenden Wertpapiere schließen lassen (vgl. Rz. 45). Auch die Angaben nach § 30e WpHG oder der von Stabilisierungsmaßnahmen nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2273/20035 alleine begrün1 Begr. RegE zum Wertpapierprospektgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 28. 2 So CESR bezüglich einer Depotbank, die Bezugsrechtsangebote aus einem anderen Mitgliedstaat an die betreffenden Kunden weiterleitet, in CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 42, Seite 25. 3 Vgl. die Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 4 Vgl. auch CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 74, S. 49. 5 Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission v. 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnah-

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den noch kein öffentliches Angebot. Jedoch gilt dies nicht generell für alle gesetzlichen Pflichtangaben, da beispielsweise Angaben nach § 15 WpHG durchaus starken werblichen Charakter aufweisen können1. Problematisch sind Mitteilungen, die aufgrund der Verpflichtung von Segmentsregularien veröffentlicht werden. Zumindest soweit es sich um Freiverkehrsegmente handelt, dürften derartige Mitteilungen bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen immer auch ein öffentliches Angebot begründen2. Denn durch privatrechtliche Ausgestaltungen kann nicht eine öffentlich-rechtliche Definition außer Kraft gesetzt werden. bb) An das Publikum Adressatenkreis der Mitteilung ist das Publikum im Geltungsbereich des 36 Gesetzes. Der Gesetzgeber ersetzt durch den Publikumsbegriff den der Öffentlichkeit des Angebots, ohne dass hierdurch allerdings eine tiefere Erkenntnis erreicht wird3. Entsprechend kann, soweit die Weite der Bedeutung nicht aus dem WpPG zu erschließen ist, auch hier auf die Definition des BAWe zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz zurückgegriffen werden. Daher erfasst das Publikum zunächst jeden denkbaren Adressatenkreis ungeachtet dessen, ob jemand und gegebenenfalls wie viele Personen letztendlich auf das Angebot eingehen4. Unerheblich ist auch, von welchem Ort die Mitteilung ausgeht, etwa also aus dem Ausland. Denn solange sie auch nach Deutschland gelangen soll, richtet sie sich nicht nur zufällig an das Publikum in Deutschland. Indizielle Wirkung entfaltet dabei die Verwendung der deutschen Sprache oder die Nennung deutscher Kontaktdaten5. Lässt sich der Abruf wie beispielsweise im Internet nicht gänzlich verhindern, können angemessene Vorkehrungen wie etwa ein eindeutiger Disclaimer verbunden mit sonstigen technischen Zugangshürden der Verbreitung in Deutschland entgegenwirken6. Zur Verwendung von Disclaimern vgl. auch § 3 WpPG Rz. 8 f., 24 und 27.

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meregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen, ABl. EU Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33. Vgl. hierzu Schnorbus, AG 2008, 389 (394). Auf diese Gefahr weisen auch Harrer/Müller, WM 2006, 653 (658) hin; aA Schlitt/Schäfer, AG 2006, 147 (151); einen großzügigeren Ansatz vertreten faktisch wohl auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 158. So schon Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2283); von Ilberg/Neises, WM 2002, 635 (641); Leuering, Der Konzern 2006, 4 (5); Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 (226); Pfeiffer/Buchinger, NZG 2006, 449 (450). Giedinghagen, BKR 2007, 233 (236), der sich in Bezug auf § 3 Abs. 2 Nr. 2 WpPG (100-Personen-Grenze) äußert. Vgl. die Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 174; zur alten Rechtslage umfassend von Kopp-Colomb/Lenz, BKR 2002, 5 (6); vgl. für den Fall, dass dennoch Investoren aus einem Staat, der vom öffentlichen Angebots ausgenommen ist, zeichnen: CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 43, S. 25 f.

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Das Gesetz bestimmt in § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 2 WpPG Ausnahmen von der Prospektpflicht, die quantitativ und qualitativ am Adressatenkreis des öffentlichen Angebots anknüpfen. Der Richtliniengeber hat zwar ursprünglich erwogen, diese Kriterien als negative Bestandteile der Definition eines öffentlichen Angebots aufzunehmen, im Ergebnis jedoch hiervon abgesehen. Ein Angebot an weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger stellt mithin genauso ein öffentliches Angebot dar wie eines ausschließlich an qualifizierte Anleger, schließlich ist erst dann eine Ausnahme von der Prospektpflicht berechtigt1. Auch das Angebot an einen begrenzten Personenkreis, wie es § 2 Nr. 2 des alten Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes kannte, stellt keine Einschränkung des Definitionsbereichs des öffentlichen Angebots dar. Grundsätzlich öffentlich ist also auch, wenn sich das Angebot an ausgewählte Kreise richtet, beispielsweise Kunden, Mitarbeiter2, Berufsgruppen, etc.3.

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Vielfach wird für denkbar gehalten, dass die individuellen Kenntnisse des Adressaten ein Bedürfnis für eine Prospektpflicht entfallen lassen4. Dies entspricht der Fortgeltung des alten Rechts zur Abgrenzung des vormals vom öffentlichen Angebot ausgenommenen begrenzten Personenkreises5, wie ihn § 2 Abs. 2 des alten Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes bestimmte. Die dogmatische Anknüpfung ist aber nunmehr zweifelhaft. Daher wird

1 König, ZEuS 2004, 251 (254); Sandberger, EWS 2004, 297 (299) (beide noch zum Richtlinientext), ausführlich Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 153 f.; ungenau dagegen (und stellvertretend für andere) bspw. Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10. Auch CESR geht in Fällen einer so genannten Retail Cascade, also dem Verkauf von Wertpapieren vom Emittenten mittels einer Kette von Intermediären an die Endanleger, auf jeder Ebene grundsätzlich vom Vorliegen eines öffentlichen Angebots aus, bevor das Eingreifen einer Ausnahme von der Prospektpflicht (etc.) erörtert wird, siehe CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 56, S. 35 ff.; zu „Retail Cascades“ vgl. auch die Ausführungen unter § 3 WpPG Rz. 39 ff. 2 Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 (226); anders bei entsprechendem Informationsstand der Mitarbeiter Foelsch in Holzborn, § 2 WpPG Rz. 14; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 60: Soweit Mitarbeiter Optionen ausüben, liege kein öffentliches Angebot vor, da es sich um einen begrenzten, identifizierbaren Personenkreis handele. Beim unmittelbaren Bezug von Mitarbeiteraktien soll es sich dagegen um ein öffentliches Angebot handeln, Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 61. 3 Anders Giedinghagen, BKR 2007, 233 (234), der zielgerichtet angesprochene potentielle Anleger nicht als Öffentlichkeit qualifizieren möchte; ähnlich wohl auch Leuering, Der Konzern 2006, 4 (6). 4 So hat auch das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union in ihrem gemeinsamen Standpunkt v. 24.3.2003 den Kenntnisstand des nunmehr in § 4 Abs. 2 Nr. 6 WpPG erfassten Personenkreises zum Anlass genommen, eine Ausnahme von der Prospektpflicht zu installieren, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 25/2003, ABl. EU Nr. C 125 E v. 27.5.2003, S. 21, 51. 5 Vgl. die Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180.

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im Wege einer teleologischen Reduktion1, einer restriktiven Auslegung des Merkmals „Publikum“2 oder über ein zusätzliches ungeschriebenes qualitatives Element versucht, den Publikumskreis entsprechend einzugrenzen3. Voraussetzung dafür wäre wohl jeweils, dass beim potentiellen Anleger ein Informationsniveau vorherrscht, das auch durch Prospektinformationen nicht entscheidend gehoben werden könnte4. Denkbar erscheint dies allenfalls bei Anlegern, die schon einmal eine diesbezügliche prospektpflichtige Investition getätigt haben bzw. seither im Rahmen dieses Investments fortwährende gleichwertige Informationen erhalten haben oder sogar auf Grundlage solcher Informationen über die Ausgabe von Wertpapieren an sich selbst entschieden haben. In der Praxis üblich ist daher, dass Kapitalerhöhungen mit Bezugsrecht der Altaktionäre prospektfrei gestaltet werden können, wenn nicht zugleich auch ein Bezugsrechtshandel stattfindet, an dem Dritte teilnehmen können5. Denn in diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Altaktionäre bereits über ein Informationsniveau verfügen, das eine erneute Unterrichtung mittels Prospekt nicht mehr erforderlich erscheinen lässt. Dieses Verständnis ist jedoch problematisch. Schon die Europäische Kom- 39 mission hat sich – wenn auch nur informell und ohne eingehende Prüfung – während des Umsetzungsprozesses der Richtlinie in nationales Recht skeptisch zur Frage geäußert, ob Bezugsrechtsangebote kein öffentliches Angebot darstellen6. Im Rahmen der Überarbeitung der Prospektrichtlinie könnte die Frage nach der Behandlung der Ausgabe von Wertpapieren ausschließlich an Altgesellschafter indirekt beantwortet werden, zumindest aber enthält der Vorschlag der Europäischen Kommission eine eindeutige Einschätzung. Auf den vielfachen Wunsch hin, Erleichterungen für solche Vorhaben zu ermöglichen, schlägt die Europäische Kommission vor, derlei Emissionen einer Prospektpflicht mit reduzierten Anforderungen zu unterwerfen7. Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass sie grundsätzlich vom Vor1 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rz. 9 und Fn. 27. 2 So Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1669); Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 101 und 103. 3 Vgl. etwa Hamann in Schäfer/Hamann, § 2 WpPG Rz. 23; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (500 Fn. 30), jeweils mwN, die jedoch methodisch zumeist indifferent bleiben. 4 Vgl. etwa Foelsch in Holzborn, § 2 WpPG Rz. 19. 5 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 36 mwN; für ein weiteres (wenig überzeugendes) Beispiel siehe auch Foelsch in Holzborn, § 2 WpPG Rz. 19, in dem eine KAG ihren Anteilseignern Wertpapiere aus ihrem Bestand anbietet. Allenfalls zu denken wäre an einen Fall des § 3 Abs. 1 Satz 2 WpPG. 6 Siehe summary record des 4th Informal Meeting on Prospectus Transposition v. 8.3.2005, Dokument MARKT/G3/WG D(2005). 7 Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen – Begleitdokument zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist,

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liegen eines öffentlichen Angebots und somit einer Prospektpflicht ausgeht. Sowohl der Rat als auch das Europäische Parlament haben dies als Ausgangspunkt für ihre weiterführenden Überlegungen herangezogen1. Auch auf der Ebene von CESR hat sich diese Praxis des prospektfreien Bezugsrechtsangebots bislang nicht durchsetzen können2, sodass schon jetzt bei grenzüberschreitenden Vorhaben davon ausgegangen werden muss, dass diese Verfahrensweise auf keine Akzeptanz stoßen wird. Zudem muss damit gerechnet werden, dass man sich bei CESR darauf einigen könnte, diese Fälle zukünftig uneingeschränkt als öffentliches Angebot zu qualifizieren3. 40

Ähnlich kann es sich in dem Fall verhalten, dass eine Haupt- oder Gesellschafterversammlung über die Ausgabe von sonstigen Wertpapieren an die Anteilseigner entscheidet. Denn auch dann besteht möglicherweise kein gesondertes Informationsbedürfnis4. Zur Frage des unentgeltlichen Bezugs von Wertpapieren durch Mitarbeiter vgl. Rz. 44.

41

Werden Informationen zunächst lediglich Intermediären unterbreitet – beispielsweise auf einer Analystenkonferenz oder im Rahmen einer Vertriebsorganisation an die Vermittler –, liegt hierin noch kein Angebot an das Publikum. Erst wenn diese ihrer Funktion als Informationsmittler und -multiplikator gerecht werden und potentielle Anleger mit den erhaltenen Informationen versorgen, richtet sich das Angebot via Intermediär an das Publikum5. Zu beachten ist jedoch, dass der Intermediär zugleich auch einen Anleger und als solcher Publikum darstellen kann. Praktisch relevant wird diese Fallgestaltung jedoch wohl erst dann, wenn die Intermediäre die Information zusätzlich aufbereitet und ohne weiteren Einfluss des Informationsgebers weiterreichen (vgl. hierzu nachstehend die Ausführungen zur ausreichenden Konkretisierung der Information, Rz. 42 ff., bzw. zur Anbietereigenschaft, Rz. 71).

1

2 3 4 5

und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind – Zusammenfassung der Folgenabschätzung –, Dok-Nr. SEK(2009) 1222 v. 23.9.2009, Ziffer 7.2.4, S. 36. Siehe stellvertretend für den Rat den Kompromissvorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft v. 28.5.2010, zu beziehen über http://register.consilium.europa. eu/pdf/en/10/st10/st10254.en10.pdf, und für das Parlament den Bericht des Berichterstatters v. 26.3.2010, zu beziehen über http://www.europarl.europa.eu/ sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A7-2010-0102+0+DOC+ PDF+V0//EN. Vgl. CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 63, S. 42 f. Auf diese Gefahr – in letzter Konsequenz durch den EuGH – hinweisend auch Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht,§ 2 WpPG Rz. 20 aE; insgesamt auch Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 156 ff. So Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 108. Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 125.

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cc) Ausreichende Information über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere, um die Anleger in die Entscheidungslage zu versetzen Dem Anleger müssen ausreichende Informationen über die Angebotsbedin- 42 gungen und die anzubietenden Wertpapiere mitgeteilt werden, um ihn in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden. Dieses Tatbestandsmerkmal enthält zunächst objektiv zu bestimmende Teilelemente: Erforderlich ist erstens die ausreichende Information, die zu einer Steigerung des Informationsniveaus beim Anleger führt und ihn darüber hinaus zweitens in die Lage versetzt, kausal eine Investitionsentscheidung hinsichtlich der beworbenen Wertpapiere treffen zu können. Die Subsumtion unter die einzelnen Bestandteile könnte dazu verleiten, bei keinem messbaren Informationsgehalt (ausreichende Information) oder mangelnder Entscheidungsrelevanz der Information schon das Vorliegen eines öffentlichen Angebots zu verneinen1. Allerdings bedarf es gerade in dem Fall, wo der Anleger gänzlich uninformiert ist oder schon vermeintlich genügend Information vorhält, des Schutzinstruments eines Prospekts. Anderenfalls könnte allein abhängig vom subjektiven Befinden des Anlegers von einem Prospekt abgesehen werden. Folglich müssen auch die qualitativen Anforderungen insgesamt objektiv bestimmt und dürfen – dem Schutzzweck entsprechend – nicht allzu hoch angesetzt werden2. Die Mitteilung muss einen Informationsgehalt bezüglich dieser Wertpapie- 43 re in sich tragen, Mitteilungen aufgrund des Handels (vgl. Rz. 35), allgemeine Werbemaßnahmen oder generelle Veröffentlichungen alleine genügen nicht3. Der Auslegung des BAWe folgend sind hierunter die wesentlichen Merkmale des betreffenden Wertpapiers (unter anderem der Preis sowie Ausstattungsmerkmale wie etwa Stamm- oder Vorzugsaktien) zu verstehen4. Im Einzelfall ist es schwer, Abgrenzungen zu reinen Hinweisen zu treffen, vielmehr tragen sie oft schon aufgrund ihres werbenden Charakters auch Angebotszüge in sich5. Die Informationen und die Eignung zur Beeinflussung der Investitionsentscheidung müssen sich auf dieselben Wertpapiere beziehen. Der allgemeine Hinweis auf Zertifikate eines Anbieters, der hiervon eine Vielzahl unterschiedlicher feilbietet, oder eine Imagekampagne, genügen nicht. Würden diese Informationen jedoch durch Dritte (bspw. Intermediäre wie die Presse) aufbereitet, könnte der notwendige Grad an Informationsgehalt erreicht werden. Wem freilich diese qualifizierte Information verantwortlich zuzurechen wäre, bliebe in der Folge zu klären. 1 2 3 4

So etwa Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 101 mwN. Im Ergebnis ebenso Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 (226). Harrer/Müller, WM 2006, 653 (656). Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 5 Vgl. die Beispiele bei Schnorbus, AG 2008, 389 (392), wobei es bei diesen oftmals schon an der hier und auch von ihm vertretenen konkreten Erwerbsmöglichkeit der Wertpapiere fehlt; darüber hinaus Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 124.

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Dass das Merkmal der Entscheidungsrelevanz neben dem Element des Informationsbedürfnisses des Anlegers, wie es im Rahmen des Publikumsbegriffs diskutiert wird, eine eigenständige Rolle spielen kann, wird aus folgender Konstellation deutlich: Für den Fall, dass der Anleger Wertpapiere unentgeltlich erwerben kann, bedarf es auch nicht seiner Investitionsentscheidung, weshalb letztendlich kein öffentliches Angebot vorliegt. So zumindest begründet die Europäische Kommission ihre Sicht, wonach die unentgeltliche Mitarbeiterbeteiligung in Form von Wertpapieren prospektfrei bleiben kann1. Die Mitglieder von CESR haben sich dieser Auslegung angeschlossen2. Entsprechendes dürfte auch für vergleichbare Gestaltungen gelten, etwa wenn Neukunden kostenlos Wertpapiere zugeteilt bekommen, wie es zB zu Zeiten der New Economy in den 1990er Jahren vorgekommen ist3. Zwar kann für diese Fälle mit guten Gründen die Unentgeltlichkeit bezweifelt werden, da die Wertpapiere zumeist beispielsweise ausschließlich den Mitarbeitern angeboten werden und diese daher auch im Austausch für die Arbeitsleistung erbracht werden dürften. Deshalb hat CESR Umgehungsfälle ausdrücklich von der Sichtweise ausgenommen. Von einer Umgehung kann allerdings ohne weitere Anhaltspunkte nicht pauschal ausgegangen werden. Ohne Entscheidung erfolgen auch Erwerbsvorgänge kraft Gesetzes4. Hierzu hat sich der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu unentgeltlichen Erwerbsvorgängen kraft Umwandlung geäußert und diese als prospektfrei qualifiziert5, wenn auch diese Fälle erst Gegenstand einer Ausnahme von der Prospektpflicht sind (siehe hierzu § 4 WpPG).

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Beim verknüpfenden Element („um die Anleger … zu versetzen“) stellt sich die Frage, ob dies meint, die Anlageentscheidung muss lediglich kausal auf die Information zurückzuführen sein (konsekutive Konjunktion), oder ob hierdurch auch die subjektive Handlungsmotivation des Anbietenden zum Ausdruck kommt (finale Konjunktion). Die Frage steht in engem Zusammenhang mit der Anbietereigenschaft, die ebenfalls ein subjektives Element in sich trägt (vgl. zu letzterem Rz. 72). Wollte man im Rahmen der Definition des öffentlichen Angebots die Intention des Handelnden unberücksichtigt lassen, führte dies unter Umständen zu dem Phänomen eines öffentlichen Angebots ohne Anbieter. Von daher liegt es nahe, bei Fehlen eines subjektiven Elements in gegenseitiger Wechselwirkung sowohl das Vorliegen eines öffentlichen Angebots als auch das des Anbieters entfallen zu lassen. Dies bedeutet auch eine Fortsetzung der Verwaltungspraxis unter dem alten Wertpapier-Verkaufprospektgesetz, bei dem von einer zielgerichteten 1 In der Konsequenz soll Art. 4 der überarbeiteten Prospektrichtlinie um diesen Fall reduziert werden, vgl. Art. 1 § 4a der Überarbeitungsrichtlinie, zu beziehen über http://register.consolium.europa.eu/pdf/en/10/st10/st10254.en10.pdf. 2 Vgl. CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 6, S. 7 f. 3 Vgl. hierzu von Kopp-Colomb/Lenz, BKR 2002, 5. 4 König, ZEuS 2004, 251 (264); Hamann in Schäfer/Hamann, § 2 WpPG Rz. 38; Foelsch in Holzborn, § 2 WpPG Rz. 13. 5 Begr. RegE zu § 2 Nr. 11 WpPG, BT-Drucks. 15/4999, S. 28.

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Ansprache der Anleger ausgegangen wurde1. Konsequenz dieser Sicht ist, dass beispielsweise Zweitlistings oder verbale Maßnahmen der Kurspflege nicht zwingend ein öffentliches Angebots auslösen müssen2. dd) Konkrete Erwerbsmöglichkeit Vielfach wird davon ausgegangen, dass hinsichtlich der angebotenen Wert- 46 papiere zugleich auch eine konkrete Erwerbsmöglichkeit bestehen muss3. Insoweit herrscht Kontinuität zum alten Recht unter dem Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz. Dieses Tatbestandsmerkmal findet sich zwar nicht ausdrücklich niedergeschrieben in der Gesetzesdefinition, weshalb auch davon ausgegangen wird, es sei gänzlich entfallen4. Hierfür sprechen könnte der Umstand, dass sich im Rahmen der Verhandlungen der Richtlinie 2002 die Mitgliedsstaaten nicht haben einigen können, welche Rolle diesem Merkmal zuzumessen ist5. Konsequenterweise folgt das Merkmal aber aus dem Umstand, dass der umworbene Anleger eine Investitionsentscheidung treffen und sein Handeln folglich tatsächlich im Erwerb eines Wertpapiers münden können muss6. Eine konkrete Erwerbsmöglichkeit besteht auch, wenn zunächst eine nicht verbriefte Option eingegangen wird, die zwingend/bedingt und automatisch, dh. ohne weiteres Zutun des Anlegers im Erwerb des Wertpapiers resultiert7. Folglich kann eine konkrete Erwerbsmöglichkeit auch hinsichtlich noch nicht existenter Wertpapiere bestehen. Praktisch schränkt dies das Merkmal der konkreten Erwerbsmöglichkeit erheblich ein. Eine konkrete Erwerbsmöglichkeit kann etwa auch dadurch gegeben sein, dass Wertpapiere auf einer Website beworben werden und gleichzeitig in engem Zusammenhang eine Verlinkung auf eine fremdbetriebene Handelsplattform besteht8. Nicht notwendigerweise muss allerdings der Handelsort immer explizit benannt sein, in der Regel wird es genügen, dass das Wert1 Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 2 Vgl. hierzu auch CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 74, S. 49. 3 Vgl. schon zum Richtlinienentwurf von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 (27); nunmehr Leuering, Der Konzern 2006, 4 (5); Schanz/Schalast, HfB-Working Paper 74, S. 9. 4 König, ZEuS 2004, 251 (258); Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht,§ 2 WpPG Rz. 9 mwN; unklar Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (503) sowie Harrer/Müller, WM 2006, 653 (656). 5 Vgl. Progress Report der belgischen Ratspräsidentschaft v. 16.5.2002, Ziffer II 7, Dok-Nr. 8933/02 zu 2001/0117 (COD), zu beziehen über http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/02/st08/st08933.en02.pdf. 6 Im Ergebnis auch Schnorbus, AG 2008, 389 (393); anders Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (500); unentschieden Seitz, AG 2005, 678 (683). 7 Vgl. hierzu auch die Ausführungen Polens in CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 5, S. 6 f. 8 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rz. 14; Schnorbus, AG 2008, 389 (392).

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papier an einem allgemein bekannten bzw. üblichen Handelssegment zu erwerben ist. Wird dagegen im Vorfeld eines Börsengangs geworben, ohne dass bereits eine Zeichnungsmöglichkeit besteht, liegt noch kein öffentliches Angebot der Wertpapiere vor. Zu denken ist aber an einen Hinweis auf den gegebenenfalls zu veröffentlichen Prospekt (vgl. § 15 WpPG). Fehlt es an der Verknüpfung zwischen werbender Mitteilung und der Erwerbsmöglichkeit, liegt kein öffentliches Angebot vor. Dieses gilt zum Beispiel für rein redaktionelle Beiträge, die objektiv alle Merkmale eines öffentlichen Angebots beinhalten, der Verfasser jedoch in keinem weiteren Zusammenhang mit dem Veräußerer der betreffenden Wertpapiere steht (vgl. Rz. 45). Letzterer profitiert eher zufällig. 48

Die konkrete Erwerbsmöglichkeit wird nicht einheitlich als Voraussetzung für das Vorliegen eines öffentlichen Angebots verstanden, da sie eben nicht wörtlich in den Wortlaut der Gesetzesdefinition aufgenommen wurde1. Die Vertreter dieser Ansicht gehen damit von einem weiteren Definitionsbereich des öffentlichen Angebots aus. Praktische Konsequenz dieser Sichtweise wäre unter anderem, dass eine Werbung für eine bevorstehende Emission, die gegenwärtig noch nicht gezeichnet werden kann, dennoch schon ein öffentliches Angebot darstellte. Folglich wäre schon zu diesem frühen Zeitpunkt ein Prospekt zu veröffentlichen. Aus § 15 Abs. 2 und 3 Satz 3 aE WpPG geht jedoch hervor, dass auch für einen später prospektpflichtigen Umstand geworben werden kann, es mithin auf die Werbung als Auslöser für ein öffentliches Angebot alleine nicht ankommen kann2. c) Platzierung durch Finanzintermediäre

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Anbieter und derjenige, von dem das Wertpapier erworben werden kann, müssen nicht identisch sein. Schon die Vorschrift selbst stellt klar, dass es keinen Unterschied macht, wenn sich der Anbieter zur Platzierung gewerblicher Intermediäre bedient (vgl. zum Anbieterbegriff Rz. 71). Im Gegensatz zum Richtlinientext, der allgemein Finanzintermediäre erwähnt, werden im WpPG ausschließlich der KWG-Aufsicht unterworfene Institute benannt, dem sie als Folge der Finanzmittlertätigkeit unterfallen. In diesen Fällen, die praktisch die Regel darstellen, bedient sich der Anbieter der Infrastruktur eines Dritten, ohne dass der Dritte dadurch jedoch zum Anbieter wird. Zu unterscheiden ist in diesem Zusammenhang das Angebot über Vertriebsketten (sog. Retail Cascades), bei denen ebenfalls von Intermediären gesprochen wird. Während es sich im ersten Fall um ein einheitliches Angebot mit mehreren Beteiligten handelt, stellt eine Vertriebskette uU mehrere nacheinandergeschaltete Angebote dar. Zur prospektrechtlichen Konsequenz sog. Retail Cascades vgl. auch § 3 WpPG Rz. 39 ff. d) Ende des öffentlichen Angebots

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Zum Ende eines öffentlichen Angebots hat der Gesetzgeber keine Regelung getroffen. Jedenfalls führen das Ende der Zeichnungsfrist oder die vollständi1 So etwa Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (500). 2 Ebenso Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 155.

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Begriffsbestimmungen

§ 2 WpPG

ge Platzierung aller Wertpapiere1 auch zum Ende des öffentlichen Angebots2. Weitere Werbemaßnahmen sind dann irrelevant, wenn keine Erwerbsmöglichkeit der Wertpapiere mehr besteht. Nicht zum Ende des öffentlichen Angebots führt – entgegen der alten Rechtslage – die Einbeziehung der Wertpapiere in den Handel an einem organisierten Markt3. Solch eine Safe-Harbour-Regelung – wegen des Eingreifens der Zulassungsfolgenpflichten wären ab diesem Zeitpunkt keine Transparenzeinbußen zu befürchten gewesen – war zwar während der Verhandlungen zur Richtlinie als auch des Gesetzgebungsverfahrens immer wieder erwogen oder fälschlich angenommen worden4, findet jedoch im Gesetz keinen Rückhalt (vgl. auch zum Verhältnis von öffentlichem Angebot und Einführung oder Einbeziehung in den Handel § 16 WpPG Rz. 8, 66 ff., insb. 68 und 72)5. e) Ausgewählte Definitionsansätze europäischer Mitgliedstaaten Da die europäische Definitionsvorgabe im Rahmen der Prospektrichtlinie der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bedarf, ist trotz Maximalharmonisierung eine Abweichung von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat nicht ausgeschlossen. So zeigt schon – wie dargestellt – das deutsche Beispiel, dass die Definition zwar weitestgehend an die Richtlinienvorgabe angelehnt, jedoch keineswegs identisch ist. Und während der deutsche Gesetzgeber die Prospektrichtlinie der Struktur nach in einem eigenständigen Gesetz übernommen hat, wurden die Vorgaben in anderen Ländern teilweise in bereits bestehende Regelungen mit eingeflochten. All dies lässt erahnen, dass schon ungeachtet der unterschiedlichen Regelungsmodelle, Rechtssysteme 1 Praktisch ist es jedoch teilweise nicht nachvollziehbar, ob manche Wertpapiere im Primär- oder im Sekundärmarkt gehandelt werden und ob eine Platzierung abgeschlossen ist. Denn wenn ein Anbieter Wertpapiere gleichzeitig verkauft, kauft und wieder verkauft, hängt es vom anzuwendenden Buchungsmechanismus (first in – first out, last in – first out, etc.) ab, ob das ursprüngliche Angebot abgeschlossen werden konnte oder nicht. Um dieser Unsicherheit zu begegnen, erstellen viele Anbieter vorsichtshalber Nachträge bzw. einen neuen Prospekt, vgl. hierzu aber auch §§ 3 Abs. 1, 9 Abs. 5 und 16 Abs. 1 WpPG. 2 Hamann in Schäfer/Hamann, § 2 WpPG Rz. 29; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (320 f.), vgl. auch Wortprotokoll Nr. 15/94 zur 94. Sitzung des Finanzausschusses in der 15. Wahlperiode v. 13.4.2005, S. 15. 3 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (500); Leuering, Der Konzern 2006, 4 (7); Schlitt/ Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 35. 4 So ging der Finanzausschuss davon aus, dass die Einführung von Wertpapieren in den amtlichen oder geregelten Markt oder deren Einbeziehung in den geregelten Markt stets zum endgültigen Schluss des Angebots führt, BT-Drucks. 15/5373, S. 50 zu § 16 Abs. 1 und 3 WpPG; ausdrücklich wurde eine entsprechende Änderung durch den Bundesrat gefordert, vgl. Stellungnahme des Bundesrats und Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BT-Drucks. 15/4999) in BT-Drucks. 15/5219, S. 1 Nr. 2, während die Bundesregierung vom Fortbestand des bisherigen Rechtslage ausging (Gegenäußerung der Bundesregierung im selben Dokument, S. 7 Nr. 2), ohne dies jedoch konkret im Gesetz zu verankern. 5 AA offenbar Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 167.

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und Rechtstraditionen zwischen den Mitgliedstaaten allein der Wortlaut der vielleicht wichtigsten Definition der Prospektrichtlinie von Land zu Land abweicht. Die Europäische Kommission hält auf ihrer Website1 eine Liste aller nationalen Umsetzungsakte verfügbar – wenn auch häufig in der jeweiligen Landessprache. Um zumindest einen ersten Überblick der aus Perspektive des deutschen Praktikers wichtigsten ausländischen Definitionen zu ermöglichen, sind nachfolgend ausgewählte Umsetzungsakte nebeneinander gestellt, ohne dass in diesem Rahmen jedoch eine Diskussion möglich ist. Bei der Darstellung handelt es sich entweder um offizielle Darstellungen oder freie Übersetzungen ins Deutsche oder Englische, die selbstverständlich mit allen Unzulänglichkeiten einer solchen Übersetzung behaftet sind. Auch wenn die Definitionen bzw. Definitionsteile aus ihrem Regelungszusammenhang gerissen sind, vermitteln sie trotzdem einen eindrucksvollen Überblick über die Komplexität des Begriffs „öffentliches Angebot“ in der europäischen Rechtspraxis: aa) Frankreich 52

Die französische Definition ist in Article L. 411-1 des Code monétaire et financier v. 1.4.2009 aufgenommen und lautet: „L’offre au public de titres financiers est constituée par l’une des opérations suivantes: 1. Une communication adressée sous quelque forme et par quelque moyen que ce soit à des personnes et présentant une information suffisante sur les conditions de l’offre et sur les titres à offrir, de manière à mettre un investisseur en mesure de décider d’acheter ou de souscrire ces titres financiers; 2. Un placement de titres financiers par des intermédiaires financiers.“

bb) Großbritannien 53

Die englische Definition ist in den Prospectus Regulation 2005 aufgenommen und lautet: „…a communication in connection with trading on – (A) regulated market; (B) multilateral trading facility; or (C) any market prescribed by an order under subsection 130A(3)“

cc) Italien2 54

Die italienische Definition ist in Art. 1 (t) des Gesetzesdekrets Nr. 51/2007 aufgenommen und lautet: „Any communication to persons in whatsoever form and by any means, presenting sufficient information on the terms and conditions of the offer and the securities to be offered, so as to enable an investor to decide whether or not to purchase 1 Der Link lautet: http://ec.europa.eu/internal_market/finances/actionplan/transposition/. 2 Im Hinblick auf italienische Besonderheiten auch Pellegrini, EBLR 2006, 1679 (1682).

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Begriffsbestimmungen

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or subscribe to these securities. The definition shall also be applicable to the placing of securities through financial intermediaries.“

dd) Irland Die irische Definition ist im Investment Funds, Companies and Miscellane- 55 ous Act 2005 aufgenommen und lautet: „„offer of securities to the public“ or „public offer“ means a communication to persons in any form and by any means, presenting sufficient information on the terms of the offer and the securities to be offered, so as to enable an investor to decide to purchase or subscribe to for those securities or apply to purchase or subscribe to for those securities and this definition shall be construed as – (a) being also applicable to the placing of securities through financial intermediaries, and (b) as not being applicable to trading on a regulated market or any other market operated by an approved stock exchange“

ee) Luxemburg Die luxemburgische Definition ist in Article 2, par. 1, point l) des Loi du 10 juillet 2005 relatives aux prospectus pour valeurs mobilièrs (…) aufgenommen und lautet:

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„offre au public de valeurs mobilières: une communication adressée sous quelque forme et par quelque moyen que ce soit à des personnes et présentant une information suffisante sur les conditions de l’offre et sur les titres à offrir, de manière à mettre un investisseur en mesure de décider d’acheter ou de souscrire ces valeurs mobilières. Cette définition s’applique également au placement de valeurs mobilières par des intermédiaires financiers;“

ff) Niederlande Die niederländische Definition ist im Wet op het financieel toezicht (Wft – Financial Supervision Act) aufgenommen und lautet unter Bezugnahme auf den zivilrechtlichen Angebotsbegriff:

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„…making a sufficiently determined offer addressed to more than one person as set out in Section 217(1) of Book 6 of the Dutch Civil Code to conclude a contract to purchase or otherwise acquire securities, or issuing an invitation to make an offer in respect of such securities.“

gg) Österreich Die österreichische Definition ist in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KMG (österreichisches 58 Kapitalmarktgesetz) aufgenommen und lautet: „öffentliches Angebot: eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Bedingungen eines Angebots (oder einer Einladung zur Zeichnung) von Wertpapieren oder Veranlagungen und über die anzubietenden Wertpapiere oder Veranlagungen enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere oder Veranlagungen zu entscheiden. Diese Definition gilt auch für die Platzierung von Wertpapieren oder Veranlagungen durch Finanzintermediäre“

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Darüber hinaus hat die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) ein Rundschreiben herausgegeben, in dem sie unter anderem auch ihre Auslegung des Begriffs „öffentliches Angebot“ konkretisiert und mit Beispielen versieht1. hh) Spanien

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Die spanische Definition wurde durch Real Decreto Ley 5/2005 v. 11.3.2005 im Art. 30bis des Ley 24/1988 v. 28.7.1988 del Mercado de Valores aufgenommen und lautet: 1. A public offer of sale or underwriting of securities consists of any communication to persons in any form and by any means which shows sufficient information on the terms of the offer and the securities offered to allow an investor to decide on whether to acquire or underwrite said securities. The obligation to publish a prospectus shall not apply to any of the following types of offer, which, for the purposes of this Act, shall not be considered to be a public offer: a) An offer of securities exclusively directed to qualified investors. b) An offer of securities directed to less than 100 natural or legal persons of a Member State, without including qualified investors. c) An offer of securities directed to investors who acquire securities for a minimum of 50,000 euros per investor, for each separate offer. d) An offer of securities the unit nominal value of which is at least 50,000 euros. e) An offer of securities for a total sum of less than 2,500,000 euros, the limit of which shall be calculated over a 12 month period. 2. It will not be possible to perform a public offer of sale or underwriting of securities without prior publication of a prospectus approved by the National Securities Market Commission. The regulation shall set forth the exceptions to the obligation to publish a prospectus in the public offers of sale or underwriting, in accordance with the nature of the issuer or the securities, the amount of the offer or the number of investors to whom they are directed, in addition to the adaptations of the requisites laid down in the regulation of the admissions necessary for public offers. 3. Public offers of sale or underwriting of securities not exempt from the obligation to publish a prospectus shall be subject to all the regulation relating to the admission to trading of securities in regulated markets contained herein, with the amendments and exceptions determined by regulation. For these purposes, it shall be taken into account that article 25.5 may not be applicable to the public offers of sale or underwriting of securities.

5. Angebotsprogramm (§ 2 Nr. 5 WpPG) 61

§ 2 Nr. 5 WpPG definiert den Begriff des Angebotsprogramms. Relevanz entfaltet die Definition ua. im Rahmen von § 6 Abs. 1 Nr. 1 WpPG, da nur je 1 Rundschreiben der Finanzmarktaufsicht v. 29.3.2007 zu Fragen zur Umsetzung der Prospektrichtlinie in Kapitalmarktgesetz und Börsegesetz; zu beziehen über den Internetauftritt der FMA bzw. über http://www.fma.gv.at/cms/site//attachments/8/2/7/CH0479/CMS1175505623593/rundschreiben_der_fma_zur_umsetzung_der_prospektrichtlinie_in_kmg_und_boerseg_vom_29_03_2007.pdf.

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Begriffsbestimmungen

ein Angebotsprogramm in einen Basisprospekt aufgenommen werden kann. Vorausgesetzt ist zunächst ein Plan und damit ein zukunftorientiertes Vorhaben, das keiner Historie bedarf. Dieser Plan muss auf die dauernde oder wiederholte, dh. zumindest zweimalige Ausgabe von Wertpapieren gerichtet sein. Die im Konjunktiv formulierten qualitativen Anforderungen an das Vorhaben verdeutlichen, dass es nicht darauf ankommt, dass der Plan auch umgesetzt wird. Dementsprechend kann also bspw. ein mittels Basisprospekt dokumentiertes Angebotsprogramm immer wieder durch einen neuen Basisprospekt aktualisiert werden, ohne dass es auch nur einer einzigen Emission hierunter bedarf. Mögliches Bezugsobjekt des Plans sind Nichtdividendenwerte ähnlicher Art 62 oder Gattung sowie Optionsscheine jeder Art. Während Nichtdividendenwerte also qualitativ begrenzt werden, scheint die Vorschrift im Hinblick auf Optionsscheine keine Restriktionen aufzustellen. Der Wortlaut ist insoweit irreführend, als Optionsscheine ebenfalls Nichtdividendenwerte darstellen (vgl. Rz. 27). Aus der Formulierung der Richtlinie ergibt sich, dass Optionsscheine nicht gleichberechtigt neben Nichtdividendenwerten angesiedelt sind („sowie“), sondern eine Untergruppe der Nichtdividendenwerte darstellen („wozu auch Optionsscheine jeder Art gehören“). Aus der englischen Richtlinienfassung folgt, dass sich der einschränkende Umstand auf Nichtdividendenwerte einschließlich der Optionsscheine bezieht, indem die Einschränkung beiden Begriffen nachgestellt wird („non-equity securities, including warrants in any form, having a similar type and/or class“). In Erwägungsgrund 13 zur Richtlinie wird erläutert, dass der umfasste Rahmen weit ausgestaltet sein kann. Umfasst sind also auch Zertifikate oder andere strukturierte Wertpapiere1. Ein Emissionsprogramm ist nicht ausschließlich auf identische Wertpapiere beschränkt, sondern kann auch Wertpapiere der selben Kategorie umfassen. So können beispielsweise Schuldverschreibungen, Zertifikate und Optionsscheine ohne Ansehen ihres Rangs, der Typen der Basiswerte oder der Grundlage, auf der der Rückzahlungsbetrag oder die Kuponzahlung zu berechnen ist, nebeneinander in ein Angebotsprogramm aufgenommen werden2. Das weitere Erfordernis der dauernden oder wiederholten Ausgabe der Wertpapiere ist in § 2 Nr. 12 WpPG legal definiert, soweit es nicht den dort weiterhin aufgeführten Zeitraum von zwölf Monaten betrifft. Denn dass § 2 Nr. 5 WpPG vom bestimmten Zeitraum spricht, ohne diesen näher zu erläutern, verdeutlicht, dass die temporäre Bestimmung durch den Programmersteller erfolgt. Die Bestimmung kann auch dahingehend lauten, dass der Emissionszeitraum zeitlich unbegrenzt ist.

1 Vgl. Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (211). 2 Ebenso Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 179.

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6. Qualifizierte Anleger (§ 2 Nr. 6 WpPG) 64

§ 2 Nr. 6 WpPG enthält eine Definition der qualifizierten Anleger. § 2 Nr. 6 lit. a WpPG erfasst dabei sowohl juristische Personen des öffentlichen Rechts als auch solche des Privatrechts. Unter die letzte Alternative, also Einrichtungen, die weder zugelassen sind noch beaufsichtigt werden und deren einziger Geschäftszweck in der Wertpapieranlage besteht, sind entsprechende Personen(handels)gesellschaften zu verstehen. Im Vergleich zu § 2 Nr. 6 lit. c WpPG bedarf es dieser Regelung, da sie auch Anleger betrifft, die keine juristische Person darstellen oder als kleines oder mittleres Unternehmen zu qualifizieren wären. Zu den in § 2 Nr. 6 lit. b WpPG genannten qualifizierten Anlegern ist auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau zu zählen. Dies ergibt sich aus Art. 20 der Verordnung zur Durchführung der Prospektrichtlinie. § 2 Nr. 6 lit. c WpPG erfasst als qualifizierte Unternehmen die Unternehmen, die nicht zu den kleinen oder mittleren Unternehmen zählen (vgl. § 2 Nr. 7 WpPG). § 2 Nr. 6 lit. d und e WpPG sehen entsprechend Art. 2 Abs. 1 lit. e Ziffer iv und v iVm. Abs. 3 der Prospektrichtlinie die Errichtung eines Registers vor, in das bestimmte qualifizierte Anleger aufgenommen werden. Im Vergleich zur Richtlinie wurden die Buchst. d und e vertauscht, offenbar im Rahmen einer Wertigkeit, ohne dass dadurch eine Konsequenz abzusehen ist. Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift ist bislang gering1. Weitere Regelungen zum Register sind in § 27 WpPG enthalten.

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Der Begriff der qualifizierten Anleger wurden im Rahmen der Prospektrichtlinie gesondert und ohne Rückgriff auf die Definition der MiFID zu „professionellem Kunden“ und in Anlehnung an die US-amerikanische Regelung der Rule 144A der SEC bestimmt, weil das Anforderungsprofil für Zwecke der Prospektrichtlinie ein gänzlich anderes sei2. Anlässlich der turnusgemäßen Überprüfung der Prospektrichtlinie durch die Europäische Kommission (vgl. Rz. 4) ist diese aufgrund von ihr durchgeführter und in Auftrag gegebener Untersuchungen zu der Einschätzung gelangt, dass die Definition eines qualifizierten Anlegers nach der Prospektrichtlinie derjenigen der MiFID entsprechen sollte3. Infolge der Diskussionen im Rat der Europäischen Union wurde 1 Vgl. hierzu auch Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen – Begleitdokument zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind – Zusammenfassung der Folgenabschätzung –, Dok-Nr. SEK(2009) 1222 v. 23.9.2009, Ziffer 3.1.2, S. 8 f. 2 Begründung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in The Proposed Prospectus Directive – Frequently Asked Questions v. 28.9.2001, Nr. 13 S. 8 f. 3 Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen – Begleitdokument zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderun-

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der Verweis zudem auch auf die Altfallregel des Art. 71 Abs. 6 der MiFID ausgedehnt1. In der Konsequenz soll die Definition des Richtlinientexts nunmehr nach dem Kompromissvorschlag vom 28.5.2010 wie folgt lauten: „(e) ‚qualified investors‘ means persons or entities that are described in Annex II paragraphs I (1) to (4) of Directive 2004/39/EC; and those who are treated on request as professional clients in accordance with Annex II to Directive 2004/39/EC, or recognised as eligible counterparties in accordance with Article 24 of Directive 2004/39/EC unless they have requested that they be treated as non-professional clients. Investment firms and credit institutions shall communicate their classification on request to the issuer without prejudice to the relevant legislation on data protection. Investment firms authorised to continue considering existing professional clients as such in accordance with Article 71(6) of Directive 2004/39/EC shall be authorised to treat those clients as qualified investors under this Directive“2. Dabei ist offenbar gewollt, dass die Klassifizierung als qualifizierter Anleger in diesen Fällen nur im Verhältnis des Kunden zur jeweiligen Bank zur Wirkung gelangt, nicht jedoch allgemein im Verhältnis zu Jedermann gilt3. Das nationale Register nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie soll entfallen4. 7. Kleine und mittlere Unternehmen (§ 2 Nr. 7 WpPG) § 2 Nr. 7 WpPG regelt die Merkmale, anhand derer sich die Einordnung als kleines oder mittleres Unternehmen bestimmt. Diese Schwellenwerte ergeben sich aus der Prospektrichtlinie.

1 2 3

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gen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind – Zusammenfassung der Folgenabschätzung –, Dok-Nr. SEK(2009) 1222 v. 23.9.2009, S. 8 ff. Siehe hierzu den Kompromissvorschlag der schwedischen Ratspräsidentschaft v. 4.11.2009, abzurufen über http://register.consilium.europa.eu/pdf/ en/09/st15/st15096.en09.pdf. Kompromissvorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft v. 28.5.2010, abzurufen über http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st10/st10254.en10.pdf. Vgl. Begründung zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind; Dokument v. 23.9.2009, 2009/0132(COD), KOM(2009) 491 endgültig, Ziffer 5.3.2, S. 6; sowie Bericht der „European Securities Markets Expert Group – Differences between the Definitions of ‚Qualified investor‘ in the Prospectus Directive and ‚Professional Client‘ and ‚Eligible Counterparty‘ in MiFID – Is Alignment Needed?“ v. 18.9.2008 bzw. November 2008, S. 14, zu beziehen über http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/esme/report-qualified-investor_en.pdf. Siehe insgesamt auch Bericht der „European Securities Markets Expert Group – Differences between the Definitions of ‚Qualified investor‘ in the Prospectus Directive and ‚Professional Client‘ and ‚Eligible Counterparty‘ in MiFID – Is Alignment Needed?“ v. 18.9.2008 bzw. November 2008, zu beziehen über http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/esme/report-qualified-investor_en.pdf.

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Die Definition ist Ausfluss des Spannungsfelds zwischen einerseits dem politischen Willen, kleine und mittlere Unternehmen von Regulierungsanforderungen zu entlasten, und andererseits dem Schutzbedürfnis als Anleger, das als vergleichbar mit einer natürlichen Person erachtet wird1. Um kleine und mittlere Unternehmen auf Antrag auch als qualifizierte Anleger und damit als Adressaten von öffentlichen Angeboten zu privilegieren, wurde die Aufnahme einer gesonderten Definition notwendig. 8. Einlagenkreditinstitute (§ 2 Nr. 8 WpPG)

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§ 2 Nr. 8 WpPG bestimmt den Begriff des Einlagenkreditinstituts in Anknüpfung an das Kreditwesengesetz. Einlagenkreditinstitute sind die in Art. 2 Abs. 1 lit. g der Prospektrichtlinie in Bezug genommenen Kreditinstitute iS von Art. 1 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.3.2000 über die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute2, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/29/EG der Kommission v. 8.3.2006 zur Änderung der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des Ausschlusses bzw. der Aufnahme bestimmter Institute aus ihrem/in ihren Anwendungsbereich3. Für die Zwecke dieses Gesetzes kommt es dabei allein darauf an, dass das Kreditinstitut eine Erlaubnis zum Betreiben des Einlagengeschäfts hat. Hinzuweisen bleibt jedoch darauf, dass gemäß Erwägungsgrund 16 zur ProspektVO4 das Registrierungsformular für Banken auch für Banken aus Drittstaaten gelten sollte, die nicht unter die Definition eines Kreditinstituts in diesem Sinne fallen, wohl aber ihren eingetragenen Sitz in einem Staat haben, der Mitglied der OECD ist. 9. Emittent (§ 2 Nr. 9 WpPG)

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§ 2 Nr. 9 WpPG bestimmt, dass eine Person oder Gesellschaft, die Wertpapiere begibt oder zu begeben beabsichtigt, deren Emittent ist. Die Unterscheidung zwischen Person und Gesellschaft findet sich so nicht in der Richtlinie, wo von „Rechtspersönlichkeit“ bzw. „legal entity“ die Rede ist. Setzt man den Begriff „Person“ mit natürlicher als auch juristischer Person sowohl des öffentlichen Rechts als auch des Privatrechts gleich5, erlangt der Begriff „Gesellschaft“ nur dann eingeständige Bedeutung, wenn er Gesell1 Begründung des Rates zu Art. 2, in Gemeinsamer Standpunkt des Europäischen Parlaments und des Rates (EG) Nr. 25/2003. 2 ABl. EG Nr. L 126 v. 25.5.2000, S. 1. 3 ABl. EU Nr. L 70 v. 9.3.2006, S. 50. 4 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission v. 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, ABl. EU Nr. L 215 v. 16.6.2004, S. 3. 5 In dieser Konsequenz Begr. RegE zum Wertpapierprospektgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 29.

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schaftsformen betrifft, die keine eigene Rechtspersönlichkeit aufweisen1. Dies erscheint iS des Anlegerschutzes konsequent, wenn auch die Richtlinie mit „legal entity“ nicht eine natürliche Person zu meinen scheint, wie es sich im Vergleich zu Art. 2 lit. i der englischen Richtlinienfassung ergibt, die zusätzlich das „individual“ iS einer natürlichen Person aufweist. Würde man diesem Ansatz jedoch folgen, wären beispielsweise natürliche Personen, die Schuldverschreibungen emittieren, nicht erfasst. Emittent und Anbieter können, müssen jedoch nicht identisch sein (vgl. § 2 Nr. 10 WpPG, nachfolgend Rz. 71).

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10. Anbieter (§ 2 Nr. 10 WpPG) Anbieter ist die Person oder Gesellschaft, die Wertpapiere öffentlich anbie- 71 tet. Hinsichtlich der Differenzierung zwischen der Person und der Gesellschaft vgl. § 2 Nr. 9 WpPG, da die Formulierung im deutschen Gesetzestext insoweit identisch ist, während die Richtlinie von juristischer oder natürlicher Person spricht. Insoweit ist die Gesetzesfassung weiter, was jedoch durch die unterschiedlichen europäischen Rechtsordnungen, auf die der Richtlinientext abzielt, zu erklären ist. Auch in Bezug auf den Anbieter verweist die Gesetzesbegründung auf die 72 alte Rechtslage unter dem Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz. Danach ist derjenige Anbieter, der für das öffentliche Angebot einer Emission verantwortlich ist. Die Verantwortlichkeit setzt entweder einen wesentlichen aktiven Beitrag oder aber die Kontrolle über das öffentliche Angebot voraus2. Allein die passive Hinnahme, dass eigene Wertpapiere angeboten werden, genügt nicht. In der Regel wird die Verantwortlichkeit auch mit einem eigenen wirtschaftlichen Interesse einhergehen. Der Anbieter muss weder mit dem Emittenten identisch sein noch muss der Emittent stets auch Anbieter sein. Insbesondere bei Zweitplatzierungen kann diese Problematik auftreten (vgl. aber oben Rz. 45), zumal wenn die Erstplatzierung prospektfrei erfolgt ist3. Rein praktisch kann sich dann für den Anbieter, der nicht zugleich Emittent der Wertpapiere ist, die Problematik stellen, wie er an alle notwendigen Prospektangaben des Emittenten gelangen kann. Bei mehreren Handelnden kann es zu Funktionstrennungen kommen, die die Anbietereigenschaft verschleiern können. Beispielsweise kann sich ein Anbieter so genannter Intermediäre bedienen (vgl. oben Rz. 49). Diese werden dadurch jedoch nicht zwingend zu Anbietern. Bei Übernahmekonsortien ist als Anbieter anzusehen, wer den Anlegern gegenüber nach außen erkennbar, beispielsweise in Zeitungsanzeigen, als Anbieter auftritt4. Wenn der Vertrieb der Wertpapiere über Vertriebsorganisationen, ein Netz von angestellten oder freien Vermittlern oder Untervertrieb erfolgt, ist derjenige als Anbieter 1 2 3 4

So auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 2 WpPG Rz. 56. Schnorbus, AG 2008, 389 (390). Zu weiteren Konstellationen Schnorbus, AG 2008, 389 (391). Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 109.

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anzusehen, der die Verantwortung für die Koordination der Vertriebsaktivitäten innehat. Als Indiz hierfür dienen insbesondere entsprechende Vereinbarungen mit dem Emittenten, Aufträge an Untervertriebe und Provisionsvereinbarungen mit selbständigen oder freiberuflich tätigen Vermittlern1. Betreibt eine Aktiengesellschaft Kurspflege in Gestalt einer Imagekampagne zugunsten ihrer Aktionäre und ohne dass sie selbst Aktien am Markt anbietet, könnte ein öffentliches Angebot der Aktionäre nur dann vorliegen, wenn diese die Gesellschaft zur Kurspflege beauftragt haben2. 73

Diskrepanzen bestehen zum Haftungsrecht: Sollte der Emittent nicht zugleich auch Anbieter sein, etwa wenn sich ein institutioneller Anleger von einem Aktienpaket, das er zuvor prospektfrei erworben hat, im Rahmen eines öffentlichen Angebots trennt, so haftet er dennoch als Gesamtschuldner neben dem Anbieter gemäß dem Wortlaut von § 13a VerkProspG3. 11. Zulassungsantragsteller (§ 2 Nr. 11 WpPG)

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§ 2 Nr. 11 WpPG definiert als Zulassungsantragsteller die Personen, die die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt (siehe § 2 Nr. 16) beantragen. Unerheblich dabei ist, in welchem Mitgliedstaat der organisierte Markt belegen ist. Zulassungsantragsteller ist damit auch eine Person, die die Zulassung an einem organisierten Markt außerhalb des Herkunftsmitgliedstaats stellt. Dies kann insoweit Relevanz entfalten, da der Zulassungsantragsteller, der zugleich auch die Verantwortung für den Prospekt übernehmen muss (§ 5 Abs. 4 Satz 1 WpPG), nicht per Nachtrag gemäß § 16 Abs. 1 WpPG ergänzt werden darf (siehe auch §§ 5, 16 WpPG)4. Wer einen Zulassungsantrag wirksam stellen kann bzw. stellen darf, folgt aus § 32 Abs. 2 BörsG. Wahlrechte (etwa § 2 Nr. 13 lit. b WpPG, siehe Rz. 82 f.), die auch dem Zulassungsantragsteller zustehen, können nur einheitlich durch alle Wahlberechtigten ausgeübt werden5. Für § 2 Nr. 11 WpPG hält die Richtlinie kein Vorbild bereit, sondern setzt das Verständnis einer Person, die die Zulassung eines Wertpapiers zum Handel an einem geregelten Markt beantragt, bei dessen Verwendung voraus, zum Beispiel in Art. 4 Abs. 2 lit. h Ziffer v oder Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie. 12. Dauernde oder wiederholte Ausgabe von Wertpapieren (§ 2 Nr. 12 WpPG)

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§ 2 Nr. 12 WpPG bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine dauernde oder wiederholte Ausgabe von Wertpapieren vorliegt. Relevanz entfaltet der 1 Begr. RegE zu § 2 Nr. 10 WpPG, BT-Drucks. 15/4999, S. 29; vgl. insgesamt auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 199 ff. 2 Vgl. im Ergebnis auch Schnorbus, AG 2008, 389 (394), auch wenn er hierin ein bloßes Bereitstellen von Informationen sieht. 3 Hamann in Schäfer/Hamann, § 2 WpPG Rz. 60; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht,§ 2 WpPG Rz. 34. 4 Begr. RegE zu § 2 Nr. 10 WpPG, BT-Drucks. 15/4999, S. 31 ff. 5 Begr. RegE zu § 2 Nr. 11 WpPG, BT-Drucks. 15/4999, S. 29.

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Begriff beispielsweise im Rahmen von § 1 Abs. 2 Nr. 5 und § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpPG, bis zum 31.12.2008 auch im Rahmen des § 31 Abs. 2 WpPG (so genanntes „Daueremittentenprivileg“). Verknüpfendes Merkmal zwischen mehreren Ausgaben von Wertpapieren muss deren Ähnlichkeit sein. Eine Ähnlichkeit zwischen Wertpapieren besteht nicht nur, wenn die Wertpapiere vergleichbare Ausstattungsmerkmale aufweisen. Denn die Formulierung entspricht – wie es auch die Richtlinie vorgibt („similar type and/or class)“ – der von § 2 Nr. 5 WpPG (siehe Rz. 62). Deshalb ist die Ähnlichkeit iS des Erwägungsgrunds 13 zur Prospektrichtlinie zu verstehen1. Die Regierungsbegründung zum WpPG2 ist dahingehend zu eng3. Ein schon mit Beginn der ersten Emission „dauerndes“ Angebot wird in der Praxis als vorliegend angesehen, wenn ein Wertpapier mindestens vier Wochen lang angeboten werden soll4. Es soll also eine zukunftsbezogene Betrachtung genügen.

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Auch im Hinblick auf das Merkmal „wiederholte Ausgabe“ wird die Frage 77 aufgeworfen, ob neben einer vergangenheitsbezogenen Betrachtung ebenfalls die zukunftsbezogene herangezogen werden kann. Teilweise wird vorausgesetzt, dass innerhalb von zwölf Monaten bereits eine entsprechende Emission vorausgegangen sein müsse5. Allerdings folgt dies nicht zwingend aus dem Wortlaut – anders als dies angeführt wird. Vielmehr ist zwischen „dauerndes“ und „wiederholt“ insoweit kein Unterschied zu erkennen, und da ein dauerndes Angebot auch die zukunftsbezogene Komponente aufweist, muss dies auch für eine wiederholte Ausgabe gelten. Außerdem können die ins Felde geführten Folgeprobleme, nachträglich könne sich bei Nichterfüllen aller Voraussetzungen doch noch eine Prospektpflicht ergeben, nicht maßgeblich eine Definition bestimmen. Vielmehr kann dieses Problem auch in anderer Ausgestaltung bspw. unter § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG (siehe dort Rz. 52 ff.) auftreten: So kann auch eine „Überemission“ nachträglich zur Anwendung des WpPG und damit zur nachträglichen Prospektpflicht führen. Es erscheint zudem kaum sachgerecht, zu verlangen, dass man sich mittels erstmaliger prospektpflichtiger Emission erst für eine wiederholte Ausgabe und damit beispielsweise das Privileg einer Prospektfreiheit qualifizieren muss. Es erscheint daher überzeugender, dass der Betrach-

1 Erwägungsgrund 13 lautet insoweit: „… Wertpapiere, die nach allgemeinen Gesichtspunkten in eine Kategorie gehören. Diese Wertpapiere können unterschiedliche Produkte, wie zum Beispiel Schuldverschreibungen, Zertifikate und Optionsscheine, oder gleiche Produkte in ein und demselben Programm zusammenfassen und unterschiedliche Merkmale, insbesondere hinsichtlich der Bedingungen für die Vorrangigkeit, der Typen der Basiswerte oder der Grundlage, auf der der Rückzahlungsbetrag oder die Kuponzahlung zu berechnen ist, aufweisen.“ 2 Begr. RegE zu § 2 Nr. 10 WpPG, BT-Drucks. 15/4999, S. 29. 3 Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 237. 4 Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 229. 5 Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 233 f.

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tungszeitraum von zwölf Monaten eine vergangenheits- wie auch eine zukunftsgerichtete Beurteilung erlaubt1. 13. Herkunftsstaat (§ 2 Nr. 13 WpPG) 78

§ 2 Nr. 13 WpPG definiert den Herkunftsstaat. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine verästelte Bestimmung, um die auf europäischer Ebene lange gerungen wurde2.

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Die Vorschrift formuliert die Grundregel sowie Ausnahmen, die der Emittent, der Anbieter und der Zulassungsantragsteller gemeinsam erwählen können. Die Formulierung „je nach Wahl des Emittenten, des Anbieters oder des Zulassungsantragstellers“ in § 2 Nr. 13 lit. b WpPG entspricht weitgehend derjenigen der Richtlinie, bedeutet aber nicht, dass das Wahlrecht „gespalten“ ausgeübt werden darf. Vielmehr muss die Vorschrift so verstanden werden, dass das Wahlrecht nur gemeinsam und einheitlich vollzogen werden kann3, jedoch nur von denjenigen Beteiligten, die auch zur Prospekterstellung verpflichtet sind. Aus dem Wahlrecht folgt, dass von ein und demselben Emittenten Registrierungsformulare bei mehrerer Behörden gebilligt und hinterlegt worden sein können, weshalb durch die Einreichung eines Registrierungsformular alleine noch keine Klarheit hergestellt wird. a) Grundregel nach § 2 Nr. 13 lit. a WpPG

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In § 2 Nr. 13 lit. a WpPG verortet ist die Grundregel für den Herkunftsstaat von Emittenten mit Sitz in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum. Danach ist derjenige Staat Herkunftsmitgliedstaat, in dem der Emittent seinen statutorischen Sitz hat4. Dieser Sitz muss nicht identisch sein mit dem der tatsächlichen Verwaltung. So kann beispielsweise der Sitz einer englischen Limited in London verbleiben, während das Unternehmen ausschließlich von Berlin aus geführt wird. Herkunftsmitgliedstaat ist danach Großbritannien, auch wenn dort ein öffentliches Angebot oder eine Zulassung der Wertpapiere niemals stattfinden sollte. Während es auch in Folge der Änderungen durch das MoMiG5 nicht möglich ist, den statutorischen Sitz einer deutschen Gesellschaft ins Ausland zu verlegen6, und Deutschland damit für deutsche Gesellschaftsformen Herkunftsmitgliedstaat bleibt, bleibt abzuwarten, ob und wann Deutschland Herkunfts1 So im Ergebnis auch Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (317). 2 König, ZEuS 2004, 251 (267); Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 240. 3 Vgl. Begr. RegE zu § 2 Nr. 13 WpPG, BT-Drucks. 15/4999, S. 29. 4 Ebenso Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1070). 5 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 6 Vgl. beispielsweise für die Aktiengesellschaft § 5 AktG nF („Sitz der Gesellschaft ist der Ort im Inland, den die Satzung bestimmt.“, geändert durch Art. 5 Nr. 1 MoMiG) etc. (seit 1.11.2008, vgl. Art. 25 MoMiG).

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mitgliedstaat für Wertpapiere ausländischer Gesellschaftsformen sein wird, die nicht von § 2 Nr. 13 lit. b WpPG erfasst sind (insb. Aktien bzw. Aktien vergleichbare Wertpapiere). Nicht abschließend geklärt ist der folgende Fall: Sollen ausschließlich im Aufnahmemitgliedstaat Wertpapiere öffentlich angeboten werden, die im Herkunftsmitgliedstaat ebenfalls zwar Wertpapiere darstellen, aber wegen einer (erlaubten) Abweichung vom Anwendungsbereich des die Prospektrichtlinie umsetzenden nationalen Rechts (vgl. § 1 WpPG Rz. 2) nicht unter dieses, sondern unter nationales nicht harmonisiertes Recht fallen, stellt sich die Frage, welches Recht heranzuziehen ist1. Aus Perspektive des Aufnahmemitgliedstaats, in dem das öffentliche Angebot stattfinden soll, wäre dies das Recht des Herkunftsmitgliedstaats. Dort müsste diesem Verständnis zufolge ein Prospekt gebilligt und in den Aufnahmemitgliedstaat notifiziert werden. Aus Sicht des Herkunftsmitgliedstaats dagegen ist diese Möglichkeit verstellt, da europäisches Prospektrecht mangels Anwendbarkeit nicht greift, sondern lediglich nationales Recht, das eine Notifizierung jedoch nicht erlaubt2.

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b) Wahlrecht nach § 2 Nr. 13 lit. b WpPG § 2 Nr. 13 lit. b WpPG begründet im Fall der Emission bestimmter Nicht- 82 dividendenwerte für alle Emittenten, Anbieter und Zulassungsantragsteller ein Wahlrecht. Zur Auswahl stehen entweder der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem der Emittent seinen Sitz hat, oder der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem die Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind oder zugelassen werden sollen, oder der Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, in dem die Wertpapiere öffentlich angeboten werden. Das Wahlrecht kann durch ausdrückliche Erklärung beispielsweise gegenüber der Bundesanstalt oder konkludent durch Einreichung eines Registrierungsformulars und einer Wertpapierbeschreibung oder eines Prospekts ausgeübt werden3. Das Wahlrecht umfasst isoliert zunächst jede Emission von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 1.000 Euro4. Das Wahlrecht kann also für jede Emission

1 Denkbar ist beispielsweise der Fall eines als irische Aktiengesellschaft ausgestalteten Fonds, der jedoch aufgrund seines Anlagespektrums weder unter das europäische Recht für Investmentfonds (UCITS) noch unter das irische Äquivalent zum WpPG fällt. 2 Die in Art. 13 Abs. 5 der Prospektrichtlinie vorgesehene Möglichkeit, dass der Herkunftsmitgliedstaat seine Billigungskompetenz mit dessen Einverständnis auf einen anderen Mitgliedstaat übertragen kann (eine solche Regelung im nationalen Recht des Heimatmitgliedstaats vorausgesetzt), findet im WpPG keine Entsprechung, vgl. § 13 WpPG Rz. 2. 3 Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rz. 253. 4 Dazu klarstellend CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 46a, S. 27.

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erneut und abweichend voreinander ausgeübt werden. Das Wahlrecht darf nicht ohne vernünftigen Grund ausgeübt werden1. 83

Darüber hinaus sind Emissionen von Nichtdividendenwerten vom Wahlrecht erfasst, die das Recht verbriefen, bei Umwandlung des Wertpapiers oder Ausübung des verbrieften Rechts übertragbare Wertpapiere zu erwerben oder einen Barbetrag in Empfang zu nehmen, sofern der Emittent der Nichtdividendenwerte nicht der Emittent der zugrundeliegenden Wertpapiere oder ein zum Konzern dieses Emittenten gehörendes Unternehmen ist2. Die Formulierung entspricht der der Richtlinie. Im Vergleich zur Teildefinition der Dividendenwerte fällt auf, dass die Regelungen ähnlich, aber nicht identisch sind, es sich also auf den ersten Blick nicht um eine Wiederholung des selben Regelungsgehalts handelt. Denn während § 2 Nr. 2 WpPG bestimmte Wandel- und Ausübungspapiere als Dividendenwert qualifiziert, um sie einem Wahlrecht zu entziehen (vgl. Rz. 24 ff.), behandelt § 2 Nr. 13 lit. b WpPG ausschließlich Nichtdividendenwerte. Dies lässt zunächst nur den Schluss zu, dass auch Wertpapiere mit einem optionalen Wandlungsoder Erwerbsanspruch auf Wertpapiere des gleichen Emittenten bzw. Unternehmen aus dessen Konzern – obwohl Nichtdividendenwert – keinem Wahlrecht unterliegen. Die Bestimmung des § 2 Nr. 13 lit. b WpPG wäre insoweit jedenfalls weiter als die Definition des § 2 Nr. 2 WpPG. Angesichts der weiten Lesart der Definition von Wandel- und Ausübungspapieren als Dividendenwerte – insbesondere durch CESR (vgl. unter Rz. 25) – entfaltet der unterschiedliche Wortlaut jedoch keine praktische Relevanz.

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Hinsichtlich der Nichtdividendenwerte, die auf andere Währungen als auf Euro lauten, ist für die Bestimmung der Schwelle von annähernd 1.000 Euro auf den Wechselkurs am Tag des Eingangs des Prospekts bei der Bundesanstalt abzustellen3, was der Regierungsbegründung zufolge die für die Ausübung des Rechts zur Wahl des Herkunftsstaats erforderliche Sicherheit herstellt. Da es sich beim Tageswechselkurs um einen Fixkurs handelt, bleibt jedoch für eine „annähernde“ Berechnung der Kursschwelle nur insoweit Raum, als der Kurs im Promille-Euro-Bereich erstellt wird.

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Die Europäische Kommission hatte anlässlich der Überarbeitung der Richtlinie vorgeschlagen, dass die 1.000 Euro-Schwelle ersatzlos entfallen sollte4. 1 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 44b, S. 26. 2 Vgl. zB für Depositary Receipts CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 39, S. 24. 3 Ebenso CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Frage 13, S. 10 f. 4 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparen-

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§ 2 WpPG

Begriffsbestimmungen

Aus ihrer Sicht sprächen hierfür vornehmlich Effizienzgründe: So müsste nicht mehr zwischen Prospekten unterschieden werden, die sich auf Wertpapiere mit einer Stückelung über oder unter 1.000 Euro beziehen, insbesondere aber könnte man auch für Wertpapiere ohne Denomination das Wahlrecht heranziehen1. Zugleich würde es auch den Anlegerschutz stärken, da dann der gesamte Prospekt in der jeweiligen Landessprache erstellt werden könnte. Anderenfalls muss lediglich – wie es derzeit der Fall ist – die Zusammenfassung in die Sprache des Ziellandes übersetzt werden. Praktisch ist zudem zu beobachten, dass einige Emittenten schlicht Emissionsvehikel im jeweiligen Zielstaat nutzen, womit sich die Frage der Anwendbarkeit eines Wahlrechts erübrigt2. Der Rat hat sich diesem Vorschlag jedoch – entgegen dem Europäischen Parlament – nicht angeschlossen3. Deshalb ist eine Verwirklichung des Vorschlags zunächst gescheitert und auf die nächste Revision der Richtlinie fünf Jahre nach Inkrafttreten der jetzigen Überarbeitungsrichtlinie verschoben worden4. Zwischenzeitlich soll insbesondere im Wege des neu zu installierenden europäischen Aufsichtssystems und hier vor allem durch die European Securities and Markets Authority (ESMA) sichergestellt werden, dass das Prospektrecht europaweit einheitlich angewandt wird und durch die Wahl der zuständigen Aufsichtsbehörde keine Arbitrage stattfindet. c) Drittstaatenemittenten nach § 2 Nr. 13 lit. c WpPG Für die Einordnung als Drittstaatemittent von Wertpapieren, die nicht in § 2 Nr. 13 lit. b WpPG genannt sind, ist wie bei den Gemeinschaftsemittenten der Sitz des Emittenten entscheidend. Assoziierte Gebiete, die nicht Mitglied in der EU sind, stellen ebenfalls Drittstaaten dar, bspw. die briti-

1

2

3

4

zanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, Dok-Nr. KOM(2009) 491 endgültig – 2009/0132 (COD) v. 23.9.2009, Art. 1 Abs. 2 lit. b, S. 17. Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen – Begleitdokument zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind – Zusammenfassung der Folgenabschätzung –, Dok-Nr. SEK(2009) 1222 v. 23.9.2009, Ziffer 7.2.3, S. 35. Siehe zur Beurteilung durch Marktteilnehmer auch den Abschlussbericht zur Studie des CSES (Centre for Strategy and Evaluation Services) über die Auswirkungen des Prospekt Regimes auf die EU Finanzmärkte v. 25.8.2008, zu beziehen über http://ec.europa.eu/internal_market/securities/prospectus/index_de.htm. Vgl. hierzu den Kompromissvorschlag der schwedischen Ratspräsidentschaft v. 11.12.2009, der eine entsprechende Änderung nicht aufweist, anders jedoch der Bericht des Berichterstatters im ECON, zu beziehen über http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A7-2010-0102+0+DOC+PDF+V0//EN. Siehe Art. 3a sowie Erwägungsgrund 7 des Entwurfs der Überarbeitungsrichtlinie vom 28.5.2010, abzurufen über http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/ 10/st10/st10254.en10.pdf.

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Begriffsbestimmungen

schen Kanalinseln oder die Niederländischen Antillen. Die Wahl des Herkunftsmitgliedstaats kann auch konkludent erfolgen. 14. Aufnahmestaat (§ 2 Nr. 14 WpPG) 87

Die Definition des Aufnahmestaats ist nahezu wortgleich der Prospektrichtlinie entnommen. In Betracht kommen alle Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums iS des § 2 Nr. 15 WpPG. Hinsichtlich der prospektrechtlichen Funktion des Aufnahmestaates vgl. auch Abschnitt 4 (§§ 17 f. WpPG). 15. Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (§ 2 Nr. 15 WpPG)

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§ 2 Nr. 15 WpPG enthält die Definition des Begriffs „Staat des Europäischen Wirtschaftsraums“. Er umfasst die jeweiligen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die anderen Vertragsstaaten des Abkommens v. 2.5.1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (Island, Liechtenstein und Norwegen). Seit Inkrafttreten der Vorschrift hat sich der Kreis der erfassten Staaten um die neuen Mitglieder der Europäischen Union, Bulgarien und Rumänien, erweitert. Die prospektrechtliche Bedeutung der einzelnen Staaten wird durch die periodisch veröffentlichte Statistik von CESR veranschaulicht, die die Zahl gebilligter sowie notifizierter Prospekte zeitraumbezogen aufführt1. 16. Organisierter Markt (§ 2 Nr. 16 WpPG)

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Die in § 2 Nr. 16 WpPG enthaltene Definition des organisierten Markts entsprach dem Begriff des geregelten Markts in der Wertpapierdienstleitungsrichtlinie von 1993, der Eingang in § 2 Abs. 5 Wertpapierhandelsgesetz aF gefunden hatte. Nachdem das Wertpapierhandelsgesetz auch in diesem Punkt durch das FRUG2 an die Transparenzrichtlinie angepasst wurde, ist der organisierte Markt deckungsgleich mit dem regulierten Markt einschließlich seiner Segmente3. 1 Vgl. beispielsweise die Statistik „CESR Data on Prospectuses approved and passported July 2009 to December 2009“ v. 11.3.2010, Dok-Nr. CESR/10-282, erhältlich über http://www.cesr-eu.org, wobei die Aussagekraft teilweise zweifelhaft erscheint. So verbergen sich hinter manchen Prospektvolumina beispielsweise eine Vielzahl nahezu identischer Einzelprospekte, wofür anderenorts Basisprospekte mit der entsprechenden Anzahl von endgültigen Bedingungen hinterlegt werden. Entsprechendes gilt auch für den Abschlussbericht zur Studie des CSES (Centre for Strategy and Evaluation Services) über die Auswirkungen des Prospekt Regimes auf die EU Finanzmärkte v. 25.8.2008, zu beziehen über http://ec.europa.eu/internal_market/securities/prospectus/index_de.htm. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (2004/39/EG, MiFID) und der Durchführungsrichtlinie (2006/73/EG) der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330. 3 Vgl. hierzu Schlitt/Schäfer, AG 2007, 227.

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Begriffsbestimmungen

§ 2 WpPG

Durch Art. 19a Nr. 1 des Investmentänderungsgesetzes1 wurde § 2 Nr. 16 90 WpPG im Wortlaut an § 2 Abs. 5 WpHG in der Fassung des FRUG2 und damit an die Definition des „geregelten Marktes“ in Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 der MiFID angeglichen. Gemäß Erwägungsgrund 6 zur MiFID ist der Begriff „Interesse am Kauf und Verkauf“ weit zu verstehen3. Die Interessen müssen zusammengeführt werden, ohne dass den Parteien dabei ein Entscheidungsspielraum verbleibt, ob sie im Einzelfall das Geschäft mit einem bestimmten Vertragspartner eingehen wollen. Um von einem System iS dieser Vorschrift zu sprechen, bedarf es zumindest eines Regelwerks über die Mitgliedschaft, die Handelsaufnahme von Finanzinstrumenten, den Handel zwischen den Mitgliedern, Meldungen über abgeschlossene Geschäfte und Transparenzpflichten; eine Handelsplattform im technischen Sinne ist nicht erforderlich4. Es ist ebenfalls nicht erforderlich, dass es sich im technischen Sinne um ein abgeschlossenes System handelt, sondern es dürfen mehrere, jeweils durch Regelwerke definierte, organisierte Märkte – auch neben multilateralen Handelssystemen – auf derselben technischen Handelsplattform betrieben werden. Vom multilateralen Handelssystem iS der MiFID bzw. von § 2 Abs. 3 Nr. 8 WpHG unterscheidet sich der organisierte Markt dadurch, dass er staatlich als solcher zugelassen ist und im Hinblick auf die Anforderungen der MiFID an geregelte Märkte überwacht wird5. In unregelmäßigen Abständen veröffentlichte die Europäische Kommission eine Liste mit allen organisierten Märkten in Europa6. Keinen organisierten Markt in diesem Sinne stellen auch daher Märkte außerhalb der Europäischen Union oder des EWR dar (beispielsweise in den USA, der Schweiz, Kanada, Japan, etc.), auch wenn diese einen vergleichbaren Organisationsgrad wie organisierte Märkte aufweisen7.

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17. Bundesanstalt (§ 2 Nr. 17 WpPG) Als Bundesanstalt wird die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 92 definiert. Praktisch relevant beispielsweise für die Übersendung physischer Schreiben ist, dass die Zuständigkeit für prospektrechtliche Fragen dem Be1 Gesetz zur Änderung des Investmentgesetzes und zur Anpassung anderer Vorschriften (Investmentänderungsgesetz) v. 21.12.2007, BGBl. I 2007, 3089. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330. 3 Begr. RegE zum FRUG v. 15.11.2006, S. 14, BT-Drucks. 16/4028 v. 12.1.2007. 4 Begr. RegE zum FRUG v. 15.11.2006, S. 12, BT-Drucks. 16/4028 v. 12.1.2007. 5 Begr. RegE zum FRUG v. 15.11.2006, S. 14, BT-Drucks. 16/4028 v. 12.1.2007. 6 Vgl. hierzu die jährlich erstellte Übersicht der Europäischen Kommission gemäß Art. 47 MiFID, zuletzt: Mit Anmerkungen versehende Übersicht über die geregelten Märkte und einzelstaatliche Rechtsvorschriften zur Umsetzung der entsprechenden Anforderungen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates) (2009/C 158/03) v. 11.7.2009, http://ec.europa.eu/internal_market/securities/isd/mifid_de.htm. 7 Vgl. Pfeiffer/Buchinger, NZG 2006, 449 (450).

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§ 3 WpPG

Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts und Ausnahmen

reich Wertpapieraufsicht unterfällt, der in Frankfurt am Main konzentriert ist. Die Postanschrift lautet: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Lurgiallee 12, 60439 Frankfurt am Main; telefonisch erreichbar ist die Prospektgruppe durch Vermittlung über die Zentrale unter der Rufnummer 02 28 – 41 08 – 0. Bei konkreten Vorfragen kann in der Regel vorab eine unverbindliche telefonische Einschätzung eingeholt werden. Darüber hinaus steht die Bundesanstalt in der Regel auch für gemeinsame Gespräche vor Ort in deren Räumlichkeiten zur Verfügung, die durch ein das Problem schilderndes sowie einen diesbezüglichen Lösungsvorschlag unterbreitendes Schreiben vorbereitet werden sollten. 93

Die organisatorische Grundkonzeption der Bundesanstalt ist im Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG)1 niedergelegt. So handelt es sich bei der Bundesanstalt um eine dem Bundesministerium für Finanzen unmittelbar nachgeordnete und dessen Rechts- und Fachaufsicht unterliegende Bundesoberbehörde. Sie wird geleitet durch ein Direktorium, das durch einen Verwaltungsrat überwacht und einen Fachbeirat beraten wird. Alle Beschäftige der Bundesanstalt unterliegen einer generellen Verschwiegenheitspflicht, die für prospektrechtliche Zwecke nochmals gesondert in § 22 WpPG aufgenommen ist. Die Bundesanstalt deckt ihre Kosten durch Gebühren und Umlagen; für Amtshandlungen nach diesem Gesetzes und nach Rechtsakten der Europäischen Union folgen diese aus der Verordnung über die Erhebung von Gebühren nach dem Wertpapierprospektgesetz (so genannte Wertpapierprospektgebührenverordnung – WpPGebV)2 sowie dem Verwaltungskostengesetz.

§3 Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts und Ausnahmen im Hinblick auf die Art des Angebots (1) Für Wertpapiere, die im Inland öffentlich angeboten werden, muss der Anbieter einen Prospekt veröffentlichen. Dies gilt nicht, soweit ein Prospekt nach den Vorschriften dieses Gesetzes bereits veröffentlicht worden ist oder sofern sich aus Absatz 2 oder § 4 Abs. 1 etwas anderes ergibt. (2) Die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts gilt nicht für ein Angebot von Wertpapieren, 1. das sich ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet, 1 Verkündet als Art. 1 des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht v. 22.4.2002, BGBl. I 2002, 1310, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes v. 13.8.2008, BGBl. I 2008, 1690. 2 Wertpapierprospektgebührenverordnung (WpPGebV) v. 29.6.2005, BGBl. I 2005, 1875.

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Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts und Ausnahmen

§ 3 WpPG

2. das sich in jedem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums an weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger richtet, 3. das sich an Anleger richtet, die bei jedem gesonderten Angebot Wertpapiere ab einem Mindestbetrag von 50.000 Euro pro Anleger erwerben können, 4. sofern die Wertpapiere eine Mindeststückelung von 50.000 Euro haben oder 5. sofern der Verkaufspreis für alle angebotenen Wertpapiere weniger als 100.000 Euro beträgt, wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen ist. Jede spätere Weiterveräußerung von Wertpapieren, die zuvor Gegenstand einer oder mehrerer der in Satz 1 genannten Angebotsformen waren, ist als ein gesondertes Angebot anzusehen. Bei der Platzierung von Wertpapieren durch Institute im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder ein nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Kreditwesengesetzes tätiges Unternehmen ist ein Prospekt zu veröffentlichen, wenn die endgültige Platzierung keine der unter Satz 1 Nr. 1 bis 5 genannten Bedingungen erfüllt. (3) Für Wertpapiere, die im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, muss der Zulassungsantragsteller einen Prospekt veröffentlichen, soweit sich aus § 4 Abs. 2 nichts anderes ergibt. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Ekkenga, Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zum Regierungsentwurf eines neuen Wertpapierprospektgesetzes, BB 2005, 56; Elsen/Jäger, Revision der Prospektrichtlinie? – Ein erster Ausblick, BKR 2008, 459; Giedinghagen, Arbeitnehmerbeteiligungen im Lichte des Wertpapierprospektgesetzes, BKR 2007, 233; Heidelbach/ Preuße, Einzelfragen in der praktischen Arbeit mit dem neuen Wertpapierprospektregime, BKR 2006, 316; Heidelbach/Preuße, Zweieinhalb Jahre Prospektregime und noch viele Fragen offen, BKR 2008, 10; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668; Kollmorgen/Feldhaus, Zur Prospektpflicht bei aktienbasierten Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, BB 2007, 225; Kullmann/Metzger, Der Bericht der Expertengruppe Europäische Wertpapiermärkte (ESME) zur Richtlinie 2003/71/EG (Prospektrichtlinie), WM 2008, 1292; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – Zentrale Punkte des neuen Regimes für Wertpapieremissionen, WM 2005, 1068; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, Inhalt und Auswirkungen auf das deutsche Kapitalmarktrecht, BB 2004, 501; Leuering, Prospektpflichtige Anlässe im WpPG, Der Konzern 2006, 4; Müller/ Oulds, Transparenz im europäischen Fremdkapitalmarkt, WM 2007, 573; Schlitt/ Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktienund Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schlitt/Schäfer, Drei Jahre Praxis unter dem Wertpapierprospektgesetz – eine Zwischenbilanz, AG 2008, 525; Schnorbus, Die prospektfreie Platzierung von Wertpapieren nach dem WpPG, AG 2008, 389; Seitz, Das neue Wertpapierprospektrecht – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678.

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§ 3 WpPG

Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts und Ausnahmen Inhaltsübersicht

I. Normentwicklung und Normcharakter . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Übersicht . . . . . . . . . . . . . .

3

III. Prospektpflicht beim öffentlichen Angebot im Inland (§ 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG) 1. Inlandsbezug des öffentlichen Angebots . . . . . . . . . . . . . . . 2. Territoriale Eingrenzung beim Internetangebot . . . . . . 3. Prospektpflicht beim öffentlichen Angebot bereits an einem organisierten Markt zugelassener Wertpapiere . . . . . 4. Veröffentlichung eines Prospekts durch den Anbieter . . IV. Keine Prospektpflicht bei bereits veröffentlichtem Prospekt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG) 1. Normcharakter . . . . . . . . . . 2. Klarstellung nur für öffentliche Angebote . . . . . . . . . . 3. Prospekt nach den Vorschriften des WpPG . . . . . . . . . . . V. Wertpapierbezogene Ausnahmen von der Prospektpflicht (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 iVm. § 4 Abs. 1 WpPG) . . . . . . . . .

6 7

10 11

12 13 14

19

1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . 2. Qualifizierte Anleger (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpPG) . . 3. Weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpPG) . . . . . . . 4. Mindestbetrag 50.000 Euro (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mindeststückelung 50.000 Euro (§ 3 Abs. 2 Satz Nr. 4 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verkaufspreis aller angebotenen Wertpapiere unter 100.000 Euro (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 WpPG) . . . . . . . VII. Weiterveräußerung (§ 3 Abs. 2 Satz 2 WpPG) . . . VIII. Platzierung durch Finanzintermediäre (§ 3 Abs. 2 Satz 3 WpPG) 1. Klarstellung . . . . . . . . . . . . 2. Vertriebsketten (retail cascades) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Angaben zur Vertriebskette .

20 23 25 28 31

34 37

38 39 44

IX. Prospektpflicht bei Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt (§ 3 Abs. 3 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 45

VI. Angebotsbezogene Ausnahmen von der Prospektpflicht (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 WpPG)

I. Normentwicklung und Normcharakter 1

§ 3 WpPG dient der Umsetzung des Art. 3 Prospektrichtlinie1. § 3 Abs. 1 WpPG orientiert sich an § 1 VerkProspG aF und § 3 Abs. 2 WpPG an § 2 Nr. 1 bis 4 VerkProspG aF2. Generell zeigt sich im Vergleich zur alten Rechtslage3 in mehrfacher Hinsicht eine Verschärfung des Prospektrechts. 1 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. 2 Begr. RegE zu § 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29. 3 Die Prospektpflicht war zuvor für öffentliche Angebote von Wertpapieren im VerkProspG und für deren Börsenzulassung im BörsG geregelt.

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§ 3 WpPG

Insbesondere besteht die Prospektpflicht nunmehr für öffentliche Angebote von Wertpapieren unabhängig davon, ob diese bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (Rz. 10). Außerdem erfolgte eine Anhebung der prospektfreien Investitionsschwellen in § 3 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 WpPG von 40.000 Euro auf 50.000 Euro1. Hingegen profitieren Emittenten von der Anhebung des maximal zulässigen Gesamtverkaufspreises aller angebotenen Wertpapiere von 40.000 auf 100.000 Euro in der Ausnahme von der Prospektpflicht für Kleinstemissionen nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 WpPG. Trotz des anders anmutenden Wortlauts sind § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 WpPG als Verbotstatbestände anzusehen, denn der Schwerpunkt der Regelungen liegt im Verbot von öffentlichen Angeboten oder Zulassungen zum Handel an einem organisierten Markt ohne Prospekt2. Erst aus diesem Verbot resultiert die Verpflichtung eines Anbieters bzw. eines Zulassungsantragstellers, einen Prospekt zu veröffentlichen. Deutlicher reflektiert dies der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 der Prospektrichtlinie3. Ein verbotswidriges öffentliches Angebot von Wertpapieren kann gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG als Ordnungswidrigkeit sanktioniert und nach § 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG untersagt werden.

2

II. Übersicht Als zentrale Vorschrift des WpPG normiert § 3 WpPG die generelle Pro- 3 spektpflicht, regelt einige Ausnahmen selbst und enthält darüber hinaus die Weichenstellung für weitere Ausnahmen. Außerdem bestimmt § 3 WpPG den Prospektpflichtigen, indem § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG bei einem öffentlichen Angebot den Anbieter (§ 2 Nr. 10 WpPG) und bei der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt den Zulassungsantragsteller (§ 2 Nr. 11 WpPG) als die für die Veröffentlichung des Prospekts zuständige Person benennt. Eine Prospektpflicht besteht bei zwei Tatbeständen, dem öffentlichen Ange- 4 bot von Wertpapieren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG) und ihrer Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt (§ 3 Abs. 3 WpPG). Die in §§ 3 und 4 WpPG geregelten Ausnahmen von der Prospektpflicht knüpfen an diese Unterscheidung an. Soweit ein Prospekt nach den Vorschriften des WpPG bereits veröffentlicht worden ist, muss – wie § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG klarstellt – im Falle eines öffentlichen Angebots kein weiterer Prospekt veröffentlicht werden. Die angebotsbezogenen Ausnahmen des § 3 Abs. 2 1 Näher Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 3; Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (504). 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 2, Fn. 1; Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 3, 31; Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 191; Ekkenga, BB 2005, 561 (562). 3 Art. 3 Abs. 1 Prospektrichtlinie: „Member States shall not allow any offer of securities to be made to the public within their territories without prior publication of a prospectus.“

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Satz 1 WpPG unterscheiden nach dem Adressaten des Angebots (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG: qualifizierte Anleger; § 3 Abs. 2 Nr. 2 WpPG: weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger) und bestimmten mit dem Angebot verbundenen Investitions- bzw. Emissionsschwellen (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 WpPG: Mindestanlagebetrag 50.000 Euro1; § 3 Abs. 2 Nr. 4 WpPG: Mindeststückelung 50.000 Euro, § 3 Abs. 2 Nr. 5 WpPG: Verkaufspreis aller angebotenen Wertpapiere unter 100.000 Euro). Während also für die Ausnahmen des § 3 Abs. 2 WpPG die Art des Angebots maßgeblich ist, stellen die Ausnahmen des § 4 WpPG auf die Art des Wertpapiers ab. Systematisch verweist § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WpPG dabei auf die Ausnahmen für öffentliche Angebote in § 3 Abs. 2 Satz 1 und § 4 Abs. 1 WpPG und § 3 Abs. 3 WpPG auf die Ausnahmen für die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt in § 4 Abs. 2 WpPG. 5

§ 3 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 WpPG enthalten Klarstellungen: Zum einen ist es für die Feststellung der Prospektpflicht irrelevant, ob zugunsten eines vorherigen öffentlichen Angebots der Wertpapiere eine Ausnahme nach § 3 Abs. 2 Satz 1 WpPG bestand, zB weil sich das frühere Angebot ausschließlich an qualifizierte Anleger richtete. Zum anderen unterliegt auch die auf eine prospektfreie Veräußerung folgende Platzierung von Wertpapieren durch die genannten Finanzintermediäre der Prospektpflicht, wenn zugunsten der endgültigen Platzierung keine Ausnahme des § 3 Abs. 2 Satz 1 WpPG eingreift.

III. Prospektpflicht beim öffentlichen Angebot im Inland (§ 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG) 1. Inlandsbezug des öffentlichen Angebots 6

§ 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG statuiert die generelle Prospektpflicht für Wertpapiere (§ 2 Nr. 1 WpPG), die im Inland öffentlich angeboten (§ 2 Nr. 4 WpPG) werden. Laut Regierungsbegründung orientiert sich § 3 WpPG an § 1 VerkProspG aF2. Zweck der Prospektpflicht ist, die Anleger vor ihrer Anlageentscheidung ausreichend über den Emittenten, die angebotenen Wertpapiere und die Anlagerisiken zu informieren3. Ausschlaggebend ist, ob mit dem Angebot potentielle Anleger im Geltungsbereich des Gesetzes zielgerichtet angesprochen werden4. Das WpPG verfolgt damit grundsätzlich den Schutz aller Personen, denen Wertpapiere in seinem Geltungsbereich ange1 Auch wenn der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 3 WpPG („… das sich an Anleger richtet, die …“) eine Einordnung als adressatenbezogene Ausnahme nahe legt (so Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 1), steht nicht eine bestimmte Eigenschaft der Anleger, sondern ein mit dem Angebot der Wertpapiere verbundenes Merkmal – Mindestanlagebetrag von 50.000 Euro – im Vordergrund. 2 Begr. RegE zu § 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29. 3 Erwägungsgründe 18 bis 20 der Prospektrichtlinie. 4 So bereits zu § 1 VerkProspG aF, Ziffer I. 2. a) der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180.

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boten werden. Daher kommt es allein darauf an, wo die Wirkung des Angebots eintritt und nicht darauf, wo das Angebot abgegeben wird oder wie ein vom Ausland an das Publikum im Inland gerichtetes Angebot nach ausländischem Recht zu beurteilen wäre1. Ebenso spielt die Nationalität der potentiellen Anleger keine Rolle, sofern sie das Angebot im Geltungsbereich des WpPG erreicht2. Hingegen fehlt Angeboten, die ausschließlich Personen im Ausland adressieren, der nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG erforderliche Inlandsbezug. Außerhalb des Geltungsbereichs des WpPG ist die Prospektpflichtigkeit von Auslandsangeboten nach dem einschlägigen ausländischen Recht zu beurteilen3. 2. Territoriale Eingrenzung beim Internetangebot Ein öffentliches Angebot kann mittels jeder Art von Medien erfolgen (siehe 7 § 2 Nr. 4 WpPG Rz. 34). Als Informations- und Werbeträger können insbesondere auch elektronische Medien dienen4. Werden Wertpapiere im Internet beworben, kann die territoriale Eingrenzung des öffentlichen Angebots Fragen aufwerfen. Wie oben dargestellt, ist der Ort der Abgabe eines öffentlichen Angebots unerheblich. Es spielt also keine Rolle, wo der Upload der Daten erfolgt oder wo der Server mit den abrufbaren Daten steht5. Problematisch ist, dass die im Internet eingestellten Daten grundsätzlich weltweit abrufbar sind, so dass alle Informationen auch von Anlegern im Inland zur Kenntnis genommen werden können. Die territoriale Reichweite des Angebots ist in einem solchen Fall anhand von Indizien zu beurteilen. Erforderlich ist eine Gesamtschau aller Indizien aus Anlegerperspektive. Ein an hervorgehobener Stelle stehender und in deutscher Sprache verfasster Hinweis (sog. Disclaimer), dass eine Zeichnung für Anleger in Deutschland nicht möglich ist, spricht gegen eine zielgerichtete Ansprache im Inland6. Dafür müssen inländische Anleger explizit und in unmissverständlicher Weise aus dem Kreis der Adressaten des öffentlichen Angebots aus1 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 1; Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 5; Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/ Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 111. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 4; Heidelbach in Schwark, § 1 VerkProspG Rz. 23. 3 Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 9 mwN. 4 Ziffer I. 2. b) der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 5 Ziffer I. 2. b) der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 6 Ziffer I. 2. b) der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180; so auch Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 8 und Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 4; Ekkenga/ Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 111.

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genommen werden. Dieser Gedanke schlägt sich auch in Art. 29 Abs. 2 Satz 2 der ProspektVO1 nieder, der für den Fall des Internetangebots bestimmt, dass Maßnahmen zu ergreifen sind, „mit denen vermieden wird, die Gebietsansässigen in Mitgliedstaaten oder Drittstaaten anzusprechen, in denen die Wertpapiere dem Publikum nicht angeboten werden. Dies kann z.B. durch eine deutliche Erklärung dahingehend erfolgen, wer die Adressaten des Angebots sind.“ Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist sowohl eine negative als auch eine positive Bestimmung des Adressatenkreises denkbar, Letztere etwa durch die abschließende Aufzählung derjenigen Länder, in denen das öffentliche Angebot stattfindet. Durch einen Hinweis kann der Anbieter somit den Adressatenkreis des öffentlichen Angebots positiv und/oder negativ eingrenzen. 9

Andererseits reicht ein Disclaimer allein nicht aus, wenn andere Anhaltspunkte für die zielgerichtete Ansprache inländischer Anleger streiten. Die Verwendung der deutschen Sprache, die Nennung deutscher Ansprechpartner2 oder Treuhänder3, die Angabe eines Kaufpreises in Euro oder Hinweise auf das deutsche Steuerrecht4 deuten darauf hin, dass das Angebot (auch) auf inländische Anleger abzielt. Nach Ansicht des damaligen Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (BAWe) sind zusätzlich zu einem Hinweis angemessene Vorkehrungen zu treffen, dass Anleger von Deutschland aus die Wertpapiere nicht erwerben können5. Beispielsweise könnte der Anbieter seine Mitarbeiter anweisen, Anträge von Absendern mit einer Adresse in Deutschland nicht zu bearbeiten, oder Anlegern, die eine Adresse in Deutschland angeben, durch technische Vorkehrungen bereits den

1 Berichtigte Fassung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3. 2 Ziffer I. 2. b) der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180; Holzborn/Israel in Holzborn, § 3 WpPG Rz. 7. 3 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 1. 4 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 4; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 1; Jahresbericht 1998 des BAWe, S. 15. 5 Ziffer I. 2. b) der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. Mit dem Erfordernis der angemessenen Vorkehrungen gab das damalige BAWe die noch im Jahresbericht des BAWe 1998, S. 96, vertretene strengere Auffassung auf, der Anbieter müsse „sicherstellen“, dass ein Erwerb durch inländische Anleger nicht möglich ist, vgl. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 73. Selbst wenn auf der Zugangsseite zB die Angabe der postalischen Anschrift verlangt wird, ist die Richtigkeit dieser Angabe für den Anbieter nicht nachprüfbar. Insofern ist eine „Sicherstellung“, dass inländische Anleger die Wertpapiere nicht erwerben, tatsächlich nicht möglich.

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Zugang zu weiteren Informationen verwehren1. Zwar dürfte nach neuer Rechtslage – Art. 29 Abs. 2 Satz 2 der ProspektVO – ein Hinweis grundsätzlich ausreichen. Ein Mangel weiterer Vorkehrungen gegen den Wertpapiererwerb durch inländische Anleger könnte aber im Einzelfall als Indiz für ein territorial unbeschränktes öffentliches Angebot zu werten sein. Widerstreitende Indizien liegen beispielsweise vor, wenn ein Anbieter zwar einerseits darauf hinweist, das Angebot sei nicht an Anleger in Deutschland adressiert, ihm andererseits jedoch der Kauf der Wertpapiere durch solche Anleger bekannt ist und er trotzdem untätig bleibt. Da unter diesem Umständen der Disclaimer allein offensichtlich nicht ausreicht, hätte der Anbieter hier nicht die iS des Anlegerschutzes erforderlichen Maßnahmen ergriffen. 3. Prospektpflicht beim öffentlichen Angebot bereits an einem organisierten Markt zugelassener Wertpapiere Die Regierungsbegründung, wonach sich § 3 Abs. 1 WpPG an § 1 VerkProspG aF orientiere2, ignoriert einen fundamentalen Unterschied zwischen altem und neuem Recht: Art. 1 Abs. 1 der Verkaufsprospektrichtlinie3 erforderte einen Verkaufsprospekt lediglich bei Wertpapieren, „die zum ersten Mal in einem Mitgliedsstaat Gegenstand eines öffentlichen Angebots sind und die nicht bereits an einer in diesem Mitgliedsstaat gelegenen oder tätigen Wertpapierbörse notiert werden.“ Entsprechend bestand eine Prospektpflicht gemäß § 1 VerkProspG aF nur „für Wertpapiere, die im Inland öffentlich angeboten werden und nicht zum Handel an einer inländischen Wertpapiere zugelassen sind…“. Diese Einschränkung haben Art. 3 Abs. 1 der Prospektrichtlinie und § 3 Abs. 1 WpPG nicht übernommen, so dass die generelle Prospektpflicht nunmehr auch bei dem öffentlichen Angebot von bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Wertpapieren gilt4. Im Unterschied zur alten Rechtslage ist eine vorherige Börsen1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 4 Fn. 9, weist darauf hin, dass Maßnahmen, die erst bei der Zahlung und Lieferung der Wertpapiere ansetzen, aufgrund der zivilrechtlichen Verbindlichkeit des zuvor abgeschlossenen Kaufvertrags keine angemessenen Vorkehrungen darstellen. 2 Begr. RegE zu § 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29. 3 Richtlinie 89/298/EWG des Rates vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8, aufgehoben durch Art. 28 der Prospektrichtlinie. 4 Abwegig Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 8, 9. Ungeachtet einer etwaigen Börsenzulassung, sind jegliche öffentliche Angebote von Wertpapieren der Prospektpflicht unterstellt. Der Wortlaut des Art. 3 Prospektrichtlinie spiegelt diese gesetzgeberische Entscheidung eindeutig wider. Danach wird die Befolgung von Börsenzulassungspflichten zu einer hinreichenden Information von Anlegern bei öffentlichen Angeboten eben nicht als ausreichend angesehen. Offenbar ging der europäische Gesetzgeber hier von einem qualitativen Unterschied zwischen dem bloßen Abverkauf von Wertpapieren über den Sekundärmarkt und einem öffentlichen Angebot aus. Ohne eine Änderung dieser Grundentscheidung wird die Praxis daher nicht zu einer gegenteiligen Auffassung gelangen können. Zu Vertriebsketten siehe Rz. 39.

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zulassung der Wertpapiere also nicht als Einschränkung des Tatbestands der Prospektpflicht beim nachfolgenden öffentlichen Angebot konzipiert. Auf der Tatbestandsseite hat die Prospektrichtlinie die Prospektpflicht somit erheblich erweitert1. Allerdings kann ein für die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt veröffentlichter Prospekt während seiner Gültigkeit gemäß § 9 Abs. 1 WpPG für nachfolgende Zulassungen und öffentliche Angebote genutzt werden. Hierzu enthält § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG eine Klarstellung, siehe Rz. 12. 4. Veröffentlichung eines Prospekts durch den Anbieter 11

Ist ein öffentliches Angebot (§ 2 Nr. 4 WpPG) von Wertpapieren (§ 2 Nr. 1 WpPG) nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG prospektpflichtig und greift keine Ausnahmeregelung (§ 3 Abs. 2 Satz 1 oder § 4 Abs. 1 WpPG) ein, so muss der Anbieter (§ 2 Nr. 10 WpPG) einen Prospekt (§§ 5, 6 WpPG) veröffentlichen (§ 14 WpPG). Der Inhalt des Prospekts richtet sich nach § 7 WpPG iVm. der ProspektVO. Vertreibt der Anbieter die Wertpapiere trotz bestehender Prospektpflicht ohne Prospekt, so stellt dies eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG mit der Folge der Untersagungsmöglichkeit des öffentlichen Angebots gemäß § 21 Abs. 4 WpPG dar. Unter Verstoß gegen die Prospektpflicht abgeschlossene Kaufverträge sind jedoch trotzdem zivilrechtlich wirksam. § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG verbietet zwar das öffentliche Angebot von Wertpapieren ohne Prospekt, nicht aber deren Erwerb (siehe Rz. 2). Daher ist das Erwerbsgeschäft nicht gemäß § 134 BGB nichtig2.

IV. Keine Prospektpflicht bei bereits veröffentlichtem Prospekt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG) 1. Normcharakter 12

Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG besteht keine Prospektpflicht, „soweit ein Prospekt nach den Vorschriften dieses Gesetzes bereits veröffentlicht worden ist…“. Ob § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG eine Ausnahme normiert3 oder lediglich eine Klarstellung enthält, hat praktisch keine große Relevanz. Zwar erweckt der Wortlaut („Dies gilt nicht, wenn…“) den Eindruck einer Ausnahmeregelung. Für eine lediglich klarstellende Funktion spricht allerdings, dass die Vorschrift tatsächlich nicht von der Prospektpflicht befreit, denn es muss ja gerade ein Prospekt vorliegen, auf den das aktuelle öffentliche Angebot gestützt werden kann. Damit wird nicht auf einen Prospekt, sondern nur auf einen weiteren Prospekt verzichtet und eben dies stellt § 3 1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 2; Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 10; Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 45; Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1669). 2 Näher Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 13, 14 mwN zur Rechtslage nach VerkProspG aF; Holzborn/Israel in Holzborn, § 3 WpPG Rz. 11. 3 So Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 11; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 2.

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Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG für öffentliche Angebote klar. Obgleich laut Regierungsbegründung § 3 Abs. 1 WpPG die Regelung des Art. 3 Abs. 1 der Prospektrichtlinie umsetzt1, findet sich in der Prospektrichtlinie keine dem § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG entsprechende Formulierung. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber hier eine zusätzliche, über die Prospektrichtlinie hinausgehende Ausnahme schaffen wollte. Vielmehr ist die Formulierung auf § 1 VerkProspG aF zurückzuführen, wonach ein Prospekt zu veröffentlichen war, „soweit noch kein Prospekt nach den Vorschriften dieses Gesetzes veröffentlicht worden ist“2. Das VerkProspG kannte jedoch keine dem § 9 Abs. 1 WpPG entsprechende Vorschrift. Nunmehr ist gemäß § 9 Abs. 1 WpPG ein Prospekt nach seiner Veröffentlichung grundsätzlich zwölf Monate lang für öffentliche Angebote oder Zulassungen zum Handel an einem organisierten Markt gültig, sofern er um die nach § 16 WpPG erforderlichen Nachträge ergänzt wird3. Mit Einführung dieser Gültigkeitsregelung wäre § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG entbehrlich gewesen. Insoweit stellt § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG lediglich ergänzend klar, dass für ein nachfolgendes öffentliches Angebot kein weiterer Prospekt erforderlich ist. 2. Klarstellung nur für öffentliche Angebote § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG bezieht sich nur auf die in § 3 Abs. 1 Satz 1 13 WpPG normierte Prospektpflicht beim öffentlichen Angebot, nicht aber auf die Prospektpflicht des § 3 Abs. 3 WpPG bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt4. Ein Angebotsprospekt kann zwar – wie § 9 Abs. 1 WpPG bestimmt und § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG klarstellt – für weitere öffentliche Angebote genutzt werden. Sofern der Prospekt für das öffentliche Angebot der Wertpapiere aber nicht auch bereits ihre nachfolgende Börsenzulassung abdeckt, ist er für diese auch im Rahmen des § 9 Abs. 1 WpPG untauglich. Denn die nach § 5 Abs. 4 Satz 2 iVm. Satz 1 WpPG erforderliche Verantwortungserklärung des Emissionsbegleiters kann laut Regierungsbegründung nicht im Wege eines Nachtrags gemäß § 16 WpPG nachgeholt werden5. Ein reiner Angebotsprospekt kann damit aufgrund der fehlenden Unterschrift des Zulassungsantragstellers nicht 1 Begr. RegE zu § 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29: „Die Regelung setzt Artikel 3 Abs. 1 der Prospektrichtlinie um. Sie orientiert sich an § 1 Verkaufsprospektgesetz.“ 2 Nach Kullmann/Metzger, WM 2008, 1292 (1295) soll der Zusatz aufgrund der mit dem früheren VerkProspG gesammelten Erfahrungen eingefügt worden sein. Zur Entstehungsgeschichte des § 1 VerkProspG aF siehe Ritz in Assmann/Lenz/ Ritz (Voraufl.), Nachtrag September 2002, § 1 VerkProspG. 3 Die Gültigkeit des bereits veröffentlichten Prospekts wird im Rahmen von § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG vorausgesetzt, siehe unten Rz. 17. 4 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 2; Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 13; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 2. 5 Begr. RegE zu § 5 Abs. 3 und 4 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 31, 32. Das Unterschriftserfordernis lässt Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 21 unberücksichtigt.

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für nachfolgende Börsenzulassungen dienen. Folgerichtig betrifft die Klarstellung in § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG nur die Prospektpflicht bei weiteren öffentlichen Angeboten, nicht aber nachfolgende Börsenzulassungen. Die Unterschrift des Zulassungsantragstellers ist bei Börsenzulassungsprospekten hingegen von vornherein gegeben und daher unproblematisch. Insofern besteht hier kein praktisches Bedürfnis für eine § 9 Abs. 1 WpPG flankierende, differenzierende Klarstellung1. 3. Prospekt nach den Vorschriften des WpPG 14

Nach dem eindeutigen Wortlaut muss es sich bei dem bereits vorliegenden Prospekt um einen solchen handeln, der „nach den Vorschriften dieses Gesetzes“, also des WpPG, veröffentlicht worden ist2. Prospekte nach VerkProspG aF oder BörsG aF bzw. der BörsZulV aF bleiben daher im Rahmen des § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG unberücksichtigt3. Nach altem Recht erstellte Prospekte sind in inhaltlicher Hinsicht auch nicht gleichwertig mit nach den Vorschriften des WpPG iVm. der ProspektVO erstellten Prospekten, so dass der Schutzzweck der Vorschrift eine Gleichstellung verbietet4.

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Ein nach § 17 Abs. 3 WpPG in die Bundesrepublik Deutschland notifizierter Prospekt (Europäischer Pass) ist zwar nicht nach den Vorschriften des WpPG, sondern nach den entsprechenden Vorschriften des notifizierenden Herkunftsstaates veröffentlicht. Ein nach ausländischen Rechtsvorschriften veröffentlichter Prospekt lässt sich somit nicht unmittelbar unter den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG subsumieren5. Jedoch gelten mit der ProspektVO für den Prospektinhalt in allen Staaten des Europäischen Wirt1 Zweifelhaft ist, ob ein Börsenzulassungsprospekt ohne weiteres für ein öffentliches Angebot genutzt werden kann, das im Anschluss an eine Börsenzulassung erfolgt. Bejahend wohl Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 11, zumindest für den Fall von Nichtdividendenwerten (§ 2 Nr. 3 WpPG). Zu bedenken ist allerdings, dass § 9 WpPG die Gültigkeit des Prospekts an dessen Ergänzung um die nach § 16 WpPG erforderlichen Nachträge knüpft. Ob im Falle eines der Börsenzulassung nachfolgenden öffentlichen Angebots ein Nachtrag zum Börsenzulassungsprospekt notwendig ist, muss sich also an den Kriterien des § 16 Abs. 1 WpPG messen lassen. So könnten etwa schon der Umstand, dass ein öffentliches Angebot stattfindet, die Gründe dafür oder die Verwendung der Erträge (Anhang III Ziffer 3.4. der ProspektVO) für die Beurteilung der Wertpapiere relevante neue Umstände darstellen. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 2; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 2; Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 7; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (500); Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (527). 3 Zu Übergangsvorschriften in diesem Zusammenhang siehe Zeising in Just/Voß/ Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 17. 4 Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 13. 5 AA Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 13, der auf den Schutzzweck des Gesetzes abstellt und wohl eine unmittelbare Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 2 WpPG befürwortet. Dem dürfte der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegenstehen, Seitz, AG 2005, 678 (683 Fn. 52).

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schaftsraums die gleichen Anforderungen. Infolgedessen ist ein nach § 17 Abs. 3 WpPG nach Deutschland notifizierter Prospekt einem nach den Vorschriften des WpPG gebilligten und veröffentlichten Prospekt gleichgestellt. Nach seinem Sinn und Zweck ist § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG auf nach neuem Recht notifizierte Prospekte entsprechend anwendbar. Materiell ist zu fordern, dass sich der bereits veröffentlichte Prospekt auf die 16 selben Wertpapiere bezieht1. Teilweise wird lediglich auf die gleiche Wertpapiergattung oder gleiche Ausstattungsmerkmale abgestellt2. Die Pflicht, einen weiteren Prospekt zu veröffentlichen, entfällt jedoch nur, soweit ein Prospekt nach den Vorschriften des WpPG bereits veröffentlicht worden ist. Schon die sprachliche Verknüpfung von Satz 1 und Satz 2 des § 3 Abs. 1 WpPG verdeutlicht, dass nicht irgendein Prospekt genügt. Vielmehr muss ein Prospekt gerade für die in Rede stehenden Wertpapiere veröffentlicht worden sein. Daraus folgt, dass auch bei der Emission von Wertpapieren, die mit den zuvor emittierten Wertpapieren fungibel sind, (Aufstockung) ein weiterer Prospekt erforderlich ist3. Dies gebietet auch der Schutzzweck des WpPG, wonach dem Anleger alle für seine Anlageentscheidung notwendigen Informationen über den Emittenten und die Wertpapiere offen zu legen sind (§ 5 Abs. 1 WpPG, § 7 WpPG iVm. der ProspektVO)4. § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG basiert auf dem Gedanken, dass der Anleger durch den bereits veröffentlichten Prospekt ausreichend informiert ist. Dies ist nur der Fall, wenn der bereits veröffentlichte Prospekt Informationen über die Wertpapiere enthält, die – zum weiteren Mal – öffentlich angeboten werden. Darüber hinaus ist zu fordern, dass die Gültigkeit des bereits veröffentlichten Prospekts gemäß § 9 WpPG zum Zeitpunkt des erneuten öffentlichen Angebots noch nicht abgelaufen ist5. Sofern man § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG als eine Klarstellung zu § 9 WpPG qualifiziert (siehe Rz. 12), ergibt sich das Erfordernis der Gültigkeit bereits aus § 9 WpPG. Einen Anhaltspunkt bietet aber auch der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG durch das Bedingungswort „soweit“, das im Sinne einer zeitlichen Geltung inter1 Auch diese Voraussetzung kann an sich bereits § 9 WpPG entnommen werden. 2 Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 12; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 2. Unklar Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 21, 22, der einerseits die Fungibilität der nachfolgend angebotenen Wertpapiere ausreichen lässt (Rz. 21), andererseits aber für Austockungen die Veröffentlichung eines neuen Prospekts fordert (Rz. 22). 3 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 21, 22 schließt dies aus dem Umstand, dass sich der bereits vorliegende Prospekt nur auf die Anzahl der erstemittierten Wertpapiere beziehe. 4 Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 12; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 2. 5 Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 12; Seitz, AG 2005, 678 (683); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (500); Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 3, weist darauf hin, dass das VerkProspG keine Gültigkeitsbeschränkung für Prospekte kannte und es insofern nach § 1 VerkProspG aF unerheblich war, wie viel Zeit seit der Veröffentlichung des Verkaufsprospekt bis zum öffentlichen Angebot vergangen ist.

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pretiert werden kann. Nach Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG wird der Anbieter allein dann von der Veröffentlichung eines weiteren Prospekts entlastet, wenn dem Informationsbedürfnis des Anlegers genüge getan ist. Dies ist nur während der Gültigkeit des bereits veröffentlichten Prospekts gewährleistet, da diese seine Aktualisierung per Nachtrag voraussetzt. Relevante Dokumente zB nach Anhang XI Ziffer 14 der ProspektVO werden außerdem auch lediglich während der Gültigkeitsdauer des Prospekts zur Einsicht für den Anleger vorgehalten. Systematisch steht das Erfordernis der Gültigkeit des bereits veröffentlichten Prospekts im Einklang mit § 9 Abs. 5 WpPG, wonach ein Prospekt nach Ablauf seiner Gültigkeit nicht mehr für ein neues öffentliches Angebot von Wertpapieren genutzt werden kann. Andernfalls wären der Verwendung von Prospekten, deren Gültigkeit längst abgelaufen ist, keinerlei Grenzen gesetzt. Dies liefe dem Schutzzweck der generellen Prospektpflicht – der ausreichenden Anlegerinformation – zuwider1. 18

Der nach den Vorschriften des des WpPG bereits veröffentlichte Prospekt kann demnach im Hinblick auf das nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG aktuelle Angebot per Nachtrag zu aktualisieren sein2. Dies ist unproblematisch, sofern der Anbieter und Ersteller des bereits veröffentlichten Prospekts ein weiteres öffentliches Angebot der Wertpapiere unternimmt. Dem Anbieter ist es in diesem Fall ohne weiteres möglich, die Prospektangaben auf ihre Aktualität hin zu überprüfen und gegebenenfalls einen Nachtrag zu veröffentlichen. Anders verhält es sich, wenn ein Zweitanbieter den vom Erstanbieter veröffentlichten Prospekt für ein weiteres Angebot nutzen möchte. Der Zweitanbieter ist hier auf die Aktualisierung des Prospekts durch den Emittenten und Erstanbieter angewiesen. Grundsätzlich kann der Prospekt für nachfolgende Angebote nur insoweit genutzt werden, als dass der Anbieter dafür auch gemäß § 5 Abs. 3 und 4 WpPG die Verantwortung übernommen hat. Hieran mangelt es bei Angeboten, bei denen der Zweitanbieter nicht mit dem Emittenten kooperiert bzw. geplant zusammenwirkt. Entgegen seines weiten Wortlauts kommt § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG daher nur dem Emittenten und ursprünglichen Prospektersteller sowie demjenigen Anbieter zugute, der mit diesem zusammenwirkt3. 1 AA Holzborn/Israel in Holzborn, § 3 WpPG Rz. 8, die unter Verweis auf den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 2 WpPG und die Erfüllung der Zulassungsfolgepflichten nach §§ 15 ff., 30a ff. WpHG nur dann die Gültigkeit des Prospekts für erforderlich halten, wenn der Emittent bzw. die angebotenen Wertpapiere keinen zusätzlichen Publizitätsanforderungen unterliegen. Die starre Gültigkeitsgrenze von einem Jahr sei kein ausreichendes Indiz für den Informationsgehalt eines einmal erstellten Prospekts. Diese Ansicht verkennt den qualitativen Unterschied zwischen den Informationspflichten im Primär- und Sekundärmarkt sowie den Umstand, dass gemäß § 9 WpPG ein Prospekt nur dann zwölf Monate gültig ist, wenn er um die nach § 16 WpPG erforderlichen Nachträge ergänzt wird. 2 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 4. 3 Zur Relevanz des § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG im Zusammenhang mit Vertriebsketten (sog. Retail Cascades) siehe Rz. 39.

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V. Wertpapierbezogene Ausnahmen von der Prospektpflicht (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 iVm. § 4 Abs. 1 WpPG) Bestimmte Arten von Wertpapieren können gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 iVm. § 4 Abs. 1 WpPG prospektfrei öffentlich angeboten werden, siehe die dortige Kommentierung.

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VI. Angebotsbezogene Ausnahmen von der Prospektpflicht (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 WpPG) 1. Vorbemerkungen § 3 Abs. 2 Satz 1 WpPG setzt Art. 3 Abs. 2 der Prospektrichtlinie um und be- 20 freit bestimmte Arten von öffentlichen Angeboten von der Prospektpflicht1. Bei § 3 Abs. 2 Satz Nr. 2 und Nr. 5 WpPG handelt es sich um rein quantitative Ausnahmen, die auf der Einhaltung bestimmter Bagatellschwellen – Angebot an maximal 99 nicht qualifizierte Anleger oder Verkaufspreis aller angebotenen Wertpapiere unter 100.000 Euro – beruhen. Hingegen enthalten § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 WpPG qualitative Ausnahmen, da hier qualitative Kriterien – qualifizierte Anleger oder Anlagevolumina2, die auf die Professionalität der Investoren schließen lassen – maßgeblich sind. Die Europäische Kommission soll nach der Revision der Prospektrichtlinie ermächtigt sein, zur Konkretisierung der Schwellenwerte in Art. 3 Abs. 2 lit. c, d und e der Prospektrichtlinie – mithin § 3 Abs. 2 Nr. 3, 4 und 5 WpPG – Durchführungsmaßnahmen iS der neu einzufügenden Art. 24a, Art. 24b und Art. 24c der Prospektrichtlinie zu erlassen3. Das Eingreifen einer Ausnahmevorschrift setzt stets zunächst voraus, dass der Tatbestand der Regelvorschrift erfüllt ist. Ist bereits ein öffentliches Angebot (§ 2 Nr. 4 WpPG, siehe Rz. 28) von Wertpapieren (§ 2 Nr. 1 WpPG, siehe Rz. 5) im Inland (§ 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG, siehe Rz. 6) zu verneinen, besteht schon keine Prospektpflicht, ohne dass es auf eine Ausnahme ankäme. § 3 Abs. 2 Satz 1 WpPG gilt nur für öffentliche Angebote, so dass eine spätere Zulassung von

1 Zu einem Vergleich mit §§ 2 bis 4 VerkProspG aF siehe Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1070) und Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 29. 2 Die derzeitigen Schwellen von 50.000 Euro sollen nach dem Vorschlag der Kommission zur Änderung der Prospektrichtlinie v. 23.9.2009 angehoben werden, siehe dazu Rz. 28 und 31. 3 Zu diesem Zweck soll Art. 3 der Prospektrichtlinie um Abs. 4 ergänzt werden, siehe Europäischer Rat betreffend den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, Ref. 2009/0132 (COD) 10254/10 EF 49 ECOFIN 314 DRS 18 CODEC 480, datiert 28. Mai 2010, englische Fassung veröffentlicht auf http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st10/st10254.en10.pdf, Art. 1, Nr. 3 lit. c.

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zuvor prospektfrei vertriebenen Wertpapieren die Veröffentlichung eines Prospekts erfordern kann1. 21

Eine Kombination der Ausnahmen des § 3 Abs. 2 Satz 1 WpPG im Rahmen eines öffentlichen Angebots ist uneingeschränkt möglich2. Dies gilt auch für eine Kombination von § 3 Abs. 2 Satz Nr. 1 und Nr. 2 WpPG, dh. der Anbieter kann qualifizierte Anleger und daneben in jedem Staat des Europäischen Wirtschaftsraum maximal 99 nicht qualifizierte Anleger adressieren3. Die Formulierung in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpPG („ausschließlich an qualifizierte Anleger“) ist so zu verstehen, dass Angebote, die nur teilweise qualifizierte Anleger adressieren, auch nur hinsichtlich dieser qualifizierten Anleger von der Prospektpflicht befreit sind. Bei Angeboten sowohl an qualifizierte als auch nicht qualifizierte Anleger muss hinsichtlich der Letzteren eine weitere Ausnahme eingreifen, damit das Angebot insgesamt nicht der Prospektpflicht unterliegt4. Dass alle einzelnen Ausnahmen uneingeschränkt miteinander kombinierbar sind, wird in der englischsprachigen Fassung der Prospektrichtlinie durch ihre Verbindung mit „and/or“ angezeigt. Auch aus dem Gesichtspunkt des Anlegerschutzes bestehen keine Bedenken gegen eine kumulative Inanspruchnahme der Ausnahmen. Während § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 WpPG auf einem mangelnden Schutzbedürfnis der betreffenden Anleger basieren, sind § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 WpPG unter dem Gesichtspunkt der Geringfügigkeit gerechtfertigt. Jede einzelne Ausnahme gründet also auf einer eigenständigen Berechtigung, die die parallele Ausnutzung weiterer Ausnahmen nicht tangiert. Insoweit ergeben sich keine Unterschiede zum alten Recht5.

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Bei Vorliegen der Voraussetzungen entfällt die Prospektpflicht ipso iure. Die BaFin stellt kein Negativtestat über das Nichtbestehen der Prospektpflicht

1 Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 3 WpPG Rz. 15; CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 44: „Obligation to publish a prospectus for admission to trading on a regulated market (Article 3.3 Directive)“. 2 Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 3 WpPG Rz. 24; Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 6; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 7; Holzborn/Israel in Holzborn, § 3 WpPG Rz. 20; aA noch Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1669), die eine „alternative Inanspruchnahme“ als zulässig erachteten. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 6; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 7; aA Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (319, 320). 4 Missverständlich insoweit Holzborn/Israel in Holzborn, § 3 WpPG Rz. 20: Gemischte Angebote sollen nicht ausgeschlossen werden. Angebote zugleich an qualifizierte und nicht qualifizierte Anleger sind prospektfrei möglich, sofern zugunsten beider Anlegergruppen jeweils eine Ausnahmevorschrift eingreift. 5 Ziffer II. 1. der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180; Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 4; Heidelbach in Schwark, § 2 VerkProspG Rz. 2.

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bzw. das Eingreifen einer Ausnahmevorschrift aus1. Die Billigung des Prospekts müsste allerdings versagt werden, wenn das öffentliche Angebot der Wertpapiere einer Ausnahme gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 WpPG unterfällt. Da es sich bei den in §§ 3 und 4 WpPG um EU-weite Ausnahmen handelt, kann der Emittent im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum prospektfrei anbieten. Daher besteht für einen Prospekt kein praktisches Bedürfnis. Aus diesem Grund kann bei Eingreifen einer Ausnahme nach §§ 3 oder 4 WpPG kein freiwilliger Prospekt erstellt werden2. 2. Qualifizierte Anleger (§ 3 Abs. 2 Satz Nr. 1 WpPG) Ein öffentliches Wertpapierangebot ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpPG 23 von der Prospektpflicht befreit, wenn es sich ausschließlich an qualifizierte Anleger (§ 2 Nr. 6 WpPG) richtet. Die Ausnahme rechtfertigt sich aufgrund der Vermutung, dass qualifizierten Anlegern ausreichend anderweitige Informationsquellen zur Verfügung stehen, um sich die für den Kauf von Wertpapieren notwendige Erkenntnisgrundlage zu schaffen3. Ist der Anbieter von der Prospektpflicht befreit, muss er gleichwohl § 15 Abs. 5 Satz 1 WpPG beachten. Fraglich ist, ob ein Anbieter mit einem entsprechenden Hinweis (sog. Dis- 24 claimer) das öffentliche Angebot auf qualifizierte Anleger beschränken kann4. Ebenso wie bei der Feststellung des Inlandsbezugs beim Internetangebot (Rz. 7), kommt es auch hier auf eine Gesamtschau aller Indizien aus Anlegerperspektive an. Erforderlich ist zunächst ein an hervorgehobener Stelle stehender expliziter und unmissverständlicher Hinweis, das Angebot 1 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 6; zur verwaltungsverfahrensrechtlichen Beurteilung siehe Zeising in Just/Voß/Ritz/ Zeising, § 3 WpPG Rz. 31 mwN. 2 Anders gemäß § 1 Abs. 3 WpPG bei Ausnahmen vom Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 2 WpPG (Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27): Bei der Umsetzung des Art. 1 Abs. 2 der Prospektrichtlinie war der nationale Gesetzgeber frei, die dort genannten Ausnahmen für bestimmte Wertpapiere ins nationale Recht umzusetzen. Weil aufgrund dessen zwar im Inland gemäß § 1 Abs. 2 WpPG die Prospektpflicht entfallen kann, der Emittent jedoch für das Angebot bzw. die Börsenzulassung in anderen EWR-Staaten einen Prospekt benötigen könnte, besteht hier die Möglichkeit eines freiwillig erstellten Prospekts (sog. „opt-in“), siehe § 1 WpPG Rz. 64, 65. Unter Außerachtlassung dieses Hintergrundes aA Holzborn/Israel in Holzborn, § 3 WpPG Rz. 10, die nicht zwischen den Ausnahmen vom Anwendungsbereich gemäß § 1 Abs. 2 WpPG und den Ausnahmen von der Prospektpflicht gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 und § 4 WpPG differenzieren und in allen Fällen die Möglichkeit eines opt-in bejahen. 3 Begr. RegE zu § 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29: Die Vorschrift ist vergleichbar mit § 2 Nr. 1 VerkProspG aF (Angebot nur an Personen, die beruflich oder gewerblich für eigene oder fremde Rechnung Wertpapiere erwerben oder veräußern); Leuering, Der Konzern 2006, 4 (6). 4 Missverständlich Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 16, der bei einem Disclaimer bereits die „Öffentlichkeit“ eines Angebots in Frage stellt.

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richte sich lediglich an qualifizierte Investoren. Darüber hinaus sollte der Hinweis auch eine Erklärung des Begriffs des qualifizierten Anlegers enthalten. Die rechtliche Definition des § 2 Nr. 6 WpPG könnte dem durchschnittlichen Anlegern nicht geläufig sein. Ohne eine Erläuterung ist nicht auszuschließen, dass sich auch nicht qualifizierte Anleger in der irrtümlichen Annahme, sie seien in diesem Sinne qualifiziert, angesprochen fühlen. Andererseits reicht ein Disclaimer allein nicht aus, wenn andere Anhaltspunkte gegen ein auf qualifzierte Anlager beschränktes öffentliches Angebots sprechen, zB die Ansprache natürlicher Personen durch die Emissionsbegleiter, ohne sich die Eintragung in das Register für qualifizierte Anleger (§ 27 WpPG) bestätigen zu lassen. Wie auch beim Internetangebot kann ein Mangel an angemessenen Vorkehrungen gegen die Adressierung nicht qualifizierter Anleger als Indiz gegen eine Beschränkung des öffentlichen Angebots auf qualifizierte Anleger zu werten sein (vgl. die entsprechenden Ausführungen zum Internetangebot, Rz. 7)1. 3. Weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpPG) 25

Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpPG ist ein öffentliches Angebot2 von der Prospektpflicht ausgenommen, wenn es sich an einen kleinen Personenkreis, nämlich an weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger in jedem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums richtet3. Die Grenze von mithin 99 nicht qualifizierten Anlegern ist für jedes Angebot4 sowie für jeden EWR1 Auch Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 8, Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 16 und Holzborn/Israel in Holzborn, § 3 WpPG Rz. 15 fordern angemessene Vorkehrungen bzw. Disclaimer und entsprechendes Angebotsverhalten, damit nicht qualifizierte Anleger die Wertpapiere nicht erwerben können. 2 Zu Recht weisen Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 7 Fn. 11 und Leuering, Der Konzern 2006, 4 (6) darauf hin, dass die Ausnahmeregelung zunächst das Vorliegen eines öffentlichen Angebots voraussetzt. Missverständlich Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 9, der im Zusammenhang mit § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpPG von einer „Privatplatzierung“ spricht. 3 Im Zuge der Revision der Prospektrichtlinie könnte die Schwelle auf weniger als 150 nicht qualifizierte Anleger pro EWR Staat angehoben werden, siehe Europäischer Rat, Ref. 2009/0132 (COD) 10254/10 EF 49 ECOFIN 314 DRS 18 CODEC 480, datiert 28. Mai 2010, englische Fassung veröffentlicht auf http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st10/st10254.en10.pdf, Art. 1, Nr. 3 lit. a0. Zur Historie der Anzahl von maximal 100 Personen siehe Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 39. 4 Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (319); Missverständlich Holzborn/Israel in Holzborn, § 3 WpPG Rz. 21: Die Ausnahmevorschrift für jeden einzelnen Fall könne nur greifen, wenn jeweils andere Wertpapiermerkmale gegeben sind. Allein anhand der Ausstattung der Wertpapiere kann jedoch keine Abgrenzung eines oder mehrerer Angebote vorgenommen werden. So können dieselben Wertpapiere auch mehrmals angeboten werden oder es liegt im Falle einer Aufstockung bei gleichen Ausstattungsmerkmalen der Wertpapiere (ausgenommen Valuta, Emissionsvolumen) ein neues Angebot vor. Auch sind wiederholende

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Staat gesondert zu bestimmen1. § 2 Nr. 2 VerkProspG aF, der das Angebot an einen begrenzten Personenkreis von der Prospektpflicht ausnahm, stellte noch auf qualitative Kriterien ab2. So kam es für die Feststellung des begrenzten Personenkreises darauf an, ob die betreffenden Personen von dem Anbieter gezielt nach individuellen Gesichtspunkten ausgewählt und angesprochen wurden, ob zwischen dem Anbieter und dem Anleger eine persönliche oder gesellschaftsrechtliche Beziehung bestand und ein Verkaufsprospekt im Hinblick auf das Informationsbedürfnis des Anlegers erforderlich schien3. Im Gegensatz dazu stellt die 99-Personen-Grenze ein rein quantitatives Kriterium dar4. Mit der Einführung dieser quantitativen Grenze sollten die früheren Auslegungsprobleme hinsichtlich des Begriffs „begrenzter Personenkreis“ behoben werden5. Qualitative Kriterien können jedoch bei der Feststellung, ob überhaupt ein öffentliches Angebot vorliegt, eine Rolle spielen (siehe § 2 WpPG Rz. 37 ff.)6. Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpPG ist allein darauf abzu- 26 stellen, ob sich das Angebot an weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger richtet. Für diese Feststellung ist der spätere Angebotserfolg irrelevant7. Wenn also nur 99 Personen die Wertpapiere zeichnen, lässt dies nicht darauf schließen, dass das Angebot auch lediglich diesen 99 Personen unterbreitet wurde. Ein von vornherein hinsichtlich des Adressatenkreises uneingeschränktes Angebot kann nicht von der Ausnahmeregelung profitieren, selbst wenn nach dem Angebot der Kaufvertrag mit nur 99 Anlegern zustan-

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Angebote nicht „unzulässig, wenn es sich um identische Wertpapiere handelt“, sondern es ist hinsichtlich jedes einzelnen Angebots das Eingreifen einer Ausnahmevorschrift zu prüfen. Begr. RegE zu § 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29. Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 7; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 9. Ziffer II. 1. der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 17, 19; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (319); Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1069); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (504); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (500); Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 (227). Allerdings wirft die tatsächliche Feststellung des angesprochenen Anlegerkreises auch weiterhin praktische Probleme auf, siehe Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (504); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (500). Aufgrund von qualitativen Kriterien kann auch bei einem Angebot, das sich an 100 oder mehr nicht qualifizierte Anleger richtet, die Öffentlichkeit des Angebots zu verneinen sein; Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1669); Leuering, Der Konzern 2006, 4 (6). Ein Anwendungsfall ist das Bezugsrechtsangebot an Altaktionäre, bei dem der Handel von Bezugsrechten auf den Kreis der Altaktionäre beschränkt ist. Nach Ansicht der BaFin ist hier ein öffentliches Angebot zu verneinen, siehe auch CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 63: „Rights issues to existing shareholders“. Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 18; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (319); Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 43.

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de kommt. Schließlich besteht das Informationsbedürfnis von potentiellen Anlegern schon beim Angebot, so dass vor Beginn des Angebots zu entscheiden ist, ob eine Prospektpflicht besteht oder nicht. Andernfalls könnte ein gegen die Prospektpflicht verstoßendes öffentliches Angebot im Nachhinein legitimiert werden, indem der Anbieter nach der Angebotsphase beim Verkauf der Wertpapiere doch nur 99 Anleger berücksichtigt. Auf diesem Wege könnten Wertpapiere unter Umgehung der generellen Prospektpflicht einer unendlichen Anzahl von potentiellen Anlegern öffentlich angeboten werden. 27

Die Feststellung, wie viele Personen das öffentliche Angebot tatsächlich adressiert, kann Probleme aufwerfen. Wenn schon die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Angebotsinformationen eingeschränkt ist – etwa indem die Angebotsinformationen lediglich 99 potentiellen nicht qualifizierten Anlegern gezeigt werden oder wenn bei einer Internetplatzierung das Angebot aufgrund technischer Maßnahmen maximal 99 Anleger erreicht – ist die Eingrenzung des Adressatenkreises unproblematisch. Problematisch ist, wenn die Angebotsinformationen mehr als 99 nicht qualifizierten Anlegern zugänglich sind, so zum Beispiel beim technisch unbegrenzten Zugriff auf die Angebotsinformationen im Internet oder dem Aushang von Werbematerial im Schaufenster einer Vertriebsfiliale. Wie bei dem Ausschluss des Inlandsbezugs beim Internetangebot (Rz. 7) und der Beschränkung des öffentlichen Angebots auf qualifizierte Anleger (Rz. 24) mittels entsprechender Hinweise, ist auch hier eine Gesamtschau aller Indizien aus Anlegerperspektive vorzunehmen. Allein ein Hinweis (sog. Disclaimer), das öffentliche Angebot richte sich an maximal 99 nicht qualifizierte Anleger, ist hier zur Eingrenzung der Anzahl der Angebotsadressaten allerdings nicht geeignet. Im Schaufenster einer Bank platziertes Werbematerial richtet sich an eine unendliche Anzahl von Passanten. Dies vermag auch ein Hinweis auf den hinsichtlich der Anlegerzahl eingeschränkten Abschlusswillen nicht zu ändern1. Aus Anlegerperspektive geht ein solcher Hinweis ins Leere, denn jeder potentielle Anleger kann sich berechtigterweise zum Kreis der 99 Personen zählen und sich somit durch das Angebot angesprochen fühlen. Im Rahmen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpPG muss daher bereits die faktische Zugänglichkeit der Angebotsinformationen beschränkt werden2. 4. Mindestbetrag 50.000 Euro (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WpPG)

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Die Prospektpflicht entfällt, wenn sich das Angebot an Anleger richtet, die bei jedem gesonderten Angebot Wertpapiere ab einem Mindestbetrag von 1 AA Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 7 Fn. 11: „Angebot in der Presse, aber nur die ersten 100 Anleger werden berücksichtigt.“ Der hundertste Anleger würde hier ohnehin die Grenze des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpPG überschreiten. 2 Im Ergebnis ebenso Holzborn/Israel in Holzborn, § 3 WpPG Rz. 16; Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 18; Giedinghagen, BKR 2007, 233 (236); Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 117 mwN.

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50.000 Euro pro Anleger erwerben können. Die Ausnahmeregelung ist mit § 2 Nr. 4 Alt. 2 VerkProspG aF vergleichbar, der noch eine niedrigere Schwelle von 40.000 Euro enthielt1. Im Rahmen der Revision der Prospektrichtlinie soll der erforderliche Mindestbetrag auf 100.000 Euro angehoben werden. Die Schwelle von 50.000 Euro wird als nicht mehr zeitgemäß angesehen, da sie die Unterscheidung von Privatanlegern und professionellen Investoren nicht mehr reflektiere. Es habe sich gezeigt, dass Privatanleger sehr wohl in eine Größenordnung von über 50.000 Euro investieren2. Sie basiert auf der Annahme, dass in dieser Größenordnung Anleger professionell investieren und zu ihrer Information nicht auf einen Prospekt angewiesen sind. Mangels Informationsbedarfs sind professionelle Anleger nicht schutzbedürftig3. Die Formulierung „bei jedem gesonderten Angebot“ stellt klar, dass die In- 29 vestitionsschwelle nicht absolut per professionellem Anleger, sondern vielmehr angebotsbezogen gilt. Ob die Platzierung von fungiblen Wertpapieren in mehreren (Teil-)Angeboten als ein einziges öffentliches Angebot von Wertpapieren zu werten ist, mit der Folge, dass der Anleger seine Investition von mindestens 50.000 Euro auf die verschiedenen Tranchen verteilen könnte, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls4. Ein größerer Zeitabstand zwischen den einzelnen Emissionen dürfte trotz Fungibilität der Wertpapiere der Annahme eines einzigen öffentlichen Angebots entgegenstehen. Sowohl die Stückelung der Wertpapiere als auch ihr Nennwert sind irrele- 30 vant. Eine Stückelung von unter 50.000 Euro ermöglicht eine flexiblere Anlage oberhalb der Mindestinvestition von 50.000 Euro5. Für die Berechnung der Investitionsschwelle ist der tatsächliche Kaufpreis zugrunde zu legen. Dies wird durch die Formulierung „erwerben können“ in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WpPG angezeigt. Deutlicher macht dies Art. 3 Abs. 2 lit. c der Pro1 Begr. RegE zu § 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29. 2 Europäischer Rat betreffend den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, Ref. 2009/0132 (COD) 10254/10 EF 49 ECOFIN 314 DRS 18 CODEC 480, datiert 28. Mai 2010, englische Fassung veröffentlicht auf http:// register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st10/st10254.en10.pdf, Erwägungsgrund 7a, Art. 1, Nr. 3 lit. a. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 8; Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 20; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 10; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (319); bereits zu § 2 Nr. 4 Alt. 2 VerkProspG aF Heidelbach in Schwark, § 2 VerkProspG Rz. 15. 4 Grundsätzlich bejahend für den Fall von fungiblen Wertpapieren Zeising in Just/ Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 39. 5 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 8; Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 20; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (319).

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spektrichtlinie: „investors who acquire securities for a total consideration of at least EUR 50 000“. Zu Optionsscheinen und derivativen Instrumenten hat das Committee of European Securities Regulators (CESR) festgestellt, dass der Ausübungspreis der Option bzw. der derivativen Komponente nicht in den Kaufpreis einzurechnen ist1. Gebühren dürfen bei der Berechnung des Mindestbetrages ebenfalls nicht berücksichtigt werden, sodass die Einrechnung eines Ausgabeaufschlags nicht zur Erreichung der 50.000-EuroSchwelle beitragen kann2. 5. Mindeststückelung 50.000 Euro (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WpPG) 31

Die Prospektpflicht gilt nicht, sofern die Wertpapiere eine Mindeststückelung von 50.000 Euro aufweisen. Die vergleichbare Ausnahmevorschrift des § 2 Nr. 4 Alt. 1 VerkProspG aF verlangte lediglich eine Stückelung von 40.000 Euro. Im Rahmen der Revision der Prospektrichtlinie soll die erforderliche Mindeststückelung auf 100.000 Euro angehoben werden. Die Schwelle von 50.000 Euro wird als nicht mehr zeitgemäß angesehen, da sie die Unterscheidung von Privatanlegern und professionellen Investoren nicht mehr reflektiere. Es habe sich gezeigt, dass Privatanleger sehr wohl in einer Größenordnung von über 50.000 Euro investieren3. Zur Ratio der Ausnahmeregelung gilt das zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WpPG Gesagte (Rz. 28). Hauptanwendungsfall ist die Platzierung von Schuldverschreibungen an institutionelle Investoren4. Eine Stückelung von 50.000 Euro bedeutet auch, dass aufgrund des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes insgesamt nur in Schritten von 50.000 Euro investiert werden kann, das nächstmögliche Anlagevolumen also bereits bei 100.000 Euro liegt5. Lauten die Wert1 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 40: „Total consideration in warrants“. 2 Siehe zu § 2 Nr. 4 VerkProspG aF Ziffer II. 3.der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 3 Europäischer Rat betreffend den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, Ref. 2009/0132 (COD) 10254/10 EF 49 ECOFIN 314 DRS 18 CODEC 480, datiert 28. Mai 2010, englische Fassung veröffentlicht auf http:// register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st10/st10254.en10.pdf, Erwägungsgrund 7a, Art. 1, Nr. 3 lit. a. 4 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 8; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (500); Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (319), siehe auch European Securities Markets Experts Group (ESME) Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading – Report –, 5.9.2007, S. 14. 5 Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (319); nach englischem Recht soll dagegen über die Mindeststückelung hinaus ein Erwerb von „incrementals“ (durch 1.000 teilbare Beträge) möglich sein, siehe Müller/Oulds, WM 2007, 573.

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papiere auf eine Fremdwährung, muss ihre Mindeststückelung umgerechnet ebenfalls mindestens 50.000 Euro betragen1. Problematisch ist der Erwerb zu einem Kurs von unter 100 %, weil die 32 Wertpapiere dann zwar die Mindeststückelung von 50.000 Euro aufweisen, der Anleger aber einen geringeren Betrag investiert. Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WpPG stellt eindeutig auf die Ausstattung der Wertpapiere ab und nicht auf den Kurs, zu dem sie verkauft werden, so wie auch der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 lit. d der Prospektrichtlinie („securities whose denomination per unit amounts to at least EUR 50 000“). Allenfalls aus dem Grundgedanken des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 WpPG ließe sich schließen, dass lediglich oberhalb einer Investitionsschwelle von 50.000 Euro das Schutzbedürfnis der Anleger entfalle. Der Schutzzweck der generellen Prospektpflicht bleibt jedoch auch bei geringen Kursabschlägen auf Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro gewahrt2. Würde im Rahmen von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WpPG wie auch bei § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WpPG auf den Verkaufspreis abgestellt werden, so wäre Nr. 4 neben Nr. 3 überflüssig. Dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WpPG nach ist damit die Ausstattung des Wertpapiers, also seine Mindeststückelung entscheidend. In der Praxis dürfte diese Problematik bei unwesentlichen Kursabschlägen eine untergeordnete Rolle spielen. Die Ausnahme gilt nur für öffentliche Angebote von Wertpapieren mit einer 33 Mindeststückelung von 50.000 Euro, nicht aber für deren Börsenzulassung, für die auch § 4 Abs. 2 WpPG keine entsprechende Ausnahme enthält. Deswegen ist für die Zulassung der Wertpapiere zum regulierten Markt trotz einer hohen Mindeststückelung ein Prospekt zu veröffentlichen. Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen ist damit der Anwendungsbereich der Art. 12 iVm. Anhang IX und Art. 16 iVm. Anhang XIII der ProspektVO auf Börsenzulassungsprospekte beschränkt. 6. Verkaufspreis aller angebotenen Wertpapiere unter 100.000 Euro (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 WpPG) Sofern der Verkaufspreis aller über einen Zeitraum von zwölf Monaten angebotenen Wertpapiere weniger als 100.000 Euro beträgt, besteht eine Ausnahme von der Prospektpflicht. Mit § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 WpPG hat der Gesetzgeber die Abwägung zwischen dem Anlegerschutz einerseits und der mit der Prospekterstellung und -Veröffentlichung verbundenen Kostenbelastung unterhalb der Schwelle von 100.000 Euro andererseits zugunsten der Emittenten entschieden3. Die vergleichbare Vorgängerregelung des § 2 Nr. 4 Alt. 3 VerkProspG aF befreite Kleinstemissionen nur bis zu einer Schwelle

1 Vgl. Erwägungsgrund 14 Satz 2 letzter Halbsatz der ProspektVO. 2 Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 3 WpPG Rz. 21. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 9; Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 55.

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§ 3 WpPG

Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts und Ausnahmen

von 40.000 Euro von der Prospektpflicht. Für die Berechnung der Schwelle und der Frist gelten die Ausführungen zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG, Rz. 42, 491. Nach dieser Vorschrift können Einlagenkreditinstitute (§ 2 Nr. 8 WpPG) und Emittenten, deren Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, bis zu 2,5 Mio. Euro prospektfrei emittieren. 35

§ 3 Abs. 2 Satz Nr. 5 WpPG setzt voraus, dass sich der Verkaufspreis aller angebotenen Wertpapiere auf unter 100.000 Euro beläuft. Der offene Wortlaut der Nr. 5 („Verkaufspreis aller angebotenen Wertpapiere“) könnte dahingehend missverstanden werden, dass bei der Berechnung der 100.000-Euro-Grenze ungeachtet der Wertpapierart alle Angebote eines Emittenten zu berücksichtigen wären. Jedoch folgt aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 lit. e der Prospektrichtlinie („an offer of securities“), dass nicht auf den Emittenten, sondern auf die angebotenen Wertpapiere abzustellen ist2. Innerhalb des Zwölf-Monats-Zeitraums kann ein Emittent daher verschiedene Wertpapiere prospektfrei anbieten, solange der jeweilige Verkaufspreis per Wertpapier die Bagatellgrenze nicht überschreitet. Bei der Berechnung ist damit der Bruttoemissionserlös aller angebotenen Wertpapiere zugrunde zu legen, unabhängig von der Anzahl der öffentlichen Angebote, Tranchen oder betroffenen EWR-Staaten. Letzteres wurde in der Vergangenheit aus dem Mangel einer territorialen Vorgabe in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 WpPG und einem Umkehrschluss zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpPG geschlossen, der die Berechnung der Schwelle von weniger als 100 nicht qualifizierten Anlegern ausdrücklich auf jeden einzelnen EWR-Staat bezieht3. Im Rahmen der Revision der Prospektrichtlinie soll dies nun durch den Zusatz „in the European Union“ auch ausdrücklich in Art. 3 Abs. 2 lit. e der Prospektrichtlinie klargestellt werden4. Grundlage der Berechnung ist der erste Ausgabepreis, wird ein solcher nicht festgelegt, der erste nach Einführung der Wertpapiere festgestellte oder gebildete Börsenpreis, bei mehreren Börsen der höchste erste

1 Bei dem Verweis in der Begründung zu § 3 WpPG in Begr. RegE, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29, 30, auf § 1 Abs. 1 Nr. 4 WpPG handelt es sich wohl um ein redaktionelles Versehen. Richtigerweise sind die Ausführungen zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG heranzuziehen. 2 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 63. 3 Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 22; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 11. 4 Europäischer Rat betreffend den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, Ref. 2009/0132 (COD) 10254/10 EF 49 ECOFIN 314 DRS 18 CODEC 480, datiert 28. Mai 2010, englische Fassung veröffentlicht auf http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st10/st10254.en10.pdf, Erwägungsgrund 5, Art. 1, Nr. 3 lit. a.

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§ 3 WpPG

Börsenpreis1. Zum unentgeltlichen Angebot von Wertpapieren siehe § 2 Nr. 4 WpPG, Rz. 44. Für die Berechnung des Zeitraums von zwölf Monaten entsprechend den 36 §§ 187 ff. BGB ist auf den Beginn des öffentlichen Angebots bzw. den Tag der öffentlichen Bekanntmachung des Ausgabepreises abzustellen2. Ist das erste Angebot von Wertpapieren wegen § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 WpPG prospektfrei möglich, so wird es im Nachhinein auch nicht prospektpflichtig, wenn ein zweites Angebot innerhalb des Zwölf-Monats-Zeitraums die 100.000-Euro-Schwelle überschreitet3. Denn die Beurteilung der Prospektpflichtigkeit ist im Zeitpunkt des jeweiligen Angebots vorzunehmen. Zur Berechnung des Zeitraumes von zwölf Monaten im Einzelnen siehe die entsprechenden Ausführungen zu § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG, § 4 WpPG Rz. 40.

VII. Weiterveräußerung (§ 3 Abs. 2 Satz 2 WpPG) § 3 Abs. 2 Satz 2 WpPG soll klarstellen, dass ein öffentliches Angebot von 37 Wertpapieren prospektpflichtig sein kann, selbst wenn ein früheres öffentliches Angebot dieser Wertpapiere von der Prospektpflicht befreit war4. § 3 Abs. 2 Satz 2 WpPG ist eine beinahe wortwörtliche Übersetzung des ersten Halbsatzes des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 der Prospektrichtlinie („However, any subsequent resale of securities which were previously the subject of one or more of the types of offer mentioned in this paragraph shall be regarded as a separate offer…“). Der zweite Halbsatz des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 der Prospektrichtlinie („… and the definition set out in Article 2(1)(d) shall apply for the purpose of deciding whether that resale is an offer of securities to the public.“) wurde nicht in das WpPG übernommen, wohl weil man den Zusatz für verzichtbar hielt. Er trägt jedoch zum Verständnis dieser Vorschrift wesentlich bei, weil er anzeigt, dass jede Weiterveräußerung von Wertpapieren als gesondertes Angebot zu prüfen ist5. Das Eingreifen einer Ausnahme von der Prospektpflicht ist hinsichtlich jedes späteren öffentlichen Angebots „gesondert“ zu beurteilen, unabhängig davon, ob das frühere Angebot der Wertpapiere von der Prospektpflicht befreit war6. Praxisrelevant ist dieser Grundsatz insbesondere bei der Platzierung von Wertpapieren durch einen 1 Begr. RegE zu § 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29, 30 verweist auf Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. 2 Begr. RegE zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. 3 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 60. 4 Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 3 WpPG Rz. 27; Ekkenga/ Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 116. 5 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 10 weist zu Recht darauf hin, dass es nicht darum geht, jede spätere Weiterveräußerung von Wertpapieren als Angebot „anzusehen“. 6 Die Begr. RegE zu § 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 30: „Satz 2 und 3 regeln die Geltung des Absatzes 1 auch für Angebote, die unter eine der Ausnahmevorschriften nach Abs. 2 fallen…“ ist insoweit missverständlich, da in diesen Fallgestaltungen nicht ein, sondern mehrere Angebote vorliegen.

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oder mehrere, gegebenenfalls hintereinander geschaltete Vertriebsunternehmen (sog. Vertriebskette oder retail cascade)1. Die Prospektpflicht ist auf jeder Vertriebsstufe gesondert zu prüfen. Dies gilt auch, wenn eine Emission zeitgleich auf verschiedenen Vertriebsstufen angeboten wird2. Zur Problematik der retail cascades im Übrigen siehe Rz. 39.

VIII. Platzierung durch Finanzintermediäre (§ 3 Abs. 2 Satz 3 WpPG) 1. Klarstellung 38

§ 3 Abs. 2 Satz 3 WpPG hat wie auch § 3 Abs. 2 Satz 2 WpPG rein klarstellende Funktion. Er bestätigt die Prospektpflicht der genannten, im KWG definierten Institute oder Unternehmen bei der Platzierung von Wertpapieren, sofern die endgültige Platzierung nicht unter eine Ausnahme des § 3 Abs. 2 WpPG fällt. In der Praxis wirken die emissionsbegleitenden Banken und der Emittent bei der Prospekterstellung zusammen, was schon für die Verantwortungserklärung und Unterzeichnung des Prospekts durch den Zulassungsantragsteller gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 WpPG unerlässlich ist. Die Formulierung „endgültige Platzierung“ kann im Hinblick auf die Ausnahme des § 3 Abs. 2 Nr. 2 WpPG so interpretiert werden, dass sich die für ein prospektfreies Angebot geltende Obergrenze von maximal 99 nicht qualifizierten Anlegern auf die gesamte Vertriebskette bezieht. Danach dürfte es unzulässig sein, die Wertpapiere auf jeder einzelnen Vertriebsstufe maximal 99 nicht qualifizierten Anlegern anzubieten. 2. Vertriebsketten (retail cascades)

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Problematisch ist die Prospektpflicht bei der Platzierung von Wertpapieren durch einen oder mehrere, gegebenenfalls hintereinander geschaltete Vertriebsunternehmen (sog. Vertriebskette oder retail cascade). Die Prospektpflicht des Emittenten besteht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG bei einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren im Inland (Rz. 6). Unter Ausnutzung der Ausnahmen (Rz. 19, 20 ff.) oder weil aufgrund einer Privatplatzierung schon kein öffentliches Angebot vorliegt (§ 2 Nr. 4 WpPG, Rz. 36 ff.), kann der Emittent die Wertpapiere auch prospektfrei verkaufen. Ist jedoch die Weiterplatzierung der Wertpapiere von vornherein beabsichtigt, so ist bereits der Emittent aufgrund einer Gesamtbetrachtung der Vertriebskette als Anbieter prospektpflichtig3. Umgekehrt bedeutet dies, dass die Prospektpflicht des Emittenten nicht besteht, wenn er bei der Weiterplatzierung

1 Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 28; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 12; Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10. 2 Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10. 3 Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 28; Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10.

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§ 3 WpPG

nicht mit den Platzierern kooperiert1. Denn dann kann ihm das Angebot des platzierenden Weiterveräußerers nicht zugerechnet werden2. Die Prospektpflicht der Platzierer ist, wie bereits § 3 Abs. 2 Satz 2 WpPG 40 klarstellt, auf jeder Vertriebsstufe gesondert zu beurteilen. Wirken der Emittent und das Emissionskonsortium zusammen und wurde aufgrund dessen – wie oben dargestellt – ein Prospekt veröffentlicht, so kann jeder nach dem Willen des Emittenten in die Vertriebskette eingebundene Platzierer diesen Prospekt für das öffentliche Angebot der Wertpapiere nutzen. Schließlich hat der Emittent diesbezüglich gemäß § 5 Abs. 4 WpPG die Verantwortung übernommen. Möglicherweise möchte aber auch ein weiterer, nicht mit dem Emittenten kooperierender Erwerber die Wertpapiere weiterveräußern3. In diesem Zusammenhang wurde Art. 3 Abs. 2 Satz 2 und 3 der Prospektrichtlinie vielfach kritisiert4. Unklar sei, auf welcher Ebene der Vertriebskette eine Prospektpflicht bestehe, sowie die Frage der Reichweite der Verantwortlichkeit des Emittenten für die Angaben im Prospekt im Hinblick auf die Vertriebskette5. Nach Ansicht von ESME sollte einerseits der Emittent für die Weiterveräußerung der Wertpapiere durch Finanzintermediäre prospektrechtlich nicht verantwortlich sein. Andererseits sollte aber nur ein Prospekt für die gesamte Vertriebskette erforderlich sein6. In der Praxis hatte die von CESR veröffentlichte Stellungnahme zu retail cascades die zuvor beschriebenen Unklarheiten zumindest teilweise adressiert7. Danach sollte der Erwerber den durch den Emittenten veröffentlichten Prospekt für eine Weiterveräußerung nur dann verwenden können, wenn der Emittent und der Weiterveräußerer zusammenwirken („acting in association“). Auch bei dem in Deutschland in der Vergangenheit favorisierten Ansatz über § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG8 ist ein solches Zusammenwirken bzw. eine Absprache zwischen dem Emittenten und dem Weiterver1 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (501). 2 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 12; Holzborn/Israel in Holzborn, § 3 WpPG Rz. 22. 3 Hierbei wären die mit dem Emittenten vereinbarten Veräußerungsbeschränkungen (selling restrictions) zu beachten. Diese zielen ua. darauf ab, bei einer Weiterveräußerung der Wertpapiere durch Erwerber eine etwaige Haftung des Emittenten aus § 13a VerkProspG zu vermeiden. 4 Kullmann/Metzger, WM 2008, 1292 (1295 mwN). 5 CESR’s Report on the supervisory functioning of the Prospectus Directive and Regulation, June 2007, Rz. 98, 99, 102; CSES, Study on the Impact of the Prospectus Regime on EU Financial Markets, Final Report, June 2008, S. 62–64. 6 European Securities Markets Experts Group (ESME) Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading – Report –, 5.9.2007, S. 15, – Annex to the Report – S. 13. 7 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 56: „Retail cascade offers“. So im Ergebnis auch Schnorbus, AG 2008, 389 (402). 8 Kullmann/Metzger, WM 2008, 1292 (1295), Elsen/Jäger, BKR 2008, 459 (462), Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 74.

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§ 3 WpPG

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äußerer unerlässlich. § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG stellt zwar nach der hier vertretenen Ansicht für öffentliche Angebote klar, dass unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 WpPG die Veröffentlichung eines weiteren Prospekts entbehrlich ist1. Zum einen kann aber ein Prospekt für weitere Angebote nur insoweit verwendet werden, als dass der Emittent dafür gemäß § 5 Abs. 4 WpPG die Verantwortung übernommen hat. Zum anderen kann nur ein „acting in association“ zwischen dem Emittenten und dem Weiterveräußerer die Aktualität und damit die Gültigkeit des Prospekts gemäß § 9 Abs. 1 WpPG sicherstellen. Ein ohne die Zustimmung des Emittenten anbietender Weiterveräußerer kann den Emittenten nicht in eine Nachtragspflicht hineinzwingen. Sofern der Weiterveräußerer einen neuen Prospekt erstellen muss, wird er weitgehend auf die Mitwirkung des Emittenten angewiesen sein2. 42

Im Rahmen der nach Art. 31 der Prospektrichtlinie vorgesehenen Revision der Prospektrichtlinie hatte die Europäische Kommission den Vorschlag von ESME, Art. 3 Abs. 2 Satz 3 der Prospektrichtlinie zu streichen3, zunächst aufgegriffen4, in ihrem überarbeiteten Änderungsvorschlag v. 23.9.20095 aber wieder verworfen6 und stattdessen eine weitere Klarstellung ergänzt. Danach soll bei jeder späteren Weiterveräußerung und jeder endgültigen Platzierung von Wertpapieren durch Finanzintermediäre kein weiterer 1 § 3 Abs. 1 Satz 2 WpPG stellt eine deutsche Besonderheit dar, die auf § 1 VerkProspG aF zurückgeht. Art. 3 Abs. 1 der Prospektrichtlinie enthält keine vergleichbare Regelung. 2 Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 115, Fn. 104 mwN. Hamann in Schäfer/Hamann, § 3 WpPG Rz. 29 und Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 12 weisen darauf hin, dass der Emittent bei der Informationsweitergabe rechtlichen Restriktionen unterliegt, zB § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, §§ 53a, 131 Abs. 4 AktG, § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. 3 European Securities Markets Experts Group (ESME) Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading – Report –, 5.9.2007, S. 15. 4 Konsultation anlässlich der Überprüfung der Prospektrichtlinie, am 9.1.2009 veröffentlicht auf http://ec.europa.eu/internal_market/securities/prospectus/index_ en.htm, Consultation Document, Nr. 2, Background Document, Nr. 3.2. 5 Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directives 2003/71/EC on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading and 2004/109/EC on the harmonisation of transparency requirements in relation to information about issuers whose securities are admitted to trading on a regulated market, Ref. COM(2009) 491 final, 2009/0132 (COB), datiert 23.9.2009, am 24.9.2009 veröffentlicht auf http://ec.europa.eu/internal_market/securities/prospectus/index_en.htm, S. 16, Nr. 3 lit. b. 6 Die Streichung des Art. 3 Abs. 2 Satz 3 der Prospektrichtlinie hätte die Unklarheiten ohnehin nicht behoben. Denn auch ohne diese Klarstellung ergibt sich bereits aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 der Prospektrichtlinie (§ 3 Abs. 2 Satz 2 WpPG), dass jede spätere Weiterveräußerung als gesondertes Angebot prospektpflichtig sein kann, was mangels einer expliziten Ausnahme auch für die Platzierung durch Finanzintermediäre gilt.

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§ 3 WpPG

Prospekt erforderlich sein, wenn bereits ein iS des Art. 9 Prospektrichtlinie gültiger Prospekt vorliegt und der Emittent oder die für die Erstellung des Prospekts zuständige Person dessen Verwendung zugestimmt hat. Die Zustimmung und etwaige Bedingungen sollen außerdem in einer schriftlichen Vereinbarung wiederlegt werden1. Damit wird zum einen Art. 3 Abs. 2 der Prospektrichtlinie um den Aussagegehalt des deutschen § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG ergänzt. § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG stellt nach der hier vertretenen Ansicht für öffentliche Angebote klar, dass kein weiterer Prospekt zu veröffentlichen ist, soweit ein Prospekt nach dem WpPG bereits veröffentlicht worden ist. Der bereits vorliegende Prospekt muss sich auf die gleiche Wertpapiergattung beziehen und nach überwiegender Ansicht iS des § 9 Abs. 1 WpPG gültig, dh. gegebenenfalls um erforderliche Nachträge ergänzt sein (siehe Rz. 18). Darüber hinaus wird zum anderen die Idee des „acting in association“ (siehe Rz. 41) spezifiziert, indem der Ergänzungsvorschlag explizit auf die Zustimmung des Emittenten bzw. Prospekterstellers abstellt. Die Verwendung des bereits veröffentlichten Prospekts durch den Weiterveräußerer setzt also dessen Gültigkeit und die Zustimmung des Emittenten bzw. Prospekterstellers voraus. Die Gültigkeit des Prospekts kann ohnehin nur sichergestellt werden, wenn der Emittent bzw. Prospektersteller seiner Weiterverwendung zustimmt, denn nur dann wird er eventuell erforderliche Nachträge gemäß § 16 Abs. 1 WpPG veröffentlichen müssen. Mit dem Ergänzungsvorschlag macht die Europäische Kommission sehr 43 deutlich, dass sie für die Weiterplatzierung von Wertpapieren einen gültigen Prospekt für unverzichtbar hält. Darin liegt zugleich eine Absage an die Forderung einer prospektfreien Weiterplatzierung, etwa aufgrund der Erfüllung von Zulassungsfolgepflichten nach §§ 15 ff., 30a ff. WpHG bei börsennotierten Wertpapieren. Dies ist nur konsequent angesichts der mit der Prospektrichtlinie erfolgten Einführung der Prospektpflicht für öffentliche Angebote von Wertpapieren unabhängig davon, ob diese bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind oder nicht (siehe Rz. 10). Bei einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren soll in jedem Fall jemand prospektrechtlich verantwortlich sein. Abzuwarten bleibt, ob der deutsche Gesetzgeber es für notwendig hält, den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG anzupassen, § 3 Abs. 2 WpPG zu ergänzen, oder aber von einer Änderung absieht. In letzterem Fall wäre neben der Gültigkeit das Erfordernis einer aus-

1 Europäischer Rat betreffend den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, Ref. 2009/0132 (COD) 10254/10 EF 49 ECOFIN 314 DRS 18 CODEC 480, datiert 28. Mai 2010, englische Fassung veröffentlicht auf http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st10/st10254.en10.pdf, Erwägungsgrund 8, Art. 1, Nr. 3 lit. b.

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§ 3 WpPG

Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts und Ausnahmen

drücklich erklärten Zustimmung als ungeschriebene Voraussetzung in § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG hinein zu interpretieren. 3. Angaben zur Vertriebskette 44

Von der Problematik, welche Erwerber den Prospekt des Emittenten für ihre Weiterveräußerung nutzen können, ist die Frage der Angaben zur Vertriebskette im Prospekt zu unterscheiden. Gemäß der jeweiligen Nr. 5.4.1. der Anhänge III, V und XII der ProspektVO sind Angaben zum Koordinator und zu den Platzierern des Angebots in den Prospekt aufzunehmen, sofern diese dem Emittenten oder dem Anbieter bekannt sind1. Bei einem von vornherein geplanten „acting in association“ muss der Emittent demnach die ihm zum Prospektdatum bekannten Platzierer benennen. Tritt nach Prospektdatum ein weiterer Platzierer hinzu und liegt ein „acting in association“ mit dem Emittenten vor, so kann dieser den Prospekt nutzen, obwohl er nicht im Prospekt benannt ist. Bei einer wesentlichen Erweiterung der Vertriebskette könnte ein Nachtrag zum Prospekt gemäß § 16 WpPG erforderlich sein.

IX. Prospektpflicht bei Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt (§ 3 Abs. 3 WpPG) 45

Für die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt verlangt § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG die Vorlage eines gebilligten Prospekts. § 3 Abs. 3 WpPG normiert die diesem Erfordernis zugrunde liegende Prospektpflicht bei der Zulassung von Wertpapieren (§ 2 Nr. 1 WpPG) zum Handel an einem inländischen organisierten Markt (§ 2 Nr. 16 WpPG)2 und lässt im Übrigen die sich aus anderen Bestimmungen ergebenden Zulassungsvoraussetzungen unberührt. Die Regelung setzt Art. 3 Abs. 3 der Prospektrichtlinie um und orientiert sich an § 32 BörsG (§ 30 BörsG aF)3. Greift hinsichtlich der Zulassung keine Ausnahmeregelung (§ 3 Abs. 3 iVm. § 4 Abs. 2 WpPG) ein, so muss der Zulassungsantragsteller (§ 2 Nr. 11 WpPG) einen Prospekt (§§ 5, 6 WpPG) veröffentlichen (§ 14 WpPG). Der Inhalt des Prospekts richtet sich nach § 7 WpPG iVm. der ProspektVO.

1 Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (11) und Holzborn/Israel in Holzborn, § 3 WpPG Rz. 22 folgern aus Art. 23 Abs. 4 der ProspektVO einen allgemeinen Rechtsgedanken, dass nur solche Angaben, auf die der Prospektpflichtige bei der Prospekterstellung im Rahmen des Angemessenen Zugriff hat, eingefügt werden müssten. Diese Herleitung ist zweifelhaft, da sich die Angemessenheit in Art. 23 Abs. 4 der ProspektVO nicht auf den Informationszugriff des Emittenten bezieht. Ein Rückgriff auf einen allgemeinen Rechtsgedanken ist auch nicht erforderlich, da die jeweilige Nr. 5.4.1. der Anhänge III, V und XII der ProspektVO explizit auf die Kenntnis des Emittenten oder Anbieters abstellt. 2 Zum Normcharakter siehe Rz. 1. 3 Begr. RegE zu § 3 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 30.

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Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

§ 4 WpPG

§4 Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts im Hinblick auf bestimmte Wertpapiere (1) Die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts gilt nicht für öffentliche Angebote folgender Arten von Wertpapieren: 1. Aktien, die im Austausch für bereits ausgegebene Aktien derselben Gattung ausgegeben werden, ohne dass mit der Ausgabe dieser neuen Aktien eine Kapitalerhöhung verbunden ist; 2. Wertpapiere, die anlässlich einer Übernahme im Wege eines Tauschangebots angeboten werden, sofern ein Dokument verfügbar ist, dessen Angaben denen des Prospekts gleichwertig sind; 3. Wertpapiere, die anlässlich einer Verschmelzung angeboten oder zugeteilt werden oder zugeteilt werden sollen, sofern ein Dokument verfügbar ist, dessen Angaben denen des Prospekts gleichwertig sind; 4. Aktien, die den Aktionären nach einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln angeboten werden, sowie Dividenden in Form von Aktien derselben Gattung wie die Aktien, für die solche Dividenden ausgeschüttet werden, sofern ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über die Anzahl und die Art der Aktien enthält und in dem die Gründe und Einzelheiten zu dem Angebot dargelegt werden; 5. Wertpapiere, die derzeitigen oder ehemaligen Mitgliedern von Geschäftsführungsorganen oder Arbeitnehmern von ihrem Arbeitgeber, dessen Wertpapiere bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, oder von einem verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes angeboten werden, sofern ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über die Anzahl und die Art der Wertpapiere enthält und in dem die Gründe und die Einzelheiten zu dem Angebot dargelegt werden. (2) Die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts gilt nicht für die Zulassung folgender Arten von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt: 1. Aktien, die über einen Zeitraum von zwölf Monaten weniger als 10 Prozent der Zahl der Aktien derselben Gattung ausmachen, die bereits zum Handel an demselben organisierten Markt zugelassen sind; 2. Aktien, die im Austausch für bereits an demselben organisierten Markt zum Handel zugelassene Aktien derselben Gattung ausgegeben werden, ohne dass mit der Ausgabe dieser neuen Aktien eine Kapitalerhöhung verbunden ist; 3. Wertpapiere, die anlässlich einer Übernahme im Wege eines Tauschangebots angeboten werden, sofern ein Dokument verfügbar ist, dessen Angaben denen des Prospekts gleichwertig sind;

Schlitt/Schäfer

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§ 4 WpPG

Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

4. Wertpapiere, die anlässlich einer Verschmelzung angeboten oder zugeteilt werden oder zugeteilt werden sollen, sofern ein Dokument verfügbar ist, dessen Angaben denen des Prospekts gleichwertig sind; 5. Aktien, die nach einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln den Inhabern an demselben organisierten Markt zum Handel zugelassener Aktien derselben Gattung angeboten oder zugeteilt werden oder zugeteilt werden sollen, sowie Dividenden in Form von Aktien derselben Gattung wie die Aktien, für die solche Dividenden ausgeschüttet werden, sofern ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über die Anzahl und die Art der Aktien enthält und in dem die Gründe und Einzelheiten zu dem Angebot dargelegt werden; 6. Wertpapiere, die derzeitigen oder ehemaligen Mitgliedern von Geschäftsführungsorganen oder Arbeitnehmern von ihrem Arbeitgeber oder von einem verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes angeboten oder zugeteilt werden oder zugeteilt werden sollen, sofern es sich dabei um Wertpapiere derselben Gattung handelt wie die Wertpapiere, die bereits zum Handel an demselben organisierten Markt zugelassen sind, und ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über die Anzahl und den Typ der Wertpapiere enthält und in dem die Gründe und Einzelheiten zu dem Angebot dargelegt werden; 7. Aktien, die nach der Ausübung von Umtausch- oder Bezugsrechten aus anderen Wertpapieren ausgegeben werden, sofern es sich dabei um Aktien derselben Gattung handelt wie die Aktien, die bereits zum Handel an demselben organisierten Markt zugelassen sind; 8. Wertpapiere, die bereits zum Handel an einem anderen organisierten Markt zugelassen sind, sofern sie folgende Voraussetzungen erfüllen: a) die Wertpapiere oder Wertpapiere derselben Gattung sind bereits länger als 18 Monate zum Handel an dem anderen organisierten Markt zugelassen, b) für die Wertpapiere wurde, sofern sie nach dem 30. Juni 1983 und bis einschließlich 31. Dezember 2003 erstmalig börsennotiert wurden, ein Prospekt gebilligt nach den Vorschriften des Börsengesetzes oder den Vorschriften anderer Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, die auf Grund der Richtlinie 80/390/EWG des Rates vom 17. März 1980 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist (ABl. EG Nr. L 100 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung oder auf Grund der Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen (ABl. EG Nr. L 184 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung erlassen worden sind; wurden die Wertpapiere nach dem 31. Dezember 2003 erstmalig zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen, muss die Zulassung zum Handel an dem anderen organisierten Markt mit der Billigung ei-

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c)

d) e) f)

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nes Prospekts einhergegangen sein, der in einer in § 14 Abs. 2 genannten Art und Weise veröffentlicht wurde, der Emittent der Wertpapiere hat die auf Grund der Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft erlassenen Vorschriften betreffend die Zulassung zum Handel an dem anderen organisierten Markt und die hiermit im Zusammenhang stehenden Informationspflichten erfüllt, der Zulassungsantragsteller erstellt ein zusammenfassendes Dokument in deutscher Sprache, das zusammenfassende Dokument nach Buchstabe d wird in einer in § 14 vorgesehenen Art und Weise veröffentlicht und der Inhalt dieses zusammenfassenden Dokuments entspricht den Anforderungen des § 5 Abs. 2 Satz 2. Ferner ist in diesem Dokument anzugeben, wo der neueste Prospekt sowie Finanzinformationen, die vom Emittenten entsprechend den für ihn geltenden Publizitätsvorschriften offen gelegt werden, erhältlich sind.

(3) Das Bundesministerium der Finanzen kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmen, welche Voraussetzungen die Angaben in den in Absatz 1 Nr. 2 und 3 sowie Absatz 2 Nr. 3 und 4 genannten Dokumenten im Einzelnen erfüllen müssen, um gleichwertig im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 oder 3 oder im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 oder 4 zu sein. Dies kann auch in der Weise geschehen, dass Vorschriften des deutschen Rechts oder des Rechts anderer Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums bezeichnet werden, bei deren Anwendung die Gleichwertigkeit gegeben ist. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Angersbach/von der Chevallerie/Ulbricht, Prospektfreie Börsenzulassung von neuen Aktien aus einer reinen Bezugsrechtskapitalerhöhung ohne Volumenbegrenzung nach § 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG, ZIP 2009, 1302; Apfelbacher/Metzner, Das Wertpapierprospektgesetz in der Praxis – Eine erste Bestandsaufnahme, BKR 2006, 81; Bloß/Schneider, Prospektfreie Teilzulassung für später ausgegebene Aktien, WM 2009, 879; Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Ekkenga, Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zum Regierungsentwurf eines neuen Wertpapierprospektgesetzes, BB 2005, 561; Giedinghagen, Arbeitnehmerbeteiligungen im Lichte des Wertpapierprospektgesetzes, BKR 2007, 233; Harrer/Janssen, Nachbesserung wünschenswert, Going Public 2009, 36; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668; Holzborn/Schwarz-Gondek, Die neue EUProspektrichtlinie, BKR 2003, 927; Keller/Langner, Überblick über die EU-Gesetzgebungsvorhaben im Finanzbereich, BKR 2003, 616; Kollmorgen/Feldhaus, Zur Prospektpflicht bei aktienbasierten Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, BB 2007, 225; Kollmorgen/Feldhaus, Neues von der Prospektpflicht für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, BB 2007, 2756; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG), WM 2005, 1068; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BB

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Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

2004, 501; Lachner/von Heppe, Die prospektfreie Zulassung nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG („10 %-Ausnahme“) in der jüngsten Praxis, WM 2008, 576; Leuering, Prospektpflichtige Anlässe im WpPG, Der Konzern 2006, 4; Mattil/Möslein, Die Sprache des Emissionsprospekts, WM 2007, 819; Mülbert/Steup, Emittentenhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation am Beispiel der fehlerhaften Regelpublizität, WM 2005, 1633; Pfeiffer/Buchinger, Prospektpflicht bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen US-amerikanischer Arbeitgeber, NZG 2006, 449; Schlitt/Schäfer, Alte und neue Fragen im Zusammenhang mit 10 %-Kapitalerhöhungen, AG 2005, 67; Schlitt/Schäfer, Erstellung des Wertpapierprospekts, Going Public 2006, 26; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen der Umsetzung der Transparenzrichtlinie und der Finanzmarktrichtlinie auf Aktien- und Equity-Linked-Emissionen, AG 2007, 227; Schlitt/Schäfer, Drei Jahre Praxis unter dem Wertpapierprospektgesetz – eine Zwischenbilanz, AG 2008, 525; Schlitt/Singhof/Schäfer, Aktuelle Rechtsfragen und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251; Schnorbus, Die prospektfreie Platzierung von Wertpapieren nach dem WpPG, AG 2008, 389; Seibt/von Bonin/Isenberg, Prospektfreie Zulassung von Aktien bei internationalen Aktientausch-Transaktionen mit gleichwertigen Dokumentangaben (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 WpPG), AG 2008, 565; Veil/Wundenberg, Prospektpflichtbefreiung nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 WpPG bei Unternehmensübernahmen, WM 2008, 1285.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Prospektbefreiung bei öffentlichen Angeboten (§ 4 Abs. 1 WpPG) 1. Aktientausch (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Übernahmevorgänge (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 WpPG) . . . . 8 3. Verschmelzungsvorgänge (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 WpPG) . . . . 14 4. Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln und Sachdividenden (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 18 5. Mitarbeiterbeteiligungsprogramme (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 22 III. Prospektbefreiung bei Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt (§ 4 Abs. 2 WpPG) . . . . . . . . 1. 10 %-Kapitalerhöhungen (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) . . . .

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2. Aktientausch (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 WpPG) . . . . . . . . . . . 3. Übernahmevorgänge (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 WpPG) . . . 4. Verschmelzungsvorgänge (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 WpPG) . . . 5. Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln und Sachdividenden (§ 4 Abs. 2 Nr. 5 WpPG) . . . . . . . . . . . 6. Mitarbeiterbeteiligungsprogramme (§ 4 Abs. 2 Nr. 6 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . 7. Aktien aus Umtausch- oder Bezugsrechten (§ 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG) . . . . . . . . . . . 8. Einbeziehung von Altfällen (§ 4 Abs. 2 Nr. 8 WpPG) . . .

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IV. Folgen der fälschlichen Annahme eines Befreiungstatbestands . . . . . . . . . . . . . . .

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V. Verordnungsermächtigung (§ 4 Abs. 3 WpPG) . . . . . . . .

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Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

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I. Normentwicklung und Bedeutung § 4 WpPG setzt Art. 4 Prospektrichtlinie1 ins deutsche Recht um2. Er sieht 1 transaktionsbezogene Privilegierungen vor, die an die vor Inkrafttreten des WpPG geltenden, in § 45 BörsZulV aF und § 4 VerkProspG aF vorgesehenen Ausnahmebestimmungen anknüpfen. Sie befreien Transaktionen, die grundsätzlich der Prospektpflicht unterfallen (§ 3 Abs. 1, 3 WpPG), von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts3. Systematisch wird insoweit zwischen öffentlichen Angeboten (§ 4 Abs. 1 WpPG) und der Zulassung zum Handel (§ 4 Abs. 2 WpPG) differenziert. Die in § 4 Abs. 1 WpPG enthaltenen Ausnahmen zur Prospektpflicht für öffentliche Angebote ergänzen die in § 3 Abs. 2 WpPG enthaltenen Ausnahmen. Die Ausnahmen des § 4 WpPG entsprechen weitgehend den bis zum Inkrafttreten des WpPG in § 4 VerkProspG aF und § 45 BörsZulV aF vorgesehenen Ausnahmen, sind jedoch teilweise im Vergleich restriktiver4. Entfallen ist die vor Inkrafttreten des WpPG geltende Ausnahme für Euro-Wertpapiere, wonach für das Angebot von Euro-Wertpapieren (dh. von einem internationalen Konsortium grenzüberschreitend angebotene Wertpapiere, die nur über Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute erworben werden können, § 4 Abs. 2 VerkProspG aF) kein Prospekt zu veröffentlichen war, sofern für diese nicht öffentlich geworben wurde und kein Angebot im Wege von Geschäften nach dem Haustürwiderrufsgesetz oder ähnlichen Geschäften erfolgte (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG aF)5. Die verschiedenen Ausnahmetatbestände können in Kombination oder einzeln angewandt werden; die Berufung auf einen der Ausnahmetatbestände schließt die Berufung auf einen anderen Ausnahmetatbestand in nahem zeitlichen Zusammenhang nicht aus6.

2

Bei Vorliegen der Voraussetzungen eines der Befreiungstatbestände der § 4 Abs. 1 und 2 WpPG entfällt die Prospektpflicht, das WpPG in seiner Gesamtheit bleibt jedoch anwendbar7.

3

1 Zu Art. 4 Prospektrichtlinie siehe Crüwell, AG 2003, 243 (245); Holzborn/ Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (930); zur Prospektrichtlinie insgesamt siehe Keller/Langner, BKR 2003, 616 (617). 2 Angersbach/von der Chevallerie/Ulbricht, ZIP 2009, 1302. 3 Zur Erstellung des Wertpapierprospekts und dessen Inhalt Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 ff.; Schlitt/Schäfer, Going Public 2006, 26 f. 4 Schnorbus, AG 2008, 389 (399). 5 Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1069). 6 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 32; so auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 7. 7 Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 4 WpPG Rz. 2.

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Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

Die Kommission hat am 24.9.2009 eine Änderung der Prospektrichtlinie vorgeschlagen1, zu der sich der Rat bereits geäußert hat2. Zu den Auswirkungen auf § 4 WpPG siehe Rz. 29.

II. Prospektbefreiung bei öffentlichen Angeboten (§ 4 Abs. 1 WpPG) 1. Aktientausch (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 WpPG) 5

§ 4 Abs. 1 Nr. 1 WpPG setzt Art. 4 Abs. 1 lit. a Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um. Er ersetzt die Vorgängerregelung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 VerkProspG aF, der jedoch lediglich auf Zertifikate, die anstelle von Aktien derselben Gesellschaft ausgegeben werden, abstellte, während Zertifikate nunmehr vom Wortlaut ausgeschlossen sind3. § 4 Abs. 1 Nr. 1 WpPG korrespondiert hinsichtlich der Zulassung der Befreiungstatbestand des § 4 Abs. 2 Nr. 2 WpPG.

6

§ 4 Abs. 1 Nr. 1 WpPG ist auf Austauschangebote für bereits existierende Aktien derselben Gattung, die nicht mit einer Erhöhung des Grundkapitals verbunden sind, anwendbar. Der Begriff der Gattung ist iS des § 11 Satz 2 AktG zu verstehen4 (siehe dazu auch unten Rz. 41).

7

Typische Anwendungsfälle sind Neustückelungen des Grundkapitals und die Umstellung auf nennwertlose Stückaktien5.

1 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, KOM (2009) 491, 2009/0132 (COD); Article 1 No. 3 des Konsultationspapiers zur Änderung der Prospektrichtlinie und Background Document, S. 7. Bis zu ihrer Umsetzung soll durch CESR ein „common light touch approach“ unterstützt werden und für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme ein verkürztes Veröffentlichungsregime geprüft werden; vgl. CESR Public Statement – CESR starts work on Employee Share Scheme Prospectuses: European Commission’s Request to CESR for assistance on employee share schemes, 13.12.2007, CESR/07-825; CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 71; vgl. auch Harrer/Janssen, Going Public 2009, 36 (37). 2 Council of the European Union, 15096/09 v. 4.11.2009 sowie gemeinsame Stellungname, 10254/10 v. 28.5.2010. 3 So auch Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 5; Zeising in Just/Voß/Ritz/ Zeising, § 4 WpPG Rz. 5. 4 Zum Begriff derselben Gattung auch Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 3. 5 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 3; zu den ähnlichen Voraussetzungen des § 45 BörsZulV aF Schwark in Schwark, § 45 BörsZulV Rz. 6.

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Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

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2. Übernahmevorgänge (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 WpPG) § 4 Abs. 1 Nr. 2 WpPG setzt Art. 4 Abs. 1 lit. b Prospektrichtlinie ins deut- 8 sche Recht um. Er entspricht weitgehend der Vorgängerregelung des § 4 Abs. 1 Nr. 9 VerkProspG aF. Sein Anwendungsbereich ist jedoch insofern erweitert, als nicht mehr nur Angebote nach dem WpÜG, sondern auch Angebote nach ausländischen Vorschriften erfasst sind. Sein Pendant findet § 4 Abs. 1 Nr. 2 WpPG hinsichtlich der Zulassung in § 4 Abs. 2 Nr. 3 WpPG. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 Nr. 2 WpPG ist, dass 9 die öffentlich angebotenen Wertpapiere anlässlich einer Übernahme im Wege des Tauschangebots ausgegeben werden und ein Dokument verfügbar ist, dessen Angaben denen eines Prospekts nach dem WpPG gleichwertig sind. Die Ausnahme von der Prospektpflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WpPG ist daher unabhängig davon anwendbar, ob das Tauschangebot nach den Vorschriften des WpÜG oder nach den Vorschriften einer ausländischen Rechtsordnung erfolgt1. Allerdings muss es sich um einen Tausch von Wertpapieren anlässlich einer Übernahme handeln. Eine (wirtschaftlich auf einen Tausch hinauslaufende) Kombination einer Einziehung von Aktien unter anschließender Ausgabe neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung, wie sie für ein sog. Scheme of Arrangement nach englischem Gesellschaftsrecht typisch ist, stellt regelmäßig keinen solchen Tausch dar2. Erforderlich ist die Verfügbarkeit eines dem Prospekt gleichwertigen Dokuments. Das Tatbestandsmerkmal der Gleichwertigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, über dessen Vorliegen die BaFin entscheidet; ihre Entscheidung ist richtigerweise verwaltungsgerichtlich überprüfbar3. Im Regelfall eines Angebots wird es sich um die Angebotsunterlage, die im Zuge des Tauschangebots veröffentlicht wurde, handeln. Der Maßstab für ihre Gleichwertigkeit zu einem Prospekt richtet sich danach, ob das Tauschangebot nach den Vorschriften des WpÜG oder denen einer ausländischen Rechtsordnung erfolgt.

10

Handelt es sich um ein Angebot, bei dem die Gegenleistung in Aktien besteht, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 31 Abs. 2 Satz 1 WpÜG), ist die nach den Vorschriften des WpÜG erstellte Angebotsunterlage inhaltlich einem Prospekt nach dem WpPG gleichwertig, da § 2 Nr. 2 WpÜG-AngV hinsichtlich des Inhalts der Angebotsuterlage auf die Prospektrichtlinie verweist4.

11

Fällt das Angebot unter die Vorschriften einer ausländischen Rechtsord- 12 nung, richtet sich die Gleichwertigkeit nach einer in der Literatur vertrete1 2 3 4

Veil/Wundenberg, WM 2008, 1285 (1286). Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 4 WpPG Rz. 7, 8. Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 4 WpPG Rz. 8. Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 54; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 4; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, Rz. 193; Veil/Wundenberg, WM 2008, 1285 (1287); Seibt/von Bonin/Isenberg, AG 2008, 565 (569).

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Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

nen Auffassung danach, ob die betreffende Rechtsordnung ihrerseits eine Gleichwertigkeit annehmen würde1. Andere gehen von einer Gleichwertigkeit nur dann aus, wenn dies nach § 4 Abs. 3 WpPG im Wege einer Verordnung festgelegt wird2. Richtigerweise ist zu prüfen, ob die die Angebotsunterlage nach ausländischem Recht regelnden Vorschriften hinsichtlich der Informationspflichten abstrakt gleichwertig mit einem (hypothetischen) Prospekt nach dem WpPG sind3. Hierzu zählt auch, dass das prospektersetzende Dokument einer ex-ante-Prüfung durch eine unabhängige Stelle unterliegen sollte und Sanktionsvorschriften existieren, die um die Ordnungsgemäßheit der gemachten Angaben bemüht sind4. Hierbei ist die abstrakte Gleichwertigkeit weniger anhand der quantitativen Vorgaben, als anhand der qualitativen Anforderungen zu beurteilen5. Bleiben die Informationspflichten inhaltlich hinter den nach § 5 WpPG erforderlichen Angaben zurück, steht es dem Emittenten offen, diese Angaben freiwillig zu ergänzen und damit die Gleichwertigkeit herzustellen6. In der Praxis empfiehlt es sich, diese Angaben von vorneherein bei der Erstellung des Dokuments zu berücksichtigen7. Dabei hindert die Erstellung des gleichwertigen Dokuments in einer in internationalen Finanzkreisen üblichen Sprache (englisch) die Gleichwertigkeit richtigerweise grundsätzlich nicht8. 13

Ein entsprechendes Dokument ist jedenfalls im Falle einer Veröffentlichung nach § 14 Abs. 2 WpPG verfügbar iS des § 4 Abs. 1 Nr. 2 WpPG; eine elektronische Veröffentlichung auf der Website des Emittenten reicht daher aus9. Einer solchen Veröffentlichung bedarf es jedoch nicht zwingend10. 3. Verschmelzungsvorgänge (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 WpPG)

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§ 4 Abs. 1 Nr. 3 WpPG setzt Art. 4 Abs. 1 lit. c Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um. Er entspricht weitgehend der Vorgängerregelung des § 4 Abs. 1 Nr. 7 VerkProspG aF. Hinsichtlich der Zulassung sieht § 4 Abs. 2 Nr. 4 WpPG einen entsprechenden Befreiungstatbestand vor.

1 Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 4. 2 Groß, Kapitalmarktrecht,§ 4 WpPG Rz. 3. 3 Veil/Wundenberg, WM 2008, 1285 (1291); Seibt/von Bonin/Isenberg, AG 2008, 565 (573); Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 6. 4 Veil/Wundenberg, WM 2008, 1285 (1289). 5 Seibt/von Bonin/Isenberg, AG 2008, 565 (573). 6 Veil/Wundenberg, WM 2008, 1285 (1289, 1291); Seibt/von Bonin/Isenberg, AG 2008, 565 (572). 7 So auch Seibt/von Bonin/Isenberg, AG 2008, 565 (577). 8 So im Hinblick auf § 4 Abs. 2 Nr. 3 WpPG Seibt/von Bonin/Isenberg, AG 2008, 565 (575); aA Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 4 WpPG Rz. 9. 9 Veil/Wundenberg, WM 2008, 1285 (1286); Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 6. 10 Seibt/von Bonin/Isenberg, AG 2008, 565 (567, 577) unter Verweis auf die prospektfreie Zulassung von Aktien der Evotec AG nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 WpPG auf Grundlage eines US-amerikanischen Statement F-4.

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Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

§ 4 WpPG

Voraussetzung für eine Befreiung von der Prospektpflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 WpPG ist, dass die öffentlich angebotenen Wertpapiere anlässlich einer Verschmelzung1 angeboten oder zugeteilt werden oder zugeteilt werden sollen und ein Dokument verfügbar ist, dessen Angaben denen eines Prospekts nach dem WpPG gleichwertig sind.

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Der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 3 WpPG wird im Schrifttum als weitgehend 16 überflüssig angesehen, da mit der Eintragung der erfolgten Verschmelzung der Wechsel in der Aktionärseigenschaft gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG eintritt, so dass es bereits an einem von der Prospektpflicht auszunehmenden öffentlichen Angebot fehlt2. Ein zwischenzeitliches, kurzfristiges Erlöschen der Zulassung und der Börsennotierung des verschmolzenen Unternehmens bis zur Aufnahme der Notierung der Aktien des übernehmenden Rechtsträgers schadet hierbei richtigerweise nicht. Ein Anwendungsbereich verbleibt damit lediglich für solche Fälle, in denen auf Grund der gesetzlich geregelten Ausnahmefälle des § 29 UmwG ein Wahlrecht besteht oder in denen eine Zuzahlung erforderlich ist, so dass ein Angebot erfolgt3. Eine entsprechende Ausgestaltung ist zudem nach ausländischem Recht denkbar, da der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Nr. 3 WpPG nicht auf Verschmelzungen nach dem deutschen Umwandlungsgesetz beschränkt ist. Teilweise wird vertreten, bei einer Verschmelzung nach den Vorschriften 17 des UmwG sei im Grundsatz davon auszugehen, dass es über den Verschmelzungsbericht hinausgehender Informationen nicht bedarf. Dies wird damit begründet, dass aufgrund der Sicherstellung einer ausreichenden Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung durch unabhängige Dritte, zB Verschmelzungsprüfer, weitergehende Maßnahmen des Anlegerschutzes nicht erforderlich seien4. Die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur vertritt hingegen richtigerweise die Auffassung, dass ein (aktueller)5 Verschmelzungsbericht nach § 8 UmwG bzw. nach einer entspre1 CESR hat sich für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auf alle Arten von Unternehmenszusammenschlüssen und -spaltungen ausgesprochen, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 WpPG erfüllt sind, siehe CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 30. Die Ausgabe neuer Aktien im Zuge eines sog. Scheme of Arrangement nach englischem Recht fällt idR nicht hierunter, vgl. Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 4 WpPG Rz. 16. Im Zuge der Änderung der Prospektrichtlinie sollen auch Spaltungen erfasst sein, Ratsdokument 10254/10, 4. (a0). 2 Zur Vorgängerregelung des § 4 Abs. 1 Nr. 7 VerkProspG aF Schwark in Schwark, § 4 VerkProspG Rz. 18; zu § 4 WpPG siehe Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 5; Groß, Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 4; Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 179. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 4; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 5; Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 4 WpPG Rz. 12. 4 So Groß, Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 4. 5 Aufgrund der zeitlichen Differenz zum Verschmelzungsbericht kann die Veröffentlichung einer aktualisierten Fassung erforderlich sein. Je nach dem Umfang

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chenden ausländischen Vorschrift in diesen Ausnahmefällen dem Erfordernis eines gleichwertigen Dokuments nur dann genügt, wenn solche Angaben, die nach § 7 WpPG iVm. den anwendbaren Anhängen der ProspektVO erforderlich sind, aber über den von § 8 UmwG vorgesehenen Umfang hinausgehen, in diesem ergänzt werden1. Hierzu zählen insbesondere die Risikofaktoren, die Verantwortungsklausel und eine Zusammenfassung. 4. Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln und Sachdividenden (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 WpPG) 18

§ 4 Abs. 1 Nr. 4 WpPG setzt Art. 4 Abs. 1 lit. d Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um. Seine Vorgängerregelung ist § 4 Abs. 1 Nr. 4 VerkProspG aF, demgegenüber § 4 Abs. 1 Nr. 1 WpPG jedoch nunmehr auch Dividenden in Form von Aktien erfasst und das zusätzliche Erfordernis eines gleichwertigen Dokuments enthält2. Für Zwecke der Zulassung findet sich ein entsprechender Befreiungstatbestand in § 4 Abs. 2 Nr. 5 WpPG.

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Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 WpPG kann die Ausgabe von neuen Aktien aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ebenso wie die Dividendenzahlung in Form von Aktien prospektfrei erfolgen. Der hierdurch geschaffene Ausnahmetatbestand ist im deutschen Recht überflüssig und hat allein für ausländischem Recht unterstehenden Emittenten einen eigenen Anwendungsbereich3. Er soll im Zuge der Änderung der Prospektrichtlinie entfallen4.

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Die Ausgabe neuer Aktien im Zuge einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln stellt nach dem in §§ 207 ff. AktG vorgesehenen Konzept kein Angebot dar, da den Aktionären die neu geschaffenen Aktien von Gesetzes wegen unmittelbar zustehen (§ 212 AktG)5.

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Gleiches gilt für die Gewährung von Sachdividenden in Form von Aktien, da diese idR. girosammelverwahrt sind und die neuen Aktien ohne Mit-

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neu hinzugekommener Angaben kann sich in solchen Fällen die Veröffentlichung eines Prospekts anstelle des aktualisierten Verschmelzungsberichts anbieten. Gegen die Zulässigkeit einer Aktualisierung jedoch Gebhardt in Schäfer/ Hamann, § 4 WpPG Rz. 13; Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 4 WpPG Rz. 12. Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 55; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 5; Veil/Wundenberg, WM 2008, 1285 (1288); Seibt/von Bonin/Isenberg, AG 2008, 565 (570); Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 7. Siehe hierzu die CESR-Empfehlungen, CESR/05-054b, Nr. 173 ff. So auch Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 8. Ratsdokument 10254/10, 4. (a). Groß, Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 5; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 56; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 6; Ponick in Grunewald/ Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 207 Fn. 26. Zur Vorgängerregelung des § 4 Abs. 1 Nr. 4 VerkProspG aF bereits entsprechend Ritz in Assmann/Lenz/ Ritz (Voraufl.), § 4 VerkProspG Rz. 25; Heidelbach in Schwark, § 4 VerkProspG Rz. 15; Hamann in Schäfer, § 4 VerkProspG Rz. 12.

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Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

wirkung der Aktionäre diesen im Giroverkehr automatisch zugebucht werden1. 5. Mitarbeiterbeteiligungsprogramme (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG) § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG setzt Art. 4 Abs. 1 lit. e Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um. Sein Anwendungsbereich ist gegenüber der Vorgängerregelung des § 2 Nr. 3 VerkProspG aF weiter gefasst. Im Hinblick auf die prospektfreie Zulassung wird er durch § 4 Abs. 2 Nr. 6 WpPG ergänzt.

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§ 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG befreit Mitarbeiterbeteiligungsprogramme von der Prospektpflicht, wenn die Wertpapiere derzeitigen oder ehemaligen Mitgliedern von Geschäftsführungsorganen oder Arbeitnehmern von ihrem Arbeitgeber oder einem ihm verbundenen Unternehmen iS des § 15 AktG gewährt werden und diesen ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über Art und Anzahl der Wertpapiere sowie die Gründe und Einzelheiten des Angebots enthält.

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Das Erfordernis für einen solchen Befreiungstatbestand war schon vor Inkrafttreten des WpPG hinsichtlich der Vorgängerregelung umstritten. Während teilweise ein fehlendes Schutzbedürfnis der Mitarbeiter wegen ausreichenden Informationszugangs angenommen wurde, so dass ein Befreiungstatbestand von der Prospektpflicht erforderlich sei2, wurde andererseits auf die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers als Grundlage einer Informationspflicht abgestellt und das Erfordernis einer Befreiung von der Prospektpflicht verneint3. Ob ein öffentliches Angebot beim Angebot von Wertpapieren an Mitarbeiter besteht und damit die Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG überhaupt Relevanz hat, richtet sich nach einer im Vordringen befindlichen Auffassung nach dem Informationsbedürfnis der Wertpapierempfänger im Einzelfall4.

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Darüber hinaus scheiden andere Fälle aus, in denen bereits kein prospekt- 25 pflichtiges öffentliches Angebot von Wertpapieren vorliegt. Hierzu zählen ua. Fälle, in denen (i) lediglich Wertrechte ausgegeben werden, so dass es bereits an der Wertpapiereigenschaft fehlt5, (ii) Wertpapiere kostenlos zuge-

1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 5; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 6. 2 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 23; Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 VerkProspG Rz. 11. 3 Heidelbach in Schwark, § 2 VerkProspG Rz. 12; Hamann in Schäfer, § 2 VerkProspG Rz. 4; zu § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG: Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 9. 4 So bereits Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 21; siehe auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 7; Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (83 f.); Leuering, Der Konzern 2006, 4 (9); Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 (226); Kollmorgen/ Feldhaus, BB 2007, 2756 (2758); Pfeiffer/Buchinger, NZG 2006, 449 (450). 5 Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 f.

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teilt werden (free offer), die Anleger also keine (mittelbare)1 Vermögensdisposition treffen2, oder (iii) die Wertpapiere nicht übertragbar sind3. Handelt es sich bei den Wertrechten um Optionen, die zum Erwerb von Wertpapieren berechtigen, liegt nach Auffassung der BaFin jedoch ein (grundsätzlich prospektpflichtiges) öffentliches Angebot zu dem Zeitpunkt vor, zu dem die Option ausübbar ist und übertragbare Wertpapiere erworben werden können4. Zu diesem Zeitpunkt ist nach Auffassung der BaFin daher zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Prospektpflicht, etwa nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG oder § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG, vorliegen. Dies überdehnt uE die Prospektpflicht. Die Auffassung von CESR, wonach die Ausübung der Optionen lediglich die Durchführung eines früheren, eben nicht prospektpflichtigen Angebots und mithin kein erneutes Angebot darstellt, erscheint hingegen überzeugend. 26

In der Praxis bedarf es einer Berufung auf § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG nicht, wenn sich das Angebot in Deutschland an weniger als 100 Mitarbeiter richtet (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 WpPG)5. Häufig wird eine Prospektpflicht auch bereits deshalb ausscheiden, weil der Verkaufspreis für alle angebotenen Wertpapiere innerhalb eines Jahres weniger als 100.000 Euro beträgt (§ 3 Abs. 2 Nr. 5 WpPG) oder der Verkaufspreis für alle über einen Zeitraum von zwölf Monaten angebotenen Wertpapiere weniger als 2,5 Mio. Euro beträgt und die Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG)6.

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Findet § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG Anwendung, so ist umstritten, ob nur vom Arbeitgeber emittierte Wertpapiere oder auch andere, zB von einer anderen Konzerngesellschaft ausgegebene, Wertpapiere, die vom Arbeitgeber angeboten werden, von der Vorschrift erfasst sind. Teilweise wird darauf abgestellt, dass nach dem Schutzzweck des Gesetzes, die Kapitalbeteiligung von Ar-

1 Eine mittelbare Vermögensdisposition liegt etwa vor, wenn die gewährten Wertpapierrechte auf das Gehalt der Mitarbeiter angerechnet werden, siehe CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 6. 2 Siehe auch Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 (227); Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 2756 (2757); Giedinghagen, BKR 2007, 233 (234); Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 9; Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 181. 3 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 59 ff. 4 Siehe dazu CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 5; Glomb-Schmidt/von Rintelen, Ausgewählte Rechtsfragen und neue Tendenzen in der Verwaltungspraxis, BaFin-Workshop v. 29.5.2006. 5 Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 2756 (2758); siehe auch Heidelbach in Schwark, § 2 VerkProspG Rz. 14. 6 Zu den Voraussetzungen für das Eingreifen des § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG siehe die Kommentierung zu § 1 WpPG Rz. 37 ff., zu § 3 Abs. 2 Nr. 5 WpPG siehe § 3 WpPG Rz. 34 ff.

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beitnehmern an ihren Arbeitgebergesellschaften zu fördern, eine teleologische Reduktion erforderlich sei, so dass nur vom Arbeitgeber emittierte Wertpapiere erfasst sind1. Dies engt den Anwendungsbereich jedoch unnötig ein2. Jedenfalls von einem verbundenen Unternehmen iS des § 15 AktG ausgegebene Wertpapiere und solche, deren Basiswert Wertpapiere des Arbeitgebers sind3, sind richtigerweise von der Prospektbefreiung erfasst. Somit würde etwa eine über eine Finanztochter begebene Wandelanleihe, die zur Wandlung in Aktien des Arbeitgebers berechtigt, ebenfalls § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG unterfallen. Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG ist weiterhin, dass Wertpapiere 28 des Arbeitgebers bereits an einem organisierten Markt zugelassen sind. Nicht erforderlich ist indes, dass die den Mitarbeitern angebotenen Wertpapiere zur gleichen Gattung gehören wie die börsennotierten Wertpapiere des Arbeitgebers4. Dementsprechend können auch Emittenten börsenzugelassener Schuldverschreibungen ihren Mitarbeitern nicht börsenzugelassene Aktien anbieten. Die Zulassung an einem organisierten Markt beschränkt sich jedoch auf organisierte Märkte innerhalb des EWR iS des § 2 Nr. 16 WpPG5. Damit können sich insbesondere US-amerikanische Unternehmen, die häufig Mitarbeiterbeteiligungsprogramme auflegen, ohne innerhalb des EWR zugelassene Wertpapiere ausgegeben zu haben, und Unternehmen, deren Wertpapiere an einem nicht organisierten Markt, etwa dem Entry Standard (Open Market) der Frankfurter Wertpapierbörse, dem AIM der Londoner Börse oder dem Euro MTF Market der Luxemburger Wertpapierbörse gehandelt werden, bisher nicht auf den Befreiungstatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG berufen. Solche Emittenten müssen daher für ihre europäischen Mitarbeiter einen Prospekt veröffentlichen und die damit verbundenen Konsequenzen (Kosten, Haftungsrisiko etc.) tragen, sofern ein öffentliches Angebot vorliegt und nicht eine andere Ausnahme von der Prospektpflicht greift6. Denkbar wäre zwar, dass die BaFin einen Prospekt eines 1 Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 4 WpPG Rz. 16; Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 4 WpPG Rz. 20, 23; zur Vorgängerregelung des § 2 Nr. 3 VerkProspG aF Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 24; zu § 4 WpPG: Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 11. 2 Siehe auch Heidelbach in Schwark, § 2 VerkProspG Rz. 12. 3 Leuering, Der Konzern 2006, 4 (9). 4 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 7; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 64; Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 15 Fn. 39; Apfelbacher/Metzner, BKR 2005, 81 (83); Pfeiffer/Buchinger, NZG 2006, 449 (450 f.); Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 4 WpPG Rz. 26; aA Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 11. 5 Unter Verweis auf Art. 2 Abs. 1 lit. j Prospektrichtlinie und den dort enthaltenen Verweis auf Art. 1 Abs. 13 Wertpapierdienstleistungsrichtlinie auch Kollmorgen/ Feldhaus, BB 2007, 225 (227); Pfeiffer/Buchinger, NZG 2006, 449 (450); GlombSchmidt/von Rintelen, Ausgewählte Rechtsfragen und neue Tendenzen in der Verwaltungspraxis, BaFin-Workshop 29.5.2006. 6 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 7; Ponick in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarkt-

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Drittstaatemittenten gemäß § 20 Abs. 1 WpPG als gleichwertig anerkennt. Eine entsprechende Rechtsverordnung nach § 20 Abs. 3 WpPG wurde jedoch bislang nicht veröffentlicht. Eine Privilegierung für inländische Konzerngesellschaften eines ausschließlich in einem Drittstaat börsennotierten Emittenten findet im Gesetz ebenfalls keine Stütze1. 29

Im Lichte der starken Beschränkung des Anwendungsberechs von § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die entsprechende Bestimmung der Prospektrichtlinie (Art. 4 Abs. 1 lit. e) dahingehend zu ändern, dass alle Wertpapiere, die durch Arbeitgeber bzw. mit ihm verbundene Unternehmen, deren Hauptsitz in der EU liegt, derzeitigen oder ehemaligen Mitgliedern von Geschäftsführungsorganen oder Arbeitnehmern gewährt werden, von der Prospektpflicht ausgenommen sind, unabhängig davon, ob die Wertpapiere des Arbeitgebers gehandelt werden oder nicht2. Diese Ausweitung des Anwendungsbereichs wäre angesichts des ansonsten bestehenden, erhöhten Aufwandes für bislang ausgeschlossene Emittenten zu begrüßen3. Der Rat will die Ausnahme zudem auf Drittstaatenemittenten erweitern, deren Wertpapiere an einem organisierten Markt oder einem gleichwertigen Markt außerhalb der EU zugelassen sind4.

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Sind die oben genannten Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG erfüllt, so hat der Emittent anstelle des Prospekts ein gleichwertiges (allerdings nicht gebilligtes) Dokument zur Verfügung zu stellen. Der Inhalt eines solchen so genannten kleinen Prospekts wird in den CESR-Empfehlungen näher spezifiziert. Danach muss der kleine Prospekt Angaben zur Identität des Emittenten, Hinweise auf zusätzliche, zugängliche Informationen über den Emittenten, Gründe für das Angebot, einen Verweis auf § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG zur Erläuterung der Befreiung von der Prospektpflicht sowie nähere Angaben zum Angebot enthalten, die jedoch im Vergleich zu den Angaben in einem Prospekt nach dem WpPG abgekürzt und zusam-

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recht, S. 207 Fn. 27; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 10; Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 (227); Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (527); Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (83 f.); Giedinghagen, BKR 2007, 233 (237); Kollmorgen/Feldhaus, BB 2005, 225 (227); Leuering, Der Konzern 2006, 4 (9); Pfeiffer/Buchinger, NZG 2006, 449 (450). Leuering, Der Konzern 2006, 4 (9); weitergehend Giedinghagen, BKR 2007, 233 (237); Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 65. Vorschlag für eine Änderung der Prospektrichtlinie, Ratsdokument 10254/10, Nr. 4 (b). So auch die gemeinsame Stellungnahme von SIFMA und LIBA v. 10.3.2009; kritisch die Stellungnahme der IBA v. 10.3.2009. Ratsdokument. Bis dahin soll durch CESR ein „common light touch approach“ und ein verkürztes Veröffentlichungsregime geprüft werden; vgl. CESR Public Statement – CESR starts work on Employee Share Scheme Prospectuses: European Commission’s Request to CESR for assistance on employee share schemes, 13.12.2007, CESR/07-825; CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 71; vgl auch Harrer/Janssen, Going Public 2009, 36 (37).

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mengefasst werden können1. Ebenso wie ein Prospekt nach dem WpPG darf der kleine Prospekt nicht allein werbenden Charakter haben und sich nicht allein auf die Wiedergabe positiver Angaben beschränken, sondern muss als Informationsdokument eine ausgewogene Darstellung der Fakten enthalten. Zwar würde es zu weit gehen, die Aufnahme von Risikofaktoren und einer Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu fordern, die erst nach Durchführung einer Due Diligence abschließend formuliert werden können. Jedoch sollten dem Emittenten bekannte Risiken und negative Entwicklungen, etwa die im Konzernanhang und Lagebericht hierzu enthaltenen Angaben, in Form von Risikohinweisen auch im kleinen Prospekt enthalten sein. Es bedarf keiner Veröffentlichung eines solchen kleinen Prospekts, vielmehr reicht es aus, dass dieser den Empfängern der Wertpapiere zugänglich gemacht wird2.

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III. Prospektbefreiung bei Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt (§ 4 Abs. 2 WpPG) Flankierend zu den Ausnahmetatbeständen für ein öffentliches Angebot sieht § 4 Abs. 2 WpPG Ausnahmen von der Prospektpflicht für die Zulassung zum Handel vor. Während früher die Börse auf Antrag über eine Prospektbefreiung zu entscheiden hatte (§ 45 BörsZulV aF), sind die Befreiungstatbestände des § 4 Abs. 2 WpPG als Legalausnahmen ausgestaltet3. Zuständig für die Zulassung an einer deutschen Börse ist seit Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie4 deren Geschäftsleitung5. Sie hat aufgrund der Gestaltung der Prospektbefreiungen als Legalausnahmen kein Ermessen. Auch bedarf es keines Antrags, um sich auf einen der Ausnahmetatbestände des § 4 Abs. 2 WpPG zu berufen6. 1 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CSER Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09 – 1148, Ziffer 71. 2 CESR/05-054b, Ziffer 173 ff.; CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 9th Updated Version – September 2009, CESR/09-798, Ziffer 71. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 7; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 12; A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 9; Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 2; Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (930). 4 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004. 5 Zur Umsetzung der MiFID und ihre Auswirkungen auf Aktien- und Equity-Linked Transaktionen siehe Schlitt/Schäfer, AG 2007, 227 ff. 6 Eine Antragspflicht darf auf nationaler Ebene nicht eingeführt werden; vgl. Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (505); siehe auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 9; Schlitt/Ponick

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Die verschiedenen Legalausnahmen stehen separat nebeneinander, so dass sie kumuliert oder auch in engem zeitlichen Zusammenhang nacheinander genutzt werden können1.

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Die für die Börsenzulassung zuständigen Börsen gingen bei Inkrafttreten des WpPG zunächst davon aus, dass die BaFin Fälle des § 4 Abs. 2 WpPG prüfen und den Zulassungsantragstellern eine Negativbescheinigung ausstellen würde, auf deren Grundlage die Zulassung erfolgt2. Die BaFin hat eine entsprechende Praxis jedoch nicht aufgenommen, so dass die Prüfung, ob eine Berufung auf die Ausnahmetatbestände des § 4 Abs. 2 WpPG greift, dem Emittenten und der Börse obliegt3. In der Praxis beschränkt sich die Prüfung der Börse auf eine Abstimmung nach Ausfüllen eines Formblatts4.

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Vor diesem Hintergrund stellt sich hinsichtlich sämtlicher der nachfolgend im Einzelnen beschriebenen Ausnahmetatbestände die Frage, wie weit die Prüfungskompetenz der Geschäftsleitung der Börse reicht. Da § 4 Abs. 2 WpPG mit der alleinigen Kompetenz der BaFin zu Fragen der Prospektprüfung und -billigung bricht, hat die Börse im Rahmen der Zulassungsentscheidung eine materielle Prüfungskompetenz hinsichtlich prospektbefreiender Darstellungen, zB nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpPG, und des Vorliegens der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen eines der Befreiungstatbestände des § 4 Abs. 2 WpPG5. Allerdings geht diese Prüfungskompetenz richtigerweise nicht weiter als die Reichweite der Prüfung eines Prospektes nach dem WpPG durch die BaFin, die sich materiell auf die innere Widerspruchsfreiheit (Kohärenz) beschränkt6.

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in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 73. Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 74. Frankfurter Wertpapierbörse, Rundschreiben Listing 01/2005 v. 2.6.2005. Hiervon geht auch Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 16 aus. Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006, § 4 WpPG Rz. 8; Seibt/von Bonin/Isenberg, AG 2008, 565 (566); Schnorbus, AG 2008, 389 (400); Gebhardt in Schäfer/ Hamann, § 4 WpPG Rz. 4. Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 4 WpPG Rz. 27. Mülbert/Steup, WM 2005, 1633 (1641); Groß, Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 9; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 1; Veil/Wundenberg, WM 2008, 1285 (1286); aA Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 4 WpPG Rz. 20; unter Berufung auf die (zwischenzeitlich aufgegebene) Forderung der Börse nach einer Negativbescheinigung der BaFin Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 16; Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1670); Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 12, die lediglich von einer formellen Prüfungskompetenz ausgehen. So auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 9; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 12; Seibt/von Bonin/Isenberg, AG 2008, 565 (567); in diesem Sinne auch Veil/Wundenberg, WM 2008, 1285 (1291). Zur Reichweite der Prüfung durch die BaFin siehe die Kommentierung zu § 13 WpPG Rz. 9 ff.

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§ 4 WpPG

Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

1. 10 %-Kapitalerhöhungen (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG setzt Art. 4 Abs. 2 lit. a Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um.

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§ 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG ersetzt die Vorgängerregelung des § 45 Nr. 3 lit. b BörsZulV aF, enthält jedoch darüber hinausgehend eine zeitliche Einschränkung (Zwölf-Monats-Zeitraum, dazu unten Rz. 40).

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Er nimmt die Börsenzulassung neuer Aktien von der Prospektpflicht aus, wenn der Emittent bereits an einem organisierten Markt zugelassen ist und die zuzulassenden Aktien über einen Zeitraum von zwölf Monaten weniger als 10 % der Aktien derselben Gattung ausmachen, die bereits zum Handel an demselben organisierten Markt zugelassen sind. Wie seine Vorgängerregelung soll § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG damit die kurzfristige Aufnahme von Kapital am Kapitalmarkt durch geringvolumige Aktienemissionen ermöglichen, die durch den langwierigen Prozess einer Prospekterstellung verhindert würde.

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§ 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG ist das prospektrechtliche Pendant zu § 186 Abs. 3 39 Satz 4 AktG1, der Aktiengesellschaften im Falle so genannter 10 %-Kapitalerhöhungen von der Pflicht, ein (mindestens zweiwöchiges) Bezugsangebot durchzuführen, befreit. In Zusammenschau mit der in § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG verankerten Möglichkeit zum vereinfachten Bezugsrechtsausschluss bietet § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG iVm. § 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG die Möglichkeit, kleinere Kapitalerhöhungen börsennotierter Unternehmen prospektfrei bei institutionellen Investoren zu platzieren und die neuen Aktien im Anschluss prospektfrei zuzulassen2. Leider wurde es versäumt, beide Bestimmungen aufeinander abzustimmen3. Dies äußert sich darin, dass § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG lediglich die Zulassung neuer Aktien, die weniger als 10 % der bereits zugelassenen Aktien derselben Gattung ausmachen, von der Prospektpflicht befreit, während § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG auch Kapitalerhöhungen von genau 10 % noch von der Pflicht zur Unterbreitung eines Bezugsangebots an die Altaktionäre befreit. Dies führt in der Praxis dazu, dass 1 Zu Kapitalerhöhungen nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG umfassend R. Krause in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 6; Ries in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 52 ff.; Busch in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 42 Rz. 84 ff.; Schlitt/ Schäfer, AG 2005, 67 ff. 2 Der Ablauf von 10 %-Kapitalerhöhungen wurde mit Inkrafttreten des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (FRUG) am 1.11.2007 dahingehend vereinfacht, dass es einer Veröffentlichung des Zulassungsantrags drei Tage vor der Zulassung nicht mehr bedarf. Diese zuvor bestehende Pflicht hatte dazu geführt, dass entweder ein Wertpapierdarlehen bei Aktionären aufgenommen oder mit den Erwerbern der Aktien eine spätere Lieferung vereinbart werden musste. Siehe dazu und zu weiteren Auswirkungen des FRUG Schlitt/Schäfer, AG 2007, 227 ff. 3 Siehe auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 9; Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 14 Fn. 34; Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (527).

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Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

solche Kapitalerhöhungen maximal 10 % minus eine Aktie betragen und der Begriff „10 %-Kapitalerhöhung“ unscharf ist. Hinzu kommt, dass die Zwölf-Monats-Frist des § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG nicht berücksichtigt, dass nach hM Kapitalerhöhungen in einem Volumen von mehr als 10 % innerhalb von zwölf Monaten unter Berufung auf § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG vorgenommen werden können, sofern die Hauptversammlung zwischenzeitlich eine erneute Ermächtigung nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG beschließt1. 40

Die Berechnung des Zwölf-Monats-Zeitraums geht aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG nicht klar hervor. Richtigerweise ist bei der Errechnung des 10 %-Volumens grundsätzlich auf die Anzahl der zugelassenen Aktien zum Zeitpunkt der gewünschten Zulassung2 abzustellen3. Jede Nutzung der 10 %-Ausnahme4 setzt eine zwölfmonatige Frist in Gang, innerhalb derer maximal 10 % minus eine Aktie des zu diesem Zeitpunkt zugelassenen Aktienbestands prospektfrei zugelassen werden dürfen. Im Falle mehrerer aufeinander folgender Kapitalerhöhungen mit erleichtertem Bezugsrechtsausschluss5 können daher uU sich teilweise überschneidende Zwölf-Monats-Fristen zu beachten sein6. Die Berechnung der Frist richtet sich nach §§ 187 ff. BGB7. Die prospektfreie Zulassung von Aktien unter Nutzung anderer Ausnahmen von der Prospektpflicht nach § 4 Abs. 2 WpPG bleibt hingegen bei dieser Berechnung unberücksichtigt8. 1 Siehe dazu Ries in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 55 f. mwN. 2 Zum Börsenzulassungsverfahren siehe Trapp in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 31; Groß in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 9. 3 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 31; Schnorbus, AG 2008, 389 (407); Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 13; Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (528); Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 4 WpPG Rz. 27; Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 14. Demgegenüber ging der Gesetzgeber von der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Börseneinführung (Notierungsaufnahme) aus, Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 30. 4 Zeitpunkt der Nutzung ist nach der Praxis der Frankfurter Wertpapierbörse der Zeitpunkt des Zulassungsbeschlusses, siehe auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 4 WpPG Rz. 34. 5 Zu den gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen für mehrere bis zu 10 %ige Kapitalerhöhungen innerhalb eines Jahres Kraft/Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 88; Peifer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 186 AktG Rz. 86; Schwark in FS Claussen, 1997, S. 357 (376); Ihrig/Wagner, NZG 2002, 657 (661); Schlitt/ Schäfer, AG 2005, 67 (69). 6 Siehe dazu Lachner/von Heppe, WM 2008, 576 (578 f.); Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 4 WpPG Rz. 29. 7 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 30; Keunecke, Rz. 197. 8 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009,

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Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

§ 4 WpPG

Bezugsgröße des 10 %igen Volumens ist die zu dem oben genannten maß- 41 geblichen Zeitpunkt bereits zugelassene Anzahl von Aktien einer Gattung iS des § 11 Satz 2 AktG, unabhängig davon, ob sie sich hinsichtlich des Beginns der Dividendenberechtigung unterscheiden1. Aufgrund der Verpflichtung, alle Aktien einer Gattung am regulierten Markt zuzulassen, hat die vor Zusammenlegung des amtlichen und geregelten Markts am 1.11.2007 umstrittene Frage, ob dabei nur die an demselben organisierten Markt zugelassenen oder alle an einem organisierten Markt zugelassenen Aktien bei der Berechnung zu Grunde zu legen sind, keine Relevanz mehr2. Eine dem § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG entsprechende Regelung in § 4 Abs. 1 WpPG fehlt, so dass ein öffentliches Angebot von Aktien, anders als vor Inkrafttreten des WpPG (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 VerkProspG aF), auch bei Wahrung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG einer Prospektpflicht unterliegen würde3. Da 10 %-Kapitalerhöhungen jedoch typischerweise bei qualifizierten Anlegern platziert werden, sind sie häufig ohnehin von der Prospektpflicht befreit (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG)4.

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Neben 10 %-Kapitalerhöhungen können nach richtiger Auffassung auch größervolumige Kapitalerhöhungen unter Berufung auf die Befreiung von der Prospektpflicht gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG zum Börsenhandel zugelassen werden. Die Frankfurter Wertpapierbörse hat sich ebenfalls dahingehend geäußert, dass eine Berufung auf die ,10 %-Ausnahme auch innerhalb mehrerer, aufeinander folgender Zwölf-Monats-Zeiträume möglich ist5. Zwar sind grundsätzlich alle neuen Aktien innerhalb von einem Jahr nach ihrer Ausgabe zum Börsenhandel zuzulassen (§ 40 Abs. 1 BörsG iVm. §§ 7 Abs. 1, 69 BörsZulV). Sind die Aktien jedoch nicht frei handelbar, ist der Antrag auf Zulassung erst zum Zeitpunkt ihrer freien Handelbarkeit zu

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CESR/09-1148, Ziffer 32; Lachner/von Heppe, WM 2008, 576 (579); A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 7; Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 183/184; Schnorbus, AG 2008, 389 (407). Eine Anrechnung nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG prospektfrei erfolgter Zulassungen auf das nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG zur Verfügung stehende Volumen, wie es Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 24 vertreten, ist ebenfalls abzulehnen. Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 30. Siehe auch Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 5. Siehe hierzu Groß, Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 10; Ritz in Assmann/Lenz/ Ritz (Voraufl.), § 4 VerkProspG Rz. 17; Hamann in Schäfer, § 4 VerkProspG Rz. 10. Zur Problematik vor Zusammenlegung des amtlichen und geregelten Markts siehe Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 14 Fn. 32; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 192. Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 13; Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (930); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (501). Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 58; Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 184; Ponick in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 207; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (501); Schnorbus, AG 2008, 389 (407). AA Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 14 unter Berufung auf § 69 BörsZulV, was jedoch Strukturierungen mit Haltevereinbarung ausblendet.

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§ 4 WpPG

Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

stellen (§ 69 Abs. 2 BörsZulV)1. Dementsprechend kann eine Kapitalerhöhung über 10 % oder mehr des Grundkapitals so strukturiert werden, dass zunächst Aktien in Höhe von 9,99 % des Grundkapitals prospektfrei nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG zugelassen werden und der Investor, der die übrigen Aktien erwirbt, eine harte Haltevereinbarung für mindestens zwölf Monate eingeht. Der Emittent hat in diesem Fall der Börse gegenüber eine Stellungnahme abzugeben, warum eine Haltevereinbarung abgeschlossen wurde (regelmäßig wird es sich dabei um eine entsprechende Investitionsvereinbarung zwischen Emittent und Investor handeln) und warum dem Investor daraus keine Nachteile erwachsen (zB aufgrund Kompensation durch ihm im Gegenzug gewährte Rechte). Die Beantragung einer Teilzulassung ist darüber hinaus zusammen mit den Gründen in einem Börsenpflichtblatt zu veröffentlichen. Die der Haltevereinbarung unterliegenden Aktien sind nach Auffassung der Frankfurter Wertpapierbörse in diesem Fall mit einer separaten ISIN zu versehen. Nach Ablauf der Haltevereinbarung können dann erneut 9,99 % der Aktien unter Nutzung der Ausnahme des § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG prospektfrei zugelassen werden. 2. Aktientausch (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 WpPG) 44

§ 4 Abs. 2 Nr. 2 WpPG setzt Art. 4 Abs. 2 lit. b Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um. Er ersetzt die Vorgängerregelung des § 45 Nr. 2 lit. c BörsZulV aF. Die Regelung bildet das Pendant zu § 4 Abs. 1 Nr. 1 WpPG. Siehe daher die Kommentierung oben Rz. 5 ff. 3. Übernahmevorgänge (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 WpPG)

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§ 4 Abs. 2 Nr. 3 WpPG setzt Art. 4 Abs. 2 lit. c Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um. Ihm entsprach vor Inkrafttreten des WpPG § 45 Nr. 1 lit. b Alt. 1 BörsZulV aF. Die Regelung bildet das Pendant zu § 4 Abs. 1 Nr. 2 WpPG. Siehe daher die Kommentierung oben Rz. 8 ff. 4. Verschmelzungsvorgänge (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 WpPG)

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§ 4 Abs. 2 Nr. 4 WpPG setzt Art. 4 Abs. 2 lit. d Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um. Er entspricht der Vorgängerregelung des § 45 Nr. 1 lit. b Alt. 2 BörsZulV aF. Der Begriff des Zuteilens deckt nach der Regierungsbegründung (sprachlich etwas unscharf) auch die Fälle einer reinen Zulassung ohne (öffentliches) Angebot ab2. Die Regelung bildet das Pendant zu § 4 Abs. 1 Nr. 3 WpPG. Siehe daher die Kommentierung oben Rz. 14 ff.

1 Zur Teilzulassung im Einzelnen Bloß/Schneider, WM 2009, 879 (887 ff.). 2 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 30; siehe auch Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 15.

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§ 4 WpPG

Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

5. Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln und Sachdividenden (§ 4 Abs. 2 Nr. 5 WpPG) § 4 Abs. 2 Nr. 5 WpPG setzt Art. 4 Abs. 2 lit. e Prospektrichtlinie ins deut- 47 sche Recht um. Eine entsprechende Ausnahme enthielt vor Inkrafttreten des WpPG § 45 Nr. 2 lit. a BörsZulV aF, wobei diese auf Sachdividenden in Form von Aktien nicht einging. § 4 Abs. 2 Nr. 5 WpPG bildet das Pendant zu § 4 Abs. 1 Nr. 4 WpPG. Allerdings ist für Zwecke der Zulassung zusätzlich erforderlich, dass Aktien derselben Gattung bereits zum Handel an demselben organisierten Markt zugelassen sind. Der Befreiungstatbestand des § 4 Abs. 2 Nr. 5 WpPG ist ähnlich wie die Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 4 WpPG hinsichtlich Aktien aus einer Sachkapitalerhöhung deklaratorischer Natur1, da die Zulassung der neuen Aktien im Falle einer Sachkapitalerhöhung gemäß § 33 Abs. 4 EGAktG kraft Gesetzes erfolgt, ohne dass es eines Zulassungsverfahrens bedarf2. 6. Mitarbeiterbeteiligungsprogramme (§ 4 Abs. 2 Nr. 6 WpPG) § 4 Abs. 2 Nr. 6 WpPG setzt Art. 4 Abs. 2 lit. f Prospektrichtlinie ins deut- 48 sche Recht um. Er ersetzt die Vorgängerregelung des § 45 Nr. 3 lit. c BörsZulV aF. Die Regelung bildet das Pendant zu § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG; allerdings ist zusätzlich erforderlich, dass Aktien derselben Gattung bereits zum Handel an demselben organisierten Markt zugelassen sind, was eine Verengung der Tatbestandsvoraussetzungen gegenüber § 4 Abs. 1 Nr. 5 WpPG darstellt3. Die Frankfurter Wertpapierbörse verlangt regelmäßig, dass das Programm bereits konkretisiert ist, also beschlossen wurde4. Siehe im Übrigen die Kommentierung oben Rz. 22 ff. 7. Aktien aus Umtausch- oder Bezugsrechten (§ 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG) § 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG setzt Art. 4 Abs. 2 lit. g Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um. Er entspricht der Regelung des § 45 Nr. 2 lit. b BörsZulV aF.

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§ 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG ist für den Fall der Ausübung von Wandlungs- und 50 Bezugsrechten, insbesondere aus Wandel- und Umtauschanleihen, von großer praktischer Bedeutung5. Voraussetzung für die prospektfreie Zulassung 1 Siehe auch Schwark, § 45 BörsZulV Rz. 4; Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 45–47 BörsZulV Rz. 4, 3. Aufl. 2006, § 4 WpPG Rz. 17; Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 16; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 193; Ekkenga, BB 2005, 561 (563). 2 Unter der Zulassung zum „amtlichen Handel“ gemäß § 33 Abs. 4 EGAktG ist nach Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie ins deutsche Recht die Zulassung zum regulierten Markt an einer oder mehreren der deutschen Wertpapierbörsen zu verstehen. 3 Siehe auch Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 17. 4 Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 19. 5 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 71; Schnorbus, AG 2008, 389 (408); vgl. auch Angersbach/von

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§ 4 WpPG

Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

der Aktien, die nach Ausübung des (zuvor übertragbaren1) Wandlungs- oder Umtauschrechts durch den Anleihegläubiger an diesen geliefert werden, ist, dass die Aktien erst nach der Ausübung des Wandlungs- oder Umtauschrechts ausgegeben werden und derselben Gattung wie bereits zugelassene Aktien angehören2. Werden Wandlungs- oder Umtauschanleihen mit eigenen Aktien bedient, scheidet die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG daher aus3. Hierfür besteht jedoch zumindest seit der Zusammenlegung von amtlichem und geregeltem Markt kein Bedürfnis mehr, da im durch die Zusammenlegung entstandenen regulierten Markt alle ausstehenden Aktien der gleichen Gattung zugelassen sein müssen (§ 40 Abs. 1 BörsG), somit nicht erst bei der Lieferung an die Anleihegläubiger zuzulassen sind. Ein zur Absicherung von Wandlungs- oder Optionsrechten geschaffenes bedingtes Kapital kann hingegen prospektfrei nach § 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG zugelassen werden, wobei in der Praxis das Zulassungsverfahren in der Regel innerhalb der letzten drei Monate vor der Aktienausgabe durchgeführt wird4, die ihrerseits Voraussetzung für die Einbeziehung der neuen Aktien in den Handel ist. Auch wenn der Wortlaut des § 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG nur auf Umtausch- und Bezugsrechte abstellt, können auch im Zuge von Pflichtwandelanleihen gewöhnlich ausgegebene Aktien prospektfrei zugelassen werden, da sich in diesem Fall der Anleger letztlich nur zur Ausübung seines Wandlungsrechts im Vorfeld verpflichtet hat5. 51

Neben Wandel- und Umtauschanleihen können auch neue Aktien, die im Wege der Bezugsrechtsemission ausgegeben werden, von der Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG profitieren. Anders als andere Mitglied-

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der Chevallerie/Ulbricht, ZIP 2009, 1302 ff., die § 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG auch bei reinen Bezugsrechtskapitalerhöhungen ohne Volumenbegrenzung für anwendbar halten, wenn die neuen Aktien ausschließlich im Rahmen des gesetzlichen Bezugsrechts ausgegeben werden. Siehe dazu CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 29. CESR hat angekündigt, eine potentiell extensive Nutzung dieses Befreiungstatbestands zu überwachen, siehe CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 29. Siehe auch Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 18. Holzborn/Israel in Holzborn, § 4 WpPG Rz. 20. Zur Zulässigkeit dieses Vorgehens auch Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 18; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 71; Schnorbus, AG 2008, 389 (408). So auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 19; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 71; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (501); Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 18; Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 14 Fn. 36; Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 4 WpPG Rz. 49. Zur Konstruktion von Pflichtwandelanleihen siehe Schlitt/Seiler/Singhof, AG 2003, 254 (266).

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Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

staaten1 stellt ein Bezugsangebot an die Aktionäre der Gesellschaft nach zutreffender Auffassung der BaFin bereits kein öffentliches Angebot dar, solange kein (börslicher) Bezugsrechtshandel eröffnet und damit der Kreis der Bezugsberechtigten auf Nichtaktionäre ausgeweitet wird (siehe dazu § 2 WpPG Rz. 39/40). Für die Zulassung der solchermaßen prospektfrei emittierten Aktien gewährt § 4 Abs. 1 Nr. 7 WpPG nach Äußerungen der Frankfurter Wertpapierbörse eine Ausnahme von der Prospektpflicht, solange auch Aktien, für die das Bezugsrecht nicht ausgeübt wurden, von einem zuvor bereits in der Gesellschaft investitierten Aktionär erworben werden. Dass Bezugsrechtsemissionen regelmäßig im Wege des mittelbaren Bezugsrechts nach § 186 Abs. 5 AktG abgewickelt wird, steht dem nicht entgegen, da die Banken lediglich zur technischen Vereinfachung als Treuhänder der bezugsberechtigten Aktionäre interimsweise für kurze Zeit die neuen Aktien halten. In welcher Höhe der etwaig nicht bezogene Aktien aufkaufende Aktionär zuvor am Emittenten beteiligt sein muss, ist durch § 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG nicht geregelt. Jedoch sollte die Höhe seiner Beteiligung zuvor wahrnehmbar sein, um einen möglichen Vorwurf der Umgehung der Prospektpflicht zu vermeiden. Eine dem § 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG entsprechende Regelung in § 4 Abs. 1 52 WpPG fehlt. Jedoch handelt es sich bei der Ausübung von Umtausch- oder Optionsrechten nicht um ein öffentliches Angebot iS des § 3 Abs. 1 WpPG, so dass es einer Befreiung von der Prospektpflicht für öffentliche Angebote nicht bedarf. 8. Einbeziehung von Altfällen (§ 4 Abs. 2 Nr. 8 WpPG) § 4 Abs. 2 Nr. 8 WpPG setzt Art. 4 Abs. 2 lit. h Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um. Er ähnelt der Regelung des § 45a Nr. 1 und 2 BörsZulV aF, wobei die seinerzeit geltende Übergangsfrist von drei Jahren durch eine 18-monatige Frist ersetzt wurde.

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§ 4 Abs. 2 Nr. 8 WpPG betrifft Altfälle bereits an einem organisierten Markt 54 zugelassener Wertpapiere, die nicht unter den europäischen Pass fallen2. Voraussetzung für eine prospektfreie Zulassung dieser Wertpapiere an einem weiteren organisierten Markt ist, dass die Wertpapiere oder Wertpapiere ihrer Gattung bereits mehr als 18 Monate zum Handel an dem anderen organisierten Markt zugelassen sind, je nach dem Datum der ersten Notierungsaufnahme ein Prospekt (i) nach Vorschriften gebilligt wurde, die auf der Zulassungsrichtlinie beruhten, oder (ii) in einer nach § 14 Abs. 2 WpPG zulässigen Art und Weise veröffentlicht wurde, der Emittent bislang seine Zu-

1 Derzeit sind Reformbemühungen im Gange, die darauf abzielen, für ausschließlich an Altaktionäre gerichtete Bezugsangebote durch eine Änderung der Prospektrichtlinie den Umfang der Inhalte eines zu erstellenden Prospekts zu reduzieren; Council of the European Union, 10254/10 v. 28.5.2010, Ziffer 7. (b); zum aktuellen Stand § 2 WpPG Rz. 39/40. 2 Crüwell, AG 2003, 243 (245); Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (930).

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§ 4 WpPG

Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung

lassungsfolgepflichten, soweit sie auf EU-rechtlichen Grundlagen beruhen, eingehalten hat und eine der Zusammenfassung eines Prospekts nach dem WpPG entsprechende Zusammenfassung in deutscher Sprache1 veröffentlicht wird, die zusätzlich angibt, wo die jüngsten Finanzinformationen sowie ggf. ein zuletzt veröffentlichter Prospekt erhältlich sind. 55

Die nach § 45a Nr. 1 und 2 BörsZulV aF bestehende Problematik des Konkurrenzverhältnisses zu § 35 BörsG aF (nunmehr geregelt in § 36 BörsG) und § 45 Nr. 1 lit. a BörsZulV aF2 besteht seit Inkrafttreten des WpPG aufgrund der Aufhebung der §§ 45, 45a BörsZulV aF nicht mehr.

IV. Folgen der fälschlichen Annahme eines Befreiungstatbestands 56

Die Befreiungstatbestände des § 4 WpPG befreien den Anbieter bzw. Zulassungsantragsteller kraft Gesetzes von der Veröffentlichung eines Prospekts, wenn die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind3. Ein Antragserfordernis besteht nicht. Die Verantwortung für die Bejahung eines Befreiungstatbestands liegt daher beim Anbieter bzw. Zulassungsantragsteller. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Haftung von Anbietern bei fehlendem Prospekt relevant (§ 13a VerkProspG). Die BaFin prüft die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 WpPG lediglich im Rahmen der repressiven Eingriffsverwaltung und kann bei fehlerhafter Bejahung eines Befreiungstatbestands ein dennoch prospektfrei erfolgendes Angebot gemäß § 21 Abs. 4 WpPG untersagen (siehe hierzu § 21 WpPG Rz. 20 ff.).

V. Verordnungsermächtigung (§ 4 Abs. 3 WpPG) 57

§ 4 Abs. 3 WpPG ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz durch Rechtsverordnung die Voraussetzungen für eine Gleichwertigkeit eines Dokuments nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpPG zu regeln. Die Ermächtigung kann auf die BaFin übertragen werden.

58

Bislang wurde von diesen Ermächtigungen kein Gebrauch gemacht4. Eine Richtschnur für die Gleichwertigkeit der in § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpPG genannten Dokumente geben die CESR-Empfehlungen5.

1 Zur Sprache des Emissionsprospekts Mattil/Möslein, WM 2007, 819 ff. 2 Zum seinerzeitigen Konkurrenzproblem siehe Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 45–47 BörsZulV Rz. 11; Heidelbach in Schwark, § 45a BörsZulV Rz. 4. 3 Holzborn/Israel in Holzborn,§ 4 WpPG Rz. 2. 4 Dies wird im Schrifttum bedauert und eine Verordnung als wünschenswert erachtet; siehe Groß, Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 15 f.; Veil/Wundenberg, WM 2008, 1285 (1287); Seibt/von Bonin/Isenberg, AG 2008, 565 (577). 5 CESR/05-054b, Ziffer 173 ff. Siehe zu gleichwertigen Dokumenten auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 4 WpPG Rz. 13 ff. und die Kommentierung zu § 20 WpPG Rz. 16/17.

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Abschnitt 2 Erstellung des Prospekts §5 Prospekt (1) Der Prospekt muss unbeschadet der Bestimmungen des § 8 Abs. 2 in leicht analysierbarer und verständlicher Form sämtliche Angaben enthalten, die im Hinblick auf den Emittenten und die öffentlich angebotenen oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Wertpapiere notwendig sind, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste, die Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers sowie über die mit diesen Wertpapieren verbundenen Rechte zu ermöglichen. Insbesondere muss der Prospekt Angaben über den Emittenten und über die Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, enthalten. Der Prospekt muss in einer Form abgefasst sein, die sein Verständnis und seine Auswertung erleichtern. (2) Der Prospekt muss eine Zusammenfassung enthalten. In der Zusammenfassung sind kurz und allgemein verständlich die wesentlichen Merkmale und Risiken zu nennen, die auf den Emittenten, jeden Garantiegeber und die Wertpapiere zutreffen. Die Zusammenfassung muss Warnhinweise enthalten, dass 1. sie als Einführung zum Prospekt verstanden werden sollte, 2. der Anleger jede Entscheidung zur Anlage in die betreffenden Wertpapiere auf die Prüfung des gesamten Prospekts stützen sollte, 3. für den Fall, dass vor einem Gericht Ansprüche auf Grund der in einem Prospekt enthaltenen Informationen geltend gemacht werden, der als Kläger auftretende Anleger in Anwendung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums die Kosten für die Übersetzung des Prospekts vor Prozessbeginn zu tragen haben könnte und 4. diejenigen Personen, die die Verantwortung für die Zusammenfassung einschließlich einer Übersetzung hiervon übernommen haben, oder von denen deren Erlass ausgeht, haftbar gemacht werden können, jedoch nur für den Fall, dass die Zusammenfassung irreführend, unrichtig oder widersprüchlich ist, wenn sie zusammen mit den anderen Teilen des Prospekts gelesen wird. Betrifft der Prospekt die Zulassung von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro zum Handel an einem organisierten Markt, muss keine Zusammenfassung erstellt werden. (3) Der Prospekt ist mit dem Datum seiner Erstellung zu versehen und vom Anbieter zu unterzeichnen. Sollen auf Grund des Prospekts Wertpapiere

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§ 5 WpPG

Prospekt

zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden, ist der Prospekt vom Zulassungsantragsteller zu unterzeichnen. (4) Der Prospekt muss Namen und Funktionen, bei juristischen Personen oder Gesellschaften die Firma und den Sitz der Personen oder Gesellschaften angeben, die für seinen Inhalt die Verantwortung übernehmen; er muss eine Erklärung dieser Personen oder Gesellschaften enthalten, dass ihres Wissens die Angaben richtig und keine wesentlichen Umstände ausgelassen sind. Im Falle des Absatzes 3 Satz 2 hat stets auch das Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätige Unternehmen, mit dem der Emittent zusammen die Zulassung der Wertpapiere beantragt, die Verantwortung zu übernehmen und muss der Prospekt dessen Erklärung nach Satz 1 enthalten. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Apfelbacher/Metzner, Das Wertpapierprospektgesetz in der Praxis – Eine erste Bestandsaufnahme, BKR 2006, 81; Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002 und 3. Aufl. 2006; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668; Holzborn/Schwarz-Gondek, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BKR 2003, 927; von Kopp-Colomb/Lenz, Der europäische Pass für Emittenten, AG 2002, 24; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG), WM 2005, 1068; Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB 2005, 209; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BB 2004, 501; Mattil/Möslein, Die Sprache des Emissionsprospekts, WM 2007, 819; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des ProspektrichtlinieUmsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schlitt/Singhof/Schäfer, Aktuelle Rechtsfragen und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251; Schlitt/Smith/Werlen, Die GoingPublic-Grundsätze der Deutsche Börse AG, AG 2002, 478; Wagner, Der Europäische Pass für Emittenten – die neue Prospektrichtlinie, Die Bank 2003, 680; Weber, Unterwegs zu einer europäischen Prospektkultur, NZG 2004, 360.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine Anforderungen (§ 5 Abs. 1 WpPG) . . . . . . . 1. Prospektvollständigkeit . . . 2. Prospektklarheit . . . . . . . . 3. Prospektaktualität . . . . . . .

. . . .

III. Zusammenfassung (§ 5 Abs. 2 WpPG) . . . . . . . . 1. Inhaltliche Anforderungen . .

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Schlitt/Schäfer

1 8 11 17 24 25 26

2. Warnhinweise . . . . . . . . . . . 3. Entbehrlichkeit der Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . 4. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . .

32 36 41

IV. Erstellungsdatum und Unterzeichnung (§ 5 Abs. 3 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . .

42

V. Verantwortlichkeitsklausel (§ 5 Abs. 4 WpPG) . . . . . . . .

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Prospekt

§ 5 WpPG

I. Normentwicklung und Bedeutung § 5 WpPG setzt Art. 5 Abs. 1 und 2 sowie (teilweise)1 Art. 6 Abs. 1 Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um2. Es handelt sich dabei um die zentrale Norm des Prospektrechts, da sie die inhaltlichen Vorgaben für jeden Prospekt bestimmt.

1

Mit dieser einheitlichen inhaltlichen Vorgabe für jeden Prospekt, unabhängig ob für Zwecke der Zulassung oder des öffentlichen Angebots, wurde die auf der Umsetzung der Börsenzulassungsrichtlinie einerseits (umgesetzt durch das Börsengesetz und die Börsenzulassungsverordnung aF) und der Wertpapierverkaufsprospektrichtlinie andererseits (umgesetzt durch das Verkaufsprospektgesetz und die Verkaufsprospektverordnung aF) beruhende Differenzierung zwischen öffentlichem Angebot und Zulassung von Wertpapieren aufgegeben3.

2

Inhaltlich entspricht Art. 5 Abs. 1 und 2 Prospektrichtlinie den vormaligen Regelungen in Art. 21 Abs. 1 Börsenzulassungsrichtlinie4 und Art. 11 Abs. 1 Wertpapierverkaufsprospektrichtlinie5. So entsprechen die inhaltlichen Vorgaben des § 5 Abs. 1 und 2 WpPG den Vorgängerregelungen § 32 Abs. 1 Nr. 2 BörsG aF iVm. § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BörsZulV aF und § 7 Abs. 1 VerkProspG aF iVm. § 2 Abs. 1 VerkProspVO aF6.

3

§ 5 Abs. 2 WpPG setzt Art. 5 Abs. 2 Satz 2 ff. und Anhang IV Prospektricht- 4 linie iVm. Art. 24 ProspektVO ins deutsche Recht um. Eine entsprechende Regelung fehlte vor Inkrafttreten des WpPG; indessen entsprach die Aufnahme einer Zusammenfassung in den Prospekt zumindest bei Aktienemissionen der ständigen Praxis und wurde in den Going-Public-Grundsätzen der Deutsche Börse AG gefordert7. Aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung zur Aufnahme in den Prospekt und der detaillierten inhaltlichen Vorgaben hat sich die Rolle der Zusammenfassung jedoch gegenüber der Praxis vor Inkrafttreten des WpPG weg von einer eher vermarktungsgetriebenen Kurzfassung der Vorteile einer Anlage in die betreffenden Wertpapiere hin zu einer dem übrigen Prospektstil angepassten, ausgewogenen Zusammenfassung der wesentlichen Prospektinformationen entwickelt8. Ihre Bedeutung

1 Den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 Prospektrichtlinie entsprechen im deutschen Recht § 5 Abs. 3 und 4 WpPG iVm. § 44 BörsG bzw. § 13 VerkProspG iVm. § 44 BörsG. 2 Zur Umsetzung der Prospektrichtlinie siehe die Kommentierung zu § 7 WpPG Rz. 10. 3 Kunold/Schlitt, BB 2004, 501. 4 Richtlinie 80/390 v. 17.3.1980, ABl. EG Nr. L 100, S. 1. 5 Richtlinie 89/298 v. 17.4.1989, ABl. EG Nr. L 124, S. 8. 6 Umfassend zum Inhalt von Verkaufs- und Börsenzulassungsprospekten nach altem Recht A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2005, § 24. 7 Crüwell, AG 2003, 243 (248); Anlage zu den Going-Public-Grundsätzen der Deutsche Börse AG in der Fassung v. 1.8.2004. 8 Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 31; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (502).

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Prospekt

wird auch durch die prominente Positionierung im Prospekt betont; sie hat ihren Platz zwischen Inhaltsverzeichnis und Risikofaktoren, Art. 25 Abs. 1 Nr. 2, Art. 26 Abs. 1 Nr. 2 ProspektVO. 5

§ 5 Abs. 3 WpPG setzt nach der Gesetzesbegründung Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um, ohne dass dieser das Datum und die Unterzeichnung ausdrücklich anspricht1. Er entspricht den Vorgängerregelungen des § 13 Abs. 1 Satz 5 BörsZulV aF und § 2 Abs. 2 Satz 1 VerkProspVO aF.

6

§ 5 Abs. 4 WpPG setzt Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um. Er entspricht im Wesentlichen den Vorgängerregelungen des § 14 BörsZulV aF und § 3 VerkProspVO aF. Konzeptionell stellt § 5 Abs. 4 WpPG keine eigene Haftungsregel auf, sondern bildet einen Anknüpfungspunkt für die Prospekthaftung2, die ihrerseits in § 44 BörsG verankert ist3.

7

Die Kommission hat am 24.9.2009 eine Änderung der Prospektrichtlinie vorgeschlagen4. Zu den Auswirkungen auf § 5 WpPG siehe Rz. 41.

II. Allgemeine Anforderungen (§ 5 Abs. 1 WpPG) 8

Art. 5 Abs. 1 Prospektrichtlinie stellt den allgemeinen Grundsatz auf, dass ein Prospekt alle Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, um dem Anleger eine Beurteilung der finanziellen Situation des Emittenten und eines etwaigen Garantiegebers sowie der mit dem Wertpapier verbundenen Rechte zu ermöglichen.

1 Kritisch auch Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006, § 5 Rz. 7. 2 So bereits zur Vorgängerregelung Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspVO Rz. 4; Heidelbach in Schwark, § 14 BörsZulV Rz. 1. 3 Zur Prospekthaftung, die jedenfalls diejenigen trifft, die die Verantwortung übernommen haben, siehe § 13 VerkProspG Rz. 72. 4 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, KOM (2009) 491, 2009/0132 (COD); Article 1 No. 3 des Konsultationspapiers zur Änderung der Prospektrichtlinie und Background Document, S. 7. Bis zu ihrer Umsetzung soll durch CESR ein „common light touch approach“ unterstützt werden und für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme ein verkürztes Veröffentlichungsregime geprüft werden; vgl. CESR Public Statement – CESR starts work on Employee Share Scheme Prospectuses: European Commission’s Request to CESR for assistance on employee share schemes, 13.12.2007, CESR/07-825; CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 71; vgl. auch Harrer/Janssen, Going Public 2009, 36 (37).

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§ 5 WpPG

In Umsetzung dieses Prinzips bestimmt der generalklauselartig formulierte § 5 Abs. 1 WpPG in enger Anlehnung an die Formulierung der Prospektrichtlinie, dass Prospekte in leicht analysierbarer und verständlicher Form sämtliche Angaben enthalten müssen, die im Hinblick auf den Emittenten und die Wertpapiere notwendig sind, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste, die Zukunftsaussichten des Emittenten und ggf. jedes Garantiegebers sowie über die mit den Wertpapieren verbundenen Rechte zu ermöglichen.

9

Im Vergleich zum alten Recht (§ 7 VerkProspG aF, § 13 BörsZulV aF)1 legt 10 § 5 Abs. 1 WpPG die Betonung auf den Grundsatz der Prospektvollständigkeit, ohne dass dies mit einer inhaltlichen Änderung verbunden wäre2. Die in § 5 Abs. 1 Satz 3 WpPG enthaltene Anforderung der ausreichenden Klarheit ist, ebenso wie das Prinzip der Richtigkeit, Teil dieses Grundsatzes, da nur ein richtiger und nicht missverständlicher Prospektinhalt vollständig die erforderlichen Angaben wiedergibt, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über den Emittenten und die Wertpapiere zu ermöglichen. Wie bereits nach den Vorgängerregelungen besteht daher ein Gleichlauf mit den inhaltlichen Anforderungen des § 44 BörsG als korrespondierender Haftungsnorm3. 1. Prospektvollständigkeit § 5 Abs. 1 WpPG postuliert ausdrücklich den Grundsatz der Prospektvoll- 11 ständigkeit, indem er „sämtliche Angaben“ fordert. Der Gesetzgeber erstreckt das Vollständigkeitsprinzip sowohl auf die Schilderung des Emittenten (Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, Finanzlage, Gewinne und Verluste, Zukunftsaussichten) bzw. Garanten, als auch auf die Emission (mit den Wertpapieren verbundene Rechte). Unvollständig ist ein Prospekt, wenn Angaben fehlen, die für eine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, dh. wenn objektiv wertbildende Faktoren, die ein durchschnittlicher Anleger „eher als nicht“ bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde, fehlen4. Der Grundsatz der Prospektwahrheit wird in § 5 Abs. 1 WpPG nicht aus- 12 drücklich erwähnt. Er wird als Unterfall der Prospektvollständigkeit jedoch stillschweigend vorausgesetzt, wie sich aus der Wendung „ein zutreffendes

1 So auch Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006, § 5 WpPG Rz. 2. 2 So auch Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 195; Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 5 WpPG Rz. 9. 3 Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des WpPG siehe Assmann in Assmann/Lenz/ Ritz (Voraufl.), § 7 VerkProspG Rz. 11, § 13 VerkProspG Rz. 21. 4 BGH v. 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 (344); Assmann in Assmann/ Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 30; Habersack in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 17.

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Prospekt

Urteil … zu ermöglichen“ ergibt1. Unrichtig ist eine Prospektangabe tatsächlicher Art, wenn sie zum Zeitpunkt der Verwendung des Prospekts für Zwecke eines öffentlichen Angebots oder der Zulassung nicht mit den wirklichen Verhältnissen übereinstimmt. Voraussagen oder Werturteile sind dann als unrichtig zu betrachten, wenn sie nicht ausreichend durch Tatsachen gestützt und kaufmännisch nicht vertretbar sind2. Bezugspunkt der Richtigkeit der Prospektangaben ist eine Gesamtschau des Prospekts. Aus den an verschiedenen Stellen im Prospekt wiedergegebenen Informationen darf sich daher – auch wenn dabei die einzelne Information korrekt sein sollte – insgesamt kein irreführendes Bild über den Emittenten oder die Wertpapiere ergeben. Wie der BGH in seiner Entscheidung „Beton und Monierbau“3 exemplarisch betonte, ist eine isolierte Betrachtung zwischen Inhalt und Form nicht zulässig; inhaltliche und äußere Gestaltung bilden eine untrennbare Einheit4. Daher ist nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf eine nüchterne und objektive Darstellungsweise bei der Erstellung eines Prospekts zu achten. Auf aus der Werbung bekannte Stilelemente und Gestaltungsmittel ist daher weitgehend zu verzichten. Zur Gestaltung siehe unten Rz. 17 ff. 13

Dem Grundsatz der Prospektvollständigkeit wird im Regelfall durch die Aufnahme der Angaben nach § 7 WpPG (der hinsichtlich der aufzunehmenden Mindestangaben auf die ProspektVO verweist) iVm. ProspektVO Genüge getan5. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die ProspektVO nur die Mindestangaben enthält. Bei der Erstellung eines Prospekts ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob über die Anhangangaben der ProspektVO hinaus weitere Sachverhalte aufgrund des übergeordneten Prinzips der Prospektwahrheit und -vollständigkeit in den Prospekt aufzunehmen sind6. Die Aufnahme über die Anhangangaben der ProspektVO hinausgehender Informationen ist 1 Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006, § 5 WpPG Rz. 3; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 32; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 5 WpPG Rz. 3; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 195; Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 18. Zu Art. 5 Prospektrichtlinie: Ekkenga, BB 2005, 561 (563); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (507). Zur abweichenden Systematik des § 44 BörsG (Prospektvollständigkeit als Unterfall der Prospektrichtigkeit) Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 19. 2 So bereits Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 29; BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (965); Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 16. 3 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (863). 4 Siehe auch Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 197; Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 19; zu § 7 VerkProspG aF Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 7 VerkProspG Rz. 12. 5 So auch Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006, § 7 WpPG Rz. 2 ff.; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 5 WpPG Rz. 12 ff.; vgl. auch Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1671). 6 Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 35.

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in Erwägungsgrund 5 ProspektVO vorgesehen. Hierbei ist jedoch eine Orientierung am Wesentlichkeitsmaßstab erforderlich, so dass wesentliche Informationen nicht durch eine Überfrachtung des Prospekts mit Zusatzinformationen „versteckt“ werden dürfen1. Andererseits ist auch denkbar, dass einzelne Informationsbestandteile, die in den Anhängen der ProspektVO als Mindestangaben vorgesehen sind, auf den Emittenten oder die Wertpapiere keine Anwendung finden, Art. 23 Abs. 4, Erwägungsgrund 24 ProspektVO. In diesem Fall ist auch ein Prospekt, der die entsprechenden Mindestangaben nicht enthält, ein vollständiger Prospekt iS des § 5 Abs. 1 WpPG. Sollen auf Grundlage des Prospekts Wertpapiere zum Börsenhandel zugelassen werden, sind (wenige) zusätzliche Informationen in den Prospekt aufzunehmen (etwaiger Hinweis auf fehlende Volleinzahlung auf die Wertpapiere, Teilzulassung oder mangelnden Schutz der Druckausstattung der Wertpapiere gegen Fälschung), §§ 5 Abs. 2, 7 Abs. 1 Satz 3, 8 Abs. 2 BörsZulV. Zur Aufnahme von Angaben nach der BörsZulV siehe die Kommentierung zu § 7 WpPG Rz. 28.

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Das Gesetz durchbricht den Grundsatz der Prospektvollständigkeit ledig- 15 lich in § 8 WpPG2. Die vor Inkrafttreten des WpPG geführte Diskussion, inwieweit Zukunftsaussichten iS von Planungsüberlegungen des Emittenten in den Prospekt aufzunehmen sind, hat in § 8 Abs. 2 Nr. 2 WpPG, der die Nichtaufnahme solcher Angaben gestattet, deren Verbreitung dem Emittenten erheblichen Schaden zufügt, sofern die Nichtveröffentlichung das Publikum nicht über die für eine fundierte Beurteilung des Emittenten, des Anbieters, eines etwaigen Garanten und der Wertpapiere wesentlichen Tatsachen und Umstände täuscht, eine Regelung erfahren. Sofern Planungen ausnahmsweise trotz ihrer Zukunftsbezogenheit und Ungewissheit als wesentlich zu erachten und daher grundsätzlich in den Prospekt aufzunehmen sind3, ist ihre Auslassung am strengen Maßstab des § 8 Abs. 2 Nr. 2 WpPG innerhalb der dort vorgesehenen Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Anlegers und dem Vertraulichkeitsinteresse des Emittenten zu messen4. Eine generelle Ausnahme von Betriebsgeheimnissen oder vertraulichen Informationen sieht das Gesetz nicht vor; das Informationsinteresse des Kapitalmarkts genießt – abgesehen von der engen Ausnahme des § 8 Abs. 2 Nr. 2 WpPG – Vorrang5. Die Grenzen der Prospektvollständigkeit und Prospektwahrheit zieht § 5 Abs. 1 WpPG dahingehend, dass nur Angaben, die „notwendig sind, um 1 Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 35; Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 5 WpPG Rz. 17. 2 Siehe dazu die Kommentierung zu § 8 WpPG Rz. 9 ff., 49 ff. 3 Für Gewinnprognosen und Gewinnschätzungen stellt die ProspektVO klar, dass diese allenfalls freiwillig in den Prospekt aufzunehmen sind; zur Problematik der Veröffentlichung von Gewinnprognosen und Gewinnschätzungen im Vorfeld siehe die Kommentierung zu Anhang I Ziffer 13 EU-ProspektVO Rz. 118. 4 Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 199 mwN. 5 So schon Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 30.

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dem Publikum ein zutreffendes Urteil … zu ermöglichen“, in den Prospekt aufzunehmen sind. Es handelt sich dabei um die gesetzliche Verankerung der Wesentlichkeitsschwelle1, die verhindern soll, dass der Prospekt bei Darstellung aller Angaben ohne Selektion überladen wäre und Investoren eher verwirren als informieren würde2. Wo die Wesentlichkeitsschwelle anzusiedeln ist, hängt unmittelbar von dem Anforderungsprofil des „Publikums“ ab. Dazu unten Rz. 18 ff. Entscheidend ist, dass sich der Anleger auf Grundlage der Angaben im Prospekt ein eigenes Urteil bilden kann3. 2. Prospektklarheit 17

§ 5 Abs. 1 WpPG schreibt vor, dass der Prospektinhalt in „leicht analysierbarer und verständlicher Form“ abgefasst werden muss. Zudem muss er „in einer Form abgefasst sein, die sein Verständnis und seine Auswertung erleichtern“. Kriterien für die Bestimmung des Begriffs „erleichtern“ fehlen. Da dieser nur relational zu verstehen ist, setzt er seinerseits bereits den Maßstab, an dem der Prospektinhalt zu messen ist, voraus.

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Als solchen Maßstab hat der BGH in seiner Entscheidung „Beton und Monierbau“ das Anlegerleitbild des „durchschnittlichen Anlegers“ geprägt, der „zwar eine Bilanz zu lesen versteht, aber nicht unbedingt mit der in eingeweihten Kreisen gebräuchlichen Schlüsselsprache vertraut zu sein braucht“4. Vereinzelt wird demgegenüber vorgeschlagen, die Zusammenfassung in einer für natürliche Personen, die nicht zum Kreis qualifizierter Anleger gehören, verständlichen Art darzustellen, die übrigen Teile des Prospekts jedoch am Adressatenhorizont eines institutionellen Investors zu orientieren5. Die Vorgabe einer leicht analysierbaren und verständlichen Darstellung gilt jedoch nach dem Gesetzeswortlaut einheitlich für sämtliche Teile des Prospekts, was eine Differenzierung in der Darstellung zwischen Zusammenfassung und sonstigem Prospektinhalt zumindest bei An1 Kritisch zur mangelnden Deutlichkeit der Hervorhebung des Wesentlichkeitsgrundsatzes Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006, § 5 WpPG Rz. 3, Ekkenga, BB 2005, 561 (563). 2 So auch Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 18 Fn. 44; zur Problematik der „overload information“ siehe auch Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 198: Krämer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 10 Rz. 321. 3 Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 21. 4 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (863) = AG 1982, 278 (Betonund Monierbau); OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82, WM 1984, 586 (595 f.) = AG 1984, 188 (Beton- und Monierbau); OLG Frankfurt v. 1.2.1994 – 5 U 213/92, WM 1994, 291 (295) = AG 1994, 184 (Bond I); OLG Frankfurt v. 17.3.1999 – 21 U 260/97, ZIP 1999, 1005 (1006) = AG 1999, 325 (MHM Mode); OLG Frankfurt v. 6.7.2004 – 5 U 122/03, AG 2004, 510 (512) (EM TV II); kritisch Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 41, der auf einen „verständigen Anleger“ abstellt, inhaltlich mit der ständigen Praxis auf Grundlage der Beton- und Monierbauentscheidung des BGH aber übereinstimmt. 5 So Wieneke, NZG 2005, 109 (111).

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sprache eines breiten Anlegerpublikums nicht zulässt. Dem steht auch Erwägungsgrund 14 ProspektVO nicht entgegen, der die unterschiedlichen Erwartungshorizonte institutioneller Anleger (bzw. qualifizierter Anleger iS des § 2 Nr. 6 WpPG) und Kleinanleger hervorhebt, da diese Differenzierung als Grundlage für unterschiedliche gesetzliche Mindestangaben im Prospekt je nach dem betreffenden Wertpapier genannt wird, jedoch nicht im Zusammenhang mit der Art der Darstellung. Davon zu unterscheiden ist eine freiweillige Prospekterstellung bei einer 19 Emission an qualifizierte Anleger, wenn der Prospekt sich ausdrücklich lediglich an solche Anleger richtet. In diesem Fall kann im Prospekt auf einen typisierten Kenntnismaßstabs des angesprochenen Kreises der Anleger abgestellt werden und damit ein anderer Maßstab für die Frage der Wesentlichkeit von Informationen und der Art der Darstellung als bei Angeboten an das breite Anlegerpublikum gelten1. Nach einzelnen Stimmen im Schrifttum2 passen die Warnhinweise des § 5 20 Abs. 2 Satz 3 WpPG nicht zu dem vom BGH entwickelten Anlegerleitbild, sondern zeichneten aufgrund ihrer „Banalität“ ein Anlegerleitbild, dass auf den „völlig ahnungslosen Verbraucher“ abstellt. In der Konsequenz würde dies eine Verschärfung der Anforderungen an den Prospektinhalt und seine Darstellung bedeuten. Richtigerweise beziehen sich die Warnhinweise jedoch ausschließlich auf die Zusammenfassung. Insbesondere vor dem Hintergrund des europäischen Passes3, bei dessen Nutzung häufig die Zusammenfassung der einzige Prospektteil ist, der in der Landessprache des Anlegers verfasst ist (vgl. § 19 Abs. 1, 3 und 4 WpPG), besteht hier ein weitreichenderes Bedürfnis für spezifische Warnhinweise, ohne dass dies Rückschlüsse auf die Vorkenntnisse des durchschnittlichen Anlegers und eine Absenkung des Darstellungsniveaus in der Zusammenfassung nahe legen würde4. Die in § 5 Abs. 2 Satz 3 WpPG genannten Warnhinweise sind daher nicht geeignet, das vom BGH entwickelte Anlegerleitbild zu erschüttern. Demnach können Emittent und Emissionsbanken davon ausgehen, dass der Anleger im Grundsatz in der Lage ist, die Bilanzangaben nachzuvollziehen5. Des Weiteren ist die gesetzgeberische Wertung zu berücksichtigen, dass in bestimmten Konstellationen die Erstellung eines englischsprachigen Prospekts ausreichend sein kann (§ 19 WpPG)6. Die Verwendung englischer Begriffe in deutschsprachigen Prospekten ist hingegen weiterhin am vom 1 Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 14; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 29. 2 Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 197; neutraler: Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 14. 3 Zum europäischen Pass von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 ff.; Wagner, Die Bank 2003, 680 ff. 4 AA Wieneke, NZG 2005, 109 (111). 5 Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, 1991, Rz. 185; kritisch zB Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 41 mwN. 6 Zur Sprache des Emissionsprospekts Mattil/Möslein, WM 2007, 819 ff.

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BGH entwickelten Anlegerleitbild zu messen und ein restriktiver Umgang mit englischen Begriffen allgemeine Praxis. Sofern englische Begriffe, zB Bezeichnungen der Geschäftsbereiche des Emittenten, die in der Unternehmensterminologie kein deutsches Pendant kennen, ausreichend textlich auf deutsch erläutert werden, birgt ihre Verwendung jedoch keine Gefahr, irreführend zu wirken, so dass insoweit die Verwendung englischer Begriffe im Einklang mit § 5 Abs. 1 WpPG steht. 22

Die Verständlichkeit der Darstellung bezieht sich auf die Form und damit Aufbau, Sprache, Stil und Satzbau1. Einer zusätzlichen, detaillierten Vorgabe durch die BaFin im Sinne der „Plain English Rule“ der SEC2 bedarf es daher nicht3.

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Der Grundsatz der Prospektklarheit wird in der Regel nicht bereits dann verletzt sein, wenn ein Prospekt einzelne Mängel in der Klarheit der Darstellung und der Übersichtlichkeit der Präsentation aufweist. Entscheidend ist der Gesamteindruck: eine Häufung solcher Mängel kann jedoch ein solches Gewicht annehmen, dass der Eindruck eines im Ganzen unrichtigen Prospekts entsteht4. Art. 25 und 26 ProspektVO schreiben konkretisierend vor, dass beim Aufbau des Prospekts eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten ist: bei einem einteiligen Prospekt ist dies die Voranstellung eines Inhaltsverzeichnisses, gefolgt von der Zusammenfassung, den Risikofaktoren und den sonstigen Informationsbestandteilen (Art. 25 Abs. 1 ProspektVO)5. Eine diesen Anforderungen genügende, insgesamt jedoch unübersichtliche Gliederung wird im Regelfall nicht genügen, gegen den Grundsatz der Prospektklarheit zu verstoßen. Der Gesamteindruck kann zudem irreführend sein, wenn die im Prospekt enthaltenen Angaben falsch gewichtet sind (zB durch das Herunterspielen negativer Tatsachen)6.

1 Auch wenn die Going-Public-Grundsätze der Deutsche Börse AG mit Inkrafttreten des WpPG außer Kraft traten, geben die seinerzeit erarbeiteten Vorgaben für die Gestaltung, Darstellungsweise und Sprache im Prospekt, insbesondere Ziffer 3.4., einen Hinweis auf die Anforderungen an die Verständlichkeit der Darstellung. Zu den Going-Public-Grundsätzen siehe Schlitt/Smith/Werlen, AG 2002, 478. 2 Abrufbar unter http://www.sec.gov/rules/final/33-7497.txt. Unter plain english wird eine klare und allgemein verständliche Ausdrucksweise verstanden. Die Plain English Rule sieht hierzu insbesondere die Verwendung kurzer Sätze, konkreter Alltagssprache, des Aktivs, tabellarische Darstellung komplexer Informationen, keine Verwendung von Rechts- oder Wirtschaftsfachsprache und das Verbot mehrfacher Verneinungen vor. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006, § 5 WpPG Rz. 4; Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 23; Crüwell, AG 2003, 243 (246). 4 So bereits Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 43; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 22. 5 So auch Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 5 WpPG Rz. 22. 6 Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 37; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 26.

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3. Prospektaktualität Wie die Nachtragspflicht gemäß § 16 WpPG unterstreicht, muss der Pro- 24 spekt den aktuellen Stand der Informationen widerspiegeln. Hierzu ist nicht in jedem Fall eine Angabe zum Stichtag der Prospektbilligung erforderlich1. Vielmehr hängt die Aktualität von der Art der Information ab: Finanzinformationen etwa werden üblicherweise zum Abschluss des letzten Berichtszeitraums wiedergegeben (siehe hierzu die Kommentierung zu Anhang I EU-ProspektVO Ziffer 20). Hat sich eine wesentliche Kennziffer seitdem jedoch erheblich verändert, ist dies im Prospekt darzustellen, um eine Irreführung des Publikums zu vermeiden2. Zur Frage der Prospektaktualität siehe grundsätzlich die Kommentierung zu § 16 WpPG.

III. Zusammenfassung (§ 5 Abs. 2 WpPG) Der Zusammenfassung kommt aufgrund ihrer Rolle im Zusammenhang mit dem europäischen Pass große Bedeutung zu. Das Grundkonzept der Prospektrichtlinie beruht auf der Verwendbarkeit eines in einem EWR-Staat gebilligten Prospekts in jedem anderen EWR-Staat (Aufnahmestaat) ohne Übersetzung in die jeweilige Amtssprache. Eine Einigung auf dieses Konzept war nur vor dem Hintergrund möglich, dass die Richtlinie jedem Aufnahmestaat das Wahlrecht zubilligte, eine Übersetzung der Zusammenfassung des Prospekts in seine Amtssprache zu verlangen (Art. 19 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 Prospektrichtlinie). Der deutsche Gesetzgeber hat hiervon Gebrauch gemacht und fordert in diesen Fällen eine deutsche Übersetzung der Zusammenfassung (§ 19 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 WpPG).

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1. Inhaltliche Anforderungen Die Zusammenfassung muss – der Vorgabe in Art. 5 Abs. 2 Prospektricht- 26 linie entsprechend – kurz und in allgemein verständlicher Sprache die wesentlichen Merkmale und Risiken nennen, die für den Emittenten, bei Emission über eine Konzerngesellschaft für den Garanten, und die Wertpapiere gelten (§ 5 Abs. 2 Satz 2 WpPG). Eine nähere Konkretisierung des Inhalts der Zusammenfassung nimmt Anhang IV Prospektrichtlinie vor. Danach müssen in der Zusammenfassung mindestens folgende Punkte erläutert sein: Unternehmensleitung, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer, Zeitplan, wesentliche ausgewählte Finanzdaten, Kapitalausstattung und Verschuldung, Gründe für das Angebot und Verwendung der Erlöse, Risikofaktoren, Informationen über den Emittenten, Betriebsergebnis, Finanzlage und Aussichten des Unternehmens, Ar-

1 Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 47; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 57. 2 So auch Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 27.

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beitnehmer, Hauptaktionäre und Geschäfte mit verbundenen Parteien, Einzelheiten zum Wertpapierangebot und Zulassung zum Handel. Die in Anhang IV Prospektrichtlinie vorgesehenen Gliederung ist jedoch lediglich indikativer Natur1. Welche Informationen zu den wesentlichen Merkmalen und Risiken zu zählen sind, ist letztlich eine Frage der Einzelfallbetrachtung (Art. 24 ProspektVO). Der Standard, der sich in der Praxis hinsichtlich des Aufbaus der Zusammenfassung herausgebildet hat, weicht von der in Anhang IV Prospektrichtlinie vorgesehenen Gliederung ab. In der Regel ist die Zusammenfassung wie folgt aufgebaut: Angaben zur Geschäftstätigkeit des Emittenten, insbesondere Strategie und Wettbewerbsstärken, Unternehmensleitung, Aufsichtsrat, Abschlussprüfer, gefolgt von einer Zusammenfassung des Angebots einschließlich Angabe der Gründe und der geplanten Verwendung des Emissionserlöses, einer Zusammenfassung wesentlicher Finanzinformationen und schließlich der Zusammenfassung der Risikofaktoren, in der üblicherweise die (als Sätze ausformulierten) Überschriften der Risikofaktoren aufgelistet werden. Hingegen ist es unüblich und auch nicht erforderlich, in die Zusammenfassung Angaben zur Kapitalausstattung und zur Verschuldung sowie zu Geschäften mit verbundenen Parteien aufzunehmen. 28

Nach der Regierungsbegründung2 soll der Umfang der Zusammenfassung – in Anlehnung an Erwägungsgrund 21 Prospektrichtlinie – auf 2.500 Worte begrenzt sein3. Während der Geänderte Kommissionsentwurf noch eine Begrenzung des Umfangs der Zusammenfassung auf 2.500 Worte verbindlich festlegen wollte4, hielt der Rat eine derartige starre Begrenzung auch im Hinblick auf die unterschiedliche Struktur der Sprachen in den Mitgliedstaaten für zu restriktiv5. Daher findet sich die Umfangsvorgabe von 2.500 Wörtern – bezogen auf die Sprache, in der der ursprüngliche Prospekt abgefasst wurde – jetzt nur noch als Richtwert („in der Regel“) in Erwägungsgrund 21 Prospektrichtlinie6.

29

Diese Sollvorgabe kann in der Praxis angesichts der verpflichtend vorgeschriebenen Warnhinweise und Zusammenfassung der Risikofaktoren häufig nicht eingehalten werden. Dies gilt insbesondere bei strukturierten Produkten oder sich auf verschiedene Wertpapiere beziehende Basisprospek-

1 Crüwell, AG 2003, 243 (246); A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 16; Schlitt/Smith/Werlen, AG 2002, 478. 2 Begr. RegE § 5 Abs. 2 WpPG, BT-Drucks. 15/4999, S. 31. 3 Siehe dazu auch Crüwell, AG 2003, 243 (247); Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (932), Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (505). 4 Geänderter Entwurf, Art. 3 Abs. 2 Satz 3 Prospektrichtlinie. 5 Gemeinsamer Standpunkt des Rates, Präambel, Erwägungsgrund 19 und Begründung, S. 51. 6 Dieser Richtwert soll im Zuge der Änderung der Prospektrichtlinie aufgehoben werden, Council of the European Union, 10254/10 v. 28.5.2010, Erwägungsgrund 10.

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te1, aber auch für viele Aktien- und Equity-Linked-Emissionen. Folgerichtig lässt die BaFin mit Recht längere Zusammenfassungen zu, solange 5.000 Wörter nicht überschritten werden2. Insbesondere, wenn der Emittent in anderen EWR-Staaten im Rahmen des Notifizierungsverfahrens („EU-Pass“) eine Übersetzung der Zusammenfassung des Prospekts verwendet, kann es ratsam sein, eine ausführlichere Zusammenfassung zu erstellen, um die (isolierte) Verständlichkeit sicherzustellen3. Nach der Praxis der BaFin darf die Zusammenfassung (zu ihrer Kürzung) keine Verweise auf andere Abschnitte im Prospekt enthalten, sondern muss aus sich heraus verständlich sein4. Dies gilt auch dann, wenn die Verweise letztlich auf eine Verkürzung der Zusammenfassung abzielen.

30

Hinsichtlich des Gebots, die Zusammenfassung „allgemein verständlich“ zu formulieren, gilt der gleiche Maßstab wie bei der Art der Darstellung im übrigen Prospekt (dazu siehe auch oben Rz. 17 ff.).

31

2. Warnhinweise § 5 Abs. 2 Satz 3 WpPG sieht zwingend die Aufnahme von Warnhinweisen vor, die klarstellen, dass es sich bei der Zusammenfassung lediglich um eine Einleitung zum Prospekt handelt (§ 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 WpPG), ein Anleger seine Investitionsentscheidung in Wertpapiere nur auf der Grundlage des gesamten Prospekts treffen sollte (§ 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 WpPG), der Kläger im Falle der Geltendmachung von Prospekthaftungsansprüchen die Kosten für die Übersetzung des Prospekts zu tragen haben könnte (§ 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 WpPG) und die Haftung für die Zusammenfassung (einschließlich ihrer Übersetzung) ausgeschlossen ist, es sei denn, die Zusammenfassung ist – zusammen mit den anderen Teilen des Prospekts gesehen – irreführend, unrichtig oder widersprüchlich (§ 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 WpPG).

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Diese Warnhinweise sind insbesondere vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die Zusammenfassung bei Nutzung des europäischen Passes in der Regel der einzige Prospektteil sind, der in der Amtssprache des Aufnahmestaats vorliegt (siehe dazu oben Rz. 25).

33

1 Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1073). 2 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 26; Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 32; A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 16; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (502); Schlitt/Singhof/Schäfer BKR 2005, 251 (252 Fn. 17); Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (85); Crüwell, AG 2003, 243 (247); Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (932); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (505); Weber, NZG 2004, 360 (363). 3 Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (85 Fn. 45). 4 Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (534).

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Die Hinweise in § 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis Nr. 3 WpPG sind als reine Warnhinweise zu verstehen. Die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 WpPG stellt darüber hinausgehend eine gesetzliche Haftungsbeschränkung dar, die im Kern die Haftung nach § 45 Abs. 2 Nr. 5 BörsG konkretisiert. Danach kann ein Anspruch auf Prospekthaftung auf die Unrichtigkeit, Unvollständigkeit oder mangelnde Klarheit des Prospekts in der Zusammenfassung nur dann geltend gemacht werden, wenn diese Unrichtigkeit, Unvollständigkeit oder mangelnde Klarheit auch bei Zugrundelegung des gesamten Prospekts besteht. Eine Irreführung bzw. ein Fehler oder Widerspruch allein aufgrund oder in der Zusammenfassung reicht daher zur Begründung einer Haftung nicht aus1.

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Zu den als für die Zusammenfassung verantwortlich zu nennenden Personen siehe unten Rz. 45 ff. 3. Entbehrlichkeit der Zusammenfassung

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Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 4 WpPG ist die Aufnahme einer Zusammenfassung entbehrlich, wenn der Prospekt allein für Zwecke der Börsenzulassung von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro erstellt wird. Grund für diese Erleichterung ist die Annahme des Gesetzgebers, dass Nichtdividendenwerte mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro in der Regel nur von qualifizierten Anlegern erworben werden, so dass hier das inhaltlich geringste Aufklärungsbedürfnis besteht, Erwägungsgrund 14 ProspektVO.

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Das öffentliche Angebot von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro findet keine Erwähnung, da in diesen (Ausnahme-)Fällen ohnehin gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WpPG keine Pflicht zur Prospektveröffentlichung besteht (siehe dazu § 3 WpPG Rz. 31). Wird der für Zwecke der Zulassung erstellte Prospekt ausnahmsweise zugleich für Zwecke des öffentlichen Angebots verwendet, ist daher gleichfalls keine Zusammenfassung zu erstellen2.

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Die Ausnahme vom Erfordernis, eine Zusammenfassung in den Prospekt aufzunehmen, setzt voraus, dass es sich um einen Nichtdividendenwert iS des § 2 Nr. 3 WpPG handelt und dieser eine Mindeststückelung von 50.000 Euro aufweist3. Eine freiwillige Erstellung ist damit jedoch nicht ausgeschlossen. Wird eine Zusammenfassung freiwillig in den Prospekt aufgenommen, hat sie den Anforderungen, die an eine obligatorische Zusammenfassung gestellt werden, zu genügen4. 1 Crüwell, AG 2003, 243 (248). 2 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 5 WpPG Rz. 21; Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1071); Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (211). 3 Siehe dazu § 2 WpPG Rz. 27. Im Zuge der Änderung der Prospektrichtlinie soll die Schwelle auf 100.000 Euro angehoben werden, Ratsdokument 10254/10, Nr. 5. (c). 4 Zur freiwilligen Zusammenfassung siehe CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 41.

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Unbeschadet dessen können die einzelnen Mitgliedstaaten vorschreiben, 39 dass bei einer Erstellung des Prospekts in einer anderen Sprache eine Zusammenfassung in der jeweiligen Amtssprache in den Prospekt aufzunehmen ist (Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Prospektrichtlinie). In diesem Fall kann nach nationalem Recht ausnahmsweise die Erstellung einer Zusammenfassung (doch) erforderlich sein. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit indessen keinen Gebrauch gemacht (§ 19 Abs. 5 WpPG). Begibt eine deutsche Aktiengesellschaft eine Anleihe mit einer Stückelung von 50.000 Euro, die an einer ausländischen Börse zugelassen werden soll, kann die BaFin oder die zuständige Behörde am Sitz der Börse den Prospekt billigen. In beiden Fällen kann der Prospekt in englischer Sprache ohne Erstellung einer deutschen Zusammenfassung verfasst werden (§ 19 Abs. 5 WpPG)1. Soll der Prospekt im Rahmen des europäischen Passes in anderen EWR-Staaten notifiziert werden, kann jedoch nach nationalem Recht des Aufnahmestaats die Beifügung und damit die Erstellung einer Zusammenfassung erforderlich sein (Art. 18 Abs. 1 Satz 2 Prospektrichtlinie). Zur nachträglichen Ergänzung der Zusammenfassung gemäß Art. 25 Abs. 5, 26 Abs. 7 ProspektVO siehe § 16 WpPG Rz. 102 ff.

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4. Ausblick Die EU-Kommission hat anlässlich der Überarbeitung der Prospektricht- 41 linie vorgeschlagen, den Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 der Prospektrichtlinie dahingehend zu ergänzen, dass die Zusammenfassung die wesentlichsten Informationen (key information) zu den essentiellen Charakteristika des Emittenden bzw. Garanten und den Wertpapieren, den damit verbundenen Risiken und den Angebotsbedingungen enthalten sowie in einem Format abgefasst sein soll, dass einen Vergleich der angebotenen bzw. zuzulassenden Wertpapiere mit ähnlichen Produkten ermöglicht2. Wie ein Vergleich etwa von Aktien mit ähnlichen Produkten angestellt werden soll, ist unklar. Die EU-Kommission hat sich hierbei an der OGAW-Richtlinie3 orientiert. Anders als bei der OGAW-Richtlinie, die sich auf ein bestimmtes An-

1 So das Beispiel bei Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 49. 2 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/10/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, KOM (2009) 491, 2009/0132 (COD) sowie Council of the European Union, 10254/10 v. 28.5.2010, Erwägungsgrund 10, Nr. 5. (a). 3 Richtlinie des Rates vom 20.12.1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere (OGAW) (85/611/EWG), ABl. EG Nr. L 375 v. 31.12.1985, S. 3, in der jeweils geltenden Fassung.

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lageprodukt fokussiert, das mit anderen Anlageprodukten gleicher Art verglichen werden kann, deckt die Prospektrichtlinie eine Vielzahl von Wertpapieren ab, die weder untereinander noch gegenüber anderen Wertpapieren unmittelbar verglichen werden können1.

IV. Erstellungsdatum und Unterzeichnung (§ 5 Abs. 3 WpPG) 42

Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 WpPG ist der Prospekt mit dem Datum seiner Erstellung zu versehen. Hierunter ist richtigerweise nicht das tatsächliche Erstellungsdatum, sondern das mit dem Billigungsdatum idR identische Veröffentlichungsdatum2 zu verstehen, da allein dieses Datum prospekthaftungsrechtliche Bedeutung hat3. Um den Prospekt während des Billigungsverfahrens bereits in einer billigungsreifen Form bei der BaFin einzureichen, kann bis zum Zeitpunkt der letztmaligen Einreichung wahlweise das jeweilige Entwurfsdatum oder vom Beginn des Billigungsverfahrens an das gewünschte Billigungsdatum angegeben werden.

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Darüber hinaus ist der Prospekt zur Erlangung der Billigung je nach seiner Zweckrichtung vom Anbieter und/oder Zulassungsantragsteller zu unterzeichnen (§ 5 Abs. 3 Satz 1, 2 WpPG). Wer Anbieter und/oder Zulassungsantragsteller ist, bestimmt sich nach den Legaldefinitionen der § 2 Nr. 10 und Nr. 11 WpPG (siehe dazu § 2 WpPG Rz. 71 ff., 74). Da die Zulassung an einem organisierten Markt im Inland einen Zulassungsantrag des Emittenten zusammen mit mindestens einem Kreditinstitut oder einem nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 KWG tätigen Unternehmen voraussetzt (§ 32 Abs. 2 BörsG), ist ein für Zwecke der Zulassung erstellter Prospekt auch von vertretungsberechtigten Mitarbeitern der begleitenden Konsortialbanken zu unterzeichnen. Eine Ausnahme besteht, wenn der Emittent selbst ein solches Kreditinstitut oder Unternehmen ist, das die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 BörsG erfüllt. Die Verpflichtung der Emissionsbanken zur Unterzeichnung des Prospekts kann sich nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 WpPG darüber hinaus auch daraus ergeben, dass sie im Zuge des öffentlichen Angebots als Anbieter auftreten. Darüber hinaus wird teilweise eine Verpflichtung zur Unterzeichnung aus der Verantwortungsübernahme im Prospekt hergeleitet4.

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Werden die betreffenden Wertpapiere nicht (oder nicht von den Emissionsbanken) öffentlich angeboten und wird der Prospekt für Zwecke der Zulas-

1 Kritisch dazu bereits im Vorfeld zB SIFMA/LIBA, Stellungnahme v. 10.3.2009, Ziff. 4.2. 2 Zur Verpflichtung der unverzüglichen Veröffentlichung des Prospekt siehe die Kommentierung zu § 14 WpPG. 3 § 44 Abs. 1 BörsG: „… sofern das Erwerbsgeschäft nach Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere abgeschlossen wurde.“; so bereits zur Rechtslage vor Inkrafttreten des WpPG Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspVO Rz. 16. 4 Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 5 WpPG Rz. 44.

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sung an einem organisierten Markt im Ausland erstellt, richtet sich die Frage, ob der Prospekt auch von den begleitenden Banken zu unterzeichnen ist, danach, ob sie nach der jeweiligen ausländischen Rechtsordnung den Zulassungsantrag (mit-)unterzeichnen müssen1. Daher kann beispielsweise bei einem von der BaFin zu billigenden Prospekt für die Zulassung der Wandelanleihe eines deutschen Emittenten an der Luxemburger Börse die Unterzeichnung durch die begleitenden Banken entbehrlich sein, was sich uU auch auf ihre Haftungsposition auswirkt.

V. Verantwortlichkeitsklausel (§ 5 Abs. 4 WpPG) Wer Adressat der Pflicht zur Abgabe einer Verantwortlichkeitserklärung ist, 45 bestimmt sich nach nationalem Recht2. Im Grundsatz besteht ein Gleichlauf mit der Vorschrift des § 5 Abs. 3 WpPG, so dass alle, die den Prospekt unterzeichnen, auch die Verantwortung übernehmen müssen. Damit unterfallen unter den oben zu § 5 Abs. 3 WpPG genannten Voraussetzungen auch die Emissionsbanken der Pflicht zur Verantwortungsübernahme3. Ist der Emittent der angebotenen oder zuzulassenden Wertpapiere weder als Anbieter noch als Zulassungsantragsteller an der Prospekterstellung beteiligt, gehört er entgegen einzelner Stimmen im Schrifttum nicht zum Adressatenkreis des § 5 Abs. 4 WpPG4. Über die Prospektunterzeichner hinaus kann im Einzelfall nach den kumulativ anwendbaren Mindestangaben der ProspektVO eine (teilweise) Verantwortungsübernahme weiterer Personen geboten erscheinen, sofern sie maßgeblich den Prospekt erstellt haben5. Im Zuge der Prospekterstellung eingeschaltete Berater wie Anwälte etc. gehören ebenso wie die Vorstandsmitglieder der Anbieter bzw. Zulassungsantragsteller, insbesondere des Emittenten, daher nach deutschem Recht nicht zum Adressatenkreis. Verantwortlich für den Prospekt sind damit nach deutschem Recht die Personen, die Prospekterlasser sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG), nicht aber der bloße Prospektveranlasser (§ 44 Abs. 1 1 Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006, § 5 WpPG Rz. 8 unter Verweis auf Hopt/ Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2004, zB für England S. 471 f., für Luxembourg S. 750 f. 2 Siehe dazu auch CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffern 47, 48; Wiegel, Die Prospektrichtline und Prospektverordnung, S. 213. 3 Kritisch dazu Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006, § 5 WpPG Rz. 8. 4 Von der verpflichtenden Verantwortungsübernahme des Emittenten scheint Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 216 auszugehen. Dies mag jedoch der Rolle des Emittenten bei öffentlichen Zweitplatzierungen, die grundsätzlich der Prospektpflicht unterliegen (siehe dazu die Kommentierung zu § 3 WpPG Rz. 10), im Einzelfall nicht gerecht werden. Tritt hier der Emittent ausnahmsweise nicht als Anbieter auf, gehört er richtigerweise nicht zum Adressatenkreis des § 5 Abs. 4 WpPG. 5 Siehe dazu die Kommentierung zu Anhang I Ziffer 1, Anhang III Ziffer 1, Anhang IV Ziffer 1, Anhang V Ziffer 1, Anhang VII Ziffer 1, Anhang IX Ziffer 1, Anhang XI Ziffer 1, Anhang XII Ziffer 1 und Anhang XIII Ziffer 1 EU-ProspektVO.

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Satz 1 Nr. 2 BörsG)1. Während Anbieter und Zulassungsantragsteller Prospekterlasser sind, sind solche Personen, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Emission haben und Einfluss auf die Gestaltung des Prospekts nehmen, ohne Anbieter oder Zulassungsantragsteller zu sein, Prospektveranlasser2. Letztere Personengruppe ist zwar weder zur Verantwortungsübernahme noch zur Unterzeichnung des Prospekts verpflichtet, ist jedoch regelmäßig neben den Prospekterlassern Haftungsadressat des § 44 Abs. 1 BörsG3. Hierzu zählen, je nach den Umständen des Einzelfalls, beispielsweise die verkaufenden Aktionäre, die im Zuge des öffentlichen Angebots der Gesellschaft ebenfalls Aktien veräußern4. 46

Der Inhalt der vorgeschriebenen Verantwortungsübernahme besteht zum einen aus der deskriptiven Nennung des Namens und der Stellung bzw. bei Gesellschaften der Firma und des Sitzes, zum anderen normativ aus der ausdrücklichen Veranwortungsübernahme. Sie bezieht sich sowohl auf die Prospektwahrheit („Angaben richtig“) als auch die Prospektvollständigkeit („keine Umstände ausgelassen“), findet ihre Grenze jedoch im positiven Wissen der Erklärenden („ihres Wissens“).

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Inhaltlich erstreckt sich die Verantwortungsübernahme auf den gesamten Prospekt, einschließlich der Zusammenfassung, in der die Verantwortungsübernahme mit spezifischem Zuschnitt auf die Zusammenfassung vom gleichen Adressatenkreis zu wiederholen ist (§ 5 Abs. 2 Nr. 4 WpPG)5.

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Der Wortlaut der Verantwortungsübernahme ist vorgegeben (§ 5 Abs. 4 WpPG). Haftungseinschränkungen oder -relativierungen werden von der BaFin aufgrund der klaren Vorgabe des § 5 Abs. 4 WpPG iVm. dem jeweils anwendbaren Anhang zur ProspektVO nicht akzeptiert. Insbesondere eine zeitliche Beschränkung der Prospektverantwortung („bis zum Datum der Prospekterstellung“) kann daher nicht in den Prospekt aufgenommen werden. Zulässig ist jedoch jedenfalls ein Hinweis, dass aufgrund von Änderungen, die nach der Erstellung des Prospekts eintreten, die Prospektangaben unrichtig oder unvollständig werden können, so dass gegebenenfalls ein Nachtrag nach § 16 WpPG erforderlich werden kann. Als (unzulässige) Haf-

1 So zur Vorgängerregelung bereits Hamann in Schäfer, § 14 BörsZulV aF Rz. 4; Heidelbach in Schwark, § 14 Rz. 1; Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 13–32 BörsZulV Rz. 4. Zu dieser Unterscheidung siehe § 13 VerkProspG Rz. 71 ff. 2 Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 68. 3 Zu den Haftungsadressaten im Einzelnen siehe Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 222 ff.; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 25 ff.; Mülbert/ Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 54 ff. sowie die Kommentierung zu § 13 VerkProspG Rz. 71 ff. 4 So auch Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 35. 5 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 32; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 5 WpPG Rz. 23.

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tungsbeschränkung könnte nach Auffassung der BaFin hingegen eine Formulierung angesehen werden, die die Verantwortungsübernahme auf die Haftung nach §§ 44, 45 BörsG, §§ 13, 13a VerkProspG bezieht, da der Eindruck erweckt werden könnte, andere Haftungsgrundlagen (zB § 826 BGB) seien ausgeschlossen. Diese Haftungsnormen können daher lediglich in einem gesonderten Absatz („haftet insbesondere nach den §§ 44, 45 BörsG, §§ 13, 13a VerkProspG“) aufgeführt werden. Zur Verantwortungsübernahme siehe auch die Kommentierung zu Anhang I EU-ProspektVO Ziffer 1 Rz. 2 ff.

§6 Basisprospekt (1) Für die folgenden Wertpapierarten kann der Anbieter oder der Zulassungsantragsteller einen Basisprospekt erstellen, der alle nach den §§ 5 und 7 notwendigen Angaben zum Emittenten und den öffentlich anzubietenden oder zum Handel an einem organisierten Markt zuzulassenden Wertpapieren enthalten muss, nicht jedoch die endgültigen Bedingungen des Angebots: 1. Nichtdividendenwerte sowie Optionsscheine jeglicher Art, die im Rahmen eines Angebotsprogramms ausgegeben werden; 2. Nichtdividendenwerte, die dauernd oder wiederholt von Einlagenkreditinstituten begeben werden, a) sofern die Wertpapiere durch in ein Deckungsregister eingetragene Vermögensgegenstände gedeckt werden, die eine ausreichende Deckung der aus den betreffenden Wertpapieren erwachsenden Verbindlichkeiten bis zum Fälligkeitstermin bieten, und b) sofern die Vermögensgegenstände im Sinne des Buchstaben a im Falle der Insolvenz des Einlagenkreditinstituts unbeschadet der auf Grund der Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (ABl. EG Nr. L 125 S. 15) erlassenen Vorschriften vorrangig zur Rückzahlung des Kapitals und der aufgelaufenen Zinsen bestimmt sind. (2) Die Angaben des Basisprospekts sind erforderlichenfalls durch aktualisierte Angaben zum Emittenten und zu den Wertpapieren, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, nach Maßgabe des § 16 zu ergänzen. (3) Werden die endgültigen Bedingungen des Angebots weder in den Basisprospekt noch in einen Nachtrag nach § 16 aufgenommen, hat der Anbieter oder Zulassungsantragsteller sie spätestens am Tag des öffentlichen Ange-

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Basisprospekt

bots in der in § 14 genannten Art und Weise zu veröffentlichen. Der Anbieter oder Zulassungsantragsteller hat die endgültigen Bedingungen des Angebots zudem spätestens am Tag der Veröffentlichung bei der Bundesanstalt zu hinterlegen. Ist eine fristgerechte Veröffentlichung oder Hinterlegung aus praktischen Gründen nicht durchführbar, ist sie unverzüglich nachzuholen. § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 ist in den in Satz 1 genannten Fällen entsprechend anzuwenden. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Assmann, Prospektaktualisierungspflichten, FS Ulmer, 2003, S. 757; Burn/Wells, The pan-European retail market – are we there yet?, CMLJ 2007, Vol. 2, No. 3, 263; Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, 2001; Elsen/Jäger, Revision der Prospektrichtlinie? – Ein erster Ausblick, BKR 2008, 459; Heidelbach/Preuße, Einzelfragen in der praktischen Arbeit mit dem neuen Wertpapierprospektregime, BKR 2006, 316; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668; Holzborn/Schwarz-Gondek, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BKR 2003, 927; Kullmann/Metzger, Der Bericht der Expertengruppe „Europäische Wertpapiermärkte“ (ESME) zur Richtlinie 2003/71/EG („Prospektrichtlinie“), WM 2008, 1292; Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB 2005, 209; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – Zentrale Punkte des neuen Regimes für Wertpapieremissionen, WM 2005, 1068; Kunold/ Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BB 2004, 501; Lenz/Ritz, Die Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel zum WertpapierVerkaufsprospektgesetz und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte, WM 2000, 904; Leuering, Prospektpflichtige Anlässe im WpPG, Konzern 2006, 4; Müller/Oulds, Transparenz im europäischen Fremdkapitalmarkt, WM 2007, 573; Schanz/Schalast, Wertpapierprospekt – Markteinführungspublizität nach EU-Prospektverordnung und Wertpapierprospektgesetz 2005, HfB – Working Paper Nr. 74, Juli 2006; Schäfer, Stand und Entwicklungstendenzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung, ZGR 2006, 40; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schwark, Das neue Kapitalmarktrecht, NJW 1987, 2041; Seitz, Das neue Wertpapierprospektgesetz – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678; Wagner, Der Europäische Pass für Emittenten – die neue Prospektrichtlinie, Die Bank 2003, 680; Weber, Unterwegs zu einer europäischen Prospektkultur – Vorgaben der neuen Wertpapierprospektrichtlinie vom 4.11.2003, NZG 2004, 360.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung und Übersicht 1. Entstehungsgeschichte, Vorgängervorschriften . . . . . 2. Besonderheiten des Basisprospektsregimes, Intention des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Konkretisierungen zum Basisprospektregime, Rechtsentwicklungen . . . . .

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II. Erfasste Wertpapierarten (§ 6 Abs. 1 WpPG) 1. Allgemeines zum Anwendungsbereich, Differenzierung zwischen Wertpapierkategorien (Art. 22 Abs. 6 ProspektVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

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Basisprospekt 2. Nichtdividendenwerte sowie Optionsscheine jeglicher Art, die im Rahmen eines Angebotsprogramms ausgegeben werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schuldverschreibungen als Gegenstand von Basisprospekten . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff des Angebotsprogramms . . . . . . . . . . . . . . 3. Nichtdividendenwerte mit besonderer Deckung und Insolvenzfestigkeit (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 WpPG) . . . . . . . . . . . . III. Anforderungen an den Aufbau und den Inhalt von Basisprospekten (§ 6 Abs. 1 WpPG) . . 1. Allgemeines zum Format von Basisprospekten . . . . . . . . . . 2. Gliederung und Bestandteile von Basisprospekten . . . . . . 3. Endgültige Bedingungen a) Allgemeines . . . . . . . . . . b) Gegenstand von endgültigen Bedingungen, Verhältnis zum Basisprospekt . . . c) Präsentation der endgültigen Bedingungen (Art. 26 Abs. 5 ProspektVO) . . . . . d) Sonderproblem: Aufstockung des Emissionsvolumens . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Nachtragspflicht bei Basisprospekten (§ 6 Abs. 2 WpPG) . . 68

1. Emittentenbezogene Angaben als Gegenstand von Nachträgen bei Basisprospekten . . . . 2. Wertpapierbezogene Angaben als Gegenstand von Nachträgen bei Basisprospekten, Abgrenzung zum Gegenstand von endgültigen Bedingungen a) Allgemeines . . . . . . . . . . b) Aufnahme neuer wertpapierbezogener Angaben . c) Korrektur von in endgültigen Bedingungen enthaltenen wertpapierbezogenen Angaben, Ersetzung der endgültigen Bedingungen . 3. Nachtrag zur Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zeitliche Abfolge im Verhältnis zur Billigung des Basisprospekts und der Hinterlegung der endgültigen Bedingungen

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V. Veröffentlichung und Hinterlegung der endgültigen Bedingungen, Nichtaufnahme von Angaben (§ 6 Abs. 3 WpPG) 1. Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 WpPG) . . . . . . . . . . . 88 2. Hinterlegung der endgültigen Bedingungen (§ 6 Abs. 3 Satz 2 WpPG) . . . . . . . . . . . 94 3. Entsprechende Anwendung von § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WpPG (§ 6 Abs. 3 Satz 4 WpPG) . . . . . . . . . . . 99

I. Normentwicklung und Übersicht 1. Entstehungsgeschichte, Vorgängervorschriften § 6 WpPG dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 4 Prospektrichtlinie, der die 1 Möglichkeit der Erstellung eines Basisprospekts vorsieht. Im Rechtsetzungsverfahren zur Prospektrichtlinie war im ersten Kommis- 2 sionsvorschlag noch ausschließlich der ein- und dreiteilige Prospekt vorgesehen1. Erst nach und nach wurde in der Diskussion der Prospektrichtlinie im Rat deutlich, dass im Hinblick auf das Prospektformat eine Sonder-

1 Vgl. KOM(2001) 280 endgültig v. 30.5.2001.

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regelung für Emissionsprogramme und Pfandbriefe sinnvoll ist1. Letztlich hat dies dazu geführt, dass die Kommission in dem geänderten Kommissionsvorschlag zur Prospektrichtlinie, auf dessen Grundlage die finale Abstimmung mit dem Rat und dem Parlament erfolgt ist, das Basisprospektregime aufgenommen hat2. 3

Gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. r Prospektrichtlinie ist ein Basisprospekt ein „Prospekt, der alle in den Artikeln 5, 7 und – im Falle eines Nachtrags – 16 bezeichneten notwendigen Angaben zum Emittenten und zu den öffentlich anzubietenden oder zum Handel zuzulassenden Wertpapieren sowie, nach Wahl des Emittenten, die endgültigen Bedingungen des Angebots enthält“. Im Rahmen der Umsetzung in Deutschland wurde auf eine gesonderte Definition des Begriffes „Basisprospekt“ verzichtet und durch die Formulierung in § 6 Abs. 1 WpPG deutlich gemacht, dass die endgültigen Bedingungen des Angebots nicht zu den notwendigen Bestandteilen des Basisprospekts gehören.

4

Das Konzept des Basisprospektregimes ist im deutschen Recht nicht neu. Bereits vor dem Inkrafttreten des WpPG bestand die Möglichkeit, einen unvollständigen Verkaufs- bzw. unvollständigen Börsenzulassungsprospekt zu veröffentlichen, vgl. § 10 VerkProspG aF und § 44 BörsZulV aF3. Ähnlich dem Basisprospektregime konnten mittels Nachträgen (nicht zu verwechseln mit den Nachträgen nach § 11 VerkProspG) einzelne Angebotsbedingungen kurz vor dem öffentlichen Angebot festgesetzt werden. Relevanz hat dies noch heute insofern, als vor dem 1.7.2005 genehmigte Prospekte für laufende Emissionsprozesse über das Datum des Inkrafttretens des WpPG hinaus weiterbenutzt werden können. Im Fall von unvollständigen Verkaufsprospekten von Kreditinstituten gilt dies gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG zeitlich unbeschränkt mit der Folge, dass nach wie vor Emissionen unter diesen unvollständigen Verkaufsprospekten getätigt werden4. 2. Besonderheiten des Basisprospektsregimes, Intention des Gesetzgebers

5

Wesentliche Besonderheit des Basisprospektregimes ist, dass die endgültigen Konditionen eines konkreten Angebots nicht im Basisprospekt selbst enthalten sein müssen, sondern in ein gesondertes Dokument, die „endgültigen Bedingungen des Angebots“ (im Englischen „final terms of the offering“), verlagert werden können (siehe unten Rz. 40 ff.). Der Basisprospekt stellt damit eine Alternative neben dem einteiligen und dreiteiligen Prospekt dar (zur Abgrenzung gegenüber dem dreiteiligen Prospekt siehe § 12 WpPG Rz. 26 ff.). 1 Eine Auswertung der einzelnen Ratsdokumente findet sich bei Just/Ritz in Just/ Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 2 bis 4. 2 Vgl. KOM(2002) 460 endgültig v. 9.8.2002, Art. 5 Abs. 4. 3 Vgl. auch Begr. RegE, Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 32 (Begründung zu § 6). 4 Zu Einzelheiten der Übergangsbestimmung siehe Seitz, AG 2005, 678 (682).

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Nach Erwägungsgrund Nr. 21 zur ProspektVO sollen ein Basisprospekt und 6 die zugehörigen endgültigen Bedingungen die gleichen Angaben wie ein Prospekt enthalten; sämtliche für einen Prospekt geltenden Grundsätze sind auch auf die endgültigen Bedingungen anwendbar; sind die endgültigen Bedingungen nicht im Basisprospekt enthalten, müssen sie von der zuständigen Behörde auch nicht gebilligt werden1. Konsequenterweise bestimmen § 6 Abs. 3 Satz 2 WpPG bzw. Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 3 Prospektrichtlinie, dass die endgültigen Bedingungen bei der zuständigen Behörde zu „hinterlegen“ sind. Die Europäische Kommission hatte die Aufnahme des Basisprospektregimes 7 in den Entwurf für die Prospektrichtlinie mit dem Ziel begründet, „Emittenten mit häufigen Emissionen die Aufgabe zu erleichtern und die Arbeitsbelastung zu senken“2. Tragender Gedanke des Basisprospektregimes ist die Überlegung, dass mit dem Basisprospekt ein Rahmen geschaffen wird, der es erlaubt, eine oder mehrere Emissionen von Wertpapieren, man spricht hier auch von „Ziehungen“, unter dem Basisprospekt durchzuführen, für die einzelne Bedingungen erst kurz vor dem Beginn des öffentlichen Angebots bzw. der Zulassung der Wertpapier an einem regulierten Markt festgesetzt werden. Da der Beginn des öffentlichen Angebots bzw. der Tag der Zulassung der Wertpapiere an einem regulierten Markt mit dem Tag der Hinterlegung der endgültigen Bedingungen zusammenfallen kann (siehe unten Rz. 92), könnte die Aktualität des Prospekts ohne die Möglichkeit, endgültige Bedingungen nach vorheriger Billigung des Basisprospekts zu hinterlegen, nicht ohne weiteres gewährleistet werden3. Ein weiterer wichtiger Vorteil des Basisprospektregimes besteht darin, dass bei wiederholten Emissionen, die zumindest gleiche Ausstattungsmerkmale aufweisen, nur einmal eine Billigung des Basisprospekts durch die BaFin erforderlich ist und für die einzelnen Ziehungen unter dem Basisprospekt aufgrund des Wegfalls des Billigungsverfahren der administrative Aufwand reduziert ist (siehe zur Hinterlegung der endgültigen Bedingungen unten Rz. 94 ff.). Es wird damit eine flexible Reaktion der Marktteilnehmer auf kurzfristige Veränderungen am Markt ermöglicht: Der Wegfall des Prüfungsverfahrens durch die Prospektprüfungsbehörde für die endgültigen Bedingungen ist gerechtfertigt, solange sich die Angaben in den endgültigen Bedingungen in dem durch den Basisprospekt vorgegebenen Rahmen befinden. Der Gesetzgeber hat hier eine ausbalancierte Abwägung zwischen Anlegerschutzgesichtspunkten und den Kapitalmarktbedürfnissen getroffen. Dies kommt auch in den entsprechenden Erwägungsgründen der Prospektrichtlinie bzw. der ProspektVO zum Ausdruck: In Erwägungsgrund Nr. 24 Prospektrichtlinie heißt es, dass der Inhalt des Basisprospekts insbesondere

1 Vgl. Begr. RegE, Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 32 (Begründung zu § 6 Abs. 2). 2 Vgl. KOM(2002) 460 endgültig v. 9.8.2002, S. 15 (Erläuterungen zu Art. 5). 3 So auch bereits zum Regime der unvollständigen Verkaufsprospekte Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 10 VerkProspG Rz. 3.

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der Flexibilität Rechnung tragen soll, die in Bezug auf die Angaben zu den Wertpapieren erforderlich ist; in Erwägungsgrund Nr. 25 ProspektVO wird klargestellt, dass durch die verstärkte Flexibilität bei der Verbindung des Basisprospekts mit den zugehörigen endgültigen Bedingungen im Vergleich zu einem einzigen Emissionsprospekt der leichte Zugang des Anlegers zu wesentlichen Angaben nicht beeinträchtigt werden soll. 9

Ein Basisprospekt kann zusammen mit den endgültigen Bedingungen des Angebots sowohl für das öffentliche Angebot als auch für die Börsenzulassung, dh. für die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt, genutzt werden1.

10

Im Hinblick auf die Gültigkeitsdauer von Basisprospekten ist zu differenzieren: Basisprospekte iS des § 6 Abs. 1 Nr. 1 WpPG sind gemäß § 9 Abs. 2 WpPG nach der Veröffentlichung zwölf Monate gültig, dh. es können in diesem Gültigkeitszeitraum unbegrenzt viele Emissionen durch nachfolgend erstellte und hinterlegte endgültige Bedingungen erfolgen; Basisprospekte iS des § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpPG dagegen behalten gemäß § 9 Abs. 3 WpPG ihre Gültigkeit bis keines der betroffenen Wertpapiere mehr dauernd oder wiederholt ausgegeben wird (vgl. näher § 9 WpPG Rz. 55 ff.). 3. Weitere Konkretisierungen zum Basisprospektregime, Rechtsentwicklungen

11

Neben den bereits zitierten Bestimmungen in der Prospektrichtlinie und im WpPG finden sich weitere Konkretisierungen für Basisprospekte in der ProspektVO, insbesondere in den Artt. 22 und 26 bis 28 sowie in den Erwägungsgründen 21, 25 und 26.

12

Befasst hat sich mit dem Basisprospektregime auch die Expertengruppe „Europäische Wertpapiermärkte“ (European Securities Markets Experts – ESME). In dem Bericht vom September 2007 wird die Bedeutung des Basisprospektregimes im Allgemeinen sowie die Notwendigkeit der Flexibilität für die Emittenten herausgestellt2.

13

Von grundsätzlicher Bedeutung für das Basisprospektregime ist zudem die Stellungnahme von CESR zur Abgrenzung der Gegenstände von Basisprospekten und endgültigen Bedingungen (vgl. dazu im Einzelnen unten Rz. 42 ff.)3.

1 Begr. RegE, Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 32 (Begründung zu § 6). 2 ESME, Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published or admitted to trading, S. 18 f., abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/esme/05092007_ report_en.pdf; vgl. dazu Kullmann/Metzger, WM 2008, 1292 (1296 f.). 3 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 57.

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Im Zuge der geplanten Überarbeitung der Prospektrichtlinie, zu der die Europäische Kommission im Januar 2009 eine öffentliche Konsultation gestartet hatte1, wurde das Thema zwar nicht von der Europäischen Kommission selbst angesprochen, es gab aber eine Reihe von Stellungnahmen, welche eine Klarstellung von einzelnen Fragen zum Basisprospektregime auf europäischer Ebene anregten, da die Anwendung in den Mitgliedstaaten zum Teil erheblich divergiert2. Die Europäische Kommission hatte in ihrem im September 2009 veröffentlichten Vorschlag zur Änderung der Prospektrichtlinie diese Vorschläge nicht aufgegriffen3. In dem Kompromissvorschlag der Europäischen Kommission und des Rates vom 28.5.2010 sind eine Reihe von Modifikationen zum Basisprospektregime vorgesehen, ua. was das Verhältnis der endgültigen Bedingungen zum Basisprospekt (Erwägungsgrund Nr. 10b) und den Zeitpunkt der Hinterlegung der endgültigen Bedingungen (Art. 5 Abs. 4 Prospektrichtlinie) betrifft4.

14

II. Erfasste Wertpapierarten (§ 6 Abs. 1 WpPG) 1. Allgemeines zum Anwendungsbereich, Differenzierung zwischen Wertpapierkategorien (Art. 22 Abs. 6 ProspektVO) Die Vorschrift findet nur Anwendung auf die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 15 WpPG abschließend genannten Wertpapierarten, welche den Gegenstand des Basisprospekts bilden. Konkretisiert wird der durch § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpPG festgelegte Anwendungsbereich durch Art. 22 Abs. 6 ProspektVO, wonach nur die dort genannten Wertpapierkategorien Gegenstand eines Basisprospekts sein können. Es können mehrere Wertpapierkategorien in einem Basisprospekt zusammengefasst werden, sofern eine klare Trennung zwischen den spezifischen Informationen über die verschiedenen Wertpapierkategorien erfolgt5. Die Differenzierung zwischen den Wertpapierkategorien ist relevant für die Darstellung der Wertpapiere im Prospekt: Gemäß Art. 22 Abs. 6 Unterabs. 2 ProspektVO ist bei der Erstellung des Basisprospekts eine Trennung zwischen den spezifischen Angaben über die verschiedenen Wertpapiere vorzunehmen, die in den jeweiligen Wertpapierkategorien enthalten sind. Die in Art. 22 Abs. 6 Unterabs. 1 ProspektVO aufgeführten unterschiedlichen 1 Consultation Paper of the European Commission, Consultation on a draft proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directives 2003/71/EC on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading and 2004/109/EC on the harmonisation of transparency requirements in relation to information about issuers whose securities are admitted to trading on a regulated market; abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2009/prospectus_en.htm. 2 Siehe auch Elsen/Jäger, BKR 2008, 459 ff. 3 Vgl. KOM(2009) 491 endgültig v. 23.9.2009. 4 Vgl. Ratsdokument 10254/10 v. 28.5.2010. 5 Zu der nicht durchgängig konsistenten Terminologie des Prospektsrechts im Zusammenhang mit Schuldverschreibungen siehe Seitz, AG 2005, 678 (681).

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Wertpapierkategorien können durchaus in einem einzigen Dokument zusammengefasst werden (vgl. auch Art. 26 Abs. 8 und Abs. 6 ProspektVO). Dieses Dokument enthält dann mehrere Basisprospekte im rechtlichen Sinne. Klargestellt wird dies auch in Erwägungsgrund Nr. 13 Prospektrichtlinie. Danach sind die in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 4 Prospektrichtlinie fallenden Emissionen von Nichtdividendenwerten unter Angebotsprogrammen bzw. Emissionen von Wertpapieren, die dauernd oder wiederholt ausgegeben werden, so zu verstehen, dass nicht nur identische Wertpapiere abgedeckt werden, sondern auch Wertpapiere, die nach allgemeinen Gesichtspunkten in eine Kategorie gehören. Diese Wertpapiere können unterschiedliche Produkte, wie zum Beispiel Schuldverschreibungen, Zertifikate und Optionsscheine, oder gleiche Produkte in ein und demselben Programm umfassen und unterschiedliche Merkmale, insbesondere hinsichtlich der Bedingungen für die Vorrangigkeit, der Typen der Basiswerte oder der Grundlage, auf der der Rückzahlungsbetrag oder die Kuponzahlung zu berechnen sind, aufweisen1. In dem Fall, dass unterschiedliche Wertpapierkategorien iS des Art. 22 Abs. 6 Unterabs. 1 ProspektVO und damit mehrere Basisprospekte in einem Dokument zusammengefasst werden, entspricht es der gängigen Verwaltungspraxis der Prospektprüfungsbehörden, dass dies bereits auf dem Deckblatt des Dokuments deutlich gemacht wird, was zB bei Basisprospekten zu EMTN-Programmen relevant ist, in denen nicht nur die Emission von ungedeckten Schuldverschreibungen, sondern auch von Pfandbriefen vorgesehen ist. 2. Nichtdividendenwerte sowie Optionsscheine jeglicher Art, die im Rahmen eines Angebotsprogramms ausgegeben werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 WpPG) 17

Der Wertpapierbegriff nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 WpPG umfasst Nichtdividendenwerte und Optionsscheine jeglicher Art, die im Rahmen eines Angebotsprogramms ausgegeben werden. a) Schuldverschreibungen als Gegenstand von Basisprospekten

18

Bei Nichtdividendenwerten handelt es sich nach der Definition in § 2 Nr. 3 WpPG um alle Wertpapiere, die keine Dividendenwerte sind, wobei der Begriff Dividendenwerte wiederum in § 2 Nr. 2 WpPG definiert ist (siehe auch § 2 WpPG Rz. 20 ff.).

19

Der Begriff „Optionsscheine jeglicher Art“ ist weder in der Prospektrichtlinie noch im WpPG definiert. Fraglich ist insbesondere, wie das Verhältnis zum Begriff der Nichtdividendenwerte ist. Während nach der Formulierung in Art. 5 Abs. 4 lit. a ProspektRL die Optionsscheine jeglicher Art als ein Unterfall der Nichtdividendenwerte anzusehen sind, legt die Formulierung im WpPG nahe, dass es zumindest auch Optionsscheine gibt, welche keine 1 Zur Debatte bei der Entstehung der Prospektrichtlinie siehe Wagner, Die Bank 2003, 680 (683).

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Nichtdividendenwerte sind. Stützen lässt sich eine derartige Auslegung auch auf Art. 22 Abs. 6 ProspektVO, wonach sowohl Optionsscheine iS von Art. 17 ProspektVO (Art. 22 Abs. 6 Nr. 2 ProspektVO) als auch sonstige Optionsscheine (Art. 22 Abs. 6 Nr. 4 ProspektVO) Gegenstand eines Basisprospekts sein können. Daraus lässt sich folgern, dass sowohl Optionsscheine, die zu den Dividendenwerten zählen, als auch Optionsscheine, die zu den Nichtdividendenwerten zählen, zu den von § 6 Abs. 1 Nr. 1 WpPG erfassten Wertpapieren gehören. Die Unterscheidung zwischen Optionsscheinen nach Art. 17 ProspektVO und sonstigen Optionsscheinen ist auf die Besonderheit zurückzuführen, dass die Begriffe „Schuldverschreibungen“ und „Nichtdividendenwerte“ auseinander fallen können. Schuldverschreibungen sind zwar in der Regel Nichtdividendenwerte. Als Ausnahme dazu sind aber Wandel- und Optionsanleihen in der Regel als Dividendenwerte iS von § 2 Nr. 2 WpPG zu qualifizieren1. Für die in der Praxis häufig den Gegenstand von Basisprospekten bildenden derivativen Wertpapiere, wie Anlagezertifikate oder Hebelprodukte, spielt die Differenzierung letztlich keine Rolle. Sie gehören jedenfalls zu den von § 6 Abs. 1 Nr. 1 WpPG erfassten Wertpapieren – unabhängig davon, ob man sie als einen Unterfall der „Optionsscheine jeglicher Art“2 oder allgemein der Nichtdividendenwerte ansieht und es können jedenfalls auch Optionsscheine in den Basisprospekt einbezogen werden, bei denen der Basiswert Aktien des Emittenten sind3. Art. 22 Abs. 6 Nr. 1 ProspektVO führt mit den „Asset backed securities“ (ABS) einen weiteren Unterfall der Nichtdividendenwerte auf. ABS werden gesondert behandelt, da für diese gemäß Art. 11 ProspektVO ein eigenes Modul für die Wertpapierbeschreibung vorgesehen ist (siehe die Kommentierung zu Anhang VIII EU-ProspektVO Rz. 2 ff.).

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Trotz der zum Teil bestehenden begrifflichen Unklarheiten in den verschiedenen Vorschriften des Prospektrechts kann jedenfalls festgehalten werden, dass unter deutschem Recht ausschließlich Schuldverschreibungen iS des § 793 BGB Gegenstand von Basisprospekten sein können.

21

b) Begriff des Angebotsprogramms Die Wertpapiere müssen weiterhin im Rahmen eines Angebotsprogramms 22 angeboten werden. Dabei handelt es sich um einen Plan, der es erlauben würde, Nichtdividendenwerte ähnlicher Art oder Gattung sowie Optionsscheine jeder Art dauernd oder wiederholt während eines bestimmten Emissionszeitraums zu begeben (§ 2 Nr. 5 WpPG). In der Praxis haben sich für Emissionsprogramme eine Vielzahl von Formen herausgebildet. Dazu zäh1 Im Einzelnen Seitz, AG 2005, 678 (680 mwN); zur Entstehungsgeschichte siehe Just/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 9. 2 Nach Kullmann/Sester, ZBB, 2005, 209 (211 f.) waren mit „Optionsscheinen jeglicher Art“ die „derivativen Wertpapiere“ iS des Art. 15 ProspektVO gemeint; dem folgend Glismann in Holzborn, § 6 WpPG Rz. 4. 3 Zur Debatte in Zusammenhang mit der Entstehung der Prospektrichtlinie siehe Wagner, Die Bank 2003, 680 (683).

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len internationale Programme, wie Debt Issuance Programme (DIP) und Euro Medium Term Note Programme (EMTN)1 oder Commercial Paper Programme, bei denen in der Regel mehrere Beteiligte (Emittent, Arranger, Dealer, Agents) sich vorab über die vertraglichen Bedingungen für die Platzierung von Anleihen am internationalen Kapitalmarkt geeinigt haben. Emissionsprogramme erfordern aber nicht zwingend mehrere Beteiligte; im Bereich der derivativen Wertpapiere kann ein Emissionsprogramm auch darin bestehen, dass ein Emittent mit einem Beschluss oder Arbeitsanweisungen den internen Rahmen für die Begebung von Schuldverschreibungen vorgegeben hat2. Entscheidend ist mithin, dass die dauernde oder wiederholte Ausgabe von Wertpapieren beabsichtigt ist: Dies ist dann gegeben, wenn die dauernde oder mindestens zwei Emissionen umfassende Ausgabe von Wertpapieren ähnlicher Art oder Gattung während eines Zeitraums von zwölf Monaten erfolgen soll (§ 2 Nr. 12 WpPG). Auf die Frage, inwiefern tatsächlich zwei Emissionen durchgeführt werden müssen, um das Merkmal einer wiederholten Ausgabe zu bejahen, kommt es im Rahmen des § 2 Nr. 5 WpPG nicht an, da entscheidend ist, dass das Angebotsprogramm die dauernde oder wiederholte Emission „erlauben“ würde3. In der Praxis sind damit Fälle denkbar, in denen der Basisprospekt tatsächlich für nur eine Ziehung genutzt wird4. Insgesamt sind mithin an das Erfordernis des Vorliegens eines Angebotsprogramms keine zu hohen Anforderungen zu stellen. 3. Nichtdividendenwerte mit besonderer Deckung und Insolvenzfestigkeit (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 WpPG) 23

Von § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpPG sind Nichtdividendenwerte umfasst, die von Einlagenkreditinstituten dauernd oder wiederholt begeben werden, und welche die in § 6 Abs. 1 Nr. 2 lit. a und Nr. 2 lit. b WpPG normierten kumulativen Anforderungen erfüllen (vgl. auch Art. 22 Abs. 6 Nr. 3 ProspektVO).

24

Erfasst sind nur entsprechende Emissionen durch Einlagenkreditinstitute, also gemäß § 1 Abs. 3d KWG von Kreditinstituten, die Einlagen oder andere ungedingt rückzahlbare Gelder des Publikums entgegennehmen und das Kreditgeschäft betreiben.

25

Unter der „dauernden oder wiederholten Ausgabe“ von Wertpapieren ist gemäß § 2 Nr. 12 WpPG die dauernde oder mindestens zwei gesonderte Emissionen umfassende Ausgabe von Wertpapieren ähnlicher Art oder Gattung während eines Zeitraums von zwölf Monaten zu verstehen (eingehend dazu die Kommentierung in § 2 WpPG Rz. 75 ff.). 1 Dazu Rühlmann in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 14 Rz. 37 ff. 2 Vgl. auch Glismann in Holzborn, § 6 WpPG Rz. 6. 3 Anderer Ansicht Glismann in Holzborn, § 6 WpPG Rz. 7; zur Auslegung im Rahmen der Befreiung von der Prospektpflicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG siehe § 1 WpPG Rz. 60. 4 So auch Just/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 6.

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§ 6 WpPG

Die besonderen Anforderungen an die Deckung und Insolvenzfestigkeit ergeben sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 lit. a und Nr. 2 lit. b WpPG. § 6 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WpPG statuiert das Erfordernis einer ausreichenden Deckung durch in einem Deckungsregister eingetragene Vermögensgegenstände. § 6 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WpPG verlangt zusätzlich, dass die Vermögensgegenstände auch im Fall der Insolvenz des emittierenden Kreditinstituts vorrangig zur Rückzahlung des Kapitals und der aufgelaufenen Zinsen bestimmt sind.

26

Unter deutschem Recht treffen diese Anforderungen auf Hypothekenpfand- 27 briefe, Öffentliche Pfandbriefe, Schiffspfandbriefe oder neuerdings Flugzeugpfandbriefe zu, welche unter dem Pfandbriefgesetz1 begeben werden2. Andere spezialgesetzlich geregelte gedeckte Schuldverschreibungen sind grundsätzlich gleich zu behandeln3. Besonderheit der Nichtdividendenwerte iS des § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpPG ist, dass sie von einer „Endlosgültigkeitsdauer“ des Prospekts nach § 9 Abs. 3 WpPG profitieren (siehe § 9 WpPG Rz. 53 f.).

28

III. Anforderungen an den Aufbau und den Inhalt von Basisprospekten (§ 6 Abs. 1 WpPG) Ein Basisprospekt muss nach § 6 Abs. 1 WpPG alle nach § 5 und § 7 WpPG 29 notwendigen Angaben zum Emittenten und den öffentlich anzubietenden oder zum Handel an einem organisierten Markt zuzulassenden Wertpapieren enthalten. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 WpPG muss demnach der Basisprospekt wie andere Prospekte auch in leicht analysierbarer und verständlicher Form sämtliche Angaben enthalten, die im Hinblick auf den Emittenten und die öffentlich angebotenen oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Wertpapiere notwendig sind, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste, die Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers sowie über die mit diesen Wertpapieren verbundenen Rechte zu ermöglichen. Bei Basisprospekten ergeben sich aber aufgrund des Umstands, dass ein Teil der Pflichtangaben in die endgültigen Bedingungen verlagert werden kann, Besonderheiten hinsichtlich des Aufbaus und der Präsentation von einzelnen Prospektinhalten (zur Frage der Beurteilung der Vollständigkeit des Basisprospekts siehe unten Rz. 41).

1 Pfandbriefgesetz v. 23.5.2005, BGBl. I 2005, 1373; zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes v. 31.7.2009, BGBl. I 2009, 2512. 2 Vgl. Begr. RegE, Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 32 (Begründung zu § 6 Abs. 1). 3 Vgl. ua. § 9 DG Bank-Umwandlungsgesetz v. 13.8.1998, BGBl. I 1998, 2102; siehe näher Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (13).

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1. Allgemeines zum Format von Basisprospekten 31

Das Basisprospektregime ist in der Prospektrichtlinie als ein eigenständiges Prospektformat angelegt, das neben dem einteiligen und dreiteiligen Prospekt steht1. Eine Konsequenz des Umstands, dass bei Basisprospekten bereits eine Aufteilung in zwei Dokumente möglich ist (siehe Rz. 54 ff.), ist, dass gemäß § 12 Abs. 1 Satz 6 WpPG bei Basisprospekten anders als bei sonstigen Prospekten die Aufteilung in mehrere Einzeldokumente unzulässig ist (vgl. näher § 12 WpPG Rz. 26 ff.). Daher gehören neben der Wertpapierbeschreibung die Zusammenfassung und die Emittentenbeschreibung zwingend zum Bestandteil eines Basisprospekts. Dies heißt allerdings nicht, dass ein Registrierungsformular oder andere Informationen nicht durch Verweis in den Basisprospekt einbezogen werden können (vgl. dazu unten Rz. 36).

32

Besonderheit von Basisprospekten ist, dass mehrere Basisprospekte in einem einzigen Dokument zusammengefasst werden können (siehe oben Rz. 16). 2. Gliederung und Bestandteile von Basisprospekten

33

Basisprospekte besitzen gemäß Art. 26 Abs. 1 ProspektVO grundsätzlich die gleiche Gliederung wie sonstige Prospekte (vgl. Art. 25 Abs. 1 ProspektVO), dh. nach dem Inhaltsverzeichnis, der Zusammenfassung und den Risikofaktoren folgen die Informationsbestandteile, die Gegenstand der einschlägigen „Schemata“ (Art. 2 Nr. 1 ProspektVO) und „Module“ (Art. 2 Nr. 2 ProspektVO) sind, insbesondere das Registrierungsformular mit der Emittentenbeschreibung und die Wertpapierbeschreibung. Ein Abweichen von der in den Schemata und Modulen vorgegebenen Reihenfolge ist auch im Fall von Basisprospekten möglich, soweit die verschiedenen im Basisprospekt enthaltenen Wertpapiere klar getrennt werden (Art. 26 Abs. 2 ProspektVO). In diesem Fall schreibt Art. 26 Abs. 3 ProspektVO wie bei sonstigen Prospekten (siehe dazu § 7 WpPG Rz. 31) vor, dass eine Querverweisliste für die Prüfung des Prospekts von der Prospektprüfungsbehörde verlangt werden kann. Nach der Verwaltungspraxis der BaFin ist jeweils die Seite anzugeben, auf der die entsprechende Angabe gemacht wird2, ein Hinweis auf Gliederungspunkte reicht daher nicht aus, kann aber als zusätzliche Angabe hilfreich sein, insbesondere vermindert die Aufnahme von Gliederungsebenen in der Querverweisliste den Aufwand bei künftigen Updates des Basisprospekts. Besonderheit der Querverweisliste von Basisprospekten ist zudem, dass es in dem Fall, dass mehrere Wertpapierarten in dem Basisprospekt enthalten sind, geboten sein kann, nicht nur einen Anhang für die Wertpapierbeschreibung, sondern mehrere Anhänge parallel auszufüllen (siehe näher unten Rz. 37 f.). 1 Zur entsprechenden Interpretation der Prospektrichtlinie siehe Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (506). 2 So auch Just/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 16.

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Im Hinblick auf die Zusammenfassung stellt Art. 26 Abs. 6 ProspektVO 34 klar, dass für Basisprospekte, auch wenn sie verschiedene Wertpapiere beinhalten, lediglich eine einzige Zusammenfassung zu erstellen ist, wobei allerdings die Angaben zu den verschiedenen Wertpapierarten voneinander zu trennen sind. Bei Basisprospekten ist es regelmäßig eine besondere Herausforderung, die Sollgrenze von 2.500 Wörter für die Zusammenfassung einzuhalten (siehe § 5 WpPG Rz. 28), insbesondere wenn man berücksichtigt, dass auch bei komplexen Emissionsprogrammen, die eine Vielzahl von Produkten abbilden, eine verständliche und getrennte Darstellung der jeweiligen Produkte erforderlich ist. Gerade für diesen Fall wird es häufig gerechtfertigt sein, wenn der Richtwert von 2.500 Wörtern nicht vollumfänglich eingehalten wird1. Auch wenn in einem Basisprospekt zahlreiche Wertpapierarten enthalten sind, heißt dies aber nicht, dass sich dann der Umfang der Zusammenfassungen durch Multiplikation der Anzahl der Wertpapierarten mit der Sollgrenze von 2.500 Wörtern bestimmen würde, da ansonsten die Lesbarkeit des Prospekts beeinträchtigt würde2. Zu beachten ist, dass es weder im WpPG noch in der ProspektVO eine Vor- 35 gabe dazu gibt, inwiefern in der Zusammenfassung Angaben durch die endgültigen Bedingungen ergänzt werden können oder Angaben der Zusammenfassung in die endgültigen Bedingungen übernommen werden müssen. Es ist daher mangels entgegenstehender Normen davon auszugehen, dass es grundsätzlich möglich ist, dass sich Angaben und Informationen, die erst mit den endgültigen Bedingungen mitgeteilt werden können, auch auf Bestandteile der Zusammenfassung beziehen können. Dementsprechend ist es auch zulässig, in der Zusammenfassung Platzhalter oder eckige Klammern zu verwenden, wenn diese auf Ebene der endgültigen Bedingungen konsolidiert werden. Im Zuge der Änderung der Prospektrichtlinie soll dies nach dem Kompromissvorschlag v. 28.5.2010 explizit klargestellt werden3. Letztlich ist es somit eine Gestaltungsfrage des einzelnen Basisprospekts, inwiefern sich die Zusammenfassung ausschließlich auf die im Basisprospekt enthaltenen Angaben bezieht und in diesem Fall evtl. auch ausschließlich im Basisprospekt enthalten ist, oder ob die Zusammenfassung in die endgültigen Bedingungen aufgenommen und gegebenenfalls an die konkrete Emission angepasst wird, welche Gegenstand der endgültigen Bedingungen ist. Diese Gestaltungsfrage wird insbesondere dann relevant, wenn der Basisprospekt in andere Mitgliedstaaten notifiziert und, je nach Gestaltungsvariante, entweder die Zusammenfassung nur einmal auf Ebene des Basisprospekts und/oder für jede individuelle Emission auf Ebene der endgültigen Bedingungen übersetzt wird. 1 Siehe auch Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (506) und Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1073); für eine flexible Handhabung der 2.500 Wörter-Grenze auch ESME, Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published or admitted to trading, S. 10. 2 Begr. RegE, Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 32 (Begründung zu § 6). 3 Erwägungsgrund 10b, Ratsdokument 10254/10 v. 28.5.2010.

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Bezüglich der Emittentenbeschreibung besteht die Besonderheit bei Basisprospekten darin, dass Emittenten von Schuldverschreibungen, welche Gegenstand von Basisprospekten sind, häufig mehrere Programme parallel etabliert haben und von daher ein besonderes Bedürfnis nach der einheitlichen Darstellung der Emittentenbeschreibung besteht. Berücksichtigt man zudem, dass die Basisprospekte zu den unterschiedlichen Programmen häufig mit einem unterschiedlichen Datum gebilligt werden, haben sich viele Emittenten dafür entschieden, ein Registrierungsformular mit der Emittentenbeschreibung als gesondertes Dokument iS des § 12 Abs. 1 Satz 3 WpPG zu hinterlegen und dieses dann per Verweis in die jeweiligen Basisprospekte einzubeziehen (vgl. auch Art. 26 Abs. 4 Nr. 1 iVm. Art. 28 Abs. 1 Nr. 5 ProspektVO). Problematisch ist in diesem Fall, inwiefern im Zeitpunkt der Billigung des jeweiligen Basisprospekts alle Informationen in dem durch Querverweis einbezogenen Registrierungsformular aktuell sein müssen (zur Problematik der „dynamischen Verweise“ siehe § 11 WpPG Rz. 16) und in welcher Form zu einem späteren Zeitpunkt eine Aktualisierung der im Registrierungsformular enthaltenen Informationen mittels eines Nachtrags nach § 16 WpPG vorgenommen werden kann (siehe § 9 WpPG Rz. 67 ff. und § 16 WpPG Rz. 28 ff.).

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Bei der Aufnahme der Informationen zur Wertpapierbeschreibung und den wertpapierspezifischen Risikofaktoren stellt sich aufbautechnisch die Frage, welche Informationen in den Basisprospekt bzw. in die endgültigen Bedingungen aufzunehmen sind (dazu gesondert unten Rz. 42 ff.). Wie bereits oben ausgeführt (Rz. 16), ist es grundsätzlich zulässig, einen einzigen Basisprospekt für jegliche vom Emittenten künftig zu emittierende Wertpapiere zu nutzen, so lange eine Trennung der dort genannten Wertpapierkategorien erfolgt. Eine weitere Unterteilung innerhalb der Kategorien wird von der ProspektVO nicht verlangt. Insbesondere fehlt es für eine weitere Unterteilung an geeigneten Kriterien; besonders eine Orientierung an Anhang XVIII ProspektVO, der eine Übersicht zu den verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der in der ProspektVO vorgesehenen Schemata und Module enthält, ist für eine weitere Differenzierung wenig geeignet.

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Bei den Wertpapierarten, welche gemäß § 6 Abs. 1 WpPG Gegenstand eines Basisprospekts sein können, kommen vor allem die Schemata für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Einzelstückelung von weniger als 50.000 Euro (Art. 8 iVm. Anhang V ProspektVO), für derivative Wertpapiere (Art. 15 iVm. Anhang XII ProspektVO) sowie für Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro (Art. 16 iVm. Anhang XIII ProspektVO) in Betracht. Die Abgrenzung kann im Einzelfall, insbesondere bei Schuldverschreibungen mit einer derivativen Komponente, schwierig sein. Gemäß Art. 8 Abs. 2 bzw. Art. 16 Abs. 2 ProspektVO, sind Anhang V bzw. Anhang XIII ProspektVO bei Schuldtiteln anzuwenden, bei denen eine Rückzahlung der Schuldtitel zu 100 % des Nominalwerts erfolgt, wobei zusätzlich noch eine Zinszahlung erfolgen kann. Soweit sich somit die derivative Komponente von Schuldverschreibungen ausschließlich auf die Zinszahlung bezieht, kommen somit je nach der Mindeststückelung Anhang V

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bzw. Anhang XIII ProspektVO zur Anwendung. Soweit sich die derivative Komponente auf den Rückzahlungsbetrag bezieht, kommt – auch wenn die Rückzahlung zu 100 % des Nominalwerts garantiert ist – Anhang XII ProspektVO zur Anwendung. In der Praxis ist die Abgrenzung lediglich von untergeordneter Bedeutung, da bei Basisprospekten in der Regel beide Fälle unter einem Basisprospekt denkbar sind, so dass in dem Basisprospekt ohnehin die Anforderungen sowohl von Anhang V ProspektVO (und natürlich auch von Anhang XIII ProspektVO) als auch von Anhang XII ProspektVO abgebildet werden müssen und entsprechend auch die Querverweisliste für diese Anhänge auszufüllen ist. Zusätzlich zu den Angaben, welche die Schemata und Module der Prospekt- 39 VO verlangen, sind die in Art. 22 Abs. 5 ProspektVO aufgezählten weiteren Angaben in den Basisprospekt aufzunehmen. Diese Angaben umfassen einen Hinweis auf die Angaben, die in die endgültigen Bedingungen aufzunehmen sind (siehe dazu ausführlich Rz. 40), die Angabe der Art der Veröffentlichung oder ggf. einen Hinweis darauf, wie das Publikum über die Art, die für die Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen verwendet werden soll, informiert wird, sowie im Falle der Emission von Nichtdividendenwerten iS von Art. 5 Abs. 4 lit. a Prospektrichtlinie (umgesetzt in § 6 Abs. 1 Nr. 1 WpPG) eine allgemeine Beschreibung des Programms. Unter der allgemeinen Beschreibung des Programms wird – wie insbesondere bei Basisprospekten zu EMTN-Programmen üblich – häufig ein Abschnitt in den Basisprospekt aufgenommen, in dem sich Informationen zu dem Programmaufstellungsbeschluss, beteiligten Parteien oder Emissionsvolumina befinden; dies muss aber nicht zwingend in einem eigenen Abschnitt erfolgen, sondern es ist ausreichend, wenn sich entsprechende Informationen an irgendeiner Stelle des Basisprospekts wiederfinden. 3. Endgültige Bedingungen a) Allgemeines Erwägungsgrund Nr. 26 ProspektVO ergänzt Erwägungsgrund Nr. 25 Pro- 40 spektVO (dazu oben Rz. 8) dahingehend, dass der Basisprospekt auf leicht verständliche Art und Weise erläutern soll, welche Angaben in die endgültigen Bedingungen aufgenommen werden sollen. Beispielhaft wird in der ProspektVO genannt, dass der Basisprospekt Lücken für Angaben enthalten kann, die noch in die endgültigen Bedingungen aufzunehmen sind, oder eine Liste mit noch fehlenden Angaben beinhalten kann. Dementsprechend finden sich in der Praxis in Basisprospekten häufig Platzhalter oder alternative, mit eckigen Klammern gekennzeichnete Textbausteine, die häufig mit einer Regieanweisung für das Ausfüllen auf Ebene der endgültigen Bedingungen versehen sind. Darüber hinaus wird in Basisprospekten häufig ein Abschnitt mit einem sog. „Muster der endgültigen Bedingungen“ aufgenommen, in dem die Struktur sowie der Inhalt der endgültigen Bedingungen aufgezeigt wird. Ein Abschnitt mit einem „Muster der endgültigen Bedingungen“ ist vor allem dann sinnvoll, wenn in den endgültigen Bedingun-

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gen nicht alle Informationen aus dem Basisprospekt übernommen werden (siehe unten zur Trennungs- und Einheitslösung Rz. 54 ff.) oder bereits die entsprechenden Formulierungen für Aufstockungen im Basisprospekt angelegt werden sollen (siehe unten Rz. 59 ff., insbesondere Rz. 64). 41

Der Umstand, dass mittels der endgültigen Bedingungen Informationen im Verhältnis zum Basisprospekt ergänzt werden können, ist nicht zu verwechseln mit der Frage, inwiefern der Basisprospekt vollständig iS des § 13 WpPG ist (so genanntes Vollständigkeitsgebot; vgl. dazu § 13 WpPG Rz. 9). Selbstverständlich ist der Basisprospekt nur billigungsfähig, wenn er alle Mindestangaben gemäß § 7 WpPG abdeckt (siehe bereits oben Rz. 29), wobei dies auch dadurch geschehen kann, dass die in den endgültigen Bedingungen vorzunehmenden Angaben spezifiziert werden und aus dem Basisprospekt deutlich wird, welche Angaben und in welcher Form in den endgültigen Bedingungen präsentiert werden. Dementsprechend kann die Einhaltung des Vollständigkeitsgebots für eine Einzelemission unter dem Basisprospekt nur auf der Basis einer Gesamtschau von Basisprospekt und endgültigen Bedingungen abschließend beurteilt werden1. b) Gegenstand von endgültigen Bedingungen, Verhältnis zum Basisprospekt

42

Nach § 6 Abs. 1 WpPG sind in den Basisprospekt „alle nach den §§ 5 und 7 WpPG erforderlichen Angaben zum Emittenten und den öffentlich anzubietenden oder zum Handel an einem organisierten Markt zuzulassenden Wertpapieren“ aufzunehmen. Davon zu unterscheiden sind die „endgültigen Bedingungen des Angebots“2.

43

Aus dieser Formulierung in § 6 Abs. 1 WpPG kann wenig Konturschärfe für den Gegenstand von endgültigen Bedingungen abgeleitet werden. Insbesondere sind Gegenstand der endgültigen Bedingungen nicht nur die „Bedingungen und Voraussetzungen für das Angebot“, welche ua. in Ziffer 5 Anhang XII ProspektVO konkretisiert werden3. Würde man einer derartigen einengenden Auslegung folgen, würde dies bedeuten, dass lediglich Angaben zu der Platzierung, wie dem Emissionsvolumen und dem Preis, in die endgültigen Bedingungen aufgenommen werden können, was dem in § 6 WpPG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken des Basisprospektregimes mit den entsprechenden Konkretisierungen in der ProspektVO widerspräche. Weiterhin wäre bei einer entsprechenden Auslegung auch die eigenständige Bedeutung der endgültigen Bedingungen neben der Möglichkeit der Nichtaufnahme von Angaben nach § 8 WpPG fraglich. Bei der Bestim1 Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (14). 2 Zur Debatte zum Gegenstand der nachzutragenden Angebotsbedingungen unter § 10 VerkProspG aF siehe Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 10 VerkProspG Rz. 4 ff. 3 So auch ESME, Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading v. 5.9.2007, S. 18.

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mung der in endgültigen Bedingungen des Angebots zulässigen Informationsbestandteilen ist daher von einem weiten Begriff des „Angebots“ auszugehen. Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte1. Danach muss es auch möglich sein, Informationen über den Basiswert, über die konkrete Ausgestaltung der Wertpapiere und die sich aus der Ausgestaltung der Wertpapiere ergebenden wirtschaftlichen Merkmale und der daraus resultierenden besonderen Risiken über die endgültigen Bedingungen zu ergänzen2. Es folgen allerdings eine Reihe von Anforderungen an den Inhalt und die 44 Gestaltung von endgültigen Bedingungen sowie zum Verhältnis der endgültigen Bedingungen zum Basisprospekt aus der ProspektVO: – Art. 22 Abs. 2 ProspektVO enthält die Grundregel zum Verhältnis zwischen Basisprospekt und endgültigen Bedingungen und stellt klar, dass (nur) auf die Aufnahme derjenigen Informationsbestandteile im Basisprospekt verzichtet werden kann, die zum Zeitpunkt der Billigung des Basisprospekts noch nicht bekannt sind und erst zum Zeitpunkt der jeweiligen Emission bestimmt werden können. – In Art. 22 Abs. 4 ProspektVO wird der Umfang der mittels der endgültigen Bedingungen nachträglich festsetzbaren Informationen auf die Informationsbestandteile der Wertpapierbeschreibung (inklusive der wertpapierspezifischen Risikofaktoren) eingeschränkt. – Art. 22 Abs. 5 Nr. 1 ProspektVO bestimmt, dass der Basisprospekt einen Hinweis auf die Angaben enthalten muss, die in die endgültigen Bedingungen aufzunehmen sind. – Nach Satz 2 von Erwägungsgrund Nr. 21 zur ProspektVO sind sämtliche für einen Prospekt geltenden allgemeinen Grundsätze auch auf die endgültigen Bedingungen anwendbar. – Nach Erwägungsgrund Nr. 26 der ProspektVO sollte in Bezug auf Basisprospekte in einer leicht verständlichen Art und Weise erläutert werden, welche Angaben in die endgültigen Bedingungen aufgenommen werden sollen (siehe dazu bereits oben Rz. 40). Trotz der Konkretisierungen in der ProspektVO verbleibt aber ein Auslegungsspielraum. Dementsprechend hat auch CESR in einem Bericht zur Prospektrichtlinie festgestellt, dass die Praxis der Aufsichtsbehörden im Hinblick auf den Gegenstand von endgültigen Bedingungen und der Abgrenzung zum Basisprospekt divergiert3. Häufig wird für eine flexible Handhabung vorgebracht, dass der Anleger letztlich keinen Nachteil hat, solange in den endgültigen Bedingungen (zusammen mit dem Basisprospekt) alle In1 Dazu ausführlich Just/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 22 f. 2 Im Ergebnis ähnlich ESME, Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading v. 5.9.2007, S. 18; vgl. auch Kullmann/Metzger, WM 2008, 1292 (1296); Just/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 22. 3 CESR/07-225, CESR’s Report on the supervisory functioning of the Prospectus Directive and Regulation, Juni 2007, Rz. 139 ff.

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formationen enthalten sind. In anderen Ländern dagegen, insbesondere in Großbritannien, wird eine restriktive Handhabung des Spielraums für endgültige Bedingungen darauf gestützt, dass ein Rechtsvergehen (criminal offence) begangen werde, wenn in die endgültigen Bedingungen wesentliche neue Informationen aufgenommen und gestützt auf diese endgültige Bedingungen prospektpflichtige Angebote der Wertpapiere vorgenommen werden1. 46

CESR hat sich selbst für einen flexiblen Ansatz und gegen die (abschließende) Festlegung von konkreten Informationsbestandteilen, welche Gegenstand der endgültigen Bedingungen sein können, ausgesprochen2. Es dürfe aber nicht die Nachtragspflicht gemäß Art. 16 Prospektrichtlinie (umgesetzt in § 16 WpPG) umgangen werden. Anders als bei endgültigen Bedingungen, welche bei der Prospektprüfungsbehörde lediglich hinterlegt werden, muss im Fall eines Nachtrags ein Billigungsverfahren durchlaufen werden (zur Abgrenzung siehe Rz. 72 ff.). Letztlich liegt es nach Ansicht von CESR in der Verantwortung der Emittenten, die Einhaltung der Verpflichtungen unter Art. 16 Prospektrichtlinie sicherzustellen. Es stehe im Vordergrund des Prospektrechts weniger der verfahrensmäßige Aspekt, hier der Umstand der Billigung durch eine Behörde, sondern das generelle Ziel, eine adäquate Offenlegung der Informationen sicherzustellen.

47

Als Konsequenz der in der ProspektVO enthaltenen Anforderungen und der von CESR geforderten Abwägung lassen sich demnach folgende Regeln für den Gegenstand von endgültigen Bedingungen und das Verhältnis zu Basisprospekten ableiten: – Nicht nur die endgültigen Bedingungen, sondern auch der Basisprospekt müssen verständlich und lesbar sein3. – In dem Basisprospekt müssen neben den Informationen über den Emittenten, auch generelle Informationen, insbesondere die generellen Emissionsbedingungen und Risikofaktoren, bezüglich der verschiedenen Arten von Wertpapieren und den verschiedenen Basiswerten enthalten sein, welche den Gegenstand von endgültigen Bedingungen bilden können4. – Einzelne Produkte und Basiswerte, welche unter dem Basisprospekt emittiert werden sollen, müssen zumindest ihrer Art nach bereits im Basisprospekt angelegt sein (zur Abgrenzung zur Nachtragspflicht bei der Aufnahme von neuen wertpapierbezogenen Angaben siehe unten Rz. 77 ff.)5. – Es ist eine klare Kennzeichnung erforderlich, welche Informationsteile über die endgültigen Bedingungen ergänzt werden sollen (zB durch Auf1 Burn/Wells, CMLJ 2007, Vol. 2, No. 3, 263 (276 f.). 2 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 57. 3 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 57. 4 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 57. 5 Vgl. dazu auch Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (13).

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nahme von Platzhaltern oder Abtrennung von verschiedenen Formulierungsvarianten mit eckigen Klammern), wobei grundsätzlich mittels Regieanweisungen der Gegenstand der in den endgültigen Bedingungen aufzunehmenden Angaben konkretisiert werden sollte1. Einzelfragen: Technische und wirtschaftliche Ausstattungsmerkmale, insbesondere Be- 48 trags- oder Datumsangaben, wie zB Emissionstag, Emissionsvolumen (vgl. aber zu Aufstockungen unten Rz. 59 ff. und zur Abgrenzung zu § 8 WpPG unten Rz. 99 ff.), Emissionspreis (vgl. unten Rz. 104), Zinssätze, Laufzeit, Barrieren, Höchstbeträge oder Beobachtungsperioden, können über die endgültigen Bedingungen ergänzt werden. In der Praxis werden in die endgültigen Bedingungen häufig zahlreiche Wertpapiere mit gleicher Auszahlungsstruktur und gleichem Basiswert, aber unterschiedlichen Ausstattungsmerkmalen aufgenommen; in diesem Fall werden die Ausstattungsmerkmale für die einzelnen Wertpapiere in der Regel in einer Tabelle abgebildet. Bezüglich Verzinsungs- und Rückzahlungsstrukturen ist zu differenzieren: Eine generelle Öffnungsklausel, wonach eine Verzinsungs- oder Rückzahlungsstruktur eingefügt werden kann, lässt die Wesensmerkmale des einzelnen Produkts nicht mehr erkennen; zudem ist der Basisprospekt nicht mehr verständlich. Zulässig ist es dagegen, wenn Grundkategorien für Verzinsungs- und Rückzahlungsstrukturen, wie zB Discount-Zertifikate, Aktienanleihen oder Zertifikate mit Tilgungswahlrecht, angelegt sind, welche in dem durch den Basisprospekt vorgegebenen Rahmen in den endgültigen Bedingungen konkretisiert und modifiziert werden können. Denkbar ist es daher, dass zB eine Formel durch die endgültigen Bedingungen ergänzt wird. In diesem Zusammenhang ist besonders auf die Gestaltung der Regieanweisungen in den entsprechenden Öffnungsklauseln zu achten. Zu wichtigen Punkten, welche die Struktur der Wertpapiere betreffen, dürfen jedenfalls im Basisprospekt nicht nur Platzhalter vorgesehen sein.

49

Basiswerte müssen im Basisprospekt ihrer Art nach (zB Aktien, Indizes, Futures Kontrakte, Rohstoffe etc.) angelegt sein. Der konkrete Basiswert, der für das einzelne Wertpapiere relevant ist, welches den Gegenstand der endgültigen Bedingungen bildet (zB die Daimler Aktie, der DAX, der Brent Crude Oil Futures Kontrakt oder die Feinunze Gold), kann dagegen in den endgültigen Bedingungen bestimmt werden.

50

Die BaFin folgt insbesondere im Hinblick auf Risikofaktoren der Ansicht 51 von CESR (oben Rz. 46) und erlaubt die nachträgliche Aufnahme von Risikofaktoren, wenn sich diese aus dem durch die endgültigen Bedingungen ergänzten Basiswert bzw. der durch die endgültigen Bedingungen ergänzten Auszahlungsstruktur ergeben und in dem Basisprospekt selbst ein entspre1 Vgl. dazu auch Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1072).

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chender Platzhalter für derartige emissionsspezifische Risiken oder ein sonstiger diesbezüglicher Hinweis enthalten ist. Allerdings ist das schwerwiegendste Risiko, in der Regel das Risiko eines Totalverlusts, bereits in den Basisprospekt aufzunehmen1. 52

Informationen über den Emittenten: Informationsteile, die aus Schemata für Registrierungsformulare stammen, müssen bereits im Basisprospekt enthalten sein und dürfen nicht über die endgültigen Bedingungen ergänzt werden (vgl. Art. 22 Abs. 4 ProspektVO). Eine Wiederholung der Informationen aus dem Basisprospekt in den endgültigen Bedingungen ist aber zulässig.

53

In den endgültigen Bedingungen kann auch festgelegt werden, welche Einheit als Berechnungsstelle oder Zahlstelle fungiert. Ebenso ist es bei sog. Multi-Issuer-Programmen, dh. Programmen, bei denen verschiedene Einheiten als Emittent tätig sein können, in der Praxis üblich, dass auf Ebene der endgültigen Bedingungen entschieden wird, welche Einheit bei der konkreten Emission als Emittent fungiert.

53a

Informationen in der Zusammenfassung können grundsätzlich Gegenstand der endgültigen Bedingungen sein (vgl. oben Rz. 35). c) Präsentation der endgültigen Bedingungen (Art. 26 Abs. 5 ProspektVO)

54

Die Art und Weise, wie die endgültigen Bedingungen zum Basisprospekt zu präsentieren sind, wird in Art. 26 Abs. 5 ProspektVO geregelt2. Es sind nach Art. 26 Abs. 5 Unterabs. 1 ProspektVO zwei Varianten möglich: In Betracht kommt, die endgültigen Bedingungen durch Einfügung in den Basisprospekt darzustellen („Einheitslösung“) oder diese zum Gegenstand eines gesonderten Dokuments zu machen, das nur die endgültigen Bedingungen enthält („Trennungslösung“)3. Der Unterschied besteht dabei im Wesentlichen darin, dass bei der Einheitslösung alle relevanten Informationen aus einem Dokument, nämlich dem durch die endgültigen Bedingungen ergänzten Basisprospekt, entnommen werden können, während der Anleger bei der Trennungslösung zwei Dokumente zur Hand nehmen muss, um alle relevanten Informationen zu erhalten.

1 Einschränkend zunächst Erwägungsgrund 10a Ratsdokument 15911/09 v. 18.11.2009; die entsprechende Formulierung ist aber nicht in die finale Ratsfassung übernommen worden; vgl. Ratsdokument 17451/09 v. 11.12.2009; vgl. dazu Kullmann/Metzger, WM 2008, 1292 (1296); Just/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 33. 2 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (213). 3 Vgl. dazu Seitz, AG 2005, 678 (686); vgl. auch Just/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 30, die von der „Zwei-Dokumentenlösung“ und der „Ein-Dokumentlösung“ sprechen; im Ergebnis ist das Gleiche gemeint. Die Frage der Präsentation der endgültigen Bedingungen ist aber nicht mit der Frage der Präsentation eines Nachtrags iS des § 16 WpPG zu verwechseln (dazu § 16 WpPG Rz. 81 ff.).

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Letztlich gehen die unterschiedlichen Präsentationsformen auf unterschiedliche Emissionspraktiken zurück. Die erste Alternative geht zurück auf die Praxis der Verkaufsprospekte, wie sie sich vor dem Inkrafttreten des Wertpapierprospektgesetzes herausgebildet hatte. Die Trennungslösung findet sich dagegen typischerweise bei internationalen Emissionsprogrammen, da diese Präsentationsform tendenziell einen noch größeren Spielraum für die Aufnahme von Informationen in die endgültigen Bedingungen ermöglicht1. Letztlich wird aber die Frage, welche Präsentationsform gewählt wird, insofern relativiert, als es auch bei Wahl der Trennungslösung zur Wahrung etwaig eingreifender AGB-Bestimmungen bei deutschem Recht unterliegenden Emissionsbedingungen von Schuldverschreibungen üblich war bzw. ist, die Emissionsbedingungen in konsolidierter Form dem „Pricing Supplement“ bzw. den endgültigen Bedingungen beizufügen. Umgekehrt wurde bzw. wird die Einheitslösung häufig insofern modifiziert, als in den Nachträgen gemäß § 10 VerkProspG aF keine vollständige Wiedergabe aller Teile des unvollständigen Verkaufsprospekts erfolgte bzw. in den endgültigen Bedingungen des Angebots nur die relevanten Teile des Basisprospekt wiedergegeben werden2.

55

In der Praxis kommt die reine Einheitslösung selten vor, da der Umfang der 56 endgültigen Bedingungen in diesem Fall relativ groß wäre und mangels Fokussierung auf die für das jeweilige Produkt wesentlichen Informationen die Verständlichkeit der endgültigen Bedingungen gegebenenfalls beeinträchtigt ist. Soweit man somit nicht alle Informationen aus dem Basisprospekt in die endgültigen Bedingungen übernimmt und damit der „modifizierten Einheitslösung“ folgt, ist es aber zumindest bei Produkten für Privatanleger empfehlenswert, dass neben den konkret anwendbaren Emissionsbedingungen für das jeweilige Wertpapier auch die Beschreibung der Wertpapiere und die spezifischen Risikofaktoren aus dem Basisprospekt in die endgültigen Bedingungen übernommen werden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie (MiFID) in das deutsche Recht zum 1.11.2007 der Prospekt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 WpHG und § 5 Abs. 2 Nr. 3 WpDVerOV eine erhöhte Bedeutung auch für den Vertrieb der Wertpapiere und die dabei von Wertpapierdienstleistern zu beachtenden Wohlverhaltensregeln besitzt. Insbesondere ist es – unabhängig davon ob der Emittent selbst ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist oder eine Wertpapierdienstleistung erbringt – möglich, dass über den Prospekt Teile der Anforderungen der §§ 4 und 5 WpDVerOV erfüllt werden. Da einem Anleger in vielen Fällen kaum zugemutet werden kann, einen gesamten Basisprospekt zu lesen, spricht dies dafür, in die endgültigen Bedingungen die für das Produktverständnis wesentlichen Informationen aufzunehmen.

1 Vor der Umsetzung der Prospektrichtlinie wurde zwischen dem „Information Memorandum“ und dem „Pricing Supplement“ unterschieden. 2 Vgl. dazu Seitz, AG 2005, 678 (686).

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Sofern die endgültigen Bedingungen in einem gesonderten Dokument erstellt werden, können Angaben wiederholt werden, die bereits Gegenstand des gebilligten Basisprospekts sind und die gemäß der für die entsprechende Wertpapierbeschreibung bei der Erstellung des Basisprospekts zugrunde liegenden Schemata aufgenommen wurden; in diesem Fall müssen die endgültigen Bedingungen aber so dargestellt werden, dass sie als solche erkennbar sind (Art. 26 Abs. 5 Unterabs. 2 ProspektVO). In der Praxis geschieht dies – unabhängig davon ob man der Trennungslösung oder der (modifizierten) Einheitslösung folgt – dadurch, dass das Dokument, welches die endgültigen Bedingungen enthält, klar betitelt wird und in den endgültigen Bedingungen in der Regel zu Beginn auf den Basisprospekt und die dort angelegte Grundstruktur verwiesen wird.

58

Weiterhin ist es gemäß Art. 26 Abs. 5 Unterabs. 3 ProspektVO erforderlich, dass in die endgültigen Bedingungen auch eine klare und hervorgehobene Erklärung aufgenommen wird, die darauf hinweist, dass die vollständigen Angaben über den Emittenten und das Angebot sich aus dem Basisprospekt (inklusive etwaiger Nachträge) und den endgültigen Bedingungen zusammen ergeben und wo der Basisprospekt bzw. etwaige Nachträge verfügbar sind. d) Sonderproblem: Aufstockung des Emissionsvolumens

59

In Emissionsbedingungen von Schuldverschreibungen ist regelmäßig vorgesehen, dass der Emittent jederzeit berechtigt ist, das Emissionsvolumen einer bereits zuvor begebenen Emission durch Ausgabe weiterer Wertpapiere mit identischer technischer und rechtlicher Ausstattung (zB ISIN/WKN, Stückelung, Höchstrückzahlungsfaktor etc.) zu erhöhen (sog. Aufstockung). Entscheidend dabei ist, dass die neuen Wertpapiere mit den bereits ausgegebenen Wertpapieren fungibel sind, dh., dass durch die neu ausgegebenen Wertpapiere die gleichen Rechte und Pflichten verbrieft werden und für einen Anleger kein Unterschied besteht, ob er ein Wertpapier aus der ursprünglichen Emission oder aus den im Rahmen der Aufstockung später begebenen Wertpapieren kauft oder verkauft. Dementsprechend wird bei der Aufstockung von Schuldverschreibungsemissionen in aller Regel die identische Wertpapierkennnummer für die Aufstockung und für die ursprüngliche Emission verwendet.

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Soweit die Aufstockung im Zusammenhang mit einer Emission von Schuldverschreibungen unter einem Basisprospekt vorgenommen wird (zu Aufstockungen unter Einzelprospekten siehe § 16 WpPG Rz. 61), geht es also darum, das in den ursprünglichen endgültigen Bedingungen angegebene Emissionsvolumen einer bereits begebenen Emission zu erhöhen. Dies erfolgt dadurch, dass für das aufzustockende Volumen neue endgültige Bedingungen veröffentlicht und bei der BaFin hinterlegt werden. Dies beruht auf der Überlegung, dass das Angebot bzw. die Zulassung der im Rahmen der Aufstockung begebenen Wertpapiere als ein neues Angebot bzw. eine neue Zulassung iS des Prospektrechts zu qualifizieren sind. Dementsprechend

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müssen die neuen endgültigen Bedingungen nur das Emissionsvolumen im Hinblick auf die im Rahmen der Aufstockung neu begebenen Wertpapiere abdecken, nicht aber das Emissionsvolumen der gesamten Emission, insbesondere ist keine Ersetzung der ursprünglichen endgültigen Bedingungen vorzunehmen (zur Abgrenzung zur Ersetzung siehe unten Rz. 66). Im Hinblick auf die Durchführung der Aufstockung ist danach zu differenzieren, ob die Aufstockung unter einem noch gültigen Basisprospekt stattfindet oder nach Ablauf der Gültigkeit des Basisprospekts.

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Sofern die Aufstockung unter einem gültigen Basisprospekt erfolgt, dh. im 62 Fall von Wertpapieren iS des § 6 Abs. 1 Nr. 1 WpPG innerhalb der zwölfmonatigen Gültigkeitsfrist des Basisprospekts oder im Fall von Wertpapieren iS des § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpPG zeitlich grundsätzlich unbegrenzt (siehe dazu oben Rz. 28), dient als Grundlage des öffentlichen Angebots der Aufstockung oder deren Zulassung an einem organisierten Markt der Basisprospekt, unter dem die ursprünglichen endgültigen Bedingungen erstellt wurden. Unter diesem Basisprospekt müssen neue endgültige Bedingungen für das aufzustockende Volumen an Wertpapieren erstellt werden. Um die Fungibilität zu gewährleisten, sind die Emissionsbedingungen der sich auf die Aufstockung beziehenden endgültigen Bedingungen mit den Emissionsbedingungen der ursprünglichen endgültigen Bedingungen weitestgehend identisch, insbesondere besitzen die Wertpapiere im Fall von Schuldverschreibungen regelmäßig die gleiche Wertpapierkennnummer. Eine Ausnahme davon stellen das Emissionsvolumen, dh. die Stückelung oder der Gesamtnennbetrag der Wertpapiere, das nur das Volumen der aufzustockenden Wertpapiere umfasst, und, falls diese auch Teil der Emissionsbedingungen sind, der Verkaufsbeginn und die Valutierung dar, die naturgemäß für die aufzustockenden Wertpapiere zeitlich später liegen. Für die Frage, ob eine Aufstockung innerhalb der zwölfmonatigen Gültigkeitsfrist des Basisprospekts erfolgt ist, ist es ausreichend, dass das Angebot hinsichtlich des aufgestockten Emissionsvolumens während der Gültigkeit des Basisprospekts beginnt. Dass das Angebot gegebenenfalls über die Gültigkeit des Basisprospekts hinweg andauert, ist nach § 9 Abs. 5 WpPG unbeachtlich (siehe dazu § 9 WpPG Rz. 81 f.). Das Verfahren zur Hinterlegung und Veröffentlichung der neuen endgültigen Bedingungen unterscheidet sich nicht von dem Verfahren bei den ursprünglichen endgültigen Bedingungen. Für die aufgestockten Wertpapiere kann bei Clearstream Banking Frankfurt (CBF), der einzigen Wertpapiersammelbank unter dem Depotgesetz, auch eine neue Globalurkunde hinterlegt wird. Die Globalurkunde bezieht sich dabei nur auf das aufgestockte Emissionsvolumen. Sie wird zusammen mit der Globalurkunde für die unter den ursprünglichen endgültigen Bedingungen begebenen Wertpapieren bei CBF hinterlegt, maW bei CBF sind in diesem Fall für Wertpapiere mit einer Wertpapierkennnummer zwei oder mehr (je nach Anzahl der Aufstockungen) Globalurkunden hinterlegt. Im Text der Globalurkunde für das aufgestockte Emissionsvolumen sollte darauf hingewiesen werden, dass die Wertpapiere mit den unter den ursprünglichen end-

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gültigen Bedingungen begebenen Wertpapieren konsolidiert werden und eine einheitliche Emission bilden. 63

Auch wenn im Fall der Wertpapiere iS des § 6 Abs. 1 Nr. 1 WpPG die zwölfmonatige Gültigkeitsfrist des Basisprospekts, unter dem die ursprünglichen endgültigen Bedingungen erstellt wurden, abgelaufen ist, ist eine Aufstockung grundsätzlich möglich. Als Grundlage für ein öffentliches Angebot der Aufstockung oder deren Zulassung zu einem organisierten Markt ist in diesem Fall aber ein neuer, im Zeitpunkt des öffentlichen Angebots oder der Zulassung gültiger Basisprospekt erforderlich. In diesem Fall stellt sich im besonderen Maße die Frage nach der Fungibilität der Wertpapiere, da im Rahmen einer Prospektaktualisierung in der Regel auch Veränderungen an den Emissionsbedingungen vorgenommen werden. Damit die Fungibilität der unter den ursprünglichen endgültigen Bedingungen begebenen Wertpapiere mit den neu zu begebenden Wertpapieren sichergestellt ist, ist es in der Praxis üblich, die Emissionsbedingungen aus dem ursprünglichen Basisprospekt in den aktuell gültigen Basisprospekt durch Verweis gemäß § 11 WpPG einzubeziehen1. In den endgültigen Bedingungen, welche die neu zu begebenden Wertpapiere zum Gegenstand haben, werden die Emissionsbedingungen aus dem ursprünglichen Basisprospekt für auf diese Emission anwendbar erklärt. Zu diesem Zweck ist es bereits bei der Aktualisierung von Basisprospekten erforderlich zu klären, unter welchen ausgelaufenen Basisprospekten Emissionen begebenen wurden, bei denen gegebenenfalls eine Aufstockung stattfinden kann. Die Emissionsbedingungen der entsprechenden Basisprospekte sind dann in die Liste der durch Verweis einbezogenen Dokumente durch genaue Benennung der Seiten für die Emissionsbedingungen aufzunehmen (vgl. § 11 Abs. 2 WpPG und Art. 28 Abs. 4 ProspektVO)2.

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Bei der Gestaltung der sich auf die Aufstockung beziehenden endgültigen Bedingungen ist es – insbesondere aus Gründen der Wertpapierabwicklung (siehe oben Rz. 62) – empfehlenswert, dass darauf hingewiesen wird, dass es sich um eine Aufstockung handelt und dass die sich auf die Aufstockung beziehenden endgültigen Bedingungen mit den ursprünglichen endgültigen Bedingungen eine einheitliche Emission bilden. Im Fall, dass der Basisprospekt bereits seine Gültigkeit verloren hat, ist es in der Praxis üblich, dass in den endgültigen Bedingungen für die Wertpapiere, welche den Gegenstand der Aufstockung bilden, auf die Einbeziehung der ursprünglichen Emissionsbedingungen per Verweis hingewiesen wird. Im Hinblick auf die Verständlichkeit und Transparenz ist es sinnvoll, wenn entsprechende For-

1 Zur Anwendung der Verweistechnik bei Aufstockungen siehe CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 8; vgl. auch die Stellungnahme der luxemburgischen Aufsichtsbehörde, CSSF, The new ‚prospectus regime‘ in 40 Questions and Answers, Frage 10; danach soll es auch möglich sein, die alten Emissionsbedingungen als Anlage an die endgültigen Bedingungen beizufügen. 2 Vgl. Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 118.

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mulierungen bereits im Basisprospekt im Abschnitt „Muster der endgültigen Bedingungen“ angelegt sind (vgl. oben Rz. 40). Eine Aufstockung löst keine Nachtragspflicht gemäß § 16 WpPG aus, da ein 65 Nachtrag nur dann in Betracht kommt, wenn tatsächlich neue Umstände oder wesentliche Unrichtigkeiten in Bezug auf die bereits im Basisprospekt enthaltenen Angaben vorliegen. Die Erhöhung des Emissionsvolumens ist aber ein Umstand, der sich alleine auf die jeweiligen endgültigen Bedingungen, nicht aber auf den Basisprospekt bezieht (zur Nachtragspflicht bei Basisprospekten siehe näher unten Rz. 68 ff.). Zudem spricht gegen eine Aufstockung mittels eines Nachtrags auch, dass das Angebot bzw. die Zulassung der im Rahmen der Aufstockung begebenen Wertpapiere als ein neues Angebot bzw. eine neue Zulassung zu qualifizieren sind (siehe oben Rz. 60). Die Aufstockung einer Emission ist auch von einer Ersetzung der endgültigen Bedingungen zu unterscheiden (vgl. dazu Rz. 80 ff.). Eine Ersetzung der endgültigen Bedingungen ist dann möglich, wenn einzelne Angaben in den endgültigen Bedingungen korrigiert werden sollen, da in diesem Fall ein Nachtrag gemäß § 16 WpPG mangels tatsächlicher neuer Umstände oder wesentlicher Unrichtigkeiten in Bezug auf die im Basisprospekt enthaltenen Angaben ausscheidet. Dagegen ist eine Aufstockung – wie bereits oben erwähnt – dann möglich, wenn das Emissionsvolumen einer bereits begebenen Emission nachträglich erhöht werden soll, dh. im Fall der Aufstockung liegt keine Korrektur der ursprünglichen endgültigen Bedingungen vor und die alten endgültigen Bedingungen werden nicht ersetzt, sondern es werden zusätzliche endgültige Bedingungen hinterlegt.

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Schließlich ist die Aufstockung, dh. die Erhöhung des Emissionsvolumens einer bereits begebenen Emission, welche den Gegenstand von endgültigen Bedingungen bildet, von der Erhöhung des dem Basisprospekt zugrunde liegenden Programmvolumens zu unterscheiden (näher dazu unten Rz. 75 und § 16 WpPG Rz. 59 ff., dort auch zur Abgrenzung zur Erhöhung des Emissionsvolumens bei Einzelprospekten).

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IV. Nachtragspflicht bei Basisprospekten (§ 6 Abs. 2 WpPG) Wie § 6 Abs. 2 WpPG klarstellt, besteht auch im Fall von Basisprospekten 68 die Nachtragspflicht gemäß § 16 WpPG, dh., die Angaben des Basisprospekts sind erforderlichenfalls durch aktualisierte Angaben zum Emittenten und zu den Wertpapieren, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, nach Maßgabe des § 16 WpPG zu ergänzen (vgl. auch Art. 22 Abs. 7 ProspektVO). Im Hinblick darauf, dass bei Basisprospekten durch einen Nachtrag nicht nur „laufende“ öffentliche Angebote bzw. unmittelbar bevorstehende Zulassungen von Wertpapieren betroffen sind, sondern auch Angebote bzw. Zulassungen zu einem zukünftigen Zeitpunkt, gegebenenfalls am Ende des Gültigkeitszeitraums des Basisprospekts, hat die Nachtragspflicht bei Basisprospekten auf-

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grund des entsprechend längeren relevanten Zeitraums eine besondere Bedeutung. 1. Emittentenbezogene Angaben als Gegenstand von Nachträgen bei Basisprospekten 69

Die Nachtragspflicht gemäß § 16 WpPG greift ohne weiteres für die Angaben zum Emittenten (inklusive der emittentenbezogenen Risikofaktoren) ein. Das Abgrenzungsproblem zum Gegenstand von endgültigen Bedingungen stellt sich hier nicht, da die emittentenbezogenen Angaben zwar abhängig von der Präsentation der endgültigen Bedingungen in den endgültigen Bedingungen enthalten sein können (siehe oben zur Einheits- und Trennungslösung Rz. 54 ff.), aber entsprechende Angaben im Basisprospekt nicht offen gelassen werden können, dh., dass die emittentenbezogenen Angaben zwingend bereits im Basisprospekt enthalten sein müssen (siehe oben Rz. 52). Soweit das Registrierungsformular durch Verweis einbezogen wurde, ist bei einer Aktualisierung der emittentenbezogenen Angaben nach Auffassung der BaFin der Nachtrag zum Basisprospekt und nicht zum Registrierungsformular zu erstellen (siehe oben Rz. 36).

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Ein Problem, dass sich nur bei Basisprospekten stellt, ist die Aufnahme eines neuen Emittenten in ein Emissionsprogramm. Gerade bei grenzüberschreitend tätigen Banken ist es üblich, verschiedene Einheiten als Emittenten von Schuldverschreibungen zu nutzen. Die Verwaltungspraxis der BaFin ist insoweit restriktiv, da die BaFin verlangt, dass im Fall der Aufnahme eines neuen Emittenten ein neuer Basisprospekt zu erstellen ist und es nicht ausreichend ist, Informationen über einen neuen Emittenten mittels eines Nachtrags in den Basisprospekt aufzunehmen. Die BaFin begründet ihre Haltung damit, dass es sich bei den Informationen zu dem neuen Emittenten um völlig neue Informationen handle, die bisher keinen Anknüpfungspunkt im Prospekt hätten1. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Unterscheidung danach, ob „im Prospekt enthaltene Angaben“ (vgl. § 16 Abs. 1 WpPG) Gegenstand eines Nachtrags sein können oder auch sonstige Angaben, wenig Bedeutung zukommt. Immerhin ist es auch mittels eines Nachtrags möglich, wichtige neue Umstände zu ergänzen, und es ist nicht ersichtlich, dass damit Kompetenzen der Prospektprüfungsbehörde untergraben würden, da sowohl bei dem Weg über den Nachtrag als auch bei dem Weg über einen neuen Basisprospekt eine Billigung erforderlich ist (grundsätzlich zu der Abgrenzung zwischen der Nachtragspflicht und der Neueinreichung eines Prospekts § 16 WpPG Rz. 64).

71

Die Konstellation der Aufnahme eines neuen Emittenten ist nicht zu verwechseln mit dem Fall der (nachträglichen) Ersetzung des Emittenten über die in den Emissionsbedingungen unter deutschem Recht üblichen Ersetzungsklauseln, in denen dem Emittenten ein einseitiges Leistungsbestim1 Zur Argumentation siehe Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 103.

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mungsrecht zur Ersetzung des Emittenten, zB im Fall einer Abspaltung, eingeräumt wird, oder dem Fall, dass die Ersetzung des Emittenten Gegenstand eines Beschlusses der Gläubigerversammlung ist (vgl. § 5 Abs. 3 Nr. 9 SchVG). In dem Fall der Ersetzung des Emittenten muss regelmäßig eine Bekanntmachung gegenüber den Wertpapierinhabern erfolgen. Ob darüber hinaus ein Nachtrag erforderlich ist, hängt davon ab, ob das öffentliche Angebot noch andauert bzw. eine Zulassung der Wertpapiere noch bevorsteht. 2. Wertpapierbezogene Angaben als Gegenstand von Nachträgen bei Basisprospekten, Abgrenzung zum Gegenstand von endgültigen Bedingungen a) Allgemeines Problematisch ist die Abgrenzung im Hinblick auf die Angaben zu den 72 Wertpapieren (inklusive der wertpapierbezogenen Risikofaktoren), da diese auch in den endgültigen Bedingungen enthalten sein können. Für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs eines Nachtrags gemäß § 16 WpPG von dem Anwendungsbereich von endgültigen Bedingungen nach § 6 Abs. 3 WpPG ist grundsätzlich danach zu differenzieren, ob die wertpapierbezogenen Angaben bereits im Basisprospekt enthalten sind oder erst in den endgültigen Bedingungen neu aufgenommen werden. Ein Nachtrag kommt nur in Betracht, wenn wichtige neue Umstände oder 73 wesentliche Unrichtigkeiten in Bezug auf die bereits im Basisprospekt enthaltenen Angaben vorliegen, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen können; es muss sich dabei um Umstände handeln, welche der Emittent bei Bekanntsein im Zeitpunkt des Billigungsverfahrens bereits zu diesem Zeitpunkt in den Basisprospekt aufgenommen hätte. Anders als die endgültigen Bedingungen unterliegt der Nachtrag gemäß § 16 Abs. 1 Satz 3 WpPG der Billigungspflicht durch die Prospektprüfungsbehörde. Besonderheit eines Nachtrags ist auch, dass nicht nur neue Umstände Gegenstand des Nachtrags sein können, sondern ein typischer Anwendungsfall eines Nachtrags auch der Fall der Korrektur von wesentlichen Unrichtigkeiten ist (vgl. § 16 WpPG Rz. 30 ff.). Gegenstand von endgültigen Bedingungen sind dagegen wertpapierbezogene 74 Angaben, welche erst zum Zeitpunkt des Angebots oder kurz vorher feststehen und aus diesem Grund noch nicht in den Basisprospekt aufgenommen werden konnten (zum Gegenstand von endgültigen Bedingungen siehe oben Rz. 42 ff.)1. Auf die Frage der Wesentlichkeit der Angaben kommt es nicht an. Andernfalls müsste zB auch bei technischen Ausstattungsmerkmalen, welche typischerweise erst auf Ebene der endgültigen Bedingungen festgelegt werden (siehe oben Rz. 48), geprüft werden, ob diese als wesentliche neue Informationen zu werten sind und evtl. anstelle von endgültigen Bedingungen ein Nachtrag erforderlich ist, was dem Sinn und Zweck des Ba1 So auch Kullmann/Metzger, WM 2008, 1292 (1296); Just/Ritz in Just/Voß/Ritz/ Zeising, § 6 WpPG Rz. 32.

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sisprospektregimes widersprechen würde. Anders als im Fall eines Nachtrags erfolgt keine Billigung der endgültigen Bedingungen durch die Prospektprüfungsbehörde. Ferner ist der Fall der Korrektur von unrichtigen Angaben auch kein typischer Anwendungsfall für endgültige Bedingungen (zur Korrektur von endgültigen Bedingungen siehe unten Rz. 80 ff.). 75

Gemäß dieser Abgrenzung kommt für eine Anpassung des Programmvolumens nur ein Nachtrag iS des § 16 WpPG in Betracht, da das Programmvolumen bereits zum Zeitpunkt der Billigung des Basisprospekts feststeht und daher nicht den Gegenstand von endgültigen Bedingungen bilden kann. Die Aufnahme des Programmvolumens ist nicht zwingend1, erforderlich ist es lediglich, dass für die jeweiligen Emissionen das Volumen angegebene wird (siehe dazu Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 155), gerade bei internationalen Emissionsprogrammen, welche der Refinanzierung der jeweiligen Emittenten dienen, ist es aber üblich, das Programmvolumen im Basisprospekt anzugeben (siehe dazu näher – auch zur Abgrenzung zur Anpassung des Emissionsvolumens bei Einzelprospekten – § 16 WpPG Rz. 59 ff.). Die Anpassung des Programmvolumens ist von der Konstellation der Aufstockung, dh. der Erhöhung des Emissionsvolumens einer einzelnen Emission von Schuldverschreibungen, zu unterscheiden (siehe dazu Rz. 59 ff.).

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Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der Nachtragspflicht und endgültigen Bedingungen tauchen demnach vor allem in den folgenden Fällen jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Emissionsprozess auf: (i) Nach Billigung des Basisprospekts, aber vor der jeweiligen Emission: Aufnahme von neuen wertpapierbezogene Angaben, welche noch nicht im Basisprospekt angelegt sind (nachfolgend unter Rz. 77 ff.). (ii) Nach Billigung des Basisprospekts und nach erfolgter Emission: Korrektur von wertpapierbezogenen Angaben, welche in endgültigen Bedingungen enthalten sind, welche bereits bei der BaFin hinterlegt wurden (nachfolgend unter Rz. 80 ff.). (iii) Nach Billigung des Basisprospekts und nach erfolgter Emission: nachträgliche Zurverfügungstellung von wertpapierbezogenen Angaben in endgültigen Bedingungen, welche bereits bei der BaFin hinterlegt wurden (im Unterschied zu Fall (ii) geht es hier darum, dass Angaben in den endgültigen Bedingungen bewusst nicht oder nicht abschließend aufgenommen werden, nachfolgend unter Rz. 99 ff.). b) Aufnahme neuer wertpapierbezogener Angaben

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Für die Aufnahme von neuen wertpapierbezogener Angaben in den Basisprospekt, die bisher in diesem noch nicht enthalten sind, kommt grundsätzlich nur ein Nachtrag nach § 16 WpPG in Betracht oder die Billigung eines

1 Siehe dazu auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 125; CESR 09/1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 36.

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neuen Basisprospekts. Eine entsprechende Klarstellung findet sich künftig auch in Art. 5 Abs. 4 Prospektrichtlinie1. Anders zu beurteilen ist aber der Fall, dass die Aufnahme der entsprechen- 78 den Angaben bereits im Basisprospekt angelegt ist. In diesem Fall können diese Angaben im Zeitpunkt der Emission der Schuldverschreibungen auch in die endgültigen Bedingungen aufgenommen werden. Umgekehrt heißt dies, dass die Aufnahme von neuen wertpapierbezogener Angaben (zB neue Auszahlungsstrukturen oder Basiswerte) über endgültige Bedingungen, auf die im Basisprospekt noch nicht hingewiesen wurde, nicht zulässig ist. Auch eine ergänzende Darstellung zB von Risikofaktoren setzt voraus, dass ein entsprechender Hinweis bereits im Basisprospekt enthalten ist. Es bieten sich daher die Aufnahme von Platzhaltern an, für deren Ausfüllung mittels Regieanweisungen Hinweise gegeben werden (siehe näher oben Rz. 47)2. In anderen Mitgliedstaaten wird dies zum Teil restriktiver gesehen und die Nachtragspflicht soll deutlich früher eingreifen. So ist zB nach einer Auslegung unter englischem Recht ein Nachtrag bereits dann erforderlich, wenn eine entsprechende Emission nicht von der Zusammenfassung des Basisprospekts und den Risikofaktoren abgedeckt ist und die im Basisprospekt enthaltenen Emissionsbedingungen gegebenenfalls erheblich überarbeitet werden müssten3. Diese Auslegung verkennt allerdings, dass es bei einer entsprechenden Darstellung bereits im Basisprospekt durchaus möglich ist, einen Rahmen abzustecken, der auch auf Ebene des Basisprospekts eine Vorhersehbarkeit für die später in den endgültigen Bedingungen enthaltenen Informationen bezogen auf die konkrete Emission ermöglicht (siehe dazu oben Rz. 42 ff., insbesondere Rz. 47). Insofern besteht auch nicht die Gefahr, dass die Billigungspflicht seitens der Prospektprüfungsbehörde umgangen würde (vgl. dazu und zu der entsprechenden Beurteilung durch CESR oben Rz. 46). Soweit die Aufnahme der neuen wertpapierbezogenen Angaben in den end- 79 gültigen Bedingungen ausscheidet, weil die Angaben noch nicht im Basisprospekt angelegt sind, kommt entweder ein Nachtrag gemäß § 16 WpPG oder die Billigung eines neuen Basisprospekts in Frage. Nach der BaFin-Verwaltungspraxis sollen neue Varianten der Wertpapiere, zB neue Basiswerte oder neue Auszahlungsstrukturen, also eine „Erweiterung der Produktpalette“, nicht durch einen Nachtrag, sondern nur durch die Einreichung und Billigung eines neuen Basisprospekts möglich sein. Auf der anderen Seite ist es aber zB unstrittig möglich, mittels eines Nachtrags eine Währungssicherung für Wertpapiere, neben der Nennbetrags- auch eine Stücknotierung, eine Besicherungsstruktur oder die Aufnahme einer Garantie4 mittels eines Nachtrags neu in den Basisprospekt einzufügen. Diese Beispiele zeigen, dass die Abgrenzung zwischen der Nachtragspflicht und der Einrei-

1 2 3 4

Siehe Ratsdokument 10254/10 v. 28.5.2010. Im Ergebnis ähnlich Just/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 33. Burns/Wells, CMLJ 2007, Vol. 2, No. 3, 263 (276 f.). Zu dem Beispiel der Garantie siehe Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 110.

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chung eines neuen Basisprospekts in der Praxis nur sehr schwer zu ziehen ist, letztlich sprechen, soweit Änderungen bezüglich der im Basisprospekt enthaltenen wertpapierbezogenen Angaben vorgenommen werden sollen, die besseren Argumente dafür, bei einem noch gültigen Basisprospekt grundsätzlich den Weg über den Nachtrag zu gestatten (zur Abgrenzung und weiteren Argumenten siehe näher § 16 WpPG Rz. 56 ff.)1. c) Korrektur von in endgültigen Bedingungen enthaltenen wertpapierbezogenen Angaben, Ersetzung der endgültigen Bedingungen 80

Von den bisher geschilderten Konstellationen zu unterscheiden ist der Fall, dass nach erfolgter Emission ein neuer Umstand oder eine Unrichtigkeit in Bezug auf in den endgültigen Bedingungen enthaltenen wertpapierbezogenen Angaben eintritt bzw. vorliegt. Zu unterscheiden ist dies auch vom Fall der Aufstockung (dazu oben Rz. 59 ff.) und von dem Fall, dass bestimmte Angaben in den endgültigen Bedingungen gänzlich offen gelassen oder eine flexible Angabe dazu aufgenommen wird (dazu unten Rz. 99 ff.).

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In diesem Fall scheidet nach der Verwaltungspraxis der BaFin ein Nachtrag aus und es kommt nur eine Ersetzung der endgültigen Bedingungen in Betracht. Dafür spricht, dass es widersprüchlich wäre, wenn die endgültigen Bedingungen in der ursprünglichen Form nicht gebilligt werden müssen, die Korrektur nun aber der Billigung im Rahmen des Nachtragsverfahren unterläge. Die Ersetzung erfolgt, indem korrigierte endgültige Bedingungen veröffentlicht und bei der BaFin hinterlegt werden. Es gelten mithin die gleichen Anforderungen wie für die Hinterlegung und Veröffentlichung der ursprünglichen endgültigen Bedingungen. Zusätzlich ist ein Hinweis auf die Korrektur auf dem Deckblatt der endgültigen Bedingungen aufzunehmen. Inwiefern darüber hinaus die Korrektur innerhalb der endgültigen Bedingungen kenntlich gemacht werden muss, hängt vom Einzelfall ab und kann zB dadurch erfolgen, dass in den korrigierten endgültigen Bedingungen die vorgenommenen Korrekturen im Wege des Änderungsmodus sichtbar gemacht wurden. Es ist aber durchaus denkbar, dass der Hinweis auf dem Deckblatt ausreichend ist. Da das Erfordernis der Hinweisbekanntmachung mittlerweile aufgehoben wurde (siehe unten Rz. 90), stellt sich die Frage, inwiefern auch in der Hinweisbekanntmachung auf den Grund der Ersetzung hingewiesen werden muss, nicht mehr. Allenfalls für endgültige Bedingungen, die noch vor der Aufhebung des § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG aF hinterlegt und veröffentlicht wurden, ist zu überlegen, ob aus zivilrechtlichen Gründen eine Hinweisbekanntmachung geschaltet wird und in dieser Hinweisbekanntmachung auf den Grund der Ersetzung hingewiesen wird.

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Anders als nach der BaFin-Verwaltungspraxis ist nach CESR danach zu differenzieren, ob der neue Umstand oder die Unrichtigkeit wichtig bzw. wesentlich sind: Im Fall einer fehlenden Wichtigkeit oder Wesentlichkeit sei 1 Anders offenbar Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 115, nach denen danach abgegrenzt werden soll, ob die entsprechenden Informationen unter den gleichen Anhang der ProspektVO fallen.

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eine Ersetzung der endgültigen Bedingungen möglich, insbesondere wenn sich der Emittent dieses Recht in den endgültigen Bedingungen vorbehalten hat1, andernfalls sei ein Nachtrag auf den Basisprospekt mit Bezugnahme auf die korrigierten endgültigen Bedingungen erforderlich und zusätzlich seien gegebenenfalls die endgültigen Bedingungen zu ersetzen2. Die von CESR vorgeschlagene Differenzierung ist nicht ohne weiteres überzeugend. Neben der bereits geschilderten Argumentation der BaFin, die grundsätzlich gegen das Erfordernis einer Billigung spricht, ist es auch wenig einsichtig, warum es bei der Korrektur von endgültigen Bedingungen auf die Wesentlichkeit oder Wichtigkeit ankommen soll. Da die Wesentlichkeit oder Wichtigkeit auch bei der Hinterlegung der ursprünglichen endgültigen Bedingungen keine Rolle spielt (siehe oben Rz. 74), sollte auch die Ersetzung der endgültigen Bedingungen unabhängig von der Wesentlichkeit oder Wichtigkeit des Gegenstands der Korrektur möglich sein. Von der prospektrechtlichen Zulässigkeit der Korrektur der endgültigen 83 Bedingungen zu unterscheiden ist die zivilrechtliche Wirksamkeit einer derartigen Korrektur, insbesondere wenn Angaben in den Emissionsbedingungen betroffen sind. In den Emissionsbedingungen von strukturierten Schuldverschreibungen finden sich in der Praxis häufig sog. „Berichtigungsklauseln“, nach denen der Emittent oder eine Berechnungsstelle berechtigt ist, in den Emissionsbedingungen ohne Zustimmung der Wertpapierinhaber offensichtliche Schreib- und Rechenfehler zu berichtigen bzw. widersprüchliche oder lückenhafte Bestimmungen zu ändern oder zu ergänzen. In der Praxis sind diese Klauseln unterschiedlich präzise gefasst und zum Teil auch weitergehenden Bedingungen unterworfen. Wie der BGH in einem Urteil v. 30.6.2009 klargestellt hat, sind entsprechende Klauseln strengen Anforderungen unterworfen3. Die zivilrechtliche Wirksamkeit einer derartigen Klausel wird von der BaFin nicht geprüft. Das Vorhandensein einer derartigen Klausel wird aber als Begründung dafür herangezogen, dass eine entsprechende Korrektur mittels Ersetzung der endgültigen Bedingungen auch prospektrechtlich zulässig ist4. 3. Nachtrag zur Zusammenfassung Gemäß § 16 Abs. 2 WpPG ist die Zusammenfassung und eine etwaige Übersetzung davon um die in dem Nachtrag enthaltenen Informationen zu er-

1 Vgl. dazu auch Just/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 41, nach denen die entsprechende CESR-Aussage so zu interpretieren sein, dass bei der Aufnahme eines Änderungsrechts in den Emissionsbedingungen die Wesentlichkeit zu verneinen sei. 2 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 64. 3 BGH v. 30.6.2009 – XI ZR 364/09, WM 2009, 1500. 4 Vgl. CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 64 (unter 1., 2. Absatz) sowie Just/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 41.

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gänzen. Für Basisprospekte stellt Art. 26 Abs. 7 Unterabs. 1 ProspektVO klar, dass die Aufnahme der neuen Angaben in die ursprüngliche Zusammenfassung – wie bei anderen Prospekten – entweder über die Erstellung einer neuen Zusammenfassung oder über einen Nachtrag zur Zusammenfassung möglich ist (zu Darstellungsfragen vgl. Art. 26 Abs. 7 Unterabs. 2 ProspektVO). 4. Zeitliche Abfolge im Verhältnis zur Billigung des Basisprospekts und der Hinterlegung der endgültigen Bedingungen 85

Im Hinblick auf die zeitliche Abfolge der Billigung eines Nachtrags zu einem Basisprospekt gilt aufgrund des Verweises in § 6 Abs. 2 WpPG auf § 16 Abs. 1 WpPG grundsätzlich die gleiche Abfolge wie bei anderen Prospekten. In Kombination mit der Hinterlegung der endgültigen Bedingungen sind grundsätzlich zwei Konstellationen denkbar.

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Zum einen kann der Nachtrag nach der Billigung des Basisprospekts, aber vor der Hinterlegung der endgültigen Bedingungen gebilligt werden. Dieser Fall ist unproblematisch, da sich die endgültigen Bedingungen in der Regel auf den Basisprospekt in der Fassung ergänzt und aktualisiert um etwaige Nachträge beziehen und in der Regel der letzte Nachtrag in den endgültigen Bedingungen genannt wird.

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Zum anderen kann der Nachtrag nach der Hinterlegung der endgültigen Bedingungen erfolgen. In diesem Fall ist für fortdauernde öffentliche Angebote durch die Veröffentlichung des Nachtrags in derselben Art und Weise wie die Veröffentlichung des ursprünglichen Prospekts (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 3 WpPG) sichergestellt, dass der Anleger die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat (siehe dazu § 16 WpPG Rz. 99). Letztlich gilt hier – auch wenn eine Vielzahl von fortlaufenden öffentlichen Angeboten betroffen sein können – für den Basisprospekt und die endgültigen Bedingungen nichts anderes als bei anderen Prospekten.

V. Veröffentlichung und Hinterlegung der endgültigen Bedingungen, Nichtaufnahme von Angaben (§ 6 Abs. 3 WpPG) 1. Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 WpPG) 88

Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 WpPG sind die endgültigen Bedingungen des Angebots, wenn diese weder in den Basisprospekt noch in einen Nachtrag nach § 16 WpPG aufgenommen wurden, spätestens am Tag des öffentlichen Angebots in der in § 14 WpPG genannten Art und Weise zu veröffentlichen.

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Endgültige Bedingungen können demnach auf alle in § 14 Abs. 2 WpPG genannten Arten veröffentlicht werden. Art. 33 ProspektVO stellt diesbezüglich klar, dass der Emittent, Zulassungsantragsteller oder Anbieter in der Wahl der Art der Veröffentlichung durch die Art der Veröffentlichung des Basisprospekts nicht eingeschränkt wird, da die Veröffentlichung der end-

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gültigen Bedingungen zum Basisprospekt nicht mit der für den Basisprospekt gewählten identisch sein muss. Der frühere Streit1, ob der Verweis in § 6 Abs. 3 Satz 1 WpPG auch § 14 90 Abs. 3 Satz 2 WpPG umfasst, mit der Folge, dass auch für endgültige Bedingungen die Veröffentlichung einer Hinweisbekanntmachung in einer Zeitung erforderlich gewesen wäre, ist mittlerweile obsolet, da § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG durch Art. 36 des Jahressteuergesetzes 2009 v. 19.12.20082 aufgehoben wurde. Die Abschaffung der Verpflichtung zur Veröffentlichung von Hinweisbekanntmachungen erfolgte, nachdem zuvor die Bundesregierung einen Bericht über die praktischen Erfahrungen mit Veröffentlichungen von Emittenten gemäß Wertpapierhandelsgesetz und Hinweisbekanntmachungen in Zeitungen gemäß Wertpapierprospektgesetz vorgelegt hatte, worin neben der Darstellung der negativen praktischen Erfahrungen, dh. hohe Kosten und ein geringer Nutzen von Hinweisbekanntmachungen, auch wirtschaftliche Bedenken geäußert wurden3. Hinweisbekanntmachungen waren an anderen größeren Märkten in der EU schon bisher nicht üblich und stellten demnach einen Wettbewerbsnachteil für den deutschen Finanzplatz dar. Auch galt die Pflicht zur Schaltung von Hinweisbekanntmachungen nur für inländische Emittenten. Eine solche Inländerdiskriminierung barg die Gefahr einer Abwanderung der Prospektgenehmigungen in das benachbarte EU-Ausland4. Unberührt von der Gesetzesänderung ist allerdings der Verweis in § 6 Abs. 3 Satz 1 WpPG auf § 14 Abs. 3 WpPG geblieben. Dementsprechend ist der BaFin Datum und Ort der Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen unverzüglich mitzuteilen. In der Regel erfolgt dies in Zusammenhang mit der Hinterlegung der endgültigen Bedingungen. Für endgültige Bedingungen zu einem im Ausland gebilligten und nach Deutschland notifizierten Basisprospekt stellte die BaFin ursprünglich dieselben Anforderungen auf, verlangte insbesondere neben der Veröffentlichung einer Hinweisbekanntmachung zu den endgültigen Bedingungen, dass ihr das Datum und der Ort der Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen mitgeteilt wird5. Diesen Standpunkt hat die BaFin aber mittlerweile aufgegeben, dh. es ist weder eine Information der BaFin bezüglich der Art und Weise der Veröffentlichung des

1 Die BaFin ging in ihrer bisherigen Verwaltungspraxis von dem Erfordernis einer Hinweisbekanntmachung bei jeder Hinterlegung von endgültigen Bedingungen unter einem Basisprospekt aus, da nach ihrer Ansicht die Anwendung des § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG durch den pauschalen Verweis in § 6 Abs. 3 WpPG auf § 14 WpPG erfasst wurde. Zu den Gegenargumenten siehe Seitz, AG 2005, 678 (688); Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1074); Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (322); Müller/Oulds, WM 2007, 573 (576). 2 BGBl. I 2008, 2794, 2842. 3 BT-Drucks. 16/9568, S. 2. 4 BT-Drucks. 16/9568, S. 2; vgl. auch BT-Drucks. 16/11108, S. 71 f. 5 So noch CESR/08-1022, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2008, Frage 1 und Frage 2.

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endgültigen Bedingungen1 noch die Veröffentlichung einer Hinweisbekanntmachung2 erforderlich. 92

Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 WpPG sind die endgültigen Bedingungen spätestens am Tag des öffentlichen Angebots zu veröffentlichen. Daraus kann gefolgert werden, dass es ausreichend ist, wenn dies im Laufe des Tages geschieht, an dem das öffentliche Angebot beginnt. Eine konkrete Aussage, dass die Veröffentlichung vor dem Beginn des Angebots liegen muss, ist in § 6 Abs. 3 Satz 1 WpPG nicht enthalten. In der Prospektrichtlinie heißt es in Art. 5 Abs. 4, dass die Veröffentlichung und Hinterlegung „sofern möglich vor Beginn des Angebots“ erfolgen soll. Die entsprechende Formulierung soll im Zuge der Überarbeitung der Prospektrichtlinie (oben Rz. 14) dahingehend geändert werden, dass künftig die endgültigen Bedingungen (immer) vor dem Beginn des öffentlichen Angebots veröffentlicht werden sollen3. Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 WpPG ist eine Nachholung der Veröffentlichung möglich, wenn eine fristgerechte Veröffentlichung aus praktischen Gründen nicht durchführbar ist. Dies soll aber nur in atypischen Ausnahmefällen erfolgen, an deren Vorliegen wegen der besonderen Bedeutung der endgültigen Bedingungen für die Information des Publikums besonders strenge Anforderungen zu stellen sind. Es kann sich daher nur um Ereignisse handeln, auf die der Emittent, der Anbieter und der Zulassungsantragssteller keinen Einfluss haben4. Zudem muss die Nachholung der Veröffentlichung unverzüglich erfolgen.

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Mit den prospektrechtlichen Veröffentlichungspflichten nicht zu verwechseln sind Veröffentlichungspflichten unter dem WpHG bzw. HGB zum elektronischen Bundesanzeiger bzw. zum Unternehmensregister und zivilrechtliche Veröffentlichungspflichten unter den Emissionsbedingungen der Schuldverschreibungen im Fall von Wissenserklärungen (zB Eintritt einer Barriere), rechtsgestaltenden Willenserklärungen (zB im Fall einer Anpassungsmaßnahme) oder rechtsvernichtenden Willenserklärungen (zB im Fall einer Kündigung). 2. Hinterlegung der endgültigen Bedingungen (§ 6 Abs. 3 Satz 2 WpPG)

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Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 WpPG sind die endgültigen Bedingungen bei der BaFin zu hinterlegen.

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Nach der Verwaltungspraxis der BaFin reicht eine Hinterlegung per Fax bzw. über die elektronische Melde- und Veröffentlichungsplattform (MVP) aus. Es muss allerdings die Identifizierung des Ausstellers bzw. Absenders si1 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 1c) und Frage 2. 2 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 2. 3 Ratsdokument 15911/09 v. 18.11.2009. 4 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 32 (Begründung zu § 6 Abs. 3).

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chergestellt sein (zB durch einen die endgültigen Bedingungen begleitenden Antrag auf Hinterlegung). Die Hinterlegung der endgültigen Bedingungen bei der zuständigen Behörde 96 hat spätestens am Tag der Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen zu erfolgen. Sie kann daher auch im Laufe des Tages erfolgen; wie im Fall der Veröffentlichung kann auch die Hinterlegung unter den engen Voraussetzungen von § 6 Abs. 3 Satz 3 WpPG nachgeholt werden (vgl. zu den parallelen Fragen hinsichtlich der Veröffentlichung oben Rz. 92). Die BaFin dient dabei nur als Evidenzzentrale, dh. sie überprüft nicht die 97 Vollständigkeit und den Inhalt der endgültigen Bedingungen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 21 ProspektVO; zur Prüfung der Vollständigkeit auf Ebene des Basisprospekts siehe oben Rz. 41). Allerdings bleibt es der BaFin unbenommen, Emittenten auf offensichtliche Mängel hinzuweisen, die ihr bei der Archivierung auffallen (zB wenn es Abweichungen zwischen den endgültigen Bedingungen und dem Basisprospekt gibt, die entsprechend dem Basisprospekt nicht vorgesehen sind). Sofern in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums die Zu- 98 lassung zum Handel an einem geregelten Markt oder ein öffentliches Angebot erfolgen soll, kann für den Basisprospekt eine Notifizierung nach § 18 WpPG beantragt werden. Die Notifizierung bezieht sich dabei nur auf den Basisprospekt und etwaige Nachträge, aber nicht auf die jeweiligen endgültigen Bedingungen, da diese nicht der Billigungspflicht unterliegen. Die Prospektrichtlinie enthält keine Verpflichtung die endgültigen Bedingungen an die Aufnahmestaatsbehörde zu übermitteln. Es gibt aber eine Reihe von Aufnahmestaaten, die erwarten, dass sie im Fall eines öffentlichen Angebots oder einer Zulassung an einem regulierten Markt in dem Mitgliedstaat informiert werden1. Dies gilt nicht für die BaFin. Im Zuge der Überarbeitung der Prospektrichtlinie (siehe oben Rz. 14) soll Art. 5 Abs. 4 Prospektrichtlinie dahingehend geändert werden, dass künftig der Emittent zwingend auch die Behörden in dem Aufnahmestaat informieren muss2. Nicht zu verwechseln ist dies mit der Frage, ob die Aufnahmestaatsbehörde bezüglich der Art und Weise der Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen in dem Aufnahmestaat zu informieren ist oder eine Hinweisbekanntmachung zur Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen in dem Aufnahmestaat zu schalten ist (vgl. dazu oben Rz. 91). 3. Entsprechende Anwendung von § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WpPG (§ 6 Abs. 3 Satz 4 WpPG) Nach § 6 Abs. 3 Satz 4 WpPG findet § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WpPG in den in § 6 Abs. 3 Satz 1 WpPG genannten Fällen entsprechende Anwen1 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 1b. 2 Ratsdokument 10254/10 v. 28.5.2010.

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Basisprospekt

dung, dh. dann, wenn die endgültigen Bedingungen weder in einem Basisprospekt noch in einem Nachtrag enthalten sind. In diesem Fall müssen, wenn ein Ausgabepreis der Wertpapiere (Emissionspreis) oder die Gesamtzahl der öffentlich angebotenen Wertpapiere (Emissionsvolumen) nicht angegeben werden können, nach § 8 Abs. 1 Satz 1 WpPG zumindest die Kriterien oder die Bedingungen angegeben werden, anhand derer der Emissionspreis oder das Emissionsvolumen ermittelt werden können. Alternativ kann nach § 8 Abs. 1 Satz 2 WpPG bezüglich des Emissionspreises auch ein Höchstpreis angegeben werden. 100 Da § 8 Abs. 1 WpPG nach der Gesetzesbegründung insbesondere den Besonderheiten bei der Preisbildung bei Aktienemissionen Rechnung tragen soll1, ergeben sich eine Reihe von Auslegungsfragen bei der Anwendbarkeit im Fall von Nichtdividendenwerten und insbesondere in Zusammenhang mit dem Zusammenspiel mit dem Basisprospektregime. Bei Basisprospekten gibt es bereits mit dem Nachtrag und den endgültigen Bedingungen zwei Möglichkeiten, Informationen nach dem Zeitpunkt der Billigung des Basisprospekts zu „ergänzen“. Insbesondere die endgültigen Bedingungen dienen dazu, in bestimmten im Basisprospekt definierten Fällen Angaben im Zeitpunkt der Emission nachtragen zu können. 101 Es sind aber dennoch in der Praxis Fälle denkbar, in denen ein Bedürfnis besteht, Angaben auch in den endgültigen Bedingungen offen zu lassen oder lediglich eine Ersatzangabe zu machen: ZB ist es denkbar, dass bei verbrieften Derivaten der tastsächliche Emissionspreis und das Emissionsvolumen erst nach der Durchführung einer Zeichnungsphase festgesetzt werden. Ein entsprechendes Bedürfnis kann sich auch auf andere Ausstattungsmerkmale, wie Kursschwellen, Höchstpreise, Mindestzinssätze oder Einzelheiten zu den Basiswerten beziehen. Bei international platzierten Schuldverschreibungen kann das Bedürfnis darin bestehen, endgültige Bedingungen bereits zu einem Zeitpunkt zu veröffentlichen, zu dem zwar das öffentliche Angebot schon begonnen hat, aber die Preisbildung der Schuldverschreibungen noch nicht beendet und damit der Emissionspreis noch offen ist. 102 Aufgrund des Umstands, dass in § 6 Abs. 3 Satz 4 WpPG lediglich auf § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WpPG verwiesen wird, kann gefolgert werden, dass es nicht möglich ist, dass in den endgültigen Bedingungen eine Angabe zum Emissionspreis oder Emissionsvolumen gänzlich unterbleibt. Unter dem Basisprospektregime ist es daher – anders als im Fall eines Einzelprospekts (dies ist besonders relevant im Hinblick auf das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 1 Satz 3 WpPG, vgl. § 8 WpPG Rz. 32 und unten Rz. 107) – nicht möglich, den Emissionspreis und das Emissionsvolumen, zB bei Zeichnungsprodukten, in den endgültigen Bedingungen gänzlich offen zu lassen2.

1 Vgl. Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 32 (Begründung zu § 8). 2 So wohl auch Just/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 34–37.

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§ 6 WpPG

Basisprospekt

Dem Bedürfnis nach Flexibilität wird aber dadurch Rechnung getragen, dass entsprechend § 8 Abs. 1 Satz 1 WpPG Kriterien oder Bedingungen angegeben werden, anhand derer der Emissionspreis oder das Emissionsvolumen bestimmt werden können, bzw. entsprechend § 8 Abs. 1 Satz 2 WpPG ein Höchstpreis angegeben wird. Dies befindet sich auch im Einklang damit, dass aus zivilrechtlichen Gründen, insbesondere aufgrund des AGB-rechtlichen Transparenzgebots, die Bestimmbarkeit der Leistungspflichten gegeben sein muss, dh. der Verwendungsgegner bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Verpflichtungen aus der Klausel erkennen können muss1.

103

Dementsprechend ist in der Praxis im Hinblick auf Ersatzangaben zwischen folgenden Fällen zu unterscheiden:

104

Soweit bezüglich des Emissionspreises auf den „Schlusskurs des Basiswerts“ an einem anfänglichen Referenztag verwiesen wird, der zB nach dem Ende der Zeichnungsphase liegt, sind jedenfalls die Kriterien für die Ermittlung angegeben und die Notwendigkeit für eine gesonderte Veröffentlichung des Emissionspreises kann in Frage gestellt werden. Soweit es sich nämlich um den Schlusskurs und damit in der Regel um einen Kurs des Basiswerts handelt, der für den Anleger zugänglich ist und damit auch ohne weiteres für den Anleger eine Feststellung des Emissionspreises möglich ist, ist fraglich, ob eine darüber hinausgehende Veröffentlichung erforderlich ist, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Emissionspreis bei verbrieften Derivaten, welche fortlaufend verkauft werden, nur ein fiktiver Preis ist und der tatsächliche Verkaufspreis jeweils im jeweiligen Kaufzeitpunkt zu ermitteln ist und zB bei einem Kauf über die Börse auf dem Quote des börslichen Market Makers basiert. Dennoch kommt die BaFin auch in dem Fall, dass der Emissionspreis dem „Schlusskurs des Basiswerts“ entspricht, offenbar gestützt auf Ziffer 5.3.1. Anhang V bzw. Ziffer 5.3 Anhang XII ProspektVO zu dem Ergebnis, dass auch das Verfahren der Offenlegung des Emissionspreises in den endgültigen Bedingungen aufzunehmen ist (zu einer etwaigen Veröffentlichung siehe Rz. 108). Der Fall, dass für den Emissionspreis ein Höchstpreis angegeben wird, ist bei Schuldverschreibungen und auch bei verbrieften Derivaten – obwohl im Einklang mit § 6 Abs. 3 Satz 4 iVm. § 8 Abs. 1 Satz 2 WpPG stehend – selten, da zB am Ende der Zeichnungsphase die Anpassung an die dann herrschenden Marktgegebenheiten in der Regel über die Anpassung anderer Ausstattungsmerkmale erfolgt (siehe unten Rz. 106). Bei verbrieften Derivaten ist es üblich, bezüglich des angebotenen Emis- 105 sionsvolumens eine feste Angabe in den endgültigen Bedingungen zu machen, auch wenn tatsächlich weniger Wertpapiere platziert werden. In dieser Konstellation stellt sich das Problem der Nichtaufnahme von Angaben und der evtl. Anwendbarkeit von § 8 WpPG nicht. Vereinzelt wird bezüglich des Emissionsvolumens auch eine sog. „Bis zu-Angabe“ gemacht. In diesem Fall ist in den endgültigen Bedingungen anzugeben, wie das tatsächliche

1 Vgl. grundlegend BGH. v. 8.10.1997 – IV ZR 220/96, WM 1998, 558.

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Emissionsvolumen ermittelt wird (§ 8 Abs. 1 Satz 1 WpPG; vgl. dazu auch § 8 WpPG Rz. 18)1. Zudem ist anzugeben, wann und wie das Emissionsvolumen veröffentlicht wird. Dies folgt zwar nicht aus dem Verweis in § 6 Abs. 3 Satz 4 WpPG, da nur auf § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 verwiesen wird, eine entsprechende Angabe und demzufolge auch die entsprechende Veröffentlichung ist aber aufgrund von Ziffer 5.1.2 und Ziffer 5.1.7 Anhang V ProspektVO bzw. Ziffer 5.1.2 und Ziffer 5.1.6 Anhang XII ProspektVO geboten. 106 Soweit es sich bei den in den endgültigen Bedingungen noch nicht final festgelegten Angaben nicht um den Emissionspreis oder um das Emissionsvolumen handelt, sondern um andere Angaben, wie eine Kursschwelle, einen Höchstpreis, Mindestzinssätze oder Einzelheiten zu den Basiswerten, ist zu überlegen, inwiefern in diesem Fall die Anforderungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WpPG entsprechende Anwendung finden. Gegen eine entsprechende Anwendung spricht insbesondere die Intention des Gesetzgebers, der besondere Preisbildungsmodelle bei Aktien im Auge hatte (siehe bereits oben Rz. 100)2. Für eine entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WpPG spricht dagegen, dass sich der Wert eines Wertpapiers bei strukturierten Produkten nicht allein durch den Emissionspreis, sondern auch durch die jeweiligen Ausstattungsmerkmale des Produkts, wie zB einer Kursschwelle, eines Bonusbetrags oder eines Höchstbetrags, die einen wesentlichen Einfluss auf den Wert eines Wertpapiers haben, ausdrücken lässt. Dementsprechend hat ein Emittent die Möglichkeit, ein Produkt so zu strukturieren, dass er entweder sämtliche Ausstattungsmerkmale mit Ausnahme des Emissionspreises in den endgültigen Bedingungen festlegt oder dass er lediglich den Emissionspreis in den endgültigen Bedingungen festlegt und die konkreten Ausstattungsmerkmale erst zu einem späteren Zeitpunkt unter Berücksichtigung der dann geltenden Marktkonditionen fixiert. Wenn man eine entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WpPG ablehnen würde, wäre der Emittent nur im ersten Fall verpflichtet, den endgültigen Emissionspreis zu veröffentlichen. Im zweiten Fall dagegen bestünde keine entsprechende Pflicht zur Veröffentlichung der Ausstattungsmerkmale. Da ein Anleger seine Anlageentscheidung aber nicht nur auf Basis des Emissionspreises bildet, sondern auch die jeweiligen Ausstattungsmerkmale eines Produkts für seine Entscheidung maßgeblich sind, sprechen die überwiegenden Argumente für eine entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WpPG (zur Ausdehnung der Anwendung des § 8 WpPG auf andere Angaben siehe auch § 8 WpPG Rz. 13)3. Nur dadurch ist sichergestellt, dass Anlegern sämtliche Informationen, die für ihre Kaufentscheidung wesentlich sind, vorliegen und vermieden wird, 1 Anders offenbar Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 8 WpPG Rz. 29. 2 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte Just/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 6 WpPG Rz. 37. 3 Anders wohl Hamann in Schäfer/Hamann, § 8 WpPG Rz. 4, wobei nicht danach differenziert wird, ob es um die Aufnahme von (Ersatz-)Angaben in endgültige Bedingungen oder um die entsprechende Aufnahme von Angaben bereits im (Basis-)Prospekt geht.

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§ 7 WpPG

Mindestangaben

dass mangels Vollständigkeit die endgültigen Bedingungen gegebenenfalls zu ersetzen sind (zur Ersetzung und Abgrenzung von der Nachtragspflicht siehe Rz. 80 ff.). Sofern Kursschwellen, Bonusbeträge, Höchstbeträge oder andere Ausstattungsmerkmale erst am Ende einer Zeichnungsphase festgelegt werden sollen, empfiehlt es sich, neben den prospektrechtlichen Gründen auch aus zivilrechtlichen Gründen, zumindest indikative Angaben oder Spannen in die endgültigen Bedingungen aufzunehmen und anzugeben, wann und wie eine Veröffentlichung der finalen Werte erfolgt, soweit die Art und Weise der Festsetzung nicht in unmittelbarer Abhängigkeit von einem Basiswert erfolgt. Darüber hinaus kann es auch empfehlenswert sein, eine Angabe dazu zu machen, auf welcher Basis der Emittent oder die Berechnungsstelle die tatsächlichen Werte festsetzt bzw. welche Parameter für die Festsetzung der tatsächlichen Werte entscheidend sind. Da in § 6 Abs. 3 Satz 4 WpPG nur auf § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WpPG 107 verwiesen wird und, wie oben festgestellt, das völlige Offenlassen des Emissionspreises bzw. des Emissionsvolumens in endgültigen Bedingungen nicht möglich ist, stellt sich die Frage nach dem Widerrufsrecht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 WpPG in diesem Fall nicht. Soweit in endgültigen Bedingungen nur Ersatzangaben gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WpPG gemacht werden, greifen die Anforderungen gemäß § 8 Abs. 1 Sätze 6 bis 9 WpPG nicht ein, insbesondere gelten für eine etwaige Veröffentlichung der endgültigen Angaben nicht die Anforderungen des § 14 Abs. 2 WpPG. In der Praxis ist es üblich, in diesem Fall, zB in einer Fußnote, auf die in den Emissionsbedingungen enthaltene Bekanntmachungsvorschrift und gegebenenfalls die Website des Emittenten oder eine andere explizit angegebene Website zu verweisen. Es findet auch die Hinterlegungspflicht bezüglich des endgültigen Emissionspreises bzw. des endgültigen Emissionsvolumens gemäß § 8 Abs. 1 Satz 9 WpPG bei endgültigen Bedingungen keine Anwendung.

§7 Mindestangaben Die Mindestangaben, die in einen Prospekt aufzunehmen sind, bestimmen sich nach der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung (ABl. EU Nr. L 149 S. 1, Nr. L 215 S. 3). In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698).

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Mindestangaben

Schrifttum: Apfelbacher/Metzner, Das Wertpapierprospektgesetz in der Praxis – Eine erste Bestandsaufnahme, BKR 2006, 81; Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Ekkenga, Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zum Regierungsentwurf eines neuen Wertpapierprospektgesetzes, BB 2005, 561; Elsen/Jäger, Revision der Prospektrichtlinie? – Ein erster Ausblick, BKR 2008, 459; Holzborn/SchwarzGondek, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BKR 2003, 927; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668; Hupka, Kapitalmarktaufsicht im Wandel, WM 2009, 1351; von Ilberg/Neises, Die Richtlinien-Vorschläge der EUKommission zum „Einheitlichen Europäischen Prospekt“ und zum „Marktmissbrauch“ aus Sicht der Praxis, WM 2002, 635; von Kopp-Colomb/Lenz, Der europäische Pass für Emittenten, AG 2002, 24; Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB 2005, 209; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BB 2004, 501; Müller/Oulds, Transparenz im europäischen Fremdkapitalmarkt, WM 2007, 573; Reger, Die neue Prospektrichtlinie, Going Public 2005, 58; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schlitt/Schäfer, Drei Jahre Praxis unter dem Wertpapierprospektgesetz – eine Zwischenbilanz, AG 2008, 525; Schnorbus, Prospektanforderungen für bestimmte Emittenten („Special Issuers“), WM 2009, 249; Seitz, Das neue Wertpapierprospektrecht, AG 2005, 678; Seitz, Die Integration der europäischen Wertpapiermärkte und die Finanzmarktgesetzgebung in Deutschland, BKR 2002, 340.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung und Bedeutung 1. Normbedeutung . . . . . . . . . 2. Europäischer Regelungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prospektrichtlinie . . . . . . b) Umsetzung ins deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . c) Prospektverordnung . . . . . d) CESR Empfehlungen zu Auslegungsfragen (recommendations) . . . . . . . . . .

e) Verwaltungspraxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) . . 15 3. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . 16

1 2 4 10 11 14

II. Prospektverordnung im Überblick . . . . . . . . . . . . . .

18

III. Prospektinhalt und -format 1. Prospektinhalt – Mindestangaben (Art. 3 bis 24 ProspektVO) 19 2. Prospektformat (Art. 25, 26 ProspektVO) . . . . . . . . . . . . 30

I. Normentwicklung und Bedeutung 1. Normbedeutung 1

§ 7 WpPG setzt Art. 7 Prospektrichtlinie um. Er verweist auf die ProspektVO als unmittelbar geltendes Recht. § 7 WpPG hat daher lediglich deklaratorischen Charakter1.

1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 7 WpPG Rz. 1; Holzborn in Holzborn, § 7 WpPG Rz. 1.

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Mindestangaben

§ 7 WpPG

2. Europäischer Regelungsrahmen § 7 WpPG und die Bestimmungen der ProspektVO gehen auf das so genannte Lamfalussy-Verfahren zurück, ein Vier-Stufen-Konzept für die beschleunigte Rechtsetzung zur Regulierung der europäischen Finanzmärkte, das im Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte v. 15.2.2001, dem so genannten Lamfalussy-Bericht1, empfohlen wurde2.

2

Das Kernelement dieses Verfahrens3 ist die Konkretisierung von Basis- 3 rechtsakten (im Falle des Prospektrechts der Prospektrichtlinie als Rahmenrichtlinie, so genannte Stufe 1) durch Durchführungsbestimmungen (im Falle des Prospektrechts die Prospektverordnung, so genannte Stufe 2), die unter Beteiligung zweier Ausschüsse, dem European Securities Counsel (ESC) und der Vereinigung europäischer Wertpapieraufsichtsbehörden (The Committee of European Securities Regulators, CESR) durch die Kommission ohne Mitwirkung des Rates und des Europäischen Parlaments erlassen werden (so genanntes Komitologieverfahren). Auf der so genannten Stufe 3 stellt CESR4 die einheitliche Umsetzung und Auslegung der Rechtsakte der Stufen 1 und 2 sicher5, auf der sog. Stufe 4 überprüft die Kommission die Anwendung der Rechtsakte in den Mitgliedstaaten. a) Prospektrichtlinie Die Prospektrichtlinie (Richtlinie 2003/71/EG v. 4.11.2003, ABl. EU 4 Nr. L 345, S. 64) auf der ersten Stufe des Lamfalussy-Verfahrens hob die Wertpapierverkaufsprospektrichtlinie (Richtlinie 89/298 v. 17.4.1989, ABl. EG Nr. L 124, S. 8)6 auf und ersetzte die Vorgängerregelungen7 der Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie (Richtlinie 2001/34 v. 28.5.2001, ABl. EG Nr. L 217,

1 Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte v. 15.2.2001, S. 10 und 26, sog. „Lamfalussy-Bericht“, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/lamfalussy/ wisemen/final-report-wise-men_de.pdf. 2 Zur Entwicklung des europäischen Kapitalmarktrechts umfassend Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 10 ff. 3 Zum Lamfalussy-Verfahren und der Entstehung der Prospektrichtlinie und ProspektVO siehe auch Hupka, WM 2009, 1351 ff.; von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 (25); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501; Seitz, BKR 2002, 340 (341); Seitz, AG 2005, 678. 4 „The Role of CESR at ‚Level 3‘ under the Lamfalussy Process“, CESR/04-104b. 5 Insbesondere durch die CESR’s recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses no. 809/2004, January 2005, CESR/05-954b und die regelmäßig aktualisieren Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (zuletzt 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148). 6 Aufgehoben durch Art. 28 Prospektrichtlinie. 7 Zu den Vorgängerregelungen von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 f.; von Ilberg/ Neises, WM 2002, 635 (637 f.). Zur Genese der Prospektrichtlinie Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 84 ff.

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Mindestangaben

S. 9)1, in die zuvor die Regelungen der Börsenzulassungsrichtlinie (Richtlinie 80/390 v. 17.3.1980, ABl. EG Nr. L 100, S. 1)2 aufgenommen worden waren3. 5

Ausgangspunkt für die Entstehung der Prospektrichtlinie war der Aktionsplan Finanzdienstleistungen (FSAP) v. 11.5.19994, der auf Vorarbeiten des Forum of European Securities Commissions (FESCO), der Vorgängerorganisation von CESR, beruhte5. Mit der Prospektrichtlinie wurden zwei Hauptziele verfolgt: einerseits die Steigerung des Anlegerschutzes, andererseits die Markteffizienz bei Wertpapieremissionen6.

6

Das EU-Rechtssetzungsverfahren7 durchlief folgende Schritte: – Erster Kommissionsvorschlag v. 28.8.2001, ABl. EG Nr. C 240, S. 272 – Stellungnahme Europäische Zentralbank v. 2.12.2001, ABl. EG Nr. C 344, S. 4 – Stellungnahme Wirtschafts- und Sozialausschuss v. 3.4.2002, ABl. EG Nr. C 80, S. 52 – Stellungnahme Parlament (Erste Lesung) v. 27.2.2003, ABl. EG Nr. C 47, S. 524 – Zweiter Kommissionsvorschlag v. 28.1.2003, ABl. EG Nr. C 20, S. 122 – Gemeinsamer Standpunkt v. 27.5.2003, ABl. EG Nr. C 125, S. 21 – Stellungnahme Parlament (Zweite Lesung) v. 24.3.2004, ABl. EG Nr. C 72, S. 251 – Stellungnahme Kommission v. 10.7.2003, KOM (2003) 432 endg. – Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345, S. 64.

7

Art. 7 Abs. 3 Prospektrichtlinie iVm. Erwägungsgrund 22 Prospektrichtlinie gibt auf der ersten Stufe des Lamfalussy-Verfahrens Standards für die Aufnahme von Finanz- und der Nichtfinanzinformationen in den Prospekt vor, die von den internationalen Organisationen der Wertpapieraufsichtsbehörden ausgearbeitet wurden. Auf diesen Standards beruhen auch die (indikativen) Anhänge I bis IV zur Prospektrichtlinie. Dementsprechend finden sich in den Anhängen zur ProspektVO teilweise wörtliche Wiedergaben der IOS-

1 Art. 3, 20 bis 41, 98 bis 101, 104, 108 Abs. 2 lit. c Nr. ii und Anhang I aufgehoben durch Art. 27 Prospektrichtlinie. 2 Aufgehoben durch Art. 111 Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie. 3 Erwägungsgrund (1) Prospektrichtlinie und Art. 27, 28 Prospektrichtlinie. 4 KOM(99) 232 v. 11.5.1999, S. 21 ff. 5 „A European Passport for Issuers“ v. 20.12.2000, FESCO-00-138b. 6 Art. 1 Abs. 1 iVm. Erwägungsgrund 10 Prospektrichtlinie. 7 Zum EU-Rechtsetzungsverfahren siehe Crüwell, AG 2003, 243 f.; Holzborn/ Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 f.; von Ilberg/Neises, WM 2002, 635 (636).

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CO-Standards1. Art. 7 Abs. 3 Prospektrichtlinie ist in Zusammenschau mit Erwägungsgrund 22 Prospektrichtlinie zu sehen. Erwägungsgrund 22 Prospektrichtlinie beschreibt die Ziele, die mit der Zugrundelegung der IOSCO-Standards verfolgt wurden: Verbesserung der Anlegern zur Verfügung gestellten Informationen und Vereinfachung der Kapitalaufnahme in Drittländern (die häufig ihrerseits ebenfalls die IOSCO-Standards zu Grunde legen dürften). Während die IOSCO-Standards an sich als Maximalanforderungen für die 8 grenzüberschreitende Emission von Eigenkapitalwerten formuliert wurden, sahen die von CESR erarbeiteten Vorschläge für den Mindestinhalt von Prospekten diese zunächst als Mindeststandards vor. Dies wurde von den Marktteilnehmern insbesondere für die Emission von Schuldverschreibungen und derivativen Wertpapieren als unangemessen angesehen. Aufgrund vielfacher Kritik reduzierte CESR die Offenlegungspflichten vor allem in Bezug auf Nichtdividendenwerte deutlich2. Art. 7 Abs. 2 lit. a Prospektrichtlinie bestimmt, dass den unterschiedlichen Angaben, die Anleger in Bezug auf Dividendenwerte und Nichtdividendenwerte benötigen, Rechnung zu tragen ist. Die Vorschrift trägt damit dem Differenzierungserfordernis zwischen Dividendenwerten und Nichtdividendenwerten, Angeboten unterschiedlicher Größenordnung und unterschiedlicher Emittenten Rechnung, was sich in den Anhängen zur ProspektVO widerspiegelt. Im Hinblick auf die sog. Revisionsklausel (Art. 31 Prospektrichtlinie), die 9 eine Überprüfung der Anwendung der Prospektrichtlinie fünf Jahre nach ihrem Inkrafttreten vorsieht, hat die Kommission eine Konsultation zur Änderung der Prospektrichtlinie durchgeführt3. Danach sind insbesondere ein Entfallen des jährlichen Dokuments (Art. 10 Prospektrichtlinie), eine Erweiterung der Ausnahme von der Prospektpflicht für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme (Art. 4 Abs. 1 lit. e Prospektrichtlinie) und eine Klärung des Adressaten der Prospektpflicht bei mehrstufigen Angeboten (sog. Retailkaskaden, Art. 3 Abs. 2 Prospektrichtlinie)4 ins Auge gefasst. Die geplanten Änderungen wurden zwischenzeitlich durch einen Richtlinienvorschlag konkretisiert5. Siehe dazu auch Rz. 16 f. 1 International Discloure Standards for cross-border offering and initial listings by foreign issuers, September 1998, abrufbar unter http://www.iosco.org; dazu von Ilberg/Neises, WM 2002, 635 (640). 2 Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (507). 3 Consultation on a draft proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directives 2003/71/EC on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading and 2004/109/EC on the harmonisation of transparency requirements in relation to information about issuers whose securities are admitted to trading on a regulated market. Zu möglichen Änderungen umfassend Elsen/Jäger, BKR 2008, 459 ff. 4 Umfassend Elsen/Jäger, BKR 2008, 459 ff. 5 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenz-

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Mindestangaben

b) Umsetzung ins deutsche Recht 10

Die Prospektrichtlinie wurde durch Art. 1 Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.2005 ins deutsche Recht umgesetzt1. Damit wurde die Zweigliedrigkeit zwischen Verkaufsprospekt und Börsenzulassungsprospekt, die auf der Börsenzulassungsrichtlinie und der Verkaufsprospektrichtlinie fußte, aufgehoben2. Mit Inkrafttreten des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes zum 1.7.2005 sind zudem die „Going Public-Grundsätze“ der Deutschen Börse AG, zuletzt v. 1.8.2004, ersatzlos entfallen3. c) Prospektverordnung

11

Die ProspektVO4 wurde auf der zweiten Stufe des Lamfalussy-Verfahrens erlassen. Sie beruht auf den Vorarbeiten von CESR5.

12

Die ProspektVO wurde bereits dreimal geändert: Zunächst hat die EU in der Kommissionsentscheidung (EG) 8691/2006 und in der Verordnung (EG) Nr. 1787/2006 festgelegt, dass Drittstaat-Emittenten bis zum 31.12.2008 unter bestimmten Bedingungen nicht zur Anpassung ihrer in den Prospekt aufzunehmenden, nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellten Abschlüsse an IFRS6 verpflichtet sind. Dies setzt voraus, dass der Anhang dieser Abschlüsse eine Erklärung enthält, dass sie den IFRS iS von IAS 1 (Darstellung des Abschlusses) genügen oder gemäß den kanadischen, japanischen oder US-amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften oder gemäß solcher eines Drittstaats erstellt wurden, die in der Verordnung näher bestimmte Anforderungen erfüllen. Diese Regelung wurde ausgeweitet durch die Verordnung (EG) Nr. 1569/2007, die einen Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit der von Drittstaatemittenten angewandten Rechnungslegungsgrundsätze für nach dem 31.12.2008 beginnende und vor dem 31.12.2011 endende Geschäftsjahre vorsieht (siehe hierzu Anhang I Ziffer 20 EU-ProspektVO Rz. 81).

13

Von größerer praktischer Relevanz für deutsche Emittenten war die Änderung der ProspektVO durch die Verordnung (EG) Nr. 211/2007, die sich mit den Finanzinformationen befasst, die Emittenten mit komplexer finanztechnischer Vorgeschichte oder bedeutenden finanziellen Verpflichtungen

1 2 3 4 5 6

anforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, Ratsdokument 10254/10 v. 28.5.2010. BGBl. I 2005, 1698. Ekkenga, BB 2005, 561 (562); zur Umsetzung Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498; Seitz, AG 2005, 678. Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 218. Zu den GoingPublic-Grundsätzen Schlitt/Smith/Werlen, AG 2002, 478. Verordnung (EG) Nr. 809/2004 v. 29.4.2004, ABl. EU Nr. L 215, S. 3. CESR Technical Advice, July 2003, CESR/03-208; CESR Technical Advice, September 2003, CESR/03-300; CESR Technical Advice, December 2003, CESR/03-399. Siehe hierzu auch Rz. 8. Zu den in den Prospekt aufzunehmenden Finanzinformationen siehe Anhang I Ziffer 20.1 ff. ProspektVO.

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Mindestangaben

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in ihren Prospekt aufnehmen müssen. Nachdem Fälle aufgetreten waren, in denen die historischen Finanzinformationen des Emittenten nicht ausreichend erschienen, um die Anleger über die finanzielle Situation des Emittenten1 in der Vergangenheit zu informieren, wurde die ProspektVO im Februar 2007 ergänzt2. Diese Änderung brachte der Praxis ein erhöhtes Maß an Klarheit, welche Abschlüsse bei einer komplexen Finanzhistorie offen zu legen sind. d) CESR Empfehlungen zu Auslegungsfragen (recommendations) Bedeutenden Einfluss auf die Verwaltungspraxis der BaFin und den Inhalt 14 von Prospekten nimmt darüber hinaus CESR, das zusätzlich zu den bereits bei Inkrafttreten des WpPG und der ProspektVO auf der dritten Stufe des Lamfalussy-Verfahrens veröffentlichten Empfehlungen (im Folgenden: CESR-Empfehlungen)3 einen regelmäßig aktualisierten Katalog häufig gestellter Fragen4 veröffentlicht. Bei den CESR-Empfehlungen handelt es sich nicht um einen europäischen Rechtssetzungsakt mit Rechtsnormcharakter, sondern lediglich um Empfehlungen, deren Befolgung durch die europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden auf Freiwilligkeit beruht5. Ihre Befolgung kann grundsätzlich jedoch ein starkes Argument gegen den Vorwurf grober Fahrlässigkeit sowohl hinsichtlich zivilrechtlicher Haftung als auch hinsichtlich strafrechtlicher Verantwortung darstellen6. e) Verwaltungspraxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Die BaFin hat auf Grundlage der Vielzahl der in den letzten drei Jahren durchgeführten Billigungsverfahren eine mittlerweile weitgehend gefestigte Verwaltungspraxis etabliert und hierzu in regelmäßigen Abständen Informationsveranstaltungen durchgeführt.

1 Mit „Emittent“ ist in diesem Fall weniger die juristische Person und das Bestehen des Emittenten in der Rechtsform der Aktiengesellschaft gemeint, als vielmehr die operative Geschäftstätigkeit des heutigen Emittenten, die im Zeitraum der historischen Finanzinformationen ganz oder teilweise von einer oder mehreren anderen Gesellschaften betrieben wurde, Erwägungsgrund 5 der Verordnung (EG) Nr. 211/2007. 2 Verordnung (EG) Nr. 211/2007. 3 CESR’s recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses n° 809/2004, CESR/05-054b, February 2005, abrufbar unter http://www.cesr-eu.org. 4 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148. 5 CESR/05-054b, Rz. 9; Elsen/Jäger, BKR 2008, 459 (460). 6 Ausnahmen bestehen ua., wenn sich eine abweichende nationale Verwaltungspraxis eingebürgert hat. Weitergehend (generelle Entlastung durch Einhaltung CESR-Empfehlungen): Hupka, WM 2009, 1351.

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3. Ausblick 16

Die EU-Kommission hat im Zuge der bevorstehenden Änderung der Prospektrichtlinie vorgeschlagen, für Bezugsrechtsemissionen einen eingeschränkten Mindestprospektinhalt vorzusehen, sofern die Aktien des Emittenten bereits an einem organisierten Markt zugelassen sind1. Hintergrund für diesen Vorschlag sind die mit der Erstellung eines kompletten Prospekts verbundenen Kosten, die ungerechtfertigt sein könnten, weil die vorhandenen Aktionäre ihre Entscheidung, in das Unternehmen zu investieren, bereits getroffen haben und somit über die notwendigen Informationen verfügen dürften2.

17

Der Vorschlag der EU-Kommission lässt noch offen, wie das eingeschränkte Offenlegungserfordernis für Bezugsrechtsemissionen konkretisiert werden soll, insbesondere welche Informationen im Vergleich zu einem erstmaligen öffentlichen Angebot nicht erforderlich sein sollen. Die Einzelheiten sind Durchführungsmaßnahmen bzw. einer Änderung der Durchführungsvorschriften vorbehalten3.

II. Prospektverordnung im Überblick 18

Die ProspektVO regelt in ihren Art. 3 bis 24 innerhalb des durch Art. 7 Prospektrichtlinie gesteckten Rahmens die Mindestangaben, die in einen Prospekt aufzunehmen sind4. Weitere Regelungsgegenstände sind gemäß Art. 1 ProspektVO die Aufmachung des Prospekts (Art. 25 und 26)5, die Veröffentlichung des jährlichen Dokuments (Art. 27)6, die Modalitäten, nach denen Angaben in Form eines Verweises in den Prospekt aufgenommen werden können (Art. 27 und 28)7, die Veröffentlichungsart eines Prospekts zur Si-

1 Nr. 7. (b) des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, 10254/10 v. 28.5.2010. Siehe dazu die Stellungnahme des Rats, Council of the European Union, 15096/09 v. 4.11.2009, Nr. 7. (b). Vgl. auch § 2 WpPG Rz. 38/39. 2 So die Begründung zum genannten Richtlinienvorschlag, S. 8. 3 Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen, Begleitdokument zum genannten Richtlinienvorschlag, SEK (2009) 1222, S. 7. 4 Zum Prospektinhalt insgesamt siehe § 5 WpPG Rz. 11 ff. 5 Zur Aufmachung des Basisprospekts und der endgültigen Bedingungen siehe § 6 WpPG Rz. 29 ff. 6 Zum jährlichen Dokument siehe § 10 WpPG Rz. 20 ff. 7 Zur Aufnahme von Angaben in den Prospekt in Form eines Verweises siehe § 11 WpPG Rz. 7 ff.; A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 58; Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (528); Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 323 ff.

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cherstellung der öffentlichen Verfügbarkeit (Art. 29 bis 33)1 und die Modalitäten der Verbreitung von Werbung (Art. 34)2. Darüber hinaus enthält die ProspektVO in Art. 2 Begriffsbestimmungen sowie in Art. 35 und 36 Übergangs- und Schlussbestimmungen.

III. Prospektinhalt und -format 1. Prospektinhalt – Mindestangaben (Art. 3 bis 24 ProspektVO) Die in Art. 7 Abs. 2 Prospektrichtlinie vorgesehene Differenzierung zwischen verschiedenen Wertpapierarten (insbesondere die Unterscheidung zwischen Dividendenwerten und Nichtdividendenwerten), Emittenten (zB Banken, Daueremittenten) und Angebotsformen (zB Aktienemissionen, Schuldverschreibungsprogramme) wird durch verschiedene Anhänge zur ProspektVO3 umgesetzt, die für eine konkrete Emission nach dem in Art. 4 bis 20 ProspektVO niedergelegten Baukastenprinzip zu kombinieren sind (building block approach)4.

19

Die Anhänge I bis XVII, die die Mindestangaben im Einzelnen aufführen, sind teilweise als Schemata, teilweise als Module ausgestaltet5. Nach den Begriffsbestimmungen des Art. 2 Nr. 1 und 2 ProspektVO bezeichnet ein Schema eine Liste von Mindestangaben, die auf die spezifische Natur der unterschiedlichen Arten von Emittenten und/oder die verschiedenen betreffenden Wertpapiere abgestimmt sind. Modul bezeichnet demgegenüber eine Liste zusätzlicher Angaben, die nicht in den Schemata enthalten sind und einem oder mehreren dieser Schemata anzufügen sind, je nachdem, um welches Instrument und welche Transaktion es sich handelt, für die ein Prospekt oder ein Basisprospekt erstellt wurden.

20

Die Schemata und Module enthalten die für die jeweiligen Emittenten und 21 Wertpapiere geltenden Anforderungen und können damit quasi als „Checklisten“ dienen6.

1 Zur Veröffentlichung und Hinterlegung des Prospekts siehe § 14 WpPG Rz. 4 ff. 2 Zur Verbreitung von Werbung siehe § 15 WpPG Rz. 9 ff. 3 Die in den Prospekt aufzunehmenden Mindestangaben je nach anwendbaren Anhängen sind in der Kommentierung zu den Anhängen zur ProspektVO näher erläutert; siehe auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 15 ff.; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 17 ff. 4 Kritisch zum Baukastenprinzip Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (507), die das Fehlen eines allgemeinen Teils und die mangelnde Flexibilität kritisieren. 5 Zu speziellen Prospektanforderungen für bestimmte Emittenten („Special Issuers“) vgl. Schnorbus, WM 2009, 249 ff. 6 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 19.

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Ordnet man die Art. 4 bis 22 ProspektVO den jeweiligen Anhängen zu, ergibt sich die folgende Übersicht anwendbarer Schemata und Module: Artikel Anhang 1. Registrierungsformulare 1.1 Schemata 1.1.1 nach Wertpapieren Aktien

4

I

Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro

7

IV

Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro

12

IX

Durch Vermögenswerte unterlegte Wertpapiere (ABS)

10

VII

Banken (bezüglich Schuldtiteln und derivativen Wertpapieren)

14

XI

Organismen für gemeinsame Anlagen des geschlossenen Typs (dh. geschlossene Investmentfonds)

18

XV

Mitgliedstaaten, Drittstaaten, ihre regionalen und lokalen Gebietskörperschaften

19

XVI

Internationale öffentliche Organisationen und Emittenten von Schuldtiteln, deren Garantiegeber ein OECD-Mitgliedstaat ist

20

XVII

5

II

Aktien

6

III

Schuldtitel mit einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro

8

V

Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro

16

XIII

Zertifikate, die Aktien vertreten (depository receipts)

13

X

Derivative Wertpapiere

15

XII

Garantien

9

VI

Durch Vermögenswerte unterlegte Wertpapiere (ABS)

11

VIII

Zugrunde liegende Aktie in Form von Dividendenwerten (dh. Basistitel)

17

XIV

1.1.2 nach Emittenten

1.2 Modul Pro forma-Finanzinformation 2. Wertpapierbeschreibungen 2.1 Schemata

2.2 Module

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§ 7 WpPG

Die Kombinationsmöglichkeiten1 der einzelnen Schemata und Module sind 23 in Art. 21 ProspektVO iVm. Anhang XVIII niedergelegt. Die dort definierten Kombinationen der anwendbaren Mindestangaben zum Emittenten und den angebotenen oder zuzulassenden Wertpapieren ist grundsätzlich abschließend (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 ProspektVO). Eine Ausnahme besteht für solche Wertpapiere, die aufgrund ihrer Ausgestaltung keiner der genannten Arten von Wertpapieren eindeutig unterfallen. Auf solche Wertpapiere können andere, möglichst angemessene Kombinationen angewendet werden (Artikel 21 Abs. 1 Satz 2 ProspektVO). Informationsbestandteile, die in den grundsätzlich anwendbaren Schemata und Modulen gefordert werden, jedoch für ein Wertpapier im Einzelfall nicht relevant sind, können weggelassen werden, sog. blanket clause (Art. 23 Abs. 4 ProspektVO iVm. Erwägungsgrund 24 ProspektVO). Werden Angaben weggelassen, ist dies gegenüber der billigenden Behörde durch einen Vermerk in den einzureichenden Unterlagen, insbesondere der die Reihenfolge der vorgeschriebenen Informationen im Prospekt erläuternden Überkreuzcheckliste (Art. 25 Abs. 4 ProspektVO), zu vermerken2; eine explizite Negativaussage im Prospekt erscheint hingegen in der Regel entbehrlich, uU sogar irreführend3. Das System aus Schemata, Modulen und Kombinationstabelle ist somit nicht starr4. Bei innovativen Wertpapieren soll der Emittent mit der zuständigen Behörde den Inhalt der beizubringenden Informationen diskutieren, wobei zur Wahrung der Einheitlichkeit die Kommission hiervor unverzüglich in Kenntnis setzen muss (Art. 23 Abs. 3 ProspektVO). Art. 21 Abs. 2 ProspektVO normiert eine Rangfolge der einzelnen Schemata 24 untereinander. Danach ist das Schema für ein Registrierungsformular für Aktien umfassender und strenger als das für Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro, die für den Anleger grundsätzlich ein geringeres Risikoprofil aufweisen5. Die geringsten Anforderungen werden an Registrierungsformulare für Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro gestellt, die aufgrund ihrer Denomination typischerweise von institutionellen Investoren erworben werden, die im Vergleich zu Privatanlegern grundsätz-

1 Zu Beispielen zu den Kombinationsmöglichkeiten und Erläuterungen zu Auslegungsschwierigkeiten im Einzelfall siehe Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 29 ff.; Schlitt/Hemeling in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 10 Rz. 79; Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (508); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (505) (insbesondere zur unterschiedlichen Kategorisierung von Wandelschuldverschreibungen bei Emission durch konzernangehörige Unternehmen); Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (214) und Seitz, AG 2005, 678 (682, 687) (insbesondere zur Abgrenzung zwischen Schuldtiteln und derivativen Wertpapieren je nach 100 %iger Rückzahlung des Nominalwerts, vgl. Art. 8 Abs. 2 bzw. Art. 16 Abs. 2 ProspektVO); Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1672). 2 Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (84). 3 AA Holzborn in Holzborn, § 7 WpPG Rz. 4. 4 Siehe auch Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (213). 5 Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1672); Müller/Oulds, WM 2007, 573 (574).

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lich als weniger schützenswert angesehen werden (vgl. Erwägungsgrund 14 ProspektVO). Besteht Unsicherheit bezüglich der anwendbaren Schemata, empfiehlt es sich danach im Regelfall, das strengere Schemata zu verwenden, da dieses jedenfalls auch die Mindestangaben des nächstschwächeren Schemas beinhaltet1. 25

Eine zusätzliche Mindestangabe ergibt sich seit Dezember 2009 aus der VO (EG) Nr. 1060/20092. Sie sieht in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 vor, dass ein Wertpapierprospekt, der einen Verweis auf ein oder mehrere Ratings enthält, auch klare und unmissverständliche Informationen darüber enthalten muss, ob diese von einer in der Europäischen Gemeinschaft ansässigen und nach der VO (EG) Nr. 1060/2009 registrierten Ratingagentur abgegeben wurden. Über die Anhänge I bix XVII hinausgehende Informationen schreibt zudem die ProspektVO in dem im Jahr 2007 eingefügten Art. 4a zudem für die Emission von Aktien vor, wenn der Emittent über eine komplexe finanztechnische Vorgeschichte verfügt oder bedeutende finanzielle Verpflichtungen eingegangen ist (complex financial history)3. Seitdem kann die zuständige Wertpapieraufsichtsbehörde die Aufnahme zusätzlicher Finanzinformationen in den Prospekt verlangen, wenn die historischen Finanzinformationen des Emittenten aufgrund seiner komplexen Finanzhistorie die Anleger nicht ausreichend informieren. Als solche zusätzlichen Finanzinformationen kommen sowohl die historischen Abschlüsse bedeutender Tochtergesellschaften bzw. früherer, vom Emittenten fortgeführter Unternehmenseinheiten, als auch Pro-Forma-Abschlüsse in Betracht. Letztere dürfen nach Auffassung der BaFin auch nach Änderung der ProspektVO nur für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr, den letzten abgeschlossenen Zwischenberichtszeitraum und den laufenden Berichtszeitraum aufgenommen werden4. Typische Fälle einer komplexen Finanzhistorie sind zum einen Holdingstrukturen, bei denen die Anteile der operativ tätigen Gesellschaften vor weniger als drei Jahren vom Emittenten erworben wurden5. Ebenso zählen dazu Emittenten, deren Geschäftstätigkeit und Finanzsituation sich innerhalb der letzten drei Jahre aufgrund einer Akquisition oder einer Verschmelzung wesentlich geändert hat6. Die Schwelle für eine wesentliche Änderung, die die Aufnahme zusätzlicher Finanzinformationen indiziert, entspricht grundsätzlich der für die Aufnahme von Pro-Forma-Finanzinformationen vorgesehenen Regel. Eine komplexe Finanzhistorie ist demnach anzunehmen, wenn aufgrund einer Akquisition oÄ innerhalb der 1 So wohl auch Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 7 AG 2003, 243 Rz. 26. 2 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über Ratingagenturen, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1. 3 Zur Complex Financial History siehe auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 36 ff.; Schlitt/ Schäfer, AG 2008, 525 (530 f.); Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 74 ff. 4 Der Wortlaut des Anhangs II Ziffer 5 ProspektVO blieb unverändert. 5 Beispiele sind der Prospekt der Versatel AG v. 11.4.2007 und der Prospekt der SAF-Holland S.A. v. 6.7.2007. 6 So etwa im Prospekt der Wacker Construction Equipment AG v. 4.2.2008.

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letzten drei Geschäftsjahre eine Änderung eines oder mehrerer Indikatoren, die den Umfang der Geschäftstätigkeit des Emittenten bestimmen, von mindestens 25 % stattgefunden hat1. Als solche wesentlichen Indikatoren sind insbesondere der Umsatz, Gewinn/Verlust und das Vermögen anzusehen2. Steht eine wesentliche Änderung im laufenden Geschäftsjahr bevor, etwa 26 aufgrund eines bereits angekündigten Übernahmeangebots oder einer bereits hinreichend wahrscheinlichen Akquisition3, sind gleichfalls zusätzliche Angaben im Prospekt erforderlich, um die künftige Gestalt des Emittenten und seine finanzielle Situation ausreichend abzubilden. Hierzu kommen in erster Linie Pro-Forma-Finanzinformationen im Einklang mit Anhang II ProspektVO in Betracht4. Zu den in den Prospekt aufzunehmenden Finanzinformationen siehe im Einzelnen die Kommentierung zu Anhang I Ziffer 20.1 ff. Über die Anhänge hinausgehende Informationsbestandteile sind darüber hinaus bei der Erstellung eines Basisprospekts5 zu beachten, für den Art. 22 Abs. 5 ProspektVO Zusatzangaben vorsieht.

27

Zusätzliche inhaltliche Anforderungen an den Prospekt ergeben sich für 28 Zwecke der Zulassung von Wertpapieren am regulierten Markt in geringem Umfang aus der BörsZulV. Danach prüft die Geschäftsleitung der jeweiligen Börse im Rahmen des Zulassungsverfahrens, ob die Vorgaben nach §§ 1–12 BörsZulV eingehalten und damit ggf. die Angaben nach § 5 Abs. 2 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Satz 3 und § 8 Abs. 2 BörsZulV im Prospekt enthalten sind. Entsprechende Angaben sind nicht Gegenstand des Prospektbilligungsverfahrens durch die BaFin (siehe dazu § 13 WpPG Rz. 9 ff.). Die Börse hat kein doppeltes Prüfungsrecht und muss den Prospekt ihrerseits nicht billigen. Um der Geschäftsleitung der Börse dennoch die Prüfung der Einhaltung der zulassungsspezifischen Vorgaben zu ermöglichen, entspricht es der üblichen Praxis, dass die Bank, die das Zulassungsverfahren begleitet, den Prospekt schon vor seiner Billigung der Börse zuleitet. Sofern im Ausnahmefall Angaben nach der BörsZulV in den Prospekt aufzunehmen sein sollten und dies von der Börse erst nach Billigung beanstandet wird, können die fehlenden Angaben jedenfalls im Wege des Nachtrags ergänzt werden6. 1 Art. 1 Nr. 2 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 211/2007 iVm. CESR/05-054b Rz. 92. 2 Erwägungsgrund 9 ProspektVO. 3 Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit tritt bei M&A-Transaktionen mitunter bereits mit der Unterzeichnung eines Letter of Intent (LoI) ein, wobei auf Einzelfallbasis zu beurteilen ist, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Durchführung der Transaktion vorliegt. Der Abschluss einer bindenden Vereinbarung, auch wenn sie noch an Bedingungen geknüpft ist, indiziert regelmäßig eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, siehe auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 38. 4 Ein Beispiel ist der IPO-Prospekt der Wacker Construction Equipment AG v. 30.4.2007. 5 Zum Basisprospekt und seinem Inhalt siehe die Kommentierung zu § 6 WpPG. 6 Siehe dazu die Kommentierung zu § 16 WpPG Rz. 1 ff. AA Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 7 WpPG Rz. 3.

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§ 7 WpPG 29

Mindestangaben

Art. 3 Abs. 2 ProspektVO stellt klar, dass die billigende Behörde über die Mindestangaben der ProspektVO hinaus keine zusätzlichen Angaben verlangen kann1. Der zuständigen Behörde steht es jedoch im Einzelfall offen, die Beibringung zusätzlicher Angaben im Billigungsverfahren zu fordern, damit die nach den anwendbaren Anhängen zur ProspektVO erforderlichen Mindestangaben im Prospekt enthalten sind (Art. 3 Abs. 3 ProspektVO)2. Eine Ausnahme vom Verbot, über die Anhänge I bis XVII zur ProspektVO hinaus zusätzliche Angaben zu fordern, besteht lediglich im Hinblick auf die in Anhang XIX genannten besonderen Emittentenkategorien (specialist issuers)3. Hingegen ist es dem Prospektersteller unbenommen, weitergehende, freiwillige Zusatzangaben aufzunehmen, sofern diese der Art des Wertpapiers und des Emittenten angemessen sind4 (Erwägungsgrund 5 ProspektVO). 2. Prospektformat (Art. 25, 26 ProspektVO)

30

Während § 12 WpPG in Umsetzung der Prospektrichtlinie die Wahl zwischen einem einteiligen und einem dreiteiligen Prospektformat einräumt5, enthält die ProspektVO in Art. 25 Abs. 1 und 2, Art. 26 Abs. 1 und 2 Angaben zum Aufbau. Danach ist dem Prospektinhalt zwingend ein klares und detailliertes Inhaltsverzeichnis gefolgt von der Zusammenfassung voranzustellen6. Dies schließt es nicht aus, dass das Titelblatt gewisse Kurzinfor1 Siehe auch Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 212. In der Konsequenz muss die zuständige Behörde daher auch einen unvollständigen Prospekt billigen, wenn dieser die Mindestangaben enthält, auch wenn die Behörde den Eindruck hat, dass der Prospekt ausnahmsweise trotz Einhaltung der Mindestangaben nicht vollständig iS des § 5 WpPG ist (so auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 7 WpPG Rz. 6; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 202). In diesem Fall ist die drohende Sanktion nicht die Versagung der Prospektbilligung, sondern die Geltendmachung von Prospekthaftungsansprüchen durch Anleger nach § 44 BörsG. Zum Verhältnis zwischen Mindestangaben und Vollständigkeit siehe die Kommentierung zu § 5 WpPG Rz. 13. Zur Prospekthaftung siehe § 13 VerkProspG und Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28, jeweils mwN. 2 So auch Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 202. 3 Siehe hierzu die Kommentierung zu Anhang XIX, EU-ProspektVO. 4 Besteht für die freiwilligen Zusatzangaben eine Regelung in der ProspektVO, ist diese jedoch zu beachten, siehe dazu CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 41. So können wohl nach Auffassung der BaFin nicht freiwillig Pro-Forma-Finanzinformationen für Zeiträume, die vor dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr liegen, in einen Prospekt aufgenommen werden, da dies der Regelung in Anhang II ProspektVO widerspricht, siehe CESR/09-798, Ziffer 54; siehe dazu auch die Kommentierung zu Anhang II EU-ProspektVO Rz. 30 ff. Zum Grundsatz der Prospektklarheit siehe die Kommentierung zu § 5 WpPG Rz. 17 ff. 5 Siehe dazu die Kommentierung zu § 12 WpPG Rz. 14; Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (528); Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 25 ff. 6 Ausgenommen sind lediglich Prospekte für die Zulassung von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro, für die eine Zusammenfassung nicht zwingend vorgesehen ist, § 5 Abs. 2 Satz 4 WpPG iVm. § 12 Abs. 1

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§ 7 WpPG

mationen enthält, die jedoch kein Substitut für die Zusammenfassung bilden können1. Danach müssen zwingend die in den Prospekt aufzunehmenden Risikofaktoren2 folgen, bevor die übrigen in den Prospekt aufzunehmenden Angaben aufgeführt werden. Zusammenfassung und Risikofaktoren müssen als vom Gesetz zwingend den übrigen Prospektinhalten voranzustellende Kapitel nach der Verwaltungspraxis der BaFin aus sich heraus verständlich sein und dürfen daher keine Verweise auf andere Teile des Prospekts enthalten3. Die wesentlichen Aspekte der Risikofaktoren müssen seit Umsetzung der Prospektrichtlinie ebenfalls in der Zusammenfassung genannt werden. Dabei hat es sich in der Praxis bewährt, die Überschriften der Risikofaktoren in ganzen Sätzen wie Kurzfassungen auszuformulieren und diese so in die Zusammenfassung aufzunehmen. Die übrigen Angaben können ihrerseits in einer beliebigen Reihenfolge angeordnet werden. Weicht die gewählte Reihenfolge von der in den anwendbaren Anhängen ab, kann die zuständige Behörde gemäß Art. 25 Abs. 4 bzw. Art. 26 Abs. 3 ProspektVO eine so genannten Überkreuzcheckliste fordern. Die BaFin macht von diesem Recht Gebrauch4.

31

Die Reihenfolge der Darstellung folgt in der Praxis, soweit gesetzlich zuläs- 32 sig, der auch vor Geltung des WpPG gewohnten Darstellungsweise. Nach den gemäß Art. 25 Abs. 1 ProspektVO voranzustellenden Abschnitten Inhaltsverzeichnis, Zusammenfassung und Risikofaktoren folgen daher etwa bei Aktienemissionen in der Regel die Teile – Allgemeine Informationen – Das Angebot – Gründe für das Angebot und Verwendung des Emissionserlöses

1 2

3

4

Satz 5 WpPG; siehe auch Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 4; Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (85); Reger, Going Public 2005, 58. CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common Positions agreed by CESR-Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 9; Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 7 WpPG Rz. 18. Eine Legaldefinition des Begriffs „Risikofaktoren“ findet sich in Art. 2 Nr. 3 ProspektVO. Sind Risikofaktoren als Mindestangabe vorgeschrieben, ist eine Abweichung hiervon auf Grundlage von Art. 23 Abs. 4 ProspektVO nicht zulässig, siehe CESR/09-1148, Ziffer 11. Zur Darstellung der Risikofaktoren siehe A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 47; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 53; Wiegel, Die Prospektrichtline und Prospektverordnung, S. 217 f. Glomb-Schmidt/von Rintelen, Ausgewählte Rechtsfragen und neue Tendenzen in der Verwaltungspraxis, BaFin-Workshop v. 29.5.2006; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 26. Dies geht über das Verbot des Verweises auf andere Dokumente in der Zusammenfassung hinaus, § 11 Abs. 1 Satz 3 WpPG. Witte/Karsch, Hinterlegungsverfahren/Notifizierungsverfahren, BaFin-Workshop v. 29.5.2006; dazu auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 18.

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§ 8 WpPG – – – – – – – – – – – – – –

Nichtaufnahme von Angaben

Dividendenpolitik Kapitalausstattung und Verschuldung Ausgewählte Finanzinformationen Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage Geschäftstätigkeit Aktionärsstruktur Geschäfte und Rechtsbeziehungen mit nahe stehenden Personen Allgemeine Informationen über die Gesellschaft Angaben über das Kapital und anwendbare Vorschriften Angaben über die Organe Besteuerung Aktienübernahme Finanzteil Jüngster Geschäftsgang und Aussichten

§8 Nichtaufnahme von Angaben (1) Für den Fall, dass der Ausgabepreis der Wertpapiere (Emissionspreis) und die Gesamtzahl der öffentlich angebotenen Wertpapiere (Emissionsvolumen) im Prospekt nicht genannt werden können, muss der Prospekt die Kriterien oder die Bedingungen angeben, anhand deren die Werte ermittelt werden. Abweichend hiervon kann bezüglich des Emissionspreises der Prospekt auch den Höchstpreis angeben. Enthält der Prospekt nicht die nach Satz 1 oder Satz 2 erforderlichen Kriterien oder Bedingungen, hat der Erwerber das Recht, seine auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung innerhalb von zwei Werktagen nach Hinterlegung des endgültigen Emissionspreises und des Emissionsvolumens zu widerrufen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und ist in Textform gegenüber der im Prospekt als Empfänger des Widerrufs bezeichneten Person zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. Auf die Rechtsfolgen des Widerrufs ist § 357 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anzuwenden. Der Anbieter oder Zulassungsantragsteller muss den endgültigen Emissionspreis und das Emissionsvolumen unverzüglich nach deren Festlegung in einer nach § 14 Abs. 2 zulässigen Art und Weise veröffentlichen. Erfolgt kein öffentliches Angebot, sind der endgültige Emissionspreis und das Emissionsvolumen spätestens einen Werktag vor der Einführung der Wertpapiere zu veröffentlichen. Werden Nichtdividendenwerte eingeführt, ohne dass ein öffentliches Angebot erfolgt, kann die Veröffentlichung nach Satz 6 nachträglich vorgenommen werden, wenn die Nichtdividendenwerte während einer längeren Dauer und zu veränderlichen Preisen ausgegeben werden. Der end-

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§ 8 WpPG

Nichtaufnahme von Angaben

gültige Emissionspreis und das Emissionsvolumen sind zudem stets am Tag der Veröffentlichung bei der Bundesanstalt zu hinterlegen. Der Prospekt muss in den Fällen des Satzes 3 an hervorgehobener Stelle eine Belehrung über das Widerrufsrecht enthalten. (2) Die Bundesanstalt kann gestatten, dass bestimmte Angaben, die nach diesem Gesetz oder der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 vorgeschrieben sind, nicht aufgenommen werden müssen, wenn 1. die Verbreitung dieser Angaben dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft, 2. die Verbreitung dieser Angaben dem Emittenten erheblichen Schaden zufügt, sofern die Nichtveröffentlichung das Publikum nicht über die für eine fundierte Beurteilung des Emittenten, des Anbieters, des Garantiegebers und der Wertpapiere, auf die sich der Prospekt bezieht, wesentlichen Tatsachen und Umstände täuscht, oder 3. die Angaben für das spezielle Angebot oder für die spezielle Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt von untergeordneter Bedeutung und nicht geeignet sind, die Beurteilung der Finanzlage und der Entwicklungsaussichten des Emittenten, Anbieters oder Garantiegebers zu beeinflussen. (3) Sind bestimmte Angaben, die nach der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 in den Prospekt aufzunehmen sind, dem Tätigkeitsbereich oder der Rechtsform des Emittenten oder den Wertpapieren, auf die sich der Prospekt bezieht, ausnahmsweise nicht angemessen, hat der Prospekt unbeschadet einer angemessenen Information des Publikums Angaben zu enthalten, die den geforderten Angaben gleichwertig sind. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668; Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB 2005, 209; Schlitt/Ries, Preisbestimmungsverfahren bei Aktienemissionen, FS Schwark, 2009, S. 241; Schlitt/ Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktienund Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schlitt/Singhof/Schäfer, Aktuelle Rechtsfragen und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251; Weber, Unterwegs zu einer europäischen Prospektkultur, NZG 2004, 360.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Vorläufige Nichtaufnahme von Emissionspreis und -volumen (§ 8 Abs. 1 WpPG) .

5

1. Fehlende Angaben zu Emissionspreis und -volumen (§ 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG) a) Emissionspreis und -volumen . . . . . . . . . . . . .

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9

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§ 8 WpPG b) Unmöglichkeit der Nennung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erfordernis von Ersatzangaben . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachholung durch endgültige Angaben (§ 8 Abs. 1 Sätze 6 bis 9 WpPG) . . . . . . . . . . . . 3. Widerrufsrecht (§ 8 Abs. 1 Sätze 3 bis 5, 10 WpPG) a) Konzeption und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . b) Widerrufsvoraussetzungen (§ 8 Abs. 1 Sätze 3 und 4 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolge (§ 8 Abs. 1 Satz 5 WpPG) . . . . . . . . . . d) Widerrufsbelehrung (§ 8 Abs. 1 Satz 10 WpPG) .

Nichtaufnahme von Angaben

15 17 26

32 33

III. Nichtaufnahme sonstiger Angaben kraft Ermessensentscheidung, sog. Gestattung (§ 8 Abs. 2 WpPG) 1. Ermessensentscheidung . . . . 2. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen für die Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . IV. Aufnahme von Ersatzangaben bei Unangemessenheit (§ 8 Abs. 3 WpPG) . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . 2. Unangemessenheit . . . . . . . 3. Ersatzangaben . . . . . . . . . . .

44 46 47

49 50 53 54

40 41

I. Normentwicklung und Bedeutung 1

§ 8 WpPG setzt Art. 8 Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um1. Entgegen der Ankündigung des Art. 8 Abs. 4 Prospektrichtlinie hat die Kommission bislang keine Durchführungsmaßnahme zu Art. 8 Abs. 2 Prospektrichtlinie erlassen, die bei der Anwendung und Auslegung des entsprechenden § 8 Abs. 2 WpPG zu berücksichtigen wäre.

2

§ 8 WpPG kommt eine große praktische Bedeutung zu. Er normiert die einzigen Ausnahmen zum übergeordneten Grundsatz der Prospektvollständigkeit, wie er von § 5 Abs. 1 WpPG postuliert wird (siehe daher auch die Kommentierung zu § 5 WpPG Rz. 11 ff.). In der Praxis spielt insbesondere die Ausnahme in § 8 Abs. 1 WpPG eine große Rolle, da sie eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der Preisfestsetzung für die angebotenen Wertpapiere verschafft (dazu unten Rz. 9 ff.)2. Während der Regierungsentwurf zum WpPG zunächst so formuliert war, dass der endgültige Emissionspreis und das endgültige Emissionsvolumen spätestens am Tag des öffentlichen Angebots veröffentlicht werden müssen, wurde diese Formulierung, die nur noch Festpreisverfahren ermöglicht und jegliche Flexibilität in der Preisfestsetzung genommen hätte, nach Kritik aus den Reihen der Praxis aufgegeben und durch den nunmehr vorgesehenen Wortlaut ersetzt. Danach sind diese Angaben nach ihrer Festlegung, aber nicht zwingend am Tag des öffentlichen Angebots zu veröffentlichen3.

1 Siehe dazu Crüwell, AG 2003, 243 (247). 2 Siehe dazu auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 56 f. 3 Zum Gesetzgebungsverfahren auch Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 8 WpPG Rz. 2; Rauch in Holzborn, § 8 WpPG Rz. 3.

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Nichtaufnahme von Angaben

§ 8 WpPG

§ 8 Abs. 2 WpPG setzt Art. 8 Abs. 2 Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um. Er entspricht im Wesentlichen den Vorgängerregelungen des § 47 BörZulV aF und § 7 Abs. 3 VerkProspG aF iVm. § 14 Abs. 4 VerkProspVO aF.

3

§ 8 Abs. 3 WpPG setzt Art. 8 Abs. 3 Satz 1 Prospektrichtlinie ins deutsche 4 Recht um. Eine explizit Art. 8 Abs. 3 Satz 2 Prospektrichtlinie widerspiegelnde Formulierung („Gibt es keine entsprechenden Angaben, so besteht diese Verpflichtung [nach Satz 1] nicht.“) findet sich hingegen im WpPG nicht. Dies wurde durch das DAI und den BDI zu Recht kritisiert1.

II. Vorläufige Nichtaufnahme von Emissionspreis und -volumen (§ 8 Abs. 1 WpPG) § 8 Abs. 1 WpPG gestattet, dass Emissionspreis und Emissionsvolumen nicht im Prospekt genannt werden, ohne dass der Prospekt damit unvollständig würde oder nicht der Billigung zugänglich wäre.

5

Er weicht damit von der vor Inkrafttreten des WpPG gängigen Konzeption 6 ab. Diese sah vor, dass vor Beginn des öffentlichen Angebots zunächst ein sog. unvollständiger Verkaufsprospekt veröffentlicht wird. Dieser stellte zwar einen vollständigen Verkaufsprospekt iS des § 10 VerkProspG aF dar. Er enthielt jedoch entsprechend dem durch § 4 Nr. 1, 12 VerkProspVO aF ermöglichten Spielraum keine Angaben zum Emissionsvolumen und Emissionspreis, so dass er in der Praxis als unvollständig bezeichnet wurde. Ihm folgte nach Ergänzung der fehlenden Angaben am Ende des Angebots ein (vollständiger) Verkaufs- und Börsenzulassungsprospekt2. Insoweit entsprach die frühere Regelung eher dem US-amerikanischen Konzept eines sog. Red Herrings, dem regelmäßig die Veröffentlichung eines (vollständigen) Prospekts nach Abschluss des öffentlichen Angebots nachfolgt3. Anstelle dessen ist nunmehr die Veröffentlichung eines Prospekts getreten, der trotz des Fehlens bestimmter Angaben aufgrund der Privilegierung des § 8 WpPG einen vollständigen Prospekt iS des § 5 WpPG darstellt. Die Ergänzung des endgültigen Emissionspreises und -volumens erfolgt nicht mehr durch die Erstellung und Veröffentlichung eines weiteren Prospekts oder eines Nachtrags zum Prospekt, sondern allein in Form einer Bekanntmachung nach § 8 Abs. 1 Satz 6 WpPG (dazu unten Rz. 26 ff.).

1 Stellungnahme des DAI und des BDI v. 3.1.2005 zum DiskE des BMF, S. 9 f., abrufbar unter http://www.dai.de. 2 Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des WpPG siehe A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2005, § 24 mwN, insbesondere S. 710 Fn. 3. 3 Zur Konzeption in den USA siehe Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 347 f.; Werlen in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 37 Rz. 32 ff.; A. Meyer in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 81.

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§ 8 WpPG 8

Nichtaufnahme von Angaben

Dem Anbieter bzw. Zulassungsantragsteller bleibt es weiterhin unbenommen, eine für Zwecke einer Privatplatzierung angefertigte unverbindliche Übersetzung des Prospekts ins Englische als Preliminary International Offering Memorandum/Circular (mit dem Hinweis „subject to completion“) zu bezeichnen und wahlweise anstelle einer ergänzenden Bekanntmachung der fehlenden Angaben (pricing supplement) eine weitere Übersetzung des Prospekts ergänzt um die betreffenden Angaben als Final International Offering Memorandum/Circular zu veröffentlichen1. In diesem Zusammenhang besteht sowohl die Möglichkeit, im Preliminary International Offering Memorandum/Circular den gleichen Wortlaut wie im deutschen Prospekt in Übersetzung zu verwenden oder aber mit Platzhaltern zu arbeiten, die im Final International Offering Memorandum/Circular ausgefüllt werden. Nach richtiger Ansicht verstößt auch letzere Methode nicht gegen den Grundsatz der informationellen Gleichebhandlung (§ 15 Abs. 5 Satz 2 WpPG) und löst keine haftungsrechtlichen Folgen im Hinblick auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des deutschen Prospekts aus, solange die Angaben im Final International Offering Memorandum/Circular innerhalb der im deutschen Prospekt angegebenen Spannen bleiben bzw. von dort enthaltenen Durchschnittsangaben nicht wesentlich abweichen2. 1. Fehlende Angaben zu Emissionspreis und -volumen (§ 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG) a) Emissionspreis und -volumen

9

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 WpPG ist die Angabe des Emissionspreises und Emissionsvolumens öffentlich angebotener Wertpapiere im Prospekt entbehrlich, wenn entweder die Kriterien oder Bedingungen angegeben werden, anhand derer diese ermittelt werden, oder, hinsichtlich des Emissionspreises, ein Höchstpreis (Maximalpreis) genannt ist.

10

Der Begriff des Emissionspreises bzw. Ausgabepreises der Wertpapiere meint den Preis, zu dem die öffentlich angebotenen Wertpapiere im Zuge des öffentlichen Angebots verkauft werden3. Der Ausgabepreis ist also nicht notwendigerweise identisch mit dem im Aktiengesetz verwendeten Begriff des Ausgabebetrags, der in vielen Fällen den Betrag bezeichnet, zu dem neue 1 Zur üblichen Erstellung eines englischsprachigen Angebotsdokuments bei internationalen Wertpapieremissionen siehe A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 80 ff. 2 Dies betrifft insbesondere die Angaben zur Verwässerung nach Durchführung der Emission sowie zum Emissionserlös und den Emissionskosten, zu denen vor Durchführung des Angebots lediglich jeweils eine Spanne oder ein Durchschnittswert angegeben werden kann und die im Zuge der Bekanntmachung des endgültigen Emissionspreises und Emissionsvolumens nach § 8 Abs. 1 Satz 6 WpPG nicht konkretisiert werden. Zur Art der Darstellung im deutschen Prospekt siehe unten Rz. 13 ff. 3 Die Begriffswahl in Art. 8 Abs. 1 Prospektrichtlinie des „endgültigen Emissionskurses“ ist daher wenig geglückt.

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Nichtaufnahme von Angaben

§ 8 WpPG

Aktien gezeichnet werden, und im Regelfall dem geringsten Ausgabebetrag (anteiliger Betrag am Grundkapital bzw. Nennbetrag) der Aktien entspricht. Der Begriff des Emissionsvolumens bezeichnet die Gesamtzahl der öffentlich angebotenen Wertpapiere.

11

§ 8 Abs. 1 Satz 1 WpPG spricht zunächst nur von den öffentlich angebotenen Wertpapieren. Daraus könnte der Rückschluss gezogen werden, dass das Emissionsvolumen nur dann offen bleiben kann, wenn Wertpapiere öffentlich angeboten werden. Wie sich aus der Formulierung der § 8 Abs. 1 Sätze 7 und 8 WpPG ergibt („erfolgt kein öffentliches Angebot …“), ist dies jedoch im (seltenen) Fall der Kombination einer Privatplatzierung mit einer Zulassung von Wertpapieren entsprechend anzuwenden.

12

Andere Angaben liegen zum Zeitpunkt der Prospektbilligung ebenfalls 13 nicht abschließend vor, da sie sich aus dem Emissionspreis und Emissionsvolumen berechnen. Hierzu zählen etwa der Emissionserlös, die Emissionskosten sowie die Angaben zur Verwässerung in Folge des Angebots. Entsprechend der früheren Praxis zum VerkProspG aF iVm. VerkProspVO aF ist der Befreiungstatbestand des § 8 Abs. 1 WpPG auf diese Angaben zu erstrecken. Indessen entspricht dies nicht der Praxis der BaFin1, so dass diese Angaben in den Prospekt regelmäßig in den Prospekt aufgenommen und ggf. durch einen Nachtrag nach § 16 WpPG konkretisiert werden. Diese Auffassung führt in der Praxis zu wenig aussagekräftigen, vorläufigen Angaben im gebilligten Prospekt und verringert die Flexiblität, die § 8 Abs. 1 WpPG im Übrigen gewährt2. § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG regeln lediglich die Voraussetzungen für eine 14 Nichtaufnahme des Emissionspreises und Emissionsvolumens in den Prospekt. Nicht geregelt ist, wie bei einer Änderung der üblicherweise vor Beginn des Angebots festgelegten Preisspanne während des laufenden Angebots zu verfahren ist. Da die Veröffentlichung des endgültigen Emissionspreises keinen nachtragspflichtigen Umstand darstellt, ist richtigerweise davon auszugehen, dass auch die Änderung der Preisspanne während des laufenden Angebots nicht nachtrags-, sondern lediglich veröffentlichungspflichtig ist, wenn auf eine mögliche Änderung der Bookbuilding-Spanne bereit im Angebot hingewiesen wurde und/oder die Änderung nicht wesentlich ist3. Die BaFin geht jedoch im Regelfall wohl von einem Nachtragserfordernis aus4.

1 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 2. 2 Zu den Auswirkungen im Einzelnen unten Rz. 22. Kritisch auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung im Kapitalmarkt, § 30 Rz. 56 f.; Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 8 WpPG Rz. 31 ff. 3 Siehe schon Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (261). 4 So auch Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 6.

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§ 8 WpPG

Nichtaufnahme von Angaben

b) Unmöglichkeit der Nennung 15

Voraussetzung für die Entbehrlichkeit der Nennung des Emissionspreises und -volumens ist nach § 8 Abs. 1 Satz 1 WpPG, dass sie nicht genannt werden können. Nach dem Wortlaut ist erforderlich, dass weder der Emissionspreis noch das Emissionsvolumen genannt werden können, was ein kumulatives Erfordernis nahe legt. Richtigerweise besteht kein Schutzbedürfnis der Anleger für ein kumulatives Erfordernis. Steht das Emissionsvolumen von vorneherein fest (zB bei einer nicht als „Bis-zu-Kapitalerhöhung“ ausgestalteten Bezugsrechtsemission mit späterer Preisfestlegung) und soll lediglich der Preis nach Veröffentlichung des Prospekts festgelegt werden, ist es ebenso statthaft, lediglich den endgültigen Preis im Prospekt offen zu lassen und insofern entweder die Kriterien oder Bedingungen für seine Festsetzung oder einen Maximalpreis zu nennen.

16

§ 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG sind damit zugeschnitten auf Fallkonstellationen, in denen aufgrund des gewählten Angebotsverfahrens das endgültige Emissionsvolumen und/oder der endgültige Angebotspreis bei Veröffentlichung des Prospekts noch nicht feststehen. Hierzu zählen alle „Bis-zu-Kapitalerhöhungen“, die insbesondere bei Börsengängen praktiziert werden, aber auch bei Bezugsrechtsemissionen börsennotierter Unternehmen möglich sind1. Des Weiteren unterfallen alle Angebote im Wege des Bookbuilding-Verfahrens und Decoupled Bookbuilding-Verfahrens, die beide häufig bei Börsengängen praktiziert werden, und Bezugsrechtsemissionen mit einer Festlegung des Bezugspreises erst während des laufenden Bezugsangebots, Auktionsverfahren sowie sonst denkbare Angebotsgestaltungen, in denen Preis und/oder Volumen noch nicht zum Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung feststehen, der Regelung der § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG2. c) Erfordernis von Ersatzangaben

17

Die Angabe des Emissionspreises und Emissionsvolumens ist nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG nur dann entbehrlich, wenn der Prospekt die Kriterien oder Bedingungen, anhand derer sie ermittelt werden, oder, bezüglich des Emissionspreises, einen Höchstpreis enthält. Nach Auffassung von CESR reicht im Hinblick auf Anhang III Ziffer 5.3.1 ProspektVO die Angabe eines Höchstpreises nur dann aus, wenn ein liquider Markt für Wertpapiere der angebotenen Art existiert. Ist dies nicht der Fall, ist nach Auffassung von CESR neben dem Höchstpreis die Angabe der Kriterien und Bedingungen für die Preisermittlung erforderlich3. Diese Auffassung ist abzulehnen, da sie über den Wortlaut des § 8 Abs. 1 WpPG und den entsprechenden 1 Ausführlich dazu Schlitt/Ries in FS Schwark, 2009, S. 241 (242 ff., 254 ff.). 2 Siehe dazu die Beispielsfälle bei Ponick in Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, S. 213 f.; zu § 8 Abs. 1 WpPG A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt,§ 30 Rz. 56. 3 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 58.

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Nichtaufnahme von Angaben

§ 8 WpPG

Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 Prospektrichtlinie hinausgeht, der Anforderungen aufstellt, die ihrerseits gerade eine Ausnahme von den nach den Anhängen der ProspektVO erforderlichen Mindestangaben beinhalten und daher gegenüber Anhang III Ziffer 5.3.1 Vorrang hat. Die Nennung eines maximalen Emissionsvolumens lässt das Gesetz hin- 18 gegen nicht als Ersatzangabe zu. Vielmehr sind in jedem Fall die Kriterien oder Bedingungen seiner Festlegung darzustellen. Eine solche rein abstrakte Umschreibung des zukünftig zu bestimmenden Angebotsvolumens lässt die BaFin jedoch allein nicht als Ersatz für die Angabe eines feststehenden Emissionsvolumens gelten; vielmehr fordert sie – neben den nach dem Gesetzeswortlaut anzugebenden Kriterien oder Bedingungen – in jedem Fall quantitative Angaben in Form einer „bis zu“-Angabe des maximalen Angebotsvolumens1. Die zu nennenden Einzelheiten sind für Aktienemissionen in Anhang III 19 Ziffer 5.1.2 und 5.3.1 aufgezählt. Daher sind neben den Kriterien oder Bedingungen die Personen anzugeben, die die Kriterien festgelegt haben oder offiziell für deren Festlegung verantwortlich sind (zB bei einem Börsengang der Vorstand des Emittenten in Abstimmung mit den Emissionsbanken), sowie etwaige Vereinbarungen und der geplante Zeitpunkt der Ankündigung des endgültigen Emissionsvolumens. Wird der Preis im Wege des Bookbuilding-Verfahrens2 festgelegt, enthält der 20 Prospekt zunächst eine Preisspanne (also auch einen Höchstpreis), innerhalb derer der endgültige Emissionspreis auf Grundlage der in das Orderbuch (book) eingestellten Angebote zum Kauf der Wertpapiere festgelegt wird, und eine Beschreibung des Bookbuilding-Verfahrens. Das endgültige Emissionsvolumen errechnet sich in diesem Fall ebenfalls über den Emissionspreis, wobei der vor Beginn des Bookbuildings veröffentlichte Prospekt zunächst das maximale Emissionsvolumen angibt. Nach Abschluss des Angebots werden der ermittelte Preis und das ermittelte Emissionsvolumen nach § 8 Abs. 1 Satz 6 WpPG bekannt gemacht (siehe dazu unten Rz. 26 ff.). Beim sog. Decoupled Bookbuilding-Verfahren enthält der Prospekt keine 21 Preisspanne. Die Preisspanne wird in diesem Fall erst einige Tage nach Prospektveröffentlichung auf Grundlage der ersten Vermarktungsbemühungen mit dem Prospekt festgelegt. Da entweder der Emissionspreis oder (als gesetzlich privilegierte Ersatzangaben) Preisspanne und Kriterien der Preisfestlegung zu nennen sind, ist der Prospekt ohne diese Angaben nach Ansicht der BaFin zunächst unvollständig. Diese Angaben sind daher nach Ansicht der BaFin im Wege eines Nachtrags nach § 16 WpPG zu veröffentlichen, wo-

1 Weber, NZG 2004, 360 (364). 2 Zum Bookbuilding-Verfahren Groß, ZHR 162 (1998), 318 (320); Hein, WM 1996, 1; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 80 ff.; Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 2 Rz. 36 ff.

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Nichtaufnahme von Angaben

bei sich die BaFin bemüht, einen solchen Nachtrag taggleich zu billigen1. Hingegen werden der endgültige Emissionspreis und das Emissionsvolumen wie im Falle des Bookbuilding-Verfahrens gemäß § 8 Abs. 1 Satz 6 WpPG nach Abschluss des Angebots veröffentlicht2. 22

Auch wenn der Angebotspreis zum Zeitpunkt der Prospektbilligung noch nicht feststeht, sind bei beiden Preisfestsetzungsverfahren nach Auffassung der BaFin Angaben zum erwarteten Emissionserlös erforderlich3. Gegen diese Auffassung spricht, dass das Gesetz ersichtlich flexible Preisfestsetzungsverfahren erleichtern und daher von der Verpflichtung zur Aufnahme damit zusammenhängender Angaben in den Prospekt, die zum Zeitpunkt der Prospektbilligung bzw. -veröffentlichung noch nicht bekannt sein können, dispensiert. Die Verpflichtung zur Aufnahme des erwarteten Emissionserlöses schränkt im Gegensatz dazu die Flexibilität hinsichtlich des Preisfindungsverfahrens ein – Investoren werden den geschätzten Emissionerlös in aller Regel bei preislich limitierten Orders berücksichtigen und aus dieser Angabe (mehr oder weniger eindeutige) Rückschlüsse auf die vom Emittenten zu Grunde gelegte Unternehmensbewertung ziehen. Gerade beim DecoupledBookbuilding sind mangels Preisspanne nur sehr vage Angaben möglich4, so dass ein Verzicht auf die Angabe des erwarteteten Emissionserlöses und seine nachträgliche Bekanntgabe in dem die Preisspanne enthaltenden Nachtrag vorzugswürdig erschiene.

23

Um den Anforderungen der BaFin zu genügen, kann im Falle des „einfachen“ Bookbuildings-Verfahren entweder eine Erlösspanne (entsprechend der Preisspanne) oder der Emissionserlös angegeben werden, der sich bei Zugrundelegung von Ober- und Untergrenze der Preisspanne als Mittelwert ergibt. Dabei darf die untere Grenze der anzugebenden Spanne nicht weniger als 50 % der oberen Grenze betragen5.

24

Da die Angabe einer Emissionserlösspanne zusammen mit der Angabe eines maximalen Emissionsvolumens letztlich gewisse Rückschlüsse auf den erwarteten Angebotspreis pro Aktie zulässt, ist Emittent und Emissionsbanken daran gelegen, die Angaben möglichst vage zu halten, um eine „Konditionierung“ des Marktes zu vermeiden6. Das Decoupled Bookbuilding1 Siehe auch Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 2. 2 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (505). 3 Zu den Einzelheiten Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 98 ff.; kritisch Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (532); A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 56 Fn. 115; Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (261). 4 Diese Angaben werden im Nachtrag, der die Preisspanne und ggf. eine Konkretisierung des Angebotszeitraums enthält, auf Grundlage der Preisspanne konkretisiert. 5 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 99. 6 Siehe auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 56.

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Nichtaufnahme von Angaben

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Verfahren wurde daher zunächst versucht, dahingehend weiterzuentwickeln, dass eine Angabe zur Maximalzahl der angebotenen Aktien nicht erfolgte, sondern diese einer späteren Festlegung und der Veröffentlichung in dem auch die Preisspanne enthaltenden Nachtrag vorbehalten blieb. Nachdem dieses sog. „erweiterte Decoupled Bookbuilding“ einige Male praktiziert wurde1, änderte die BaFin ihre Verwaltungspraxis und billigte Prospekte ohne Angabe des geschätzten oder zumindest des angestrebten Emissionserlöses und kumulativer Angabe der Maximalzahl angebotener Aktien nicht mehr. Sie stützte dies auf die Erwägung, dass ohne maximales Angebotsvolumen der Prospekt in die Nähe eines Basisprospekts nach § 6 WpPG gerückt würde, der jedoch vom Gesetzgeber nicht für Aktienemissionen vorgesehen ist. Die Ansicht der BaFin überzeugt jedoch nicht. In den von der Prospektverordnung geforderten Angaben für Aktienemissionen findet diese Ansicht keine Stütze. Zwar deutet auch Art. 8 Abs. 1 lit. a der Prospektrichtlinie in diese Richtung, jedoch hat der deutsche Gesetzgeber eine Einschränkung dieser Art nicht in das WpPG aufgenommen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wurde das Decoupled Bookbuilding jedoch derart weiter modifiziert, dass zwar auch eine Maximalzahl der angebotenen Aktien im Prospekt angegeben wird, diese jedoch vorsorglich tendenziell hoch angesetzt und unter den Vorbehalt abweichender Gremienbeschlüsse des Emittenten gestellt wird. Zugleich wird häufig lediglich der angestrebte Emissionserlös und keine Spanne genannt. Dies gewährt den Beteiligten insofern ein erhöhtes Maß an Flexibilität, als nach Prospektbilligung ein geringeres maximales Emissionsvolumen beschlossen und dieses zusammen mit der Preisspanne in einem Nachtrag bekannt gemacht werden kann2. Vor allem bei volatilen Märkten besteht nicht nur bei Börsengängen, son- 25 dern auch bei Bezugsrechtsemissionen bereits börsennotierter Emittenten Bedarf für ein flexibles Preisfestsetzungsverfahren. Dies gilt auch für die Fälle eines sog. „Uplistings“, in denen bislang im Open Market (Entry Standard) der Frankfurter Wertpapierbörse notierte Unternehmen im Zusammenhang mit einer Bezugsrechtsemission den Wechsel in den regulierten Markt (Prime Standard) vollziehen3. Auf Grundlage der durch das TransPuG im Jahr 20024 geschaffenen Regelung des § 186 Abs. 2 Satz 2 AktG, die es ermöglicht, den endgültigen Bezugspreis erst drei Tage vor Ende der Bezugsfrist festzulegen und zunächst nur die Grundlagen für seine Festsetzung bekannt zu machen5, wird zunehmend häufig im Bezugsangebot und Prospekt zunächst lediglich ein Höchstpreis genannt. Als Kriterien oder Bedingungen der Preisfestsetzung wird häufig auf die Vornahme eines marktüblichen Ab1 Beispielsfälle waren die Prospekte der Wacker Chemie AG v. 24.3.2006 und der Klöckner & Co. AG v. 12.6.2006. 2 Beispielsfälle sind die Prospekte der Versatel AG v. 11.4.2007 und der Symrise AG v. 24.11.2006. 3 Siehe dazu auch Schlitt/Schäfer, AG 2005, 525 (532). 4 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) v. 19.7.2002, BGBl. I 2002, 2681. 5 Siehe zur Preisfestsetzung bei Bezugsrechtsemissionen Schlitt/Ries in FS Schwark, 2009, S. 241 (249 ff.); Schlitt/Seiler, AG 2003, 2175 (2180).

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schlags vom volumengewichteten Durchschnittskurs während der Bezugsfrist verwiesen1. In diesem Fall bedarf es hinsichtlich der Preisfestsetzung und -bekanntmachung keines Nachtrags; der endgültige Bezugspreis kann vielmehr, ähnlich wie bei Durchführung eines Bookbuildings, in einer Preisbekanntmachung nach § 8 Abs. 1 Satz 6 WpPG veröffentlicht werden. Eine Nennung allein eines Höchstpreises, wie er nach § 8 Abs. 1 Satz 2 WpPG im Prospekt ausreichen würde, reicht nach richtiger Auffassung ebenfalls aus, um den Anforderungen des § 186 Abs. 2 Satz 2 AktG zu genügen2. 2. Nachholung durch endgültige Angaben (§ 8 Abs. 1 Sätze 6 bis 9 WpPG) 26

Macht ein Anbieter (oder Zulassungsantragsteller) von der Ausnahme der § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG Gebrauch, ist er verpflichtet, nach § 8 Abs. 1 Sätze 6 bis 9 WpPG die nicht im Prospekt enthaltene Angabe des endgültigen Emissionspreises und endgültigen Emissionsvolumens später zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung hat in einer nach § 14 Abs. 2 WpPG zulässigen Art und Weise zu erfolgen (siehe dazu § 14 WpPG Rz. 13 ff.). § 8 Abs. 1 Sätze 6 bis 9 WpPG privilegieren die spätere Veröffentlichung des Emissionspreises und Emissionsvolumens gegenüber der späteren Veröffentlichung anderer Prospektangaben gemäß § 16 WpPG. Ein Billigungserfordernis besteht für die Preisveröffentlichung daher nicht. Auch löst sie in den Fällen der § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG kein Widerrufsrecht der Anleger aus. Solange die Voraussetzungen der § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG eingehalten sind, besteht kein Raum für eine Berichtigung oder Vervollständigung des Prospekts im Wege eines zu billigenden Nachtrags, da bereits von Gesetzes wegen ein Prospekt ohne endgültiges Emissionsvolumen und endgültigen Emissionspreis vollständig ist (siehe dazu oben Rz. 5).

27

Wurde im Prospekt lediglich das Emissionsvolumen offen gelassen und statt dessen zulässige Ersatzangaben aufgenommen, bedarf es richtigerweise nach Festlegung des endgültigen Emissionsvolumens keiner Mitteilung nach § 8 Abs. 1 Satz 6 WpPG, solange das endgültige Emissionsvolumen innerhalb der im Prospekt genannten Volumensgrenzen bleibt und bereits im Wege der Ad-hoc-Mitteilung des Emittenten veröffentlicht wurde. Denn anders als der Emissionspreis hat das Emissionsvolumen für den Erwerber der Wertpapiere lediglich mittelbare Bedeutung (insbesondere hinsichtlich der tatsächlichen Verwässerung).

28

In zeitlicher Hinsicht gibt das Gesetz vor, dass der endgültige Emissionspreis und das endgültige Emissionsvolumen unverzüglich nach ihrer Festlegung zu veröffentlichen sind. Die ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehene Pflicht zur Veröffentlichung bereits am Tag des öffentlichen Angebots war nach Kritik der Interessenverbände auf Vorschlag des Bundesrats 1 Beispielsfälle sind der Prospekt der Roth & Rau AG v. 1.4.2008 und der Prospekt der Manz Automation AG v. 11.6.2008. 2 So auch Schlitt/Seiler, WM 2006, 2180 f.; offen: Busch in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsenorientierte AG, § 42 Rz. 51 mwN.

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§ 8 WpPG

Nichtaufnahme von Angaben

abgeändert worden, um die Anwendung flexibler Preisfestsetzungsverfahren wie des Bookbuilding-Verfahrens zu ermöglichen1. Erfolgt kein öffentliches Angebot, sind nach § 8 Abs. 1 Satz 7 WpPG der 29 endgültige Emissionspreis und das endgültige Emissionsvolumen spätestens einen Werktag vor Notierungsaufnahme zu veröffentlichen. Dies gilt jedoch richtigerweise nur dann, wenn in zeitlichen Zusammenhang zur Prospektveröffentlichung Wertpapiere verkauft werden, zB im Wege einer Privatplatzierung. Für Nichtdividendenwerte sieht § 8 Abs. 1 Satz 8 WpPG hiervon eine Ausnahme vor. Wird im Zusammenhang mit der Zulassung und Notierungsaufnahme von Nichtdividendenwerten2 kein öffentliches Angebot durchgeführt und werden die Nichtdividendenwerte während einer längeren Dauer und zu veränderlichen Preisen ausgegeben, kann die Veröffentlichung des endgültigen Emissionspreises und -volumens auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Hiervon werden insbesondere Emissionsprogramme erfasst, bei denen das endgültige Volumen und der Preis der jeweiligen Einzelemission nicht von Beginn an feststehen3. Am Tag der Veröffentlichung sind der endgültige Emissionspreis und das endgültige Emissionsvolumen zusätzlich bei der BaFin zu hinterlegen, § 8 Abs. 1 Satz 9 WpPG. Die Hinterlegung erfolgt üblicherweise durch Übersendung einer Kopie der Preisbekanntmachung.

30

Steht vor der Notierungsaufnahme noch kein endgültiger Emissionspreis fest, soll nach der Regierungsbegründung der erste nach Notierungsaufnahme festgestellte bzw. gebildete Börsenpreis, bei einer Feststellung an mehreren Märkten der höchste dieser Preise, als Höchstpreis gelten4. Dies setzt voraus, dass ein Angebot von Wertpapieren im Zusammenhang mit der Notierungsaufnahme erfolgt, wobei die Angebotsfrist noch nach der Notierungsaufnahme fortdauert, ohne dass der endgültige Emissionspreis veröffentlicht worden wäre. Zumindest bei Aktienemissionen besteht hierfür kein Anwendungsbereich, da der Emissionspreis nach der üblichen Strukturierung vor der Notierungsaufnahme festgelegt und veröffentlicht wird.

31

3. Widerrufsrecht (§ 8 Abs. 1 Sätze 3 bis 5, 10 WpPG) a) Konzeption und Anwendungsbereich Aus § 8 Abs. 1 Satz 3 WpPG ergibt sich, dass die Angabe des Emissionsprei- 32 ses und Emissionsvolumens im Prospekt auch dann entbehrlich ist, dh. eine Billigung des Prospekts trotz ihres Fehlens erfolgen kann, wenn die Voraus1 RegE, BT-Drucks. 15/5219, S. 1, 2, 7; Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 15/5219, S. 4. 2 Zum Begriff des Nichtdividendenwerts siehe die Kommentierung zu § 2 WpPG Rz. 27. 3 Zu Emissionsprogrammen siehe § 2 WpPG Rz. 61 ff.; § 6 WpPG Rz. 22. 4 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 32.

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Nichtaufnahme von Angaben

setzungen der § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG nicht eingehalten werden. Anders als im Falle der § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG ist der Prospekt jedoch in diesem Fall nicht vollständig iS des § 5 Abs. 1 WpPG. Daher sind etwaig vorab veröffentlichte Kriterien und Bedingungen für Emissionspreis und -volumen im Wege eines zu billigenden Nachtrags gemäß § 16 Abs. 1 WpPG zu veröffentlichen, der ein Widerrufsrecht auslöst1. Die Veröffentlichung des endgültigen Emissionspreises und -volumens darf ihrerseits zwar im Wege der Veröffentlichung nach § 8 Abs. 1 Satz 6 WpPG erfolgen. Ausnahmsweise gilt aber auch im Falle einer solchen Veröffentlichung dann ein Widerrufsrecht, sofern die Kriterien und Bedingungen nicht zuvor noch durch einen Nachtrag bekannt gemacht wurden. b) Widerrufsvoraussetzungen (§ 8 Abs. 1 Sätze 3 und 4 WpPG) 33

Das Widerrufsrecht des § 8 Abs. 1 Satz 3 WpPG setzt nach dem Wortlaut des Gesetzes voraus, dass der Emissionspreis und das -volumen im Prospekt nicht angegeben und die in § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG geforderten Ersatzangaben ebenfalls nicht im Prospekt enthalten sind. Nach dem Wortlaut ist also ein kumulatives Fehlen erforderlich. Insofern stellt sich entsprechend der Frage der Unmöglichkeit der Nennung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 WpPG (dazu oben Rz. 15) die Frage, ob bei Angabe eines der beiden Parameter im Prospekt oder Ersatzangaben zu einem der beiden Parameter und Fehlen entsprechender Angaben für den zweiten Parameter ein Widerrufsrecht der Anleger besteht. Richtigerweise ginge ein Widerrufsrecht der Anleger in diesem Falle zu weit und ist vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt2.

34

Weitere (ungeschriebene) Voraussetzung für ein Widerrufsrecht der Anleger ist nach dem Sinn und Zweck des § 8 Abs. 1 Satz 3 WpPG, dass die Anleger ihre auf den Erwerb der Wertpapiere abzielende Willenserklärung bereits vor Veröffentlichung des (endgültigen) Emissionspreises und -volumens abgegeben haben, da sonst die Kausalität für die Anlageentscheidung fehlt3. Wird die Willenserklärung erst nach Veröffentlichung des Emissionspreises und -volumens oder zumindest der Kriterien oder Bedingungen bzw. des Höchstpreises abgegeben oder eine zuvor abgegebene Willenserklärung nicht widerrufen, kann daher aufgrund des ursprünglichen Fehlens der Angaben aus dem Gesichtspunkt der Prospektvollständigkeit kein Anspruch aus Prospekthaftung geltend gemacht werden.

35

Analog der Regelung des § 16 Abs. 3 Satz 1 WpPG erlischt das Widerrufsrecht des § 8 Abs. 1 Satz 3 WpPG mit Erfüllung, dh. Lieferung der vom An1 Zu Einzelheiten des Widerrufsrechts nach § 16 Abs. 3 WpPG vgl. die Kommentierung zu § 16 WpPG Rz. 107 ff. 2 So auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 6; aA Rauch in Holzborn, § 8 WpPG Rz. 13. 3 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 32; Groß, Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 6; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 4; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, Rz. 522.

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leger erworbenen Wertpapiere1 (siehe auch die Kommentierung zur entsprechenden Regelung des § 16 Abs. 3 Satz 1 WpPG, § 16 WpPG Rz. 115 ff.). Der Widerruf muss innerhalb von zwei Werktagen nach Hinterlegung des 36 endgültigen Emissionspreises bzw. -volumens iS des § 8 Abs. 1 Satz 9 WpPG erklärt werden. Da die Hinterlegung (wenn auch zumeist am gleichen Tag) nach der Veröffentlichung erfolgt, stellt sich die Frage, ob ein Widerruf auch bereits vor der Hinterlegung nach dem Wortlaut der Vorschrift möglich ist. Nach Sinn und Zweck der Bestimmung, dem Anleger ein Recht zu geben, sich im Lichte der Informationen über die Konditionen vom Angebot zu lösen, ist dies zu bejahen. Als Erwerber iS des § 8 Abs. 1 Satz 3 WpPG ist derjenige zu verstehen, an 37 den sich das im Prospekt genannte Angebot richtet. Treten daher im Falle einer Aktienemission, wie üblich, die Emissionsbanken und der Emittent gemeinsam als Anbieter auf oder ist eine Bank im Prospekt als Vertriebsstelle (selling agent) genannt, sind die genannten Banken nicht durch § 8 Abs. 1 Satz 3 WpPG geschützt. Widerrufsberechtigt sind vielmehr die Anleger, an die sich das Angebot nach den Angaben im Prospekt richtet (beim öffentlichen Angebot in Deutschland also das deutsche Anlegerpublikum) und die eine entsprechende Willenserklärung abgegeben haben (dazu oben Rz. 34). Der Widerruf muss nach § 8 Abs. 1 Satz 4 WpPG in Textform (§ 126b BGB) erfolgen. Einer Begründung des Widerrufs bedarf es nicht.

38

Adressat des Widerrufs ist die im Prospekt als Empfänger bezeichnete Per- 39 son. Daraus lässt sich ableiten, dass der Adressat des Widerrufs im Prospekt zu nennen ist. Fehlt diese Angabe (was idR zur Nichterteilung der Billigung führen dürfte), ist Widerrufsempfänger richtigerweise jeder Anbieter bzw. Zulassungsantragsteller, der den Prospekt unterschrieben hat. c) Rechtsfolge (§ 8 Abs. 1 Satz 5 WpPG) Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 5 WpPG ist auf die Rechtsfolgen des Widerrufs § 357 40 BGB entsprechend anzuwenden. d) Widerrufsbelehrung (§ 8 Abs. 1 Satz 10 WpPG) Über das Widerrufsrecht muss im Prospekt gemäß § 8 Abs. 1 Satz 10 WpPG 41 an hervorgehobener Stelle belehrt werden. Diese Belehrung muss den Hinweis umfassen, dass der endgültige Emissionspreis bzw. das endgültige Emissionsvolumen sowie die Kriterien und Bedingungen ihrer Ermittlung bzw. ein Höchstpreis noch nicht feststehen und später veröffentlicht werden. Außerdem ist deutlich auf das Bestehen eines Widerrufsrechts innerhalb von zwei Werktagen nach Veröffentlichung der fehlenden Angaben 1 Ganz hM, so auch Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 4; Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (212); Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1674).

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hinzuweisen und ein Widerrufsempfänger zu benennen. Ergänzend ist nach Auffassung der BaFin anzugeben, wann und in welcher Art die fehlenden Angaben veröffentlicht werden. „An hervorgehobener Stelle“ meint innerhalb des Prospektkapitels „Das Angebot“. 42

Unterbleibt die Belehrung, ist der Prospekt nicht billigungsfähig, da er nicht vollständig iS des § 13 Abs. 1 WpPG ist1. Am Widerrufsrecht der Anleger ändert die fehlende Belehrung jedoch nichts.

43

Das Widerrufsrecht des § 8 Abs. 1 Satz 3 WpPG besteht unabhängig von sonstigen Rechten der Anleger, insbesondere unabhängig von der Widerruflichkeit von Angeboten auf den Erwerb von Aktien im Rahmen eines Bookbuilding-Verfahrens2. Über das allgemeine Widerrufsrecht hinaus sind die Anleger durch § 8 Abs. 1 Satz 3 WpPG in der Zeit zwischen Annahme des Angebots durch die Anbieter im Wege der Zuteilung bis zwei Werktage nach Hinterlegung des endgültigen Emissionspreises bzw. -volumens geschützt, sofern nicht zwischenzeitlich Erfüllung eingetreten ist, also die Aktien geliefert wurden. Da die Anleger bei kurserheblichen Informationen schon vor Billigung und Veröffentlichung des Nachtrags durch eine Ad-hocMitteilung des Emittenten informiert werden, können sie im Zuge eines Bookbuildings aufgrund des allgemeinen Widerrufsrechts bereits Abstand von ihren Kaufangeboten nehmen. Tun sie dies nicht, kann der Emittent einem späteren, auf § 8 Abs. 1 Satz 3 WpPG gestützten Widerruf daher den Einwand widersprüchlichen Verhaltens entgegenhalten3.

III. Nichtaufnahme sonstiger Angaben kraft Ermessensentscheidung, sog. Gestattung (§ 8 Abs. 2 WpPG) 1. Ermessensentscheidung 44

Über die Angaben nach § 8 Abs. 1 WpPG hinaus können in Ausnahmefällen bestimmte Angaben im Prospekt unterbleiben, wenn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 WpPG erfüllt sind. Hierzu muss eine Befreiung wegen wichtiger Gründe, die gegen die Aufnahme bestimmter Angaben in den Prospekt sprechen, bei der BaFin beantragt werden. Die BaFin „kann gestatten“, trifft also eine Ermessensentscheidung. Sie geht hierbei auf Grundlage der Regierungsbegründung4 restriktiv vor und sieht zum Schutz des Informationsinteresses des Publikums nur einen engen Anwendungsbereich, der auf

1 Zum Prüfungsmaßstab der BaFin siehe die Kommentierung zu § 13 WpPG Rz. 9 ff. 2 Siehe dazu die Kommentierung zu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 47; Schlitt/ Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (256/257); Groß, Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 6; Groß in BuB, Rz. 10/266 mwN; Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 8 WpPG Rz. 42. 3 Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (257). 4 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 33.

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Ausnahmefälle beschränkt bleiben muss1. In der Praxis wird von dieser Möglichkeit nur selten Gebrauch gemacht2. Eine Gestattung ist nach hM nicht möglich, wenn, unterstellt, § 15 WpHG 45 fände Anwendung auf den Emittenten, die fragliche Information nach § 15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen wäre3. Dabei muss die Befreiungsmöglichkeit des § 15 Abs. 3 WpHG unberücksichtigt bleiben. Das Angebot von Wertpapieren in Kenntnis einer aufgrund § 15 Abs. 3 WpHG unveröffentlicht gebliebenen Insiderinformation würde grundsätzlich vom Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 WpHG erfasst, so dass solche Informationen in den Prospekt aufzunehmen sind, um einen Insiderhandel des Anbieters zu vermeiden. 2. Fallgruppen Gemäß § 8 Abs. 2 WpPG können bestimmte Angaben im Prospekt unter- 46 bleiben, wenn die Verbreitung dieser Angaben dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 WpPG), wenn dem Emittenten erheblicher Schaden zugefügt würde, sofern dadurch nicht über für die Beurteilung des Emittenten oder der Wertpapiere wesentliche Umstände getäuscht wird (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 WpPG) oder wenn die Angaben im konkreten Fall von untergeordneter Bedeutung und nicht geeignet sind, die Beurteilung der Finanzlage und der Entwicklungsaussichten des Emittenten zu beeinflussen (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 WpPG, de minimis-Regel)4. Im Zuge der Ermessensentscheidung ist (aufgrund der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe) eine Abwägung zwischen dem Interesse des Emittenten an der Geheimhaltung und dem Interesse des Publikums an der Publizität vorzunehmen5. Ein Absatzinteresse des Emittenten bezüglich der angebotenen Wertpapiere ist nicht in die Interessenabwägung einzustellen6. 3. Konsequenzen für die Prospekthaftung Werden Angaben in einen Prospekt aufgrund des § 8 Abs. 2 WpPG nicht aufgenommen, stellt sich die Frage, ob der Prospekt dennoch vollständig und richtig iS des § 5 Abs. 1 WpPG und des § 44 BörsG ist. Würde der Prospekt trotz der Auslassung alle Mindestangaben enthalten, würde es keiner Ge-

1 So auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 9; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, Rz. 526. 2 Vgl. Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1674). 3 So bereits Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 14 VerkProspVO Rz. 22; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 13. 4 Zur Ermessensreduktion bei Vorliegen einer der Fallgruppen siehe Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 291. 5 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 10; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, 2006, § 2 Rz. 195. 6 Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 14 VerkProspVO Rz. 22.

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stattung durch die BaFin bedürfen, da die Billigung ohnehin auszusprechen wäre1. Enthält der Prospekt jedoch nicht alle Mindestangaben, ist er nicht als vollständig iS des § 5 WpPG, § 44 BörsG anzusehen. Daher schließt die Gestattung durch die BaFin nach § 8 Abs. 2 WpPG nach dem Willen des Gesetzgebers2 etwaige Prospekthaftungsansprüche wegen Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit des Prospekts im Grundsatz nicht aus3. Jedoch dürfte ein Prospekt, der gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 WpPG Angaben auslässt, die nicht für die Beurteilung des Emittenten bzw. Anbieters erheblich sind, nicht allein unvollständig oder unrichtig sein, weil er nach der ProspektVO an sich erforderliche Angaben nicht enthält, da sich das Gebot der Richtigkeit und Vollständigkeit auf wesentliche Angaben bezieht4. 48

Die BaFin haftet ihrerseits für die Billigung eines solchermaßen unvollständigen bzw. unrichtigen Prospekts nicht, da die Gestattung nach § 8 Abs. 2 WpPG ausschließlich im öffentlichen Interesse erfolgt und sich hieran keine (Amts-)Haftungsansprüche anschließen5.

IV. Aufnahme von Ersatzangaben bei Unangemessenheit (§ 8 Abs. 3 WpPG) 49

Wenn bestimmte Prospektangaben für den Emittenten nicht angemessen sind, kann nach § 8 Abs. 3 WpPG ebenfalls auf eine Aufnahme verzichtet werden, solange im Prospekt Angaben enthalten sind, die im Hinblick auf die angemessene Information des Publikums gleichwertig sind. 1. Anwendungsbereich

50

Grundsätzlich sind zwei Szenarien in Zusammenhang mit § 8 Abs. 3 WpPG zu unterscheiden. Zum einen der Fall (A), dass Angaben, die nach den einschlägigen Anhängen der ProspektVO in den Prospekt als Mindestangaben aufzunehmen wären, nicht einschlägig sind6. Eine Aussage in den Prospekt ist dazu nur dann aufzunehmen, wenn die einschlägigen Anhänge der Pro-

1 Siehe hierzu die Kommentierung zu § 13 Abs. 1 Satz 2 WpPG, § 13 WpPG Rz. 15. 2 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 31. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 10; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 12; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, Rz. 526; Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 22. 4 Siehe dazu die Kommentierung zu § 5 WpPG Rz. 11 ff. 5 Hiervon geht auch der Gesetzgeber aus, Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 31; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 12; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, Rz. 526. 6 Hierzu zählen beispielsweise verschiedene Mindestangaben zu angebotenen Aktien nach Anhang III ProspektVO, die bei einer deutschen Aktiengesellschaft aufgrund ihrer Ausgestaltung nach dem Aktiengesetz nicht möglich sind, siehe dazu die Kommentierung zu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 27 ff.

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§ 8 WpPG

spektVO eine sog. Negativaussage fordern1. Ein anderer Fall (B) liegt hingegen vor, wenn Sachverhalte, die nach den einschlägigen Anhängen der ProspektVO in den Prospekt als Mindestangaben aufzunehmen wären, im Grundsatz vorliegen, jedoch eine Aufnahme in den Prospekt nicht angemessen erscheint. Im oben genannten Fall (A) findet § 8 Abs. 3 WpPG keine Anwendung2. Die- 51 ser Fall wird vielmehr durch Erwägungsgrund 24 ProspektVO adressiert. Eine Aussage hierzu ist in den Prospekt nur dann aufzunehmen, wenn die einschlägigen Anhänge der ProspektVO eine Negativaussage hierzu fordern3. Ansonsten ist der Prospekt auch ohne eine entsprechende Angabe richtig und vollständig. Nach der Verwaltungspraxis der BaFin ist in diesen Fällen in der Überkreuzcheckliste kenntlich zu machen, dass die Angabe nicht einschlägig ist (zB durch ein „n.a.“). Im Fall (B) findet hingegen § 8 Abs. 3 WpPG iVm. Art. 23 Abs. 4 ProspektVO Anwendung.

52

2. Unangemessenheit Da in den Prospekt alle wesentlichen Informationen nach dem übergreifenden Grundsatz der Prospektvollständigkeit und Prospektwahrheit aufgenommen werden müssen, können nur solche Angaben nach § 8 Abs. 3 WpPG ersetzt werden, die nicht wesentlich sind. Dabei dürfte es sich vor allem um die eher technischen Angaben, die die Anhänge zur ProspektVO fordern, handeln, während wertbildende Informationen keinem Ersatz zugänglich sind.

53

3. Ersatzangaben Ob Ersatzangaben für solche nicht wesentlichen Informationen, die jedoch 54 zu den Mindestangaben nach den anwendbaren Anhängen der ProspektVO gehören, angemessen sind, ist nach dem Tätigkeitsbereich des Emittenten, seiner Rechtsform und den angebotenen bzw. zuzulassenden Wertpapieren zu bestimmen. Die Ersatzangaben müssen gleichwertig zu den eigentlich geforderten Angaben sein; dürfen jedenfalls hinter diesen nicht soweit zurückbleiben, dass der Prospekt hierdurch unrichtig oder unvollständig wür-

1 So zB bezüglich der Abhängigkeit von Patenten, Lizenzen uÄ Anhang I Ziffer 18.1 Satz 2, 18.2 ProspektVO, siehe dazu die Kommentierung zu den Anhängen. AA (Empfehlung der Aufnahme von Negativattesten in den Prospekt) Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 8 WpPG Rz. 55. 2 So auch Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 31; Groß, Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 11; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, Rz. 526. 3 Weitergehend und eine Negativaussage zu jeder nicht einschlägigen Mindestangabe fordernd Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 14.

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§ 9 WpPG

Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

de. Letztlich dürfte der praktische Anwendungsbereich der Norm daher gering bleiben.

§9 Gültigkeit des Prospekts, des Basisprospekts und des Registrierungsformulars (1) Ein Prospekt ist nach seiner Veröffentlichung zwölf Monate lang für öffentliche Angebote oder Zulassungen zum Handel an einem organisierten Markt gültig, sofern er um die nach § 16 erforderlichen Nachträge ergänzt wird. (2) Im Falle eines Angebotsprogramms ist der Basisprospekt nach seiner Veröffentlichung zwölf Monate lang gültig. (3) Bei Nichtdividendenwerten im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 ist der Prospekt gültig, bis keines der betroffenen Wertpapiere mehr dauernd oder wiederholt ausgegeben wird. (4) Ein hinterlegtes Registrierungsformular im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 3 ist zwölf Monate gültig. Das Registrierungsformular ist zusammen mit der Wertpapierbeschreibung und der Zusammenfassung als gültiger Prospekt anzusehen. (5) Nach Ablauf der Gültigkeit darf auf Grund dieses Prospekts kein neues öffentliches Angebot von Wertpapieren erfolgen oder deren Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt werden. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Assmann, Prospektaktualisierungspflichten, FS Ulmer, 2003, S. 757; Assmann, Prospekthaftung, in Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2007, § 6; Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, 2001; Heidelbach/ Preuße, Einzelfragen in der praktischen Arbeit mit dem neuen Wertpapierprospektregime, BKR 2006, 316; Heidelbach/Preuße, Zweieinhalb Jahre neues Prospektregime und noch viele Fragen offen, BKR 2008, 10; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668; Holzborn/Schwarz-Gondek, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BKR 2003, 927; von Ilberg/Neises, Die Richtlinien-Vorschläge der EU-Kommission, WM 2002, 635; Kullmann/Metzger, Der Bericht der Expertengruppe „Europäische Wertpapiermärkte“ (ESME) zur Richtlinie 2003/71/EG („Prospektrichtlinie“) – Ausgewählte Aspekte des ESME-Berichts unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Ausschusses der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR) zu „Retail Cascades“ und der inhaltlichen Abgrenzung von Basisprospekt und endgültigen Bedingungen, WM 2008, 1292; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – Zentrale Punkte des neuen Regimes für Wertpapieremissionen, WM 2005, 1068; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BB 2004, 501; Lenz/Ritz, Die Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts

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Seitz

Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

§ 9 WpPG

für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte, WM 2000, 904; Leuering, Prospektpflichtige Anlässe im WpPG, Konzern 2006, 4; Schäfer, Stand und Entwicklungstendenzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung, ZGR 2006, 40; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schwark, Das neue Kapitalmarktrecht, NJW 1987, 2041; Seitz, Das neue Wertpapierprospektgesetz – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678; Seitz, Die Integration der europäischen Wertpapiermärkte und die Finanzmarktgesetzgebung in Deutschland, BKR 2002, 340; Stephan, Prospektaktualisierung, AG 2002, 3; Weber, Unterwegs zu einer europäischen Prospektkultur – Vorgaben der neuen Wertpapierprospektrichtlinie vom 4.11.2003, NZG 2004, 360.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung und Überblick 1. Entstehungsgeschichte, Vorgängervorschriften . . . . . . . . 2. Bedeutung und Systematik der Vorschrift . . . . . . . . . . . a) Relevante Sachverhaltskonstellationen, Differenzierung zwischen Schuldverschreibungs- und Aktienemissionen . . . . . . . . b) Gültigkeitsdauer und Begriff des öffentlichen Angebots . . . . . . . . . . . . . c) Aufbau und Abgrenzung zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Konkretisierungen zur Gültigkeitsdauer, Rechtsentwicklungen . . . . . . . . . . II. Gültigkeit des Prospekts und Nachtragspflicht (§ 9 Abs. 1 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berechnung der Zwölfmonatsfrist . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gültigkeit und Nachtragspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nachtragspflicht und allgemeine Aktualisierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . b) Dispositionsrecht des Emittenten . . . . . . . . . . . III. Gültigkeit bei Vorliegen eines Angebotsprogramms (§ 9 Abs. 2 WpPG) . . . . . . . .

1 8

9 12 18 25

30 31 36 37 45

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IV. Gültigkeit bei Emissionen von Nichtdividendenwerten mit besonderer Deckung und Insolvenzfestigkeit (§ 9 Abs. 3 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Sachlicher Anwendungsbereich, erfasste Nichtdividendenwerte . . . . . . . . . . . . 55 2. Nachtragspflicht im Fall des § 9 Abs. 3 WpPG . . . . . . . . . 58 V. Gültigkeitsdauer eines Registrierungsformulars (§ 9 Abs. 4 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterschiedliche Konstellationen der gesonderten Hinterlegung eines Registrierungsformulars . . . . . . . . 2. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Fristbeginn . . . . . . . . . . 3. Aktualisierungspflicht bei einem gesondert hinterlegten Registrierungsformular . . . . 4. Verhältnis von Gültigkeitsdauer des Registrierungsformulars zur Gültigkeitsdauer des Prospekts . . . . . . . . . . . . VI. Ablauf der Gültigkeit (§ 9 Abs. 5 WpPG) . . . . . . . 1. Fortbestehende Angebote nach Ablauf der Gültigkeit . 2. Abweichung von Vorgaben der Prospektrichtlinie . . . . 3. Sonderproblem: Sammelnachträge . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 9 Abs. 5 WpPG . . . .

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60 64 67

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§ 9 WpPG

Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

I. Normentwicklung und Überblick 1. Entstehungsgeschichte, Vorgängervorschriften 1

§ 9 WpPG setzt Art. 9 der Prospektrichtlinie um und führt ein neues Gültigkeitsregime für Wertpapierprospekte ein. Danach ist ein Prospekt nach seiner Veröffentlichung zwölf Monate lang für öffentliche Angebote oder Zulassungen zum Handel an einem organisierten Markt gültig, sofern er um die nach § 16 WpPG erforderlichen Nachträge ergänzt wird.

2

Art. 9 Prospektrichtlinie bzw. § 9 WpPG statuieren keine allgemeine Aktualisierungspflicht1, sondern beschränken die Nutzbarkeit von Prospekten in zeitlicher Hinsicht und verbinden diese mit der Nachtragspflicht (zum Zusammenspiel mit der Nachtragspflicht siehe näher unten Rz. 37 ff.).

3

Dem war zuvor eine eingehende Debatte im Zuge des Richtlinien-Rechtsetzungsverfahrens vorausgegangen.

4

In dem ersten Kommissionsvorschlag für eine neue EG-Prospektrichtlinie war im Zusammenhang mit dem in diesem Entwurf ebenfalls vorgesehenen zwingenden Registrierungsformularsystem (dazu auch § 12 WpPG Rz. 3) angedacht, dass das Registrierungsformular für Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an geregelten Märkten zugelassen sind, jährlich zu aktualisieren ist2.

5

In dem überarbeiteten Richtlinienvorschlag hatte die Kommission zwar – der derzeitigen Gesetzeslage entsprechend – ein Wahlrecht zwischen dem ein- und dreiteiligen Prospekt vorgesehen (siehe auch § 12 WpPG Rz. 4), hielt aber an der allgemeinen Verpflichtung zur jährlichen Aktualisierung sämtlicher Informationen über die Emittenten fest, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind3. Zwar waren in dem Kommissionsentwurf eine Reihe von Ausnahmebestimmungen vorgesehen, die Regelung hätte aber neben sonstigen Anforderungen für die Emittenten von Wertpapieren, die an einem geregelten Markt zugelassen sind, insbesondere den Anforderungen der Transparenzrichtlinie zur laufenden Berichterstattung zu Finanzinformationen, einen unverhältnismäßig hohen Aufwand bedeutet4. Insbesondere hätte die Verpflichtung zur jährlichen Aktualisierung zur Folge gehabt, dass die Emittenten bzw. Anbieter unabhängig von dem künftigen Vorliegen bzw. Fortbestehen eines prospektpflichtigen Ereignisses und unabhängig von dem Eintreten von nachtragspflichtigen Umständen oder nachtragspflichtigen Unrichtigkeiten verpflichtet gewesen

1 Zu den unterschiedlichen Formen von Aktualisierungspflichten vor dem Inkrafttreten des WpPG siehe Assmann in FS Ulmer, 2003, S. 757 (760). 2 Vgl. Art. 9 des Richtlinien-Vorschlags v. 30.5.2001, KOM(2001) 280 endgültig; kritisch dazu bereits von Ilberg/Neises, WM 2002, 635 (641). 3 Vgl. Art. 10 des Richtlinien-Vorschlags v. 9.8.2002, KOM(2002) 460 endgültig; zur politischen Debatte zum Registrierungsformular siehe auch Seitz, BKR 2002, 340 (345). 4 Vgl. auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 9 WpPG Rz. 4.

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Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

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wären, Prospekte bzw. Registrierungsformulare einmal jährlich zu überarbeiten. Letztlich wurde der Kommissionsvorschlag im weiteren Richtlinien-Rechtsetzungsverfahren von Rat und Parlament nicht übernommen1. Eine zeitliche Begrenzung der Gültigkeit des Prospekts war im deutschen Prospektrecht bisher nur in § 44 BörsZulV aF für unvollständige Börsenzulassungsprospekte vorgesehen. Es galt der Grundsatz, dass der Prospekt im Zeitpunkt seiner Veröffentlichung richtig und vollständig sein muss2. Die Nachtragspflicht bestimmte sich nach § 52 BörsZulV aF für Börsenzulassungsprospekte und nach § 11 VerkProspG aF für Verkaufsprospekte.

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In anderen Rechtsordnungen waren dagegen schon vor dem Inkrafttreten 7 der Prospektrichtlinie Beschränkungen im Hinblick auf die zeitliche Verwendbarkeit von Prospekten in unterschiedlichen Ausgestaltungen vorgesehen. Beispielsweise enthielten die Listingregeln der luxemburgischen Wertpapierbörse in der Fassung vor Umsetzung der Prospektrichtlinie eine Beschränkung der Gültigkeit von Prospekten in Zusammenhang mit Emissionsprogrammen auf zwölf Monate3. Auch der Securities Act von 1933 der Vereinigten Staaten von Amerika kennt Beschränkungen in Bezug auf die zeitliche Verwendung von Informationen in Prospekten. So dürfen die in einem Registration Statement enthaltenen Informationen, wenn der Prospekt mehr als neun Monate nach dem Datum des Registration Statements verwendet wird, grundsätzlich nicht älter als 16 Monate sein4. 2. Bedeutung und Systematik der Vorschrift Die Festlegung der Gültigkeit des Prospekts auf eine grundsätzliche Dauer 8 von zwölf Monaten soll dazu dienen, veraltete Informationen zu vermeiden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 26 Prospektrichtlinie), und soll in Kombination mit der Verknüpfung mit der Nachtragspflicht sicherstellen, dass das Publikum jederzeit Zugang zu aktuellen Angaben hat5. a) Relevante Sachverhaltskonstellationen, Differenzierung zwischen Schuldverschreibungs- und Aktienemissionen Bedeutung hat § 9 WpPG vor allem in den Fällen, in denen im Zuge einer Platzierung von Wertpapieren oder allgemein von Vertriebsaktivitäten meh1 Zum Richtlinienrechtsetzungsverfahren eingehend Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/ Zeising, § 9 WpPG Rz. 2 bis 5. 2 Vgl. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 11 VerkProspG Rz. 3; Stephan, AG 2002, 3 (6). 3 Vgl. dazu CSSF, The new „prospectus regime“ in 40 Questions and Answers, Frage 9; abrufbar unter http://www.cssf.lu/fileadmin/files/MAF/FAQmod11205 eng.pdf. 4 Vgl. Section 10 (Information Required in Prospectus) des Securities Act von 1933; allgemein zur Aktualisierung des Registrierungsformulars und des Prospekts nach US-amerikanischem Wertpapierrecht, Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 378 ff. 5 Begr. RegE, BT-Drucks 15/1499, S. 33 (Begründung zu § 9 Abs. 1 WpPG).

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rere oder fortdauernde prospektpflichtige Ereignisse eintreten und eine zeitliche Spanne zwischen dem ersten prospektpflichtigen Ereignis und den nachfolgenden Ereignissen besteht. 10

Diese Situation tritt häufig bei Schuldverschreibungen ein, die im Freiverkehr notiert sind und über einen längeren Zeitraum aktiv vertrieben werden, zB im Fall einer mehrwöchigen Zeichnungsphase oder im Falle eines fortlaufenden Abverkaufs der Schuldverschreibungen. Einen fortlaufenden Abverkauf gibt es in der Praxis häufig bei verbrieften Derivaten, die zum Teil keinen Endfälligkeitstag haben, dh. vorbehaltlich der Ausübung zB eines Einlösungsrechts durch den Wertpapierinhaber oder einer Kündigung durch die Emittentin mit Endlosdauer emittiert werden (siehe zur Anwendbarkeit von § 9 Abs. 5 WpPG in diesen Fällen unten Rz. 79). Die Frage nach der Gültigkeit des Prospekts ist auch im Fall von Aufstockungen von Schuldverschreibungen relevant (siehe unten Rz. 81). Bei Schuldverschreibungen kommt hinzu, dass sie häufig unter Basisprospekten iS des § 6 Abs. 1 Nr. 1 WpPG emittiert werden, bei denen aufgrund der dauernden und wiederholten Ausgabe von Wertpapieren, die auch erst kurz vor Ende des Ablaufs der Gültigkeit erfolgen kann, naturgemäß der zeitlichen Gültigkeit des Prospekts eine besondere Bedeutung zukommt (siehe unten Rz. 49 ff., insbesondere Rz. 52).

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Bei Aktienemissionen ist die Bedeutung der Gültigkeitsbeschränkung des Prospekts geringer; das Angebot ist häufig auf einen begrenzten Platzierungszeitraum beschränkt und die Nachtragspflicht ist bei einer Zulassung am organisierten Markt zeitlich begrenzt. Ausnahmen sind denkbar bei Aufstockungen oder bei Greenshoe-Emissionen, die der Hauptemission nachfolgen1 oder im Fall der Nutzung eines gesondert hinterlegten Registrierungsformulars für eine nachfolgende Kapitalerhöhung (siehe unten Rz. 21). b) Gültigkeitsdauer und Begriff des öffentlichen Angebots

12

Es besteht eine enge Beziehung zwischen der Frage der Gültigkeit des Prospekts einerseits und dem Vorliegen der Prospektpflicht andererseits. Denn nur wenn ein prospektpflichtiges Ereignis erneut oder nach wie vor vorliegt, stellt sich die Frage nach der Gültigkeit des Prospekts. Da erneute oder spätere prospektpflichtige Ereignisse in der Praxis weniger in Zusammenhang mit der Zulassung von Wertpapieren zum organisierten Markt, sondern vor allem aufgrund von Angeboten in Zusammenhang mit dem Vertrieb der Wertpapiere eintreten, hat die Auslegung des Begriffs „öffentliches Angebot“ eine besondere Bedeutung für die Beurteilung der Gültigkeit des Prospekts.

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Im Fall von mehreren oder fortdauernden prospektpflichtigen Ereignissen stellt sich das Problem einer evtl. Begrenzung der Gültigkeit des Prospekts nur, wenn tatsächlich bei späteren Ereignissen die Prospektpflicht ausgelöst wird, dh. ein öffentliches Angebot iS des § 3 Abs. 1 WpPG vorliegt. Fraglich ist dabei, ob bei den jeweiligen Ereignissen tatsächlich erneut ein öffent1 Vgl. Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (510).

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liches Angebot ausgelöst wird oder aber das öffentliche Angebot fortbesteht. Während unter dem Verkaufsprospektgesetz (gestützt auf den Wortlaut von § 1 VerkProspG) die entsprechenden Vorschriften so interpretiert wurden, dass nur auf die erste Emission abzustellen sei1, ist nach Umsetzung der Prospektrichtlinie (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Prospektrichtlinie) in deutsches Recht nunmehr in § 3 Abs. 2 Satz 2 WpPG explizit geregelt, dass jede Weiterveräußerung von Wertpapieren grundsätzlich als ein gesondertes Angebot anzusehen ist (vgl. § 3 WpPG Rz. 37). Soweit man zu dem Ergebnis gelangt, dass ein prospektpflichtiges Ereignis 14 bei einem späteren Angebot vorliegt, stellt sich die Frage, ob dies als eine Fortsetzung des ursprünglichen Angebots oder als ein erneutes Angebot zu qualifizieren ist. Solange der Prospekt noch gültig ist, ist dies nach deutschem Recht nur beschränkt relevant, da der deutsche Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG eine Regelung getroffen hat, wonach eine Ausnahme von der Prospektpflicht besteht, wenn ein Prospekt nach den Vorschriften des WpPG bereits veröffentlicht worden ist (vgl. dazu § 3 WpPG Rz. 42)2. Ein einmal gebilligter und veröffentlichter Prospekt kann danach grundsätzlich zu erneuten oder fortbestehenden öffentlichen Angeboten genutzt werden, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, wer das öffentliche Angebot vornimmt (zu Frage des „acting in association“ siehe § 3 WpPG Rz. 41). Aus der Zusammenschau mit § 9 WpPG ergibt sich allerdings die Ein- 15 schränkung, dass die Nutzbarkeit für erneute oder fortbestehende Angebote nur besteht, solange der Prospekt gültig ist. In diesem Fall gewinnt die Frage an Bedeutung, welcher Zeitpunkt für die Bestimmung der Gültigkeit des Prospekts maßgeblich ist. Im Hinblick auf den Ablauf der Gültigkeit stellt § 9 Abs. 5 WpPG klar, dass nach Ablauf der Gültigkeit kein neues Angebot von Wertpapieren erfolgen oder deren Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt werden kann. Im Umkehrschluss lässt sich daraus folgern, dass Emittenten für Wertpapiere, deren öffentliches Angebot innerhalb von zwölf Monaten nach Veröffentlichung eines Prospekts begonnen hat, das aber am Ende des zwölften Monats nach der Veröffentlichung des Prospekts noch nicht abgeschlossen ist, keinen neuen Prospekt für das fortdauernde Angebot dieser Wertpapiere erstellen und billigen lassen müssen3. Dementsprechend ist für die rechtliche Beurteilung der Gültigkeit grundsätzlich der Beginn des öffentlichen Angebots relevant: Bei einem fortbestehenden Angebot reicht es aus, wenn der Beginn des Angebots vor dem Ablauf der Gültigkeit liegt (zu den Beurteilungskriterien für das Vorliegen eines fortbestehenden Angebots siehe näher unten Rz. 78 ff.). Soweit

1 Überblicksartig Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 88 ff. 2 Eingehend zur Historie dieser Bestimmung Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (510, insbesondere Fn. 117). 3 Vgl. Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 15/5219, S. 2 sowie die Beschlussempfehlungen und den Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373, S. 50; Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (14).

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bei einer Unterbrechung des Angebots, dh. im Fall eines erneuten Angebots, der Beginn des erneuten Angebots nach dem Ablauf der Gültigkeit eines Prospekts liegt, scheidet eine Verwendbarkeit des Prospekts als Grundlage für dieses Angebot aus (nicht zu verwechseln ist dies mit der Frage der Gültigkeitsdauer beim dreiteiligen Prospekt bzw. von gesondert hinterlegten Registrierungsformularen, dazu unten Rz. 72 ff.). 16

Zu beachten ist, dass eine dem § 9 Abs. 5 WpPG entsprechende Regelung in der Prospektrichtlinie nicht vorgesehen ist und sich in den Rechtsordnungen anderer Mitgliedstaaten eine vergleichbare Regelung nicht findet. Bei grenzüberschreitenden Angeboten ist daher die Verwendbarkeit des Prospekts nach Ablauf der Gültigkeit im Einzelfall zu prüfen (siehe unten Rz. 83).

17

Besondere Bedeutung hat § 9 Abs. 5 WpPG für Angebote in Zusammenhang mit dem Vertrieb von verbrieften Derivaten, da es häufig vorkommt, dass diese Produkte mit Endlosdauer emittiert werden (siehe oben Rz. 10) sowie bei Aufstockungen von Schuldverschreibungen (siehe unten Rz. 81). c) Aufbau und Abgrenzung zu anderen Vorschriften

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§ 9 WpPG regelt die Gültigkeit des Prospekts (§ 9 Abs. 1 WpPG), des Basisprospekts (§ 9 Abs. 2 WpPG) und des Registrierungsformulars (§ 9 Abs. 4 WpPG) und begrenzt diese auf zwölf Monate. § 9 Abs. 3 WpPG behandelt die Gültigkeit von Prospekten für Nichtdividendenwerte iS des § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpPG (zB Pfandbriefe) und § 9 Abs. 5 WpPG regelt die Konsequenzen des Ablaufs der Gültigkeit eines Prospekts.

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§ 9 Abs. 1 WpPG enthält die Grundregel für die Gültigkeit von Prospekten und ist von einer – im Prospektrecht nicht vorgesehenen – allgemeinen Aktualisierungspflicht abzugrenzen (zur Debatte im Zuge des RichtlinienRechtsetzungsverfahrens siehe oben Rz. 3 ff.). Die Verweisung auf § 16 WpPG in § 9 Abs. 1 WpPG hat Konsequenzen für künftige Emissionen unter dem Prospekt, weshalb ihr nicht nur deklaratorische Bedeutung zukommt (siehe näher unten Rz. 37 ff.). Die Koppelung der Gültigkeit an die Nachtragspflicht ist nur in § 9 Abs. 1 WpPG explizit vorgesehen, ist aber auch in den Fällen von Basisprospekten gemäß § 9 Abs. 2 WpPG (siehe unten Rz. 49), Prospekten für Nichtdivendenwerte iS des § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpPG gemäß § 9 Abs. 3 WpPG (siehe unten Rz. 53 und 58), gesondert hinterlegten Registrierungsformularen gemäß § 9 Abs. 4 WpPG (siehe unten Rz. 67) und im Fall der Fortführung eines Angebots unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 5 WpPG (siehe unten Rz. 82) zu beachten.

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Besonderheiten bestehen hinsichtlich der Gültigkeit von Prospekten, welche Nichtdividendenwerte zum Gegenstand haben, wobei die Gültigkeit des Prospekts im Fall von Angebotsprogrammen einerseits und im Fall der Emission gedeckter Nichtdividendenwerte durch Einlagenkreditinstitute andererseits in § 9 Abs. 2 und Abs. 3 WpPG jeweils einer gesonderten Regelung unterworfen ist. Die Prospekte für gedeckte Nichtdividendenwerte

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sind privilegiert, da sie von der sog. „Endlosgültigkeitsdauer“ profitieren (vgl. § 6 WpPG Rz. 23 ff. und unten Rz. 54). Vor dem Hintergrund, dass unter Angebotsprogrammen alle Nichtdividendenwerte begeben werden können und von dem Basisprospektregime gemäß § 6 Abs. 1 WpPG sowohl ungedeckte als auch gedeckte Nichtdividendenwerte erfasst sind, ist die Differenzierung nicht ohne weiteres einleuchtend. Eine Rechtfertigung für geringere Anforderungen an die Aktualität von Prospekten im Fall von gedeckten Nichtdividendenwerten ist aber darin zu sehen, dass für gedeckte Nichtdividendenwerte in der Regel gesonderte Transparenzanforderungen bestehen, zB unter dem Pfandbriefgesetz für Pfandbriefbanken (vgl. § 28 PfandBG). Derartige Emissionen unterfielen vor Inkrafttreten des WpPG regelmäßig nicht der Prospektpflicht, da die Emittenten, als der Bankenaufsicht unterliegende Einlagenkreditinstitute, in der Regel von den Ausnahmen von der Prospektpflicht für daueremittierende Kreditinstitute gemäß dem VerkProspG aF und der BörsZulV aF profitierten. Die Regelung zur Gültigkeit eines hinterlegten Registrierungsformulars in 21 § 9 Abs. 4 WpPG betrifft Aktienemittenten und Emittenten von Schuldverschreibungen gleichermaßen. Bei Schuldverschreibungsemissionen ist dies ohne weiteres einleuchtend, da Schuldverschreibungen regelmäßig in kürzeren Abständen platziert werden als Aktien und damit der Mehrwert einer gesonderten Hinterlegung des Registrierungsformulars evident ist. Aber auch bei Aktienemissionen ist zB die Konstellation denkbar, dass ein bereits hinterlegtes Registrierungsformular für eine Kapitalerhöhung genutzt werden soll1. In Bezug auf Schuldverschreibungsemissionen ergibt sich die Besonderheit, dass ein gesondert hinterlegtes Registrierungsformular entweder für einen dreiteiligen Prospekt verwendet oder durch Verweis in einen (Basis-)Prospekt einbezogen werden kann; in der letztgenannten Konstellation bestehen Folgefragen hinsichtlich der Anwendbarkeit von § 9 Abs. 4 Satz 1 WpPG (unten Rz. 60 ff.) und hinsichtlich der Auswirkung der Gültigkeitsbeschränkung des Registrierungsformulars auf den gesamten (Basis-) Prospekt (dazu unten Rz. 72 ff.). Die Vorschrift zur Gültigkeitsdauer ist von der Verpflichtung nach § 10 22 WpPG zu unterscheiden, ein jährliches Dokument bei der BaFin zu hinterlegen. Die Verpflichtung nach § 10 WpPG greift unabhängig davon ein, ob weitere Emissionen erfolgen oder beabsichtigt sind und gilt, solange Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Die Beschränkung der Gültigkeitsdauer ist dagegen nur im Hinblick auf zukünftige prospektpflichtige Ereignisse von Bedeutung, und es besteht ein Dispositionsrecht des Emittenten bezüglich der Wiederherstellung der Gültigkeit im Fall des Eintritts von nachtragspflichtigen Ereignissen (zum Dispositionsrecht des Emittenten siehe unten Rz. 45 ff.).

1 Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (510).

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Von der Gültigkeit eines Prospekts zu unterscheiden ist auch die Frage, in welchem Zeitraum eine Haftung der Prospektverantwortlichen besteht. Das Prospekthaftungsrecht enthält eigenständige Regelungen, die von der Gültigkeitsdauer der Prospekte nach § 9 WpPG unabhängig sind. Insbesondere kann nicht aus dem Umstand, dass in § 9 Abs. 1 WpPG auf die Nachtragspflicht verwiesen wird, gefolgert werden, dass zur Vermeidung einer Prospekthaftung innerhalb der Gültigkeitsdauer ein Prospekt auch außerhalb des für Nachträge relevanten Zeitraums von dem Emittentin aktuell gehalten werden müsse (siehe zum Zusammenspiel zwischen der Aktualisierungspflicht und der Prospekthaftung unten Rz. 44). Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Gültigkeit und Prospekthaftung ist zum einen die Konstellation relevant, in der ein Prospekt verwendet wird, obwohl ein erforderlicher Nachtrag nicht erstellt wurde; die Rechtsfolgen in dieser Konstellation sind grundsätzlich unabhängig davon, ob dies innerhalb der Gültigkeitsdauer (unten Rz. 41 f.) oder bei einem fortgeführten Angebot außerhalb der Gültigkeitsdauer (unten Rz. 82) erfolgt. Daneben ist auch die Konstellation denkbar, dass entgegen § 9 Abs. 5 WpPG ein neues öffentliches Angebot oder eine Zulassung außerhalb der Gültigkeitsdauer erfolgt (dazu unten Rz. 91 ff.). In beiden Konstellationen ist zu beachten, dass im Rahmen der Vorschriften zur Prospekthaftung eigenständige Fristbestimmungen gelten: Mit der Sechsmonatsfrist gemäß § 44 Abs. 1 BörsG bzw. § 13a VerkProspG, die mit dem Zeitpunkt der Einführung der Wertpapiere bzw. dem ersten öffentlichen Angebot beginnt und innerhalb der das Erwerbsgeschäft abgeschlossen sein muss, und der Einjahresfrist gemäß § 46 BörsG bzw. § 13a Abs. 5 VerkProspG, die mit dem Zeitpunkt der Kenntnis des Erwerbers von der Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit des Prospekts beginnt, bestehen eigenständige Regelungen, die unabhängig von der Gültigkeitsdauer nach § 9 WpPG sind (siehe im Einzelnen unten Rz. 92).

24

Die Gültigkeit eines Prospekts ist grundsätzlich auch unabhängig von der Gültigkeitsdauer der durch Verweis gemäß § 11 WpPG einbezogenen Dokumente (siehe § 11 WpPG Rz. 33 ff.). Im Fall der Einbeziehung der Emittenteninformationen über ein gesondert hinterlegtes Registrierungsformular durch Verweis ist aber die Aktualität der Informationen zu beachten (siehe unten Rz. 62). 3. Weitere Konkretisierungen zur Gültigkeitsdauer, Rechtsentwicklungen

25

Die ProspektVO enthält keine weiteren Details zur Regelung der Gültigkeit, da in Art. 9 Prospektrichtlinie keine Ermächtigungsgrundlage für präzisierende Maßnahmen nach dem sog. Lamfalussy-Verfahren enthalten ist.

26

Die Expertengruppe „Europäische Wertpapiermärkte“ (European Securities Markets Experts – ESME) hat in ihrem Bericht vom September 2007 vorgeschlagen, die Gültigkeitsdauer, insbesondere von Basisprospekten, auf 24 Monate auszudehnen. Als Argument wird ua. angeführt, dass die Fristen für

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die Verwendbarkeit von Informationen innerhalb des EG-Prospektregimes nicht einheitlich seien. Es wird in diesem Zusammenhang auf Ziffer 20.5.1 Anhang I ProspektVO hingewiesen, wonach auch Finanzinformationen, die älter als zwölf Monate sind, für öffentliche Angebote verwendet werden können, während Art. 9 Abs. 4 Prospektrichtlinie und entsprechend auch § 9 Abs. 4 WpPG die Gültigkeitsdauer von Registrierungsformularen auf zwölf Monate beschränken1. Auch CESR hat sich in Zusammenhang mit Wertpapieren, die in fortdauernder oder wiederholter Art und Weise emittiert werden, mit der Frage der Gültigkeitsdauer beschäftigt (vgl. dazu im Einzelnen unten Rz. 84)2.

27

Die Vorgaben der Prospektrichtlinie zur Gültigkeit von Prospekten sind in der Konsultation zur Überarbeitung der Prospektrichtlinie in verschiedenen Stellungnahmen thematisiert worden. Die in den Stellungnahmen enthaltenen Vorschläge betreffen unter anderem eine allgemeine Verlängerung der Gültigkeitsdauer von Prospekten und des Registrierungsformulars sowie die Abschaffung der Gültigkeitsbeschränkung für Basisprospekte.

28

Die Europäische Kommission hatte in ihrem im September 2009 veröffentlichten Vorschlag zur Änderung der Prospektrichtlinie eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer sowohl für Prospekte, Basisprospekte als auch für Registrierungsformulare von zwölf auf 24 Monate vorgeschlagen3. Der Kompromissvorschlag von Europäischer Kommission und Rat v. 28.5.2010 sieht dagegen vor, die bereits bislang geltende Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten in allen drei Fällen beizubehalten. Künftig soll aber hinsichtlich des Fristbeginns nicht mehr auf die Veröffentlichung, sondern auf die Billigung abgestellt werden (siehe zur Fristberechnung unten Rz. 31 ff.)4.

29

II. Gültigkeit des Prospekts und Nachtragspflicht (§ 9 Abs. 1 WpPG) Vorbehaltlich der erforderlichen Aktualisierung durch Nachträge gemäß 30 § 16 WpPG darf ein Emittent oder Anbieter einen Prospekt, nachdem dieser durch die zuständige Behörde gebilligt und durch den Emittenten oder Anbieter veröffentlicht wurde, für zwölf Monate für ein öffentliches Angebot

1 ESME, Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published or admitted to trading, S. 20, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docesme/05092007_report_ en.pdf; vgl. dazu Kullmann/Metzger, WM 2008, 1292 (1296 f.). 2 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 37. 3 Vgl. Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 des Vorschlags für eine Änderung der Prospektrichtlinie KOM(2009) 491 endgültig v. 23.9.2009. 4 Vgl. Art. 9 Abs. 1 und 4 des Vorschlags für eine Änderung der Prospektrichtlinie, Ratsdokument 10254/10 v. 28.5.2010.

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von Wertpapieren oder eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt nutzen. 1. Berechnung der Zwölfmonatsfrist 31

Die Berechnung der Zwölfmonatsfrist richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 187 ff. BGB. Anknüpfungspunkt für den Beginn der Zwölfmonatsfrist ist die Veröffentlichung des Prospekts. Da es sich bei der Veröffentlichung um ein „Ereignis“ handelt, wird gemäß § 187 Abs. 1 BGB der Tag, an dem das Ereignis, dh. die Veröffentlichung erfolgt ist, bei der Berechnung der Frist nicht mitgerechnet, und die Frist endet gemäß § 188 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf des Tages des letzten Monats, welcher durch seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis fällt, dh. das Fristende tritt mit Ablauf des Tages ein, an dem zwölf Monate vorher die Veröffentlichung des Prospekts stattgefunden hat. Demnach beginnt die Frist, wenn der Prospekt zB am 26.11.2009 veröffentlicht wurde, grundsätzlich am 27.11.2009 und die Frist endet mit Ablauf des 26.11.2010.

32

Für die Fristberechnung nicht relevant ist das Datum der Billigung durch die zuständige Behörde, welches häufig mit dem auf dem Prospekt angegebenen Datum übereinstimmt. In der Praxis führt dies in der Regel zu keinem signifikanten Unterschied, da der Anbieter oder Zulassungsantragssteller gemäß § 14 Abs. 1 WpPG verpflichtet ist, den Prospekt unverzüglich nach dessen Billigung und Hinterlegung zu veröffentlichen1. Im Fall einer Veröffentlichung des Prospekts auf der Internetseite des Emittenten gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 lit. a WpPG kann das Datum der Billigung mit dem Datum der Veröffentlichung sogar zusammenfallen.

33

Abzustellen ist auf die erste Veröffentlichung des Prospekts, dh. bei einer mehrfachen Veröffentlichung, zB auf der Internetseite des Emittenten nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 lit. a WpPG und der kostenlosen Ausgabe des Prospekts nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 WpPG kommt es auf die zeitlich frühere Veröffentlichung an. Die Veröffentlichung eines Nachtrags verlängert die Gültigkeitsdauer nicht (siehe näher unten Rz. 36 ff.).

34

Die Kommission und der Rat stellen in ihrem Vorschlag zur Änderung der Prospektrichtlinie allerdings zukünftig nicht mehr auf die Veröffentlichung des Prospekts, sondern auf das Billigungsdatum des Prospekts ab (siehe auch oben Rz. 29)2.

35

Bei nach Deutschland notifizierten Prospekten kommt es auf das Recht des Herkunftsstaates an. In diesem Fall ist die erste Veröffentlichung in dem Herkunftsstaat maßgeblich. Dies gilt auch dann, wenn der Prospekt in Deutschland als Aufnahmemitgliedstaat nochmals veröffentlicht wird. Eine

1 Wagner in Holzborn, § 9 WpPG Rz. 5. 2 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 13 in dem Vorschlag für eine Änderung zur Prospektrichtlinie, Ratsdokument 10254/10 v. 28.5.2010.

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andere Interpretation würde zu einer längeren Gültigkeitsdauer des Prospekts im Aufnahmemitgliedstaat als im Herkunftsmitgliedstaat führen, was im Widerspruch zu Art. 9 Prospektrichtlinie stünde1. 2. Gültigkeit und Nachtragspflicht Die Gültigkeit eines Prospekts innerhalb der Zwölfmonatsfrist hängt davon ab, ob der Prospekt um die nach § 16 WpPG erforderlichen Nachträge ergänzt wurde. Wie § 9 WpPG insgesamt (siehe oben Rz. 8) soll auch die Nachtragspflicht sicherstellen, dass keine veralteten Informationen verwendet werden (siehe § 16 WpPG Rz. 12). Von daher ist es nahe liegend, dass eine Reihe von Abgrenzungsproblemen zwischen der Gültigkeitsbeschränkung nach § 9 WpPG und der Nachtragspflicht nach § 16 WpPG bestehen.

36

a) Nachtragspflicht und allgemeine Aktualisierungspflicht Die Frage der Abgrenzung der Gültigkeit eines Prospekts zur Nachtragspflicht und zu einer allgemeinen Aktualisierungspflicht (zur Diskussion der Einführung einer derartigen Pflicht im Richtlinien-Rechtssetzungsverfahren siehe oben Rz. 3 ff.) stellt sich vor allem im Hinblick auf die Rechtsfolgen des Unterlassens eines Nachtrags.

37

Im Hinblick darauf, dass die Nachtragspflicht bereits unabhängig von der Gültigkeitsbeschränkung unter den Voraussetzungen des § 16 WpPG besteht, ist fraglich, ob dem Verweis in § 9 Abs. 1 WpPG auf die Nachtragspflicht eine eigenständige Bedeutung zukommt.

38

Zu beachten ist, dass die Nachtragspflicht in § 16 WpPG grundsätzlich auf 39 einen bestimmten Zeitraum beschränkt ist, nämlich den Zeitraum nach der Billigung und vor dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder vor der Zulassung der Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt (siehe näher § 16 WpPG Rz. 62 ff.). Die Gültigkeit eines Prospekts ist dagegen vom Richtliniengesetzgeber bewusst auf einen festen Zeitraum festgesetzt (vgl. Erwägungsgrund Nr. 26 Prospektrichtlinie). Es ist daher denkbar, dass zwar ein wichtiger neuer Umstand oder eine wesentliche Unrichtigkeit in Bezug auf die im Prospekt gemachten Angaben eintritt, mangels einschlägigen prospektpflichtigen Ereignisses iS des § 16 Abs. 1 WpPG aber eine Aktualisierung mittels Nachtrag (vorübergehend) nicht erforderlich ist (zu einem etwaigen Dispositionsrecht des Emittenten bezüglich der Gültigkeitsdauer siehe unten Rz. 45 ff.). In diesem Fall ist für künftige Emissionen der Hinweis in § 9 Abs. 1 WpPG 40 auf die Nachtragspflicht so auszulegen, dass jedenfalls vor dem Beginn eines neuen Angebots oder einer Zulassung von neuen Wertpapieren die Aktuali-

1 So auch Wagner in Holzborn, § 9 WpPG Rz. 5; zu den Auswirkungen der Billigung durch eine Behörde des EWR-Staates auf die Gültigkeit siehe auch Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 221.

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sierung des Prospekts gemäß § 16 Abs. 1 WpPG erfolgt sein muss1. Dies kann durch einen einzelnen Nachtrag geschehen, in dem mehrere, gegebenenfalls zeitlich versetzt eingetretene neue Umstände oder Unrichtigkeiten gebündelt werden und für dessen Erstellung und Veröffentlichung lediglich die zeitliche Vorgabe besteht, dass dies vor der beabsichtigten erneuten Verwendung des Prospekts vollzogen sein muss. Dementsprechend ist die Koppelung der Gültigkeit an die Nachtragspflicht für zukünftige Emissionen relevant (zur Bedeutung bei Basisprospekten siehe § 16 WpPG Rz. 75 ff.)2. Es kann offen bleiben, ob bei einem Unterlassen eines Nachtrags die Gültigkeit des Prospekts für künftige Emissionen „ausgesetzt“ ist3. Jedenfalls besteht die Gültigkeit des Prospekts für neue öffentliche Angebote oder Zulassungen zum Handel an einem organisierten Markt solange nicht, bis der Prospekt um die nach § 16 WpPG erforderlichen Nachträge ergänzt wurde. 41

Aus der Koppelung der Gültigkeitsdauer an die Nachtragspflicht kann dagegen nicht abgeleitet werden, dass ein Prospekt bei Unterlassen des Nachtrags seine Gültigkeit für laufende Emissionen verliert4. Für bereits laufende Angebote führt der Eintritt eines nachtragspflichtigen Ereignisses nach Beginn des Angebots nur dazu, dass die Nachtragspflicht entsteht. Der Prospekt behält innerhalb des Zwölfmonatszeitraums aber seine Gültigkeit. Dies beruht vor allem auf der Überlegung, dass es für die Gültigkeit des Prospekts auf den Zeitpunkt des Beginns des Angebots ankommt (vgl. oben Rz. 15).

42

Relevant ist die Differenzierung im Hinblick auf die Rechtsfolgen des Unterlassens eines Nachtrags vor allem für die Frage, ob die BaFin gemäß § 21 Abs. 4 WpPG befugt ist, ein öffentliches Angebot wegen fehlender Gültigkeit zu untersagen (zur Untersagung nach Ablauf der Gültigkeitsdauer siehe unten Rz. 90). Dies gilt nicht für bereits laufende Emissionen innerhalb des Gültigkeitszeitraums, da der Prospekt für diese Angebote seine Gültigkeit behält (zu den Rechtsfolgen des Unterlassens eines Nachtrags, insbesondere zu einer etwaigen Prospekthaftung im Fall von laufenden Angeboten nach § 13 VerkProspG iVm. den §§ 44 ff. BörsG siehe § 16 WpPG Rz. 160 ff.). Wenn allerdings ein neues Angebot auf der Grundlage eines bestehenden Prospekts erfolgen soll, der nicht gemäß § 16 WpPG aktualisiert wurde, besitzt der Prospekt auch dann, wenn die Gültigkeitsdauer noch nicht abgelaufen ist, keine Gültigkeit für dieses Angebot und die BaFin kann das Angebot gemäß § 21 Abs. 4 WpPG untersagen (vgl. § 21 WpPG Rz. 18 ff.)5.

1 So auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 184. 2 Im Ergebnis ebenso Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 182; Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (510) und Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (507); unklar dagegen Hamann in Schäfer/Hamann, § 9 WpPG Rz. 3. 3 So Wagner in Holzborn, § 9 WpPG Rz. 6. 4 Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 9 WpPG Rz. 28. 5 Im Ergebnis ebenso Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 9 WpPG Rz. 29, es wird dort allerdings die Aussage vermieden, dass der Prospekt für künftige Angebote keine Gültigkeit besitzt.

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Für Emissionen, deren Angebot bereits abgeschlossen ist oder die bereits in den Handel eingeführt oder einbezogen sind, greift die Nachtragspflicht nicht ein. Gegenteiliges ist nicht aus § 9 Abs. 1 WpPG abzuleiten, dh. es besteht keine Verpflichtung der Emittenten, den Prospekt unabhängig von dem Eintritt von prospektpflichtigen Ereignissen mittels Nachträgen während der Gültigkeitsdauer aktuell zu halten. Der Richtliniengesetzgeber hat sich vielmehr bewusst gegen eine allgemeine Aktualisierungsverpflichtung der Emittenten, dh. einer Aktualisierungsverpflichtung unabhängig vom Eintritt eines prospektpflichtigen Ereignisses, entschieden (siehe zur Debatte im Zuge des Richtlinien-Rechtsetzungsverfahrens oben Rz. 3 ff.).

43

Eine allgemeine Aktualisierungspflicht lässt sich auch nicht aus der Zu- 44 sammenschau mit Prospekthaftungsansprüchen ableiten. Im Hinblick darauf, dass Prospekthaftungsansprüche gemäß § 44 BörsG nicht nur auf den Ersterwerb beschränkt sind, sondern auch bei allen Folgeerwerben innerhalb von sechs Monaten nach der erstmaligen Einführung der Wertpapiere in den Handel Anwendung finden, stellt sich die Frage, ob der Emittent zur Verhinderung einer Inanspruchnahme gemäß § 44 BörsG verpflichtet ist, den Prospekt zu aktualisieren. Gemäß § 16 Abs. 1 WpPG endet zwar die Nachtragspflicht mit der Einführung oder Einbeziehung der Wertpapiere in den Börsenhandel (vgl. § 16 WpPG Rz. 66 ff.), im Schrifttum wird jedoch zum Teil die Ansicht vertreten, dass aus § 44 BörsG eine Aktualisierungspflicht des Emittenten bezüglich des Prospekts folge, da sich der Anleger insofern zumindest innerhalb der Frist des § 44 BörsG auf den Inhalt des Prospekts verlassen können müsse und der Prospekt daher auch iS von § 9 Abs. 1 WpPG gültig und somit aktualisiert sein müsse1. Diese Ansicht ist abzulehnen2. Sie kann weder auf § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG, der lediglich Haftungsbegrenzungen, jedoch keine Haftungsverschärfungen regelt, noch auf das Urteil des Bundesgerichtshof in Sachen Elsflether Werft3 gestützt werden. In dieser Entscheidung hat der BGH lediglich ausgeführt, dass die Aktualisierungspflicht jedenfalls bis zum Ende der Zeichnungsfrist bestehe4. Die Zeichnungsfrist endet jedoch vor der Einführung der Wertpapiere in den Handel, da die Einführung in den Handel gemäß § 38 Abs. 2 BörsG erst nach erfolgter Zuteilung vorgenommen werden kann. Die Zuteilung wiederum kann erst nach Abschluss der Zeichnungsfrist erfolgen5. Es be-

1 In diesem Sinne Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 113; Assmann in FS Ulmer, 2003, S. 757 (770 ff.); Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S. 17 f. 2 So auch Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 59; Stephan, AG 2002, 3 ff.; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 200; Holzborn/SchwarzGondek, BKR 2003, 927 (933); Wagner in Holzborn, § 9 WpPG Rz. 23 f.; für die Rechtslage vor Inkrafttreten des WpPG ua.: Schwark in Schwark, §§ 44, 45 BörsG Rz. 29. 3 BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225. 4 BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225 (232). 5 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 59.

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§ 9 WpPG

Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

steht auch keine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke1. Der Gesetzgeber hat die Gültigkeit des Prospekts in § 9 Abs. 1 WpPG nutzungsbezogen definiert2 und in § 16 Abs. 1 WpPG nur für den Fall der fortgesetzten oder erneuten Verwendung des Prospekts für ein fortgesetztes oder neues öffentliches Angebot oder die Zulassung der Wertpapiere in den Handel an einem organisierten Markt eine Nachtragspflicht statuiert. b) Dispositionsrecht des Emittenten 45

In der Literatur wird unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 1 Halbsatz 2 WpPG bzw. die entsprechende Formulierung in der Prospektrichtlinie diskutiert, ob Emittenten hinsichtlich der Gültigkeitsdauer eines Prospekts ein Dispositionsrecht haben. Emittenten sollen danach die Gültigkeitsdauer eines Prospekts verkürzen können, indem sie den Prospekt nicht durch Nachträge nach § 16 WpPG ergänzen3. Dies basiert auf der Überlegung, dass es im Interesse der Emittenten sei, wenn sie durch die Nichtvornahme eines Nachtrags entscheiden könnten, dass die Gültigkeit des Prospekts zu einem bestimmten Zeitpunkt ende. Die Entscheidung eines Emittenten, nicht unverzüglich nach Bekanntwerden entsprechender Umstände oder Unrichtigkeiten einen Nachtrag zur Billigung einzureichen, müsse als endgültig angesehen werden und es sei somit vom Ende der Gültigkeit des Prospekts mit Abschluss des öffentlichen Angebots bzw. der Einführung oder Einbeziehung in den Handel in den organisierten Markt auszugehen.

46

Das WpPG selbst enthält keine Aussage dazu, ob Emittenten ein derartiges Dispositionsrecht zusteht. Wie oben festgestellt, bestehen durchaus Unklarheiten bezüglich des Verweises in § 9 Abs. 1 WpPG auf § 16 WpPG (siehe oben Rz. 38 ff.). Für die Beantwortung ist daher unter Anwendung der oben geschilderten Konstellationen danach zu differenzieren, ob unter dem Prospekt ein nachtragspflichtiges Ereignis während eines relevanten Zeitraums iS des § 16 WpPG, dh. vor dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder vor der Einführung oder Einbeziehung in den Handel, eintritt oder außerhalb eines entsprechenden Zeitraums.

47

Soweit der nachtragspflichtige Umstand während eines für § 16 WpPG relevanten Zeitraums unter dem Prospekt eintritt, besteht jedenfalls kein Dispositionsrecht des Emittenten. Emittenten haben nach § 16 WpPG die Pflicht, wichtige neue Umstände oder wesentliche Unrichtigkeiten in Bezug auf die im Prospekt enthaltenen Angaben, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen können und die nach Billigung und vor dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder der Einführung oder Einbezie-

1 Dazu ausführlich OLG Frankfurt a.M. v. 6.7.2004 – 5 U 122/03, ZIP 2004, 1411 (1413) und LG Frankfurt a.M. v. 17.1.2003 – 3-07 O 26/01, ZIP 2003, 400 (404 f.). 2 Vgl. Weber, NZG 2004, 360 (365). 3 Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (933); vgl. zur Diskussion um ein Dispositionsrecht auch ausführlich Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 9 WpPG Rz. 52 bis 59.

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§ 9 WpPG

Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

hung in den Handel auftreten oder festgestellt werden, in einem Nachtrag zum Prospekt aufzunehmen. Soweit der Umstand außerhalb des für § 16 WpPG relevanten Zeitraums eintritt, ist der Emittent lediglich dann zur Erstellung eines Nachtrags verpflichtet, wenn er den Prospekt für ein künftiges Angebot nutzen will (vgl. oben Rz. 40). Dies ist jedoch nicht mit einem Dispositionsrecht des Emittenten bezüglich der Gültigkeit gleichzusetzen, da aus der Nichtvornahme eines Nachtrags gerade nicht die uneingeschränkte Ungültigkeit des Prospekts folgt, sondern ein Nachtrag auch kurz vor dem Beginn eines neuen Angebots erfolgen kann. Insbesondere auch für bereits abgeschlossene Emissionen behält der Prospekt seine Gültigkeit (vgl. oben Rz. 43). Die Gültigkeitsdauer wurde vom Richtliniengesetzgeber bewusst als feste zeitliche Grenze formuliert (vgl. oben Rz. 39) mit den oben geschilderten differenziert zu beurteilenden Rechtsfolgen. Dem widerspräche es, wenn die Gültigkeitsdauer zur Disposition durch den Emittenten gestellt wäre.

48

III. Gültigkeit bei Vorliegen eines Angebotsprogramms (§ 9 Abs. 2 WpPG) In § 9 Abs. 2 WpPG wird für Basisprospekte, denen Angebotsprogramme iS 49 des § 2 Nr. 5 WpPG zugrunde liegen, klargestellt, dass auch für diese die Gültigkeitsfrist von zwölf Monaten gilt. Auch wenn in § 9 Abs. 2 WpPG, anders als in der Grundnorm nach § 9 Abs. 1 WpPG (siehe oben Rz. 19), der Verweis auf die Nachtragspflicht fehlt, steht auch die Gültigkeit von Basisprospekten ebenfalls unter dem Vorbehalt der Ergänzung durch evtl. erforderliche Nachträge; dies folgt vor allem daraus, dass die explizite Anwendbarkeit der Nachtragspflicht auf Basisprospekte bereits in § 6 Abs. 2 WpPG geregelt ist, so dass es eines Hinweises auf die Nachtragspflicht in § 9 Abs. 2 WpPG nicht bedurfte (siehe § 6 WpPG Rz. 68)1. In Abgrenzung zu den von § 9 Abs. 3 WpPG erfassten Basisprospekten iS 50 des § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpPG sind im Fall des § 9 Abs. 2 WpPG die Basisprospekte iS des § 6 Abs. 1 Nr. 1 WpPG gemeint, welche neben Nichtdividendenwerten auch Optionsscheine jeglicher Art, die ihm Rahmen eines Angebotsprogramms begeben werden können, zum Gegenstand haben (zur Differenzierung näher § 6 WpPG Rz. 17 ff.; zur Entstehungsgeschichte siehe oben Rz. 20). Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Zwölfmonatsfrist ist die Ver- 51 öffentlichung des Basisprospekts nicht die Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen. Es können somit endgültige Bedingungen zum letzten Mal an dem Tag gemäß § 14 WpPG veröffentlicht und bei der BaFin hinterlegt werden (vgl. § 6 Abs. 3 WpPG), welcher zwölf Monate nach dem Tag der Veröffentlichung des Basisprospekts liegt (zur Fristberechnung siehe oben Rz. 31 ff.). 1 So auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 9 WpPG Rz. 23.

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Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

Im Hinblick darauf, dass bei Schuldverschreibungen in der Praxis das öffentliche Angebot häufig länger als zwölf Monate dauert und es denkbar ist, dass unter einem Basisprospekt erst am letzten Tag der Gültigkeit ein öffentliches Angebot beginnt, kommt der Regelung in § 9 Abs. 5 WpPG bei Basisprospekten iS des § 6 Abs. 1 Nr. 1 WpPG eine besondere Bedeutung zu (siehe zur Auslegung von § 9 Abs. 5 WpPG näher unten Rz. 78 ff.).

IV. Gültigkeit bei Emissionen von Nichtdividendenwerten mit besonderer Deckung und Insolvenzfestigkeit (§ 9 Abs. 3 WpPG) 53

Hinsichtlich der dauernden oder wiederholten Ausgabe von Nichtdividendenwerten iS des § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpPG bestimmt § 9 Abs. 3 WpPG, dass der Prospekt solange gültig ist, bis auf Grund dieses Prospekts keines der betroffenen Wertpapiere mehr dauernd oder wiederholt ausgegeben wird. Auch die Gültigkeit der von § 9 Abs. 3 WpPG erfassten Prospekte steht unter dem Vorbehalt der Ergänzung durch evtl. erforderliche Nachträge (vgl. oben Rz. 19 sowie unten Rz. 58).

54

Die so genannte „Endlosgültigkeitsdauer“ stellt eine Durchbrechung der grundsätzlich auf zwölf Monate beschränkten Gültigkeitsdauer von Prospekten dar (zur Rechtfertigung siehe oben Rz. 20). 1. Sachlicher Anwendungsbereich, erfasste Nichtdividendenwerte

55

Der Anwendungsbereich von § 9 Abs. 3 WpPG erstreckt sich auf Nichtdividendenwerte iS des § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpPG, dh. auf Nichtdividendenwerte, die dauernd oder wiederholt von Einlagenkreditinstituten begeben werden und welche die in § 6 Abs. 1 Nr. 2 lit. a und Nr. 2 lit. b WpPG normierten kumulativen Anforderungen an die Deckung und Insolvenzfestigkeit erfüllen (siehe § 6 WpPG Rz. 23 ff.).

56

Die Regelung in § 9 Abs. 3 WpPG ist nach dem Wortlaut nicht auf ein bestimmtes Prospektformat beschränkt. Da jedoch nur solche Nichtdividendenwerte erfasst sind, die dauernd oder wiederholt begeben werden, liegt es nahe, dass auch nur diejenigen Basisprospekte von der Gültigkeitsregelung erfasst sind, denen Nichtdividendenwerte iS des § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpPG zugrunde liegen.

57

Die Regelung findet keine Anwendung auf Daueremissionen anderer Wertpapiere durch Emittenten von gedeckten Nichtdividendenwerten, mit der Konsequenz, dass entsprechende Prospekte unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 WpPG nur zwölf Monate gültig sind. 2. Nachtragspflicht im Fall des § 9 Abs. 3 WpPG

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Die Verwendung eines Prospekts für eine wiederholte Emission oder bis zum Ende einer Daueremission ist nur zulässig, sofern der Prospekt unter

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Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

§ 9 WpPG

den Voraussetzungen des § 16 WpPG aktualisiert wird. Auch wenn in § 9 Abs. 3 WpPG, anders als in § 9 Abs. 1 WpPG, die Nachtragspflicht nicht ausdrücklich erwähnt ist, sind Daueremittenten von gedeckten Nichtdividendenwerten ebenfalls zur Erstellung von Nachträgen verpflichtet, wenn sie einen entsprechenden Prospekt nach Eintritt eines nachtragspflichtigen Ereignisses weiterverwenden möchten (vgl. oben Rz. 53). Die Verpflichtung zur Aktualisierung des Prospekts mittels eines Nachtrags gilt in diesem Fall während der gesamten Gültigkeitsdauer des Prospekts1.

V. Gültigkeitsdauer eines Registrierungsformulars (§ 9 Abs. 4 WpPG) § 9 Abs. 4 Satz 1 WpPG erstreckt die zwölfmonatige Gültigkeit auch auf ein hinterlegtes Registrierungsformular iS von § 12 Abs. 1 Satz 3 WpPG, dh. auf ein Registrierungsformular, das als ein Einzeldokument bei der Aufsichtsbehörde hinterlegt wurde.

59

1. Unterschiedliche Konstellationen der gesonderten Hinterlegung eines Registrierungsformulars Eine gesonderte Hinterlegung des Registrierungsformulars kommt in zwei 60 Fällen in Betracht, nämlich wenn der Emittent oder Anbieter das dreiteilige Prospektformat verwendet (vgl. auch § 9 Abs. 4 Satz 2 WpPG) oder wenn das Registrierungsformular durch Verweis gemäß § 11 WpPG in (mehrere) (Basis-)Prospekte einbezogen werden soll (vgl. Art. 26 Abs. 4 ProspektVO; siehe dazu § 6 WpPG Rz. 36 und zu § 12 WpPG Rz. 32). Die Einbeziehung des Registrierungsformulars durch Verweis ist in der Praxis der weitaus häufigere Fall; dies liegt auch daran, dass bei Basisprospekten das Format des dreiteiligen Prospekts ausgeschlossen ist (siehe § 12 WpPG Rz. 26). Neben der Einbeziehung der Emittenteninformationen über ein gesondert hinterlegtes Registrierungsformular ist es auch denkbar, dass die Emittenteninformationen, die in einem früheren (Basis-)Prospekt enthalten sind, durch Verweis in später zu billigende (Basis-)Prospekte einbezogen werden. Grundsätzlich gelten die nachfolgenden Ausführungen auch für diesen Fall. Nachfolgend liegt der Fokus aus Sicht des § 9 Abs. 4 WpPG aber auf dem Fall der Abbildung der Emittenteninformation über ein gesondert hinterlegtes Registrierungsformular. Die Tatsache, dass in § 9 Abs. 4 Satz 1 WpPG auf § 12 Abs. 1 Satz 3 WpPG 61 verwiesen wird und in § 9 Abs. 4 Satz 2 WpPG eine explizite Regelung für den dreiteiligen Prospekt besteht, legt die Schlussfolgerung nahe, dass die Gültigkeitsbeschränkung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 WpPG nur im Fall des dreiteiligen Prospekts zu beachten ist2. Dies ist getragen von der Überlegung, 1 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 37. 2 So auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 9 WpPG Rz. 17.

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§ 9 WpPG

Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

dass die Aufnahme eines Registrierungsformulars in einen dreiteiligen Prospekt prospektrechtlich etwas anderes ist als die Aufnahme von einzelnen Angaben aus einem gesondert hinterlegten Registrierungsformular per Verweis in einen (Basis-)Prospekt. CESR hat auch bezüglich Angaben aus einem nicht mehr gültigen Basisprospekt klargestellt, dass diese per Verweis in einen neuen Basisprospekt übernommen werden können (vgl. näher § 11 WpPG Rz. 36)1. 62

Bei der Einbeziehung des Registrierungsformulars durch Verweis in (Basis-)Prospekte ist die Gültigkeitsbeschränkung gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 WpPG nicht relevant, dh. die Einbeziehung ist grundsätzlich auch nach Ablauf der Gültigkeit des Registrierungsformulars möglich. Es ist aber zu beachten, dass bei der Einbeziehung von Informationen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 WpPG die aktuellsten Angaben verwendet werden sollen, die dem Emittenten zur Verfügung stehen (vgl. auch Art. 28 Abs. 3 ProspektVO)2. Dieses Aktualitätserfordernis wird bei einem Registrierungsformular, bei dem die Zwölfmonatsfrist überschritten ist und mit dem nicht nur einzelne Angaben (vgl. Art. 28 Abs. 4 ProspektVO), wie zB Finanzinformationen für frühere Finanzjahre, sondern die Emittentenangaben als Ganzes abgedeckt werden sollen, regelmäßig nicht erfüllt sein. Zu beachten ist auch, dass es denkbar ist, dass ein und dasselbe Registrierungsformular sowohl für einen oder mehrere dreiteilige Prospekte als auch für die Einbeziehung durch Verweis in einen oder mehrere (Basis-)Prospekte genutzt wird. In diesem Fall würde für die Nutzbarkeit des Registrierungsformulars für dreiteilige Prospekte jedenfalls die Gültigkeitsbeschränkung gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 WpPG eingreifen. In der Praxis wird man daher auch ohne die unmittelbare Anwendbarkeit der Gültigkeitsbeschränkung häufig zu dem Ergebnis kommen, dass ein gesondert hinterlegtes Registrierungsformular auch im Fall der Einbeziehung durch Verweis in neue (Basis-)Prospekte jährlich zu aktualisieren ist.

63

Wenn die Gültigkeit im Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung im Fall des dreiteiligen Prospekts bzw. die Aktualität des durch Verweis einbezogenen Registrierungsformulars im Zeitpunkt der Veröffentlichung des (Basis-)Prospekts gegeben ist, stellt sich die Frage, ob während der gesamten Dauer der Nutzung des (Basis-)Prospekts die Gültigkeit bzw. Aktualität des Registrierungsformulars gegeben sein muss (dazu näher unten Rz. 72 ff.). 2. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Fristbeginn

64

Anders als in § 9 Abs. 1 bis Abs. 3 WpPG, in denen für den Beginn des Zwölfmonatszeitraums auf die Veröffentlichung abgestellt wird, ist in § 9 Abs. 4 Satz 1 WpPG für die Gültigkeitsdauer des Registrierungsformulars keine explizite Regelung für den Fristbeginn enthalten. Die Hinterlegung 1 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 8. 2 Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 11 WpPG Rz. 27.

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§ 9 WpPG

Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

selbst (vgl. § 14 Abs. 1 WpPG) als Fristbeginn zu definieren, entspräche nicht dem Zweck der Gültigkeitsbeschränkung, da aus § 12 Abs. 4 WpPG deutlich wird, dass auch ein nicht gebilligtes Registrierungsformular bei der BaFin hinterlegt werden kann (siehe § 12 WpPG Rz. 41) und in diesem Fall mangels Billigung die Anwendung der Gültigkeitsbeschränkung wenig Sinn macht. Richtigerweise ist vielmehr für den Fristbeginn auf das Veröffentlichungsdatum abzustellen1. Dafür spricht insbesondere, dass für den Fall des dreiteiligen Prospekts gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 WpPG das Registrierungsformular nur zusammen mit der Wertpapierbeschreibung und der Zusammenfassung als gültiger Prospekt anzusehen ist. Noch offen ist damit die Frage, ob es für die Beurteilung des Fristbeginns 65 auf die Gesamtheit der einzelnen Prospektteile oder auf jedes einzelne Dokument ankommt. Während beim dreiteiligen Prospekt die Zusammenfassung und die Wertpapierbeschreibung in der Regel zeitgleich hinterlegt und veröffentlicht werden, wird die Hinterlegung und Veröffentlichung des Registrierungsformulars in der Regel nur bei der ersten Emission zeitnah erfolgen. Bei einer späteren Verwendung gibt es naturgemäß einen größeren zeitlichen Abstand, da das Registrierungsformular nicht erneut hinterlegt und veröffentlicht wird (vgl. auch § 14 Abs. 4 WpPG). Diese Konstellation der mehrfachen Verwendung macht deutlich, dass es nur auf die Veröffentlichung des Registrierungsformulars ankommen kann und nachfolgende Veröffentlichungen anderer Prospektbestandteile für die Gültigkeitsfrist nicht maßgeblich sind2. Diese Überlegungen gelten auch für den Fall, dass das Registrierungsformular durch Verweis in einen (Basis-)Prospekt einbezogen wird (siehe oben Rz. 60), dh. es kommt auch in diesem Fall für die Berechnung der Gültigkeitsdauer auf das Datum der Veröffentlichung des Registrierungsformulars an.

66

3. Aktualisierungspflicht bei einem gesondert hinterlegten Registrierungsformular Wie auch in den Fällen des § 9 Abs. 1 bis Abs. 3 WpPG (vgl. oben Rz. 19) 67 steht bei einem Registrierungsformular ebenfalls die Gültigkeit unter dem Vorbehalt einer eventuell erforderlichen Aktualisierung im Rahmen des § 16 WpPG. Dies folgt nicht nur aus dem systematischen Zusammenhang mit den anderen Absätzen in § 9 WpPG, sondern ergibt sich unmittelbar aus § 12 Abs. 3 WpPG, der die Aktualisierung mittels Nachträgen bei einem gesondert hinterlegten Registrierungsformular regelt (dazu näher § 12 WpPG Rz. 34 ff.). Soweit Art. 9 Abs. 4 Prospektrichtlinie insofern auf Art. 10 Abs. 1 Prospektrichtlinie anstelle des Art. 16 Abs. 1 Prospektrichtlinie verweist, handelt es 1 So auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 9 WpPG Rz. 18 f. 2 Anders wohl Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, 9 WpPG Rz. 30.

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§ 9 WpPG

Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

sich um ein redaktionelles Versehen des Richtliniengesetzgebers1, welches der deutsche Gesetzgeber richtigerweise nicht übernommen hat2. Im Zuge der Überarbeitung der Prospektrichtlinie (vgl. oben Rz. 28) soll das Versehen korrigiert werden3. 69

Im Hinblick auf die Art und Weise der Aktualisierung ist zwischen dem dreiteiligen Prospekt (siehe näher § 12 WpPG Rz. 18 ff.) und dem Fall zu unterscheiden, in dem das Registrierungsformular durch Verweis in einen (Basis-)Prospekt einbezogen wurde. In beiden Fällen kann nach Ansicht von CESR und der BaFin das Registrierungsformular selbst nicht Gegenstand eines Nachtrags sein (siehe ausführlich zum Meinungsstreit § 12 WpPG Rz. 34 ff.).

70

Dementsprechend ist abhängig vom Zeitpunkt des Vorliegens bzw. des Eintritts der nachtragspflichtigen Informationen oder Umstände für die Art und Weise der Aktualisierung des Registrierungsformulars wie folgt zu differenzieren: – Soweit Angaben zum Emittenten nach der Billigung des Registrierungsformulars, aber im Fall des dreiteiligen Prospekts vor der Billigung der Wertpapierbeschreibung bzw. im Fall der Einbeziehung des Registrierungsformulars durch Verweis vor der Billigung des (Basis-)Prospekts in den Prospekt aufgenommen werden sollen, sind die Angaben dadurch zu aktualisieren, dass die neuen Informationen in die Wertpapierbeschreibung bzw. den (Basis-)Prospekt aufgenommen werden (zum Maßstab für die Aktualisierungsverpflichtung siehe § 12 WpPG Rz. 38 ff.). – Soweit nachtragspflichtige Umstände oder nachtragspflichtige Unrichtigkeiten nach der Billigung der Wertpapierbeschreibung bzw. des Prospekts vorliegen bzw. eintreten, ist es erforderlich, dass ein Nachtrag auf die Wertpapierbeschreibung bzw. den (Basis-)Prospekt geschaltet wird (siehe § 12 WpPG Rz. 40).

71

Im Zuge der Überarbeitung der Prospektrichtlinie soll künftig auch ein Registrierungsformular unmittelbar Gegenstand eines Nachtrags sein können4, so dass die Differenzierung obsolet werden dürfte. 4. Verhältnis von Gültigkeitsdauer des Registrierungsformulars zur Gültigkeitsdauer des Prospekts

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§ 9 Abs. 4 WpPG regelt die Gültigkeit des hinterlegten Registrierungsformulars im Fall des dreiteiligen Prospekts. Zum Verhältnis zwischen der 1 Dies hat die Europäische Kommission auf S. 8 des Protokolls des dritten informellen Meetings zur Umsetzung der Prospektrichtlinie v. 26.1.2005 (abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/prospectus/summarynote-050126_en.pdf) klargestellt. 2 Vgl. auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 9 WpPG Rz. 12. 3 Vgl. Erwägungsgrund 13 sowie Art. 9 Abs. 4 des Vorschlags zu einer Änderung der Prospektrichtlinie, Ratsdokument 10254/10 v. 28.5.2010. 4 Vgl. Erwägungsgrund 13 sowie Art. 9 Abs. 4 des Vorschlags zu einer Änderung der Prospektrichtlinie, Ratsdokument 10254/10 v. 28.5.2010.

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Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

§ 9 WpPG

Gültigkeitsdauer des Registrierungsformulars zur Gültigkeitsdauer des dreiteiligen Prospekts, dessen Bestandteil das Registrierungsformular bildet, besteht keine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Fraglich ist, ob die Gültigkeit des Registrierungsformulars für die gesamte Dauer des öffentlichen Angebots bzw. dem Zeitpunkt weiterer prospektpflichtiger Ereignisse gegeben sein muss, dh. die Nutzbarkeit des Prospekts durch die Gültigkeit des Registrierungsformulars beschränkt wird. Zu einer Begrenzung der Gültigkeitsdauer des Prospekts auf den Zeitraum 73 der Gültigkeit des Registrierungsformulars würde man kommen, wenn der EG-Richtliniengesetzgeber bzw. der deutsche Gesetzgeber eine allgemeine Aktualisierungspflicht bezüglich der emittentenbezogenen Angaben hätte einführen wollen, da in diesem Fall mit dem Ablauf der Gültigkeit des Registrierungsformulars automatisch eine Aktualisierungspflicht für das Registrierungsformular entstehen würde, mit der Konsequenz, dass es auch nicht mehr als Bestandteil des dreiteiligen Prospekts benutzt werden könnte. Wie oben festgestellt (siehe Rz. 5), war dies aber nicht gewollt. Die besseren Argumente sprechen dafür, eine Begrenzung der Gültigkeits- 74 dauer des Prospekts aufgrund des Ablaufs der Gültigkeit des Registrierungsformulars abzulehnen. Dementsprechend ist es unabhängig von der Restgültigkeitsdauer des Registrierungsformulars allein entscheidend, dass im Fall des dreiteiligen Prospekts im Zeitpunkt der Billigung der Zusammenfassung und der Wertpapierbeschreibung ein gültiges Registrierungsformular vorliegt. Damit wird dem Gedanken des § 9 Abs. 4 WpPG ausreichend Rechnung getragen: Gegen einen Gleichlauf der Gültigkeitsdauer von Prospekt und Registrierungsformular spricht auch die praktische Handhabbarkeit: In der Praxis wird das Registrierungsformular häufig zeitlich versetzt für eine Vielzahl von Prospekten verwendet, deren Gültigkeit allesamt an die Gültigkeitsdauer des Registrierungsformular gekoppelt wäre, was kaum vom Gesetzgeber gewollt gewesen sein kann, da er für Registrierungsformulare eine gesonderte Regelung getroffen hat. Im Fall der Einbeziehung des Registrierungsformulars durch Verweis in einen (Basis-)Prospekt ist die Gültigkeitsbeschränkung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 WpPG für die Einbeziehung ohne unmittelbare Relevanz, es ist aber die Aktualität der in dem Registrierungsformular enthaltenen Informationen zu beachten (vgl. oben Rz. 62). Dementsprechend ist gegebenenfalls ein Nachtrag zu dem (Basis-)Prospekt zu erstellen (vgl. oben Rz. 70). Eine Gültigkeitsbeschränkung des Basisprospekts ist daraus aber nicht abzuleiten, dh. ein Basisprospekt kann grundsätzlich weiterverwendet werden, auch wenn die Gültigkeit des gesondert hinterlegten Registrierungsformulars, das die durch Verweis einbezogenen Emittentenangaben enthält, abgelaufen ist.

75

Auch wenn somit die Gültigkeitsdauer des Prospekts grundsätzlich unabhängig von der Gültigkeitsdauer des Registrierungsformulars ist, ist es in der Praxis sowohl im Fall des dreiteiligen Prospekts als auch im Fall der Einbeziehung des Registrierungsformulars durch in einen (Basis-)Prospekt häufig dennoch ratsam, das Registrierungsformular nach zwölf Monaten zu

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§ 9 WpPG

Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

aktualisieren und das aktualisierte Registrierungsformular mittels eines Nachtrags gemäß § 16 WpPG in die noch „laufenden“ (Basis-)Prospekte „einzubeziehen“, dh. in (Basis-)Prospekte unter denen noch prospektpflichtige Ereignisse stattfinden (zum Sonderproblem der Sammelnachträge siehe unten Rz. 86 f.). Dies ist aufgrund der Regelung in § 9 Abs. 5 WpPG unter Umständen auch nach Ablauf der Gültigkeit dieser (Basis-)Prospekte ratsam. Damit ist sichergestellt, dass alle relevanten Informationen in diesen (Basis-)Prospekten in der aktuellsten Fassung enthalten sind.

VI. Ablauf der Gültigkeit (§ 9 Abs. 5 WpPG) 77

§ 9 Abs. 5 WpPG regelt die Folgen des Ablaufs der Gültigkeit des Prospekts. Nach Ablauf der zwölfmonatigen Gültigkeit darf auf Basis des Prospekts kein neues öffentliches Angebot von Wertpapieren erfolgen oder deren Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt werden. 1. Fortbestehende Angebote nach Ablauf der Gültigkeit

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Entscheidende Bedeutung kommt dem Zusatz „neue“ öffentliche Angebote zu, der im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens auf Initiative des Bundesrats hinzugefügt wurde. Aufgrund der Einschränkung des Verbots auf „neue“ öffentliche Angebote können innerhalb der Zwölfmonatsfrist begonnene öffentliche Angebote nach Ablauf der Zwölfmonatsfrist fortgeführt werden (vgl. oben Rz. 15).

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Nach Ablauf der zwölfmonatigen Gültigkeitsdauer des Prospekts ist es im Fall der Fortführung eines öffentlichen Angebots nicht erforderlich, einen neuen Prospekt zur Billigung einzureichen. Bedeutung hat dies vor allem für die Emission von derivativen Wertpapieren, insbesondere solchen mit einer unbeschränkten Laufzeit (vgl. bereits oben Rz. 10), die von den jeweiligen Anbietern (Emittent oder Vertriebspartnern) fortlaufend öffentlich angeboten werden. Den Interessen der Anleger an der Aktualität der im Prospekt enthaltenen Informationen ist durch die Nachtragspflicht gemäß § 16 WpPG Genüge getan1.

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Für die Anwendbarkeit von § 9 Abs. 5 WpPG ist somit entscheidend, ob ein Angebot nach Ablauf der Gültigkeit fortgeführt wird oder ein neues Angebot beginnt. MaW es müsste ein neuer Prospekt bezüglich der Wertpapiere erstellt werden, wenn nach Ablauf der zwölfmonatigen Gültigkeit des Prospekts ein neues öffentliches Angebot beginnt. In der Praxis ist es häufig der Fall, dass Wertpapiere, insbesondere verbriefte Derivate, in den Freiverkehrshandel einbezogen sind, um einen liquiden Sekundärmarkt zu ermöglichen, und gleichzeitig Werbeaktivitäten stattfinden, zB indem Werbematerialien Anlegern auf der Website des Emittenten zur Verfügung gestellt werden oder neu von Vertriebspartnern aufgelegt werden. Zwar legt § 3 Abs. 2 1 Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1074).

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Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

§ 9 WpPG

Satz 2 WpPG fest, dass jede Weiterveräußerung als ein neues Angebot anzusehen ist. Dies ist jedoch primär in Zusammenhang mit der Frage der Anwendbarkeit der Prospektausnahmevorschriften gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 WpPG zu sehen, insbesondere soll vermieden werden, dass sich ein Anbieter beim Vorliegen eines prospektpflichtigen Angebots auf das Vorliegen einer zu einem früheren Zeitpunkt erfüllten Ausnahmevorschrift beruft.1 Diese Erwägungen sind in der Konstellation des Vertriebs verbriefter Derivate nicht einschlägig, da bereits zu Beginn des Angebots die Prospektpflicht bestand und ein Prospekt, insbesondere in Form von endgültigen Bedingungen unter einem Basisprospekt, vorliegt. Aus der Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 5 WpPG wird auch deutlich, dass es dem Gesetzgeber gerade darum ging, Rechtsunsicherheit in Bezug auf das Gültigkeitsregime insbesondere in den Fällen zu vermeiden, in denen evtl. für ein und dasselbe Wertpapier gegebenenfalls mehrere Prospekte zu veröffentlichen wären2. Regelmäßig ist daher, insbesondere im Fall von verbrieften Derivaten, von einer Fortführung des Angebots auszugehen (vgl. bereits oben Rz. 14). Zu beachten ist dabei, dass die Interessen des Anlegers an dem Zugriff auf aktuelle Informationen dadurch gewahrt wird, dass auch in dem Fall der Fortführung des Angebots die Nachtragspflicht besteht (siehe unten Rz. 82). Letztlich kann damit aus dem Umstand, dass ein Emittent Nachträge zu einem (Basis-)Prospekt auch nach Ablauf der Gültigkeit erstellt, obwohl keine neuen Wertpapiere emittiert werden, gefolgert werden, dass er von einer Fortführung des Angebots ausgeht. Die Frage nach der Gültigkeit stellt sich in der Praxis häufig auch bei einer 81 Aufstockung von Schuldverschreibungsemissionen, dh. dann, wenn weitere Wertpapiere mit identischer technischer und rechtlicher Ausstattung begeben werden. Grundsätzlich ist das Angebot der aufgestockten Wertpapiere als ein neues Angebot anzusehen (vgl. § 6 WpPG Rz. 60). Voraussetzung für das Angebot der aufgestockten Wertpapiere ist daher das Vorhandensein eines gültigen Prospekts. Im Fall von Basisprospekten ist dies entweder der Basisprospekt, unter dem die ursprünglichen Wertpapiere begeben wurden, oder ein neuer Basisprospekt, in den die ursprünglichen Wertpapierbedingungen in der Regel durch Verweis einbezogen werden (vgl. näher § 6 WpPG Rz. 60 ff.). Wendet man § 9 Abs. 5 WpPG in dem Fall an, dass die Wertpapiere noch unter dem Basisprospekt begeben werden sollen, unter dem die ursprünglichen endgültigen Bedingungen erstellt worden sind, dann heißt dies, dass dieser Basisprospekt weiter genutzt werden kann, soweit der Beginn dieses Angebots hinsichtlich des aufgestockten Emissionsvolumens vor dem Auslaufen der Gültigkeit des Basisprospekts liegt und die neuen endgültigen Bedingungen für die aufgestockten Wertpapiere vor dem Zeitpunkt des Auslaufens der Gültigkeitsdauer des Basisprospekts bei der BaFin hinterlegt und veröffentlicht werden3. 1 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 3 WpPG Rz. 67. 2 Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 15/5219, S. 2 (Begründung zu § 9 Abs. 5 WpPG). 3 Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (12).

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§ 9 WpPG 82

Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

Sofern ein öffentliches Angebot nach Ablauf der zwölfmonatigen Gültigkeitsdauer fortgeführt wird, ist zu beachten, dass auch in diesem Fall die Nachtragspflicht besteht (siehe auch oben Rz. 19). Die Regelung in § 9 Abs. 5 WpPG betrifft nur die fortgesetzte Nutzbarkeit eines (Basis-)Prospekts für Angebote, welche vor dem Ablauf der Gültigkeitsdauer begonnen haben. Es kann daraus aber keine Befreiung von der Nachtragspflicht für laufende Angebot abgeleitet werden, dh. es gelten im Hinblick auf die Nachtragspflicht die Bestimmungen, wie wenn das Angebot unter einem noch gültigen (Basis-)Prospekt stattfände. 2. Abweichung von Vorgaben der Prospektrichtlinie

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Die Regelung des § 9 Abs. 5 WpPG beruht nicht auf einer Vorgabe der Prospektrichtlinie. Vielmehr hat der deutsche Gesetzgeber mit dieser Regelung einen Sonderweg eingeschlagen, um Unsicherheiten bezüglich der Gültigkeitsdauer zu vermeiden1. Nicht zuletzt steht dies auch in Zusammenhang mit den Besonderheiten des Marktes für verbriefte Derivate in Deutschland, insbesondere die Zurverfügungstellung eines liquiden Sekundärmarktes über die Börsen in Kombination mit einem hohen Maß an Transparenz über die Website der Emittenten der verbrieften Derivate.

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Die hinter der Regelung in § 9 Abs. 5 WpPG stehende Interpretation der Prospektrichtlinie, nämlich die Nutzbarkeit eines Prospekts für fortgesetzte Angebote über die Zwölfmonatsfrist hinaus, ist im Februar 2007 im Grundsatz auch von CESR bestätigt worden2. Da sich die entsprechende Aussage von CESR aber auf Art. 9 Abs. 3 Prospektrichtlinie bezog, bei dem das Problem aufgrund der ohnehin unbeschränkten zeitlichen Verwendbarkeit der Prospekte reduziert ist, ist diese Aussage allerdings nicht ganz eindeutig.

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Dementsprechend wird in Stellungnahmen im Rahmen des Verfahrens zur Überarbeitung der Prospektrichtlinie (siehe oben Rz. 28 f.) eine entsprechenden Klarstellung auch auf Ebene der Prospektrichtlinie dahingehend gefordert, dass Prospekte für fortlaufende Angebote im Fall von wiederholt und dauerhaft emittierten Wertpapieren für alle Prospektarten weiterverwendet werden können3. Im Kompromissvorschlag der Europäischen Kommission und des Rates v. 28.5.2010 ist eine entsprechende Regelung aber nicht enthalten. Das hängt damit zusammen, dass der Markt für strukturierte Wertpapiere in anderen EWR-Mitgliedsstaaten mit dem deutschen Markt nicht vergleichbar ist und das Angebot von strukturierten Wertpapieren häufig

1 Vgl. Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 15/5219, S. 2 (Begründung zu § 9 Abs. 5 WpPG). 2 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 37. 3 Vgl. die Stellungnahme des Deutschen Derivate Verbands e.V., S. 14. Die Stellungnahme ist abrufbar auf der Webseite des Deutschen Derivate Verbands e.V., http://www.deutscher-derivate-verband.de, unter der Rubrik Wissen . Gesetzgebung . Stellungnahmen.

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§ 9 WpPG

auf eine Zeichnungsphase beschränkt ist, so dass sich die Frage der fortgeführten Angebote nicht in diesem Maße stellt. 3. Sonderproblem: Sammelnachträge Solange unter einem (Basis-)Prospekt noch Wertpapiere in dauernder oder wiederholter Weise angeboten werden, behält der (Basis-)Prospekt für die bereits begonnenen Angebote seine Gültigkeit. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der (Basis-)Prospekt durch Nachträge gemäß § 16 WpPG aktuell gehalten wird (siehe oben Rz. 82).

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Dementsprechend ist es denkbar, dass bei Eintritt eines nachtragspflichtigen Ereignisses bezüglich der Emittenteninformationen ein Emittent eine Vielzahl von (Basis-)Prospekten aktualisieren muss, nämlich alle (Basis-) Prospekte, unter den noch laufende Angebote stattfinden, inklusive der (Basis-)Prospekte, bei denen die Gültigkeitsdauer bereits abgelaufen ist, aber unter denen noch öffentliche Angebote andauern. In der Praxis hat sich in diesem Zusammenhang das Modell der Sammelnachträge herausgebildet, insbesondere in den Fällen, in denen in mehreren (Basis-)Prospekten identische oder ähnliche Informationen nachgetragen werden müssen (zB emittenten- oder garantenspezifische Informationen). Mittels der Sammelnachträge werden die nachtragspflichtigen Informationen in eine Vielzahl von (Basis-)Prospekten eingefügt. Dies geschieht in der Regel dadurch, dass im Sammelnachtrag die nachtragspflichtigen Informationen als Textblock einmal aufgeführt werden und zB in Form einer Tabelle angegeben wird, an welcher Seite in dem jeweiligen (Basis-)Prospekt diese Informationen ergänzt werden.

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4. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 9 Abs. 5 WpPG Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 5 WpPG liegt dann vor, wenn trotz Ablauf der 88 Gültigkeit des Prospekts ein neues Angebot der Wertpapiere oder eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt erfolgt. Die Rechtsfolgen von Verstößen gegen § 9 Abs. 5 WpPG sind nicht in § 9 WpPG geregelt. Vielmehr sind in Abhängigkeit von der konkreten Situation des Verstoßes verschiedene Rechtsfolgen denkbar. Dabei ist allerdings der Fall, dass die Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt nach Ablauf der Gültigkeitsdauer zugelassen werden, in der Praxis nicht relevant, da die für die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt zuständigen Börsen im Fall des Ablaufs der Gültigkeit des Prospekts die beantragte Zulassung von vornherein verweigern werden. In der Praxis ist aber der Fall denkbar, dass nach Ablauf der Gültigkeitsdau- 89 er des Prospekts ein neues öffentliches Angebot erfolgt. Abzugrenzen ist dieser Fall von der Konstellation, dass ein öffentliches Angebot fortgeführt wird (zur Abgrenzung siehe oben Rz. 78 ff.), wobei zu beachten ist, dass auch in der Konstellation der Fortführung eines Angebots über die Gültig-

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Gültigkeit des Prospekts/Basisprospekts/Registrierungsformulars

keitsdauer hinaus die Nachtragspflicht besteht (siehe dazu und zu den Rechtsfolgen oben Rz. 82). Soweit nach Ablauf der Gültigkeit ein neues Angebot beginnt, ist zwischen den öffentlich-rechtlichen Rechtsfolgen (Rz. 90) und den zivilrechtlichen Rechtsfolgen im Verhältnis zwischen Emittent oder Anbieter einerseits und Anleger anderseits (Rz. 91 ff.) zu unterscheiden. 90

Von öffentlich-rechtlicher Seite besteht die Möglichkeit, dass die BaFin das öffentliche Angebot, das ohne einen gültigen Prospekt stattfindet, gemäß § 21 Abs. 4 WpPG untersagt (zur Untersagung im Fall eines Prospekts, dessen Gültigkeitsdauer noch nicht abgelaufen ist, siehe oben Rz. 42). Die Unterlassung der Erstellung eines Nachtrags selbst ist nicht bußgeldbewehrt und das öffentliche Angebot, das ohne einen gültigen Prospekt stattfindet, ist mithin keine Ordnungswidrigkeit. § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG, der vorsieht, dass eine Ordnungswidrigkeit dann vorliegt, wenn ein öffentliches Angebot vorgenommen wird, ohne dass ein Prospekt bereits veröffentlicht wurde, ist in diesem Fall nicht einschlägig, da bei „Auslaufen eines Prospekts“ bereits ein Prospekt veröffentlicht worden ist (siehe näher § 30 WpPG Rz. 25 und § 16 WpPG Rz. 153)1. Sofern allerdings gegen die Untersagungsverfügung der BaFin verstoßen wird, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 2 WpPG dar, die gemäß § 30 Abs. 3 WpPG mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro geahndet werden kann.

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Falls ein neues Angebot unter einem Prospekt, dessen Gültigkeit abgelaufen ist, stattfindet, besteht das Risiko einer Prospekthaftung (siehe zum Verhältnis zwischen Gültigkeit und Prospekthaftung im Allgemeinen oben Rz. 23). Da im Rahmen der Prospektrichtlinie eine Vereinheitlichung der Vorschriften zur Prospekthaftung nicht erfolgt ist, gelten insoweit jeweils die einzelstaatlichen Prospekthaftungsvorschriften. In Deutschland finden sich die spezialgesetzlichen Prospekthaftungsvorschriften in den §§ 44 ff. BörsG bzw. § 13 und § 13a VerkProspG.

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Für den Fall eines neuen Angebots nach Ablauf der Gültigkeitsdauer eines Prospekts besteht keine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Es wird aber diskutiert, ob der Fall eines neuen öffentlichen Angebots nach Ablauf der Gültigkeit des Prospekts mit dem in § 13a VerkProspG geregelten Fall gleichzusetzen ist, dass ein (erstes) Angebot auf der Basis eines fehlenden Prospekts erfolgt2. Die Haftung bei fehlendem Prospekt nach § 13a VerkProspG knüpft daran an, dass entweder gar kein oder ein nicht gebilligter Prospekt veröffentlicht wurde3. Der hier betrachtete Fall ist damit nicht gleichzusetzen, denn es lag zunächst ein gebilligter Prospekt vor, der jedoch infolge Zeitablaufs ungültig geworden ist. Es wäre unbillig, wenn der Anbieter nach § 13a VerkProspG auch dann haftet, wenn der ungültig gewordene Prospekt nach wie vor inhaltlich vollständig und richtig ist. Vielmehr

1 AA Wagner in Holzborn, § 9 WpPG Rz. 20. 2 Vgl. Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 9 WpPG Rz. 42. 3 Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 269 ff.

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§ 10 WpPG

Jährliches Dokument

kommt auch in diesem Fall nur eine Haftung unter den Voraussetzungen des § 13 VerkProspG iVm. §§ 44 ff. BörsG in Betracht1. Im Hinblick auf eine Haftung nach § 13 VerkProspG iVm. §§ 44 ff. BörsG ist aber zu beachten, dass im Fall des Ablaufs der Gültigkeitsdauer die Sechsmonatsfrist nach § 44 Abs. 1 BörsG in aller Regel verstrichen ist (vgl. auch oben Rz. 23), so dass eine Haftung nach den spezialgesetzlichen Prospekthaftungsvorschriften in dieser Konstellation kaum in Betracht kommt. Im Einzelfall kommt daneben eine Haftung des Prospektverantwortlichen 93 aus unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. einem Schutzgesetz in Betracht kommen. Als Schutzgesetz kommt hier insbesondere der Straftatbestand des Kapitalanlagebetrugs (§ 264a StGB) in Betracht2. Hingegen kann ein bloßer Verstoß gegen § 9 Abs. 5 WpPG eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB nicht begründen, da § 9 WpPG die erforderliche Schutzgesetzeigenschaft fehlt3.

§ 10 Jährliches Dokument (1) Ein Emittent, dessen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, hat mindestens einmal jährlich dem Publikum ein Dokument in der in Satz 2 vorgesehenen Weise zur Verfügung zu stellen, das alle Informationen enthält oder auf sie verweist, die der Emittent in den vorausgegangenen zwölf Monaten auf Grund 1. der §§ 15, 15a, 26, 30b Abs. 1 und 2, §§ 30e, 30f Abs. 2, §§ 37v, 37w, 37x, 37y, 37z Abs. 4 des Wertpapierhandelsgesetzes, 2. (aufgehoben) 3. des § 42 Abs. 1 des Börsengesetzes in Verbindung mit einer Börsenordnung oder 4. der den Nummern 1 bis 3 entsprechenden ausländischen Vorschriften veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt hat. Das Dokument ist dem Publikum zur Verfügung zu stellen, indem es entsprechend § 14 Abs. 2 in der dort beschriebenen Weise veröffentlicht wird. (2) Der Emittent hat das Dokument nach der Offenlegung des Jahresabschlusses bei der Bundesanstalt zu hinterlegen. Verweist das Dokument auf Angaben, so ist anzugeben, wo diese zu erhalten sind.

1 So auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 9 WpPG Rz. 39 ff.; aA wohl Wagner in Holzborn, § 9 WpPG Rz. 22. 2 Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 6. 3 So auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 9 WpPG Rz. 45.

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§ 10 WpPG

Jährliches Dokument

(3) Die in Absatz 1 genannte Verpflichtung gilt nicht für Emittenten von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698), geändert durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 5.1.2007 (BGBl. I 2007, 10) und das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16.7.2007 (BGBl. I 2007, 1330). Schrifttum: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument v. 28.6.2006 (http://www.bafin.de unter der Rubrik „Unternehmen . Börsennotierte Unternehmen . Jährliches Dokument“, Stand v. 6.4.2010); Elsen/Jäger, Revision der Prospektrichtlinie? – Ein erster Ausblick, BKR 2008, 459; Elsen/Jäger, Die Konsultation zur Revision der Prospekt-Richtlinie, ZfgK 2009, 236; Elsen/Jäger, Revision der Prospektrichtlinie – Überblick wesentlicher Neuerungen, BKR 2010, 97; European Securities Markets Expert Group (ESME), Position on Article 10 of the Prospectus Directive in relation to the Transparency Directive, 4 June 2008; Götze, Das jährliche Dokument nach § 10 WpPG – eine Bestandsaufnahme, NZG 2007, 570; Kaum/Zimmermann, Das „jährliche Dokument“ nach § 10 WpPG, BB 2005, 1466; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – Zentrale Punkte des neuen Regimes für Wertpapieremissionen, WM 2005, 1068; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BB 2004, 501; Leuering, Prospektpflichtige Anlässe im WpPG, Der Konzern 2006, 4; Schlitt/ Singhof/Schäfer, Aktuelle Rechtsfragen und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251.

Inhaltsübersicht I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . 1. Normentwicklung . . . . . . . . 2. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 4

II. Anwendungsbereich . . . . . .

6

III. Inhalt des jährlichen Dokuments . . . . . . . . . . . . .

9

IV. Aufbau, Form und Sprache des jährlichen Dokuments . . . . . 17 V. Veröffentlichung des jährlichen Dokuments . . . . . . . .

1. Art der Veröffentlichung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG) . . . 2. Veröffentlichungsfrist und -dauer . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 22

VI. Hinterlegung des jährlichen Dokuments bei der BaFin (§ 10 Abs. 2 WpPG) . . . . . . .

24

VII. Verstoß gegen die Pflichten aus § 10 WpPG . . . . . . . . . .

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I. Vorbemerkung 1

Die Vorschrift setzt Art. 10 Prospektrichtlinie um. Durch Art. 10 Prospektrichtlinie ist eine jährliche Informationspflicht für Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, eingeführt worden. Danach sind mindestens einmal jährlich in einem Dokument alle gesetzlich vorgeschriebenen Kapitalmarktinformationen, die ein Emittent in den vergangenen zwölf Monaten veröffentlicht hat, der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Um etwaigen Fragen der Rückwirkung zu begegnen, hatte die BaFin die Veröffentlichung und Hinterlegung des jähr-

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§ 10 WpPG

lichen Dokuments erstmalig für das erste volle Geschäftsjahr, das nach dem 1.7.2005 begonnen hat, verlangt1. Das bedeutete für den Regelfall (Geschäftsjahr gleich Kalendarjahr), dass Emittenten das erste jährliche Dokument für das Geschäftsjahr 2006 nach Veröffentlichung des diesbezüglichen Jahresabschlusses in 2007 erstellen mussten. 1. Normentwicklung Diese Regelung basiert auf einem im Richtlinienentstehungsprozess erziel- 2 ten Kompromiss. Ursprünglich war in Anlehnung an in den USA bestehende Publizitätspflichten („shelf registration“-System)2 eine Pflicht zur jährlichen Aktualisierung der im Prospekt oder im Registrierungsformular enthaltenen Emittentenangaben vorgesehen. Die EU-Kommission wollte hiermit eine jährliche Berichtspflicht vergleichbar dem bei der SEC einzureichenden Jahresbericht nach Form 20-F für foreign private issuers3 oder nach Form 10-K für US-amerikanische Emittenten im Falle von bei der USamerikanischen Securities Exchange Commission (SEC) registrierten Wertpapieren einführen. Mit einer jährlichen Aktualisierung sollten ein angemessenes Niveau an Anlegerinformationen gewährleistet und die laufenden Offenlegungspflichten ergänzt werden4. Eine derartige jährliche Aktualisierungspflicht stieß jedoch bei den Marktteilnehmern auf erhebliche Kritik5. Im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EU-Parlaments (ECON) wurde im Zuge dessen ua. (i) eine freiwillige jährliche Aktualisierung der Emittentenangaben, (ii) eine verpflichtende Aktualisierung der Emittenangaben nur dann, wenn gleichzeitig die Wertpapiere auch in den USA bei der SEC registriert sind, (iii) die Ausnahme von kleineren und mittleren Unternehmen von einer Aktualisierungspflicht und (iv) eine Differenzierung 1 Vgl. BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, V. 2. Zweifelsfragen ergaben sich daraus, dass das jährliche Dokument für die letzten zwölf Monate zu erstellen ist, die Prospektrichtlinie jedoch unterjährig umgesetzt wurde, was bedeutet hätte, dass ein auf 2005 bezogenes jährliches Dokument auch die ersten sechs Monate in 2005 vor Inkrafttreten des WpPG umfasst hätte (so aber die aufsichtsrechtliche Praxis im Vereinigten Königreich und Österreich, wo die Erstellung des jährlichen Dokuments erstmalig für das Geschäftsjahr 2005 verlangt wurde). Teilweise haben auch in Deutschland die Emittenten das jährliche Dokument freiwillig bereits für das Geschäftsjahr 2005 erstellt (Wagner in Holzborn, § 10 WpPG Rz. 14). 2 So auch der Bericht des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments (ECON) v. 27.2.2002 zu dem ersten Kommissionsvorschlag, PE 307.441, A5-0072/2002, S. 56. 3 SEC Regulation C Rule 405. 4 Begründung zu (damals noch) Art. 9, Vorschlag der EU-Kommission v. 30.5.2001 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, KOM/2001/280 endg., ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272. 5 Vgl. Neundörfer, Deutsche Bank Research, Aktuelle Themen Nr. 245 v. 26.11.2002, 8, abrufbar unter http://www.dbresearch.de unter der Rubrik „Publikationen . Aktuelle Themen“.

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nach Wertpapierarten vorgeschlagen1. Auch in dem Geänderten Kommissionentwurf v. 9.8.20022 war weiterhin eine Verpflichtung zu einer jährlichen Aktualisierung vorgesehen, jedoch mit einer Ausnahme von dieser Verpflichtung für Emittenten von Wertpapieren mit einem Nennbetrag von mindestens 50.000 Euro. Zudem sollte es für die jährliche Aktualisierungspflicht kleinerer und mittlerer Unternehmen ausreichend sein, wenn diese ihren Jahresbericht bei der zuständigen Behörde einreichen3. In dem am 24.3.2003 als Gemeinsamer Standpunkt förmlich vom Rat verabschiedeten Kompromisstext, über den der Rat am 5.11.2002 politisches Einvernehmen erzielt hatte, war erstmalig anstelle eines jährlich zu aktualisierenden Registrierungsformulars bzw. Prospekts eine Regelung zum jährlichen Dokument überschrieben mit „Information“ enthalten. Damit wurde die Anknüpfung an das Registrierungsformular und damit an den Prospekt aufgegeben. Systematisch handelt es sich daher bei der Pflicht zur Veröffentlichung des jährlichen Dokuments nicht um eine Prospektpflicht, sondern um eine an eine Börsenzulassung anknüpfende Zulassungsfolgepflicht4. 3

Mit dem am 20.1.2007 in Kraft getretenen Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz5 wurden die bis dahin in § 39 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 BörsG und dem Zweiten Abschnitt der Börsenzulassungsverordnung enthaltenen Transparenz- und Zulassungsfolgepflichten in das WpHG überführt und nach den Vorgaben der Transparenzrichtlinie ausgestaltet. Im Zuge dessen wurden auch die jeweiligen Bezugnahmen auf das Börsengesetz und die Börsenzulassungsverordnung in § 10 WpPG angepasst und § 10 Abs. 1 Nr. 2 WpPG aufgehoben. Durch Art. 13b des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 16.7.20076 wurde zudem § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpPG dahingehend angepasst, dass infolge der Zusammenfassung der beiden gesetzlichen Marktsegmente amtlicher Markt und regelter Markt zum regulierten

1 Vgl. die Änderungsanträge 33, 104, 105 und 106, Entwurf eines Berichts des Berichterstatters Christopher Huhne des Wirtschafts- und Währungsausschusses (ECON) v. 23.11.2001, PE 307.441, S. 26 f. sowie weitere, dazugehörige Änderungsanträge v. 4.2.2002, PE 307.441/60-138. 2 Geänderter Vorschlag der EU-Kommission v. 9.8.2002, KOM(2002) 460 endg., ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122; vgl. Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (509). 3 Geänderter Vorschlag der EU-Kommission v. 9.8.2002, KOM(2002) 460 endg., ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 132, 146. 4 Leuring, Der Konzern 2006, 4 (10); Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 10 WpPG Rz. 7; vgl. auch Götze/Wunderlich in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 11 Rz. 1. 5 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG) v. 5.1.2007, BGBl. I 2007 v. 10.1.2007, 10 ff. 6 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 16.7.2007, BGBl. I 2007 v. 19.7.2007, 1330 ff.

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Markt die Bezugnahme auf § 54 BörsG gestrichen und der Verweis auf § 42 Abs. 1 BörsG konkretisiert wurde. 2. Ausblick Im Zuge der Überprüfung der Regelungen der Prospektrichtlinie nach Ab- 4 lauf von fünf Jahren (Art. 31 Prospektrichtlinie) hat die EU-Kommission am 23.9.2009 einen Vorschlag zur Änderung der Prospektrichtlinie vorgelegt, der ua. die Streichung des Art. 10 Prospektrichtlinie und damit das ersatzlose Entfallen des jährlichen Dokuments vorsieht. Dies wird damit begründet, dass nach Inkrafttreten der Transparenzrichtlinie (Richtlinie 2004/109/EG)1 und deren Implementierung in nationales Recht für das Erstellen eines jährlichen Dokuments kein Informationsbedürfnis mehr besteht, da dieses nur zu einer Duplizierung von Kapitalmarktinformationen führe2. Hinzu kommt die bereits im Entstehungsprozess der Prospektrichtlinie3 und auch fortlaufend geäußerte nachhaltige Kritik aus dem Markt an der Verdopplung von Informationen ohne zusätzlichen Nutzen für die Marktteilnehmer sowie das erklärte Ziel, administrative Kosten zu senken4. Zu berücksichtigen ist auch, dass börsennotierte Unternehmen die von ihnen veröffentlichten Informationen nach § 8b Abs. 2 HGB an das elektronische Unternehmensregister5 übermitteln müssen und diese dort zum kostenlosen Abruf zur Verfügung stehen, auch wenn diese Informationen mit den nach § 10 Abs. 1

1 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem regulierten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. 2 Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Prospektrichtlinie v. 23.9.2009, COM(2009) 491 final, S. 9, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/ unter der Rubrik „Der Binnenmarkt für Kapital . Wertpapiere . Wertpapierprospekte“. 3 Vgl. etwa Deutsches Aktieninstitut e.V., Stellungnahme v. 2.9.2002, NZG 2002, 1100. 4 Elsen/Jäger, BKR 2010, 97 (99); Elsen/Jäger, BKR 2008, 459 (460 ff.). 5 Das Unternehmensregister (https://www.unternehmensregister.de/ureg/) wurde zum 1.1.2007 durch das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) v. 10.11.2006 (BGBl. I 2006 v. 15.11.2006, 2553) eingeführt. Die Einführung des Unternehmensregisters basiert auf Art. 21 Abs. 2 iVm. Art. 2 Abs. 1 lit. k der Transparenzrichtlinie (Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG v. 15.12.2004, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38) sowie auf Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 der geänderten Publizitätsrichtlinie (Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2003 zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EU Nr. L 221 v. 4.9.2003, S. 13).

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WpPG aufzunehmenden Angaben nicht ganz deckungsgleich1 sind. Dementsprechend hatten auch der Abschlussbericht zur Studie des Centre for Strategy & Evaluation Services (CSES) zu den Auswirkungen des Prospektregimes auf die Finanzmärkte in der EU2, der Bericht von CESR betreffend das Funktionieren der Prospektrichtlinie und der ProspektVO3 sowie Berichte der von der EU-Kommission eingesetzten European Securities Markets Expert Group (ESME) festgestellt, dass der Nutzen des jährlichen Dokuments, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Transparenzrichtlinie, den Aufwand nicht rechtfertige und Art. 10 Prospektrichtlinie ersatzlos zu streichen ist4. Auch der ECOFIN-Rat5, der Bericht des Wirtschafts- und Währungsausschusses des EU-Parlaments6 und die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA)7 haben keine Bedenken hinsichtlich der Abschaffung des jährlichen Dokuments geäußert bzw. eine Aufhebung des Art. 10 Prospektrichtlinie begrüßt. Auch das vom Ausschuss der ständigen Vertreter (COREPER) Anfang Juni 2010 gebilligte Schreiben des Rates an das Europäische Parlament sieht vor, dass Art. 10 Prospektrichtlinie gestrichen wird8. 1 Vgl. hierzu Götze/Wunderlich in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 11 Rz. 2 Fn. 5. 2 Centre for Strategy & Evaluation Services (CSES), Study on the Impact of the Prospectus Regime on EU Financial Markets v. Juni 2008, S. 54, 67, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/prospectus/cses_report_en.pdf. 3 CESR’s Report on the supervisory functioning of the Prospectus Directive and Regulation v. Juni 2007, CESR/07-225, Rz. 164–168, 249. 4 ESME, Position on Article 10 of the Prospectus Directive in relation to the Transparency Directive v. 4.6.2008, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/esme/position_prospectus_directive_en.pdf; ESME, Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading – Report – v. 5.9.2007, Annex S. 21, abrufbar unter http://ec.europa.eu/ internal_market/securities/docs/esme/05092007_annex_en.pdf. 5 Kompromissentwurf der schwedischen Ratspräsidentschaft v. 11.12.2009, 2009/0132(COD), 17451/09, EF 196, ECOFIN 87, DRS 79, CODEC 1447, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/en//09/st17/st17451.en/09.pdf. 6 Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europäischen Parlaments (Berichterstatter Wolf Klinz) v. 26.3.2010 mit Änderungsanträgen zu dem Kommissionsentwurf, PE 431.183v02-00, A7-0102/2010 Dossier ECON/7/01050, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/ getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A7-2010-0102+0+DOC+PDF+ V0//EN. 7 Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2003/71/EG und 2004/109/EG, ECO 270 „Wertpapierprospekt“ v. 19.2.2010, Tz. 3.2.9.1 Der EWSA begrüßt den Vorschlag zur Aufhebung von Artikel 10 der Richtlinie, da die Pflicht zur Veröffentlichung aller Informationen der letzten zwölf Monate, die ja bereits zur Verfügung gestellt wurden, dem Emittenten unnötige Mehrkosten verursachen, ohne dem Anleger irgendeinen Nutzen zu bringen (abrufbar unter http://eescopinions.eesc.europa.eu/eescopiniondocument.aspx?language=de&docnr=257&year=2010). 8 Dokument v. 28.5.2010, S. 29, 2009/132(COD), 10254/10, EF 49, ECOFIN 314, DRS 18, CODEC 480, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/ 10/st10/st10254.en10.pdf.

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Eine Verabschiedung der Änderungsrichtlinie ist bis Mitte des Jahres 2010 5 in erster Lesung unter der spanischen Ratspräsidentschaft geplant, wobei regelmäßig noch ein gewisser Zeitraum verstreicht, bis eine Richtlinie im EU-Amtsblatt veröffentlicht wird und dann nach der in Art. 4 des Entwurfs der Änderungsrichtlinie vorgesehenen Frist von 20 Tagen nach Veröffentlichung in Kraft tritt. Die Änderungsrichtlinie soll nach dem Vorschlag der EU-Kommission innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten umgesetzt werden (Art. 3 des Entwurfs der Änderungsrichtlinie). Der Rat hat vorgeschlagen, den Umsetzungszeitraum auf 18 Monate nach Inkrafttreten zu erweitern1. Auf der Grundlage des aktuellen Zeitplans ist dementsprechend zu erwarten, dass die Pflicht zur Veröffentlichung des jährlichen Dokuments spätestens im zweiten Quartal 2012 entfällt. Die Pflicht zur Veröffentlichung des jährlichen Dokuments gilt grundsätzlich so lange, wie die nationalen Gesetze zur Umsetzung der Prospektrichtlinie diese Änderung noch nicht entsprechend umgesetzt haben. Daher können sich in den Mitgliedstaaten durchaus unterschiedliche Zeitpunkte der Abschaffung des jährlichen Dokuments ergeben.

II. Anwendungsbereich Die Pflicht zur Veröffentlichung des jährlichen Dokuments gilt nach § 10 6 Abs. 1 Satz 1 WpPG für jeden Emittenten, dessen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Da es sich bei der Pflicht zur Veröffentlichung des jährlichen Dokuments nicht um eine Prospektpflicht, sondern um eine an eine Börsenzulassung anknüpfende Zulassungsfolgepflicht handelt, besteht diese Pflicht nur dann, wenn Wertpapiere des Emittenten zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Hat ein Emittent also lediglich Wertpapiere öffentlich angeboten, ohne dass eine Börsenzulassung erfolgt ist, dann unterliegt er nicht der Veröffentlichungspflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG. Gleiches gilt, wenn die Wertpapiere lediglich in den Handel im Freiverkehr einbezogen sind, da es sich bei dem Freiverkehr nicht um einen organisierten Markt (§ 2 Nr. 16 WpPG) handelt (vgl. die Kommentierung zu § 2 WpPG Rz. 89 ff.). Ungeachtet der territorial nicht begrenzten Definition des organisierten Marktes in § 2 Nr. 16 WpPG werden bei richtlinienkonformer Auslegung nur solche organisierten Märkte erfasst, die im Bereich der EU bzw. des EWR liegen. So verweist Art. 2 Abs. 1 lit. j der Prospektrichtlinie, dessen Umsetzung § 2 Nr. 16 WpPG dient, auf den „regulated market“ iS der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie2, was

1 General Approach of the Council of the European Union v. 4.2.2010, 2009/0132(COD), 17451/1/09 REV 1, EF 196, ECOFIN 87, DRS 79, CODEC 1447, S. 30, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st06/st06104. en10.pdf. 2 Richtlinie 93/22/EWG des Rates v. 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27; ebenso Wagner in Holzborn, § 10 WpPG Rz. 6.

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nunmehr als Bezugnahme auf die MiFID (Richtlinie 2004/39/EG v. 21.4.2004)1 zu lesen ist (Art. 69 MiFID). Nicht erforderlich ist, dass es sich um einen organisierten Markt in Deutschland handelt. Entscheidend ist das Herkunftsstaatprinzip, dh. ob der Herkunftsmitgliedstaat des Emittenten (zumindest auch) Deutschland ist. Der Begriff des Emittenten umfasst zwar nach dem Wortlaut von § 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG jeden Emittenten von Wertpapieren, unabhängig davon, wo er seinen Sitz hat oder welcher Herkunftsmitgliedstaat für diesen Emittenten maßgeblich ist. Es ist jedoch ersichtlich nicht der Zweck des § 10 WpPG, entsprechende Veröffentlichungspflichten unabhängig von einem Bezug zu Deutschland und der prospektrechtlichen Zuständigkeit der BaFin zu regeln. Letztere knüpft aber daran an, dass Deutschland für den betreffenden Emittenten der Herkunftsmitgliedstaat ist (§ 2 Nr. 13 WpPG). Hat ein Emittent aufgrund öffentlicher Angebote oder Börsenzulassungen verschiedener Wertpapiere in unterschiedlichen Jurisdiktionen mehr als einen Herkunftsmitgliedstaat2, genügt die Veröffentlichung eines jährlichen Dokuments nach den Vorschriften anderer Rechtsordnungen nicht, sondern er hat in jedem Fall auch ein jährliches Dokument nach Maßgabe von § 10 WpPG zu erstellen3, dh. es sind ggf. mehrere jährliche Dokumente nach dem jeweils gültigen Recht zu erstellen. 7

Für bestimmte Emittenten gibt es Ausnahmeregelungen mit der Folge, dass diese kein jährliches Dokument erstellen müssen. So gilt die Veröffentlichungspflicht des § 10 Abs. 1 WpPG gemäß § 10 Abs. 3 WpPG nicht für Emittenten von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro. Dies betrifft insbesondere Anleiheemittenten, die ausschließlich Anleihen mit entsprechend großer Mindeststückelung (WholesaleEmissionen) emittieren. Darüber hinaus gilt die Pflicht, ein jährliches Dokument zu veröffentlichen, auch nicht für solche Emittenten, die von vornherein nicht dem Anwendungsbereich des WpPG unterfallen. Dies betrifft sämtliche Emittenten, auf die das WpPG gemäß § 1 Abs. 2 WpPG keine Anwendung findet, so dass in diesen Fällen trotz Zulassung an einem organisierten Markt kein jährliches Dokument zu erstellen ist4.

8

Hat ein Emittent infolge eines Delisting keine Wertpapiere mehr an einem organisierten Markt zugelassen, endet die Pflicht zur Erstellung eines jährlichen Dokuments im Zeitpunkt des Delisting. Es besteht keine Pflicht zur Veröffentlichung eines jährlichen Dokuments für das abgelaufene Ge1 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1 ff. 2 Aufgrund der in § 2 Nr. 13 lit. b WpPG vorgesehenen Möglichkeit, für bestimmte Wertpapiere den Herkunftsmitgliedstaat wählen zu können, kann ein Emittent mehrere Herkunftsmitgliedstaaten haben. 3 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, I. 3. 4 Kritisch zur gesetzgeberischen Konzeption Wagner in Holzborn, § 10 WpPG Rz. 6.

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schäftsjahr, wenn bei Ablauf der Frist zur Veröffentlichung und Hinterlegung die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt nicht mehr besteht1. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG („zugelassen sind“) als auch aus dem Sinn und Zweck der Informationspflicht, die an eine aktuell noch bestehende Börsenzulassung anknüpft, weil nur in diesem Fall ein Handel an einem organisierten Markt erfolgt und die Anleger ein entsprechendes Informationsbedürfnis haben2.

III. Inhalt des jährlichen Dokuments Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG muss das jährliche Dokument Informationen enthalten oder auf sie verweisen, die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 WpPG aufgeführt sind und in den vorausgegangenen zwölf Monaten veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt wurden. Der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 WpPG enthaltene Katalog aufzunehmender oder per Verweis einzubeziehender Informationen umfasst insbesondere die Transparenz- und Zulassungsfolgepflichten des WpHG (Nr. 1), die weitergehenden Zulassungsfolgepflichten für bestimmte Segmente des regulierten Marktes (Nr. 3) sowie entsprechende ausländische Vorschriften (Nr. 4). Der Katalog ist abschließend, so dass etwa die Entsprechenserklärung nach dem Deutschen Corporate Governance Kodex oder Informationen, die nach dem WpPG (zB Nachträge gemäß § 16 WpPG) veröffentlicht wurden, nicht in das jährliche Dokument aufzunehmen sind3.

9

Der umfangreiche Katalog von Transparenz- und sonstigen Zulassungsfolge- 10 pflichten gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpPG umfasst im Einzelnen folgende Informationen: – Ad-hoc-Mitteilungen, § 15 WpHG – Mitteilungen über Directors’ Dealings, § 15a WpHG – Mitteilungen über bedeutende Stimmrechtsanteile (gemäß den §§ 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1a, 25 Abs. 1 Satz 1 WpHG), § 26 WpHG – bei Aktien: – Einberufung der Hauptversammlung, § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpHG – Mitteilungen über die Ausschüttung und Auszahlung von Dividenden, § 30 Abs. 1 Nr. 2 WpHG – Mitteilungen über die Ausgabe neuer Aktien, § 30b Abs. 1 Nr. 2 WpHG – Mitteilungen über die Ausübung von Umtausch-, Bezugs- und Zeichnungsrechten, § 30b Abs. 1 Nr. 2 WpHG – bei Anleihen: – Einberufung der Versammlung der Schuldverschreibungsinhaber, § 30b Abs. 2 Nr. 1 WpHG

1 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, I. 5. 2 Ebenso Wagner in Holzborn, § 10 WpPG Rz. 15. 3 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, II. 2. und 6.

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– Ausübung von Umtausch-, Zeichnungs- und Kündigungsrechten, § 30b Abs. 2 Nr. 2 WpHG jede Änderung der mit den Wertpapieren verbundenen Rechte und die Aufnahme von Anleihen, § 30e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG, bzw. gleichwertige Drittstaateninformationen, § 30f Abs. 2 WpHG Informationen, die der Emittent in einem Drittstaat veröffentlicht hat und die für die Öffentlichkeit in der EU und dem EWR von Bedeutung sein können, § 30e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG Jahresfinanzbericht, Konzernabschluss, Lagebericht, Konzernlagebericht und Bilanzeid1, § 37v, § 37y Nr. 1 WpHG Halbjahresfinanzbericht, § 37w, § 37y Nr. 2 WpHG (freiwillige) Quartalsfinanzberichte oder Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung, § 37x, § 37y Nr. 3 WpHG.

11

Die BaFin bezieht sich in Abschnitt I. 1 ihres Dokuments „Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument“ noch auf die vor Umsetzung der Transparenzrichtlinie geltenden Vorschriften des Börsengesetzes und der Börsenzulassungsverordnung. Dabei führt sie ua. noch die Mitteilungen über beabsichtigte Satzungsänderungen bzw. beabsichtigte Änderungen der Rechtsgrundlage des Emittenten auf (§ 39 Abs. 2 BörsG aF iVm. § 64 BörsZulV aF). Da der durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz als Nachfolgevorschrift in das WpHG eingefügte § 30c WpHG jedoch in dem Katalog des § 10 Abs. 1 Nr. 1 WpPG nicht aufgeführt ist, sind derartige Mitteilungen nicht mehr in das jährliche Dokument aufzunehmen2.

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Zu den nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpPG in das jährliche Dokument aufzunehmenden Informationen, die nach § 42 Abs. 1 BörsG iVm. einer Börsenordnung veröffentlicht worden sind, gehören die Zulassungsfolgepflichten für bestimmte Segmente eines regulierten Marktes. Hierzu zählt etwa die Veröffentlichung von Quartalsberichten und des Unternehmenskalenders nach den für das Prime Standard-Segment der Frankfurter Wertpapierbörse geltenden Bestimmungen der Börsenordnung3 (§§ 66, 67 BörsO FWB)4. Die nach § 69 BörsO FWB zu veröffentlichende Ad-hoc-Mitteilung in englischer Sprache muss jedoch nicht zusätzlich zu der Mitteilung in deutscher Sprache in das jährliche Dokument aufgenommen werden5. Gleiches dürfte

1 Erklärung gemäß §§ 264 Abs. 2 Satz 3, 289 Abs. 1 Satz 5 HGB und gemäß §§ 297 Abs. 2 Satz 4, 315 Abs. 1 Satz 6 HGB. 2 Ebenso Götze/Wunderlich in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 11 Rz. 16; anders offenbar Wagner in Holzborn, § 10 WpPG Rz. 18 und 21. 3 Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse, Stand 8.3.2010. 4 Als weiteres Segment kann das Marktsegment M:access der Münchener Börse genannt werden, soweit die Wertpapiere zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind (§ 3a Abs. 3 Börsenordnung für die Börse München, Stand 5.12.2009 iVm. §§ 1, 6 Abs. 2 Regelwerk für das Marktsegment M:access an der Börse München, Stand 26.2.2010). 5 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, II. 3.

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für die nach § 66 Abs. 3 Satz 1 BörsO FWB auch in englischer Sprache zu veröffentlichenden Halbjahres- und Quartalsfinanzberichte gelten. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpPG sind Informationen, die nach den 13 Nummern 1 bis 3 entsprechenden ausländischen Vorschriften veröffentlicht worden sind, in das jährliche Dokument aufzunehmen. Diese Regelung bezieht sich nicht nur auf Vorschriften von EU- und EWR-Staaten, sondern umfasst auch entsprechende Vorschriften von Drittstaaten, in denen die Wertpapiere des Emittenten zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (zur Anwendung auf Drittstaatenvorschriften vgl. auch Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Prospektrichtlinie). Voraussetzung ist jedoch immer, dass die Wertpapiere auch an einem organisierten Markt innerhalb der EU bzw. des EWR zugelassen sind1. Zu den vergleichbaren Informationen aufgrund einer Zulassung in einem Drittstaat gehört etwa der jährliche Bericht von ausländischen Emittenten (foreign private issuers) nach Form 20-F2. Die Pflicht zur Aufnahme von Informationen, die nach ausländischen Vorschriften veröffentlicht wurden, kann zu einer doppelten Aufnahme von letztlich identischen Informationen führen, da auch § 10 Abs. 1 Nr. 1 WpPG teilweise auf Informationen verweist, die nach ausländischen Vorschriften veröffentlicht wurden (§§ 30f Abs. 2, 37z Abs. 4 Satz 2 WpHG). Unterschiede können sich in diesen Fällen allerdings insoweit ergeben, als die Informationen nach §§ 30f Abs. 2, 37z Abs. 4 Satz 2 WpHG in deutscher oder englischer Sprache veröffentlicht worden sind (§ 3b WpAIV), während die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpPG aufzunehmenden, nach ausländischen Vorschriften veröffentlichten Informationen in ihrer Originalsprache und ohne Übersetzung in das jährliche Dokument aufgenommen werden können3. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Prospektrichtlinie verweist darüber hinaus noch auf In- 14 formationen, die nach den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (und damit auch der Ersten Publizitätsrichtlinie4) veröffentlicht wurden. Dementsprechend sah auch der Regierungsentwurf in § 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG-RegE5 noch vor, dass der Emittent zum Handelsregister bzw. einem entsprechenden ausländischen Register anzumeldende Tatsachen oder einzureichende Unterlagen in das jährliche Dokument aufzunehmen sind, soweit sie nicht ohnehin bereits nach den übrigen Katalogtatbeständen veröffentlicht waren. Zudem führte der Regierungsentwurf in der Begründung zu § 10 Abs. 1

1 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, II. 4. 2 Götze/Wunderlich in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 11 Rz. 14. 3 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, IV. 4. 4 Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9.3.1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften iS des Art. 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, ABl. EG Nr. L 65 v. 14.3.1968, S. 8. 5 BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 11; vgl. auch die Begründung zum RegE, die auf die Publizitätsrichtlinie verweist, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 33.

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Satz 1 Nr. 4 WpPG-RegE sämtliche gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (auch die Publizitätsrichtlinie) einzeln auf, um den Kreis der entsprechenden ausländischen Vorschriften zu beschreiben. Die Bezugnahme auf die zum Handelsregister anzumeldenden Tatsachen und einzureichenden Unterlagen in § 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG-RegE wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren jedoch gestrichen1. Dies wurde – sehr verkürzt – damit begründet, dass alle kursrelevanten Informationen bereits durch die Aufnahme von Ad-hoc-Mitteilungen gemäß § 15 WpHG in das jährliche Dokument abgedeckt seien. Vor diesem Hintergrund wird verschiedentlich die Auffassung vertreten, dass Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Prospektrichtlinie nicht vollständig in deutsches Recht umgesetzt worden sei2. Hier ist jedoch zu bedenken, dass die Nennung der verschiedenen Richtlinien in Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Prospektrichtlinie lediglich der Konkretisierung von Art 10 Abs. 1 Satz 1 Prospektrichtlinie dient, der ausdrücklich nur die Aufnahme von kapitalmarkt- und wertpapierrechtlichen Informationen in das jährliche Dokument verlangt. Es entspricht daher dem Konzept von Art. 10 Abs. 1 Prospektrichtlinie, wenn der Gesetzgeber auf eine Vermengung von kapitalmarktrechtlicher Information mit dem (auch im europäischen Ausland in dieser Form oft nicht existenten) Registerrecht verzichtet und damit eine unnötige Informationsflut (Änderungen der Prokura etc.) verhindert hat3. 15

Die in das jährliche Dokument aufzunehmenden Informationen müssen in den vorausgegangenen zwölf Monaten veröffentlicht worden sein. Nach Auffassung der BaFin ist es ausreichend, wenn der Emittent solche Informationen in das jährliche Dokument aufnimmt, die im abgelaufenen Geschäftsjahr veröffentlicht worden sind. Ein nach Ablauf des Geschäftsjahres veröffentlichter Jahresabschluss gehört nicht zu den verpflichtend in das jährliche Dokument aufzunehmenden Informationen, wobei eine freiwillige Aufnahme zur Abrundung des Gesamtbildes aber möglich ist4. Des Weiteren müssen die Informationen veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt worden sein. So sind etwa Informationen, die lediglich der Geschäftsführung der Börse übermittelt worden sind, nicht zwingend in das

1 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 17). Die Streichung war bereits vom Bundesrat vorgeschlagen worden (BR-Drucks. 85/05, S. 4 Nr. 6). 2 Götze, NZG 2005, 570 (572); Götze/Wunderlich in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 11 Rz. 17; Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 10 WpPG Rz. 25 f.; Leuering, Der Konzern 2006, 4 (10). 3 Ausführlich hierzu Deutsches Aktieninstitut e.V., Stellungnahme v. 8.4.2005 für den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages zu dem Regierungsentwurf eines Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes, S. 11 f., abrufbar unter http://www.dai.de unter der Rubrik „Publikationen . Stellungnahmen . 2005“; siehe auch Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1074) und Wagner in Holzborn, § 10 WpPG Rz. 17, die eine Aufnahme rein registerrechtlicher Informationen als zu weitgehend und von der Prospektrichtlinie nicht gefordert ansehen. 4 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, II. 7.

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jährliche Dokument aufzunehmen1. Gleiches gilt für etwaige Mitteilungen, die nur an die BaFin übermittelt wurden2. Nach Art. 27 Abs. 3 ProspektVO muss das jährliche Dokument ggf. einen Hinweis auf veraltete Informationen enthalten. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass das jährliche Dokument lediglich eine Zusammenstellung der in den vergangenen zwölf Monaten veröffentlichten Informationen darstellt und die Informationen daher nicht notwendigerweise noch aktuell sind. Es besteht weder bei Erstellung des jährlichen Dokuments noch nach dessen Veröffentlichung ein Aktualisierungsgebot, was auch in dem Hinweis gemäß Art. 27 Abs. 3 ProspektVO zum Ausdruck kommt. Die BaFin hat für diesen Hinweis ein Formulierungsbeispiel veröffentlicht3.

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IV. Aufbau, Form und Sprache des jährlichen Dokuments Aufbau und Gliederung des jährlichen Dokuments sind nicht gesetzlich 17 vorgeschrieben, so dass insoweit erhebliche Flexibilität besteht. Darüber hinaus ist nicht erforderlich, dass die betreffenden Informationen in das jährliche Dokument unmittelbar aufgenommen werden. Möglich ist auch, dass das jährliche Dokument auf anderweitig veröffentlichte Informationen verweist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG). In diesem Fall ist gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 WpPG anzugeben, wo die betreffenden Angaben zu erhalten sind. Das jährliche Dokument kann daher im Wesentlichen aus einer Liste von Verweisen bestehen. Hinsichtlich der Form der Verweise bestehen keine konkreten gesetzlichen Vorgaben. Da das jährliche Dokument kein Prospekt ist, finden § 11 WpPG und die Artt. 28, 29 ProspektVO auf Verweise, die im jährlichen Dokument enthalten sind, keine Anwendung4. Die BaFin hat jedoch einen Anforderungskatalog entwickelt, der konkrete Grundsätze und Anforderungen enthält, die insbesondere an die allgemeinen Anforderungen der Verständlichkeit und des leichten Zugangs nach den Artt. 28, 29 ProspektVO angelehnt sind. So sollen Verweise möglichst nah an die Information, auf die verwiesen wird, heranführen, bei Hyperlinks für den Fall etwaiger Funktionsstörungen nach Möglichkeit auch den Pfad angeben und die einzelne Information und deren Datum (oder sonstige Unterscheidungsmerkmale) konkret angeben5 (Unzulässigkeit von Pauschalverweisen zu einem Themengebiet auf einer bestimmten Webseite). Bei Einhaltung dieser Anforderungen sind Hyperlinks und Verweise auf Inter-

1 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, II. 5; Hamann in Schäfer/Hamann, § 10 WpPG Rz. 9. 2 Leuering, Der Konzern 2006, 4 (10). 3 Das Formulierungsbeispiel ist abgedruckt in BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, VI. 4 Ebenso Kaum/Zimmermann, BB 2005, 1466 (1467); Wagner in Holzborn, § 10 WpPG Rz. 25; Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 10 WpPG Rz. 33 ff. 5 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, IV. 1. mit Formulierungshinweisen.

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netseiten Dritter zulässig. Der Verweis auf eine Internetseite oder -fundstelle muss jedoch grundsätzlich während der gesamten Dauer der Veröffentlichung des jährlichen Dokuments funktionieren bzw. es sollte ggf. ein Hinweis erfolgen, dass sämtliche Informationen auch in gedruckter Form zur kostenlosen Ausgabe bereitgehalten werden1 (siehe Rz. 21). Im Fall von Directors’ Dealings-Mitteilungen, die nach § 15a WpHG für die Dauer von mindestens einem Monat zu veröffentlichen sind, wird die Mitteilung im Internet ggf. nicht mehr verfügbar sein, so dass insoweit von vornherein auf das Bereithalten zur kostenlosen Ausgabe zu verweisen ist2. Bei Verweisen auf Bekanntmachungen in Zeitungen sind zumindest der Name der Zeitung, das Erscheinungsdatum und nach Möglichkeit auch die Seitenzahl anzugeben3. Auch eine Kombination von Verweisen auf verschiedene Medien ist zulässig. Dies gilt auch für Informationen derselben Kategorie wie etwa Verweise auf Stimmrechtsmitteilungen nach § 25 WpHG, die zT auf einer Webseite und zT in einer Zeitung veröffentlicht sind4. Möglich ist schließlich auch ein allgemeiner Verweis darauf, dass sämtliche Informationen zur kostenlosen Ausgabe beim Emittenten bereitgehalten werden, sofern das jährliche Dokument eine Liste der betreffenden Informationen enthält5. Hat der Emittent in den vergangenen zwölf Monaten zu einzelnen Informationskategorien keine Veröffentlichungen vorgenommen, ist er nicht verpflichtet, eine entsprechende Negativerklärung in das jährliche Dokument aufzunehmen6. 19

Hinsichtlich der Sprache, in der das jährliche Dokument zu veröffentlichen ist, enthält weder das WpPG noch die ProspektVO spezifische Vorgaben. Die BaFin verlangt, dass das jährliche Dokument in deutscher Sprache erstellt wird7. Teilweise wird unter Hinweis auf das Sprachenregime bei Prospekten gemäß § 19 WpPG vertreten, dass auch eine Abfassung des jährlichen Dokuments in englischer Sprache möglich sein muss8. Da die Aufnahme von Verweisen auf andere Dokumente möglich ist und auch die BaFin nicht verlangt, dass Dokumente, auf die verwiesen wird und die ursprünglich in einer anderen Sprache veröffentlicht worden sind, übersetzt werden9, ist auch die Auffassung der BaFin jedenfalls dann praktikabel, wenn das jährliche Dokument aus einer Liste von Verweisen besteht, was in der Praxis der Regelfall ist.

1 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, IV. 1. mit Formulierungsbeispiel. 2 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, IV. 1. 3 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, IV. 1. 4 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, IV. 1. 5 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, IV. 1. 6 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, IV. 3. Die BaFin spricht hier von einer Fehlanzeige, die nicht erforderlich sei. 7 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, IV. 4. 8 Wagner in Holzborn, § 10 WpPG Rz. 27. 9 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, IV. 4.

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§ 10 WpPG

V. Veröffentlichung des jährlichen Dokuments Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG hat der Emittent das jährliche Dokument 20 dem Publikum mindestens einmal jährlich zur Verfügung zu stellen. Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG („mindestens“) können demnach auch mehrere Dokumente pro Jahr veröffentlicht werden. Demgegenüber sprechen der Wortlaut der Überschrift des § 10 WpPG wie auch der Bezug auf die vergangenen zwölf Monate (§ 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG) sowie die zeitliche Anknüpfung an die Veröffentlichung des Jahresabschlusses gemäß Art. 27 Abs. 2 ProspektVO dafür, dass sowohl den europäischen als auch den deutschen Regelungen das Konzept eines einmal pro Jahr zu veröffentlichenden Dokuments zugrunde liegt1. In der Praxis wird dieses Dokument daher regelmäßig einmal pro Jahr veröffentlicht. 1. Art der Veröffentlichung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG) Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG, Art. 27 Abs. 1 ProspektVO ist das jährliche 21 Dokument in einer der in § 14 Abs. 2 WpPG vorgesehenen Arten zu veröffentlichen. Da Art. 27 Abs. 1 ProspektVO als unmittelbar geltendes Recht bereits auf die Veröffentlichungsformen nach Art. 14 Prospektrichtlinie verweist, wäre die Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG und die darin enthaltene Bezugnahme auf § 14 Abs. 2 WpPG nicht zwingend erforderlich gewesen (so auch noch der Diskussionsentwurf des BMF für das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz)2. Obwohl der Emittent Adressat der Veröffentlichungspflicht nach § 10 Abs. 1 WpPG ist (vgl. auch Art. 10 Abs. 1 Prospektrichtlinie), kann die Veröffentlichung des jährlichen Dokuments nicht nur durch den Emittenten selbst, sondern – wie in Art. 27 Abs. 1 ProspektVO vorgesehen – auch durch den Anbieter oder den Zulassungsantragsteller erfolgen. Emittent, Anbieter oder Zulassungsantragsteller können dabei zwischen den Veröffentlichungsformen des § 14 Abs. 2 WpPG wie etwa dem Abdruck des jährlichen Dokuments in einer Zeitung, der kostenlosen Bereithaltung in gedruckter Form beim Emittenten oder der Veröffentlichung auf der Internetseite des Emittenten wählen3. Da § 10 Abs. 1 Satz 2 1 Hierzu auch Leuering, Der Konzern 2006, 4 (11). 2 Im Sinne einer konsistenten Handhabung der Veröffentlichungsformen nach deutschem Recht und der Vermeidung einer direkten Anwendung von Art. 14 Prospektrichtlinie erscheint die Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG zwar durchaus sinnvoll. Allerdings kann dies dazu führen, dass unmittelbar geltendes EU-Recht und die Regelungen des WpPG inhaltlich voneinander abweichen, wenn und soweit Art. 14 Abs. 2 Prospektrichtlinie und § 14 Abs. 2 WpPG im Detail nicht vollständig übereinstimmen. 3 Auch die übrigen Veröffentlichungsformen wie die Veröffentlichung über die Website der Börse stehen grundsätzlich zur Verfügung. Eine Veröffentlichung per „Pressemitteilung“ (die von Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 10 WpPG Rz. 46 und Schlitt/Singhoff/Schäfer, BKR 2005, 251 (263) als Beispiel für eine Veröffentlichung aufgeführt wird) genügt den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG nur dann, wenn diese in Übereinstimmung mit den in § 14 Abs. 2 WpPG genannten Veröffentlichungsformen veröffentlicht wird.

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WpPG ausschließlich auf § 14 Abs. 2 WpPG (und nicht auf § 14 Abs. 5 WpPG) verweist, ist im Falle einer Veröffentlichung im Internet – anders als dies bei einem Prospekt der Fall ist – nicht auch zusätzlich das Bereithalten einer Papierversion erforderlich1. Das zusätzliche Bereithalten einer Papierversion der im jährlichen Dokument in Bezug genommenen Dokumente kann bei einer Veröffentlichung im Internet mit Hyperlinks auf die konkreten Dokumente jedoch sinnvoll sein, wenn der Emittent sicherstellen will, dass die Anforderungen des § 10 WpPG auch dann erfüllt werden, wenn zB aufgrund von Änderungen der Website ein Hyperlink nicht mehr funktioniert. 2. Veröffentlichungsfrist und -dauer 22

§ 10 WpPG selbst enthält keine Vorgaben hinsichtlich des Zeitpunkts der Veröffentlichung des jährlichen Dokuments. Die Frist, bis wann die Veröffentlichung zu erfolgen hat, ergibt sich jedoch aus Art. 27 Abs. 2 ProspektVO. Danach ist das jährliche Dokument dem Publikum spätestens 20 Arbeitstage nach Veröffentlichung des Jahresabschlusses zur Verfügung zu stellen. Der Begriff „Arbeitstag“ ist im deutschen Recht nicht gebräuchlich und stellt eine Übersetzung des in der englischen Fassung von Art. 27 Abs. 1 ProspektVO verwendeten Begriffs „working day“ dar. Er ist daher nicht notwendigerweise mit dem Begriff „Werktag“ gleichzusetzen, auch wenn eine einheitliche Begrifflichkeit im Prospektrecht grundsätzlich wünschenswert wäre2. Von Bedeutung ist dies insbesondere bei der Frage, ob ein Sonnabend bei der Fristberechnung mitzurechnen ist, da nach der Praxis der BaFin ein Sonnabend ein Werktag ist (vgl. § 13 WpPG Rz. 28 und § 14 WpPG Rz. 8). Die BaFin trägt der unterschiedlichen Begrifflichkeit Rechnung und sieht den Sonnabend nicht als Arbeitstag iS von Art. 27 Abs. 2 ProspektVO an3. Bei der Berechnung der Frist können alle Feiertage am Sitz des Emittenten berücksichtigt werden4. Die Frist beginnt mit der Veröffentlichung des Jahresabschlusses im Herkunftsmitgliedstaat. Darunter ist die Veröffentlichung der endgültigen Zahlen zu verstehen5. Die Veröffentlichung vorläufiger Zahlen löst den Lauf der Frist nicht aus. Eine Veröffentlichung des 1 Ebenso Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 10 WpPG Rz. 11; Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 10 WpPG Rz. 46; aA Wagner in Holzborn, § 10 WpPG Rz. 32. 2 Siehe dazu auch Wagner in Holzborn, § 10 WpPG Rz. 30. 3 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, III. 3. 4 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, III. 3. 5 Dazu gehört etwa (ohne jedoch hierauf beschränkt zu sein) die Offenlegung des Jahresabschlusses gemäß § 325 Abs. 2 und 4 HGB und die Veröffentlichung des Jahresfinanzberichts durch Inlandsemittenten durch Einstellung ins Internet gemäß § 37v Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG, die jeweils spätestens vier Monate (bzw. unverzüglich danach) nach Ablauf des Geschäftsjahres zu erfolgen haben. Der Deutsche Corporate Governance Kodex (abrufbar unter http://www.corporate-governance-code.de/) enthält in Ziffer 7.1.2 zudem die Empfehlung, einen Konzernabschluss innerhalb von 90 Tagen nach Geschäftsjahresende öffentlich zugänglich zu machen.

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Jahresabschlusses liegt dann vor, wenn der Jahresabschluss öffentlich zugänglich gemacht worden ist1. Die Offenlegung nach § 325 Abs. 2 HGB ist daher nicht notwendigerweise die maßgebliche Veröffentlichung2. Anders als bei einer Veröffentlichung mittels eines dauerhaften Datenträ- 23 gers wie einer Zeitungsbekanntmachung bedarf es im Fall einer Veröffentlichung im Internet einer Vorgabe für die Dauer der Verfügbarkeit. Es liegt nahe, entsprechend der Auffassung der BaFin insoweit zu verlangen, dass das jährliche Dokument mindestens so lange zur Verfügung zu stellen ist, bis das nächste jährliche Dokument veröffentlicht wird3. Gleiches sollte auch dann gelten, wenn das jährliche Dokument durch Bereithalten gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 WpPG veröffentlicht wird4. Auch in diesem Fall muss das jährliche Dokument so lange verfügbar sein, bis das nächste jährliche Dokument veröffentlicht wurde.

VI. Hinterlegung des jährlichen Dokuments bei der BaFin (§ 10 Abs. 2 WpPG) Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 WpPG ist das jährliche Dokument nach Offenle- 24 gung des Jahresabschlusses bei der BaFin vom Emittenten zu hinterlegen. Erstmalig war ein jährliches Dokument für das erste zwölf Monate umfassende Geschäftsjahr, das ab dem 1.7.2005 (Inkrafttreten des WpPG) begonnen hat, zu hinterlegen (vgl. Rz. 1). Nicht eindeutig ist nach dem Gesetzeswortlaut, innerhalb welcher Frist die 25 Hinterlegung zu erfolgen hat. § 27 Abs. 2 ProspektVO sieht vor, dass „das Dokument der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats übermittelt und dem Publikum spätestens 20 Arbeitstage nach der Veröffentlichung des Jahresabschlusses im Herkunftsmitgliedstaat zur Verfügung gestellt“ wird. Die 20 Arbeitstage beziehen sich ausdrücklich auf die Veröffentlichung des jährlichen Dokuments. Nach Auffassung der BaFin erstreckt

1 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, III. 1; aA Götze, NZG 2007, 570 (573 Fn. 58) und Götze/Wunderlich in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 11 Rz. 26 Fn. 62, die im Interesse der Rechtsklarheit an die Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger nach § 325 Abs. 2 HGB bzw. (bei nicht zur Offenlegung nach dem HGB verpflichteten Emittenten) im Internet (§ 37v Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpHG) anknüpfen. 2 Wagner in Holzborn, § 10 WpPG Rz. 30; vgl. auch BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, III. 1 im Zusammenhang mit der Hinterlegung des jährlichen Dokuments gemäß § 10 Abs. 2 WpPG. Dies muss für die Veröffentlichung des jährlichen Dokuments entsprechend gelten, zumal in § 10 Abs. 1 WpPG – anders als in § 10 Abs. 2 WpPG – der zu möglichen Zweifeln Anlass gebende Begriff „Offenlegung“ nicht verwendet wird; aA Götze, NZG 2007, 570 (573 Fn. 58) und Götze/Wunderlich in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 11 Rz. 26 Fn. 62. 3 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, III. 4. 4 Götze/Wunderlich in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 11 Rz. 27 mit Fn. 65.

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sich gemäß Art. 27 Abs. 2 ProspektVO jedoch die Frist von 20 Arbeitstagen nach Veröffentlichung des Jahresabschlusses auch auf die Hinterlegung des jährlichen Dokuments1. Zumindest der englische Wortlaut der Prospektverordnung lässt eine solche Auffassung zu, da bei dieser die Frist von 20 Arbeitstagen sprachlich nicht nur auf die Veröffentlichung des jährlichen Dokuments, sondern auch dessen Hinterlegung bei der Aufsichtsbehörde bezogen werden kann2. Ein unbegrenzter Hinterlegungszeitraum oder ein Ende des Hinterlegungszeitraumes erst mit Veröffentlichung des nächsten jährlichen Dokuments3 dürfte weder mit dem Willen des Gesetzgebers noch mit dem Sinn und Zweck der Hinterlegung vereinbar sein. Vor dem Hintergrund des deutschen Wortlauts und des Umstandes, dass es sich um eine bußgeldbewährte Vorschrift handelt, sollte es einem Emittenten nicht zum Nachteil gereichen, wenn jedenfalls unverzüglich nach Ablauf der 20 Arbeitstage nach Veröffentlichung des Jahresabschlusses das jährliche Dokument bei der BaFin hinterlegt wird4 (für eine unter ordnungswidrigkeitsrechtlichen Gesichtspunkten noch weitergehende Ausweitung der Hinterlegungsfrist siehe § 30 WpPG Rz. 30). 26

Im Hinblick auf die Berechnung der Frist gelten im Übrigen die Ausführungen zur Fristberechnung hinsichtlich der Veröffentlichung des jährlichen Dokuments entsprechend (siehe Rz. 22). Dies gilt auch für die Anknüpfung des Fristbeginns an die Veröffentlichung des Jahresabschlusses. Soweit § 10 Abs. 2 WpPG die Hinterlegungspflicht an die „Offenlegung des Jahresabschlusses“ anknüpft, ist auch hier diese nicht mit der Offenlegung nach § 325 Abs. 2 HGB identisch. Die Offenlegung des Jahresabschlusses ist zwar im Handelsrecht ein technischer Rechtsbegriff, der in § 325 Abs. 2 iVm. Abs. 2a HGB definiert wird5. § 10 Abs. 2 WpPG muss jedoch in Verbindung mit dem unmittelbar geltenden Art. 27 Abs. 2 ProspektVO gelesen werden, der – wenn man mit der überwiegenden Ansicht Art. 27 Abs. 2 ProspektVO im Lichte der englischen Sprachfassung liest – die Hinterlegung an die Veröffentlichung des Jahresabschlusses anknüpft. Daneben sprechen auch der 1 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, III. 2; ebenso Götze, NZG 2007, 570 (573); Götze/Wunderlich in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 11 Rz. 28; Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 10 WpPG Rz. 55; Hamann in Schäfer/Hamann, § 10 WpPG Rz. 21 sowie Grosjean in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 10 WpPG Rz. 13; aA Kaum/Zimmermann, BB 2005, 1466 (1468); Pelz in Holzborn, § 30 WpPG Rz. 12. Wagner in Holzborn, § 10 WpPG Rz. 34, vertritt unter Zugrundelegung der deutschen Sprachfassung die Meinung, dass die Ansicht der BaFin dem Wortlaut des Art. 27 Abs. 2 ProspektVO widerspricht, jedoch die Frist von 20 Tagen als Richtschnur anzusehen sei, wobei aber unklar bleibt, ob dieses als praktische Empfehlung oder als Rechtspflicht gelten soll. 2 Art. 27 Abs. 2 ProspektVO in der englischen Fassung lautet: „The document shall be filed with the competent authority of the home Member State and made available to the public at the latest 20 working days after the publication of the annual financial statements in the home Member State.“ 3 So Kaum/Zimmermann, BB 2005, 1466 (1468). 4 So auch im Ergebnis Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 30 WpPG Rz. 68. 5 Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 10 WpPG Rz. 58 mwN.

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Sinn und Zweck der Hinterlegungspflicht, nämlich die – im Fall eines Auseinanderfallens von Veröffentlichungs- und Hinterlegungszeitpunkt nicht gewährleistete – wirksame Überwachung durch die BaFin1, sowie der Umstand, dass nicht alle relevanten Emittenten der Offenlegungspflicht nach § 325 Abs. 2 HGB unterliegen, für eine einheitliche Anknüpfung der Fristberechnung bei Veröffentlichung und Hinterlegung des jährlichen Dokuments. Hinsichtlich der Form der Hinterlegung ist es ausreichend, dass ein Aus- 27 druck des in der Praxis üblicherweise auf der Internetseite des Emittenten veröffentlichten jährlichen Dokuments an die BaFin2 übersandt wird, wobei der Emittent erkennbar sein muss. Eine Unterschrift ist nicht erforderlich. Die in das jährliche Dokument per Verweis einbezogenen Angaben müssen nicht an die BaFin übermittelt werden3. Eine Übermittlung zunächst per Telefax dürfte zur fristwahrenden Übermittlung ausreichend sein. Für die Hinterlegung ist gemäß § 2 Abs 1 WpPGebV eine Gebühr zu entrich- 28 ten4.

VII. Verstoß gegen die Pflichten aus § 10 WpPG Bei einem Verstoß gegen § 10 WpPG kann eine Ordnungswidrigkeit vorliegen. Stellt ein Emittent vorsätzlich oder leichtfertig dem Publikum ein jährliches Dokument nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig zur Verfügung oder hinterlegt er dieses nicht rechtzeitig bei der BaFin, so handelt er gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 WpPG ordnungswidrig. Die BaFin kann gemäß § 30 Abs. 3 WpPG ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro verhängen (vgl. hierzu § 30 WpPG Rz. 29 ff.).

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Da es sich bei dem jährlichen Dokument nicht um einen Wertpapierprospekt handelt, können Haftungsansprüche weder direkt noch analog auf die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß § 44 BörsG gestützt werden5. Eine zivilrechtliche Haftung für ein fehlerhaftes jährliches Dokument kann sich daher allenfalls aus allgemeinen Haftungsbestimmungen wie § 823 Abs. 2 BGB ergeben. Dann müsste es sich bei § 10 WpPG allerdings um ein Schutzgesetz, dh. um eine dem Schutz von Individualinteressen dienende Vorschrift6, handeln. Dies ist jedoch zweifelhaft, da der Zweck des § 10

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1 Ebenso Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 10 WpPG Rz. 58. 2 Das Dokument ist an das Referat WA 22 der BaFin zu übermitteln (BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, V. 1). 3 BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, V. 1. 4 Die Gebühr beträgt derzeit 100 Euro (Gebührentatbestand Nr. 4 des Gebührenverzeichnisses zu § 2 Abs. 1 WpPGebV v. 29.6.2005, BGBl. I 2005 v. 30.6.2005, 1876). Hierzu erlässt die BaFin einen gesonderten Gebührenbescheid. 5 Ebenso Wagner in Holzborn, § 10 WpPG Rz. 37. 6 Gerhard Wagner in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 823 BGB Rz. 346; Sprau in Palandt, § 823 BGB Rz. 57.

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§ 11 WpPG

Angaben in Form eines Verweises

WpPG darin besteht, dem Publikum den Zugang zu bereits anderweitig veröffentlichten Kapitalmarktinformationen zu erleichtern1. § 10 WpPG kommt daher eher eine allgemeine Ordnungsfunktion zu. Hiervon zu unterscheiden sind die kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten selbst, die gegebenenfalls Schutzgesetzcharakter haben können. Eine etwaige Haftung wegen unrichtiger oder unvollständiger Angaben in den in das jährliche Dokument aufgenommenen bzw. einbezogenen Dokumenten (wie etwa ein Schadensersatzanspruch gemäß § 37c WpHG wegen fehlerhafter Ad-hocMitteilung) bleibt unberührt2, da ein solcher Haftungstatbestand sich auf das betreffende Dokument selbst und nicht dessen Aufnahme oder Einbeziehung in das jährliche Dokument stützen würde.

§ 11 Angaben in Form eines Verweises (1) Der Prospekt kann Angaben in Form eines Verweises auf ein oder mehrere zuvor oder gleichzeitig veröffentlichte Dokumente enthalten, die nach diesem Gesetz, insbesondere nach § 10, oder den in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. EU Nr. L 345 S. 64) erlassenen Vorschriften oder nach dem Börsengesetz oder den in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums zur Umsetzung der Titel IV und V der Richtlinie 2001/34/EG erlassenen Vorschriften von der zuständigen Behörde gebilligt oder bei ihr hinterlegt wurden. Dabei muss es sich um die aktuellsten Angaben handeln, die dem Emittenten zur Verfügung stehen. Die Zusammenfassung darf keine Angaben in Form eines Verweises enthalten. (2) Werden Angaben in Form eines Verweises aufgenommen, muss der Prospekt eine Liste enthalten, an welchen Stellen Angaben im Wege des Verweises in den Prospekt aufgenommen worden sind, um welche Angaben es sich handelt und wo die im Wege des Verweises einbezogenen Angaben veröffentlicht sind. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Apfelbacher/Metzner, Das Wertpapierprospektgesetz in der Praxis – Eine erste Bestandsaufnahme, BKR 2006, 81; Christ, Der Einfluss der EU-Prospektrichtlinie

1 Hamann in Schäfer/Hamann, § 10 WpPG Rz. 23. 2 Hamann in Schäfer/Hamann, § 10 WpPG Rz. 23.

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Angaben in Form eines Verweises

auf das Wertpapierprospekthaftungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 2007; Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Ekkenga, Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zum Regierungsentwurf eines neuen Wertpapierprospektgesetzes, BB 2005, 561; Fürhoff/Ritz, Richtlinienentwurf der Kommission über den Europäischen Pass für Emittenten, WM 2001, 2280; Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004; Heidelbach/Preuße, Zweieinhalb Jahre neues Prospektregime und noch viele Fragen offen, BKR 2008, 10; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668; Holzborn/Schwarz-Gondek, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BKR 2003, 927; Kaum/Zimmermann, Das „jährliche Dokument“ nach § 10 WpPG, BB 2005, 1466; König, Die neue europäische Prospektrichtlinie – Eine kritische Analyse und Überlegungen zur Umsetzung in das deutsche Kapitalmarktrecht, ZEuS 2004, 251; von Kopp-Colomb/Lenz, Der europäische Pass für Emittenten, AG 2002, 24; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – Zentrale Punkte des neuen Regimes für Wertpapieremissionen, WM 2005, 1068; Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB 2005, 209; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie – Inhalt und Auswirkungen auf das deutsche Kapitalmarktrecht, BB 2004, 501; Mattil/ Möslein, Die Sprache des Emissionsprospekts – Europäisierung des Prospektrechts und Anlegerschutz, WM 2007, 819; Schanz/Schalast, HfB – Business School of Finance, Working Paper Series, No. 74, Wertpapierprospekte – Markteinführungspublizität nach EU-Prospektverordnung und Wertpapierprospektgesetz 2005, Juli 2006; Schlitt/Schäfer, Drei Jahre Praxis unter dem Wertpapierprospektgesetz – eine Zwischenbilanz, AG 2008, 525; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Weber, Unterwegs zu einer europäischen Prospektkultur – Vorgaben der neuen Wertpapierprospektrichtlinie vom 4.11.2003, NZG 2004, 360; Wieneke, Emissionspublizität, NZG 2005, 109; Zuffer, Der Europäische Pass für Wertpapieremissionen, ecolex 2004, 180.

Inhaltsübersicht I. Regelungsinhalt . . . . . . . . .

1

II. Normentwicklung . . . . . . . .

3

III. Intention des Gesetzgebers . .

6

IV. Grundtatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 WpPG 1. Voraussetzungen der einzubeziehenden Dokumente . . 2. Kettenverweisung . . . . . . . 3. Teilverweise . . . . . . . . . . . 4. Verweise auf Nachträge . . . 5. Verweise in Nachträgen . . . 6. Sprachenregelung . . . . . . . 7. Verhältnis von § 11 WpPG zu § 10 WpPG . . . . . . . . . . 8. Gültigkeit . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

7 21 22 25 26 27

. .

32 33

V. Aktualität (§ 11 Abs. 1 Satz 2 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . .

39

VI. Verweise in der Zusammenfassung (§ 11 Abs. 1 Satz 3 WpPG) und in den Risikofaktoren 1. Verweise in der Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verweise in den Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

VII. Übersicht über die Verweise (§ 11 Abs. 2 WpPG) . . . . . . .

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VIII. Prospekthaftung/Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . .

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Angaben in Form eines Verweises

I. Regelungsinhalt 1

§ 11 WpPG eröffnet die Möglichkeit, in den Wertpapierprospekt andere Dokumente in Form eines Verweises einzubeziehen, die zuvor oder gleichzeitig außerhalb des Wertpapierprospekts veröffentlicht und von der zuständigen Behörde gebilligt oder bei ihr hinterlegt wurden, sog. „incorporation by reference“1.

2

Die Norm führt nicht zu einer Verringerung der in einen Wertpapierprospekt aufzunehmenden Mindestangaben2. Diese bleiben gleich; § 11 Abs. 1 WpPG gestattet nicht, diese wegzulassen, sondern nur, sie nicht in den Wertpapierprospekt selbst aufzunehmen und stattdessen im Prospekt darauf zu verweisen, wo diese Angaben veröffentlicht wurden. Damit werden diese Angaben zum Prospektinhalt3.

II. Normentwicklung 3

§ 11 WpPG beruht auf Art. 11 der Prospektrichtlinie. Die dadurch eröffnete Verweisungstechnik war dem deutschen Prospektrecht bisher fremd4. In Deutschland wurde die Möglichkeit des Verweises auf Dokumente außerhalb des Prospekts im Rahmen des dritten Finanzmarktförderungsgesetzes5 zwar thematisiert6, aber noch nicht eingeführt.

4

Ein vergleichbares Verfahren der Einbeziehung per Verweis besteht in den USA, wo Dokumente, die bereits bei der Securities and Exchange Commis-

1 Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1673); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (502); Ekkenga, BB 2005, 561 (562); Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 1; Holzborn/ Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (932); Zuffer, ecolex 2004, 180 (184); CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive – Consultation Paper, October 2002, CESR/02.185b, S. 51 Punkt 268: „With incorporation by reference the issuer, when drafting a prospectus or the documents composing it, instead of including the infomation required by the minimum information requirements directly in the prospectus, may include such information by means of a reference made to an already published document that contains the required information.“ 2 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34; Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 2; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 131, Rz. 226; Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 3. 3 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34. 4 Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (82); Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 65; Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (506); König, ZEuS 2004, 251 (274); Gemeinsame Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) v. 3.1.2005, S. 10. 5 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, 529 ff. 6 Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (506 Fn. 79); Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 1.

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Angaben in Form eines Verweises

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sion (SEC) registriert sind, durch Verweis in sog. short-form registration statements einbezogen werden können1. Da es sich bei § 11 WpPG um die Umsetzung europäischen Rechts in nationales Recht handelt, muss die Norm gemeinschaftskonform und damit richtlinienkonform ausgelegt werden.

5

III. Intention des Gesetzgebers Die Regelung des § 11 WpPG ist im Lichte des generellen Reformprozesses 6 auf dem deutschen Kapitalmarkt zu sehen. Die durch § 11 WpPG neu eröffnete Möglichkeit der Einbeziehung per Verweis soll in Anlehnung an angelsächsisches Recht eine Erleichterung der Prospekterstellung im Gegensatz zum bisher geltenden Recht darstellen: die Möglichkeit, im Wertpapierprospekt auf externe Dokumente Bezug nehmen zu können2. Die Verweisungsmöglichkeit soll das Verfahren der Prospekterstellung erleichtern und die Kosten für die Emittenten senken3.

IV. Grundtatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 WpPG 1. Voraussetzungen der einzubeziehenden Dokumente Durch die Einbeziehung im Wege des Verweises werden die einbezogenen Dokumente Bestandteil des Wertpapierprospekts4. Voraussetzung ist jedoch, dass auf die Dokumente überhaupt verwiesen werden darf. Denn 1 Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (506 Fn. 79). 2 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34; Weber, NZG 2004, 360 (363); Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 2; Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) v. 17.1.2005, S. 8. 3 Richtlinienvorschlag des europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union (2001/C 240 E/33), vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272 (273); Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 1; Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2285); Renz/Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte, S. 71; von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 (28); Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 131, Rz. 226; kritisch hierzu wegen des eingeschränkten Anwendungsbereichs: Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (503), sowie Rz. 11; CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive – Consultation Paper, October 2002, CESR/02.185b, S. 51 Punkt 270: „[…], it is fundamental to recall that the aim of incorporation by reference is to simplify and reduce the costs of drafting a prospectus.“ 4 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.3005, S. 34; Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 3 und Rz. 11; Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 65 f.; CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive – Consultation Paper, October 2002, CESR/02.185b, S. 51 Punkt 268: „The information contained in the referred to document is therefore considered as being part of the prospectus as if it were restated in it.“

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§ 11 WpPG

Angaben in Form eines Verweises

nicht alle Angaben können in Form eines Verweises einbezogen werden. Insbesondere ist dabei zu beachten, dass die gewöhnliche Stelle für eine Veröffentlichung der Information immer noch der Wertpapierprospekt selbst ist1. Nicht als Verweis iS des § 11 WpPG gelten interne Querverweise innerhalb des Prospekts; diese sind im Hauptteil des Prospekts zulässig2. 8

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 WpPG können nur solche Angaben und Dokumente einbezogen werden, die vor oder gleichzeitig mit dem Wertpapierprospekt veröffentlicht wurden bzw. werden und nach dem WpPG oder dem BörsG oder vergleichbaren Gesetzen eines anderen Staates des Europäischen Wirtschaftsraums von der zuständigen Stelle des Herkunftsmitgliedstaats gebilligt oder bei ihr hinterlegt wurden3. Eine bestimmte Form der Veröffentlichung der einzubeziehenden Dokumente sieht das WpPG nicht vor, sie müssen lediglich entsprechend der Art und Weise ihres Inhalts einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden4. Im Inland kommen als einbeziehungstaugliche Hinterlegungsstellen nur die BaFin und die jeweilige Geschäftsführung der in Deutschland ansässigen Wertpapierbörsen in Betracht, weil nur dort Dokumente nach dem WpPG oder dem Börsengesetz gebilligt5 (nur bei der BaFin) oder hinterlegt6 werden. Ein Jahresabschluss nach § 26 KWG ist beispielsweise nicht einbeziehungstauglich; er ist zwar bei der BaFin zu hinterlegen, jedoch nicht nach dem BörsG oder dem WpPG. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Jahresabschluss nach § 26 KWG bereits Bestandteil eines früheren Prospekts war, der von der BaFin nach den Vorschriften des WpPG gebilligt wurde. Unter diesen Umständen ist der Wortlaut des § 11 Abs. 1 WpPG wiederum erfüllt.

9

Wird auf ein von einer ausländischen Behörde gebilligtes oder dort hinterlegtes Dokument verwiesen, hat der Emittent dieses Dokument seinem Bil-

1 CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive – Consultation Paper, October 2002, CESR/02.185b, S. 51 f. Punkt 270; CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive, July 2003, CESR/03-208 S. 18 Punkt 91: „[…], when evaluating whether documents may or may not be incorporated by reference, besides the simplification of procedures and reduction of costs for issuers, the circumstance that the natural location of the information required is the prospectus, should be considered.“ 2 So auch: Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 2; vgl. hierzu aber unten Rz. 43: Verweise in der Zusammenfassung auf den Hauptteil des Prospekts sind nicht zulässig. Gleiches gilt für Verweise innerhalb der Risikofaktoren auf andere Prospektteile. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 3; Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (932); König, ZEuS 2004, 251 (274); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (503); Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (82 Fn. 7); Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (214); Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 66. 4 Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (11). 5 § 13 WpPG: nur die BaFin billigt Dokumente nach dem WpPG und dem BörsG. 6 § 14 WpPG (für die Hinterlegung bei der BaFin) bzw. § 42 Abs. 1 BörsG iVm. zB §§ 65, 66 der Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse, Stand: 8.3.2010 (für die Hinterlegung bei der Wertpapierbörse).

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Angaben in Form eines Verweises

§ 11 WpPG

ligungsantrag beizufügen1. Die BaFin prüft dieses dann als Teil des von ihr zu billigenden Prospekts vollumfänglich mit. Wegen des engen Wortlauts der Norm wird teilweise gefordert, dass eine 10 freiwillige Hinterlegung bei der Behörde gestattet werden soll, so dass auf Dokumente, die der Emittent dort eingereicht und hinterlegt hat, verwiesen werden könnte2. Damit wird eine Lockerung des Merkmals „gebilligt oder hinterlegt“ angestrebt. Die Bafin vertritt dazu aber die Meinung, dass eine Hinterlegung aufgrund gesetzlicher Vorschriften zwingend erforderlich sei, eine freiwillige Hinterlegung reiche demgegenüber nicht aus3. Dieser Ansicht ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 11 Abs. 1 Satz 1 WpPG zu folgen. Gleiches gilt, entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung4, für von der Geschäftsführung einer inländischen Wertpapierbörse aufgrund von § 34 BörsG iVm. § 48 Abs. 2 Satz 2 BörsZulV zur Vorlage angeforderten Unterlagen. Bei einer solchen Anforderung handelt es sich nicht um eine Hinterlegung. Im Ergebnis ist der Anwendungsbereich der Einbeziehung durch Verweis daher erheblich eingeschränkt5. Zwar enthält Art. 28 Abs. 1 ProspektVO6 eine Aufzählung von Dokumenten, auf die grundsätzlich verwiesen werden kann7. Da einige der in Art. 28 ProspektVO benannten Dokumente, soweit sie nicht Bestandteil des jährlichen Dokuments nach § 10 WpPG sind, weder von der BaFin zu billigen noch bei der BaFin oder einer Börse zwingend zu hinterlegen sind, bietet sich für den Emittenten kaum eine Gelegenheit, von der Möglichkeit der Einbeziehung durch Verweis Gebrauch zu machen. Die Verweismöglichkeit ist folglich auf zuvor von der BaFin gebilligte Prospekte und Teile daraus, ihr gegenüber notifizierte Prospekte, in gewissen Fällen das jährliche Dokument nach § 10 WpPG8, Nachträge nach § 16 WpPG sowie auf bestimmte bei den Börsen zu hinterlegende Dokumente, insbesondere Finanzinformationen9, beschränkt und kommt damit grund1 Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 11 WpPG Rz. 24. 2 Stellungnahme zur Prospektrichtlinie von Morgan Stanley, 15.12.2003, S. 12. 3 So auch: Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (503); Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1674); Schanz/Schalast, HfB – Business School of Finance, Working Paper Series, No. 74, Wertpapierprospekte – Martkeinführungspublizität nach EU-Prospektverordnung und Wertpapierprospektgesetz 2005, Juli 2006, S. 34; Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 66. 4 Assion in Holzborn, § 11 WpPG Rz. 5 aE. 5 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (503); Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1674); Crüwell, AG 2003, 243 (248). 6 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission v. 29.4.2004, ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3. 7 ZB: jährliche und periodisch vorzulegende Finanzinformationen, Prüfungsberichte und Jahresabschlüsse, Gesellschaftsstatuten und Gesellschaftsregeln, zu einem früheren Zeitpunkt genehmigte und veröffentlichte Prospekte und/oder Basisprospekte, Rundschreiben an die Wertpapierinhaber. 8 Vgl. hierzu die Ausführungen zu Kettenverweisen, Rz. 21. 9 Sofern diese nach der entsprechenden Börsenordnung (zB §§ 65, 66 der Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse, Stand: 8.3.2010) bei der zuständigen Börse zu hinterlegen sind.

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§ 11 WpPG

Angaben in Form eines Verweises

sätzlich nur für Emittenten in Betracht, die bereits vorher Wertpapiere emittiert haben1. 12

Da bestimmte Informationen beim Handelsregister hinterlegt werden, könnte daran gedacht werden, auch auf diese Hinterlegung abzustellen und solche Dokumente gleichfalls per Verweis in den Wertpapierprospekt einzubeziehen2. Durch die Einführung eines elektronischen Handels- und Unternehmensregisters zum 1.1.20073 ist zwar die für die Bedürfnisse des Kapitalmarkts angemessene Schnelligkeit des Zugriffs auf dort hinterlegte Dokumente gewährleistet. Die ausdrückliche Voraussetzung einer Hinterlegung nach den Bestimmungen des WpPG bzw. des BörsG spricht jedoch gegen einen Verweis auf die beim Handelsregister und beim Unternehmensregister hinterlegten Dokumente4.

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Die Problematik des eingeschränkten Anwendungsbereichs von § 11 WpPG verschärft sich noch bei der Frage, wie ein Drittstaatemittent auf Dokumente verweisen können soll. Denn diese werden ja typischerweise nie von der zuständigen Behörde gebilligt worden sein5. Diese Frage ist vor allem im Hinblick auf die Häufigkeit und Wichtigkeit von Drittstaatemittenten von Bedeutung6.

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Teilweise wird erwogen, § 11 WpPG richtlinienkonform auszulegen, so dass alle Dokumente, die gemäß der Richtlinie gebilligt wurden, einbezogen werden könnten7. Begründet wird dies damit, dass „gemäß der Richtlinie“ nach Art. 11 Abs. 3 auch die Prospektverordnung umfasse und dort vor allem Art. 28 ProspektVO, in dessen Abs. 1 insbesondere die Möglichkeit des Verweises auf Jahresabschlüsse, Prüfungsberichte, Satzungen sowie Prospekte und/oder Basisprospekte vorgesehen ist8. Im Gesetzgebungsverfahren habe es keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der deutsche Gesetzgeber die Verweismöglichkeit gegenüber der Prospektrichtlinie oder gegenüber Art. 28 ProspektVO einschränken wollte9. Weiter wird ausgeführt, dass – im Gegenteil – die Begründung zum Regierungsentwurf des § 11

1 Vgl. hierzu Beispiele bei Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (528 und Fn. 37). 2 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (503 Fn. 69). 3 Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) v. 10.11.2006, BGBl. I 2006, 2553. 4 So iE auch Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (503 Fn. 69); Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (11). 5 Allerdings kann es in Einzelfällen sein, dass der Drittstaatemittent ein Dokument bei einer zuständigen Behörde in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hinterlegt hat. 6 Stellungnahme zur Prospektrichtlinie von Morgan Stanley, 15.12.2003, S. 12; CESR Prospectus Consultation – Feedback Statement, July 2003, CESR/03-209, S. 67 Punkt 383: „This provision […] seems to be particularly problematic with respect to third country issuers, whose possibility to take advantage of the provision on incorporation by reference might be reduced.“ 7 Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1674); Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (214 f.). 8 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (214). 9 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (214).

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Angaben in Form eines Verweises

§ 11 WpPG

Abs. 1 WpPG ausdrücklich erwähnte, dass sich aus Art. 28 ProspektVO Beispiele ergäben, welche Angaben im Wege eines Verweises einbezogen werden können1. Mithin, so wird vertreten, gäbe es auch bei in Deutschland zu billigenden Wertpapierprospekten die Möglichkeit, Dokumente nach Art. 28 ProspektVO per Verweis einzubeziehen2. Gleichwohl ist bei wortlautgetreuer Auslegung ein Verweis nur dann möglich, wenn das Dokument bei der BaFin oder der Börse hinterlegt oder von der BaFin gebilligt worden ist3. Diese Auffassung vertritt auch die BaFin in ihrer Verwaltungspraxis, obwohl diese restriktive Auffassung teilweise kritisiert wird4. Die Folge ist, dass Art. 28 ProspektVO und die Möglichkeit der Aufnahme per Verweis mit Ausnahme von Finanzinformationen, anderen Prospekten bzw. Teilen von anderen Prospekten, Nachträgen sowie dem jährlichen Dokument weitgehend leer läuft. Allerdings kann durch eine restriktive Auslegung verhindert werden, dass der Wertpapierprospekt letztlich nur noch aus Verweisen besteht. Eine Ausuferung der Verweisungsmöglichkeit liegt nicht im Interesse des Anlegerschutzes.

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In zeitlicher Hinsicht besteht insofern eine Einschränkung, als dass die in 16 Bezug genommenen Dokumente vorher oder gleichzeitig veröffentlicht worden sein müssen. Ausgeschlossen ist folglich ein Verweis auf Dokumente, die erst in der Zukunft veröffentlicht werden sollen. Nur dann stellt die Verweistechnik ein sinnvolles Instrument bei der Prospekterstellung dar5. Damit sind auch sog. dynamische Verweisungen, dh. Verweisungen auf ein Dokument „in seiner jeweils aktuellsten Fassung“ bzw. auf das „jeweils gültige Dokument“ nicht zulässig6. Aufgrund dieser Einschränkungen in zeitlicher Hinsicht kommt die Verweistechnik bei erstmaligen Börsengängen (IPO) allenfalls dann in Betracht, wenn vor dem Börsengang bereits Schuldtitel oder andere Wertpapiere öffentlich platziert oder zum Börsenhandel zugelassen wurden7. 1 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34. 2 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (214). 3 Zustimmend Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 11 WpPG Rz. 19. 4 Verband der Auslandsbanken in Deutschland am 29.1.2007, Stellungnahme zum Call for Evidence des CESR v. 13.11.2006 (CESR/06~515), S. 2, abrufbar unter: http://www.cesr-eu.org/index.php?page=response_details&c_id=81&r_id=3378; Deutsches Derivate Institut am 15.1.2007, Comment on the Call for Evidence, S. 3. 5 Vgl. auch CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive – Consultation Paper, October 2002, CESR/02.185b, S. 52 Punkt 275: „Only if the documents incorporated by reference have been published before the drawing up of the prospectus or the documents composing it, does incorporation by reference appear to be useful for the achievement of the said goal.“ 6 Hamann in Schäfer/Hamann, § 11 WpPG Rz. 3; Assion in Holzborn, § 11 WpPG Rz. 12. 7 Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (82 Fn. 7); Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 11 WpPG Rz. 13.

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§ 11 WpPG

Angaben in Form eines Verweises

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Vom Gesetz ist eine zahlenmäßige Begrenzung der Verweise, die in einem Wertpapierprospekt gemacht werden dürfen, nicht vorgesehen. Auch CESR legte sich nicht auf eine bestimmte Anzahl von Verweisen fest1.

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Berücksichtigt man jedoch, dass der Wertpapierprospekt das wichtigste (und oft einzige) Informationsmedium für den Anleger darstellt, von dem er sich eine umfassende Berichterstattung über den Emittenten verspricht, die dann Grundlage für seine Anlageentscheidung wird, muss davon abgesehen werden, ein Übermaß an Verweisen aufzunehmen. Der Wertpapierprospekt soll auf einfache Art und Weise und möglichst prägnant Auskunft erteilen. Zu viele Verweise würden den Lesefluss hemmen und den Aussagegehalt des Prospekts selbst verwässern.

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Keinem Anbieter kann daran gelegen sein, den Investor dadurch zu verstimmen, dass dieser sich trotz Vorliegens eines Wertpapierprospekts weitere wichtige Informationen gewissermaßen „zusammensuchen“ muss. Es ist Aufgabe des Emittenten dafür zu sorgen, dass die im Wertpapierprospekt enthaltene Information einer leicht auszuwertenden und verständlichen Form entspricht2.

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Maßgebliche Informationen gehören nach der Natur des Wertpapierprospekts stets in diesen selbst3. Es dürfen also nur so viele Dokumente einbezogen werden, dass das Interesse des Investors, einen leicht analysierbaren Wertpapierprospekt zu erhalten, geschützt bleibt. Diese Prospektklarheit ist dann nicht mehr gewährleistet, wenn im Extremfall ein Ein-SeitenProspekt entsteht, der nur aus Verweisen auf andere Dokumente besteht4. Da jedoch ein Verweis ohnehin nur auf eine sehr überschaubare Anzahl von 1 CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive, July 2003, CESR/03-208, S. 19 Punkt 99: „CESR does not consider appropriate to indicate a specific limit to the number of references allowed in a prospectus.“ 2 CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive – Consultation Paper, October 2002, CESR/02.185b, S. 2 Punkt 271; CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive, July 2003, CESR/03-208, S. 18 Punkt 92: „[…] These aspects should also be borne in mind by the competent authority that, when approving the prospectus, should allow incorporation by reference only to the extent that procedures are simplified for issuers but not complicated for investors also in terms of comprehensibility and accessibility of the information. Therefore, adequately balancing the interests of issuers and those of investors, it should be possible provided that the interest of investors of receiving at no cost an easily analysable prospectus is duly protected.“ 3 CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive – Consultation Paper, October 2002, CESR/02.185b, S. 51 f. Punkt 270. 4 CESR Prospectus Consultation – Feedback Statement, July 2003, CESR/03-209, S. 67 Punkt 384: „Nevertheless, in order to avoid, as indicated by several respondents, that the prospectus ends up becoming a one page document imply containing references to other documents, CESR has advised that the issuer, when drafting the prospectus, should duly consider whether the comprehensibility of the prospectus is endangered.“

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Angaben in Form eines Verweises

§ 11 WpPG

Dokumentarten gestattet ist (siehe ab Rz. 7 ff.), dürften in der Praxis kaum Probleme mit unverhältnismäßig vielen Verweisen auftreten. 2. Kettenverweisung Ein Verweis auf ein anderes Dokument, das wiederum Verweise auf die fraglichen Angaben enthält, ist als Kettenverweisung unzulässig1. Das Verbot der Kettenverweisung gilt insbesondere für den Verweis auf solche jährlichen Dokumente, die die einzubeziehenden Dokumente nicht selbst enthalten, sondern darauf verweisen2. Ein Verweis auf Informationen in einem jährlichen Dokument nach § 10 WpPG kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn diese selbst vollständig Bestandteil des jährlichen Dokuments sind und darin nicht nur auf die betreffenden Informationen verwiesen wird3. Dies wird aber in der Praxis nicht häufig der Fall sein. Denn als Form der Veröffentlichung des jährlichen Dokuments genügt das Einstellen auf der Internetseite des Emittenten. Bei dieser sehr einfachen Methode bieten sich Verweise im Form von „Hyperlinks“ auf die bereits an anderer Stelle veröffentlichten Informationen an4. Damit besteht das jährliche Dokument in der Praxis oft aus einer bloßen Liste mit Verweisen, so dass im Ergebnis nur auf die wenigsten jährlichen Dokumente zum Zwecke der Einbeziehung in einen Wertpapierprospekt verwiesen werden kann5.

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3. Teilverweise Ein Verweis nur auf bestimmte Teile eines Dokuments, nicht auf das ganze 22 Dokument selbst, ist zulässig, vgl. Art. 28 Abs. 4 ProspektVO. Teilverweise können insbesondere, wenn es um die Angabe von historischen Informationen geht, eine Rolle spielen, vor allem dann, wenn gleichzeitig sicher1 Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1674); Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 7; Renz/Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte, S. 72; Hamann in Schäfer/Hamann, § 11 WpPG Rz. 3; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (503) (dort: sog. „doppelter Verweis“); Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 58; Assion in Holzborn, § 11 WpPG Rz. 13. 2 Was nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG möglich ist, siehe die Kommentierung bei § 10 WpPG Rz. 17. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG, Rz. 3; Schanz/Schalast, HfB – Business School of Finance, Working Paper Series, No. 74, Wertpapierprospekte – Markteinführungspublizität nach EU-Prospektverordnung und Wertpapierprospektgesetz 2005, Juli 2006, S. 34 Fn. 111; Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (82 Fn. 7); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (503); Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 69; Hamann in Schäfer/Hamann, § 11 WpPG, Rz. 7. 4 Kaum/Zimmermann, BB 2005, 1466 (1468). 5 Im Zuge der geplanten Revision der Prospektrichtlinie ist die Streichung von Art. 10 vorgesehen, ebenso der Verweis auf Art. 10 in Art. 11 Abs. 1; vgl. Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Prospektrichtlinie v. 23.9.2009, COM(2009) 491 final, bestätigt durch das Schreiben des Generalsekretariats des Rates v. 28. Mai 2010, (COD) 2009/0132.

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§ 11 WpPG

Angaben in Form eines Verweises

gestellt werden soll, dass der Investor nicht mit einem Großteil nicht relevanter Informationen überladen wird1. 23

Aber auch bei einem jährlichen Dokument gemäß § 10 WpPG, das die Information teilweise selber enthält, teilweise auf andere Informationen weiterverweist, kommt ein Teilverweis auf die in dem jährlichen Dokument selber enthaltene Information in Betracht. In diesem Fall liegt dann keine unzulässige Kettenverweisung vor (vgl. hierzu schon Rz. 21).

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Bei Teilverweisen muss jedoch darauf geachtet werden, dass sie nicht irreführend sind. Dazu muss auch erklärt werden, dass die nicht aufgenommenen Teile entweder für den Anleger nicht relevant sind oder bereits an anderer Stelle im Wertpapierprospekt erfasst wurden, Art. 28 Abs. 4 Satz 2 ProspektVO2. 4. Verweise auf Nachträge

25

Da auch Nachträge (§ 16 WpPG) einer Billigung durch die zuständige Behörde unterliegen, kann auch ein Verweis auf einen früher gebilligten und veröffentlichten Nachtrag erfolgen3. 5. Verweise in Nachträgen

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Ein Verweis in einem Nachtrag (§ 16 WpPG) selbst ist nicht zulässig. Zwar wird der Inhalt des Nachtrags im Hinblick auf eine mögliche Prospekthaftung zum Inhalt des Prospekts (siehe § 16 WpPG Rz. 155), aber formal handelt es sich gleichwohl um ein separates Dokument, und der Wortlaut von § 11 Abs. 1 Satz 1 WpPG spricht nur von „Prospekt“ und nicht von Nachtrag. Formal gesehen ist der Nachtrag daher nicht „der Prospekt“ bzw. ein Teil des Prospekts iS von § 11 Abs. 1 WpPG, der Angaben in Form eines Verweises enthalten kann4.

1 CESR Prospectus Consultation – Feedback Statement, July 2003, CESR/03-209, S. 69 Punkt 393: „CESR is of the opinion that this practice [partial incorporation of a document] might prove useful especially when historical information is incorporated and in order not to overburden investors with an excessive amount of unnecessary information.“; CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive, July 2003, CESR/03-208, S. 19 Punkt 100: „Overburdening investors with a large quantity of information may hamper the comprehension of the prospectus.“ 2 CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive, July 2003, CESR/03-208, S. 19 Punkt 100: „[…] provided that this is not misleading and that it declares that the not incorporated parts are not relevant for the investor or covered elsewhere in the prospectus.“; Renz/Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte, S. 72; Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 11 WpPG Rz. 12. 3 Crüwell, AG 2003, 243 (248). 4 AA Hamann in Schäfer/Hamann, § 11 WpPG Rz. 3 mit der Begründung, dass ein Nachtrag zu einer Ergänzung bzw. Änderung des Prospekts führt.

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Angaben in Form eines Verweises

§ 11 WpPG

6. Sprachenregelung Im Gesetz nicht geregelt ist die Frage, ob im Rahmen des § 11 WpPG nur auf solche Dokumente verwiesen werden darf, die in derselben Sprache abgefasst sind wie der Hauptprospekt.

27

Ein Teil der Literatur hält eine solche Auslegung für zu restriktiv. Der Ver- 28 weis in Art. 28 Abs. 2 ProspektVO auf Art. 19 der Prospektrichtlinie sei nicht ganz klar, da Art. 19 nur eine Sprachenregelung für den Wertpapierprospekt, nicht aber für sonstige Dokumente enthält1. Da eine ausdrückliche Sprachregelung für Verweisdokumente nicht bestehe, könne auch auf solche Dokumente verwiesen werden, die nicht in der Prospektsprache abgefasst sind2. Entscheidend sei allein, ob diese den Anforderungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 WpPG gerecht werden, dh. entsprechend gebilligt oder hinterlegt sind3. Die ganz überwiegende Ansicht legt die Regelung eng aus in dem Sinne, dass das Dokument, auf welches verwiesen wird, grundsätzlich in der Sprache des jeweiligen Wertpapierprospekts verfasst sein muss, oder auf Englisch, soweit Englisch als Prospektsprache zugelassen ist4.

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Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Sonst wäre der Verweis auf Art. 19 der 30 Prospektrichtlinie überflüssig gewesen. Auch in zwei CESR-Stellungnahmen kommt dies zum Ausdruck. Argumentiert wird damit, dass die einbezogenen Dokumente Teil des Wertpapierprospekts werden und somit auch den gleichen Bestimmungen unterfallen sollen, insbesondere dem gleichen Sprachregime5. Aus diesem Grund spricht sich CESR auch im Rahmen der „Frequently asked questions regarding Prospectuses“ dafür aus, dass Übersetzungen von Dokumenten als Verweis einbezogen werden dürfen, solange sie mit Art. 11 und Art. 19 der Prospektrichtlinie übereinstimmen6. 1 König, ZEuS 2004, 251 (274 Fn. 114). 2 Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1674); Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 31. 3 Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1674 Fn. 92). 4 König, ZEuS 2004, 251 (274 Fn. 114); Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 3, Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (506); Weber, NZG 2004, 360 (363); Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 132, Rz. 228; Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 8; Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 69; Hamann in Schäfer/Hamann, § 11 WpPG Rz. 11; Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (821), die allerdings in Ausnahmefällen eine „gespaltene Sprachwahl“ in Betracht ziehen. 5 CESR Prospectus Consultation – Feedback Statement, July 2003, CESR/03-209, S. 67 Punkt 385; CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive – Consultation Paper, October 2002, CESR/02.185b, S. 52 Punkt 272 f.: „[…] CESR still considers that the documents incorporated by reference are part of the prospectus and should follow the same rules in relation to language.“ und CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive, July 2003, CESR/03-208, S. 10 Punkt 98: „In other words the language regime applicable to the documents incorporated by reference is the same as that of the prospectus.“ 6 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, S. 8, Nr. 7: „Ab) The translation of a document may be incorporated by reference as long as it complies with Article 11 and 19 of the Directive.“

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§ 11 WpPG 31

Angaben in Form eines Verweises

Eine Ausnahme kommt allenfalls im Rahmen des „gebrochenen Sprachregimes“ in eng begrenzten Einzelfällen (zB für den Finanzteil) in Betracht. Es gelten die gleichen Grundsätze, die gemäß § 19 WpPG für den Prospekt als solche gelten, auch für Dokumente, auf die zulässigerweise im Rahmen von § 11 WpPG verwiesen wird (siehe § 19 WpPG Rz. 68 ff.). Denkbar ist somit zB die Verweisung auf einen englischsprachigen Jahresabschluss in einem deutschsprachigen Prospekt. Nachteile entstehen hier für den Anleger nicht: Hätte sich der Emittent, anstatt von der Verweismöglichkeit Gebrauch zu machen, für einen Vollabdruck der Angaben im Prospekt entschieden, hätte er diese ebenfalls auf Englisch abdrucken können. Für einbezogene Dokumente kann daher nichts anderes gelten. 7. Verhältnis von § 11 WpPG zu § 10 WpPG

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Der Gesetzgeber hat zwar im Gesetzestext nicht klargestellt, ob § 11 WpPG auch für das jährliche Dokument gilt1. Dies ist allerdings zu verneinen, denn bereits aus dem Wortlaut des § 11 WpPG und aus Art. 11 der Prospektrichtlinie ergibt sich, dass damit ausschließlich Verweise im Rahmen eines Wertpapierprospektes geregelt werden sollen, nicht aber auch Verweise im Rahmen des jährlichen Dokuments2. Ferner ist eine Sonderregelung für Verweismöglichkeiten im Rahmen des § 10 WpPG auch gar nicht nötig: Denn bereits der Wortlaut des Art. 10 der Prospektrichtlinie („contains or refers“) bzw. des § 10 WpPG („enthält oder verweist“) erlaubt eine Verweisung, ohne dass die Regelung des Art. 11 der Prospektrichtlinie notwendig wäre. Zur Erleichterung der Pflicht zur jährlichen Information gemäß § 10 WpPG ist die Einbeziehung per Verweis gemäß § 11 WpPG daher nicht nutzbar bzw. als eigenständige Regelung überflüssig3.

8. Gültigkeit 33

Der Gesetzgeber hat, obwohl es den Anlegerschutz nicht beeinträchtigt und den Marktteilnehmern Rechtssicherheit hinsichtlich einer praxistauglichen Handhabung der Einbeziehung per Verweis verschafft hätte, keine klarstellende Regelung getroffen, ob die Gültigkeit des Wertpapierprospekts, in dem ein Verweis auf ein anderes Dokument vorgenommen wird, an die Gültigkeit des einbezogenen Dokuments gekoppelt ist4.

34

Die Praxistauglichkeit der Einbeziehung mittels Verweises hängt aber maßgeblich davon ab, dass die Gültigkeit des Wertpapierprospektes, in dem ein Verweis auf ein anderes Prospektdokument vorgenommen wird, nicht an dessen Gültigkeitsdauer gekoppelt wird5. 1 2 3 4

Kaum/Zimmermann, BB 2005, 1466 (1467). Kaum/Zimmermann, BB 2005, 1466 (1467). So auch Crüwell, AG 2002, 243 (248). Gemeinsame Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) v. 3.1.2005, S. 10 f. 5 Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) v. 17.1.2005, S. 8.

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Angaben in Form eines Verweises

§ 11 WpPG

Daher muss § 11 WpPG so verstanden werden, dass keine Koppelung der 35 Gültigkeitszeiträume besteht1. Dies steht auch im Einklang mit dem Wortlaut von § 11 WpPG. Außerdem spricht dafür, dass mittels der Verweistechnik ein vollständig neuer Wertpapierprospekt erstellt wird, der von der zuständigen Behörde einschließlich aller einbezogenen Teile gesondert zu billigen und damit in seiner Gesamtheit, vorbehaltlich Aktualisierung, bis zu zwölf Monate gültig ist2. Es ist daher möglich, zB in einen aktuell einzureichenden Basisprospekt ein vor zehn oder elf Monaten gebilligtes Registrierungsformular des Emittenten mittels Verweises einzubeziehen3. Ebenso ist es zulässig, auf Dokumente, die zum Zeitpunkt der Einbezie- 36 hung nicht mehr gültig sind, zu verweisen4. Begrifflich muss bei dieser Fragestellung zwischen „Gültigkeit“ und „Aktualität“ der Dokumente differenziert werden. Nicht mehr gültig sind Dokumente, die inhaltlich zwar noch aktuell sind, aber ihre Gültigkeit durch Zeitablauf verloren haben, zB alte Registrierungsformulare. Deshalb sind etwa in den Prospekt aufzunehmende historische Finanzinformationen wie zurückliegende Jahresabschlüsse nicht von dieser Frage erfasst, da diese ihrer Natur nach gerade nicht aktuell sind, sondern einen zurückliegenden Zeitraum dokumentieren sollen. Da es nicht auf die Gültigkeit des einzubeziehenden Dokuments, sondern 37 auf die Gültigkeit der einzelnen einbezogenen Angaben ankommt, ist die oben gestellte Frage grundsätzlich zu bejahen. Sofern es sich bei diesen immer noch um die aktuellsten Informationen handelt, die dem Emittenten zur Verfügung stehen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 WpPG), spricht in formaler Hinsicht nichts gegen eine Einbeziehung dieser Angaben per Verweis in den Wertpapierprospekt5. Der Emittent muss sich jedoch überlegen, ob es in materieller Hinsicht sinnvoll ist, nicht mehr aktuelle Dokumente in den Prospekt einzubeziehen, da sich hier das Risiko einer eventuellen Prospekthaftung gegenüber den Anlegern möglicherweise erhöht.

1 Zustimmend: Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 5; Hamann in Schäfer/Hamann, § 11 WpPG Rz. 10; Friedl in Just/Voß/Ritz/ Zeising, § 11 WpPG Rz. 30. 2 Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) v. 17.1.2005, S. 8; Gemeinsame Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) v. 3.1.2005, S. 11; zustimmend: Hamann in Schäfer/Hamann, § 11 WpPG Rz. 10. 3 Glomb-Schmidt/Gockel, Ausgewählte Rechtsfragen in der Aufsichtsrechtspraxis, BaFin Workshop v. 4.9.2007; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 31. 4 Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 11 WpPG Rz. 26. 5 So auch CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, S. 8 f., Nr. 8; Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (12); Hamann in Schäfer/Hamann, § 11 WpPG Rz. 10.

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§ 11 WpPG

Angaben in Form eines Verweises

V. Aktualität (§ 11 Abs. 1 Satz 2 WpPG) 39

§ 11 Abs. 1 Satz 2 WpPG stellt klar, dass bei der Einbeziehung im Wege des Verweises nur die dem Emittenten zur Verfügung stehenden aktuellsten Daten verwendet werden dürfen. Maßstab hierfür ist und bleibt, insbesondere in den Fällen, in denen der Anbieter vom Emittenten verschieden ist, die Perspektive des Emittenten1. Hierdurch wird gewährleistet, dass der Anleger seine Entscheidung nicht auf Angaben stützt, die eventuell schon überholt und daher nicht mehr zutreffend sind.

40

Dass dem Verweis immer die neueste erhältliche Information zugrunde zu legen ist, schließt nicht aus, dass nicht auch auf historische Daten, wie zB Jahresabschlüsse für vergangene Geschäftsjahre, zurückgegriffen werden kann. Wird aus dem Wertpapierprospekt jedoch auf Dokumente verwiesen, welche nicht mehr die aktuellste Information enthalten, so ist im Prospekt oder im Basisprospekt auf diesen Umstand hinzuweisen und die aktualisierte Information ist anzufügen, Art. 28 Abs. 3 ProspektVO2.

VI. Verweise in der Zusammenfassung (§ 11 Abs. 1 Satz 3 WpPG) und in den Risikofaktoren 1. Verweise in der Zusammenfassung 41

Neben den im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 1 WpPG schon beschriebenen Einschränkungen enthält § 11 Abs. 1 Satz 3 WpPG eine ausdrückliche Einschränkung der Möglichkeit, in der Zusammenfassung Angaben durch Verweise einzubeziehen3.

42

Dies liegt daran, dass die Zusammenfassung als eigenständiger, in sich konsistenter und abgeschlossener Teil in manchen Fällen der einzige Teil des Wertpapierprospekts ist, der in der jeweiligen Amtssprache des Aufnahme-

1 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34. 2 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission v. 29.4.2004, ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3, 15; CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive – Consultation Paper, October 2002, CESR/02.185b, S. 53 Punkt 277; CESR Prospectus Consultation – Feedback Statement, July 2003, CESR/03-209 S. 69 Punkt 394: „As suggested by other respondents CESR has also clarified that if the document incorporated by reference contains information which has undergone material changes, the prospectus should clearly state such a circumstance including the updated information.“ 3 Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 3; Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (932); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (506); Weber, NZG 2004, 360 (363); Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1674); Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.3005, S. 34; Zuffer, ecolex 2004, 180 (184); Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 9; Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 70; Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 19 Rz. 674.

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§ 11 WpPG

Angaben in Form eines Verweises

staates1 abgefasst ist. Würde hier wiederum auf – unter Umständen fremdsprachige – Dokumente außerhalb des Wertpapierprospekts verwiesen, wäre dem Anleger damit nicht geholfen. Die Zusammenfassung soll dem Anleger außerdem ermöglichen, einen 43 groben, aber dennoch umfassenden Überblick zu bekommen. Wenn die Zusammenfassung aber – im schlimmsten Falle – zahlreiche Verweisungen enthält, erschwert das einerseits erheblich den Lesefluss, andererseits müsste sich der Anleger dann mühsam die Fundstellen zusammensuchen, was er gerade mit der Lektüre einer Zusammenfassung vermeiden wollte. Eine Zusammenfassung soll kompakt gefasst sein und gerade nicht auf andere Dokumente außerhalb ihrer selbst verweisen (vgl. § 5 WpPG Rz. 30). Auch Verweise aus der Zusammenfassung auf den Hauptteil des Dokuments sind nach Auffassung und ständiger Praxis der BaFin aus demselben Grund nicht zulässig (vgl. § 5 WpPG Rz. 30). 2. Verweise in den Risikofaktoren Verweise in den Risikofaktoren auf andere Dokumente sind ebenfalls nicht 44 zulässig2. Dies widerspräche der Wichtigkeit und Bedeutung dieser Prospektangaben, die aus Gründen des Anlegerschutzes in einem eigenen Prospektabschnitt darzustellen sind. Auch Verweise auf andere Prospektteile sind in den Risikofaktoren zu vermeiden3 und werden seitens der BaFin grds. nicht akzeptiert.

VII. Übersicht über die Verweise (§ 11 Abs. 2 WpPG) § 11 Abs. 2 WpPG bestimmt, dass im Falle der Aufnahme von Verweisen ge- 45 mäß § 11 Abs. 1 WpPG hierüber in den Wertpapierprospekt eine Liste der Verweisdokumente aufzunehmen ist, die angibt, an welchen Stellen des Prospekts (Seitenzahl!) Verweise aufgenommen wurden, um welche Angaben es sich dabei handelt und wo diese im Volltext veröffentlicht sind. Diese Liste mit Querverweisen soll den Investoren das Auffinden von Angaben erleichtern4, ist also aus Gründen des Schutzes des Publikums geboten5. 1 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 132, Rz. 227; Hamann in Schäfer/Hamann, § 11 WpPG Rz. 12. 2 Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 11 WpPG Rz. 37; Assion in Holzborn, § 11 WpPG Rz. 16. 3 Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 11 WpPG Rz. 37 aE; Assion in Holzborn, § 11 WpPG Rz. 16; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 5 WpPG Rz. 5. 4 Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (506); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (502); Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG, Rz. 10; Hamann in Schäfer/Hamann, § 11 WpPG Rz. 13; Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 11 WpPG Rz. 38. 5 Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 5; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 132, Rz. 228; Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 72.

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§ 11 WpPG 46

Angaben in Form eines Verweises

Hierbei handelt es sich nicht um die sog. Überkreuz-Checkliste gemäß Art. 25 Abs. 4 ProspektVO. Diese erleichtert der Aufsichtsbehörde die Prüfung des Prospekts, wenn bei der Prospekterstellung vom Aufbau der in der Verordnung beschriebenen Schemata und Module abgewichen wird.

VIII. Prospekthaftung/Haftungsbeschränkung 47

Unabhängig von dem jeweiligen Haftungsregime können besondere Haftungsfallen aus der Möglichkeit der Einbeziehung externer Dokumente resultieren1. Da durch die Einbeziehung im Wege des Verweises die einbezogenen Dokumente Bestandteil des Wertpapierprospekts werden2, erstreckt sich auch die Prospekthaftung gemäß §§ 44 ff. BörsG auf diese einbezogenen Angaben. Der Prospektverantwortliche haftet damit für die Richtigkeit und Vollständigkeit der darin enthaltenen Informationen, als ob er die in Bezug genommenen Angaben selbst im Wertpapierprospekt dargestellt hätte.

48

Ob es hier möglich ist, die Haftung für die einbezogenen Informationen zu beschränken, ist insbesondere relevant in den Fällen, in denen Anbieter und Emittent verschieden sind, oder aber in den Fällen von Umtausch- oder Aktienanleihen, bei denen die wesentlichen Informationen für die Aktienkomponente von einem Dritten stammen3. Richtigerweise ist in diesen Fällen die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung aber abzulehnen, denn es kann keinen Unterschied machen, ob die Angaben im Prospekt selbst dargestellt werden oder ob diese Angaben durch einen Verweis in den Prospekt einbezogen werden4. Im ersten Fall ist eine Haftungsbeschränkung ausgeschlossen. Es ist daher interessengerecht, dass derjenige, der sich zur Erleichterung der Einbeziehung per Verweis bei der Prospekterstellung bedient, konsequenterweise auch das erhöhte Haftungsrisiko zu tragen hat. Unter diesem Aspekt ist bei der Einbeziehung von Dokumenten mittels Verweises ein hohes Maß an Sorgfalt an den Tag zu legen hinsichtlich der Prüfung des jeweiligen Dokuments auf Richtigkeit und Vollständigkeit.

1 Weber, NZG 2004, 360 (366). 2 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.3005, S. 34; Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 11 WpPG Rz. 39; Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 3 und 11. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 2. 4 So auch Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 11 WpPG Rz. 43; Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 11; aA Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 2; Seminar Deutsches Aktieninstitut e. V. v. 27.4.2006 zum Thema „Wertpapierprospekte – Praxiserfahrungen aus 10 Monaten WpPG“; Vortrag Dr. W. Groß, „Haftung für fehlerhafte Prospekte und Comfort Letter“, S. 6; vermittelnd: Hamann in Schäfer/Hamann, § 11 WpPG Rz. 14, der eine Haftungsbeschränkung durch einen entsprechenden Hinweis „nur ausnahmsweise und nur in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen“ für möglich hält.

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Prospekt aus einem oder mehreren Einzeldokumenten

§ 12 WpPG

§ 12 Prospekt aus einem oder mehreren Einzeldokumenten (1) Der Prospekt kann als ein einziges Dokument oder in mehreren Einzeldokumenten erstellt werden. Besteht ein Prospekt aus mehreren Einzeldokumenten, so sind die geforderten Angaben auf ein Registrierungsformular, eine Wertpapierbeschreibung und eine Zusammenfassung aufzuteilen. Das Registrierungsformular muss die Angaben zum Emittenten enthalten. Die Wertpapierbeschreibung muss die Angaben zu den Wertpapieren, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, enthalten. Für die Zusammenfassung gilt § 5 Abs. 2 Satz 2 bis 4. Ein Basisprospekt darf nicht in mehreren Einzeldokumenten erstellt werden. (2) Ein Emittent, dessen Registrierungsformular bereits von der Bundesanstalt gebilligt wurde, ist zur Erstellung der Wertpapierbeschreibung und der Zusammenfassung verpflichtet, wenn die Wertpapiere öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden. (3) Im Falle des Absatzes 2 enthält die Wertpapierbeschreibung die Angaben, die im Registrierungsformular enthalten sein müssen, wenn es seit der Billigung des letzten aktualisierten Registrierungsformulars oder eines Nachtrags nach § 16 zu erheblichen Veränderungen oder neuen Entwicklungen gekommen ist, die sich auf die Beurteilung durch das Publikum auswirken könnten. Die Wertpapierbeschreibung und die Zusammenfassung werden von der Bundesanstalt gesondert gebilligt. (4) Hat ein Emittent nur ein nicht gebilligtes Registrierungsformular hinterlegt, so bedürfen alle Dokumente der Billigung der Bundesanstalt. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Fürhoff/Ritz, Richtlinienentwurf der Kommission über den Europäischen Pass für Emittenten, WM 2001, 2280; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668; von Ilberg/Neises, Die Richtlinien-Vorschläge der EU-Kommission, WM 2002, 635; von Kopp-Colomb/Lenz, Der Europäische Pass für Emittenten, AG 2002, 24; Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB 2005, 209; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – Zentrale Punkte des neuen Regimes für Wertpapieremissionen, WM 2005, 1068; Kunold/ Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BB 2004, 501; Müller/Oulds, Transparenz im europäischen Fremdkapitalmarkt, WM 2007, 573; Seitz, Die Integration der europäischen Wertpapiermärkte und die Finanzmarktgesetzgebung in Deutschland, BKR 2002, 340; Weber, Unterwegs zu einer europäischen Prospektkultur – Vorgaben der neuen Wertpapierprospektrichtlinie vom 4.11.2003, NZG 2004, 360.

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§ 12 WpPG

Prospekt aus einem oder mehreren Einzeldokumenten Inhaltsübersicht

I. Normentwicklung und Übersicht 1. Entstehungsgeschichte, Vorgängervorschriften . . . . . . . . 2. Bedeutung und Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Konkretisierungen zum dreiteiligen Prospekt, Rechtsentwicklungen . . . . . II. Prospekt als einziges Dokument oder aus mehreren Einzeldokumenten (§ 12 Abs. 1 WpPG) 1. Wahlmöglichkeit bezüglich des Prospektformats (§ 12 Abs. 1 Satz 1 WpPG) . . . . . . 2. Prospekt als einziges Dokument (§ 12 Abs. 1 Satz 1 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . .

1 6 11

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3. Prospekt aus mehreren Einzeldokumenten (§ 12 Abs. 1 Satz 2 bis 5 WpPG) . . . . . . . . 4. Besonderheiten bei Basisprospekten (§ 12 Abs. 1 Satz 6 WpPG) . . . . . . . . . . . III. Regelungen zum gesondert hinterlegten Registrierungsformular (§ 12 Abs. 2 bis Abs. 4 WpPG) 1. Billigung des Registrierungsformulars (§ 12 Abs. 2 WpPG) 2. Aktualisierung des Registrierungsformulars (§ 12 Abs. 3 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hinterlegung eines nicht gebilligten Registrierungsformulars (§ 12 Abs. 4 WpPG) . .

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I. Normentwicklung und Übersicht 1. Entstehungsgeschichte, Vorgängervorschriften 1

Mit § 12 Abs. 1 WpPG wird Art. 5 Abs. 3 Prospektrichtlinie und mit § 12 Abs. 2 bis 4 WpPG wird Art. 12 der Prospektrichtlinie umgesetzt1. § 12 WpPG beinhaltet insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen an den Prospekt aus mehreren Einzeldokumenten, den so genannten „dreiteiligen Prospekt“, der Emittenten oder Anbietern als optionales Prospektformat neben dem Prospekt als einziges Dokument, dem so genannten „einteiligen Prospekt“, zur Verfügung steht.

2

Der Einführung des dreiteiligen Prospektformats und der damit verbundenen Möglichkeit bzw. Pflicht der gesonderten Hinterlegung eines Registrierungsformulars war zuvor eine intensive Diskussion im Zuge des Richtlinien-Rechtsetzungsverfahrens vorausgegangen (zur Debatte um das zwingende Registrierungsformularsystem und der damit verbundenen allgemeinen Aktualisierungspflicht siehe auch § 9 WpPG Rz. 3 ff.).

3

In dem ersten Kommissionsvorschlag zur Prospektrichtlinie sah die Europäische Kommission die Dreiteilung des Prospekts und die gesonderte Hinterlegung eines Registrierungsformulars für diejenigen Emittenten zwingend vor, deren Wertpapiere zum Handel auf geregelten Märkten zugelassen

1 Vgl. auch Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34 (Begründung zu § 12 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG).

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Prospekt aus einem oder mehreren Einzeldokumenten

§ 12 WpPG

sind1. Emittenten, deren Wertpapiere nicht zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, sollten sich hingegen dafür entscheiden können, den Prospekt als ein einziges Dokument abzufassen. In diesem Falle sei es dem jeweiligen Emittenten überlassen, darüber zu befinden, welches Format am zweckmäßigsten ist2. Gegen die obligatorische Einführung des Registrierungsformulars bei zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassenen Wertpapieren regte sich deutliche Kritik, insbesondere wurde vorgebracht, dass Erfahrungen in anderen Ländern den Mehrwert dieser Regelung im Hinblick auf Kosten- und Zeiteffizienz fragwürdig erscheinen ließen3. Letztlich ist die Kommission in dem überarbeiteten Richtlinienvorschlag 4 zur Prospektrichtlinie von dem Vorschlag der zwangsweisen Einführung des dreiteiligen Prospekts für bestimmte Emittenten abgerückt und schlug eine optionale Verwendung des dreiteiligen Prospekts für alle Emittenten vor4. Dies ist auch im Zusammenhang damit zu sehen, dass in dem überarbeiteten Entwurf der Kommission mit dem Basisprospektregime ein spezielles Format für Emittenten mit häufigen Emissionen zur Verfügung gestellt wurde (dazu § 6 WpPG Rz. 2 und unten Rz. 7). Im Vergleich zum Basisprospektregime kann daher der Mehrwert des dreiteiligen Prospekts und die damit verbundene Möglichkeit, ein Registrierungsformular für mehrere Emissionen zu nutzen (siehe zur Intention des Richtliniengebers unten Rz. 6), in Frage gestellt werden5. Zur Abgrenzung zwischen dem dreiteiligen Prospekt und dem Basisprospektregime wird in Art. 5 Abs. 3 Prospektrichtlinie bzw. in § 12 Abs. 1 Satz 6 WpPG die Anwendbarkeit des dreiteiligen Prospekts auf Basisprospekte ausgeschlossen (siehe dazu unten Rz. 9). Das dreiteilige Prospektformat war im deutschen Prospektrecht vor Inkraft- 5 treten des WpPG nicht vorgesehen. Die Aufteilung des Prospekts in verschiedene Einzeldokumente stellt vielmehr eine Abkehr von dem bis dahin – abgesehen von den unvollständigen Verkaufs- und Börsenzulassungsprospekten (vgl. § 10 VerkProspG aF bzw. § 44 BörsZulV aF) – im deutschen Prospektrecht geltenden Grundsatz dar, dass dem Anleger in einem Dokument alle relevanten Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen (vgl. § 7 Abs. 1 VerkProspG aF bzw. § 30 Abs. 3 Nr. 3 BörsG aF)6. Das Modell

1 Vgl. Art. 7 Abs. 2 des Richtlinien-Vorschlags v. 30.5.2001, KOM(2001) 280 endgültig. 2 Vgl. Richtlinien-Vorschlag v. 30.5.2001, KOM(2001) 280 endgültig, S. 11 f. (Begründung zu Art. 7). 3 Seitz, BKR 2002, 340 (345 mwN); vgl. auch von Ilberg/Neises, WM 2002, 635 (641); Crüwell, AG 2003, 243 (247); Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2287) und von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 (29). 4 Vgl. Art. 5 Abs. 3 des Richtlinien-Vorschlags v. 9.8.2002, KOM(2002) 460 endgültig. 5 Vgl. dazu – auch im Hinblick auf Aktienemissionen – Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (505). 6 Vgl. auch Weber, NZG 2004, 360 (363); Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 12 WpPG Rz. 1.

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§ 12 WpPG

Prospekt aus einem oder mehreren Einzeldokumenten

des dreiteiligen Prospekts mit der gesonderten Hinterlegung des Registrierungsformulars mit den Emittenteninformationen beruht auf entsprechenden Regelungsmodellen in verschiedenen europäischen Staaten (zB Frankreich oder England) und den USA1. 2. Bedeutung und Aufbau der Vorschrift 6

§ 12 Abs. 1 Satz 1 WpPG gibt Emittenten die Möglichkeit, einen Prospekt als einziges Dokument oder in mehreren Einzeldokumenten zu erstellen. Die Wahlmöglichkeit zwischen ein- und dreiteiligem Prospekt sowie die damit verbundene Möglichkeit, ein Registrierungsformular für mehrere Emissionen zu nutzen, soll eine Erleichterung für Emittenten darstellen, die häufig Kapital aufnehmen (vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 23 Prospektrichtlinie), und allgemein die Flexibilität von Emittenten erhöhen2.

7

In der Praxis kommt der Verwendung des dreiteiligen Prospekts bisher keine allzu große Bedeutung zu. Wie bereits ausgeführt, herrschte von Anfang an Skepsis bezüglich des Mehrwerts dieser Regelung (siehe oben Rz. 3) und letztlich liegt die mangelnde Bedeutung in der Praxis vor allem daran, dass mit dem Basisprospektregime bei Schuldverschreibungsemissionen ein eigenständiges Regime für Emittenten besteht, welche häufige Emissionen tätigen (siehe oben Rz. 4). Die Gründe für die geringe Attraktivität hängen aber auch mit Details im Zusammenspiel mit anderen Vorschriften des Prospektrechts zusammen: So ist die Erstellung eines separaten Registrierungsformulars für Emittenten, die für unterschiedliche Emissionen unterschiedliche Herkunftsstaaten haben und entsprechend unterschiedliche Prospektprüfungsbehörden zuständig sind, in der Praxis vor allem dann interessant, wenn das Registrierungsformular, das in einem Herkunftsstaat gebilligt worden ist, ohne weitere Prüfung auch für Prospekte in anderen Herkunftsstaaten, dh. mit einer anderen Prospektprüfungsbehörde, verwendet werden kann. Dies ist derzeit aber in der Regel nicht der Fall3. Dies würde nämlich voraussetzen, dass zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten eine Notifizierung des Registrierungsformulars möglich ist. Nach § 17 WpPG ist eine Notifizierung aber nur im Fall von Prospekten, nicht aber im Fall von Registrierungsformularen vorgesehen. Derzeit prüfen die BaFin bzw. andere Prospektprüfungsbehörden Registrierungsformulare daher vollumfänglich auch dann, wenn diese bereits bei einer anderen Prospektprüfungsbehörde hinterlegt und von dieser gebilligt wurden4. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass auch bei einer gesonderten Hinterlegung des Registrierungsformulars die zeitliche Gültigkeitsbeschränkung für ein Registrie1 Vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, § 12 WpPG Rz. 2; zu Großbritannien auch Seitz, BKR 2002, 340 (345). 2 Vgl. Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34 (Begründung zu § 12 Abs. 1 WpPG). 3 Zu diesem Argument siehe auch Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1071). 4 Zur grenzüberschreitenden Einbeziehung eines Registrierungsformular per Verweis siehe Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (214 f.).

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Prospekt aus einem oder mehreren Einzeldokumenten

§ 12 WpPG

rungsformular gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 WpPG zum Tragen kommt (dazu unten Rz. 31) und Emittenten auch in diesem Fall verpflichtet sind, ihrer Aktualisierungspflicht im Rahmen des § 16 WpPG nachzukommen (unten Rz. 34 ff.). Das wohl entscheidende Argument – neben dem Vorhandensein des Basisprospektregimes – ist aber, dass mit der Möglichkeit, das Registrierungsformular auch durch Verweis gemäß § 11 WpPG in Prospekte (siehe unten Rz. 17) bzw. Basisprospekte (siehe unten Rz. 9) einzubeziehen, neben dem dreiteiligen Prospekt eine weitere Möglichkeit besteht, ein gesondert hinterlegtes Registrierungsformular für eine Vielzahl von (Basis-)Prospekten und damit auch für häufige Emissionen zu nutzen (vgl. zu den unterschiedlichen Konstellationen der gesonderten Hinterlegung eines Registrierungsformulars § 9 WpPG Rz. 51 ff. und unten Rz. 32). Der Vorteil des dreiteiligen Prospekts liegt vor allem darin, dass auch ein Emittent, der die Begebung unterschiedlicher Wertpapierarten (Dividendenwerte und Nichtdividendenwerte) plant, die nicht Gegenstand eines Basisprospekts sein können, die jeweiligen Wertpapiere unter Verwendung eines einheitlichen Registrierungsformulars begeben kann. Die Erstellung eines dreiteiligen Prospekts kommt also insbesondere dann in Betracht, wenn der Emittent kein Einlagenkreditinstitut ist oder mangels vergleichbarer Struktur der zu begebenden Papiere die Einreichung eines Basisprospekts ausscheidet1.

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Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 6 WpPG darf ein Basisprospekt nicht in mehreren 9 Einzeldokumenten erstellt werden. Denkbar ist es jedoch, auch wenn ein Basisprospekt grundsätzlich aus einem einzigen Dokument besteht, Informationen zum Emittenten aus einem getrennt hinterlegten und gebilligten Registrierungsformular durch Verweis gemäß § 11 WpPG in den Basisprospekt einzubeziehen; dies wird durch Art. 26 Abs. 4 ProspektVO für Basisprospekte explizit klargestellt (vgl. § 6 WpPG Rz. 36). Die Einbeziehung per Verweis kann in der Form erfolgen, dass entweder das Registrierungsformular als Ganzes oder auch nur Teile davon (vgl. Art. 28 Abs. 3 ProspektVO) in den Basisprospekt einbezogen werden. § 12 Abs. 2 bis 4 WpPG enthält Regelungen für den Fall der gesonderten Hinterlegung eines Registrierungsformulars. Dabei handelt es sich um die eigentliche Neuerung, die mit der Einführung des dreiteiligen Prospekts verbunden ist2. Die gesonderte Hinterlegung und Billigung des Registrierungsformulars (sog. „shelf registration system“) macht es möglich, dass ein Registrierungsformular für mehrere Emissionen genutzt werden kann, und gewährt dadurch den Emittenten zusätzliche Flexibilität bei der Prospekterstellung (zu entsprechenden Regelungsmodellen in anderen Staaten siehe

1 Vgl. BaFin, Fragen und Antworten zu Wertpapierprospekten – der dreiteilige Prospekt, abrufbar unter http://www.bafin.de (Unternehmen/Allgemeine Pflichten/ Prospekte für Wertpapiere/Häufige Fragen). 2 Vgl. auch Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 12 WpPG Rz. 5.

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§ 12 WpPG

Prospekt aus einem oder mehreren Einzeldokumenten

oben Rz. 5)1. Die gesonderte Hinterlegung des Registrierungsformulars ist nicht nur im Fall des dreiteiligen Prospekts relevant, sondern auch im Fall der Einbeziehung von im Registrierungsformular enthaltenen Informationen per Verweis in einen Prospekt (unten Rz. 17) bzw. Basisprospekt (oben Rz. 9). 3. Weitere Konkretisierungen zum dreiteiligen Prospekt, Rechtsentwicklungen 11

Die Prospektverordnung enthält lediglich in Art. 25 Abs. 2 ProspektVO eine Regelung zum dreiteiligen Prospekt, in der der Aufbau der Wertpapierbeschreibung und des Registrierungsformulars im Fall des dreiteiligen Prospekts festgelegt wird (siehe dazu näher unten Rz. 21).

12

Im Zuge der Konsultation der Europäischen Kommission zur Überarbeitung der Prospektrichtlinie wurden eine Reihe von Änderungsvorschlägen zum dreiteiligen Prospektformat unterbreitet. Dazu zählen unter anderem die Öffnung des Basisprospektregimes für das dreiteilige Prospektformat (vgl. unten Rz. 29) und die Erweiterung der Möglichkeiten der Aktualisierung von Registrierungsformularen (vgl. unten Rz. 37)2.

13

Die Europäische Kommission hat in ihrem Vorschlag hinsichtlich der Überarbeitung der Prospektrichtlinie v. 23.9.2009 vorgeschlagen, dass zukünftig auch Registrierungsformulare im Wege eines Nachtrags gemäß Art. 16 Prospektrichtlinie aktualisiert werden können3. Der Rat der Europäischen Union ist diesem Vorschlag gefolgt, hat aber in Abstimmung mit der Kommission klargestellt, dass es auch weiterhin möglich sein soll, im Fall von erheblichen Veränderungen oder neuen Entwicklungen die neuen Informationen in der Wertpapierbeschreibung gemäß Art. 12 Abs. 2 Prospektrichtlinie zu ergänzen4. Die abschließende Abstimmung mit dem Europäischen Parlament bleibt abzuwarten.

II. Prospekt als einziges Dokument oder aus mehreren Einzeldokumenten (§ 12 Abs. 1 WpPG) 1. Wahlmöglichkeit bezüglich des Prospektformats (§ 12 Abs. 1 Satz 1 WpPG) 14

Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 WpPG kann der Prospekt als ein einziges Dokument oder in mehreren Einzeldokumenten erstellt werden, dh. dem Emit1 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34 (Begründung zu § 12 Abs. 2 WpPG). 2 Vgl. die Stellungnahme des Deutschen Derivate Verbands e.V., S. 11 und 15 f.; abrufbar unter http://www.deutscher-derivate-verband.de (Wissen/Gesetzgebung/ Stellungnahmen). 3 Vgl. Art. 9 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 2 des Vorschlags für eine Änderung der Prospektrichtlinie, KOM(2009) 491 endgültig v. 23.9.2009. 4 Vgl. Art. 9 Abs. 4, Art. 12 Abs. 2 und Erwägungsgrund Nr. 14 des Vorschlags für eine Änderung der Prospektrichtlinie, Ratsdokument 10254/10 v. 28.5.2010.

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tenten oder Anbieter wird diesbezüglich ein Wahlrecht bezüglich des Prospektformats eingeräumt. Dieses Wahlrecht besteht unabhängig davon, ob es sich bei dem Prospekt um einen Prospekt in Zusammenhang mit der Zulassung von Wertpapieren an einem organisierten Markt (früher Börsenzulassungsprospekt) oder um einen Prospekt in Zusammenhang mit dem öffentlichen Angebot von Wertpapieren handelt (früher Verkaufsprospekt). Die Einräumung des Wahlrechts stellt eine Abkehr von dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission dar, der den dreiteiligen Prospekt und das gesondert hinterlegte Registrierungsformular nur im Fall von Emittenten vorgesehen hatte, deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (vgl. zum Richtlinien-Rechtsetzungsverfahren oben Rz. 3 f.). Neben dem einteiligen Prospekt und dem dreiteiligen Prospekt stellt der Basisprospekt ein eigenständiges Prospektformat dar (dazu § 6 WpPG Rz. 31 und unten Rz. 26 ff.). Unabhängig von der Wahl des Prospektformats bestehen grundsätzlich die gleichen inhaltlichen Anforderungen an den Prospekt (vgl. zum dreiteiligen Prospekt unten Rz. 19). 2. Prospekt als einziges Dokument (§ 12 Abs. 1 Satz 1 WpPG) Sofern ein Prospekt als einziges Dokument erstellt wird, ist der Prospekt ge- 15 mäß Art. 25 Abs. 1 ProspektVO wie folgt aufzubauen: 1. Klares und detailliertes Inhaltsverzeichnis; 2. Zusammenfassung iS des Art. 5 Abs. 2 Prospektrichtlinie; 3. Angabe der Risikofaktoren, die mit dem Emittenten und der Art von Wertpapier, die Bestandteil der Emission ist, verbunden sind; 4. Angabe der sonstigen Informationsbestandteile, die Gegenstand der Schemata und Module sind, auf deren Grundlage der Prospekt erstellt wurde. Die Reihenfolge der Präsentation dieser Bestandteile ist zwingend, dh. die Zusammenfassung muss vor den Risikofaktoren und den dann nachfolgenden Prospektteilen dargestellt sein (vgl. auch § 7 WpPG Rz. 30). Die sonstigen Informationsbestandteile, die Gegenstand der einschlägigen 16 Schemata (vgl. Art. 2 Nr. 1 ProspektVO) und Module (vgl. Art. 2 Nr. 2 ProspektVO) sind, sind in den Anhängen I bis XVII ProspektVO geregelt, wobei die Art. 4 bis 20 der ProspektVO maßgeblich dafür sind, welches Schemata oder Modul anwendbar ist, und Art. 21 ProspektVO Vorgaben für Kombinationsmöglichkeiten für die verschiedenen Arten von Wertpapieren enthält (vgl. Art. 3 Satz 1 und Satz 2 ProspektVO; dazu auch § 7 WpPG Rz. 20 ff.). Soweit in den jeweiligen Schemata oder Modulen eine Reihenfolge vorgegeben ist, ist diese – anders als der grundsätzliche Aufbau des Prospekts (siehe oben Rz. 15) – nicht zwingend (vgl. Art. 25 Abs. 3 ProspektVO). Im Fall von Abweichungen kann die zuständige Behörde allerdings gemäß Art. 25 Abs. 4 ProspektVO verlangen, dass für die Prüfung des Prospekts eine Querverweisliste beigefügt wird (vgl. § 7 WpPG Rz. 31). Aus § 12 Abs. 1 Satz 1 WpPG könnte gefolgert werden, dass eine Einbeziehung eines Registrierungsformulars per Verweis gemäß § 11 WpPG in einen

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einteiligen Prospekt (vgl. dazu oben Rz. 7) ausgeschlossen ist. Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 WpPG legt scheinbar die Auslegung nahe, dass im Fall eines einteiligen Prospekts der Prospekt auch tatsächlich nur aus einem Dokument bestehen müsse. Wie das Beispiel der Basisprospekte zeigt, für die in Art. 26 Abs. 4 ProspektVO explizit geregelt ist, dass ein zu einem früheren Zeitpunkt hinterlegtes Registrierungsformular per Verweis in einen Basisprospekt einbezogen werden kann (dazu oben Rz. 9), ist diese Auslegung aber nicht zwingend, vielmehr sind die per Verweis nach § 11 WpPG einbezogenen Dokumente nicht als Einzeldokumente iS des § 12 Abs. 1 Satz 1 WpPG aufzufassen. Da jedenfalls einzelne Informationen aus anderen Prospekten und Registrierungsformularen einbezogen werden können (siehe Art. 28 Abs. 1 Nr. 5 ProspektVO)1 und in § 11 WpPG bzw. in Art. 28 ProspektVO eine Obergrenze für den Umfang der einbeziehbaren Informationen nicht vorgesehen ist, muss es daher auch bei einem einteiligen Prospekt möglich sein, sämtliche Informationen zum Emittenten durch ein gesondert hinterlegtes Registrierungsformular abzudecken (zu einer etwaigen Begrenzung aufgrund der Gültigkeit des Registrierungsformulars siehe § 9 WpPG Rz. 62 und aufgrund der Abhängigkeit der Gültigkeitsdauer des Prospekts von der Gültigkeitsdauer des Registrierungsformulars § 9 WpPG Rz. 72 ff.)2. 3. Prospekt aus mehreren Einzeldokumenten (§ 12 Abs. 1 Satz 2 bis 5 WpPG) 18

Besteht ein Prospekt aus mehreren Einzeldokumenten, sind gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 WpPG die geforderten Angaben auf ein Registrierungsformular, eine Wertpapierbeschreibung und eine Zusammenfassung aufzuteilen, so dass der Prospekt grundsätzlich aus drei Teilen besteht. Eine Aufteilung in weitere Einzeldokumente ist nicht zulässig3. Einzige Ausnahme von dieser Regel sind die Fälle, in denen eine Zusammenfassung entbehrlich ist (vgl. unten Rz. 24).

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Auch bei einem dreiteiligen Prospekt sind die allgemeinen Anforderungen an Prospekte nach den §§ 5 ff. WpPG zu beachten. Im Hinblick auf den Inhalt kommen die §§ 5 und 7 WpPG zur Anwendung und es ist insbesondere das Gebot der Verständlichkeit zu beachten4. Bei der Prospektgestaltung ist – wie Erwägungsgrund Nr. 4 ProspektVO explizit für Prospekte aus mehreren Dokumenten bestimmt – darauf zu achten, dass eine Wiederholung von Angaben vermieden wird. Zu diesem Zweck sieht die ProspektVO vor, dass jeweils ein gesondertes Schema für das Registrierungsformular und die Wertpapierbeschreibung verwendet wird, das auf die jeweilige Art des Emittenten und die entsprechenden Wertpapiere abgestimmt ist, um so jede Art 1 2 3 4

Dazu auch Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (214 f.). Ebenso Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 12 WpPG Rz. 10. Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG Rz. 2. Vgl. auch Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34 (Begründung zu § 12 Abs. 1 WpPG).

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von Wertpapier zu erfassen1. Bei dreiteiligen Prospekten sind auch die Gültigkeitsvorschriften der Prospektbestandteile zu beachten, insbesondere im Hinblick auf die Verwendbarkeit des Registrierungsformulars (dazu unten Rz. 31)2. Auch im Fall des dreiteiligen Prospekts müssen alle Dokumente gemäß dem Verfahren in § 13 WpPG gebilligt werden; ein Registrierungsformular kann auch gesondert gebilligt werden (vgl. dazu unten Rz. 30)3.

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Im Fall eines dreiteiligen Prospekts schreibt Art. 25 Abs. 2 ProspektVO für 21 die Wertpapierbeschreibung und das Registrierungsformular den folgenden Aufbau vor: 1. Klares und detailliertes Inhaltsverzeichnis; 2. je nach Fall Angabe der Risikofaktoren, die mit dem Emittenten bzw. der Art des Wertpapiers, das Bestandteil der Emission ist, verbunden sind; 3. Angabe der sonstigen Informationsbestandteile, die Gegenstand der Schemata und Module sind, auf deren Grundlage der Prospekt erstellt wurde. Diese Reihenfolge ist – wie im Fall des Prospekts als einziges Dokument (siehe oben Rz. 15) – zwingend. Das Registrierungsformular muss die Angaben zum Emittenten enthalten 22 (§ 12 Abs. 1 Satz 3 WpPG). Der Inhalt des Registrierungsformulars bestimmt sich nach der ProspektVO, vor allem nach den Anhängen I, IV, IX und XI der ProspektVO für den Emittenten und im Fall eines Garanten nach Anhang VI ProspektVO. Zu beachten ist, dass mit der Wahl eines bestimmten Anhangs für die Abbildung der Emittenteninformationen auch gleichzeitig eine Festlegung auf bestimmte Emissionen stattfindet. Wenn zB ein Emittent ein Registrierungsformular basierend auf Anhang IV ProspektVO (Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro) erstellt, dann kann er dieses Registrierungsformular nicht für die Emission von Aktien nutzen, da in diesem Fall Anhang I ProspektVO hätte angewendet werden müssen (zur Abgrenzung zwischen den beiden Registrierungsformularen siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 7). Die Wertpapierbeschreibung enthält die Angaben zu den Wertpapieren, die 23 öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen (§ 12 Abs. 1 Satz 4 WpPG). Die entsprechenden Vorgaben für den Mindestinhalt finden sich in den Anhängen II, V, VIII, XII, XIII und XIV ProspektVO. Soweit in der Wertpapierbeschreibung – gleiches gilt

1 Für den Fall von Dopplungen von Informationen vgl. auch CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 10. 2 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34 (Begründung zu § 12 Abs. 2 WpPG). 3 Vgl. Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34 (Begründung zu § 12 Abs. 2 WpPG).

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auch für das Registrierungsformular – von der Reihenfolge in den jeweiligen Anhängen abgewichen wird, muss gegebenenfalls eine Querverweisliste erstellt werden (vgl. oben Rz. 16). 24

Der Inhalt der Zusammenfassung richtet sich gemäß § 12 Abs. 1 Satz 5 WpPG nach § 5 Abs. 2 Satz 2 bis 4 WpPG. Nach dieser Vorschrift sind in der Zusammenfassung unter anderem kurz und allgemein verständlich die wesentlichen Merkmale und Risiken zu nennen, die auf den Emittenten, jeden Garantiegeber und die Wertpapiere zutreffen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 WpPG). Weiterhin muss die Zusammenfassung entsprechend § 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 4 WpPG Warnhinweise darauf enthalten, dass die Zusammenfassung lediglich als Einführung zum Prospekt verstanden werden sollte, eine Anlageentscheidung aber auf den gesamten Prospekt gestützt werden sollte und Prospekthaftungsansprüche nur in dem Fall auf die Zusammenfassung gestützt werden können, dass diese irreführend, unrichtig oder widersprüchlich ist, wenn sie zusammen mit den anderen Teilen des Prospekts gelesen wird. Unter der Voraussetzung, dass der Prospekt die Zulassung von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro zum Handel an einem organisierten Markt betrifft, ist eine Zusammenfassung nicht erforderlich (§ 5 Abs. 2 Satz 4 WpPG). In diesem Fall ist somit auch beim Prospekt aus mehreren Einzeldokumenten eine Zusammenfassung entbehrlich1.

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Die Risikofaktoren sind je nach Art, dh., ob sie sich auf die Wertpapiere oder den Emittenten beziehen, entweder in der Wertpapierbeschreibung oder in dem Registrierungsformular aufzunehmen2. 4. Besonderheiten bei Basisprospekten (§ 12 Abs. 1 Satz 6 WpPG)

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Bei Basisprospekten besteht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 6 WpPG keine Wahlmöglichkeit, einen Prospekt aus einem oder mehreren Einzeldokumenten zu erstellen, sondern der Basisprospekt muss immer als ein einziges Dokument erstellt werden.

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In der Prospektrichtlinie selbst fehlt eine korrespondierende Bestimmung. Aus der Formulierung in Art. 5 Abs. 3 Prospektrichtlinie („Vorbehaltlich des Absatzes 4 …“) kann jedoch gefolgert werden, dass sich auch nach dem Willen des Richtliniengebers Basisprospekte und dreiteilige Prospekte ausschließen3.

1 So auch Holzborn in Holzborn, § 12 WpPG Rz. 1 und Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1071). 2 Friedl in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 12 WpPG Rz. 14. 3 Weniger restriktiv Groß, Kapitalmarktrecht, § 12 WpPG Rz. 2 und Friedl in Just/ Voß/Ritz/Zeising, § 12 WpPG Rz. 6; CESR hat dazu im Rahmen der Vorbereitungsmaßnahmen zu der ProspektVO festgestellt, dass die Prospektrichtlinie die Anwendung des sog. „shelf registration“ Systems nicht explizit gestattet, vgl. CESR/03-300, Rz. 51 sowie CESR/03-301, Rz. 104.

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Der Grund für diese Beschränkung der Wahlmöglichkeit bei Basisprospek- 28 ten ist zum einen darin zu sehen, dass sowohl der dreiteilige Prospekt als auch Basisprospekte die Flexibilität von Emittenten erhöhen sollten, welche häufiger Kapital aufnehmen (vgl. oben Rz. 6)1, und eine komplementäre Anwendung vom Richtliniengeber offenbar für nicht erforderlich gehalten wurde. Dieses Argument ist aber nicht zwingend, insbesondere wenn man bedenkt, dass die gesonderte Hinterlegung eines Registrierungsformulars bei einem Basisprospekt auch dann Sinn macht, wenn das Registrierungsformular durch Verweis gemäß § 11 WpPG einbezogen wird (vgl. oben Rz. 9). Für die Nichtanwendung des dreiteiligen Prospektsformats auf Basisprospekte spricht aber, dass bei Basisprospekten mit den endgültigen Bedingungen bereits ein weiteres Dokument besteht und die Verständlichkeit eines Prospekts, der sich aus mehreren Dokumenten zusammensetzt, abnimmt, insbesondere wenn die Aufteilung der Informationen auf die verschiedenen Einzeldokumente nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist (vgl. auch § 6 WpPG Rz. 31). Im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Prospektrichtlinie wird in 29 einzelnen Stellungnahmen gefordert, dass eine Kombination der verschiedenen Prospektformate, dh. auch die Anwendung des dreiteiligen Prospekts auf Basisprospekte möglich sein sollte (siehe oben Rz. 12). In den Vorschlägen der Europäischen Kommission und des Rates zur Überarbeitung der Prospektrichtlinie (vgl. oben Rz. 13) wird dies allerdings nicht aufgegriffen.

III. Regelungen zum gesondert hinterlegten Registrierungsformular (§ 12 Abs. 2 bis Abs. 4 WpPG) 1. Billigung des Registrierungsformulars (§ 12 Abs. 2 WpPG) Nach § 12 Abs. 2 WpPG ist ein Emittent, dessen Registrierungsformular be- 30 reits von der BaFin gebilligt worden ist, zur Erstellung der Wertpapierbeschreibung und der Zusammenfassung verpflichtet, wenn die Wertpapiere öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden. Daraus lässt sich im Umkehrschluss folgern, dass die Billigung des Registrierungsformulars im Fall des dreiteiligen Prospekts unabhängig von der Billigung der anderen Prospektteile, nämlich der Wertpapierbeschreibung und der Zusammenfassung, erfolgen kann (vgl. auch unten Rz. 41). Im Rahmen der auch bei einem dreiteiligen Prospekt zu beachtenden allgemeinen Anforderungen an Prospekte (vgl. oben Rz. 19) besitzt für das Registrierungsformular vor allem die Gültigkeitsbeschränkung gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 WpPG eine besondere Bedeutung. Dabei ist zwischen der Gültigkeit des Registrierungsformulars im Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung (siehe dazu auch § 9 WpPG Rz. 60 ff.) und der Abhängigkeit der Gültigkeitsdauer des Prospekts von der Gültigkeit des Registrierungsfor1 Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (505).

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mulars (siehe dazu auch § 9 WpPG Rz. 72 ff.) zu differenzieren. Im Fall des dreiteiligen Prospekts ist grundsätzlich die Gültigkeit des Registrierungsformulars im Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung erforderlich, wobei entsprechend § 12 Abs. 1 Satz 2 WpPG auf die Veröffentlichung aller Einzeldokumente, dh. nicht nur des Registrierungsformulars, sondern auch der Wertpapierbeschreibung und der Zusammenfassung, abzustellen ist1. Demgegenüber besteht grundsätzlich keine Abhängigkeit der Gültigkeitsdauer des Prospekts von der Gültigkeitsdauer des Registrierungsformulars. 32

Soweit das gesondert hinterlegte Registrierungsformular nicht für einen dreiteiligen Prospekt, sondern dafür genutzt wird, dass es als Ganzes oder Teile davon in einen anderen (Basis-)Prospekt per Verweis gemäß § 11 WpPG einbezogen wird bzw. werden, ergeben sich eine Reihe von Besonderheiten (zur Einbeziehbarkeit im Hinblick auf einteilige Prospekte bereits oben Rz. 17 und im Hinblick auf Basisprospekte Rz. 9). Im Hinblick auf die Gültigkeitsbeschränkung sind die Vorschriften zum dreiteiligen Prospekt jedenfalls nicht ohne weiteres übertragbar (siehe § 9 WpPG Rz. 60 ff.), wohingegen bei der Aktualisierung Parallelen bestehen (siehe § 9 WpPG Rz. 67 ff. und unten Rz. 34 ff.). Soweit in das gesondert hinterlegte Registrierungsformular andere Informationen, zB Finanzinformationen aus Jahresabschlüssen, durch Verweis einbezogen werden, ist darauf zu achten, dass keine unzulässigen Kettenverweise (vgl. § 11 WpPG Rz. 21) auftreten. In der Praxis ist das dadurch zu lösen, dass die entsprechenden Informationen gegebenenfalls noch einmal per Verweis in die Wertpapierbeschreibung bzw. in den (Basis-)Prospekt aufgenommen werden.

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Ein Registrierungsformular kann grundsätzlich in einer anderen Sprachfassung als der übrige Prospekt erstellt werden (so genanntes „gebrochenes Sprachenregime“, vgl. dazu § 19 WpPG Rz. 69 und im Fall der Einbeziehung per Verweis § 11 WpPG Rz. 31). 2. Aktualisierung des Registrierungsformulars (§ 12 Abs. 3 WpPG)

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Sofern es seit der Billigung des letzten aktualisierten Registrierungsformulars oder eines Nachtrags gemäß § 16 WpPG zu erheblichen Veränderungen oder neuen Entwicklungen gekommen ist, die sich auf die Beurteilung des Publikums auswirken könnten, sind im Fall des dreiteiligen Prospekts die neuen emittentenbezogenen Angaben gemäß § 12 Abs. 3 WpPG in die Wertpapierbeschreibung aufzunehmen. Gegenstand einer Kontroverse ist die Frage, ob daraus zu folgern ist, dass die aktualisierten emittentenbezogenen Informationen immer in die Wertpapierbeschreibung aufzunehmen sind oder ob es stattdessen auch möglich ist, einen Nachtrag zu dem Registrierungsformular zu erstellen, durch den die neuen emittentenbezogenen Informationen unmittelbar in das Registrierungsformular einbezogen werden.

1 Im Ergebnis wohl ähnlich Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 9 WpPG Rz. 19.

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In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass ein Nachtrag zum Regis- 35 trierungsformular zulässig sei und dem Emittenten eine Wahlmöglichkeit eingeräumt werde, zu entscheiden, ob die aktualisierten emittentenbezogenen Informationen entweder im Rahmen eines Nachtrags zum Registrierungsformular in den Prospekt einbezogen werden oder ob stattdessen, wie in § 12 Abs. 3 WpPG vorgesehen, die aktualisierten Informationen in der Wertpapierbeschreibung aufgenommen werden. Als Begründung wird angeführt, dass bereits der Wortlaut des § 12 Abs. 3 WpPG von „der Billigung des letzten aktualisierten Registrierungsformulars oder eines Nachtrags nach § 16“ spreche und damit die Möglichkeit eines Nachtrags zu einem Registrierungsformular impliziert sei1. Als weiteres Argument wird angeführt, dass die Einheitlichkeit und die Übersichtlichkeit der Emittentenbeschreibung darunter leide, wenn entgegen der Erwartung des Anlegers die aktualisierten Informationen zum Emittenten nicht im Registrierungsformular, sondern in der Wertpapierbeschreibung nachgetragen werden2. CESR und die BaFin vertreten dagegen die Ansicht, dass eine Aktualisie- 36 rung von Emittenteninformation nur im Rahmen der Wertpapierbeschreibung erfolgen könne. Ein Nachtrag zu einem Registrierungsformular sei dagegen nicht zulässig. Dies wird außer auf § 12 Abs. 3 WpPG auch auf den Wortlaut des § 16 WpPG gestützt, der sich nur auf unrichtige Informationen im „Prospekt“ und nicht auf unrichtige Informationen im Registrierungsformular beziehe3. Diese Ansicht lässt sich auch auf die Gesetzesbegründung zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz stützen, in der darauf hingewiesen wird, dass die Aufnahme der aktualisierten Angaben in die Wertpapierbeschreibung dem Interesse des Publikums an der Übersichtlichkeit der Angaben im Prospekt diene4. Der Meinungsstreit ist letztlich theoretischer Natur, solange die zuständi- 37 gen Behörden jedenfalls die Billigung eines Nachtrag auf ein gesondert hinterlegtes Registrierungsformular verweigern. Für die Auslegung der Behörden spricht der Wortlaut des § 12 Abs. 3 Satz 1 WpPG (vgl. dazu auch § 16 WpPG Rz. 53): Zwar wird in § 12 Abs. 3 Satz 1 WpPG auf einen „Nachtrag“ verwiesen, damit könnte aber auch ein Nachtrag auf einen Prospekt gemeint sein, in dem das Registrierungsformular schon verwendet wird. In der Rechtsfolge ist § 12 Abs. 3 Satz 1 WpPG insofern unmissverständlich, als er keine Alternative zur Aufnahme der aktualisierten Angaben in die Wertpapierbeschreibung vorsieht. Folgerichtig bleibt es – auch wenn die Be1 Ausführlich dazu Müller/Oulds, WM 2007, 573 (576 f.). 2 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (211); Hamann in Schäfer/Hamann, § 12 WpPG Rz. 7; in diese Richtung gehend auch ESME, Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published or admitted to trading, S. 22, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/ securities/docs/esme/05092007_report_en.pdf. 3 Vgl. CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 34. 4 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34 (Begründung zu § 12 Abs. 3 WpPG).

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vorzugung einer Aktualisierung des Registrierungsformulars mittels eines Nachtrags verständlich ist – abzuwarten, bis im Zuge der Überarbeitung der Prospektrichtlinie der Wortlaut von Art. 12 Abs. 2 Prospektrichtlinie und folgerichtig auch von § 12 Abs. 3 WpPG geändert wird (vgl. oben Rz. 13). Soweit man nach einer entsprechenden Gesetzesänderung zu dem Ergebnis kommt, dass ein gesondert hinterlegtes Registrierungsformular unmittelbar Gegenstand eines Nachtrags sein kann, stellen sich eine Reihe von Folgefragen, zB danach, ob bei bereits laufenden Emissionen eine Aktualisierung des Registrierungsformulars ohne weiteres auch zu einer Aktualisierung eines dreiteiligen Prospekts bzw. eines (Basis-)Prospekts, in den das Registrierungsformular einbezogen wurde, führt (sog. „dynamische Verweise“, vgl. dazu § 11 WpPG Rz. 16). Die Beantwortung dieser Fragen werden von der Formulierung der entsprechenden Bestimmungen abhängen. 38

Als Konsequenz aus dieser Diskussion ist basierend auf der aktuellen Verwaltungspraxis der zuständigen Behörden im Hinblick auf die Art und Weise der Aktualisierung eines gesondert hinterlegten Registrierungsformulars nach dem Zeitpunkt des Vorliegens bzw. des Eintritts der zu aktualisierenden Angaben zu differenzieren (vgl. auch § 9 WpPG Rz. 70), wobei von der im § 12 Abs. 3 Satz 1 WpPG geregelten Konstellation des dreiteiligen Prospekts auszugehen ist und daraus die entsprechenden Konsequenzen für den Fall der Einbeziehung des Registrierungsformulars per Verweis abzuleiten sind.

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In dem Fall, in dem die zu aktualisierenden Angaben zwischen der Billigung des Registrierungsformulars und der Billigung der Wertpapierbeschreibung vorliegen bzw. eintreten, ist die Aktualisierung des Registrierungsformulars über die Wertpapierbeschreibung vorzunehmen. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 WpPG sind davon erhebliche Veränderungen oder neue Entwicklungen erfasst, die sich auf die Beurteilung durch das Publikum auswirken können. Fraglich ist, wie dies zu interpretieren ist. Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 3 Satz 1 WpPG ist nicht jede Veränderung oder neue Entwicklung in die Wertpapierbeschreibung aufzunehmen, sondern es muss eine gewisse Schwelle überschritten sein. Diese Formulierung ähnelt der im Fall von nachtragspflichtigen Umständen oder Unrichtigkeiten nach § 16 Abs. 1 WpPG, ist mit dieser aber nicht identisch (dies gilt auch für die jeweiligen englischen Fassungen in Art. 12 Abs. 2 Prospektrichtlinie bzw. Art. 16 Abs. 1 Prospektrichtlinie). Es würde aber wenig Sinn machen, im Fall des § 12 Abs. 3 Satz 1 WpPG eine von der Nachtragspflicht abweichende Schwelle anzuwenden, die zwischen der Pflicht, aktuelle Angaben aufzunehmen, und der Nachtragspflicht liegen würde. Dementsprechend sind die Grundsätze für die Beurteilung der Aktualisierungspflicht unter § 16 Abs. 1 WpPG (dazu § 16 WpPG Rz. 33 ff.) auf die Konstellation des gesondert hinterlegten Registrierungsformulars entsprechend anzuwenden. Dass diese Auslegung der Intention des Richtliniengebers entspricht, lässt sich auch daraus ableiten, dass im Zuge der aktuellen Überarbeitung der Prospektrichtlinie explizit auf die Aktualisierung des Registrierungsformulars mittels eines Nachtrags referenziert wird und diese Aktualisierungsmög-

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lichkeit von dem Richtliniengeber neben der Aktualisierung mittels der Wertpapierbeschreibung als ein alternativer Weg der Aktualisierung angesehen wird, ohne den Maßstab der Aktualisierung zu problematisieren (siehe oben, insbesondere zu den divergierenden Vorschlägen der Kommission und des Rats in der Sache, Rz. 13). Daraus ist zu folgern, dass der Richtliniengeber offenbar schon jetzt davon ausgeht, dass im Rahmen des Art. 12 Abs. 2 Prospektrichtlinie bzw. folgerichtig in § 12 Abs. 3 Satz 1 WpPG der Maßstab der Nachtragspflicht zur Anwendung kommt. Für den Fall, dass das Registrierungsformular durch Verweis gemäß § 11 WpPG in den (Basis-)Prospekt einbezogen wird, kann nichts anderes gelten, dh. die zu aktualisierenden Angaben sind in den (Basis-)Prospekt aufzunehmen, wobei eine Aktualisierung nur unter den entsprechend anwendbaren Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Satz 1 WpPG erforderlich ist und damit eine bestimmte Wesentlichkeitsschwelle überschritten sein muss. Es wäre nicht einsichtig, wenn man hier einen anderen Maßstab für die zu aktualisierenden Angaben anlegen würde als beim dreiteiligen Prospekt. Soweit sich somit zB lediglich die Mandate der Vorstandsmitglieder des Emittenten gegenüber der Angabe in dem Registrierungsformular ändern (siehe zB Ziffer 10.1 Anhang IV ProspektVO), muss die entsprechende Liste mit den Vorstandsmandaten in der Wertpapierbeschreibung regelmäßig nicht aktualisiert werden. Etwas anderes gilt aber gegebenenfalls in dem Fall, dass das Registrierungsformular in einem dreiteiligen Prospekt verwendet werden soll und zu diesem Zeitpunkt die Neunmonatsfrist für das Erfordernis von Zwischenfinanzinformationen (vgl. zB Ziffer 13.5.2 Anhang IV ProspektVO) abgelaufen ist: In diesem Fall sind gegebenenfalls Zwischenfinanzinformationen in die Wertpapierbeschreibung aufzunehmen, jedenfalls dann, wenn diese als eine erhebliche Veränderung oder neue Entwicklung zu qualifizieren sind, die für die Beurteilung durch das Publikum relevant sein können. Soweit die zu aktualisierenden Angaben erst nach der Billigung der Wertpapierbeschreibung bzw. des (Basis-)Prospekts vorliegen bzw. eintreten, ist es erforderlich, dass ein Nachtrag auf die Wertpapierbeschreibung bzw. den (Basis-)Prospekt geschaltet wird. Es gilt dabei ohne weiteres der Maßstab des § 16 Abs. 1 WpPG, dh. es sind nur wichtige neue Umstände oder wesentliche Unrichtigkeiten nachzutragen, welche die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen können. Es stellt sich hier auch die Frage nach der unterschiedlichen Behandlung des dreiteiligen Prospekts und des durch Verweis einbezogenen, gesondert hinterlegten Registrierungsformulars nicht. Für den Fall, dass das Registrierungsformular für eine Vielzahl von dreigeteilten Prospekten verwendet wurde bzw. in eine Vielzahl von (Basis-)Prospekten einbezogen wurde, kann dies bedeuten, dass Nachträge auf eine Vielzahl von Wertpapierbeschreibungen bzw. (Basis-)Prospekten vorzunehmen sind. In diesem Fall hat sich in der Praxis das Instrument des Sammelnachtrags etabliert (vgl. § 9 WpPG Rz. 86 f.).

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3. Hinterlegung eines nicht gebilligten Registrierungsformulars (§ 12 Abs. 4 WpPG) 41

Sofern ein Emittent nur ein nicht gebilligtes Registrierungsformular hinterlegt hat, bedürfen gemäß § 12 Abs. 4 WpPG alle Dokumente der Billigung durch die BaFin. Durch diese Regelung wird klargestellt, dass bei einem dreiteiligen Prospekt auch das Registrierungsformular stets der Billigung bedarf1. Der Mehrwert dieser Bestimmung in der Praxis ist allerdings fraglich. Auch bei der Einbeziehung von Informationen aus einem gesondert hinterlegten Registrierungsformular per Verweis ist die Billigung des Registrierungsformulars erforderlich (vgl. Art. 28 Abs. 1 Nr. 5 und Art. 26 Abs. 4 Nr. 1 ProspektVO).

1 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, 3.3.2005, S. 34 (Begründung zu § 12 Abs. 1 WpPG).

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Abschnitt 3 Billigung und Veröffentlichung des Prospekts § 13 Billigung des Prospekts (1) Ein Prospekt darf vor seiner Billigung nicht veröffentlicht werden. Die Bundesanstalt entscheidet über die Billigung nach Abschluss einer Vollständigkeitsprüfung des Prospekts einschließlich einer Prüfung der Kohärenz und Verständlichkeit der vorgelegten Informationen. (2) Die Bundesanstalt teilt dem Anbieter oder dem Zulassungsantragsteller innerhalb von zehn Werktagen nach Eingang des Prospekts ihre Entscheidung mit. Die Frist beträgt 20 Werktage, wenn das öffentliche Angebot Wertpapiere eines Emittenten betrifft, dessen Wertpapiere noch nicht zum Handel an einem in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums gelegenen organisierten Markt zugelassen sind und der Emittent zuvor keine Wertpapiere öffentlich angeboten hat. (3) Hat die Bundesanstalt Anhaltspunkte, dass der Prospekt unvollständig ist oder es ergänzender Informationen bedarf, so gelten die in Absatz 2 genannten Fristen erst ab dem Zeitpunkt, an dem diese Informationen eingehen. Die Bundesanstalt soll den Anbieter oder Zulassungsantragsteller hierüber innerhalb von zehn Werktagen ab Eingang des Prospekts unterrichten. (4) Die Bundesanstalt macht die gebilligten Prospekte auf ihrer Internetseite für jeweils zwölf Monate zugänglich. (5) Die Bundesanstalt kann vom Anbieter oder Zulassungsantragsteller verlangen, dass der Prospekt einschließlich der Übersetzung der Zusammenfassung ihr in elektronischer Form übermittelt wird. Hat der Anbieter oder Zulassungsantragsteller die in Satz 1 genannten Dokumente bereits in Papierform eingereicht, hat er gegenüber der Bundesanstalt schriftlich zu erklären, dass die in elektronischer Form übermittelten Dokumente mit den eingereichten Dokumenten übereinstimmen. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Apfelbacher/Metzner, Das Wertpapierprospektgesetz in der Praxis – Eine erste Bestandsaufnahme, BKR 2006, 81; Beck/Samm/Kokemoor (Hrsg.), Gesetz über das Kreditwesen, Loseblatt; Binder, Staatshaftung für fehlerhafte Bankenaufsicht gegenüber Bankeinlegern? – Verfassungs- und aufsichtsrechtliche Überlegungen nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.1.2005 (WM 2005, 369), WM 2005, 1781; Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Fleischer, Prospektpflicht und Prospekthaftung für Vermögensanlagen des Grauen Kapitalmarkts nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 339; Fürhoff/Ritz, Richtlinienentwurf der Kommission über den Europäischen Pass für Emittenten, WM 2001, 2280; Holzborn/Schwarz-Gondek, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BKR

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2003, 927; Jaskulla, Anmerkungen zum BGH-Urteil vom 20.1.2005 – III ZR 48/01, BKR 2005, 231; Keller/Langner, Überblick über die EU-Gesetzgebungsvorhaben im Finanzbereich, BKR 2003, 616; von Kopp-Colomb/Lenz, Der europäische Pass für Emittenten, AG 2002, 24; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. 2008; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – Zentrale Punkte des neuen Regimes für Wertpapieremisionen, WM 2005, 1068; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, Inhalt und Auswirkungen auf das deutsche Kapitalmarktrecht, BB 2004, 501; Mülbert/Steup, Emittentenhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation am Beispiel der fehlerhaften Regelpublizität – das System der Kapitalmarktinformationshaftung nach AnSVG und WpPG mit Ausblick auf die Transparenzrichtlinie, WM 2005, 1633; Reischauer/Kleinhans, Kreditwesengesetz, Loseblatt; Ritgen in Knack/Hennecke (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2009; Rohlfing, Wirtschaftsaufsicht und amtshaftungsrechtlicher Drittschutz, WM 2005, 311; Schindele, Der Grundsatz der Prospektverständlichkeit am Beispiel des Börsenzulassungsprospekts für den amtlichen Markt – eine Studie zur deutschen und US-amerikanischen Rechtslage, 2008; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schlitt/Schäfer, Drei Jahre Praxis unter dem Wertpapierprospektgesetz – eine Zwischenbilanz, AG 2008, 525; Schwirten in Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), Kreditwesengesetz, 3. Aufl. 2008; Seidel, Amtshaftung für fehlerhafte Bilanzkontrolle, DB 2005, 651; Seitz, Die Integration der europäischen Wertpapiermärkte und die Finanzmarktgesetzgebung in Deutschland, BKR 2002, 340; Seitz, Das neue Wertpapierprospektrecht – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678; Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008; Wagner, Der Europäische Pass für Emittenten – die neue Prospektrichtlinie, Die Bank 2003, 680; Weber, Unterwegs zu einer europäischen Prospektkultur, NZG 2004, 360.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . . II. Prüfung und Billigung des Prospekts durch die BaFin (§ 13 Abs. 1 WpPG) 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit der BaFin . . 3. Prospekt . . . . . . . . . . . . . 4. Prüfungsumfang . . . . . . . 5. Billigung . . . . . . . . . . . . . 6. Gebühren . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

III. Antragsteller und Prüfungsfristen (§ 13 Abs. 2 WpPG) 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . 2. Antragsteller und Antrag . . . 3. Prüfungsfristen . . . . . . . . . .

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V. Zugänglichmachen der gebilligten Prospekte auf der BaFin-Internetseite (§ 13 Abs. 4 WpPG) . . . . . . .

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VI. Übermittlung des Prospekts in elektronischer Form (§ 13 Abs. 5 WpPG) . . . . . . .

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IV. Verlauf der Prüfungsfristen bei Nachforderungen der BaFin (§ 13 Abs. 3 WpPG) . . . . . . . 29

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VII. Staatshaftung 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . 2. Amtshaftungsansprüche des Anlegers . . . . . . . . . . . . 3. Amtshaftungsansprüche des Anbieters oder Zulassungsantragstellers . . . . . . . . . . . .

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§ 13 WpPG

I. Normentwicklung § 13 WpPG dient der Umsetzung von Art. 13 Prospektrichtlinie1 und – so- 1 weit der Umfang der Prospektprüfung betroffen ist – von Art. 2 Abs. 1 lit. q Prospektrichtlinie2 sowie im Hinblick auf das Zugänglichmachen der Prospekte auf der Internetseite der BaFin von Art. 14 Abs. 4 Prospektrichtlinie3. Streitpunkte während des europäischen Gesetzgebungsverfahrens waren die Fristen für die Prüfung der Prospekte, die Zuständigkeitsregelung und die genaue Formulierung des Prüfungsumfangs. Statt der schließlich in Art. 13 Abs. 2 Prospektrichtlinie auf zehn Arbeitstage festgelegten Prüfungsfrist wurden auch 15 Tage4 oder sieben Werktage5 vorgeschlagen und statt der jetzt zwanzigtägigen Prüfungsfrist in Art. 13 Abs. 3 Prospektrichtlinie wurden auch 40 Tage6 oder 30 Arbeitstage7 diskutiert. Während die Prospektrichtlinie in der verabschiedeten Fassung in Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 2 klarstellt, dass die Fristversäumung durch die Behörde nicht zu eine Billigung des Prospekts führt, gingen die Entwürfe teilweise von einer Ablehnung8 1 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. 2 Begr. RegE zu § 13 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34. 3 Begr. RegE zu § 13 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35. 4 Art. 11 Abs. 2 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, von der Kommission vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272, 277; siehe zu den Fristen dieses Vorschlags ua. Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2285 oder von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 (28); Art. 13 Abs. 2 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, vorgelegt von der Kommission am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122, 147. 5 Art. 10 Abs. 2 des Standpunkts des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 14.3.2002 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, ABl. EU Nr. C 47 E v. 27.2.2003, S. 525, 536. 6 Art. 11 Abs. 3 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, von der Kommission vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272, 277; die 40-Tages-Prüfungsfrist wurde allgemein als zu lang angesehen, vgl. ua. Wagner, Die Bank 2003, 680. 7 Art. 13 Abs. 3 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, vorgelegt von der Kommission am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122, 147. 8 Art. 11 Abs. 4 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapie-

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oder aber auch Gestattung1 durch Fristablauf aus. Was die zuständige Behörde anbelangt, stellte die Kommission in erster Linie auf das Land des Sitzes des Emittenten ab2 während das Europäische Parlament weitgehende Wahlmöglichkeiten wünschte3. Die Regelung in Art. 2 Abs. 1 lit. m Prospektrichtlinie und Art. 13 Prospektrichtlinie, der in seinem Abs. 5 auch die Möglichkeit zur Übertragung der Prospektprüfung auf die Behörde eines anderen Mitgliedstaates vorsieht4, stellt letztlich einen Kompromiss der verschiedenen Ansichten dar5. Ein weiterer zentraler Aspekt der auf europäischer Ebene geregelten Zuständigkeit ist eine innerstaatliche Kompetenzregelung6 in Art. 21 Abs. 1 Prospektrichtlinie, wonach jeder Mitgliedstaat eine zentrale zuständige Verwaltungsbehörde benennt, die für die Erfüllung der in der Prospektrichtlinie festgelegten Pflichten und für die Anwendung der nach der Prospektrichtlinie erlassenen Bestimmungen zuständig ist. Von der in Art. 30 Abs. 3 Prospektrichtlinie der Bundesrepublik Deutschland bis 31.12.2008 eingeräumten Übergangsfrist, die vorerst die Beibehaltung der damaligen Zuständigkeitsverteilung bei der Prospektprüfung zwischen Börsen und BaFin ermöglicht hätte7, wurde kein Gebrauch gemacht. Ebenfalls kein Gebrauch gemacht wurde von der Möglichkeit der Aufgabendelegation von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats auf andere Behörden dieses Staates (Art. 21 Abs. 2 Prospektrichtlinie). Schließlich wurden auch der Begriff der Billigung und insbesondere der Prüfungsumfang näher diskutiert. Im ersten Entwurf der Richtlinie (dort Art. 11 Abs. 1) wurde die

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ren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, von der Kommission vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272, 277. Art. 13 Abs. 5 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, vorgelegt von der Kommission am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122, 147. Art. 11 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 lit. g des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, von der Kommission vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272. Art. 10 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 lit. g des Standpunkts des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 14.3.2002 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, ABl. EU Nr. C 47 E v. 27.2.2003, S. 525; kritisch zur eingeschränkten Wahlmöglichkeit Seitz, BKR 2002, 340 (346). Siehe dazu Crüwell, AG 2003, 243 (250) und Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1070), die als Hauptanwendungsfall für eine derartige Delegation Angebotsprogramme sehen (mit Stückelungen unter 1.000 Euro). Zur endgültigen Regelung in der Prospektrichtlinie ua. Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (933 f.); Keller/Langner, BKR 2003, 616 (617); Seitz, AG 2005, 678 (687 f.); Wagner, Die Bank 2003, 680 (682). Seitz, BKR 2002, 340 (346). Weber, NZG 2004, 360 (364).

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Billigung erwähnt, aber nicht näher umschrieben1. Nach schwierigen Diskussionen wurde dann später2 eine Definition der Billigung/Genehmigung aufgenommen, die nach einer Vollständigkeitsprüfung des Prospekts, einschließlich der Kohärenz und Verständlichkeit der vorgelegten Informationen (Art. 2 Abs. 1 lit. q Prospektrichtlinie). Die Umsetzung des Art. 13 Prospektrichtlinie erfolgte durch das Prospekt- 2 richtlinie-Umsetzungsgesetz3 stark am europäischen Wortlaut orientiert4. Nicht in das WpPG übernommen wurde zum einen die in Art. 13 Abs. 5 Prospektrichtlinie vorgesehene Möglichkeit der Übertragung der Prospektprüfung auf die Behörde eines anderen Mitgliedstaates. Art. 13 Abs. 5 Prospektrichtlinie ist eine Ermessensvorschrift, bei der bereits der deutsche Gesetzgeber die Wahlmöglichkeit abschlägig entschieden hat. Abgesehen davon dürfte die Einräumung einer Delegationsmöglichkeit bei der BaFin verfassungsrechtlich problematisch sein (insbesondere vor dem Hintergrund des Art. 23 GG). Zum anderen musste Art. 13 Abs. 6 Prospektrichtlinie, wonach die Haftung der zuständigen Behörde weiterhin ausschließlich nach innerstaatlichem Recht geregelt wird, nicht spezialgesetzlich im WpPG umgesetzt werden. Vielmehr gelten hier die allgemeinen Amtshaftungsgrundsätze. Was das in § 13 Abs. 4 WpPG vorgesehene Zugänglichmachen der gebilligten Prospekte auf der Internetseite der Aufsichtsbehörde anbelangt, wurde das in Art. 14 Abs. 4 Prospektrichtlinie vorgesehene Alternativverfahren nicht mit umgesetzt. Das europäische Recht sieht alternativ vor, dass auch eine Liste der gebilligten Prospekte veröffentlicht werden kann, einschließlich einer Verknüpfung zu dem auf der Webseite des Emittenten oder des geregelten Marktes veröffentlichten Prospekt. Die Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes waren nicht unerheblich, denn es wurde nicht nur die Unterscheidung zwischen Börsenzulassungsprospekt (§ 30 Abs. 3 BörsG aF) und Verkaufsprospekt (§§ 8 f.

1 Art. 11 Abs. 1 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, von der Kommission vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272, 277. 2 Art. 2 Abs. 1 lit. q des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, vorgelegt von der Kommission am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122, 142. 3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 22.6.2005, BGBl. I 2005, 1698. 4 Nach Crüwell, AG 2003, 243 (251) wäre eine derart nah am europäischen Wortlaut orientierte Umsetzung nicht zwingend gewesen, so hätte der deutsche Gesetzgeber beispielsweise kürzere Prüfungsfristen vorsehen können; siehe auch Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (509).

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VerkProspG aF) aufgehoben1, sondern auch die Billigung, die zuvor durch die Börsen oder die BaFin ausgesprochen wurde, bei der BaFin zentralisiert2. Das Börsenzulassungsverfahren nach §§ 32 ff. BörsG und der BörsZulV erfolgt aber weiterhin durch die Börsen. Durch den Prospekt, der der Information der Anleger vor einer Anlageentscheidung dient, und dessen Prüfung soll der Anlegerschutz gestärkt werden3. 4

Änderungen auf europäischer Ebene wird voraussichtlich auch hier die geplante „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 1998/26/EG, 2002/87/EG, 2003/6/EG, 2003/41/EG, 2003/71/EG, 2004/39/EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Bankaufsichtsbehörde, der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung und der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde“4 bringen. Zum einen wird wohl Art. 13 Abs. 2 Prospektrichtlinie dahingehend ergänzt, dass nicht nur der Emittent, der Anbieter bzw. die die Zulassung zum geregelten Markt beantragende Person über die Billigung des Prospekts zu unterrichten ist, sondern auch die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde, der gegebenenfalls sogar noch der Prospekt bzw. Nachtrag zu übermitteln ist. Zum anderen ist geplant, Art. 13 Abs. 5 Prospektrichtlinie zu ändern, der sich mit der nicht in deutsches Recht übernommenen Möglichkeit einer Übertragung der Prospektprüfung auf die Behörde eines anderen Mitgliedstaates befasst. Auch über diese Übertragung solle die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde informiert werden, die zudem technische Standards dazu erlassen kann.

II. Prüfung und Billigung des Prospekts durch die BaFin (§ 13 Abs. 1 WpPG) 1. Übersicht 5

Das Prospektprüfungs- und Billigungsverfahren wird nicht vollumfänglich in § 13 WpPG geregelt, sondern ist im Zusammenhang mit den anderen Normen des WpPG zu lesen (siehe für die Befugnisse der BaFin § 21 WpPG, aber auch für die Ermittlung der zuständigen Behörde ist auf andere Regelungen des WpPG Rückgriff zu nehmen). Dennoch sind wesentliche Punkte des Prospektprüfungs- und Billigungsverfahrens in § 13 WpPG angelegt. Angesprochen, wenn auch nicht immer wirklich geregelt, ist die Zuständigkeit, der Prüfungsumfang, die Billigung als Abschluss des Verfahrens, der

1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 1; Kullmann/Sester, WM 2005, 1068; Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (502); Weber, NZG 2004, 360, 361. 2 Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81; Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 1. 3 Erwägungsgrund 10 der Prospektrichtlinie; Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 1; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 1. 4 Interinstitutionelles Dossier: 2009/0161 (COD), ursprünglicher Vorschlag der Europäischen Kommission v. 26.10.2009.

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§ 13 WpPG

Antragsteller und der Verlauf der Fristen für die Prospektprüfung durch die BaFin. § 13 Abs. 1 WpPG setzt Art. 13 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchstabe lit. q Pro- 6 spektrichtlinie um. Nach § 13 Abs. 1 WpPG darf der Prospekt vor seiner Billigung nicht veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung des Prospekts unterliegt demnach dem Billigungsvorbehalt1 durch die BaFin, dh. für die Billigung ist eine ausdrückliche Entscheidung durch die Behörde erforderlich (siehe dazu auch oben Rz. 1). Die BaFin (Rz. 7) entscheidet nach einer Vollständigkeitsprüfung (Rz. 9, 10) des Prospekts (Rz. 8) einschließlich einer Prüfung der Kohärenz (Rz. 9, 11 f.) und Verständlichkeit (Rz. 9, 13) der vorgelegten Informationen über die Billigung (Rz. 15 ff.). Für ihr Verwaltungshandeln erhebt die BaFin Gebühren (Rz. 19). 2. Zuständigkeit der BaFin § 13 Abs. 1 WpPG äußert sich nicht hinreichend genau zur Zuständigkeit 7 der BaFin, sondern besagt lediglich, dass die BaFin nach Abschluss der Prüfung über die Billigung entscheidet. Wie bereits unter Rz. 1 dargelegt, ist die Zuständigkeitsregelung als Kompromiss auf europäischer Ebene etwas komplexer erfolgt. Art. 13 Abs. 1 Prospektrichtlinie spricht von einer Billigung durch die „zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats“ und verweist damit auf Art. 2 Abs. 1 lit. m Prospektrichtlinie, der durch § 2 Nr. 13 WpPG umgesetzt wurde. § 13 WpPG enthält zwar keinen ausdrücklichen Verweis auf § 2 Nr. 13 WpPG. Letztlich ergibt sich dies aber mittelbar vor dem europäischen Hintergrund, denn schließlich wollte der deutsche Gesetzgeber mit § 13 Abs. 1 WpPG Art. 13 Abs. 1 Prospektrichtlinie umsetzen2 und damit nicht vom europäischen Recht abweichen3. Grundsätzlich ist danach die BaFin zuständig für Emittenten mit Sitz in Deutschland, was insbesondere für Aktienwerte gilt. So wird beispielsweise ein Prospekt für das Angebot und die Zulassung von Aktien einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland selbst dann von der BaFin geprüft, wenn Angebot und Zulassung ausschließlich im europäischen Ausland erfolgen sollen. Umgekehrt werden Prospekte für das Angebot oder die Zulassung von Aktien einer Gesellschaft mit Sitz im europäischen Ausland von der entsprechenden ausländischen Behörde geprüft und gebilligt, selbst wenn Angebot und Zulassung ausschließlich in Deutschland erfolgen sollen. Bei Nichtdividendenwerten bestehen gegebenenfalls nach § 2 Nr. 13 lit. b WpPG Wahlrechte. Näheres zur zuständigen Behörde kann der Kommentierung zu § 2 Nr. 13 WpPG entnommen werden (siehe unter § 2 WpPG Rz. 78 ff.). Zur internen Zuständigkeit innerhalb der BaFin siehe § 2 WpPG Rz. 92. Ein öffentliches 1 Leuering in Holzborn, § 13 WpPG Rz. 4. 2 Begr. RegE zu § 13 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34. 3 Im Ergebnis auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 5; Leuering in Holzborn, § 13 WpPG Rz. 6; Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 29; Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (83); Kullmann/Sester, WM 1068 (1070); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (509); Seitz, AG 2005, 678 (687).

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Angebot oder eine Zulassung von Wertpapieren kann gemäß § 17 Abs. 3 WpPG auch auf Grund eines im Ausland gebilligten Prospekts erfolgen (siehe dazu unter § 17 WpPG Rz. 26 ff.). 3. Prospekt 8

Gegenstand der Billigung und demgemäß auch des Billigungsantrags ist ein Prospekt iS von § 5 WpPG, bestehend aus einem oder mehreren Einzeldokumenten (§ 12 WpPG), oder § 6 WpPG (Basisprospekt). Besteht ein Prospekt aus mehreren Einzeldokumenten, sind jeweils die einzelnen Dokumente zu billigen (siehe dazu § 12 WpPG Rz. 20). Anwendung findet § 13 WpPG auch auf die Prüfung und Billigung von Nachträgen (siehe dazu § 16 WpPG Rz. 92). Zu den einzureichenden Unterlagen siehe unten Rz. 23. 4. Prüfungsumfang

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Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 WpPG entscheidet die BaFin über die Billigung „nach Abschluss einer Vollständigkeitsprüfung des Prospekts einschließlich einer Prüfung der Kohärenz und Verständlichkeit der vorgelegten Informationen.“ Darin wird zumindest eine Änderung des bisherigen Prüfungsmaßstabes gesehen1, teilweise auch eine deutliche Intensivierung der bisherigen Prüfungsdichte2 bis hin zu einer eingeschränkt materiellen Prüfung3. Gegen eine materielle Prüfung4 spricht einmal der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 2 WpPG, der durch die Verwendung des Wortes „einschließlich“ die Kohärenz- und Verständlichkeitsprüfung in die Nähe der formaleren Vollständigkeitsprüfung rückt. Auch die Regierungsbegründung stellt klar, dass geprüft werden soll, ob die Angaben des Prospekts konsistent sind, dh. ob der Prospekt keine inneren Widersprüche enthält. Eine Prüfung der Bonität des Emittenten und der inhaltlichen Richtigkeit des Prospekts durch die BaFin erfolgt nicht5, was auch im Rahmen von § 21 Abs. 8 WpPG betont wird6. Dass sich die Prüfung nicht auf den Inhalt erstreckt und zwar auch nicht am Rande, ist bei einer näheren Betrachtung der Prüfungskriterien ersichtlich. 1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 8. 2 Ein Hinausgehen über die Prüfungsdichte des § 8a VerkProspG aF sehen Schlitt/ Schäfer, AG 2005, 498 (506), ebenso Mülbert/Steup, WM 2005, 1633 (1640), die dadurch aber kein Erreichen der Intensität der eingeschränkt materiellen Prüfung in Form einer Plausibilitätskontrolle, die im Rahmen von Börsenprospekten durch die Zulassungsstelle nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BörsG aF erfolgte, sehen, während Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (509) auch im Vergleich zum alten Börsenrecht von einer größeren Prüfungsdichte ausgehen. 3 Crüwell, AG 2003, 243 (250); Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremission, S. 154; Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 417. 4 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 5, sieht die Prüfung eher als eine rein formale Prüfung an. 5 Begr. RegE zu § 13 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34. 6 Begr. RegE zu § 21 Abs. 8 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 39.

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Die Vollständigkeitsprüfung ist schon vom Grundsatz her eine formale Prü- 10 fung. Mit Hilfe der vom Antragsteller mit eingereichten Überkreuzchecklisten erfolgt ein Abgleich der im Prospekt enthaltenen Informationen mit den einschlägigen Anhängen zur EU-Prospektverordnung1. Bei den geforderten historischen Finanzinformationen müsste beispielsweise geprüft werden, ob diese überhaupt im Prospekt enthalten sind und ob diese alle erforderlichen Bestandteile enthalten (einschließlich des Prüfertestats, soweit es gefordert ist). Eine inhaltliche Prüfung erfolgt dagegen nicht. Theoretisch lässt sich die Kohärenzprüfung (im englischen Richtlinientext 11 „consistency“) als eine Prüfung des Prospekts im Hinblick auf sich widersprechende Aussagen einfach definieren. In der Praxis stellt dies aber angesichts der teilweise recht umfangreichen Prospekte und der Prüfungsfristen eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Andererseits dürften die Anforderungen an die Kohärenzprüfung angesichts einer in der Regel nur zehntägigen Prüfungsfrist nicht zu hoch gesteckt werden2. Dennoch müssen beispielsweise Finanzangaben, die außerhalb der Finanzseiten eines Prospekts wiederholt werden, vielleicht auch nur in einer beschreibenden Form, mit denen der Finanzseite im Hinblick auf eventuelle Widersprüche abgeglichen werden. Von der Kohärenzprüfung nicht mehr umfasst ist dagegen beispielsweise die inhaltliche Prüfung von sich widersprechenden Finanzangaben. Die BaFin stellt den Widerspruch fest, prüft aber nicht, welche der Angaben gegebenenfalls richtig ist3. Nicht mehr von der Kohärenzprüfung umfasst und damit eine komplett inhaltliche Prüfung wäre die Überprüfung eines im Prospekt dargestellten Produkts im Hinblick auf die Angemessenheit der konkreten Produktausgestaltung. An diesen Beispielen zeigt sich auch, dass die Kohärenzprüfung der formal betrachteten Vollständigkeitsprüfung sehr nahe steht. Bei sich widersprechenden Angaben stellt sich die Frage, ob diese dann überhaupt gemacht wurden. Stehen beispielsweise die ausgewählten Finanzinformationen im Widerspruch zu den historischen Finanzinformationen, so kann es sich begriffsnotwendig bereits nicht um eine „Auswahl“ der an anderer Stelle dargestellten historischen Finanzinformationen handeln. Werden im Prospekt mehrere sich widersprechende Gründungsdaten des Emittenten genannt, so ist der Emittent nicht in der Lage, das eine für die Emittentenbeschreibung geforderte Gründungsdatum zu nennen, was den Prospekt in gewisser Weise wiederum unvollständig macht.

1 Berichtigte Fassung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3. 2 Vgl. Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 42. 3 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 5, der die Prüfung in Fn. 10 als „umgekehrte“ Vollständigkeitsprüfung bezeichnet.

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Um auf einige Einzelfälle der Kohärenzprüfung einzugehen, so sind bei einem aus mehreren Einzeldokumenten bestehenden Prospekt (§ 12 Abs. 1 Satz 2 WpPG) alle Teile des Prospekts im Zusammenhang zueinander auf Kohärenz (und Vollständigkeit) zu überprüfen, denn nur alle Teildokumente zusammen ergeben einen Prospekt. Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die Dokumente, die nach § 11 WpPG per Verweis in den Prospekt einbezogen und damit zu dessen Bestandteil werden. Bei der Kohärenzprüfung von Nachträgen stellt sich die Frage, ob sich die Prüfung nur auf den Nachtrag als solchen beschränkt oder ob dieser zusammen mit dem Prospekt, auf den sich der Nachtrag bezieht, zu prüfen ist. Weder der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 3 WpPG noch die Gesetzesbegründung1 stellen diesbezüglich einen Bezug zu dem Prospekt her, auf den sich der Nachtrag bezieht. Verwiesen wird nur auf den für die Prüfung von Prospekten geltenden Maßstab. Gegen eine umfassende Prüfung des Nachtrags zusammen mit dem betreffenden Prospekt spricht auch die Frist: Die Prüfung des Nachtrags zusammen mit dem Prospekt wäre mit sieben Werktagen kürzer als die Prüfung allein des Prospekts mit zehn Werktagen2. Ziel des Nachtrags ist zudem, den Anleger möglichst zügig über wichtige neue Umstände oder wesentliche Unrichtigkeiten zu informieren. Eine sehr umfassende Prüfung steht allerdings einer möglichst zügigen Billigung entgegen. Schließlich kann noch auf mehrsprachig gestaltete Prospekte eingegangen werden, wie zB die komplett zweisprachige Fassung eines Prospekts oder die – verbindliche oder unverbindliche – Übersetzung der Emissionsbedingungen in einem (Basis)Prospekt. Selbst wenn die BaFin beide Sprachfassungen prüfen muss, weil beide Bestandteil des zu billigenden Prospekts sind und verbindlich sind bzw. es im Falle eines Basisprospekts sein können, so erfolgt kein Abgleich der Übersetzungen. Prospektrechtlich handelt es sich dann um verschiedene Prospekte oder mögliche verschiedene Emissionsbedingungen, die in sich aber nicht untereinander geprüft werden3.

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In der Praxis schwieriger umreißen lässt sich der Begriff der Verständlichkeit. Nach § 5 Abs. 1 WpPG muss der Prospekt in leicht analysierbarer und verständlicher Form alle erforderlichen Angaben enthalten und so abgefasst sein, dass sein Verständnis und seine Auswertung erleichtert werden. Allein die nach § 19 WpPG berechtigte Verwendung einer anderen als der deutschen Sprache macht den Prospekt genauso wenig unverständlich wie allein die Nutzung der nach § 5 WpPG gegebenen Möglichkeit der Erstellung eines Basisprospektes. Die Verständlichkeit dürfte vor dem Hintergrund der Ziele der gesetzlichen Regelungen4 und der Ausnahmen von der Prospekt-

1 2 3 4

Begr. RegE zu § 16 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 36. So auch Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 45. So im Ergebnis auch Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 44. Siehe in den Erwägungsgründen 10 und 16 der Prospektrichtlinie den Anlegerschutz als Ziel für den Erlass der Prospektrichtlinie wie auch das besondere Augenmerk auf den Kleinanleger bei der Wahrnehmung von Durchführungsbefugnissen durch die Europäische Kommission in Erwägungsgrund 41 der Prospektrichtlinie.

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pflicht für qualifizierte Anleger nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG aus der Perspektive eines durchschnittlichen Privatanlegers zu bemessen sein1. Ergänzend herangezogen werden können die verschiedenen Ansichten zum Adressatenhorizont zu § 44 Abs. 1 BörsG2. Hinzuweisen ist auch auf das von der Rechtsprechung aufgestellte Anforderungsprofil eines aufmerksamen Lesers, „der zwar eine Bilanz zu lesen versteht, aber nicht unbedingt mit der in eingeweihten Kreisen gebräuchlichen Schlüsselsprache vertraut zu sein braucht“ und der den Prospekt einer „unbefangenen Betrachtung“ unterzieht3. Die Verständlichkeit erschweren können beispielsweise übermäßig viele Verweise innerhalb des Prospekts, unspezifische Verweise oder nicht erläuterte Fachausdrücke4. Ab einem gewissen Grad der Unverständlichkeit kann auch von einer Unvollständigkeit des Prospekts gesprochen werden. Dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 2 WpPG bzw. von Art. 2 Abs. 1 lit. q Prospektrichtlinie folgend bezieht sich die Prüfung auf die der BaFin vorgelegten Informationen. In erster Linie sind dies die in dem Prospekt, dessen Billigung beantragt wird, enthaltenen Informationen. Ergibt die Prospektprüfung, dass weitere Informationen erforderlich sind (zB auch im Hinblick auf Art. 4a oder Art. 23 ProspektVO), kann die BaFin diese verlangen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 WpPG). Auch diese Informationen sind dann vom Prüfungsumfang erfasst. Keine der Behörde „vorgelegten Informationen“ sind allerdings solche aus Quellen außerhalb des Prüfungsverfahrens, wie zB aus den Medien.

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5. Billigung Die Entscheidung über die Billigung regelt, auch wenn die Billigung abge- 15 lehnt wird, einen Einzelfall im öffentlichen Interesse, dh. auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, mit Außenwirkung und ist damit als Verwaltungsakt zu qualifizieren5. Die Billigung ist ausdrücklich auszusprechen und erfolgt nicht durch Fristablauf, denn eine Billigung ohne aktives Tun der Behörde ist nur möglich, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist6. Die BaFin versendet den Billigungsbescheid in der Regel per Telefax an den Antragsteller bzw. dessen Bevollmächtigten. Die Billigung kann wie alle Verwaltungsakte unter den Voraussetzungen von § 48 VwVfG zurückgenommen bzw. nach § 49 VwVfG (iVm. § 21 Abs. 8 Satz 3 WpPG) widerru-

1 Schindele, Der Grundsatz der Prospektverständlichkeit am Beispiel des Börsenzulassungsprospekts für den amtlichen Markt – eine Studie zur deutschen und US-amerikanischen Rechtslage, S. 109 ff. 2 Siehe dazu ua. Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 17 ff. 3 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, NJW 1982, 2823 (2824); auf das Urteil verweist auch Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 4 und § 5 WpPG Rz. 2 (mwN). 4 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 46. 5 Begr. RegE zu § 13 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34. 6 Begr. RegE zu § 13 Abs. 2 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34 f.

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fen werden1. Bei der Prospektbilligung handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, so dass der Antragsteller einen Anspruch auf die Billigung hat, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen2. 16

Rechtsfolge der Billigung ist die Möglichkeit, nach einer Prospektveröffentlichung die betreffenden Wertpapiere anbieten zu können, oder eine Zulassungsvoraussetzung zu erfüllen3. Dem Wortlaut von § 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG entsprechend stellt die Veröffentlichung des Prospekts eine auf die Billigung folgende Pflicht dar4. Mit der Billigung des Prospekts übernimmt die BaFin dem Prüfungsumfang folgend keinerlei Verantwortung für den Inhalt5. Entsprechend kann die BaFin Werbung, die geeignet ist, über den Umfang der Prüfung irrezuführen, nach § 15 Abs. 6 Satz 2 WpPG untersagen. Vor dem Hintergrund des sich nicht auf den Inhalt beziehenden Prüfungsumfangs werden folgerichtig durch die Billigungsentscheidung auch keine Prospekthaftungsansprüche ausgeschlossen6.

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Liegen die Voraussetzungen für eine Billigung nicht vor, kann das Prospektprüfungsverfahren auch mit der Ablehnung eines Billigungsantrages enden. Ob vorher eine Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG erfolgen muss, ist umstritten7. Nach § 28 Abs. 1 VwVfG muss eine Anhörung vor Erlass eines Verwaltungsakts erfolgen, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift. In die Rechte eines Beteiligten wird nach der Rechtsprechung nur eingegriffen, wenn durch den Verwaltungsakt die bisherige Rechtsstellung des Beteiligten zu seinem Nachteil verändert, ihm eine rechtliche Verpflichtung auferlegt, insbesondere von ihm ein Tun oder Unterlassen gefordert wird. Dagegen genüge es nicht, wenn der Erlass eines Verwaltungsakts abgelehnt wird, der erst eine Rechtsposition gewähren soll8. Letzteres trifft auch auf das Billigungsverfahren des WpPG zu. In der Praxis wird dem Antragsteller im Rahmen der Hinweise der BaFin nach § 13 Abs. 3 Satz 2 WpPG vor der Ablehnung in der Regel ausreichend Gelegenheit geboten, sich zu dem Vorbringen der BaFin zu äußern. Im Einzelfall kann davon allerdings abgewichen werden, wie zB bei wiederholt eingereichten, trotz eines Anhörungsschreibens der BaFin identischen und nicht billigungsfähigen Prospekten9.

1 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 58 f. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 11; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 14; Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 22 und 68. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 12; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 15. 4 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 15. 5 Begr. RegE zu § 13 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34; Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 12; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 16. 6 Begr. RegE zu § 13 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34. 7 Kopp/Ramsauer, § 28 VwVfG Rz. 26 ff. mwN. 8 BVerwG v. 14.10.1982 – 3 C 46/81, NJW 1983, 2044 (2045). 9 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 31.

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Da das Prospektbilligungsverfahren ein auf den Erlass eines Verwaltungs- 18 aktes abzielendes Verwaltungsverfahren ist, stehen dem Antragsteller die üblichen Rechtsbehelfe zur Verfügung: Bleibt die BaFin nach beantragter Prospektbilligung untätig, kann der Antragsteller gemäß § 75 VwGO Untätigkeitsklage erheben1. Wird die beantragte Billigung abgelehnt, kann der belastende Verwaltungsakt mit Widerspruch sowie Anfechtungs- und Verpflichtungsklage angegriffen werden2. Gerade wenn die Refinanzierung eines Emittenten von einer rechtzeitigen Platzierung der Wertpapiere und das wiederum von einer Prospektbilligung abhängt, kann theoretisch auch der einstweilige Rechtsschutz in Anspruch genommen werden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO)3. Klagegegner ist gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die nach § 1 Abs. 1 FinDAG4 bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts BaFin. Nach § 1 Abs. 3 FinDAG gilt für Klagen gegen die BaFin Frankfurt am Main als Sitz der Behörde. Dem am Verfahren nicht unmittelbar beteiligten Anleger dürfte allerdings keine Widerspruchs- oder Klagebefugnis zustehen, da er nicht Adressat des Verwaltungsaktes ist und die Entscheidung der BaFin allein im öffentlichen Interesse erfolgt5 (zum Tätigwerden der BaFin im öffentlichen Interesse siehe auch unten Rz. 36). 6. Gebühren Für die Entscheidung über die Billigung, ob gewährend oder ablehnend, wer- 19 den von der BaFin Gebühren nach § 28 WpPG iVm. der Verordnung über die Erhebung von Gebühren nach dem Wertpapierprospektgesetz6 erhoben. Für die Billigung eines Basisprospekts werden beispielsweise 2.500 Euro (Ziffer 5 des Gebührenverzeichnisses zu § 2 Abs. 1 WpPGebV) und für die Billigung eines aus einem Dokument bestehenden Prospekts 4.000 Euro (Ziffer 7 des Gebührenverzeichnisses zu § 2 Abs. 1 WpPGebV) erhoben, wenn die Prospektprüfung und Billigung nicht mit einem außergewöhnlich hohen Verwaltungsaufwand verbunden war (§ 2 Abs. 2 WpPGebV). Die Gebühren im Falle der Ablehnung des Antrags oder der Rücknahme vor Beginn der sachlichen Bearbeitung bemisst sich nach § 3 Abs. 1 WpPGebV und für die Widerspruchsbearbeitung im Falle einer teilweisen oder vollständigen Zurückweisung nach § 3 Abs. 2 WpPGebV.

1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 13; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 20. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 14; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 20; Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 72 ff. 3 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 77. 4 Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG) v. 22.4.2002 (BGBl. I 2002, 1310), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 25.6.2009 (BGBl. I 2009, 1528). 5 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 15; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 20. 6 Wertpapierprospektgebührenverordnung (WpPGebV) v. 29.6.2005, BGBl. I 2005, 1875.

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III. Antragsteller und Prüfungsfristen (§ 13 Abs. 2 WpPG) 1. Übersicht 20

§ 13 Abs. 2 WpPG setzt Art. 13 Abs. 2 und 3 Prospektrichtlinie um. Nach § 13 Abs. 2 WpPG teilt die BaFin dem Antragsteller (Rz. 21 ff.) innerhalb von zehn Werktagen oder im Falle eines erstmaligen öffentlichen Angebots innerhalb von 20 Werktagen (Rz. 26 ff.) die Entscheidung über die Billigung mit (siehe dazu oben unter Rz. 15 ff.). 2. Antragsteller und Antrag

21

Der Antrag auf Billigung eines Prospekts wird vom Anbieter oder Zulassungsantragsteller gestellt. Im Gegensatz zum Zulassungsverfahren muss das Prospektbilligungsverfahren nicht durch ein das Emissionsverfahren eventuell begleitendes Kreditinstitut mitbeantragt werden1.

22

Der Antrag auf Billigung des Prospekts ist schriftlich zu stellen2 und kann bereits mit einem Antrag auf Notifizierung des Prospekts ins europäische Ausland verbunden werden, was die Bearbeitungsfrist für die Notifizierung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 WpPG von drei auf einen Werktag nach Billigung verkürzt.

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Dem Antrag sind die für die Prospektprüfung erforderlichen Unterlagen beizufügen. Dazu gehört in erster Linie der entsprechend den Vorgaben von § 5 Abs. 3 WpPG unterschriebene Prospekt3. Sollte der Aufbau des Prospekts von der Reihenfolge der Angaben in den Anhängen zur ProspektVO abweichen, ist dem Prospekt eine nach Art. 25 Abs. 4 bzw. Art. 26 Abs. 3 ProspektVO erstellte Aufstellung von Querverweisen (Überkreuzcheckliste) beizufügen. Aus dieser Überkreuzcheckliste hat synopsenartig hervorzugehen, an welcher konkreten Stelle im Prospekt (Seitenzahl, Gliederungsnummer) sich die jeweils im Anhang geforderte Angabe befindet. Sofern einzelne Punkte nicht anwendbar sind, ist dies kurz zu erklären. Dem Antrag auf Billigung sind ferner noch die gegebenenfalls nach § 11 WpPG per Verweis einbezogene Dokumente beizufügen (soweit diese der BaFin nicht bereits vorliegen), erforderlichenfalls auch eine Übersetzung der Zusammenfassung für angestrebte Notifizierungen und im Falle der Vertretung des Antragstellers die Vollmacht des Vertreters im Original. Wirksam können die Unterlagen nur in der Papierversion eingereicht werden, wobei die BaFin eine fristauslösende Vorabübermittlung per Telefax ermöglicht, wenn parallel dazu die Papierversion übermittelt wird. Auch kann der Prospekt über die web-basierte Melde- und Veröffentlichungsplattform (MVP) der BaFin übermittelt werden. Diese Kommunikationsart basiert auf der fort1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 4; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 8. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 3. 3 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 7 Rz. 13.

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geschrittenen elektronischen Signatur. Für die Schlüsselerzeugung und -aufbewahrung benötigen die Teilnehmer eine wiederbeschreibbare Smartcard sowie ein korrekt installiertes Gerät zum Lesen und Beschreiben dieser Karte. Die BaFin erstellt das erforderliche Zertifikat, welches dann auf die Karte geladen werden kann. Da es sich (noch) nicht um eine qualifizierte elektronische Signatur handelt, kann der Prospekt zwar – wie beim Telefax – fristauslösend über die Melde- und Veröffentlichungsplattform übermittelt werden, muss aber noch parallel als Papierversion eingereicht werden. Die Rücknahme des Antrages auf Billigung des Prospekts durch den Antrag- 24 steller ist während des Verwaltungsverfahrens bis zum Erlass des Billigungsbescheides möglich. Die Befugnis zur Rücknahme des Antrags folgt aus der Verfügungsbefugnis des Antragstellers1. Wurde von Seiten der BaFin mit der sachlichen Bearbeitung begonnen, wird auch in diesen Fällen ein Gebühr fällig, und zwar höchstens 50 % der für die Vornahme der Amtshandlung festzusetzenden Gebühr (§ 3 Abs. 1 Satz 2 WpPGebV). Rechtlich zweifelhaft ist dagegen, ob eine Rücknahme des Billigungsantrages noch nach Erlass des Billigungsbescheides und vor der Veröffentlichung des Prospekts oder gar noch nach der Veröffentlichung des Prospekts möglich ist. Uneinigkeit besteht schon bei der Frage, wie lange ein Verwaltungsverfahren dauert, verbunden mit der Folgefrage, wie lange ein Antrag zurückgenommen werden kann. Teilweise wird vertreten, dass mit der Entscheidung über den Antrag das Verwaltungsverfahren beendet sei (ein Widerspruchsverfahren also ein neues Verwaltungsverfahren wäre)2, andererseits aber auch, dass der maßgebliche Zeitpunkt der des Eintritts der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts sei3. Selbst wenn der letztgenannten Ansicht gefolgt wird, besteht darüber hinaus Uneinigkeit in der Frage der Rechtsfolge, dh. ob der Verwaltungsakt durch die Erklärung der Rücknahme unwirksam oder rechtswidrig wird4. Diese Rechtsunsicherheit ist äußerst misslich für ein Verfahren, welches bereits ein gebilligtes Haftungsdokument hervorgebracht hat. Möchte der Antragsteller nach der Billigung des Prospekts der sich daraus ergebenden Pflicht, den Prospekt zu veröffentlichen (siehe oben Rz. 16), oder aus anderen Gründen den Billigungsbescheid wieder beseitigen, so bleibt der Verzicht auf die Rechtsfolgen der Billigung. Eine behördliche Genehmigung erlischt auch dann, wenn der Begünstigte auf sie verzichtet5. Durch Verzicht erledigt sich der Verwaltungsakt „auf andere Weise“ iS von § 43 Abs. 2 VwVfG6. Der Verzicht muss eindeutig und unmissverständlich erklärt werden7. Zumindest vor der Veröffentlichung des Prospekts besteht 1 Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 22 VwVfG Rz. 59. 2 Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 9 VwVfG Rz. 193. 3 Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 22 VwVfG Rz. 65. 4 Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 22 VwVfG Rz. 72. 5 BVerwG v. 15.12.1989 – 4 C 36.86, DVBl. 1990, 427. 6 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 43 VwVfG Rz. 209. 7 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 53 VwVfG Rz. 33.

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noch kein Informationsinteresse des Anlegers im Hinblick auf den Prospekt, so dass die Dispositionsbefugnis über das durch die Billigungsentscheidung gewährte Recht allein beim Billigungsadressaten liegt. Nach der Veröffentlichung des Prospekts dürfte ein Verzicht nur in Ausnahmefällen möglich sein (zB nach der Veröffentlichung eines Registrierungsformulars, welches für sich genommen keine hinreichenden Informationen für eine Anlageentscheidung des Anlegers enthält, wenn es nicht verwendet wird, dh. nicht Bestandteil eines Prospekts wird). 3. Prüfungsfristen 26

Die Prüfungsfrist beträgt nach § 13 Abs. 2 Satz 1 WpPG grundsätzlich zehn Werktage. Die Frist beträgt nach § 13 Abs. 2 Satz 2 WpPG allerdings 20 Werktage, wenn ein Emittent, dessen Wertpapiere noch nicht zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, erstmals Wertpapiere öffentlich anbietet, es sich also um ein IPO (Initial Public Offering) handelt. Von der zwanzigtägigen Prüfungsfrist erfasst sein können auch sogenannte Transfer-IPOs vom Freiverkehr in den regulierten Markt, wenn die Einbeziehung in den Freiverkehr ohne ein öffentliches Angebot erfolgte.

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Der Beginn des Fristlaufs ist abhängig von der Einreichung aller vollständigen Unterlagen, also nicht nur des Prospekts, sondern auch der Überkreuzcheckliste1. Dass die Prüfungsfristen erst dann zu laufen beginnen, ergibt sich aus § 13 Abs. 3 WpPG. Diese Vorschrift (näher dazu unten Rz. 29 ff.) besagt für den Fall, dass die BaFin Anhaltspunkte für eine Unvollständigkeit des Prospekts hat oder sie ergänzende Informationen benötigt, die Fristen erst ab Eingang der fehlenden Informationen zu laufen beginnen2. Der Eingang der Unterlagen wird von der BaFin unter Angabe des Eingangsdatums per Telefax bestätigt.

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Die Berechnung der Frist folgt den Vorgaben von § 31 VwVfG iVm. §§ 187 ff. BGB, dh. für den Fristbeginn wird der Tag der Einreichung der Antragsunterlagen nicht mitgezählt und die Frist endet mit dem Ablauf des letzten Tages der Zehn- bzw. 20-Werktags-Frist. Werktage sind alle Tage außer Sonntage und Feiertage, dh. auch der Samstag ist ein Werktag. Das Fristende kann demnach auch nicht auf einen Sonntag oder Feiertag fallen. Auch wenn nach § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG die Frist, die an sich an einem Samstag endet, erst an dem dann folgenden Werktag endet3, äußert sich die BaFin immer an dem Werktag vor dem Samstag. Diese Praxis entspricht der

1 Zur Abhängigkeit des Fristlaufs von der Einreichung der Überkreuzcheckliste siehe Begr. RegE zu § 13 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 10; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 11; Apfelbach/Metzner, BKR 2006, 81 (83). 3 § 31 VwVfG gilt für die Berechnung von Fristen, die sowohl die Beteiligten als auch die Behörde einzuhalten haben, Ritgen in Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 31 VwVfG Rz. 8 f.

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Auslegung1 zum alten VerkProspG. Es wurde davon ausgegangen, dass § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG keine Anwendung findet, da sie sich nur auf Handlungs- und Erklärungsfristen, die das Gesetz oder eine Behörde gegenüber dem Bürger setzt, beziehe. Die Bestimmung solle dem Bürger gewährleisten, die Fristen gegenüber einer Behörde voll ausschöpfen zu können, nicht aber die Tätigkeit der Behörde als Verfahrensträger zu schützen2.

IV. Verlauf der Prüfungsfristen bei Nachforderungen der BaFin (§ 13 Abs. 3 WpPG) Stellt die BaFin bei der Prüfung des Prospekts fest, dass der Prospekt unvoll- 29 ständig ist oder ergänzende Informationen erforderlich sind, teilt sie dies dem Antragsteller mit. Mit der Bezugnahme auf den „unvollständigen Prospekt“ hat der deutsche Gesetzgeber den in Art. 13 Abs. 4 Prospektrichtlinie enthaltenen Begriff der „unvollständigen Unterlagen“ konkretisiert. Die zehn- bzw. 20tägigen Fristen des § 13 Abs. 2 WpPG beginnen erst dann zu laufen, wenn die fehlenden Unterlagen und Informationen nachgereicht werden. Die Anknüpfung des Fristlaufs an den Eingang der fehlenden Unterlagen ist nach Ansicht des Gesetzgebers gerechtfertigt, weil erst zu diesem Zeitpunkt eine auf die Billigung ausgerichtete Prüfung des Prospektentwurfs möglich ist3. Dem folgend scheint der Gesetzgeber von einem anderen Vollständigkeitsbegriff als in § 13 Abs. 1 WpPG auszugehen, nämlich einem sehr engen Vollständigkeitsbegriff als vorbereitende Prüfung zu der dann darauf aufbauenden Prüfung auf Kohärenz und Verständlichkeit4. Denn ansonsten wäre ein Fristlauf von zehn Werktagen nach § 13 Abs. 3 Satz 2 WpPG im Hinblick auf den möglichen Fristlauf von 20 Werktagen nach § 13 Abs. 2 Satz 2 WpPG widersprüchlich. Ergänzenden Informationen iS von § 13 Abs. 3 Satz 1 WpPG sind insbesondere die Überkreuzcheckliste (siehe dazu oben unter Rz. 27)5. Nach § 13 Abs. 3 Satz 2 WpPG „soll“ die BaFin den Antragsteller darüber innerhalb von zehn Werktagen informieren. Insgesamt wurde in der Fristenregelung des § 13 Abs. 3 WpPG die Gefahr gesehen, dass durch häufige Nachforderungen der BaFin das gesamte Emissionsverfahren, insbesondere bei weniger standardisierten Produkten, unberechenbar wird6. Die Praxis hat aber inzwischen gezeigt, dass dem nicht so ist. Erfahrungsgemäß wird die Frist von zehn Werktagen nur ein bis zwei Mal je Verfahren voll ausgenutzt, wobei dann noch einige Tage für die ab-

1 Ziffer VII. 1. der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 2 Lenz/Ritz, WM 2000, 904 (907). 3 Begr. RegE zu § 13 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35. 4 Im Ergebnis so Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 10; Ritz/Voß in Just/ Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 49; aA Leuering in Holzborn, § 13 WpPG Rz. 25. 5 Begr. RegE zu § 13 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35. 6 Crüwell, AG 2003, 243 (251); Kunold/Schlitt, BB 501 (509).

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schließende Bearbeitung folgen. Bei Börsengängen sah der Zeitplan häufig wie folgt aus: – 13 Arbeitstage (nicht Werktage, aber immer noch deutlich kürzer als die für solche Fälle in § 13 Abs. 2 Satz 2 WpPG vorgesehenen 20 Werktage) Prüfungszeit nach der ersten Einreichung, – ca. zehn Werktage Prüfungszeit nach der zweiten Einreichung und abschließend – zwei bis fünf Werktage Prüfungszeit nach der dritten Einreichung bis zur Billigung1. 30

Voraussetzung für ein zügiges Verfahren ist, dass bei einer erneuten Einreichung auf Grund von Anmerkungen der BaFin neben der Prospektversion im Billigungsformat auch eine änderungsmarkierte Fassung eingereicht wird, bei der alle Änderungen (Einfügungen und Streichungen) gegenüber der Vorfassung markiert sind2. Zu diesem Prospekt im Überarbeitungsmodus ist die Erklärung abzugeben, dass der erneut eingereichte Prospekt mit der Vorfassung übereinstimmt, mit Ausnahme der seitdem vorgenommenen und im Überarbeitungsmodus gekennzeichneten Änderungen.

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Bei komplexen Transaktionen, bei denen sich beispielsweise Fragen zu den im Prospekt aufzunehmenden historischen Finanzinformationen stellen, empfiehlt es sich, bereits vor dem Beginn des Prospektbilligungsverfahrens Kontakt mit der BaFin aufzunehmen. Im Vorfeld können die Anforderungen an den Prospekt wie auch die Einzelheiten des Zeitplans besprochen werden. So kann auch erörtert werden, ob gegebenenfalls bestimmte Informationen (wie zB Quartalsberichte) erst in einer späteren Einreichungsfassung eingearbeitet werden und wie sich dann der Zeitplan gestaltet. Auf diese Weise lässt sich eine höhere Transaktionssicherheit erreichen.

32

Auswirkungen auf den Fristverlauf können auch weitere im Zusammenhang mit der Prospektbilligung gestellte Anträge haben, wie Anträge nach § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG, um die Gestattung der Verwendung einer anderen als der deutschen Sprache zu erwirken, oder nach § 8 Abs. 2 WpPG, um von der Aufnahme bestimmter Angaben befreit zu werden. Die Fristen in § 13 Abs. 2 und 3 WpPG beginnen nicht vor Bescheidung dieser Anträge zu laufen. Diese Vorschriften enthalten – anders als § 18 Abs. 1 WpPG für den Fall der beantragten Notifizierung – keine Bearbeitungsfristen für die Behörde. Hätte die Stellung und Bearbeitung der Anträge keine Auswirkung auf die Fristen nach § 13 Abs. 2 und 3 WpPG, würden faktisch die Prospektprüfungsfristen für die Bearbeitung der Anträge eingeführt. Ferner kann die BaFin über die Billigung oder über die Frage, ob Informationen fehlen, erst 1 Vgl. auch Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 62; Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 6; Schlitt/Ponick in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 7 Rz. 18; Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 10; Schlitt/Schäfer; AG 2008, 525 (529). 2 Apfelbach/Metzner, BKR 2006, 81 (83).

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Billigung des Prospekts

dann entscheiden, wenn die von den Anträgen betroffenen Vorfragen geklärt wurden. Die Entscheidung über die Anträge erfolgt im Übrigen auch nach einem anderen als in § 13 Abs. 1 WpPG vorgesehenen Prüfungsmaßstab. Bislang gab es in der Praxis allerdings keine zeitlichen Probleme. Es ist ratsam, die mit derartigen Anträgen zusammenhängenden Fragen im Vorfeld zu klären.

V. Zugänglichmachen der gebilligten Prospekte auf der BaFin-Internetseite (§ 13 Abs. 4 WpPG) Nach § 13 Abs. 4 WpPG macht die BaFin die gebilligten Prospekte auf ihrer 33 Internetseite für zwölf Monate zugänglich, und zwar im Volltext. Nach Ablauf der zwölf Monate ist dann zwar das Prospektdokument nicht mehr im Volltext abrufbar, aber die übrigen Daten erscheinen noch. Der deutsche Gesetzgeber hat sich also nicht für die in Art. 14 Abs. 4 Prospektrichtlinie befindliche zweite Möglichkeit einer reinen Liste der gebilligten Prospekte entschieden (für die im Übrigen dann noch Art. 32 ProspektVO zu beachten wäre, wonach im Internet auch anzugeben wäre, wie diese Prospekte dem Publikum zur Verfügung gestellt wurden und wo sie erhältlich sind). Die Veröffentlichung durch die BaFin erfolgt unabhängig davon, dass der Anbieter oder Zulassungsantragsteller den Prospekt nach § 14 WpPG veröffentlichen muss. Die Frist von zwölf Monaten beginnt jeweils mit dem der Einstellung des Prospekts auf der Internetseite der BaFin folgenden Werktag. Eingestellt werden auch Nachträge, nicht dagegen endgültige Bedingungen. Ferner weist die BaFin auf ihrer Internetseite darauf hin, dass auch Veröffentlichungen nach § 15 WpHG weitere wesentliche Angaben zum Emittenten oder zu den Wertpapieren enthalten können1.

VI. Übermittlung des Prospekts in elektronischer Form (§ 13 Abs. 5 WpPG) § 13 Abs. 5 WpPG setzt Art. 14 Abs. 4 Prospektrichtlinie um (siehe dazu 34 oben Rz. 2). Nach § 13 Abs. 5 Satz 1 WpPG kann die BaFin vom Anbieter oder Zulassungsantragsteller verlangen, dass der Prospekt einschließlich der Übersetzung(en) der Zusammenfassungen ihr in elektronischer Form übermittelt werden. Dazu hat der Einreicher nach § 13 Abs. 5 Satz 2 WpPG eine Erklärung dahingehend abzugeben, dass die elektronische Fassung mit der Papierversion übereinstimmt. Die BaFin fordert die elektronische Fassung des Prospekts regelmäßig an, um den Prospekt so nach § 13 Abs. 4 WpPG auf ihre Internetseite einstellen zu können oder auch um gegebenenfalls Notifizierungen nach § 18 WpPG möglichst zügig durchführen zu können2. Die in der Papierversion enthaltene Unterschrift unter den Prospekt kann für die Zwecke der elektronischen Fassung des Prospekts entweder 1 Begr. RegE zu § 13 Abs. 4 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35. 2 Begr. RegE zu § 13 Abs. 5 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35.

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Billigung des Prospekts

eingescannt werden oder durch die Ergänzung der Namen durch ein „gez.“ kenntlich gemacht werden.

VII. Staatshaftung 1. Übersicht 35

Das WpPG enthält keine spezialgesetzliche Regelung zur Staatshaftung, womit grundsätzlich erst einmal die allgemeinen Amtshaftungsgrundsätze gelten. Bei möglichen Ansprüchen nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG stellt sich die Frage, welchen Dritten gegenüber die BaFin Amtspflichten erfüllt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung1 führt nach § 839 BGB nicht jede Verletzung von Amtspflichten eines Beamten zu Haftungsansprüchen eines von der Amtspflichtverletzung nachteilig Betroffenen. Erforderlich ist vielmehr, dass der Amtsträger „die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht“ verletzt hat. Auch die Überleitungsnorm des Art. 34 Satz 1 GG für die Haftung der öffentlichen Hand nimmt diese Begrenzung auf. Ob im Einzelfall ein Geschädigter zu dem Kreis der Dritten iS des § 839 BGB gehört, wird danach beurteilt, ob die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, das Interesse gerade dieses Geschädigten wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht. Dabei genügt es, dass die Amtspflicht neben der Erfüllung allgemeiner Interessen und öffentlicher Zwecke auch den Zweck verfolgt, die Interessen Einzelner wahrzunehmen2. Die Frage, wer als Geschädigter zu dem Kreis der Dritten iS des § 839 BGB gehört, lässt sich für diejenigen, die als Antragsteller unmittelbar am Verwaltungsverfahren beteiligt sind (wie zB im Falle des WpPG der Anbieter oder Zulassungsantragsteller, der den Antrag auf Billigung des Prospekts stellt), einfacher beantworten als für Anleger. 2. Amtshaftungsansprüche des Anlegers

36

Im Hinblick auf Amtshaftungsansprüche des Anlegers erlangt § 4 Abs. 4 FinDAG besondere Bedeutung. Nach § 4 Abs. 4 FinDAG nimmt die BaFin ihre Befugnisse und Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahr, was Amtshaftungsansprüche von Anlegern letztlich ausschließen dürfte. Die Vorschrift entspricht unter anderem dem früheren § 6 Abs. 4 KWG bzw. § 4

1 Statt vieler BGH v. 20.1.2005 – III ZR 48/01, ZIP 2005, 287 (289). 2 BGH v. 20.1.2005 – III ZR 48/01, ZIP 2005, 287 (289).

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Abs. 2 WpHG1. § 6 Abs. 4 KWG wurde – damals noch als § 6 Abs. 3 KWG – nach dem „Wetterstein“-Urteil2 und dem „Herstatt“-Urteil3, nach denen den Maßnahmen der Aufsicht im Einzelfall drittschützende Wirkung zukommen konnte, in das KWG eingefügt4. In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung heißt es zu dieser Vorschrift: „Die Änderung stellt für sämtliche dem Bundesaufsichtsamt zugewiesene Aufgaben klar, dass sie zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft ausschließlich im öffentlichen Interesse wahrgenommen werden. Amtspflichten gegenüber den durch das Wirken des Bundesaufsichtsamtes nur mittelbar geschützten Personen oder Personenkreisen werden bei der Tätigkeit des Bundesaufsichtsamtes nicht begründet.“5 Dadurch sollte ausgeschlossen werden, „dass einzelne Personen, die in geschäftlichen Beziehungen zu Kreditinstituten oder sonstigen Unternehmen stehen, an die das Bundesaufsichtsamt Maßnahmen richten kann, wegen eines bestimmten Verhaltens der Behörde Schadensersatzansprüche gegen den Staat erheben können.“6 Dieser Haftungsausschluss wurde teilweise heftig kritisiert, da darin ein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip, gegen Art. 14 GG und gegen Art. 3 GG gesehen wurde. Auch die Vereinbarkeit mit dem europäischen Recht wurde bezweifelt7. Der BGH hat allerdings im Jahre 2005 entschieden, dass § 6 Abs. 4 KWG und der an seine Stelle getretene § 4 Abs. 4 FinDAG mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht und dem Grundgesetz vereinbar sei8. Der Gesetzgeber sei befugt, Inhalt, Umfang und Zweckrichtung von Amtspflichten zu regeln und damit auch mittelbar den Umfang der Haftung zu bestimmen9. Zuvor hatte der EuGH festgestellt, dass den Haftungsausschlüssen europäisches Gemeinschaftsrecht nicht entgegensteht10. Die in dem Verfahren betroffenen europäischen Richtlinien könnten nicht so verstanden werden, „dass sie dem Einzelnen im Fall der Nichtverfügbarkeit seiner Einlagen auf Grund einer unzureichenden Aufsicht der zuständigen nationalen Behörden Rechte verleihen, die die Staatshaftung auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts begründen können.“11

1 Begr. zu § 4 Abs. 4 FinDAG im RegE eines Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, BT-Drucks. 14/7033 v. 5.10.2001, S. 34. 2 BGH v. 15.2.1979 – III ZR 108/76, NJW 1979, 1354. 3 BGH v. 12.7.1979 – III ZR 154/77, NJW 1979, 1879. 4 Zur Entwicklung der Amtshaftung im KWG-Bereich siehe ua. Reischauer/ Kleinhans, § 6 KWG S. 20 ff.; Binder, WM 2005, 1781 (1782 ff.); Jaskulla, BKR 2005, 231; Schenke/Ruthig, NJW 1994, 2324 (2325), die die Regelung für verfassungswidrig halten. 5 BT-Drucks. 10/1441 v. 14.5.1984, S. 20. 6 BT-Drucks. 10/1441 v. 14.5.1984, S. 20. 7 Zu den Bedenken siehe Schenke/Ruthig, NJW 1994, 2324; Beck/Samm/Kokemoor, § 6 KWG Rz. 61 ff.; Papier in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 839 BGB Rz. 255. 8 BGH v. 20.1.2005 – III ZR 48/01, ZIP 2005, 287; dazu Binder, WM 2005, 1781; Jaskulla, BKR 2005, 231. 9 BGH v. 20.1.2005 – III ZR 48/01, ZIP 2005, 287 (291). 10 EuGH v. 12.10.2004 – C-222/02, NJW 2004, 3479. 11 EuGH v. 12.10.2004 – C-222/02, NJW 2004, 3479 (3481).

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Billigung des Prospekts

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Da § 4 Abs. 4 FinDAG für alle von der BaFin ergriffene Maßnahmen Anwendung findet, hat der Anleger auch im Hinblick auf von der BaFin nach dem WpPG ergriffene Maßnahmen keinen Amtshaftungsanspruch. Auf europäischer Ebene stellt Art. 13 Abs. 6 Prospektrichtlinie ausdrücklich fest, dass die Haftung der zuständigen Behörde ausschließlich durch das innerstaatliche Recht geregelt werde1. Im Rahmen des WpPG-Gesetzgebungsverfahrens wies der Gesetzgeber noch einmal deutlich darauf hin, dass die Billigung nach § 13 Abs. 1 WpPG ausschließlich im öffentlichen Interesse erfolge2. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung – unabhängig von § 4 Abs. 4 FinDAG – für einen mit der Prospektprüfung nach dem WpPG nicht unähnlichen Fall entschieden, dass die Zulassungsprüfung durch die Börsen dem Schutz des Publikums und der Verhinderung einer Schädigung erheblicher allgemeiner Interessen diene, also über den Schutz des einzelnen Anlegers hinausgehe und damit auch keine besondere Beziehung zum Anleger begründe3.

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Da das BVerfG den Haftungsausschluss noch nicht überprüft hat, werden weiterhin Bedenken vorgetragen4. Der Anwendung des Haftungsausschlusses nach § 4 Abs. 4 FinDAG könnten die Grundsätze der Normenkonflikte entgegenstehen. Denkbar wäre der Normenkonflikt-Grundsatz des „lex specialis derogat legi generali“5. Danach könnte das WpPG als das speziellere Gesetz das FinDAG als das allgemeine Gesetz verdrängen, mit der Folge, dass der Haftungsausschluss nach § 4 Abs. 4 FinDAG auf Grund der speziellen Ausformung der Prüfungspflichten (ua. in § 13 WpPG) nicht zur Anwendung käme. Eine derartige Normenkonfliktlage ist hier allerdings nicht gegeben. Das FinDAG ist nicht als das allgemeine Gesetz im Verhältnis zum WpPG anzusehen. Das FinDAG regelt umfassend für alle kapitalmarktrechtlichen Regelungen, die Aufgaben und Befugnisse der BaFin vorsehen, die organisationsrechtlichen Grundlagen. Das materielle Aufsichtsrecht wurde durch das FinDAG dagegen nicht geändert6. Daher besteht zwischen dem WpPG und der Regelung des § 4 Abs. 4 FinDAG kein Konkurrenzverhältnis, das durch die Normenkonfliktgrundsätze berührt wird. 3. Amtshaftungsansprüche des Anbieters oder Zulassungsantragstellers

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Im Gegensatz zu Anlegern können direkt am Verfahren Beteiligten, wie dem Anbieter oder Zulassungsantragsteller, die die Billigung eines Prospekts beantragt haben, Amtshaftungsansprüche zustehen. Da die Entscheidung über die Billigung auf Grund der mit ihr verbundenen Außenwirkung einen Verwaltungsakt darstellt, stehen den beaufsichtigten Personen sub1 2 3 4 5

Vgl. dazu Fleischer, BKR 2004, 339 (343). Begr. RegE zu § 13 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34. LG Frankfurt a.M. v. 3.9.2004 – 2/4 O 435/02, WM 2004, 2155. Fleischer, BKR 2004, 339 (343); Rohlfing, WM 2005, 311. Vgl. dazu im Hinblick auf das Verhältnis des jüngeren Bilanzkontrollgesetzes zu § 4 Abs. 4 FinDAG Seidel, DB 2005, 651 (654). 6 Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 3 WpHG Rz. 2.

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Hinterlegung und Veröffentlichung des Prospekts

§ 14 WpPG

jektiv-öffentliche Rechte gegen die Verwaltungsentscheidung zu, die nicht durch den Haftungsausschluss nach § 4 Abs. 4 FinDAG erfasst werden1. Denkbarer Fall könnte die Nichteinhaltung der Fristen nach § 13 Abs. 2 und Abs. 3 WpPG durch die BaFin sein2.

§ 14 Hinterlegung und Veröffentlichung des Prospekts (1) Nach seiner Billigung hat der Anbieter oder Zulassungsantragsteller den Prospekt bei der Bundesanstalt zu hinterlegen und unverzüglich, spätestens einen Werktag vor Beginn des öffentlichen Angebots, nach Absatz 2 zu veröffentlichen. Werden die Wertpapiere ohne öffentliches Angebot in den Handel an einem organisierten Markt eingeführt, ist Satz 1 mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass für den Zeitpunkt der spätesten Veröffentlichung anstelle des Beginns des öffentlichen Angebots die Einführung der Wertpapiere maßgebend ist. Findet vor der Einführung der Wertpapiere ein Handel von Bezugsrechten im organisierten Markt statt, muss der Prospekt mindestens einen Werktag vor dem Beginn dieses Handels veröffentlicht werden. Im Falle eines ersten öffentlichen Angebots einer Gattung von Aktien, für die der Emittent noch keine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt erhalten hat, muss die Frist zwischen dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prospekts nach Satz 1 und dem Abschluss des Angebots mindestens sechs Werktage betragen. (2) Der Prospekt ist zu veröffentlichen 1. in einer oder mehreren Wirtschafts- und Tageszeitungen, die in den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, in denen das öffentliche Angebot unterbreitet oder die Zulassung zum Handel angestrebt wird, weit verbreitet sind, 2. indem der Prospekt in gedruckter Form zur kostenlosen Ausgabe an das Publikum bereitgehalten wird a) bei den zuständigen Stellen des organisierten Marktes, an dem die Wertpapiere zum Handel zugelassen werden sollen, b) beim Emittenten, 1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 16; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 21; Beck/Samm/Kokemoor, § 6 KWG Rz. 59 f.; Reischauer/Kleinhans, § 6 KWG S. 21; Schwirten in Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, § 4 FinDAG Rz. 10. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 17, der unabhängig von der Billigungsfähigkeit des Prospekts einen Verstoß gegen die Fristen in § 13 Abs. 2 oder Abs. 3 WpPG für möglich hält, während Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1073) diese Fallgestaltung unter dem Gesichtspunkt des dann allerdings nicht greifenden Einwandes rechtmäßigen Alternativverhaltens lösen.

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Hinterlegung und Veröffentlichung des Prospekts

c) bei den Instituten im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder den nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätigen Unternehmen, die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, oder d) bei den Zahlstellen, 3. auf der Internetseite a) des Emittenten, b) der Institute im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder der nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätigen Unternehmen, die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, oder c) der Zahlstellen oder 4. auf der Internetseite des organisierten Marktes, für den die Zulassung zum Handel beantragt wurde. (3) Der Anbieter oder der Zulassungsantragsteller hat der Bundesanstalt Datum und Ort der Veröffentlichung des Prospekts unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (4) Wird der Prospekt in mehreren Einzeldokumenten erstellt oder enthält er Angaben in Form eines Verweises, können die den Prospekt bildenden Dokumente und Angaben getrennt in einer der in Absatz 2 genannten Art und Weise veröffentlicht werden. In jedem Einzeldokument ist anzugeben, wo die anderen Einzeldokumente erhältlich sind, die zusammen mit diesem den vollständigen Prospekt bilden. (5) Wird der Prospekt im Internet veröffentlicht, so muss dem Anleger vom Anbieter, vom Zulassungsantragsteller oder von den Instituten im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder den nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätigen Unternehmen, die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, auf Verlangen eine Papierversion kostenlos zur Verfügung gestellt werden. (6) Der hinterlegte Prospekt wird von der Bundesanstalt zehn Jahre aufbewahrt. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Prospekt hinterlegt worden ist. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698), geändert durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 (BGBl. I 2008, 2794). Schrifttum: Apfelbacher/Metzner, Das Wertpapierprospektgesetz in der Praxis – eine erste Bestandsaufnahme, BKR 2006, 81; Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Heidelbach/Preuße, Einzelfragen in der praktischen Arbeit mit dem neuen Wertpapierprospektregime, BKR 2006, 316; Jäger/Maas, Hinweisbekanntmachungen – Neue Divergenz im Prospektrecht, BB 2009, 852; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – Zentrale Punkte des neuen Regimes für Wertpapieremissionen, WM 2005, 1068; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BB 2004, 501; Lenz/Ritz, Die Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz und zur Ver-

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§ 14 WpPG

ordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte, WM 2000, 904; Müller/Oulds, Transparenz im europäischen Fremdkapitalmarkt, WM 2007, 573; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Seitz, Das neue Wertpapierprospektrecht, AG 2005, 678.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung und Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Hinterlegung des Prospekts .

4

III. Veröffentlichung des Prospekts 1. Veröffentlichungspflicht und Zeitpunkt der Veröffentlichung (§ 14 Abs. 1 WpPG) a) Öffentliches Angebot . . . . b) Börseneinführung ohne öffentliches Angebot . . . . 2. Art der Veröffentlichung (§ 14 Abs. 2 WpPG) . . . . . . . a) Veröffentlichung in einer Tages- oder Wirtschaftszeitung (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . b) Veröffentlichung durch Bereithalten des Prospekts (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 WpPG) .

3. 4.

6 5. 11 13

6. 7.

14

c) Veröffentlichung im Internet (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . Mitteilung von Datum und Ort an die BaFin (§ 14 Abs. 3 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichung von Einzeldokumenten und Prospektbestandteilen (§ 14 Abs. 4 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . Papierversion bei Veröffentlichung des Prospekts im Internet (§ 14 Abs. 5 WpPG) . . Aufbewahrung des Prospekts durch die BaFin (§ 14 Abs. 6 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendbarkeit des § 14 WpPG auf nach Deutschland notifizierte Prospekte . . . . . .

24 29

33 35 38 39

17

I. Normentwicklung und Überblick § 14 WpPG setzt Art. 14 Prospektrichtlinie in deutsches Recht um. Ebenso 1 wie Art. 14 Prospektrichtlinie regelt § 14 WpPG neben der Pflicht zur Hinterlegung des Prospekts und einer entsprechenden Aufbewahrungspflicht der BaFin (§ 14 Abs. 1 und Abs. 6 WpPG) insbesondere die Pflicht zur Veröffentlichung des gebilligten Prospekts einschließlich des Zeitpunkts der Veröffentlichung (§ 14 Abs. 1 WpPG) sowie die Art der Veröffentlichung (§ 14 Abs. 2 WpPG). Hinsichtlich des Zeitpunkts der Veröffentlichung unterscheidet § 14 Abs. 1 WpPG danach, ob ein öffentliches Angebot erfolgt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG) oder ob die Wertpapiere ohne öffentliches Angebot in den Handel an einem organisierten Markt eingeführt werden (§ 14 Abs. 1 Satz 2 WpPG). Besondere Regeln gelten dabei für den Fall des Handels von Bezugsrechten vor der Einführung in einen organisierten Markt (§ 14 Abs. 1 Satz 3 WpPG) sowie für das öffentliche Angebot von Aktien, die noch nicht zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 14 Abs. 1 Satz 4 WpPG). Im Vergleich zum Wertpapierprospektrecht vor Umsetzung der Prospektrichtlinie, das nur die Veröffentlichung in einem Börsenpflichtblatt oder die sog. Schalterpublizität kannte (§ 9 Abs. 2 und 3

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VerkProspG aF), sieht § 14 Abs. 2 WpPG einen umfangreicheren Katalog von Veröffentlichungsarten vor, die wahlweise zur Verfügung stehen. So ist seit Geltung des WpPG auch die Veröffentlichung im Internet gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpPG möglich, wobei gemäß § 14 Abs. 5 WpPG jedoch immer auch eine Papierversion zur Verfügung zu stellen ist. Von der nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Prospektrichtlinie möglichen Implementierung einer Pflicht zur Veröffentlichung des Prospekts (auch) im Internet, hat der deutsche Gesetzgeber jedoch abgesehen. Die Prospektrichtlinie soll jedoch dahingehend geändert werden, dass in den Fällen einer Veröffentlichung des Prospekts in der Zeitung oder im Wege der sog. Schalterpublizität die in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Prospektrichtlinie vorgesehene zusätzliche Veröffentlichung des Prospekts im Internet in allen Mitgliedstaaten verpflichtend ist1. Eine fehlerhafte Veröffentlichung des Prospekts oder ein Verstoß gegen die Mitteilung der Veröffentlichung des Prospekts an die BaFin sind nach § 30 Abs. 1 Nr. 6–8 iVm. Abs. 3 WpPG bußgeldbewehrt, wenn sie vorsätzlich oder leichtfertig erfolgt sind (vgl. § 30 WpPG Rz. 35 ff.). Gemäß § 14 Abs. 4 WpPG können im Fall eines Prospekts, der aus mehreren Einzeldokumenten besteht, die einzelnen Teile getrennt in einer der in § 14 Abs. 2 WpPG genannten Veröffentlichungsformen veröffentlicht werden. Weitere Einzelheiten zur Veröffentlichung finden sich in Art. 29 ff. ProspektVO. Die Regelungen zur Veröffentlichung von Prospekten gelten entsprechend auch im Fall von Nachträgen (§ 16 Abs. 1 Satz 4 WpPG) und endgültigen Bedingungen eines Angebots (§ 6 Abs. 3 Satz 1 WpPG). 2

§ 14 Abs. 3 WpPG verlangt, dass der Anbieter bzw. Zulassungsantragsteller Datum und Ort der Veröffentlichung der BaFin unverzüglich mitteilen muss. Diese Regelung ist in der Prospektrichtlinie nicht vorgegeben. Eine vergleichbare Mitteilungspflicht hatte die BaFin allerdings bereits unter altem Recht aus § 8c Abs. 1 VerkProspG aF abgeleitet, um die Erfüllung der Veröffentlichungspflichten leichter überwachen zu können2.

3

Darüber hinaus sah § 14 Abs. 3 WpPG in einem Satz 2 zunächst vor, dass eine Mitteilung zu veröffentlichen ist, aus der hervorgeht, wie der Prospekt veröffentlicht worden ist und wo er erhältlich ist (sog. Hinweisbekanntmachung). Damit hatte der deutsche Gesetzgeber von einem entsprechenden, in Art. 14 Abs. 3 Prospektrichtlinie vorgesehenen Wahlrecht der Mitgliedstaaten, eine solche Hinweisbekanntmachung zu verlangen, Gebrauch 1 Vgl. das vom Ausschuss der ständigen Vertreter (COREPER) gebilligte Schreiben des Rates an das Europäische Parlament, in welchem der Rat zu dem diesem Schreiben beigefügten Kompromissvorschlag zur Änderung der Prospektrichtlinie vorab seine Zustimmung erklärt, Dokument v. 28.5.2010, S. 29, 2009/132(COD), 10254/10, EF 49, ECOFIN 314, DRS 18, CODEC 480, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st10/st10254.en10.pdf. 2 Vgl. Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8 VerkProspG Rz. 17 ff. und Ziffer VI der Bekanntmachung des BaWe zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) idF der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. I, 2701 ff.) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) idF der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. I, 2835 ff.) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999.

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gemacht. Durch Art. 36 Nr. 1 des Jahressteuergesetzes 2009 v. 19.12.2008 wurde § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG aF jedoch aufgehoben mit der Folge, dass eine Hinweisbekanntmachung nicht mehr zu veröffentlichen ist. Die Aufhebung des § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG ist am 25.12.2008 in Kraft getreten1. Die Streichung des § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG erfolgte vor dem Hintergrund, dass Deutschland nicht nur einer der wenigen Mitgliedstaaten war, die von dem Wahlrecht des Art. 14 Abs. 3 Prospektrichtlinie Gebrauch gemacht hatten, sondern dass die BaFin Hinweisbekanntmachungen zusätzlich auch für die Veröffentlichung von endgültigen Bedingungen verlangte2 und zudem noch die Auffassung vertrat, dass die Pflicht zur Hinweisbekanntmachung entgegen der ausdrücklichen Regelung von Art. 14 Abs. 3 Prospektrichtlinie selbst für Prospekte gelten sollte, die von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats nach den dort geltenden Bestimmungen gebilligt und nach Deutschland notifiziert wurden3. Insbesondere die im Fall von endgül1 Art. 39 Abs. 1 Jahressteuergesetz 2009, BGBl. I 2008 v. 24.12.2008, 2794 (2842). 2 Für die BaFin-Auffassung sprach auf den ersten Blick die Tatsache, dass § 6 Abs. 3 WpPG anders als noch in der Fassung des Diskussionsentwurfs, der auf § 14 Abs. 2 WpPG verwies, in der abschließenden Fassung auf § 14 WpPG in seiner Gesamtheit (und damit scheinbar auch auf § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG aF) verweist. Allerdings spricht § 6 Abs. 3 WpPG trotz der Bezugnahme auf den gesamten § 14 WpPG weiterhin nur von Veröffentlichung (und nicht von einer Mitteilung über die Veröffentlichung), und die amtliche Begründung zu § 14 Abs. 3 WpPG aF verdeutlicht zwar die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auch auf Nachträge, erwähnt jedoch mit keinem Wort eine Anwendbarkeit auf endgültige Bedingungen. Auch Art. 33 ProspektVO kennt kein Wahlrecht der Mitgliedstaaten hinsichtlich einer Hinweisbekanntmachung bei endgültigen Bedingungen, zumal Informationen über die Zurverfügungstellung der endgültigen Bedingungen bereits im Basisprospekt enthalten sein müssen (Art. 22 Abs. 5 Nr. 2 ProspektVO), was eine zusätzliche Hinweisbekanntmachung überflüssig macht. Selbst wenn die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommene Erweiterung der Bezugnahme in § 6 Abs. 3 WpPG auf den gesamten § 14 WpPG gerade auch im Hinblick auf § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG aF motiviert gewesen sein sollte, sprachen daher im Rahmen einer systematischen und europarechtskonformen Auslegung gute Argumente gegen eine Anwendung von § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG aF auf die Veröffentlichung von endgültigen Bedingungen. Siehe dazu Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1074); Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (322); Müller/Oulds, WM 2007, 573 (576); die BaFin-Auffassung ablehnend auch Seitz, AG 2005, 678 (688). 3 Diese innerhalb der Mitgliedstaaten nahezu singuläre und lediglich von der österreichischen Aufsichtsbehörde FMA geteilte, im März 2007 aber von dieser im Hinblick auf nach Österreich notifizierte Prospekte aufgegebene Auffassung (vgl. § 10 KMG; Rundschreiben der österreichischen Finanzmarktaufsicht v. 29.3.2007 zu Fragen der Umsetzung der Prospektrichtlinie in Kapitalmarktgesetz und Börsegesetz, Nr. 30, wonach die Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Hinweisbekanntmachung nur für Prospekte gilt, für die die FMA die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats ist, abrufbar unter http://www.fma.gv.at unter der Rubrik „Anbieter . Prospektaufsicht . Rundschreiben“) wurde auch von CESR abgelehnt (vgl. bereits CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs) v. 18.7.2006, CESR/06-296d, Frage 2; der Hinweis auf die Sondermeinung der BaFin entfiel ab der 8th Updated Version der FAQs von CESR v. 10.2.2009, CESR/09-103, Frage 2 infolge der Änderung des WpPG durch das Jahressteuergesetz 2009). Kritisch

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tigen Bedingungen zu veröffentlichenden Hinweisbekanntmachungen stellten aufgrund der großen Anzahl derartiger Emissionen, vor allem im Bereich des Zertifikatemarkts, einen erheblichen Verwaltungs- und Kostenaufwand dar, der sich im Fall der Beibehaltung der Hinweisbekanntmachung durch den Wegfall des Daueremittentenprivilegs zum 31.12.2008 noch einmal erheblich erhöht hätte1. Abgesehen von den rechtlichen Bedenken gegenüber der Auffassung der BaFin hinsichtlich der Hinweisbekanntmachungen bei endgültigen Bedingungen stand diesem Aufwand auch bei gebilligten Prospekten und Nachträgen kein signifikanter Nutzen der Hinweisbekanntmachung aus Sicht des Anlegerschutzes gegenüber. Eine für den jeweiligen Anleger relevante Hinweisbekanntmachung ist von diesem mangels Kenntnis des konkreten Datums der Veröffentlichung der Hinweisbekanntmachung und aufgrund der Vielzahl der für die Veröffentlichung in Betracht kommenden verschiedenen Zeitungen wesentlich schwerer aufzufinden als etwa ein auf der Website des Emittenten veröffentlichter Prospekt2. Der Gesetzgeber hat sich dementsprechend nicht darauf beschränkt klarzustellen, dass Hinweisbekanntmachungen bei endgültigen Bedingungen sowie bei nach Deutschland notifizierten Prospekten nicht erforderlich sind, sondern er hat die Pflicht zur Veröffentlichung einer Hinweisbekanntmachung vollständig abgeschafft. Dieser konsequente Schritt hat zugleich eine Benachteiligung deutscher Emittenten bzw. eine Umgehung der Hinweisbekanntmachung durch Wahl eines anderen Herkunftsstaates als Deutschland mit anschließender Notifizierung des Prospekts nach Deutschland vermieden, die im Fall einer Pflicht zur Hinweisbekanntmachung, die auf von der BaFin gebilligte Prospekte beschränkt ist, hätte eintreten können3.

II. Hinterlegung des Prospekts 4

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpPG ist der Prospekt nach der Billigung durch die BaFin bei dieser zu hinterlegen. Die Hinterlegung ist eine ebenso Groß, Kapitalmarktrecht, § 14 WpPG Rz. 7a; Müller/Oulds, WM 2007, 573 (575 f.); Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (321 f.). 1 Vgl. den Bericht der Bundesregierung über die praktischen Erfahrungen mit Veröffentlichungen von Emittenten gemäß Wertpapierhandelsgesetz und Hinweisbekanntmachungen in Zeitungen gemäß Wertpapierprospektgesetz, BT-Drucks. 16/9568 v. 10.6.2008; hierzu ausführlich auch Jäger/Maas, BB 2009, 852 (854). 2 Ebenso Groß, Kapitalmarktrecht, § 14 WpPG Rz. 7; Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 14 WpPG Rz. 16. Siehe zu diesen Gesichtspunkten auch den Bericht der Bundesregierung über die praktischen Erfahrungen mit Veröffentlichungen von Emittenten gemäß Wertpapierhandelsgesetz und Hinweisbekanntmachungen in Zeitungen gemäß Wertpapierprospektgesetz, BT-Drucks. 16/9568 v. 10.6.2008. Die amtliche Begründung zum Regierungsentwurf zu § 14 Abs. 3 WpPG (Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35) ging demgegenüber noch davon aus, dass die Hinweisbekanntmachung dem Publikum einen einfacheren Zugang zum Prospekt ermöglicht. 3 Auch diese Aspekte werden bereits in dem Bericht der Bundesregierung über die praktischen Erfahrungen mit Veröffentlichungen von Emittenten gemäß Wertpapierhandelsgesetz und Hinweisbekanntmachungen in Zeitungen gemäß Wertpapierprospektgesetz angesprochen, BT-Drucks. 16/9568 v. 10.6.2008.

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Pflicht des Anbieters bzw. im Fall der Zulassung der Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt eine Pflicht des Zulassungsantragstellers. Diese auf Art. 14 Abs. 1 der Prospektrichtlinie beruhende Vorschrift soll sicherstellen, dass die Aufsichtsbehörde die Endfassung des Prospekts nach Billigung im Original zur Aufbewahrung erhält (sog. „Evidenzzentrale“1) und die BaFin ihrer in § 13 Abs. 4 WpPG statuierten Aufgabe, die gebilligten Prospekte im Internet zu veröffentlichen, nachkommen kann. Die Pflicht zur Hinterlegung des gebilligten Prospekts ist vor dem Hinter- 5 grund zu sehen, dass nach Art. 13 Abs. 2 Prospektrichtlinie der Aufsichtsbehörde an sich zunächst lediglich ein Prospektentwurf zum Zweck der Prüfung zu übermitteln ist2. Da die BaFin entgegen der Konzeption der Prospektrichtlinie in Fortführung ihrer vor Umsetzung der Prospektrichtlinie geübten Verwaltungspraxis nur unterzeichnete Fassungen von Prospekten zur Prüfung entgegennimmt und billigt, liegt eine mit Originalunterschrift versehene Endfassung des Prospekts der BaFin jedoch bei Billigung regelmäßig vor (siehe auch die Kommentierung zu § 13 WpPG Rz. 23). Dies führt dazu, dass mit der Billigung des Prospekts dessen Hinterlegung bereits erfolgt ist und der Pflicht zur Hinterlegung des gebilligten Prospekts gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpPG in der Praxis keine selbständige Bedeutung zukommt3.

III. Veröffentlichung des Prospekts 1. Veröffentlichungspflicht und Zeitpunkt der Veröffentlichung (§ 14 Abs. 1 WpPG) a) Öffentliches Angebot Nach der Billigung durch die BaFin muss im Fall eines öffentlichen Ange- 6 bots der Anbieter oder Zulassungsantragsteller gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 1 Vgl. Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 15 und 64; Görke/Preuße in Holzborn, § 14 WpPG Rz. 4. 2 Hierauf weisen auch Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 9 mit Recht hin. Ob die Konzeption der Prospektrichtlinie hinsichtlich der Einreichung eines Prospektentwurfs tatsächlich nicht in das WpPG übernommen wurde (so Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 9), erscheint vor dem Hintergrund der aus der Prospektrichtlinie in das WpPG übernommenen Hinterlegungspflicht des gebilligten Prospekts gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG allerdings fraglich. So stellt die amtliche Begründung zu § 14 WpPG ausdrücklich fest, dass eine Hinterlegung des Prospekts erst nach dessen Billigung erfolgen kann (Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35). Auch aus den Anforderungen der Anhänge der ProspektVO ergibt sich (entgegen Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 13 WpPG Rz. 13) nicht, dass die Originalunterschrift eine Mindestangabe und damit Gegenstand der Vollständigkeitsprüfung der Aufsichtsbehörde ist. Für eine Unterzeichnung des Prospekts vor Billigung spricht dagegen § 5 Abs. 3 WpPG, der systematisch in die allgemeinen Anforderungen an den von der BaFin zu prüfenden Prospektinhalt eingebettet ist. In dieser Form hat § 5 Abs. 3 WpPG allerdings keine Grundlage in der Prospektrichtlinie. 3 Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (510); ebenso Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 10 ff.

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Halbsatz 2 WpPG den Prospekt unverzüglich, spätestens einen Werktag vor Beginn des öffentlichen Angebots bzw. – im Fall des § 14 Abs. 1 Satz 2 WpPG – spätestens einen Werktag vor Einführung der Wertpapiere in den Handel, veröffentlichen. Die Veröffentlichung hat demnach unverzüglich im Anschluss an die Billigung zu erfolgen. Dabei soll die Verwendung des Begriffs „unverzüglich“ ersichtlich den in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Prospektrichtlinie verwendeten, dem angelsächsischen Rechtskreis entnommenen Ausdruck „so bald wie praktisch möglich“ (as soon as practicable) in die deutsche Rechtsterminologie umsetzen1. Nach dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung bedeutet „unverzüglich“ „ohne schuldhaftes Zögern“ (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB)2. Die Unverzüglichkeit ist dabei nach Inhalt und Funktion der jeweiligen kapitalmarktrechtlichen Handlungspflicht zu bestimmen3. Bei der Veröffentlichungspflicht gemäß § 14 Abs. 1 WpPG geht es um einen Ausgleich zwischen den Interessen des Anlegerpublikums an einer möglichst frühzeitigen Veröffentlichung des Prospekts und den Interessen des Emittenten bzw. Anbieters oder Zulassungsantragstellers an einer möglichst flexiblen Handhabung4. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Prospekt für den Anleger erst dann von Interesse ist, wenn ein konkretes Wertpapierangebot im Raume steht bzw. ein Börsenhandel möglich ist. Auch wenn die Veröffentlichung in § 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG als Pflicht ausgestaltet ist, ist sie letztlich eine Voraussetzung für das öffentliche Angebot bzw. die Zulassung zum Handel an einem regulierten Markt (§ 3 Abs. 1 WpPG, § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG)5. Daher ist die Frage, wann ein Prospekt als noch „unverzüglich“ veröffentlicht anzusehen ist, immer im Hinblick auf ein öffentliches Angebot bzw. eine Börsenzulassung zu beurteilen. Maßgeblich ist letztlich, dass ein Prospekt rechtzeitig (spätestens einen Werktag, dazu Rz. 7) vor Beginn des öffentlichen Angebots veröffentlicht wird6. So folgt aus dem Erfordernis der Unverzüglichkeit nicht etwa, dass zB ein Basisprospekt zwingend sofort nach Billigung zu veröffentlichen ist. Vielmehr genügt es (auch unter Anlegerschutzgesichtspunkten), den Basisprospekt 1 Zu Art. 14 Abs. 1 Prospektrichtlinie siehe Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (510). 2 Ebenso Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 14 WpPG Rz. 4. 3 Insoweit im Ergebnis zutreffend Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 18. Dabei ist es nicht erforderlich, hier eine eigenständige kapitalmarktrechtliche Bedeutung von „unverzüglich“ zu postulieren (so Ritz/Voß in Just/Voß/ Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 18 mwN). Naheliegender ist es, die Frage, ob ein schuldhaftes Zögern vorliegt, allgemeinen Auslegungsgrundsätzen folgend im Rahmen einer wertenden Betrachtungsweise unter Berücksichtigung insbesondere von Sinn und Zweck der betreffenden Normen zu beurteilen. 4 Groß, Kapitalmarktrecht, § 14 WpPG Rz. 2; Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (510). Vgl. auch Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35. 5 So wohl auch Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 16. Zum Verhältnis des an § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 WpPG anknüpfenden Ordnungswidrigkeitentatbestandes des § 30 Abs. 1 Nr. 6 WpPG zu § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG (öffentliches Angebot ohne Veröffentlichung eines Prospekts) siehe § 30 WpPG Rz. 37 und Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 30 WpPG Rz. 48. 6 Vgl. auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 14 WpPG Rz. 4; Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/ Zeising, § 14 WpPG Rz. 16.

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rechtzeitig vor Beginn des öffentlichen Angebots (und der diesbezüglichen Veröffentlichung von endgültigen Bedingungen) zu veröffentlichen1. Auch in anderen Fällen kann es sinnvoll sein, eine Billigung zu erhalten, den Prospekt aber erst dann zu veröffentlichen, wenn das Angebot aufgrund des aktuellen Marktumfeldes zweckmäßig erscheint2. Eine unverzügliche Veröffentlichung wird allerdings dann nicht mehr gegeben sein, wenn das zeitliche Auseinanderfallen von Billigung und Veröffentlichung in rechtsmissbräuchlicher Weise genutzt wird (etwa zur Umgehung der Aufnahme von Mindestangaben3). Dementsprechend sehen sowohl die Prospektrichtlinie als auch das WpPG 7 einen auf das öffentliche Angebot bezogenen spätesten Zeitpunkt für die Veröffentlichung des Prospekts (bzw. Basisprospekts) vor. Dabei verlangt das WpPG in § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, dass der Prospekt spätestens einen Werktag vor Beginn des öffentlichen Angebots zu veröffentlichen ist. Wird dieses späteste Veröffentlichungsdatum nicht eingehalten, kommt es auf ein Verschulden des Anbieters nicht an4. Diese Regelung entspricht dem Wortlaut der Vorgängervorschrift in § 9 Abs. 1 VerkProspG aF. Sie setzt jedoch Art. 14 Abs. 1 der Prospektrichtlinie in einer von dessen Inhalt abweichenden und die zeitliche Flexibilität des Emittenten bzw. Anbieters einschränkenden Art und Weise um5. Denn Art. 14 Abs. 1 Prospektricht1 2 3 4

Ebenso Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 22. Dazu näher Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 22. Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 22. Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35. 5 Ebenso A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 68; Görke/Preuße in Holzborn, § 14 WpPG Rz. 7; Groß, Kapitalmarktrecht, § 14 WpPG Rz. 4; Kullmann/Sester WM 2005, 1068 (1073); aA Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 21, die nicht hinreichend würdigen, dass Art. 14 Abs. 1 Prospektrichtlinie gegebenenfalls auch eine Veröffentlichung mit Beginn des öffentlichen Angebots als ausreichend ansieht und diese Möglichkeit daher auch in nationales Recht umzusetzen war. Hierbei handelt es sich entgegen Ritz/Voß nicht bloß um die Verdeutlichung einer Selbstverständlichkeit. Es ist kaum anzunehmen, dass der Gemeinsame Standpunkt des Rates v. 24.3.2003 (Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 25/2003 vom Rat festgelegt am 24.3.2003 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom … betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. C 125 E v. 27.5.2003, S. 21 [33, 53]) lediglich noch eine an sich überflüssige Selbstverständlichkeit in die Prospektrichtlinie aufnehmen wollte, zumal die in Art. 14 Abs. 1 Prospektrichtlinie enthaltene Formulierung „rechtzeitig vor Beginn des öffentlichen Angebots“ die von Ritz/Voß postulierte Selbstverständlichkeit bereits ausreichend deutlich gemacht hätte. Vielmehr handelt es sich um eine (zum Teil aufgrund von eingefügten Änderungsvorschlägen, vgl. hierzu auch Neundörfer, EU-Prospektrichtlinie auf der Zielgeraden, Deutsche Bank Research, EU-Finanzmarkt Spezial, Aktuelle Themen Nr. 245 v. 26.11.2002, S. 10, 11, abrufbar unter http://www.dbresearch.de unter der Rubrik „Publikationen . Aktuelle Themen“) „dreistufig“ ausgestaltete Zeitvorgabe, die nach dem Konzept der

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linie enthält zwar grundsätzlich ebenfalls das Erfordernis einer „rechtzeitigen“ Veröffentlichung des Prospekts vor Beginn des öffentlichen Angebots. Aufgrund der erst spät durch den Gemeinsamen Standpunkt des Rates v. 24.3.2003 in Art. 14 Abs. 1 Prospektrichtlinie eingefügten Formulierung, dass auch eine Veröffentlichung „spätestens mit Beginn des öffentlichen Angebots“ ausreichend ist1, hat die Prospektrichtlinie Emittenten und Anbietern eine zeitliche Flexibilität zugestanden2, die im WpPG aufgrund der Vorfrist von einem Werktag nicht abgebildet ist. 8

Anders als nach altem Recht im Rahmen von § 9 Abs. 1 VerkProspG aF verlangt die BaFin hinsichtlich der Berechnung der Frist allerdings nicht mehr, dass nach Maßgabe von § 31 Abs. 1 VwVfG iVm. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB zwischen der Veröffentlichung des Prospekts und dem öffentlichen Angebot mindestens ein voller Werktag verstreichen muss3. Vielmehr kann das öffentliche Angebot an dem Werktag beginnen, der unmittelbar auf die Veröffentlichung des Prospekts folgt4. Dies entspricht der Praxis der Börsenzulassungsstelle hinsichtlich der vor Börseneinführung zu veröffentlichenden Prospekte nach altem Recht (§ 43 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV aF) sowie der von einem Teil der Literatur5 bereits zur alten Rechtslage vertretenen Auffassung, wonach die Veröffentlichung kein Ereignis iS des § 187 Abs. 1 BGB und für die Fristberechnung daher § 187 Abs. 2 BGB maßgeblich sei. Die geänderte Praxis wird von einem Teil der Literatur kritisch gesehen, weil die BaFin ihre Auffassung aus reinem Pragmatismus geändert habe6. Für die geänderte Praxis der BaFin spricht jedoch – neben den bereits nach alter Rechtslage gegen die damalige Auffassung der BaFin angeführten recht-

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Prospektrichtlinie gegebenenfalls auch eine Veröffentlichung erst mit Beginn des öffentlichen Angebots ermöglichen würde (vgl. Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 [510]). Diese Regelung sollte den praktischen Erfordernissen Rechnung tragen und nicht etwa dem nationalen Gesetzgeber Gestaltungsspielraum eröffnen (aA Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 14 WpPG Rz. 4). Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 25/2003 vom Rat festgelegt am 24.3.2003 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom … betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. C 125 E v. 27.5.2003, S. 21 (33, 53); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (510). So auch Crüwell, AG 2003, 243 (251). Ziff. VIII der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel (BAWe) zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) idF der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. I, 2701 ff.) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) idF der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. I, 2835 ff.) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999. Zustimmend zur Auffassung des BAWe Lenz/Ritz, WM 2000, 904 (908); Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 9 VerkProspG Rz. 4. Ausführlich zu dem Meinungsstreit Heidelbach in Schwark, § 43 BörsZulV Rz. 2 f. BaFin, http://www.bafin.de unter der Rubrik „Unternehmen . Allgemeine Pflichten . Prospekte für Wertpapiere . Aktuelle Rechtslage . Frist und Form der Veröffentlichung des Prospekts“, Stand der Abfrage: 16.4.2010. Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, § 9 VerkProspG Rz. 5. Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 20.

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lichen Argumenten1 –, dass nach Art. 14 Abs. 1 der Prospektrichtlinie eine Veröffentlichung des Prospekts ggf. sogar noch mit Beginn des öffentlichen Angebots erfolgen kann (siehe dazu Rz. 6). Von dieser europarechtlichen Vorgabe würde sich das deutsche Recht noch weiter entfernen, als es aufgrund der Vorfrist von einem Werktag vor dem öffentlichen Angebot ohnehin schon der Fall ist, wenn § 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG so ausgelegt würde, dass zwischen Veröffentlichung des Prospekts und Beginn des öffentlichen Angebots ein voller Werktag verstreichen muss. Eine solche richtlinienkonforme Auslegung ist geboten und auch möglich, da bei der Frage der Anwendbarkeit von § 187 Abs. 1 und 2 BGB immer auch der „Wille des Gesetzes“, das die betreffende Frist enthält, zu berücksichtigen ist2 und § 14 Abs. 1 WpPG der Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Prospektrichtlinie dient. Auch aus Gründen des Anlegerschutzes bedarf es nicht des Ablaufs eines vollen Werktags zwischen Veröffentlichung des Prospekts und dem Beginn des öffentlichen Angebots, da für den Anleger entscheidend ist, dass der Prospekt dann zur Verfügung steht, wenn ihm die Wertpapiere angeboten werden3. Dabei ist auch ein Sonnabend ein Werktag (vgl. § 13 WpPG Rz. 28), so dass im Falle einer Veröffentlichung des Prospekts an einem Sonnabend das öffentliche Angebot am darauf folgenden Montag beginnen kann. § 14 WpPG enthält keine Regelung zu der Dauer der Veröffentlichung eines Prospekts. Ein Prospekt muss mindestens so lange veröffentlicht werden, wie das öffentliche Angebot der Wertpapiere andauert. Soweit der Prospekt auch einer Börsenzulassung dient, dürfte er auch über das Ende des öffentlichen Angebots hinaus, mindestens für die Dauer der Gültigkeit des Prospekts (§ 9 WpPG), nach Maßgabe von § 14 Abs. 2 WpPG bereit zu halten sein4.

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Eine Besonderheit ist bei einem ersten öffentlichen Angebot einer Gattung 10 von Aktien, die noch nicht zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, zu beachten. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 WpPG muss in diesem Fall die Frist zwischen der Veröffentlichung des Prospekts und dem Abschluss des Angebots mindestens sechs Werktage betragen, wobei der Tag der Veröffentlichung bei der Berechnung der Frist nicht mitzurechnen ist5.

1 Siehe hierzu im Einzelnen Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, § 9 VerkProspG Rz. 5; Heidelbach in Schwark, § 9 VerkProspG Rz. 3 f., § 43 BörsZulV Rz. 3. 2 Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes v. 6.7.1972 – GmS – OGB 2/71, NJW 1972, 2035 f. 3 Vgl. auch die Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts e.V. v. 8.4.2005 für den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages zum RegE eines Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes, S. 13, abrufbar unter http://www.dai.de und dort unter der Rubrik „Publikationen . Stellungnahmen . 2005“. 4 Ähnlich Gebhardt in Hamann/Schäfer, § 14 WpPG Rz. 14, der aber generell darauf abstellt, dass der Prospekt mindestens für die Dauer seiner gesetzlich bestimmten Gültigkeit bereit zu halten ist. 5 Siehe Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35.

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Entgegen der Gesetzesbegründung1 bedeutet dies nicht, dass das öffentliche Angebot für einen entsprechenden Zeitraum aufrechterhalten werden muss. Insbesondere schreibt Satz 4 nicht vor, dass eine Zeichnungsfrist von mindestens sechs Werktagen vorzusehen ist. Vielmehr genügt es entsprechend dem insoweit eindeutigen Wortlaut von § 14 Abs. 1 Satz 4 WpPG und Art. 14 Abs. 1 Satz 4 der Prospektrichtlinie2, dass der Prospekt so rechtzeitig veröffentlicht wird, dass er mindestens sechs Werktage vor Ende des öffentlichen Angebots zur Verfügung steht3. Dies kann bei sehr kurzen Zeichnungsfristen bedeuten, dass der Prospekt gegebenenfalls mehrere Tage vor Beginn der Zeichnungsfrist veröffentlicht werden muss4. b) Börseneinführung ohne öffentliches Angebot 11

Sofern eine Einführung der Wertpapiere in den Handel an einem organisierten Markt ohne öffentliches Angebot erfolgt, gelten die Ausführungen zur Veröffentlichung bei einem öffentlichen Angebot in den Rz. 6 bis 10 entsprechend mit der Maßgabe, dass gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 WpPG die Veröffentlichung des Prospekts spätestens einen Werktag vor der Einführung der Wertpapiere gemäß § 38 Abs. 1 BörsG in den Handel zu erfolgen hat. Aus der Gesetzesbegründung5, dem systematischen Zusammenhang zu Satz 1 und dem Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Worte „ohne öffentliches Angebot“ zu lesen sind als „ohne vorheriges oder gleichzeitiges öffentliches Angebot“. Beginnt ein öffentliches Angebot erst nach der Einführung in den Handel, dann muss es selbstverständlich bei der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 WpPG bleiben, dh. der Prospekt muss vor der Börseneinführung veröffentlicht werden. Zu beachten ist allerdings, dass bereits die der Börseneinführung vorausgehende Zulassung von Wertpapieren zum regulierten Markt gemäß § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG voraussetzt, dass zuvor ein Prospekt veröffentlicht worden ist. Die Veröffentlichungspflicht gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 WpPG wird daher regelmäßig bereits aufgrund der für die Zulassung erforderlichen Veröffentlichung des Prospekts erfüllt sein6. Zur Dauer der Veröffentlichung eines Prospekts vgl. Rz. 9.

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Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 WpPG ist der Prospekt bereits vor der Börseneinführung der betreffenden Wertpapiere zu veröffentlichen, wenn ein Handel 1 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35; dieser folgend Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 14 WpPG Rz. 6. 2 Die Regelung beruht auf einem Änderungsvorschlag des Europäischen Parlaments v. 14.3.2002, Bulletin/2002/3; dazu Neundörfer, EU-Prospektrichtlinie auf der Zielgeraden, Deutsche Bank Research, EU-Finanzmarkt Spezial, Aktuelle Themen Nr. 245 v. 26.11.2002, S. 10, abrufbar unter http://www.dbresearch.de unter der Rubrik „Publikationen . Aktuelle Themen“. 3 Ebenso Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (508); Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 27 mwN; Görke/Preuße in Holzborn, § 14 WpPG Rz. 11. 4 Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (510). 5 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35. 6 Hierauf weisen auch Görke/Preuße in Holzborn, § 14 WpPG Rz. 9 mit Recht hin; vgl. auch Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 159 ff.

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von Bezugsrechten an einem organisierten Markt stattfindet. In diesem Fall ist der Prospekt bereits spätestens einen Werktag vor Beginn des Bezugsrechtshandels zu veröffentlichen. 2. Art der Veröffentlichung (§ 14 Abs. 2 WpPG) § 14 Abs. 1 WpPG regelt, wie bzw. wo ein Prospekt zu veröffentlichen ist, und sieht zu diesem Zweck einen Katalog verschiedener Veröffentlichungsarten vor. Dabei besteht ein Wahlrecht hinsichtlich der verschiedenen Veröffentlichungsarten1, dh. es genügt, wenn die Veröffentlichung nach einer der in § 14 Abs. 2 WpPG aufgeführten Veröffentlichungsmethoden erfolgt.

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a) Veröffentlichung in einer Tages- oder Wirtschaftszeitung (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 WpPG kann ein Prospekt in einer oder mehreren 14 Tages- und Wirtschaftszeitungen veröffentlicht werden. Eine Veröffentlichung in mehr als einer Tages- oder Wirtschaftszeitung trägt insbesondere dem Umstand Rechnung, dass das öffentliche Angebot bzw. die Zulassung der Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt in mehr als einem Mitgliedstaat erfolgen kann. Der Kreis der geeigneten Zeitungen ist dabei größer als nach altem Recht (§ 9 Abs. 2 und 3 VerkProspG aF), da eine Veröffentlichung nicht nur in Börsenpflichtblättern, sondern auch in sonstigen überregionalen Tages- oder Wirtschaftszeitungen möglich ist. Die Verwendung des Begriffspaars „Tages- und Wirtschaftszeitung“, das in Art. 14 Abs. 2 lit. a Prospektrichtlinie nicht enthalten ist, dürfte in Anlehnung an Art. 30 Abs. 1 ProspektVO („in einer allgemeinen Zeitung oder in einer Finanzzeitung“) erfolgt sein. Die Abweichungen im Wortlaut sind ersichtlich dem Bemühen des deutschen Gesetzgebers, eine in der deutschen Sprache üblichere Begrifflichkeit zu verwenden, geschuldet2. Voraussetzung ist, dass die betreffende Zeitung in den Staaten, in denen das öffentliche Angebot unterbreitet oder die Zulassung zum Handel angestrebt wird, weit verbreitet ist. Dies bedeutet, dass die jeweilige Zeitung in dem betreffenden Mitgliedstaat landesweit bzw. überregional erscheinen muss (Art. 30 Abs. 1 ProspektVO). In Deutschland gehören hierzu auch, jedoch nicht ausschließlich, die gemäß § 32 Abs. 5 BörsG von der Geschäftsführung der Börse bekannt gemachten überregionalen Börsenpflichtblätter. Der Begriff Wirtschaftszeitung umfasst dabei auch solche Zeitungen, die einen unter Berücksichtigung der Lesegewohnheiten (vgl. Art. 30 Abs. 2 ProspektVO) bedeutsamen

1 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35. 2 Die deutsche Fassung des Art. 30 Abs. 1 ProspektVO stellt eine sehr eng am Wortlaut der englischen Fassung orientierte „buchstabengetreue“ Übersetzung dar. Die Gesetzesbegründung verweist auf Art. 30 ProspektVO, ohne dass es einen Hinweis darauf gibt, dass der deutsche Gesetzgeber inhaltlich abweichen wollte.

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Wirtschaftsteil enthalten, wobei es sich bei Wirtschaftszeitungen – anders als bei Tageszeitungen – auch um periodisch erscheinende Zeitungen handeln kann1. 15

Eine der Bekanntmachung von Börsenpflichtblättern gemäß § 32 Abs. 5 BörsG vergleichbare allgemeine Bekanntgabe von geeigneten Zeitungen durch die BaFin ist im WpPG nicht vorgesehen. Gemäß Art. 30 Abs. 2 ProspektVO kann die BaFin allerdings unter Berücksichtigung der in Art. 30 Abs. 2 ProspektVO aufgeführten Maßstäbe (insbesondere geographischer Raum, Zahl der Einwohner und Lesegewohnheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat) eine für die betreffende Veröffentlichung angemessene Zeitung bestimmen, wenn sie der Auffassung ist, dass die vom Anbieter bzw. Zulassungsantragsteller gewählte Zeitung den Anforderungen von Art. 30 Abs. 1 ProspektVO nicht entspricht.

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Unter Veröffentlichung des Prospekts in einer Tages- oder Wirtschaftszeitung ist der Vollabdruck des Prospekts in einer solchen Zeitung zu verstehen. Aufgrund des Umfangs der heutigen Wertpapierprospekte, die den inhaltlichen Anforderungen des WpPG und der ProspektVO Rechnung tragen müssen, und der mit einem Vollabdruck verbundenen Kosten und praktischen Schwierigkeiten ist die Veröffentlichung des Prospekts durch Vollabdruck in der Zeitung in der Praxis ohne Bedeutung2. Auch vor Umsetzung der Prospektrichtlinie hat diese bereits nach altem Recht bereits vorgesehene Veröffentlichungsform praktisch keine Verwendung gefunden3. b) Veröffentlichung durch Bereithalten des Prospekts (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 WpPG)

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Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 WpPG kann ein Prospekt auch dadurch veröffentlicht werden, dass er bei einer der in Nr. 2 lit. a bis d genannten Stellen in gedruckter Form zur kostenlosen Ausgabe an das Publikum bereitgehalten wird (sog. Schalterpublizität). Bei diesen alternativ zur Auswahl stehenden Stellen handelt es sich um a) im Fall einer Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt die zuständigen Stellen des betreffenden organisierten Marktes, b) den Emittenten, c) den (einer entsprechenden Aufsicht unterstehenden) Unternehmen, die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, und d) die Zahlstelle.

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Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 lit. a WpPG können Prospekte durch kostenlose Bereithaltung zur Ausgabe bei den zuständigen Stellen des organisierten 1 Ebenso Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 32 mit einzelnen Beispielen. 2 Hierzu auch Jäger/Maas, BB 2009, 852. 3 Nach Angaben von Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 34 wurde diese Möglichkeit in der Praxis (nach altem Recht) nur in einem einzigen Fall gewählt, wobei es sich um einen lediglich zwei Seiten umfassenden Prospekt handelte. Prospekte derart geringen Umfangs sind schon aufgrund der prospektrechtlichen Mindestangaben auf der Grundlage des WpPG und der ProspektVO heute praktisch nicht denkbar.

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Marktes veröffentlicht werden. Bei einer Zulassung der Wertpapiere zum Handel am regulierten Markt einer deutschen Wertpapierbörse ist die zuständige Stelle regelmäßig die Geschäftsführung (§ 15 BörsG) der betreffenden Börse1. So kann etwa im Fall der Zulassung zum Handel an der Frankfurter Wertpapierbörse der Prospekt bei der Geschäftsführung der Frankfurter Wertpapierbörse bereitgehalten werden2. Hinsichtlich des Bereithaltens beim Emittenten enthält § 14 Abs. 2 Nr. 2 19 lit. b WpPG keine ausdrückliche Regelung dazu, ob der Prospekt nur am Sitz des Emittenten oder auch an anderen Adressen des Emittenten bereitgehalten werden kann. Die allgemeine Bezugnahme auf den Emittenten legt es nahe, dass im Fall einer ausschließlich im Wege der Emittenten-Schalterpublizität erfolgenden Prospektveröffentlichung der Prospekt zumindest auch am Sitz des Emittenten zur Verfügung stehen muss. Diese Auslegung wird gestützt durch Art. 14 Prospektrichtlinie, wo ausdrücklich auf den (satzungsmäßigen) Sitz des Emittenten (in der englischen Sprachfassung der Prospektrichtlinie das „registered office“ des Emittenten) abgestellt wird. Darüber hinaus kann der Prospekt gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 lit. c und d 20 WpPG auch bei den Instituten (§ 1 Abs. 1b KWG) oder den über eine Niederlassung oder grenzüberschreitend in Deutschland tätigen ausländischen Finanzintermediären (§§ 53 Abs. 1 Satz 1, 53b Abs. 1 Satz 1 KWG), die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, sowie bei den Zahlstellen bereitgehalten werden. Durch die klare Trennung zwischen § 14 Abs. 2 Nr. 2 lit. c und lit. d WpPG ist im WpPG – anders als in Art. 14 Abs. 2 lit. c der Prospektrichtlinie – klargestellt, dass die Zahlstellen auch dann den Prospekt bereithalten können, wenn sie nicht zugleich auch die Wertpapiere platzieren oder verkaufen. Da § 14 Abs. 2 WpPG auch für öffentliche Angebote und Zulassungen zum Handel gilt, die auf der Grundlage eines von der BaFin gebilligten Prospekts in anderen Mitgliedstaaten erfolgen (vgl. zB die Zeitungsveröffentlichung in den betreffenden Mitgliedstaaten, siehe Rz. 14 sowie zum Herkunftsstaatsprinzip Rz. 41 f.), greift die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 lit. c WpPG allerdings zu kurz. Denn bei Angeboten im Ausland oder der Zulassung zum Handel an einem ausländischen organisierten Markt erfolgt die Platzierung bzw. der Verkauf nicht notwendigerweise durch Institute, die – wie in § 14 Abs. 2 Nr. 2 lit. c WpPG vorausgesetzt – in Deutschland gemäß §§ 32, 1 Abs. 1 und 1a KWG oder gemäß §§ 53 oder 53b KWG reguliert werden. In diesem Fall kommt daher nur eine analoge Anwendung von § 14 Abs. 2 Nr. 2 lit. c WpPG in Betracht. Auch wenn eine Bereithaltung des Prospekts in jedem Mitgliedstaat, in 21 dem die Wertpapiere angeboten bzw. zum Handel zugelassen werden, dem Zweck der Schalterpublizität am besten gerecht würde, schreibt das WpPG die Bereithaltung des Prospekts bei einer (aus Sicht des Anlegers) inländi1 Vgl. auch Gebhardt in Hamann/Schäfer, § 14 WpPG Rz. 11. 2 Siehe Ziffer 9 des Antrags auf Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel im regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse unter http://deutsche-boerse .com unter „Listing . Anträge“.

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schen Stelle nicht vor. Im Fall der Bereithaltung bei einem ausländischen Emittenten oder der zuständigen Stelle eines ausländischen organisierten Marktes ergibt sich das Fehlen des Erfordernisses einer ausländischen Stelle aus der Natur der Sache. Aber auch in den Fällen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 lit. c und d WpPG besteht weder nach dem WpPG noch nach der Prospektrichtlinie eine Pflicht zur Bereithaltung im Inland1. Hinzu kommt, dass das Bestehen einer inländischen Zahlstelle für ein öffentliches Angebot in Deutschland (ohne Zulassung der Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt2) aufsichtsrechtlich nicht zwingend vorgeschrieben ist. 22

Der Prospekt muss nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpPG in „gedruckter Form“ bereitgehalten werden. Dh., er muss als physische Papierversion erhältlich sein. Ein Datenträger (zB eine CD-ROM) ist nicht ausreichend. Dabei bestehen hinsichtlich der Druckausstattung selbst keine Anforderungen, so dass eine ausgedruckte Fassung ausreichend ist. Eine gebundene Fassung mit Layout und gesetztem Text ist nicht erforderlich3.

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Aufgrund des insoweit eindeutigen Wortlauts von § 14 Abs. 2 Nr. 2 WpPG („zur kostenlosen Ausgabe“) ist der Prospekt dem Anleger auf Anfrage kostenlos auszuhändigen4. Ein Bereithalten zur bloßen Einsichtnahme durch den Anleger reicht zur Erfüllung der Veröffentlichungspflicht daher nicht aus. Es besteht auch keine prospektrechtliche Übergabepflicht ohne entsprechende Anfrage des Anlegers5. Dies entspricht der Rechtslage nach § 9 Abs. 2 VerkProspG aF, der mit identischem Wortlaut ebenfalls ein Bereithalten zur kostenlosen Ausgabe vorsah6. Ein Anspruch auf (kostenlosen) Versand per Post besteht nicht, da dieses über das bloße „Bereithalten zur Ausgabe“ hinausgeht und ein Mitnahmerecht nicht mit einem Anspruch auf (kostenlose) Übersendung gleichgesetzt werden kann7. Eine andere Frage ist, ob insbesondere zB im Fall einer Schalterpublizität beim Emittenten oder den Finanzintermediären es aus eigenem Verkaufs- und Vertriebsinteresse 1 Ebenso Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 36. 2 In diesem Fall ist eine Zahlstelle in Deutschland vorgeschrieben, wenn Deutschland Herkunftsstaat des Emittenten ist (§ 30a Abs. 1 Nr. 4 WpHG). 3 So auch Gebhardt in Hamann/Schäfer, § 14 WpPG Rz. 10. 4 Im Ergebnis ebenso Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 38, die sich hinsichtlich des Mitnahmerechts des Anlegers insbesondere auf eine richtlinienkonforme Auslegung stützen. Dieses Instruments bedarf es aufgrund der bereits vom Wortlaut her in diesem Punkt eindeutigen Regelung des WpPG jedoch nicht. Eine andere, hiervon zu unterscheidende Frage ist, ob dem Anleger über das Mitnahmerecht hinaus auch ein Anspruch auf Übersendung des Prospekts ohne Erstattung der Versandkosten zusteht. 5 Ebenso zu § 9 VerkProspG Bruchwitz in Arndt/Voß, § 9 VerkProspG Rz. 17 und zur Bereithaltung von Wertpapierprospekten nach § 9 VerkProspG aF Meyding, DB 1993, 419 (422). 6 Zur alten Rechtslage Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 9 VerkProspG Rz. 11. 7 Ebenso Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 57; Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 14 WpPG Rz. 10; aA offenbar Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 37 und zum Verkaufsprospektgesetz § 9 VerkProspG Rz. 16.

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zweckmäßig ist, den Prospekt auf Anforderung kostenlos zu versenden. Unzulässig ist hingegen das Erheben einer Schutzgebühr für den Prospekt oder das Inrechnungstellen eines Verwaltungsaufwands. c) Veröffentlichung im Internet (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpPG) Abweichend von der Rechtslage vor Umsetzung der Prospektrichtlinie sieht das WpPG eine Veröffentlichung im Internet vor1, die hinsichtlich der veröffentlichenden Stellen analog zur Schalterpublizität ausgestaltet ist. Statt einer Veröffentlichung durch Bereithalten eines Ausdrucks des Prospekts ist nunmehr bei denselben Stellen, die auch für die Schalterpublizität zur Verfügung stehen (Emittent, Finanzintermediäre und Zahlstellen, organisierter Markt), eine Veröffentlichung auf den Internetseiten dieser Stellen möglich (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 lit. a bis c und Nr. 4 WpPG). Auch hier besteht ein Wahlrecht, dh. es genügt, wenn die Veröffentlichung auf einer der genannten Internetseiten (Websites) erfolgt2. Zu beachten ist jedoch, dass bei einer Veröffentlichung im Internet immer auch Papierversionen des Prospekts nach Maßgabe von § 14 Abs. 5 WpPG zur Verfügung stehen müssen (siehe Rz. 35 ff.). Auch hier meint Papierfassung, dass eine ausgedruckte Fassung ausreichend ist (siehe Rz. 22).

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Von der in Art. 14 Abs. 2 lit. e Prospektrichtlinie enthaltenen Möglichkeit, 25 eine Veröffentlichung des Prospekts auch über die Website der zuständigen Behörde (dh. in Deutschland die BaFin) vorzusehen, hat das WpPG keinen Gebrauch gemacht. Dessen ungeachtet macht die BaFin Prospekte auf ihrer Internetseite für zwölf Monate zugänglich (§ 13 Abs. 4 WpPG, siehe dazu § 13 WpPG Rz. 33). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Veröffentlichungsform iS von § 14 Abs. 2 WpPG, deren Verwendung eine Erfüllung der Veröffentlichungspflichten des Anbieters bzw. Zulassungsantragsstellers darstellt. Vielmehr tritt die Veröffentlichung des Prospekts durch die BaFin als zusätzliche Maßnahme der Aufsichtsbehörde neben die Veröffentlichungsarten des § 14 Abs. 2 WpPG3. Darüber hinaus stellt Art. 29 ProspektVO spezielle Anforderungen an die Veröffentlichung im Internet. Gemäß Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 ProspektVO muss der Prospekt beim Aufruf der Website leicht zugänglich sein. Mit dieser Vor1 Zu den Neuerungen der Prospektrichtlinie hinsichtlich der Veröffentlichungsarten Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (510 f.); zu den Änderungen im Vergleich zu den vor Umsetzung der Prospektrichtlinie bestehenden Veröffentlichungsformen im deutschen Prospektrecht auch Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (84). 2 Anders als § 14 Abs. 2 Nr. 3 WpPG sieht Art. 14 Abs. 2 Satz 1 lit. c Prospektrichtlinie seinem Wortlaut nach eine kumulative („und“) Internetveröffentlichung durch die genannten Stellen vor. Dies soll jedoch im Zuge der Änderung der Prospektrichtlinie (s. oben Rz. 1) mittels Ersetzung des Wortes „und“ durch das Wort „oder“ korrigiert werden. 3 Ebenso Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1074); Görke/Preuße in Holzborn, § 14 WpPG Rz. 16; Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 57; siehe auch Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz zu § 13 Abs. 4 WpPG-E, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 35.

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gabe soll dem Anleger das Auffinden des Prospekts auf der betreffenden Website erleichtert werden1. Das bedeutet, dass dem Anleger keine besonderen technischen oder praktischen Hürden im Wege stehen dürfen, wenn er sich Zugang zu dem Prospekt verschaffen will. Eine starre Regel, wonach mehr als ein weiterführender Link schädlich ist2, kann in dieser Allgemeinheit der Regelung des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 ProspektVO nicht entnommen werden. Es genügt, wenn der Prospekt von einem durchschnittlichen Anleger ohne größeren Suchaufwand über die betreffende Website auffindbar ist3. Darüber hinaus hat ein Anleger jedenfalls immer auch die Möglichkeit, die Aushändigung einer Papierversion des Prospekts zu verlangen (§ 14 Abs. 5 WpPG). 27

Bei den weiteren Anforderungen in Art. 29 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 ProspektVO handelt es sich im Wesentlichen um technische Vorgaben: So darf gemäß Art. 29 Abs. 1 Nr. 2 ProspektVO nur ein veränderungssicheres Dateiformat verwendet werden. Hierfür soll es ausreichen, dass ein Prospekt im PDFFormat ins Internet eingestellt wird4. Darüber hinaus darf der Prospekt nicht seinerseits wiederum sog. Hyperlinks enthalten (mit Ausnahme solcher Links, die auf Dokumente verweisen, die gemäß § 11 WpPG per Verweis in den Prospekt einbezogen sind). Schließlich dürfen Anleger nicht darauf beschränkt sein, den Prospekt am Bildschirm zu lesen. Vielmehr muss es ihnen möglich sein, den Prospekt herunterzuladen und auszudrucken und sich so eine lesbare und dauerhafte Fassung zu verschaffen.

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Gemäß Art. 29 Abs. 2 ProspektVO sind im Fall einer Veröffentlichung des Prospekts auf der Website des Emittenten, der Finanzintermediäre oder der geregelten Märkte Maßnahmen zur Bestimmung des Adressatenkreises zu ergreifen. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass bei Internetveröffentlichungen die Gefahr besteht, dass ein wesentlich größerer Kreis potentieller Anleger angesprochen wird oder sich ggf. angesprochen fühlt, als dieses vom Anbieter beabsichtigt und von etwaigen Notifizierungsverfahren (oder Prospektbilligungsverfahren in Drittländern) abgedeckt ist. Wie sich aus dem Beispiel des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 ProspektVO ergibt, werden hierfür nicht zwingend zugangsbeschränkende technische Maßnahmen gefordert5, sondern es genügt, wenn eine entsprechende deutliche Erklärung hinsichtlich des Adressatenkreises auf der Website eingestellt ist. 3. Mitteilung von Datum und Ort an die BaFin (§ 14 Abs. 3 WpPG)

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Gemäß § 14 Abs. 3 WpPG hat der Anbieter bzw. Zulassungsantragsteller der BaFin Ort und Datum der Prospektveröffentlichung unverzüglich 1 2 3 4 5

Görke/Preuße in Holzborn, Art. 29 EU-ProspVO Rz. 2. Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 43. Görke/Preuße in Holzborn, Art. 29 EU-ProspVO Rz. 2. So Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 44. Technische Sperren zur Beschränkung des Zugriffs sind jedoch zulässig und können sinnvoll sein.

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schriftlich mitzuteilen. Hinsichtlich des Erfordernisses der Schriftform finden die §§ 126, 126a BGB im Verwaltungverfahren zwar keine unmittelbare Anwendung1. Doch es genügt auch im Verwaltungsverfahren regelmäßig die Einhaltung der Form des § 126 BGB, der – nicht zuletzt aufgrund des Grundsatzes der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens2 – telekommunikative und andere moderne Kommunikationsformen gleichgestellt werden3. So ist eine Übermittlung per Telefax für verfahrensrechtliche Anträge und sonstigen Schriftverkehr im Verwaltungsverfahren zulässig4. Für die Einhaltung der Schriftform genügt dementsprechend nach der Verwaltungspraxis der BaFin eine Übermittlung mittels Telefax, nicht jedoch die Übersendung einer einfachen E-Mail ohne elektronische Signatur5. Des Weiteren muss die Mitteilung unverzüglich erfolgen. Hiermit soll si- 30 chergestellt werden, dass die BaFin ihrer Aufsichtsfunktion nachkommen kann. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Zeitraum von drei Tagen nach Veröffentlichung noch angemessen6. Die Mitteilung von Datum und Ort der Veröffentlichung erfolgte vor Abschaffung der Hinweisbekanntmachung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG aF (siehe Rz. 3) in der Praxis regelmäßig durch Übersenden einer Kopie der Hinweisbekanntmachung. Nach Streichung des § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG aF sind der BaFin Ort und Datum separat in einem formlosen Schreiben mitzuteilen. Die Angaben richten sich dabei nach der Art der jeweiligen Veröffentlichung, anzugeben sind also der Name der Zeitung und das Erscheinungsdatum (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 WpPG), Adresse und Zeitpunkt, wo bzw. ab wann der Prospekt bereitgehalten wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 WpPG) oder die Webadresse und das Datum, ab dem der Prospekt dort zum Download bzw. Ausdrucken zur Verfügung steht. Ein Muster für eine solche Mitteilung hat die BaFin auf ihrer Website zur Verfügung gestellt7. Bei einer Veröffentlichung des Prospekts im Internet kann die Mitteilung an die BaFin auch durch Übersendung eines Ausdrucks der betreffenden Internetseite erfolgen, aus dem die Webadresse und das Datum der Veröffentlichung des Prospekts hervorgehen. 1 Ellenberger in Palandt, § 126 BGB Rz. 1 mwN. 2 Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 3a VwVfG Rz. 4. 3 Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 22 VwVfG Rz. 32. 4 Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 22 VwVfG Rz. 32. 5 Im Ergebnis ebenso Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 14 WpPG Rz. 15. 6 Ebenso Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 52 mit Verweis auf OLG Frankfurt a.M. v. 22.4.2003 – WpÜG-OWi 3/02, NZG 2003, 638; vgl. auch Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 14 WpPG Rz. 15, der „in Anbetracht des überschaubaren Organisations- und Überlegungsaufwands“ von wenigen Tagen ausgeht; weitergehend Heidelbach in Schwark, § 9 VerkProspG Rz. 9, wonach eine Obergrenze von in der Regel zwei Wochen anzunehmen sei. 7 Abrufbar unter http://www.bafin.de unter der Rubrik „Unternehmen . Allgemeine Pflichten . Prospekte für Wertpapiere . Aktuelle Rechtslage“.

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Die Mitteilung nach § 14 Abs. 3 WpPG stellt eine Mitteilung an die BaFin über eine kapitalmarktrechtliche Veröffentlichung iS von § 8b Abs. 2 Nr. 10 HGB dar1. Neben der nach § 14 Abs. 3 WpPG erforderlichen Mitteilung an die BaFin, wo und wann der Prospekt veröffentlicht wurde, sind diese Informationen daher gemäß § 8b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 10 HGB von dem Veröffentlichungspflichtigen, also dem Anbieter oder dem Zulassungsantragsteller, auch an das elektronische Unternehmensregister2 zu übermitteln. Gleiches gilt für Mitteilungen über die Veröffentlichung von Nachträgen gemäß § 16 Abs. 1 WpPG und endgültigen Bedingungen gem. § 6 Abs. 3 WpPG3. Gemäß § 104a Abs. 1 HGB kann eine vorsätzliche oder leicht fahrlässige nicht richtige oder nicht vollständige Übermittlung als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 200.000 Euro geahndet werden. 4. Veröffentlichung von Einzeldokumenten und Prospektbestandteilen (§ 14 Abs. 4 WpPG)

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Ein Prospekt kann gemäß § 12 WpPG auch als dreiteiliger Prospekt aus mehreren Einzeldokumenten bestehen und gemäß § 11 WpPG Angaben in Form eines Verweises auf andere Dokumente enthalten. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob alle Einzel- oder Teildokumente zusammen und in derselben Weise veröffentlicht werden müssen. In Art. 14 Abs. 5 Prospektrichtlinie und der entsprechenden Umsetzung in § 14 Abs. 3 WpPG wurde die Frage dahingehend entschieden, dass diese Dokumente und Angaben getrennt in einer der nach § 14 Abs. 2 WpPG zulässigen Weise veröffentlicht werden können4. Zur Orientierung des Anlegers bei dreiteiligen Prospekten schreibt § 14 Abs. 4 Satz 2 WpPG jedoch vor, dass in jedem Einzeldokument anzugeben ist, wo die anderen Einzeldokumente erhältlich sind. Dies bedeutet, dass nach dem Wortlaut von § 14 Abs. 4 WpPG etwa in einem Registrierungsformular bereits festgelegt werden muss, wo die übrigen Einzeldokumente (Wertpapierbeschreibung, Zusammenfassung) erhältlich sein 1 Vgl. auch Begr. RegE Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG), BT-Drucks. 16/960 v. 15.3.2006, S. 41. 2 Das Unternehmensregister (https://www.unternehmensregister.de/ureg/) wurde zum 1.1.2007 durch das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) v. 10.11.2006 (BGBl. I 2006 v. 15.11.2006, 2553) eingeführt. 3 Vgl. auch BaFin, Rundschreiben 11/2009 (WA) zu den Übermittlungspflichten an das Unternehmensregister v. 11.5.2009, Ziffer 5, abrufbar unter http://www.bafin.de unter der Rubrik „Veröffentlichungssuche . Rundschreiben“. Insbesondere die Übermittlung der Daten zu endgültigen Bedingungen führt bei Emittenten, die in großem Umfang Anlageprodukte emittieren, zu einer Meldeflut, bei der dem Aufwand kein entsprechender Nutzen gegenübersteht. Derartige, das tägliche Massengeschäft betreffende Meldungen führen letztlich zu einem Weniger an Transparenz, da die große Zahl derartiger Informationen in keinem Verhältnis zu den wirklich wichtigen Unternehmensnachrichten steht. 4 Diese Regelung ergänzt die in § 11 Abs. 1 WpPG vorausgesetzte Veröffentlichung der einbezogenen Dokumente.

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werden, auch wenn an sich ausreichend wäre, wenn ein Anleger im Zusammenhang mit der konkreten Emission in der diesbezüglichen Wertpapierbeschreibung und Zusammenfassung auf die Verfügbarkeit des Registrierungsformulars hingewiesen wird. Auf die Einbeziehung von Angaben in anderen Dokumenten per Verweis findet die Regelung des § 14 Abs. 4 Satz 2 WpPG keine Anwendung, da sie sich nur auf Einzeldokumente und nicht auf per Verweis einbezogene Angaben gemäß § 11 WpPG bezieht und § 11 Abs. 2 WpPG eine eigenständige Regelung enthält (vgl. § 11 WpPG Rz. 45). Im Fall eines mehrteiligen Prospekts gelten auch die übrigen Regelungen des § 14 WpPG für jedes Einzeldokument separat1. Sind ein oder mehrere Einzeldokumente im Internet veröffentlicht worden (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpPG), andere Teile des Prospekts jedoch nicht, so muss die nach § 14 Abs. 5 WpPG auf Verlangen zur Verfügung stehende Papierversion sämtliche Einzeldokumente enthalten, aus denen der Prospekt besteht2.

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5. Papierversion bei Veröffentlichung des Prospekts im Internet (§ 14 Abs. 5 WpPG) Gemäß § 14 Abs. 5 WpPG ist dem Anleger im Fall einer Veröffentlichung 35 des Prospekts im Internet (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpPG) auf Verlangen eine Papierversion des Prospekts zur Verfügung zu stellen. Dabei sind die Stellen, bei denen eine Papierversion ggf. angefordert werden kann, mit dem Inhaber der Internetseiten, auf denen der Prospekt veröffentlicht werden kann, nicht identisch. Als „Informationsstelle“ für die Papierversion kommen der Anbieter, der Zulassungsantragsteller sowie die regulierten Finanzintermediäre, die als Platzeure bzw. Verkaufsstellen tätig sind, in Betracht. Lediglich die letztgenannten Finanzintermediäre (nicht jedoch der Anbieter und die Zulassungsantragsteller als solche3) können auch Inhaber einer Internetseite sein, über die der Prospekt veröffentlicht werden kann. Eine Verletzung der Pflicht gemäß § 14 Abs. 5 WpPG führt nicht dazu, dass der Prospekt als nicht wirksam im Internet veröffentlicht gilt4. Das Zuverfügungstellen der Papierversion ist keine Veröffentlichung iS des § 14 Abs. 2 WpPG; es handelt sich nur um eine ergänzende Pflicht im Fall der Internetveröffentlichung, deren Verletzung eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 8 WpPG darstellt. Ähnlich wie die zwischenzeitlich gestrichene Pflicht zur Hinweisbekanntmachung ist sie nur eine der Veröffentlichung des Prospekts nachgelagerte Pflicht („Wird der Prospekt im Internet ver-

1 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 36. 2 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 36; Groß, Kapitalmarktrecht, § 14 WpPG Rz. 8. 3 Zu berücksichtigen ist jedoch, dass in der Praxis der Anbieter und der Zulassungsantragsteller gleichzeitig häufig auch der Emittent bzw. der Finanzintermediär sind. 4 AA Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 40.

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öffentlicht, …“). Neben dem Wortlaut des § 14 Abs. 5 WpPG spricht hierfür auch, dass Abs. 5 ein individuelles Zuverfügungstellen „auf Verlangen“ vorschreibt, im Gegensatz zur Veröffentlichung durch allgemeines Bereithalten im Fall der Schalterpublizität. Es soll lediglich sichergestellt werden, dass ein Anleger, der im konkreten Einzelfall über keinen Internetzugang verfügt, auch eine Papierversion erhalten kann. 37

Nach Ritz/Voß1 besteht – anders als im Fall der Schalterpublizität („bereithalten“) – aufgrund der Formulierung „zur Verfügung stellen“ kein Zweifel, dass dem Anleger bei einer Internetveröffentlichung eine Papierversion auf Verlangen auch kostenlos übersandt werden muss. Hierfür könnte der von § 14 Abs. 2 Nr. 2 WpPG abweichende Wortlaut sowie die englische Sprachfassung von Art. 14 Abs. 7 Prospektrichtlinie („a paper copy must nevertheless be delivered to the investor“) sprechen. Letztlich können die Anforderungen des § 14 Abs. 5 WpPG, der die eigentliche Veröffentlichung des Prospekts nur ergänzt, unter systematischen Gesichtspunkten nicht über die Anforderungen an die Schalterpublizität hinausgehen (vgl. Rz. 23). Des Weiteren gilt § 14 Abs. 5 WpPG nur für eine Veröffentlichung im Internet gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpPG. Wird die Veröffentlichungspflicht anderweitig erfüllt (zB im Wege der Schalterpublizität), dann kann eine freiwillige, zusätzliche Veröffentlichung des Prospekts im Internet auch ohne Zurverfügungstellen einer Papierversion bei den in § 14 Abs. 4 WpPG genannten (und mit § 14 Abs. 2 Nr. 2 WpPG nicht vollständig identischen) Stellen erfolgen. 6. Aufbewahrung des Prospekts durch die BaFin (§ 14 Abs. 6 WpPG)

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Die am Ende des Kalendarjahres, in dem der Prospekt hinterlegt worden ist, beginnende zehnjährige Aufbewahrungsfrist gemäß § 14 Abs. 6 WpPG begrenzt den Zeitraum, in dem die BaFin einen Prospekt in ihrer Funktion als Evidenzzentrale (siehe Rz. 4) zu Beweiszwecken in etwaigen Prospekthaftungsangelegenheiten vorrätig halten muss. Eine vergleichbare Aufbewahrungspflicht enthielt § 8 Sätze 4 und 5 VerkProspG aF, die durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz eingeführt wurde und bei der sich der Gesetzgeber an den Aufbewahrungsfristen der §§ 147 Abs. 3 AO und 257 Abs. 4 HGB orientiert hat2. Von der Pflicht zur Aufbewahrung des gebilligten und unterzeichneten Originalprospekts zu unterscheiden ist die in § 13 Abs. 4 WpPG statuierte Aufgabe der BaFin, einen gebilligten Prospekt für zwölf Monate auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen (siehe dazu Rz. 25 sowie § 13 WpPG Rz. 33).

1 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 63. 2 Begr. RegE Viertes Finanzmarktförderungsgesetz zu § 8 VerkProspG, BT-Drucks. 14/8017 v. 18.1.2002, S. 109. § 8i Abs. 3 VerkProspG sieht für VermögensanlagenVerkaufsprospekte ebenfalls eine zehnjährige Aufbewahrungsfrist vor. Kritisch zur rechtspolitischen Notwendigkeit einer zehnjährigen Aufbewahrungsfrist Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 65 f.

396

Kunold

Hinterlegung und Veröffentlichung des Prospekts

§ 14 WpPG

7. Anwendbarkeit des § 14 WpPG auf nach Deutschland notifizierte Prospekte Seinem Wortlaut nach und aufgrund seiner Systematik gilt § 14 WpPG ausschließlich für von der BaFin gebilligte Prospekte1. So regelt § 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG ausdrücklich nur die Hinterlegung und Veröffentlichung des Prospekts nach Billigung durch die BaFin. Im Fall eines von der Aufsichtsbehörde eines anderen Mitgliedstaates gebilligten und nach Deutschland notifizierten Prospekts wird der BaFin gemäß § 17 Abs. 3 WpPG iVm. § 18 WpPG von der betreffenden Aufsichtsbehörde lediglich eine Kopie des Prospekts übermittelt. Eine Hinterlegung iS von § 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG erfolgt nicht.

39

Die Veröffentlichung eines nach Deutschland notifizierten Prospekts regelt § 17 Abs. 3 WpPG zwar nicht ausdrücklich. Vielmehr scheint § 17 Abs. 3 WpPG seinem Wortlaut nach sogar nur die Anerkennung von in anderen Mitgliedstaaten gebilligten Prospekten zu regeln, was im Prinzip Raum für weitere prospektrechtliche Anforderungen an ein öffentliches Angebot bzw. die Zulassung nach nationalem Recht zuließe. So hat die BaFin etwa bis zur allgemeinen Abschaffung der Hinweisbekanntmachung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG aF durch das Jahressteuergesetz 2009 Hinweisbekanntmachungen auch für notifizierte Prospekte selbst dann verlangt, wenn das Recht des Herkunftsstaates diese nicht vorgesehen hat (siehe Rz. 3).

40

Die fehlende Erwähnung der Veröffentlichung des notifizierten Prospekts in 41 § 14 WpPG und § 17 Abs. 3 WpPG hat jedoch ihren Grund darin, dass die Veröffentlichung des Prospekts nach dem Konzept von Art. 14 Prospektrichtlinie iVm. Art. 13 Abs. 1 Prospektrichtlinie nach den Vorschriften des Herkunftsstaats zu erfolgen hat, dessen Aufsichtsbehörde den Prospekt gebilligt hat, und daher nicht Regelungsgegenstand des WpPG sein kann2. Dieses Konzept zeigt sich etwa auch in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 WpPG und Art. 14 Abs. 3 Prospektrichtlinie, wonach nur der Herkunftsstaat (und nicht der Aufnahmemitgliedstaat) eine Veröffentlichung in elektronischer Form bzw. eine Hinweisbekanntmachung vorschreiben kann. Des Weiteren beruht auch § 14 Abs. 2 Nr. 1 WpPG ersichtlich auf der Vorstellung, dass das deutsche Recht (und nicht das Recht des Aufnahmemitgliedstaats) die Veröffentlichung in allen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, in denen das öffentliche Angebot unterbreitet oder die Zulassung zum Handel angestrebt wird, regelt und dementsprechend eine Veröffentlichung in Zeitungen, die in den betreffenden Mitgliedstaaten verbreitet sind, vorschreiben kann. Eine Geltung der Veröffentlichungsvorschriften jedes einzelnen Angebotslands würde – bei aller Harmonisierung der Vorschriften durch die Prospektrichtlinie – letztlich doch eine Beachtung der einzelstaatlichen Umsetzung erfordern und damit dem Ziel der Prospektrichtlinie, das Prospekt1 Von dieser Annahme gehen ersichtlich auch Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 48 aus. 2 Zur Schwierigkeit der Umsetzung von Richtlinien, die gemeinschaftsweite Geltung beanspruchen, siehe auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 2 ff.

Kunold

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§ 15 WpPG

Werbung

recht gemeinschaftsweit zu harmonisieren und anzuerkennen, zuwider laufen. Etwaigen praktischen Schwierigkeiten in der Anwendung des Rechts des Herkunftsstaats auf öffentliche Angebote bzw. Börsenzulassungen in den Aufnahmemitgliedstaaten muss durch Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden (§ 23 WpPG) begegnet werden. 42

Dementsprechend müssen, etwa wenn der Prospekt in Luxemburg gebilligt und dann nach Deutschland notifiziert wurde, die in Luxemburg in Umsetzung von Art. 14 Prospektrichtlinie erlassenen Veröffentlichungsvorschriften beachtet werden. Ist der Prospekt nach diesen Vorschriften gebilligt und veröffentlicht, so kann ein öffentliches Angebot bereits am Tage der Notifizierung gemäß § 17 Abs. 3 WpPG erfolgen1. Eine separate Pflicht zur Veröffentlichung gemäß § 14 Abs. 2 WpPG besteht nicht.

43

Auch die Mitteilungspflicht gemäß § 14 Abs. 3 WpPG2 und die Aufbewahrungsfrist des § 14 Abs. 6 WpPG gelten nicht für notifizierte Prospekte. Das Gleiche gilt für das Zuverfügungstellen der Papierversion bei einer Internetveröffentlichung gemäß § 14 Abs. 4 WpPG und die Veröffentlichung von Einzeldokumenten und per Verweis einbezogenen Angaben gemäß § 14 Abs. 5 WpPG, für die jedoch das Recht des jeweiligen Herkunftsstaates entsprechende Vorschriften in Umsetzung der Prospektrichtlinie enthalten sollte.

§ 15 Werbung (1) Jede Art von Werbung, die sich auf ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder auf eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt bezieht, muss nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 erfolgen. Die Absätze 2 bis 4 sind nur anzuwenden, wenn das öffentliche Angebot von Wertpapieren oder die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt prospektpflichtig ist.

1 Ebenso Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 48. 2 Vgl. CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 1 (Februar 2009). Dieser Auffassung folgt jetzt auch die BaFin, die ursprünglich neben der Hinweisbekanntmachung (vgl. Rz. 3) auch die Mitteilung von Datum und Ort der Veröffentlichung bei notifizierten Prospekten verlangt hatte (vgl. CESR, FAQs v. 18.7.2006, CESR/06-296d, Frage 1) und diese Auffassung erst im Zusammenhang mit der Abschaffung der Hinweisbekanntmachung aufgegeben hat (CESR, FAQs, 8th Updated Version v. 10.2.2009, CESR/09-103, Fragen 1 und 2).

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Schlitt/Schäfer

Werbung

§ 15 WpPG

(2) In allen Werbeanzeigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Prospekt veröffentlicht wurde oder zur Veröffentlichung ansteht und wo die Anleger ihn erhalten können. (3) Werbeanzeigen müssen als solche klar erkennbar sein. Die darin enthaltenen Angaben dürfen nicht unrichtig oder irreführend sein. Die Angaben dürfen darüber hinaus nicht im Widerspruch zu den Angaben stehen, die der Prospekt enthält oder die im Prospekt enthalten sein müssen, falls dieser erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht wird. (4) Alle über das öffentliche Angebot oder die Zulassung zum Handel an einem organisieren Markt verbreiteten Informationen, auch wenn sie nicht zu Werbezwecken dienen, müssen mit den im Prospekt enthaltenen Angaben übereinstimmen. (5) Besteht nach dem Gesetz keine Prospektpflicht, muss der Anbieter wesentliche Informationen über den Emittenten oder über ihn selbst, die sich an qualifizierte Anleger oder besondere Anlegergruppen richten, einschließlich Informationen, die im Verlauf von Veranstaltungen betreffend Angebote von Wertpapieren mitgeteilt werden, allen qualifizierten Anlegern oder allen besonderen Anlegergruppen, an die sich das Angebot ausschließlich richtet, mitteilen. Muss ein Prospekt veröffentlicht werden, sind solche Informationen in den Prospekt oder in einen Nachtrag zum Prospekt gemäß § 16 Abs. 1 aufzunehmen. (6) Hat die Bundesanstalt Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Absätze 2 bis 5, kann sie anordnen, dass die Werbung für jeweils höchstens zehn aufeinander folgende Tage auszusetzen ist. Die Bundesanstalt kann die Werbung mit Angaben untersagen, die geeignet sind, über den Umfang der Prüfung nach § 13 oder § 16 irrezuführen. Vor allgemeinen Maßnahmen nach Satz 2 sind die Spitzenverbände der betroffenen Wirtschaftskreise und des Verbraucherschutzes zu hören. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Achleitner/Bassen, Investor Relations am Neuen Markt, 2001; Apfelbacher/Metzner, Das Wertpapierprospektgesetz in der Praxis – Eine erste Bestandsaufnahme, BKR 2006, 81, Baums/Hutter, Die Information des Kapitalmarkts beim Börsengang (IPO), FS Ulmer, 2003, S. 778; Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Grundmann/Schwintowski/Singer/Weber, Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, 2005; Schlitt/Singhof/Schäfer, Aktuelle Rechtsfragen und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251; Schlitt/Smith/Werlen, Die Going-Public-Grundsätze der Deutsche Börse AG, AG 2002, 478; Weber, Unterwegs zu einer europäischen Prospektkultur, NZG 2004, 360.

Schlitt/Schäfer

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§ 15 WpPG

Werbung Inhaltsübersicht

I. Normentwicklung und Bedeutung 1. Europäischer Regelungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Normbedeutung . . . . . . . . .

1 4

II. Begriff der Werbung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpPG) . . .

9

III. Regelungssystematik (§ 15 Abs. 1 Satz 2 WpPG) . . .

12

IV. Anforderungen bei Prospektpflichtigkeit (§ 15 Abs. 2 bis 4 WpPG) 1. Hinweispflicht . . . . . . . . . . 2. Konsistenzgebot . . . . . . . . .

14 18

V. Informationelle Gleichbehandlung (§ 15 Abs. 5 WpPG) 1. Regelungszweck . . . . . . . . . 2. Tatbestand und Rechtsfolge .

22 27

VI. Einzelne Vermarktungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . .

33

VII. Befugnisse der Bundesanstalt (§ 15 Abs. 6 WpPG) . . . . . . . 1. Aussetzung der Werbung (§ 15 Abs. 6 Satz 1 WpPG) . . . 2. Untersagung der Werbung (§ 15 Abs. 6 Sätze 2 und 3 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeit und grenzüberschreitende Sachverhalte . . .

37 39 40 42

I. Normentwicklung und Bedeutung 1. Europäischer Regelungsrahmen 1

§ 15 WpPG setzt Art. 15 Abs. 1 bis 5 Prospektrichtlinie sowie Art. 15 Abs. 6 iVm. Art. 21 Abs. 3 lit. e Prospektrichtlinie ins deutsche Recht um1. Hintergrund der europäischen Regelung war das Bestreben um eine Vereinheitlichung der unterschiedlichen nationalen Konzepte zur Regelung von Werbung2.

2

Die Kommission hat von der Verordnungsermächtigung in Art. 15 Abs. 7 Prospektrichtlinie teilweise Gebrauch gemacht und zur Verbreitung von Werbeanzeigen in Art. 34 ProspektVO eine nähere Regelung getroffen.

3

Regelungen anderer einschlägiger Gesetze wie insbesondere das UWG bleiben von der Regelung unberührt3. 2. Normbedeutung

4

Der Normtitel „Werbung“ deckt den Regelungsgehalt des § 15 WpPG nicht vollständig ab. Die Vorschrift befasst sich nicht nur mit der Verbreitung von Werbung, sondern auch der Verbreitung von Informationen (dazu Rz. 11)4.

1 Zur Prospektrichtlinie vgl. Crüwell, AG 2003, 243 (251); Weber, NZG 2004, 360 (365). 2 Vgl. CESR, CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive, CESR/03-399, Ziffer 61; Groß, Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 1 Fn. 3. 3 Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 15 WpPG Rz. 7. 4 So auch Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 15 WpPG Rz. 4; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 1.

400

Schlitt/Schäfer

Werbung

§ 15 WpPG

§ 15 WpPG regelt erstmals gesetzlich das Verhältnis von Informationen innerhalb und außerhalb des Prospekts1. Zuvor bestand lediglich eine rechtlich unverbindliche Regelung in Ziffer 5 der Going-Public-Grundsätze der Deutschen Börse AG (Fassung v. 1.8.2004)2. Die Zulässigkeit von Finanzkommunikation wurde insbesondere an den Regelungen des Insiderrechts (§§ 13 ff. WpHG) gemessen3, die nunmehr durch die Vorgaben des § 15 WpPG ergänzt werden. Zentrale Bedeutung hat das allgemeine Konsistenzgebot des § 15 Abs. 4 WpPG, an dem sämtliche Kommunikation und Information im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Prospektveröffentlichung zu messen sind (dazu Rz. 18 ff.).

5

Ähnlich wie die Regelung in den Going-Public-Grundsätzen greift die Regelung des § 15 WpPG zeitlich schon im Vorfeld der Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts ein (vgl. § 15 Abs. 2 WpPG „[…] zur Veröffentlichung ansteht“ und § 15 Abs. 3 Satz 3 WpPG „[…] die im Prospekt enthalten sein müssen, falls dieser erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht wird“)4.

6

Über diese Anforderungen hinaus gilt es zu beachten, dass Kommunikati- 7 onsmaßnahmen im Vorfeld einer Kapitalmarkttransaktion nicht die Qualität eines öffentlichen Angebotes haben dürfen5. Inbesondere darf die Ansprache der Öffentlichkeit nicht so ausgestaltet sein, dass eine konkrete Zeichnungsmöglichkeit besteht6, bevor ein Wertpapierprospekt veröffentlicht wurde. Vor diesem Hintergrund entspricht es einer verbreiteten Praxis, dass bei Kapitalmarkttransaktionen vom Emittenten und seinen anwaltlichen Beratern Publizitätsrichtlinien (publicity guidelines) erstellt und an die übrigen Beteiligten, insbesondere die Konsortialbanken und involvierten Altaktionäre, verteilt werden7. Diese Richtlinien enthalten detailierte Regelungen für die Abstimmung über und die Durchführung von Kommunikationsmaßnahmen vor, während und nach Abschluss der Transaktion. Die Publizitätsrichtlinien erfassen dabei jedwede Kommunikation (Roadshows, Pressegespräche, Homepage etc.) und decken in zeitlicher Hinsicht die Phase vom

1 Rauch in Holzborn, § 15 WpPG Rz. 2. 2 Zu den Going-Public-Grundsätzen Schlitt/Smith/Werlen, AG 2002, 478. 3 Dazu Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 45 ff.; Uwe H. Schneider/Burgard in Achleitner/Bassen, Investor Relations am Neuen Markt, 2001, S. 353 ff. 4 Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 15 WpPG Rz. 4. 5 Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 13; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 56 f. 6 Nach deutschem Recht stellen Werbemaßnahmen und sonstige Informationen, in denen auf die Möglichkeit zum Erwerb von Wertpapieren hingewiesen wird, kein öffentliches Angebot dar, soweit damit noch nicht die Möglichkeit zum Kauf verbunden ist; Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 44 f. 7 Wieneke in Grundmann/Schwintowski/Singer/Weber, Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, 2005, S. 37, 42.

Schlitt/Schäfer

401

8

§ 15 WpPG

Werbung

Beginn der Transaktion bis zu idR 40 Tage nach Abschluss der Platzierung (restricted period) ab1.

II. Begriff der Werbung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpPG) 9

Der Begriff der Werbung ist in Art. 2 Nr. 9 ProspektVO legaldefiniert. Danach umfasst der Begriff der Werbung alle Bekanntmachungen, die sich auf ein bestimmtes öffentliches Angebot von Wertpapieren oder deren Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt beziehen und das Ziel haben, den Verkauf der Wertpapiere zu fördern2. Hierunter fallen nach Art. 34 ProspektVO ua. Anzeigen in der Presse, Fernsehspots, Präsentationen, Broschüren und Werbebanner im Internet.

10

Der Begriff der Werbeanzeige in § 15 Abs. 2 und 3 WpPG (und in Art. 15 Abs. 2 und 3 Prospektrichtlinie) ist gleichbedeutend mit dem Begriff der Werbung zu sehen. Dies ergibt sich aus der englischen Fassung der Richtlinie, in der einheitlich vom Begriff „advertisement“ die Rede ist3.

11

Der Begriff der Information, wie er in § 15 Abs. 4 und 5 WpPG verwendet wird, ist als Oberbegriff zum Begriff der Werbung zu verstehen. Damit ist es ohne Belang, ob die Information mit der Intention veröffentlicht wurde, den Absatz der Wertpapiere zu fördern4. Richtigerweise ist der Begriff jedoch dahingehend einschränkend auszulegen, dass er lediglich Informationen, die vom Emittenten oder Anbieter ausgehen bzw. veranlasst sind, erfasst. Äußerungen unbeteiligter Dritter unterliegen hingegen nicht den Beschränkungen nach § 15 Abs. 4 und 5 WpPG5.

1 Ausführlich zu Publicity Guidelines Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 12 ff. 2 Zu den einzelnen Vermarktungsmaßnahmen siehe auch Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 14. Zum Marketing allgemein siehe Schäcker/Brehm in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 2 Rz. 33 ff. 3 So auch Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 15 WpPG Rz. 18; Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 351; (mittelbar) Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 45; aA Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (322) unter Berufung auf die unterschiedliche Verwendung des Begriffs „advertisement“ in Art. 15 Prospektrichtlinie („any type of advertisement“ in Art. 15 Abs. 1 und 4, „advertisements“ in Art. 15 Abs. 2 und 3) Eine Unterscheidung zwischen (ohnehin schwer abzugrenzen) Werbeanzeigen und anderen Formen der Werbung ist jedoch im Hinblick auf das gleiche Schutzbedürfnis der Anleger nicht sachgerecht. 4 Zur Zielsetzung der Information siehe auch Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 352, 355; eine Vermutung, dass jede gesetzlich vorgeschriebene Äußerung im Zusammenhang mit der Emission Werbung beinhaltet, erscheint jedoch zu weitgehend. 5 Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 355.

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Schlitt/Schäfer

§ 15 WpPG

Werbung

III. Regelungssystematik (§ 15 Abs. 1 Satz 2 WpPG) Die Systematik des § 15 WpPG ist unübersichtlich. § 15 Abs. 1 Satz 2 12 WpPG differenziert hinsichtlich der Vorgaben zur Finanzkommunikation nach der Prospektpflichtigkeit einer Platzierung bzw. Zulassung von Wertpapieren. Nur im Falle, dass ein Prospekt zu veröffentlichen ist, gelten § 15 Abs. 2 bis 4 WpPG. Richtigerweise sind sie auch im Falle eines Opt-in nach § 1 Abs. 3 WpPG anwendbar, da auch in diesem Fall ein Prospekt zu veröffentlichen ist1. Hingegen enthält § 15 Abs. 5 WpPG den allgemein geltenden Grundsatz der informationellen Gleichbehandlung, der sowohl ohne Prospektpflicht (§ 15 Abs. 5 Satz 1 WpPG) als auch bei Prospektpflicht (über die Verweisung in § 15 Abs. 5 Satz 2 WpPG)2 gilt. Daneben differenziert § 15 WpPG nach dem Werbezweck: Nur bei einer 13 Zielgerichtetheit einer Information auf die Förderung des Absatzes von Wertpapieren handelt es sich um Werbung mit der Folge der Anwendbarkeit der § 15 Abs. 2 und 3 WpPG. Unabhängig von der Verfolgung eines Werbezwecks gelten für alle Informationen die § 15 Abs. 4 und 5 WpPG.

IV. Anforderungen bei Prospektpflichtigkeit (§ 15 Abs. 2 bis 4 WpPG) 1. Hinweispflicht Gemäß § 15 Abs. 2 WpPG ist in jeder Werbung darauf hinzuweisen, dass ein Prospekt veröffentlicht wurde oder zur Veröffentlichung ansteht und wo die Anleger ihn erhalten können3.

14

Eine ähnliche Regelung enthielt § 12 VerkProspG aF. Sowohl nach dieser 15 Vorgängerregelung als auch nach § 15 Abs. 2 WpPG wird die Hinweispflicht durch jede Veröffentlichung einer Werbung ausgelöst4. Da der Begriff der Werbung sehr weit zu verstehen ist, fällt hierunter nach hM auch eine (freiwillig erstellte) Übersetzung des Prospekts in Form eines International Offering Circular, so dass auch in diesem ein Hinweis auf die Erhältlichkeit des deutschsprachigen Prospekts enthalten sein sollte5. Anders als nach der Vorgängerregelung des § 12 VerkProspG aF besteht jedoch nunmehr kein Anlass zur Diskussion, ob nur Veröffentlichungen in Textform von der Hin-

1 2 3 4

So auch Rauch in Holzborn, § 15 WpPG Rz. 5. AA wohl Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 15 WpPG Rz. 54. Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (89). Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 45 Fn. 7. 5 Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 45; Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 6 Fn. 3. Dies stellt regelmäßig kein Problem dar, da der übersetzte deutsche Prospekt bereits einen entsprechenden Hinweis enthält.

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§ 15 WpPG

Werbung

weispflicht erfasst sein sollen1, da eine Unterscheidung zwischen den Begriffen der Werbung und Werbeanzeige nach richtiger Auffassung nicht besteht und die (von der Hinweispflicht erfassten) Veröffentlichungsformen für Werbung europarechtlich in Art. 34 ProspektVO vorgegeben sind (siehe auch Rz. 9). 16

Die Hinweispflicht bezieht sich zum einen auf die (bereits erfolgte oder noch anstehende) Prospektveröffentlichung („ob“) und zum anderen auf die Möglichkeit, einen Prospekt zu erhalten (Bezugsmöglichkeit, „wo“). Die Möglichkeit, den Prospekt über das Internet zu erhalten (download) genügt hierbei den Anforderungen nicht, da den Anlegern auf Verlangen eine Papierversion2 zur Verfügung zu stellen ist (§ 14 Abs. 5 WpPG). Daher bedarf es regelmäßig der Angabe einer Postanschrift oder Faxnummer, unter der der Prospekt in Papierform angefordert werden kann.

17

§ 15 Abs. 3 Satz 1 WpPG schreibt zudem vor, dass der werbende Charakter der Veröffentlichung klar erkennbar sein muss. Dies kann etwa durch einen Aufdruck „Werbung“ oder einen angefügten so genannten Disclaimer erfolgen, der betont, dass es sich bei der Veröffentlichung nicht um einen Prospekt handelt und der zudem den Hinweis auf den Prospekt nach § 15 Abs. 2 WpPG enthält. Zwingend erforderlich ist dies jedoch nicht, ausreichend für Zwecke der klaren Erkennbarkeit des werbenden Charakters ist regelmäßig bereits die klar Abgrenzung der Anzeige vom redaktionellen Teil eines Mediums3. 2. Konsistenzgebot

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Praktisch zentrale Bedeutung hat das Konsistenzgebot des § 15 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 WpPG. § 15 Abs. 4 WpPG stellt den allgemeinen Grundsatz für Informationen über das öffentliche Angebot oder die Zulassung zum Handel auf, der aufgrund der Verwendung des Oberbegriffs „Information“ auch Werbung umfasst4. Es ist kein unterschiedlicher Maßstab für Werbung und sonstige Informationen zu Grunde zu legen, auch wenn es geringe Abweichungen in der deutschen Fassung des § 15 Abs. 3 Satz 3 WpPG („nicht im Widerspruch […] stehen“) und des § 15 Abs. 4 WpPG („übereinstimmen“) gibt. Wie sich aus der englischen Fassung, die in beiden Sätzen die Wendung „shall be consistent with“ enthält, ergibt, ist in beiden Fällen gleicherma-

1 Zum Diskussionsstand vor Inkrafttreten des WpPG vgl. Heidelbach in Schwark, § 12 VerkProspG Rz. 3. 2 Sofern der Prospekt von einem Drucker gebunden und gedruckt wurde, erfüllt die Übersendung eines Exemplars der Druckfassung die Anforderung einer Zurverfügungstellung in Papierform ebenso wie ein reiner Ausdruck des gebilligten Prospekts auf Papier in ungebundener Fassung. AA wohl Voß in Just/Voß/Ritz/ Zeising, § 15 WpPG Rz. 27. 3 Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 353. 4 Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (89).

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Werbung

§ 15 WpPG

ßen die Widerspruchsfreiheit gemeint1. Es handelt sich mithin um ein Konsistenz-, kein Kongruenzgebot. § 15 Abs. 3 Satz 3 WpPG wäre daher entbehrlich und hat keinen zusätzlichen Anwendungsbereich2. Zeitlich greift das Konsistenzgebot bereits im Vorfeld der Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts (§ 15 Abs. 2 WpPG: „[…] zur Veröffentlichung ansteht“, § 15 Abs. 3 Satz 3 WpPG: „[…] die im Prospekt enthalten sein müssen, falls dieser erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht wird“). Aus dem Umstand, dass § 15 Abs. 4 WpPG keine ausdrückliche Formulierung hinsichtlich eines erst künftig zu veröffentlichenden Prospekts enthält, lassen sich uE keine Rückschlüsse dahingehend ziehen, dass das Konsistenzgebot nur bezüglich Werbung im Vorfeld einer Prospektveröffentlichung gilt. Vielmehr gilt es auch für alle sonstigen Informationen. Denn in beiden Fällen geht es darum, eine Irreführung des Publikums durch die Veröffentlichung widersprüchlicher Angaben zu vermeiden, so dass sowohl hinsichtlich Werbung als auch sonstiger Informationen das gleiche Schutzinteresse greift.

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Anders als die Going-Public-Grundsätze3 sieht § 15 WpPG keine zeitliche Beschränkung oder Quiet Period4 vor, sondern schließt die Weitergabe wesentlicher Informationen, die nicht auch im Prospekt enthalten sind, unabhängig von einer bestimmten Frist aus (siehe oben Rz. 6). Dies kann freilich nicht bedeuten, dass jede Information, die im Vorfeld einer Kapitalmarkttransaktion einem Dritten, etwa einem Gesellschafter, zur Verfügung gestellt wurde, vom Konsistenzgebot erfasst wäre. Erforderlich ist vielmehr ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang und dass die Information wesentlich und noch aktuell ist. Allerdings dürfte es angesichts des Schutzgedankens des Konsistenzgebots im Regelfall zu kurz greifen, den zeitlichen

20

1 Das Wort „übereinstimmen“ kann bereits denklogisch nur in dem Sinne verstanden werden, dass eine sonstige Information mit den im Prospekt enthaltenen Angaben zum gleichen Thema nicht in Widerspruch stehen darf, schon aus Platzgründen nicht aber alle im Prospekt enthaltenen Informationen im Sinne einer 1:1 Wiedergabe enthalten kann. 2 Zum Konsistenzgebot siehe auch Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 45 Fn. 83; Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (257 Fn. 90); Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 4 Fn. 12; Schäfer/La Corte in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 7 Fn. 5; Baums/ Hutter in FS Ulmer, 2003, S. 779 (792 f.); aA wohl Wiegel, Die Prospektrichtline und Prospektverordnung, S. 353. 3 Nach Ziffer 5 der Going-Public-Grundsätze durften Emittenten ab spätestens vier Wochen vor dem öffentlichen Angebot bis spätestens 30 Kalendertage nach Notierungsaufnahme keine Informationen über ihr Geschäft oder ihre Finanzund Ertragslage zur Verfügung stellen, die wesentlich und nicht im Prospekt enthalten sind. 4 Siehe hierzu Schlitt/Smith/Werlen, AG 2002, 478; Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 11; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 12.

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Anwendungsbereich erst mit Beginn des öffentlichen Angebots oder seiner Ankündigung zu eröffnen, wie teilweise im Schrifttum vertreten1. 21

Da der Prospekt keine irreführenden oder unrichtigen Angaben enthalten darf (siehe § 5 WpPG Rz. 12), ergibt sich bereits aus dem Konsistenzgebot ohnehin, dass Werbung keine irreführenden oder unrichtigen Angaben enthalten darf. Die entsprechende inhaltliche Vorgabe des § 15 Abs. 3 Satz 2 WpPG, der ausdrücklich vorschreibt, dass Werbung keine irreführenden oder unrichtigen Angaben enthalten darf, ist daher weitgehend deklaratorisch. Ein Anwendungsfall liegt nach Auffassung der BaFin vor, wenn die Werbung den Eindruck erweckt, dass die BaFin nicht nur den Prospekt, sondern auch den Vertrieb der Wertpapiere gebilligt hat oder gar von einem „von der BaFin gebilligten Produkt“ gesprochen wird2.

V. Informationelle Gleichbehandlung (§ 15 Abs. 5 WpPG) 1. Regelungszweck 22

§ 15 Abs. 5 WpPG soll sicherstellen, dass im Falle eines Angebots, unabhängig davon, ob dieses prospektpflichtig ist oder nicht, alle wesentlichen Informationen die angesprochenen Anlegergruppen gleichermaßen erreichen (Grundsatz der informationellen Gleichbehandlung)3. Wird ein Prospekt veröffentlicht, ist dies über eine Aufnahme der Informationen in den Prospekt sicherzustellen. Ist ein Angebot nicht prospektpflichtig und wird auch nicht freiwillig auf Grundlage der Opt-in-Regelung des § 1 Abs. 3 WpPG ein Prospekt erstellt, so hat der Anbieter auf anderem Wege die gleichmäßige Information der angesprochenen Anleger sicherzustellen.

23

Anknüpfungspunkt für die informationelle Gleichbehandlung ist der Kreis der angesprochenen Anleger. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung aufgrund anderer Kriterien wie zB der Aktionärseigenschaft kann daher nicht auf § 15 Abs. 5 WpPG gestützt werden4.

24

Für die Platzierungspraxis bedeutet dies, dass eine selektive Weitergabe wesentlicher Informationen (selective disclosure) nicht mehr zulässig ist. Eine Analystenpräsentation, die mittelbar über die Weitergabe der auf ihrer Grundlage erstellten Finanzanalysen zumeist nur einen Teil der Anleger erreicht, und eine Roadshowpräsentation, mit der der Emittent besonders wichtigen qualifizierten Anlegern vorgestellt wird, dürfen daher keine weitergehenden wesentlichen Angaben enthalten als der Prospekt. Wird kein Prospekt erstellt, müssen die darin enthaltenen Informationen allen ange1 Groß, Kapitalmarktrecht,§ 15 WpPG Rz. 1a. 2 Siehe auch LG Hamburg v. 27.4.2007 – 406 O 24/07, WM 2007, 1738; dazu auch Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 6. 3 So auch Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 7. 4 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 7 Fn. 15.

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Werbung

§ 15 WpPG

sprochenen Investoren zugänglich gemacht werden1. Zu den einzelnen Vermarktungsmaßnahmen vgl. unten Rz. 33 ff. Die Regelung entspricht international üblichen Standards, insbesondere der Regulation über Fair Disclosure der SEC in den USA vom 15.8.20002.

25

Wie oben unter Rz. 19 beschrieben, weicht der zeitliche Anwendungs- 26 bereich des § 15 WpPG vom Konzept der Quiet Period, wie sie in den früher freiwillig geltenden Going-Public-Grundsätzen, Ziffer 53, enthalten war, ab4. Dies kann freilich nicht bedeuten, dass jede Information, die im Vorfeld einer Kapitalmarkttransaktion einem Dritten, etwa einem Gesellschafter, der später auch als Anleger angesprochen wird, zur Verfügung gestellt wurde, vom Grundsatz der informationellen Gleichbehandlung erfasst wäre. Erforderlich ist vielmehr ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang und dass die Information wesentlich und noch aktuell ist (siehe Rz. 20). 2. Tatbestand und Rechtsfolge § 15 Abs. 5 WpPG schreibt vor, dass wesentliche Informationen (unabhängig von einer Prospekterstellung) im Zusammenhang mit einem Angebot allen angesprochenen Anlegern gleichermaßen zugänglich zu machen sind. Eine Differenzierung zwischen Privatanlegern und institutionellen Anlegern ist aufgrund dieser Pflicht zur informationellen Gleichbehandlung nicht zulässig.

27

Normadressat des § 15 Abs. 5 WpPG ist der Anbieter gemäß § 2 Nr. 10 WpPG.

28

Gegenstand der Regelung ist jede wesentliche Information über den Emittenten oder den Anbieter. Wann eine Information wesentlich ist, definiert § 15 WpPG nicht. Insofern gilt der allgemeine, in §§ 5, 16 WpPG verankerte Wesentlichkeitsmaßstab5.

29

1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 2; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 46. 2 Zum internationalen Standard vgl. auch Crüwell, AG 2003, 251; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 7 Fn. 13. 3 Nach Ziffer 5 der Going-Public-Grundsätze durften Emittenten ab spätestens vier Wochen vor dem öffentlichen Angebot bis spätestens 30 Kalendertage nach Notierungsaufnahme keine Informationen über ihr Geschäft oder ihre Finanzund Ertragslage zur Verfügung stellen, die wesentlich und nicht im Prospekt enthalten sind. 4 Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 11 Fn. 5; Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (258); Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 12. 5 Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 15 WpPG Rz. 61; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 10. Zum Begriff der Wesentlichkeit siehe daher auch die Kommentierung zu § 5 WpPG Rz. 16 und zu § 16 WpPG Rz. 33.

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30

Die Frage, ob eine Information wesentlich ist und daher bei Veröffentlichung im Vorfeld in den später veröffentlichten Prospekt aufgenommen werden muss oder noch im Vorfeld veröffentlicht werden kann, stellt sich mit besonderer Schärfe in Bezug auf die Kommunikation von Gewinnprognosen und Gewinnschätzungen an den Kapitalmarkt. Siehe hierzu ausführlich die Kommentierung zu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 116 ff. Um diese Problematik bereits im Vorfeld zu entschärfen, sehen die Publizitätsrichtlinien (publicity guidelines, siehe oben Rz. 8) häufig vor, dass zukunftsgerichtete Aussagen während der Vorbereitung eines Angebots nicht mehr getätigt werden dürfen1.

31

Hinsichtlich der angesprochenen Anlegergruppen hebt der Gesetzgeber in § 15 Abs. 5 Satz 1 WpPG die qualifizierten Anleger besonders hervor. Dies entspricht der Bedeutung, die so genannte Privatplatzierungen ausschließlich an qualifizierte Anleger iS des § 2 Nr. 6 WpPG in der Praxis haben. Sie stellen einen der häufigsten Fälle nicht prospektpflichtiger Angebote dar. Ihre Nennung ist exemplarisch zu verstehen. Das Gesetz adressiert darüber hinaus besondere Anlegergruppen. Ein gesetzliches Beispiel für „besondere“ Anlegergruppen, die im Zuge eines Angebots ansgesprochen werden, sind solche, „denen Informationen im Verlauf von Veranstaltungen betreffend Angebote von Wertpapieren mitgeteilt werden“, dh. die durch eine Roadshow, Unternehmensgespräche oder Einzelgespräche („one-on-ones“) zum Erwerb von Wertpapieren animiert werden. Im Regelfall dürfte es sich dabei gleichfalls um qualifizierte Anleger handeln, so dass die genannten Beispiele einer gezielten Ansprache einzelner Anlegerkategorien letztlich den gleichen Anlegertypus vor Augen haben.

32

Rechtsfolge bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen ist im Falle einer Prospekterstellung die Pflicht zur Aufnahme der entsprechenden Angaben in den Prospekt (ggf. im Wege eines Nachtrags), im Falle eines prospektfreien Angebots die Mitteilung an alle angesprochenen Anleger, zB durch eine individuelle Ansprache mit der gleichen Präsentation. Je breiter der Kreis angesprochener Anleger, desto eher wird hierzu ein geeignetes Medium eine Pressemitteilung sein.

VI. Einzelne Vermarktungsmaßnahmen 33

In bestimmten Fällen wird im Vorfeld eines Angebots ein Pilotfishing (auch Pre-Sounding genannt) durchgeführt2. Dabei handelt es sich um die selektive Ansprache einer geringen Zahl ausgewählter Investoren, um ein Gefühl

1 Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 45; Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 14; Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (258 Fn. 96). 2 Zu den einzelnen Vermarktungsmaßnahmen ausführlich Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 17 ff.

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§ 15 WpPG

(sentiment) für die Vermarktbarkeit der Wertpapiere, insbesondere die Attraktivität des Geschäftsmodells aus Investorensicht, sowie erste Indizien für die Preisvorstellung der Investoren zu gewinnen. Den Investoren dürfen hierbei nur solche Informationen präsentiert werden, die – ihre Wesentlichkeit unterstellt – später auch Eingang in den Prospekt finden (§ 15 Abs. 4 WpPG). Hinzu treten ggf. insiderrechtliche Beschränkungen, wenn der Emittent Tochtergesellschaft oder eine – zB im Wege der Abspaltung (spinoff) entstandene – Schwestergesellschaft einer börsennotierten Gesellschaft ist. In diesem Fall kann der geplante Börsengang eine Insidertatsache darstellen. Gleiches gilt auch bezüglich der Schwestergesellschaft, wenn ein bislang nur in den Freiverkehr einbezogener Emittent in den regulierten Markt zu wechseln beabsichtigt, da das Insiderrecht auch auf im Freiverkehr gehandelte Werte anwendbar ist (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 WpHG). Insbesondere bei Börsengängen werden die Analysten der Emissionsbanken 34 ca. zwei Monate zuvor über die anstehende Transaktion informiert (bringing over the wall). Um sie in die Lage zu versetzen, Finanzanalysen (research reports) über die später angebotenen Wertpapiere zu erstellen, hält das Management des Emittenten eine so genannte Analystenpräsentation, in der es das Unternehmen den Analysten vorstellt. Auf Grundlage dieser Präsentation und ihrer Branchenkenntisse erstellen die Analysten ihre Finanzanalysen, die ausgewählten Kunden der Emissionsbank zur Verfügung gestellt werden. Während für die Erstellung von Finanzanalysen strikte rechtliche Vorgaben1 einzuhalten sind, regelt das Gesetz Analystenpräsentationen nicht explizit. Da die im Zuge der Analystenpräsentation übermittelten Informationen mittelbar einer bestimmten Anlegergruppe, nämlich den ausgewählten Kunden der Emissionsbanken, zur Verfügung gestellt werden2, gilt insoweit das Konsistenzgebot des § 15 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 WpPG. Alle wesentlichen, in der Präsentation getroffenen Aussagen müssen sich daher auch im Prospekt wiederfinden. Eine sklavische Identität im Wortlaut und der Darstellungsform (Graphik, Text etc.) ist jedoch nicht erforderlich3. Unter Verwendung der von den Analysten der Emissionsbanken erstellten 35 Finanzanalysen findet im Vorfeld des Angebotsbeginns häufig ein so genannten Pre-Marketing statt4. Dabei handelt es sich um eine gegenüber dem Pilot-Fishing intensivierte Sondierung des Investoreninteresses, häufig mit dem Ziel, eine angemessene Preisspanne für das Bookbuilding vor Angebotsbeginn festzulegen. Im Zuge dessen werden die Finanzanalysen (research reports) von ihren Erstellern den Investoren erläutert (investor

1 Siehe dazu Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 31 ff. 2 Einzelne Emissionsbanken stellen ihre Finanzanalysen auch Privatanlegern zur Verfügung, siehe dazu Härtl, Going Public, 2004, 45 (46). 3 So bereits Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 19 ff. 4 Zum Pre-Marketing ausführlich Schanz, Börseneinführung, § 30 Rz. 311 ff.

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education). Hierbei ist im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Konsistenzgebots zu unterscheiden: die Finanzanlysen und ihre Erläuterung unterliegen eigenen rechtlichen Rahmenbedingungen1. Es ist daher dem Finanzanalysten überlassen, aufgrund seiner Branchenkenntnis eine subjektive Bewertung der erhaltenen Informationen vorzunehmen und diese in seine Finanzanalyse und ihre Erläuterung einfließen zu lassen; das Konsistenzgebot gilt insoweit nicht2. Da ihm vom Emittenten ausschließlich solche Informationen zur Verfügung gestellt werden dürfen, die auch, sofern sie wesentlich sind, in den Prospekt Eingang finden, müssen objektive, wesentliche Angaben in der Finanzanalyse hingegen entweder im Prospekt wiederzufinden sein oder aus einer vom Emittenten unabhängigen Quelle stammen (beispielsweise aus eigenen Schätzungen des Analysten). 36

Für die Roadshowpräsentation, mit denen der Emittent ausgewählten qualifzierten Anlegern vorgestellt wird, gelten die Ausführungen zur Analystenpräsentation (oben Rz. 34) entsprechend3.

VII. Befugnisse der Bundesanstalt (§ 15 Abs. 6 WpPG) 37

§ 15 Abs. 6 WpPG gibt der BaFin die Befugnis, bei einem Verstoß gegen § 15 Abs. 2 bis 5 WpPG die Werbung auszusetzen4. Im Falle einer Werbung mit Angaben, die geeignet sind, über den Umfang der Prüfung des Prospekts bzw. etwaiger Nachträge durch die BaFin irrezuführen, kann die BaFin die Werbung darüber hinausgehend untersagen. Ein Verstoß gegen eine solche Aussetzung oder Untersagung stellt ihrerseits nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 WpPG eine Ordnungswidrigkeit dar.

38

Neben den in § 15 Abs. 6 WpPG genannten Sanktionen kann die BaFin Werbung vor der Prospektbilligung indirekt sanktionieren, indem sie die Billigung des Prospekts von der Aufnahme der entsprechenden Informationen in den Prospekt abhängig macht5.

1 Dies verkennt Wiegel, wenn er Finanzanalysen grundsätzlich als (dem Konsistenzgebot unterliegende) Werbung charakterisiert, siehe Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 352. 2 Vor diesem Hintergrund haben Privatanleger auch unter dem Grundsatz der informationellen Gleichbehandlung keinen Anspruch auf Erhalt der Finanzanalysen der Emissionsbanken; siehe auch Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 42; Wieneke in Grundmann/Schwintowski/Singer/Weber, Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, 2005, S. 37, 47. 3 Ausführlich zur Roadshowpräsentation und One-on-Ones Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 25 f. 4 Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (89). 5 So auch Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 47.

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§ 15 WpPG

Werbung

1. Aussetzung der Werbung (§ 15 Abs. 6 Satz 1 WpPG) Voraussetzung für eine Anordnung zur Aussetzung von Werbung ist ein Ver- 39 stoß gegen § 15 Abs. 2 bis 5 WpPG. Die Aussetzung kann für jeweils höchstens zehn aufeinander folgende Tage angeordnet werden. Bei der Fristberechnung ist zu berücksichtigen, dass diese auch Sonn- und Feiertage umfasst, § 193 BGB findet keine Anwendung1. 2. Untersagung der Werbung (§ 15 Abs. 6 Sätze 2 und 3 WpPG) § 15 Abs. 6 Sätze 2 und 3 WpPG entsprechen im Wesentlichen der Vorgän- 40 gerregelung des § 8e VerkProspG aF. Weitergehende Regelungen finden sich in § 36b WpHG und § 23 Abs. 1 KWG. Voraussetzung für eine Untersagung ist die Werbung mit Angaben, die geeignet sind, über die Prüfung nach §§ 13, 16 WpHG in die Irre zu führen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn beim Empfänger der Werbung die Vorstellung hervorgerufen wird, der Prospekt sei von der BaFin auf seine inhaltliche Richtigkeit geprüft worden2. Ein weiteres Beispiel ist die Werbung mit dem Hinweis „BaFin-geprüftes Produkt“3. Ein Gegenbeispiel ist hingegen der bloße Hinweis auf die Hinterlegung des Prospekts4. Rechtsfolge ist die Untersagung der Werbung, die im Ermessen der BaFin steht („kann“). Sie erfolgt gegenüber dem Werbenden, der nicht notwendig identisch mit dem Anbieter oder Emittenten sein muss (§ 15 Abs. 6 Satz 2 WpPG). Alternativ können auch bestimmte Werbemaßnahmen oder -methoden durch eine generelle Untersagung im Wege der Allgemeinverfügung untersagt werden (§ 15 Abs. 6 Satz 3 WpPG). In letzterem Fall ist verfahrensrechtlich eine vorherige Anhörung der Spitzenverbände der betroffenen Wirtschaftskreise und des Verbraucherschutzes erforderlich (§ 15 Abs. 6 Satz 3 WpPG). Die BaFin hat bislang keine solche Allgemeinverfügung erlassen.

41

3. Zuständigkeit und grenzüberschreitende Sachverhalte Die Befugnisse der BaFin nach § 15 Abs. 6 WpPG beschränken sich auf Angebote, bei denen die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat iS

1 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 36; Groß, Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 3; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 13. 2 Finanzausschuss des Deutschen Bundestages bei der Beratung des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes, BT-Drucks. 13/9874, S. 132; Groß, Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 3; zur Parallelregelung des 8j VerkProspG nF Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8j VerkProspG Rz. 10. 3 LG Hamburg v. 27.4.2007 – 406 O 24/07, WM 2007, 1738. 4 Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 15 WpPG Rz. 40. Zur Parallelregelung des § 8j VerkProspG nF: Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 8f–8k VerkProspG Rz. 10; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8j VerkProspG Rz. 10.

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§ 16 WpPG

Nachtrag zum Prospekt

des § 2 Nr. 13 WpPG ist1. Die Zuständigkeit ist damit unabhängig vom Ort des Angebots und der Verbreitung der Werbung2. 43

Werden grenzüberschreitende Medien (zB deutschsprachige Printmedien, Radio- oder Fernsehsender im Ausland) genutzt, ist die BaFin daher gegebenenfalls auf Hinweise der zuständigen Behörden anderer EWR-Staaten angewiesen3.

§ 16 Nachtrag zum Prospekt (1) Jeder wichtige neue Umstand oder jede wesentliche Unrichtigkeit in Bezug auf die im Prospekt enthaltenen Angaben, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen könnten und die nach der Billigung des Prospekts und vor dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder der Einführung oder Einbeziehung in den Handel auftreten oder festgestellt werden, müssen in einem Nachtrag zum Prospekt genannt werden. Der Anbieter oder Zulassungsantragsteller muss den Nachtrag bei der Bundesanstalt einreichen. Der Nachtrag ist innerhalb von höchstens sieben Werktagen nach Eingang bei der Bundesanstalt nach § 13 zu billigen. Nach der Billigung muss der Anbieter oder Zulassungsantragsteller den Nachtrag unverzüglich in derselben Art und Weise wie den ursprünglichen Prospekt nach § 14 veröffentlichen. (2) Die Zusammenfassung und etwaige Übersetzungen davon sind um die im Nachtrag enthaltenen Informationen zu ergänzen. (3) Anleger, die vor der Veröffentlichung des Nachtrags eine auf den Erwerb oder die Zeichnung der Wertpapiere gerichtete Willenserklärung abgegeben haben, können diese innerhalb einer Frist von zwei Werktagen nach Veröffentlichung des Nachtrags widerrufen, sofern noch keine Erfüllung eingetreten ist. § 8 Abs. 1 Satz 3 bis 5 ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle der im Prospekt als Empfänger des Widerrufs bezeichneten Person die im Nachtrag als Empfänger des Widerrufs bezeich-

1 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 336; Groß, Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 1; Rauch in Holzborn, § 15 WpPG Rz. 13; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 13. 2 Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 45; Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 15. 3 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 15 WpPG Rz. 13; Schäfer/La Corte in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 8 Rz. 15; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (510); kritisch zur gesetzgeberischen Konzeption: Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (511); Weber, NZG 2004, 360 (365).

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Seitz

§ 16 WpPG

Nachtrag zum Prospekt

nete Person tritt. Der Nachtrag muss an hervorgehobener Stelle eine Belehrung über das Widerrufsrecht nach Satz 1 enthalten. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Apfelbacher/Metzner, Das Wertpapierprospektgesetz in der Praxis – Eine erste Bestandsaufnahme, BKR 2006, 81; Assmann, Prospektaktualisierungspflichten, FS Ulmer, 2003, S. 757 ff.; Boos/Preuße, Die Umsetzung der EU-Prospektrichtlinie in Deutschland – Folgen für daueremittierende Banken, Kreditwesen 2005, 523; Bosch/Groß, Emissionsgeschäft, Bankrecht und Bankpraxis, Loseblatt, Stand 2003; Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, 2001; Ekkenga, Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zum Regierungsentwurf eines neuen Wertpapierprospektgesetzes, BB 2005, 561; Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318; Heidelbach/Preuße, Einzelfragen in der praktischen Arbeit mit dem neuen Wertpapierprospektregime, BKR 2006, 316; Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings nach deutschem Recht, WM 1996, 1; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668, 1674; Kullmann/Metzger, Der Bericht der Expertengruppe „Europäische Wertpapiermärkte“ (ESME) zur Richtlinie 2003/71/EG („Prospektrichtlinie“) – Ausgewählte Aspekte des ESME-Berichts unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Ausschusses der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR) zu „Retail Cascades“ und der inhaltlichen Abgrenzung von Basisprospekt und endgültigen Bedingungen, WM 2008, 1292; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG), WM 2005, 1068; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BB 2004, 501; Lenz/Ritz, Die Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte, WM 2000, 904; Mattil/Möslein, Die Sprache des Emissionsprospekts – Europäisierung des Prospektrechts und Anlegerschutz, WM 2007, 819 ff.; Möllers, Zur „Unverzüglichkeit einer Ad-hoc-Mitteilung im Kontext nationaler und europäischer Dogmatik, FS Horn, 2006, S. 473; Müller/Oulds, Transparenz im europäischen Fremdkapitalmarkt, WM 2007, 573; Parmentier, Ad-hoc-Publizität bei Börsengang und Aktienplatzierung, NZG 2007, 407; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schlitt/Schäfer, Drei Jahre Praxis unter dem Wertpapierprospektgesetz – eine Zwischenbilanz, AG 2008, 525; Schlitt/Singhof/Schäfer, Aktuelle Rechtsfragen und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251; Willamowski, Bookbuilding – Die marktorientierte Emission von Aktien nach deutschem und U.S.-amerikanischem Recht, 2000.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung und Überblick (Seitz) 1. Entstehungsgeschichte, Vorgängervorschriften . . . . . . . . 1 2. Bedeutung und Systematik der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . 11 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften a) Die Stellung der Nachtragspflicht im WpPG . . . . . . . 16

b) Bezüge der Nachtragspflicht zu Vorschriften außerhalb des WpPG . . . . . . . . . . . . 21 4. Weitere Konkretisierungen zur Nachtragspflicht, Rechtsentwicklungen . . . . . . . . . . 24 II. Nachtragspflicht (§ 16 Abs. 1 WpPG) (Seitz)

Seitz

413

§ 16 WpPG 1. Sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich der Nachtragspflicht (§ 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anlass der Nachtragspflicht . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umstand oder Unrichtigkeit . . . . . . . . . . . . bb) Wichtigkeit des neuen Umstands bzw. Wesentlichkeit der Unrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . cc) Relevanz für die Beurteilung der Wertpapiere dd) Nachtragspflicht bei periodischen Finanzinformationen . . . . . . . . . . ee) Weitere Einzelfälle . . . b) Nachtragsfähigkeit . . . . . aa) Nachtragsfähigkeit des Registrierungsformulars . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnis zu den endgültigen Bedingungen nach § 6 Abs. 3 WpPG . cc) Keine Erweiterung des Billigungsgegenstandes c) Nachtragsrelevanter Zeitraum, Zeitpunkt der Einreichung eines Nachtrags . . . aa) Beginn der Nachtragspflicht . . . . . . . . . . . . bb) Ende der Nachtragspflicht . . . . . . . . . . . . cc) Zeitpunkt der Einreichung eines Nachtrags 2. Form und Inhalt des Nachtrags (§ 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG) a) Präsentation des Nachtrags b) Inhalt des Nachtrags . . . . 3. Nachtragsverfahren (§ 16 Abs. 1 Satz 2 bis 4 WpPG) a) Allgemeines . . . . . . . . . . b) Billigungsverfahren . . . . . c) Veröffentlichungspflicht . .

Nachtrag zum Prospekt

28 30 31

33 35 43 48 51 52 54 56 62 63 66 75

81 86 90 92 99

III. Ergänzung der Zusammenfassung (§ 16 Abs. 2 WpPG) (Seitz) . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 IV. Widerrufsrecht (§ 16 Abs. 3 WpPG) (Seitz) 1. Überblick zum Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

414

Seitz

2. Bestehen des Widerrufrechts a) Erfasste Willenserklärungen, potentielle Kausalität des nachtragspflichtigen Ereignisses für eine Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . 109 b) Dauer der Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . 113 c) Begrenzung des Widerrufsrechts durch die Erfüllung 115 3. Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 4. Rechtsfolgen des Widerrufs . 122 V. Besonderheiten bei Aktienemissionen (Schlitt/Schäfer) 1. Zeitliche Reichweite der Nachtragspflicht . . . . . . . . . 2. Verhältnis zur Nichtaufnahme von Angaben nach § 8 Abs. 1 WpPG . . . . . . . . . 3. Verhältnis zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG . . . . . 4. Verlängerung des öffentlichen Angebots . . . . . . . . . . 5. Verschiebung der Emission . .

124 128 132 136 137

VI. Besonderheiten bei Schuldverschreibungsemissionen (Seitz) 1. Besonderheiten bei Schuldverschreibungen im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . 140 2. Besonderheiten bei Basisprospekten . . . . . . . . . . . . . 142 VII. Folgen einer Verletzung der Nachtragspflicht (Seitz) 1. Ungültigkeit des Prospekts bei Unterlassen der Einreichung eines Nachtrags . . . . . . . . . . 149 2. Befugnisse der BaFin . . . . . . 152 3. Nachtragspflicht und Prospekthaftung a) Prospekthaftung aufgrund eines inhaltlich fehlerhaften Nachtrags; Besonderheiten in Zusammenhang mit der Nachtragspflicht . . . . . 155 b) Prospekthaftung aufgrund des vorübergehend fehlerhaften Prospekts . . . . . . . 157 c) Unterlassen der Einreichung eines Nachtrags trotz nachträglich eingetretener Nachtragspflicht . . . . . . . 160

Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

I. Normentwicklung und Überblick (Seitz) 1. Entstehungsgeschichte, Vorgängervorschriften § 16 WpPG dient der Umsetzung von Art. 16 Prospektrichtlinie. Eine dem Art. 16 Abs. 1 Prospektrichtlinie entsprechende Bestimmung war bereits in der Börsenzulassungsprospektrichtlinie1 und der Emissionsprospektrichtlinie2 enthalten. Gänzlich neu ist dagegen das in Art. 16 Abs. 2 Prospektrichtlinie eingeführte Widerrufsrecht des Anlegers. Bei der Umsetzung ist der deutsche Gesetzgeber geringfügig von der Struktur des Art. 16 Prospektrichtlinie abgewichen, indem er in § 16 Abs. 2 WpPG – in der Prospektrichtlinie Art. 16 Abs. 1 Satz 3 – einen eigenen Absatz zu der Aktualisierung der Zusammenfassung eingefügt hat. Zu weiteren Besonderheiten bei der Implementierung in das deutsche Recht, insbesondere im Hinblick auf das Widerrufsrecht des Anlegers, siehe unten Rz. 8 ff.

1

Im Richtlinien-Gesetzgebungsverfahren war Art. 16 Prospektrichtlinie Gegenstand eingehender Diskussionen. Der erste Kommissionsvorschlag zur Prospektrichtlinie sah zunächst vor, dass wichtige neue Gegebenheiten gegebenenfalls mittels ergänzender Angaben zum Prospekt zu melden sind3. Im überarbeiteten Kommissionsvorschlag zur Prospektrichtlinie wurde die Aktualisierungsverpflichtung ausgeweitet, um auch wesentliche Fehler und andere inkorrekte Informationen richtig stellen zu können (zur Differenzierung zwischen der Aktualisierungspflicht im engeren Sinne und der Berichtigungspflicht siehe näher unten Rz. 6 und Rz. 31); in dem Vorschlag ist auch erstmals „vom Nachtrag zum Prospekt“ die Rede4. In beiden Kommissionvorschlägen war das Widerrufsrecht des Anlegers allerdings noch nicht enthalten – dieses geht auf einen Vorschlag des Rates zurück5, der letztlich im Richtlinien-Gesetzgebungsverfahren eine Mehrheit fand.

2

Die Aktualisierungsverpflichtung nach Art. 16 Prospektrichtlinie bzw. § 16 WpPG ist von einer allgemeinen Aktualisierungsverpflichtung zu unter-

3

1 Richtlinie 80/390/EWG des Rates vom 17.3.1980 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 100 v. 17.4.1980, S. 1 ff. – dort Art. 23; aufgehoben durch die Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.5.2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1 ff. (berichtigte Fassung, ABl. EG Nr. L 217 v. 11.8.2001, S. 18 ff.) – dort Art. 100. 2 Richtlinie 89/298/EWG des Rates vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABl. Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8 ff. – dort Art. 18. 3 Vgl. Art. 14 des Richtlinien-Vorschlags v. 30.5.2001, KOM(2001) 280 endgültig. 4 Vgl. Richtlinien-Vorschlag v. 9.8.2002, KOM(2002) 460 endgültig, S. 11 und S. 19 (Begründung zu Art. 16). 5 Vgl. Art. 16 Abs. 2 der Fassung des Gemeinsamen Standpunktes des Rats vom 24. März 2003, ABl. EG Nr. C 125 v. 27.5.2003, S. 21 ff.

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§ 16 WpPG

Nachtrag zum Prospekt

scheiden, welche die Kommission in ihren Entwürfen zur Prospektrichtlinie ursprünglich vorgesehen hatte und nach welcher der Prospekt unabhängig vom Eintritt eines nachtragspflichtigen Umstands oder einer nachtragspflichtigen Unrichtigkeit und ohne Beschränkung auf einen bestimmten, von dem tatsächlichen Angebot abhängigen Zeitraum hätte aktualisiert werden müssen (dazu näher § 9 WpPG Rz. 4 f.). Eine derartige Aktualisierungspflicht lässt sich auch nicht aus Art. 9 Prospektrichtlinie bzw. § 9 WpPG ableiten (siehe ausführlich § 9 WpPG Rz. 37 ff.). 4

Die Aktualisierung eines bereits gebilligten Prospekts durch Nachträge war im deutschen Prospektrecht auch schon vor dem Inkrafttreten des WpPG erforderlich. Die entsprechenden Regelungen fanden sich in § 52 Abs. 2 BörsZulV aF und in § 11 VerkProspG aF. Durch § 16 WpPG wurde die nach der früheren Rechtslage bestehende Nachtragspflicht jedoch erweitert und modifiziert. Zu den Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage zählen vor allem die folgenden Punkte, die zugleich im Gesetzgebungsverfahren zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz kontrovers diskutiert wurden:

5

– Nach § 16 WpPG ist die Billigung des Nachtrags durch die BaFin erforderlich. Nach § 11 VerkProspG aF und § 52 Abs. 2 BörsZulV aF musste hingegen der Nachtrag grundsätzlich nur veröffentlicht werden1. Nach § 16 WpPG muss die Billigung durch die BaFin zwar innerhalb einer gegenüber der Prospektbilligung kürzeren Frist von sieben Werktagen erfolgen, letztlich kann aber mit dem Erfordernis der Billigung eine erhebliche Verzögerung verbunden sein (zur Kritik an dem Billigungserfordernis siehe unten Rz. 96).

6

– Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG besteht eine Nachtragspflicht nicht nur dann, wenn ein wichtiger neuer Umstand nach der Prospektbilligung eintritt, sondern auch dann, wenn eine wesentliche Unrichtigkeit des Prospekts bereits zum Zeitpunkt der Billigung bestand (näher unten Rz. 31). Nach der früheren Rechtslage war in diesem Fall jedoch umstritten, in welcher Form eine Berichtigung möglich ist. Sowohl bei Verkaufsprospekten2 als auch bei Börsenzulassungsprospekten3 wurde zumindest zum Teil eine differenzierte Behandlung dieser Fälle einer Berichtigung vorgeschlagen. Eine solche Differenzierung ist somit künftig obsolet und 1 Vgl. zur Regelung nach dem VerkProspG Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 11 VerkProspG Rz. 29 und zur Regelung nach der BörsZulV Heidelbach in Schwark, § 52 BörsZulV Rz. 4, wobei unter dem BörsZulV zumindest dann, wenn der Nachtrag lediglich zu einem Börsenzulassungsprospekt ohne öffentliches Angebot erstellt wurde, zum Teil auch das Erfordernis eines Billigung bejaht wurde; eine Übersicht zum Meinungsstreit findet sich bei Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (507, dort Fn. 141). 2 Zum Meinungsstreit bei Verkaufsprospekten siehe Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 11 VerkProspG Rz. 8 f. 3 Für Börsenzulassungsprospekte siehe Heidelbach in Schwark, § 52 BörsZulV Rz. 2 einerseits und Heidelbach in Schwark, §§ 44, 45 BörsG Rz. 27 ff., 57 f. andererseits.

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Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

es besteht ein einheitliches Regime für die Ergänzung und Änderung von Prospekten. – Auch der Beginn des nachtragsrelevanten Zeitraums hat sich – zumindest 7 im Fall von Börsenzulassungsprospekten – im Vergleich zur alten Rechtslage verändert. War nach § 52 Abs. 2 BörsZulV aF für die Nachtragspflicht die Veröffentlichung des Prospekts relevant, ist nach § 16 Abs. 1 WpPG nun die Billigung des Prospekts entscheidend (siehe näher unten Rz. 63). Eine solche Vorverlagung des Beginns des nachtragsrelevanten Zeitraums bestand bereits unter dem früheren Recht im Fall von Verkaufsprospekten, bei denen gemäß § 11 VerkProspG aF auf die Gestattung der Veröffentlichung bzw. die Fiktion der Gestattung abgestellt wurde1. – Da § 16 WpPG die Nachtragspflicht sowohl für Angebots- als auch für 8 Börsenzulassungprospekte regelt, bestimmt sich das Ende des nachtragpflichtigen Zeitraums nach dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder der Einführung oder Einbeziehung der Wertpapiere in den Handel. Der Bundesrat hatte im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz die Aufnahme einer Klarstellung vorgeschlagen, nach der das jeweils früher eintretende Ereignis die Nachtragspflicht beenden solle2. Im Finanzausschuss wurde diese Klarstellung aber nicht in die Formulierung von § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG übernommen3, stattdessen wurde in der Begründung darauf verwiesen, dass eine entsprechende Auslegung intendiert sei (siehe unten Rz. 72)4. Aufgegriffen hat der Finanzausschuss hingegen den Vorschlag des Bundesrats5, wonach die von der Bundesregierung vorgeschlagene Formulierung „Eröffnung des Handels“ durch die Formulierung „Einbeziehung oder Zulassung zum Handel“ zu ersetzen sei. Er hat dabei aber den Begriff „Zulassung“ gestrichen und die Formulierung „Einführung oder Einbeziehung in den Handel“ gewählt, die sich auch in der letzten verabschiedeten Fassung wiederfindet. Dies ist in Zusammenhang damit zu sehen, dass der Finanzausschuss ebenfalls den im Regierungsentwurf enthaltenen Verweis auf den „organisierten Markt“ gestrichen hat, um zu verdeutlichen, dass auch die Einbeziehung in den Freiverkehr zum endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots führen könne (siehe dazu näher unten Rz. 68 ff.)6. Vor der Implementierung der Prospektrichtlinie in 1 Dazu Heidelbach in Schwark, § 11 VerkProspG Rz. 2; vgl. auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 1. 2 Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, BTDrucks. 15/5219, S. 3 f. 3 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373, S. 21. 4 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373, S. 50. 5 Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, BTDrucks. 15/5219, S. 3 f. 6 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373, S. 21 und S. 50.

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Nachtrag zum Prospekt

deutsches Recht war das Verhältnis der Nachtragspflicht für Börsenzulassungsprospekte und Verkaufsprospekte umstritten, was auf das Nebeneinander der beiden Aktualisierungsverpflichtungen in § 52 Abs. 2 BörszulV aF und in § 11 VerkprospG aF zurückzuführen war (vgl. § 9 WpPG Rz. 44)1. 9

– In § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG und Art. 16 Abs. 1 Prospektrichtlinie fehlt eine zeitliche Vorgabe für die Erstellung eines Nachtrags. Dies steht in grundsätzlicher Übereinstimmung mit den Vorgängerrichtlinien (siehe oben Rz. 1) und § 52 Abs. 2 BörsZulV aF. Nach § 11 VerkProspG aF war der Nachtrag allerdings „unverzüglich“ zu erstellen. Das nachträgliche Einfügen einer Frist wurde im Gesetzgebungsverfahren damit begründet, dass die Veröffentlichung eines Nachtrags am Ende des Angebotszeitraums eine Irreführung der Anleger zur Folge haben könne, wenn diese erst nach dem Erwerb der Wertpapiere über die neu eingetretenen Umstände informiert werden2. Diese Überlegungen sind jedoch nicht ohne weiteres auf § 16 WpPG übertragbar, da über das Widerrufsrecht des Anlegers ein zusätzlicher Schutzmechanismus für den Anleger besteht (siehe dazu näher unten Rz. 77).

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– Wie bereits ausgeführt (siehe oben Rz. 1), ist neu in § 16 WpPG auch das durch den Nachtrag ausgelöste Widerrufsrecht des Anlegers aufgenommen worden. Anleger, die ihre Zeichnungserklärung oder eine andere auf den Erwerb der Wertpapiere gerichtete Willenserklärung vor der Veröffentlichung des Nachtrags abgegeben haben, können gemäß § 16 Abs. 3 WpPG ihre Erklärung innerhalb einer bestimmten Frist widerrufen. Abweichend von Art. 16 Abs. 2 Prospektrichtlinie ist in § 16 Abs. 3 Satz 1 WpPG das Widerrufsrecht aber zurückgehend auf einen Vorschlag des Finanzausschusses3 durch die Erfüllung des Rechtsgeschäfts beschränkt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in der Praxis gerade derivative Wertpapiere fortlaufend angeboten werden (siehe dazu auch § 9 WpPG Rz. 10) und damit anders als bei einer Zeichnungsphase, wie dies typischerweise bei Aktienemissionen der Fall ist, eine Abstandnahme vom Angebot bzw. der Zeichnung nicht ohne Weiteres möglich ist4. Für diese Fälle wird das Widerrufsrecht somit erheblich eingeschränkt (zu weiteren Einschränkungen siehe unten Rz. 108 ff.). 2. Bedeutung und Systematik der Vorschrift

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Nach Erwägungsgrund Nr. 34 Prospektrichtlinie soll jeder neue Umstand, der die Anlageentscheidung beeinflussen könnte und der nach der Veröffentlichung des Prospekts, aber vor dem Schluss des öffentlichen Ange1 Zur alten Rechtslage instruktiv Heidelbach in Schwark, §§ 44, 55 BörsG Rz. 28 f. 2 Vgl. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 11 VerkProspG Rz. 32. 3 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373, S. 22 und S. 50. 4 Vgl. dazu auch die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 15/5219, S. 4.

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Nachtrag zum Prospekt

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bots oder Aufnahme des Handels an einem organisierten Markt eintritt, von den Anlegern angemessen bewertet werden können. Ein entsprechender Umstand erfordert deshalb die Billigung und Verbreitung eines Nachtrags zum Prospekt. Nicht berücksichtigt wird in der Formulierung, dass neben neuen Umständen auch von Anfang an bestehende Unrichtigkeiten einen Nachtrag auslösen können. Diese Unschärfe basiert darauf, dass in den entsprechenden Vorschlägen der Kommission die Aktualisierungsverpflichtung zunächst nur auf neue Umstände beschränkt war (siehe oben Rz. 2). Bei der Nachtragspflicht stehen zwar die Interessen der Anleger an der Aktualität und Richtigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben im Vordergrund, es sind aber auch die Interessen der Emittenten zu berücksichtigen. Die Nachtragspflicht nach § 16 WpPG stellt eine wesentliche Veränderung gegenüber der Rechtslage vor der Implementierung der Prospektrichtlinie dar (siehe oben Rz. 4 ff.). Insbesondere die mit der Billigung verbundene zeitliche Verzögerung sowie das Widerrufsrecht des Anlegers können die Emissionsfähigkeit von Emittenten beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund wurde im Zuge der Implementierung der Prospektrichtlinie in deutsches Recht versucht, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Emittenten und dem Anlegerschutz zu finden1.

12

Der deutsche Gesetzgeber ist beim Aufbau der Norm geringfügig von der Prospektrichtlinie abgewichen (siehe oben Rz. 1), wobei sich die in § 16 Abs. 1 WpPG geregelte Pflicht zur Veröffentlichung des Nachtrags an der entsprechenden Verpflichtung in § 11 VerkProspG aF sowie § 52 Abs. 2 BörsZulV aF orientiert2, in der Ausgestaltung der Details aber erhebliche Unterschiede bestehen (siehe oben Rz. 4 ff.).

13

Die in § 16 Abs. 2 WpPG angeordnete Pflicht zur Ergänzung der Zusammenfassung und etwaiger Übersetzungen soll dem Anleger einen erleichterten Zugang zu den im Nachtrag enthaltenen Informationen ermöglichen (siehe dazu näher unten Rz. 102 ff.)3.

14

§ 16 Abs. 3 WpPG enthält entsprechend Art. 16 Abs. 2 Prospektrichtlinie 15 ein Widerrufsrecht des Anlegers. Es greift ein, wenn ein Anleger eine vor der Veröffentlichung des Nachtrags auf den Erwerb oder die Zeichnung der Wertpapiere gerichtete Willenserklärung abgegeben hat. Dabei soll nach der Gesetzesbegründung im Regierungsentwurf4 das Widerrufsrecht in den Fällen, in denen ein Nachtrag ausschließlich wegen des nachträglichen Eintritts eines wichtigen neuen Umstands iS des § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG be-

1 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 15/5219, S. 3. 2 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/4999, S. 36 (Begründung § 16 Abs. 1 WpPG). 3 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/4999, S. 36 (Begründung § 16 Abs. 2 WpPG). 4 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/4999, S. 36 (Begründung § 16 Abs. 3 WpPG).

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Nachtrag zum Prospekt

steht, nur dann eingreifen, wenn die Willenserklärung nach dem Eintritt des nachtragspflichtigen Umstands abgegeben wurde. Denn die neuen Umstände konnten nicht bereits im Prospekt angegeben werden (siehe dazu näher unten Rz. 110). In der Ausgestaltung des Widerrufsrechts hat der deutsche Gesetzgeber in § 16 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 WpPG Ergänzungen gegenüber dem Text der Prospektrichtlinie aufgenommen, insbesondere das Erfordernis der Belehrung über das Widerrufsrecht, die auch einen Hinweis auf die Dauer der Ausübbarkeit enthalten muss (siehe dazu näher unten Rz. 87)1. 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften a) Die Stellung der Nachtragspflicht im WpPG 16

Es bestehen vielfältige Interdependenzen zwischen der Nachtragspflicht und anderen Regelungsbereichen im WpPG. So wird auf § 16 WpPG in folgenden Vorschriften im WpPG verwiesen: § 6 Abs. 2 WpPG (grundsätzliche Anwendbarkeit der Nachtragspflicht auf Basisprospekte), § 6 Abs. 3 WpPG (Verhältnis zwischen endgültigen Bedingungen und Nachtragspflicht), § 9 Abs. 1 WpPG (Gültigkeit und Nachtragspflicht), § 12 Abs. 3 WpPG (Aktualisierung von Emittentenangaben beim dreiteiligen Prospekt), § 15 Abs. 5 und Abs. 6 WpPG (Werbung und Nachtragspflicht), § 17 Abs. 2 WpPG und § 24 Abs. 1 WpPG (grenzüberschreitendes Angebot und Nachtragspflicht) und § 30 Abs. 1 Nr. 9 WpPG (Ordnungswidrigkeit im Fall eines Verstoßes gegen die Nachtragspflicht).

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Von grundsätzlicher Bedeutung ist dabei das Verhältnis der Nachtragspflicht nach § 16 WpPG zur Gültigkeit eines Prospekts nach § 9 WpPG (dazu ausführlich § 9 WpPG Rz. 36 ff.). Nach § 9 Abs. 1 WpPG ist die Gültigkeit eines Prospekts davon abhängig, dass dieser durch nach § 16 WpPG erforderliche Nachträge ergänzt wurde. In beiden Vorschriften geht es darum sicherzustellen, dass keine veralteten Informationen verwendet werden (vgl. oben Rz. 11 und § 9 WpPG Rz. 37). Auch wenn lediglich in § 9 Abs. 1 WpPG auf die Nachtragspflicht verwiesen wird, findet die Nachtragspflicht ebenfalls auf die in § 9 Abs. 2 bis 4 WpPG genannten Fälle sowie in dem Fall der Fortführung eines Angebots unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 5 WpPG Anwendung (vgl. § 9 WpPG Rz. 19 und 82 und unten Rz. 73). Entscheidend ist, dass weder aus § 9 WpPG noch aus § 16 WpPG eine allgemeine Aktualisierungspflicht abzuleiten ist (dazu bereits oben Rz. 3). Es ist daher im Einzelfall nach Maßgabe von § 16 WpPG zu prüfen, ob tatsächlich eine Nachtragspflicht besteht und in welcher Form die Aktualisierung durch einen Nachtrag vorzunehmen ist. Zu den Auswirkungen auf den Zeitpunkt der

1 Nach CESR ist der Hinweis auf das Widerrufsecht inklusive der Dauer für die Ausübung notwendiger Informationsbestandteil eines Prospekts; CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 21 (Q1).

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Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

Erstellung eines Nachtrags siehe unten Rz. 79. Zu den Rechtsfolgen des Unterlassens eines Nachtrags siehe § 9 WpPG Rz. 37 ff. und unten Rz. 149 ff. Gemäß § 6 Abs. 2 WpPG gilt die Nachtragspflicht gemäß § 16 WpPG auch 18 bei Basisprospekten (dazu ausführlich § 6 WpPG Rz. 68 ff. und überblicksartig unten Rz. 142 ff.). Besonderheiten ergeben sich auch bei der Aktualisierung von Angaben in ei- 19 nem dreiteiligen Prospekt. Gemäß § 12 Abs. 3 WpPG sind nämlich die neuen emittentenbezogenen Angaben in die Wertpapierbeschreibung aufzunehmen. Gegenstand einer Kontroverse ist dabei die Frage, ob daneben auch ein Nachtrag zum Registrierungsformular möglich ist, durch den die neuen emittentenbezogenen Informationen unmittelbar in das Registrierungsformular aufgenommen werden. Nach Ansicht von CESR und der BaFin scheidet ein Nachtrag zum Registrierungsformular generell aus (dazu im Einzelnen § 12 WpPG Rz. 34 ff.). Die Erstellung eines Nachtrags kommt beim dreiteiligen Prospekt daher nur in Betracht, wenn die zu aktualisierenden Angaben erst nach der Billigung des Prospekts vorliegen bzw. eintreten. Dazu und zur Abgrenzung zu der Konstellation, in der ein durch Verweis einbezogenes, gesondert hinterlegtes Registrierungsformular für eine Vielzahl von Prospekten verwendet wird, siehe § 12 WpPG Rz. 38 ff. sowie zur Nachtragsfähigkeit eines Registrierungsformulars unten Rz. 52 f. Auch wenn § 16 WpPG in § 8 WpPG nicht erwähnt wird, so ergeben sich doch eine Reihe von Abgrenzungsfragen zwischen diesen beiden Vorschriften, da die Nichtaufnahme von Angaben zum Emissionspreis oder zum Emissionsvolumen nach § 8 Abs. 1 WpPG ebenfalls wichtige neue Umstände nach der Prospektbilligung betrifft. Grundsätzlich gilt dabei, insbesondere bei Aktienemissionen, dass § 8 Abs. 1 WpPG eine Spezialregelung darstellt. Es ist aber im Einzelfall der Anwendungsbereich von § 8 Abs. 1 WpPG zu beachten, so dass gegebenenfalls doch die Nachtragspflicht eingreift (zu Details siehe unten unten Rz. 128 ff.).

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b) Bezüge der Nachtragspflicht zu Vorschriften außerhalb des WpPG Von großer Bedeutung für die Praxis ist das Verhältnis der Nachtragspflicht 21 zur Ad-hoc-Pflicht nach § 15 WpHG. Soweit Wertpapiere der jeweiligen Emittenten zum organisierten Markt zugelassen sind, stellt sich das Problem der Abgrenzung zwischen den beiden Vorschriften. Grundsätzliche Regel dabei ist, dass die beiden Pflichten unterschiedlichen Zielen dienen: Während die Ad-hoc-Pflicht dazu dient, bei bereits an einem organisierten Markt zugelassenen Finanzinstrumenten sowohl für Käufer als auch Verkäufer eine entsprechende Informationsgrundlage für die Anlageentscheidung zu bieten, ist der Nachtrag vor allem aus Primärmarktsicht, dh. für gerade stattfindende oder künftige öffentliche Angebot oder eine künftige Zulassung der Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt, relevant (siehe dazu und zur Problematik der Unterscheidung in der Praxis unten Rz. 40). Das Problem stellt sich zum Beispiel, wenn Aktien einer Gesellschaft bereits börsennotiert sind und eine Kapitalerhöhung mit der Aus-

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Nachtrag zum Prospekt

gabe weiterer Aktien stattfinden soll (zum Verhältnis der Ad-hoc-Pflicht zur Nachtragspflicht bei Aktienemittenten ausführlich unten Rz. 132 ff.). Das Thema ist aber gleichermaßen bei Schuldverschreibungen von Relevanz. 22

Für Verkaufsprospekte für Vermögensanlagen existiert eine eigenständige Nachtragspflicht in § 11 VerkProspG (siehe zum Regelungsgehalt von § 11 VerkProspG dort Rz. 2 ff.). Von der Ausgestaltung der Nachtragspflicht bestehen allerdings grundlegende Unterschiede, da die Regelung in § 11 VerkProspG für Verkaufsprospekte für Vermögensanlagen weitgehend der vor der Implementierung der Prospektrichtlinie geltenden Regelung für Verkaufsprospekte für Wertpapiere in § 11 VerkProspG aF entspricht und dementsprechend die oben getroffenen Ausführungen zur unterschiedlichen Ausgestaltung (siehe oben Rz. 4 ff.) übertragbar sind.

23

Abzugrenzen ist die Nachtragspflicht auch von der in § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG vorgesehenen Berichtigungsmöglichkeit (siehe auch § 13 VerkProspG Rz. 70)1. Nach § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG ist die Prospekthaftung ausgeschlossen, sofern vor Abschluss des Erwerbsgeschäfts eine deutlich gestaltete Berichtigung der unrichtigen oder unvollständig gestalteten Angaben im Inland veröffentlicht wurde. In der Zielrichtung, nämlich dem Ausschluss der Haftung, sind sich somit die Berichtigungsmöglichkeit nach § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG und die Nachtragspflicht nach § 16 WpPG ähnlich2. Ansonsten bestehen aber grundlegende Unterschiede: Die Berichtigung nach § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG unterliegt im Gegensatz zu Nachträgen gemäß § 16 WpPG keiner behördlichen Billigung3 und lässt für den Anleger kein Widerrufsrecht entstehen. Gerade die potentielle Umgehung des Widerrufsrechts wiegt schwer und es bleibt abzuwarten, ob die BaFin in einem solchen Fall gegebenenfalls ein künftiges öffentliches Angebot mangels Vorliegens eines gültigen Prospekts untersagen würde (zu den Rechtsfolgen des Unterlassens eines Nachtrags siehe unten Rz. 149 ff. sowie Rz. 160 ff.). Zudem ist bei grenzüberschreitenden Angeboten zu beachten, dass nur ein Nachtrag die Möglichkeit bietet, die entsprechende Information im Rahmen des Notifzierungsverfahrens auch in den anderen Mitgliedstaaten zum Bestandteil des Prospekts zu machen. Dementsprechend hat in der Praxis die Berichtigungsmöglichkeit gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG nur eine eingeschränkte Bedeutung (vgl. aber unten Rz. 78 und zur Qualifizierung des Nachtrags als Berichtigung iS des § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG unten Rz. 157). 4. Weitere Konkretisierungen zur Nachtragspflicht, Rechtsentwicklungen

24

Auch wenn in Art. 16 Prospektrichtlinie keine Ermächtigung für Durchführungsmaßnahmen enthalten ist, sind in einzelnen Bestimmungen der Pro1 Zur Abgrenzung zur Berichtigungspflicht siehe Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 65. 2 So auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 45 ff. 3 Schwark in Schwark, §§ 44, 45 BörsG Rz. 57; offen gelassen von Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 66.

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§ 16 WpPG

spektVO Konkretisierungen zur Ausgestaltung der Nachtragspflicht enthalten. So ist im Hinblick auf die Nachtragspflicht von Basisprospekten in Art. 22 Abs. 7 ProspektVO die Geltungsdauer der Nachtragspflicht konkretisiert (vgl. § 6 WpPG Rz. 68) sowie im Hinblick auf das Formerfordernis bei einem Nachtrag auf eine Zusammenfassung in Art. 25 Abs. 5 bzw. Art. 26 Abs. 7 ProspektVO eine Regelung enthalten (vgl. auch § 6 WpPG Rz. 84 und zu den Konsequenzen für die Präsentation eines Nachtrags unten Rz. 81 ff.). Hinweise zur Auslegung der Bestimmungen zur Nachtragspflicht werden 25 auch durch CESR gegeben. CESR hat im Rahmen der „Frequently Asked Questions“ zu einer Reihe von Fragen zur Anwendung von Art. 16 Prospektrichtlinie Stellung bezogen: Dazu zählen ua. die Fragen der Auslösung der Nachtragspflicht bei Zwischenfinanzinformationen (siehe auch unten Rz. 47)1, des Erfordernisses des Hinweises auf das Widerrufsrecht (dazu oben Rz. 15)2 oder der Abgrenzung zwischen endgültigen Bedingungen und der Nachtragspflicht (dazu § 6 WpPG Rz. 82 und unten Rz. 54)3. Wie schon bei der Einführung der Prospektrichtlinie so werden auch im Zuge der Debatte um die Reform der Prospektrichtlinie eine Reihe von Änderungsvorschlägen unterbreitet. Die Expertengruppe „Europäische Wertpapiermärkte“ (European Securities Markets Experts – ESME) hat in ihrem im September 2007 veröffentlichten Bericht4 eine Reihe von Unklarheiten im Hinblick auf das in Art. 16 Prospektrichtlinie geregelte Nachtragsregime identifiziert. Zur Lösung hat ESME ua. vorgeschlagen, das Widerrufsrecht zu begrenzen, da das Widerrufsrecht mit einer Put-Option vegleichbar sei und dies die Emittenten unangemessen benachteilige.

26

Die Europäische Kommission5 hatte in ihrem im September 2009 veröffent- 27 lichten Vorschlag zur Änderung der Prospektrichtlinie eine Neufassung von Art. 16 Prospektrichtlinie vorgeschlagen. Wesentliche Änderung sollte danach sein, dass die Beziehung zwischen dem Schluss des öffentlichen Angebots und der Eröffnung des Handels geklärt werden sollte, wobei – ähnlich der Interpretation von § 16 Abs. 1 WpPG (zur Debatte bei der deutschen Implementierung siehe oben Rz. 8) – grundsätzlich das frühere der beiden Ereignisse maßgeblich sein sollte (vgl. unten Rz. 72). Weiterhin sollte nach dem Willen der Kommission der Zeitraum für das Widerrufsrechts für alle Mitgliedstaaten einheitlich auf zwei Tage festgesetzt werden, wobei durch

1 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 19. 2 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 21. 3 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 57. 4 ESME, Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published or admitted to trading, S. 21 f., abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/ securities / docesme / 05092007_ report_en.pdf. 5 Vgl. KOM(2009) 491 endgültig v. 23.9.2009.

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Nachtrag zum Prospekt

Emittenten bzw. Prospektverantwortliche im Einzelfall ein längerer Zeitraum eingeräumt werden können sollte (vgl. unten Rz. 114). In dem Kompromissvorschlag v. 28.5.20101 sind diese Punkte nur zum Teil berücksichtig: Für das Ende des nachtragsrelevanten Zeitraums soll nunmehr auf das spätere der beiden Ereignisse abgestellt werden, was eine erhebliche Ausdehnung des nachtragsrelevanten Zeitraums bedeuten kann. Im Gegenzug dazu soll das Widerrufsrecht des Anlegers auf die Fälle beschränkt werden, in denen der neue Umstand oder die Unrichtigkeit vor dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots und der Lieferung der Wertpapiere eingetreten ist (vgl. unten Rz. 117). Zudem soll Art. 16 Abs. 2 Prospektrichtlinie dahingehend ergänzt werden, dass der letzte Tag, an dem das Widerrufsrecht ausgeübt werden kann, in dem Nachtrag genannt werden muss (vgl. unten Rz. 87).

II. Nachtragspflicht (§ 16 Abs. 1 WpPG) (Seitz) 1. Sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich der Nachtragspflicht (§ 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG) 28

Der sachliche Anwendungsbereich der Nachtragspflicht wird gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG auf zweifache Art und Weise eingeschränkt: – Es lösen nur bestimmte Umstände oder Unrichtigkeiten die Nachtragsschwelle aus. In diesem Zusammenhang wird auch von dem „Anlass der Nachtragspflicht“ gesprochen (siehe unten Rz. 30 ff.)2. – Daneben muss auch ein Bezug zu den im Prospekt enthaltenen Angaben bestehen, dh. der Gegenstand eines Nachtrags ist auf die im Prospekt enthaltenen Angaben beschränkt und muss somit „nachtragsfähig“ sein (siehe unten Rz. 51 ff.).

29

Davon zu unterscheiden ist der zeitliche Anwendungsbereich der Nachtragspflicht. § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG enthält sowohl für den Beginn als auch für das Ende Vorgaben, so dass der nachtragsrelevante Zeitraum im Einzelfall zu bestimmen ist (siehe unten Rz. 62 ff.). a) Anlass der Nachtragspflicht

30

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG können jeder wichtige neue Umstand oder jede wesentliche Unrichtigkeit, welche die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen könnten, Anlass der Nachtragspflicht sein. aa) Umstand oder Unrichtigkeit

31

Im Rahmen des § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG ist zwischen der Aktualisierungspflicht im engeren Sinne und der Berichtigungspflicht zu unterscheiden. Die Aktualisierungspflicht im engeren Sinne hat die Aktualisierung des In-

1 Vgl. Ratsdokument 10254/10 v. 28.5.2010. 2 So ua. Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 23.

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halts des Prospekts um nach der Billigung des Prospekts neu hinzugetretene Umstände zum Gegenstand, während sich die Berichtigungspflicht auf die Berichtigung von Angaben im Prospekt bezieht, die bereits im Zeitpunkt der Billigung des Prospekts (unerkannt) unrichtig oder unvollständig waren (zur Differenzierung zwischen der Aktualisierungs- und Berichtigungspflicht im Richtlinien-Gesetzgebungsverfahren vgl. bereits oben Rz. 2 und zur Abweichung gegenüber der Rechtslage vor Inkrafttreten des WpPG oben Rz. 6). Im Hinblick darauf, dass im WpPG und in der Prospektrichtlinie an anderen Stellen nicht strikt zwischen den beiden Tatbeständen unterschieden wird und letztlich auch in der Praxis die Differenzierung keine weitere Bedeutung hat, kann im Fall der Ergänzung des Prospekts durch einen Nachtrag gemäß § 16 WpPG (vgl. die Formulierung in § 6 Abs. 2 WpPG oder § 9 Abs. 1 WpPG) allgemein von der Aktualisierung gesprochen werden, und dementsprechend ist zwischen der Aktualisierungspflicht im engeren Sinne und der Berichtigungspflicht als Unterfälle der Aktualisierung zu differenzieren. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Aktualisierungs- 32 pflicht iS des § 16 WpPG von einer allgemeinen Aktualisierungspflicht abzugrenzen ist (siehe oben Rz. 3). bb) Wichtigkeit des neuen Umstands bzw. Wesentlichkeit der Unrichtigkeit Die Nachtragspflicht wird jedoch gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG nur aus- 33 gelöst, sofern der Umstand wichtig oder die Unrichtigkeit wesentlich ist. Dies heißt aber nicht, dass nicht wichtige Umstände oder nicht wesentliche Unrichtigkeiten in einem Nachtrag nicht auch (mit-)geändert werden können (siehe dazu unten Rz. 50). Ob ein neuer Umstand „wichtig“ oder eine Unrichtigkeit „wesentlich“ ist, 34 bestimmt sich anhand des Maßstabs des § 5 Abs. 1 Satz 1 WpPG1. Dementsprechend sind sämtliche Angaben als „wichtig“ bzw. „wesentlich“ anzusehen, die im Hinblick auf den Emittenten und die öffentlich angebotenen oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Wertpapiere notwendig sind, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste, die Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers sowie über die mit diesen Wertpapieren verbundenen Rechte zu ermöglichen (zur Verankerung der Wesentlichkeitsschwelle in § 5 Abs. 1 WpPG siehe auch § 5 WpPG Rz. 16). Der Differenzierung zwischen der Wichtigkeit bei einem neuen Umstand und der Wesentlichkeit bei einer Unrichtigkeit kommt keine eigenständige Bedeutung zu, da es in beiden Fällen darauf an-

1 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/4999, S. 36 (Begründung § 16 Abs. 1 WpPG); vgl. auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 25; Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 Rz. 2; Hamann in Schäfer/Hamann, § 16 WpPG Rz. 4; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (320); Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (85).

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kommt, dass die entsprechende Information die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen kann. cc) Relevanz für die Beurteilung der Wertpapiere 35

Sowohl die Aktualisierungspflicht im engeren Sinne als auch die Berichtigungspflicht wird nach § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG nur dann ausgelöst, wenn die neuen Umstände oder die Unrichtigkeiten die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen können. Maßgeblich für die Beurteilung ist der verobjektivierte Maßstab eines verständigen Anlegers1. Wenn demnach die neuen Umstände oder die Unrichtigkeiten objektiv geeignet sind, den Anleger zu einer anderen oder modifizierten Anlageentscheidung zu veranlassen2, ist von der Relevanz für die Beurteilung der Wertpapiere auszugehen.

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Nicht jeder neue Umstand oder jede Unrichtigkeit ist für die Beurteilung der Wertpapiere relevant. Wie bereits oben ausgeführt, sind nur wichtige neue Umstände oder wesentliche Unrichtigkeiten geeignet, die Nachtragspflicht auszulösen. Während in den Vorgängervorschriften nach § 11 VerkProspkG aF und nach § 52 Abs. 2 BörsZulV aF bestimmt war, dass die die Nachtragspflicht auslösenden Umstände „für die Beurteilung … von wesentlicher Bedeutung“ sein müssen, ist unter § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG die Wesentlichkeit bzw. Wichtigkeit auf die Unrichtigkeit bzw. den neuen Umstand bezogen. Im Ergebnis macht dies aber keinen Unterschied, sondern dürfte vor allem auf die gegenüber der englischen Fassung abweichende Übersetzung in der deutschen Fassung der Emissionsprospektrichtlinie einerseits bzw. der deutschen Fassung der Prospektrichtlinie andererseits zurückzuführen sein3. Entscheidend ist letztlich aber, dass nicht jede Änderung bezüglich der Detailangaben in einem Wertpapierprospekt die Nachtragspflicht auslöst4. Eine ähnliche Fragestellung stellt sich im Übrigen bei der Aktualisierung eines gesondert hinterlegten Registrierungsformulars mittels einer Wertpapierbeschreibung gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 WpPG, wo ebenfalls erst beim Überschreiten einer gewissen Schwelle die Aktualisierungsverpflichtung eingreift (dazu § 12 WpPG Rz. 39).

1 So bereits zu § 11 VerkProspG aF BAWe-Bekanntmachung v. 6.9.1999, BGBl. I 1999, S. 16180 (unter Ziffer X.1) sowie Lenz/Ritz, WM 2000, 904 (908); zur Auslegung von § 16 WpPG siehe Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 26; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (320); Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 3 und Hamann in Schäfer/Hamann, § 16 WpPG Rz. 4. Ähnlich im Zusammenhang mit dem Begriff der „Insiderinformation“ nach § 13 WpHG Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 58. 2 Vgl. BAWe-Bekanntmachung v. 6.9.1999, BGBl. I 1999, S. 16180 (unter Ziffer X.1). 3 So auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 30. 4 Vgl. auch Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (320), die insofern von einer „Bagatellgrenze“ sprechen.

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Bezüglich der Entscheidung über die Relevanz für die Beurteilung der Wertpapiere räumt die BaFin Emittenten ein Ermessen ein1. Dies ist auch im Zusammenhang damit zu sehen, dass Verstöße gegen die Nachtragspflicht an sich – anders lediglich bei der Nichtveröffentlichtung eines Nachtrags (siehe unten Rz. 154) – nicht bußgeldbewehrt sind. Korrektiv ist aber jedenfalls die Prospekthaftung im Fall einer Fehleinschätzung.

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Grundsätzlich muss jeder Sachverhalt einzeln bewertet werden. In der Pra- 38 xis gibt es aber häufig Situationen, in denen eine Vielzahl von Faktoren zusammentreffen, zB in einer Krisensituation des Emittenten. In diesem Fall werden in der Praxis regelmäßig, ohne im Einzelfall zu differenzieren, alle Änderungen in einen einheitlichen Nachtrag aufgenommen (zum Zusammenhang mit der Präsentationsweise des Nachtrags siehe unten Rz. 81 ff.). Dies entspricht der Überlegung, dass in einen Nachtrag auch Änderungen aufgenommen werden können, die (für sich genommen) unter der Nachtragsschwelle liegen. Aufgrund der Tatsache, dass die Aufnahme von Informationen in einen Nachtrag eine Ermessensentscheidung des Emittenten ist, ist dies konsequent. Aus der Formulierung in § 16 Abs. 1 WpPG lässt sich schließlich nicht folgern, dass ein Nachtrag nur auf wichtige Umstände bzw. wesentliche Unrichtigkeiten beschränkt ist, sondern es ist nur geregelt, dass in diesen Fällen eine Nachtragspflicht besteht. Konsequenterweise kann aus der Aktualisierung einer Angabe in einem Prospekt mittels eines Nachtrags nicht der Schluss gezogen werden, dass jede Änderung die Nachtragsschwelle überschreitet. Ob ein wichtiger neuer Umstand oder eine wesentliche Unrichtigkeit für 39 die Beurteilung der Wertpapiere relevant ist, hängt von der Art der Wertpapiere ab. Während für die Bewertung einer Aktie vor allem die unternehmerischen Entscheidungen des Emittenten relevant sind, hängt die Bewertung von Schuldverschreibungen von der Fähigkeit des Emittenten ab, die fälligen Zahlungen entsprechend der Bedingungen für die Schuldverschreibungen leisten zu können2. Für Aktien sind damit regelmäßig mehr Umstände oder Unrichtigkeiten nachtragsrelevant. Auswirkungen hat dies zB für die Beurteilung der Nachtragspflicht im Fall der Veröffentlichung von Gewinnprognosen (siehe unten Rz. 49). Zu den Besonderheiten bei Zwischenfinanzinformationen siehe unten Rz. 46 f. Die Nachtragspflicht gemäß § 16 Abs. 1 WpPG besteht grundsätzlich unab- 40 hängig davon, ob die Umstände oder Unrichtigkeiten positiv oder negativ sind (anders im Hinblick auf das Widerrufsrecht des Anlegers gemäß § 16 Abs. 2 WpPG, dazu unten Rz. 111)3. Im Gegensatz zur Ad-hoc-Pflicht ist der Nachtrag zwar in erster Linie aus Primärmarktsicht, dh. für gerade statt-

1 Vgl. auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 34. 2 Vgl. Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (320) und Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/ Zeising, § 16 WpPG Rz. 29; so bereits BAWe-Bekanntmachung v. 6.9.1999, BGBl. I 1999, S. 16180 (unter Ziffer X.1). 3 So auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 32.

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findende oder künftige öffentliche Angebote bzw. eine künftige Zulassung der Wertpapiere an einem organisierten Markt relevant (siehe dazu oben Rz. 21), also vor allem für Situationen, in denen Anleger die Wertpapiere erwerben. Dementsprechend sind vor allem negative Umstände für den Anleger von Interesse, die ihn eventuell von einem Kauf der Wertpapiere abhalten würden. In der Praxis kann die Primärmarktsichtweise kaum strikt von der Sekundärmarktsichtweise getrennt werden, da regelmäßig die Wertpapiere weiterveräußert werden und in diesem Fall sich positive Informationen auf eine Verkaufsentscheidung auswirken können. In Zusammenhang mit der Überarbeitung der Prospektrichtlinie (siehe oben Rz. 27) wurde gefordert, die Nachtragspflicht auf Umstände oder Unrichtigkeiten zu begrenzen, welche sich nachteilig auf die Bewertung der Wertpapiere auswirken1. Im Kompromissvorschlag v. 28.5.2010 wurde dies nicht berücksichtigt2. 41

In einen Nachtrag können auch künftige Umstände aufgenommen werden, zB anstehende Beschlüsse einer Hauptversammlung zu einem Squeeze-outVerfahren oder Angaben zu einem Gerichtsverfahren mit noch unbekanntem Ausgang. Ein erneuter Nachtrag bei Eintritt der Umstände in der Zukunft ist allerdings nur dann nicht erforderlich, wenn die Umstände in der für die Beurteilung durch den Anleger erforderlichen Konkretheit beschrieben wurden und die Umstände auch tatsächlich so eintreten, wie im ursprünglichen Nachtrag angelegt3. In den genannten Beispielen würde zB der Squeeze-out-Beschluss durch die Hauptversammlung nicht zwingend einen erneuten Nachtrag erfordern, wenn bereits die Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Aktionärsstruktur und der Antrag des Mehrheitsaktionärs für eine bereits terminierte Hauptversammlung im ursprünglichen Nachtrag (oder gegebenenfalls schon im Prospekt) erwähnt sind; es ist aber die (erneute) Nachtragspflicht im Einzelfall zu prüfen, wenn Aktionäre Klagen einreichen und dies gegebenenfalls die Eintragung des Squeeze-outs im Handelsregister durch das zuständige Gericht verzögert. Gleiches gilt im Fall von Gerichtsverfahren: Soweit im Prospekt oder in einem vorangegangenen Nachtrag bereits angelegt ist, dass eine bestimmte Entscheidung des Gerichts wahrscheinlich ist, muss der tatsächliche Ausgang des Gerichtsverfahrens nicht zwingend einen Nachtrag auslösen. Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn sich die streitige Summe erhöht oder das Gericht anders entscheidet als erwartet. Von der Frage, inwiefern durch die Abbildung von künftigen Umständen ein Nachtrag in der Zukunft vermieden werden kann, ist die Frage zu unterscheiden, ab welchem Zeitpunkt eine Information so konkret ist, dass sie die Nachtragspflicht auslöst (dazu unten Rz. 80).

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Auch das Wegfallen von Tatsachen kann einen wichtigen neuen Umstand darstellen, wenn die weggefallenen Tatsachen für die Beurteilung der Wertpapiere von wesentlicher Bedeutung sind; dies gilt etwa für das Wegfallen 1 ZKA, Stellungnahme v. 10.3.2009 in Zusammenhang mit der Konsultation der Europäischen Kommission zur Prospektrichtlinie (englische Fassung S. 5). 2 Ratsdokument 10254/10 v. 28.5.2010. 3 Ausführlich dazu Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 35.

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einer Sicherungsmöglichkeit1 oder die Kündigung eines im Prospekt beschriebenen wesentlichen Vertrages2. dd) Nachtragspflicht bei periodischen Finanzinformationen Ein zentrales Thema ist in der Praxis, inwiefern im Rahmen der Regelpubli- 43 zität, dh. im Fall von periodischen Finanzinformationen wie Jahres- oder Halbjahresabschlüssen, eine Nachtragspflicht ausgelöst wird. Nach der Umsetzung der Transparenzrichtlinie enthält Abschnitt 11 Unterabschnitt 2 des Wertpapierhandelsgesetzes die Verpflichtung für Inlandsemittenten, Jahresfinanzberichte (§ 37v WpHG), Halbjahresfinanzberichte (§ 37w WpHG) sowie im Fall der Begebung von Aktien Zwischenmitteilungen (§ 37x WpHG) bzw. Quartalsfinanzberichte (§ 37x Abs. 3 WpHG) zu erstellen. Im Rahmen des § 16 WpPG besteht keine allgemeingültige Regel für die Be- 44 handlung von periodischen Finanzinformationen, sondern es ist im Einzelfall zu prüfen, ob die jeweiligen Abschlüsse Informationen enthalten, die für sich genommen oder in der Zusammenschau einen neuen Umstand bilden, der für die Beurteilung der Wertpapiere wichtig ist3. Dabei kommt es maßgeblich auf die Zusammenschau mit den im Prospekt bereits enthaltenen Finanzinformationen an. Nur wenn sich im Einzelfall wesentliche Veränderungen im Hinblick auf die im Prospekt bereits enthaltenen Informationen ergeben, wird die Nachtragspflicht ausgelöst4. Etwas Gegenteiliges kann auch nicht aus § 10 WpPG abgeleitet werden. 45 Dementsprechend kann aus dem Umstand, dass gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 WpPG die periodischen Finanzinformationen in das jährliche Dokument aufgenommen werden müssen, nicht gefolgert werden, dass bei periodischen Finanzinformationen ein Nachtrag grundsätzlich entbehrlich ist5. So verkennt die gegenteilige Auffassung6, dass der Aufnahme von Informationen in das jährliche Dokument eine andere Bedeutung zukommt als der Nachtragspflicht. Während das jährliche Dokument von Emittenten zu erstellen ist, deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt bereits zugelassenen sind, geht es bei der Nachtragspflicht darum, Anlegern – unabhängig davon ob eine Zulassung am organisierten Markt oder ein öffentliches Angebot stattfindet – eine zutreffende Informationsgrundlage für eine künftige Anlageentscheidung zur Verfügung zu stellen (siehe oben Rz. 11). Wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, dass für die jeweils aktuellen periodischen Finanzinformationen, die nach der Billigung eines Prospekts

1 So bereits zu § 11 VerkProspG BAWe-Bekanntmachung v. 6.9.1999, BGBl. I 1999, S. 16180 (unter Ziffer X.1). 2 Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 4. 3 So auch CESR im Hinblick auf Zwischenfinanzinformationen; CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 19. 4 Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (320). 5 So wie hier auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 38. 6 In diese Richtung gehend Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (320).

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Nachtrag zum Prospekt

veröffentlicht werden, generell ein Nachtrag entbehrlich ist, hätte er dies explizit regeln müssen. Eine derartige Regelung ist jedenfalls dem § 10 Abs. 1 WpPG nicht zu entnehmen1. 46

Auch für die Beurteilung der Nachtragspflicht bei periodischen Finanzinformationen kommt es auf die Art des Wertpapiers an (siehe dazu bereits oben Rz. 39)2. Während bei Aktien oder Genussscheinen zB auch schon eine geringfügige Veränderung der Gewinnsituation relevant sein kann, da dies Auswirkungen auf Dividendenzahlungen bzw. Zinszahlungen hat, ist dies bei Schuldverschreibungen nicht zwingend der Fall. Bei Schuldverschreibungen ist vielmehr entscheidend, ob die Solvenz des Emittenten beeinträchtigt wird. Daher können bei Schuldverschreibungen zB Veränderungen des Eigenkapitals oder Wertberichtigungen auf Vermögenswerte zu berücksichtigen sein3.

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In der Anwendungspraxis führt das Thema „periodische Finanzinformationen“ regelmäßig zu Diskussionen, insbesondere wenn bei einer Emission nicht nur der Emittent, sondern weitere Banken beteiligt sind. Die von CESR empfohlene Regel, dass bei Zwischenfinanzinformationen im Zweifel ein Nachtrag erstellt werden sollte4, ist in diesem Zusammenhang wenig hilfreich. Vielmehr ist im Einzelfall zu entscheiden, ob ein Nachtrag erforderlich ist oder nicht5. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob die jeweiligen Finanzinformationen geprüfte Zahlen beinhalten oder nicht. In der Regel enthält lediglich der Jahresabschluss geprüfte Zahlen (vgl. § 37v Abs. 2 Nr. 1 WpHG). Zwischenfinanzinformationen müssen dagegen nach den entsprechenden Bestimmungen des WpHG nicht von Abschlussprüfern geprüft werden. Dies ist von Bedeutung für die nach der ProspektVO geforderte Aussage zu Trendinformationen des Emittenten. Diese Aussage ist grundsätzlich auf den Zeitraum seit dem Stichtag des letzten geprüften Jahresabschlusses bezogen (vgl. zB Ziffer 8.1 Anhang IV ProspektVO). Des Weiteren gilt im Hinblick auf Veränderungen der Finanzlage oder der Handelsposition des Emittenten, dass eine Aussage zu entsprechenden Veränderungen seit dem Stichtag des letzten Abschlusses in den Prospekt aufzunehmen ist (vgl. zB Ziffer 13.7 Anhang IV ProspektVO). Im Gegensatz zu der Aussage zu Trendinformationen kommt es hier nicht zwingend auf einen geprüften Abschluss an, sondern es genügen auch (ungeprüfte) Zwischen1 Zur Debatte über die Streichung des § 10 WpPG im Zuge des Verfahrens zur Überarbeitung der Prospektrichtlinie siehe die Stellungnahme des Deutschen Derivate Verbands e.V., S. 17; die Stellungnahme ist abrufbar auf der Webseite des Deutschen Derivate Verbands e.V., http://www.deutscher-derivate-verband.de, unter der Rubrik Wissen . Gesetzgebung . Stellungnahmen. 2 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 19. 3 Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (320). 4 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 19. 5 Zurückhaltend zur Nachtragspflicht bei Zwischenberichten auch Müller/Oulds, WM 2007, 573 (576).

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finanzinformationen (vgl. dazu Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 65). Um das Risiko einer Haftung zu minimieren, dringen gerade bei internationalen Anleiheemissionen, bei denen weitere Banken (so genannte Dealer) an der Platzierung der Schuldverschreibungen beteiligt sind, die Beteiligten darauf, den durch die Trendinformationen bzw. durch die Aussage zu Veränderungen in der Finanzlage oder Handelsposition abgedeckten Zeitraum möglichst gering zu halten. Ein bisher im Prospekt noch nicht enthaltener Jahresabschluss mit geprüften Zahlen wird in diesem Fall regelmäßig aufzunehmen sein und im Fall von Zwischenfinanzinformationen kann es sein, dass die beteiligten Banken ebenfalls auf eine Aufnahme und gegebenfalls sogar auf eine Prüfung drängen. ee) Weitere Einzelfälle Vor allem bei Aktienemissionen stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der Nachtragspflicht zur Nichtaufnahme von Angaben zum Emissionspreis oder zum Emissionsvolumen nach § 8 Abs. 1 WpPG. § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WpPG beinhaltet die Voraussetzungen, unter denen Angaben im Prospekt zum Emissionspreis oder zum Emissionsvolumen unterbleiben können bzw. unter denen durch eine Veröffentlichung der endgültigen Angaben den prospektrechtlichen Anforderungen Genüge getan wird. Grundsätzlich ist dies vom Nachtragsverfahren zu unterscheiden, bei dem neue Umstände oder Unrichtigkeit unmittelbar in den Prospekt integriert werden. In der Praxis ergeben sich hier eine Reihe von Abgrenzungsproblemen, insbesondere bei der Angabe von Preisspannen im Prospekt (siehe dazu im Einzelnen unten Rz. 128), der Angabe eines Höchstpreises im Prospekt und anschließender Bezugspreisfeststellung (dazu unten Rz. 129) oder im Fall einer fehlenden Angabe zum Emissionspreis (siehe unten unten Rz. 130). Zu der ähnlich gelagerten Problematik bei endgültigen Bedingungen zu Basisprospekten für Nichtdividendenwerte siehe § 6 WpPG Rz. 99 ff.

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Im Falle, dass bei einem laufenden öffentlichen Angebot eine Gewinnprog- 49 nose veröffentlicht wird, die in der Form noch nicht im Prospekt enthalten war, ist nach CESR danach zu differenzieren, ob es sich bei den angebotenen Wertpapieren um Aktien oder Nichtdividendenwerte handelt; während bei Aktien nach Ansicht von CESR die Vermutung besteht, dass dies ein wesentlicher neuer Umstand ist (kritisch dazu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 118), der für die Beurteilung der Wertpapiere relevant ist, ist dies bei Nichtdividendenwerten nicht der Fall1. Rechtschreibfehler, Rechenfehler oder offensichtliche Unrichtigkeiten lösen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG grundsätzlich keine Nachtragspflicht aus, da sie in der Regel für die Beurteilung der Wertpapiere nicht maßgeblich sind. Es ist aber auch nicht möglich, diese Fehler außerhalb des Nachtragsverfahrens zu korrigieren, da der Prospekt in der gebilligten Fassung zu

1 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 20.

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veröffentlichen ist (vgl. § 13 Abs. 4 WpPG)1. Dies heißt jedoch nicht, dass der Emittent diese unwesentlichen Unrichtigkeiten nicht im Zuge eines aufgrund einer wesentlichen Unrichtigkeit oder eines neuen Umstands erforderlichen Nachtrags ändern könnte (vgl. zum Ermessen des Emittenten oben Rz. 37). b) Nachtragsfähigkeit 51

Die neuen Umstände bzw. die Unrichtigkeiten müssen auch nachtragsfähig sein. Das ist dann der Fall, wenn die Aktualisierungen auf die im Prospekt enthaltenen Angaben bezogen sind. Nach dem Wortlaut von § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG gilt dies ohne weiteres im Fall von Unrichtigkeiten. Die Einschränkung auf den Prospekt als Bezugsobjekt eines Nachtrags ist aber auch im Fall von neuen Umständen relevant. Um nachtragsfähig zu sein, muss sich die Aktualiserung somit auf eine Angabe beziehen, die sich entweder im Prospekt iS des § 5 WpPG oder im Basisprospekt iS des § 6 WpPG befindet. aa) Nachtragsfähigkeit des Registrierungsformulars

52

Aus der Bezugnahme in § 16 WpPG auf den „Prospekt“ wird insbesondere abgeleitet, dass sich ein Nachtrag nicht auf ein Registrierungsformular beziehen kann (vgl. dazu bereits § 12 WpPG Rz. 36)2. Dies solle auch dann gelten, wenn das gesondert hinterlegte Registrierungsformular durch Verweis in einen Prospekt oder Basisprospekt einbezogen wurde (zur Einbeziehung eines Registrierungsformulars durch Verweis siehe ausführlich § 6 WpPG Rz. 36). Diese Argumentation ist jedoch nicht zwingend. Wenn in § 16 WpPG der Begriff „Prospekt“ verwendet wird, dann sind damit alle Bestandteile eines Prospekts umfasst, inklusive der durch Verweis gemäß § 11 WpPG einbezogenen Dokumente3. Die Verwendung des Begriffes „Prospekt“ lässt daher nicht zwingend einen Rückschluss darauf zu, in welcher Weise der Prospekt – durch einen Nachtrag auf den Prospekt in seiner Gesamtheit oder durch einen Nachtrag auf einzelne Teile – aktualisiert wird. Auch das von der BaFin vorgebrachte Argument, dass im Fall eines Nachtrags nur auf das Registrierungsformular die Gefahr der Umgehung des Widerrufsrechts nach § 16 Abs. 3 WpPG bestehe, ist nicht zwingend4. Im Zuge der Veröffentlichung des Registrierungsformulars könnte auf noch laufende Angebote und die zugehörigen Prospekte hingewiesen werden. Zudem ist für den Anleger aus dem jeweiligen Prospekt ersichtlich, welches Registrierungsformular für die von ihm erworbenen Wertpapiere zur Anwendung kam, so dass das Widerrufsrecht auch in diesem Fall ausgelöst werden kann. 1 Vgl. auch Rauch in Holzborn, § 16 WpPG Rz. 11. 2 Dies ablehnend mit einer ausführlichen Argumentation Friedl/Ritz in Just/Voß/ Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 18 ff. 3 Zur Bedeutung der Einbeziehung durch Verweis siehe auch Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/4999, S. 34 (Begründung zu § 11 Abs. 1 WpPG). 4 Kritisch gegenüber dem Argument der Umgehung des Widerrufsrechts auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 20.

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Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

Gegen die Nachtragsfähigkeit eines Registrierungsformulars spricht indes der Wortlaut des § 12 Abs. 3 Satz 1 WpPG (siehe zum Meinungsstreit und Folgefragen § 12 WpPG Rz. 34 ff., insbesondere Rz. 37). Solange die zuständigen Behörden jedenfalls die Billigung eines Nachtrags auf ein gesondert hinterlegtes Registrierungsformular unabhängig davon, ob es für einen dreiteiligen Prospekt oder für die Einbeziehung per Verweis verwendet werden soll, verweigern, ist der Meinungsstreit eher theoretischer Natur und es bleibt abzuwarten, bis im Zuge der Überarbeitung der Prospektrichtlinie eine Anpassung der entsprechenden Vorschriften, insbesondere von Art. 12 Abs. 2 Prospektrichtlinie und folgerichtig von § 12 Abs. 3 WpPG, erfolgt ist (zu den entsprechenden Vorschlägen der Europäischen Kommission und des Rates siehe § 12 WpPG Rz. 13).

53

bb) Verhältnis zu endgültigen Bedingungen nach § 6 Abs. 3 WpPG Gemäß § 6 Abs. 3 WpPG besteht die Möglichkeit, die endgültigen Bedin- 54 gungen des Angebots (zum Begriff § 6 WpPG Rz. 42 ff.) weder in den Basisprospekt noch in einen Nachtrag nach § 16 WpPG aufzunehmen, sondern diese zu einem späteren Zeitpunkt zu veröffentlichen (zu den verschiedenen Präsentationsformen der endgültigen Bedingungen siehe § 6 WpPG Rz. 54 ff.). Für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs eines Nachtrags nach § 16 WpPG vom Anwendungsbereich von endgültigen Bedingungen gemäß § 6 Abs. 3 WpPG kommt es primär darauf an, ob die entsprechenden Angaben bereits im Basisprospekt enthalten waren oder erst in den endgültigen Bedingungen aufgenommen werden sollen. Ein Nachtrag nach § 16 WpPG kommt nur dann in Betracht, wenn wichtige neue Umstände oder wesentliche Unrichtigkeiten in Bezug auf die bereits im Basisprospekt enthaltenen Angaben vorliegen (zu Einzelheiten siehe § 6 WpPG Rz. 72 ff.). Damit zusammenhängend stellt sich die Frage, in welcher Weise eine Kor- 55 rektur von wertpapierbezogenen Angaben möglich ist, die in endgültigen Bedingungen enthalten sind, die bereits bei der BaFin hinterlegt wurden; richtigerweise scheidet dafür die Verwendung eines Nachtrags nach § 16 WpPG aus (zu Einzelheiten siehe § 6 WpPG Rz. 80 ff.). cc) Keine Erweiterung des Billigungsgegenstandes Aus der Tatsache, dass gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG der Prospekt Bezugs- 56 objekt ist, leitet die BaFin des Weiteren ab, dass durch einen Nachtrag keine sachliche Erweiterung des Billigungsgegenstandes des Prospekts erfolgen dürfe. Relevant ist dies vor allem bei Basisprospekten, wenn nachträglich die Pro- 57 duktpalette des Basisprospekts erweitert werden soll, zB wenn ein neuer Basiswert aufgenommen oder die Auszahlungsstruktur verändert werden soll. Die BaFin lehnt in diesem Fall die Anpassung des Prospekts mittels eines Nachtrags ab, wobei aber in der Praxis eine Reihe von Abgrenzungsproblemen auftreten (dazu ausführlich § 6 WpPG Rz. 79).

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Nachtrag zum Prospekt

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Aus dem Verbot der Erweiterung des Billigungsgegenstandes leitet die BaFin auch ab, dass mittels eines Nachtrags kein neuer Emittent in einen Basisprospekt aufgenommen werden könne (dazu und zu dem davon zu unterscheidenden Fall einer Ersetzung des Emittenten § 6 WpPG Rz. 70 f.).

59

Die Begrenzung durch den Billigungsgegenstand kommt auch in den Fällen zum Tragen, in denen nach der Billigung des Prospekts das Emissionsvolumen der Wertpapiere erhöht werden soll. Zu unterscheiden ist hier zwischen einteiligen Prospekten iS von § 12 Abs. 1 Satz 1 WpPG und Basisprospekten iS von § 6 WpPG:

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– Bei der Erhöhung des Emissionsvolumens von einteiligen Prospekten ist – unabhängig davon, ob es sich um die Emission von Dividendenwerten oder Nichtdividendenwerten handelt – nach Auffassung der BaFin ein neuer Prospekt erforderlich, sofern damit das im Prospekt angegebene Maximalvolumen der zuzulassenden Wertpapiere überschritten wird. Dies gilt nach Ansicht der BaFin auch unabhängig davon, ob die Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen oder (nur) ein öffentliches Angebot stattfindet1. Der BaFin ist im Ergebnis zuzustimmen. Die Erhöhung des Emissionsvolumens ist als Ausgabe von neuen Wertpapieren zu sehen (vgl. dazu bereits § 6 WpPG Rz. 60), so dass in dieser Situation ein Nachtrag mit der Konsequenz des Widerrufsrechts gemäß § 16 WpPG nicht angemessen wäre2. Zu unterscheiden ist dies von dem Fall, dass das Emissionsvolumen zum Zeitpunkt der Billigung des Prospekts noch nicht feststeht (dazu unten Rz. 130).

61

– Bei Basisprospekten ist nach Ansicht der BaFin zwischen einer „Einzelerweiterung“ und einer „Rahmenerweiterung“ zu differenzieren. Eine Einzelerweiterung zeichnet sich dadurch aus, dass das Emissionsvolumen für bereits emittierte Wertpapiere erhöht werden soll, dh. Wertpapiere für die bereits endgültige Bedingungen für ein öffentliches Angebot bzw. eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt bei der zuständigen Behörde hinterlegt und veröffentlicht wurden. Dies ist der in der Praxis sehr häufige Fall der Aufstockung von Schuldverschreibungen, die entsprechend der Logik bei Einzelprospekten nicht mittels eines Nachtrags, sondern nur über die Hinterlegung und Veröffentlichung von neuen endgültigen Bedingungen möglich ist (siehe ausführlich § 6 WpPG Rz. 59 ff., dort auch zur Differenzierung zwischen Aufstockungen unter noch gültigen Basisprospekten und nicht mehr gültigen Basisprospekten). Davon unterscheidet sich die Rahmenerweiterung dadurch, dass nicht das Emissionsvolumen einer konkreten Emission, sondern das im Basisprospekt angegebene Emissionsvolumen, das so genannte Programmvolumen, er1 Zur Argumentation der BaFin siehe Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 121 ff. 2 Vgl. ähnlich für den Fall eines erneuten Angebots der gleichen Wertpapiere CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 34.

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Nachtrag zum Prospekt

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höht werden soll. Da es sich dabei um eine Information handelt, die grundsätzlich bereits zum Zeitpunkt der Billigung des Basisprospekts bestimmbar ist, scheidet die Aufnahme einer solchen Rahmenerweiterung im Rahmen der endgültigen Bedingungen aus. Die endgültigen Bedingungen enthalten vielmehr die Angaben, die sich auf eine spezifische Emission von Wertpapieren unter dem Basisprospekt beziehen und erst zum Zeitpunkt des Angebots feststehen (siehe § 6 WpPG Rz. 74). In Abgrenzung zur Konstellation beim Einzelprospekt ist mit der Erhöhung des Programmvolumens nicht automatisch die Emission von neuen Wertpapieren verbunden, da der Basisprospekt lediglich die Möglichkeit zur Emission von Wertpapieren bietet, aber keine entsprechende Verpflichtung beinhaltet. Zudem hat die Anpassung des Programmvolumens keine Auswirkung auf bereits laufende Emissionen in der Form, dass deren Emissionsvolumen verändert würde. Dementsprechend gesteht die BaFin in einem derartigen Fall Emittenten richtigerweise die Möglichkeit zu, das in einem Basisprospekt angegebene Programmvolumen auch mittels eines Nachtrags anzupassen (siehe dazu auch § 6 WpPG Rz. 75)1. c) Nachtragsrelevanter Zeitraum, Zeitpunkt der Einreichung eines Nachtrags Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG beginnt die Verpflichtung zur Erstellung ei- 62 nes Nachtrags mit der Billigung des Prospekts und endet mit dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder der Einführung oder Einbeziehung der Wertpapiere in den Handel. In der Bindung an diesen Zeitraum liegt ein wesentlicher Unterschied der Nachtragspflicht gemäß § 16 WpPG gegenüber einer allgemeinen Aktualisierungspflicht (siehe oben Rz. 3). aa) Beginn der Nachtragspflicht Die Nachtragspflicht beginnt mit der Billigung des Prospekts. Das in § 13 63 WpPG geregelte Billigungsverfahren durch die BaFin ist dann beendet, wenn gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 WpPG dem Antragsteller von der BaFin schriftlich die Entscheidung über die Billigung des Prospekts mitgeteilt wurde (siehe dazu § 13 WpPG Rz. 15). Vor der Billigung eines Prospekts kann dieser nicht durch einen Nachtrag 64 aktualisiert bzw. ergänzt werden. Für den Fall, dass zwischen der Einreichung des Prospekts bei der BaFin und der Billigung des Prospekts wichtige neue Umstände eintreten oder wesentliche Unrichtigkeiten bekannt werden sollten, ist der Antragsteller vor dem Hintergrund des § 5 Abs. 1 WpPG stattdessen verpflichtet, die sich ergebenden Änderungen in den Prospektentwurf einzuarbeiten und der BaFin diese überarbeitete Fassung des Prospekts zur Billigung zukommen zu lassen2.

1 Im Ergebnis so auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 125 f. 2 Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (320), Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 4.

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Nachtrag zum Prospekt

Für den Beginn des nachtragsrelevanten Zeitraums kommt es nicht darauf an, dass bereits ein prospektpflichtiges Ereignis eingetreten ist, dh. ein öffentliches Angebot begonnen hat oder die Zulassung der Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt erfolgt ist. Dies ergibt sich aus der Zusammenschau von § 16 WpPG mit § 9 WpPG. Gemäß § 9 WpPG ist die Gültigkeit eines Prospekts nämlich daran gebunden, dass der Prospekt durch die nach § 16 WpPG erforderlichen Nachträge aktualisiert wurde. Gerade unter einem Basisprospekt sind nämlich Fälle denkbar, in denen auch außerhalb des Zeitraums, in dem prospektpflichtige Ereignisse eintreten, ein Nachtrag zu veröffentlichen ist (siehe dazu unten Rz. 79). bb) Ende der Nachtragspflicht

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Die Nachtragspflicht endet gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG mit dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder der Einführung oder Einbeziehung der Wertpapiere in den Handel (zu einer evtl. Nachtragspflicht nach dem Ende des nachtragsrelevanten Zeitraums siehe unten Rz. 74 und Rz. 78).

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Von einem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots ist in der Regel dann auszugehen, wenn beispielsweise der im Prospekt festgelegte Angebotszeitraum bzw. die Zeichnungsfrist, innerhalb der Wertpapiere gezeichnet werden können, abgelaufen ist1. Darüber hinaus ist – wie bereits unter der Vorgängervorschrift des § 11 VerkProspG aF – von einem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots auch dann auszugehen, wenn die angebotenen Wertpapiere vollständig platziert sind2. Für den Fall, dass die Wertpapiere fortlaufend abverkauft werden, greift diese Regelung, die vor allem auf Zeichnungsfristen im Fall von Aktienemissionen zugeschnitten ist, dagegen nicht3.

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Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG endet die Nachtragspflicht auch mit der Einführung oder Einbeziehung der Wertpapiere in den Handel. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz war die Formulierung Gegenstand eingehender Diskussionen (siehe dazu oben Rz. 8).

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Während Art. 16 Prospektrichtlinie von der „Eröffnung des Handels an einem geregelten Markt“ spricht4, sollte mit der davon abweichenden Formulierung im Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, insbesondere mit dem ausschließlichen Verweis auf den „Handel“ (ohne den Zusatz geregelter bzw. organisierter Markt), deutlich gemacht werden, dass auch die Einbezie-

1 Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (320); so auch bereits nach alter Rechtslage im VerkProspG, siehe dazu Heidelbach in Schwark, § 11 VerkProspG Rz. 6. 2 Siehe zur alten Rechtslage Heidelbach in Schwark, § 11 VerkProspG Rz. 6. 3 Ekkenga, BB 2005, 561 (564). 4 Dementsprechend war im Regierungsentwurf von der „Eröffnung des Handels an einem organisierten Markt“ die Rede, Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/4999, S. 13.

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Nachtrag zum Prospekt

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hung in den Freiverkehr die Nachtragspflicht beenden könne (siehe oben Rz. 8). Dabei ist aber nach der Begründung im Finanzausschuss1 wie folgt zu differenzieren: Eine Einführung oder Einbeziehung von Wertpapieren in den regulierten Markt iS des BörsG (früher wurde im BörsG zwischen dem amtlichen und geregelten Markt unterschieden) solle danach automatisch zum endgültigen Schluss des Angebots führen, während die Einbeziehung in den Freiverkehr nur dann zum endgültigen Schluss des Angebots führen solle, wenn ab Einbeziehung lediglich Mitteilungen aufgrund des Handels erfolgen. Letztlich ist mit der Streichung des Zusatzes für die Praxis wenig gewonnen. Wenn nämlich nach der Einbeziehung in den Freiverkehr noch weitere Absatzbemühungen stattfinden, greift die Beendigung der Nachtragspflicht durch die Einbeziehung in den Freiverkehr nicht ein. Wendet man dies auf die in der Praxis üblichen Fälle an, dann ist zwar die bloße Bekanntgabe von Kursen in Datenbanken oder Internetseiten möglich, da dies als Mitteilung aufgrund des Handels zu werten ist2. Bei dem in der Praxis häufigsten Fall, nämlich dem Vertrieb von verbrieften Derivaten, findet dagegen regelmäßig ein fortlaufender Abverkauf statt, der häufig mit weiteren Mitteilungen verbunden ist, weshalb ein fortgesetztes öffentliches Angebot vorliegt (siehe dazu auch § 9 WpPG Rz. 10). Dementsprechend führt die Freiverkehrseinbeziehung hier nicht zu einem Ende der Nachtragspflicht. Während aus diesem Grund anfangs eine Reihe von Emittenten von verbrieften Derivaten den Handel der von ihnen emittierten Wertpapiere vom Freiverkehr in den geregelten Markt verlegt haben, haben sich die meisten Emittenten mittlerweile mit der Regelung in § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG arrangiert (siehe zur Anwendbarkeit von § 9 Abs. 5 WpPG in diesem Fall § 9 WpPG Rz. 79 f.) und die Wertpapiere – auch aufgrund des Umstands, dass mit der Zulassung von Wertpapieren am organisierten Markt weitere Verpflichtungen verbunden sind – im Freiverkehr belassen. Zudem ist zu beachten, dass die Prospektrichtlinie nicht ohne Grund vom geregelten Markt spricht, da für Finanzinstrumente im geregelten Markt unter anderem aufgrund der Transparenzrichtlinie und der Marktmissbrauchsrichtlinie besondere Zulassungsfolgepflichten gelten. Dementsprechend ist § 16 WpPG auch im Lichte der – insoweit eindeutigen – europäischen Bestimmung auszulegen, weshalb aus einer Freiverkehrszulassung für sich genommen nicht die Beendigung der Nachtragspflicht abgeleitet werden kann. Eine „Einführung“ der Wertpapiere in den Handel liegt gemäß § 38 Abs. 1 70 Satz 1 BörsG mit Aufnahme der Notierung zugelassener Wertpapiere am regulierten Markt vor. Für die Aufnahme der Notierung ist es erforderlich, dass ein Preis für ein Wertpapier durch ein elektronisches Handelssystem oder einen Skontroführer berechnet wird3. Im Hinblick auf Wertpapiere, die am Freiverkehr einbezogen werden sollen, gilt gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2

1 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373, S. 50 (Begründung § 16 Abs. 1 und 3). 2 Rauch in Holzborn, § 16 WpPG Rz. 13; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (321). 3 Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (321).

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Nachtrag zum Prospekt

BörsG die Regelung zur Aufnahme der Notierung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 BörsG entsprechend. 71

Mit dem Merkmal der „Einbeziehung“ wird dem Umstand Rechnung getragen, dass im geregelten Markt neben der Zulassung der Wertpapiere gemäß § 32 BörsG auch die Möglichkeit einer Einbeziehung der Wertpapiere gemäß § 33 BörsG besteht. Die Einbeziehung unterscheidet sich von der Zulassung vor allem dadurch, dass der Antrag durch einen Handelsteilnehmer (und nicht vom Emittenten der Wertpapiere) gestellt bzw. von Amts wegen erfolgen kann. Zudem spricht man auch im Zusammenhang mit dem Freiverkehr von der Einbeziehung der Wertpapiere zum Handel (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 3 BörsG). Angesichts des abweichenden Wortlauts der Prospektrichtlinie kommt dem Tatbestandsmerkmal nur eine eingeschränkte Bedeutung zu.

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Im Gesetzgebungsverfahren zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde das Verhältnis zwischen den beiden Tatbeständen der Beendigung der Nachtragspflicht intensiv diskutiert (siehe oben Rz. 8). Letztlich wurde aber eine Klarstellung für nicht erforderlich gehalten. Zumindest im Fall einer Einführung oder Einbeziehung der Wertpapiere in den regulierten Markt iS des BörsG liegt nach Ansicht des Finanzausschusses des Bundestages1 ein endgültiger Schluss des Angebots vor. Dementsprechend ist bei einem kombinierten Angebots- und Zulassungsprospekt jedenfalls im Zeitpunkt der Notierungsaufnahme an einem organisierten Markt von einem Ende des nachtragsrelevanten Zeitraums auszugehen. Dies ist auch vor dem Hintergrund konsequent, dass mit der Zulassung am organisierten Markt Zulassungsfolgepflichten, wie die Verpflichtung zur Erstellung eines jährlichen Dokuments nach § 10 WpPG und insbesondere die Ad-hoc-Pflicht eingreifen (siehe dazu unten Rz. 132 ff.). Im Zuge der Überarbeitung der Prospektrichtlinie zeichnet sich ab, dass das Verhältnis der beiden Beendigungstatbestände in der Prospektrichtlinie eine klarstellende Regelung erfährt, wonach das zeitlich spätere Ereignis die Nachtragspflicht beenden soll (siehe oben Rz. 27).

73

Ein Ende des nachtragspflichtigen Zeitraums lässt sich nicht aus der Bestimmung zur Gültigkeit des Prospekts gemäß § 9 WpPG ableiten (zum Verhältnis der Nachtragspflicht zur Gültigkeitsdauer allgemein siehe oben Rz. 17 und ausführlich § 9 WpPG Rz. 36 ff.). Es ist insbesondere denkbar, dass im Rahmen des § 9 Abs. 5 WpPG ein öffentliches Angebot über die Gültigkeitsdauer eines (Basis-)Prospekts hinaus fortgeführt wird und in diesem Fall die Nachtragspflicht weiterhin Anwendung findet (§ 9 WpPG Rz. 82).

74

Diskutiert wird, ob aus den Vorschriften zur Prospekthaftung eine Ausdehnung der Nachtragspflicht abzuleiten ist. In der Literatur wird teilweise vertreten, dass die Nachtragsverpflichtung des Emittenten vor dem Hintergrund des § 44 Abs. 1 BörsG um bis zu sechs Monate nach der Einführung 1 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373, S. 50 (Begründung § 16 Abs. 1 und 3).

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Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

der Wertpapiere in den Handel auszudehnen sei1. Vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts des § 16 Abs. 1 WpPG ist diese Ansicht allerdings abzulehnen (siehe dazu auch § 9 WpPG Rz. 44)2. Auch für eine analoge Anwendung ist kein Raum, weil – wie die Diskussion im Gesetzgebungsverfahren zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz deutlich macht – keine Regelungslücke besteht. cc) Zeitpunkt der Einreichung eines Nachtrags Aus dem Umstand, dass in § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG – anders als zB in § 11 75 VerkProspG aF (siehe oben Rz. 9) oder in § 15 WpHG – keine zeitliche Vorgabe für die Einreichung eines Nachtrags enthalten ist, lässt sich nicht ableiten, dass der Emittent bezüglich des Zeitpunkts der Einreichung eines Nachtrags völlig frei wäre. Es ist diesbezüglich zwischen unterschiedlichen Konstellationen zu unterscheiden, die nach der Billigung eines Prospekts eintreten können (zum Beginn des nachtragsrelevanten Zeitraums und zum Zusammenspiel mit § 9 WpPG siehe bereits oben Rz. 65):

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– Soweit im Rahmen einer laufenden Emission ein prospektpflichtiges Er- 77 eignis gerade stattfindet bzw. unmittelbar bevorsteht, dh. insbesondere ein öffentliches Angebot gerade stattfindet bzw. eine Zulassung von Wertpapieren zum Handel am organisierten Markt unmittelbar bevorsteht, hat der Nachtragspflichtige (siehe unten Rz. 93) ein Interesse daran, den Nachtrag möglichst schnell zu veröffentlichen, um den Zeitraum, in dem ein Widerrufsrecht des Anlegers besteht, möglichst kurz zu halten (zu den Konsequenzen einer evtl. Verzögerung für das Widerrufsrecht siehe unten Rz. 118). Zu beachten ist zudem, dass eine Verzögerung der Einreichung eines Nachtrags zur Billigung durch die BaFin bei Eintritt eines neuen Umstands auch haftungsrechtliche Konsequenzen für den Emittenten hätte: Soweit die Verzögerung von ihm zu verantworten ist, wird sich ein Emittent kaum gemäß § 45 Abs. 1 BörsG von seiner Prospekthaftung exkulpieren können3. Dementsprechend wird ein Nachtragspflichtiger – auch wenn keine entsprechende gesetzliche Regelung besteht – einen Nachtrag schnellstmöglich bei der BaFin einreichen. Eine gesetzlich definierte Frist, die mit dem Zeitpunkt des Eintritts eines neuen Umstands oder der Identifizierung einer Unrichtigkeit, zu laufen beginnt, besteht aber gerade nicht4. Damit wird auch dem Umstand Rechnung getra1 Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S. 17 f.; Assmann in FS Ulmer, 2003, S. 757 (770 ff.). 2 OLG Frankfurt v. 6.7.2004 – 5 U 122/03, ZIP 2004, 1411 (1413); Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 63. 3 Vgl. dazu auch Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 9 sowie Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 74. 4 Weitergehend, nämlich eine Verpflichtung zur unverzüglichen Einreichung bejahend Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 9; Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 74; Hamann in Schäfer/Hamann, § 16 WpPG Rz. 14.

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Nachtrag zum Prospekt

gen, dass anders als bei der Ad-hoc-Pflicht die Aufnahme von neuen Umständen in einen Prospekt regelmäßig mehr Vorbereitungszeit erfordert und daher eine pauschale Anknüpfung an den Zeitpunkt des Eintritts eines Ereignisses in der Praxis schwierig sein kann. Auch CESR drückt sich diesbezüglich nicht eindeutig aus1. Diese Konstellation ist im Übrigen auch denkbar, wenn die Gültigkeit eines Prospekts bereits abgelaufen ist, das öffentliche Angebot, das vor dem Ablauf der Gültigkeit begonnen hat, aber nach wie vor andauert (siehe dazu § 9 WpPG Rz. 82). 78

– Soweit derzeit kein prospektpflichtiges Ereignis stattfindet und auch künftig kein prospektpflichtiges Ereignis geplant ist, was in der Regel der Fall ist, wenn ein öffentliches Angebot von unter dem Prospekt begebenen Wertpapieren bereits abgeschlossen ist oder die Wertpapiere bereits zum Handel im organisierten Markt zugelassen sind, dann besteht keine Nachtragspflicht gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG (zur Diskussion um eine evtl. Ausdehnung der Nachtragspflicht zur Vermeidung einer Prospekthaftung siehe oben Rz. 74). Dies ist regelmäßig der Fall bei einteiligen Prospekten, die zB für eine Aktienemission genutzt werden (zu Aufstockungen siehe oben Rz. 59 ff.). Zu fragen ist, ob in diesem Fall ein Nachtrag trotz nicht bestehender Nachtragspflicht auf einer freiwilligen Basis erstellt werden kann. Dagegen spricht, dass mit der Berichtigungsmöglichkeit nach § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG eine alternative Form der Berichtigung besteht (dazu oben Rz. 23).

79

– Soweit derzeit kein prospektpflichtiges Ereignis unter dem Prospekt stattfindet, aber eine künftige Emission unter dem Prospekt, die mit einem prospektpflichtigen Ereignis verbunden sein wird, geplant ist, kann der Nachtragspflichtige grundsätzlich den Zeitpunkt des Nachtrags frei bestimmen. Diese Konstellation tritt regelmäßig nur bei Basisprospekten auf, die für die wiederholte Emission von Wertpapieren genutzt werden (vgl. § 6 WpPG Rz. 22 und 25). In dieser Konstellation ist allerdings aus § 9 WpPG zu folgern, dass die Aktualisierung des Prospekts gemäß § 16 Abs. 1 WpPG spätestens vor dem Beginn eines neuen Angebots oder einer Zulassung von neuen Wertpapieren zum Handel erfolgen muss (siehe näher § 9 WpPG Rz. 40).

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In der Praxis stellt es regelmäßig ein Problem dar, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem ein neuer Umstand tatsächlich eingetreten ist. Ähnlich wie bei der Auslegung zu § 15 WpHG ist hier eine gewisse Konkretheit der Information zu fordern. Vor dem Hintergrund, dass auch künftige Informationen in einen Nachtrag aufgenommen werden können (siehe oben Rz. 41), aber zB nicht jedes Gerücht oder Werturteil auch tatsächlich geeignet ist, die Anlageentscheidung zu beeinflussen, ist hier zu differenzieren. Dabei 1 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 22 („The issuer should draw up and file with the competent authority a supplement as soon as practicable after a new factor occurs or a material mistake or inaccuracy is discovered.“).

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Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

können die von der BaFin im Rahmen der Ad-hoc-Pflicht entwickelten Grundsätze zur Konkretheit einer Information1 eine Hilfestellung für die Auslegung bieten. Danach ist die Konkretheit einer Information zu bejahen, wenn sie so bestimmt ist, dass sie hinreichende Grundlage für eine Einschätzung über den zukünftigen Verlauf des Börsen- oder Marktpreises der Wertpapiere bilden kann. Bei den so genannten „mehrstufigen Entscheidungsprozessen“ liegt dagegen eine konkrete Tatsache vor, wenn mit der Umsetzung des Gesamtvorhabens wahrscheinlich zu rechnen ist oder der Vorgang unternehmensintern abgeschlossen ist. Wie im Fall der Ad-hocPflicht, ist dabei grundsätzlich jede Entscheidungsstufe eigenständig zu bewerten. 2. Form und Inhalt des Nachtrags (§ 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG) a) Präsentation des Nachtrags § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG enthält keine Regelung zur Form des Nachtrags. Unter Rückgriff auf Art. 25 Abs. 5 und Art. 26 Abs. 7 der ProspektVO (vgl. dazu bereits oben Rz. 24) sind jedoch grundsätzlich zwei unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten für die Präsentation eines Nachtrags nach § 16 WpPG denkbar (vgl. zur ähnlich gelagerten Debatte bei der Präsentation von endgültigen Bedingungen § 6 WpPG Rz. 54 ff.).

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Bei der integrierten Lösung werden die Aktualisierungen in den ursprüng- 82 lichen Prospekt eingearbeitet. Die Aktualisierungen müssen sich in diesem Fall nach der ständigen BaFin-Verwaltungspraxis durch deutliche Hervorhebungen von der ursprünglichen Version des Prospekts absetzen. Dies ist beispielsweise durch besondere Formatierungen zu erreichen. Problematisch ist, ob bei zeitlich aufeinander folgenden Nachträgen die vorhergehenden Aktualisierungen weiterhin durch Hervorhebungen deutlich gemacht werden müssen. Würde man die vorherigen Nachträge weiterhin durch Hervorhebungen kennzeichnen, würde der Prospekt für den Anleger sehr unübersichtlich. Es ist deshalb vorzugswürdig, stets nur den aktuellen Nachtrag durch Hervorhebungen zu kennzeichnen und in dem jeweiligen erneuerten Prospekt durch ein Deckblatt zum Nachtrag deutlich zu machen, um welchen Nachtrag es sich handelt2. Die Historie der Nachträge ist für den Anleger somit über die verschiedenen Prospektversionen nachvollziehbar. Zudem besteht für den Anleger die Möglichkeit, alle gebilligten Nachträge gemäß § 13 Abs. 4 WpPG zwölf Monate auf der Internetseite der BaFin einzusehen. Als Alternativform der Präsentation eines Nachtrags kann der Emittent auch die Zwei-Dokumenten-Lösung wählen. Bei dieser Nachtragsform erfolgen die Aktualisierungen in einem separaten Dokument. Dies erfolgt regelmäßig in der Form, dass nicht nur die neue Information in dem Nachtrag 1 Emittentenleitfaden der BaFin, Stand Mai 2009, unter III.2.1.1. 2 So auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 78.

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Nachtrag zum Prospekt

enthalten ist, sondern in dem Nachtrag unter Bezugnahme auf die Seiten oder die Gliederung im ursprünglichen Basisprospekt genau angegeben wird, welche Änderungen sich gegenüber dem ursprünglichen Prospekt im Rahmen der Aktualisierung ergeben. ZB kann der geänderte Abschnitt aus dem ursprünglichen Prospekt wiedergegeben werden und in dem Nachtrag deutlich gemacht werden, dass ein Satz hinzugefügt wird, oder es kann in dem Nachtrag unter Bezugnahme auf den ursprünglichen Prospekt der Absatz aus dem ursprünglichen Prospekt ersatzlos gestrichen oder ersetzt werden. Diese Nachtragsform hat den Vorteil, dass sie die Erstellung von Sammelnachträgen ermöglicht (siehe dazu § 9 WpPG Rz. 86 f.) und dem Anleger die Möglichkeit gibt, die Änderungen komprimiert zu erfassen, ohne den gesamten Prospekt durchsehen zu müssen. Der Nachteil der Zwei-Dokumenten-Lösung liegt in der drohenden Unübersichtlichkeit der Änderungen bei einer Vielzahl von Nachträgen. 84

Die reine integrierte Lösung kommt in der Emissionspraxis kaum vor, da die Abgrenzung der geänderten Angaben von den nicht geänderten Angaben – gerade bei kleineren Änderungen oder redaktionellen Änderungen – graphisch aufwendig sein kann und zudem jeweils die Frage aufwirft, was tatsächlich Gegenstand des Nachtrags ist. Gerade bei Emissionsprogrammen mit mehreren beteiligten Banken, hätte die integrierte Lösung deshalb den Nachteil, dass unter Umständen das gesamte Dokument mit den beteiligten Banken abgestimmt werden müsste. Vor diesem Hintergrund ist in einem internationalen Kontext die Zwei-Dokumenten-Lösung üblich. Zudem kann der gegenüber der Zwei-Dokumenten-Lösung vorgebrachte Kritikpunkt der Unübersichtlichkeit bei Basisprospekten für künftige Emissionen dadurch entkräftet werden, dass bei endgültigen Bedingungen die Bestandteile, welche die Grundlage für die endgültigen Bedingungen bilden (vgl. zur modifzierten Einheitslösung § 6 WpPG Rz. 56), aus dem Basisprospekt in der Fassung der jeweiligen Nachträge entnommen werden.

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Um bei Wahl der Zwei-Dokumenten-Lösung die Übersichtlichkeit zu steigern, gestattet es die BaFin auch, dass eine konsolidierte, um die Änderungen der jeweiligen Nachträge angepasste Fassung der Basisprospektinformationen zu Informationszwecken veröffentlicht wird. Dies soll allerdings nur unter folgenden Voraussetzungen möglich sein: (i) Es muss ein gebilligter Nachtrag veröffentlicht worden sein; (ii) es muss eine Klarstellung aufgenommen werden, wonach es sich bei der Prospektfassung lediglich um eine Zusammenstellung der Informationen aus den gebilligten Bezugsobjekten handelt, wobei die Bezugsobjekte, dh. der Prospekt und die sich darauf beziehenden Nachträge, genau zu bezeichnen sind; (iii) es muss ein Hinweis aufgenommen werden, wo die gebilligten Bezugsobjekte veröffentlicht sind; und (iv) es ist ein hervorgehobener Hinweis auf das Widerrufsrecht basierend auf der Veröffentlichung des jeweils letzten Nachtrags erforderlich. Zu beachten ist, dass es sich bei dieser Lösung um keine Veröffentlichung iS des Prospektsrechts handelt. Soweit ersichtlich ist davon bisher von Emittenten kaum Gebrauch gemacht worden. Dies dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass unter noch gültigen Basisprospekten für künftige

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Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

Emissionen mit der Aufnahme der Aktualisierungen in die endgültigen Bedingungen bereits eine Möglichkeit zur übersichtlichen Darstellung besteht und bei Basisprospekten mit abgelaufener Gültigkeit und fortlaufenden Angeboten sich die Frage nach dem Mehrwert stellt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Einordnung des konsolidierten Dokuments in die Prospekthaftungsvorschriften nicht eindeutig ist1. Ein Bedürfnis für die Erstellung einer konsolidierten Fassung auf einer freiwilligen Basis kann aber im Fall der in der Zusammenfassung enthaltenen Informationen bestehen (dazu unten Rz. 105). b) Inhalt des Nachtrags Der Nachtrag muss die wichtigen neuen Umstände und/oder die wesentlichen Unrichtigkeiten enthalten, welche die Nachtragspflicht ausgelöst haben. Zur Aufnahme von Informationen unterhalb der Wichtigkeits- bzw. Wesentlichkeitsschwelle siehe bereits oben Rz. 33 und Rz. 50.

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Pflichtbestandteil eines Nachtrags ist daneben gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 WpPG die Bezeichnung des Empfängers des Widerrufs sowie gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 WpPG eine Belehrung über das Widerrufsrecht inklusive der Dauer der Ausübbarkeit des Widerrufs, die in dem Nachtrag an hervorgehobener Stelle enthalten sein muss (vgl. zur Abweichung gegenüber der Prospektrichtlinie in diesem Punkt bereits oben Rz. 15). Die Hervorhebung kann beispielsweise drucktechnisch erfolgen, insbesondere durch Fettdruck. Nach der Überarbeitung der Prospektrichtlinie wird gegebenenfalls künftig explizit der letzte Tag anzugeben sein, an dem das Widerrufsrecht ausgeübt werden kann (siehe oben Rz. 27).

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Ein Muster für das Deckblatt eines Nachtrags könnte demnach wie folgt aussehen (sowohl der Text in der eckigen Box als auch Rz. 89 entsprechen dem Muster, das auf der Website der BaFin abrufbar ist)2:

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Nachtrag nach § 16 Abs. 1 Wertpapierprospektgesetz der [Firma des Emittenten] vom [Datum des Nachtrages] zum bereits veröffentlichten [einteiligen oder dreiteiligen Prospekt oder Basisprospekt] vom [Datum des einteiligen oder dreiteiligen Prospekts oder Basisprospekts] betreffend die Emission von [Art der zu begebenden Wertpapiere, z.B. Aktien]

1 Zur Vorsicht im Hinblick auf die Verwendung des Begriffes „Prospekt“ mahnt auch CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 49. 2 Abgerufen unter http://www.bafin.de (Stand 26.4.2010).

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§ 16 WpPG

Nachtrag zum Prospekt

Nach § 16 Abs. 3 Wertpapierprospektgesetz können Anleger, die vor der Veröffentlichung des Nachtrags eine auf den Erwerb oder die Zeichnung der Wertpapiere gerichtete Willenserklärung abgegeben haben, diese innerhalb von zwei Werktagen nach Veröffentlichung des Nachtrags widerrufen, sofern noch keine Erfüllung eingetreten ist. Der Widerruf ist an [Empfänger des Widerrufs] zu richten. Die [Firma des Emittenten] gibt folgende, zum [Datum des Nachtrags] eingetretene Veränderungen im Hinblick auf den bereits veröffentlichten [einteiligen oder dreiteiligen Prospekt oder Basisprospekt] vom [Datum des einteiligen oder dreiteiligen Prospekts oder Basisprospekts] bekannt: Zum Beispiel: 1. Offenlegung neuer Finanzangaben 2. Erweiterung der Geschäftstätigkeit. Neben Produkt C wird zukünftig auch Produkt D und E vertrieben. 3. Die Vorstände T und V wurden durch die Herren X und Y ersetzt. [Ort, Datum des Nachtrags Firma des Emittenten] 89

Ein Nachtrag nach § 16 Abs. 1 WpPG muss folgende Mindestangaben enthalten: – eindeutige Angabe, dass es sich um einen Nachtrag nach § 16 Abs. 1 WpPG handelt, – Datum oder Nummer des betreffenden Nachtrags, – eine Belehrung über das Widerrufsrecht nach § 16 Abs. 3 WpPG an hervorgehobener Stelle, – dazugehöriger einteiliger oder dreiteiliger Prospekt oder Basisprospekt (einschließlich dazugehöriger Nachträge nach § 16 WpPG) mit Angabe des diesbezüglichen Datums, – eine Erklärung dahin gehend, dass ein einteiliger oder dreiteiliger Prospekt oder Basisprospekt veröffentlicht wurde und wo er erhältlich ist; für den Fall, dass der einteilige oder dreiteilige Prospekt oder Basisprospekt in gedruckter Form veröffentlicht wurde, Angabe des Ortes und der Frist, wo bzw. während deren der einteilige oder dreiteilige Prospekt oder Basisprospekt zur kostenlosen Ausgabe an das Publikum bereitgehalten wird; für den Fall, dass der einteilige oder dreiteilige Prospekt oder Basisprospekt im Internet veröffentlicht wurde, Angabe des Ortes, an dem die Anleger eine Papierfassung kostenlos erhalten können, – Art des Wertpapiers (zB Call/Put – (Aktien/Währungen/Index) Optionsschein, gerichtet auf Zahlung eines Differenzbetrages/Lieferung von Aktien etc.).

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Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

3. Nachtragsverfahren (§ 16 Abs. 1 Satz 2 bis 4 WpPG) a) Allgemeines Ein Nachtrag muss gemäß § 16 Abs. 1 Satz 3 WpPG von der BaFin gebilligt werden. Dieses Billigungserfordernis wurde im Zuge der Umsetzung der Prospektrichtlinie neu eingeführt (vgl. dazu bereits oben Rz. 5)1.

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Im Rahmen des Billigungsverfahrens prüft die BaFin den Nachtrag auf Ver- 91 ständlichkeit, Kohärenz und Vollständigkeit (siehe zu den Begriffen auch § 13 WpPG Rz. 9 ff.). Die Prüfung erstreckt sich allerdings nur auf Verständlichkeit, Kohärenz und Vollständigkeit der nachgetragenen Informationen. Es findet kein Abgleich hinsichtlich Verständlichkeit, Kohärenz und Vollständigkeit der nachgetragenen Informationen mit den im Prospekt enthaltenen Angaben statt, da ansonsten die BaFin verpflichtet wäre, den Nachtrag in einer kürzeren Frist als den Prospekt selbst zu prüfen2. Des Weiteren prüft die BaFin nicht, ob die im Nachtrag enthaltenen Informationen als wichtige neue Umstände oder als Änderung einer wesentlichen Unrichtigkeit gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG zu beurteilen sind, da diese Entscheidung dem Emittenten obliegt (zur Einschätzungsprärogative des Emittenten siehe oben Rz. 37)3. b) Billigungsverfahren Für das Billigungsverfahren eines Nachtrags gelten grundsätzlich die glei- 92 chen Anforderungen wie für das Billigungsverfahren eines Prospekts4, insbesondere beginnt das Billigungsverfahren gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 WpPG mit der Einreichung des zu billigenden Nachtrags bei der BaFin durch den Nachtragspflichtigen (zum Fristbeginn siehe auch unten Rz. 96). Nachtragspflichtiger ist gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 WpPG der Anbieter oder 93 Zulassungsantragsteller. Dies entspricht der Regelung im Billigungsverfahren für den Prospekt gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 WpPG (vgl. dazu § 13 WpPG Rz. 21). Neben dem Nachtrag selbst (zu Form und Inhalt vgl. oben Rz. 81 ff.) ist 94 auch ein Billigungsantrag zu formulieren5, der gegebenenfalls mit einem Antrag auf Notifizierung des Nachtrags verbunden werden kann (vgl. für den Fall der Billigung des Prospekts § 13 WpPG Rz. 22). Ein Antrag auf Notifizierung des Nachtrags richtet sich nach § 18 Abs. 2 iVm. Abs. 1 WpPG 1 Kritisch hinsichtlich des Erfordernisses eines Billigungsverfahrens und der damit verbundenen Verzögerung der Information der Anleger Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 9 und Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 Rn. 130–133. 2 So auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 Rn. 137; aA – allerdings ohne eine weitere Begründung – Rauch in Holzborn, § 16 WpPG Rz. 18. 3 Rauch in Holzborn, § 16 WpPG Rz. 18. 4 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/4999, S. 36 (Begründung zu § 16 Abs. 1 WpPG). 5 Ein Muster ist auf der Internetseite der BaFin unter http://www.bafin.de abrufbar.

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(vgl. näher § 18 WpPG Rz. 11). Voraussetzung für die Notifizierung des Nachtrags ist allerdings, dass bereits der Prospekt notifziert wurde, auf den sich der Nachtrag bezieht. Umgekehrt heißt dies nicht, dass bei einem notifizierten Prospekt ein Nachtrag auch in jeden Aufnahmestaat notifiziert werden muss. Gerade bei Basisprospekten ist es nämlich denkbar, dass ein Basisprospekt nur für einen bestimmten Zeitraum in einem anderen Mitgliedstaat für öffentliche Angebote genutzt werden soll. Grundsätzlich ist auch die Notifizierung eines Nachtrags möglich, der nach Ablauf der Gültigkeit des Prospekts eingereicht wurde (vgl. § 9 WpPG Rz. 82). In diesem Fall ist aber zu beachten, dass andere Mitgliedstaaten des EWR keine dem § 9 Abs. 5 WpPG vergleichbare Regelung besitzen (vgl. § 9 WpPG Rz. 83 ff.). 95

Im Hinblick auf die Form der Einreichung des Nachtrags gelten die gleichen Anforderungen wie im Fall der Einreichung eines Prospekts, insbesondere ist bei der BaFin nach wie vor die Einreichung einer Papierversion des Nachtrags erforderlich. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit wird in der Praxis aber regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch eine Vorabübermittlung per Telefax den Fristbeginn auszulösen (siehe § 13 WpPG Rz. 23). Andere Prospektprüfungsbehörden, wie zB die luxemburgische CSSF, sind hier schon weiter und akzeptierern bereits heute die Übermittlung des Prospekts per Email, dh. es ist dort ein ausschließlich elektronisches Nachtragsbilligungsverfahren möglich.

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Die Billigung durch die BaFin muss nach § 16 Abs. 1 Satz 3 WpPG – abweichend von der Frist für die Billigung des Prospekts gemäß § 13 Abs. 2 WpPG – innerhalb von höchstens sieben Werktagen erfolgen, wobei die Frist mit Eingang des Nachtrags bei der BaFin beginnt (siehe oben Rz. 92). Die BaFin bestätigt dem Einreichenden gegenüber den Eingang des Nachtrags durch eine Eingangsbestätigung per Telefax. Sie prüft zuvor bereits die Vollständigkeit der Unterlagen. Wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass die übermittelten Unterlagen unvollständig sind oder es ergänzender Informationen bedarf, beginnt die Billigungsfrist erst dann zu laufen, wenn die entsprechenden Informationen von dem Nachtragspflichtigen bei der BaFin nachgereicht wurden1. Die BaFin sendet in diesem Fall in der Regel ein Anhörungsschreiben per Telefax. Es wird kritisiert, dass eine entsprechende Anwendung der Billigungsfrist im Fall eines Nachtrags dem Zweck der unverzüglichen Information des Kapitalmarkts widerspräche2. Allerdings ist im Fall von kleineren Mängeln davon auszugehen, dass die BaFin nicht von § 13 Abs. 3 Satz 1 WpPG Gebrauch macht, sondern stattdessen § 25 VwVfG anwendet und dem Emittenten die Möglichkeit gibt, den Mangel innerhalb der Billigungsfrist zu beheben3. In der Praxis ist es regelmäßig auch möglich, einen Zeit-

1 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/4999, S. 36 (Begründung zu § 16 Abs. 1 WpPG). 2 Crüwell, AG 2003, 243 (251); Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 9, Rauch in Holzborn § 16 WpPG Rz. 19. 3 So auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 10; Friedl/Ritz in Just/Voß/ Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rn. 136.

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plan hinsichtlich des Ablaufs des Billigungsverfahrens mit der BaFin abzustimmen. Insbesondere ist es in besonderen Fällen möglich, dass der Nachtrag innerhalb eines Werktages gebilligt wird (zu den Konsequenzen einer Verzögerung der Billigung für das Widerrufsrecht des Anlegers siehe unten Rz. 118). Im Fall des Verstreichens der Billigungsfrist, besteht keine Billigungsfiktion im Hinblick auf den Nachtrag (zu potentiellen Amtshaftungsansprüchen des Nachtragspflichtigen siehe § 13 WpPG Rz. 39).

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Im Anschluss an ihre Prüfung teilt die BaFin dem Nachtragspflichtigen mit, ob der Nachtrag gebilligt oder ob der Antrag auf Billigung abgelehnt wird. Die Mitteilung der Entscheidung der BaFin stellt einen Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG dar. Die Mitteilung erfolgt – wie bereits die Eingangsbestätigung und ein etwaiges Anhörungsschreiben – per Telefax. Im Anschluss an die Billigung veröffentlicht die BaFin den Nachtrag nach § 16 Abs. 1 Satz 3 WpPG iVm. § 13 Abs. 4 WpPG für zwölf Monate auf ihrer Internetseite.

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c) Veröffentlichungspflicht Nach der Billigung des Nachtrags muss der Anbieter oder Zulassungsantrag- 99 steller den Nachtrag gemäß § 16 Abs. 1 Satz 4 WpPG unverzüglich in derselben Art und Weise wie den ursprünglichen Prospekt nach § 14 WpPG veröffentlichen. Aus dem Verweis ist allerdings nicht zu folgern, dass auch das gleiche Veröffentlichungsmedium iS des § 14 Abs. 2 WpPG wie im Fall der Veröffentlichung des Prospekts gewählt werden muss. Eine einengende Auslegung würde unnötigerweise die Flexibilität der Emittenten einschränken, insbesondere in Konstellationen, in denen ein Prospekt mittels Nachträgen über den Ablauf der Gültigkeit hinaus gegebenenfalls für eine lange Dauer aktuell gehalten wird1. Nach § 16 Abs. 1 Satz 4 WpPG muss die Veröffentlichung des Nachtrags 100 nach seiner Billigung unverzüglich erfolgen. In der Praxis bedeutet dies regelmäßig, dass der Nachtrag noch am Tag des Zugangs der Entscheidung der BaFin oder bei einem Zugang zu einem späteren Zeitpunkt im Laufe des Tages am Folgetag auf der Internetseite des Emittenten veröffentlicht wird. Das WpPG selbst enthält keine Klarstellung dazu, was unter „unverzüglich“ zu verstehen ist. Üblicherweise wird zur Auslegung auf die in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltene Legaldefinition abgestellt. Danach bedeutet „unverzüglich“ ein Handeln ohne schuldhaftes Zögern, wobei insoweit eine nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt wird2. Diese Ansicht deckt sich mit der Auslegung 1 Wie hier gestützt auf den Wortlaut von Art. 16 Abs. 2 Prospektrichtlinie Friedl/ Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 139; anders dagegen Rauch in Holzborn, § 16 WpPG Rz. 22; Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 11; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (321). 2 Ellenberger in Palandt, § 121 BGB Rz. 3.

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des Begriffs „unverzüglich“, die bereits vor Inkrafttreten des WpPG im Rahmen des § 11 VerkProspG aF vertreten wurde1. Abweichend davon wird neuerdings in Zusammenhang mit Kapitalmarktinformationspflichten, die eine „unverzügliche“ Veröffentlichungspflicht beinhalten, ein sofortiges Handeln gefordert. Dies wird damit begründet, dass dies dem Bedürfnis der Anleger entspräche, über wichtige, neue Umstände oder wesentliche Unrichtigkeiten sofort nach der Billigung des Nachtrags informiert zu werden2. Im Ergebnis ist der Unterschied im Fall der Veröffentlichung eines Nachtrags aufgrund der eingangs geschilderten Praxis eher theoretischer Natur. Da gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 WpPG mit der Veröffentlichung des Nachtrags die Frist für die Ausübung des Widerrrufsrechts zu laufen beginnt, besteht auch deshalb ein Interesse des Emittenten an der raschen Veröffentlichung des Nachtrags. 101 Die früher erforderliche Verpflichtung nach § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG aF, eine Hinweisbekanntmachung im Hinblick auf die Veröffentlichung des Nachtrags zu schalten, ist durch Art. 36 Nr. 1 JStG 2009 zum 25.12.2008 weggefallen (siehe § 14 WpPG Rz. 3). Allerdings sind Emittenten gemäß § 8b Abs. 2 Nr. 10 HGB verpflichtet, im Fall der Veröffentlichung eines Nachtrags eine entsprechende Mitteilung im Unternehmensregister zu veröffentlichen. In der Mitteilung müssen ua. Angaben dazu aufgenommen werden, wann und wo die Veröffentlichung des Nachtrags erfolgt ist.

III. Ergänzung der Zusammenfassung (§ 16 Abs. 2 WpPG) (Seitz) 102 Um die Zusammenfassung und etwaige Übersetzungen auf dem neuesten Stand zu halten, schreibt § 16 Abs. 2 WpPG vor, dass diese um die im Nachtrag enthaltenen Informationen zu ergänzen sind. Die Vorschrift soll dazu dienen, dem Publikum einen erleichterten Zugang zu den im Nachtrag enthaltenen Informationen zu ermöglichen (siehe oben Rz. 14). 103 Nach Art. 25 Abs. 5 ProspektVO bzw. Art. 26 Abs. 7 ProspektVO kann der Emittent, der Anbieter bzw. die Person, welche die Zulassung zum Handel beantragt hat, auf Einzelfallbasis entscheiden, ob die neuen Informationen in die ursprüngliche Zusammenfassung eingegliedert werden, indem eine neue Zusammenfassung erstellt wird oder ob ein Nachtrag zur Zusammenfassung erstellt wird (siehe dazu bereits oben Rz. 24). Letztlich gelten somit für die Aktualisierung der Zusammenfassung die gleichen Anforderungen wie für die Präsentation des Nachtrags im Übrigen (zur integrierten Lösung und zur Zwei-Dokumenten-Lösung vgl. oben Rz. 81 ff.). 104 Sofern die neuen Informationen in die ursprüngliche Zusammenfassung integriert werden, ist sicherzustellen, dass Anleger die Änderungen leicht erkennen können. Wie Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 2 ProspektVO bzw. Art. 26 1 So unter anderem Heidelbach in Schwark, § 11 VerkProspG Rz. 13. 2 Instruktiv dazu Möllers in FS Horn, 2006, S. 479 ff.; in die gleiche Richtung gehend Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 146 ff.

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Abs. 7 Unterabs. 2 ProspektVO klarstellen, kann dies beispielsweise mittels Fussnoten erfolgen. Dies ist allerdings nicht zwingend. Letztlich gelten die für die integrierte Lösung maßgeblichen Grundsätze entsprechend (siehe oben Rz. 82). Die Aufnahme von wichtigen neuen Umständen oder die Korrektur von we- 105 sentlichen Unrichtigkeiten im Prospekt führt in der Praxis regelmäßig dazu, dass auch die Zusammenfassung entsprechend angepasst werden muss, was in der Regel in einem Nachtrag geschieht. Fraglich ist, inwiefern für die Aktualisierung der Zusammenfassung eine von der Art und Weise der Aktualisierung der übrigen Prospektteile abweichende Präsentationsform gewählt werden kann. Dies ist grundsätzlich abzulehnen, da die Übersichtlichkeit für den Anleger dadurch beeinträchtigt wäre. Im Hinblick auf die Notifizierung des Nachtrags kann es allerdings bei Wahl der Zwei-Dokumenten-Lösung vorteilhaft sein, wenn neben dem Nachtrag eine konsolidierte Fassung der Zusammenfassung auf einer freiwilligen Basis erstellt wird (dazu oben Rz. 85), welche die Grundlage für die Anpassung der Übersetzungen der Zusammenfassung bildet. Ein Nachtrag muss in der Sprache des Prospekts erstellt werden1. Im Hin- 106 blick auf das Sprachenregime ist zu beachten, dass soweit eine Zusammenfassung in einer weiteren Sprache bereits im Prospekt enthalten ist, diese auch anzupassen ist. Falls die Übersetzung einer Zusammenfassung als gesondertes Dokument bei der Prospektbilligungsbehörde für ein Notifizierungsverfahren eingereicht wurde (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 3 WpPG), gilt dies – soweit auch der entsprechende Nachtrag gemäß § 18 Abs. 2 WpPG notifiziert werden soll – entsprechend für diese Übersetzung.

IV. Widerrufsrecht (§ 16 Abs. 3 WpPG) (Seitz) 1. Überblick zum Widerrufsrecht Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 WpPG haben Anleger, die vor der Veröffentlichung 107 eines Nachtrags eine auf den Erwerb oder die Zeichnung der Wertpapiere gerichtete Willenserklärung abgegeben haben, grundsätzlich ein Widerrufsrecht. Das Widerrufsrecht des Anlegers stellt eine der wesentlichen Neuerungen in der Ausgestaltung des Nachtragsrechts nach der Implementierung der Prospektrichtlinie in das deutsche Recht dar (vgl. oben Rz. 10). Es war in den Kommissionsvorschlägen zur Prospektrichtlinie noch nicht enthalten, sondern geht auf einen Vorschlag des Rats zurück (vgl. oben Rz. 2). Die Problematik bei dem Widerrufsrecht besteht allerdings darin, dass ein 108 Ausgleich zwischen den Interessen des Anlegers und den Interessen des Emittenten zu finden ist. Würde man dem Anleger ein uneingeschränktes Widerrufsrecht gewähren, könnte dies aufgrund der mit dem Widerrufsrecht verbundenen Unsicherheit zu erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen 1 Vgl. Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (822).

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für den Emittenten führen (vgl. auch zur Stellungnahme von ESME zum Widerrufsrecht oben Rz. 26 und zu Änderungsvorschlägen im Zuge der Überarbeitung der Prospektrichtlinie oben Rz. 27). Das Widerrufsrecht bedarf dementsprechend einer Beschränkung. Bei der Implementierung in das deutsche Recht ist dies primär dadurch geschehen, dass der deutsche Gesetzgeber über die Prospektrichtlinie hinausgehend das Widerrufsrecht auch noch durch die Erfüllung des jeweiligen Rechtsgeschäfts begrenzt hat (vgl. oben Rz. 10). Darüber hinaus wird für weitere Fälle diskutiert, ob diese geeignet sind, aufgrund der Unerheblichkeit des Nachtrags für die Willenserklärung und damit für die Anlageentscheidung das Widerrufsrecht zu begrenzen (dazu unten Rz. 109 ff.). 2. Bestehen des Widerrufsrechts a) Erfasste Willenserklärungen, potentielle Kausalität des nachtragspflichtigen Ereignisses für eine Willenserklärung 109 Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 1 WpPG bezieht sich das Widerrufsrecht generell auf Willenserklärungen, die vor der Veröffentlichung des Nachtrags abgegeben wurden. Diese Willenserklärungen müssen zudem auf den Erwerb oder die Zeichnung der Wertpapiere gerichtet sein. Aus dieser Verbindung lässt sich im Wege einer teleologischen Reduktion ableiten, dass eine Kausalität zwischen dem nachtragspflichtigen Umstand und der Willenserklärung bestehen muss. MaW heißt dies, dass der Nachtragsinhalt auch geeignet hätte sein müssen, gegebenenfalls eine andere Anlageentscheidung des Anlegers hervorzurufen. Nur in diesem Fall sind die Interessen des Anlegers schutzwürdig. 110 In § 16 Abs. 1 WpPG wird nicht danach differenziert, ob die Willenserklärung bereits vor dem Eintritt des nachtragspflichtigen Umstands oder erst nach dem Eintritt des nachtragspflichtigen Umstands abgegeben wurde. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs (vgl. bereits oben Rz. 15) ist das Widerrufsrecht im Fall von nach der Billigung eingetretenen, wichtigen neuen Umständen zeitlich zu begrenzen1. Anleger, die eine Willenserklärung bereits vor dem Eintritt des neuen Umstands abgegeben haben, sollen danach von dem Widerrufsrecht nicht profitieren2. Sofern es sich bei den nachzutragenden Informationen dagegen um wesentliche Unrichtigkeiten handelt, die typischerweise bereits im Zeitpunkt der Billigung des Prospekts vorliegen (vgl. oben Rz. 31), unterliegt das Widerrufsrecht keiner entsprechenden Einschränkung3.

1 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/4999, S. 36 f. (Begründung zu § 16 Abs. 3 WpPG); kritisch zu dieser Einschränkung des Widerrufsrechts der Anleger Rauch in Holzborn, § 16 WpPG Rz. 24. 2 Vgl. auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 159. 3 So wie hier auch Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 19.

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Diskutiert wird darüber hinaus, ob das Widerrufsrecht auch auf die Fälle zu 111 beschränken ist, in denen die neuen Umstände bzw. die korrigierten Unrichtigkeiten negativ für den Anleger sind1. Soweit in dem Nachtrag positive Umstände dargestellt werden (vgl. oben Rz. 40), hätte sich der Nachtrag wohl kaum in der Form ausgewirkt, dass der Anleger seine Willenserklärungen auf den Erwerb oder die Zeichnung der Wertpapiere nicht abgegeben hätte. Die Einräumung eines Widerrufsrechts wäre im Fall der Aufnahme von neuen positiven Umständen oder im Fall einer für den Anleger positiven Korrektur von Unrichtigkeiten daher in der Tat nicht billig. Vor diesem Hintergrund wurde eine entsprechende Einschränkung des Widerrufsrechts bereits auf Ebene der Richtlinie auch durch den ESME-Bericht gefordert (siehe oben Rz. 26)2. In der Praxis wird es aber regelmäßig schwer zu bestimmen sein, ob ein Umstand tatsächlich (ausschließlich) positiv oder negativ für den Anleger ist (vgl. oben Rz. 40). Weiterhin wird diskutiert, ob dem Anleger das Widerrufsrecht gegebenen- 112 falls dann zu versagen ist, wenn er seine Willenserklärung zwar nach Eintritt des nachtragspflichtigen Umstands abgegeben hat, aber bereits vor Abgabe dieser Willenserklärung der Emittent eine Ad-hoc-Mitteilung über den nachtragspflichtigen Umstand veröffentlicht hat (zum Verhältnis der Adhoc-Pflicht gegenüber der Nachtragspflicht siehe unten Rz. 132 ff.). Aus den Wortlauten des § 15 WpHG bzw. des § 16 Abs. 3 Satz 1 WpPG ist eine derartige Einschränkung des Widerrufrechts nicht ableitbar. Für eine teleologische Reduktion des Widerrufsrechts spricht aber der Rechtsgedanke des § 45 Abs. 2 Nr. 3 BörsG3: Jedenfalls dann, wenn der Anleger von der Ad-hocMitteilung Kenntnis hat, steht ihm demnach ein Widerrufsrecht nicht zu. Ein darüber hinausgehende generelle Begrenzung des Widerrufsrechts in dem Fall, dass der Anleger zwar keine keine positive Kenntnis von der Adhoc-Mitteilung hatte, der Emittent aber zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung des Anlegers die Ad-hoc-Mitteilung bereits veröffentlicht hatte, ist fraglich, da die Ad-hoc-Mitteilung in gewissen Konstellationen parallel zur Nachtragspflicht zur Anwendung kommt (vgl. unten Rz. 132)4.

1 Für eine Begrenzung des Widerrufsrechts in diesem Fall Friedl/Ritz in Just/Voß/ Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 160; anders dagegen Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (86). 2 Vgl. dazu Kullmann/Metzger, WM 2008, 1292 (1297). 3 Rauch in Holzborn, § 16 WpPG Rz. 25; Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 162 f. 4 Weitergehend Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (507) sowie Müller/Oulds, WM 2007, 573 (577), wonach sich ein Anleger, der sein Widerrufsrecht ausüben möchte, obwohl bereits eine Ad-hoc-Meldung hinsichtlich des nachtragspflichtigen Umstands veröffentlicht worden ist, den Einwand widersprüchlichen Verhaltens entgegenhalten lassen muss, wobei insoweit nicht danach differenziert wird, ob der Anleger positive Kenntnis von der Ad-hoc-Mitteilung hatte oder nicht.

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b) Dauer der Ausübung des Widerrufsrechts 113 Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 WpPG kann das Widerrufsrecht nur innerhalb von zwei Werktagen nach der Veröffentlichung des Nachtrags erfolgen. Insofern gewinnt die Frage an Bedeutung, wann tatsächlich der Nachtrag veröffentlicht wurde, insbesondere ob der Nachtrag unverzüglich nach der Billigung durch die BaFin veröffentlicht wurde (vgl. dazu oben Rz. 100). 114 Für die Ermittlung der Widerrufsfrist sind dabei die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen, insbesondere die §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB, maßgeblich. Durch die Frist soll ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen des Emittenten und den Interessen des Anlegers stattfinden. Im Vergleich zu Art. 16 Abs. 2 Prospektrichtlinie hat der deutsche Gesetzgeber die Mindestvorgaben der Prospektrichtlinie erfüllt, da die Prospektrichtlinie eine Widerrufsfrist von „mindestens“ zwei Werktagen vorschreibt. Im Zuge der Überarbeitung der Prospektrichtlinie soll diese Frist EU-weit einheitlich auf zwei Tage festgesetzt werden (vgl. oben Rz. 27). c) Begrenzung des Widerrufsrechts durch die Erfüllung 115 Ein Widerrufsrecht nach § 16 Abs. 3 Satz 1 WpPG besteht nur dann, wenn noch keine Erfüllung eingetreten ist1. Diese Begrenzung war im Regierungsentwurf für das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz noch nicht enthalten und geht auf einen Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestages zurück (siehe oben Rz. 10). 116 Eine „Erfüllung“ tritt mit Lieferung der Wertpapiere und Zahlung des Kaufpreises ein2. Die Veröffentlichung des Nachtrags muss dementsprechend vor Lieferung der Wertpapiere bzw. Zahlung des Kaufpreises erfolgt sein, damit ein Widerrufsrecht des Anlegers besteht. Damit ist es dem Anleger zumindest ab dem Zeitpunkt der Erfüllung nicht mehr möglich, seine einmal getroffene Investitionsentscheidung zu Lasten des Emittenten ex post zu widerrufen3. Möglich bleibt der Widerruf aber grundsätzlich während noch laufender Zeichnungsphasen eines Wertpapiers, da die Erfüllung in der Regel erst nach Ende der Zeichnungsphase mit der Valuta der Wertpapiere eintreten wird4. Durch die Begrenzung des Widerrufsrechts auf die noch nicht erfüllten Rechtsgeschäfte wird sichergestellt, dass sich das wirtschaftliche Risiko aufgrund von Nachträgen und des daraus resultierenden Widerrufsrechts für den Emittenten in einem überschaubaren Rahmen hält. 117 Im Verhältnis zu Art. 16 Abs. 2 Prospektrichtlinie ist diese Besonderheit des deutschen Rechts nicht ganz unproblematisch. Da die Prospektrichtlinie insoweit aber weit gefasst ist und sich die Widerrufsmöglichkeit auf eine „Zusage“ zum Erwerb oder Zeichnung der Wertpapiere vor der Veröffentlichung 1 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373, S. 50. 2 So auch Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1075). 3 Vgl. auch Boos/Preuße, Kreditwesen 2005, 523 (525). 4 Boos/Preuße, Kreditwesen 2005, 523 (525).

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eines Nachtrags bezieht, kann argumentiert werden, dass sich die derzeitige Regelung in § 16 Abs. 3 Satz 1 WpPG noch in dem durch die Prospektrichtlinie vorgegebenen Rahmen befindet1. Es ist aber hilfreich, wenn entsprechend dem Kompromissvorschlag vom 28.5.2010 zur Überarbeitung der Prospektrichtlinie auch in Art. 16 Abs. 2 Prospektrichtlinie eine Klarstellung aufgenommen werden soll, dass das Widerrufsrecht auch durch die Lieferung der Wertpapiere beschränkt werden soll (vgl. oben Rz. 27). Zu beachten ist, dass sich ein Emittent gegenüber einem Anleger, der von 118 seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen will, kaum auf die Erfüllung berufen kann, wenn er eine verspätete Veröffentlichung des Nachtrags, die zum Eintritt der Erfüllung geführt hat, zu vertreten hat. Dies wäre dann der Fall, wenn der Emittent zB bei einem laufenden öffentlichen Angebot im Rahmen der Zeichnungsphase eines Wertpapiers einen Nachtrag bewusst erst nach der Zeichnungsphase und der mittlerweile eingetretenen Valuta bei der BaFin einreicht und entsprechend der Nachtrag auch erst nach der Valuta veröffentlicht wird (siehe oben Rz. 77). Problematisch ist in der Praxis aber weniger die Verzögerung der Veröffentlichung eines Nachtrags durch einen Umstand in der Sphäre des Emittenten, sondern die Tatsache, dass das Billigungsverfahren für den Nachtrag einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Dies kann kaum zu Lasten des Emittenten gehen, da er die Verfahrensdauer für die Billigung eines Nachtrags kaum beeinflussen kann (zur Kritik am Billigungserfordernis und den entsprechenden Fristbestimmungen bei Nachträgen vgl. bereits oben Rz. 96). 3. Ausübung des Widerrufsrechts § 16 Abs. 3 Satz 2 WpPG erklärt für die Ausübung des Widerrufs § 8 Abs. 1 Satz 3 bis 5 WpPG für anwendbar mit der Ergänzung, dass der Widerruf an die im Nachtrag als Empfänger des Widerrufs bezeichnete Person zu richten ist (zur Belehrung über das Widerrufsrecht im Nachtrag siehe oben Rz. 87). In der Regel wird in der Praxis der Emittent als Empfänger des Widerrufs im Nachtrag angegeben. Denkbar ist es aber auch, dass ein Vertriebspartner als Empfänger des Widerrufs genannt wird.

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Der Widerruf gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 bis 5 WpPG muss keine Begründung 120 enthalten und in Textform (siehe dazu § 126b BGB) innerhalb von zwei Werktagen nach Veröffentlichung des Nachtrags erklärt werden. Zur Fristwahrung des Widerrufs reicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 4 WpPG die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung aus. Ein dem Anleger neben dem Widerrufsrecht nach § 16 Abs. 3 WpPG in ir- 121 gendeiner Form vertraglich zugesichertes Widerrufsrecht oder sonstiges gesetzliches Widerrufsrecht kann dem Widerrufsrecht nach § 16 Abs. 3 WpPG nur vorgehen, wenn das vertraglich zugesicherte oder sonstige gesetzliche Widerrufsrecht für den Anleger weiter geht, als das ihm nach § 16 Abs. 3 1 Ausführlich dazu Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 153.

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Nachtrag zum Prospekt

WpPG eingeräumte Widerrufsrecht1. Damit ein vertraglich vereinbartes Widerrufsrecht dem Widerrufsrecht nach § 16 Abs. 3 WpPG vorgeht, ist dementsprechend erforderlich, dass das vertragliche Widerrufsrecht sowohl hinsichtlich seiner Voraussetzungen als auch hinsichtlich seiner Rechtsfolgen für den Anleger günstiger ist als § 16 Abs. 3 WpPG (zum Widerrufsrecht im Rahmen des Bookbuilding-Verfahrens siehe § 8 WpPG Rz. 43). 4. Rechtsfolgen des Widerrufs 122 Die Rechtsfolgen eines Widerrufs ergeben sich aus § 16 Abs. 3 Satz 2 WpPG iVm. § 8 Abs. 1 Satz 5 WpPG, dh. es finden die Regelungen über den Rücktritt nach § 357 BGB entsprechende Anwendung. 123 Die Regelung ist nicht ganz schlüssig, da ein Rückabwicklungsverhältnis typischerweise neben der Rechtsfolge des Erlöschens der Leistungspflichten die Pflicht beinhaltet, die bereits erhaltenen Leistungen zurückzugewähren. Dies ist bei einem Widerruf durch den Anleger aber regelmäßig nicht relevant, da das Widerrufsrecht nur besteht, wenn noch keine Erfüllung eingetreten ist. Die Erklärung dafür ist letztlich im Gesetzgebungsverfahren begründet. Der Bundesrat hatte im Zusammenhang mit seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vorgeschlagen, in § 16 Abs. 3 WpPG lediglich auf § 8 Abs. 1 Satz 3 und 4 WpPG zu verweisen, um klarzustellen, dass bereits abgeschlossene Rechtsgeschäfte nicht mehr widerrufen werden können2. Infolge der Stellungnahme des Bundesrates hatte der Finanzausschuss in § 16 Abs. 3 Satz 1 WpPG eine Klarstellung aufgenommen, wonach das Widerrufsrecht nicht eingreifen solle, wenn das Geschäft bereits erfüllt sei (siehe oben Rz. 10). Dementsprechend macht der Verweis in § 16 Abs. 3 Satz 2 WpPG auf § 8 Abs. 1 Satz 5 WpPG kaum Sinn3.

V. Besonderheiten bei Aktienemissionen (Schlitt/Schäfer) 1. Zeitliche Reichweite der Nachtragspflicht 124 Tritt nach Prospektbilligung ein wichtiger neuer Umstand ein oder kommt eine wesentliche Unrichtigkeit des Prospekts zu Tage4, muss dies in einem nach Billigung durch die BaFin zu veröffentlichenden Nachtrag offen gelegt

1 Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 166. 2 Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, BTDrucks. 15/5219, S. 3 f. 3 Vgl. auch Becker in Heidel, § 16 WpPG Rz. 20 sowie Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/ Zeising, § 16 WpPG Rz. 168 ff. 4 Nach CESR kann dies insbesondere bei der Veröffentlichung von Zwischenfinanzinformationen und Gewinnprognosen der Fall sein; siehe CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 19 bis 23.

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Schlitt/Schäfer

Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

werden (§ 16 Abs. 1 WpPG)1. Auch die Zusammenfassung ist entsprechend zu korrigieren (§ 16 Abs. 2 WpPG)2. Wie bei Debt-Emissionen beginnt die Nachtragspflicht bei Aktienemissionen erst mit der Billigung des Prospekts. Während des Billigungsverfahrens gilt die Aktualisierungspflicht, die sich aus dem Gebot der Richtigkeit und Vollständigkeit (§ 5 Abs. 1 WpPG; siehe dazu die Kommentierung zu § 5 WpPG Rz. 11 ff.) ergibt und der durch bloße Berichtigung der finalen Antragsfassung des Prospekts genügt werden kann3.

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Die Nachtragspflicht endet mit dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder der Einführung oder Einbeziehung in den Handel (§ 16 Abs. 1 Satz WpPG)4. Dieses Fristende betrifft allein die formelle Nachtragspflicht nach § 16 Abs. 1 WpPG. Soll der Prospekt ausnahmsweise für weitere Emissionen verwendet werden, kann er auch nach dem Schluss des öffentlichen Angebots oder der Einführung in den Handel durch Nachträge aktualisiert werden, um so seine Gültigkeit für bis zu zwölf Monate zu bewahren (§ 9 Abs. 1 WpPG). Ansonsten findet nach dem Ende der Nachtragspflicht eine Aktualisierung des Prospekts, insbesondere im Hinblick auf § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG, durch Berichtigungen im Jahresabschluss, Zwischenabschluss und vor allem in Form von Ad-hoc-Mitteilungen nach § 15 WpHG statt5. Eine gewisse Aktualisierung in Gestalt einer Informationszusammenfassung ergibt sich außerdem aus der Veröffentlichung des jährlichen Informationsdokuments nach § 10 WpPG6, die jedoch inhaltlich nicht über die bereits veröffentlichten Informationen hinausgeht.

126

Nach dem Wortlaut gilt die Nachtragspflicht bis zum Ende des öffentlichen Angebots oder bis zur Notierungsaufnahme. Typischerweise liegt bei einer Aktienemission das Ende des öffentlichen Angebots vor der Notierungsaufnahme, so dass die Frage der Dauer von großer praktischer Relevanz ist7.

127

1 Siehe dazu auch Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (507); Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (256 f.). Aufgrund möglicher Haftungsfolgen in anderen Jurisdiktionen ist auch die englische Übersetzung des Prospekts, die häufig für Zwecke der Privatplatzierung im Ausland erstellt und verwendet wird, um entsprechende Nachträge (supplements) zu erweitern und diese den Investoren zugänglich zu machen. 2 Kritisch zur Nachtragspflicht Crüwell, AG 2003, 243 (251). 3 Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 3. 4 Ekkenga, BB 2005, 561 (564). 5 Zur Aktualisierungspflicht bis sechs Monate nach der Einführung siehe Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 59 ff. mwN; siehe auch CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 34. Zur geplanten Aufhebung der Verpflichtung zur Veröffentlichung eines jährlichen Dokuments Commission’s draft proposal related to the intended recast of the Prospectus Directive in the context of the Action Programme for Reducing Administrative Burdens in the European Union aus 2008. 6 Siehe hierzu die Kommentierung zu § 10 WpPG. 7 Zum zeitlichen Ablauf siehe Ries in Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, S. 43.

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§ 16 WpPG

Nachtrag zum Prospekt

Die BaFin vertrat vorübergehend die bereits im Gesetzgebungsverfahren geäußerte Auffassung1, dass die Nachtragspflicht mit dem Ende der Angebotsfrist endet. Die Praxis der BaFin hat sich jedoch in der jüngeren Vergangenheit dahingehend geändert, dass die Nachtragspflicht bei öffentlichen Angeboten im Grundsatz erst mit der Notierungsaufnahme endet, auch wenn diese nach dem Ende des öffentlichen Angebots liegt2. Die EU-Kommission hat im jüngsten Vorschlag zur Änderung der Prospektrichtlinie favorisiert, auf das spätere der beiden Ereignisse abzustellen3. 2. Verhältnis zur Nichtaufnahme von Angaben nach § 8 Abs. 1 WpPG 128 § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG regeln die Voraussetzungen für eine Nichtaufnahme des Emissionspreises und Emissionsvolumens in den Prospekt. Nicht geregelt ist, wie bei einer Änderung der üblicherweise vor Beginn des Angebots festgelegten Preisspanne während des laufenden Angebots zu verfahren ist. Da die Veröffentlichung des endgültigen Emissionspreises keinen nachtragspflichtigen Umstand darstellt, sofern dieser innerhalb der zuvor genannten Preisspanne liegt, ist richtigerweise davon auszugehen, dass auch die Änderung der Preisspanne während des laufenden Angebots nicht nachtrags-, sondern lediglich veröffentlichungspflichtig ist, wenn auf eine mögliche Änderung der Bookbuilding-Spanne bereits im Angebot hingewiesen wurde und/oder die Änderung nicht wesentlich ist4. Die BaFin geht jedoch im Regelfall von einem Nachtragserfordernis im Falle einer Änderung der Preisspanne aus5. Eine Nachtragsrelevanz kann sich aus weitergehenden inhaltlichen Auswirkungen vorgenommener Änderungen der Preisspanne und des erwarteten Emissionsvolumens ergeben6, zB im Falle einer daraus resultierenden, zuvor nicht im Prospekt berücksichtigten wesentlichen Än-

1 Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, BTDrucks. 15/5219, S. 3 f. So auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 72; Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (256 Fn. 73); Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (87); Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (320). 2 Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (536); der Auffassung der BaFin entsprechend Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 372. 3 Nr. 14 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, 10254/10 v. 28.5.2010 4 Siehe schon Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (261); Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 8a; siehe dazu auch die Kommentierung zu § 8 WpPG Rz. 9 ff., 25. 5 So auch Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 6. 6 Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 8; Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 5 f.; Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (536).

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Schlitt/Schäfer

Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

derung der Mehrheitsverhältnisse, insbesondere im Hinblick auf die Kontrolle über den Emittenten1. Zum Fall der Aufnahme eines Höchstpreises siehe die Kommentierung zu § 8 WpPG Rz. 17 f.

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Aufgrund der Privilegierung des § 8 Abs. 1 Satz 6 WpPG ist für die Ver- 130 öffentlichung des endgültigen Emissionspreises und Emissionsvolumens keine Nachtragsveröffentlichung erforderlich. Die von diesen abhängigen Angaben, etwa des endgültigen Emissionserlöses und der endgültigen Emissionskosten, sind im Regelfall keine wesentlichen neuen Informationen, da sie regelmäßig innerhalb der im Prospekt angegebenen Spannen liegen bzw. sich bereits aus den im Prospekt veröffentlichten Preisspanne errechnen lassen2. Eine Nachtragspflicht bezüglich dieser vom Emissionspreis und Emissionsvolumen abhängigen Informationen besteht daher nur ausnahmsweise dann, wenn sie nicht bereits durch die im Prospekt genannten Angaben gedeckt sind und von diesen mehr als geringfügig abweichen. Eine solche geringfügige Über- bzw. Unterschreitung dürfte, wie nach der Praxis der SEC, auf Grundlage einer 20 %-Schwelle zu beurteilen sein3. Vor Inkrafttreten des WpPG wurde zur Vorgängerregelung des § 11 VerkProspG aF teilweise eine 10 %-Grenze unter Verweis auf § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VerkProspG aF angenommen4. Wird das Decoupled Bookbuilding-Verfahren zur Preisfestsetzung angewandt, lässt sich die Veröffentlichung eines Nachtrags nach der Praxis der BaFin nicht vermeiden. Während beim Bookbuilding-Verfahren eine Preisspanne5 für den Angebotspreis bereits im Prospekt enthalten ist, wird beim Decoupled Bookbuilding der Prospekt zunächst ohne jegliche Preisangabe veröffentlicht und die Preisspanne erst nach sondierenden Gesprächen mit Investoren festgelegt und im Wege des gebilligten Nachtrags veröffentlicht6. Sie sind daher nach der Praxis der BaFin im Wege eines Nachtrags nach § 16

1 Zu den hierzu erforderlichen Prospektangaben siehe die Kommentierung zu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 155 ff. 2 So auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 71; aA wohl Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 61 Fn. 155; Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (87 Fn. 72). 3 So bereits Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (261); Rule 430A, Instruction to paragraph (a), of the General Rules and Regulations promulgated under the Securities Act of 1933 (http://www.law.uc.edu/CCL/33ActRls/rule430A.html). 4 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 11 VerkProspG Rz. 16; Heidelbach in Schwark, § 11 VerkProspG Rz. 12. 5 Nach Auffassung der BaFin darf der untere Wert der Preisspanne nicht mehr als 50 % unter dem oberen Wert der Preisspanne liegen, um zu vermeiden, dass rein fiktive Preisangaben in den Prospekt aufgenommen werden. 6 Mit Beispielen zu den verschiedenen Angebotsverfahren Ponick in Grunewald/ Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 213/214. Siehe dazu auch Schlitt/ Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 102 sowie die Kommentierung zu § 8 WpPG Rz. 21 ff.

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§ 16 WpPG

Nachtrag zum Prospekt

WpPG zu veröffentlichen, den die BaFin, wenn möglich, taggleich billigt1. Hingegen werden der endgültige Emissionspreis und das Emissionsvolumen wie im Falle des Bookbuilding-Verfahrens gemäß § 8 Abs. 1 Satz 6 WpPG nach Abschluss des Angebots veröffentlicht2. 3. Verhältnis zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG 132 Die Gesetzesbegründung differenziert im Hinblick auf das Verhältnis des § 15 WpHG zu § 16 WpPG je nachdem, ob der Prospekt für Zwecke der Zulassung an einem organisierten Markt dient3. Danach besteht in dem Fall, dass der Prospekt allein für Zwecke eines öffentlichen Angebots ohne Zulassung erstellt wurde, ein Vorrang des § 15 WpHG vor § 16 WpHG in dem Sinne, dass es keines zusätzlichen Nachtrags, sondern lediglich der Ergänzung des Prospekts um einen (nicht dem Billigungserfordernis unterliegenden) Hinweis auf die Ad-hoc-Veröffentlichung bedarf4, wobei dies richtigerweise einer freiwilligen Nachtragsveröffentlichung nicht entgegen steht5. Hingegen sieht der Gesetzgeber im Falle, dass der Prospekt auch für Zwecke der Zulassung an einem organisierten Markt dient, aufgrund der besonderen Anlagestimmung keinen Vorrang des § 15 WpHG vor § 16 WpPG, sondern ein Nebeneinander beider Bestimmungen vor6. 133 Die Anwendungsbereiche des § 16 WpPG und § 15 WpHG überschneiden sich damit im Falle einer Börsenzulassung sowohl zeitlich als auch inhalt-

1 Siehe auch Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8 WpPG Rz. 2. 2 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (505). 3 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 36. 4 Vgl. A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 76; Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 13; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 248; Kullmann/Sester, WM 2005, 1068, 1075; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, Rz. 555. Kritisch: Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 19; Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1674); Müller/Oulds, WM 2007, 573 (577). Da die Ad-hoc-Mitteilung bereits das Publikum über eine etwaige Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit aufklärt, besteht kein Prospekthaftungsanspruch jedenfalls bei Erwerb der angebotenen Wertpapiere nach Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung. 5 Eine solche freiwillige Erstellung bietet sich aus Haftungsgesichtspunkten je nach den Umständen an, wenn der Prospekt zuvor unrichtig oder unvollständig war, bereits abgegebene Willenserklärungen, die auf den Erwerb der angebotenen Wertpapiere gerichtet sind, sonst nicht mehr widerruflich wären und den Anlegern mit der Hinweisveröffentlichung nicht freiwillig ein Widerrufsrecht eingeräumt wurde. Dazu auch Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 179. 6 Dem wird überwiegend im Schrifttum gefolgt, so A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 76; Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 13; Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1075); kritisch: Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 19.

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Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

lich1. Da die Ad-hoc-Pflicht mit der Stellung des Zulassungsantrags einsetzt, § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG2 und der Zulassungsantrag erst wenige Tage vor der Zulassung gestellt werden muss3, ist die Überschneidung der Anwendungsbereiche jedoch in zeitlicher Hinsicht beschränkt4. Finden beide Regelungen Anwendung, so ist die Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG ohne Rücksicht auf die noch ausstehende Billigung und Veröffentlichung des Nachtrags zu veröffentlichen, während der Nachtrag dem nachfolgt5. In inhaltlicher Hinsicht wird teilweise trotz des weitergehenden Wortlauts 134 des § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG angenommen, dass eine Nachtragspflicht zugleich stets eine Ad-hoc-Pflicht auslöse6. Dies lässt jedoch außer Betracht, dass die Nachtragspflicht des § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG auch an die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Mindestangaben nach den Anhängen der ProspektVO anknüpfen kann, ohne dass es auf deren Kurserheblichkeit ankäme7. Daher führt nicht jeder Nachtrag zu einer Ad-hoc-Pflicht. Insbesondere bei Nachträgen, mit denen Angaben zur Angebotsstruktur nachgetragen werden, wie es bei Börsengängen mit Decoupled Bookbuilding-Angebotsstruktur typischerweise der Fall ist, ist grundsätzlich mangels zu diesem Zeitpunkt beeinflussbarem Markt- oder Börsenpreis keine Ad-hocMitteilung erforderlich8. Umgekehrt ist bei Vorliegen einer ad-hoc-pflichtigen Information in aller Regel eine Pflicht zur Nachtragsveröffentlichung anzunehmen9. Läge im Grundsatz eine Ad-hoc-Pflicht vor, würde jedoch eine Befreiung 135 nach § 15 Abs. 3 WpHG eingreifen, so dass sich die Frage stellt, ob die Nachtragspflicht unabhängig davon greift oder ob auch der Nachtrag aufgeschoben werden kann. Die Befreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG würde fak-

1 Kritisch hierzu Ekkenga, BB 2005, 561 (564). 2 Zur Ad-hoc-Pflicht umfassend Parmentier, NZG 2007, 407 ff. 3 Nach § 50 BörsZulV muss der Zulassungsantrag spätestens am Tag vor der Zulassung gestellt werden. Die Geschäftsleitung der Börse benötigt jedoch einen gewissen Vorlauf für das Zulassungsverfahren, so dass idR der Zulassungsantrag in Abstimmung mit der Börse ca. eine Woche vor der Zulassung gestellt wird. 4 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 75. 5 Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (536). 6 Apfelbacher/Metzer, BKR 2006, 81 (85 f.). 7 Zum weiteren Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 WpPG vgl. auch Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 364; Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 3. 8 Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 366. 9 Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (536); Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 175; zum Verhältnis der Nachtragspflicht zur Ad-hoc-Pflicht siehe auch Ponick in Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, S. 218; Hamann in Schäfer/Hamann, § 16 WpPG Rz. 30 ff. Für die Einführung einer Subsidiaritätsregel iS des § 10 Abs. 6 WpÜG de lege ferenda Ekkenga, BB 2005, 561 (564), de lege lata im Falle eines IPO Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 366.

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Nachtrag zum Prospekt

tisch konterkariert, würde dennoch eine unverzügliche Veröffentlichung eines Nachtrags gefordert werden1. Auf dieser Grundlage ließe sich argumentieren, dass auch der Nachtrag aufgeschoben werden kann. Jedoch würde eine Befreiung von der unverzüglichen Nachtragsveröffentlichung nach § 15 Abs. 3 WpHG mangels Privilegierung in §§ 44, 45 BörsG nicht vor etwaigen Prospekthaftungsansprüchen schützen. Diese können geltend gemacht werden, wenn der Prospekt zum Zeitpunkt der Erwerbsentscheidung unrichtig oder unvollständig war, die auf den Erwerb der angebotenen Wertpapiere gerichtete Erklärung des Anlegers vor der späteren Veröffentlichung der Adhoc-Mitteilung erfolgte und ein Widerruf weder nach den allgemeinen Grundsätzen für Bookbuilding-Verfahren nach der Veröffentlichung der Adhoc-Mitteilung noch nach der späteren Nachtragsveröffentlichung (etwa aufgrund zwischenzeitlicher Erfüllung) erklärt werden konnte2. 4. Verlängerung des öffentlichen Angebots 136 Die Billigungspflicht für Nachträge, das Widerrufsrecht der Anleger und die hierdurch entstehende Unsicherheit über die Anzahl der verkauften Wertpapiere können die Durchführung eines Angebots erheblich beeinträchtigen3. Da ein gebilligter Prospekt Voraussetzung für die Zulassung der Aktien ist (§ 3 Abs. 3 WpPG), verzögert sich bis zur Billigung eines Nachtrags deren Zulassung zum Börsenhandel. In diesem Zusammenhang stellt sich regelmäßig die Frage, ob bei Einreichung eines Nachtrags zur Billigung auch das öffentliche Angebot zu verlängern ist. Da die Anleger bei kurserheblichen Informationen schon vor Billigung und Veröffentlichung des Nachtrags durch die Ad-hoc-Mitteilung des Emittenten informiert werden und sie zumindest nach der bisher herrschenden Meinung im Schrifttum ohnehin jederzeit Abstand von ihren Kaufangeboten nehmen können4, können sie die neue Information bereits vor der Nachtragsveröffentlichung in ihre Anlageentscheidung einfließen lassen, so dass kein Bedürfnis für eine zwingende Verlängerung der Angebotsfrist bis zur Veröffentlichung des gebilligten Nachtrags und zu einem darauf folgenden Widerruf besteht5. Einem späteren Widerruf müssten sie sich darüber hinaus nach richtiger Ansicht den

1 Schanz, Börseneinführung, § 13 Rz. 65; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (507); wohl auch Rauch in Holzborn, WpPG, 2008, § 16 WpPG Rz. 29. 2 So auch Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 23/24. Zum Widerrufsrecht siehe oben Rz. 107 ff. sowie die Kommentierung zu § 8 WpPG Rz. 32 ff. 3 Zu Recht kritisch Crüwell, AG 2003, 243 (251); Kunold/Schlitt BB 2004, 501 (510). 4 Zur fehlenden Bindungswirkung von Kaufangeboten im Bookbuilding vgl. Groß in Bosch/Groß, Emissionsgeschäft, Bankrecht und Bankpraxis, Loseblatt, Stand 2003, Rz. 10/266; Groß, ZHR 162 (1998), 318 (329); Lenenbach, Kapitalmarktund Börsenrecht, Rz. 7.96; Willamowski, Bookbuilding, Rz. 446 ff.; Hein, WM 1996, 1 (4). 5 Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 99.

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Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

Einwand widersprüchlichen Verhaltens entgegenhalten lassen1. Die Notwendigkeit zur Verlängerung des Angebots kann sich aber daraus ergeben, dass erst nach Ablauf der Nachtragsfrist und der sich anschließenden Widerrufsfrist endgültig feststeht, wie viele Aktien aufgrund des Nachtrags nicht abgenommen wurden und demzufolge noch zu platzieren sind. Die begleitende Bank wird daher im Einzelfall gemeinsam mit dem Emittenten entscheiden, ob das Angebot verlängert werden soll. 5. Verschiebung der Emission In Zeiten volatiler Märkte, aufgrund einer unvorhergesehenen negativen Marktentwicklung oder in Fällen quantitativ oder qualitativ nicht befriedigender Nachfrage, kommt es bei Aktienemissionen, insbesondere Börsengängen, bisweilen zur Verschiebung der geplanten Emission.

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Entscheidet sich der Emittent gemeinsam mit den Emissionsbanken zur 138 Verschiebung noch vor der Prospektbilligung, äußert sich diese Entscheidung im Hinblick auf das laufende Prospektbilligungsverfahren durch eine Rücknahme des Billigungsantrags, die das Billigungsverfahren beendet. Wird das Emissionsvorhaben wieder aufgenommen, ist der Prospekt zu aktualisieren, der neue Zeitplan mit der BaFin abzustimmen und erneut ein Billigungsantrag zu stellen. Fällt die Entscheidung zur Verschiebung der Emission hingegen erst nach 139 der Prospektbilligung, möglicherweise sogar erst nach Beginn der Angebotsfrist, sind verschiedene Maßnahmen erforderlich. Wurde bereits ein Zulassungsantrag zur Zulassung von Aktien am regulierten Markt gestellt, ist der Emittent grundsätzlich nach § 15 Abs. 1 WpHG zur unverzüglichen Veröffentlichung der Verschiebung der Emission verpflichtet (Ad-hoc-Publizität). Anderenfalls wird es im Regelfall im Interesse des Emittenten legen, das angesprochene Publikum durch eine Pressemitteilung zu informieren. Aufgrund der mit der Verschiebung verbundenen Änderung der Angebotsbedingungen werden bereits abgegebene Orders hinfällig. Bei einer nur kurzfristigen Verschiebung bietet es sich an, den Prospekt durch einen Nachtrag zu aktualisieren. Dies ist auch dann erforderlich, wenn der Emittent und die Emissionsbanken sich entschließen, von dem geplanten öffentlichen Angebot gänzlich abzusehen und statt dessen eine reine Zulassung von Aktien oder auch eine Privatplatzierung von Aktien bei institutionellen Investoren anstelle des öffentlichen Angebots vorzunehmen, da der Prospekt auch in diesen Fällen Haftungsgrundlage bleibt, § 44 BörsG. Verschiebt sich die Emission für mehr als nur wenige Tage, so ist eine Aktualisierung per Nachtrag zwar von Gesetzes wegen möglich, solange die Zwölf-MonatsFrist des § 9 Abs. 1 WpPG gewahrt bleibt. Allerdings leidet die Darstellung, 1 Ähnlich zum Widerruf trotz Ad-hoc-Veröffentlichung vor der Anlageentscheidung Rauch in Holzborn, § 16 WpPG Rz. 25. Zum Einwand des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) Heinrichs in Palandt, § 242 BGB Rz. 55 ff. mwN.

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§ 16 WpPG

Nachtrag zum Prospekt

insbesondere, wenn ein neuer Abschluss in den Prospekt aufgenommen werden muss, aufgrund der Fülle der neuen Informationen derart, dass in diesen Fällen idR die Einreichung einer neuen Prospektfassung zur Billigung vorzugswürdig sein wird.

VI. Besonderheiten bei Schuldverschreibungsemissionen (Seitz) 1. Besonderheiten bei Schuldverschreibungen im Allgemeinen 140 Der wesentliche Unterschied von Schuldverschreibungsemissionen gegenüber Aktienemissionen besteht in der Frage der Beurteilung des Anlasses der Nachtragspflicht gemäß § 16 Abs. 1 WpPG. Während für die Bewertung einer Aktie vor allem die unternehmerischen Entscheidungen des Emittenten relevant sind, hängt die Bewertung von Schuldverschreibungen von der Fähigkeit des Emittenten ab, die fälligen Zahlungen entsprechend der Bedingungen für die Schuldverschreibungen leisten zu können (vgl. näher oben mit Hinweisen auf Einzelfälle Rz. 39). 141 Daneben ergeben sich Besonderheiten insbesondere aufgrund des Umstands, dass Schuldverschreibungen iS des § 793 BGB jedenfalls im Rahmen von Basisprospekten begeben werden können (vgl. § 6 WpPG Rz. 18 ff.), was in der Praxis das bei weitem überwiegende Prospektformat darstellt. 2. Besonderheiten bei Basisprospekten 142 Für Basisprospekte stellt § 6 Abs. 2 WpPG klar, dass auch im Fall von Basisprospekten die Nachtragspflicht gemäß § 16 WpPG Anwendung findet. Es stellen sich aber eine Reihe von besonderen Problemstellungen, die an anderer Stelle ausführlich behandelt (insbesondere § 6 WpPG Rz. 68 ff. WpPG) und im Folgenden noch einmal überblicksartig zusammengestellt werden: 143 – Die BaFin lehnt es ab, dass mittels eines Nachtrags die Produktpalette eines Basisprospekts erweitert wird (dazu in Zusammenhang mit der Nachtragsfähigkeit und dem Grundsatz des Verbots der sachlichen Erweitung des Billigungsgegenstandes oben Rz. 57 und § 6 WpPG Rz. 79). 144 – Nur bei Basisprospekten stellt sich das Problem, dass gegebenenfalls nachträglich ein neuer Emittent in einen Basisprospekt aufgenommen werden soll (dazu in Zusammenhang mit der Nachtragsfähigkeit und dem Grundsatz des Verbots der sachlichen Erweitung des Billigungsgegenstandes oben Rz. 58 und § 6 WpPG Rz. 70 f.). 145 – Zwischen dem Gegenstand eines Nachtrags und den in endgültigen Bedingungen aufnehmbaren Angaben zum Angebot ist strikt zu trennen (dazu in Zusammenhang mit der Nachtragsfähigkeit oben Rz. 54 f. und § 6 WpPG Rz. 72 ff.).

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Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

– Bezüglich einer Anpassung des Emissionsvolumens nach Prospektbil- 146 ligung ist bei Basisprospekten zwischen einer Einzel- und einer Rahmenerweiterung zu differenzieren (vgl. in Zusammenhang mit der Nachtragsfähigkeit und dem Grundsatz des Verbots der sachlichen Erweiterung des Billigungsgegenstandes oben Rz. 61 und § 6 WpPG Rz. 75). – In Zusammenhang mit Basisprospekten besteht in der Praxis häufig das 147 Bedürfnis den Prospekt mittels so genannter „Sammelnachträge“ auch über den Ablauf der Gültigkeit hinaus aktuell zu halten (dazu § 9 WpPG Rz. 86 f.). – Bei Basisprospekten bestehen Besonderheiten im Hinblick auf das zeitli- 148 che Erfordernis eines Nachtrags (siehe oben Rz. 79), insbesondere kann die Situation eintreten, dass aufgrund des Unterlassens eines Nachtrags der Prospekt seine Gültigkeit für künftige Emissionen verliert (dazu § 9 WpPG Rz. 40 und unten Rz. 150).

VII. Folgen einer Verletzung der Nachtragspflicht (Seitz) 1. Ungültigkeit des Prospekts bei Unterlassen der Einreichung eines Nachtrags Aus dem Unterlassen der Einreichung eines Nachtrags durch den Nach- 149 tragspflichtigen trotz des Eintritts eines nachtragspflichtigen Umstands folgt nicht zwingend die Ungültigkeit des Prospekts. Im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen der Gültigkeit des Prospekts und der Nachtragspflicht ist vielmehr zwischen künftigen Emissionen und laufenden Emissionen zu differenzieren (ausführlich § 9 WpPG Rz. 37 ff.): – Für künftige Emissionen ist der Verweis in § 9 Abs. 1 WpPG auf § 16 WpPG so auszulegen, dass jedenfalls vor dem Beginn eines neuen öffentlichen Angebots oder einer Zulassung von Wertpapieren zum organisierten Markt die Aktualisierung des Prospekts gemäß § 16 WpPG erfolgt sein muss (vgl. zum Zeitpunkt der Einreichung eines Nachtrags auch oben Rz. 75 ff., insbesondere Rz. 79).

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– Für laufende Emissionen behält der Prospekt dagegen seine Gültigkeit, auch wenn trotz Eintritts eines nachtragspflichtigen Umstands von dem Nachtragspflichtigen kein Nachtrag eingereicht wurde (zu den Konsequenzen im Hinblick auf die Prospekthaftung siehe unten Rz. 160 ff.).

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2. Befugnisse der BaFin Die Befugnis der BaFin zur Untersagung bzw. Aussetzung eines Angebots 152 gemäß § 21 Abs. 4 WpPG knüpft ua. an die Frage der Gültigkeit des Prospekts an (siehe auch § 9 WpPG Rz. 42). Dementsprechend kann die BaFin nur bei einem neuen öffentlichen Angebot auf der Grundlage eines beste-

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§ 16 WpPG

Nachtrag zum Prospekt

henden Prospekts das Angebot untersagen oder aussetzen, nicht aber bei bereits laufenden Angeboten (vgl. auch § 21 WpPG Rz. 23)1. 153 Das Unterlassen der Einreichung eines Nachtrags ist nicht bußgeldbewehrt, dh. ein öffentliches Angebot oder eine Zulassung von Wertpapieren am organisierten Markt, das auf der Basis eines Prospekts stattfindet, der nicht um einen erforderlichen Nachtrag aktualisiert wurde, löst keine Ordnungswidrigkeit aus. Dies gilt sowohl für bereits laufende Emissionen, als auch für künftige Emissionen. Für künftige Emissionen kann auch aus § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG nichts Gegenteiliges abgeleitet werden, da im Fall des Unterlassens der Einreichung eines Nachtrags ein Prospekt – auch wenn er gegebenenfalls nicht gültig ist – zumindest vorliegt. Der Tatbestand der Ordnungswidrigkeiten in § 30 Abs. 1 WpPG erwähnt § 9 WpPG gerade nicht und bestehende Ordnungswidrigkeitentatbestände können nicht ohne weiteres ausgedehnt werden (vgl. näher dazu und zu evtl. strafrechtlichen Konsequenzen § 30 WpPG Rz. 44). 154 Etwas anderes gilt lediglich im Fall eines Verstoßes gegen die Veröffentlichungspflicht in Bezug auf einen gebilligten Nachtrag gemäß § 16 Abs. 1 Satz 4 WpPG. Wenn ein von der BaFin gebilligter Nachtrag entgegen § 16 Abs. 1 Satz 4 WpPG nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgesehenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht wurde, liegt gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 9 WpPG eine Ordnungswidrigkeit vor, die gemäß § 30 Abs. 2 WpPG mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann. Auch wenn dies somit im Ergebnis verwundern mag2, sind somit nur Formalverstöße bei der Nachtragspflicht als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt. 3. Nachtragspflicht und Prospekthaftung a) Prospekthaftung aufgrund eines inhaltlich fehlerhaften Nachtrags; Besonderheiten in Zusammenhang mit der Nachtragspflicht 155 Da der Nachtrag den Prospekt aktualisiert bzw. ihn berichtigt und wie ein Prospekt veröffentlicht wird, kann auch der Nachtrag selbst, sollte er inhaltlich fehlerhaft sein, Gegenstand der Prospekthaftung gemäß § 13 VerkProspG, §§ 44, 45 BörsG sein3. Grundsätzlich finden die allgemeinen Regeln in Zusammenhang mit einem fehlerhaften Prospekt Anwendung. 156 Darüberhinausgehend treten aber in Zusammenhang mit der Nachtragspflicht eine Reihe von besonderen Fragen bei der Beurteilung einer potentiellen Haftung ein: Von der Frage der Haftung für einen inhaltlich fehlerhaften Nachtrag zu unterscheiden sind nämlich die Fragen, inwiefern trotz 1 Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 186; Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 16; im Ergebnis wohl ähnlich Hamann in Schäfer/Hamann, § 16 WpPG Rz. 33. 2 Vgl. Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 188. 3 Hamann in Schäfer/Hamann, § 16 WpPG Rz. 27.

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Nachtrag zum Prospekt

§ 16 WpPG

eines inhaltlich richtigen Nachtrags eine Haftung für den nachträglich unvollständigen bzw. ursprünglich fehlerhaften Prospekt in Betracht kommt (unten Rz. 157 ff.) und inwiefern das Unterlassen eines Nachtrags trotz nachträglich eingetretener Nachtragspflicht haftungsrechtliche Konsequenzen auslösen kann (unten Rz. 160 ff.). b) Prospekthaftung aufgrund des vorübergehend fehlerhaften Prospekts Die Veröffentlichung eines Nachtrags ist als Berichtigung iS des § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG zu qualifizieren (vgl. dazu bereits oben Rz. 23)1. Soweit somit die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG erfüllt sind, scheidet eine Haftung für den ursprünglich fehlerhaften oder nachträglich unvollständigen Prospekt aus.

157

Für die Reichweite der Prospekthaftung in diesem Fall, kommt es entscheidend darauf an, ob der Anleger seine auf den Erwerb der Wertpapiere gerichtete Willenserkärung nach Veröffentlichung des Nachtrags oder vor Veröffentlichung des Nachtrags abgegeben hat (vgl. auch § 13 VerkProspG Rz. 68). Hat der Anleger seine Willenserklärung nach Veröffentlichung des Nachtrags abgegeben, kann er seine Erwerbsentscheidung nicht auf einen unrichtigen Prospekt gestützt haben und es stehen ihm somit keine Prospekthaftungsansprüche nach § 13 VerkProspG, §§ 44, 45 BörsG gegenüber dem Prospektverantwortlichen zu, da bei Abgabe der Willenserklärung des Anlegers gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG kein unrichtiger oder unvollständiger Prospekt mehr vorlag2.

158

Hat der Anleger hingegen seine auf den Erwerb der Wertpapiere gerichtete 159 Willenserklärung vor Veröffentlichung des Nachtrags abgegeben, heißt dies nicht zwangsläufig, dass damit auch eine Prospekthaftung eingreift. Gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG besteht eine Haftung nicht, wenn die Bekanntmachung „vor dem Abschluss des Erwerbsgeschäft“ erfolgt. Eine Prospekthaftung scheidet insbesondere dann aus, wenn der Anleger seine auf den Erwerb der Wertpapiere gerichtete Willenserklärung noch widerrufen kann. In Betracht kommt dies zB bei Bookbuilding-Verfahren, bei denen regelmäßig bis zur Zuteilung durch die Konsortialbanken keine bindende vertragliche Verpflichtung besteht3. Gleiches gilt in dem Fall, dass das Widerrufsrecht gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 WpPG besteht. Bei Ausübung seines Widerrufsrechts verliert der Anleger seine Prospekthaftungsansprüche gegenüber dem Emittenten, da es zu keinem Erwerb der Wertpapiere kommt. Aber auch in den Fällen, in denen ein Widerrufsrecht gemäß § 16 Abs. 3 WpPG besteht, dieses aber nicht ausgeübt wird, kann argumentiert werden, dass ein Prospekthaftungsanspruch ausscheidet. Wirtschaftlich ist das Bestehen eines Widerrufsrechts mit der Situation „vor Abschluss eines Erwerbsgeschäfts“

1 Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 193; Hamann in Schäfer/ Hamann, § 16 WpPG Rz. 27. 2 Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 198. 3 Vgl. Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 WpPG Rz. 196.

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Nachtrag zum Prospekt

vergleichbar, insbesondere besteht kein höheres Schutzbedürfnis des Anlegers1. c) Unterlassen der Einreichung eines Nachtrags trotz nachträglich eingetretener Nachtragspflicht 160 Im Fall des Unterlassens der Einreichung eines Nachtrags trotz des nachträglichen Entstehens der Nachtragspflicht gemäß § 16 Abs. 1 WpPG stellt sich die Frage, inwiefern dadurch eine Prospekthaftung ausgelöst wird. 161 Den Nachtragspflichtigen trifft in diesem Fall jedenfalls nicht die verschuldensunabhängige Prospekthaftung nach § 13a VerkProspG. Voraussetzung dieser Nom ist es, dass der Emittent es unterlassen hat, einen Prospekt zu veröffentlichen. Die Nachtragspflicht aufgrund eines neuen Umstands bezieht sich jedoch auf einen bereits veröffentlichten Prospekt, so dass die verschuldensunabhängige Prospekthaftung nach § 13a VerkProspG aufgrund eines veröffentlichten, jedoch nachtragspflichtigen Prospekts nicht greift (vgl. § 13a VerkProspG Rz. 5; ähnlich für den Fall eines Angebots nach Ablauf der Gültigkeit eines Prospekts, § 9 WpPG Rz. 92). 162 Es trifft den Prospektverantwortlichen aber grundsätzlich die Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44, 45 BörsG, wenn der Anleger Wertpapiere nach Eintritt eines nachtragspflichtigen Umstands erworben hat und noch kein Nachtrag durch den Emittenten erfolgt ist, da der Anleger auf die Richtigkeit des Prospekts vertraut hat2. 163 Die Voraussetzungen für die Prospekthaftung sind aber mangels der Kausalität der die Nachtragspflicht auslösenden Umstände für die Anlageentscheidung dann nicht erfüllt, wenn der neue Umstand erst nach Vertragsschluss entstanden ist, dh. bei Vertragsschluss ein richtiger Prospekt vorlag. Zudem ist die Prospekthaftung ausgeschlossen, wenn der Anleger bei Erwerb der Wertpapiere den nachtragspflichtigen Umstand kannte, da es an der erforderlichen Kausalität zwischen dem nicht aktualisierten Prospekt und dem Erwerb der Wertpapiere mangelt3. 164 Eine Prospekthaftung ist auch dadurch begrenzt, dass diese nur innerhalb der Sechsmonatsfrist gemäß § 44 Abs. 1 BörsG möglich ist, die mit dem Zeitpunkt der Einführung der Wertpapiere bzw. dem ersten öffentlichen Angebot beginnt und innerhalb derer das Erwerbsgeschäft abgeschlossen sein muss.

1 Im Ergebnis ebenso Friedl/Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 16 Rz. 205; Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 18; Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG, Rz. 23; zurückhaltend Hamann in Schäfer/Hamann, § 16 WpPG Rz. 27. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 17 (Fn. 27). 3 Hamann in Schäfer/Hamann, § 16 WpPG Rz. 27.

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Abschnitt 4 Grenzüberschreitende Angebote und Zulassung zum Handel § 17 Grenzüberschreitende Geltung gebilligter Prospekte (1) Soll ein Wertpapier auch oder ausschließlich in einem oder mehreren anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden, so ist unbeschadet des § 24 der von der Bundesanstalt gebilligte Prospekt einschließlich etwaiger Nachträge in beliebig vielen Aufnahmestaaten ohne zusätzliches Billigungsverfahren für ein öffentliches Angebot oder für die Zulassung zum Handel gültig, sofern die zuständige Behörde jedes Aufnahmestaates nach § 18 unterrichtet wird. (2) Sind seit der Billigung des Prospekts wichtige neue Umstände oder wesentliche Unrichtigkeiten im Sinne von § 16 aufgetreten, hat die Bundesanstalt vom Anbieter oder Zulassungsantragsteller die Einreichung eines Nachtrags zum Prospekt zur Billigung und dessen Veröffentlichung zu verlangen. Hat die Bundesanstalt Anhaltspunkte dafür, dass ein Nachtrag nach § 16 zu veröffentlichen ist, kann sie diese nach § 23 der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates übermitteln. (3) Ein von der zuständigen Behörde eines anderen Staates des Europäischen Wirtschaftsraums gebilligter Prospekt einschließlich etwaiger Nachträge ist in der Bundesrepublik Deutschland ohne zusätzliches Billigungsverfahren für ein öffentliches Angebot oder für die Zulassung zum Handel gültig, sofern die Bundesanstalt nach den § 18 entsprechenden Vorschriften des Herkunftsstaates unterrichtet wird und die Sprache des Prospekts die Anforderungen des § 19 Abs. 4 und 5 erfüllt. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga (Hrsg.), Kapitalmarktrecht, Das Recht der Wertpapieremissionen, Loseblatt; Fürhoff/Ritz, Richtlinienentwurf der Kommission über den Europäischen Pass für Emittenten, WM 2001, 2280; Heidelbach/Preuße, Einzelfragen in der praktischen Arbeit mit dem neuen Wertpapierprospektregime, BKR 2006, 316; von Ilberg/Neises, Die Richtlinien-Vorschläge der EU Kommission zum „Einheitlichen Europäischen Prospekt“ und zum „Marktmissbrauch“ aus Sicht der Praxis, WM 2002, 635; König, Die neue europäische Prospektrichtlinie – Eine kritische Analyse und Überlegungen zur Umsetzung in das deutsche Kapitalmarktrecht, ZEuS 2004, 251; König, Die neue EU-Prospektrichtlinie aus gemeinschaftsprivatrechtlicher Perspektive, GPR 3/03-4, 152; von Kopp-Colomb/Lenz, Angebote von Wertpapieren über das Internet, BKR 2002, 5; von Kopp-Colomb/Lenz, Der europäische Pass für Emittenten, AG 2002, 24; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – Zentrale Punkte des neuen Regimes für Wertpapieremissionen, WM 2005, 1068; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, Inhalt und

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Grenzüberschreitende Geltung gebilligter Prospekte

Auswirkungen auf das deutsche Kapitalmarktrecht, BB 2004, 501; Mattil/Möslein, Die Sprache des Emissionsprospekts – Europäisierung des Prospektrechts und Anlegerschutz, WM 2007, 819; Müller/Oulds, Transparenz im europäischen Fremdkapitalmarkt, WM 573; Sandberger, Die EU-Prospektrichtlinie – „Europäischer Pass für Emittenten“, EWS 2004, 297; Schanz/Schalast, Wertpapierprospekte, Markteinführungspublizität nach EU-Prospektverordnung und Wertpapierprospektgesetz 2005, 2006; Seitz, Das neue Wertpapierprospektrecht – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678; Seitz, Die Integration der europäischen Wertpapiermärkte und die Finanzmarktgesetzgebung in Deutschland, BKR 2002, 340; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schlitt/ Singhof/Schäfer, Aktuelle Rechtsfrage und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . .

1

II. Gemeinschaftsweite Geltung von Prospekten (§ 17 Abs. 1 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . .

7

III. Befugnisse der BaFin (§ 17 Abs. 2 WpPG) 1. Befugnis, die Einreichung und Veröffentlichung eines Nachtrags zu verlangen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 WpPG) . . .

2. Befugnis zur Übermittlung von Anhaltspunkten für eine Nachtragspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 2 WpPG) . . . . . . . . . . .

21

IV. Gültigkeit von nach Deutschland notifizierten Prospekten und Nachträgen (§ 17 Abs. 3 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 26 17

I. Normentwicklung 1

Grundlegendes Ziel der Prospektrichtlinie1 ist gemäß Erwägungsgrund 10 Prospektrichtlinie die Sicherstellung des Anlegerschutzes und der Markteffizienz in dem Europäischen Wirtschaftraum2. Zur Verwirklichung dieses Ziels galt es die in den Mitgliedstaaten3 bestehenden verschiedenen Regelungen für Prospekte, die öffentliche Angebote von Wertpapieren oder Zulassungen von Wertpapieren an einem geregelten Markt zum Gegenstand 1 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64; zum Umsetzungsziel von § 1 WpPG siehe Begr. RegE zu § 1 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. 2 Vgl. dazu auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 1; Hamann in Schäfer/Hamann, Vor § 1 WpPG Rz. 3; König, GPR 3/03-04, 152 (153); König, ZEuS 2004, 251 (254); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (502); Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 4 Rz. 11; Spindler in Holzborn, Einleitung Rz. 20. 3 Der Begriff Mitgliedstaaten meint die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums; zu dem Begriff des Europäischen Wirtschaftsraums vgl. § 1 WpPG Rz. 31 Fn 1.

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Grenzüberschreitende Geltung gebilligter Prospekte

§ 17 WpPG

haben, aufzuheben und zu harmonisieren. Diese Unterschiede erschwerten es Unternehmen, in mehr als einem Mitgliedstaat Kapital aufzunehmen oder Wertpapiere zuzulassen und hinderten in einem Mitgliedstaat niedergelassene Anleger daran, Wertpapiere in allen Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums zu erwerben1. Ein wesentlicher Kritikpunkt der ehemaligen europäischen Regelungen war, dass das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung von Prospekten nicht zu den gewünschten Verfahrenserleichterungen bei grenzüberschreitenden Wertpapierangeboten führte2. Mit Art. 17 Prospektrichtlinie wurde der Europäische Pass für Emittenten, ein zentraler Punkt der Prospektrichtlinie, etabliert. Mit der Möglichkeit einer Einführung des Europäischen Passes für Emittenten beschäftigte sich erstmals die FESCO3 im Jahr 2000 in ihrem Konsultationspapier „A European Passport for Issuers“4. Im Anschluss daran veröffentlichte die FESCO den Bericht an die Europäische Kommission mit dem Titel „A ‚European Passport‘ for Issuers“5. In beiden Dokumenten wurde eine dringende Überarbeitung der bestehenden Vorschriften gefordert. Sie führten, zusammen mit dem Bericht des Ausschusses der Weisen6 und der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Umsetzung des Finanzrahmens: Aktionsplan“7, letztlich zur Prospektrichtlinie.

2

Voraussetzung für die praktische Anwendung des Europäischen Passes war die Harmonisierung der unterschiedlichen Regelungen für die Erstellung, die Billigung und die Verbreitung des Prospekts in den Mitgliedstaaten (Rz. 1) sowie für eine europaweit gültige Billigung eines Prospekts. Mit dem

3

1 Vgl. Erwägungsgrund 30 der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64; Begr. RegE zu Allgemeiner Teil, WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 26. 2 Crüwell, AG 2003, 243 (244); Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2281 f.); von KoppColomb/Lenz, AG 2002, 24 (25); von Kopp-Colomb/Lenz, BKR 2002, 5 (10); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (502); Sandberger, EWS 2004, 297 (298); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (508); Seitz, BKR 2002, 340 (344). 3 Forum of European Securities Commissions, die Vorgängerorganisation von CESR (The Committee of European Securities Regulators). 4 A European Passport for Issuers, Consultation Paper, Fesco/99-098e, 10.5.2000; vgl. auch Crüwell, AG 2003, 243 (243); Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2282); Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927 (931); Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 1; Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Einleitung WpPG Rz. 6; Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 2. 5 „A ‚European Passport‘ for Issuers“, A Report for the EU Commission, Fesco/00-138b, 20.12.2000; vgl. auch Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2282); Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 1. 6 Erster Bericht des Ausschusses der Weisen – Die Reglementierung der europäischen Wertpapiermärkte, Brüssel, 9.11.2000; Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte, Brüssel, 15.2.2001. 7 Mitteilung der Kommission v. 11.5.1999 mit dem Titel „Umsetzung des Finanzrahmens: Aktionsplan“, KOM (1999) 232.

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§ 17 WpPG

Grenzüberschreitende Geltung gebilligter Prospekte

Europäischen Pass wird dem Emittenten ermöglicht, Wertpapiere aufgrund eines einmal im Herkunftsmitgliedstaat gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. m Prospektrichtlinie gebilligten Prospekts auch grenzüberschreitend öffentlich anzubieten oder zum Handel an einem organisierten Markt zulassen zu können. Für ein öffentliches Angebot und eine Börsenzulassung von Wertpapieren in einem anderen Mitgliedstaat ist nur noch die Übermittlung einer Bescheinigung über die Billigung des Prospekts, aus der hervorgeht, dass der Prospekt gemäß der Richtlinie erstellt wurde, sowie einer Kopie des Prospekts durch die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaates an die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaates gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. n Prospektrichtlinie erforderlich. Dieser Vorgang stellt die sog. Notifizierung gemäß Art. 18 Prospektrichtlinie dar (zum Notifizierungsverfahren § 18 WpPG Rz. 1 ff.). Das Notifizierungsverfahren war bereits Gegenstand des Berichts der FESCO an die Europäische Kommission1. Zwar bestand nach der alten europäischen Rechtslage die Möglichkeit, einen gebilligten Börsenzulassungsprospekt gemäß Artt. 38 f. Börsenzulassungsrichtlinie2 in einem anderen Mitgliedstaat anerkennen zu lassen3. Dieses erwies jedoch aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen in verschiedenen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Notwendigkeit einer Übersetzung eines Prospekts und des Erfordernisses länderspezifischer Prospektangaben sowie aufgrund unterschiedlicher Ausnahmetatbestände in den Mitgliedstaaten als nicht praktikabel4. Die gegenseitige Anerkennung von reinen Verkaufsprospekten war überhaupt nicht möglich5. Dieses hatte zur Folge, dass für grenzüberschreitende Angebote und Börsenzulassungen nicht selten mehr als ein Prospekt erstellt werden musste6. Der Vorteil gegenüber dem ehemaligen Verfahren der gegenseitigen Anerkennung gemäß Art. 21 Emissionsrichtlinie7 1 Ziff. I. 5. „A ‚European Passport‘ for Issuers“, A Report for the EU Commission, Fesco/00-138b, 20.12.2000. 2 Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.5.2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1. 3 Vgl. zu dem System der gegenseitigen Anerkennung auch Crüwell, AG 2003, 243 (244); Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2281 f.); von Ilberg/Neises, WM 2002, 635 (638 f.); von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 (25); von Kopp-Colomb/Lenz, BKR 2002, 5 (10); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (502). 4 Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2281 f.); von Ilberg/Neises, WM 2002, 635 (638 f.); König, GPR 3/03-04, 152 (153); König, ZEuS 2004, 251 (254); von Kopp-Colomb/ Lenz, AG 2002, 24 (25); von Kopp-Colomb/Lenz, BKR 2002, 5 (10); Kunold/ Schlitt, BB 2004, 501 (502); Sandberger, EWS 2004, 297 (298); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (508). 5 Crüwell, AG 2003, 243 (244); von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 (25); Kunold/ Schlitt, BB 2004, 501 (502); Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 15 VerkProspG Rz. 14. 6 Vgl. Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (502). 7 Richtlinie 89/298/EWG des Rates vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8.

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Grenzüberschreitende Geltung gebilligter Prospekte

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bzw. Artt. 38 f. Börsenzulassungsrichtlinie ist die Tatsache, dass der von der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats gebilligte Prospekt nicht nochmals von der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaates, in dem gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. n Prospektrichtlinie das öffentliche Angebot unterbreitet oder die Zulassung zum Handel angestrebt wird, zu prüfen und anzuerkennen ist und auch keine weiteren länderspezifischen Angaben verlangt werden können1. Gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Prospektrichtlinie führen die zuständigen Behörden der Aufnahmemitgliedstaaten für die Prospekte kein Billigungsverfahren durch. Dieses entsprach bereits dem Bericht der FESCO an die Europäische Kommission2. Im Unterschied zu Art. 21 Abs. 1 Emissionsrichtlinie bzw. Art. 38 Abs. 1 Börsenzulassungsrichtlinie kann die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaates keine Übersetzung des vollständigen Prospekts in die jeweilige Landessprache des Aufnahmemitgliedstaates mehr fordern3. Verlangt werden kann von den zuständigen Behörden der Aufnahmemitgliedstaaten gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 2 Prospektrichtlinie iVm. Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 Prospektrichtlinie lediglich eine Übersetzung der Zusammenfassung in ihren jeweiligen Amtssprachen4. Verbunden mit dem Europäischen Pass ist neben einer erleichterten grenzüberschreitenden Kapitalaufnahme auf dem europäischen Markt auch der Vorteil, dass der Aufwand und die Kosten des Emittenten für eine Kapitalaufnahme gegenüber dem früheren Verfahren der gegenseitigen Anerkennung geringer sind5. Trotz der Erleichterungen, die der Prospekt für grenzüberschreitende öffentliche Angebote und Börsenzulassungen von Wertpapieren mit sich bringt, ist im Falle von Gerichtsverfahren, die Prospekthaftungsansprüche zum Gegenstand haben, nicht ausgeschlossen, dass die einzelnen Gerichte der Mitgliedstaaten unterschiedlich beurteilen, ob ein Prospekt vollständig und verständlich ist6. § 17 WpPG dient der Umsetzung des Art. 17 WpPG der Prospektrichtlinie. Während des europäischen Gesetzgebungsverfahrens unterlag die Vorschrift

1 Siehe auch Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (502); Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 1; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 2. 2 Ziffer I. 5. „A ‚European Passport‘ for Issuers“, A Report for the EU Commission, Fesco/00-138b, 20.12.2000; Crüwell, AG 2003, 243 (253). 3 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 2; vgl. auch Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2282). 4 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 2; vgl. auch Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2282); von Kopp-Colomb/Lenz, BKR 2002, 5 (10). 5 Von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 (25); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (502); Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 7 Rz. 36. 6 Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 1; Schanz/Schalast, Wertpapierprospekte, Markteinführungspublizität nach EU-Prospektverordnung und Wertpapierprospektgesetz 2005, S. 43; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 7 Rz. 36; Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (257).

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§ 17 WpPG

Grenzüberschreitende Geltung gebilligter Prospekte

über die gemeinschaftsweite Geltung von Prospekten einigen Änderungen. Gemäß dem Vorschlag der Kommission sollte der Prospekt nicht älter als drei Monate sein dürfen, damit die Aufnahmemitgliedstaatbehörde den Prospekt ohne weitere Bedingungen anerkennt1. Nach mehr als drei Monaten seit der Genehmigung durch die Herkunftsmitgliedstaatbehörde sollte diese dazu befugt sein, eine aktualisierte Wertpapierbeschreibung und Zusammenfassung bzw. einen aktualisierten Prospekt zu verlangen2. Daneben sah der Kommissionsvorschlag vor, dass die Aufnahmemitgliedstaatbehörde die Annahme des Prospekts verweigern kann, wenn in dem Prospekt bestimmte Wertpapierangaben fehlten3. Infolge der Stellungnahme des Europäischen Parlaments in seiner ersten Lesung4 stellte der geänderte Vorschlag der Kommission klar, dass die Aufnahmemitgliedstaatbehörden keine Genehmigungs- und Verwaltungsverfahren für den Prospekt durchführen5. Die zeitliche Begrenzung von drei Monaten war genauso wie die Befugnis zur Verweigerung der Prospektannahme durch die Aufnahmemitgliedstaatbehörde nicht mehr vorgesehen. Anstelle der im Rahmen der Stellungnahme des Europäischen Parlaments in seiner ersten Lesung aufgeführten Möglichkeit der Aufnahmemitgliedstaatbehörde, die Veröffentlichung eines ergänzenden Dokuments zu verlangen, welches von der Herkunftsmitgliedstaatbehörde zu billigen ist6, sah der geänderte Vorschlag der Kommission vor, 1 Art. 15 Abs. 1 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, von der Kommission vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272; vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 3. 2 Art. 15 Abs. 2 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, von der Kommission vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272; vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 3. 3 Art. 15 Abs. 3 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, von der Kommission vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272; vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 3. 4 Art. 14 des Standpunktes des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, festgelegt in erster Lesung am 14.3.2002, ABl. EU Nr. C 47 E v. 27.2.2003, S. 525. 5 Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122; vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 4 f. 6 Art. 14 Abs. 3 des Standpunktes des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, festgelegt in erster Lesung am

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dass die Herkunftsmitgliedstaatbehörde bei Eintritt bedeutender Faktoren ein von ihr zu genehmigendes Nachtragsdokument vorschreibt1 und die Aufnahmemitgliedstaatbehörde die Herkunftsmitgliedstaatbehörde lediglich auf den eventuellen Bedarf neuer Informationen aufmerksam machen kann2. Ergänzt wurde die Befugnis der Aufnahmemitgliedstaatbehörde zur Übermittlung von neuen Informationen an die Herkunftsmitgliedstaatbehörde3. Daneben sollte der Prospekt gemäß dem geänderten Kommissionsvorschlag unbeschadet der Vorsichtsmaßnahmen des Art. 23 Prospektrichtlinie gültig sein4. Bis auf wenige Anpassungen einzelner Begriffe wurde diese Fassung des Art. 17 Prospektrichtlinie von dem Rat der Europäischen Union angenommen5 und – nachdem das Europäische Parlament in seiner Stellungnahme in zweiter Lesung einige Änderungen zu dem weiteren Richtlinienentwurf aufgeführt hat6 und anschließend der gesamte Entwurf von der Europäischen Kommission akzeptiert7 und auch von dem Rat der

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14.3.2002, ABl. EU Nr. C 47 E v. 27.2.2003, S. 525; vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 4. Art. 17 Abs. 2 Satz 1 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122; vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 5. Art. 17 Abs. 2 Satz 2 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122; vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 5. Art. 17 Abs. 2 Satz 2 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122. Art. 17 Abs. 2 Satz 1 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122. Art. 17 des gemeinsamen Standpunktes (EG) Nr. 25/2003 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom … betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, vom Rat festgelegt am 24.3.2003, ABl. EU Nr. C 125 E v. 27.5.2003, S. 21. Standpunkt des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, festgelegt in zweiter Lesung am 2.7.2003, ABl. EU Nr. C 74 E v. 24.3.2004, S. 251. Stellungnahme der Kommission gemäß Art. 251 Abs. 2 Unterabs. 3 lit. c EG-Vertrag zu den Änderungen des Europäischen Parlaments am gemeinsamen Stand-

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Europäischen Union angenommen wurde1 – in die Prospektrichtlinie übernommen. 5

Die Umsetzung des Art. 17 Prospektrichtlinie erfolgte durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz2. Durch § 17 Abs. 1 und 3 WpPG, die Art. 17 Abs. 1 Prospektrichtlinie umsetzen, fand die Regelung über die gemeinschaftsweite Geltung von Prospekten gemäß Art. 1 Prospektrichtlinie Eingang in nationales Recht. Dieses ersetzte das ehemalige System der gegenseitigen Anerkennung gemäß §§ 14 f. VerkProspG aF bzw. §§ 34 f. BörsG aF3. Das Konzept der gemeinschaftsweiten Geltung von Prospekten konnte innerhalb der Richtlinie einheitlich für alle Mitgliedstaaten formuliert werden. Im Rahmen des WpPG musste jedoch eine Differenzierung nach der Gültigkeit von in Deutschland gebilligten Prospekten und Nachträgen auch in anderen Mitgliedstaaten und nach der Gültigkeit von in anderen Mitgliedstaaten gebilligten Prospekten auch in Deutschland vorgenommen werden4. Die Regelung des ersten Sachverhalts besitzt lediglich deklaratorischen Charakter, da sich eine inländische nationale Vorschrift nicht auch auf den Rechtsraum anderer Mitgliedstaaten erstrecken kann5. Für die Gültigkeit von in Deutschland gebilligten Prospekten und Nachträgen in anderen Mitgliedstaaten ist deren nationales Recht maßgeblich6. Insofern bestimmt § 17 Abs. 1 WpPG nur, dass die Verwendung eines in Deutschland gebilligten Prospekts und Nachtrags für ein öffentliches Angebot oder eine Zulassung von Wertpapieren in anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich möglich ist. Im Gegensatz dazu ist § 17 Abs. 3 WpPG rein konstitutiv. Durch diese Regelung wurde die Gültigkeit von Prospekten und Nachträgen, die

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punkt des Rates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates, betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, KOM (2003) 432 endgültig v. 10.7.2003. Addendum zum Entwurf eines Protokolls über die 2520. Tagung des Rates der Europäischen Union (Wirtschaft und Finanzen) v. 15.7.2003, 11463/03 ADD 1, PV/CONS 43 ECOFIN 222. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 22.6.2005, BGBl. I 2005, 1698. Vgl. zu dem System der gegenseitigen Anerkennung auch Crüwell, AG 2003, 243 (244); Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2281 f.); von Ilberg/Neises, WM 2002, 635 (638 f.); von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 (25); von Kopp-Colomb/Lenz, BKR 2002, 5 (10); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (502); Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 5. Vgl. dazu auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 6. Vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 7; Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 192; Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 3; Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 6; Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 17. Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 7; Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 3; Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 6; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 2 Fn. 4.

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§ 17 WpPG

von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaates gebilligt worden sind, ohne zusätzliches Billigungsverfahren auch in Deutschland eingeführt1. Die Befugnis des Herkunftsmitgliedstaates und des Aufnahmemitgliedstaates im Zusammenhang mit Nachträgen gemäß Art. 17 Abs. 2 Prospektrichtlinie wird durch § 17 Abs. 2 WpPG in nationales Recht umgesetzt. Von der durch Art. 14 Abs. 3 Prospektrichtlinie eröffneten Möglichkeit, eine 6 Hinweisbekanntmachung als Herkunftsmitgliedstaat verlangen zu können, hatte der deutsche Gesetzgeber in dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz Gebrauch gemacht. Die Regelung über die Hinweisbekanntmachung fand mit § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG aF Eingang in nationales Recht. Dieses hatte zur Folge, dass eine Hinweisbekanntmachung sowohl für bei der BaFin gebilligte Prospekte und Nachträge als auch für von anderen Herkunftsstaatbehörden an die BaFin notifizierte Prospekte und Nachträge zu veröffentlichen war. Für die entsprechenden endgültigen Angebotsbedingungen musste ebenfalls eine Hinweisbekanntmachung veröffentlicht werden. Durch Art. 36 Nr. 1 Jahressteuergesetz 20092 wurde § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG aF aufgehoben, so dass keine Pflicht zur Veröffentlichung einer Hinweisbekanntmachung mehr besteht (vgl. auch § 14 WpPG Rz. 3). Gründe für die Gesetzesänderung waren im Wesentlichen, dass den hohen Kosten für die Marktteilnehmer nur ein geringer Nutzen der Hinweisbekanntmachungen gegenüber stand und Hinweisbekanntmachungen in den anderen größeren europäischen Märkten nicht üblich sind und einen Wettbewerbsnachteil für den deutschen Finanzplatz darstellen3.

II. Gemeinschaftsweite Geltung von Prospekten (§ 17 Abs. 1 WpPG) § 17 Abs. 1 WpPG stellt die gemeinschaftsweite Geltung von durch die Ba- 7 Fin in Deutschland gebilligten Prospekte fest4. Diese Regelung ist im Wesentlichen deklaratorischer Natur, da das WpPG als das maßgebende nationale Gesetz in Deutschland nicht bestimmen kann, dass ein von der BaFin als zuständige Behörde gebilligter Prospekt auch in anderen Mitgliedstaat gültig ist (Rz. 5)5. Festgelegt wird durch § 17 Abs. 1 WpPG, dass ein in Deutschland gebilligter Prospekt in anderen Mitgliedstaaten für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder eine Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt verwendet werden kann (Rz. 5). 1 Vgl. dazu auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 3. 2 Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 3 Begr. zu Art. 36 Nr. 1 JStG 2009 im Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss), BT-Drucks. 16/11108 v. 27.11.2008, S. 71 f. 4 Begr. RegE zu § 17 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37. 5 Vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 7; Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 192; Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 3; Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 6; Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 17.

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Voraussetzung dafür ist, dass die BaFin eine Bescheinigung über die Billigung des Prospekts bzw. Nachtrags gemäß § 18 WpPG an die zuständige Behörde des Aufnahmestaates übermittelt hat und der Prospekt dem Sprachenregime gemäß § 19 Abs. 2 bis 3 WpPG entspricht. 8

Die BaFin ist für die Billigung von Prospekten und Nachträgen zuständig, sofern sie die zuständige Behörde des Herkunftsstaates darstellt (zu der Zuständigkeit der BaFin siehe § 13 WpPG Rz. 6)1. Für den Begriff des Herkunftsstaates gilt die Legaldefinition des § 2 Nr. 13 WpPG (dazu § 2 WpPG Rz. 78 ff.). Danach ergibt sich eine Zuständigkeit der BaFin für Prospekte, die Aktien von Emittenten mit Sitz in Deutschland zum Gegenstand haben (§ 2 Nr. 13 lit a WpPG). Emittenten von Nichtdividendenwerten und Drittstaatenemittenten besitzen ein umfangreiches Wahlrecht (§ 2 Nr. 13 lit. b und c WpPG).

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Der Mitgliedstaat, in dem das öffentliche Angebot unterbreitet oder die Zulassung zum Handel angestrebt wird, und der nicht der Herkunftsstaat ist, wird gemäß § 2 Nr. 14 WpPG als Aufnahmestaat bezeichnet (dazu § 2 WpPG Rz. 87).

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Der Europäische Pass kann für Prospekte und Nachträge genutzt werden (vgl. zu den Dokumenten im Einzelnen § 18 WpPG Rz. 10). Bevor der Prospekt oder Nachtrag notifiziert werden kann, müssen sie von der BaFin als zuständige Herkunftsstaatbehörde (dazu siehe Rz. 8, zu der Zuständigkeit der BaFin siehe § 13 WpPG Rz. 6) gebilligt worden sein.

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Im Zusammenhang mit einer Notifizierung eines von der BaFin als zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaates gebilligten Prospekts an eine Behörde eines anderen Mitgliedstaates ist das Sprachenregime gemäß § 19 Abs. 2 und 3 WpPG (dazu § 19 WpPG Rz. 39 ff., Rz. 42 ff. und § 19 WpPG Rz. 48 ff., 72 ff.) zu berücksichtigen. Sofern ein öffentliches Angebot oder eine Börsenzulassung in Deutschland als Herkunftsstaat und in einem anderen Mitgliedstaat erfolgen soll, ist der Prospekt nach § 19 Abs. 3 WpPG in deutscher oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache, dh. regelmäßig auf Englisch2, zu erstellen (zu einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache siehe § 19 WpPG Rz. 21 ff.). Ist der Prospekt nicht auf Deutsch erstellt, muss er nach § 19 Abs. 3 Satz 2 WpPG auch eine Übersetzung der Zusammenfassung in die deutsche Sprache enthalten. Ist zwar Deutschland der Herkunftsstaat, ein öffentliches Angebot oder eine Börsenzulassung jedoch nicht in Deutschland, sondern 1 Vgl. mit weiteren Ausführungen zur Zuständigkeit der BaFin auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 9; Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 2. 2 Einzelbegr. zu § 19 Abs. 3 WpPG in Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 50; Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 30; Crüwell, AG 2003, 243 (248); im Ergebnis gleich, jedoch findet die Idee Erwähnung, nach der die in internationalen Finanzkreisen übliche Sprache jeweils im Einzelfall von den Mitgliedstaaten, in denen das öffentliche Angebot bzw. die Börsenzulassung stattfinden soll, abhängig gemacht werden sollte, Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (821).

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in einem anderen Mitgliedstaat beabsichtigt, ist der Prospekt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 WpPG in einer von der zuständigen Behörde des Aufnahmestaates anerkannten Sprache oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache zu erstellen. Sofern der Prospekt nach einer von der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaates anerkannten Sprache, die jedoch nicht von der BaFin anerkannt ist, erstellt wurde, muss der Prospekt nach § 19 Abs. 2 Satz 2 WpPG zusätzlich in einer von der BaFin anerkannten oder in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache erstellt werden. Idealerweise wird der Prospekt auf Englisch erstellt, da sie eine in internationalen Finanzkreisen gebräuchliche Sprache darstellt und sowohl von der BaFin als zuständige Behörde des Herkunftsstaates als auch von den zuständigen Behörden aller in Betracht kommenden Aufnahmestaaten anerkannt ist. Die zuständige Behörde im Aufnahmemitgliedstaat kann dann gemäß Art. 19 Abs. 2 Satz 2 Prospektrichtlinie auch nur eine Übersetzung der Zusammenfassung in ihre Amtssprache verlangen1. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das polnische Prospektgesetz bei einer Notifizierung eines Prospekts nach Polen eine Übersetzung des gesamten Prospekts in die polnische Sprache verlangt2. Ist keine Übersetzung des Prospekts in die polnische Sprache beigefügt, wird die Notifizierung von der polnischen Aufsichtbehörde nicht angenommen. Ob diese Regelung des polnische Prospektgesetzes mit Artt. 18 Abs. 1 Satz 2, 19 Abs. 2, 19 Abs. 3 Prospektrichtlinie vereinbar ist, dürfte allerdings fraglich sein. Bei Notifizierungen an andere zuständige Behörden der Aufnahmemitglied- 12 staaten sind deren jeweilige Sprachanforderungen zu beachten. Eine von CESR3 aufgestellte Übersicht enthält Hinweise zu den Sprachen, die von den einzelnen Mitgliedstaaten für die Prospektprüfung akzeptiert werden4. Um einen ersten Überblick darüber zu gewinnen, welche Sprachen die jeweilige Aufnahmemitgliedstaatbehörde für Prospekte, die an sie notifiziert werden, akzeptiert, kann diese Aufstellung auch herangezogen werden (vgl. auch § 18 WpPG Rz. 8). Im Zweifelsfall sollte der Emittent, Anbieter oder Zulassungsantragsteller bzw. dessen jeweiliger Bevollmächtigter mit den zuständigen Behörden der Aufnahmemitgliedstaaten vor der Prospekterstellung Rücksprache halten (vgl. auch § 18 WpPG Rz. 6, Rz. 13 und Rz. 16) . Ein vollständig in deutscher Sprache abgefasster Prospekt wird nur von we- 13 nigen Mitgliedstaaten, wie zum Beispiel von Österreich, Luxemburg und Liechtenstein, im Rahmen einer Notifizierung anerkannt5. Für den Fall, dass ein vollständig in deutscher Sprache erstellter Prospekt gebilligt wurde und eine Notifizierung an eine Aufnahmestaatbehörde, die keine entsprechenden Prospekte akzeptiert, notifiziert werden soll, besteht die Möglich1 Vgl. auch Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 19 WpPG Rz. 3. 2 Vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 12. 3 The Committee of European Securities Regulators. 4 CESR, Languages accepted for the purpose of the scrutiny of the Prospectus and requirements of translation of the Summary, February 2009, CESR/09-133. 5 Linke in Schäfer/Hamann, § 18 WpPG Rz. 8.

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Grenzüberschreitende Geltung gebilligter Prospekte

keit, einen weiteren englischsprachigen Prospekt zur Billigung einzureichen; dieser Prospekt würde dann notifiziert werden1. Alternativ kann dem Notifizierungsantrag eine Übersetzung des Prospekts in eine von der Aufnahmestaatbehörde akzeptierten Sprache beigefügt werden2. Die Übersetzung muss einen Hinweis enthalten, dass es sich bei ihr um eine unverbindliche Übersetzung des Prospekts handelt3. Daneben ist eine Bestätigung, dass die Übersetzung des Prospekts und der gebilligte deutschsprachige Prospekt einander entsprechen, erforderlich4. Eine Prüfung der Prospektübersetzung durch die BaFin würde nicht vorgenommen werden5. Entsprechend dem üblichen Notifizierungsvorgang würden der Prospekt, die Übersetzung des Prospekts und die Bescheinigung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 WpPG sowie eine ggf. nach § 18 Abs. 1 Satz 3 WpPG notwendige Zusammenfassung an die entsprechende Aufnahmestaatbehörde übermittelt werden (zu dem Notifizierungsvorgang siehe § 18 WpPG Rz. 4 ff.)6. Ferner besteht die Möglichkeit, einen weder in deutscher noch in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache erstellten Prospekt bei der BaFin einzureichen und eine Übersetzung des Prospekts in die deutsche oder englische Sprache beizufügen. Grundlage für die Prüfung ist in diesem Fall die Übersetzung des Prospekts, Gegenstand der Billigung der weder auf Deutsch noch in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache erstellte Prospekt. Auch hier ist gegenüber der BaFin zu bestätigen, dass der Prospekt und die Übersetzung des Prospekts einander entsprechen. 14

Im Zusammenhang mit den nach dem WpPG bestehenden Veröffentlichungs-, Mitteilungs- und Hinterlegungspflichten ist bei einem in Deutschland von der BaFin als zuständige Herkunftsstaatbehörde gebilligten und in einen anderen Mitgliedstaat notifzierten Prospekt Folgendes zu berücksichtigen: Unabhängig davon, ob das öffentliche Angebot bzw. die Börsenzulassung auch in Deutschland oder nur in dem Aufnahmestaat stattfinden soll, sind die endgültigen Angebotsbedingungen bei der BaFin zu hinterlegen (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2 WpPG und entsprechend Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 3 Prospektrichtlinie). Daneben müssen die endgültigen Angebotsbedingungen gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 WpPG in der in § 14 WpPG genannten Art und Weise veröffentlicht werden. Im Übrigen sind die weiteren nach § 14 WpPG bestehenden Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten für Prospekte, Nachträge und endgültige Bedingungen in Deutschland einzuhalten. Sofern ein öffentliches Angebot von Wertpapieren stattfindet, ohne 1 Linke in Schäfer/Hamann, § 18 WpPG Rz. 8. 2 Vgl. auch 3rd CESR meeting to discuss practical issues on the application of the Directive 2003/71 and the Commission Regulation 809/2004, May 2006, Markt/ G3/RW D (2006), zu Art. 19 Abs. 3 Prospektrichtlinie, S. 1 f.; Linke in Schäfer/ Hamann, § 18 WpPG Rz. 8; Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 13; siehe dazu auch Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 19 WpPG Rz. 22 ff. 3 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 14. 4 Linke in Schäfer/Hamann, § 18 WpPG Rz. 8; Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 14. 5 Linke in Schäfer/Hamann, § 18 WpPG Rz. 8. 6 Vgl. auch Linke in Schäfer/Hamann, § 18 WpPG Rz. 8.

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dass ein Prospekt nach den Vorschriften des WpPG veröffentlicht wurde, ist eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 6 WpPG in Betracht zu ziehen. Daneben ist zu berücksichtigen, dass im Zuge einer Notifizierung auch den 15 in dem jeweiligen Aufnahmestaat bestehenden Veröffentlichungspflichten nachgekommen werden muss1, unabhängig davon, ob das öffentliche Angebot bzw. die Zulassung an einem organisierten Markt sowohl in Deutschland als auch in dem Aufnahmemitgliedstaat oder nur in dem Aufnahmemitgliedstaat beabsichtigt ist. Nach § 17 Abs. 1 WpPG soll ein von der BaFin gebilligter Prospekt unbe- 16 schadet der Vorsichtsmaßnahmen gemäß § 24 WpPG in einem oder mehreren Mitgliedstaaten gelten. Die Aufnahme dieses Tatbestandsmerkmals innerhalb von § 17 Abs. 1 WpPG ist jedoch unsystematisch. § 17 Abs. 1 WpPG setzt voraus, dass die BaFin die zuständige Herkunftsstaatbehörde darstellt2. § 24 WpPG sieht hingegen vor, dass ein anderer Mitgliedstaat Herkunftsstaatbehörde ist3. Dieser Umstand dürfte bei der Umsetzung des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Prospektrichtlinie nicht bedacht worden sein4.

III. Befugnisse der BaFin (§ 17 Abs. 2 WpPG) 1. Befugnis, die Einreichung und Veröffentlichung eines Nachtrags zu verlangen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 WpPG) Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 WpPG hat die BaFin die Einreichung eines Nach- 17 trags zur Billigung und dessen Veröffentlichung vom Anbieter oder Zulassungsantragsteller zu verlangen, sofern eine Nachtragspflicht gemäß § 16 WpPG besteht. Auf den ersten Blick erscheint diese Bestimmung nicht notwendig, da die Nachtragspflicht bereits in § 16 WpPG normiert ist5. Demgegenüber enthält § 17 Abs. 2 Satz 1 WpPG den Zusatz über die Befugnis der BaFin, die Einreichung eines Nachtrags zu fordern. Diese Befugnis steht

1 Vgl. auch Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 192; Linke in Schäfer/Hamann, § 18 WpPG Rz. 4; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 1; Seitz, AG 2005, 678 (689); aA, nach der die Aufnahmemitgliedstaatbehörde nicht befugt sein soll, auf die Prospektveröffentlichung Einfluss zu nehmen, sofern den Veröffentlichungspflichten des Art. 14 Abs. 2 Prospektrichtlinie entsprochen wird, CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 3; aA, die eine Einflussnahme auf die Prospektveröffentlichung durch die Aufnahmemitgliedstaatbehörde ganz ablehnt, Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 427 f. 2 Vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 13; Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 26. 3 Vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 13. 4 Vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 13; vgl. auch Zeising in Just/Voß/ Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 26. 5 Vgl. auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 4.

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§ 17 WpPG

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der BaFin allein im öffentlichen Interesse zu1. Die Einhaltung der Nachtragspflicht bleibt aber auch im Fall eines bescheinigten Prospekts im Verantwortungsbereich des Anbieters oder Zulassungsantragstellers, da nur diese den erforderlichen umfassenden Einblick in die Verhältnisse, die eine Nachtragspflicht nach § 16 WpPG auslösen, besitzen2. Ist einem Anleger infolge der Nichtveröffentlichung eines Nachtrags durch den Anbieter oder Zulassungsantragsteller ein Schaden entstanden, besteht kein Regressanspruch des Anlegers aufgrund von Amthaftungsvorschriften gegenüber der BaFin3. 18

Der Umfang der der BaFin zustehenden Befugnis lässt sich anhand des Wortlautes des § 17 Abs. 2 WpPG nicht hinreichend bestimmen, da er nicht eindeutig ist. § 17 Abs. 2 Satz 1 WpPG könnte bei isolierter Betrachtung dahingehend verstanden werden, dass die BaFin nicht nur dazu berechtig sein soll, die Einreichung von Nachträgen zu von ihr als Herkunftsstaat gebilligten Prospekten zu verlangen, sondern auch zu Prospekten, die nicht von ihr, sondern von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedsstaates gebilligt und nach Deutschland notifiziert werden. Fraglich ist dann jedoch, aus welchem Grund sie noch nach § 17 Abs. 2 Satz 2 WpPG befugt sein soll, der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaates Anhaltspunkte für eine nach § 16 WpPG bestehende Nachtragspflicht mitzuteilen. Für die Bestimmung des Umfangs der Befugnis der BaFin ist daher Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Prospektrichtlinie, heranzuziehen4. Dieser weist die Berechtigung, die Einreichung eines Nachtrags zu verlangen, eindeutig nur dem Herkunftsmitgliedstaat zu5. Damit steht der BaFin die Befugnis nach § 17 Abs. 2 Satz 1 WpPG nur als zuständige Behörde des Herkunftsstaates zu6. Sie ist damit als Aufnahmestaatbehörde nur zu der Übermittlung von Anhaltspunkten für eine Nachtragspflicht an die zuständige Behörde des ausländischen Herkunftsstaates berechtigt (dazu Rz. 21 ff.)7. Daneben ist sie nicht dazu befugt, die Einreichung eines Nachtrags von dem Anbieter oder Zulassungsantragsteller zu verlangen, sofern der Prospekt nicht von ihr, sondern von der zuständigen Behörde eines anderen Herkunftsstaates gebilligt und nach Deutschland notifiziert wurde8.

19

Auch wenn die Begriffe des wichtigen neuen Umstands und der wesentlichen Unrichtigkeiten in § 17 Abs. 2 Satz 1 WpPG jeweils in der Mehrzahl aufgeführt sind, muss § 17 Abs. 1 Satz 1 WpPG in Anlehnung an § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG bereits Anwendung finden, wenn nur ein neuer Umstand oder 1 2 3 4 5 6 7

Begr. RegE zu § 17 Abs. 2 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37. Begr. RegE zu § 17 Abs. 2 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37. Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 7. Vgl. auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 4. So im Ergebnis auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 4. So im Ergebnis auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 4. So im Ergebnis auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 4; Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 7. 8 Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 4; Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 7; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 3.

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eine wesentliche Unrichtigkeit aufgetreten sind1. Nicht nachvollziehbar wäre, wenn zwar bereits mit Vorliegen eines neuen Umstands oder einer wesentlichen Unrichtigkeit bereits eine Nachtragspflicht gemäß § 16 WpPG begründet wäre, die BaFin jedoch abwarten müsste, bis sich ein weiteres Tatbestandsmerkmal realisiert, um die Einreichung eines Nachtrags verlangen zu können. Die Nachtragspflicht besteht – entsprechend § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG – bis zu dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder der Einführung oder der Einbeziehung der Wertpapiere in den Handel2. Verlangt die BaFin einen Nachtrag gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 WpPG stellt 20 dieses keinen Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG dar3. Das Verlangen besitzt keinen Regelungsgehalt, da es nur das wiederholt, was bereits Gegenstand des Gesetzes ist4. Sofern der Anbieter und Zulassungsantragsteller der Ansicht sind, eine Nachtragspflicht bestehe nicht, können sie im Wege der Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO gegen das Verlangen eines Nachtrags vorgehen5. Vor dem Hintergrund einer möglichen Prospekthaftung ist jedoch davon auszugehen, dass bei Vorliegen eines wichtigen neuen Umstand oder einer wesentlichen Unrichtigkeit ein Nachtrag zur Billigung bei der BaFin eingereicht wird6. 2. Befugnis zur Übermittlung von Anhaltspunkten für eine Nachtragspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 2 WpPG) Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 WpPG ist die BaFin befugt, der zuständigen Behör- 21 de des Herkunftsstaates Anhaltspunkte für eine bestehende Nachtragspflicht nach § 16 WpPG zu übermitteln. Anhaltspunkte für eine Nachtragspflicht gemäß § 16 WpPG sind gegeben, wenn Indizien, dh. Hinweise, die für sich allein oder in ihrer Gesamtheit mit anderen Hinweisen den Rückschluss auf das Vorliegen eines wichtigen neuen Umstands oder einer wesentlichen Unrichtigkeit iS von § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG zulassen, vorliegen7. Dabei muss es sich um mehr als eine Behauptung und kann es sich um weniger als einen Beweis handeln. Die Übermittlung der Anhaltspunkte muss gemäß den Bestimmungen über die Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen Mitgliedstaaten nach § 23 WpPG erfolgen. Dabei kann der Verweis auf § 23 WpPG nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er entsprechend dem Verweis in § 24 Abs. 1 Satz 2 WpPG nur als ein Verweis auf § 23 Abs. 3 bis 5 WpPG zu verstehen ist, weil § 23 WpPG keine über die Befugnis nach § 17 Abs. 2 Satz 2 1 2 3 4

Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 15. Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 17. Vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 16. Vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 16; Groß, Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 4. 5 Vgl. dazu auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 16. 6 Vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 16. 7 Zu der Definition des Begriffs Anhaltspunkte iS des § 17 Abs. 2 Satz 2 WpPG siehe auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 19.

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WpPG hinausgehende Ermächtigung enthalte1. Insbesondere legt § 23 Abs. 2 Satz 2 WpPG fest, dass die BaFin bei der Übermittlung von Informationen den Empfänger darauf hinzuweisen hat, dass er die Informationen nur für die in § 23 Abs. 2 Satz 1 und 2 WpPG aufgeführten Zwecke verwenden darf. Daneben ist zu berücksichtigen, dass § 17 Abs. 2 Satz 2 WpPG gemäß seinem Wortlaut auf den vollständigen § 23 WpPG und nicht nur auf einzelne Absätze verweist. Daher ist im Zusammenhang mit der Übermittlung der gesamte § 23 WpPG zu berücksichtigen. 23

Es muss keine Anhörung des Anbieters und Zulassungsantragstellers vor der Übermittlung der Anhaltspunkte an die Herkunftsstaatbehörde durch die BaFin erfolgen. Bei der Übermittlung von Anhaltpunkten für eine Nachtragspflicht an die Herkunftsstaatbehörde durch die BaFin als Aufnahmestaatbehörde handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt2. Ein solcher wird jedoch von § 28 VwVfG vorausgesetzt. Daneben ist zu berücksichtigen, dass nur die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaates dazu berechtigt ist, die Einreichung eines Nachtrags zu verlangen (Rz. 18). Die Aufnahmestaatbehörde ist lediglich zu der Übermittlung von Anhaltspunkten für eine Nachtragspflicht an die zuständige Behörde des ausländischen Herkunftsstaates befugt (Rz. 18). Diese gesetzlich normierte strikte Trennung der unterschiedlichen Befugnisse, gemäß der eine Aufnahme eines Kontaktes zu dem Anbieter und Zulassungsantragsteller der Herkunftsstaatbehörde vorbehalten ist, ist nicht aufzuweichen. Zudem wäre anderenfalls nicht auszuschließen, dass die Herkunftsstaatbehörde gegenüber dem Anbieter oder Zulassungsantragsteller einen Nachtrag verlangt und die Aufnahmestaatbehörde zeitgleich eine Anhörung durchführt. Ausreichend wäre, wenn die Herkunftsstaatbehörde, die den Prospekt geprüft und gebilligt hat und auch die Prüfung und Billigung des Nachtrags vornehmen würde, der Umsetzung der Nachtragspflicht nachginge3.

24

Da die Übermittlung von Anhaltspunkten an die Herkunftsstaatbehörde durch die BaFin als Aufnahmestaatbehörde keinen Verwaltungsakt darstellt (vgl. Rz. 23), ist die allgemeine Leistungs-Unterlassungsklage die für den Anbieter und Zulassungsantragsteller geeignete Klageart, um gegen die Übermittlung der Anhaltspunkte vorzugehen4.

25

Wird trotz der von der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaates ergriffenen Maßnahmen oder aufgrund der Unzweckmäßigkeit der Maßnah-

1 AA, nach der sich der Verweis in § 17 Abs. 2 Satz 2 WpPG – entsprechend dem Verweis in § 24 Abs. 1 WpPG – nur auf § 23 Abs. 3 bis 5 WpPG bezieht, weil § 23 WpPG keine weitergehende Ermächtigung als § 17 Abs. 2 Satz 2 WpPG enthalte, Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 21. 2 Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 20, 22. 3 AA, nach der der Anbieter oder Zulassungsantragsteller durch die Weitergabe von Informationen in seinen Grundrechten betroffen sei, da davon ausgegangen werden müsse, dass ein behördliches Verfahren eingeleitet werde, Alfes in Holzborn, § 17 WpPG, Rz. 20. 4 Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 22.

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men der Herkunftsstaatbehörde gegen die einschlägigen Rechts- oder Verwaltungsbestimmungen verstoßen, so kann die BaFin gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 WpPG nach vorheriger Unterrichtung der Herkunftsstaatbehörde die für den Schutz des Publikums erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen1. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft ist nach § 24 Abs. 2 Satz 2 WpPG über diese Maßnahmen frühestmöglich zu unterrichten.

IV. Gültigkeit von nach Deutschland notifizierten Prospekten und Nachträgen (§ 17 Abs. 3 WpPG) § 17 Abs. 3 WpPG besitzt im Gegensatz zu § 17 Abs. 1 WpPG rein konstitutive Wirkung (dazu Rz. 5 und Rz. 7). Diese Bestimmung regelt die räumliche Geltung von Prospekten und Nachträgen, die von den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaates gebilligt worden sind, in Deutschland2. Nach § 17 Abs. 3 WpPG ist ein von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaates gebilligter Prospekt einschließlich etwaiger Nachträge in Deutschland ohne zusätzliches Billigungsverfahren für ein öffentliches Angebot oder für eine Zulassung zum Handel gültig.

26

Im Zusammenhang mit § 17 Abs. 3 WpPG gilt Deutschland als Aufnahmestaat gemäß § 2 Nr. 14 WpPG (dazu Rz. 9 und § 2 WpPG Rz. 87).

27

Die Gültigkeit eines an die BaFin notifizierten Prospekts steht unter der Be- 28 dingung, dass der Prospekt dem Sprachenregime gemäß § 19 Abs. 4 und 5 WpPG (dazu § 19 WpPG Rz. 76 ff. und § 19 WpPG Rz. 85 ff.) entspricht. Sofern ein Prospekt nicht in deutscher Sprache abgefasst ist, muss er nach § 19 Abs. 4 Satz 1 WpPG entweder in einer von der BaFin anerkannten Sprache oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache verfasst sein, dh. regelmäßig in Englisch (zu der in Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache siehe Rz. 11 und § 19 WpPG Rz. 21 ff.). Zudem muss ein solcher Prospekt nach § 19 Abs. 4 Satz 2 WpPG auch eine Übersetzung der Zusammenfassung in die deutsche Sprache beinhalten. Wurde der Prospekt in der Sprache des Herkunftsstaates, bei der es sich jedoch weder um eine von der BaFin als Aufnahmestaatbehörde anerkannte noch um eine in internationalen Finanzkreisen gebräuchliche Sprache handelt, erstellt und von der zuständigen Behörde des anderen Mitgliedstaates gebilligt, ist der Prospekt für Zwecke eines öffentlichen Angebots oder einer Zulassung in Deutschland in einer von der BaFin anerkannten Sprache oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache zur Verfügung zu stellen (Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Prospektrichtlinie)3. In der Praxis wird der in der Sprache des Herkunftsstaates erstellte und von dem Herkunftsstaat gebilligte 1 Vgl. im Zusammenhang mit der Prospektrichtlinie Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 427. 2 Begr. RegE zu § 17 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37. 3 Vgl. auch 3rd CESR meeting to discuss practical issues on the application of the Directive 2003/71 and the Commission Regulation 809/2004, May 2006, Markt/ G3/RW D (2006), zu Art. 19 Abs. 3 Prospektrichtlinie, S. 1 f.

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Prospekt an die BaFin notifiziert. Im Rahmen dieser Notifizierung ist der BaFin auch eine Übersetzung des Prospekts in einer von der BaFin anerkannten Sprache oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache, einschließlich einer ggf. erforderlichen Übersetzung der Zusammenfassung, zu übermitteln1. Bei einer Zulassung von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro ist § 19 Abs. 5 WpPG zu berücksichtigen. 29

Zudem ist für die Gültigkeit des Prospekts Voraussetzung, dass der BaFin als zuständige Behörde des Aufnahmestaates (Rz. 27) eine Bescheinigung über die Billigung des Prospekts, das sog. Certificate of Approval, übermittelt wurde. § 17 Abs. 3 WpPG ist zu entnehmen, dass diese Bescheinigung den parallelen Vorschriften des Herkunftsstaates zu § 18 WpPG entsprechen muss. Wird in der an die BaFin übermittelten Bescheinigung der zuständigen Herkunftsstaatbehörde bestätigt, dass der Prospekt gemäß dem Gesetz des Herkunftslandes, welches die Prospektrichtlinie in dort geltendes nationales Recht umsetzt, erstellt wurde, muss die BaFin die Bescheinigung anerkennen. Die BaFin überprüft daher lediglich die Richtigkeit der Billigungsbescheinigung hinsichtlich formeller Mängel, die Vollständigkeit der ihr übersandten Dokumente, und ob das Sprachenregime berücksichtigt wurde. Sie führt folglich keine Sachprüfung des nach Deutschland notifizierten Prospekts durch. Eine solche wäre mit dem Grundsatz des Europäischen Passes, Wertpapiere aufgrund eines einmal im Herkunftsstaat gebilligten Prospekts auch grenzüberschreitend öffentlich anzubieten oder zum Handel an einem organisierten Markt zulassen zu können, auch nicht vereinbar. Für den Fall, dass ein an die BaFin notifizierter Prospekt zwar Wertpapiere nach dem Recht des Herkunftsstaates zum Gegenstand hat, es sich bei diesen jedoch nicht um Wertpapiere gemäß § 2 Nr. 1 WpPG handelt, müsste die BaFin den Prospekt daher auch akzeptieren.

30

Die BaFin nimmt im Rahmen der bei ihr eingehenden Prospekte, für die eine Bescheinigung der Billigung der zuständigen Behörde eines anderen Herkunftsstaates vorgelegt wird, keine weitere Billigung des Prospekts vor2. Auf die zeitliche Gültigkeit hat die Übermittlung eines Prospekts keinen Einfluss3. Diese bestimmt sich nach dem Recht des Mitgliedstaates aufgrund dessen die Billigung des Prospekts erfolgt ist4.

1 Vgl. dazu auch 3rd CESR meeting to discuss practical issues on the application of the Directive 2003/71 and the Commission Regulation 809/2004, May 2006, Markt/G3/RW D (2006), zu Art. 19 Abs. 3 Prospektrichtlinie, S. 1 f. 2 Begr. RegE zu § 17 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37. 3 Begr. RegE zu § 17 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37; Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 8; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 4. 4 Begr. RegE zu § 17 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37; Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 8; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz.4.

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Der BaFin sind im Rahmen des Notifizierungsvorgangs das Certificate of 31 Approval, der Prospekt oder Nachtrag sowie ggf. die Übersetzung der Zusammenfassung in die deutsche Sprache von der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates per E-Mail zu übermitteln1. Nicht notwendig ist die Übermittlung von per Verweis einbezogenen Angaben nach den dem § 11 WpPG entsprechenden Vorschriften des Herkunftsstaates, wie zB von per Verweis einbezogenen Finanzinformationen oder – im Falle von einteiligen Prospekten – Registrierungsformularen. Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 WpPG sind erfüllt, auch wenn per Verweis einbezogene Angaben nicht an die BaFin übermittelt werden. Die Übermittlung lediglich des Certificate of Approval, des Prospekts bzw. Nachtrags und ggf. einer deutschen Übersetzung der Zusammenfassung ist ausreichend, da die BaFin gemäß § 17 Abs. 3 WpPG nach den dem § 18 WpPG entsprechenden Vorschriften des Herkunftsstaates lediglich unterrichtet werden muss und sie keine Prüfung vorzunehmen hat (vgl. Art. 17 Abs. 1 Prospektrichtlinie iVm. Art. 18 Abs. 1 Prospektrichtlinie). Das Certificate of Approval muss nicht per Fax oder per Post an die BaFin gesendet werden. Sollte dem Sprachenregime gemäß § 17 Abs. 3 WpPG iVm. § 19 Abs. 4 und 5 WpPG nicht entsprochen worden sein und handelt es sich dabei nicht um einen Fehler, der allein aufgrund des Certificate of Approval, des Prospekts bzw. Nachtrags und ggf. einer deutschen Übersetzung der Zusammenfassung erkennbar ist, wäre die Ausräumung dieses Fehlers im Wege des § 23 WpPG möglich. Ist hingegen Gegenstand der Notifizierung ein dreiteiliger Prospekt nach den dem § 12 Abs. 1 WpPG entsprechenden Vorschriften des Herkunftsstaates, müssen alle drei Prospektteile (Zusammenfassung, Registrierungsformular und Wertpapierbeschreibung) sowie ggf. die in die deutsche Sprache übersetzte Zusammenfassung per E-Mail an die BaFin übermittelt werden. Die BaFin übersendet der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates eine Bestätigung über den Eingang der E-Mail bzw. teilt ihr mit, dass die Notifizierung aufgrund formeller Mängel der Billigungsbescheinigung, der Unvollständigkeit der ihr übersandten Dokumente oder aufgrund von Unzulänglichkeiten hinsichtlich des Sprachenregimes nicht akzeptiert wird. Wurde die Billigung des Prospekts nicht durch eine Bescheinigung gemäß 32 § 17 Abs. 3 WpPG iVm. § 18 Abs. 1 WpPG nachgewiesen, muss die BaFin das öffentliche Angebot gemäß § 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG untersagen2. Sofern der Prospekt nicht den Sprachenregelungen des § 19 Abs. 4 und 5 WpPG genügt, würde die BaFin von der Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaates gemäß § 23 WpPG Gebrauch machen und eine einvernehmliche Lösung suchen3. Daneben dürfte sich die Eingriffsmöglichkeit der BaFin bei gemeinschaftskonformer Auslegung auf die Vorsichtsmaßnahmen des § 24 WpPG beschränken4. Zwar schreibt § 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG vor, dass das öffent1 2 3 4

Vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 39. Vgl. auch Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (823). Vgl. auch Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (823). Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (824).

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liche Angebot zu untersagen ist, sofern der Prospekt nicht der Sprachenregelung des § 19 WpPG genügt; jedoch macht Art. 17 Abs. 1 Prospektrichtlinie die gemeinschaftsweite Geltung gebilligter Prospekte nur von der Unterrichtung der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaates durch eine Bescheinigung gemäß Art. 18 Abs. 1 Prospektrichtlinie abhängig und nicht – wie § 17 Abs. 3 WpPG – auch von einer § 19 Abs. 4 und 5 WpPG entsprechenden Sprachenregelung1. Eine Untersagung des öffentlichen Angebots würde somit einer Grundlage auf europäischer Ebene entbehren2. 33

Die Dokumente, welche die BaFin als zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats im Zusammenhang mit einer eingehenden Notifizierung akzeptiert, entsprechen denen, die nach der Billigung Gegenstand einer Notifizierung durch die BaFin an zuständige Behörden anderer Mitgliedstaaten sein können (zu den Dokumenten im Einzelnen siehe § 18 WpPG Rz. 10).

34

Es besteht keine Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts, der an die BaFin notifiziert wurde, nach § 14 Abs. 2 WpPG, ebenso nicht eines Nachtrags3. Das Gleiche gilt auch für endgültige Angebotsbedingungen4. Datum und Ort der Veröffentlichung eines Prospekts, Nachtrags und endgültiger Angebotsbedingungen müssen der BaFin nicht mitgeteilt werden. Die endgültigen Angebotsbedingungen müssen nicht bei der BaFin hinterlegt werden5. Eine freiwillige Hinterlegung der endgültigen Angebotsbedingungen ist jedoch möglich. Zu berücksichtigen ist, dass dafür eine Gebühr in Höhe von 25 Euro anfällt (Ziff. 1 der Anlage zu § 2 Abs. 1 WpPGebV/Gebührenverzeichnis). Wurde in einem an die BaFin notifizierten sog. „stand alone“-Prospekt der Emissionspreis und das Emissionsvolumen gemäß § 8

1 Vgl. Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (823 f.). 2 Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (824). 3 Vgl. CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 3; Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 427 f.; aA Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 192; Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 4; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 4; Schanz/Schalast, Wertpapierprospekte, Markteinführungspublizität nach EU-Prospektverordnung und Wertpapierprospektgesetz 2005, S. 42. 4 Nr. 146 CESR’s Report on supervisory functioning of the Prospectus Directive and Regulation, Juni 2007, CESR/07-225; aA die für Deutschland beschriebene Praxis, Nr. 146 CESR’s Report on supervisory functioning of the Prospectus Directive and Regulation, Juni 2007, CESR/07-225. 5 AA, nach der zwar nicht eine Hinterlegung der endgültigen Angebotsbedingungen bei den Aufnahmemitgliedstaatbehörden gefordert werden kann, die Aufnahmemitgliedstaatbehörden den Erhalt der endgültigen Angebotsbedingungen jedoch erwarten, CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 1 b); entsprechend der aA Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 14, 41, § 18 WpPG Rz. 18; weitere aA, nach der die Aufnahmemitgliedstaaten über die jeweiligen endgültigen Angebotsbedingungen informiert werden sollen, sofern es sich dort um ein öffentliches Angebot gehandelt hat, Müller/Oulds, WM 2007, 573 (576).

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§ 18 WpPG

Bescheinigung der Billigung

Abs. 1 WpPG nicht aufgenommen, müssen diese Angaben nicht bei der BaFin als Aufnahmestaatbehörde hinterlegt werden1. Wird ein von der Herkunftsstaatbehörde gebilligter Prospekt mindestens ei- 35 nen Tag vor der Notifizierung an die BaFin in einer in der § 14 Abs. 2 WpPG entsprechenden Vorschrift des Herkunftsstaates genannten Art und Weise veröffentlicht, kann ein öffentliches Angebot in Deutschland am Tag der Notifizierung beginnen.

§ 18 Bescheinigung der Billigung (1) Die Bundesanstalt übermittelt den zuständigen Behörden der Aufnahmestaaten auf Antrag des Anbieters oder Zulassungsantragstellers innerhalb von drei Werktagen eine Bescheinigung über die Billigung des Prospekts, aus der hervorgeht, dass der Prospekt gemäß diesem Gesetz erstellt wurde, sowie eine Kopie des Prospekts. Wird der Antrag zusammen mit der Einreichung des Prospekts zur Billigung gestellt, so beträgt die Frist nach Satz 1 einen Werktag nach Billigung des Prospekts. Der Anbieter oder Zulassungsantragsteller hat dem Antrag die Übersetzungen der Zusammenfassung gemäß der für den Prospekt geltenden Sprachenregelung des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaates beizufügen. (2) Absatz 1 ist auf gebilligte Nachträge zum Prospekt entsprechend anzuwenden. (3) Im Falle einer Gestattung nach § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 sind die Vorschriften, auf denen sie beruht, in der Bescheinigung zu nennen und ihre Anwendung zu begründen. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: von Kopp-Colomb/Lenz, Angebote von Wertpapieren über das Internet, BKR 2002, 5; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – Zentrale Punkte des neuen Regimes für Wertpapieremissionen, WM 2005, 1068.

1 AA, nach der zwar nicht die Hinterlegung des Emissionspreises und des Emissionsvolumens bei den Aufnahmemitgliedstaatbehörden gefordert werden kann, die Aufnahmemitgliedstaatbehörden den Erhalt des Emissionspreises und des Emissionserlöses jedoch erwarten, CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Nr. 1 a); entsprechend der aA Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 14, 41, § 18 WpPG Rz. 18.

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Bescheinigung der Billigung Inhaltsübersicht

I. Normentwicklung . . . . . . . . II. Notifizierungsverfahren (§ 18 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG) 1. Erteilung der Bescheinigung (§ 18 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . .

1

4

2. Fristen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 und Abs. 2 WpPG) . . . 15 III. Begründung bei der Nichtaufnahme von Angaben gemäß § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 WpPG (§ 18 Abs. 3 WpPG) . . . . . . .

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IV. Gebühren . . . . . . . . . . . . . .

20

I. Normentwicklung 1

§ 18 WpPG dient der Umsetzung von Art. 18 Prospektrichtlinie1. Art. 18 Abs. 1 Prospektrichtlinie beschreibt das in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Prospektrichtlinie genannte Verfahren der Unterrichtung der zuständigen Behörden der Aufnahmemitgliedstaaten (Art. 2 Abs. 1 lit. n Prospektrichtlinie) über die Billigung des Prospekts bzw. Nachtrags durch die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaates (Art. 2 Abs. 1 lit. m Prospektrichtlinie) zur Verwendung des Prospekts für öffentliche Angebote oder Börsenzulassungen von Wertpapieren einschließlich etwaiger Nachträge in beliebig vielen Aufnahmemitgliedstaaten, das sog. Notifizierungsverfahren. Danach ist nur noch die Übermittlung einer Bescheinigung über die Billigung des Prospekts, aus der hervorgeht, dass der Prospekt gemäß der Richtlinie erstellt wurde, dem sog. Certificate of Approval, sowie einer Kopie des Prospekts durch die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaates an die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaates, erforderlich. Nach dem ehemaligen Verfahren der gegenseitigen Anerkennung gemäß Art. 21 Emissionsrichtlinie2 bzw. Artt. 38 f. Börsenzulassungsrichtlinie3 musste die Aufnahmemitgliedstaatbehörde noch eine Entscheidung treffen, ob sie den Prospekt anerkennt oder nicht4. Diese Entscheidung war gebunden, dh. der Prospekt musste anerkannt werden, sofern die entsprechenden Voraussetzungen des Art. 21 Emissionsrichtlinie bzw. der Artt. 38 f. Börsenzulas-

1 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64; zum Umsetzungsziel von § 1 WpPG siehe Begr. RegE zu § 1 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 27. 2 Richtlinie 89/298/EWG des Rates vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8. 3 Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.5.2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1. 4 Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 428.

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Bescheinigung der Billigung

§ 18 WpPG

sungsrichtlinie vorlagen1. Die Aufnahmemitgliedstaatbehörde konnte die Anerkennung verweigern, sofern der Prospekt nicht den Vorschriften des Aufnahmestaates genügte, weil entsprechende Ausnahmeregelungen zwar in dem Herkunftsmitgliedstaat in nationales Recht umgesetzt wurden, in dem Aufnahmemitgliedstaat hingegen nicht2. Im Unterschied zu Art. 21 Abs. 1 Emissionsrichtlinie bzw. Art. 38 Abs. 1 Börsenzulassungsrichtlinie kann die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaates keine Übersetzung des vollständigen Prospekts in die jeweilige Landessprache des Aufnahmemitgliedstaates mehr fordern3. Verlangt werden kann von den zuständigen Behörden der Aufnahmemitgliedstaaten gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 2 Prospektrichtlinie iVm. Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 Prospektrichtlinie lediglich eine Übersetzung der Zusammenfassung in ihre jeweiligen Amtssprachen4. Auch der Vorschlag der Europäischen Kommission für die Prospektrichtlinie sah noch vor, dass die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaates die Annahme des Prospekts verweigern kann, sofern bestimmte Informationsbestandteile nicht im Prospekt enthalten sind (§ 17 WpPG Rz. 4)5. Eine Frist für die Notifizierung war nicht vorgesehen. Im Rahmen der Stellungnahme des Europäischen Parlaments in seiner ersten Lesung wurde die Möglichkeit zur Verweigerung durch die Regelung, dass der Prospekt in dem Aufnahmemitgliedstaat Gültigkeit hat, sofern der Aufnahmestaatbehörde entsprechend Meldung gemacht wird, und dass in derartigen Fällen die Aufnahmestaatbehörden keine Billigung oder administrative Verfahren vorsehen, ersetzt6. Daneben sollte für die Notifizierung eine Frist von drei Tagen gelten7. Der geänderte Vorschlag der Europäischen Kommission sah erstmalig vor, dass die Bescheinigung die Gründe

1 Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 428. 2 Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 428 f. 3 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 2; vgl. auch Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2282). 4 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 2; vgl. auch Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2282); von Kopp-Colomb/Lenz, BKR 2002, 5 (10). 5 Art. 15 Abs. 3 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, von der Kommission vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272; vgl. auch Alfes in Holzborn, § 17 WpPG Rz. 3. 6 Art. 14 Abs. 1 und 2 des Standpunktes des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, festgelegt in erster Lesung am 14.3.2002, ABl. EU Nr. C 47 E v. 27.2.2003, S. 525. 7 Art. 16 des Standpunktes des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, festgelegt in erster Lesung am 14.3.2002, ABl. EU Nr. C 47 E v. 27.2.2003, S. 525; vgl. auch Alfes in Holzborn, § 18 WpPG Rz. 2.

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§ 18 WpPG

Bescheinigung der Billigung

für eine Nichtaufnahme von Pflichtangaben nennen muss1 und der Bescheinigung ggf. eine Übersetzung der Zusammenfassung beizufügen ist2. Daneben wurde klargestellt, dass die Notifizierung auch auf Nachträge anwendbar ist3. Die Notifizierung sollte innerhalb von drei Arbeitstagen erfolgen4. Der gemeinsame Standpunkt des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union sah vor, dass neben dem Emittenten nun auch die für die Erstellung des Prospekts verantwortlichen Personen eine Notifizierung beantragen können sollen5. Die Frist für die Notifzierung innerhalb von einem Arbeitstag, sofern der Notifizierungsantrag mit dem Prospektentwurf vorgelegt wurde, fand erstmals in dem Standpunkt des Europäischen Parlaments in seiner zweiten Lesung Erwähnung6. 2

Gemäß Art. 31 Prospektrichtlinie erfolgt eine Überprüfung der Prospektrichtlinie fünf Jahre nach ihrem Inkrafttreten durch die Europäische Kommission. Der entsprechende Richtlinienvorschlag7 sieht in Art. 18 Abs. 1 1 Art. 18 Abs. 2 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122. 2 Art. 18 Abs. 1 Satz 2 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122; vgl. auch Alfes in Holzborn, § 18 WpPG Rz. 2. 3 Art. 18 Abs. 1 Satz 3 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122; vgl. auch Alfes in Holzborn, § 18 WpPG Rz. 2. 4 Art. 18 Abs. 1 Satz 1 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, von der Kommission vorgelegt am 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122. 5 Art. 18 Abs. 1 Satz 1 des gemeinsamen Standpunktes (EG) Nr. 25/2003 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom … betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, vom Rat festgelegt am 24.3.2003, ABl. EU Nr. C 125 E v. 27.5.2003, S. 21. 6 Art. 18 Abs. 1 Satz 1 des Standpunktes des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/24/EG, festgelegt in zweiter Lesung am 2.7.2003, ABl. EU Nr. C 74 E v. 24.3.2004, S. 251. 7 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen

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Bescheinigung der Billigung

§ 18 WpPG

Satz 4 vor, dass dem Emittenten oder der für die Prospekterstellung zuständigen Person die Bescheinigung über die Billigung zur gleichen Zeit übermittelt wird wie der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaates1. Die Kommission hatte als Grund für diese Ergänzung angeführt, dass in der Praxis für den Emittenten eine Unsicherheit dahingehend besteht, ob und wann eine Notifizierung tatsächlich durchgeführt wurde2. Daneben würde dieser Vorschlag auch mit einer Reduzierung der Kosten und Risiken des Emittenten oder der für die Erstellung des Prospekts zuständigen Person begründet; diese besäßen dann die Sicherheit, dass ein öffentliches Angebot von Wertpapieren in einem Mitgliedstaat, in dem die Notifizierung aufgrund eines Versehens oder Fehlers der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaates noch nicht wirksam ist, nicht unbeabsichtigt in Widerspruch mit den gesetzlichen Vorschriften stehen würde3. Die Umsetzung des Art. 18 Prospektrichtlinie erfolgte durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz4. Durch § 18 WpPG wurden die Regelungen über das Verfahren bei ausgehenden Notifizierungen in deutsches Recht übernommen. Die nationalen Bestimmungen orientieren sich dabei stark am Wortlaut des Art. 18 Prospektrichtlinie. Bei den Fristen stellt Art. 18

1

2

3

4

Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, v. 28.5.2010, 10254/10, 2009/0132 (COD). Art. 18 Abs. 1 Satz 4 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, v. 28.5.2010, 10254/10, 2009/0132 (COD), englische Fassung S. 32. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, v. 23.9.2009, KOM(2009) 491 endgültig, 2009/0132 (COD), S. 11. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, v. 23.9.2009, KOM(2009) 491 endgültig, 2009/0132 (COD), S. 11. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 22.6.2005, BGBl. I 2005, 1698.

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3

§ 18 WpPG

Bescheinigung der Billigung

Abs. 1 Satz 1 Prospektrichtlinie jedoch auf Arbeitstage ab, wohingegen für die Fristberechnung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 WpPG Werktage maßgebend sind. Die Antragsteller einer Notifizierung wurden in § 18 Abs. 1 WpPG auf den Anbieter und Zulassungsantragsteller konkretisiert.

II. Notifizierungsverfahren (§ 18 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG) 1. Erteilung der Bescheinigung (§ 18 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG) 4

§ 18 Abs. 1 WpPG regelt das sog. Notifizierungsverfahren. Bei der Notifizierung handelt es sich um die Übermittlung der Bescheinigung über die Billigung des Prospekts, aus der hervorgeht, dass der Prospekt gemäß dem WpPG erstellt wurde, sowie einer Kopie des Prospekts durch die BaFin an die zuständige Behörde des Aufnahmestaates, in dem das öffentliche Angebot oder die Börsenzulassung von Wertpapieren stattfinden soll. Der Prospektkopie ist eine ggf. erforderliche Übersetzung der Zusammenfassung entsprechend der für den Prospekt geltenden Sprachenreglung des jeweiligen Aufnahmestaates beizufügen (§ 18 Abs. 1 Satz 3 WpPG). Infolge der Notifizierung kann der Prospekt für ein öffentliches Angebot oder eine Zulassung von Wertpapieren zum Handel in anderen Mitgliedstaaten genutzt werden1. Der bei der BaFin gebilligte Prospekt kann in beliebig vielen Aufnahmemitgliedstaaten verwendet werden2.

5

Zuständig für die sog. ausgehenden Notifizierungen ist die BaFin als zuständige Behörde des Herkunftsstaates gemäß § 2 Nr. 13 WpPG (zu der Zuständigkeit der BaFin siehe § 13 WpPG Rz. 6 und § 17 WpPG Rz. 8). Allein ihr obliegt die Durchführung des Notifizierungsverfahrens. Ein Emittent, Anbieter oder Zulassungsantragsteller bzw. ein Bevollmächtigter ist nicht befugt, die Bescheinigung über die Billigung und die Prospektkopie an die zuständige Behörde des Aufnahmestaates zu übermitteln3.

6

Voraussetzung für die Durchführung eines Notifizierungsverfahrens ist die Stellung des Antrags an die BaFin, die Bescheinigung der Billigung an die zuständige Behörde des Aufnahmestaates zu übermitteln. Dieser Notifizierungsantrag ist durch den Anbieter oder Zulassungsantragsteller bzw. einen Bevollmächtigten zu stellen4 und schriftlich im Original bei der BaFin einzureichen. Der Antragsteller muss die Behörde des Aufnahmestaates, an die die Billigungsbescheinigung übermittelt werden soll, nennen5. Daneben

1 2 3 4

Vgl. Linke in Schäfer/Hamann, § 18 WpPG Rz. 1. Vgl. Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 296. Vgl. auch Linke in Schäfer/Hamann, § 18 WpPG Rz. 2. Vgl. auch Alfes in Holzborn, § 18 WpPG Rz. 4; Linke in Schäfer/Hamann, § 18 WpPG Rz. 3; Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 14, § 18 WpPG Rz. 1 f. 5 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 18 WpPG Rz. 3; vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 3.

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§ 18 WpPG

Bescheinigung der Billigung

muss das entsprechende Land aufgeführt sein1. Der Notifizierungsantrag kann nicht nur für einen bereits gebilligten Prospekt gestellt werden, sondern auch zugleich mit der Einreichung eines Prospekts zur Billigung2. In letzterem Fall erfolgt die Bescheinigung der Billigung jedoch erst nach der Billigung des Prospekts3. Der Antragsteller sollte die Notifizierung direkt mit den jeweiligen Aufnahmestaatbehörden, insbesondere hinsichtlich des Zeitplans, der Prospektsprache sowie des Erfordernisses einer Übersetzung der Zusammenfassung, zeitnah abstimmen (vgl. auch Rz. 13 und Rz. 16 sowie § 17 WpPG Rz. 12)4. Soll ein Nachtrag notifiziert werden, ist zu berücksichtigen, dass für diesen ein weiterer Notifizierungsantrag zu stellen ist, da der Antrag auf Notifizierung des Prospekts nicht auch automatisch für den Nachtrag gilt5. Die jeweils zuständigen Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten sind im Folgenden aufgelistet: Land

Behörde

Anschrift

Telefon/Internetadresse

Belgien

Commission bancaire, Rue du Congrès 12–14, 1000 Bruxelles, financière et des Belgium assurances (Banking, Finance and Insurance Commission)

+32 2 220 52 11/ http://www.cbfa.be

Bulgarien

Financial Supervision Commission

33 Shar Planina Street, 1303 Sofia, Bulgaria

+359 2 9404 999/ http://www.fsc.bg

Dänemark

Finanstilsynet (Danish FSA)

Aarhusgade 110, 2100 Copenhagen, Denmark

+45 33 55 82 82/ http://www.finanstilsynet.dk

Deutschland

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

Lurgiallee 12, 60439 Frankfurt am Main, Deutschland

+49 (0) 228 4108 0/ http://www.bafin.de

Estland

Finantsinspektioon (Financial Supervision Authority)

Sakala 4, Tallinn 15030, Estonia

+372 66 80 500/ http://www.fi.ee

1 Alfes in Holzborn, § 18 WpPG Rz. 5; Linke in Schäfer/Hamann, § 18 WpPG Rz. 3; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 18 WpPG Rz. 3; vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 3. 2 Begr. RegE zu § 18 Abs. 1 und 2 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37; vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 3. 3 Begr. RegE zu § 18 Abs. 1 und 2 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37; vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 3. 4 Vgl. zu der Abstimmung mit den Aufnahmestaatbehörden auch Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 66; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 7 Rz. 38. 5 Vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 4.

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7

§ 18 WpPG

Bescheinigung der Billigung

Land

Behörde

Anschrift

Telefon/Internetadresse

Finnland

Finanssivalvonta (Financial Supervisory Authority)

P.O. BOX 103, 00101 Helsinki/ Snellmaninkatu 6 and Mikonkatu 8, 00101 Helsinki, Finland

+358 10 831 51/ http://www.fin-fsa.fi

Frankreich

Autorité des marchés financiers

17, place de la Bourse, 75082 Paris Cedex 02, France

+33 1 53 45 60 00/ http://www.amf-france.org

Griechenland

Hellenic Capital Market Commission

1 Kolokotroni & Stadiou Str., 105 62 Athens, Greece

+30 210 33 77 100/ http://www.hcmc.gr

Großbritannien und Nordirland

Financial Services Authority

25 The North Colonnade, Canary Wharf, London E14 5HS, United Kingdom

+ 44 20 7066 1000/ http://www.fsa.gov.uk

Irland

Financial Regulator

P.O. BOX 9138, College Green, Dublin 2, Ireland

+353 1 224 4000/ http://www.financialregulator.ie

Island

Fjármálaeftirlitið (The Financial Supervisory Authority – Iceland)

Suðurlandsbraut 32 108 Reykjavík, Iceland

+354 525 27 00/ http://www.fme.is

Italien

Commissione Nazionale per le Società e la Borsa (CONSOB)

Via Giovanni Battista Martini, 3, 00198 Rome, Italy

+39 06 8477 1/ http://www.consob.it

Lettland

Financial and Capital Market Commission

Kungu iela 1, Riga, 1050, Latvia

+3716 777 4800/ http://www.fktk.lv

Liechtenstein

FMA Finanzmarktauf- Postfach 279, sicht Liechtenstein 9490 Vaduz/ Heiligkreuz 8, 9490 Vaduz, Liechtenstein

+423 236 73 73/ http://www.fma-li.li

Litauen

Lietuvos Respublikos Vertybiniu˛ Popieriu˛ Komisija (The Securities Commission of the Republic of Lithuania)

Konstitucijos pr. 23 08105 Vilnius, Lithuania

+370 5 272 50 91/ http://www.lsc.lt

Luxemburg

Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF)

110, route d’Arlon, 2991 Luxembourg

+352 26 25 1 1/ http://www.cssf.lu

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§ 18 WpPG

Bescheinigung der Billigung Land

Behörde

Anschrift

Telefon/Internetadresse

Malta

Malta Financial Services Authority

Notabile Road, Attard BKR 3000, Malta

+356 21 441 155/ http://www.mfsa.com.mt

P.O. Box 11723, 1001 GS, Amsterdam/ Vijzelgracht 50, 1017 HS, Amsterdam, The Netherlands

+31 20 797 2000/ http://www.afm.nl.

Niederlande Autoriteit Financiële Markten (AFM) (Netherlands Authority for the Financial Markets [AFM]) Norwegen

P.O. Box 1187 Sentrum, Finanstilsynet (The Financial 0107 Oslo, Supervisory Authority Norway of Norway)

+47 22 93 98 00/ http://www.finanstilsynet.no

Österreich

Finanzmarktaufsicht (FMA)

Otto-Wagner-Platz 5, 1090 Wien, Österreich

+43 1 249 59 0/ http://www.fma.gv.at

Polen

Komisja Nadzoru Finansowego (Polish Financial Supervision Authority)

Plac Powstan´ców Warszawy 1, 00-950 Warszawa, Poland

+4822 26 25 000/ http://www.knf.gov.pl

Portugal

Comissão do Mercado de Valores Mobiliários

Av. Liberdade, n.o 252, 1056-801 Lisboa, Portugal

+351 213 177 000/ http://www.cmvm.pt

Rumänien

Comisia Nat¸ionala˘ a Valorilor Mobiliare (Romanian National Securities Commission)

Str. Fois¸orului nr. 2, Sector 3, 031178 Bucures¸ti, Romania

+4021 326 67 75/ http://www.cnvmr.ro

Schweden

Finansinspektionen

Box 7821, 103 97 Stockholm/ Brunnsgatan 3 i centrala Stockholm, Sweden

+46 8 787 80 00/ http://www.fi.se

Slovakei

Národná banka Slovenska (National Bank of Slovakia)

Imricha Karvasˇa 1, 813 25 Bratislava, Slovac Republic

+421 2 57 87 1111/ http://www.nbs.sk

Slovenien

Agencija za trg vrednostnih papirjev (Securities Market Agency)

Poljanski nasip 6, Ljubljana, Slovenia

+386 1 280 04 00/ http://www.a-tvp.si

Spanien

Comisión Nacional del Mercado de Valores

Miguel Ángel, 11, 28010 Madrid, Spain

+34 91 585 15 00/ http://www.cnmv.es

Tschechien

´ eská národní banka C (Czech National Bank)

Na Prˇ íkopeˇ 28, 115 03 Praha 1, Czech Republic

+420 224 411 111/ http://www.cnb.cz

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495

§ 18 WpPG

Bescheinigung der Billigung

Land

Behörde

Anschrift

Telefon/Internetadresse

Ungarn

Pénzügyi Szervezetek Állami Felügyelete (Hungarian Financial Supervisory Authority)

114. Pf. 777., 1534 Budapest/ Krisztina krt. 39, 1013 Budapest, Hungary

+36 1 4899 100/ http://www.pszaf.hu

Zypern

Cyprus Securities and Exchange Commission

PO. Box 24996, 1306 Nicosia/ Stasikratous 32, 4th Floor, 1065 Nicosia, Cyprus

+357 22 875 475/ http://www.cysec. gov.cy

8

Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 WpPG ist dem Antrag auf Notifizierung die Übersetzung der Zusammenfassung gemäß der für den Prospekt geltenden Sprachenregelung des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats beizufügen. Eine von CESR aufgestellte Übersicht enthält neben den Sprachen, die von den einzelnen Mitgliedstaaten für die Prospektprüfung akzeptiert werden, auch die in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden Anforderungen hinsichtlich der Übersetzung der Zusammenfassung (vgl. auch § 17 WpPG Rz. 12)6.

9

Daneben sind dem Notifizierungsantrag in elektronischer Form der zu notifizierende Prospekt oder Nachtrag sowie eine ggf. nach § 18 Abs. 1 Satz 3 WpPG notwendige Übersetzung der Zusammenfassung beizufügen7. Nicht elektronisch an die BaFin übersandt werden müssen nach § 11 WpPG per Verweis einbezogene Angaben, wie zB per Verweis einbezogenen Finanzinformationen oder – im Falle von einteiligen Prospekten – Registrierungsformulare (dazu auch Rz. 13). Soll ein dreiteiliger Prospekt nach § 12 Abs. 1 WpPG notifiziert werden, sind alle drei Prospektteile (Zusammenfassung, Registrierungsformular, und Wertpapierbeschreibung) sowie eine ggf. nach § 18 Abs. 1 Satz 3 WpPG notwendige Zusammenfassung der BaFin in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Soll ein vollständig in deutscher Sprache erstellter Prospekt an eine Aufnahmestaatbehörde, die keine entsprechenden Prospekte akzeptiert, unter Beifügung einer Übersetzung in eine Sprache, die von der Aufnahmestaatbehörde akzeptiert wird, notifiziert werden (siehe dazu Rz. 13 sowie § 17 WpPG Rz. 13), ist sowohl der Prospekt als auch die Übersetzung der BaFin elektronisch zur Verfügung zu stellen8. Im Falle der Notifizierung eines Nachtrags sind dem Notifizierungsantrag neben den Dokumenten, die der BaFin für die Notifizierung eines Prospekts elektronisch zur Verfügung zu stellen sind, zusätzlich etwaige Übersetzun-

6 CESR, Languages accepted for the purpose of the scrutiny of the Prospectus and requirements of translation of the Summary, February 2009, CESR/09-133. 7 Vgl. auch für den dem Notifizierungsantrag beizufügenden Prospekt und Nachtrag Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 6. 8 Vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 14.

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Bescheinigung der Billigung

§ 18 WpPG

gen der Zusammenfassung, welche gemäß § 16 Abs. 2 WpPG um die im Nachtrag enthaltenen Informationen ergänzt wurden, in elektronischer Form beizufügen. Diese Dokumente in elektronischer Form werden entweder jeweils in Form einer Pdf-Datei auf einer CD oder über die Melde- und Veröffentlichungsplattform der BaFin (sog. MVP) eingereicht1. Zu berücksichtigen ist, dass die Übersetzungen der Zusammenfassung gemäß der für den Prospekt geltenden Sprachenregelung des jeweiligen Aufnahmestaates nach § 18 Abs. 1 Satz 3 WpPG (dazu Rz. 8) grundsätzlich nicht Gegenstand des Prospekts sind2, sondern jeweils als gesonderte Pdf-Dateien auf der CD abgespeichert sein sollen (vgl. auch Rz. 13). Die für die Notifizierung erforderlichen Dokumente können nicht per E-Mail an die BaFin gesandt werden3. Für die Übermittlung von E-Mails bei Notifizierungen hat die BaFin keinen Zugang gemäß § 3a Abs. 1 VwVfG eingerichtet. In dem Notifizierungsantrag ist zu bestätigen, dass die elektronisch eingereichten Dokumente dem gebilligten Prospekt oder Nachtrag sowie einer ggf. nach § 18 Abs. 1 Satz 3 WpPG notwendigen Zusammenfassung entsprechen4. Wurde der Notifizierungsantrag bereits vor der Billigung gestellt, kann diese Identitätserklärung erst mit Einreichung der elektronischen Dokumente abgegeben werden. Das Notifizierungsverfahren ist anwendbar auf Prospekte (§ 18 Abs. 1 Satz 1 10 WpPG), dh. ein- und dreiteilige Prospekte, Basisprospekte nach § 6 WpPG5 sowie Prospekte, in die Angaben per Verweis einbezogen sind. Nach § 18 Abs. 2 WpPG gelten die Regelungen über die Notifizierung von Prospekten gemäß § 18 Abs. 1 WpPG entsprechend für gebilligte Nachträge6. Nicht notifiziert werden können isolierte Registrierungsformulare und Wertpapierbeschreibungen7, da der Wortlaut des § 18 Abs. 1 WpPG – ebenso wie § 17 Abs. 1 WpPG – auf den Prospekt in seiner Gesamtheit und nicht auf die einzelnen Bestandteile abstellt. Die Notifizierung von endgültigen Angebotsbedingungen in Bezug auf einen Basisprospekt gemäß § 6 Abs. 3 WpPG ist

1 Die Übermittlung eines Dokuments über die Melde- und Veröffentlichungsplattform der BaFin setzt eine Zertifizierung voraus. 2 Vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 10. 3 Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 4. 4 Vgl. auch für die sich auf den Prospekt beziehende Identitätserklärung Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 6. 5 Siehe auch Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 5; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 1; vgl. auch Zeising in Just/ Voß/Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 14, § 18 WpPG Rz. 16. 6 Siehe auch Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 5; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 1; Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 16. 7 Siehe auch Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 5; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 1; in der Darstellung der Praxis gleich, jedoch wird die Ansicht vertreten, dass zumindest die Notifizierung eines separaten Registrierungsformulars möglich sein sollte, Zeising in Just/Voß/Ritz/ Zeising, § 17 WpPG Rz. 14, 20 ff., § 18 WpPG Rz. 17.

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§ 18 WpPG

Bescheinigung der Billigung

ebenfalls nicht möglich, da diese weder geprüft1 noch gebilligt werden2 und auch nicht vom Wortlaut des § 18 Abs. 1 und 2 WpPG umfasst sind. 11

Nach § 18 Abs. 2 WpPG gelten die Regelungen für Prospekte gemäß § 18 Abs. 1 WpPG entsprechend für gebilligte Nachträge. Sofern ein Nachtrag zur Billigung eingereicht wird und der nachzutragende Prospekt bereits an andere Aufnahmestaatbehörden notifiziert wurde, liegt es nahe, die Notifizierung des Nachtrags an alle entsprechenden Aufnahmestaatbehörden zu beantragen3. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Prospekt in den Aufnahmestaaten ungültig wird4 und dort kein öffentliches Angebot und keine Börsenzulassung stattfinden darf. Wird ein Prospekt zunächst nur in Deutschland verwendet, soll er jedoch im weiteren Zeitverlauf auch in anderen Mitgliedstaaten genutzt werden, muss sich der Notifizierungsantrag sowohl auf den Prospekt als auch auf etwaige Nachträge zu dem Prospekt beziehen5.

12

Die Bescheinigung, das sog. Certificate of Approval, wird in deutscher Sprache oder einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache, dh. Englisch (zu der in Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache siehe § 17 WpPG Rz. 11 und § 19 WpPG Rz. 21 ff.), erstellt6. Die BaFin nutzt letztere Alternative und versendet die Bescheinigung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 WpPG in der Regel auf Englisch. Für das Certificate of Approval hat CESR ein Muster entwickelt7.

13

Im Rahmen des Notifizierungsvorgangs übersendet die BaFin der zuständigen Behörde des Aufnahmestaates eine E-Mail, welcher das Certificate of Approval und der zu notifizierende Prospekt oder Nachtrag sowie eine ggf. nach § 18 Abs. 1 Satz 3 WpPG notwendige Zusammenfassung, jeweils in Form einer Pdf-Datei, als Anhänge angefügt sind. Die Übersetzungen der Zusammenfassung gemäß der für den Prospekt geltenden Sprachenregelung des jeweiligen Aufnahmestaates gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 WpPG (dazu Rz. 8) sollen dabei grundsätzlich nicht Gegenstand des Prospekts, sondern jeweils gesonderte Anhänge der E-Mail sein (vgl. auch Rz. 9). Dadurch wird klargestellt, dass die Übersetzungen der Zusammenfassung nicht von der Billigung der BaFin umfasst sind und auch nicht von ihr geprüft wurden. Wurde zur Gewährleistung des Sprachenregimes und aus Praktikabilitäts1 Vgl. auch Linke in Schäfer/Hamann, § 17 WpPG Rz. 5; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 17 WpPG Rz. 1. 2 Vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 17 WpPG Rz. 20, § 18 WpPG Rz. 17. 3 Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 426 f.; vgl. dazu auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG, Rz. 23. 4 Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 427. 5 Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 427 f. 6 Begr. RegE zu § 18 Abs. 1 und 2 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37; vgl. auch Alfes in Holzborn, § 18 WpPG Rz. 11; Groß, Kapitalmarktrecht, § 18 WpPG Rz. 2. 7 Vgl. Nr. 35 CESR’s Report on the supervisory functioning of the Prospectus Directive and Regulation, June 2007, CESR/07-225.

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§ 18 WpPG

gründen neben dem gebilligten in deutscher Sprache verfassten Prospekt auch eine Übersetzung des Prospekts in eine Sprache, die von der Aufnahmestaatbehörde akzeptiert wird, erstellt (dazu siehe Rz. 9 sowie § 17 WpPG Rz. 13), übermittelt die BaFin den Prospekt unter Beifügung der Übersetzung elektronisch an die Aufnahmestaatbehörde1. Die Übermittlung von nach § 11 WpPG per Verweis einbezogenen Angaben, wie zB von per Verweis einbezogenen Finanzinformationen oder – im Falle von einteiligen Prospekten – Registrierungsformularen, ist nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 und 2 WpPG und der dem § 17 Abs. 3 WpPG entsprechenden Vorschriften des Aufnahmestaates sind erfüllt, auch wenn per Verweis einbezogene Angaben nicht an die Aufnahmestaatbehörde übermittelt werden. Ausreichend ist die Übermittlung des Certificates of Approval, des Prospekts bzw. Nachtrags und einer ggf. nach § 18 Abs. 1 Satz 3 WpPG notwendigen Zusammenfassung, da die Aufnahmestaatbehörde nach § 18 Abs. 1 und 2 WpPG und den dem § 17 Abs. 3 WpPG entsprechenden Vorschriften des Aufnahmestaates lediglich zu unterrichten ist und sie keine Prüfung vorzunehmen hat (vgl. Art. 17 Abs. 1 Prospektrichtlinie iVm. Art. 18 Abs. 1 Prospektrichtlinie). Sofern Gegenstand der Notifzierung ein dreiteiliger Prospekt nach § 12 Abs. 1 WpPG ist, sind alle drei Prospektteile (Zusammenfassung, Registrierungsformular und Wertpapierbeschreibung) sowie eine ggf. nach § 18 Abs. 1 Satz 3 WpPG notwendige Zusammenfassung per E-Mail an die Aufnahmestaatbehörde zu übermitteln. Im Falle der Notifizierung eines Nachtrags sind neben den Dokumenten, welche die BaFin bei der Notifizierung eines Prospekts per E-Mail an die Aufnahmestaatbehörden zu übermitteln hat, zusätzlich etwaige Übersetzungen der Zusammenfassung, welche gemäß § 16 Abs. 2 WpPG um die im Nachtrag enthaltenen Informationen ergänzt wurden, per E-Mail zu übermitteln. Eine Übersendung des Certificates of Approval per Fax oder per Post wird von den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten nicht gefordert. Nach Übermittlung der E-Mail sendet die BaFin per Fax eine Bestätigung darüber, dass der Prospekt bzw. Nachtrag an die entsprechende Aufnahmestaatbehörde notifiziert wurde, an den Antragsteller2. Dieses Schreiben stellt jedoch keine Bestätigung, dass die Notifizierung bei der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaats angekommen ist3 und von dieser auch akzeptiert wird, dar. Die zuständige Behörde des Aufnahmestaates bestätigt der BaFin entweder den Eingang der E-Mail wiederum per E-Mail oder teilt mit, dass die Notifizierung nicht akzeptiert werden konnte. Letzteres kann sich nur auf formelle Mängel der Billigungsbescheinigung, eine Unvollständigkeit der übersandten Dokumente oder Unzulänglichkeiten hinsichtlich des Sprachenregimes beziehen (vgl. auch § 17 WpPG Rz. 7 und Rz. 29). Da die Reaktion der Aufnahmestaatbehörde teilweise nicht an dem Tag der Notifizierung durch die BaFin erfolgt, muss sich der Antragsteller selbst an die 1 Vgl. auch Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 19 WpPG Rz. 24; anders noch Alfes in Holzborn, § 18 WpPG Rz. 13; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 18 WpPG Rz. 2. 2 Vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 22. 3 Alfes in Holzborn, § 18 WpPG Rz. 12.

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Bescheinigung der Billigung

entsprechende Behörde wenden, um sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für ein öffentliches Angebot bzw. eine Börsenzulassung auch in dem Aufnahmestaat vorliegen (vgl. auch Rz. 6 und Rz. 16 sowie § 17 WpPG Rz. 12)1. 14

Die Notifizierung stellt keinen Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG dar2, weil ihr keine Regelungsfunktion zukommt3. Daher ist die allgemeine Leistungsklage der geeignete Rechtsbehelf, wenn eine Notifizierung unterbleibt4. 2. Fristen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 und Abs. 2 WpPG)

15

Der Zeitpunkt, an dem die Notifizierung durchzuführen ist, hängt von dem Zeitpunkt der Stellung des Notifizierungsantrags ab. Wird der Notifizierungsantrag für einen bereits gebilligten Prospekt gestellt, beträgt die Frist, innerhalb der die BaFin den Prospekt an den Aufnahmemitgliedstaat notifizieren muss, nach § 18 Abs. 1 Satz 1 WpPG drei Werktage nach der Stellung des Notifizierungsantrags. Sofern der Notifizierungsantrag zusammen mit der Einreichung des Prospekts zur Billigung gestellt wird, findet die Notifizierung erst nach der Prospektbilligung statt (§ 18 Abs. 1 Satz 2 WpPG). Die Notifizierung muss dann gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 WpPG innerhalb einer Frist von einem Werktag nach der Prospektbilligung erfolgen. Dieses gilt auch unter der Voraussetzung, dass der Notifizierungsantrag zwar nicht mit der Einreichung der ersten Prospektfassung, jedoch vor der Billigung des Prospekts während des Prospektprüfungsverfahrens gestellt wird5. Da auch in diesem Fall die Notifizierung erst nach der Prospektbilligung durchgeführt werden kann und somit eine dem § 18 Abs. 1 Satz 2 WpPG vergleichbare Sachlage vorliegt, muss auch hier die Frist von einem Werktag nach der Prospektbilligung gelten6. Bei Ablauf der Frist für die Notifizierung wird die Notifizierung nicht fingiert7. 1 Vgl. zu der Abstimmung mit den Aufnahmestaatbehörden auch Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 66; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 7 Rz. 38, Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 22. 2 Vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 19. 3 Alfes in Holzborn, § 18 WpPG Rz. 12, 19. 4 Alfes in Holzborn, § 18 WpPG Rz. 19. 5 Vgl. auch Alfes in Holzborn, § 18 WpPG Rz. 15; Linke in Schäfer/Hamann, § 18 WpPG Rz. 5; aA, nach der die Frist von drei Werktagen auch dann gilt, wenn der Notifizierungsantrag nach der Prospekteinreichung, aber noch vor der Billigung gestellt wird, Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1069 f.); Zeising in Just/Voß/ Ritz/Zeising, § 18 WpPG Rz. 5. 6 Vgl. auch Alfes in Holzborn, § 18 WpPG Rz. 15; Linke in Schäfer/Hamann, § 18 WpPG Rz. 5; aA, gemäß der § 18 Abs. 1 Satz 1 WpPG auf eine Stellung eines Notifizierungsantrags vor der Billigung während des Prüfungsverfahrens Anwendung findet und daher die Notifizierung innerhalb einer Frist von drei Werktagen nach der Prospektbilligung erfolgen muss, Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1069 f.); Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 18 WpPG Rz. 4. 7 Vgl. auch Alfes in Holzborn, § 18 WpPG Rz. 17.

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Bescheinigung der Billigung

§ 18 WpPG

Insbesondere für den Fall, dass ein öffentliches Angebot in verschiedenen Mitgliedstaaten gleichzeitig beginnen soll, sollte eine zeitnahe Abstimmung des Notifizierungsverfahrens direkt mit den jeweiligen Aufnahmestaatbehörden durch den Antragsteller vorgenommen werden (vgl. auch Rz. 6 und Rz. 13 sowie § 17 WpPG Rz. 12)1.

16

Die Frist für die Übermittlung der Bescheinigung der Billigung berechnet sich nach § 31 VwVfG iVm. §§ 187 BGB ff.2. Der Tag der Antragstellung wird bei der Berechnung der Frist von einem bzw. drei Werktagen nicht mitgerechnet.

17

Die Regelungen der Fristen gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 WpPG sind gemäß § 18 Abs. 2 WpPG entsprechend auf Nachträge anzuwenden.

18

III. Begründung bei der Nichtaufnahme von Angaben gemäß § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 WpPG (§ 18 Abs. 3 WpPG) § 18 Abs. 3 WpPG regelt, dass bei einer Gestattung zur Nichtaufnahme von Angaben gemäß § 8 Abs. 2 und 3 WpPG die Nennung der Vorschriften, auf denen die Gestattung beruht, und der Begründung ihrer Anwendung in der Bescheinigung erforderlich sind. Sofern die BaFin also ihr Ermessen ausgeübt hat mit der Folge, dass Pflichtangaben nicht in den Prospekt aufgenommen werden müssen, oder sie festgestellt hat, dass bestimmte Pflichtangaben ausnahmsweise nicht angemessen sind und durch gleichwertige Angaben ersetzt wurden, muss dieser Umstand in dem Certificate of Approval genannt und begründet werden3. Zwar erfordert eine Nichtaufnahme von Angaben nach § 8 Abs. 3 WpPG im Gegensatz zu § 8 Abs. 2 WpPG keine Gestattung4 und damit auch keinen Gestattungsantrag. Die BaFin erlangt jedoch Kenntnis von einem Fall des § 8 Abs. 3 WpPG während der Prospektprüfung, ggf. unter Hinzuziehung einer Querverweisliste gemäß Art. 25 Abs. 4 ProspektVO5 bzw. Art. 26 Abs. 3 ProspektVO6. Die Vorschrift des § 18 Abs. 3 WpPG dient ausschließlich dem öffentlichen Interesse7. 1 Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 66; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 7 Rz. 38. 2 Begr. RegE zu § 18 Abs. 1 und 2 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37. 3 Vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 18 WpPG, Rz. 21. 4 Siehe auch Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 18 WpPG Rz. 7. 5 Berichtigung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlament und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3. 6 Vgl. auch Linke in Schäfer/Hamann, § 18 WpPG Rz. 9; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 18 WpPG Rz. 7. 7 Begr. RegE zu § 18 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37.

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IV. Gebühren 20

Die Gebühren für Notifizierungen, die die BaFin für ihre Amtshandlungen gemäß § 18 Abs. 1 und 2 WpPG erhebt, bestimmen sich nach § 28 Abs. 1 WpPG iVm. § 2 Abs. 1 WpPGebV iVm. Ziff. 13 der Anlage zu § 2 Abs. 1 WpPGebV/Gebührenverzeichnis. Danach beläuft sich die Gebühr für die Übermittlung einer Bescheinigung iS des § 18 Abs. 1 WpPG über die Billigung des Prospekts innerhalb von drei Werktagen auf 100 Euro. Für die Notifizierung eines Nachtrags gilt die gleiche Gebührenregelung (Ziff. 13 der Anlage zu § 2 Abs. 1 WpPGebV/Gebührenverzeichnis iVm. § 18 Abs. 2 WpPG). Ist die Bescheinigung über die Billigung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 WpPG innerhalb von einem Werktag zu übermitteln, beträgt die Gebühr 150 Euro. Muss die Bescheinigung über die Billigung eine Angabe nach § 18 Abs. 3 WpPG enthalten, erhöht sich die jeweilige Gebühr um 50 Euro. Wird die Bescheinigung an die zuständigen Behörden mehrerer Aufnahmestaaten übermittelt, vervielfacht sich die jeweilige Gebühr entsprechend der Anzahl der Aufnahmestaaten. Sofern ein Dokument, welches in einen anderen Mitgliedstaat notifiziert wurde, rechtlich zwei Prospekte enthält, wird nur eine Gebühr berechnet, da nur ein Certificate of Approval erstellt werden muss und es sich nur um einen Notifizierungsvorgang handelt. Für Notifizierungen eines solchen Dokuments in weitere Mitgliedstaaten wird für die Gebührenberechnung die Anzahl der Aufnahmestaatbehörden, an die die Notifizierungen erfolgen, zu Grunde gelegt. Werden ein früher gebilligter Prospekt und ein aktuell gebilligter Nachtrag zusammen in einen anderen Mitgliedstaat notifiziert, fällt nur eine Gebühr an.

21

Erfolgt eine Rücknahme eines Notifizierungsantrags nach Übermittlung der Bescheinigung an die zuständige Behörde des Aufnahmestaates, fällt die für die Amtshandlung gemäß Ziff. 13 der Anlage zu § 2 Abs. 1 WpPGebV/Gebührenverzeichnis relevante Gebühr vollständig an.

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Abschnitt 5 Sprachenregelung und Emittenten mit Sitz in Drittstaaten § 19 Sprachenregelung (1) Werden Wertpapiere, für die der Herkunftsstaat des Emittenten die Bundesrepublik Deutschland ist, im Inland öffentlich angeboten oder wird im Inland die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt und nicht auch in einem anderen Staat oder mehreren anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, ist der Prospekt in deutscher Sprache zu erstellen. Die Bundesanstalt kann die Erstellung eines Prospekts in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache gestatten, sofern der Prospekt auch eine Übersetzung der Zusammenfassung in die deutsche Sprache enthält und im Einzelfall unter Berücksichtigung der Art der Wertpapiere eine ausreichende Information des Publikums gewährleistet erscheint. (2) Werden Wertpapiere, für die der Herkunftsstaat des Emittenten die Bundesrepublik Deutschland ist, nicht im Inland öffentlich angeboten und wird nicht im Inland die Zulassung an einem organisierten Markt beantragt, sondern nur in einem anderen Staat oder mehreren anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, kann der Anbieter oder Zulassungsantragsteller den Prospekt nach seiner Wahl in einer von der zuständigen Behörde des Aufnahmestaates oder den zuständigen Behörden der Aufnahmestaaten anerkannten Sprache oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache erstellen. In den Fällen des Satzes 1 ist der Prospekt zusätzlich in einer von der Bundesanstalt anerkannten oder in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache zu erstellen, sofern eine solche Sprache nicht bereits nach Satz 1 gewählt worden ist. (3) Werden Wertpapiere, für die der Herkunftsstaat des Emittenten die Bundesrepublik Deutschland ist, im Inland öffentlich angeboten oder wird im Inland die Zulassung an einem organisierten Markt beantragt und werden die Wertpapiere auch in einem anderen Staat oder mehreren anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums öffentlich angeboten oder wird auch dort die Zulassung zum Handel beantragt, ist der Prospekt in deutscher oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache zu erstellen. Ist der Prospekt nicht in deutscher Sprache erstellt, muss er auch eine Übersetzung der Zusammenfassung in die deutsche Sprache enthalten. (4) Werden Wertpapiere, für die der Herkunftsstaat des Emittenten nicht die Bundesrepublik Deutschland ist, im Inland öffentlich angeboten oder wird im Inland die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt, kann der Prospekt in einer von der Bundesanstalt anerkannten Sprache oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache erstellt werden. Ist der Prospekt nicht in deutscher Sprache erstellt, muss er

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Sprachenregelung

auch eine Übersetzung der Zusammenfassung in die deutsche Sprache enthalten. (5) Wird die Zulassung von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro zum Handel an einem organisierten Markt in einem Staat oder mehreren Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums beantragt, kann der Prospekt in einer von der Bundesanstalt und der zuständigen Behörde des Aufnahmestaates oder den zuständigen Behörden der Aufnahmestaaten anerkannten Sprache oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache erstellt werden. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Apfelbacher/Metzner, Das Wertpapierprospektgesetz in der Praxis – Eine erste Bestandsaufnahme, BKR 2006, 81; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. 2010; Boos/Preuße, Die Umsetzung der EU-Prospektrichtlinie in Deutschland – Folgen für daueremittierende Banken, Kreditwesen 2005, 523; Christ, Der Einfluss der EU-Prospektrichtlinie auf das Wertpapierprospekthaftungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 2007; Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Fürhoff/Ritz, Richtlinienentwurf der Kommission über den Europäischen Pass für Emittenten, WM 2001, 2280; Grub/Thiem, Das neue Wertpapierprospektgesetz – Anlegerschutz und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland, NZG 2005, 750; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668; König, Die neue europäische Prospektrichtlinie – Eine kritische Analyse und Überlegungen zur Umsetzung in das deutsche Kapitalmarktrecht, ZEuS 2004, 251; von Kopp-Colomb/Lenz, Der europäische Pass für Emittenten, AG 2002, 24; Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB 2005, 209; Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – Zentrale Punkte des neuen Regimes für Wertpapieremissionen, WM 2005, 1068; Kunold/ Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie – Inhalt und Auswirkungen auf das deutsche Kapitalmarktrecht, BB 2004, 501; Mattil/Möslein, Die Sprache des Emissionsprospekts – Europäisierung des Prospektrechts und Anlegerschutz, WM 2007, 819; Sandberger, Die EU-Prospektrichtlinie – Europäischer Pass für Emittenten, EWS 2004, 297; Schanz/Schalast, HfB – Business School of Finance, Working Paper Series, No. 74, Wertpapierprospekte – Markteinführungspublizität nach EU-Prospektverordnung und Wertpapierprospektgesetz 2005, Juli 2006; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schlitt/Schäfer, Drei Jahre Praxis unter dem Wertpapierprospektgesetz – eine Zwischenbilanz, AG 2008, 525; Schlitt/Singhof/Schäfer, Aktuelle Rechtsfragen und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251; Seitz, Das neue Wertpapierprospektgesetz, AG 2005, 678; Siller, Kapitalmarktrecht, 2006; von Ilberg/Neises, Die Richtlinien-Vorschläge der EU Kommission zum „Einheitlichen Europäischen Prospekt“ und zum „Marktmissbrauch“ aus Sicht der Praxis, WM 2002, 635; Weber, Unterwegs zu einer europäischen Prospektkultur – Vorgaben der neuen Wertpapierprospektrichtlinie vom 4.11.2003, NZG 2004, 360; Wieneke, Emissionspublizität, NZG 2005, 109; Wieneke, Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, 2006; Zimmer/Binder, Prospekthaftung von Experten? Kritik eines Gesetzentwurfs, WM 2005, 577; Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010; Zuffer, Die Umsetzung des Europäischen Passes der Prospektrichtlinie, ecolex 2006, 267.

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§ 19 WpPG

Sprachenregelung Inhaltsübersicht I. Regelungsinhalt . . . . . . . . .

1

II. Normentwicklung . . . . . . . .

6

III. Intention des Gesetzgebers . .

8

IV. Herkunftsstaat Deutschland, Angebot/Zulassung in Deutschland (§ 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG) . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge: Wertpapierprospekt in deutscher Sprache . . 3. Nachteile . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ausnahmeregelung zu § 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG) . . . 1. Eine in internationalen Finanzkreisen gebräuchliche Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusammenfassung in deutscher Sprache . . . . . . . . . . . 3. Ausreichende Information im Einzelfall . . . . . . . . . . . . 4. Restriktive Auslegung der Ausnahme . . . . . . . . . . . . . 5. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . 6. Freiwillige Erstellung eines fremdsprachigen Wertpapierprospekts bei Versagung . . . . 7. Exkurs: Übersetzung in Prospekthaftungsverfahren (§ 184 GVG) . . . . . . . . . . . . VI. Herkunftsstaat Deutschland, Angebot/Zulassung im Ausland (§ 19 Abs. 2 Satz 1 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusatzerfordernis zu § 19 Abs. 2 Satz 1 WpPG (§ 19 Abs. 2 Satz 2 WpPG) . . . 1. Eine in internationalen Finanzkreisen gebräuchliche Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Von der BaFin anerkannte Sprachen . . . . . . . . . . . . . . .

13 14 17 18 19

20 21 24 26 27 30 34 36

39

42 43

VIII. Herkunftsstaat Deutschland, Angebot/Zulassung im Inund Ausland (§ 19 Abs. 3 Satz 1 WpPG) . . . . . . . . . . . 1. Sprachenregelung . . . . . . . . 2. Bisherige Rechtslage . . . . . . 3. Entwicklung des Wahlrechts 4. Sinn und Zweck der flexiblen Sprachenregelung in § 19 Abs. 3 Satz 1 WpPG . . . . . . . 5. „Gebrochenes Sprachregime“ 6. Problem: Basisprospekte . . . IX. Zusatzerfordernis zu § 19 Abs. 3 Satz 1 WpPG (§ 19 Abs. 3 Satz 2 WpPG) 1. Regelungsinhalt . . . . . . . . . 2. Zusammenfassung als „milderes Mittel“ . . . . . . . . 3. Bedeutung der Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . X. Herkunftsstaat Ausland, Angebot/Handel in Deutschland (§ 19 Abs. 4 Satz 1 WpPG) 1. Herkunftsstaat innerhalb des EWR . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herkunftsstaat außerhalb des EWR . . . . . . . . . . . . . . . XI. Zusatzerfordernis zu § 19 Abs. 4 Satz 1 WpPG (§ 19 Abs. 4 Satz 2 WpPG) 1. Übersetzung der Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachteile des Erfordernisses einer Zusammenfassung . . . 3. § 19 Abs. 4 Satz 2 WpPG als „Kann“-Vorschrift? . . . . . . .

48 49 50 51 56 68 71

72 73 75

76 77

78 79 81

XII. Nichtdividendenwerte (§ 19 Abs. 5 WpPG) 1. Sonderregelung . . . . . . . . . . 85 2. Kein Übersetzungserfordernis 87 3. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 88

44

I. Regelungsinhalt § 19 WpPG regelt die Sprache, in der ein Wertpapierprospekt erstellt werden 1 muss und unterscheidet hierbei zwischen rein nationalen Emissionen/Zu-

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Sprachenregelung

lassungen einerseits und grenzüberschreitenden Emissionen/Zulassungen andererseits. Im letzten Fall wird zusätzlich danach differenziert, ob die betroffenen Wertpapiere auch im Herkunftsmitgliedstaat angeboten oder zugelassen werden. Von der Sprachregelung erfasst ist nicht nur der Wertpapierprospekt selbst, sondern auch Prospektnachträge (§ 16 WpPG) und Dokumente, auf die im Wege der Einbeziehung per Verweis, sog. incorporation by reference, verwiesen wird (§ 11 WpPG). 2

§ 19 Abs. 1 bis 3 WpPG regeln die Sprache, in der Wertpapierprospekte zu erstellen sind, bei denen Herkunftsstaat iS von § 2 Nr. 13 WpPG die Bundesrepublik Deutschland ist, dh. die von der BaFin gebilligt werden.

3

§ 19 Abs. 4 WpPG regelt das Sprachenregime für Wertpapierprospekte, die von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaates des europäischen Wirtschaftsraums, also nicht von der BaFin, gebilligt werden. Bei diesen Wertpapierprospekten ist ein anderer EWR-Staat Herkunftsstaat iS von § 2 Nr. 13 WpPG.

4

§ 19 Abs. 5 WpPG enthält eine Sonderregelung für die Sprache von Wertpapierprospekten für Nichtdividendenwerte mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro, für die die Zulassung an einem organisierten Markt in einem oder mehreren EWR-Mitgliedstaaten beantragt wird.

5

Es wird – bezogen auf das Sprachenregime – nicht mehr danach unterschieden, ob der Emittent seinen Sitz im Inland oder im Ausland hat, sondern vielmehr danach, ob das Angebot/die Zulassung in mehreren Mitgliedstaaten des europäischen Wirtschaftsraums oder nur in Deutschland erfolgt1.

II. Normentwicklung 6

Mit dem WpPG setzte Deutschland als einer der ersten europäischen Staaten die Prospektrichtlinie um2. § 19 WpPG enthält die Umsetzung von Art. 19 Prospektrichtlinie. Er gehört zu den im Gesetzgebungsverfahren am stärksten umstrittenen Bestimmungen des WpPG3. Dies gilt insbesondere für § 19 Abs. 1 und 3 WpPG. Während die Bundesregierung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens bei § 19 Abs. 3 WpPG ihre restriktive Auffassung etwas gelockert hat, ist es bei § 19 Abs. 1 WpPG bei einer sehr stark an der deutschen Sprache orientierten Regelung geblieben4.

7

Da es sich beim WpPG um die Umsetzung europäischen Rechts in nationales Recht handelt, sind die Normen dieses Gesetzes, und damit auch § 19 WpPG, gemeinschaftsrechtskonform und damit richtlinienkonform auszulegen5. 1 2 3 4 5

Weber, NZG 2004, 360 (364); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (508). Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (209); Seitz, AG 2005, 678 (678). Groß, Kapitalmarktrecht, § 19 WpPG Rz. 1. Näheres hierzu bei der Kommentierung der jeweiligen Absätze. Groß, Kapitalmarktrecht, Vorbemerkungen zum WpPG, Rz. 5; Seitz, AG 2005, 678 (678).

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III. Intention des Gesetzgebers Dass die meisten Mitgliedstaaten eine Übersetzung des vom Sitzstaat des 8 Emittenten gebilligten Wertpapierprospekts in die Muttersprache der angesprochenen Anleger verlangten, hat sich in der Vergangenheit in Anbetracht des damit verbundenen Zeit- und Kostenaufwands sowie der Haftungsrisiken als wichtiges Hindernis für die gegenseitige Anerkennung und Verwendung von Wertpapierprospekten bei grenzüberschreitenden Emissionen bzw. Mehrfachzulassungen erwiesen1. Übersetzungen von Wertpapierprospekten sind sehr aufwändig und können 9 auch von spezialisierten Übersetzungsbüros nicht ohne anschließende Prüfung und Überarbeitung von Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern erstellt werden2, da der Wertpapierprospekt als Grundlage der Prospekthaftung nicht nur einer sprachlichen, sondern auch einer „rechtlichen“ Übersetzung bedarf3. Außerdem ist der Prospektverantwortliche ebenfalls verantwortlich für sämtliche Übersetzungen des gebilligten Prospekts4. Diese Probleme will das vereinfachte Angebotsverfahren im Rahmen des 10 Europäischen Passes für Emittenten vermeiden und sieht in § 19 WpPG eine detaillierte Sprachregelung vor, die versucht, Anlegerschutz und gleichzeitige Sicherstellung von Markteffizienz in Einklang zu bringen5. Denn Anleger können nur bei hinreichender Information rationale Anlageentscheidungen treffen, wobei ihr Informationsniveau in hohem Maße von der Verständlichkeit des Wertpapierprospekts abhängt6. Zweck der Prospektrichtlinie ist ua., Emittenten einen leichten und unbürokratischen Weg zu eröffnen, auch in anderen Mitgliedstaaten der EU Wertpapiere öffentlich anzubieten bzw. zuzulassen, ihnen also mit dem europäischen Pass den „Rechtsvorteil der Einmalzulassung“7 zu geben. Dass 1 Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2281); König, ZEuS 2004, 251 (273); Kunold/ Schlitt, BB 2004, 501 (508); von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 (29); Richtlinienvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union (2001/C 240 E/33), vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272, 274; von Ilberg/Neises, WM 2002, 635 (639). 2 Wieneke, NZG 2005, 109 (110); Wieneke, Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, S. 42; Zimmer/Binder, WM 2005, 577 (578); Schanz/Schalast, HfB – Business School of Finance, Working Paper Series, No. 74, Wertpapierprospekte – Markteinführungspublizität nach EU-Prospektverordnung und Wertpapierprospektgesetz 2005, Juli 2006, S. 34. 3 Sandberger, EWS 2004, 297 (298); Crüwell, AG 2003, 243 (248). 4 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, S. 22, Nr. 33 „Aa) […] CESR considers that the person responsible for the prospectus is also responsible for any translation of the approved prospectus.“ 5 Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1673). 6 Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (820). 7 Erwägungsgrund Nr. 17 der Prospektrichtlinie, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64-89; Wieneke, NZG 2005, 109 (110).

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die Möglichkeiten des europäischen Passes stark genutzt werden, sieht man an den erhobenen Daten: Im Jahr 2008 notifizierte die BaFin 2.473 (in 2007: 1.648) der von ihr gebilligten Wertpapierprospekte (einschließlich Nachträge) in andere EU-/EWR-Staaten, 1.217 (in 2007: 1.071) Emittenten ließen ihre Prospekte bei ausländischen Aufsichtsbehörden billigen und nach Deutschland notifizieren1. 12

Die Sprachregelung des § 19 WpPG soll zu einer Vereinfachung von grenzüberschreitenden Angeboten führen. Sie ist daher nicht nur für den Anlegerschutz, sondern auch für die Konkurrenzfähigkeit des inländischen Finanzplatzes2 und damit auch für Arbeitsplätze in Deutschland von erheblicher Bedeutung3.

IV. Herkunftsstaat Deutschland, Angebot/Zulassung in Deutschland (§ 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG) 13

Grundsätzlich gilt, dass ein Wertpapierprospekt für eine ausschließliche Emission/Zulassung im Herkunftsmitgliedstaat in einer von der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaates anerkannten Sprache erstellt werden muss. Für Deutschland bestimmt § 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG, dass der Wertpapierprospekt in deutscher Sprache zu erstellen ist, wenn die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG vorliegen. 1. Voraussetzungen

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Für die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereiches des § 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG muss es sich um Wertpapiere iS des WpPG handeln. Insofern kann auf die Ausführungen zu § 2 Nr. 1 WpPG verwiesen werden4. Ferner muss ein öffentliches Angebot iS des § 2 Nr. 4 WpPG im Inland erfolgen oder im Inland die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt (dh. im regulierten Markt) beantragt werden. Außerdem muss der Herkunftsstaat des Emittenten die Bundesrepublik Deutschland sein. Zur zutreffenden Beurteilung, welcher Staat im Einzelfall als Herkunftsstaat zu betrachten ist, vgl. die Kommentierung zu § 2 WpPG Rz. 78 ff.5.

15

§ 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG enthält außerdem noch das „negative Tatbestandsmerkmal“, dass das öffentliche Angebot nicht auch zugleich in einem anderen Staat oder mehreren anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums erfolgen darf bzw. keine Zulassung dort beantragt werden darf6. Dieses Merkmal grenzt § 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG von § 19 Abs. 3 Satz 1 WpPG 1 2 3 4 5 6

Vgl. den Jahresbericht 2008 der BaFin, S.158, abrufbar unter: http://www.bafin.de. Von Rosen, Börsenzeitung v. 26.4.2005, S. 6. Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) v. 22.2.2005, S. 14. Siehe die Kommentierung zu § 2 WpPG Rz. 5 ff. Siehe die Kommentierung zu § 2 WpPG Rz. 78 ff. Zum Begriff des Staates des Europäischen Wirtschaftsraums vgl. die Kommentierung zu § 2 Nr. 15 WpPG Rz. 88.

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ab. Ist nämlich neben dem Angebot im Inland zusätzlich ein internationales Angebot oder zusätzlich eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt außerhalb des Herkunftsstaats beabsichtigt, ist § 19 Abs. 3 WpPG einschlägig, der andere Anforderungen an die Sprachgestaltung stellt. Eine Abgrenzung von § 19 Abs. 1 zu Abs. 3 WpPG wird in der Praxis ins- 16 besondere bei Basisprospekten (§ 6 WpPG) schwierig. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die „endgültigen Bedingungen“ des Angebots zunächst nicht genannt werden müssen (§ 6 Abs. 1 WpPG). Hier muss entschieden werden, ob sie der Gruppe der grenzüberschreitenden oder der Gruppe der rein nationalen Fälle zuzurechnen sind1. 2. Rechtsfolge: Wertpapierprospekt in deutscher Sprache Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG dürfen Wertpapiere, die ausschließlich in 17 Deutschland öffentlich angeboten bzw. zum Handel zugelassen werden sollen, und die von Emittenten stammen, deren Herkunftsstaat Deutschland ist, grundsätzlich nur auf Basis eines deutschsprachigen Wertpapierprospekts angeboten bzw. zugelassen werden. 3. Nachteile Dieses strikte Sprachenregime benachteiligt grundsätzlich öffentliche An- 18 gebote und Zulassungen im Inland, da die BaFin als zuständige Behörde beispielsweise englischsprachige Wertpapierprospekte nicht akzeptieren muss. Da bei öffentlichen Angeboten, insbesondere von Aktien, im Inland regelmäßig ein englischsprachiger Wertpapierprospekt für die (Privat-)Platzierung bei institutionellen Investoren im europäischen Ausland erstellt wird, führt dieses strikte Sprachenregime dazu, dass der Emittent zwei Wertpapierprospekte zu erstellen hat. Dies wurde vielfach als Standortnachteil kritisiert2. Marktteilnehmer plädierten dafür, dass auch bei rein inländischen Angeboten bzw. Börsenzulassungen die Erstellung nur eines Wertpapierprospekts in englischer Sprache ausreichen sollte. Dies sei dann ein international wichtiges Signal für den Finanzplatz Deutschland3, denn es stünde zu erwarten, dass durch den EU-Pass für Emittenten ein Wettbewerb zwischen den Finanzplätzen einsetzen werde und die Emittenten von Wertpapieren diejenigen Finanzplätze wählen würden, die eine möglichst schnelle, flexible und kostengünstige Emission von Wertpapieren ermöglichten4.

1 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (210); Näheres dazu bei § 19 Abs. 3 WpPG unter Rz. 71. 2 König, ZEuS 2004, 251 (273). 3 Von Rosen, Börsenzeitung v. 26.4.2005, S. 6. 4 Grub/Thiem, NZG 2005, 750 (751), Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) v. 17.1.2005, S. 2.

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4. Vorteile 19

Andererseits kann diese Regelung auch von Vorteil für bestimmte potenzielle Anleger sein. Obwohl der Finanzsektor sich weitgehend der englischen Sprache bedient, kann insbesondere nicht von allen Privatanlegern erwartet werden, dass sie der englischen Sprache so mächtig sind, einen Wertpapierprospekt mit unter Umständen zahlreichen Fachbegriffen vollumfänglich richtig zu verstehen. Mit einem Wertpapierprospekt in Deutsch können die Emittenten im Inland ein breiteres Publikum ansprechen, so dass diese Regelung sich in der Praxis auch zugunsten der Emittenten auswirken kann. Außerdem wurde durch die Ausnahmeregelung in § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG (siehe hierzu Rz. 20 ff.) die restriktive Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG (zumindest theoretisch) abgeschwächt.

V. Ausnahmeregelung zu § 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG) 20

Um die strikte Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG etwas abzuschwächen, ist in § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG eine Ausnahmeregelung vorgesehen. In den von § 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG geregelten Fällen kann die BaFin nämlich ausnahmsweise und auf Antrag des Prospekterstellers gestatten, dass der Wertpapierprospekt in einer anderen Sprache als Deutsch erstellt wird1, sofern diese Sprache eine solche ist, die in internationalen Finanzkreisen gebräuchlich ist. 1. Eine in internationalen Finanzkreisen gebräuchliche Sprache

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Eine in internationalen Finanzkreisen gebräuchliche Sprache ist unzweifelhaft die englische Sprache2. Denn auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten auf dem europäischen Kapitalmarkt ist zu konstatieren, dass sich Englisch als allgemein anerkannte Finanzsprache seit vielen Jahren in Europa etabliert hat3. 1 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37; Siller, Kapitalmarktrecht, S. 90. 2 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum RegE, BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 85; Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (508); Boos/Preuße, Kreditwesen 2005, 523 (525); von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 (28); Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 19 WpPG Rz. 2 Fn. 2; Wieneke, Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, S. 42; Renz/Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte, S. 73; Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 73; Linke in Schäfer/Hamann, § 19 WpPG Rz. 3; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 36; Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/ Zeising, § 19 WpPG Rz. 11; Görke/Preuße in Holzborn, § 19 WpPG Rz. 13. 3 Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) v. 17.1.2005, S. 5 und Gemeinsame Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA), des Deutschen Derivate Instituts (DDI), des Derivate Forums und des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 22.2.2005, S. 6; Stellungnahme des Deutschen Derivate Instituts (DDI) v. 8.4.2005, S. 3.

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Zum Teil wird in der Literatur in Erwägung gezogen, das Merkmal der „ge- 22 bräuchlichen Sprache“ nicht EU-weit auszulegen, sondern in Abhängigkeit von der „räumlichen Streubreite“ der jeweiligen Emission zu bestimmen1. Dies würde zu der Konsequenz führen, dass bei einer Emission, die sich ausschließlich in Deutschland, Luxemburg und Österreich abspielt, Deutsch als eine gebräuchliche Sprache aufgefasst werden könnte. Zu Recht wird aber dagegen eingeräumt, dass sich diese Auslegung nur schwer mit Art. 17 Abs. 1 der Prospektrichtlinie in Einklang bringen lässt: Die Tatsache, dass die gebilligten Wertpapierprospekte gemeinschaftsweite Gültigkeit entfalten, steht einer örtlichen Eingrenzung bei der Auslegung von Tatbestandsmerkmalen entgegen2. Außerdem spricht schon der Wortlaut der Norm dagegen: Es soll sich gerade um eine in internationalen Finanzkreisen gebräuchliche Sprache handeln und nicht um eine lediglich in einer Gruppe von betroffenen Mitgliedstaaten gebräuchliche Sprache. Zurzeit gibt es außer Englisch keine weitere Sprache, die dieses Merkmal erfüllt3. Da der Gesetzeswortlaut aber bewusst offen gehalten ist, ist es theoretisch möglich, dass in Zukunft auch andere Sprachen als in internationalen Finanzkreisen gebräuchlich anzuerkennen sind.

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2. Zusammenfassung in deutscher Sprache Für eine Gestattung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG müssen zwei wesentli- 24 che Voraussetzungen vorliegen: Eine Gestattung ist nur dann möglich, wenn der fremdsprachige Wertpapierprospekt eine Übersetzung der Zusammenfassung in die deutsche Sprache enthält und im Einzelfall unter Berücksichtigung der Art der Wertpapiere eine ausreichende Information des Publikums gewährleistet erscheint. Die Zusammenfassung iS des § 5 Abs. 2 Satz 1 WpPG stellt ein Resümee der Hauptbestandteile des Wertpapierprospekts dar und soll dem Anleger eine schnelle und umfassende Kenntnisnahme der wichtigsten Angaben ermöglichen4. Außerdem erlangt sie dadurch große Bedeutung, dass sie unter Umständen der einzige Teil des Wertpapierprospekts in der jeweiligen Landessprache ist und neben zusammenhangspezifischen Warnhinweisen auch Hinweise auf Risiken enthalten muss5. Dieses Erfordernis trägt der Tatsache Rechnung, dass unter dem neuen Sprachregime des WpPG keine Übersetzung des gesamten Wertpapierprospekts mehr erforderlich ist; aus Gründen des Anlegerschutzes ist jedoch zumindest eine Übersetzung der

1 So jedenfalls Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (821), siehe dort auch das folgende Beispiel. 2 Dies räumen auch Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (821) ein, ohne iE Stellung zu beziehen. 3 Vgl. insofern die eindeutigen Aussagen der Zitate in Rz. 21 Fn. 2, 3, die keine Alternativen in Erwägung ziehen. 4 Von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24 (27 f.). 5 Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (252).

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Zusammenfassung, die gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 WpPG Bestandteil des Wertpapierprospekts ist, in die jeweilige Amtssprache des Aufnahmemitgliedstaates erforderlich1. 3. Ausreichende Information im Einzelfall 26

Die Gestattung der Verwendung einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache anstelle der deutschen Sprache darf gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG nur „im Einzelfall“ gewährt werden2. Es muss also durch die BaFin immer eine ermessensfehlerfreie Einzelfallentscheidung gefällt werden, in der die Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts Berücksichtigung finden. Ein Anspruch auf Gestattung besteht nach dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG nicht. Bei der Einzelfallentscheidung muss außerdem unter Berücksichtigung der Art der Wertpapiere gewährleistet sein, dass das Publikum noch ausreichend informiert wird3. 4. Restriktive Auslegung der Ausnahme

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Wie in der Praxis die Ausnahmegestattung durch die BaFin gehandhabt werden wird und welche Fallgruppen sich entwickeln werden, kann zurzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Die BaFin hat bisher, soweit bekannt, erst eine Ausnahme zugelassen. Dabei handelte es sich um einen englischen Prospekt für die Zulassung in Deutschland zum regulierten Markt von International Depositary Rights. Diese wurden lediglich institutionellen Investoren angeboten und bezogen sich auf Aktien, die an der Börse eines Drittstaates gehandelt wurden4.

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Die in § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG enthaltene Ausnahme ist eng auszulegen5. Dies gebietet der Schutz des Publikums, denn in den Fällen des § 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG werden ausschließlich oder vorrangig in Deutschland ansässige Anleger angesprochen6. Diese Ansicht wird gestützt durch das allgemeine Regel-Ausnahme-Prinzip im deutschen Rechtssystem, das davon aus1 König, ZEuS 2004, 251 (274). 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 19 WpPG Rz. 3; Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1673). 3 Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1071); Linke in Schäfer/Hamann, § 19 WpPG Rz. 3. 4 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 19 WpPG Rz. 19. 5 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 133, Rz. 229; Renz/ Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte, S. 73; Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 73; Rimbeck in Heidel, § 19 WpPG Rz. 2 mit dem Hinweis in Fn. 4, dass dies sowohl für Dividendenwerte iS des § 2 Nr. 2 WpPG als auch für Nichtdividendenwerte iS des § 2 Nr. 3 WpPG gelte. Allerdings ist die bisherige Aufsichtspraxis der BaFin die, dass bei Aktienemissionen grundsätzlich keine Ausnahme gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG gestattet wird. 6 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37; Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 74.

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geht, dass Ausnahmen restriktiv zu interpretieren sind und zB Analogien nur in seltenen Fällen zulässig sind1. Diese restriktive Haltung, die nicht von Art. 19 Abs. 1 Prospektrichtlinie vorgegeben ist, war einer der Hauptkritikpunkte im Gesetzgebungsverfahren. Sie weicht von den offeneren Regelungen zB in Österreich (§ 7b Abs. 1 KMG) und Luxemburg ab, die sogar jeweils ausdrücklich Englisch als Prospektsprache auch bei ausschließlich in den jeweiligen Ländern erfolgenden öffentlichen Angeboten oder Zulassungen gestatten2. Aufgrund des Wortlauts von § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG verbietet sich jedoch eine großzügigere Interpretation3.

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5. Beispiele Nach überwiegender Ansicht kommt eine Ausnahmegestattung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG insbesondere dann in Betracht, wenn die Wertpapiere im Inland ausschließlich institutionellen Anlegern angeboten werden4.

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Dagegen wird richtigerweise angeführt, dass dieses Beispiel nicht von Rele- 31 vanz ist, da in diesen Fällen regelmäßig eine Ausnahme von der Prospektpflicht nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG gelten wird5. Denn qualifizierte Anleger iS des § 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG sind nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 6 lit. a WpPG insbesondere die dort aufgeführten Institute. Ein Wertpapierprospekt kann jedoch in diesen Fällen für die Zulassung der Wertpapiere an einer Wertpapierbörse erforderlich sein (vgl. Beispiel in Rz. 27). Die BaFin vertritt die Auffassung, dass bei der Emission von Aktien aufgrund der höheren Risiken eines Aktieninvestments grundsätzlich keine Ausnahmen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG zuzulassen sind (siehe oben Rz. 28 Fn. 1). Dies entspricht der oben erörterten restriktiven Handhabung der Ausnahmevorschrift, die gewährleisten soll, dass – wenn überwiegend deutsche Anleger angesprochen werden – diesen nach Möglichkeit auch immer ein deutschsprachiger Prospekt zur Verfügung gestellt werden soll.

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Allerdings kann ein Inlandsemittent die Veröffentlichung eines deutsch- 33 sprachigen Wertpapierprospekts vermeiden, indem er neben dem öffentlichen Angebot in Deutschland auch ein öffentliches Angebot in einem oder mehreren anderen Staat(en) des Europäischen Wirtschaftsraums durchführt.

1 Vgl. Sprau in Palandt, Einleitung Rz. 53. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 19 WpPG Rz. 4; Zuffer, ecolex 2006, 267 (269 f.). 3 Kritisch Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 59. 4 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37; Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (210); Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1071); Keunecke, Prospekte im Kapitalmerkt, S. 133, Rz. 229; Renz/ Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte, S. 73. 5 Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1673 Fn. 87); Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 19 WpPG Rz. 2 Fn. 5.

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Ein solches Angebot in mehreren Staaten fällt in den Anwendungsbereich von § 19 Abs. 3 WpPG (siehe unten Rz. 48 ff.), so dass die Veröffentlichung lediglich eines englischsprachigen Wertpapierprospekts möglich und ausreichend ist. 6. Freiwillige Erstellung eines fremdsprachigen Wertpapierprospekts bei Versagung 34

Sollte die Gestattung durch die BaFin nicht erteilt werden und der Wertpapierprospekt zwingend in deutscher Sprache nach § 19 Abs. 1 Satz 1 WpPG verfasst werden müssen, lässt dies natürlich die Möglichkeit, freiwillig eine (zusätzliche) englische Fassung des deutschen Wertpapierprospekts für Marketing-Zwecke zu erstellen, unberührt1. Zulässig wäre es auch, eine freiwillige englische Fassung des Wertpapierprospekts, oder von einzelnen Prospektteilen, deutlich getrennt in den deutschen Prospekt aufzunehmen, etwa als Anhang des (deutschsprachigen) Prospekts nach den Unterschriftenseiten und mit ausdrücklichem Hinweis auf die Unverbindlichkeit dieses Abschnitts auf einem separaten Deckblatt2.

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Sofern in dem Prospekt selber Teile in englischer Sprache verfasst werden, ist hierfür ein entsprechender Befreiungsantrag gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG bei der BaFin zu stellen. Wenn es sich bei den englischsprachigen Teilen des Prospekts um über den Mindestinhalt des Prospekts hinausgehende, zusätzliche Informationen handelt, wird die BaFin einem solchen Antrag in der Regel stattgeben3. 7. Exkurs: Übersetzung in Prospekthaftungsverfahren (§ 184 GVG)

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Die Möglichkeit, in den Fällen des § 19 Abs. 1, 3 und 4 WpPG die Übersetzung des Wertpapierprospekts in die deutsche Sprache auf die Zusammenfassung zu begrenzen, ändert nichts daran, dass Anleger ihre Investitionsentscheidung in der Regel immer auf den gesamten Wertpapierprospekt stützen werden4. Dies bedeutet, dass das zuständige Gericht den Wertpapierprospekt insgesamt zu würdigen hat.

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Aufgrund der geltenden Beweislastregeln trifft einen Anleger, der in einem Prozess Ansprüche aus Prospekthaftung herleitet, die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Die Regelung des § 184 Abs. 1 Satz 1 GVG („Die Gerichtssprache ist deutsch.“) bedeutet allerdings nicht, dass eine Übersetzung des gesamten Wertpapierprospekts zwingend notwendig wird, wenn er Gegenstand eines Rechtsstreits wird5. Diese Norm gilt ausschließlich für Erklärungen des Gerichts und gegenüber dem Gericht, nicht jedoch 1 2 3 4 5

So auch Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (509 Fn. 170). Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (529). Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 19 WpPG Rz. 20 (mit Beispiel). König, ZEuS 2004, 251 (274). AA König, ZEuS 2004, 251 (274); Crüwell, AG 2003, 243 (249).

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für Beweismittel1. Fremdsprachliches Entscheidungsmaterial, namentlich Urkunden als Beweismittel oder die maßgeblichen Auszüge daraus (§ 131 Abs. 2 ZPO2) sind unmittelbar zu verwerten3. Eine teilweise oder vollständige Übersetzung kann aber erforderlich werden, wenn das Gericht diese gemäß § 142 Abs. 3 ZPO anordnet. Kommt der Kläger dem nicht nach, riskiert er die Nichtbeachtung der fremdsprachlichen Urkunde4. Das Gericht kann aber auch von einer solchen Übersetzungsanordnung absehen, zB weil alle erkennenden Richter die Sprache verstehen5. Dies gilt trotz Art. 103 Abs. 1 GG auch dann, wenn die übrigen Prozessbeteiligten über keine ausreichenden Sprachkenntnisse verfügen6. In diesem Fall – oder wenn der Prozessgegner eine Übersetzung zur Darlegung seiner Position für erforderlich hält – kann er eine solche einholen und die Kosten hierfür gemäß § 91 ZPO als außergewöhnliche Prozesskosten geltend machen7. Auch die auf Grund einer Anordnung entstehenden Kosten werden Teil der Prozesskosten und sind im Rahmen der §§ 91 ff. ZPO erstattungsfähig8. Auf dieses erhöhte Prozesskostenrisiko sind Anleger gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 WpPG in der Zusammenfassung ausdrücklich hinzuweisen.

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VI. Herkunftsstaat Deutschland, Angebot/Zulassung im Ausland (§ 19 Abs. 2 Satz 1 WpPG) § 19 Abs. 2 WpPG regelt die Anforderungen an die Sprache des Wertpapierprospekts eines Emittenten, für den der Herkunftsstaat Deutschland ist, und dessen Wertpapiere ausschließlich außerhalb der Bundesrepublik Deutschland öffentlich angeboten oder an einem organisierten Markt, der nicht im Inland liegt, zum Handel zugelassen werden sollen.

1 Lückemann in Zöller, § 184 GVG Rz. 1; OLG Brandenburg v. 30.9.2004 – 9 UF 186/04, FamRZ 2005, 1842 (1842). 2 § 131 ZPO bezieht sich gerade auf die fremdsprachige Urkunde, so Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, § 131 ZPO Rz. 6; zu den Voraussetzungen des § 131 Abs. 2 ZPO siehe dort Rz. 11 ff. 3 Lückemann in Zöller, § 184 GVG Rz. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 184 GVG Rz. 6 und § 142 ZPO Rz. 17; BVerwG v. 9.2.1996 – 9 B 418/95, NJW 1996, 1553; BGH v. 2.3.1988 – IVb ZB 10/88, NJW 1989, 1432 (1433). 4 Greger in Zöller, § 142 ZPO Rz. 17; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 184 GVG Rz. 6; BVerwG v. 9.2.1996 – 9 B 418/95, NJW 1996, 1553; OLG Brandenburg v. 30.9.2004 – 9 UF 186/04, FamRZ 2005, 1842 (1842). 5 Greger in Zöller, § 142 ZPO Rz. 17; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 142 ZPO Rz. 18; LG Freiburg v. 16.8.1960 – 1 O 169/59, NJW 1961, 736. 6 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 142 ZPO Rz. 18. 7 Greger in Zöller, § 142 ZPO Rz. 17; LG Freiburg v. 16.8.1960 – 1 O 169/59, NJW 1961, 736; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 142 ZPO Rz. 18. 8 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 142 ZPO Rz. 26.

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Für diese Fälle gilt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 WpPG, dass der Wertpapierprospekt in einer von der zuständigen Behörde des Aufnahmestaats anerkannten Sprache oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache erstellt werden kann. Folglich besteht bei solchen grenzüberschreitenden Angeboten ein Wahlrecht des Emittenten1.

41

Zum Begriff der internationalen Gebräuchlichkeit kann auf die Ausführungen zu § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG verwiesen werden (Rz. 21 ff.). Welches die dort von der zuständigen Behörde jeweils anerkannten Sprachen sind, ist den entsprechenden Gesetzen des Aufnahmestaates oder der Praxis der zuständigen Behörde in dem jeweiligen Aufnahmestaat zu entnehmen2.

VII. Zusatzerfordernis zu § 19 Abs. 2 Satz 1 WpPG (§ 19 Abs. 2 Satz 2 WpPG) 42

§ 19 Abs. 2 Satz 2 WpPG enthält eine Erweiterung dahingehend, dass der Wertpapierprospekt zusätzlich in einer von der BaFin anerkannten Sprache oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache verfasst werden muss, sofern eine solche Sprache nicht bereits im Rahmen des § 19 Abs. 2 Satz 1 WpPG gewählt wurde. § 19 Abs. 2 Satz 2 WpPG bedeutet somit, dass der betroffene Emittent in diesem Fall zwei Prospekte zu erstellen hat: einen für die Vermarktung/Zulassung der Wertpapiere im Aufnahmestaat in der dort anerkannten Sprache (nach den Regelungen zum gebrochenen Sprachenregime [siehe zu diesem Begriff Rz. 68 ff.] evtl. auch mehrsprachig) und einen für die Billigung im Herkunftsstaat (Deutschland). Diese Regelung beruht darauf, dass die BaFin in der Lage sein muss, den Inhalt des zu billigenden Wertpapierprospekts auch zu verstehen, um eine Prüfung vornehmen zu können3. Daher dürfen in dem durch die BaFin zu prüfenden Prospekt keine Teile in der Sprache des für das Angebot bzw. die Zulassung in dem Aufnahmestaat erstellten Prospekts verfasst sein. Allerdings gelten auch für die Prüfungsfassung die Grundsätze des gebrochenen Sprachenregimes. 1. Eine in internationalen Finanzkreisen gebräuchliche Sprache

43

Wie bereits in der Kommentierung zu § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG erläutert, ist eine in internationalen Finanzkreisen gebräuchliche Sprache die englische Sprache (Rz. 21 ff.).

1 Sandberger, EWS 2004, 297 (300); Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1673); Siller, Kapitalmarktrecht, S. 90. 2 Einen Überblick gibt die Aufstellung von CESR, „Languages accepted for the purpose of the scrutiny of the Prospectus and requirements of translation of the Summary“, February 2009, CESR/09-133. 3 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 19 WpPG Rz. 22 ff.

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2. Von der BaFin anerkannte Sprachen Als anerkannte Sprache kann die zuständige Behörde die Landessprache als 44 verpflichtend ansehen1. Dies hat die BaFin getan. Von ihr anerkannt ist derzeit nur die deutsche Sprache. Der Prozess bis zu diesem Ergebnis wurde jedoch heftig debattiert. Es wurde gefordert, auch Englisch als eine von der BaFin anerkannte Spra- 45 che aufzunehmen. Für eine Gleichberechtigung dieser beiden Sprachen sprach sich beispielsweise der Verband der Auslandsbanken in Deutschland e. V. aus, ebenso der Zentrale Kreditausschuss (ZKA)2. Für diesen Vorschlag wurde angeführt, dass dies aus Sicht des Anlegerschutzes die optimale Lösung sei3. Denn wenn englischsprachige Wertpapierprospekte von der BaFin nicht gebilligt würden, dann würden die betreffenden Prospekte dennoch in Englisch aufgesetzt, von einer ausländischen Behörde, die Englisch gestattet, gebilligt, mit dem Europäischen Pass nach Deutschland notifiziert und dort für den Vertrieb genutzt4, sofern der Emittent die Freiheit hat, als Herkunftsstaat das Land zu wählen, in dem die Wertpapiere öffentlich angeboten oder zugelassen werden sollen5. Die BaFin hätte dann de facto keine nennenswerten Einflussmöglichkeiten mehr6. Würde hingegen Englisch als Prospektsprache auch von der Bafin akzeptiert und Emittenten damit nicht an andere Standorte „gezwungen“, fiele der BaFin die Prospektprüfung weiterhin zu7. Wichtige europäische Finanzplätze hätten insoweit schon Maßstäbe gesetzt8. Hinter diesen dürfe Deutschland schon aus Wettbewerbsgründen nicht zurückfallen. Denn Emittenten würden voraussichtlich diejenigen Finanzplätze wählen, die eine unkomplizierte Emission von Wertpapieren ermöglichten (zur Intention des Gesetzgebers siehe Rz. 8 ff.). Ein allzu starres Festhalten an der Amtssprache könne unter diesem Aspekt hinderlich sein. Selbst wenn eine Emission nur bei deutschen Investoren platziert werde, könne es erforderlich sein, die englische Sprache zu wäh-

1 Weber, NZG 2004, 360 (364). 2 Stellungnahme des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 8.4.2005, S. 6. 3 Stellungnahme des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 8.4.2005, S. 7. 4 Stellungnahme des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 8.4.2005, S. 7; Stellungnahme des Deutschen Derivate Instituts (DDI) v. 8.4.2005, S. 18. 5 Dies ist nur in den Fällen von § 2 Nr. 13 lit. b und c WpPG möglich. Bei Aktien zB hat der Emittent wegen der Regelung des § 2 Nr. 13 lit. a WpPG nicht die Möglichkeit, Einfluss auf die Bestimmung des Herkunftsstaates zu nehmen, da dies zwingend der Staat ist, in dem der Emittent seinen Sitz hat. Ausnahmen daran gelten nur für Emittenten aus Nicht-EWR Staaten. 6 Stellungnahme des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 8.4.2005, S. 7. 7 Stellungnahme des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 8.4.2005, S. 7. 8 Stellungnahme des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 8.4.2005, S. 7.

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len1. Denn der Emittent sichere sich häufig durch derivative Geschäfte mit internationalen Investmentbanken ab2. Derartige Hedging-Geschäfte würden aber in der Regel auf der Basis des englischen ISDA Master Agreements abgeschlossen3. Ein Emittent werde sich aber scheuen, einen englischsprachigen Wertpapierprospekt ins Deutsche übersetzen zu lassen, wenn er anderswo genau diesen bereits erstellten Wertpapierprospekt billigen lassen könne. 46

Trotz der erheblichen Anzahl ihrer Fürsprecher hat sich diese Ansicht nicht durchsetzen können. Denn der deutschen Sprache sollte im Rahmen der Prospektgestaltung eine angemessene Geltung verschafft werden. Bei der Festlegung, welche Prospektsprache generell als zulässig anerkannt wird, stand der Anlegerschutz im Vordergrund – auf eine andere Art und Weise verstanden, als das die Befürworter der englischen Sprache taten. Es wurde argumentiert, dass eine flexible Handhabung der Sprachenregelung nicht zu Lasten des Informationsbedürfnisses des Anlegers gehen dürfe4. Dieser sollte die wesentlichen Informationen in deutscher Sprache erhalten5.

47

Die offen gehaltene Formulierung („[…] von der Bundesanstalt anerkannten Sprache […]“) lässt es aber zu, dass die BaFin in der Zukunft weitere Sprachen anerkennt, wenn sich ein Bedürfnis hierfür ergibt. Der oben genannte Streit ändert nichts an der Tatsache, dass beispielsweise ein Emittent mit Herkunftsstaat Deutschland, der seine Wertpapiere in Italien mit einem italienischsprachigen Prospekt anbieten möchte, bei der BaFin einen englischsprachigen Wertpapierprospekt einreichen kann. Die englische Sprache unterfällt dann zwar nicht dem Merkmal „von der Bundesanstalt anerkannte Sprache“, aber dem alternativen Merkmal des § 19 Abs. 2 Satz 2 WpPG „in internationalen Finanzkreisen gebräuchliche Sprache“. Der Streit um die „anerkannte“ Sprache ist somit eher theoretischer Natur.

VIII. Herkunftsstaat Deutschland, Angebot/Zulassung im In- und Ausland (§ 19 Abs. 3 Satz 1 WpPG) 48

§ 19 Abs. 3 WpPG regelt die Fälle, in denen ein Angebot bzw. eine Zulassung von Wertpapieren eines Emittenten, dessen Herkunftsstaat Deutschland ist, nicht bloß ausschließlich entweder in Deutschland oder im Ausland erfolgen soll, sondern, dass kumulativ das Inland sowie ein oder mehrere andere Länder betroffen sind. Insofern handelt es sich bei § 19 Abs. 3 WpPG um eine Kombination aus § 19 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG. 1 Stellungnahme des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 8.4.2005, S. 7. 2 Stellungnahme des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 8.4.2005, S. 7. 3 Stellungnahme des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 8.4.2005, S. 7. 4 Stellungnahme Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) v. 15.4.2005 S. 4. 5 Stellungnahme Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) v. 15.4.2005 S. 4.

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1. Sprachenregelung Erfolgen Angebot oder Antragstellung auf Zulassung von Wertpapieren 49 deutscher Emittenten nicht nur im Inland, sondern auch in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums – liegt mithin ein grenzüberschreitender Sachverhalt vor1 –, so kann der Wertpapierprospekt nach § 19 Abs. 3 Satz 1 WpPG in Deutsch oder einer anderen in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache, dh. Englisch2, erstellt werden. Bei grenzüberschreitenden Emissionen wird dem Emittenten folglich ein Wahlrecht eingeräumt, ob er den Wertpapierprospekt in deutscher oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache erstellen will3. Bei der Entscheidung für eine deutsche Fassung dürften die Vermarktungsanforderungen sowie prospekthaftungsrechtliche Gründe eine Rolle spielen. 2. Bisherige Rechtslage Vor Inkrafttreten des WpPG konnten in Deutschland englischsprachige 50 Wertpapierprospekte nur dann gebilligt werden, wenn der Emittent seinen Sitz im Ausland hatte4. Für deutsche Emittenten gab es keine Möglichkeit eines rein fremdsprachigen Wertpapierprospekts bei einer Billigung in Deutschland (auch bei grenzüberschreitenden Fällen)5. Bei der gleichzeitigen Durchführung von öffentlichen Angeboten bzw. der Zulassung in mehreren europäischen Staaten ermöglicht das WpPG nunmehr die Billigung von Wertpapierprospekten deutscher Emittenten durch die BaFin in englischer Sprache. 3. Entwicklung des Wahlrechts § 19 Abs. 3 Satz 1 WpPG eröffnet in seiner geltenden Fassung eine echte 51 Wahlmöglichkeit, ob der Wertpapierprospekt in deutscher oder in englischer Sprache erstellt wird6. Der ursprüngliche Regierungsentwurf7 sah in diesen Fällen für die Erstellung des Wertpapierprospekts noch die deutsche Sprache als Regelfall vor8, eine Verwendung einer anderen als der deutschen Sprache sollte aber im 1 Beispiel: Ein deutscher Emittent von Aktien bietet diese sowohl in Deutschland als auch in Luxemburg öffentlich an. 2 Siehe auch schon unter Rz. 21 ff.; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 85. 3 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 85; Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 75. 4 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (210). 5 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (210); Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81 (81). 6 Groß, Kapitalmarktrecht, § 19 WpPG Rz. 7; Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 19 WpPG Rz. 28. 7 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 14. 8 Grub/Thiem, NZG 2005, 750 (751 Fn. 18).

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Einzelfall von der BaFin ausdrücklich gestattet werden können, ähnlich der Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG. 53

Dieser Entwurf stieß auf erhebliche Kritik. Es wurde vorgebracht, dass die Ausnahmefälle, in denen eine Gestattung denkbar wäre, sehr restriktiv ausgestaltet seien und nur dann greifen würden, wenn sichergestellt sei, dass die emittierten Wertpapiere nicht an inländische Privatanleger verkauft bzw. weiterveräußert würden1. Letzteres ließe sich aber auch bei Emissionen, die sich am Primärmarkt nur an institutionelle Anleger richten, in der Praxis nie sicherstellen2.

54

Der Bundesrat3, der Finanzausschuss4, der Zentrale Kreditausschuss (ZKA)5 sowie die Deutsche Bundesbank6 sprachen sich daher gegen ein solches Gestattungserfordernis aus und schlugen eine Änderung der Sprachregelung in § 19 Abs. 3 WpPG vor. Sie befürworteten, bei gebilligten Wertpapierprospekten grenzüberschreitend tätiger Emittenten darauf zu verzichten, die Erstellung eines Wertpapierprospekts in deutscher Sprache als Regelfall vorzusehen7. Sie argumentierten damit, dass während bei rein national angebotenen Emissionen mit der damit verbundenen ausschließlich deutschsprachigen Zielgruppe eine Erstellung des Wertpapierprospekts in deutscher Sprache grundsätzlich als zumutbar erscheine, deutschen und ausländischen Emittenten bei grenzüberschreitenden Angeboten die Wahl eingeräumt werden müsse, ob sie neben der englischsprachigen Fassung des Wertpapierprospekts auch eine deutsche Fassung erstellen wollten8; dies gelte umso mehr, als Anlegerschutzgesichtspunkte dies nicht als zwingend geboten erscheinen ließen9. Als Begründung wurde angeführt, dass das Interesse der Anleger innerhalb des Sprachenregimes dadurch gewahrt werde, dass in jedem Fall eine Zusammenfassung des Wertpapierprospekts in deutscher Sprache erforderlich sei10.

1 Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) v. 17.1.2005, S. 5. 2 Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) v. 17.1.2005, S. 6. 3 Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes, BR-Drucks. 85/05 v. 18.3.2005, S. 8. 4 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 85. 5 Gemeinsame Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA), des Deutschen Derivate Instituts (DDI), des Derivate Forums und des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 22.2.2005, S. 6. 6 Stellungnahme der Deutschen Bundesbank v. 6.4.2005, S. 3 f. 7 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum RegE, BTDrucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 78; Stellungnahme des Bundesrates, BTDrucks. 15/5219 v. 7.4.2005, S. 4. 8 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 15/5219 v. 7.4.2005, S. 4; Gemeinsame Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA), des Deutschen Derivate Instituts (DDI), des Derivate Forums und des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 22.2.2005, S. 24. 9 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 15/5219 v. 7.4.2005, S. 4. 10 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum RegE, BTDrucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 81.

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Dieser Auffassung schloss sich der Bundestag an. Die daraufhin vom Bun- 55 destag verabschiedete Regelung enthielt eine weitergehende Flexibilität, für den Fall, dass die Wertpapiere im In- und Ausland angeboten bzw. zugelassen werden1. Emittenten sollten in diesen Fällen nicht mehr gezwungen sein, einen deutschsprachigen Wertpapierprospekt zu erstellen, sondern es sollte ein englischsprachiger Prospekt mit deutscher Zusammenfassung genügen. Die ursprünglich vorgesehene Ermessensentscheidung der BaFin über die Gestattung entfiel. Dieser Regelung entspricht auch das verabschiedete WpPG, insbesondere § 19 Abs. 3 WpPG. 4. Sinn und Zweck der flexiblen Sprachenregelung in § 19 Abs. 3 Satz 1 WpPG Hat der Emittent ein Wahlrecht, seinen Herkunftsstaat zu bestimmen (das ist in den Fällen des § 2 Nr. 13 lit. b und lit. c WpPG möglich), so wird er sich typischerweise für den Staat entscheiden, der ihm bei der Wertpapieremission die wenigsten Hindernisse bereitet, dh. er wird den Wertpapierprospekt dort billigen lassen, wo die Prüfung mit dem geringsten Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist2. Denn gerade grenzüberschreitend tätige Emittenten haben ein erhebliches Interesse daran, ohne wesentliche Zeitverzögerungen und Kostenbelastungen im europäischen Raum aufgrund eines gebilligten Wertpapierprospekts Emissionen begeben zu können3.

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Die Übersetzung von Wertpapierprospekten ist jedoch mit erheblichen Kos- 57 ten (ca. 15.000 bis 50.000 Euro pro Prospekt) und zeitlichem Mehraufwand verbunden4. Es würde zu zusätzlichen zeitlichen Verzögerungen führen, müsste man die gesamten Finanzinformationen in die deutsche Sprache übersetzen5. Vor diesem Hintergrund wurde vom Bundesrat eine zeit- und kostenträchti- 58 ge Pflicht zur Erstellung eines zweisprachigen Wertpapierprospekts abgelehnt. Es wurde zur Begründung angeführt, dass anderenfalls zu befürchten gewesen sei, dass ausländische Emittenten eine Prüfung in Deutschland von vornherein nicht in Betracht ziehen6. Auch die Deutsche Bundesbank 1 Von Rosen, Börsenzeitung v. 26.4.2005, S. 6. 2 Gemeinsame Stellungnahme des Deutsches Aktieninstituts (DAI) und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) v. 3.1.2005, S. 14, Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) v. 17.1.2005, S. 2. 3 Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 85/05 v. 18.3.2005, S. 8; Gemeinsame Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA), des Deutschen Derivate Instituts (DDI), des Derivate Forums und des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 22.2.2005, S. 6. 4 Stellungnahme des Deutschen Derivate Instituts (DDI) v. 8.4.2005, S. 3; von Iberg/Neises, WM 2002, 635 (639); Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) v. 8.4.2005, S. 18; Crüwell, AG 2003, 243 (248). 5 Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 85/05 v. 18.3.2005, S. 8. 6 Gemeinsame Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) v. 3.1.2005, S. 15.

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befürchtete eine Verlagerung der Emissionstätigkeit in Länder, die eine für die Emittenten kostengünstigere Sprachenregelung anbieten1. 59

Durch die neue, flexiblere Regelung in § 19 Abs. 3 WpPG werden wesentliche Zeitverzögerungen und Kostenbelastungen durch die Erstellung gesetzlich vorgeschriebener Übersetzungen des gesamten Prospekttextes vermieden2. Aus Sicht der Emittenten hat die jetzige Regelung noch einen weiteren Vorteil: Wäre eine Übersetzung des gesamten Prospekts erforderlich, bestünde für den Emittenten ein erhebliches Haftungsrisiko, da er für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Übersetzung des gesamten Prospekttextes einzustehen hätte3. Selbst ein erheblicher Zeit- und Kostenaufwand für eine derartige Übersetzung kann Ungenauigkeiten und Fehler nicht völlig ausschließen, die zu Haftungsfällen mit erheblichen finanziellen Risiken für den Emittenten führen können4.

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Die Frage, ob ein inländischer Emittent für grenzüberschreitende Emissionen einen (zusätzlichen) deutschsprachigen Wertpapierprospekt erstellen muss, ist auch ein wesentliches Kriterium für die Attraktivität des Finanzplatzes5. Die Sprachenregelung kann somit für die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland von erheblicher Bedeutung sein6.

61

Wäre es bei der strikt an der deutschen Sprache orientierten Fassung geblieben, hätte dies nach Ansicht des Zentralen Kreditausschusses7 zu einer für den Finanzplatz Deutschland nachteiligen Konstellation geführt: Wählt der Emittent einen anderen Staat als Deutschland als Herkunftsstaat8, kann er gleichwohl seine Wertpapiere in Deutschland öffentlich anbieten, ohne einen deutschsprachigen – von der BaFin geprüften – Wertpapierprospekt vorlegen zu müssen. Er hat lediglich für eine deutschsprachige Zusammenfassung seines regelmäßig in englischer Sprache abgefassten Wertpapierprospektes zu sorgen. Dies ergibt sich aus § 19 Abs. 4 WpPG im Zusammenhang mit § 18 WpPG. Wählt hingegen der Emittent für seine Emission Deutschland als Herkunftsstaat, muss er den gesamten Wertpapierprospekt in deutscher Sprache abfassen und – notgedrungen – zugleich in englischer Sprache, wenn er sein Angebot nicht auf Deutschland beschränken, sondern auch auf andere EU-Mitgliedstaaten ausdehnen will. Dies hätte sicherlich im Ergebnis dazu geführt, dass in- und ausländische Emittenten Deutschland als Ausgangspunkt für ihre Emissionen gemieden hätten.

1 2 3 4 5

Stellungnahme der Deutschen Bundesbank v. 6.4.2005, S. 4. Grub/Thiem, NZG 2005, 750 (751); Sandberger, EWS 2004, 297 (302). Grub/Thiem, NZG 2005, 750 (751); Crüwell, AG 2003, 243 (248). Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) v. 8.4.2005, S. 18. Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) v. 17.1.2005, S. 5; Crüwell, AG 2003, 243 (248). 6 Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) v. 22.2.2005, S. 3, 14. 7 Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) v. 17.1.2005, S. 6. 8 Dies ist allerdings nicht möglich in den Fällen des § 2 Nr. 13 lit. a WpPG (zB Aktien), wohl aber bei § 2 Nr. 13 lit. b und c WpPG.

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§ 19 WpPG

Da es aber nicht im Sinne des Gesetzgebers sein konnte, dass der Finanzplatz Deutschland im internationalen Vergleich hinter andere europäische Finanzplätze zurückfällt, die bereits positiv im Gesetz die Verwendung anderer Sprachen erlauben1, war eine Erweiterung des Vorschlags zu § 19 Abs. 3 WpPG, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hat, geboten. Genannt seien etwa Österreich oder Luxemburg, die ausdrücklich die Erstellung eines Wertpapierprospekts auch ausschließlich in der englischen, also der in Finanzkreisen gebräuchlichen, Sprache zulassen2.

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Die abgeänderte Sprachregelung des § 19 Abs. 3 WpPG ist damit geeignet, 63 die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Finanzplatzes zu erhöhen3 und der Erhaltung und Erhöhung der internationalen Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland zu dienen4. Sie stellt einen weiteren Schritt zur Europäisierung des deutschen Finanzmarktes dar5. Ohnehin war eine solche Lockerung der gesetzlichen Vorgabe nötig, denn in 64 der Praxis hätten sich Wege ergeben, das strenge Sprachregime zu umgehen. So wurde bereits ganz zu Anfang befürchtet, dass bei deutschen Emittenten die nach geltendem Recht bereits vorhandene Tendenz, unter Verwendung ausländischer Tochtergesellschaften auf der Basis eines englischsprachigen Wertpapierprospekts, Anleihen, Derivate oder (indirekte) Wandel- oder Optionsanleihen zu emittieren (sog. Emissionsvehikel6), noch weiter verstärkt werden würde7. Deutschland wäre dann nur noch Vermarktungsort gewesen, womit dem Anlegerschutz in keiner Weise gedient gewesen wäre8. Ein weiteres Argument für die flexible Sprachwahl ergibt sich aus folgender Überlegung9: Ein Emittent mit Sitz im Ausland konnte bislang die Abfassung seines Verkaufsprospekts bzw. Börsenzulassungsprospekts in engli1 Gemeinsame Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA), des Deutschen Derivate Instituts (DDI), des Derivate Forums und des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 22.2.2005, S. 25; Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 15/5219 v. 7.4.2005, S. 4. 2 Gemeinsame Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA), des Deutschen Derivate Instituts (DDI), des Derivate Forums und des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland v. 22.2.2005, S. 25; Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) v. 22.2.2005, S. 13 f. und v. 8.4.2005, S. 18 (in Bezug auf die dortigen Gesetzesentwürfe). 3 Grub/Thiem, NZG 2005, 750 (751). 4 Grub/Thiem, NZG 2005, 750 (751); Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 85; Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 15/5219 v. 7.4.2005, S. 4; Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) v. 22.2.2005, S. 14; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 19 WpPG Rz. 4. 5 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum RegE, BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 81. 6 Boos/Preuße, Kreditwesen 2005, 523 (525). 7 Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) v. 8.4.2005, S. 19. 8 Gemeinsame Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) v. 3.1.2005, S. 15. 9 Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) v. 17.1.2005, S. 5 f.

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scher Sprache von der BaFin gestatten lassen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 VerkProspG aF bzw. § 13 Abs. 1 Satz 3 BörsZulV aF). Nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf wäre ihm diese Möglichkeit der Gestattung verwehrt worden, wenn er trotz seines Sitzes im Ausland Deutschland als Herkunftsmitgliedstaat gewählt hätte (möglich in den Fällen des § 2 Nr. 13 lit. b WpPG). Denn dann wäre Deutsch die zwingend vorgeschriebene Sprache gewesen. Für bestimmte Emittenten mit Sitz im Ausland wäre dies somit ein Rückschritt gewesen. 66

Es sprachen damit insgesamt überzeugende Argumente für eine Öffnung des Wortlauts des § 19 Abs. 3 Satz 1 WpPG hin zur Gestattung der Abfassung des Wertpapierprospekts in einer „in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache“.

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Dass von der Möglichkeit für Emittenten mit Herkunftsstaat Bundesrepublik Deutschland, Wertpapiere mittels eines von der BaFin gebilligten englischen Prospekts öffentlich anzubieten, Gebrauch gemacht wird, zeigen eine Vielzahl von Transaktionen seit Inkrafttreten des WpPG, bei denen ein Inlandsemittent seine Wertpapiere öffentlich sowohl im Inland als auch im europäischen Ausland angeboten hat. In vielen Fällen wurden die Wertpapiere dabei außer im Inland auch in Luxemburg oder Österreich öffentlich angeboten. Nach Notifizierung (siehe § 18 WpPG Rz. 4 ff.) des von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekts erfolgt durch die BaFin keine Überprüfung, ob in den jeweiligen ausländischen Staaten tatsächlich ein öffentliches Angebot erfolgt ist1. 5. „Gebrochenes Sprachregime“

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Grundsätzlich ist der Prospekt in sprachlicher Hinsicht einheitlich zu verfassen2. Die Einreichung eines vollständig zweisprachig verfassten Wertpapierprospekts, bei dem beide Sprachfassungen rechtsverbindlich sind, sieht die BaFin wie die Einreichung von zwei Prospekten an, die beide unabhängig voneinander geprüft und gebilligt werden müssen. Ein Abgleich hinsichtlich möglicher Widersprüche zwischen den beiden Prospekten nimmt die BaFin dabei nicht vor (siehe § 13 WpPG Rz. 11). Anleger könnten zwar möglicherweise von Ausführungen in einer zweiten Sprache profitieren3, für die Aufsichtsbehörde und den Einreicher bedeutet dies jedoch einen erheblichen Mehraufwand und zusätzliche Kosten und Gebühren, und außerdem besteht das Risiko von Widersprüchen zwischen den beiden Sprachfassungen. Möchte der Emittent trotzdem eine Vollübersetzung des Prospekts aus Marketinggründen (also nicht als rechtlich verbindliche Fassung) benutzen, hat er darauf hinzuweisen, dass diese Prospektfassung nicht rechtlich verbindlich ist und nicht Gegenstand der behördlichen Billigung war. Sollen 1 Linke in Schäfer/Hamann, § 19 WpPG Rz. 5. 2 Renz/Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte, S. 72; Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 30 Rz. 60. 3 So Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (823).

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beide Prospektfassungen in einem Dokument abgedruckt werden, so müssen beide Teile dort deutlich getrennt werden1. Unter gewissen Umständen besteht jedoch die Möglichkeit, einzelne Teile 69 des Wertpapierprospekts in verschiedenen Sprachen zu verfassen (sog. gebrochenes Sprachregime). Dieses Thema spielt insbesondere bei den Finanzinformationen eine Rolle, da deren Übersetzung mit erheblichem zeitlichen Aufwand, hohen Kosten und zusätzlichen Haftungsrisiken verbunden ist. Nach Ansicht der BaFin (bezogen auf die von der BaFin anerkannten Sprachen, also Deutsch und Englisch) soll ein gebrochenes Sprachregime dann erlaubt sein, wenn (1.) eine Kohärenzprüfung möglich bleibt, (2.) der Prospekt lesbar und verständlich bleibt und (3.) die Sprachunterschiede auf klar abgrenzbare Teile des Prospekts beschränkt sind. Dies ist insbesondere der Fall bei dem Finanzteil, den Angaben zur Garantin, der Garantieerklärung, dem Registrierungsformular und den (verbindlichen) Emissionsbedingungen2. Zulässig ist es daher, zB die (verbindlichen) Emissionsbedingungen für eine durch einen deutschen Emittenten begebene Anleihe in dem deutschen Prospekt in englischer Sprache abzudrucken. Handelt es sich bei den englischsprachigen Emissionsbedingungen jedoch nur um eine unverbindliche Übersetzung, wäre ein Abdruck im Hauptteil des Prospekts nicht zulässig. Denkbar wäre dann nur der Abdruck in einem deutlich getrennten Anhang zum Wertpapierprospekt und mit ausdrücklichem Hinweis auf die Unverbindlichkeit der Übersetzung3. Die European Securities Markets Expert Group (ESME) hat in einem Bericht 70 v. 5.9.20074 Kritik daran geäußert, dass es den Emittenten bislang nicht möglich ist, einen vollständig zweisprachigen gebilligten Prospekt zu veröffentlichen und hat daher eine Änderung der Prospektrichtlinie vorgeschlagen bzw. Schritte der zuständigen Behörden gefordert, die Einreichung eines bilingual verfassten Prospekts zu ermöglichen. Es wird damit argumentiert, dass oftmals ein Interesse der Emittenten bestehe, den Anlegern in der Sprache des Aufnahmemitgliedstaates mehr Informationen zur Verfügung zu stellen als es bisher möglich sei. Eine Übersetzung der Zusammenfassung werde teils als unzureichend angesehen. Mit einer Änderung der bestehenden unflexiblen Regelung könne verhindert werden, dass die „second language version“ als ungebilligter Prospekt eingestuft werde oder als „marketing material“. Es bleibt abzuwarten, ob die europäischen Gesetzgeber sich dieser Argumentation anschließen werden. 1 Siehe oben Rz. 34; Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 19 WpPG Rz. 53. 2 Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (823); Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 19 WpPG Rz. 7; Renz/Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte, S. 73; Linke in Schäfer/Hamann, § 19 WpPG Rz. 6; Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (529); Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 19 WpPG Rz. 45, 46. 3 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 19 WpPG Rz. 48. 4 Report on Directive 2003/71/EC of the European Parliament and of the Council on the prospectus to be published when securities are offered to the public or admitted to trading, abrufbar unter http://tinyurl.com/2xssmu, S. 22 f., vgl. hierzu auch den Annex unter http://tinyurl.com/2xlzw5, S. 27.

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6. Problem: Basisprospekte 71

Aus dem Gesetzeswortlaut ist nicht ersichtlich, wie § 19 Abs. 3 Satz 1 WpPG auf Basisprospekte für den Fall auszulegen ist, dass unter dem Basisprospekt sowohl grenzüberschreitende als auch rein nationale Emissionen begeben werden1. Mit Rücksicht auf die selbstständige Bedeutung des Basisprospekts und die Wettbewerbsfähigkeit des Emissionsstandorts Deutschland ist die Wahlmöglichkeit des § 19 Abs. 3 Satz 1 WpPG extensiv auszulegen, so dass es zulässig ist, einen Basisprospekt in Englisch mit deutscher Zusammenfassung abzufassen, wenn mindestens eine Emission unter dem Basisprospekt grenzüberschreitend erfolgen soll2. Um diese Absicht glaubhaft zu machen, ist ein Antrag auf Notifizierung gemäß § 18 WpPG in einem weiteren EWR-Staat ausreichend. Ebenfalls zulässig ist der Abdruck von zweisprachigen Emissionsbedingungen und von zweisprachigen Risikohinweisen in einem Basisprospekt, wenn die Festlegung der rechtsverbindlichen Fassung erst in den endgültigen Bedingungen des Angebots erfolgt3.

IX. Zusatzerfordernis zu § 19 Abs. 3 Satz 1 WpPG (§ 19 Abs. 3 Satz 2 WpPG) 1. Regelungsinhalt 72

In Übereinstimmung mit der in Art. 19 Abs. 2 Satz 2 Prospektrichtlinie enthaltenen Ermächtigung ist in § 19 Abs. 3 Satz 2 WpPG geregelt, dass, wird der Wertpapierprospekt eines inländischen Emittenten nicht in der deutschen Sprache erstellt, eine Übersetzung der Zusammenfassung in die deutsche Sprache erforderlich ist. Der ursprüngliche Regierungsentwurf sah hier noch ein Ermessen der BaFin entsprechend § 19 Abs. 1 WpPG vor4. 2. Zusammenfassung als „milderes Mittel“

73

Gerade um bei grenzüberschreitenden Angeboten die Anfertigung zahlreicher Übersetzungen zu vermeiden, kann die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaates gemäß Art. 19 Abs. 2 Satz 2 Prospektrichtlinie nicht fordern, dass der gesamte Wertpapierprospekt in ihre Amtssprache übersetzt wird5. Eine Pflicht, den gesamten Prospekt in alle relevanten Amtssprachen übersetzen zu müssen, würde grenzüberschreitende Angebote oder Mehrfachzulassungen behindern6. Zweck der Prospektrichtlinie war unter ande1 Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1071); Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 19 WpPG Rz. 5. 2 Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1071); Görke/Preuße in Holzborn, § 19 WpPG Rz. 18a. 3 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 19 WpPG Rz. 49, 50; zum Prüfungsumfang der BaFin in diesen Fällen siehe oben Kommentierung zu § 13 WpPG Rz. 11. 4 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 37. 5 Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280 (2282). 6 Wieneke, NZG 2005, 109 (110).

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rem, den Emittenten mit dem europäischen Pass den „Rechtsvorteil der Einmalzulassung“ zu geben1. Da Prospektübersetzungen in der Praxis extrem aufwändig sind und trotz Einschaltung von spezialisierten Übersetzungsbüros nicht ohne die nachherige Prüfung und Überarbeitung von Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern erstellt werden können2, kann – vereinfachend gesprochen – bei grenzüberschreitenden Tatbeständen nur eine Übersetzung der Zusammenfassung in die Amtssprache des Aufnahmestaates verlangt werden, sofern der Prospekt „in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache“, dh. in Englisch, erstellt wurde3. Die Übersetzung der Zusammenfassung ist damit ein Minus verglichen mit dem Erfordernis einer Gesamtübersetzung. Einen vollständigen Verzicht auf eine deutschsprachige Zusammenfassung 74 hat der deutsche Gesetzgeber in Art. 19 Abs. 3 Satz 2 WpPG deshalb nicht zugelassen, weil es dem deutschen Anlegerpublikum ermöglicht werden soll, sich in einfacher Weise und in deutscher Sprache über das Angebot zu informieren4. 3. Bedeutung der Zusammenfassung Wichtig im vorliegenden Zusammenhang ist in erster Linie die Bedeutung, 75 die hierdurch der Zusammenfassung zukommt. Nur diese steht dem breiten Anlegerpublikum des Zielstaates in der Landessprache zur Verfügung, was man aus Sicht des Anlegerschutzes kritisieren mag5. Bei grenzüberschreitenden Emissionen wendet sich der verbleibende Teil des Wertpapierprospekts in erster Linie an die „internationalen Finanzkreise“6. Die Zusammenfassung muss in den Hauptteil des Prospekts aufgenommen werden. Eine Beifügung als Anhang nach den Unterschriftenseiten ist nicht zulässig.

X. Herkunftsstaat Ausland, Angebot/Handel in Deutschland (§ 19 Abs. 4 Satz 1 WpPG) 1. Herkunftsstaat innerhalb des EWR § 19 Abs. 4 WpPG regelt die Anforderungen an die Sprache für Wertpapierprospekte, die nicht von der BaFin gebilligt worden sind, also bei denen der Herkunftsstaat des Emittenten nicht Deutschland ist, aber mittels denen im Inland ein öffentliches Angebot oder die Zulassung zum Handel an ei1 Wieneke, NZG 2005, 109 (110); Erwägungsgrund Nr. 17 der Prospektrichtlinie, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64–89. 2 Wieneke, NZG 2005, 109 (110); Crüwell, AG 2003, 243 (248). 3 Wieneke, NZG 2005, 109 (110). 4 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 85; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 134, Rz. 231. 5 Wieneke, NZG 2005, 109 (110); Wieneke, Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, S. 42; kritisch: Crüwell, AG 2003, 243 (249). 6 Wieneke, NZG 2005, 109 (110).

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nem im Inland gelegenen organisierten Markt erfolgen soll. In diesen Fällen ist der Wertpapierprospekt in einer von der BaFin anerkannten oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache, also auf Deutsch oder Englisch, zu erstellen. Der Wertpapierprospekt wird durch die zuständige Herkunftsstaat-Behörde gebilligt und an die BaFin notifiziert1. Diese prüft dann nicht mehr den Inhalt des Wertpapierprospekts, sondern nur, ob das Sprachregime des WpPG eingehalten wurde, also ob der Wertpapierprospekt in einer gemäß § 19 Abs. 4 WpPG zulässigen Sprache vorliegt2 und – sofern erforderlich – eine deutsche Zusammenfassung (siehe oben Rz. 72 ff.) erstellt wurde3. Aufgrund eines Vorschlags von CESR werden in der Praxis auch im Herkunftsstaat gebilligte Prospekte von der BaFin im Notifizierungsverfahren anerkannt, wenn diese in einer vom Herkunftsstaat anerkannten Sprache verfasst sind, die nicht Deutsch oder Englisch ist, sofern eine (nicht im Herkunftsstaat gebilligte) Übersetzung des Prospekts in die deutsche oder englische Sprache mit an die BaFin übersandt wird und der gebilligte Prospekt eine deutsche Zusammenfassung enthält4. 2. Herkunftsstaat außerhalb des EWR 77

Die Regelung des § 19 Abs. 4 WpPG gilt über die Verweisungsnorm des § 20 Abs. 2 WpPG auch für Prospekte, die nach den Rechtsvorschriften eines Drittstaates erstellt worden sind5.

XI. Zusatzerfordernis zu § 19 Abs. 4 Satz 1 WpPG (§ 19 Abs. 4 Satz 2 WpPG) 1. Übersetzung der Zusammenfassung 78

Gemäß § 19 Abs. 4 Satz 2 WpPG muss, falls der Wertpapierprospekt nicht gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 WpPG in deutscher Sprache erstellt wurde, eine Übersetzung der Zusammenfassung in die deutsche Sprache vorgelegt werden. Dies entspricht den Regelungen in § 19 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 WpPG. Wertpapiere von Emittenten, deren Herkunftsstaat nicht Deutschland ist, können somit stets auf der Grundlage eines englischsprachigen Wertpapierprospekts angeboten werden, sofern dieser eine deutsche Übersetzung der Zusammenfassung enthält6.

1 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 7 Rz. 36. 2 Nicht notwendig ist dabei die Übermittlung von per Verweis einbezogenen Angaben an die BaFin; vgl. Kommentierung zu § 17 WpPG Rz. 28. 3 § 17 Abs. 3 WpPG; zur Problematik der Veröffentlichung im Inland von nach Deutschland notifizierten Prospekten vgl. Kommentierung zu § 17 WpPG Rz. 28. 4 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 19 WpPG Rz. 58. 5 Rimbeck in Heidel Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 19 WpPG Rz. 8. 6 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (509).

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2. Nachteile des Erfordernisses einer Zusammenfassung Das luxemburgische Gesetz zur Umsetzung der Prospektrichtlinie sieht bei- 79 spielsweise kein Übersetzungserfordernis der Zusammenfassung vor, wenn der Wertpapierprospekt auf Deutsch, Französisch, Englisch oder Luxemburgisch abgefasst ist1. Dass der deutsche Gesetzgeber von der optional in der Prospektrichtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, eine Übersetzung der Zusammenfassung vorzuschreiben, erweist sich somit sowohl im Hinblick auf Aktien von Emittenten, deren Herkunftsstaat nicht Deutschland ist, als auch indirekt begebener Wandel- oder Optionsanleihen als Wettbewerbsnachteil für die deutschen Börsen2. Außerdem bedeutet die Regelung einen Rückschritt im Vergleich zu der bis zur Umsetzung der Prospektrichtlinie geltenden Rechtslage, da bisher vom Erfordernis einer Übersetzung regelmäßig abgesehen wurde3. Insoweit gibt es dagegen die gleichen Kritikpunkte wie bei § 19 Abs. 3 Satz 2 WpPG.

80

3. § 19 Abs. 4 Satz 1 WpPG als „Kann“-Vorschrift? Auffällig ist, dass der Gesetzgeber in den Fällen des § 19 Abs. 1 und 3 WpPG 81 von „ist zu erstellen“ spricht, in § 19 Abs. 2, 4 und 5 WpPG jedoch die Formulierung „kann erstellen“ bzw. „kann erstellt werden“ gebraucht hat. Dies eröffnet die Frage, ob § 19 Abs. 4 WpPG als echte „Kann“-Vorschrift auszulegen ist. Denn angenommen, der zugrundeliegende Wertpapierprospekt wurde in Portugal in Portugiesisch gebilligt und wird anschließend via europäischem Pass nach Deutschland notifiziert, dann dürfte streng nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 4 WpPG das Wertpapier sogar auf Basis eines in Portugiesisch verfassten Prospekts, allerdings mit deutscher Übersetzung, im Inland angeboten werden4 – vorausgesetzt, es ist dem Anbieter tatsächlich freigestellt, nach seinem Ermessen den Wertpapierprospekt übersetzen zu lassen. Dagegen spricht, dass Art. 19 Abs. 3 der Prospektrichtlinie als zugrunde liegende umzusetzende Norm als „Muss“-Vorschrift konzipiert ist („…wird erstellt…“). Bei europarechtskonformer Auslegung des WpPG muss der Wertpapierprospekt folglich zusätzlich entweder in Deutsch oder in Englisch mit deutscher Zusammenfassung veröffentlicht werden5.

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Für eine zwingende Übersetzung spricht auch der Anlegerschutz, denn ein in einer anderen Sprache als Deutsch oder Englisch verfasster Wertpapierprospekt ist – abgesehen von der deutschen Übersetzung – für einen Groß-

83

1 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (509). 2 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (509). 3 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (509); Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 45. 4 Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1071). 5 Kullmann/Sester, WM 2005, 1068 (1071); Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 19 WpPG Rz. 8 Fn. 21.

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teil der potenziellen Anleger im Inland unbrauchbar. Während Englisch in Deutschland von nahezu allen am Finanzleben teilhabenden Personen so sicher beherrscht wird, dass ein englischsprachiger Wertpapierprospekt noch Informationszwecken dienen kann, gilt das für die anderen Sprachen des europäischen Auslands gerade nicht mehr. Damit wäre dem Wertpapierprospekt aber jede Grundlage entzogen, so dass man auch direkt bloß eine Zusammenfassung einzureichen und zu veröffentlichen bräuchte. 84

Außerdem spricht gegen eine Auslegung als echte „Kann“-Vorschrift, dass es einer solchen gar nicht bedurft hätte. Dass ein Emittent den Wertpapierprospekt außer in seiner Heimatsprache zusätzlich auf freiwilliger Basis in etlichen anderen Sprachen erstellen kann (die nicht Gegenstand der Billigung durch die zuständige Behörde sind), ist selbstverständlich und bedarf keiner gesetzlichen Klarstellung. Ob er in einer bestimmten Sprache erstellt werden muss, ist hingegen eine Information von weitreichender Bedeutung für den Emittenten, an deren gesetzlicher Klarstellung ein hohes Bedürfnis besteht. Somit ist die Formulierung in § 19 Abs. 4 WpPG als „muss“ zu verstehen bzw. – da dem Emittenten ja immerhin ein eingeschränktes Wahlrecht eingeräumt wird – als „kann ausschließlich“.

XII. Nichtdividendenwerte (§ 19 Abs. 5 WpPG) 1. Sonderregelung 85

§ 19 Abs. 5 WpPG enthält eine Sonderregelung für die Sprache eines Wertpapierprospekts, mittels dessen Nichtdividendenwerte mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen1.

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In diesen Fällen kann der gesamte Wertpapierprospekt in einer von der BaFin und der zuständigen Behörde des Aufnahmestaats anerkannten2 oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache, also in Deutsch oder Englisch, erstellt werden, wobei das Wort „können“ wie in § 19 Abs. 4 WpPG so zu verstehen ist, dass damit ein ausschließliches Können innerhalb des vorgeschlagenen Rahmens gemeint ist, nicht jedoch insgesamt von den gesetzlichen Vorschlägen abgewichen werden darf.

1 Im Zuge der geplanten Revision der Prospektrichtlinie ist eine Erhöhung dieses Betrages auf 100.000 Euro vorgesehen; vgl. Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Prospektrichtlinie v. 23.9.2009, COM(2009) 491 final, bestätigt durch das Schreiben des Generalsekretariats des Rates v. 28.5.2010, (COD) 2009/0132. 2 Dies bedeutet, dass sich die BaFin und alle betroffenen Aufsichtsbehörden „einig“ sein müssen; dh. es käme derzeit nur Deutsch in Betracht.

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§ 20 WpPG

Drittstaatemittenten

2. Kein Übersetzungserfordernis Abweichend von der Regelung des § 19 Abs. 1 WpPG können Wertpapier- 87 prospekte dieser Art also immer in Englisch verfasst werden1. Ein Übersetzungserfordernis für eine Zusammenfassung ist nicht vorgesehen2. Das beruht darauf, dass gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 WpPG in dieser Fallkonstellation gar keine Zusammenfassung erstellt werden muss. Der Verzicht auf eine Zusammenfassung und daher auch auf eine Übersetzung derselben beruht darauf, dass es sich bei den Investoren in diese Wertpapiere aufgrund der hohen Mindeststückelung in der Regel nicht um Kleinanleger handelt, so dass ein in englischer Sprache abgefasster Prospekt ohne deutsche Zusammenfassung keine Verständnisschwierigkeiten bereiten sollte. 3. Sachlicher Anwendungsbereich Der Handel mit den Nichtdividendenwerten muss an einem organisierten Markt in einem Staat oder mehreren Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums stattfinden. Darunter fällt auch der Handel an einem organisierten Markt in der Bundesrepublik Deutschland.

§ 20 Drittstaatemittenten (1) Die Bundesanstalt kann einen Prospekt, der von einem Emittenten nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften eines Staates, der nicht Staat des Europäischen Wirtschaftsraums ist, erstellt worden ist, für ein öffentliches Angebot oder die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt billigen, wenn 1. dieser Prospekt nach den von internationalen Organisationen von Wertpapieraufsichtsbehörden festgelegten internationalen Standards, einschließlich der Offenlegungsstandards der International Organisation of Securities Commissions (IOSCO), erstellt wurde und 2. die Informationspflichten, auch in Bezug auf Finanzinformationen, den Anforderungen dieses Gesetzes gleichwertig sind. (2) Die §§ 17, 18 und 19 sind entsprechend anzuwenden. (3) Das Bundesministerium der Finanzen kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Informationspflichten gleichwertig im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 1 König, ZEuS 2004, 251 (273). 2 Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1673); Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 39; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (509); Renz/Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte, S. 74.

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§ 20 WpPG

Drittstaatemittenten

sind. Dies kann auch in der Weise geschehen, dass Vorschriften bezeichnet werden, bei deren Anwendung die Gleichwertigkeit gegeben ist. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Christ, Der Einfluss der EU-Prospektrichtlinie auf das Wertpapierprospekthaftungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 2007; Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; König, Die neue europäische Prospektrichtlinie – Eine kritische Analyse und Überlegungen zur Umsetzung in das deutsche Kapitalmarktrecht, ZEuS 2004, 251; Kollmorgen/Feldhaus, Zur Prospektpflicht bei aktienbasierten Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, BB 2007, 225; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie – Inhalt und Auswirkungen auf das deutsche Kapitalmarktrecht, BB 2004, 501; Sandberger, Die EU-Prospektrichtlinie – Europäischer Pass für Emittenten, EWS 2004, 297; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Seitz, Das neue Wertpapierprospektgesetz, AG 2005, 678; Wagner, Der Europäische Pass für Emittenten – die neue Prospektrichtlinie, Die Bank 2003, 680. Inhaltsübersicht I. Regelungsinhalt . . . . . . . . .

1

II. Normentwicklung . . . . . . . .

5

III. Intention des Gesetzgebers . .

7

IV. Billigungsmöglichkeit für Prospekte eines Drittstaatemittenten (§ 20 Abs. 1 WpPG) . . 1. Drittstaatemittent . . . . . . . . 2. Andere Rechtsvorschriften . . 3. Zuständige Behörde . . . . . . . 4. Internationale Standards (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 WpPG) . . . 5. Gleichwertigkeit der Informationen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . .

8 9 10 11 14 16

6. Liste über erfolgreiche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtsfolge: Ermessen . . . . .

18 20

V. Entsprechende Anwendung der §§ 17 bis 19 WpPG (§ 20 Abs. 2 WpPG) . . . . . . .

23

VI. Verordnungsermächtigung (§ 20 Abs. 3 WpPG) . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 2. Vorgehensweise bei der Erstellung der Verordnung (§ 20 Abs. 3 Satz 2 WpPG) . . . 3. Übertragung der Verordnungsermächtigung (§ 20 Abs. 3 Satz 3 WpPG) . . . . . . . . . . .

24 25 26 27

I. Regelungsinhalt 1

Will ein Drittstaatemittent Wertpapiere in einem Mitgliedstaat des EWR anbieten oder zum Handel an einem geregelten Markt zulassen, so ist auch er prospektpflichtig; er hat einen Wertpapierprospekt nach den Vorschriften der EU-Prospektrichtlinie zu erstellen, diesen durch die zuständige Behörde eines EWR-Mitgliedstaates prüfen und billigen zu lassen und anschließend zu veröffentlichen1. Die Voraussetzungen für die Billigung eines solchen Wertpapierprospekts durch die BaFin regelt § 20 WpPG. 1 Sandberger, EWS 2004, 297 (302).

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Drittstaatemittenten

§ 20 WpPG

§ 20 Abs. 1 WpPG gibt der BaFin die Befugnis, einen nach den Rechtsvor- 2 schriften eines Drittstaates erstellten Wertpapierprospekt zu billigen. § 20 Abs. 2 WpPG verweist hinsichtlich des Verfahrens und der Sprachan- 3 forderungen, wenn der gemäß § 20 Abs. 1 WpPG erstellte und gebilligte Wertpapierprospekt für ein grenzüberschreitendes öffentliches Angebot oder die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt genutzt werden, auf die §§ 17 bis 19 WpPG. In diesen Fällen sind insbesondere das Notifizierungsverfahren nach § 18 WpPG durchzuführen und die Sprachanforderungen des § 19 WpPG zu erfüllen1. § 20 Abs. 3 WpPG regelt, dass die näheren Einzelheiten hinsichtlich der Voraussetzungen, die Informationspflichten gemäß den Rechtsvorschriften eines Drittstaats erfüllen müssen, damit die nach jenen Pflichten erstellten Wertpapierprospekte gebilligt werden können, durch Rechtsverordnung geregelt werden können2.

4

II. Normentwicklung § 20 WpPG dient der Umsetzung von Art. 20 der Prospektrichtlinie3. Im ursprünglichen Richtlinienvorschlag4 war die Regelung bezüglich Drittstaatemittenten noch in Art. 18 der Prospektrichtlinie enthalten, seit dem geänderten Kommissionsvorschlag5 wurde die Regelung in Art. 20 der Prospektrichtlinie verlagert. Anders als beispielsweise § 19 WpPG unterlag § 20 WpPG im nationalen Gesetzgebungsverfahren keinen Veränderungen6. Lediglich der Wortlaut der Prospektrichtlinie wurde im Laufe des Verfahrens auf europarechtlicher Ebene abgewandelt.

5

Da es sich bei dem WpPG um die Umsetzung europäischen Rechts in nationales Recht handelt, sind die Normen dieses Gesetzes gemeinschaftsrechtskonform und damit richtlinienkonform auszulegen7.

6

III. Intention des Gesetzgebers § 20 WpPG ermöglicht es, Emittenten aus Drittstaaten8 in das Notifizie- 7 rungsverfahren einzubeziehen. Dadurch, dass auch solche Emittenten die 1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 20 WpPG Rz. 2. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 20 WpPG Rz. 3. 3 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 38. 4 Kommissionsvorschlag, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272, 279. 5 Geänderter Kommissionsvorschlag v. 9.8.2002, ABl. EG Nr. C 20 E v. 28.1.2003, S. 122, 149. 6 Stellvertretend hierfür: Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 32. 7 Groß, Kapitalmarktrecht, Vorbemerkungen zum WpPG Rz. 5; Seitz, AG 2005, 678 (678). 8 Dh. Staaten, die nicht solche des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sind.

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§ 20 WpPG

Drittstaatemittenten

Möglichkeit haben, Inhaber des sog. „Europäischen Passes“ für Emittenten zu werden, wird die Attraktivität des europäischen Finanzmarktes erheblich gesteigert1.

IV. Billigungsmöglichkeit für Prospekte eines Drittstaatemittenten (§ 20 Abs. 1 WpPG) 8

§ 20 Abs. 1 WpPG regelt die Befugnis der BaFin, einen nach den Rechtsvorschriften eines Drittstaats erstellten Wertpapierprospekt zu billigen mit der Folge einer europaweit möglichen Verwendung2. Mit der erfolgreichen Billigung des Wertpapierprospekts durch die BaFin erhält der Emittent aus dem Drittstaat den sog. „Europäischen Pass“ auf gleicher Grundlage wie europäische Emittenten3. 1. Drittstaatemittent

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Damit der Anwendungsbereich des § 20 WpPG eröffnet ist, muss es sich um einen Emittenten aus einem Drittstaat (siehe oben Rz. 7 Fn. 8) handeln. 2. Andere Rechtsvorschriften

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Es muss ein Wertpapierprospekt vorliegen, der nach Rechtsvorschriften erstellt wurde, die nicht für Staaten des europäischen Wirtschaftsraums gelten, also zB ein Wertpapierprospekt, der nach US-amerikanischem Recht erstellt worden ist. 3. Zuständige Behörde

11

Die BaFin muss als zuständige Behörde mit der Billigung betraut sein. Für Drittstaatemittenten gilt grundsätzlich als zuständig diejenige Behörde des Mitgliedstaates, in dem der Drittstaatenemittent Wertpapiere erstmals nach In-Kraft-Treten der Prospektrichtlinie öffentlich anbieten oder in dem zum ersten Mal eine Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einen organisierten Markt erfolgen soll, § 2 Nr. 13 lit. c WpPG4. Damit ist festgelegt, dass dieser Staat zukünftig für alle öffentlichen Wertpapierangebote und -zulassungen des betreffenden Drittstaatenemittenten im europäischen Wirtschaftsraum Herkunftsmitgliedstaat ist. Diesbezüglich hat der Emittent somit ein einmaliges Wahlrecht. Er kann durch sein Verhalten bestim1 Crüwell, AG 2003, 243 (249); Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 20 WpPG Rz. 1; Linke in Schäfer/Hamann, § 20 WpPG Rz. 1. 2 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.3005, S. 38. 3 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 20 WpPG Rz. 1. 4 Wagner, Die Bank 2003, 680 (684); Sandberger, EWS 2004, 297 (302); König, ZEuS 2004, 251 (269); Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (511); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (509).

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Drittstaatemittenten

§ 20 WpPG

men, welches Land „sein“ Herkunftsstaat sein soll. Das Wahlrecht kann auch vom Anbieter oder Zulassungsantragsteller der Wertpapiere ausgeübt werden1. Teilweise wurde es als problematisch erachtet, dass die Bestimmung des 12 Herkunftsmitgliedstaates nicht an eine Willensäußerung, sondern weitgehend an ein tatsächliches Verhalten der Drittstaatemittenten anknüpft und diese daher Gefahr laufen, unbewusst einen Herkunftsmitgliedstaat auszuwählen, zu dem vielleicht nur eine untergeordnete Beziehung besteht2. Andererseits wurde ein einfach handhabbares Verfahren gewählt, was die Funktionsfähigkeit des europäischen Kapitalmarkts gewährleistet. Beschließt der Drittstaatemittent also, seine Wertpapiere erstmals in 13 Deutschland öffentlich anzubieten oder in Deutschland zum ersten Mal zum Handel an einem organisierten Markt zuzulassen, ist die BaFin zuständige Prospekt-Billigungsbehörde. Waren die Wertpapiere dagegen bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen, ohne dass der Emittent diesen gewählt hat, konnten Drittstaatemittenen Deutschland noch bis spätestens 31.12.2005 durch Mitteilung an die BaFin als Herkunftsmitgliedstaat wählen3. 4. Internationale Standards (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 WpPG) Für die Prospekterstellung eines Emittenten aus einem Drittstaat gilt, dass sein Wertpapierprospekt nach internationalen Offenlegungsstandards, zB der Offenlegungsstandards der International Organization of Securities Commissions (IOSCO, siehe unten Rz. 15), erstellt worden sein muss und die Informationspflichten auch in Bezug auf Finanzinformationen mit den Anforderungen der Richtlinie gleichwertig sein müssen4.

14

Da außerhalb der europäischen Mitgliedstaaten die Anforderungen an die 15 Prospekterstellung sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, ist es notwendig, dass die zu billigenden nichteuropäischen Wertpapierprospekte, sofern sie im europäischen Wirtschaftsraum verwendet werden, einem ähnlich strengen Prüfungsmaßstab unterzogen werden. Ohne eine gewisse Übereinstimmung mit europäischen Standards kann und soll Drittstaatemittenten kein „Europäischer Pass“ ausgestellt werden. Daher ist das Erfordernis der Einhaltung eines internationalen Standards von großer Bedeutung. Im Vorfeld der Verabschiedung der Prospektrichtlinie wurde von Marktteilnehmern verschiedentlich vertreten, dass die Einhaltung der IOSCO-Standards eine notwendige Voraussetzung für die mitgliedstaatliche Genehmigung eines Wertpapierprospekts sei, der für ein Angebot oder eine Zulassung zum Han1 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 41. 2 König, ZEuS 2004, 251 (269). 3 § 31 Abs. 1 Satz 1 WpPG. 4 Wagner, Die Bank 2003, 680 (684); Sandberger, EWS 2004, 297 (302); Renz/Mentzer, Leitfaden Wertpapierprospekte, S. 26; Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 113.

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del in einem Drittland erstellt wurde1. Diese Standards helfen dem Emittenten einzuschätzen, ob sein Wertpapierprospekt einer Billigung standhalten kann, sind also gewissermaßen eine Orientierungshilfe. Beispielhaft sind daher in § 20 Abs. 1 Nr. 1 WpPG die Offenlegungsstandards der International Organization of Securities Commissions (IOSCO) genannt2. Es ist derzeit noch unklar, auf welche sonstigen Offenlegungsstandards von welchen sonstigen internationalen Organisationen von Wertpapierbehörden außer IOSCO hier Bezug genommen wird3, da solche derzeit nicht existieren4. 5. Gleichwertigkeit der Informationen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 WpPG) 16

Zusätzlich5 müssen die Informationspflichten, denen der außereuropäische Emittent durch das jeweilige ausländische Recht unterliegt, den Anforderungen des WpPG gleichwertig sein. Dieses Entsprechenserfordernis ist zwar im zweiten Kommissionsvorschlag auf Vorschlag des Europäischen Parlaments6 etwas abgeschwächt worden („broadly equivalent“ statt „equivalent“ bzw. „nahezu gleichwertig“ statt „gleichwertig“), diese abgeschwächte Form fand aber keine Mehrheit. Stattdessen wurde der Wortlaut von § 20 Abs. 1 Nr. 2 WpPG wieder gestrafft: Es wird letztendlich gefordert, dass die genannten Informationspflichten gleichwertig und nicht nur weitgehend gleichwertig sind7.

17

In der Praxis werden also grundsätzlich nur Emittenten weniger Staaten eine Prospektanerkennung erreichen können8. Die nächstliegenden Kandidaten sind Emittenten aus den USA, bei denen allerdings angesichts der erheblichen, in Teil II der IOSCO Standards beschriebenen Abweichungen von den IOSCO Standards Zweifel angebracht sind, ob eine Gleichwertigkeit zu bejahen sein wird9. In Frankreich und den Niederlanden, wo jeweils die Prospektrichtlinie auch umgesetzt wurde, gab es allerdings bereits Billigungen von Wertpapierprospekten amerikanischer Emittenten durch die jeweilige 1 So zB die Stellungnahme der Europäischen Zentralbank v. 16.11.2001 zum Richtlinienvorschlag, ABl. EG Nr. C 344 v. 6.12.2001, S. 4, 5. 2 Für Equity Securities: International Disclosure Standards for Cross-Border Offerings and Initial Listings by Foreign Issuers, September 1998, abrufbar unter: http://www.iosco.org/library/pubdocs/pdf/IOSCOPD81.pdf; für Debt Securities: International Disclosure Principles for Cross-Border Offerings and Listings of Debt Securities by Foreign Issuers, March 2007, abrufbar unter: http://www.iosco.org/ library/pubdocs/pdf/IOSCOPD242.pdf. 3 Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 (228); Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 20 WpPG Rz. 9. 4 Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 20 WpPG Rz. 2; Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 20 WpPG Rz. 9. 5 Vgl. den Wortlaut: „und“. 6 Standpunkt des Europäischen Parlaments v. 14.3.2002, ABl. EU Nr. C 47 E v. 27.2.2003, S. 525, 539. 7 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 25/2003, vom Rat festgelegt am 24.3.2003, ABl. EU Nr. C 125 E v. 27.5.2003, S. 21, 55. 8 Crüwell, AG 2003, 243 (249). 9 Crüwell, AG 2003, 243 (249).

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Aufsichtsbehörde1. Aufgrund der europaweiten Geltung über das Notifizierungsverfahren (siehe unten Rz. 23) konnten diese Wertpapierprospekte sodann auch in Deutschland verwendet werden. Fälle aus der deutschen Praxis sind bislang noch nicht bekannt. Daher kann derzeit noch nicht beurteilt werden, welche gesetzlichen Regelungen zur Erstellung, Billigung und Veröffentlichung von Wertpapierprospekten eines ausländischen Staates gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 WpPG als gleichwertig einzustufen sind2. CESR hat am 17.12.2008 eine Stellungnahme veröffentlicht, in der es ankündigt, dass es derzeit prüft, wie die gesetzlichen Prospektanforderungen in den USA und in Israel sind und dass nach Abschluss dieser Prüfung hierzu eine neue Stellungnahme ergeht3. 6. Liste über erfolgreiche Verfahren Der erste Kommissionsvorschlag enthielt zunächst eine Regelung, die be- 18 sagte, dass jeder Mitgliedstaat der Kommission unverzüglich eine Liste der Emittenten, die ihren Sitz in einem Drittland haben und deren Wertpapierprospekte genehmigt wurden, übermitteln solle. Diese Liste wäre dann zweimal jährlich zu aktualisieren gewesen4. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht in die Richtlinie aufgenommen5 und ist daher auch nicht im WpPG enthalten, auch wenn eine solche Liste aus Sicht der Emittenten sinnvoll gewesen wäre. Man hätte so in der Praxis eine Orientierung gehabt und abschätzen können, welche fremden Rechtsvorschriften die BaFin im Rahmen von § 20 Abs. 1 WpPG akzeptiert. Auch in der Literatur entstand bereits frühzeitig der Vorschlag, die BaFin solle eine Liste der Staaten erstellen, deren Wertpapierprospekte die Anforderungen erfüllen6. So könne die Arbeitsbelastung reduziert werden und das Billigungsverfahren übersichtlicher gestaltet werden. Bislang ist dieser Vorschlag jedoch (noch) nicht umgesetzt worden.

19

7. Rechtsfolge: Ermessen § 20 Abs. 1 WpPG räumt der BaFin einen Ermessensspielraum dadurch ein, dass sie gemäß seinem Wortlaut den Wertpapierprospekt billigen kann7. Dies trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass das Merkmal „gleichwertig“ ein unbestimmter Rechtsbegriff ist. Die BaFin muss jeweils im Einzelfall prüfen, ob tatsächlich eine Gleichwertigkeit bejaht werden kann. 1 Michels/Zech, Going Public Magazin, Sonderheft Kapitalmarktrecht 2009, S. 33. 2 Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 (228). 3 CESR Statement, Assessment on the Equivalence of Prospectuses from non-EEA Jurisdictions (Article 20.1 Prospectus Directive), 17.12.2008, CESR/08-972. 4 Richtlinienvorschlag der Kommission v. 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 204 E v. 28.8.2001, S. 272, 279, Art. 18 Abs. 1. 5 Vgl. die Prospektrichtlinie (2003/71/EG), ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. 6 Crüwell, AG 2003, 243 (249). 7 Görke/Preuße in Holzborn, § 20 WpPG Rz. 2.

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Die BaFin prüft im Rahmen eines Billigungsverfahrens nach § 20 WpPG also nicht die Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit des Prospekts wie bei einem inländischen Billigungsverfahren gemäß § 13 Abs. 1 WpPG, sondern nur, ob die Bestimmungen des jeweiligen Drittstaates erfüllt sind (Plausibilitätskontrolle) und der Prospektinhalt den IOSCO-Standards entspricht und den Anforderungen des WpPG gleichwertig ist1. 21

Liegen die Voraussetzungen für eine Billigung nach sorgfältiger Einschätzung der Sachlage vor, reduziert sich das Ermessen der BaFin auf Null. Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung verdichtet sich dann zu einem Anspruch auf Billigung.

22

Wird der Wertpapierprospekt durch die BaFin gebilligt, erhält der Emittent einen „Europäischen Pass“. Der Drittstaatemittent kann diesen Prospekt dann nach einer Antragsstellung gemäß § 18 WpPG für die Emission/Zulassung in jedem EWR-Mitgliedstaat nutzen2.

V. Entsprechende Anwendung der §§ 17 bis 19 WpPG (§ 20 Abs. 2 WpPG) 23

§ 20 Abs. 2 WpPG regelt das Verfahren und die Sprachanforderungen, wenn der gemäß § 20 Abs. 1 WpPG erstellte und gebilligte Wertpapierprospekt für ein grenzüberschreitendes öffentliches Angebot oder die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt genutzt werden soll3. Er verweist dazu auf die §§ 17 bis 19 WpPG. Es sind also insbesondere das Notifizierungsverfahren durchzuführen und die Sprachanforderungen des § 19 WpPG zu erfüllen4. Der Prospekt muss also entweder in englischer Sprache mit deutscher Zusammenfassung oder komplett in deutscher Sprache vorliegen.

VI. Verordnungsermächtigung (§ 20 Abs. 3 WpPG) 24

Nähere Einzelheiten hinsichtlich der Voraussetzungen, die Informationspflichten gemäß den Rechtsvorschriften eines Drittstaates erfüllen müssen, damit die nach jenen Pflichten erstellten Wertpapierprospekte gebilligt werden können, können durch Rechtsverordnung geregelt werden5.

1 Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 20 WpPG Rz. 6. 2 Sandberger, EWS 2004, 297 (302); Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 (228). 3 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 38; Rimbeck in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 20 WpPG Rz. 6. 4 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 38; Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 (228); Christ, EU-Prospektrichtlinie, S. 113; Näheres hierzu in der Kommentierung der jeweiligen Normen. 5 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 38.

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§ 20 WpPG

1. Allgemeines Die Verordnungsermächtigung aus § 20 Abs. 3 Satz 1 richtet sich an das Bundesministerium der Finanzen, das im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz bestimmen kann, wann Informationspflichten „gleichwertig“ iS von § 20 Abs. 1 Nr. 2 WpPG sind. Eine solche Verordnung ist aus Gründen der Rechtssicherheit sehr wünschenswert. Von dieser Befugnis wurde jedoch noch kein Gebrauch gemacht.

25

2. Vorgehensweise bei der Erstellung der Verordnung (§ 20 Abs. 3 Satz 2 WpPG) § 20 Abs. 3 Satz 2 WpPG erweitert die Ermächtigung aus § 20 Abs. 3 Satz 1 WpPG, indem darin vorgeschlagen wird, wie eine solche Bestimmung aussehen kann. Die ausdrückliche Nennung ausländischer Vorschriften, die geeignet sind, den Anforderungen des § 20 Abs. 1 Nr. 2 WpPG gerecht zu werden, ist aus Sicht der Drittstaatemittenten sinnvoll und würde erheblich zur Rechtssicherheit beitragen1.

26

3. Übertragung der Verordnungsermächtigung (§ 20 Abs. 3 Satz 3 WpPG) Abschließend bestimmt § 20 Abs. 3 Satz 3 WpPG, dass der Adressat der Ver- 27 ordnungsermächtigung, das Bundesministerium der Finanzen, die Befugnis auf die BaFin übertragen darf. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die BaFin als Billigungsbehörde über mehr Erfahrungswerte in der Praxis und Sachkunde verfügt. Die Ermächtigung wurde inzwischen tatsächlich auch auf die BaFin übertragen, vgl. § 1 Nr. 7 BAFinBefugV2.

1 So auch Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 (228). 2 Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht v. 13.12.2002 (BGBl. I 2003, 3), zuletzt geändert durch die Verordnung v. 11.12.2009 (BGBl. I 2009, 3904), abrufbar unter: http://www.bundesrecht.juris.de.

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Abschnitt 6 Zuständige Behörde und Verfahren § 21 Befugnisse der Bundesanstalt (1) Ist bei der Bundesanstalt ein Prospekt zur Billigung eingereicht worden, kann sie vom Anbieter oder Zulassungsantragsteller die Aufnahme zusätzlicher Angaben in den Prospekt verlangen, wenn dies zum Schutz des Publikums geboten erscheint. (2) Die Bundesanstalt kann vom Emittenten, Anbieter oder Zulassungsantragsteller Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien verlangen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes erforderlich ist. Die Befugnis nach Satz 1 besteht auch gegenüber 1. einem mit dem Emittenten, dem Anbieter oder Zulassungsantragsteller verbundenen Unternehmen, 2. demjenigen, bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Anbieter im Sinne dieses Gesetzes ist. Im Falle des Satzes 2 Nr. 2 dürfen Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien nur insoweit verlangt werden, als sie für die Prüfung, ob es sich um einen Anbieter im Sinne dieses Gesetzes handelt, erforderlich sind. (3) Die Bundesanstalt kann von den Abschlussprüfern und Mitgliedern von Aufsichts- oder Geschäftsführungsorganen des Emittenten, des Anbieters oder Zulassungsantragstellers sowie von den mit der Platzierung des öffentlichen Angebots oder der Zulassung zum Handel beauftragten Instituten im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder einem nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätigen Unternehmen Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien verlangen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes erforderlich ist. (4) Die Bundesanstalt hat ein öffentliches Angebot zu untersagen, wenn entgegen § 3 kein Prospekt veröffentlicht wurde, entgegen § 13 ein Prospekt veröffentlicht wird, der Prospekt oder das Registrierungsformular nicht mehr nach § 9 gültig ist, die Billigung des Prospekts nicht durch eine Bescheinigung im Sinne des § 18 Abs. 1 nachgewiesen worden ist oder der Prospekt nicht der Sprachenregelung des § 19 genügt. Hat die Bundesanstalt Anhaltspunkte dafür, dass gegen eine oder mehrere der in Satz 1 genannten Bestimmungen verstoßen wurde, kann sie jeweils anordnen, dass ein öffentliches Angebot für höchstens zehn Tage auszusetzen ist. Die nach Satz 2 gesetzte Frist beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung.

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§ 21 WpPG

Befugnisse der Bundesanstalt

(5) Die Bundesanstalt kann der Geschäftsführung der Börse und der Zulassungsstelle Daten einschließlich personenbezogener Daten übermitteln, wenn Tatsachen den Verdacht begründen, dass gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen worden ist und die Daten zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der Geschäftsführung der Börse oder der Zulassungsstelle liegenden Aufgaben erforderlich sind. (6) Der zur Erteilung einer Auskunft Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Der Verpflichtete ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. (7) Die Bundesanstalt darf personenbezogene Daten nur zur Erfüllung ihrer aufsichtlichen Aufgaben und für Zwecke der Zusammenarbeit nach Maßgabe des § 23 verwenden. (8) Werden der Bundesanstalt bei einem Prospekt, auf Grund dessen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, Umstände bekannt gegeben, auf Grund derer begründete Anhaltspunkte für die wesentliche inhaltliche Unrichtigkeit oder wesentliche inhaltliche Unvollständigkeit des Prospekts bestehen, die zu einer Übervorteilung des Publikums führen, stehen ihr die Befugnisse des Absatzes 2 zu. Die Bundesanstalt kann in den Fällen des Satzes 1 vom Anbieter verlangen, das öffentliche Angebot bis zur Klärung des Sachverhalts auszusetzen. Steht die inhaltliche Unrichtigkeit oder inhaltliche Unvollständigkeit des Prospekts fest, kann die Bundesanstalt die Billigung widerrufen und das öffentliche Angebot untersagen. Die Bundesanstalt kann nach Satz 1 erhobene Daten sowie Entscheidungen nach den Sätzen 2 und 3 der Geschäftsführung der Börse und inländischen sowie ausländischen Zulassungsstellen übermitteln, soweit diese Informationen zur Erfüllung deren Aufgaben erforderlich sind. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 28. Aufl. 2010; Schantz, Der Zugriff auf E-Mails durch die BaFin, WM 2009, 2112; von Kopp-Colomb/Lenz, Der europäische Pass für Emittenten, AG 2002, 24.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . .

1

II. Aufnahme zusätzlicher Angaben (§ 21 Abs. 1 WpPG) . . . .

4

III. Auskunfts-, Vorlage- und Überlassungspflicht (§ 21 Abs. 2 WpPG) . . . . . . .

8

IV. Erweiterte Auskunfts-, Vorlage- und Überlassungspflicht (§ 21 Abs. 3 WpPG) . . . . . . .

15

V. Untersagung und Aussetzung eines öffentlichen Angebots (§ 21 Abs. 4 WpPG)

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§ 21 WpPG 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . 2. Untersagung des öffentlichen Angebots . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aussetzung des öffentlichen Angebots . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gebühren . . . . . . . . . . . . . .

Befugnisse der Bundesanstalt 19 20 26 29

VI. Datenübermittlung (§ 21 Abs. 5 WpPG) . . . . . . .

30

VII. Auskunftsverweigerungsrecht (§ 21 Abs. 6 WpPG) . . .

32

VIII. Datenschutz (§ 21 Abs. 7 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . .

35

IX. Aussetzung bzw. Untersagung des Angebots sowie Widerruf der Billigung bei Zulassungsprospekten (§ 21 Abs. 8 WpPG)

1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . 2. Aussetzungs- und Erkundigungsbefugnisse bei Anhaltspunkten (§ 21 Abs. 8 Satz 1 und 2 WpPG) . . . . . . . . . . . . 3. Untersagung des Angebots und Widerruf des Billigungsbescheides bei feststehender Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts (§ 21 Abs. 8 Satz 3 WpPG) . . . 4. Gebühren . . . . . . . . . . . . . . 5. Datenübermittlung (§ 21 Abs. 8 Satz 4 WpPG) . . . . . . X. Verwaltungsakte auf Grund von § 21 WpPG, deren Vollziehung und Durchsetzung, Rechtsschutz . . . . . . . . . . . .

36

38

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45

I. Normentwicklung 1

§ 21 WpPG dient der Umsetzung von Art. 21 Prospektrichtlinie1, der eine hinreichende Ausstattung der Behörde mit Befugnissen bezweckt2. Ein Blick auf Art. 21 Prospektrichtlinie zeigt allerdings, dass sich ein großer Teil der Vorschrift nicht in § 21 WpPG wiederfindet. So wird von Art. 21 Abs. 3 Prospektrichtlinie der Buchstabe a in § 21 Abs. 1 WpPG, Buchstabe b in § 21 Abs. 2 WpPG, Buchstabe c in § 21 Abs. 3 WpPG, Buchstabe d in § 21 Abs. 4 Satz 2 WpPG und Buchstabe f in § 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG umgesetzt. Art. 21 Abs. 1 Prospektrichtlinie wird in § 13 Abs. 1 WpPG mit umgesetzt (siehe unter § 13 WpPG Rz. 1), von der in Art. 21 Abs. 2 Prospektrichtlinie vorgesehenen Möglichkeit der Aufgabendelegation auf andere Behörden des Mitgliedstaates hat Deutschland keinen Gebrauch gemacht, Art. 21 Abs. 3 lit. e Prospektrichtlinie findet sich in § 15 Abs. 6 WpPG wieder und Art. 21 Abs. 3 lit. g, h und i Prospektrichtlinie sowie Art. 21 Abs. 4 Prospektrichtlinie bedurften nach Ansicht des Gesetzgebers im Hinblick auf bereits vorhandene vergleichbare Vorschriften keiner Umsetzung. Damals befanden sich diese Vorschriften vornehmlich im Börsengesetz3, heute durch Erweite-

1 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64; zum Umsetzungsziel von § 21 WpPG siehe Begr. RegE zu § 21 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 38. 2 Zum europäischen Hintergrund von Art. 21 Prospektrichtlinie siehe von KoppColomb/Lenz, AG 2002, 24 (29); Crüwell, AG 2003, 243 (250). 3 Begr. RegE zu § 21 Abs. 8 WpPG (2. und 3. Absatz der Begründung), BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 39; Groß, Kapitalmarktrecht, § 21 WpPG Rz. 1.

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Befugnisse der Bundesanstalt

§ 21 WpPG

rungen oder Neufassungen in § 4 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 WpHG, §§ 30a ff. WpHG und § 3 Abs. 4 Satz 5 f. BörsG, §§ 25, 41 Abs. 2 BörsG. Die dadurch erfolgte stärkere Verlagerung der Befugnisse auf die BaFin wird auch den Zielen einer zentralen Verwaltungsbehörde in Art. 21 Abs. 1 Prospektrichtlinie gerecht. Art. 21 Abs. 3 lit. a bis d und f Prospektrichtlinie wurden stark am europäi- 2 schen Wortlaut orientiert in § 21 Abs. 1 bis 3 WpPG, ergänzend auch in § 21 Abs. 8 Satz 3 WpPG umgesetzt. Im Rahmen der Umsetzung wurden die europäischen Vorgaben teilweise konkreter gefasst (§ 21 Abs. 3 und 4 Satz 1 WpPG), im Hinblick auf den „Scheinanbieter“ in § 21 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 WpPG leicht erweitert, oder – im Hinblick auf die börsenrechtlichen Vorschriften für Zulassungen – auf Angebote eingeschränkt (§ 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG). Im Übrigen wurden während des Gesetzgebungsverfahrens an den Umsetzungsvorschriften und den weiteren Regelungen in § 21 WpPG gegenüber der Entwurfsfassung nur wenige Änderungen vorgenommen1. § 21 Abs. 5 bis 8 WpPG enthält Regelungen, die zwar im Sachzusammenhang mit den anderen Absätzen der Vorschrift stehen, aber in erster Linie nicht der Umsetzung der Prospektrichtlinie dienen. Die Befugnisse der BaFin beschränken sich auf das deutsche Hoheitsgebiet. Die BaFin übt sie ausschließlich im öffentlichen Interesse aus2. Änderungen auf europäischer Ebene wird voraussichtlich auch hier die geplante „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 1998/26/EG, 2002/87/EG, 2003/6/EG, 2003/41/EG, 2003/71/EG, 2004/39/EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Bankaufsichtsbehörde, der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung und der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde“3 bringen. Leicht ergänzt werden soll der nicht in deutsches Recht umgesetzte Art. 21 Abs. 2 Prospektrichtlinie dahingehend, dass über eine Delegation von Aufgaben nicht nur die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission, sondern auch die neue Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde unterrichtet werden muss.

3

II. Aufnahme zusätzlicher Angaben (§ 21 Abs. 1 WpPG) § 21 Abs. 1 WpPG setzt Art. 21 Abs. 3 lit. a Prospektrichtlinie um. § 21 Abs. 1 WpPG gibt der BaFin die Befugnis, im Rahmen des Billigungsverfah-

1 Siehe die Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 85/05 (Beschluss) v. 18.3.2005, S. 9 und die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 25 f., 50. 2 Begr. RegE zu § 21 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 38. 3 Interinstitutionelles Dossier: 2009/0161 (COD), ursprünglicher Vorschlag der Europäischen Kommission v. 26.10.2009.

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§ 21 WpPG

Befugnisse der Bundesanstalt

rens vom Anbieter oder Zulassungsantragsteller die Aufnahme zusätzlicher Angaben in den Prospekt zu verlangen, wenn dies zum Schutz des Publikums erforderlich ist. Diese Befugnis tritt neben die Vorschriften zum Billigungsverfahren in § 13 WpPG. Für Emittenten der in Anhang XIX der ProspektVO genannten Kategorien ist daneben noch zu beachten, dass die Behörde gemäß Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 ProspektVO im Hinblick auf die besondere Art der Tätigkeit des Emittenten zusätzliche Angaben verlangen kann. 5

Ob zusätzliche Angaben erforderlich sind, bestimmt die BaFin anhand § 7 WpPG iVm. der ProspektVO1 im Rahmen des von § 13 Abs. 1 WpPG festgelegten Prüfungsmaßstabs2. Eine inhaltliche Prüfung findet daher nicht statt3. Verantwortlich für den Inhalt bleibt stets der Prospektverantwortliche. Dh. nur wenn die BaFin im Rahmen der anhand der Anhänge zur ProspektVO durchgeführten Vollständigkeits-, Kohärenz- und Verständlichkeitsprüfung Ergänzungsbedarf im Prospekt sieht, kann sie diesen auf Grund von § 21 Abs. 1 WpPG geltend machen. Vor diesem Hintergrund ist allerdings fraglich, inwieweit § 21 Abs. 1 WpPG neben den Regelungen zum Billigungsverfahren in § 13 WpPG einen eigenen Anwendungsbereich hat, denn die Aufnahme zusätzlicher Angaben zur Gewährleistung eines vollständigen, kohärenten und verständlichen Prospekts kann die BaFin bereits nach § 13 WpPG fordern. Dies gilt auch für die Angaben, die eine Behörde nach Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 ProspektVO verlangen kann, denn bereits die Überschrift der Norm besagt, dass die geforderten Informationen auch Mindestangaben sind. Ohne diese Angaben wäre ein Prospekt nicht vollständig iS von § 13 Abs. 1 WpPG4.

6

Der für die Maßnahme erforderliche Schutz des Publikums, der bei der Ermessensausübung der Behörde zu berücksichtigen ist, dürfte vor dem Hintergrund des Billigungsmaßstabes in § 13 Abs. 1 WpPG und des Anlegerschutzziels des Gesetzes regelmäßig gegeben sein, da der Prospekt ohne die geforderten Ergänzungen nicht vollständig bzw. nicht kohärent oder verständlich wäre.

7

Die Aufforderung zur Aufnahme zusätzlicher Angaben in den Prospekt stellt einen Verwaltungsakt dar (siehe unten Rz. 45 ff.). Da der Prospekt ohne die geforderten zusätzlichen Angaben unvollständig bzw. nicht kohärent

1 Berichtigte Fassung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3. 2 Begr. RegE zu § 21 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 38. 3 Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 21 WpPG Rz. 2; Linke in Schäfer/Hamann, § 21 WpPG Rz. 3. 4 So im Ergebnis auch Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 21 WpPG Rz. 5 f.

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oder unverständlich bliebe, kann die BaFin alternativ auch die Billigung versagen1.

III. Auskunfts-, Vorlage- und Überlassungspflicht (§ 21 Abs. 2 WpPG) § 21 Abs. 2 WpPG setzt Art. 21 Abs. 3 lit. b Prospektrichtlinie um, erweitert diesen um den „Scheinanbieter“ als weiteren Adressaten des Auskunfts-, Vorlage- und Überlassungsverlangens in § 21 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 WpPG und ist mit dem alten § 8c Abs. 1 und 2 VerkProspG vergleichbar2. § 21 Abs. 2 WpPG gibt der BaFin die Befugnis, vom Emittenten, Anbieter oder Zulassungsantragsteller Auskünfte einzuholen sowie die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien zu verlangen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des WpPG erforderlich ist. Die Vorschrift beschränkt sich nicht auf das Billigungsverfahren3, insbesondere kann an Ermittlungen im Zusammenhang mit Werbungen (§ 15 WpPG) gedacht werden.

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Adressaten des Auskunfts-, Vorlage- und Überlassungsverlangens können 9 zum einen Emittenten, Anbieter und Zulassungsantragsteller sein. Zum anderen aber sind nach § 21 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WpPG auch die damit verbundenen Unternehmen erfasst. Der Begriff des verbundenen Unternehmens entspricht dem des § 15 AktG4. § 21 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 WpPG bezieht des Weiteren die juristischen und natürlichen Personen ein, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Anbieter iS des WpPG sind (Scheinanbieter). In diesem Fall geht das Auskunfts-, Vorlage- und Überlassungsverlangen nach § 21 Abs. 2 Satz 3 WpPG nur soweit, wie es für die Prüfung, ob es sich bei der betreffenden Person um einen Anbieter iS des WpPG handelt, erforderlich ist. Die Auskunftspflicht beschränkt sich auf Tatsachen. Rechtsfragen und sub- 10 jektive Wertungen können demnach nicht Gegenstand eines Auskunftsverlangens sein. Die Auswertung und Beurteilung der Informationen im Hinblick auf die Einhaltung der Vorgaben des WpPG erfolgt durch die BaFin (auch vor dem Hintergrund eventuell weiterer zu ergreifender Maßnahmen). Die Tatsachen müssen ferner im Bereich des Auskunftspflichtigen liegen, darüber hinausgehende Nachforschungen sind nicht erforderlich5. Gegenstand einer Vorlagepflicht können sämtliche Arten von Unterlagen sein, dh. nicht nur Dokumente in Papierversion, sondern auch elektronisch gespeicherte Dokumente. In der Praxis können es beispielsweise Verträge 1 2 3 4 5

Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 21 WpPG Rz. 2. Begr. RegE zu § 21 Abs. 2 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 38. Höninger in Holzborn, § 21 WpPG Rz. 8. Begr. RegE zu § 21 Abs. 2 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 38. Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 21 WpPG Rz. 5; Linke in Schäfer/Hamann, § 21 WpPG Rz. 7.

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als schriftliche Papierdokumente sein wie auch Disketten, USB-Sticks, CDs, DVDs etc. mit der Geschäftskorrespondenz1, aber auch E-Mails des Unternehmens bzw. seiner Mitarbeiter2. 12

Nur eine leichte Variante3 der Vorlagepflicht ist die Pflicht zur Überlassung von Kopien. Die Übersendung von Kopien hat für den Auskunftspflichtigen den Vorteil, dass er weiterhin über die für die laufende Geschäftstätigkeit möglicherweise wichtigen Originaldokumente verfügt.

13

Grund und gleichzeitig Begrenzung der Pflichten ist das Erfordernis der Auskünfte, Unterlagen und Kopien für die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des WpPG. Besonders relevant sind öffentliche Angebote ohne Prospekt oder ohne gültigen Prospekt, die nach § 21 Abs. 4 WpPG zu untersagen sind4. Kein zu überwachender Bestandteil der Bestimmungen des WpPG ist die inhaltliche Richtigkeit eines Prospekts5.

14

Maßnahmen der BaFin nach § 21 Abs. 2 WpPG sind Verwaltungsakte (siehe dazu unten Rz. 45 ff.). Zu beachten ist, dass das Verlangen der BaFin mit einer Ermessensausübung verbunden ist und der Verpflichtete über sein Zeugnisverweigerungsrecht zu belehren ist (§ 21 Abs. 6 WpPG, siehe unten Rz. 32 ff.).

IV. Erweiterte Auskunfts-, Vorlage- und Überlassungspflicht (§ 21 Abs. 3 WpPG) 15

§ 21 Abs. 3 WpPG setzt Art. 21 Abs. 3 lit. c Prospektrichtlinie um und erweitert den Kreis der in § 21 Abs. 2 WpPG genannten Verpflichteten. Die Vorschrift entspricht ansonsten § 21 Abs. 2 WpPG.

16

Adressaten des Auskunfts-, Vorlage- und Überlassungsverlangens können Abschlussprüfer und Mitglieder von Aufsichts- oder Geschäftsführungsorganen des Emittenten, des Anbieters oder Zulassungsantragstellers, die nach § 5 Abs. 3 WpPG den Prospekt unterzeichnen, sowie von den mit der Platzierung des öffentlichen Angebots oder der Zulassung zum Handel beauftragten Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituten sein. Der Gesetzestext erwähnt neben den letztgenannten Instituten noch ausdrücklich die 1 Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 21 WpPG Rz. 6; Linke in Schäfer/Hamann, § 21 WpPG Rz. 8. 2 Vgl. die Rechtsprechung zum vergleichbaren § 4 Abs. 3 Satz 1 WpHG: VG Frankfurt a.M. v. 6.11.2008 – 1 K 628/08.F, WM 2009, 948; HessVGH v. 19.5.2009 – 6 A 2672/08.Z, WM 2009, 2004; Bedenken insbesondere im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und das Fernmeldegeheimnis Schantz, WM 2009, 2112; zur verfassungsrechtlichen Diskussion siehe auch Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 4 WpHG Rz. 29 ff. 3 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 21 WpPG Rz. 16 sehen dies als Präzisierung des Begriffs „Unterlage“ an. 4 Höninger in Holzborn, § 21 WpPG Rz. 7. 5 Vgl. Begr. RegE zu § 21 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 38.

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grenzüberschreitend oder im Wege einer Zweigniederlassung in Deutschland nach § 53b KWG tätigen Institute des EWR sowie die Zweigstellen vergleichbar tätiger Unternehmen mit Sitz im außereuropäischen Ausland. Der Umfang der Pflichten entspricht dem von § 21 Abs. 2 WpPG (siehe oben 17 Rz. 10 ff.). Der Gesetzgeber betont in diesem Zusammenhang, dass die Befugnis der BaFin durch den für die Billigung geltenden Prüfungsmaßstab begrenzt sei. Nur soweit die Billigung reiche, bestehe ein Bedürfnis, auch Auskünfte einzuholen1. Abschlussprüfer können sich insoweit nicht auf ihre Verschwiegenheitsverpflichtung berufen, da die Auskunfts-, Vorlage- und Überlassungspflicht als spezialgesetzliche Regelung der Verschwiegenheitsverpflichtung vorgeht2. Ebenso wie die Maßnahmen der BaFin nach § 13 Abs. 2 WpPG sind die nach 18 § 13 Abs. 3 WpPG Verwaltungsakte (siehe dazu unten Rz. 45 ff.). Zu beachten ist, dass das Verlangen der BaFin mit einer Ermessensausübung verbunden ist und der Verpflichtete über sein Zeugnisverweigerungsrecht zu belehren ist (§ 21 Abs. 6 WpPG, siehe unten Rz. 32 ff.).

V. Untersagung und Aussetzung eines öffentlichen Angebots (§ 21 Abs. 4 WpPG) 1. Übersicht § 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG dient der Umsetzung von Art. 21 Abs. 3 lit. f Pro- 19 spektrichtlinie, der an sich bei jeglichem Verstoß gegen Bestimmungen der Prospektrichtlinie die Möglichkeit der Untersagung des öffentlichen Angebots vorsieht, und § 21 Abs. 4 Satz 2 WpPG der Umsetzung von Art. 21 Abs. 4 lit. d Prospektrichtlinie. Nach § 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG hat die BaFin ein öffentliches Angebot zu untersagen, wenn kein Prospekt veröffentlicht wurde, der Prospekt nicht mehr gültig ist, die Billigungsbescheinigung iS von § 18 Abs. 1 WpPG nicht nachgewiesen worden ist oder der Prospekt nicht der Sprachenregelung des § 19 WpPG entspricht (Rz. 20 ff.). Nach § 21 Abs. 4 Satz 2 WpPG kann die BaFin im Falle von Anhaltspunkten für die zuvor beschriebenen Verstöße das öffentliche Angebot für höchstens zehn Tage aussetzen (Rz. 26 ff.). Von der Untersagung des öffentlichen Angebots mangels Prospekts ist die Versagung der Billigung zu unterscheiden, bei der der BaFin ein Prospekt zur Prüfung und Billigung vorliegt, aber im Hinblick auf den Prüfungsmaßstab von § 13 Abs. 1 WpPG nicht gebilligt werden kann3. 2. Untersagung des öffentlichen Angebots § 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG verlangt von der BaFin die Untersagung eines öf- 20 fentlichen Angebots, wenn bestimmte Verstöße gegen Gebote des WpPG 1 Begr. RegE zu § 21 Abs. 3 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 38. 2 Höninger in Holzborn, § 21 WpPG Rz. 18. 3 Linke in Schäfer/Hamann, § 21 WpPG Rz. 10.

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vorliegen. Die im Gesetz genannten Gebote stellen eine für die Untersagung eines öffentlichen Angebots abschließende Aufzählung dar. Für die Definition des öffentlichen Angebots kann auf § 2 Nr. 4 WpPG verwiesen werden. 21

Bei der ersten Fallgruppe hat die BaFin ein öffentliches Angebot zu untersagen, wenn entgegen § 3 WpPG kein Prospekt veröffentlicht wurde. Im Gegensatz zur nächsten Fallgruppe wird hier davon ausgegangen, dass gar kein Prospekt vorliegt, weder gebilligt noch ungebilligt. Das Fehlen eines Prospekts genügt aber noch nicht, um einen Verstoß gegen § 3 WpPG zu begründen. Vielmehr ist zu prüfen, ob der Anwendungsbereich des WpPG eröffnet ist, es sich bei dem Angebot insbesondere um Wertpapiere iS von § 2 Nr. 1 WpPG handelt und keine Ausnahmen nach § 3 Abs. 2 WpPG oder § 4 Abs. 1 WpPG einschlägig sind.

22

Ferner hat die BaFin ein öffentliches Angebot zu untersagen, wenn entgegen § 13 WpPG ein Prospekt veröffentlicht wurde. Maßgeblich ist hier, dass der Prospekt nicht gebilligt wurde. Ob der Prospekt dagegen unter Beachtung von § 14 Abs. 2 WpPG oder anderweitig veröffentlicht wurde, ist vor dem Hintergrund des Schutzzwecks für eine Untersagung des öffentlichen Angebots ohne Bedeutung (wird der Prospekt beispielsweise nur in gedruckter Form, aber nicht kostenlos ausgegeben, liegt keine wirksame Veröffentlichung iS von § 14 Abs. 2 WpPG vor, aber der Prospekt ist für den Anleger dennoch zugänglich und „veröffentlicht“ iS von § 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG). Ferner ist zu prüfen, ob der Prospekt überhaupt einer Billigung bedurft hätte, dh. ob überhaupt Wertpapiere angeboten werden, nicht Ausnahmen einschlägig sind etc. (siehe oben Rz. 21).

23

Bei Ablauf der Gültigkeit des Prospekts oder des Registrierungsformulars ist das öffentliche Angebot ebenfalls zu untersagen. Wegen der Gültigkeit verweist § 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG auf § 9 WpPG. Danach verliert der Prospekt seine Gültigkeit grundsätzlich spätestens nach zwölf Monaten, gegebenenfalls aber auch schon vorher, wenn das Angebot vorher geschlossen und daher nicht durch Nachträge aktualisiert wird oder der Prospekt im Falle eines länger laufenden Angebots nicht durch die nach § 16 WpPG erforderlichen Nachträge ergänzt wird1. Eine Konfliktlage kann aber dann entstehen, wenn ein Anbieter oder Zulassungsantragsteller einen Nachtrag zur Billigung bei der BaFin einreicht, also § 16 WpPG gerecht werden möchte, die Billigung aber erst nach sieben Werktagen oder wegen Unvollständigkeit, Inkohärenz oder Unverständlichkeit der Angaben nicht auf Grund der ersten Einrei1 So auch Linke in Schäfer/Hamann, § 21 WpPG Rz. 11; Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 21 WpPG Rz. 30 betrachtet die Gültigkeit unabhängig von der Nachtragspflicht, ua. da das Billigungsverfahren mit der Billigung abgeschlossen sei und im Interesse der Rechtssicherheit die Prüfungspflicht der BaFin ende. Dies sei auch daran erkenntlich, dass es keinen Bußgeldtatbestand für die Verletzung der Nachtragspflicht gebe und die BaFin die Emittenten nicht laufend beaufsichtige. Dem ist entgegenzuhalten, dass auch die anderen Tatbestände nicht von einer lückenlosen Überwachung durch die BaFin ausgehen.

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chungsfassung innerhalb von sieben Werktagen erfolgen kann. Diese Bearbeitungs- und auch Überarbeitungszeit gesteht das Gesetz dem Nachtragspflichtigen und der BaFin zu und hält sie folglich auch vor dem Hintergrund des Anlegerschutzes für angemessen. Das spricht dafür, dass während der Prüfung eines Nachtrags das öffentliche Angebot grundsätzlich nicht untersagt werden kann. Sachgerechter und letztlich auch das mildere Mittel wäre in Extremfällen eine Aussetzung des öffentlichen Angebots. Dadurch gewinnt der Antragsteller Zeit und dem Anlegerschutz wird gleichfalls Genüge getan1. Als weitere Tatbestände kommen das Fehlen der Billigungsbescheinigung 24 und ein Verstoß gegen die Sprachenregelung in Betracht. Die Billigungsbescheinigung wird nach Art. 18 Prospektrichtlinie an sich von der zuständigen europäischen Behörde an die BaFin übermittelt. Diese ist Voraussetzung, wenn Wertpapiere auf Grund eines im Ausland gebilligten Prospekts in Deutschland öffentlich angeboten werden sollen. Im Hinblick auf die Eingriffsmöglichkeiten bei Prospekten, die von der Behörde eines anderen europäischen Mitgliedstaats gebilligt und nach Deutschland notifiziert wurden, aber nicht der Sprachfassung des § 19 WpPG entsprechen, kann auf § 17 WpPG Rz. 32 verwiesen werden. Im Übrigen hat die BaFin § 24 WpPG zu beachten. Die BaFin hat bei Vorliegen der Voraussetzungen das öffentliche Angebot zu 25 untersagen, hat also kein Entschließungsermessen. Die Untersagung stellt einen Verwaltungsakt dar (siehe dazu unten Rz. 45 ff.). Die Voraussetzungen für die Untersagung muss die BaFin vorher ermittelt haben, vage Anhaltspunkte genügen nicht. Gegebenenfalls ist der Sachverhalt durch Maßnahmen nach § 21 Abs. 2 WpPG aufzuklären und der Betroffene vorher gemäß § 28 VwVfG anzuhören. Liegen Anhaltspunkte für Verstöße vor, kann für die Zeit der Ermittlung das öffentliche Angebot für zehn Tage ausgesetzt werden (§ 21 Abs. 4 Satz 2 WpPG). 3. Aussetzung des öffentlichen Angebots Bestehen Anhaltspunkte für Verstöße gegen die in § 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG 26 genannten Gebote (siehe dazu oben Rz. 20 ff.), kann die BaFin nach § 21 Abs. 4 Satz 2 WpPG das öffentliche Angebot für bis zu zehn Tage aussetzen. Bei der näheren Eingrenzung des Begriffs des Anhaltspunktes ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung der BaFin nach § 21 Abs. 4 Satz 2 WpPG eine Ermessensentscheidung ist, die Aussetzungsdauer bis zur Maximaldauer von zehn Tagen ebenfalls im Ermessen der BaFin steht und der Eingriff zwar eine Unterbrechung des öffentlichen Angebots zur Folge hat, aber dieser Eingriff weniger belastend ist als die Untersagung des öffentlichen Angebots. Einerseits sind bloße Befürchtungen einer abstrakten Gefahr keine ausreichenden Anhaltspunkte2, andererseits muss der Sachverhalt von der 1 So Linke in Schäfer/Hamann, § 21 WpPG Rz. 11. 2 Heidelbach in Schwark, § 8b VerkProspG Rz. 4.

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BaFin nicht komplett aufgeklärt sein, insbesondere nicht im Hinblick auf eventuell einschlägige Ausnahmen von einer Prospektpflicht. Es können also durchaus auch schon Verdachtsmomente, die auf konkreten Tatsachen gründen1, Anhaltspunkte für die Aussetzung eines öffentlichen Angebots bieten2. 27

Die für die Dauer der Aussetzung des öffentlichen Angebots festgesetzte Frist beginnt nach § 21 Abs. 4 Satz 3 WpPG mit der Bekanntgabe der Entscheidung. Die Bekanntgabe erfolgt nach den allgemeinen Vorschriften (§ 41 VwVfG). Da § 21 Abs. 4 Satz 2 WpPG von Tagen spricht und nicht wie in § 13 Abs. 2 und 3 WpPG, § 16 Abs. 1 Satz 3 WpPG oder § 18 Abs. 1 Satz 2 und 3 WpPG auf Werktage abgestellt wird, sind auch Sonntage und Feiertage bei der Fristberechnung mitzuzählen.

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Die Verfügung der BaFin über die Aussetzung des öffentlichen Angebots stellt einen Verwaltungsakt dar (siehe dazu unten Rz. 45 ff.). 4. Gebühren

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Für die Untersagung oder Aussetzung eines öffentlichen Angebots werden von der BaFin Gebühren nach § 28 WpPG iVm. der Verordnung über die Erhebung von Gebühren nach dem Wertpapierprospektgesetz3 erhoben. Nach § 2 Abs. 1 WpPGebV iVm. Ziffer 16 des Gebührenverzeichnisses beträgt die Gebühr für die Untersagung des öffentlichen Angebots 4.000 Euro und für die Aussetzung des öffentlichen Angebots nach Ziffer 17 des genannten Gebührenverzeichnisses 2.500 Euro. Für die teilweise oder vollständige Zurückweisung eines Widerspruchs können ebenfalls Gebühren erhoben werden (§ 3 Abs. 2 WpPGebV).

VI. Datenübermittlung (§ 21 Abs. 5 WpPG) 30

Nach § 21 Abs. 5 WpPG kann die BaFin der Geschäftsführung der Börse Daten einschließlich personenbezogener Daten übermitteln, wenn Tatsachen den Verdacht begründen, dass gegen Bestimmungen des WpPG verstoßen worden ist und die Daten zur Erfüllung der Zuständigkeiten der Geschäftsführung liegenden Aufgaben erforderlich sind. Diese Norm geht insoweit dem BDSG vor (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG) und ist wichtig, um einen reibungslosen Ablauf zwischen Prospektbilligungsverfahren bei der BaFin und Zulassung durch die Geschäftsführung der Börse zu ermöglichen. Dies erfolgte auch vor dem Hintergrund der Umsetzung von Art. 21 Abs. 3 lit. g und h 1 Bei der Auskunftsnorm des WpHG, § 4 Abs. 3 WpHG, die auf „konkrete Anhaltspunkte“ abstellt, verlangt der Gesetzgeber in Erläuterung dieses Begriffs einen „konkreten Tatsachenkern“, Begr. zu § 4 Abs. 3 WpHG in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/3493 v. 1.7.2004, S. 51. 2 Linke in Schäfer/Hamann, § 21 WpPG Rz. 13. 3 Wertpapierprospektgebührenverordnung (WpPGebV) v. 29.6.2005, BGBl. I 2005, 1875.

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Prospektrichtlinie, weil sich die dort genannten Befugnisse bei der Börse befinden. Der Verweis auf die Zulassungsstelle neben der Geschäftsführung der Börse in § 21 Abs. 5 WpPG läuft inzwischen ins Leere, da die Zulassung gemäß § 32 Abs. 1 BörsG durch die Geschäftsführung der Börse erfolgt. Eine weitere Befugnis zur Datenübermittlung enthält § 21 Abs. 8 Satz 4 WpPG. Die Entscheidung, wann Tatsachen (zu diesem Begriff Rz. 10) den Verdacht 31 eines Verstoßes begründen, steht im Ermessen der BaFin. Da die Vorschrift für die Datenübermittlung einen „Verdacht“ ausreichen lässt, muss ein Gesetzesverstoß nicht bewiesen sein1. Bei der Ermessensausübung ist ferner zu berücksichtigen, ob und inwieweit die Daten zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der Geschäftsführung der Börse liegenden Aufgaben erforderlich sind. Letztlich überprüft aber die Geschäftsführung der Börse selbst ihren Aufgabenbereich, weshalb diesbezüglich § 21 Abs. 5 eher extensiv als restriktiv auszulegen ist2.

VII. Auskunftsverweigerungsrecht (§ 21 Abs. 6 WpPG) § 21 Abs. 6 WpPG ist dem alten § 8c Abs. 3 VerkProspG nachgebildet3. Dem 32 Auskunftspflichtigen steht ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn und soweit die Beantwortung der Fragen ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem OWiG aussetzen würde. Damit wird dem rechtsstaatlichen Gedanken der Unzumutbarkeit einer Selbstanzeige Rechnung getragen4. Zu den Angehörigen gehören der Verlobte, der Ehegatte oder Lebenspartner, selbst wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht, sowie diejenigen, die mit dem Auskunftspflichtigen in gerader Linie verwandt (vgl. § 1589 BGB) oder verschwägert (vgl. § 1590 BGB), in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren. Die Auskunftsverweigerung ist ausdrücklich zu erklären Das Auskunftsverweigerungsrecht bezieht sich dem eindeutigen Wortlaut von § 21 Abs. 6 WpPG folgend nur auf die Verweigerung der geforderten Auskunft, nicht jedoch auf die Vorlage von Unterlagen oder Kopien. Unterlagen und Kopien sind also trotz Auskunftsverweigerungsrechts vorzulegen5. 1 2 3 4 5

Vgl. Höninger in Holzborn, § 21 WpPG Rz. 32. Höninger in Holzborn, § 21 WpPG Rz. 34. Begr. RegE zu § 21 Abs. 6 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 38. Groß, Kapitalmarktrecht, § 21 WpPG Rz. 9. VG Berlin v. 12.6.1978 – VG 14 A 8/78 zu § 44 KWG aF in Beckmann/Bauer, Bankenaufsichtsrecht Entscheidungssammlung, § 44 Abs. 2 Nr. 19, S. 32 (3); Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 21 WpPG Rz. 18; Linke in Schäfer/Hamann, § 21 WpPG Rz. 18; aA, dh. das Auskunftsverweigerungsrecht bezieht sich auch auf die Vorlage von Unterlagen, Heidelbach in Schwark, § 8c VerkProspG Rz. 8, mit der Begründung, dass nur so dem der Vorschrift zugrunde liegenden rechtsstaatlichen Grundsatz hinreichend Rechnung getragen werde;

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Nach § 21 Abs. 6 Satz 2 WpPG hat eine Belehrung des Verpflichteten über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu erfolgen. Unterbleibt die Belehrung, so ist grundsätzlich von einer Unverwertbarkeit der erhaltenen Auskünfte auszugehen1.

VIII. Datenschutz (§ 21 Abs. 7 WpPG) 35

§ 21 Abs. 7 WpPG regelt die Speicherung, Nutzung und Veränderung personenbezogener Daten und hat § 4 Abs. 10 WpHG zum Vorbild2. § 4 Abs. 10 WpHG schränkte die Nutzung dienstlich erforderlicher Daten auf „speichern, verändern und nutzen“ ein. Später wurde an die Stelle dieser Worte der auch in § 21 Abs. 7 WpPG enthaltene Begriff des „Verwendens“ eingefügt, da dieser Begriff das Nutzen und Verarbeiten und damit auch das Speichern, Verändern und Weitergeben von Daten umfasst3. Die Verwendung personenbezogener Daten darf nur zur Erfüllung der Aufsichtsaufgaben der BaFin erfolgen. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (§ 3 Abs. 1 BDSG).

IX. Aussetzung bzw. Untersagung des Angebots sowie Widerruf der Billigung bei Zulassungsprospekten (§ 21 Abs. 8 WpPG) 1. Übersicht 36

Die Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 8 WpPG verweist nicht auf eine Norm der Prospektrichtlinie, die dadurch umgesetzt werden soll4. Zumindest soweit nach § 21 Abs. 8 Satz 3 WpPG das öffentliche Angebot untersagt werden kann, kann darin aber auch eine Umsetzung von Art. 21 Abs. 3 lit. f Prospektrichlinie gesehen werden5. Als Hauptgrund für § 21 Abs. 8 WpPG stellte sich während des Gesetzgebungsverfahrens allerdings die Streichung von § 30 Abs. 3 Nr. 3 BörsG heraus6. § 30 Abs. 3 Nr. 3 BörsG aF besagte damals, dass Wertpapiere zuzulassen sind, „wenn (3.) keine Umstände bekannt sind, die bei der Zulassung der Wertpapiere zu einer Übervorteilung des Publikums oder einer Schädigung erheblicher allgemeiner Interessen führen.“ Durch die Streichung dieser börsengesetzlichen Vorschrift und der Einführung des § 21 Abs. 8 WpPG sollte eine Doppelprüfung von Prospek-

1 2 3 4 5 6

mit letztlich ähnlicher Begründung Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 21 WpPG Rz. 46 f. Vgl. ua. Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, § 383 ZPO Rz. 21; Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 21 WpPG Rz. 19. Begr. RegE zu § 21 Abs. 7 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 39. Begr. RegE zu § 4 Abs. 10 WpHG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 31. Begr. RegE zu § 21 Abs. 8 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 39. Groß, Kapitalmarktrecht, § 21 WpPG Rz. 11. Begr. zu § 21 Abs. 8 WpPG in Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 50.

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ten vermieden werden1. Dem Wortlaut nach soll § 21 Abs. 8 WpPG nur für die Prospekte Anwendung finden, auf Grund derer Wertpapiere zum Handel an einem organisierten (regulierten) Markt zugelassen werden sollen. § 21 Abs. 8 WpPG unterscheidet zwischen zwei Fallgruppen abhängig vom Kenntnisstand der BaFin. § 21 Abs. 8 Satz 1 und Satz 2 WpPG geben der BaFin Ermittlungsbefugnisse und die Möglichkeit zur vorübergehenden Aussetzung des öffentlichen Angebots für den Fall, dass ihr Umstände bekannt gegeben werden, auf Grund derer begründete Anhaltspunkte für die wesentliche inhaltliche Unrichtigkeit oder wesentliche inhaltliche Unvollständigkeit des Prospekts bestehen, die zu einer Übervorteilung des Publikums führen. Steht die inhaltliche Unrichtigkeit oder inhaltliche Unvollständigkeit bereits fest, kann die BaFin nach § 21 Abs. 8 Satz 3 WpPG die Billigung widerrufen und das öffentliche Angebot untersagen. Was die Vorschrift als Fremdkörper im WpPG erscheinen lässt, ist der häufige Bezug auf die inhaltliche Unrichtigkeit und Unvollständigkeit. Der Prüfungsmaßstab des § 13 Abs. 1 WpPG umfasst gerade nicht eine inhaltliche Überprüfung des Prospekts. Auch die Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 8 WpPG betont, dass im Billigungsverfahren keine inhaltliche Prüfung des Prospekts erfolge2.

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2. Aussetzungs- und Erkundigungsbefugnisse bei Anhaltspunkten (§ 21 Abs. 8 Satz 1 und 2 WpPG) Auf Grund von § 21 Abs. 8 Satz 1 und Satz 2 WpPG wird die BaFin tätig, 38 wenn ihr bestimmte Umstände bekannt gegeben werden. Die Vorschrift ändert also nicht grundsätzlich den Prüfungsmaßstab der BaFin, so dass diese von sich aus Überprüfungen im Hinblick auf die inhaltliche Richtigkeit oder Vollständigkeit aufnehmen müsste. Untersuchungen werden erst dann aufgenommen, wenn die Behörde auf entsprechende Umstände hingewiesen wird. Die Umstände müssen begründete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit 39 oder Unvollständigkeit enthalten. Während § 21 Abs. 4 Satz 2 WpPG nur von Anhaltspunkten spricht, müssen diese hier auch begründet sein. Das bedeutet zwar nicht gleich, dass die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit feststehen muss (dann gilt § 21 Abs. 8 Satz 3 WpPG), aber Beweise für eine wahrscheinliche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit müssten schon vorliegen. Mit Vorsicht zu handhaben sind anonyme telefonische oder schriftliche Hinweise. Gerade anonyme telefonische Hinweise ermöglichen der BaFin keinen Rückgriff auf den Anrufer als Zeugen, und es liegt kein Schriftstück vor. 1 Begr. zu § 21 Abs. 8 WpPG und zur Änderung von § 30 Abs. 3 BörsG in Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373 v. 21.4.2005, S. 50, 51. 2 Begr. RegE zu § 21 Abs. 8 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 39; kritisch zu dieser Vorschrift Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 21 WpPG Rz. 24 ff.

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Die Anhaltspunkte müssen sich auf eine wesentliche inhaltliche Unrichtigkeit oder eine wesentliche inhaltliche Unvollständigkeit beziehen, die zu einer Übervorteilung des Publikums führen können. Die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit muss folglich ein gewisses Gewicht haben, was im Zusammenhang mit der Gefahr der Übervorteilung des Publikums, dh. der Anleger, zu beurteilen ist. Eine Übervorteilung des Publikums wurde bislang immer dann angenommen, wenn die Anhaltspunkte einen erheblichen Kursverfall befürchten lassen1 oder die Rentabilität des Unternehmens für die Zukunft unwahrscheinlich erscheinen lassen2. Teilweise wurde eine Übervorteilung nur dann angenommen, wenn nicht nur zwischen der objektiven oder der im Prospekt umschriebenen Renditeerwartung und dem Wertverlustrisiko des Wertpapiers ein Missverhältnis bestand, sondern zudem das Publikum hierüber im Prospekt nicht, nicht vollständig oder unrichtig aufgeklärt wurde3. Dieser Ansatz scheint einerseits angesichts der zahlreichen Risikofaktoren, die die Prospekte regelmäßig enthalten, die Folge zu haben, dass der Anwendungsbereich der Norm sich dadurch verkleinert, hat aber andererseits den Vorteil, dass es an die Publizitätswirkung des Prospekts anknüpft.

41

Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen erhält die BaFin die Befugnis, Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen oder die Überlassung von Kopien nach § 21 Abs. 2 WpPG zu verlangen (siehe dazu oben Rz. 8 ff.), und ferner kann sie nach § 21 Abs. 8 Satz 2 WpPG vom Anbieter die Aussetzung des öffentlichen Angebots bis zur Aufklärung des Sachverhalts verlangen. Die Befugnisse stehen im Ermessen der BaFin. Gerade bei einer Aussetzung, die insbesondere bei Börsengängen zum regulierten Markt die Zeitpläne praktisch aushebeln, kommt der Ermessensausübung eine große Bedeutung zu. Macht die BaFin von ihren Befugnissen Gebrauch, stellt dies einen Verwaltungsakt dar (siehe dazu unten Rz. 45 ff.). 3. Untersagung des Angebots und Widerruf des Billigungsbescheides bei feststehender Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts (§ 21 Abs. 8 Satz 3 WpPG)

42

Steht die inhaltliche Unrichtigkeit oder die inhaltliche Unvollständigkeit fest (gegebenenfalls nach Einholung von Auskünften nach § 21 Abs. 8 Satz 1 und 2 WpPG), kann die BaFin das öffentliche Angebot untersagen, wenn dies noch nicht abgeschlossen ist, oder die Billigung widerrufen (§ 21 Abs. 8 Satz 3 WpPG). Die Untersagung des öffentlichen Angebots erfolgt durch Verwaltungsakt (siehe dazu unten Rz. 45 ff.). Die in der Norm enthaltene Befugnis zum Widerruf des Billigungsbescheides stellt eine spezialgesetzliche Ermächtigung zum Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes iS von § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG dar. Selbst bei einer inhaltlichen Unrichtigkeit

1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 21 WpPG Rz. 11. 2 Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 21. 3 Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 30 BörsG Rz. 73.

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§ 21 WpPG

Befugnisse der Bundesanstalt

oder inhaltlichen Unvollständigkeit war der Billigungsbescheid der BaFin vor dem Hintergrund des Prüfungsmaßstabes in § 13 Abs. 1 WpPG, der sich gerade nicht auf den Inhalt bezieht, rechtmäßig. Der Widerruf stellt wiederum einen Verwaltungsakt dar. Nach § 49 Abs. 6 VwVfG steht dem Anbieter kein Entschädigungsanspruch gegen die BaFin zu1. 4. Gebühren Für die Untersagung des öffentlichen Angebots und den Widerruf der Billigung nach § 21 Abs. 8 WpPG werden von der BaFin Gebühren nach § 28 WpPG iVm. der Verordnung über die Erhebung von Gebühren nach dem Wertpapierprospektgesetz2 erhoben. Nach § 2 Abs. 1 WpPGebV iVm. Ziffer 18 des Gebührenverzeichnisses beträgt die Gebühr 4.000 Euro für eine der Maßnahmen oder für beide Maßnahmen zusammen. Für die teilweise oder vollständige Zurückweisung eines Widerspruchs können ebenfalls Gebühren erhoben werden (§ 3 Abs. 2 WpPGebV).

43

5. Datenübermittlung (§ 21 Abs. 8 Satz 4 WpPG) Nach § 21 Abs. 8 Satz 4 WpPG kann die BaFin die nach § 21 Abs. 8 Satz 1 WpPG erhobenen Daten und die Entscheidungen nach § 21 Abs. 8 Sätze 2 und 3 der Geschäftsführung der Börse und ausländischen Zulassungsstellen übermitteln, soweit diese Informationen zur Erfüllung von deren Aufgaben erforderlich sind. Was die Zusammenarbeit mit ausländischen Zulassungsstellen anbelangt, so tritt die Möglichkeit der Datenübermittlung neben die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit nach §§ 23 f. WpPG.

44

X. Verwaltungsakte auf Grund von § 21 WpPG, deren Vollziehung und Durchsetzung, Rechtsschutz Mit dem Verlangen zur Aufnahme zusätzlicher Angaben in den Prospekt 45 (§ 21 Abs. 1 WpPG), dem Auskunfts-, Vorlage- und Überlassungsverlangen nach § 21 Abs. 2 und 3 WpPG (gegebenenfalls iVm. § 21 Abs. 8 Satz 1 WpPG), der Untersagung des öffentlichen Angebots (§ 21 Abs. 4 Satz 1, Abs. 8 Satz 3 WpPG), der Aussetzung des öffentlichen Angebots nach § 21 Abs. 4 Satz 2 oder Abs. 8 Satz 2 WpPG und dem Widerruf der Billigung (§ 21 Abs. 8 Satz 3 WpPG) ergreift die BaFin eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit Außenwirkung, womit die Maßnahmen als Verwaltungsakt iS des § 35 VwVfG zu qualifizieren sind. Der Erlass der Verwaltungsakte ist nicht an eine Form gebunden. Regelmäßig werden die Verfügungen allerdings schriftlich ergehen, insbesondere wenn ein erheblicher Eingriff damit verbunden ist. 1 Linke in Schäfer/Hamann, § 21 WpPG Rz. 23. 2 Wertpapierprospektgebührenverordnung (WpPGebV) v. 29.6.2005, BGBl. I 2005, 1875.

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§ 22 WpPG

Verschwiegenheitspflicht

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Nach § 26 Nr. 1 WpPG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die auf Grund von § 21 WpPG erlassenen Verwaltungsakte keine aufschiebende Wirkung.

47

Da Rechtsbehelfen keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist, kann ein nach § 21 WpPG erlassener Verwaltungsakt gemäß § 6 Abs. 1 VwVG mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. § 9 VwVG sieht als mögliche Zwangsmittel die Ersatzvornahme (§ 10 VwVG), das Zwangsgeld (§ 11 VwVG) und den unmittelbaren Zwang (§ 12 VwVG) vor. Da es sich bei den auf Grund von Verfügungen nach § 21 WpPG auferlegten Pflichten um solche handelt, die nur der Pflichtige vornehmen kann, es also in der Regel unvertretbare Handlungen sind, kommt praktisch nur das Zwangsgeld in Betracht. Nach § 17 Satz 4 FinDAG1 beträgt die Höhe des Zwangsgelds bis zu 250.000 Euro. Nach § 13 VwVG ist das Zwangsgeld schriftlich anzudrohen und eine angemessene Frist für die Befolgung der Verfügung zu bestimmen. Wird der Verpflichtung nicht innerhalb der Frist Folge geleistet, wird das Zwangsgeld festgesetzt (§ 14 VwVG) und angewendet (§ 15 VwVG).

48

Als Rechtsbehelf gegen den Verwaltungsakt kommt neben dem Widerspruch insbesondere ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht. Die Verwaltungsakte können ferner mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden. Klagegegner ist gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die nach § 1 Abs. 1 FinDAG bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts BaFin. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 FinDAG gilt für Klagen gegen die BaFin Frankfurt am Main als Sitz der Behörde. Dem am Verfahren nicht unmittelbar beteiligten Anleger dürfte allerdings keine Widerspruchs- oder Klagebefugnis zustehen, da er nicht Adressat des Verwaltungsaktes ist und die Entscheidung der BaFin allein im öffentlichen Interesse erfolgt2 (zum Tätigwerden der BaFin im öffentlichen Interesse siehe auch unter § 13 WpPG Rz. 35 f.). Die Rechtsmittel gegen Zwangsmittel ergeben sich unter anderem aus § 18 VwVG.

§ 22 Verschwiegenheitspflicht (1) Die bei der Bundesanstalt Beschäftigten und die nach § 4 Abs. 3 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes beauftragten Personen dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse eines nach diesem Gesetz Verpflichteten oder eines Drit-

1 Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG) vom 22.4.2002 (BGBl. I S. 1310), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 25.6.2009 (BGBl. I 2009, 1506). 2 Begr RegE zu § 21 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 38.

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Verschwiegenheitspflicht

§ 22 WpPG

ten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie personenbezogene Daten, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. Dies gilt auch für andere Personen, die durch dienstliche Berichterstattung Kenntnis von den in Satz 1 bezeichneten Tatsachen erhalten. Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an 1. Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte, 2. kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Überwachung von Börsen oder anderen Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, des Handels mit Finanzinstrumenten oder Devisen, von Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten, Investmentgesellschaften, Finanzunternehmen oder Versicherungsunternehmen betraute Stellen sowie von diesen beauftragte Personen, soweit diese Stellen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Für die bei diesen Stellen beschäftigten Personen gilt die Verschwiegenheitspflicht nach Satz 1 entsprechend. An eine Stelle eines anderen Staates dürfen die Tatsachen nur weitergegeben werden, wenn diese Stelle und die von ihr beauftragten Personen einer dem Satz 1 entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen. (2) Die §§ 93, 97 und 105 Abs. 1, § 111 Abs. 5 in Verbindung mit § 105 Abs. 1 sowie § 116 Abs. 1 der Abgabenordnung gelten nicht für die in Absatz 1 Satz 1 oder 2 genannten Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden. Sie finden Anwendung, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, und nicht Tatsachen betroffen sind, die den in Absatz 1 Satz 1 oder 2 bezeichneten Personen durch eine Stelle eines anderen Staates im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 Nr. 2 oder durch von dieser Stelle beauftragte Personen mitgeteilt worden sind. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Berger/Roth/Scheel (Hrsg.), Informationsfreiheitsgesetz, 2006; Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 56. Aufl. 2009; Gurlit, Gläserne Banken- und Kapitalmarktaufsicht? – Zur Bedeutung des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes für die Aufsichtspraxis, WM 2009, 773; Jastrow/Schlatmann, Informationsfreiheitsgesetz, 2006; Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 52. Aufl. 2009; Möllers/Wenninger, Informationsansprüche gegen die BaFin im Lichte des neuen Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), ZHR 170 (2006), 455; Reischauer/Kleinhans, Kreditwesengesetz, Loseblatt; Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, 2006; Rossi, Das Informationsfreiheitsrecht in der gerichtlichen Praxis, DVBl 2010, 554; Schmitz/Jastrow, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, NVwZ 2005, 984; Scholz, Informationsfreiheitsgesetz (IFG) als verfassungswidriger Systembruch zu staatlichen Finanz- und Wirtschaftsaufsichten?, BKR 2008, 485; Sellmann/Augsberg, Chancen

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Verschwiegenheitspflicht

und Risiken des Bundesinformationsfreiheitsgesetzes – Eine „Gebrauchsanleitung“ für (private) Unternehmen, WM 2006, 2293; Wilsing/Paul, Gläserne BaFinAkten – Reaktionsmöglichkeiten der Praxis auf Verurteilung der BaFin zur Auskunftserteilung, BB 2009, 114.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . . II. 1. 2. 3. 4. 5.

6. 7. 8.

Verschwiegenheitspflicht Übersicht . . . . . . . . . . . . . Adressaten . . . . . . . . . . . . Tatsachen . . . . . . . . . . . . . Bei der Tätigkeit bekannt geworden . . . . . . . . . . . . . Geheimhaltungsinteresse a) Schutzrichtung . . . . . . . b) Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse . . . . . . . . . c) Personenbezogene Daten Offenbaren und Verwerten . Unbefugt . . . . . . . . . . . . . . Weitergabe von Informationen an Finanzbehörden (§ 22 Abs. 2 WpPG) . . . . . .

1

. . .

5 6 11

.

12

.

13

. . . .

14 15 16 19

.

29

III. Informationsansprüche 1. Akteneinsichtsrecht des Verfahrensbeteiligten nach § 29 VwVfG . . . . . . . . . . . . . 2. Informationsansprüche des Geschädigten nach §§ 406e, 475 StPO iVm. §§ 46 Abs. 3 Satz 4, 49b OWiG . . . . . . . . 3. Informationsanspruch nach § 1 IFG . . . . . . . . . . . . . . . .

36

IV. Folgen eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . .

50

31

33

I. Normentwicklung 1

§ 22 WpPG dient der Umsetzung von Art. 22 Abs. 11 Prospektrichtlinie2. Nach Art. 22 Abs. 1 Prospektrichtlinie sind alle Personen, die für die zuständige Behörde sowie für Stellen, denen zuständige Behörden gegebenenfalls bestimmte Aufgaben übertragen haben, tätig sind oder waren, an das Berufsgeheimnis gebunden. Die unter das Berufsgeheimnis fallenden Informationen dürfen nicht an andere Personen oder Behörden weitergegeben werde, es sei denn auf Grund gesetzlicher Bestimmungen. Art. 22 Abs. 2 Prospektrichtlinie behandelt die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden in den einzelnen Mitgliedstaaten und Art. 22 Abs. 3 Prospektrichtlinie betont, dass diese Vorgaben einem Austausch vertraulicher Informationen zwischen den zuständigen Behörden nicht entgegensteht. Das Berufsgeheimnis gilt auch für die Empfänger.

2

Ziel derartiger Verschwiegenheitsverpflichtungen ist, der Aufsicht Zugang zu Informationen zu ermöglichen, an denen Betroffene Geheimhaltungs-

1 Begr. RegE zu § 22 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 39. 2 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64.

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Verschwiegenheitspflicht

§ 22 WpPG

interessen haben1. Beim Prospektbilligungsverfahren kann sich das an vielen Stellen zeigen, beginnend bei der Tatsache, dass überhaupt ein Prospektbilligungsverfahren begonnen wurde, welche konkreten Angaben in den Prospekt müssen, dass Informationen im Rahmen des Verfahren bearbeitet werden, die noch nicht öffentlich bekannt sind und gegebenenfalls in dem schließlich gebilligten Prospekt auch nicht auftauchen. Ähnliches gilt für die Informationen, die die BaFin auf Grund von Auskunfts- und Vorlageersuchen erhält2. Bei derart weitgehenden Befugnissen der BaFin ist das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Integrität der Aufsicht wichtig, um die Kooperationsbereitschaft zu erhalten3. Durch die Verschwiegenheitsverpflichtung soll aber nicht die Arbeit von Strafverfolgungsbehörden behindert und die wirksame Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Kapitalmarktaufsichtsbehörden im In- und Ausland eingeschränkt werden. In Deutschland erfolgte die Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Prospektrichtlinie durch § 22 WpPG. Die Vorschrift orientiert sich an § 8 WpHG und füllt mit vergleichbaren Verschwiegenheitsverpflichtungen in anderen Aufsichtsgesetzen (§ 9 KWG, § 9 WpÜG, § 8k VerkProspG) den von § 11 FinDAG4 gesetzten Rahmen. Nach § 11 FinDAG bestimmt sich die Verschwiegenheitspflicht der Beschäftigten der BaFin in Bezug auf Tatsachen, die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt geworden sind, nach den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen, auf Grund deren der einzelne Beschäftigte tätig geworden ist. Die Verschwiegenheitsverpflichtungen in den Aufsichtsgesetzen sind Spezialvorschriften zu § 30 VwVfG5.

3

Änderungen auf europäischer Ebene wird voraussichtlich auch hier die ge- 4 plante „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 1998/26/EG, 2002/87/EG, 2003/6/EG, 2003/41/EG, 2003/71/EG, 2004/39/EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Bankaufsichtsbehörde, der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung und der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde“6 bringen. Eine Ergänzung soll in Art. 22 Abs. 3 Prospektrichtlinie dahingehend erfolgen, dass die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde in den Informationsaustausch mit eingebunden werden kann und diese nach einem neuen Art. 22 Abs. 4 Prospektrichtlinie für die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach

1 Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 4. 2 Linke in Schäfer/Hamann, § 22 WpPG Rz. 1. 3 Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 22 WpPG Rz. 2; Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 4. 4 Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG) v. 22.4.2002 (BGBl. I 2002, 1310), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 25.6.2009 (BGBl. I 2009, 1506). 5 Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 22 WpPG Rz. 2. 6 Interinstitutionelles Dossier: 2009/0161 (COD), ursprünglicher Vorschlag der Europäischen Kommission v. 26.10.2009.

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Verschwiegenheitspflicht

Art. 22 Abs. 2 Prospektrichtlinie technische Standards für die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch entwickeln kann.

II. Verschwiegenheitspflicht 1. Übersicht 5

Die Verschwiegenheitspflicht in § 22 WpPG besagt, dass bestimmte Adressaten (Rz. 6 ff.) die Tatsachen (Rz. 11), die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt geworden sind (Rz. 12) und einem Geheimhaltungsinteresse unterliegen (Rz. 13 ff.) nicht unbefugt (Rz. 19 ff.) offenbaren und verwerten (Rz. 16 ff.) dürfen. Für Finanzbehörden enthält § 22 Abs. 2 WpPG eine zusätzliche Regelung (Rz. 29 ff.). 2. Adressaten

6

Adressaten der Verschwiegenheitspflicht und des Verwertungsverbotes sind alle Beschäftigten der BaFin, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. Beschäftigte der BaFin sind in erster Linie die Beamten und Angestellten, die zur BaFin in einem Dienst- oder Anstellungsverhältnis stehen. Als Mitarbeiter gelten aber auch Praktikanten und Rechtsreferendare1. Der Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegen zudem die externen Personen und Einrichtungen, denen sich die BaFin nach § 4 Abs. 3 FinDAG zur Durchführung ihrer Aufgaben bedient.

7

Die für die Beschäftigten der BaFin geltende Verschwiegenheitspflicht gilt nach § 11 Satz 2 FinDAG auch für die Mitglieder des Verwaltungsrates der BaFin und der Beiräte hinsichtlich der ihnen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben bekannt gewordenen Tatsachen.

8

Darüber hinaus unterliegen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WpPG auch die Personen der Verschwiegenheitsverpflichtung, die im Rahmen dienstlicher Berichterstattung Kenntnis von geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen erhalten. Zu den Behörden, an die die BaFin berichten muss, gehört insbesondere das Bundesministerium der Finanzen, das die Rechts- und Fachaufsicht über die BaFin ausübt (§ 2 FinDAG).

9

Werden nach § 22 Abs. 1 Satz 3 WpPG Informationen weitergeleitet, so gilt die Verschwiegenheitspflicht nach § 22 Abs. 1 Satz 4 WpPG auch für die Mitarbeiter der die Informationen empfangenden Stelle (zB Strafverfolgungsbehörde).

10

Von der Verschwiegenheitsverpflichtung miterfasst ist auch die BaFin selbst. Die BaFin handelt durch ihre zur Vertretung befugten natürlichen Personen, die der Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegen. Die Verschwiegen-

1 Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 8.

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heitsverpflichtung kann dann aber wiederum nur ihre Wirkung entfalten, wenn diese sich auch auf die BaFin selbst bezieht1. 3. Tatsachen Tatsachen sind nach allgemeinem Rechtsverständnis gegenwärtige oder ver- 11 gangene Verhältnisse, Zustände oder Geschehnisse, die grundsätzlich dem Beweis zugänglich sind2. Innersubjektive Zustände, Vorgänge, Kenntnisse und Absichten können Tatsachen sein3. Werturteile wären nach allgemeinem Verständnis dann keine Tatsachen, wenn sie nur eine innersubjektive Bewertung enthalten. Bei der im Einzelfall schwierigen Abgrenzung ist darauf abzustellen, ob das Werturteil iS einer reinen Meinungsäußerung einer empirischen Überprüfung von vornherein entzogen ist. Nicht gänzlich einer Beweisführung entzogen ist danach eine Meinungsäußerung, wenn diese einen Tatsachenkern enthält4. Für eine weite Auslegung des Tatsachenbegriffs spricht der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Prospektrichtlinie, der von „unter das Berufsgeheimnis fallenden Informationen“ und eben nicht Tatsachen spricht5. 4. Bei der Tätigkeit bekannt geworden Die Verschwiegenheitsverpflichtung knüpft an Tatsachen an, die bei der Tä- 12 tigkeit bekannt geworden sind. Damit ist nicht allein die Kenntniserlangung erfasst, die auf Grund der konkreten Befassung eines Mitarbeiters mit einem Vorgang erfolgt. Der Zweck der Vorschrift erfordert vielmehr, den Kreis des dienstlich Bekanntgewordenen möglichst weit zu ziehen, da ansonsten die Vorschrift ausgehöhlt würde6. Erfasst ist also beispielsweise auch die Weitergabe von Informationen unter Kollegen, selbst wenn sie nicht mit dem konkreten Vorgang befasst sind. Die Weitergabe erfolgt, weil die Kollegen von der Verschwiegenheitsverpflichtung aller Mitarbeiter ausgehen7. Dies ist unabhängig davon zu beurteilen, ob die Weitergabe von Informationen unter Mitarbeitern in Diensträumen oder außerhalb stattfindet8. Besteht ein derartiger oder vergleichbarer Bezug zum Dienstverhältnis nicht, ist die Tatsache außerdienstlich, dh. nicht bei der Tätigkeit bekannt geworden. 1 Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 22 WpPG Rz. 8; Dreyling/Döhmel in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 5; Reischauer/Kleinhans, Kreditwesengesetz, § 9 KWG Rz. 6; siehe auch VG Frankfurt a.M. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06 (V), NVwZ 2008, 1384 (1386). 2 Fischer, Strafgesetzbuch, § 263 StGB Rz. 6. 3 Fischer, Strafgesetzbuch, § 263 StGB Rz. 7. 4 Fischer, Strafgesetzbuch, § 263 StGB Rz. 7. 5 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 22 WpPG Rz. 9; vgl. zu § 8 WpHG auch Schlette/Bouchon in Fuchs, § 8 WpHG Rz. 7. 6 Reischauer/Kleinhans, Kreditwesengesetz,§ 9 KWG Rz. 16. 7 Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 11. 8 Reischauer/Kleinhans, Kreditwesengesetz, § 9 KWG Rz. 16.

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Verschwiegenheitspflicht

5. Geheimhaltungsinteresse a) Schutzrichtung 13

Die Verschwiegenheitsverpflichtung erfasst bei der dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordene Tatsachen, „deren Geheimhaltung im Interesse eines nach diesem Gesetz Verpflichteten oder eines Dritten liegt.“ Maßgeblich ist also beispielsweise das Interesse an Geheimhaltung der Emittenten, Anbieter und Zulassungsantragsteller, die im Kontakt zur BaFin stehen oder standen im Zusammenhang mit Billigungsverfahren, Vorbesprechungen dazu oder mit Maßnahmen nach § 21 WpPG. Dritte, die neben den nach dem WpPG Verpflichteten vom Geheimhaltungsinteresse umfasst sind, sind beispielsweise die Kunden der Emittenten, Anbieter und Zulassungsantragsteller, aber auch deren Geschäftsleiter, Organmitglieder und Mitarbeiter1. Dieser Schutzzielrichtung folgend, kann an allgemein öffentlich bekannten Tatsachen kein Geheimhaltungsinteresse (mehr) bestehen2. Daneben besteht kein Geheimhaltungsinteresse, wenn der Berechtigte deutlich erkennbar keinen Willen zur Geheimhaltung hat3. Das Gesetz nennt zwei Beispiele, bei denen das Geheimhaltungsinteresse regelmäßig sehr groß ist, nämlich Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse und personenbezogene Daten. b) Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse

14

Als Geschäfts- und Betriebsgeheimnis werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat4, weil eine Aufdeckung der Tatsachen geeignet wäre, dem Geheimnisträger wirtschaftlichen Schaden zuzufügen5. Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen, wie zB Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Forschungs- und Entwicklungsprojekte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betriebs maßgeblich bestimmt werden können. Betriebsgeheimnisse umfassen dagegen das technische Wissen6.

1 Vgl. Beck in Schwark, § 8 WpHG Rz. 7. 2 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 22 WpPG Rz. 13; Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 8. 3 Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 20. 4 BVerfG v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087/03, NVwZ 2006, 1041 (1042); nach VG Frankfurt a.M. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, ZIP 2008, 2138 (2142) und Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, § 6 IFG Rz. 77 besteht ein berechtigtes Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung zumindest dann nicht, wenn sich die Information auf strafbare Handlungen oder sonstige Rechtsverstöße bezieht. 5 BGH v. 10.5.1995 – 1 StR 764/94, NJW 1995, 2301. 6 BVerfG v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087/03, NVwZ 2006, 1041 (1042).

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Verschwiegenheitspflicht

§ 22 WpPG

c) Personenbezogene Daten Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (§ 3 Abs. 1 BDSG).

15

6. Offenbaren und Verwerten Geheimhaltungsbedürftige Tatsachen dürfen nicht offenbart oder verwertet werden.

16

Unter Offenbaren ist jede Form der Weitergabe geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen zu verstehen. Diese Weitergabe kann auf vielfältige Weise erfolgen, wie zB mündlich, schriftlich, auf elektronischem Wege, durch offenes Liegenlassen von Akten in der Absicht, dass ein Unbefugter Einsicht nehme1.

17

Verwerten ist das Verwenden der geheimbehaltungsbedürftigen Tatsachen 18 zu eigenem oder fremden Vorteil2. Eine Verwertung iS von § 22 WpPG liegt aber dann nicht mehr vor, wenn die Informationen in hinreichend anonymisierter Form verwendet werden, zB für wissenschaftliche Zwecke3. 7. Unbefugt Verboten ist das unbefugte Offenbaren oder Verwerten von geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen. Unbefugt ist das Offenbaren oder Verwerten, wenn es an einem Rechtfertigungsgrund dafür fehlt4. Ein derartiger Rechtfertigungsgrund kann die Zustimmung des Geheimnisträgers sein5 oder eine gesetzliche Befugnis zur Weitergabe der Informationen6.

19

Für die Fälle eines befugten Offenbarens oder Verwertens nennt das Gesetz in § 22 Abs. 1 Satz 3 WpPG einige Ausnahmen. Durch diese Ausnahmen wird der Schutzzweck der Verschwiegenheitsverpflichtung nicht ausgehöhlt, weil diese Stellen ebenfalls einer Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegen und sie die Informationen nur zur Erfüllung der eigenen Auf-

20

1 Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 12; Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 24; Reischauer/Kleinhans, Kreditwesengesetz, § 9 KWG Rz. 17; Beck in Schwark, § 8 WpHG Rz. 9. 2 Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 25; Reischauer/Kleinhans, Kreditwesengesetz, § 9 KWG Rz. 17; Beck in Schwark, § 8 WpHG Rz. 10; Dreyling/ Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 13. 3 Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 13; Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 25; Beck in Schwark, § 8 WpHG Rz. 10. 4 Beck in Schwark, § 8 WpHG Rz. 9; Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 27. 5 Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 14; Reischauer/ Kleinhans, Kreditwesengesetz, § 9 KWG Rz. 18; Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 27. 6 Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 14.

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Verschwiegenheitspflicht

gaben nutzen dürfen1. Die dort genannten Ausnahmen sind nicht abschließend. 21

Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 WpPG liegt ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte, soweit diese Stellen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Zu den Strafverfolgungsbehörden gehören in erster Linie die Staatsanwaltschaften, soweit sie auf dem Gebiet der Strafverfolgung tätig sind. Die Rechtsgrundlage für ein Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft an die BaFin findet sich insbesondere in § 161 Abs. 1 Satz 1 StPO. Auf Grund von §§ 95 f. StPO und gegebenenfalls auch im Wege der Rechts- und Amtshilfe kann die Staatsanwaltschaft die Vorlage von Unterlagen verlangen. Strafverfolgungsbehörden sind daneben auch die Polizei und die Kriminalämter, soweit sie polizeiliche Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung wahrnehmen. Sie können auf Grund von § 161 Abs. 1 Satz 2 StPO Auskünfte verlangen. Bei Gefahr im Verzug gilt § 163 Abs. 1 Satz 2 StPO. Auch das Bundeskriminalamt nimmt nach § 4 BKAG polizeiliche Aufgaben als Strafverfolgungsbehörde wahr. Befugt ist die Weitergabe nicht nur in Straf-, sondern auch Ordnungswidrigkeitsverfahren (unter Berücksichtigung des Opportunitätsprinzips in § 47 Abs. 1 OWiG). Befugt ist die Weitergaben von Tatsachen auch an Strafgerichte, die entsprechende Auskünfte und Unterlagen nach §§ 202, 244 Abs. 2 StPO verlangen können. Befugt ist die Weitergabe an die Strafverfolgungsbehörden und die für Straf- und Bußgeldsachen zuständigen Gerichte nur, soweit diese Stellen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.

22

Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WpPG liegt ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Überwachung von Börsen oder anderen Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, des Handels mit Finanzinstrumenten oder Devisen, von Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten, Investmentgesellschaften, Finanzunternehmen oder Versicherungsunternehmen betraute Stellen sowie von diesen beauftragte Personen, soweit diese Stellen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Im besonderen Maße gilt das für die Geschäftsführungen der Börsen, die über die Zulassung von Wertpapieren entscheiden. Diese Bedeutung zeigt sich auch an der Befugnis zum Informationsaustausch nach § 21 Abs. 5 WpPG.

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Wie sich aus § 22 Abs. 1 Satz 5 WpPG ergibt, können Informationen auch an ausländische Stellen weitergegeben werden, wenn diese Stelle und die von ihr beauftragten Personen einer vergleichbaren Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegen. Erfasst sind nur ausländische Stellen iS von § 22

1 Begr. RegE zu § 8 Abs. 2 WpHG (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz), BTDrucks. 12/6679 v. 27.1.2994, S. 43.

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Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WpPG, dh. keine Strafverfolgungsbehörden1. Auf Grund der einheitlichen europarechtlichen Grundlage für die Verschwiegenheitsverpflichtung in Art. 22 Abs. 1 und 3 Prospektrichtlinie ist ein Informationsaustausch innerhalb Europas in der Regel unproblematisch. Befugt ist darüber hinaus auch die Berichterstattung an die Mitglieder des Verwaltungsrates und das Bundesministerium der Finanzen, da diese ebenfalls der Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegen (siehe oben Rz. 7 und 8).

24

Auf Parlamentarische Untersuchungsausschüsse finden gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG die strafprozessualen Vorschriften sinngemäße Anwendung. Auch hier kann eine befugte Weitergabe von Tatsachen erfolgen, wenn die Vorgaben des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages2 beachtet werden. Wichtig ist, dass die Informationsweitergabe vom Untersuchungsauftrag gedeckt ist. In problematischen Fällen kann die Weitergabe von Tatsachen unter erhöhter Geheimhaltungsstufe bzw. in nicht-öffentlicher Sitzung erfolgen.

25

Ein befugtes Offenbaren erfolgt auch im Rahmen der Befolgung von Landes- 26 pressegesetzen, die auch für Bundesbehörden gelten3. Nach den Landespressegesetzen4 sind die Behörden verpflichtet, der Presse die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Sie können die Auskünfte nur verweigern, soweit dadurch die sachgemäße Durchführung eines straf- oder dienststrafgerichtlichen Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte, soweit Auskünfte über persönliche Angelegenheiten Einzelner verlangt werden, an deren öffentlicher Bekanntgabe kein berechtigtes Interesse besteht und soweit Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse liegen, durch ihre vorzeitige öffentliche Erörterung vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden. Während die Pressegesetze Ausfluss der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verbürgten Pressefreiheit sind, ist die Verschwiegenheitsverpflichtung auch Ausdruck des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG), der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG)5. Daraus resultierende Konfliktfälle sind im Einzelfall zu lösen6.

1 Beck in Schwark, § 8 WpHG Rz. 13, der auf den ähnlichen Wortlaut unter Verwendung des Begriffs „Stelle“ verweist; für Strafverfolgungsbehörden gelten im Übrigen die Regelungen über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, § 23 Abs. 5 WpPG; Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 18. 2 Untersuchungsausschussgesetz (PUAG) v. 19.6.2001 (BGBl. I 2001, 1142), geändert durch Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes v. 5.5.2004 (BGBl. I 2004, 718). 3 Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 21. 4 Vgl. § 3 Abs. 1 HPressG (Hessisches Gesetz über Freiheit und Recht der Presse) v. 23.6.1949 (GVBl. S. 75) in der Fassung v. 12.12.2003 (GVBl. I 2004, 2). 5 Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 43. 6 Siehe zu der Güterabwägung auch Gurlit, WM 2009, 773 (778).

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Auch eine Weitergabe von Informationen im Rahmen der Amtshilfe nach Art. 35 GG, §§ 4 ff. VwVfG ist denkbar und kann auch befugt erfolgen1. Zwar ist auch die BaFin grundsätzlich zur Amtshilfe verpflichtet, aber sie darf diese nach § 5 Abs. 2 VwVfG nicht leisten, wenn sie dazu aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist, insbesondere wenn eine gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung dem entgegensteht. Eine Weitergabe von Informationen wird also nur ausnahmsweise befugt im Rahmen der Amtshilfe erfolgen können, wenn dies durch höherwertige Interessen gerechtfertigt und geboten ist2.

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Die Weitergabe von Informationen an Gerichte, die nicht mit Straf- oder Bußgeldsachen befasst sind, erfolgt in der Regel nicht befugt. Dies gilt für Zivilgerichte, aber – im Falle des Eingreifens der Verschwiegenheitsverpflichtung in § 22 WpPG – nach § 99 Abs. 1 VwGO auch für Verwaltungsgerichte3. 8. Weitergabe von Informationen an Finanzbehörden (§ 22 Abs. 2 WpPG)

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§ 22 Abs. 2 WpPG beinhaltet ein besonderes Verwertungsverbot für die im Rahmen der Aufsichtstätigkeit erlangten Informationen im Verhältnis zu den Finanzbehörden. Die Vorschrift nimmt die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 und 2 WpPG zur Verschwiegenheit Verpflichteten von bestimmten, genau aufgezählten Pflichten der Abgabenordnung aus. Es handelt sich dabei um Pflichten zur Auskunftserteilung, Vorlage von Unterlagen, Amtshilfe oder Anzeige. Damit tritt das öffentliche Interesse an einer gleichmäßigen Besteuerung gegenüber den Zielen einer wirkungsvollen Finanzaufsicht zurück. Eine wirkungsvolle Aufsicht hängt im hohen Maße von der Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten ab, die ohne dieses Verwertungsverbot nur sehr eingeschränkt erfolgen würde4. Wer Finanzbehörde ist, ergibt sich aus § 6 Abs. 2 AO.

30

Die in § 22 Abs. 2 Satz 1 WpPG genannten Auskunfts-, Vorlage-, Amtshilfeund Anzeigepflichten kommen allerdings dann zur Anwendung, wenn die Informationen für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahren benötigt werden, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Wird ausschließlich wegen einer Steuerstraftat ermittelt, können die Finanzbehörden nach § 386 Abs. 2 AO das Ermittlungsverfahren selbständig durchführen. Ihr stehen dann dieselben Befugnisse zu wie der 1 Beck in Schwark, § 8 WpHG Rz. 16; Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 37; Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 35. 2 Reischauer/Kleinhans, Kreditwesengesetz, § 9 KWG Rz. 21; Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 37. 3 Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 36 ff. 4 Begr. RegE zu § 8 Abs. 2 WpHG (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz), BTDrucks. 12/6679 v. 27.1.2994, S. 43; Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 22 WpPG Rz. 7; Linke in Schäfer/Hamann, § 22 WpPG Rz. 7; Höninger in Holzborn, § 22 WpPG Rz. 7.

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Staatsanwaltschaft (§ 399 Abs. 1 AO). Bei Wahrnehmung dieser Befugnisse werden die Finanzbehörden nicht Strafverfolgungsbehörden iS von § 22 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 WpPG, da eine solche Auslegung den zweiten Absatz dieser Norm praktisch überflüssig machen würde1. Für das zwingende öffentliche Interesse kann auf § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO verwiesen werden2, dh. letztlich wären schwere Nachteile für das allgemeine Wohl zu erwarten, wenn die Informationen nicht weitergegeben würden. Die Weitergabe von Informationen kann auch bei Vorliegen beider Voraussetzungen, dh. bei Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat und dem Bestehen eines zwingenden öffentlichen Interesses an dessen Verfolgung, nur dann erfolgen, wenn die von § 22 WpPG erfassten Personen die betreffende Information nicht von einer Überwachungs- oder Aufsichtsbehörde eines anderen Staates erhalten haben. Anderenfalls wäre der Informationsaustausch auf internationaler Ebene gefährdet3.

III. Informationsansprüche 1. Akteneinsichtsrecht des Verfahrensbeteiligten nach § 29 VwVfG Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG hat die Behörde den Verfahrensbeteiligten 31 (§ 13 VwVfG) Einsicht in die das Verfahren betreffende Akten zu gewähren, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer Interessen erforderlich ist. Das Akteneinsichtsrecht wird durch §§ 29 Abs. 2, 30 VwVfG eingeschränkt, wenn die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt würde, das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des Bundes oder Landes Nachteile bereiten würde oder die in den Akten enthaltenen Informationen einer Geheimhaltungspflicht unterliegen. Eine Akteneinsicht dürfte zumindest dann nicht gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung nach § 22 WpPG verstoßen, wenn die betreffenden Akten nur Informationen des Antragstellers beinhalten4.

32

2. Informationsansprüche des Geschädigten nach §§ 406e, 475 StPO iVm. §§ 46 Abs. 3 Satz 4, 49b OWiG Das Strafverfahren sieht umfangreiche Akteneinsichtsrechte vor (siehe dazu §§ 80 Abs. 2, 147, 385, 397, 406e StPO, § 69 Abs. 3 JGG). Ähnliche Rechte sieht das Bußgeldverfahren vor. Hier von besonderem Interesse sind die Informationsansprüche des Verletzten nach §§ 406e, 475 StPO, die bei Bußgeld1 Vgl. auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 22 WpPG Rz. 37 ff. 2 Beck in Schwark, § 8 WpHG Rz. 18; Höninger in Holzborn, § 22 WpPG Rz. 7. 3 Begr. RegE zu § 8 Abs. 2 WpHG (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz), BTDrucks. 12/6679 v. 27.1.2994, S. 43; Höninger in Holzborn, § 22 WpPG Rz. 7 verweist in diesem Zusammenhang auf die im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen bestehenden Bestimmungen zum Informationsaustausch. 4 Möllers/Wenninger, ZHR 170 (2006), 455 (459); Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 47.

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verfahren über §§ 46 Abs. 3 Satz 4, 49b OWiG zur Anwendung gelangen können. Auf diese Weise könnte die Verschwiegenheitsverpflichtung nach § 22 WpPG in Teilen ausgehöhlt werden. Die Weitergabe von Informationen an Strafverfolgungsbehörden kann zwar nach § 22 Abs. 1 Satz 3 WpPG befugt erfolgen. Die dort Beschäftigten unterliegen zudem nach § 22 Abs. 1 Satz 4 WpPG ebenfalls der Verschwiegenheitsverpflichtung nach § 22 WpPG. Aus der dann einzunehmenden Perspektive der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts sind die strafprozessualen Normen allerdings die spezielleren1. 34

Das Akteneinsichtsrecht nach § 406e StPO steht dem Verletzten zu, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht hat und der Einsichtnahme keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen oder das Verfahren dadurch gefährdet wird. Ein berechtigtes Interesse kann dann angenommen werden, wenn die Akteneinsicht der Klärung der Frage dient, ob eine Einstellungsbeschwerde nach § 172 Abs. 1 StPO eingelegt oder ein Klageerzwingungsantrag nach § 172 Abs. 2 StPO gestellt werden soll oder ob und in welchem Umfang der Verletzte gegen den Beschuldigten zivilrechtliche Ansprüche geltend machen kann2. Die Akteneinsicht ist zu versagen, wenn die Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen an der Geheimhaltung ihrer in den Akten enthaltenen persönlichen Daten größer ist als das berechtigte Interesse des Verletzten, den Akteninhalt kennen zu lernen3. Gegebenenfalls kann teilweise Akteneinsicht gewährt werden4.

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§ 475 StPO bietet einem deutlich größeren als in § 406e StPO genannten Personenkreis die Möglichkeit der Akteneinsichtnahme, nämlich Privatpersonen – unabhängig von der Verletzteneigenschaft – und sonstigen Stellen. Der Antragsteller muss ein berechtigtes Interesse an der Informationserteilung darlegen, dh. Tatsachen vortragen, aus denen sich Grund und Umfang der benötigten Auskünfte ergeben. Das Interesse muss nicht auf die Wahrnehmung formal eingeräumter Rechte gerichtet sein5. Die Auskunft ist zu versagen, wenn der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse hat, das den Interessen des Antragstellers überwiegt. Relevant wird dies beispielsweise bei Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen6. 3. Informationsanspruch nach § 1 IFG

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Das Informationsfreiheitsgesetz7 soll jedem einen Anspruch auf Informationen geben, ohne hierfür ein rechtliches oder berechtigtes Interesse geltend 1 Möllers/Wenninger, ZHR 170 (2006), 455 (459); Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 50. 2 Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, § 406e StPO Rz. 3. 3 Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, § 406e StPO Rz. 6. 4 Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, § 406e StPO Rz. 7. 5 Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, § 475 StPO Rz. 2. 6 Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, § 475 StPO Rz. 3. 7 Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) v. 5.9.2005, BGBl. I 2005, 2722.

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machen zu müssen1, es soll ein voraussetzungsloser Informationszugangsanspruch2 gewährt werden: „Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen“ (§ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG). Die Informationen können auch dann begehrt werden, wenn diese für spätere zivilrechtliche Auseinandersetzungen gegenüber der auskunftsverpflichteten Behörde verwendet werden sollen3. Dieser grundsätzlich weitgehende Anspruch ist gerade im Hinblick auf die Tätigkeit einer Finanzdienstleistungsaufsichtsbehörde und die dort vorhandenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (einschließlich zahlreicher Daten von Bankkunden) nicht unproblematisch4. Auf politischer Ebene bestanden Überlegungen, die Ansprüche auf Zugang zu Informationen gegenüber Behörden wie der BaFin und der Deutschen Bundesbank einzuschränken, soweit diese auf Grund von besonderen Gesetzen Aufgaben der Finanz-, Wertpapier- und Versicherungsaufsicht wahrnehmen5. Für die Anwendbarkeit des IFG ist § 1 Abs. 3 IFG zu beachten, wonach das IFG abgesehen vom Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG und § 25 SGB X spezialgesetzliche Informationszugangsregelungen nicht verdrängt; diese gehen vielmehr vor6, was beispielsweise auf strafprozessuale oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Informationsansprüche zutrifft.

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An besondere Voraussetzungen ist der Anspruch nicht geknüpft. § 1 Abs. 1 38 Satz 1 IFG gilt für In- und Ausländer, natürliche oder juristische Personen7. Der Begriff der amtlichen Informationen, auf den sich der Anspruch bezieht, ist weit zu verstehen und wird in § 2 Nr. 1 IFG definiert. Umfasst sind danach alle amtlichen Zwecken dienenden Aufzeichnungen, unabhängig von der Art der Speicherung (zB Schriften, Tabellen, Diagramme, Bilder, Pläne, Karten, Tonaufzeichnungen, Magnetbänder, Magnetplatten, Disketten, CDROMs, DVDs)8. Entwürfe und Notizen, etwa handschriftliche Aufzeichnungen oder Gliederungen, sind auch nach Abschluss des Verfahrens ausgenommen, wenn sie nicht Bestandteil des Vorgangs werden sollen9. Das IFG enthält auch einige Ausnahmetatbestände. §§ 3 und 4 IFG enthalten Ausnahmetatbestände, die im öffentlichen Interesse liegen, §§ 5 und 6 IFG Ausnahmetatbestände, die im privaten Interesse liegen. Nach den übli1 Begr. RegE Allgemeiner Teil, Zielsetzung, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 6. 2 Begr. RegE zu § 1 Abs. 1 IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 7. 3 VG Frankfurt a.M. v. 28.1.2009 – 7 K 4037/07.F(3), S. 12; HessVGH v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08, II.1. 4 Zu den verfassungsrechtlichen Fragestellungen Scholz, BKR 2008, 485. 5 Nach einem Vorschlag des Bundesrates sollte in diesen Fällen ein Anspruch auf Informationszugang ausgeschlossen sein (durch eine entsprechende Ergänzung von § 3 IFG), Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften der Zahlungsdiensterichtlinie (Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz), BR-Drucks. 827/08 v. 19.12.2008, S. 3 f. 6 Begr. RegE zu § 1 Abs. 3 IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 8. 7 Begr. RegE zu § 1 Abs. 1 IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 7. 8 Begr. RegE zu § 2 Nr. 1 IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 8. 9 Begr. RegE zu § 2 Nr. 1 IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 9.

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chen Auslegungsregeln sind die Ausnahmetatbestände eng zu verstehen1. Auf einige gerade im Hinblick auf die Tätigkeit der BaFin relevante Ausnahmetatbestände wird im Folgenden eingegangen. 40

§ 3 Nr. 1 IFG enthält verschiedene Fallgruppen, bei denen ein Informationsanspruch nicht besteht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf öffentliche Belange haben kann. Der Informationsanspruch kann nicht schon abgelehnt werden, wenn er die Belange der Behörde berührt, sondern er muss eine nachteilige Auswirkung auf das jeweilige Schutzgut haben2. Es genügt aber, dass der Informationsanspruch nachteilige Auswirkungen „haben kann“, dh. die Behörde muss zwar im Einzelfall darlegen, dass durch die Auskunft die konkrete Möglichkeit der Beeinträchtigung öffentlicher Belange besteht, eine sich konkret realisierende Gefahr muss dagegen nicht bestehen3.

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Nach § 3 Nr. 1 lit. a IFG besteht ein Anspruch auf Information nicht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf die internationalen Beziehungen. Geschützt werden soll das diplomatische Vertrauensverhältnis zu ausländischen Staaten, zwischen- sowie überstaatlichen Organisationen4. Soweit die BaFin mit ausländischen Behörden zusammenarbeitet und ein Bekanntwerden der Informationen nachteilig für die internationalen Beziehungen wäre, könnte der Informationsanspruch insofern ausgeschlossen sein5.

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Nach § 3 Nr. 1 lit. d IFG besteht ein Anspruch auf Information nicht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden. Zu diesen Behörden gehört auch die BaFin6. Sie könnte als Finanzbehörde angesehen werden, die zwar nicht den Auftrag hat, sensible Daten Steuerpflichtiger zu verwalten und zu verwahren7, aber auch eine dem Bundesministerium der Finanzen nachgeordnete Behörde ist8. Ebenso vertretbar erscheint es, die BaFin als Regulierungsbehörde anzusehen. Die Gesetzesbegründung legt zwar nahe, dass damit in erster Linie die Bundes1 2 3 4 5

Begr. RegE zu den §§ 3 bis 6 IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 9. Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, § 3 IFG Rz. 9. Jastrow/Schlatmann, Informationsfreiheitsgesetz, § 3 IFG Rz. 17. Begr. RegE zu § 3 Nr. 1 lit. a IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 9. VG Frankfurt a.M. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, ZIP 2008, 2138 (2144) ließ dies in einem konkreten Fall offen, hielt aber § 3 Nr. 4 IFG iVm. § 9 Abs. 1 Satz 8 KWG für einschlägig. 6 VG Frankfurt a.M. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, ZIP 2008, 2138 (2139) bestätigt diese Ansicht, lässt aber offen, welche Art Behörde die BaFin genau ist; aA Möllers/ Wenninger, ZHR 170 (2006), 455 (467); Gurlit, WM 2009, 773 (776). 7 So die Erläuterung des Begriffs Finanzbehörde in Begr. RegE zu § 3 Nr. 1 lit. d IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 9. 8 HessVGH v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08, II.3.; Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, § 3 IFG Rz. 20; im Ergebnis ebenso VG Berlin v. 3.12.2008 – 2 A 132.07; ähnlich Berger/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz, § 3 IFG Rz. 52; aA Möllers in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 67.

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netzagentur gemeint ist1, aber die BaFin reguliert den Kapitalmarkt, auch im Hinblick auf den Zugang zu diesem Markt. Bestandteil dieser Regulierung ist auch die Prospektprüfung, da der Zugang von Wertpapieren zum Kapitalmarkt grundsätzlich von einem gebilligten Prospekt abhängt. Mit der Einordnung der BaFin als Behörde iS von § 3 Nr. 1 lit. d IFG sind aber nicht automatisch alle Informationsansprüche ausgeschlossen2. Vielmehr muss im konkreten Fall dargelegt werden, dass die Weitergabe der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben haben kann. Fraglich ist, ob diese nachteiligen Auswirkungen schon dann vorliegen, wenn sich das Bekanntwerden der begehrten Information negativ oder ungünstig auswirken kann und an die Wahrscheinlichkeit eines Nachteils nur geringe Anforderungen zu stellen sind, je folgenschwerer die möglicherweise eintretende Beeinträchtigung ist. Als nachteilige Auswirkungen käme dann die Gefährdung der Kooperationsbereitschaft der Beaufsichtigten, aber auch Dritter mit der BaFin durch eine Weitergabe sensibler, drittbezogener Informationen in Betracht3. Zu beachten ist auch § 3 Nr. 1 lit. g IFG, der einen Informationsanspruch ausschließt, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen4. Während auf die Akten im Rahmen des jeweiligen Ermittlungs-, Gerichts oder ordnungsbehördlichen Verfahrens statt des IFG die spezialgesetzlichen Vorschriften Anwendung finden (siehe oben Rz. 37), gilt diese IFG-Vorschrift für die der Ausgangsbehörde vorliegenden Akten5.

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Nach § 3 Nr. 4 IFG besteht ein Informationsanspruch dann nicht, wenn die Information ua. einem besonderen Amtsgeheimnis unterliegt. Da ein be-

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1 Begr. RegE zu § 3 Nr. 1 lit. d IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 9. 2 Anders als nach § 3 Nr. 8 IFG, der eine organisatorische Bereichsausnahme für Nachrichtendienste des Bundes vorsieht, VG Frankfurt a.M. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06 (V), NVwZ 2008, 1384 (1385) und VG Frankfurt a.M. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, ZIP 2008, 2138 (2139); Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, § 3 IFG Rz. 62; Jastrow/Schlatmann, Informationsfreiheitsgesetz, § 3 IFG Rz. 113; Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (992). 3 So VG Berlin v. 3.12.2008 – 2 A 132.07 und Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 29; HessVGH v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08, II.3., verlangt eine konkrete Möglichkeit einer erheblichen und spürbaren Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung durch die Behörde, was in einer nachvollziehbar begründeten, durch konkrete Fakten untermauerten Prognose darzulegen ist; aA noch VG Frankfurt a.M. (ua. im Urteil v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06 [V], NVwZ 2008, 1384 [1386] und v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, ZIP 2008, 2138 [2139 f.]), da das IFG keine umfassende oder partielle Bereichsausnahme für die BaFin vorsehe, sondern der Gesetzgeber vielmehr die in §§ 4–6 IFG vorgesehenen weiteren Vorkehrungen zum Schutz öffentlicher und privater Interessen als ausreichend erachte, Rossi, DVBl 2010, 554 (560). 4 Siehe zB VG Frankfurt a.M. v. 11.11.2008 – 7 E 1675/07(2), S. 14 f. 5 Begr. RegE zu § 3 Nr. 1 lit. g IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 10.

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Verschwiegenheitspflicht

sonderes Amtsgeheimnis vorausgesetzt wird, genügt die allgemeine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (beispielsweise nach § 61 BBG) nicht, um einen Informationsanspruch abzulehnen1. Einschlägig können allerdings besondere, spezialgesetzliche Geheimhaltungsregelungen sein, wie die nach dem KWG2 oder die Parallelvorschrift in § 22 WpPG. Ein Informationsanspruch ist folglich zumindest soweit ausgeschlossen, wie der Inhalt der Akten der Verschwiegenheitsverpflichtung nach § 22 WpPG oder § 23 Abs. 4 Satz 2 und 3 WpPG3 unterliegt, also insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (siehe dazu auch § 6 IFG und unten Rz. 46)4 und personenbezogene Daten Dritter (siehe dazu auch § 5 IFG und unten Rz. 46). Eine substantiierte Darlegung schützenswerter Belange Dritter ist zumindest dann nicht erforderlich, wenn aus der Natur der Information selbst, so wie sie regelmäßig nach außen tritt und im Geschäftsleben typisch ist, hervorgeht, dass in aller Regel Ausschlussgründe gemäß § 5 und § 6 IFG erfasst sind und auch eine Unkenntlichmachung (Schwärzung) von Informationen oder die Herausnahme einzelner Blätter nicht dazu führt, dass die Belange Dritter ausreichend geschützt sind. Dies ist dann gegeben, wenn der Informationszugang zu Sachgesamtheiten gewährt wird, die zum Schutze Dritter ganz überwiegend unkenntlich gemacht werden müssen5.

1 Vgl. die Begr. RegE zu § 5 Abs. 2 IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 13; Jastrow/Schlatmann, Informationsfreiheitsgesetz, § 3 IFG Rz. 86. 2 Begr. RegE zu § 4 IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 11. Die Begründung unterscheidet zwischen besonders wichtigen Geheimnistatbeständen und gesetzlichen Geheimhaltungsregeln, zu denen auch die des KWG gehört. Bei beiden Geheimniskategorien soll der Zugang insoweit ausgeschlossen sein, was auch der sich der Kategorisierung anschließende Satz belegt („Der Zugang soll auch ausgeschlossen sein, …“). HessVGH v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08, II.6., stellt klar, dass die Verschwiegenheitsverpflichtungen nach zB § 8 WpHG oder § 9 KWG nach § 3 Nr. 4 IFG als Ausnahmegründe für den Zulassungsanspruch in das Gesetz integriert worden seien. VG Frankfurt a.M. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06 (V), NVwZ 2008, 1384 (1387), VG Frankfurt a.M. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, ZIP 2008, 2138 (2141) und VG Frankfurt a.M. v. 19.3.2008 – 7 E 4067/06(1), S. 14 f., sehen die Verschwiegenheitsverpflichtung in § 9 KWG oder in § 8 WpHG als bereichsbezogenen konkretisierten Ausdruck der allgemeinen Verschwiegenheitsverpflichtung. Diese allgemeinen Verschwiegenheitsverpflichtungen gelten aber absolut und seien einer Relativierung nicht zugänglich. 3 Vergleiche zu einer ähnlichen Vorschrift im KWG VG Frankfurt a.M. v. 5.12.2008 – 7 E 1780/07(1). 4 Nach VG Frankfurt a.M. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, ZIP 2008, 2138 (2142) und Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, § 6 IFG Rz. 77 liegen schützenswerte und damit in diesem Zusammenhang zu berücksichtigende Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dann nicht vor, wenn das dafür vorausgesetzte berechtigte Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung von Informationen (siehe oben Rz. 13) deshalb nicht besteht, weil sich die Information auf strafbare Handlungen oder sonstige Rechtsverstöße bezieht; dem folgte der HessVGH nicht, HessVGH v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08, II.6. 5 VG Frankfurt a.M. v. 28.1.2009 – 7 K 4037/07.F(3), S. 18 f. (dort genannte Beispiele: Verträge, Testate von Wirtschaftsprüfern enthalten Bewertungen, die die Ertragslage, die Umsätze und die Kreditwürdigkeit eines Kreditinstituts betreffen).

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Verschwiegenheitspflicht

§ 22 WpPG

Weitere relevante Ausnahmetatbestände nach §§ 3 f. IFG sind § 3 Nr. 7 IFG, der den Informanten („whistle blower“) schützen soll, soweit das Interesse des Dritten an der vertraulichen Behandlung noch fortbesteht1, oder auch § 3 Nr. 3 lit. b und § 4 IFG, wenn und solange Beratungen in der Behörde andauern oder der Entscheidungsprozess noch nicht beendet ist.

45

Bedeutende Ausschlussgründe können sich noch aus §§ 5 und 6 IFG erge- 46 ben. § 5 IFG bezweckt den Schutz personenbezogener Daten. Zugang zu diesen Daten darf nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszwangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat (zur Beteiligung Dritter siehe § 8 IFG und unten Rz. 48). Das Informationsinteresse des Antragstellers überwiegt nach § 5 Abs. 2 IFG nicht bei Informationen aus Unterlagen, die einem Amtsgeheimnis unterliegen. Auch hier ist mit dem Amtsgeheimnis nicht die allgemeine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gemeint2, allerdings findet § 22 WpPG als spezielle Verschwiegenheitsverpflichtung Anwendung (siehe oben Rz. 44). Nach § 6 Satz 2 IFG besteht ein Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur, soweit der Betroffene eingewilligt hat (hier ist wiederum § 8 IFG zu berücksichtigen)3. Zu dem Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses kann auf Rz. 14 verwiesen werden. Nach § 9 Abs. 3 IFG kann der Antrag auf Informationszugang dann abge- 47 lehnt werden, wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann. Davon erfasst ist beispielsweise der Schriftverkehr mit dem Antragsteller selbst4. Allgemein zugängliche Quellen können behördliche Publikationen oder auch das Internet sein, selbst wenn diese Informationen kostenpflichtig sind5. Gerade Prospekte sind häufig im Internet zu finden. Zu beachten ist auch, dass Mitteilungen an die BaFin nach § 8b Abs. 2 Nr. 10 HGB im Unternehmensregister zugänglich gemacht werden müssen. Mit der Zumutbarkeitsklausel werden die individuellen Umstände des Antragstellers berücksichtigt6. Zu beachten sind die formellen Voraussetzungen von §§ 7 und 8 IFG. Zu 48 dem Antrag auf Informationszugang kann allgemein angemerkt werden, dass sich daraus die Art, der Umfang und das Ziel der begehrten Information bestimmen lassen müssen. Anträge, auf Grund derer auf Seiten der Behörde erst eine Rechtsanwendung oder die Klärung einer Rechtsfrage durchgeführt 1 Vgl. auch Sellmann/Augsberg, WM 2006, 2293 (2300); Wilsing/Paul, BB 2009, 114 (117). 2 Begr. RegE zu § 5 Abs. 2 IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 13. 3 Die Einwilligung des Dritten kann auch nicht durch eine „Stillschweigeerklärung“ des die Information Beantragenden „ersetzt“ werden, VG Frankfurt a.M. v. 28.1.2009 – 7 K 4037/07.F(3), S. 20. 4 Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 8 WpHG Rz. 34. 5 Begr. RegE zu § 9 Abs. 3 IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 16. 6 Begr. RegE zu § 9 Abs. 3 IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 16.

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§ 22 WpPG

Verschwiegenheitspflicht

werden muss, damit die begehrte Information bestimmt werden kann, richten sich nicht mehr auf bei einer Behörde vorhandene Informationen1. Einem Antrag kann nach § 7 Abs. 2 IFG auch teilweise stattgegeben werden, wenn nicht ein damit verbundener unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand zu einem Ausschluss des Zugangs führt (§ 7 Abs. 2 Satz 1 IFG, siehe auch § 1 Abs. 2 Satz 3 IFG), was beispielsweise bei sehr umfangreichem Aktenmaterial und damit verbundenen Schwärzungen und Kopien angenommen werden kann2. Nach § 8 Abs. 1 IFG sind Dritte, deren Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, zu beteiligen3. Für die Beurteilung, ob die Belange des Dritten berührt sind, ist eine niedrige Schwelle anzusetzen. Sie sind dann berührt, wenn die Informationen sich weitgehend auf ihn beziehen, er mithin individualisierbar ist und keine Ausnahmegründe für ein Absehen von der Einleitung eines Verfahrens bei Beteiligung Dritter gegeben sind (§ 5 Abs. 3 und 4 IFG)4. 49

Rechtsfolge eines positiv beschiedenen Informationsanspruches ist der (teilweise) Informationszugang unter Beachtung der vom Antragsteller gegebenenfalls gewählten Art des Zugangs (§§ 1 Abs. 2, 7 IFG). Nach § 9 Abs. 4 IFG sind gegen ablehnende Entscheidungen Widerspruch und Verpflichtungsklage zulässig. Fraglich ist die Prüfungsdichte der Gerichte. Insbesondere ist fraglich, ob das Gericht sich die Akten vorlegen lassen kann für die Prüfung, ob der Herausgabe der Information Geheimhaltungsinteressen iS von § 22 Abs. 1 WpPG, dh. eines nach dem Gesetz Verpflichteten oder eines Dritten, entgegenstehen. Eine Vorlage könnte nach § 99 Abs. 1 VwGO erfolgen, was aufgrund des Einsichtsrechts der Beteiligten nach § 100 VwGO zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen würde5. Gelöst werden könnte der Konflikt über die Geheimhaltung behördlicher Unterlagen über das in § 99 Abs. 2 VwGO vorgesehene In-Camera-Verfahren. Die Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 3 IFG verweist darauf, dass im Falle der Nichtvorlage einer als Verschlusssache (vgl. § 3 Nr. 4 IFG) eingestuften Information gemäß § 99 Abs. 1 VwGO durch die Behörde, die Rechtmäßigkeit in einem In-Ca1 VG Frankfurt a.M. v. 23.1.2008 – 7 E 1487/07(3), S. 10. 2 Das VG Frankfurt a.M. geht von einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bei einem einschlägigen Aktenbestand von mehreren tausend Seiten aus, VG Frankfurt a.M. v. 7.5.2009 – 7 L 676/09.F(V); VG Frankfurt a.M. v. 19.3.2008 – 7 E 4067/06(1), S. 19 ff.; VG Frankfurt a.M. v. 5.12.2008 – 7 E 1780/07(1); VG Frankfurt a.M. v. 28.1.2009 – 7 K 4037/07.F(3), S. 23; der HessVGH stellt dagegen nicht allein auf den Umfang ab, sondern zieht als Maßstab auch den üblicherweise bei der konkreten Behörde durch Informationsgesuche verursachten Aufwand heran, der in solch deutlichem Maß übertroffen werden muss, so dass die Behörde das Gesuch letztlich nur unter nicht nur vorübergehender Zurückstellung ihrer Aufgaben bewältigen kann, HessVGH v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08, II.5. 3 Das VG Frankfurt a.M. stellt in seinem Urteil v. 28.1.2009 – 7 K 4037/07.F(3), S. 11, klar, dass ein Verfahrensverstoß gegen die das Beteiligungsgebot freilich nur dann relevant sei, wenn Informationszugang gewährt wird. 4 VG Frankfurt a.M. v. 22.4.2008 – 7 L 635/08.F(3), S. 14 f. 5 Berger in Berger/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz, § 9 IFG Rz. 12; Jastrow/Schlatmann, Informationsfreiheitsgesetz, § 9 IFG Rz. 41; Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, § 9 IFG Rz. 32.

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Verschwiegenheitspflicht

§ 22 WpPG

mera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO überprüft werden könne1. Fraglich ist, ob über Verschlusssachen hinaus ein In-Camera-Verfahren möglich ist2. Gegen eine derartige Ausweitung der Anwendung des In-Camera-Verfahrens über Verschlusssachen hinaus auf alle Ausschlussgründe des § 3 Nr. 4 IFG könnte nicht nur die einschränkend formulierte und soeben erwähnte Gesetzesbegründung sprechen3, sondern auch dass die Gründe für eine Verweigerung der Information durch die Behörde im IFG nicht mit den Fällen des In-Camera-Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO (Nachteile für das Wohl des Bundes) aufeinander abgestimmt sind. Dem kann aber entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber im IFG keine verwaltungsprozessuale Sonderregelung gegenüber § 99 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO geschaffen hat4. Dem folgend kann eine Überprüfung im In-Camera-Verfahren erfolgen, wenn die BaFin sich auf die Verschwiegenheitsverpflichtung nach § 22 WpPG und damit auf einen Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 4 IFG (siehe dazu oben unter Rz. 44) beruft5. Für die Amtshandlungen nach dem IFG werden nach § 10 IFG Gebühren erhoben6.

IV. Folgen eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht Strafrechtliche Konsequenzen einer unbefugten Weitergabe oder Verwer- 50 tung geschützter Informationen können sich auf Grund von §§ 203, 204, 353b StGB ergeben. Zivilrechtlich kommen bei einem Verstoß gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung des § 22 WpPG Amtshaftungsansprüche in Betracht. Die Verschwiegenheitsverpflichtung ist eine drittbezogene Amtspflicht. Der Beamtenbegriff ist weit zu verstehen, kann also Arbeiter, Angestellte und auch die Stellen, denen sich die BaFin zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben bedient, umfassen7. Wurde die Verschwiegenheitsverpflichtung durch den Beschäftigten in Ausübung seines öffentlichen Amtes verletzt, so tritt nach Art. 34 Satz 1 GG an die Stelle seiner Haftung die des Bundes. Bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln des Amtsträgers

1 Begr. RegE zu § 9 Abs. 3 IFG, BT-Drucks. 15/4493 v. 14.12.2004, S. 16. 2 Dagegen Jastrow/Schlatmann, Informationsfreiheitsgesetz, § 9 IFG Rz. 46 ff.; Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, § 9 IFG Rz. 33, kann sich im Einzelfall, nicht allerdings für alle Ausschlussgründe des § 3 IFG, ein In-Camera-Verfahren vorstellen. 3 Vgl. ua. VG Frankfurt a.M. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06 (V), NVwZ 2008, 1384 (1388) und VG Frankfurt a.M. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, ZIP 2008, 2138 (2143); Jastrow/Schlatmann, Informationsfreiheitsgesetz, § 9 IFG Rz. 46 ff.; Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, § 9 IFG Rz. 33, der sich im Einzelfall, nicht allerdings für alle Ausschlussgründe des § 3 IFG, ein In-Camera-Verfahren vorstellen kann. 4 HessVGH v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08 mit Hinweis ua. auf BVerwG v. 15.10.2008 – 20 F 1.08, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 50. 5 HessVGH v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08 zu § 9 Abs. 1 KWG. 6 Siehe die Verordnung über die Gebühren und Auslagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (Informationsgebührenverordnung – IFGGebV) v. 2.1.2006, BGBl. I 2006, 6. 7 Möllers in Hirte/Möllers, KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 76.

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§ 23 WpPG Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen EWR-Staaten kann der Bund wiederum bim Bediensteten Rückgriff nehmen. Schließlich können sich für den Beschäftigten noch disziplinar- und arbeitsrechtliche Konsequenzen ergeben.

§ 23 Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (1) Der Bundesanstalt obliegt die Zusammenarbeit mit den für die Überwachung öffentlicher Angebote oder die Zulassung von Wertpapieren an einem organisierten Markt zuständigen Stellen der anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums. Die Bundesanstalt kann im Rahmen ihrer Zusammenarbeit zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und entsprechender Bestimmungen der in Satz 1 genannten Staaten von allen ihr nach dem Gesetz zustehenden Befugnissen Gebrauch machen, soweit dies geeignet und erforderlich ist, einem Ersuchen der in Satz 1 genannten Stellen nachzukommen. (2) Auf Ersuchen der in Absatz 1 Satz 1 genannten zuständigen Stellen kann die Bundesanstalt Untersuchungen durchführen und Informationen übermitteln, soweit dies für die Überwachung von organisierten Märkten sowie von Emittenten, Anbietern oder Zulassungsantragstellern oder deren Abschlussprüfern oder Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen nach den Vorschriften dieses Gesetzes und entsprechenden Vorschriften der in Absatz 1 genannten Staaten oder damit zusammenhängender Verwaltungsoder Gerichtsverfahren erforderlich ist. Bei der Übermittlung von Informationen hat die Bundesanstalt den Empfänger darauf hinzuweisen, dass er unbeschadet seiner Verpflichtungen im Rahmen von Strafverfahren die übermittelten Informationen einschließlich personenbezogener Daten nur zur Erfüllung von Überwachungsaufgaben nach Satz 1 und für damit zusammenhängende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren verwenden darf. (3) Die Bundesanstalt kann eine Untersuchung oder die Übermittlung von Informationen verweigern, wenn 1. hierdurch die Souveränität, die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden könnte, 2. auf Grund desselben Sachverhalts gegen die betreffenden Personen bereits ein gerichtliches Verfahren eingeleitet worden oder eine unanfechtbare Entscheidung ergangen ist oder 3. die Untersuchung oder die Übermittlung von Informationen nach dem deutschen Recht nicht zulässig ist. (4) Die Bundesanstalt kann die in Absatz 1 Satz 1 genannten zuständigen Stellen um die Durchführung von Untersuchungen und die Übermittlung

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Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen EWR-Staaten

§ 23 WpPG

von Informationen ersuchen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach den Vorschriften dieses Gesetzes erforderlich sind, insbesondere wenn für einen Emittenten mehrere Behörden des Herkunftsstaates zuständig sind, oder wenn die Aussetzung oder Untersagung des Handels bestimmter Wertpapiere verlangt wird, die in mehreren Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums gehandelt werden. Werden der Bundesanstalt von einer Stelle eines anderen Staates des Europäischen Wirtschaftsraums Informationen mitgeteilt, so darf sie diese unbeschadet ihrer Verpflichtungen in strafrechtlichen Angelegenheiten, die Verstöße gegen Vorschriften dieses Gesetzes zum Gegenstand haben, nur zur Erfüllung von Überwachungsaufgaben nach Absatz 2 Satz 1 und für damit zusammenhängende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren offenbaren oder verwerten. Eine anderweitige Verwendung der Informationen ist nur mit Zustimmung der übermittelnden Stelle zulässig. (5) Die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes über die Zusammenarbeit mit den entsprechenden zuständigen Stellen anderer Staaten sowie die Regelungen über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen bleiben unberührt. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), 9. Aufl. 2007; Schmolke, Der Lamfalussy-Prozess im Europäischen Kapitalmarktrecht – eine Zwischenbilanz, NZG 2005, 912.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . . II. Europäische Zusammenarbeit (§ 23 Abs. 1 WpPG) 1. Begriff der Zusammenarbeit . 2. Zuständige Stellen anderer Staaten des EWR . . . . . . . . . 3. Gebrauch von Befugnissen . . III. Ersuchen ausländischer Stellen (§ 23 Abs. 2 WpPG) 1. Ersuchen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Untersuchungen . . . . . . . . . 3. Übermittlung von Informationen . . . . . . . . . . . . . .

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5 7 8

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V. Unterstützung der BaFin durch ausländische Stellen (§ 23 Abs. 4 WpPG) 1. Ersuchen an zuständige Stellen im Ausland . . . . . . . 2. Untersuchungen . . . . . . . . . 3. Erhalt von Informationen . . . VI. Sonstige Zusammenarbeit (§ 23 Abs. 5 WpPG) 1. Zusammenarbeit mit nichteuropäischen Stellen . . . . . . 2. Internationale Rechtshilfe in Strafsachen . . . . . . . . . . .

17 18 20

22 24

IV. Verweigerung der Zusammenarbeit (§ 23 Abs. 3 WpPG) . . . 16

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§ 23 WpPG Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen EWR-Staaten I. Normentwicklung 1

§ 23 WpPG dient der Umsetzung1 von Art. 22 Abs. 2 Prospektrichtlinie2. Die Prospektrichtlinie sieht eine weitgehende Kooperation der Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten im Wege der Amtshilfe und des Informationsaustausches vor. Als einen wichtigen Anlass für die Zusammenarbeit nennt die Richtlinie – in ihrer englischen Sprachfassung – die Zuständigkeit von Behörden aus mehreren Mitgliedstaaten für einen Emittenten, dem für verschiedene Wertpapiere entsprechende Wahlrechte zustanden3, oder auch die Aussetzung oder das Verbot des Handels von Wertpapieren, „um einheitliche Wettbewerbsbedingungen zwischen den verschiedenen Handelsplätzen sicherzustellen und den Anlegerschutz gewährleisten.“4 Als weiteren Beispielsfall für einen Anlass für eine Amtshilfe nennt der Richtlinientext Untersuchungen der Aufnahmemitgliedstaatsbehörde. Umgekehrt benötigt die Herkunftsmitgliedstaatsbehörde im Falle einer Notifizierung des Prospekts ins Ausland gegebenenfalls nähere Informationen über den Markt des Aufnahmemitgliedstaats.

2

Das Ziel einer verstärkten Zusammenarbeit liegt auf der Hand. Die Überwachung weitgehend internationalisierter Märkte kann nur im Rahmen einer starken Kooperation erfolgen. Dies gilt umso mehr für den europäischen Kapitalmarkt. Dieser sollte durch den Financial Services Action Plan (FSAP)5 gestärkt werden, in dessen Planung die „Nachbesserung der Börsenzulassungs- und Prospekt-Richtlinie“ oberste Priorität hatte6. Die Kooperationsbeispiele in Art. 22 Abs. 2 Prospektrichtlinie zeigen, dass eine stärkere Harmonisierung, auch verbunden mit konkreten Wahlmöglichkeiten des Emittenten, eine starke Zusammenarbeit erfordert. Dies gilt für Einzelfälle wie auch abstraktere Fragestellungen im Rahmen des so genannten Lamfalussy-Verfahrens, dem vierstufigen Rechtssetzungsverfahren, welches auch gerade die Aufsichtsbehörden mit einbezieht7.

3

Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte weniger dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 Prospektrichtlinie folgend, sondern orientierte sich vielmehr 1 Begr. RegE zu § 23 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 39. 2 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. 3 Die deutsche Fassung der Richtlinie spricht von „mehr als eine(r) Behörde des Herkunftsmitgliedstaats“, während die englische Fassung von einem Emittenten ausgeht, der „more than one home competent authority“ hat. 4 Mit Art. 41 MiIFD dürfte die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Handelsaussetzungen und Handelsausschlüsse inzwischen deutlich konkreter gefasst sein. 5 Finanzdienstleistungen: Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan, Mitteilung der Kommission KOM (1999) 232 v. 11.5.1999. 6 Siehe insbesondere Finanzdienstleistungen: Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan, Mitteilung der Kommission KOM (1999) 232 v. 11.5.1999, S. 22. 7 Zum FSAP und dem Lamfalussy-Verfahren siehe ua. Schmolke, NZG 2005, 912.

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Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen EWR-Staaten

§ 23 WpPG

an den bereits bestehen Zusammenarbeitsvorschriften in anderen Aufsichtsgesetzen, wie zB § 7 WpHG. Im Hinblick auf die in der Richtlinie genannten Handelsaussetzungen und Handelsverbote stellt der Gesetzgeber fest, dass eine Zusammenarbeit der BaFin nicht erfolge, um einheitliche Wettbewerbsbedingungen zwischen den verschiedenen Handelsplätzen sicherzustellen, was vielmehr Aufgabe der Börsenbehörde sei1. Die Struktur von § 23 WpPG stellt sich wie folgt dar. § 23 Abs. 1 bis 4 4 WpPG behandeln die Zusammenarbeit zwischen den im Hinblick auf die vom WpPG umfassten Aufgaben zuständigen Stellen der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und § 23 Abs. 5 WpPG enthält Hinweise auf die Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen anderer Staaten und auf die Regelungen über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Innerhalb der Absätze 1 bis 4 weist § 23 Abs. 1 WpPG der BaFin die Aufgabe der Zusammenarbeit mit anderen Behörden der EWR-Staaten im Bereich öffentlicher Angebote oder Zulassungen von Wertpapieren zu, bei der die BaFin alle ihr zustehenden Befugnisse einsetzen kann. § 23 Abs. 2 WpPG geht auf das Ersuchen einer zuständigen Behörde eines anderen EWR-Staates ein, auf Grund dessen die BaFin Untersuchungen durchführen und Informationen übermitteln darf. § 23 Abs. 3 WpPG nennt die Gründe, bei deren Vorliegen die BaFin die gewünschten Untersuchungen oder Informationen verweigern kann. § 23 Abs. 4 WpPG stellt die Kehrseite von § 23 Abs. 2 WpPG dar, indem das Ersuchen der BaFin an die zuständigen Behörden anderer EWRStaaten um Durchführung von Untersuchungen oder der Übermittlung von Informationen geregelt wird. Damit einher geht auch die nähere Beschreibung der Verwendungsmöglichkeiten der dann erhaltenen Informationen.

II. Europäische Zusammenarbeit (§ 23 Abs. 1 WpPG) 1. Begriff der Zusammenarbeit Der Begriff der Zusammenarbeit wird im Gesetzestext thematisch einge- 5 grenzt, nämlich auf die Überwachung öffentlicher Angebote oder die Zulassung von Wertpapieren zum organisierten Markt, nicht dagegen auf welche Arten von Fragestellungen sich die Zusammenarbeit beziehen soll. Dem folgend ist der Begriff der Zusammenarbeit weit zu verstehen, so dass davon nicht nur die gegenseitige Unterstützung in konkret-individuellen Einzelfällen umfasst ist, sondern abstrakt-generelle Fragestellungen, die gegebenenfalls mehrere Behörden betreffen kann. Prominentes Beispiel für die Zusammenarbeit ist der Europäische Pass für Prospekte (§§ 17 f. WpPG). In der Praxis tauschen sich die Behörden darüber hinaus insbesondere zu Fragen der Auslegung von Prospektrichtlinie und

1 Begr. RegE zu § 23 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 39, was sich durch die Finanzmarktrichtlinie und deren Umsetzung zumindest etwas geändert haben dürfte (siehe Art. 41 MiFID und §§ 4 Abs. 2, 7 Abs. 1 WpHG).

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§ 23 WpPG Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen EWR-Staaten EU-Prospektverordnung1 aus. Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang CESR (Committee of European Securities Regulators) bzw. zukünftig ESMA (European Securities and Markets Authority) zu. CESR hat nicht nur im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens (siehe auch oben Rz. 2) das europäische Gesetzgebungsverfahren begleitet, sondern befasst sich im Anschluss daran mit den aufkommenden Auslegungsfragen, um eine dem harmonisierten Recht angemessene und möglichst einheitliche Auslegung zu finden. Zu den Ergebnissen der Arbeit gehören unter anderem die CESR’s recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses no. 809/2004 (Februar 2005, CESR/05-054b)2 und eine ständig aktualisierte Fragen-Antwort-Liste zum Thema Prospekte (Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members)3. 2. Zuständige Stellen anderer Staaten des EWR 7

Welche „zuständigen Stellen“ iS von § 23 Abs. 1 WpPG gemeint sind, umschreibt das Gesetz mit der von der betreffenden Stelle ausgeübten Tätigkeit. Zuständige Stellen sind folglich die Stellen, die die öffentlichen Angebote oder die Zulassung von Wertpapieren an einen organisierten Markt überwachen. Welche Stelle das ist, bestimmt sich nach dem nationalen Recht des entsprechenden Staates4. Wie die Stelle organisiert ist, insbesondere in welcher Rechtsform, bleibt ebenfalls dem nationalen Recht vorbehalten5. Was in diesem Zusammenhang eine Erleichterung darstellt, ist die gesetzliche Vorgabe des Art. 21 Abs. 1 Prospektrichtlinie, dass jeder Mitgliedstaat eine zentrale zuständige Verwaltungsbehörde benennen soll, die für die Erfüllung der in der Richtlinie festgelegten Pflichten und für die Anwendung der nach dieser Richtlinie erlassenen Bestimmungen zuständig ist. 3. Gebrauch von Befugnissen

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Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WpPG kann die BaFin im Rahmen der Zusammenarbeit zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des WpPG und entsprechender Bestimmungen der ausländischen Staaten von 1 Berichtigte Fassung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3. 2 Dazu Fischer zu Cramburg, AG 2005, R 114. 3 Die Dokumente und weitere Informationen zu CESR sind im Internet erhältlich: http://www.cesr-eu.org. 4 Carny in KölnKomm. WpHG, § 7 WpHG Rz. 12. 5 Beck in Schwark, § 7 WpHG Rz. 6; Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 7 WpHG Rz. 10.

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§ 23 WpPG

allen ihr nach dem „Gesetz“, gemeint sein dürfte ausschließlich das WpPG, zustehenden Befugnissen Gebrauch machen. Die ausländischen Vorschriften müssen nicht identisch mit denen des WpPG sein, wobei vor dem europarechtlichen Hintergrund ohnedies keine größeren Unterschiede bestehen dürften. Dies bedeutet aber auch, dass für die Wahrnehmung der Befugnisse nicht zwingend ein Verstoß gegen das WpPG vorliegen muss, dh. die Befugnisse nach § 21 WpPG auch dann der BaFin zustehen, wenn zwar keine Verstöße gegen das deutsche Recht vorliegen, aber möglicherweise gegen entsprechendes ausländisches Recht. Die Art der Befugnisse und wie diese wahrzunehmen sind, wird durch § 23 Abs. 1 WpPG nicht erweitert. Die BaFin kann von den ihr zustehenden Befugnissen Gebrauch, soweit dies geeignet und erforderlich ist. Die BaFin muss also eine eigene Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchführen.

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III. Ersuchen ausländischer Stellen (§ 23 Abs. 2 WpPG) 1. Ersuchen An das Ersuchen zuständiger Stellen anderer EWR-Staaten an die BaFin stellt das Gesetz keine besonderen Anforderungen. Es muss erkenntlich sein, dass die benötigten Informationen für die Überwachung von organisierten Märkten sowie von Emittenten, Anbietern oder Zulassungsantragstellern oder deren Abschlussprüfern oder Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen nach den dem WpPG entsprechenden Vorschriften des ausländischen Staates oder damit zusammenhängender Verwaltungs- und Gerichtsverfahren benötigt werden1. Die BaFin muss allerdings nicht überprüfen, ob die angeforderten Informationen objektiv für eine entsprechende Überwachungsaufgabe im Ausland benötigt werden2. Eine derartige Überprüfung wäre praktisch nicht leistbar.

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2. Untersuchungen Die Untersuchungen können durch die BaFin insbesondere auf Grund von § 21 WpPG durchgeführt werden, aber auch im Wege der Amtshilfe (§§ 4 f. VwVfG). Ein Verstoß gegen deutsches Recht muss dabei nicht vorliegen (siehe oben Rz. 8).

11

Die BaFin kann Untersuchung durchführen, soweit dies für die in § 23 12 Abs. 2 Satz 1 WpPG genannten Überwachungsaufgaben (siehe oben Rz. 10) erforderlich ist. Die BaFin muss also eine eigene Prüfung der Erforderlichkeit durchführen. 1 Vgl. zu den Anforderungen an ein Ersuchen an Daten unter § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 BDSG, der nach § 4b Abs. 1 BDSG auch auf den Datenaustausch innerhalb des EWR Anwendung findet, Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, § 15 BDSG Rz. 6. 2 Carny in KölnKomm. WpHG, § 7 WpHG Rz. 20.

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§ 23 WpPG Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen EWR-Staaten 3. Übermittlung von Informationen 13

Von der BaFin gewonnene oder dort bereits vorhandene Informationen können an den Empfänger übermittelt werden, soweit dies für die in § 23 Abs. 2 Satz 1 WpPG genannten Überwachungsaufgaben (siehe oben Rz. 10) erforderlich ist. Auch an dieser Stelle muss die BaFin eine eigene Prüfung der Erforderlichkeit durchführen.

14

Die Übermittlung von Informationen an die zuständigen Stellen des ausländischen Staates ist nach § 23 Abs. 2 Satz 2 WpPG mit einer Zweckbestimmung zu versehen. Die BaFin weist den Empfänger darauf hin, dass er unbeschadet seiner Verpflichtungen im Rahmen von Strafverfahren die übermittelten Informationen einschließlich personenbezogener Daten nur zur Erfüllung von Überwachungsaufgaben nach § 23 Abs. 2 Satz 1 WpPG und für damit zusammenhängende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren verwenden darf. Der Empfängerbehörde ist es daher möglich, die erhaltenen Informationen auch an Strafverfolgungsbehörden und Gerichte weiterzuleiten, wenn das die Überwachungsaufgaben regelnde Recht des Empfängerlandes strafrechtliche Sanktionen vorsieht. Nicht davon erfasst ist dagegen die Verwendung für Strafverfahren wegen anderer, insbesondere steuerlicher Straftaten1.

15

Unter den europäischen Aufsichtsbehörden wurde der administrative Rahmen von CESR durch das Multilateral Memorandum of Understanding on the Exchange of Information and Surveillance of Securities Activities v. 26.1.1999/4.5.20052 abgesteckt.

IV. Verweigerung der Zusammenarbeit (§ 23 Abs. 3 WpPG) 16

Die BaFin kann eine Untersuchung oder die Übermittlung von Informationen bei Vorliegen bestimmter Gründe verweigern. Aus anderen als den im Gesetz genannten Gründen können Untersuchungen oder die Weitergabe von Informationen nicht verweigert werden. Wenn die gesetzlichen Verweigerungsgründe vorliegen, liegt die Entscheidung über die Zusammenarbeit im Ermessen der BaFin. Da die Verweigerungsgründe sehr gewichtig sind, ist fraglich, inwieweit die BaFin bei deren Vorliegen das Ermessen zugunsten einer Zusammenarbeit ausüben kann3. Der erste Verweigerungsgrund ist die mögliche Beeinträchtigung der Souveränität, der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland durch die Untersuchung oder Informationsübermittlung. Der zweite Verweigerungsgrund ist die bereits erfolgte Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens oder das 1 Dreyling/Döhmel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 7 WpHG Rz. 18. 2 CESR/05-335. 3 Schlette/Bouchon in Fuchs, § 7 WpHG Rz. 35 gehen bei Vorliegen der in den ersten beiden Nummern des Gesetzes genannten Verweigerungsgründen davon aus, dass die BaFin ohne Ermessensspielraum zur Verweigerung der Zusammenarbeit verpflichtet sei, da es sich um massive völker-, verfassungs- und verwaltungsrechtliche Hemmnisse für eine Informationsweitergabe handele.

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Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen EWR-Staaten

§ 23 WpPG

Vorliegen einer unanfechtbaren Entscheidung gegen die von der Untersuchung oder der Informationsübermittlung betroffenen Personen. Es soll verhindert werden, dass der Fortgang des Gerichtsverfahrens oder der durch eine unanfechtbare Entscheidung erzielte Rechtsfrieden gestört werden1. Der Verweigerungsgrund ist damit dem rechtsstaatlichen Grundsatz „ne bis in idem“ (Art. 103 Abs. 3 GG) geschuldet2. Der dritte und letzte Verweigerungsgrund ist dann einschlägig, wenn die Untersuchung oder die Übermittlung von Informationen nach deutschem Recht nicht zulässig ist. Hier ist insbesondere an die Verschwiegenheitspflicht nach § 22 WpPG zu denken.

V. Unterstützung der BaFin durch ausländische Stellen (§ 23 Abs. 4 WpPG) 1. Ersuchen an zuständige Stellen im Ausland Spiegelbildlich zu § 23 Abs. 2 WpPG kann auch die BaFin die zuständigen 17 Stellen anderer EWR-Staaten (siehe oben Rz. 7) um Unterstützung bitten, die auch hier Untersuchungen oder die Übermittlung von Informationen sein kann. Die BaFin muss darlegen, dass sie Informationen für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem WpPG benötigt. 2. Untersuchungen Die BaFin darf andere zuständige Stellen im EWR-Ausland um die Durchführung von Untersuchungen bitten. Die ausländischen Behörden verfügen im Hinblick auf die einheitliche, europäische Rechtsgrundlage in Art. 21 Prospektrichtlinie über ähnliche Befugnisse wie die BaFin.

18

Es dürfen in diesem Zusammenhang nur die Untersuchungen erbeten wer- 19 den, die für die Erfüllung der Aufgaben der BaFin nach dem WpPG erforderlich sind. Eine Prüfung der Erforderlichkeit muss also nicht nur bei den Ersuchen, die die BaFin aus dem Ausland erhält, sondern auch bei denen, die sie an ausländische Stellen richtet, erfolgen. Das Gesetz nennt zwei mögliche Situationen, in denen eine Zusammenarbeit im besonderen Maße erforderlich sein kann. Zum einen kann eine Zusammenarbeit dann erforderlich sein, wenn für einen Emittenten mehrere Behörden des Herkunftsstaates zuständig sind. Für die Prospektprüfung und die Notifizierung von Prospekten gibt es entsprechend Art. 21 Abs. 1 Prospektrichtlinie in den EWR-Staaten in der Regel eine zuständige Behörde. Die Zulassung kann allerdings durch eine andere Stelle erfolgen. Gemeint ist hier aber wahrscheinlich der im englischsprachigen Richtlinientext deutlich zum Vorschein kommende Fall, dass ein Emittent auf Grund seiner ausgeübten Wahlrechte mehrere Herkunftsmitgliedsstaatsbehörden hat (siehe auch oben Rz. 1). Zum ande1 Carny in KölnKomm. WpHG, § 7 WpHG Rz. 29. 2 Schlette/Bouchon in Fuchs, § 7 WpHG Rz. 35.

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§ 23 WpPG Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen EWR-Staaten ren nennt das Gesetz als weiteres Beispiel die Koordination der Aussetzung oder Untersagung des Handels von Wertpapieren, die in mehreren EWRStaaten gehandelt werden. Der Gesetzeswortlaut ist hier widersprüchlich, denn die BaFin hat nach dem WpPG gar nicht diese Befugnisse. Abgesehen davon dürfte das Beispiel vor dem Hintergrund von § 7 Abs. 1 Satz 3 WpHG und Art. 41 MiFID, der die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden bei Handelsaussetzungen und Handelsausschlüssen regelt, eine hier ohnedies nur eingeschränkte Bedeutung haben. 3. Erhalt von Informationen 20

Neben Untersuchungen kann die BaFin auch um die Übermittlung der Informationen bitten, die für die Erfüllung der Aufgaben der BaFin nach dem WpPG erforderlich sind (siehe oben Rz. 19).

21

Die Informationen, die der BaFin übermittelt werden, unterliegen einer gesetzlichen Zweckbindung nach § 23 Abs. 4 Satz 2 und 3 WpPG. Abgesehen davon werden die Daten mit einer ähnlichen Zweckbestimmung von den ausländischen Behörden übersandt. Die BaFin darf die erhaltenen Informationen nur für die Überwachung von organisierten Märkten sowie von Emittenten, Anbietern oder Zulassungsantragstellern oder deren Abschlussprüfern oder Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen nach den Vorschriften des WpPG und für damit zusammenhängende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren offenbaren oder verwerten. Für Strafverfahren, die nicht Verstöße gegen das WpPG zum Gegenstand haben (wobei das WpPG selbst keine Straftatbestände enthält!), dürfen die Informationen nicht verwendet werden. Jede andere Verwendung der erhaltenen Informationen ist nur mit Zustimmung der übermittelten Stelle zulässig, dh. insbesondere dürfen ohne eine solche Zustimmung die Informationen nicht anderen Behörden in Deutschland übermittelt werden.

VI. Sonstige Zusammenarbeit (§ 23 Abs. 5 WpPG) 1. Zusammenarbeit mit nicht-europäischen Stellen 22

Die Internationalisierung der Märkte (siehe oben Rz. 2) betrifft zwar im besonderen Maße den europäischen Wirtschaftsraum. Aber Kooperationen sind auch darüber hinaus erforderlich. Dies gilt für Einzelfälle wie auch für eine eher generelle Koordination der Aufsichtsansätze. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die internationale Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO (International Organization of Securities Commissions) zu nennen. Von der IOSCO erarbeitet wurden unter anderem die „International Disclosure Standards for Cross-Border Offerings and Initial Listings by Foreign Issuers“ (September 1998) und die „International Disclosure Principles for Cross-Border Offerings and Listings of Debt Securities by

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Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen EWR-Staaten

§ 23 WpPG

Foreign Issuers“ (März 2007)1, deren Bedeutung in § 20 Abs. 1 Nr. 1 WpPG sichtbar wird. Für die Zusammenarbeit mit anderen Staaten als denen des EWR findet das WpHG Anwendung. Nach § 7 Abs. 7 WpHG erfolgt die Zusammenarbeit grundsätzlich ähnlich wie mit den Staaten des EWR. Besonders hervorgehoben wird, dass die BaFin mit diesen Staaten Vereinbarungen über den Informationsaustausch abschließen kann. Zu beachten ist, dass die ausländische Stelle für die an die BaFin übermittelten Informationen eine engere Zweckbestimmung als die in § 23 Abs. 4 Satz 2 WpPG vorsehen kann. Erfolgt keine Zweckbestimmung durch die ausländische Stelle, gilt die normal gesetzliche Zweckbindung (vergleiche dazu oben Rz. 21). Für die Übermittlung personenbezogener Daten wird auf § 4b BDSG verwiesen.

23

2. Internationale Rechtshilfe in Strafsachen § 23 Abs. 5 WpPG stellt ferner klar, dass die Regelungen über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen unberührt bleiben. Durch die Zusammenarbeit im Rahmen des § 23 WpPG soll die Zusammenarbeit im Rahmen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen nicht ausgehöhlt werden. Wird die BaFin um Zusammenarbeit im Rahmen von Strafsachen gebeten, kann eine Mithilfe nicht nach § 23 WpPG erfolgen.

24

Die Zusammenarbeit im Rahmen der internationalen Rechtshilfe in Straf- 25 sachen erfolgt nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG)2. Nach § 1 Abs. 2 IRG sind strafrechtliche Angelegenheiten auch Verfahren einer Tat, die nach deutschem Recht als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße oder die nach ausländischem Recht mit einer vergleichbaren Sanktion bedroht ist, sofern über deren Festsetzung ein auch für Strafsachen zuständiges Gericht entscheiden kann. Die Rechtshilfe erfolgt dann nach den §§ 59 ff. IRG. Vor dem Hintergrund des weiten, auch Ordnungswidrigkeiten umfassenden Begriffs der strafrechtlichen Angelegenheiten, wird eine klare Abgrenzung nicht immer möglich sein. Gerade das (Verwaltungs-)Aufsichtsrecht hat als Ergänzung auch repressive Züge in der Form von Bußgeldtatbeständen (siehe § 30 WpPG) und teilweise auch durch strafrechtliche Sanktionen. § 23 Abs. 2 und 4 WpPG wird diesem Umstand auch gerecht, indem eine Verwertung von Informationen in Strafverfahren nicht gänzlich ausgeschlossen wird (siehe oben Rz. 14 und 21). Dies ergibt sich bereits aus dem europäischen Recht, indem die Prospektrichtlinie einerseits in Art. 22 Abs. 2 und Art. 23 eine weitgehende Zusammenarbeit erwartet, andererseits aber auch in Art. 25 Sanktionen vorsieht. Wird allerdings von vornherein nur vor ei1 Die Dokumente sind im Internet erhältlich: http://www.iosco.org. 2 Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) in der Fassung der Bekanntmachung v. 27.6.1994 (BGBl. I 1994, 1537), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes v. 29.7.2009 (BGBl. I 2009, 2274).

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26

§ 24 WpPG

Vorsichtsmaßnahmen

nem strafrechtlichen Hintergrund um Unterstützung ersucht, muss die Zusammenarbeit (auch) nach § 23 Abs. 5 WpPG iVm. §§ 59 ff. IRG erfolgen1.

§ 24 Vorsichtsmaßnahmen (1) Verstößt der Emittent, ein mit der Platzierung des öffentlichen Angebots beauftragtes Institut im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder ein mit der Platzierung beauftragtes nach § 53 Abs. 1 Satz 1, § 53b Abs. 1 oder 7 des Kreditwesengesetzes tätiges Unternehmen gegen § 3 Abs. 1 oder 3, die §§ 7, 9, 10, 14 bis 16, 18 oder 19 oder gegen Zulassungsfolgepflichten, kann die Bundesanstalt diese Informationen der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates übermitteln. § 23 Abs. 3 bis 5 findet entsprechende Anwendung. (2) Verstößt der Emittent, ein mit der Platzierung des öffentlichen Angebots beauftragtes Institut im Sinne des § 1 Abs. 1b des Kreditwesengesetzes oder ein mit der Platzierung beauftragtes nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätiges Unternehmen trotz der von der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates ergriffenen Maßnahmen oder weil Maßnahmen der Behörde des Herkunftsstaates unzweckmäßig sind, gegen die einschlägigen Rechts- oder Verwaltungsbestimmungen, so kann die Bundesanstalt nach vorheriger Unterrichtung der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates alle für den Schutz des Publikums erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist zum frühestmöglichen Zeitpunkt über derartige Maßnahmen zu unterrichten. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698).

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . . II. Unterrichtung über Verstöße (§ 24 Abs. 1 WpPG) 1. Verstöße . . . . . . . . . . . . . . . 2. Emittent oder ein mit der Platzierung des öffentlichen Angebots beauftragtes Institut . . .

1

3. Informationsübermittlung . .

5

3

III. Vorsichtsmaßnahmen (§ 24 Abs. 2 WpPG) 1. Nicht wirkende oder unzweckmäßige Maßnahmen . 2. Maßnahmen der BaFin . . . . .

7 8

4

1 Vgl. dazu Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 7 WpHG Rz. 31 ff.

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Vorsichtsmaßnahmen

§ 24 WpPG

I. Normentwicklung Mit § 24 WpPG soll Art. 23 Prospektrichtlinie1 umgesetzt werden2. Art. 23 Prospektrichtlinie spricht grenzüberschreitende Fälle (innerhalb des EWR)3 an. Wird beispielsweise ein Emittent außerhalb seines Herkunftsmitgliedstaats tätig und treten Unregelmäßigkeiten beim öffentlichen Angebot oder im Rahmen der Zulassung von Wertpapieren auf, soll die Behörde des Aufnahmemitgliedstaats in einem ersten Schritt die Behörde des Herkunftsmitgliedstaats unterrichten. Die Herkunftsmitgliedstaatsbehörde kann aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen den Emittenten in der Regel eher durchsetzen. Sind die dann ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichend, kann die Aufnahmemitgliedstaatbehörde selber Maßnahmen ergreifen und muss dann die Kommission der Europäischen Gemeinschaften unterrichten. Entwürfe der Prospektrichtlinie gingen noch weiter, indem die Kommission nach Konsultation der Behörden entscheiden sollte, dass die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats die ergriffenen Maßnahmen ändern oder abschaffen müsse4. Vorgeschlagen wurde auch eine Ergänzung des ersten Absatzes dahingehend, dass der Aufnahmemitgliedstaat und der Herkunftsmitgliedstaat gegebenenfalls bereits bei der Anlage des Dossiers zusammenarbeiten könnten5. Diese in den Entwürfen enthaltenen Vorschläge fanden ebenso wenig Eingang in die letztlich verabschiedete Fassung der Prospektrichtlinie wie ein in den Entwürfen enthaltener dritter Absatz, wonach die zuständige Aufnahmemitgliedstaatsbehörde ihre getroffenen Entscheidungen angemessen zu rechtfertigen hätte und die Einlegung von Rechtsmitteln ermöglicht werden sollte6.

1

Die zwei Stufen der grenzüberschreitenden Kooperation bei Verstößen zei- 2 gen sich in den beiden Absätzen von § 24 WpPG: Nach § 24 Abs. 1 WpPG kann die BaFin bei bestimmten Verstößen (Rz. 3) des Emittenten oder eines mit der Platzierung des öffentlichen Angebots beauftragten Instituts/Unter-

1 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. 2 Begr. RegE zu § 24 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 39. 3 So auch Linke in Schäfer/Hamann, § 24 WpPG Rz. 1. 4 Art. 21 Abs. 2 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, von der Kommission vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272, 280. 5 Art. 20 Abs. 1 des Standpunkts des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 14.3.2002 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, ABl. EU Nr. C 47 E v. 27.2.2003, S. 525, 540. 6 Art. 21 Abs. 3 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, von der Kommission vorgelegt am 1.6.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 272, 280.

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§ 24 WpPG

Vorsichtsmaßnahmen

nehmens (Rz. 4) diese Informationen an die Behörde des Herkunftsstaates übermitteln (Rz. 5 f.). Wirken die daraufhin von der Behörde des Herkunftsstaats ergriffenen Maßnahmen nicht oder sind diese unzweckmäßig (Rz. 7), kann die BaFin nach § 24 Abs. 2 WpPG Maßnahmen ergreifen (Rz. 8).

II. Unterrichtung über Verstöße (§ 24 Abs. 1 WpPG) 1. Verstöße 3

Das Gesetz benennt die möglichen Verstöße, über die die BaFin die Herkunftsstaatsbehörde unterrichten kann, durch Verweis auf entsprechende Normen des WpPG, ist also nicht ganz so offen formuliert wie Art. 23 Abs. 1 Prospektrichtlinie. Wichtige Fälle sind das öffentliche Angebot von Wertpapieren ohne Prospekt, das Angebot ohne gültigen Prospekt, ohne durch einen erforderlichen Nachtrag aktualisierten Prospekt, ohne eine erforderliche Notifizierung oder mit einem entgegen der Sprachenregelung verfassten Prospekt. Auch Verstöße gegen die Zulassungsfolgepflichten werden von § 24 Abs. 1 Satz 1 WpPG erfasst, dh. die Fälle, in denen die Wertpapiere des Emittenten in Deutschland als Aufnahmestaat zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. 2. Emittent oder ein mit der Platzierung des öffentlichen Angebots beauftragtes Institut

4

Die BaFin unterrichtet die Herkunftsstaatsbehörde nach § 24 Abs. 1 WpPG nur bei Verstößen, die durch bestimmte, im Gesetz genannte Unternehmen erfolgen. In erster Linie kann dies der Emittent selber sein, der beispielsweise ohne einen in den Aufnahmestaat notifizierten Prospekt dort seine Wertpapiere anbietet. Er kann mit der Platzierung aber auch ein Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut (§ 1 Abs. 1b KWG) oder Zweigstellen von ausländischen Instituten (§ 53 Abs. 1 Satz 1 KWG) oder auch grenzüberschreitend im Rahmen des EWR tätige Unternehmen beauftragt haben. Bei diesen Instituten ist allerdings fraglich, wer Herkunftsstaatsbehörde ist, denn diese werden von der Definition in § 2 Nr. 13 WpPG, die auf Emittenten abstellt, nicht erfasst. In der Praxis dürften dann aber auch andere Informationsaustauschwege (zB WpHG, MiFID) zur Verfügung stehen. 3. Informationsübermittlung

5

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 WpPG ist die Rechtsfolge von Verstößen des Emittenten oder eines von ihm mit der Platzierung des öffentlichen Angebots beauftragten Instituts die Möglichkeit der BaFin, diese Verstöße an die Behörde des Herkunftsstaats zu übermitteln. Nach dem Gesetzeswortlaut liegt die Entscheidung, ob eine entsprechende Mitteilung gemacht wird, im Ermessen der BaFin. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass sich das Ermessen hin zu einer Übermittlungspflicht reduziert, wenn gesicherte

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§ 24 WpPG

Vorsichtsmaßnahmen

Erkenntnisse über Verstöße vorliegen1. Die Ansicht, dass in solchen Fällen keine andere Entscheidung der Behörde möglich sei, erscheint vor dem europarechtlichen Hintergrund vertretbar. Art. 23 Abs. 1 Prospektrichtlinie sieht eine Ermessensausübung der Aufnahmestaatsbehörde nicht vor. Zudem hängt die Aufsicht der Herkunftsstaatsbehörde gerade auch von derartigen Informationen ab2. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 WpPG finden auf die Informationsübermittlung § 23 Abs. 3 bis 5 WpPG entsprechend Anwendung. Dieser Verweis ist insofern etwas missverständlich, da § 23 Abs. 4 WpPG nicht die Informationsübermittlung der BaFin an andere Behörden regelt, was hier der zutreffende Sachverhalt wäre, sondern genau den spiegelbildlichen Fall. Klar ist der Verweis, soweit § 23 Abs. 3 WpPG gemeint ist. Eine Information der anderen Herkunftsstaatsbehörde hat zu unterbleiben, wenn überragende Belange der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt würden, wenn auf Grund des in Rede stehenden Sachverhalts bereits ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wurde bzw. eine unanfechtbare Entscheidung ergangen ist oder die Informationsübermittlung nach deutschem Recht nicht zulässig wäre (siehe dazu § 23 Rz. 16). Dem Verweis auf § 23 Abs. 4 und 5 WpPG entnimmt die Gesetzesbegründung, dass eine Informationsübermittlung nach § 24 Abs. 1 WpPG nur dann erfolgen kann, wenn in einem anderen Gesetz nicht eine insoweit abschließende Regelung getroffen wird. Dann kommt eine Zusammenarbeit nur nach den Vorschriften des entsprechenden Gesetzes in Betracht, was insbesondere bei im WpHG geregelten Geboten und Verboten der Fall sei3. Dies gilt im besonderen Maße für die Zulassungsfolgepflichten.

6

III. Vorsichtsmaßnahmen (§ 24 Abs. 2 WpPG) 1. Nicht wirkende oder unzweckmäßige Maßnahmen § 24 Abs. 2 WpPG unterscheidet zwei Fälle: Einmal könnten von der Her- 7 kunftsstaatsbehörde ergriffene Maßnahmen nicht wirken, dh. der Emittent oder die von ihm mit der Platzierung des öffentlichen Angebots beauftragten Institute oder Unternehmen verstoßen weiterhin gegen die einschlägigen Rechts- oder Verwaltungsbestimmungen, obwohl Maßnahmen ergriffen wurden, oder zum anderen könnten Maßnahmen der Herkunftsstaatsbehörde unzweckmäßig sein. Letzteres könnte beispielsweise der Fall sein, wenn ein inländisches Institut oder Unternehmen Wertpapiere des Emittenten in dessen Auftrag in Deutschland öffentlich anbietet. Dann sind Maßnahmen der BaFin nach § 21 WpPG denkbar.

1 Begr. RegE zu § 24 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 39. 2 Katko in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 24 WpPG Rz. 2; Linke in Schäfer/Hamann, § 24 WpPG Rz. 2. 3 Begr. RegE zu § 24 Abs. 1 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 39.

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§ 25 WpPG

Bekanntmachung von Maßnahmen

2. Maßnahmen der BaFin 8

Nach Unterrichtung der Behörde des Herkunftsstaates kann die BaFin „alle für den Schutz des Publikums erforderlichen Maßnahmen ergreifen.“ Mangels Bestimmtheit stellt dies keine eigenständige Rechtsgrundlage für Maßnahmen der BaFin dar1, die vielmehr in den anderen Normen des Gesetzes zu finden ist. Dabei ist insbesondere an Maßnahmen nach § 21 WpPG zu denken2. Zuvor ist allerdings die Behörde des Herkunftsstaates zu informieren und zum frühestmöglichen Zeitpunkt auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften.

§ 25 Bekanntmachung von Maßnahmen Die Bundesanstalt kann unanfechtbare Maßnahmen, die sie wegen Verstößen gegen Verbote oder Gebote dieses Gesetzes getroffen hat, auf ihrer Internetseite öffentlich bekannt machen, soweit dies zur Beseitigung oder Verhinderung von Missständen geboten ist, es sei denn, diese Veröffentlichung würde die Finanzmärkte erheblich gefährden oder zu einem unverhältnismäßigen Schaden bei den Beteiligten führen. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Bachmann/Prüfer, Korruptionsprävention und Corporate Governance, ZRP 2005, 109; Fleischer, Erweiterte Außenhaftung der Organmitglieder im Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, ZGR 2004, 437; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. 2008.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . .

1

II. Veröffentlichung unanfechtbarer Maßnahmen 1. Unanfechtbare Maßnahmen .

2. Veröffentlichung geboten . . . 3. Güterabwägung . . . . . . . . . . 4. Veröffentlichung . . . . . . . . .

6 8 9

4

III. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . .

10

1 Höninger in Holzborn, § 24 WpPG Rz. 7. 2 Katko in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 24 WpPG Rz. 3.

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§ 25 WpPG

Bekanntmachung von Maßnahmen

I. Normentwicklung Mit § 25 WpPG soll Art. 25 Abs. 2 Prospektrichtlinie1 umgesetzt werden 1 und ist § 40b WpHG nachgebildet2. Das Ziel einer Bekanntmachung von Maßnahmen, die die Aufsichtsbehörde 2 wegen Verstößen gegen die Verbote und Gebote des Gesetzes getroffen hat, wird in der Prospektrichtlinie und im WpPG leicht unterschiedlich betont. So erhalten Bekanntmachungen abhängig von der konkreten Aufmachung und der Verwendung eine stark repressive oder eine eher präventive Ausrichtung. Der öffentliche Ausdruck einer Missbilligung kann einen strafenden Charakter haben, da derartige Maßnahmen häufig mit einem Reputationsverlust einhergehen. Gleichzeitig entfalten sie eine Abschreckungswirkung und disziplinieren auf diese Weise die Marktteilnehmer (negative Generalprävention)3. Dass die Prospektrichtlinie vielleicht eher zu dem „strafenden“ Charakter einer Bekanntmachung neigen könnte, zeigt die Einordnung der Bekanntmachung in Art. 25 Prospektrichtlinie, der mit „Sanktionen“ überschrieben ist. Der Begriff der Sanktion wird in der Norm wiederum sehr weit verstanden und umfasst auch Verwaltungssanktionen. Öffentliche Bekanntmachungen von Maßnahmen gegen Verstöße haben insbesondere dann einen präventiven, wenn sie einen warnenden Charakter haben. Eher mit dieser Ausrichtung hat der deutsche Gesetzgeber die europäischen Vorgaben umgesetzt. Maßnahmen der BaFin können dann bekannt gemacht werden, „soweit sie zur Beseitigung oder Verhinderung von Missständen geboten ist“, eine Ergänzung, die gegenüber dem Wortlaut der Prospektrichtlinie vorgenommen wurde. § 25 WpPG statuiert eine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht nach 3 § 22 WpPG4 und bildet die gesetzliche Grundlage zum Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung5.

II. Veröffentlichung unanfechtbarer Maßnahmen 1. Unanfechtbare Maßnahmen Veröffentlicht werden können grundsätzlich alle unanfechtbaren Maßnah- 4 men der BaFin, die diese wegen Verstößen gegen Gebote und Verbote des WpPG getroffen hat. Nicht davon umfasst sind Entscheidungen, die die nicht die BaFin getroffen hat (wie zB Urteile in Strafverfahren). Im Vorder-

1 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. 2 Begr. RegE zu § 25 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 39. 3 Fleischer, ZGR 2004, 437 (476); Bachmann/Prüfer, ZRP 2005, 109 (113). 4 Linke in Schäfer/Hamann, § 25 WpPG Rz. 1. 5 Waßner in Fuchs, § 40b WpHG Rz. 3 und § 40a WpHG Rz. 11.

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§ 25 WpPG

Bekanntmachung von Maßnahmen

grund stehen nach § 21 WpPG ergriffene Maßnahmen, wie zB die Untersagung des öffentlichen Angebots (§ 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG oder § 21 Abs. 8 Satz 3 WpPG) oder der Widerruf der Billigung (§ 21 Abs. 8 Satz 3 WpPG). Daneben zählt auch die Untersagung von Werbung nach § 15 Abs. 6 Satz 2 WpPG zu den für eine Veröffentlichung in Frage kommenden Maßnahmen wie auch Bußgeldbescheide1, die mit den in Art. 25 Abs. 1 Prospektrichtlinie genannten Verwaltungssanktionen gemeint sein könnten. 5

Eine Maßnahme der BaFin ist unanfechtbar, wenn kein Widerspruch eingelegt wurde, auf Rechtsbehelfe verzichtet oder eine gegen die Maßnahme gerichtete Klage rechtskräftig abgewiesen wurde. 2. Veröffentlichung geboten

6

Unanfechtbare Maßnahmen kann die BaFin nur veröffentlichen, soweit dies zur Beseitigung oder Verhinderung von Missständen geboten ist. Missstände sind sämtliche Verstöße gegen das WpPG oder in diesem Zusammenhang anwendbaren Rechts (wie zB die ProspektVO).

7

Die Veröffentlichung ist geboten, wenn sie geeignet und erforderlich ist, um den Missständen zu begegnen2. Geeignet ist die Veröffentlichung insbesondere dann, wenn dadurch Anleger gewarnt oder andere Emittenten, Anbieter und Zulassungsantragsteller von einem vergleichbaren Verhalten abgehalten werden. Erforderlich ist die Maßnahme, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht. Die Aufsicht bearbeitet in erster Linie Einzelfälle. Liegen allerdings keine Einzelfälle mehr vor, sondern tritt ein Verstoß massenhaft auf, kann die Veröffentlichung ein erforderliches Mittel sein. Eine Veröffentlichung kann auch dazu dienen, das Vertrauen der Anleger in den Markt zu erhalten3. Bei der Veröffentlichung kann auch überlegt werden, ob nicht eine anonymisierte Form ausreichend ist4. 3. Güterabwägung

8

Die BaFin hat eine umfassende Güterabwägung vorzunehmen5 zwischen dem durch den Missstand drohenden Schaden einerseits und der erheblichen Gefährdung der Finanzmärkte, eventuellen Schäden bei den Beteiligten sowie sonstigen Beeinträchtigungen bei natürlichen Personen im Hinblick auf deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung andererseits. Eine erhebliche Gefährdung der Finanzmärkte ist anzunehmen, wenn

1 Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 25 WpPG Rz. 5 ff. ua. unter Verweis auf die präventiven Ziele der Norm. 2 Vgl. den Wortlaut von § 40b WpHG. 3 Altenhain in KölnKomm. WpHG, § 40b WpHG Rz. 13. 4 Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 40b WpHG Rz. 6. 5 Begr. RegE zu § 40b WpHG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 41.

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Bekanntmachung von Maßnahmen

§ 25 WpPG

negative Konsequenzen auch bei unbeteiligten Finanzmarktteilnehmern mit erheblicher Auswirkung zu erwarten sind1 (beispielsweise durch Panikreaktionen)2. Die Beteiligten können durch die Veröffentlichung erhebliche Reputations- und dadurch wie auch auf Grund von einer durch die Veröffentlichung bewirkten negativen Kursentwicklung erhebliche wirtschaftliche Schäden davontragen. 4. Veröffentlichung Die Veröffentlichung hat auf der Internetseite der BaFin (http://www.ba- 9 fin.de) zu erfolgen. Selbst wenn alle anderen Voraussetzungen bereits erfüllt sind, steht die Veröffentlichung im Ermessen der BaFin. Sie kann die gesamte Maßnahme, also Tenor und Gründe, oder auch nur den Tenor veröffentlichen.

III. Rechtsschutz Die Bekanntmachung von Maßnahmen im Internet stellt keinen Verwal- 10 tungsakt, sondern schlichtes Verwaltungshandeln dar. Weder die Entscheidung über die Veröffentlichung noch die Veröffentlichung selbst stellen eine Regelung dar. Ein Verwaltungsakt ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass dieser nach seinem objektiven Sinngehalt auf eine unmittelbare, für den Betroffenen verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten oder eines Rechtsstatus gerichtet sein muss, dh. darauf, Rechte des Betroffenen zu begründen, zu konkretisieren, abzuändern, verbindlich festzustellen oder genau dieses abzulehnen3. Das erfolgt zwar durch die zu veröffentlichende Maßnahme, aber deren Veröffentlichung für sich genommen stellt keine Regelung dar4. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Veröffentlichung scheiden daher aus. Denkbar ist allenfalls eine Leistungsklage.

1 2 3 4

Katko in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 25 WpPG Rz. 1. Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 40b WpHG Rz. 7. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 35 VwVfG Rz. 47. Vgl. zum vergleichbaren § 44 WpÜG Klepsch in Steinmeyer/Häger, § 44 WpÜG Rz. 7; Schäfer in KölnKomm. WpÜG, § 44 WpÜG Rz. 28; Assmann in Assmann/ Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 44 WpÜG Rz. 7; aA zum ebenfalls vergleichbaren § 40b WpHG Altenhain in KölnKomm. WpHG, § 40b WpHG Rz. 16; Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 40b WpHG Rz. 9.

von Kopp-Colomb

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§ 26 WpPG

Sofortige Vollziehung

§ 26 Sofortige Vollziehung Keine aufschiebende Wirkung haben 1. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach § 15 Abs. 6 und § 21 sowie 2. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Androhung oder Festsetzung von Zwangsmitteln. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Engelhardt/App, VwVG/VwZG, 8. Aufl. 2008.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . . II. Sofortige Vollziehbarkeit 1. Maßnahmen nach § 15 Abs. 6 WpPG . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

2

2. Maßnahmen nach § 21 WpPG 3. Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln . . . . . . . III. Aufhebung des Sofortvollzugs, Rechtsschutz . . . . . . . . . . . .

3 4 7

I. Normentwicklung 1

§ 26 WpPG, der nicht der Umsetzung einer bestimmten Norm der Prospektrichtlinie dient, ist § 8d VerkProspG aF, §§ 42, 46 Satz 3 WpÜG und § 8i Abs. 5 VerkProspG nachgebildet1. Diese Vorschriften bestimmen abweichend von § 80 Abs. 1 VwGO, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die in den Vorschriften genannten Maßnahmen keine aufschiebende Wirkung haben (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

II. Sofortige Vollziehbarkeit 1. Maßnahmen nach § 15 Abs. 6 WpPG 2

Nach § 15 Abs. 6 WpPG kann die BaFin Werbung, die gegen § 15 Abs. 2 bis 5 WpPG verstößt, für bis zu zehn aufeinander folgende Tage aussetzen, oder die Werbung mit Angaben untersagen, die geeignet sind, über den Prüfungsumfang irrezuführen. Wären diese Maßnahmen nicht sofort vollziehbar, könnte bei Einlegung von Rechtsbehelfen weiterhin irreführend geworben werden. Eine zehntägige Aussetzung der Werbung wäre dann eine völlig wirkungslose Maßnahme.

1 Begr. RegE zu § 26 WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 40.

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§ 26 WpPG

Sofortige Vollziehung

2. Maßnahmen nach § 21 WpPG Ohne eine sofortige Vollziehbarkeit wären auch Auskunfts-, Vorlage- und 3 Überlassungsersuchen in ihrer Wirkung erheblich eingeschränkt. Die BaFin könnte Verstöße gegen das WpPG nicht zügig aufklären und zum Schutze der Anleger zügig unterbinden. Ähnlich verhält es sich bei Anordnungen zur Aussetzung oder Untersagung des öffentlichen Angebots. Ohne eine sofortige Vollziehbarkeit könnte das Angebot unter Verstoß gegen das WpPG weiter fortgeführt werden. 3. Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln Um Maßnahmen wirkungsvoll durchsetzen zu können, müssen die gefor- 4 derten Handlungen oder Unterlassungen auch erzwungen werden können und das wiederum sehr zügig. Wird beispielsweise das öffentliche Angebot von bestimmten Wertpapieren untersagt und ist diese Maßnahmen sofort vollziehbar, so muss ebenso schnell reagiert werden können, wenn die Wertpapiere trotzdem weiter angeboten werden. Nach dem klarstellenden Hinweis in § 17 Satz 1 FinDAG1 kann die BaFin 5 ihre Verfügungen, die sie innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse trifft, mit Zwangsmitteln nach den Bestimmungen des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes (VwVG) durchsetzen. § 17 Satz 2 bis 4 FinDAG enthält vom VwVG abweichende Sonderregelungen, insbesondere kann die BaFin Zwangsgelder in der Höhe von bis zu 250.000 Euro festsetzen. Im Übrigen ergeben sich die zulässigen Zwangsmittel und das Verfahren aus dem VwVG. Da die Verwaltungsakte der BaFin in der Regel von ihren Adressaten unvertretbare Handlungen verlangen (man denke beispielsweise an ein Auskunfts- und Vorlageersuchen), kommt als zulässiges Zwangsmittel insbesondere das Zwangsgeld (§ 11 VwVG) in Betracht. Das Zwangsmittel ist anzudrohen (§ 13 VwVG, der auch die Zustellung der Androhung verlangt) und nach Ablauf einer Frist und der Nichterfüllung der Verpflichtung festzusetzen (§ 14 VwVG). Erst danach kann das Zwangsmittel angewendet (§ 15 VwVG) und vollstreckt (§ 3 VwVG) werden. Gegen die Androhung von Zwangsmitteln sind die gleichen Rechtsmittel möglich wie gegen den Verwaltungsakt, dessen Durchsetzung erzwungen werden soll (§ 18 Abs. 1 VwVG). Die Festsetzung des Zwangsgeldes stellt einen anfechtbaren Verwaltungsakt dar2, was sich auch im Umkehrschluss aus § 26 Nr. 2 WpPG ergibt. Ohne § 26 Nr. 2 WpPG würde bei Einlegung von Rechtsmitteln die Erzwingung von Maßnahmen der BaFin, wie zB der Unterlassung des öffentlichen Angebots, deutlich erschwert und sich vor allem zeitlich stark verzögern.

1 Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG) v. 22.4.2002 (BGBl. I 2002, 1310), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 25.6.2009 (BGBl. I 2009, 1506). 2 Engelhardt/App, VwVG/VwZG, § 14 VwVG Rz. 2, § 18 VwVG Rz. 10.

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§ 26 WpPG

Sofortige Vollziehung

III. Aufhebung des Sofortvollzugs, Rechtsschutz 7

Die BaFin kann die Maßnahme, die sofort vollziehbar ist, aufheben. Denkbar ist das beispielsweise im Falle der Untersagung eines öffentlichen Angebots ohne Prospekt, wenn zu einem späteren Zeitpunkt für das Angebot ein Prospekt gebilligt wird.

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Der Betroffene kann nach § 80 Abs. 5 VwGO beim Gericht der Hauptsache die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragen. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 FinDAG gilt für Klagen gegen die BaFin Frankfurt am Main als Sitz der Behörde.

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Abschnitt 7 Sonstige Vorschriften § 27 Register (1) Natürliche Personen sowie kleine oder mittlere Unternehmen können sich in ein bei der Bundesanstalt geführtes Register für qualifizierte Anleger eintragen lassen. (2) Eine natürliche Person wird auf Antrag für die Dauer eines Jahres in das Register eingetragen, wenn sie zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens zwei der folgenden Voraussetzungen erfüllt: 1. die Person hat in großem Umfang Geschäfte an Wertpapiermärkten durchgeführt und dabei in den letzten vier Quartalen durchschnittlich mindestens zehn Transaktionen pro Quartal getätigt, 2. der Wert ihres Wertpapierportfolios übersteigt 500.000 Euro oder 3. die Person war mindestens ein Jahr lang im Finanzsektor in einer beruflichen Position tätig, die Kenntnis auf dem Gebiet der Wertpapieranlage voraussetzt. Kleine und mittlere Unternehmen werden auf Antrag für die Dauer eines Jahres in das Register eingetragen, wenn sie im Zeitpunkt der Antragstellung die in § 2 Nr. 7 genannten Voraussetzungen erfüllen. (3) Die Eintragung verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn vor Ablauf des Jahres die Verlängerung beantragt und nachgewiesen wird, dass die Voraussetzungen für die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 weiterhin vorliegen. Die eingetragenen Personen und Unternehmen können von der Bundesanstalt jederzeit die Löschung ihrer Daten innerhalb von zwei Wochen ab Eingang des Löschungsantrages verlangen. (4) Das Register darf von einem Emittenten eingesehen werden, wenn dieser glaubhaft macht, dass die Einsichtnahme erforderlich ist, um sicherzustellen, dass das Angebot nur dem in § 3 Abs. 2 Nr. 1 genannten Personenkreis unterbreitet wird. (5) Das Bundesministerium der Finanzen kann zum Schutz der in dem Register gespeicherten Daten und personenbezogenen Daten durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen 1. über Inhalt und Aufbau des nach Absatz 1 bei der Bundesanstalt einzurichtenden Registers, 2. über das Verfahren zur Eintragung und der Verlängerung der Eintragung in das Register, die Nutzung der in dem Register gespeicherten Daten durch einen Emittenten und die Löschung der Daten und

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§ 27 WpPG

Register

3. über die Register anderer Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, die als gleichwertig im Sinne des § 2 Nr. 6 Buchstabe d und e anerkannt werden. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Siehe Einl. WpPG.

Inhaltsübersicht I. Regelungsgegenstand . . . . . . II. Das Register (§ 27 Abs. 1 WpPG) und die Wirkung einer Eintragung 1. Einrichtung und Führung des Registers (§ 27 Abs. 1 WpPG) 2. Wirkung der Eintragung . . . .

1

8 10

III. Eintragungsfähige Anleger und Eintragungsvoraussetzungen (§ 27 Abs. 2 WpPG) . .

12

IV. Inhalt der Eintragung . . . . . .

17

V. Dauer und Löschung der Eintragung 1. Regel (§ 27 Abs. 2 Satz 1 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Verlängerung (§ 27 Abs. 3 Satz 1 WpPG) . . . . . . . . . . . 3. Löschung (§ 27 Abs. 3 Satz 2 WpPG) . . . . . . . . . . . 4. Aufbewahrung von Unterlagen . . . . . . . . . . . . . VI. Einsichtnahme in das Register (§ 27 Abs. 4 WpPG) . . . . . 1. Zur Einsichtnahme Befugte . 2. Voraussetzungen der Einsichtnahme . . . . . . . . . . . . .

20 21 22 23 24 25

VII. Verordnungsermächtigung (§ 27 Abs. 5 WpPG) . . . . . . .

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VIII. Gebühren . . . . . . . . . . . . . .

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19

I. Regelungsgegenstand 1

Die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts nach § 3 Abs. 1 WpPG gilt unter anderem nicht für Angebote von Wertpapieren, deren Adressaten ausschließlich qualifizierte Anleger sind oder die sich (pro Staat des EWR1) an weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger richten (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 WpPG). Besteht keine Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts, weil sich das Angebot an qualifizierte Anleger richtet, so unterliegt der Anbieter einer informationellen Gleichbehandlungspflicht, indem er dafür Sorge zu tragen hat, dass an solche Anleger gerichtete wesentliche Informationen über den Emittenten allen qualifizierten Anlegern mitgeteilt werden (§ 15 Abs. 5 WpPG). Sämtliche der vorgenannten Bestim1 Der EWR umfasst nach § 2 Nr. 15 WpPG die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.

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Assmann

Register

§ 27 WpPG

mungen knüpfen an den Begriff des qualifizierten Anlegers an, den das Gesetz in § 2 Nr. 6 WpPG definiert. Unter die Anleger, die nach dieser Vorschrift als qualifizierte Anleger anzusehen sind, fallen nach § 2 Nr. 6 lit. d und e WpPG auch kleine und mittlere Unternehmen1 sowie natürliche Personen, sofern sie jeweils in ein nach Maßgabe des § 27 WpPG geführtes Register oder – im Falle von Unternehmen oder natürlichen Personen mit Sitz bzw. Wohnsitz in einem anderen Staat des EWR – in ein dem Register nach § 27 WpPG als gleichwertig anerkanntes Register eingetragen sind. Teil dieses Regelungssystems ist die Vorschrift des § 27 WpPG, welche die 2 Einrichtung eines Registers, in das sich kleine und mittlere Unternehmen sowie natürliche Personen eintragen lassen können, um die Eigenschaft eines qualifizierten Anlegers zu erlangen, zum Gegenstand hat. Vor allem bestimmt die Vorschrift die Voraussetzungen, unter denen eine Eintragung vorzunehmen (§ 27 Abs. 2 WpPG) oder zu löschen ist (§ 27 Abs. 3 Satz 2 WpPG), die Dauer der Eintragung (§ 27 Abs. 2 und 3 WpPG) sowie den Kreis derer, die in das Register Einsicht nehmen dürfen (§ 27 Abs. 4 WpPG). Darüber hinaus enthält § 27 Abs. 5 WpPG die Ermächtigung, zum Schutz der in dem Register gespeicherten Daten und personenbezogenen Daten Einzelheiten über Inhalt und Aufbau des Registers sowie über das Verfahren zur Eintragung und Löschung von Daten, zur Verlängerung der Eintragungen und zur Einsichtnahme in das Register durch Rechtsverordnung zu regeln. § 27 WpHG ist Teil der Umsetzung der Regelungsvorgaben der Prospektrichtlinie2 betreffend Angebote an qualifizierte Anleger in deutsches Recht. Im Einzelnen transformiert die Vorschrift Art. 2 Abs. 1 lit. e und f, Abs. 2 und Abs. 3 der Prospektrichtlinie. Die in nationales Recht zu übertragenden registerbezogenen Regelungen finden sich in Art. 2 Abs. 3 der Prospektrichtlinie: „… Jede zuständige Behörde stellt sicher, dass angemessene Mechanismen bestehen, um natürliche Personen sowie KMU [kleine und mittlere Unternehmen], die als qualifizierte Anleger angesehen werden, zu registrieren, wobei ein angemessenes Niveau des Datenschutzes sichergestellt wird. Das Register steht allen Emittenten zur Verfügung. Jede natürliche Person oder jedes KMU, die bzw. das als qualifizierter Anleger angesehen werden möchte, muss sich registrieren lassen, und jeder registrierte Anleger kann jederzeit entscheiden, sich wieder aus dem Register streichen zu lassen.“ Zu den Richtlinienbestimmungen in Bezug auf die § 27 WpPG zu Grunde liegenden Regelungen in §§ 2 Nr. 6 lit. d und e, 3 Abs. 2 Nr. 1 und 2 sowie § 15 Abs. 5 WpPG wird auf die Erläuterungen zu diesen Vorschriften verwiesen.

3

Die Regelungsidee, welche der publizitätsbezogenen Sonderbehandlung von Angeboten an qualifizierte Anleger zu Grunde liegt, ist die, dass es einer

4

1 Zum Begriff siehe § 2 Nr. 7 WpPG. 2 Richtlinie 2003/71/EG vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64.

Assmann

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§ 27 WpPG

Register

Prospektpflicht nicht bedarf, wenn sich das Angebot an Adressaten wendet, die über „ausreichend anderweitige Informationsquellen“ verfügen, „um sich die für den Kauf von Wertpapieren notwendige Erkenntnisgrundlage zu schaffen“1. Dieser Gedanke fand bereits in der Vorschrift des § 2 Nr. 1 VerkProspG aF ihren Niederschlag, derzufolge kein Prospekt veröffentlicht werden musste, wenn die Wertpapiere nur Personen angeboten wurden, die beruflich oder gewerblich für eigene oder fremde Rechnung Wertpapiere erwarben oder veräußerten. Die heute in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpPG enthaltene, an qualifizierte Anleger anknüpfende Ausnahme von der Prospektpflicht ist weiter und im Hinblick auf die Feststellung der Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands in Bezug auf qualifizierte natürliche Personen und kleine und mittlere Unternehmen mit der von einer Registereintragung ausgehenden Rechtssicherheit verbunden. 5

In der Sache stellt der Antrag der für eine Eintragung in Betracht kommenden natürlichen Personen und kleinen und mittleren Unternehmen auf Eintragung in das Register zugleich den partiellen Verzicht auf den von der Prospektpflicht ausgehenden informationellen Anlegerschutz dar. Dieser wird nunmehr in Bezug auf Angebote, welche sich ausschließlich an qualifizierte Anleger wenden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpPG), allein durch die allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen und Grundsätze in Bezug auf die Richtigkeit und Vollständigkeit von Informationen gewährleistet und um den in § 15 Abs. 5 WpPG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der informationellen Gleichbehandlung ergänzt.

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Der für die Dauer der Eintragung als qualifizierter Anleger in das Register wirksame Verzicht auf Prospektpublizität nach dem WpPG sowie ihrer Haftungsbewehrung gilt allerdings nur für Angebote, die sich ausschließlich an qualifizierte Anleger wenden, und kann, falls die Eintragung nur im Hinblick auf die Teilhabe an einem bestimmten Angebot eines Emittenten vorgenommen wurde, jederzeit nach Maßgabe von § 27 Abs. 3 Satz 2 WpPG aufgehoben werden: Wer eine Eintragung in das Register herbeiführt, um in Bezug auf eine spezielle, ausschließlich an qualifizierte Anleger gerichtete Emission als qualifizierter Anleger zu gelten, und hierzu die persönlichen Eintragungsvoraussetzungen des § 27 Abs. 2 Satz 1 WpPG erfüllen bzw. die Merkmale eines kleinen oder mittleren Unternehmens iS von § 2 Nr. 7 WpPG aufweisen muss, darf schon kraft dieser Umstände auch als qualifiziert betrachtet werden, die Wirkung dieser Eintragung auch für andere Emissionen zu ermessen, welche die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpPG von der Prospektpflicht nach § 3 Abs. 1 WpPG erfüllen. Eines Anlegerschutzes in Gestalt einer (de lege ferenda einzuführenden oder de facto zu gewährenden) entsprechenden Belehrung des Antragstellers durch die BaFin2 bedarf es daher nicht. 1 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29, zu § 3 Abs. 2. 2 So die Stellungnahme der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. v. 5.1.2005 zum Entwurf eines WpPG, S. 7. Ähnlich auch Stellungnahme

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§ 27 WpPG

Register

Das Register für qualifizierte Anleger errichtet und führt die BaFin unter 7 Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen, namentlich der §§ 27, 2 Nr. 6 WpPG. Von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung nach Maßgabe von § 27 Abs. 5 WpPG ist bisher kein Gebrauch gemacht worden. Zwar veröffentlichte die BaFin im Juli 2006 den „Entwurf einer Verordnung über das Register für qualifizierte Anleger nach § 27 Abs. 5 des Wertpapierprospektgesetzes (Anlegerregister-Verordnung – AregV)“1, doch wurde das Vorhaben – wohl wegen der geringen praktischen Bedeutung – nicht weiterverfolgt. Die seinerzeit vorgeschlagene Anlegerregister-Verordnung konkretisierte den Inhalt und Aufbau des Registers und den Ablauf des Verfahrens betreffend Eintragung, Verlängerung sowie Nutzung der Daten, Löschung der Eintragung und Einsichtnahme in das nach § 27 WpPG vorgesehene Anlegerregister, enthielt Regelungen bezüglich der Möglichkeit der elektronischen Datenübermittlung und legte Gebührentatbestände und Gebührenhöhe fest.

II. Das Register (§ 27 Abs. 1 WpPG) und die Wirkung einer Eintragung 1. Einrichtung und Führung des Registers (§ 27 Abs. 1 WpPG) § 27 Abs. 1 WpPG bestimmt die Einrichtung eines Registers für Anleger, die 8 nach § 2 Nr. 6 lit. d oder e WpPG unter der Voraussetzung ihrer Eintragung in dasselbe zu den qualifizierten Anlegern zu zählen sind; dass bisher keine Rechtsverordnung nach § 27 Abs. 5 WpPG ergangen ist (siehe oben Rz. 7), ist diesbezüglich unerheblich. Darüber hinaus regelt § 27 Abs. 1 WpPG, wem die Eintragung in das zu errichtende Register offen steht: Das sind zum einen kleine und mittlere Unternehmen iS des § 2 Nr. 7 WpPG, die ohne die Erfüllung weiterer Voraussetzungen auf Antrag in das Register einzutragen sind (§ 27 Abs. 2 Satz 2 WpPG); und das sind des Weiteren einen entsprechenden Antrag stellende natürliche Personen, soweit sie die in § 27 Abs. 2 Satz 1 WpPG angeführten Voraussetzungen erfüllen (siehe dazu unten Rz. 14).

Deutscher-Anlegerschutzbund e.V. (DASB) sowie der ProtectInvestAlliance (PIA) im Rahmen der Konsultation 3/2006 – Entwurf einer Verordnung über das Register für qualifizierte Anleger nach § 27 Abs. 5 des Wertpapierprospektgesetzes (Anlegerregister-Verordnung – AregV), siehe unten Rz. 7, abrufbar über die Website der BaFin http://www.bafin.de/nn_724066/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Unternehmen/Konsultationen/2006/kon__0306__anschreiben.html. Ebenso, vor dem Hintergrund von Bedenken gegen ein „nicht emittentenbezogen geführtes Register“, auch Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 27 WpPG Rz. 4. 1 Geschäftszeichen WA 11 – FR 4405 – 2006, mit allen weiteren Dokumenten der Konsultation abrufbar über http://www.bafin.de/nn_724066/SharedDocs/Veroeffentlichungen / DE / Unternehmen / Konsultationen / 2006 / kon__0306__anschreiben.html.

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Register

Das Register soll nach den Ausführungen des RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz1 ausschließlich im öffentlichen Interesse eingerichtet und geführt werden. Selbst wenn man dem zustimmen kann, weil nicht erkennbar ist, dass die Einrichtung des Registers dem Schutz individueller Marktteilnehmer zu dienen bestimmt ist, so sind dadurch Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB, Art. 34 GG jedenfalls gegenüber demjenigen, der nach § 27 Abs. 1 und 2 WpPG einen Anspruch auf Eintragung in das Register hat und auf Grund zu Unrecht abgelehnter, verzögerter oder unterlassener Eintragung nicht an einer Emission iS des § 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG teilhaben konnte, nicht ausgeschlossen. Da die Eintragung eines die Eintragungsvoraussetzung erfüllenden Anlegers keine Amtspflicht gegenüber dem Emittenten darstellt, wird dieser in dem vorgenannten Falle keine Amtshaftungsansprüche geltend machen können. Anders kann es sich dann verhalten, wenn dem Emittenten durch die ungerechtfertigte Verweigerung eines Einsichtsrechts nach § 27 Abs. 4 WpPG ein Nachteil entstanden ist. 2. Wirkung der Eintragung

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Obwohl dies in § 27 WpPG nicht ausdrücklich geregelt ist, ist jede in das Anlegerregister eingetragene juristische oder natürliche Person Dritten gegenüber kraft Eintragung als qualifizierter Anleger anzusehen2. Emittenten, die das Register einsehen dürfen, um sicherzustellen, dass das Angebot nur qualifizierten Anlegern unterbreitet wird und die Ausnahme von der Prospektpflicht nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG eingreift (§ 27 Abs. 4 WpPG), können sich auf die Eintragung verlassen.

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Kleinere und mittlere Unternehmen sowie natürliche Personen sind nur dann qualifizierte Anleger, wenn sie ins Register eingetragen sind (siehe auch unten Rz. 16).

III. Eintragungsfähige Anleger und Eintragungsvoraussetzungen (§ 27 Abs. 2 WpPG) 12

Eintragungsfähige Anleger sind nach § 27 Abs. 1 und 2 WpPG kleine und mittlere Unternehmen (siehe unten Rz. 13) und natürliche Personen (siehe unten Rz. 14).

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Kleine und mittlere Unternehmen werden bereits auf Grund der Stellung eines entsprechenden Antrags in das Register eingetragen, ohne dass es der Erfüllung anderer Voraussetzungen als derjenigen bedarf, welche ein Unterneh1 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 40. 2 Davon geht auch die Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses v. 23.8.2006 zum Entwurf einer Anlegerregister-Verordnung, S. 2, aus; die Stellungnahme ist abrufbar unter http://www.bafin.de/nn_724066/SharedDocs/Veroeffentlichungen / DE / Unternehmen / Konsultationen / 2006 / kon__0306__anschreiben.html.

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Register

§ 27 WpPG

men zu einem kleinen oder mittleren Unternehmen iS des WpPG machen (§ 27 Abs. 2 Satz 2 WpPG). Nach § 2 Nr. 7 WpPG sind kleine und mittlere Unternehmen „Personen oder Gesellschaften, die laut ihrem letzten Jahresabschluss oder Konzernabschluss mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: eine durchschnittliche Beschäftigtenzahl im letzten Geschäftsjahr von weniger als 250, eine Gesamtbilanzsumme von höchstens 43 Millionen Euro und ein Jahresnettoumsatz von höchstens 50 Millionen Euro.“ Diese Merkmale müssen im Zeitpunkt der Stellung des Antrags erfüllt sein. Natürliche Personen können dagegen nur eingetragen werden, wenn neben 14 dem Antrag auf Eintragung zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens zwei der in § 27 Abs. 2 WpPG aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind: (1) die Person hat in großem Umfang Geschäfte an Wertpapiermärkten durchgeführt und dabei in den letzten vier Quartalen durchschnittlich mindestens zehn Transaktionen pro Quartal getätigt, (2) der Wert ihres Wertpapierportfolios übersteigt 500.000 Euro oder (3) die Person war mindestens ein Jahr lang im Finanzsektor in einer beruflichen Position tätig, die Kenntnis auf dem Gebiet der Wertpapieranlage voraussetzt. Der Nachweis kann durch die Vorlage von Bankbestätigungen, Depotauszügen sowie Beschäftigungsnachweisen oder Zeugnissen des jeweiligen Arbeitgebers erfolgen. Für die Stellung des Antrags sieht das Gesetz keine Form vor, doch wird eine Rechtsverordnung iS des § 27 Abs. 5 WpPG, wie bei anderen Anträgen auf Vornahme einer Amtshandlung durch die BaFin, zweckmäßigerweise einen schriftlichen Antrag vorsehen1.

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Für die Eigenschaft kleinerer und mittlerer Unternehmen sowie natürlicher 16 Personen, qualifizierte Anleger zu sein, ist die Erfüllung der Eintragungsvoraussetzungen aus §§ 2 Nr. 7, 27 Abs. 2 WpPG allein nicht ausreichend. Vielmehr muss, wie sich aus dem Wortlaut des § 2 Nr. 6 lit. d und e WpPG ergibt („sofern … sie eingetragen sind“), die Eintragung hinzukommen. Mithin ist die Registereintragung konstitutiv.

IV. Inhalt der Eintragung Das Gesetz besagt zum Inhalt einer Eintragung in das Register für qualifi- 17 zierte Anleger lediglich, dass sich natürliche Personen sowie kleine oder mittlere Unternehmen eintragen lassen können (§ 27 Abs. 1 WpPG). Hieraus sowie aus dem Zweck des Registers, bestimmte Anleger als qualifizierte Anleger auszuweisen, ist aber zu folgern, dass sämtliche Angaben in das Register aufzunehmen sind, welche für die Identifikation der eingetragenen Anleger sowie für deren Zuordnung zu natürlichen Personen bzw. kleinen und mittleren Unternehmen erforderlich sind. Das sind bei natürlichen Personen Vorname und Familienname sowie deren Anschrift und bei Unter1 Das war auch in § 4 Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs einer Anlegerregister-Verordnung (siehe oben Rz. 7) vorgesehen, wobei der Antragsteller nach Satz 2 der Vorschrift die Richtigkeit seiner Angaben versichern sollte.

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§ 27 WpPG

Register

nehmen, auch Einzelkaufleuten1, die Firma oder – bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die keine Firma führen können – deren Namen sowie die Geschäftsanschrift. 18

Darüber hinaus ist im Hinblick auf die Dauer der Eintragung das Datum der Eintragung oder des Ablaufs der Dauer der Eintragung einzutragen. Vorzugswürdig ist Letzteres, da es dem Emittenten unschwer und ohne weitere Kenntnisse des § 27 WpPG die Ermittlung des Datums erlaubt, zu dem der eingetragene Anleger nicht mehr als qualifizierter Anleger angesehen werden darf.

V. Dauer und Löschung der Eintragung 1. Regel (§ 27 Abs. 2 Satz 1 WpPG) 19

Die Eintragung ist gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 WpPG auf ein Jahr, beginnend ab der Aufnahme in das Register, beschränkt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Personen oder Unternehmen, die nach Ablauf eines Jahres nicht mehr die Voraussetzungen für die Eintragung erfüllen, aus dem Register gestrichen werden2. 2. Verlängerung (§ 27 Abs. 3 Satz 1 WpPG)

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Um zu verhindern, dass die Eintragung eines Anlegers in das Register nach dem Ablauf von einem Jahr gestrichen wird, muss der Anleger vor dem erstmaligen Ablauf der Frist oder demjenigen der verlängerten Frist einen Antrag auf Verlängerung der Eintragung stellen. In diesem Antrag ist nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Eintragung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2 WpPG weiterhin vorliegen. Im Falle der Eintragung als kleines oder mittleres Unternehmen sind mithin auch die Voraussetzungen nachzuweisen, die das Unternehmen nach § 2 Nr. 7 WpPG jeweils als solches qualifizieren. Liegen die Voraussetzungen der Verlängerung der Dauer des Eintrags vor, verlängert sich diese um ein Jahr. Wiederum schreibt das Gesetz keine Form des Antrags vor, doch ist auch hier aus praktischen Gründen bereits heute ein schriftlicher Antrag angebracht und in einer etwaigen Rechtsverordnung nach § 27 Abs. 5 WpPG zu verlangen3. 3. Löschung (§ 27 Abs. 3 Satz 2 WpPG)

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Die in das Register eingetragenen Personen und Unternehmen können gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 WpPG von der BaFin jederzeit die Löschung der Ein1 Nach § 2 Nr. 7 WpPG können sich als kleine und mittlere Unternehmen nicht nur Gesellschaften, sondern auch „Personen“ qualifizieren. 2 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 40. 3 So schon § 6 des Entwurfs einer Anlegerregister-Verordnung (siehe oben Rz. 7) durch Verweis auf § 4 des Entwurfs.

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Register

tragung verlangen. In diesem Falle hat die Löschung der eingetragenen Daten des Antragstellers innerhalb von zwei Wochen ab Eingang des Löschungsantrages zu erfolgen (§ 27 Abs. 3 Satz 2 WpPG). Für das Verlangen ist nach dem Gesetz keine Form vorgeschrieben; es gilt auch hier das vorstehend in Rz. 20 aE zum Verlängerungsantrag Ausgeführte1. 4. Aufbewahrung von Unterlagen Mangels gesetzlicher Regelung empfiehlt es sich, in eine Verordnung nach 22 § 27 Abs. 5 WpPG eine Regelung über die Aufbewahrung von Unterlagen über die Beantragung, die Vornahme, die Verlängerung und die Löschung von Eintragungen aufzunehmen, um den Nachweis zu erlauben, wer über welchen Zeitraum als qualifizierter Anleger im Register eingetragen war2.

VI. Einsichtnahme in das Register (§ 27 Abs. 4 WpPG) § 27 Abs. 4 WpPG regelt, wer unter welchen Voraussetzungen in das Register Einsicht nehmen darf.

23

1. Zur Einsichtnahme Befugte Zur Einsichtnahme befugt ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nur ein 24 Emittent, dh. gemäß § 2 Nr. 9 WpPG eine „Person oder Gesellschaft, die Wertpapiere begibt oder zu begeben beabsichtigt“. Diese Beschränkung auf Emittenten macht indes keinen Sinn und ist auf Anbieter iS des § 2 Nr. 10 WpPG zu erstrecken3. Dafür sprechen folgende Überlegungen: Die Prospektpflicht nach § 3 Abs. 1 WpPG richtet sich an alle, die im Inland Wertpapiere öffentlich anbieten, und damit gemäß § 2 Nr. 10 WpPG „Anbieter“ iS des WpPG sind. Gleiches muss dementsprechend auch für die Ausnahmen von der Prospektpflicht gelten, dh. für das Angebot ausschließlich an qualifizierte Anbieter (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) oder an weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 WpPG). Es ist mithin der Anbieter, der in der Lage sein muss, durch Einsichtnahme in das Register nach § 27 WpPG zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Ausnahme nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 WpPG gegeben sind. Während zum Kreis der Anbieter auch

1 Auch § 7 Abs. 2 Satz 1 des Entwurfs einer Anlegerregister-Verordnung (siehe oben Rz. 7) sah diesbezüglich einen schriftlichen Antrag vor und fügte in Satz 2 hinzu: „Im Fall der Übersendung eines Antrags mittels Telefax ist auf Verlangen der Bundesanstalt der vom Anleger oder dessen gesetzlichen Vertreter eigenhändig unterschriebene Antrag auf dem Postweg nachzureichen“. 2 Der Entwurf einer Anlegerregister-Verordnung (siehe oben Rz. 7) sah diesbezüglich keine Regelung vor. 3 Im Ergebnis ebenso Groß, Kapitalmarktrecht, Anm. zu § 27 WpPG; Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 27 WpPG Rz. 6. AA, aber ohne Auseinandersetzung mit dem Problem, Linke in Schäfer/Hamann, § 27 WpPG Rz. 7.

Assmann

605

§ 27 WpPG

Register

Emittenten gehören können und im Regelfall der Emittent von Wertpapieren auch der Anbieter ist, muss der Emittent der Wertpapiere aber nicht notwendigerweise derjenige sein, der die Wertpapiere iS des § 3 Abs. 1 WpPG anbietet. Es ist deshalb verfehlt, das Recht zur Einsichtnahme in das Register nach § 27 WpPG an den Begriff des Emittenten statt an denjenigen des Anbieters anzuknüpfen. Diese Ungereimtheit kann auf die im entscheidenden Punkt wortgleiche Umsetzung von Art. 2 Abs. 3 Satz 2 der Prospektrichtlinie1 zurückgeführt werden. In dieser Vorschrift heißt es: „Das Register steht allen Emittenten zur Verfügung“ (Hervorhebung hinzugefügt), doch weist diese Regelung auch im Zusammenhang der Richtlinie die gleiche Ungereimtheit auf wie im Umsetzungsgesetz in Gestalt des WpPG: Auch die Richtlinie hat zum Ziel, Anbieter – also Emittenten und/oder entsprechend einzuordnende Anbieter, die nicht Emittenten sind (arg. ex Art. 2 lit. h und i Prospektrichtlinie) – einer Prospektpflicht zu unterwerfen und in Bezug auf gewisse Angebote unter Beteiligung qualifizierter Anleger von dieser auszunehmen. Die Auslegung sowohl der Prospektrichtlinie wie des diese umsetzenden Gesetzes im Allgemeinen und des § 27 Abs. 4 WpPG im Besonderen ergibt mithin, dass als Emittent iS der Vorschrift auch der Anbieter von Wertpapieren iS des § 2 Nr. 10 WpPG anzusehen ist, dessen öffentliches Angebot § 3 Abs. 1 WpPG unterfällt. 2. Voraussetzungen der Einsichtnahme 25

Die Einsichtnahme in das Register setzt des Weiteren voraus, dass der Emittent und Anbieter glaubhaft macht, dass die Einsichtnahme erforderlich ist, um sicherzustellen, dass das Angebot nur dem in § 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG genannten Personenkreis unterbreitet wird. Dabei ist es unerheblich, ob er im Wege der Einsichtnahme feststellen will, ob es sich bei den Personen, die auf seiner Angebotsliste stehen, um qualifizierte Anleger handelt, oder ob er seine Liste erst nach den in dem Verzeichnis aufgeführten qualifizierten Anlegern zusammenstellen will.

26

Zum Zwecke der Prüfung, ob im Einzelfall die Voraussetzungen zur Einsichtnahme in das Register gegeben sind, wird – ohne dass das Gesetz dies ausdrücklich anordnet – zwangsläufig ein Antrag zur Einsichtnahme unter Beifügung der Erklärung und gegebenenfalls der Unterlagen, aus welchen sich das Erfordernis der Einsichtnahme ergibt, zu stellen sein. Dieser kann formlos erfolgen, doch sollte die Verordnung nach § 27 Abs. 5 WpPG zweckmäßigerweise einen schriftlichen Antrag verlangen2.

27

Die Notwendigkeit des Nachweises, dass die Einsichtnahme erforderlich ist, um sicherzustellen, dass das Angebot nur dem in § 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG genannten Personenkreis unterbreitet wird, ist unter Hinweis darauf, dass die Prospektrichtlinie keine entsprechende Einschränkung enthalte, als 1 Richtlinie 2003/71/EG v. 4.11.2003, Rz. 3. 2 Auch § 9 Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs einer Anlegerregister-Verordnung (siehe oben Rz. 7) sah diesbezüglich einen schriftlichen Antrag vor.

606

Assmann

§ 27 WpPG

Register

nicht richtlinienkonform kritisiert worden1. Dem ist indes nicht zu folgen, da die Richtlinie verlangt, bei der Einrichtung eines Registers für qualifizierte Anleger „ein angemessenes Niveau des Datenschutzes“ sicherzustellen, und das Erfordernis der Glaubhaftmachung dem Schutz der Daten der eingetragenen Anleger dient, ohne für die zur Einsichtnahme Berechtigten eine unangemessene Last darzustellen.

VII. Verordnungsermächtigung (§ 27 Abs. 5 WpPG) § 27 Abs. 5 Satz 1 WpPG ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen, 28 zum Schutz der in dem Register gespeicherten Daten und personenbezogenen Daten nähere Einzelheiten der Errichtung des Registers sowie des Verfahrens zur Eintragung oder Einsichtnahme in das Register durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln. Die Einschränkung, dass die Bestimmungen der Verordnung dem Datenschutz dienen, ist auch dann zu beachten, wenn die einzelnen Bestimmungen den in § 27 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1–3 WpPG angeführten Regelungsgegenständen zuzuordnen sind. Dadurch wird gewährleistet, dass im Hinblick auf die prospektbezogene Privilegierung des Angebots an qualifizierte Anleger keine Hürden aufgebaut werden, welche nicht im Hinblick auf den Schutz der Daten der eingetragenen Anleger geboten sind. § 27 Abs. 5 Satz 2 WpPG erlaubt es dem Bundesministerium der Finanzen, die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 27 Abs. 5 Satz 1 WpPG seinerseits durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu übertragen. Von dieser Übertragungs-Ermächtigung hat das Bundesministerium in § 1 Nr. 7 BAFinBefugV Gebrauch gemacht. Die entsprechende Vorschrift wurde der BAFinBefugV v. 13.12.20022 durch Art. 7 Nr. 3 des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 22.6.20053 hinzugefügt.

29

Wie bereits an früherer Stelle (siehe oben Rz. 7) ausgeführt, hat die BaFin von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung bislang keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr ist es bei dem Entwurf einer Verordnung über das Register für qualifizierte Anleger vom Juli 2006 (siehe oben Rz. 7) geblieben.

30

1 Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht v. 13.4.2005 zum RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, S. 6; unter Hinweis hierauf wohl auch Röhrborn in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 27 WpPG Fn. 9 zu Rz. 6. 2 BGBl. I 2003, 3, zuletzt geändert durch die Verordnung v. 11.12.2009, BGBl. I 2009, 3904. 3 BGBl. I 2005, 1698.

Assmann

607

§ 28 WpPG

Gebühren und Auslagen

VIII. Gebühren 31

Die Gebühren für den Antrag auf Eintragung, auf Änderung (einschließlich Löschung) der Eintragung und auf Verlängerung der Eintragung in das Register für qualifizierte Anleger sind auf der Grundlage von § 28 WpPG iVm. dem 2. Abschnitt des Verwaltungskostengesetzes v. 23.6.19701 und § 1 Nr. 7 BAFinBefugV entweder in der WpPGebV v. 29.6.20052 oder in der nach § 27 Abs. 5 WpPG zu erlassenden Verordnung über das Register für qualifizierte Anleger zu regeln. Siehe im Übrigen die Erläuterungen zu § 28 WpPG.

§ 28 Gebühren und Auslagen (1) Für Amtshandlungen nach diesem Gesetz, nach den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften und nach Rechtsakten der Europäischen Union kann die Bundesanstalt Gebühren und Auslagen erheben. (2) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebühren nach festen Sätzen oder als Rahmengebühren näher zu bestimmen. Die Gebührensätze und die Rahmengebühren sind so zu bemessen, dass zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung ein angemessenes Verhältnis besteht. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Siehe Einl. WpPG. Inhaltsübersicht I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . II. Ermächtigung zur Erhebung von Gebühren und Auslagen (§ 28 Abs. 1 WpPG) . . . . . . . III. Festsetzung der gebührenpflichtigen Tatbestände und Gebühren (§ 28 Abs. 2 WpPG) 1 BGBl. I 1970, 821. 2 BGBl. I 2005, 1875.

608

Assmann

1

3

1. Festsetzungsermächtigung . . 2. Wertpapierprospektgebührenverordnung . . . . . . . . . . . . . 3. Amtshandlungen im Zusammenhang mit dem Register für qualifizierte Anleger nach § 27 WpPG . . . . . . . . .

4 7

11

Gebühren und Auslagen

§ 28 WpPG

I. Übersicht Der BaFin entstehen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem WpPG, nach den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften und nach europäischen Rechtsakten Kosten. § 28 Abs. 1 WpPG ermächtigt die Aufsichtsbehörde, zur Deckung dieser Kosten Gebühren und Auslagen zu erheben. Dazu bedarf es einer Festsetzung der gebührenpflichtigen Tatbestände und der zu erhebenden Gebühren. Die diesbezügliche Ermächtigung wird in § 28 Abs. 2 Satz 1 WpPG dem Bundesministerium der Finanzen erteilt. Nach dieser Vorschrift kann das Bundesministerium die einzelnen gebührenpflichtigen Tatbestände und die jeweiligen Gebühren nach festen Sätzen oder als Rahmengebühren durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmen. Bei der Festlegung der Gebührensätze und der Rahmengebühren sind die in § 28 Abs. 2 Satz 2 WpPG niedergelegten Grundsätze zu berücksichtigen. § 28 Abs. 2 Satz 3 WpPG erlaubt es dem Bundesministerium der Finanzen, die Ermächtigung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WpPG durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu übertragen.

1

§ 28 WpPG und die auf ihrer Grundlage ergangene Wertpapierprospektgebührenverordnung (siehe unten Rz. 7) stellen eine Sonderregelung zu der allgemeinen Gebührenregelung in §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 FinDAG dar.

2

II. Ermächtigung zur Erhebung von Gebühren und Auslagen (§ 28 Abs. 1 WpPG) § 28 Abs. 1 WpPG enthält die Ermächtigung, für Amtshandlungen der BaFin 3 nach dem WpPG, nach den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften und nach Rechtsakten der Europäischen Union Gebühren und Auslagen zu erheben. Während § 16 Abs. 2 VerkProspG aF die Gebührentatbestände noch an der „Hinterlegung des Verkaufsprospekts“ festmachte1, enthält der dieser Bestimmung funktional entsprechende § 28 Abs. 1 WpPG keine gesetzlichen Anordnungen, für welche Amtshandlungen der BaFin Gebühren zu erheben und Auslagen zu ersetzen sind, sondern überlässt dies dem Bundesministerium der Finanzen und der von diesem oder nach entsprechender Delegation auf die BaFin (siehe unten Rz. 4) von dieser gemäß § 28 Abs. 2 WpPG zu erlassenden Rechtsverordnung.

III. Festsetzung der gebührenpflichtigen Tatbestände und Gebühren (§ 28 Abs. 2 WpPG) 1. Festsetzungsermächtigung § 28 Abs. 2 Satz 1 WpPG ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf, 1 Siehe dazu Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 16 VerkProspG Rz. 6 f.

Assmann

609

4

§ 28 WpPG

Gebühren und Auslagen

die auf Amtshandlungen der BaFin beruhenden gebührenpflichtigen Tatbestände sowie die hierfür von der BaFin zu erhebenden Gebühren nach festen Sätzen oder als Rahmengebühren näher zu bestimmen. 5

Bei der Bemessung der Gebührensätze und der Rahmengebühren sind nach § 28 Abs. 2 Satz 2 WpPG der Verwaltungsaufwand einerseits und die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert und der sonstige Nutzen der Amtshandlung so zu berücksichtigen, dass zwischen diesen Größen ein angemessenes Verhältnis besteht.

6

Das Bundesministerium der Finanzen kann gemäß § 28 Abs. 2 Satz 3 WpPG die Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung iS von § 28 Abs. 2 Satz 1 WpPG durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. Hiervon hat das Bundesministerium mit der auf Art. 7 Nr. 3 des Prospektrichtlinien-Umsetzungsgesetzes v. 22.6.20051 zurückgehenden Einfügung des § 1 Nr. 7 in die Verordnung v. 13.12.2002 zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFinBefugV)2 Gebrauch gemacht. 2. Wertpapierprospektgebührenverordnung

7

Auf der Grundlage der Ermächtigung des Bundesministeriums der Finanzen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WpPG und der Übertragung dieser Ermächtigung auf die BaFin entsprechend § 28 Abs. 2 Satz 3 WpPG iVm. dem 2. Abschnitt des Verwaltungskostengesetzes v. 23.6.19703 hat die BaFin die Verordnung über die Erhebung von Gebühren nach dem Wertpapierprospektgesetz (Wertpapierprospektgebührenverordnung – WpPGebV) v. 29.6.20054 erlassen.

8

In der Wertpapierprospektgebührenverordnung sind die gebührenpflichtigen Amtshandlungen und die Gebührensätze geregelt. Sie bestimmen sich, außer in den in § 3 WpPGebV angeführten besonderen Fällen, gemäß § 2 Abs. 1 WpPGebV nach dem der Verordnung angefügten Gebührenverzeichnis. Des Weiteren bestimmt § 2 Abs. 2 WpPGebV, dass die nach dem Gebührenverzeichnis ermittelte Gebühr – abhängig vom tatsächlichen Verwaltungsaufwand – bis auf das Doppelte erhöht werden kann, falls die gebührenpflichtige Amtshandlung im Einzelfall einen außergewöhnlich hohen Verwaltungsaufwand erforderte.

9

Auslagen werden nach § 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpPGebV nicht gesondert erhoben.

1 BGBl. I 2005, 1698. 2 BGBl. I 2003, 3, zuletzt geändert durch die Verordnung v. 11.12.2009, BGBl. I 2009, 3904. 3 BGBl. I 1970, 821. 4 BGBl. I 2005, 1875.

610

Assmann

§ 29 WpPG

Benennungspflicht

Im Übrigen gilt gemäß § 1 Satz 2 WpPGebV das Verwaltungskostengesetz v. 23.6.19701.

10

3. Amtshandlungen im Zusammenhang mit dem Register für qualifizierte Anleger nach § 27 WpPG Die Wertpapierprospektgebührenverordnung enthält bislang keine Regelung über die Gebühren für die im Zusammenhang mit einem Register für qualifizierte Anleger nach § 27 WpPG vorzunehmenden Amtshandlungen, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein mag, dass bislang keine Rechtsverordnung über ein solches Register nach § 27 Abs. 5 WpPG erging (vgl. § 27 WpPG Rz. 7).

11

Als gebührenpflichtig dürften in Bezug auf registerbezogene Amtshandlungen vor allem die Bearbeitung von Anträgen auf Eintragung, auf Änderung (insbesondere Löschung) einer Eintragung, auf Verlängerung einer Eintragung sowie auf die Einsichtnahme in das Register zu behandeln sein2. Ihre Regelung kann durch Ergänzung des Gebührenverzeichnisses der Wertpapierprospektgebührenverordnung oder, wegen des Zusammenhangs mit den in der Rechtsverordnung zum Register für qualifizierte Anleger zu konkretisierenden Amtshandlungen, in dieser Verordnung erfolgen. Im letzteren Falle sollte im Gebührenverzeichnis der Wertpapierprospektgebührenverordnung, von der man die vollständige Auflistung der für Amtshandlungen nach dem WpPG anfallenden Gebühren erwartet, ein entsprechender Hinweis aufgenommen werden.

12

§ 29 Benennungspflicht Ist für einen Emittenten mit Sitz im Ausland gemäß § 2 Nr. 13 Buchstabe b oder c die Bundesanstalt zuständig, so hat er im Inland einen Bevollmächtigten zu benennen. § 15 Satz 2 und 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gilt entsprechend. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Siehe Einl. WpPG.

1 BGBl. I 1970, 821. 2 Vgl. die Hinweise in Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BTDrucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 40.

Assmann

611

§ 30 WpPG

Bußgeldvorschriften

1

Auch Emittenten mit Sitz im Ausland können kraft eines in § 2 Nr. 13 lit. b und c WpPG geregelten Wahlrechts der Zuständigkeit der BaFin unterfallen, obwohl für sie Deutschland nicht der Herkunftsstaat iS des § 2 Nr. 13 lit. a WpPG ist. Um sicherzustellen, dass auch bei solchen Emittenten „die für eine zügige Billigung des Prospekts und Überwachung der sich aus diesem Gesetz ergebenden Pflichten eine erforderliche, zeitnahe Kommunikation möglich ist“1, müssen sie nach § 29 Satz 1 WpPG über einen Empfangsbevollmächtigten in Deutschland verfügen und diesen der Aufsichtsbehörde benennen. Die Vorschrift ist § 131 InvG nachgebildet, der wiederum dem vom InvG abgelösten § 15a AuslInvestmG aF entspricht. Eine im Hinblick auf die Bekanntgabe und die Zustellung von Verfügungen der BaFin ausgerichtete, in diesem Rahmen aber vergleichbaren Regelungszwecken dienende Vorschrift findet sich auch in § 16a VerkProspG.

2

Die Anordnung der entsprechenden Anwendung von § 15 Satz 2 und 3 VwVfG in § 29 Satz 2 WpPG hat zu Folge, dass im Falle der Nichtbenennung eines Empfangsbevollmächtigten entgegen § 29 Satz 1 WpPG ein an den betroffenen Emittenten gerichtetes Schriftstück am siebenten Tage nach der Aufgabe zur Post und ein elektronisch übermitteltes Dokument am dritten Tage nach der Absendung als zugegangen gilt, es sei denn, es steht fest, dass das Dokument den Empfänger nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt erreicht hat (§ 15 Sätze 2 und 3 VwVfG).

§ 30 Bußgeldvorschriften (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig 1. entgegen § 3 Abs. 1 Satz 1 im Inland Wertpapiere öffentlich anbietet, ohne dass ein Prospekt nach den Vorschriften dieses Gesetzes bereits veröffentlicht worden ist, 2. entgegen § 8 Abs. 1 Satz 6 oder 7 den Emissionspreis oder das Emissionsvolumen nicht, nicht richtig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht, 3. entgegen § 8 Abs. 1 Satz 9 den Emissionspreis oder das Emissionsvolumen nicht oder nicht rechtzeitig hinterlegt, 4. entgegen § 10 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 das dort genannte Dokument dem Publikum nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellt oder nicht oder nicht rechtzeitig hinterlegt, 5. entgegen § 13 Abs. 1 Satz 1 einen Prospekt veröffentlicht, 1 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 40.

612

Assmann

§ 30 WpPG

Bußgeldvorschriften

6. entgegen § 14 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, einen Prospekt nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht, 7. entgegen § 14 Abs. 3 eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig macht, 8. entgegen § 14 Abs. 5 eine Papierversion des Prospekts nicht zur Verfügung stellt oder 9. entgegen § 16 Abs. 1 Satz 4 einen Nachtrag nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht. (2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer vollziehbaren Anordnung nach 1. § 15 Abs. 6 Satz 1 oder 2 oder § 21 Abs. 2 Satz 1 oder 2. § 21 Abs. 4 Satz 1 oder 2 zuwiderhandelt. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 5 und des Absatzes 2 Nr. 2 mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 mit einer Geldbuße bis zu einhunderttausend Euro und in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. (4) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Bundesanstalt. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698), geändert durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 (BGBl. I 2008, 2794). Schrifttum: Bohnert, Kommentar zum Ordnungswidrigkeitenrecht, 2. Aufl. 2007; Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblatt, Stand Oktober 2009; Göhler, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 15. Aufl. 2009; Senge (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, 3. Aufl. 2006. Siehe auch Einl. WpPG.

Inhaltsübersicht I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine ordnungswidrigkeitenrechtliche Anwendungsfragen der Vorschrift . . 1. Zeitlicher und räumlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . 2. Begehungsformen: Vorsatz, Fahrlässigkeit, Leichtfertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . b) Leichtfertigkeit . . . . . . . .

1

6 7 11 12 15

3. 4. 5. 6.

c) Fahrlässigkeit . . . . . . . . . Keine Ahndung des Versuchs Täter und Beteiligte . . . . . . . Verjährung . . . . . . . . . . . . . Zusammentreffen von Ordnungswidrigkeit und Straftat

16 17 18 21 22

III. Ordnungswidrigkeiten nach § 30 Abs. 1 WpPG . . . . . . . . 23 1. Verstöße gegen die allgemeine Prospektpflicht (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG) . . . . . . . . . . . . 24

Assmann

613

§ 30 WpPG 2. Verstöße gegen die Pflicht zur Veröffentlichung des Emissionspreises und des Emissionsvolumens (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 WpPG) . . . . . . . . . . . . 3. Verstöße gegen die Hinterlegung des endgültigen Emissionspreises und des Emissionsvolumens (§ 30 Abs. 1 Nr. 3 WpPG) . . . . . . . . . . . . 4. Verstöße in Bezug auf die Veröffentlichung des jährlichen Dokuments (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 WpPG) . . . . . . . . . . . . 5. Verstöße gegen das Verbot der Veröffentlichung des Prospekts vor seiner Billigung (§ 30 Abs. 1 Nr. 5 WpPG) . . . 6. Verstöße gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Veröffentlichung des Prospekts (§ 30 Abs. 1 Nr. 6 WpPG) . . . . . . . 7. Verstoß gegen die Mitteilungspflicht gegenüber der BaFin (§ 30 Abs. 1 Nr. 7 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verstöße gegen die Pflicht zur Überlassung einer Papierversion des Prospekts (§ 30 Abs. 1 Nr. 8 WpPG) . . . . . . .

Bußgeldvorschriften 9. Verstöße gegen die Pflicht, einen erforderlichen Nachtrag zu veröffentlichen (§ 30 Abs. 1 Nr. 9 WpPG) . . . 27

28

29

32

35

38

IV. Ordnungswidrigkeiten nach § 30 Abs. 2 WpPG . . . . . . . . 1. Vollziehbare Anordnung der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuwiderhandlung gegen die vollziehbare Anordnung wegen unzulässiger Werbung und wegen Auskunfts- und Herausgabepflichten (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) . . . . . . . 3. Zuwiderhandlung gegen die vollziehbare Anordnung über die Untersagung oder Aussetzung eines öffentlichen Angebotes (§ 30 Abs. 2 Nr. 2 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . .

43 45 46

50

52

V. Bußgeldrahmen (§ 30 Abs. 3 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . .

53

IV. Zuständige Behörde (§ 30 Abs. 4 WpPG) . . . . . . . . . . .

59

41

I. Übersicht 1

Mit der Bußgeldvorschrift des § 30 WpPG wird Art. 25 Abs. 1 der Prospektrichtlinie 2003/71/EG1 umgesetzt. In Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie ist den Mitgliedstaaten aufgegeben, sicherzustellen, dass bei Missachtung der zur Durchführung der Richtlinie erlassenen Bestimmungen „angemessene Verwaltungsmaßnahmen getroffen oder Verwaltungssanktionen verhängt werden können“. Dabei sollen die Maßnahmen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Diesem Zweck dienen v.a. die Bußgeldbestimmungen des § 30 WpPG.

2

Ausweislich der Gesetzesbegründung orientieren sich die Bußgeldtatbestände des § 30 WpPG weitgehend an § 17 VerkProspG und § 71 Abs. 1 Börs-

1 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 325 v. 31.12.2003, S. 64 ff. Siehe auch Einl. WpPG Rz. 5.

614

Assmann

Bußgeldvorschriften

§ 30 WpPG

ZulV aF1. Die in § 30 WpPG als Ordnungswidrigkeiten erfassten Verhaltensweisen beziehen sich allesamt auf solche, die Gegenstand der die Prospektveröffentlichung und Hinterlegung regelnden und für sich genommen keinen ordnungswidrigkeitenrechtlichen Charakter aufweisenden Ge- und Verbote des WpPG sind, weshalb es sich bei den in § 30 WpPG erfassten Ordnungswidrigkeitstatbeständen um unechte Blanketttatbestände2 handelt. Nicht jeder Verstoß gegen eine der im WpPG formulierten Pflichten stellt 3 eine Ordnungswidrigkeit dar: eine Ordnungswidrigkeit iS von § 30 Abs. 1 WpPG begeht vielmehr nur die Person, die vorsätzlich oder leichtfertig gegen eine der in der Vorschrift durch Verweis auf ihre entsprechende Regelung im Gesetz aufgeführten Verhaltenspflichten verstößt. § 30 Abs. 2 WpPG ahndet vorsätzliche oder fahrlässige Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Anordnungen der BaFin. § 30 Abs. 3 WpPG setzt den abgestuften Bußgeldrahmen für Ordnungswidrigkeiten nach Maßgabe von Abs. 1 und Abs. 2 fest. § 30 Abs. 4 WpPG regelt, den Erfordernissen der §§ 35, 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG entsprechend, die sachliche Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, indem er sie der BaFin überträgt. Die einzelnen Bußgeldtatbestände nach § 30 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG lassen 4 sich nach ihrem primären Schutzzweck unterteilen. Während ein Teil der Tatbestände (etwa § 30 Abs. 1 Nr. 3, 4 Alt. 2, 7, Abs. 2 Nr. 1 Alt. 3 WpPG) die Kontrollbefugnisse der BaFin sichern soll, zielt ein anderer (zB § 30 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 Alt. 1, Abs. 2 Nr. 2 WpPG) in erster Linie darauf ab, die Transparenz, die Integrität und den Anlegerschutz am deutschen Kapitalmarkt zu verbessern und auf diese Weise die Leistungsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland im internationalen Wettbewerb zu erhöhen3. Wie die Pflichten, deren Verletzung die Ordnungswidrigkeitstatbestände des § 30 Abs. 1 und 2 WpPG zur Grundlage haben, dienen auch die Ordnungswidrigkeitstatbestände dem Schutz des Anlegerpublikums4 und dem Funktionenschutz des Kapitalmarkts. Dem steht nicht entgegen, dass einzelne Pflichtverletzungen – wie namentlich Verstöße gegen die Prospektpflicht (§ 3 WpPG) und die Pflicht zu vollständigen und richtigen Prospektangaben (§ 5 WpPG) – besondere, zu Schadensersatz verpflichtende Haftungstatbestände – in den vorgenannten Fällen § 13a VerkProspG bzw. §§ 44 ff. BörsG und 1 RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 40. 2 Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 30 WpPG Rz. 2. Unechte Blanketttatbestände liegen vor, wenn sich die in Bezug genommenen Vorschriften in ein und demselben Gesetz finden, das von ein und demselben Gesetzgeber erlassen worden ist, so dass weder ein Normgeber- noch ein Normebenensprung vorliegt; vgl. Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, Vor § 38 WpHG Rz. 7. Zu Blanketttatbeständen im Ordnungswidrigkeitenrecht siehe Rogall in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, Vor § 1 OWiG Rz. 15 ff. 3 RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 25. 4 Vgl. Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 30 WpPG Rz. 1.

Assmann

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§ 30 WpPG

Bußgeldvorschriften

§ 13 VerkProspG (siehe Einl. WpPG Rz. 47 ff.) – nach sich ziehen. Darf man gerade im Hinblick auf solche haftungsbegründenden Sondertatbestände davon ausgehen, dass der Gesetzgeber Pflichten, die den Individualschutz bezwecken, besondere Haftungstatbestände zur Seite gestellt hat, kann den Ordnungswidrigkeitstatbeständen in § 30 Abs. 1 und 2 WpPG als solchen kein Schutzgesetzcharakter iS des § 823 Abs. 2 BGB zugewiesen werden. 5

Um die bußgeldbewehrten Ordnungswidrigkeitstatbestände des WpPG erfassen zu können, zwingt die Blanketttechnik des § 30 WpPG (siehe oben Rz. 2) zur Zusammenschau einerseits der in Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 9 und der in Abs. 2 Nr. 1 und 2 enthaltenen Sanktionsnormen und andererseits der jeweils in Bezug genommenen Verhaltenspflichten. Dem wird bereits in der Kommentierung der nach Abs. 1 Nrn. 1–9 und Abs. 2 Nrn. 1 und 2 sanktionierten Verhaltensweisen in der Weise Rechnung getragen, dass im Zusammenhang mit den Erläuterungen der erfassten Ge- und Verbote – idR am Ende der Kommentierung der jeweiligen Norm – zugleich deren ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktion dargestellt ist. Im Folgenden kann es deshalb sein Bewenden bei einer Übersicht über die durch § 30 Abs. 1 WpPG (siehe unten Rz. 23 ff.) und § 30 Abs. 2 WpPG (siehe unten Rz. 45 ff.) sanktionierten Gebote und Verbote haben. Dieser vorausgeschickt sind für die Anwendung des § 30 WpPG maßgebliche Vorschriften und Grundsätze des Ordnungswidrigkeitenrechts (Rz. 7 ff.).

II. Allgemeine ordnungswidrigkeitenrechtliche Anwendungsfragen der Vorschrift 6

Auf die Ordnungswidrigkeiten nach § 30 Abs. 1 und 2 WpPG findet gemäß § 2 OWiG das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Anwendung. Darüber hinaus gelten die allgemeinen Grundsätze des Ordnungswidrigkeitenrechts1. 1. Zeitlicher und räumlicher Geltungsbereich

7

Für die zeitliche und räumliche Geltung der Ordnungswidrigkeiten nach § 30 Abs. 1 und 2 WpPG sind §§ 4, 5, 7 OWiG maßgeblich.

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In zeitlicher Hinsicht werden Verstöße erfasst, die sich nach dem Inkrafttreten des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. WpPG Rz. 4) zum 1.7.2005 ereignet haben.

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Sieht man von dem sog. Flaggenprinzip bei der Tatbegehung auf Schiffen ab, können gemäß § 5 OWiG nur Ordnungswidrigkeiten geahndet werden, die im räumlichen Geltungsbereich des betreffenden Gesetzes begangen werden (Territorialitätsprinzip). Das ist nach § 7 OWiG allerdings nicht nur dann

1 Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 30 WpPG Rz. 3; vgl. zu den Parallelvorschriften im WpHG Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 39 WpHG Rz. 51 ff. mwN.

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der Fall, wenn die Tathandlung – als Tun oder Unterlassen – im Geltungsbereich des Gesetzes vorgenommen wurde, sondern auch dann, wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in diesem eingetreten ist (§ 7 Abs. 1 OWiG) oder der Ordnungswidrigkeitstatbestand im Inland erfüllt werden sollte (§ 7 Abs. 2 OWiG)1. Nach Maßgabe der §§ 5, 7 OWiG können deshalb auch Ausländer oder Ge- 10 sellschaften mit Sitz im Ausland Täter einer Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG sein. Soweit § 30 OWiG heranzuziehen ist, ist im Hinblick auf die Anwendung der in dieser Vorschrift verwandten Begriffe auf ausländischem Recht unterliegende Gesellschaften zu fragen, inwieweit dem jeweiligen inländischen Rechtsbegriff (etwa demjenigen des Generalbevollmächtigten) ein entsprechender Begriff des fremden Rechts entspricht, oder umgekehrt, ob der in Betracht kommende ausländische Rechtsbegriff den Inländischen zu substituieren vermag2. 2. Begehungsformen: Vorsatz, Fahrlässigkeit, Leichtfertigkeit Nach § 30 Abs. 1 WpPG stellt nur die vorsätzliche oder leichtfertige und nach § 30 Abs. 2 WpPG nur die vorsätzliche oder fahrlässige Tatbegehung eine Ordnungswidrigkeit dar.

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a) Vorsatz Bei allen in § 30 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG aufgeführten Ordnungswidrigkei- 12 ten wird die vorsätzliche Begehung sanktioniert. Im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt – wie aus §§ 10, 11 Abs. 1 OWiG ableitbar – derselbe Vorsatzbegriff wie im Strafrecht. Demnach versteht man unter Vorsatz das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Erforderlich ist eine Unterscheidung zwischen dem intellektuellen Element und dem voluntativen Element3. Ersteres verlangt die Kenntnis der Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand iS von § 11 OWiG gehören; nach Letzterem ist es erforderlich, dass der Täter die von ihm erkannte Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung in seinen Willen aufgenommen hat. Dies kann in Gestalt eines direkten Vorsatzes (dolus directus) oder eines Eventualvorsatzes (dolus eventualis) geschehen. Der geringe Anforderungen stellende Eventualvor-

1 Dazu (im Zusammenhang mit § 39 WpHG) näher Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 39 WpHG Rz. 52. Siehe ferner Gürtler in Göhler, § 7 OWiG Rz. 6 ff.; Rogall in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 7 OWiG Rz. 10 ff. 2 Zum Vorgang der Substitution siehe etwa von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2003, § 7 V; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 2006, § 33. 3 BGH v. 25.11.1987 – 3 StR 449/87, NStZ 1988, 175; BGH v. 4.11.1988 – 1 StR 262/88, NJW 1989, 781. Näher Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 15 StGB Rz. 60; Gürtler in Göhler, § 10 OWiG Rz. 2.

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satz liegt vor, wenn der Erfolg vom Täter als möglich und nicht ganz fern liegend erkannt und billigend in Kauf genommen wird1. 13

Tatbestands- und Verbotsirrtum sind in § 11 OWiG geregelt. Liegt ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum iS von § 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG2 vor, so kommt nach § 11 Abs. 1 Satz 2 OWiG doch immer noch die Ahndung der Tat wegen leichtfertigen Handelns des Täters in Betracht. Ein die Vorwerfbarkeit der Tat ausschließender Verbotsirrtum ist nur dann gegeben, wenn dieser unvermeidbar war, dh. der Täter nach seinen individuellen Fähigkeiten bei Einsatz aller seiner Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen nicht zur zutreffenden Einsicht hätte kommen können3. Da der den wertpapierprospektrechtlichen Pflichten unterliegende Personenkreis beruflich bzw. gewerblich handelt, wird das Kriterium der Unvermeidbarkeit nur selten erfüllt sein. Jedenfalls gilt auf Grund der beruflichen Stellung eine besondere Prüfungs- und Erkundigungspflicht4.

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Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum schließt die Ahndung auch wegen bewusst oder unbewusst fahrlässigen Handelns aus5. b) Leichtfertigkeit

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Neben der vorsätzlichen erfasst § 30 Abs. 1 WpPG auch die leichtfertige Tatbegehung. Letztere ist eine besondere Form der Fahrlässigkeit, zu der neben der Leichtfertigkeit die einfache Fahrlässigkeit gehört, wie sie § 30 Abs. 2 WpPG als Begehungsform genügen lässt. Unter Leichtfertigkeit als einer qualifizierter Fahrlässigkeit6 ist ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß und subjektiv besonderer Leichtsinn oder Gleichgültigkeit zu verstehen7. Ein besonders schwerer Pflichtverstoß ist – unter Zugrundelegung einschlägiger Rechtsprechung8 – anzunehmen, wenn der Täter die gebotene Sorgfalt „in ungewöhnlich grobem Maß“ verletzt, „einfachste ganz nahe liegende Überlegungen“ nicht anstellt oder nicht erkennt und beachtet, „was 1 BGH v. 4.11.1988 – 1 StR 262/88, NJW 1989, 781; vgl. Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 15 StGB Rz. 84. Vgl. auch Gürtler in Göhler, § 10 OWiG Rz. 5; Rengier in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 10 OWiG Rz. 11 f. 2 Siehe dazu näher Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 39 WpHG Rz. 42 f.; Gürtler in Göhler, § 11 OWiG Rz. 2 ff.; Rengier in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 11 OWiG Rz. 10 ff. 3 BGH v. 27.1.1966 – KRB 2/65, BGHSt 21, 20; OLG Köln v. 25.7.1995 – Ss 340/95, NJW 1996, 474; Bohnert, § 11 OWiG Rz. 33. 4 Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 17 VerkProspG Rz. 16. 5 Bohnert, § 11 OWiG Rz. 36. 6 Rengier in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 10 OWiG Rz. 46 (mwN): „graduell gesteigerte (grobe) Fahrlässigkeit“. 7 BGH v. 9.11.1984 – 2 StR 257/84, BGHSt 33, 66 (67). Siehe auch Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 30 WpPG Rz. 29. Im Schrifttum ist teilweise auch von „vorsatznahem Verhalten“ die Rede, etwa: Rengier in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 10 OWiG Rz. 48 ff. 8 Dazu näher Rengier in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 10 OWiG Rz. 49 mwN.

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im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen“. Angesichts dieser strengen Voraussetzungen bedarf es für eine Ahndung durch die BaFin eines erheblichen Begründungsaufwands. Der Täter muss gerade das unberücksichtigt gelassen haben, was jedem Dritten an seiner Stelle hätte einleuchten müssen. c) Fahrlässigkeit Neben der vorsätzlichen Tatbegehung erfasst § 30 Abs. 2 WpPG auch die 16 fahrlässige Tatbegehung in Form der sog. einfachen Fahrlässigkeit. Nach dieser ist nicht mehr als die schlichte Außerachtlassung der nach den Umständen zu erwartenden Sorgfalt bei Voraussehbarkeit des Taterfolgs erforderlich1. Dabei geht es – anders als nach § 276 BGB – nicht um die Außerachtlassung der objektiv im Verkehr erforderlichen Sorgfalt; vielmehr ist auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abzustellen, den an ihn gerichteten Sorgfaltsanforderungen gerecht werden zu können2. Fahrlässig handelt danach, wer die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt, aber erkennen kann (unbewusste Fahrlässigkeit) oder sie zwar erkennt, aber darauf vertraut, sie werde nicht eintreten (bewusste Fahrlässigkeit)3. 3. Keine Ahndung des Versuchs Mangels ausdrücklicher Anordnung ist der Versuch einer der in § 30 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG aufgeführten Ordnungswidrigkeit nicht zu ahnden (§ 11 Abs. 2 OWiG).

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4. Täter und Beteiligte Im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt – im Gegensatz zum allgemeinen Straf- 18 recht – das Prinzip des Einheitstäters (§ 14 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Ordnungswidrig handelt danach jeder, der an der Tat als Täter oder Mittäter, Anstifter oder Gehilfe beteiligt ist. Somit können etwa auch unternehmensexterne Berater eine der Ordnungswidrigkeiten des § 30 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG begehen. Damit keine Lücken im Ordnungswidrigkeitensystem entstehen, ordnet die Zurechnungsnorm4 des § 9 OWiG an, dass besondere persönliche Merkmale „übergewälzt“ werden können. Demnach werden beim Handeln für einen anderen sowohl der Vertreter als auch der Vertretene ordnungs-

1 Näher zu den fahrlässigen Begehungsformen Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 39 WpHG Rz. 65 ff. mwN. 2 Vgl. zu § 39 WpHG Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 39 WpHG Rz. 67; Gürtler in Göhler, § 10 OWiG Rz. 6; Rengier in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 10 OWiG Rz. 15. 3 Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 39 WpHG Rz. 67; Rengier in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 10 OWiG Rz. 15 ff. 4 Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 30 WpPG Rz. 5.

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widrigkeitenrechtlich erfasst1. Relevant wird dies beim Handeln als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG), als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) oder als gesetzlicher Vertreter eines anderen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 OWiG). 19

Neben natürlichen Personen können auch juristische Personen und Personenvereinigung nach Maßgabe von § 30 OWiG mit einer Geldbuße belegt werden, wenn jemand – als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG), – als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft (§ 30 Abs. 1 Nr. 3 OWiG)2, – als Generalbevollmächtigter oder in leitender Stellung als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 OWiG) oder – als sonstige Person, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personenvereinigung verantwortlich handelt (§ 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG), eine Ordnungswidrigkeit iS von § 30 Abs. 1 oder Abs. 2 WpPG (iVm. § 9 OWiG und gegebenenfalls § 130 OWiG) begangen hat (sog. Bezugstat einer natürlichen Person).

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Gemäß § 130 OWiG, der eine selbstständige Ordnungswidrigkeit wegen der Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen normiert, handeln der Inhaber eines Betriebs oder Unternehmens oder jeder der nach § 9 Abs. 1 und 2 OWiG im Hinblick auf Betrieb oder Unternehmen Vertretungsbefugten bzw. Leitungsbeauftragten3 ordnungswidrig, wenn er „vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, […] wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre“ (§ 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören nach § 130 Abs. 1 Satz 2 OWiG auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen. § 130 OWiG ist als Auffangtatbestand konzipiert und kommt dementspre1 Vgl. Bohnert, § 9 OWiG Rz. 1 ff.; Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 39 WpHG Rz. 54 ff. mwN; Pelz in Holzborn, § 30 WpPG Rz. 32 f. 2 Zu den rechtsfähigen Personengesellschaften gehören nicht nur die OHG oder die KG, sondern nach dem Urteil des BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056, auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Außengesellschaft. Auch die Vorgründungsgesellschaften in dieser Rechtsform sind damit erfasst. Siehe im Übrigen zu den in § 30 Abs. 1 OWiG erfassten Verbänden und Gesellschaften Gürtler in Göhler, § 30 OWiG Rz. 1 ff.; Rogall in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 30 OWiG Rz. 31 ff. bzw. Rz. 52 ff. 3 Vgl. Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 39 WpHG Rz. 62 iVm. Rz. 57.

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chend nur dann in Betracht, wenn dem Aufsichtspflichtigen nicht eine straf- oder sonst ahndbare Beteiligung nach §§ 13, 25 ff. StGB, §§ 8, 9, 14 OWiG nachgewiesen werden kann1. 5. Verjährung Da das WpPG keine Regeln über die Verfolgungsverjährung enthält, findet – weil der Bußgeldrahmen nach § 30 Abs. 3 WpPG durchweg über 15.000 Euro liegt – § 31 Abs. 1 Nr. 1 OWiG Anwendung. Diesem zufolge können Ordnungswidrigkeiten nicht mehr verfolgt werden, wenn seit Beendigung der als Ordnungswidrigkeit erfassten Handlung drei Jahre verstrichen sind (§ 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt (§ 31 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Regeln zur Vollstreckungsverjährung finden sich in § 34 OWiG. Nach diesen beträgt die Vollstreckungsverjährungsfrist fünf Jahre ab Rechtskraft des Bußgeldbescheids.

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6. Zusammentreffen von Ordnungswidrigkeit und Straftat Wird mit dem Verhalten, das eine Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 oder 22 Abs. 2 WpPG begründet, zugleich ein Straftatbestand verwirklicht, treffen mithin Straftat und Ordnungswidrigkeit tateinheitlich zusammen, so wird nur das Strafgesetz angewandt (§ 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG).

III. Ordnungswidrigkeiten nach § 30 Abs. 1 WpPG Sämtliche Verstöße gegen die in § 30 Abs. 1 WpPG in Bezug genommenen Ge- und Verbote stellen ausweislich der Eingangsformulierung der Vorschrift Ordnungswidrigkeiten nur dann dar, wenn sie vorsätzlich oder leichtfertig (siehe oben Rz. 12 ff. bzw. Rz. 15) begangen wurden.

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1. Verstöße gegen die allgemeine Prospektpflicht (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG) Die in § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG in Bezug genommene Bestimmung des § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG betrifft die allgemeine Prospektpflicht, wonach der Anbieter für Wertpapiere, die im Inland öffentlich angeboten werden, einen Prospekt veröffentlichen muss. Mit Bußgeld wird belegt, wer dieser Prospektpflicht nicht nachkommt und gleichwohl Wertpapiere im Inland öffentlich anbietet. Der Tatbestand ist auch erfüllt, wenn ein Angebot unter Veröffentlichung eines noch der BaFin zur Billigung vorliegenden Prospektentwurfs erfolgt. Hier stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen § 30 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 WpPG (dazu unten Rz. 34).

1 Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 39 WpHG Rz. 62.

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Keine Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG liegt vor, wenn ein Prospekt nach den Vorschriften dieses Gesetzes bereits veröffentlicht worden ist. Diese Ausnahme entspricht derjenigen in § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpPG; zu Einzelheiten ist auf die diesbezüglichen Erläuterungen zu verweisen. Eine nachträgliche Veröffentlichung des Prospekts beseitigt die Ordnungswidrigkeit nicht.

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Nicht unter § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG fällt die „Schlechterfüllung“ der Prospektpflicht etwa bei inhaltlichen Mängeln des Prospekts1. 2. Verstöße gegen die Pflicht zur Veröffentlichung des Emissionspreises und des Emissionsvolumens (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 WpPG)

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Die in § 30 Abs. 1 Nr. 2 WpPG angeführte Vorschrift des § 8 Abs. 1 Sätze 6 und 7 WpPG hat die Pflicht zur Veröffentlichung des Emissionspreises und des Emissionsvolumens zum Gegenstand. In personeller Hinsicht betrifft die Bestimmung den Anbieter oder den Zulassungsantragsteller, die nebeneinander für die ordnungsgemäße Veröffentlichung verantwortlich sind2. Nicht nur das Unterlassen der Veröffentlichung ist bußgeldbewehrt, vielmehr genügt bereits ein Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebenen Veröffentlichungsmodalitäten. So verwirklicht die Nichterfüllung der Anforderungen an die Art und Weise der Prospektveröffentlichung gemäß § 14 Abs. 2 WpPG den Tatbestand ebenso wie eine verspätete, also nicht iS des § 121 BGB unverzügliche Veröffentlichung3 nach der Festlegung von Emissionspreis und Emissionsvolumen. Die Veröffentlichung im Falle eines nicht öffentlichen Angebots muss hierbei einen Tag vor Einführung der Wertpapiere erfolgen (§ 8 Abs. 1 Satz 7 WpPG). Keine Sanktion droht hingegen bei bloß inhaltlichen Fehlern des Prospekts. Die Alternative „nicht richtig“ bezieht sich schon nach dem Wortlaut der Norm allein auf das fehlerhafte Veröffentlichen, nicht auch auf inhaltliche Unrichtigkeiten4.

1 Vgl. Pelz in Holzborn, § 30 WpPG Rz. 3. 2 Vgl. Pelz in Holzborn, § 30 WpPG Rz. 5. 3 Teilweise wird ein eigenständiger, kapitalmarktrechtlicher Begriff unverzüglichen Handelns vertreten, so Ritz/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 14 WpPG Rz. 18 und Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 30 WpPG Rz. 67 (zu § 30 Abs. 1 Nr. 4 WpPG). Dazu besteht indes kein Bedarf, weil die Beurteilung der Schuldhaftigkeit des Zögerns genügend Raum lässt, um Besonderheiten des Kapitalmarkts gerecht zu werden, und darüber hinaus Verzögerungen wegen Rechtsirrtums entschuldbar sein können. 4 AA Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 30 WpPG Rz. 54, der allerdings, ebd. Rz. 76, bezüglich der nicht richtigen Veröffentlichung des Prospekts nach § 30 Abs. 1 Nr. 6 WpPG der hier vertretenen Ansicht folgt.

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3. Verstöße gegen die Hinterlegung des endgültigen Emissionspreises und des Emissionsvolumens (§ 30 Abs. 1 Nr. 3 WpPG) § 30 Abs. 1 Nr. 3 WpPG erfasst die in § 8 Abs. 1 Satz 9 WpPG normierte 28 Pflicht zur Hinterlegung des endgültigen Emissionspreises und des Emissionsvolumens. Diese sind am Tag der Veröffentlichung bis 24 Uhr bei der BaFin zu hinterlegen. Nur das vollständige Unterlassen führt zur Sanktion. Die Pflicht trifft den Anbieter oder den Zulassungsantragsteller. Sofern die Veröffentlichung über unterschiedliche der in § 14 Abs. 2 WpPG genannten Wege erfolgt, ist der erste Veröffentlichungszeitpunkt maßgeblich1. 4. Verstöße in Bezug auf die Veröffentlichung des jährlichen Dokuments (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 WpPG) In § 30 Abs. 1 Nr. 4 WpPG werden Verstöße gegen die in § 10 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpPG enthaltenen Pflichten zur Veröffentlichung des jährlichen Dokuments zur Ordnungswidrigkeit erklärt. Dabei ist nicht nur das vollständige Unterlassen der Veröffentlichung bußgeldbewehrt. Neben den in § 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG aufgeführten inhaltlichen Anforderungen umfasst die Ordnungswidrigkeit über den Weiterverweis auf Satz 2 auch Zuwiderhandlungen gegen die Veröffentlichungsformen des § 14 Abs. 2 WpPG. Damit stellt letztlich jeder Verstoß gegen § 10 Abs. 1 WpPG eine Ordnungswidrigkeit dar. Sowohl die Unterlassung der Veröffentlichung des jährlichen Dokuments als auch die Schlechterfüllung oder die verzögerte Erfüllung der Veröffentlichungspflicht sind erfasst. Keine Sanktion droht indes bei bloß inhaltlichen Fehlern des jährlichen Dokuments. Die in § 30 Abs. 1 Nr. 4 WpPG angeführte Alternative „nicht richtig“ bezieht sich allein auf den Fall, dass das Dokument dem Publikum nicht ordnungsgemäß zur Verfügung gestellt wurde, keineswegs jedoch auf inhaltliche Unrichtigkeiten.

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Dem in § 30 Abs. 1 Nr. 4 WpPG weiter in Bezug genommenen § 10 Abs. 2 30 Satz 1 WpPG, der die Hinterlegung des jährlichen Dokuments bei der Bundesanstalt „nach der Offenlegung des Jahresabschlusses“ verlangt, lässt sich nicht präzise entnehmen, zu welchem Zeitpunkt nach der Veröffentlichung des Jahresabschlusses das Dokument zu hinterlegen ist. Nach Auffassung der BaFin ist das jährliche Dokument innerhalb einer Frist von 20 Arbeitstagen nach Veröffentlichung des Jahresabschlusses bei der BaFin zu hinterlegen (siehe die Hinweise in § 10 WpPG Rz. 25). Im Hinblick auf die Bußgeldbewehrung der ihrem Wortlaut nach nicht eindeutigen Vorschrift wird in den Erläuterungen zu § 10 WpPG Rz. 25 bereits eingeräumt, es dürfe dem Emittenten nicht zum Nachteil gereichen, wenn das jährliche Dokument jedenfalls „unverzüglich nach Ablauf von 20 Arbeitstagen nach Veröffentlichung des Jahresabschlusses bei der BaFin hinterlegt“ werde. Ob dadurch dem auch im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG bereits Genüge getan wird, ist zweifelhaft. Will 1 Pelz in Holzborn, § 30 WpPG Rz. 7.

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man diesem sicher gerecht werden, so wäre – tätergünstig – auf den nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 1 WpPG spätmöglichsten Zeitpunkt abzustellen, so dass eine Hinterlegung unter ordnungswidrigkeitsrechtlichen Gesichtspunkten als noch rechtzeitig zu gelten hätte, wenn sie vor Offenlegung des nächsten Jahresabschlusses erfolgt1. Es steht allerdings außer Zweifel, dass Emittenten gut daran tun, diesem Auslegungsproblem auszuweichen und das jährliche Dokument rechtzeitig im Sinne des Verständnisses der BaFin zu hinterlegen. 31

Auch wenn das WpPG bereits am 1.7.2005 in Kraft getreten ist, kann die Ordnungswidrigkeit frühestens das Jahr 2007 betreffen. Wegen seiner engen Verbindung mit dem Jahresabschluss kommt – sofern das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt – als erstes vollständiges Geschäftsjahr das Jahr 2006 in Betracht. Die Verpflichtung, das jährliche Dokument zur Verfügung zu stellen und zu hinterlegen und die damit verknüpfte Bußgeldsanktion können damit erstmals im Jahre 2007 eingreifen2. 5. Verstöße gegen das Verbot der Veröffentlichung des Prospekts vor seiner Billigung (§ 30 Abs. 1 Nr. 5 WpPG)

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Durch § 30 Abs. 1 Nr. 5 WpPG – dem § 17 Abs. 1 Nr. 4 VerkProspG (siehe § 17 VerkProspG Rz. 17 ff.) entspricht – werden Verstöße gegen das Verbot der Veröffentlichung des Prospekts vor seiner Billigung durch die BaFin nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpPG als Ordnungswidrigkeiten sanktioniert. Das Publikum soll auf diese Weise nachdrücklich davor geschützt werden, nicht von der BaFin geprüfte und zur Veröffentlichung freigegebene Prospekte zu erhalten3. Auch die Veröffentlichung eines gegenüber der gebilligten Fassung abgeänderten Prospekts wird erfasst. Wegen der mit dem WpPG eingeführten strengeren Regelung der formalen Prospektgestaltung wird man nunmehr auch Änderungen des Layouts des zur Veröffentlichung freigegebenen Prospekts als Ordnungswidrigkeit anzusehen haben4.

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Zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen davon ausgegangen werden kann, dass ein Prospekt entgegen § 13 Abs. 1 Satz 1 WpPG veröffentlicht wurde, kann auf die Definition des Begriffs des öffentlichen Angebots in § 2 Nr. 4 WpPG zurückgegriffen werden, wonach als öffentliches Angebot jede ein Angebot enthaltende „Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise“ genügt. Zu Einzelheiten 1 Vgl. zu § 10 Abs. 2 Satz 1 WpPG Pelz in Holzborn, § 30 WpPG Rz. 12; Kaum/ Zimmermann, Das „jährliche Dokument“ nach § 10 WpPG, BB 2005, 1466 (1468). Anders Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 30 WpPG Rz. 13 und Götze, Das jährliche Dokument nach § 10 WpPG – eine Bestandsaufnahme, NZG 2007, 570 (573). Vermittelnd Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 30 WpPG Rz. 68. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 10 WpPG Rz. 4. 3 Vgl. zu § 17 Abs. 1 Nr. 2 VerkProspG aF Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 17 VerkProspG Rz. 30. 4 Anders noch zu § 17 Abs. 1 Nr. 2 VerkProspG aF Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 17 VerkProspG Rz. 34.

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hierzu ist auf die Erläuterungen zu § 2 Nr. 4 WpPG zu verweisen. Außer Frage steht aber jedenfalls, dass die Bekanntmachung eines Prospekts durch dessen Einstellung in das Internet oder dessen Abdruck in der Presse als Veröffentlichung desselben anzusehen ist1. Zum Verhältnis von § 30 Abs. 1 Nr. 5 zu Nr. 1 WpPG: Wird ein Prospekt – 34 gleich ob er der BaFin zur Gestattung der Veröffentlichung vorgelegt wurde oder werden sollte – vor seiner Billigung veröffentlicht, ohne dass mit ihm bereits ein öffentliches Angebot zum Kauf oder zur Zeichnung dieser Wertpapiere iS von § 2 Nr. 4 WpPG einhergeht, liegt eine Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 5 WpPG, mangels öffentlichem Angebot indes keine solche nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG vor. Anders verhält es sich, wenn die gegen § 13 Abs. 1 WpPG verstoßende und von § 30 Abs. 1 Nr. 5 WpPG als Ordnungswidrigkeit erfasste Veröffentlichung des Prospekts mit einem öffentlichen Angebot zum Erwerb der Wertpapiere verbunden ist. In diesem Falle ist tateinheitlich2 auch eine Ordnungswidrigkeit iS von § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG gegeben, weil in der in Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG nicht jedweder Prospekt gemeint ist, sondern nur ein Prospekt, der – entsprechend der Formulierung in § 13 Abs. 1 Satz 2 WpPG – „nach den Vorschriften dieses Gesetzes … veröffentlicht“ wurde. 6. Verstöße gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Veröffentlichung des Prospekts (§ 30 Abs. 1 Nr. 6 WpPG) § 30 Abs. 1 Nr. 6 WpPG sanktioniert die in sachlicher und zeitlicher Hinsicht nicht ordnungsgemäße Veröffentlichung eines von der BaFin gebilligten Prospekts. Dabei nimmt § 30 Abs. 1 Nr. 6 WpPG zwar auf § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG Bezug, erfasst aber nur solche Verstöße gegen diese Bestimmungen als Ordnungswidrigkeit, die darin bestehen, dass ein Prospekt nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht wurde.

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Keine Ordnungswidrigkeit stellen mithin Verstöße gegen die in § 14 Abs. 1 36 Satz 1 WpPG statuierte Pflicht zur Hinterlegung des Prospekts bei der BaFin dar. Von § 30 Abs. 1 Nr. 6 WpPG ebenfalls nicht erfasst sind inhaltliche Mängel des Prospekts. Die in Nr. 6 angeführte Tatbegehungsalternative „nicht richtig“ bezieht sich ausschließlich auf die nicht ordnungsgemäße Veröffentlichung, nicht aber auch auf Unrichtigkeiten des Prospektinhalts oder Mängel der Prospektgestaltung. Andernfalls bestünde seitens der BaFin im Bußgeldverfahren eine weiter reichende Prüfungskompetenz als im zuvor durchgeführten verwaltungsrechtlichen Verfahren der Billigung. In-

1 Vgl. Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 17 VerkProspG Rz. 32; Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 17 VerkProspG Rz. 14. 2 Ebenso iE Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 30 WpPG Rz. 87 Abs. 2, mit schulmäßiger Erörterung möglicher, aber auszuscheidender Konkurrenzverhältnisse zwischen Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5.

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haltliche Fehler können jedoch eine Straftat iS von § 264a StGB1, § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG sowie (allerdings weniger wahrscheinlich) nach § 399 Abs. 1 Nr. 3 AktG2 darstellen und Haftungsfolgen nach §§ 44 ff. BörsG bzw. § 13 VerkProspG (siehe dazu Einl. WpPG Rz. 47 ff.) nach sich ziehen. 37

Zum Verhältnis von § 30 Abs. 1 Nr. 6 zu Nr. 1 WpPG: Geht die iS von § 30 Abs. 1 Nr. 6 iVm. § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG nicht ordnungsgemäße Veröffentlichung des gebilligten Prospekts mit einem öffentlichen Angebot der Wertpapiere, auf die sich der Prospekt bezieht, einher, so ist darin tateinheitlich auch eine Ordnungswidrigkeit iS von § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG verwirklicht, weil in der in Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG nicht jedwede Prospektveröffentlichung gemeint ist, sondern nur eine solche, die – entsprechend der Formulierung in § 13 Abs. 1 Satz 2 WpPG – „nach den Vorschriften dieses Gesetzes“ erfolgte. Das Verhältnis von § 30 Abs. 1 Nr. 6 zu Nr. 5 ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Ordnungswidrigkeit nach Nr. 6 nur gegeben sein kann, wenn ein gebilligter Prospekt vorliegt und die an dessen Billigung anknüpfenden Veröffentlichungspflichten nicht erfüllt werden. 7. Verstoß gegen die Mitteilungspflicht gegenüber der BaFin (§ 30 Abs. 1 Nr. 7 WpPG)

38

Nach § 14 Abs. 3 WpPG hat der Anbieter von Wertpapieren oder der Zulassungsantragsteller der BaFin Datum und Ort der Veröffentlichung des Prospekts unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Jede entgegen diesem Gebot nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig vorgenommene Mitteilung stellt nach § 30 Abs. 1 Nr. 7 WpPG eine Ordnungswidrigkeit dar.

39

Damit erfasst § 30 Abs. 1 Nr. 7 WpPG neben unterlassenen Mitteilungen auch (und anders als nach § 30 Abs. 1 Nrn. 2, 4, 6 und 9 WpPG) inhaltlich unrichtige Mitteilungen, wie etwa die Mitteilung einer in Wahrheit nicht vorgenommenen Veröffentlichung3.

40

Dem Wortlaut der Bestimmung nach werden darüber hinaus selbst formelle Verstöße gegen die Mitteilungspflicht nach § 14 Abs. 3 WpPG von eher gering erscheinendem Gewicht sanktioniert. So ist eine nicht schriftlich oder nicht unverzüglich vorgenommene Mitteilung eine nicht in der vorgeschriebenen Weise vorgenommene Mitteilung und damit eine Ordnungswidrigkeit iS von § 30 Abs. 1 Nr. 7 WpPG. Gleiches gilt für fehlerhafte, falsche oder unvollständige Angaben des Zeitpunkts oder des Orts der Veröffentlichung. Insbesondere in dem Fall, in dem die BaFin tatsächlich eine zutreffende, aber nicht formgemäße Mitteilung erreicht, mag dies rechts1 Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 30 WpPG Rz. 76. AA Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 30 WpPG Rz. 15. 2 Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 79. 3 So auch Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 30 WpPG Rz. 94.

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politisch fragwürdig sein1, doch ist selbst in diesem Falle für eine einschränkende Auslegung kein Raum. Das Gewicht des Verstoßes kann jedoch bei der Festsetzung des Bußgelds Berücksichtigung finden. 8. Verstöße gegen die Pflicht zur Überlassung einer Papierversion des Prospekts (§ 30 Abs. 1 Nr. 8 WpPG) In § 30 Abs. 1 Nr. 8 WpPG werden Verstöße gegen die in § 14 Abs. 5 WpPG 41 normierte Pflicht unter Bußgelddrohung gestellt, dem Anleger auf Verlangen eine Papierversion des Prospekts kostenlos zur Verfügung zu stellen, wenn dieser im Internet veröffentlicht wird. Erfasst wird damit nicht nur der Fall, dass der Anbieter oder Zulassungsantragsteller keinerlei Vorkehrungen getroffen hat, um dem Anleger für den Fall der Veröffentlichung des Prospekts im Internet eine Papierversion desselben zur Verfügung stellen zu können, sondern auch der Fall, dass die Betreffenden nicht in der Lage sind, jedem Anleger eine Papierversion auszuhändigen, etwa weil nicht genügend Druckexemplare des Prospekts gefertigt wurden und für eine andere Möglichkeit zur Fertigung einer Papierversion keine Sorge getragen wurde2.

42

9. Verstöße gegen die Pflicht, einen erforderlichen Nachtrag zu veröffentlichen (§ 30 Abs. 1 Nr. 9 WpPG) Nach § 16 Abs. 1 Satz 4 WpPG muss der Anbieter oder Zulassungsantragsteller einen nach § 16 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG anzufertigenden und von der BaFin zu billigenden Nachtrag unverzüglich nach Billigung in derselben Art und Weise wie den ursprünglichen Prospekt nach § 14 WpPG veröffentlichen. Wer vorsätzlich oder leichtfertig einen solchen Nachtrag nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht, handelt nach § 30 Abs. 1 Nr. 9 WpPG ordnungswidrig.

43

Erfasst werden danach nicht das Unterlassen der Erstellung eines Nachtrags 44 (iS von § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG) oder der Einreichung eines Nachtrags bei der BaFin zur Billigung desselben (iS von § 16 Abs. 1 Satz 2 WpPG), sondern lediglich Mängel bei Veröffentlichung eines gebilligten Nachtrags. Zu diesen gehört sowohl das gänzliche Unterlassen einer Nachtragsveröffentlichung als auch die nicht in sachlicher oder zeitlicher Hinsicht ordnungsgemäße Veröffentlichung des Nachtrags. Wie bei den Ordnungswidrigkeiten nach § 30 Abs. 1 Nr. 2, 4, 6 WpPG bezieht sich auch hier das Merkmal 1 Am „Ahndungsbedürfnis“ zweifelnd Pelz in Holzborn, § 30 WpPG Rz. 17. Keine „durchgreifenden Bedenken“ dagegen bei Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 30 WpPG Rz. 99. 2 AA wohl Pelz in Holzborn, § 30 WpPG Rz. 18, der nur das „völlige Unterlassen der Zurverfügungstellung“ erfasst sieht; diesem (nahezu wortgleich und ohne Präzisierung) folgend Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 30 WpPG Rz. 99.

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„nicht richtig“ nur auf die Nichteinhaltung von Veröffentlichungsmodalitäten und nicht auf inhaltliche Fehler des Prospekts bzw. des Nachtrags (siehe oben Rz. 27, 29 und 36)1. Inhaltliche Mängel des Nachtrags können jedoch eine Straftat iS des § 264a StGB darstellen und Haftungsfolgen nach §§ 44 ff. BörsG bzw. § 13 VerkProspG (siehe dazu Einl. WpPG Rz. 47 ff.) nach sich ziehen.

IV. Ordnungswidrigkeiten nach § 30 Abs. 2 WpPG 45

§ 30 Abs. 2 WpPG ahndet vorsätzliche oder einfach fahrlässige (siehe oben Rz. 12 ff. bzw. Rz. 16) Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Anordnungen der BaFin. Die Vorschrift entspricht § 17 Abs. 2 Nr. 2 VerkProspG2. 1. Vollziehbare Anordnung der BaFin

46

Im Gegensatz zu § 30 Abs. 1 WpPG verfolgt Abs. 2 nicht den Zweck, die Verletzung einer gesetzlich bestimmten Pflicht zur Ordnungswidrigkeit zu erklären und zu ahnden. Vielmehr wird erst der Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung der BaFin erfasst, die auf der Grundlage eines Verstoßes gegen Bestimmungen des WpPG erging3. In Betracht kommen gemäß § 30 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 WpPG allerdings nur vollziehbare Anordnungen in Gestalt der Untersagung unzulässiger Werbung nach § 15 Abs. 6 Sätze 1 oder 2 WpPG und der Durchsetzung allgemeiner wertpapierprospektrechtlicher Überwachungsaufgaben nach § 21 Abs. 2 Satz 1 WpPG einerseits bzw. der Untersagung öffentlicher Angebote nach § 21 Abs. 4 WpPG wegen Verstößen gegen die in dieser Bestimmung angeführten Vorschriften des WpPG.

47

Erforderlich sind sowohl eine Anordnung der BaFin als auch die Vollziehbarkeit derselben. Da es sich bei den Anordnungen der BaFin um Verwaltungsakte gemäß § 35 Satz 1 VwVfG handelt, bestimmt sich die Vollziehbarkeit nach § 6 Abs. 1 VwVG iVm. § 17 FinDAG. Demnach ist ein Verwaltungsakt vollziehbar, wenn er unanfechtbar ist oder wenn sein sofortiger Vollzug angeordnet ist. Grundsätzlich haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen belastende Verwaltungsakte nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt aber ua. nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO „durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen“. Ein solcher Fall ist in Gestalt der Regelung des § 26 WpPG gegeben, welcher ua. bestimmt, dass „Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach § 15 Abs. 6 und § 21“ keine aufschiebende Wirkung haben. Gegen Maßnahmen der BaFin nach § 15 Abs. 6 WpPG und § 21 WpPG bleibt mithin nur die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Variante 1 VwGO, wonach das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung an1 AA Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 30 WpPG 19. 2 RegE, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.3005, S. 40. 3 Vgl. Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 30 WpPG Rz. 23.

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ordnen kann sowie nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO durch Antrag an die BaFin. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Ahndung der Zuwiderhandlung ge- 48 gen eine vollziehbare Anordnung als Ordnungswidrigkeit die Rechtmäßigkeit der vollziehbaren Anordnung voraussetzt, ist im Ausgangspunkt zu differenzieren1: Ein Verstoß gegen eine nach §§ 43 Abs. 3, 44 VwVfG nichtige vollziehbare Anordnung zieht keinerlei Sanktionen nach sich. Bezüglich rechtswidriger, noch nicht aufgehobener und damit der Bestandskraft fähiger Anordnungen nahm die frühere Rechtsprechung an, dass dies straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlich unbeachtlich sei und damit einer Ahndung nicht entgegen stehe2. Dies widerspricht jedoch den Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG. Eine zu weitgehende Verwaltungsaktsakzessorietät führt dazu, dass dem Betroffenen nur die Wahl bleibt, einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zu befolgen oder eine Ordnungswidrigkeit zu begehen. Dies ist vor dem Hintergrund eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und des Rechtsstaatsprinzips abzulehnen. Dementsprechend kann einschlägigen Entscheidungen des BVerfG entnommen werden, dass Verstöße gegen noch anfechtbare rechtswidrige belastende Verwaltungsakte, auch wenn sie für sofort vollziehbar erklärt worden sind, nur dann sanktioniert werden dürfen, wenn der Gesetzgeber zuvor die Sanktionierung klar angeordnet hat3. Unerheblich ist, ob der rechtswidrige Verwaltungsakt auch tatsächlich mit Widerspruch oder Anfechtungsklage erfolgreich angegriffen wird4. Andernfalls würde die Frage der Ordnungswidrigkeit vom Verhalten des Betroffenen abhängig gemacht. Dies ist mit dem Gebot der Rechtssicherheit und dem Zweck der Bußgeldsanktion nicht in Einklang zu bringen. Hinzu kommt, dass die in den Fällen der sofortigen Vollziehbarkeit typischerweise gegebene Eilbedürftigkeit bei der Verhängung eines Bußgeldes gerade nicht gegeben ist5. Vorzuziehen bleibt eine Lösung auf Tatbestandsebene. Die Rechtmäßigkeit der vollziehbaren Anordnung darf damit generell als Voraussetzung für § 30 Abs. 2 WpPG angesehen werden6. Auf die fehlende aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage wird der Anbieter in der Rechtsbehelfsbelehrung der Untersagungsverfügung hingewiesen, weshalb ein entsprechender Verbotsirrtum regelmäßig vermeidbar gewesen sein dürfte7.

1 Vgl. dazu ausführlich zur entsprechenden Problematik im Rahmen des § 39 WpHG Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 39 WpHG Rz. 42. 2 BGH v. 23.7.1969 – 4 StR 371/68, BGHSt 23, 86 (93 ff.). 3 BVerfG v. 1.12.1992 – 1 BvR 88/91, BVerfGE 87, 399 (406 ff.) = NJW 1993, 581; BVerfG v. 7.3.1995 – 1 BvR 1564/92, BVerfGE 92, 191 (200 ff.) = NJW 1995, 3110. 4 AA zum Umweltstrafrecht Cramer/Heine in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, Vorbem. §§ 324 ff. StGB Rz. 22. 5 Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 30 WpPG Rz. 27. 6 So auch im Ergebnis Pelz in Holzborn, § 30 WpPG Rz. 20; Wehowsky in Erbs/ Kohlhaas, § 30 WpPG Rz. 20, 27. 7 Vgl. Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 17 VerkProspG Rz. 35.

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2. Zuwiderhandlung gegen die vollziehbare Anordnung wegen unzulässiger Werbung und wegen Auskunfts- und Herausgabepflichten (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) 50

In § 30 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 WpPG werden Zuwiderhandlungen gegen eine vollziehbare Anordnung der BaFin nach § 15 Abs. 6 Sätze 1 oder 2 WpPG als Ordnungswidrigkeiten erfasst und unter Bußgelddrohung gestellt. Eine solche Anordnung kann ergehen, wenn die Werbung gegen § 15 Abs. 2–5 WpPG verstößt (siehe die Erläuterungen zu § 15 WpPG Rz. 14 ff., 22 ff.).

51

§ 30 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 WpPG sanktioniert Zuwiderhandlungen gegen eine vollziehbare Anordnung der BaFin, die darauf gerichtet ist, gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 WpPG Unterlagen herauszugeben, Auskünfte zu erteilen und Kopien zu überlassen (siehe die Erläuterungen zu § 21 WpPG Rz. 8 ff.). Die vollziehbare Anordnung dient der Durchsetzung der Überwachungsaufgabe der BaFin. 3. Zuwiderhandlung gegen die vollziehbare Anordnung über die Untersagung oder Aussetzung eines öffentlichen Angebotes (§ 30 Abs. 2 Nr. 2 WpPG)

52

In § 30 Abs. 2 Nr. 2 WpPG werden Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Anordnungen der BaFin nach § 21 Abs. 4 Sätze 1 oder 2 WpPG geahndet (siehe die Erläuterungen zu § 21 WpPG Rz. 20 ff., 26 ff.). Diese Norm ermächtigt die BaFin, ein öffentliches Angebot bei verschiedenen Verstößen gegen dort aufgeführte Vorschriften des WpPG zu untersagen oder für höchstens zehn Tage auszusetzen.

V. Bußgeldrahmen (§ 30 Abs. 3 WpPG) 53

Der Bußgeldrahmen des § 30 Abs. 3 WpPG entspricht demjenigen des § 17 Abs. 3 VerkProspG1. Drei verschiedene, nach dem Gewicht des bußgeldrechtlich bewehrten Ge- oder Verbots differenzierende Bußgeldrahmen werden in § 30 Abs. 3 WpPG festgelegt: – Die schärfste Sanktion ist mit einer Bußgeldandrohung bis zu 500.000 Euro bei einem Verstoß gegen das Verbot der vorzeitigen Prospektveröffentlichung (§ 30 Abs. 1 Nr. 5 iVm. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpPG) sowie bei Zuwiderhandlung gegen die vollziehbare Anordnung über die Untersagung oder Aussetzung eines öffentlichen Angebotes vorgesehen (§ 30 Abs. 2 Nr. 2 iVm. § 21 Abs. 4 Satz 1, 2 WpPG). Mit Nachdruck soll im Interesse ordnungsgemäßer Prospekte und eines wirksamen Anlegerschutzes eine Veröffentlichung derselben vor der Billigung durch die BaFin verhindert werden. Ebenso soll die Wirkung einer vollziehbaren Untersagungs- bzw. Aussetzungsanordnung verstärkt werden.

1 RegE, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 40.

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§ 30 WpPG

– Ein Bußgeldrahmen bis 100.000 Euro gilt für Verstöße gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Veröffentlichung des Prospekts, mithin bei Schlechterfüllung und verzögerter Erfüllung der in § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpPG normierten Veröffentlichungspflicht. – Alle anderen in § 30 Abs. 1 und 2 WpPG enthaltenen Ordnungswidrigkeiten werden mit Bußgeld bis zu 50.000 Euro geahndet. Untere Grenze des Bußgeldrahmens ist gemäß § 17 Abs. 1 OWiG in allen Fällen 5 Euro.

54

Darüber hinaus ist die differenzierende Regelung des § 17 Abs. 2 OWiG zu 55 beachten, wonach die Obergrenze des Bußgelds bei fahrlässigem Handeln – davon umfasst ist auch die Leichtfertigkeit als qualifizierte Fahrlässigkeit1 – die Hälfte des jeweils angedrohten Höchstbetrages darstellt. Für die Bußgeldzumessung im Einzelnen enthält § 17 Abs. 3, 4 Satz 1 OWiG 56 einige Richtlinien: So soll dem Täter eine Geldbuße auferlegt werden, die nicht unter dem Vorteil liegt, den er aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat. Im Übrigen darf auf Grund des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots die Geldbuße die Summe aus wirtschaftlichem Vorteil und angedrohtem Höchstmaß nicht übersteigen2. Hinsichtlich unterlassener Aufsichtsmaßnahmen gemäß § 130 OWiG gilt dessen Abs. 3 Satz 2, wonach sich das Höchstmaß der Geldbuße wegen der Aufsichtspflichtverletzung nach dem für die Pflichtverletzung angedrohten Höchstmaß der Geldbuße richtet. Ist auf Grund der Anwendung von § 30 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG iVm. § 30 OWiG ein Bußgeld gegen eine juristische Person zu verhängen, so richtet sich die Geldbuße nach dem Bußgeldrahmen und den weiteren Bestimmungen des § 30 Abs. 2 OWiG.

57

In Betracht kommt darüber hinaus die Anordnung des Verfalls gemäß § 29a OWiG3.

58

IV. Zuständige Behörde (§ 30 Abs. 4 WpPG) Den Erfordernissen der §§ 35, 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG entsprechend regelt § 30 Abs. 4 WpPG die sachliche Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 30 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG, indem er sie der BaFin überträgt. Örtlich zuständig ist die Bundesanstalt daneben für alle Vorgänge, auf die deutsches Recht – und damit auch § 30 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG – anwendbar ist (siehe oben Rz. 9 f.). 1 Mitsch in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 17 OWiG Rz. 26, wobei freilich regelmäßig ein höheres Bußgeld als bei bloß fahrlässigem Handeln festgesetzt wird. 2 OLG Karlsruhe v. 3.7.1974 – 3 Ss (B) 46/74, NJW 1974, 1883; Wehowsky in Erbs/ Kohlhaas, § 30 WpPG Rz. 32. 3 Vgl. hierzu ausführlich Rogall in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, Vor § 29a OWiG Rz. 1 ff.

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§ 30 WpPG

Bußgeldvorschriften

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Die Zuständigkeit der BaFin umfasst die Verfolgung und die Ahndung der Ordnungswidrigkeit (§ 35 Abs. 1 bzw. Abs. 2 OWiG):

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– Mit der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit ist die selbstständige und eigenverantwortliche Ermittlung sowie die Mitwirkung an einer etwaigen gerichtlichen Entscheidung gemeint. Dabei verfügt die BaFin gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG zwar über ein Verfolgungsermessen (Opportunitätsprinzip)1, kann sich aber nicht gegenüber Dritten verpflichten, auf eine Verfolgung zu verzichten. Dagegen ist eine mit der Kundgabe bestimmter Regeln bei der Ausübung des Ermessens verbundene Selbstbindung der BaFin nicht zu beanstanden. Kein Ermessenfehlgebrauch liegt vor, wenn die BaFin ein Bußgeldverfahren anstrengt, um eine bestimmte Rechtsfrage gerichtlich klären zu lassen.

62

– Die Ahndung der Ordnungswidrigkeit erfolgt durch Entscheidung über die dem Betroffenen angelastete Tat durch Erlass eines Bußgeldbescheids (§§ 65 f. OWiG) oder durch Einstellung (§ 47 Abs. 1 Satz 2 OWiG) des Bußgeldverfahrens2. Mit dem zulässigen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid der BaFin (§ 67 OWiG), der Aufrechterhaltung desselben durch die Behörde und der Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft (§ 69 Abs. 3 OWiG) ist das gerichtliche Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit (siehe dazu im Übrigen §§ 67 ff., 71 ff. und 79 ff. OWiG) eröffnet.

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Die BaFin hat die Sache, in der sie ermittelt, an die Staatsanwaltschaft abzugeben, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Handlung nicht nur den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 und 2 WpPG, sondern auch den einer Straftat erfüllt (§ 41 Abs. 1 OWiG). In diesem Falle ist die Staatsanwaltschaft für die Verfolgung der Tat auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zuständig (§ 40 OWiG). Zum Übergang des gerichtlichen Verfahrens wegen einer Ordnungswidrigkeit in ein Strafverfahren siehe §§ 81 ff. OWiG.

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§ 30 Abs. 4 WpPG ist wortgleich mit der Bestimmung des § 40 WpHG. Zu Einzelheiten, insbesondere solchen über das Bußgeldverfahren (§§ 35 ff. OWiG) selbst, kann deshalb auf die Erläuterungen zu § 40 WpHG3 verwiesen werden.

1 Vgl. Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 40 WpHG Rz. 5; Seitz in Göhler, § 47 OWiG Rz. 3. 2 Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 40 WpHG, zum Bußgeldverfahren Rz. 3. 3 Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 40 WpHG Rz. 4 ff. zum Bußgeldverfahren.

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§ 31 WpPG

Übergangsbestimmungen

§ 31 Übergangsbestimmungen (1) Drittstaatemittenten, deren Wertpapiere bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, können die Bundesanstalt als für sie zuständige Behörde im Sinne des § 2 Nr. 13 Buchstabe c wählen und haben dies der Bundesanstalt bis zum 31. Dezember 2005 mitzuteilen. Für Drittstaatemittenten, die bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes im Inland Wertpapiere öffentlich angeboten oder für Wertpapiere einen Antrag auf Zulassung zum Handel an einem im Inland gelegenen organisierten Markt gestellt haben, ist die Bundesrepublik Deutschland Herkunftsstaat, vorausgesetzt es handelt sich um a) das erste öffentliche Angebot von Wertpapieren in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach dem 31. Dezember 2003 oder b) den ersten Antrag auf Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem im Europäischen Wirtschaftsraum gelegenen organisierten Markt nach dem 31. Dezember 2003. (2) Bis zum 31. Dezember 2008 können Einlagenkreditinstitute und andere Kreditinstitute, die nicht unter § 1 Abs. 2 Nr. 5 fallen, weiterhin Schuldverschreibungen und andere, Schuldverschreibungen vergleichbare übertragbare Wertpapiere, die dauernd oder wiederholt begeben werden, im Inland anbieten, ohne einen Prospekt nach Maßgabe des § 3 zu veröffentlichen. In der Fassung vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Heidelbach/Preuße, Einzelfragen in der praktischen Arbeit mit dem neuen Wertpapierprospektregime, BKR 2006, 316; Kollmorgen/Feldhaus, Zur Prospektpflicht bei aktienbasierten Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen – ungelöste Fragen der Anwendung des neuen Wertpapierprospektgesetzes BB 2007, 225; Seitz, Das neue Wertpapierprospektrecht, AG 2005, 678. Siehe auch Einl. WpPG.

Inhaltsübersicht I. Regelungsgegenstand . . . . . . II. Übergangsregelungen für Drittstaatemittenten (§ 31 Abs. 1 WpPG) . . . . . . . . . . . 1. Recht zur Wahl der zuständigen Behörde (§ 31 Abs. 1 Satz 1 WpPG) . . . . . . . . . . . 2. Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat (§ 31 Abs. 1 Satz 2 WpPG) . . . . . . . . . . .

1

2 3 5

III. Privileg für daueremittierende Kreditinstitute (§ 31 Abs. 2 WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Personeller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4. Umfang der Privilegierung . . 11

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§ 31 WpPG

Übergangsbestimmungen

I. Regelungsgegenstand 1

Die Übergangsbestimmungen betreffen zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände: § 31 Abs. 1 WpPG enthält Regelungen für Drittstaatemittenten, deren Wertpapiere vor Inkrafttreten des WpPG am 1.7.2005 zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen waren. § 31 Abs. 2 WpPG regelt das für eine Übergangszeit bestehende Privileg für daueremittierende Kreditinstitute. Sowohl die in § 31 Abs. 1 WpPG auf den 31.12.2005 festgesetzte Wahl- und Meldefrist als auch die nach § 31 Abs. 2 WpPG gewährte Übergangsfrist sind inzwischen verstrichen, so dass der Übergangsbestimmung keine aktuelle Bedeutung mehr zukommt.

II. Übergangsregelungen für Drittstaatemittenten (§ 31 Abs. 1 WpPG) 2

§ 31 Abs. 1 WpPG dient der Umsetzung des Art. 30 Abs. 1 der Prospektrichtlinie 2003/71/EG (siehe Einl. WpPG Rz. 5)1. Er betrifft die Verhältnisse von Drittstaatemittenten, deren Wertpapiere bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind oder die bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes im Inland Wertpapiere öffentlich angeboten oder einen Antrag auf Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem im Inland gelegenen organisierten Markt gestellt haben. Ein Drittstaatemittent ist Emittent (iS von § 2 Nr. 9 WpPG), wenn er einen Prospekt nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften eines Staates erstellt, der nicht dem Europäischen Wirtschaftsraum zugehört (vgl. § 20 Abs. 1 WpPG), wobei nach § 2 Nr. 15 WpPG als Staat des Europäischen Wirtschaftsraums jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union und der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gilt. Betroffen sind Sachverhalte vor Inkrafttreten des WpPG am 1.7.2005. 1. Recht zur Wahl der zuständigen Behörde (§ 31 Abs. 1 Satz 1 WpPG)

3

In Ergänzung des § 2 Nr. 13 lit. c WpPG regelt § 31 Abs. 1 Satz 1 WpPG das den Emittenten aus Drittstaaten zustehende Recht, die BaFin als für sie zuständige Aufsichtsbehörde zu wählen2. Die Wahl musste der BaFin bis zum 31.12.2005 mitgeteilt werden. Wurde eine solche Wahl nicht mitgeteilt, gilt das in § 31 Abs. 1 Satz 2 WpPG verankerte Prioritätsprinzip.

4

Aus dem Zusammenspiel zwischen § 2 Nr. 13 lit. b und c WpPG folgt, dass § 31 Abs. 1 Satz 1 WpPG für Dividendenwerte sowie Nichtdividendenwerte mit einer Stückelung von unter 1.000 Euro gilt. Aus der Verbindung von § 31 Abs. 1 Satz 1 mit Satz 2 WpPG ergibt sich, dass das Wahlrecht nach

1 RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 40. 2 RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 40.

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Assmann

§ 31 WpPG

Übergangsbestimmungen

§ 31 Abs. 1 Satz 1 WpPG nur Drittstaatemittenten zusteht, deren Wertpapiere bis zum 31.12.2003 zum Handel an einem organisierten Markt (iS von § 2 Nr. 16 WpPG) zugelassen waren. Für Emittenten, deren Wertpapiere nach dem 1.1.2004 zum Handel zugelassen wurden, gilt § 31 Abs. 1 Satz 2 WpPG. 2. Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat (§ 31 Abs. 1 Satz 2 WpPG) Für Drittstaatemittenten, deren Wertpapiere erstmalig nach dem 31.12.2003, jedoch vor dem 1.7.2005 im Inland öffentlich angeboten wurden, oder die für ihre Wertpapiere einen Antrag auf Zulassung zum Handel an einem im Inland gelegenen organisierten Markt gestellt haben, ist die Bundesrepublik Deutschland Herkunftsstaat iS von § 2 Nr. 13 WpPG. Der Umstand, dass Deutschland der Herkunftsstaat von Drittstaaten ist, ist im Hinblick auf die Anwendung der §§ 17 Abs. 2, 19 Abs. 1–4, 23 Abs. 4 und 24 WpPG von Bedeutung.

5

Die Rechtsfolge des § 31 Abs. 1 Satz 2 WpPG tritt auch ein, wenn in den Fällen des Satzes 1 das Wahlrecht nicht bis zum 31.12.2005 ausgeübt wurde. Dann ist nach dem Prioritätsprinzip1 die Bundesrepublik Deutschland Herkunftsstaat2.

6

III. Privileg für daueremittierende Kreditinstitute (§ 31 Abs. 2 WpPG) § 31 Abs. 2 WpPG dient der Umsetzung von Art. 30 Abs. 2 der Prospektrichtlinie (siehe Einl. WpPG Rz. 5). Bis zum 31.12.2008 wurden die dort genannten Kreditinstitute für bestimmte Wertpapiere von der Prospektpflicht befreit.

7

1. Personeller Anwendungsbereich Die Vorschrift betrifft Einlagenkreditinstitute (iS von § 2 Nr. 8 WpPG) und andere Kreditinstitute, die nicht ohnehin von der Prospektpflicht befreit sind. Sie erfasst im Gegensatz zur früheren Regelung in § 3 Nr. 2 VerkProspG nicht Finanzdienstleistungsinstitute iS des § 1 Abs. 1a KWG3. Da § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG selbst nur die dort näher bestimmten Einlagenkreditinstitute betrifft, ist der Verweis auf „andere Kreditinstitute“ überflüssig4. Erfasst sind somit alle Kreditinstitute, sofern es sich nicht um unter § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG fallende Einlagenkreditinstitute handelt (vgl. § 1 Abs. 1, Abs. 3d Satz 1 KWG). Vor dem Hintergrund des in § 31 Abs. 2 WpPG fehlen1 2 3 4

Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 225 (229). Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 31 WpPG Rz. 10 mwN. Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (318). Vgl. dazu Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 31 WpPG Rz. 10.

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§ 31 WpPG

Übergangsbestimmungen

den Verweises auf § 53b Abs. 1, 7 KWG, den § 3 Nr. 2 VerkProspG noch enthielt, stellt sich die Frage, ob auch ausländische Banken erfasst sind. Im Hinblick auf die Definition des § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG ist dies nur noch für die inländischen Zweigstellen ausländischer Banken zu bejahen1. 2. Sachlicher Anwendungsbereich 9

Die Befreiung gilt für Schuldverschreibungen und andere, Schuldverschreibungen vergleichbare übertragbare Wertpapiere, die dauernd oder wiederholt begeben (§ 2 Nr. 12 WpPG) werden. Die Privilegierung umfasst diejenigen Wertpapiere, die schon in den Anwendungsbereich von § 3 Nr. 2 VerkProspG aF gefallen sind. Dies legt der Charakter des § 31 WpPG als Übergangsvorschrift nahe2. Damit fallen nach dem herrschenden „engen Schuldverschreibungsbegriff“ solche Papiere unter § 31 Abs. 2 WpPG, bei denen die Rückzahlung des nominalen Kapitalbetrags vorgesehen ist und vom Emittenten ein Zinsversprechen abgegeben wird3, insbesondere festverzinsliche Schuldverschreibungen, Nullkuponanleihen, Pfandbriefe, Kommunalobligationen4 sowie bestimmte Indexzertifikate und Inhaberschuldverschreibungen5. Schuldverschreibungen vergleichbare übertragbare Wertpapiere sind etwa Zinsscheine6 und – sofern man sie nicht bereits direkt den Schuldverschreibungen zuordnet7 – Genussscheine. 3. Zeitlicher Anwendungsbereich

10

§ 31 Abs. 2 WpPG stellt eine echte Stichtagsregelung dar. Eine andere Auslegung lässt sich mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbaren8. 4. Umfang der Privilegierung

11

Die Rechtsfolge der Privilegierung besteht in der an keine weiteren Voraussetzungen geknüpften Befreiung von der Prospektveröffentlichungspflicht. Erfasst ist durch den Verweis auf den gesamten § 3 WpPG sowohl eine Befreiung von der Prospektpflicht nach dessen Abs. 1 als auch die den Zulassungssteller treffende Pflicht nach § 3 Abs. 3 WpPG9. Zudem gilt die Befrei-

1 So auch Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 31 WpPG Rz. 13. 2 Seitz, AG 2005, 678 (684); Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (318). 3 VG Frankfurt v. 7.8.1997 – 15 E 2135/95 (1), WM 1998, 762 (763 f.). Ausführlich Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 19 ff.; Grimme/Ritz, WM 1998, 2091 (2095). 4 Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 31 WpPG Rz. 16. 5 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 27. 6 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 2 WpHG Rz. 21 mwN. 7 Vgl. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 2 WpHG Rz. 22. 8 Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 31 WpPG Rz. 20; wohl ebenso Pelz in Holzborn, § 31 WpPG Rz. 20. 9 Pelz in Holzborn, § 31 WpPG Rz. 5; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (318).

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Übergangsbestimmungen

§ 31 WpPG

ung auch für die Zulassung von Schuldverschreibungen an einem organisierten Markt1. Der Wortlaut des § 31 Abs. 2 WpPG lässt offen, inwieweit die Befreiung auch für die Zulassung für Schuldverschreibungen gilt.

1 Dazu Ritz/Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 31 WpPG Rz. 19; Linke in Schäfer/ Hamann, § 31 WpPG Rz. 9.

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B. Anhänge zur Verordnung (EG) Nr. 809/2004 (EU-ProspektVO) Anhang I Mindestangaben für das Registrierungsformular für Aktien (Modul) Schrifttum: Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Teilbd. 7, 6. Aufl. 2000; Apfelbacher/Metzner, Das Wertpapierprospektgesetz in der Praxis – Eine erste Bestandsaufnahme, BKR 2006, 81; Baetge/Wollmert/Kirsch/Oser/Bischoff, Rechnungslegung nach IFRS, 2. Aufl., 10. Erglfg., Loseblatt, Stand Dezember 2009; Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, 4. Aufl. 2008; Bohl/ Riese/Schlüter (Hrsg.), Beck’sches IFRS-Handbuch – Kommentierung der IFRS/IAS, 3. Aufl. 2009; Castan/Böcking/Heymann/Pfitzer/Scheffler (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, Loseblatt; d’Arcy/Leuz, Rechnungslegung am Neuen Markt – Eine Bestandsaufnahme, DB 2000, 385; Desmond, Complex financial histories – a problem solved, Capital Markets Law Journal 2007, 79; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl. 2009; Ellrott/Förschle/Kozikowski/Winkeljohann (Hrsg.), Beck’scher Bilanz-Kommentar, Handelsbilanz, Steuerbilanz, 7. Aufl. 2010; Frey, Auswirkungen des Börsenganges auf Rechnungslegung und Publizität, DStR 1999, 294; Fuchs/Schanbacher, Combined Financial Statements – Die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Börsenprospekt vor dem Hintergrund einer komplexen finanztechnischen Vorgeschichte, IRZ 2009, 39; Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009 und 2. Aufl. 2002; Heiden, Pro-forma-Berichterstattung – Reporting zwischen Information und Täuschung, 2006; Institut der Wirtschaftsprüfer (Hrsg.), IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S), IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblatt; IDW Prüfungshinweis: Prüfung von zusätzlichen Abschlusselementen (IDW PH 9.960.2) v. 30.1.2006, WPg 2006, 333; IDW Rechnungslegungshinweis: Einzelfragen bei der Erstellung von Finanzinformationen nach der Prospektverordnung (IDW RH HFA 2.002) v. 21.4.2008, WPg Supplement 3/2008, 65; IDW Prüfungshinweis: Prüfung von Pro-Forma-Finanzinformationen, (IDW PH 9.960.1) v. 30.1.2006, WPg 2006, 333; IDW Rechnungslegungshinweis: Erstellung von Pro-Forma-Finanzinformationen (IDW RH HFA 1.004) v. 29.11.2005, WPg 2006, 141; Institut der Wirtschaftsprüfer (Hrsg.), WP Handbuch 2008, Bd. 2, 13. Aufl. 2007; Kuhn/Stibi, Änderung der IDW Prüfungsstandards aufgrund des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, WPg 2009, 1157; Langguth/Brunschön, Segmentberichterstattung am deutschen Kapitalmarkt – Eine empirische Untersuchung am Beispiel des Prime Standards der deutschen Börse, DB 2006, 625; A. Meyer, Anlegerschutz und Förderung des Finanzplatzes Deutschland durch die Going Public Grundsätze der Deutsche Börse AG, WM 2002, 1864; A. Meyer, Anforderungen an Finanzinformationen in Wertpapierprospekten, Accounting 2/2006, 11; Neises/von Oppen, Wertpapierprospekt und Prospekterstellung, GoingPublic 2007, 28; Röh, CESR-Empfehlungen an EU-Kommission zu Prospektanforderungen bei Complex Financial Histories, BKR 2005, 423; PricewaterhouseCoopers, Complex financial histories, January 2008; Schindler/Böttcher/Roß, Erstellung von Pro-Forma-Abschlüssen – Systematisierung, Bestandsaufnahme und Vergleich mit US-amerikanischen Regelungen, WPg 2001, 22; Schindler/Böttcher/Roß, Empfehlungen zur Erstellung von Pro-Forma-Abschlüssen, WPg 2001, 139; Schindler/Böttcher/Roß, Bestätigungsver-

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EU-ProspektVO

Anhang I

merke und Bescheinigungen zu Konzernabschlüssen bei Börsengängen an den Neuen Markt – Anmerkungen zu dem Prüfungshinweis IDW PH 9.400.4, WPg 2001, 477; Schlitt/Schäfer, Aktuelle Rechtsfragen und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schlitt/Schäfer, Drei Jahre Praxis unter dem Wertpapierprospektgesetz – eine Zwischenbilanz, AG 2008, 525; Schlitt/Singhof/Schäfer, Aktuelle Rechtsfragen und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251; Schmotz, Pro-forma-Abschlüsse – Herstellung der Vergleichbarkeit von Rechnungslegungsinformationen, 2004; Siebel/Gebauer, Prognosen im Aktien- und Kapitalmarktrecht, WM 2001, 173; Veil, Prognosen im Kapitalmarktrecht, AG 2006, 690; von Keitz/Grote, Die Erstellung von Als-ob-Abschlüssen im Sinne des Regelwerks Neuer Markt, KoR 2001, 25.

Inhaltsübersicht I. Anwendungsbereich (Schlitt/Schäfer) . . . . . . . . . II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) (Schlitt/Schäfer) 1. Regelungszweck . . . . . . . . 2. Verantwortliche Personen . 3. Gegenstand der Verantwortungsübernahme . . . . . . . . 4. Stellung der Verantwortungsübernahmeerklärung . . . . . . . . . . . . .

. .

2 3

.

8

.

III. Abschlussprüfer (Ziffer 2) (Schlitt/Schäfer) 1. Erforderliche Angaben . . . . . 2. Wechsel des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mehrere Abschlussprüfer . . . IV. Ausgewählte Finanzinformationen (Ziffer 3) (Schlitt/Schäfer) 1. Relevante Zeiträume . . 2. Kriterien der Auswahl . 3. Vergleichsdaten für Zwischenzeiträume . . . 4. Stellung im Prospekt . . V. Risikofaktoren (Ziffer 4) (Schlitt/Schäfer) 1. Bedeutung der Risikofaktoren . . . . . . . . . . . 2. Darstellung . . . . . . . . . 3. Kategorien . . . . . . . . . . 4. Auswahl . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung der Risikofaktoren . . . . . .

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1

14

17 19 22

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24 25

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VI. Angaben über den Emittenten (Ziffer 5) (Schlitt/Schäfer) 1. Geschäftsgeschichte und Geschäftsentwicklung des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Investitionen . . . . . . . . . . . . 58 VII. Geschäftsüberblick (Ziffer 6) (Schlitt/Schäfer) 1. Bedeutung und Inhalt . . . . . . 2. Geschäftsmodell und Geschäftsbereiche . . . . . . . . . . 3. Negativaussagen zu Abhängigkeiten . . . . . . . . . . 4. Markt und Wettbewerb . . . . 5. Rechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . .

62 63 68 69 72

VIII. Organisationsstruktur (Ziffer 7) (Schlitt/Schäfer) 1. Gruppendarstellung . . . . . . . 2. Wichtigste Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . .

78

IX. Sachanlagen (Ziffer 8) (Schlitt/Schäfer) 1. Sachanlagen . . . . . . . . . . . . 2. Umweltfragen . . . . . . . . . . .

80 86

X. Angaben zur Geschäfts- und Finanzlage (Ziffer 9) (Schlitt/Schäfer) 1. Herkunft, Ziel und Bestandteile . . . . . . . . . . . . 2. Identifikation der wesentlichen Einflussfaktoren . . . . . 3. Zu analysierende Finanzinformationen . . . . . . . . . . .

74

87 91 92

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Anhang I 4. Vergleich von Rechnungslegungsstandards . . . . . . . .

99

XI. Eigenkapitalausstattung (Ziffer 10) (Schlitt/Schäfer) 1. Kapitalausstattung und Verschuldung . . . . . . . . . . . 102 2. Kapitalflussrechnung . . . . . 103 3. Finanzierungsstruktur und Fremdfinanzierungsbedarf . 104 XII. Forschung und Entwicklung, Patente und Lizenzen (Ziffer 11) (Schlitt/Schäfer) 1. Forschung und Entwicklung 108 2. Gewerbliche Schutzrechte . 112 XIII. Trendinformationen (Ziffer 12) (Schlitt/Schäfer) . 113 XIV. Gewinnprognosen oder -schätzungen (Ziffer 13) (Schlitt/Schäfer) 1. Definition der Gewinnprognose und Gewinnschätzung 116 2. Aufnahme in den Prospekt . 117 3. Ergänzende Hinweise im Prospekt . . . . . . . . . . . . . . 120 XV. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane sowie oberes Management (Ziffer 14) (Schlitt/Schäfer) 1. Standort und Inhalt . . . . . . 2. Mitglieder des oberen Managements . . . . . . . . . . 3. Gründer . . . . . . . . . . . . . . 4. D&O-Questionnaires . . . . .

121 126 128 129

XVI. Bezüge und Vergünstigungen (Ziffer 15) (Schlitt/Schäfer) 1. Grundsätzliche Pflicht zur Darstellung der individuellen Vergütung . . . . . . . . . . . . . 130 2. Vergütungsbestandteile . . . 132 3. Pensionsrückstellungen . . . 133 XVII. Praktiken der Geschäftsführung (Ziffer 16) (Schlitt/Schäfer) 1. Organbestellung und Dienstvertrag . . . . . . . . . . . 134 2. Aufsichtsratsausschüsse . . . 136 3. Corporate Governance . . . . 137 XVIII. Beschäftigte (Ziffer 17) (Schlitt/Schäfer) 1. Anzahl der Mitarbeiter . . . . 139

2. Aktienbesitz und Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . . . 143 3. Mitarbeiterbeteiligungen . . 146 XIX. Hauptaktionäre (Ziffer 18) (Schlitt/Schäfer) 1. Angaben zur Aktionärsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Angaben zur Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Künftige Kontrollerlangung . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 XX. Geschäfte mit verbundenen Parteien (Ziffer 19) (Schlitt/Schäfer) . . . . . . . . . 158 XXI. Finanzinformationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten (Ziffer 20) 1. Vorbemerkung und Überblick zu Ziffer 20.1 bis 20.6 (Kunold) . . . . . . . . . . . . . . 2. Historische Finanzinformationen (Ziffer 20.1) (Kunold) a) Pflicht zur Aufnahme geprüfter historischer Finanzinformationen (Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 1) . b) Änderung des Bilanzstichtags (Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . c) Anwendbare Rechnungslegungsstandards . . . . . . aa) Emittenten aus EWRStaaten (Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 3) . . . . . . bb) Drittstaatenemittenten (Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 4 und 5) . . . . . . . d) Konsistenzregel (Ziffer 20.1 Abs. 2) . . . . . e) Emittenten mit einer Geschäftstätigkeit von weniger als einem Jahr (Ziffer 20.1 Abs. 3) . . . . . aa) Emittenten mit kurzer Geschäftstätigkeit in ihrer aktuellen Wirtschaftsbranche . . . . . bb) Anwendbare Rechnungslegungsgrundsätze . . . . . . . . cc) Abzudeckender Berichtszeitraum . . .

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167

169 175 176 177 181 186

196

197 201 202

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EU-ProspektVO

3.

4. 5. 6. 7.

642

f) Aufzunehmende Mindestinformationen (Ziffer 20.1 Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . 207 g) Anwendbare Prüfungsstandards (Ziffer 20.1 Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . 212 Pflicht zur Erstellung von Pro-forma-Finanzinformationen (Ziffer 20.2) (Kunold) a) Vorbemerkung und Überblick . . . . . . . . . . . 215 b) Bedeutende BruttoVeränderung . . . . . . . . . 219 aa) Transaktionsbegriff . . 220 bb) Feststellung einer bedeutenden BruttoVeränderung . . . . . . . 222 c) Aufnahme von Pro-formaFinanzinformationen . . . 227 d) Inhalt der Pro-formaFinanzinformationen . . . 232 e) Aufnahme der Prüfungsbescheinigung des Wirtschaftsprüfers . . . . . . . . . 233 Aufnahme von Konzernund Einzelabschlüssen (Ziffer 20.3) (Kunold) . . . . . 234 Prüfung historischer Finanzinformationen (Ziffer 20.4) (Kunold) . . . . . . . . . . . . . . 240 Alter der jüngsten Finanzinformationen (Ziffer 20.5) (Kunold) . . . . . . . . . . . . . . 243 Aufnahme von Zwischenfinanzinformationen (Ziffer 20.6) (Kunold) a) Überblick . . . . . . . . . . . 245 b) Prospektanforderungen im Fall von bereits veröffentlichten Zwischenfinanzinformationen (Ziffer 20.6.1) aa) Pflicht zur Aufnahme veröffentlichter Zwischenfinanzinformationen . . . . . . . . . 250 bb) Umfang und Inhalt der Zwischenfinanzinformationen . . . . . . . . . 252 cc) Aufnahme einer Bescheinigung des Wirtschaftsprüfers zu den Zwischenfinanzinformationen . . . . . . . . . 253

Schlitt/Schäfer/Kunold

Anhang I

8.

9. 10.

11.

c) Prospektanforderungen im Fall noch nicht veröffentlichter Zwischenfinanzinformationen (Ziffer 20.6.2) aa) Pflicht zur Aufnahme und Erstellung von Zwischenfinanzinformationen . . . . . . . . . bb) Umfang und Inhalt der Zwischenfinanzinformationen . . . . . Emittenten mit einer komplexen Finanzhistorie (Art. 4a ProspektVO) (Kunold) a) Überblick und Entwicklung der Norm . . . . . . . . b) Komplexe finanztechnische Vorgeschichte . . . c) Bedeutende finanzielle Verpflichtungen . . . . . . . d) Aufzunehmende zusätzliche Informationen . . . . e) Kombinierte Abschlüsse . Dividenden und Dividendenpolitik (Ziffer 20.7) (Schlitt/Schäfer) . . . . . . . . . Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren, Verwaltungsverfahren (Ziffer 20.8) (Schlitt/Schäfer) . . . . . . . . . Wesentliche Veränderungen in der Finanzlage oder der Handelsposition des Emittenten (Ziffer 20.9) (Schlitt/Schäfer) . . . . . . . . .

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261 265 267 270 272 273

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XXII. Zusätzliche Angaben (Ziffer 21) (Schlitt/Schäfer) 1. Angaben über das Kapital . . 282 2. Anwendbare Vorschriften . . 291 XXIII. Wesentliche Verträge (Ziffer 22) (Schlitt/Schäfer) 1. Wesentlichkeitsschwelle für einzelne Verträge . . . . . 300 2. Beschreibung der sonstigen Vertragsbeziehungen . . . . . 304 XXIV. Angaben von Seiten Dritter, Erklärung von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen (Ziffer 23) (Schlitt/Schäfer) . . . . . . . . . 305

EU-ProspektVO

Anhang I XXV. Einsehbare Dokumente (Ziffer 24) (Schlitt/Schäfer) 1. Inhalt und Standort der abzugebenden Erklärung . . . 306 2. Bereit zu haltende Dokumente . . . . . . . . . . . . 309

XXVI. Angaben über Beteiligungen (Ziffer 25) (Schlitt/Schäfer) 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . 312 2. Darstellung . . . . . . . . . . . . 315 3. Angaben zu anderen Beteiligungsgesellschaften . . . . . 316

I. Anwendungsbereich (Schlitt/Schäfer) Anhang I der ProspektVO ist das für die Emission von Aktien und Wandel- 1 anleihen anwendbare Registrierungsformular (Art. 4 ProspektVO). Auch indirekt begebene Wandelanleihen, dh. solche, bei denen die Wandelanleihe durch eine Finanztochter, etwa eine holländische B.V., ausgegeben werden, gehören hierzu. Voraussetzung ist allerdings, dass die Aktien, in die sie gewandelt werden können, mit oder nach der Emission von einem Unternehmen, das zur Gruppe des Emittenten der Aktien gehört, emittiert werden und erst nach Billigung des Prospekts bezüglich der Wandelanleihe börslich zugelassen werden (Art. 17 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 ProspektVO)1. Nicht erfasst werden hingegen „harte“ Pflichtwandelanleihen (hard mandatory convertible bonds), bei denen entweder nach Wahl des Emittenten oder aufgrund Festlegung in den Anleihebedingungen, Aktien des Emittenten geliefert werden (können), unabhängig davon, ob deren Wert zum Zeitpunkt ihrer Lieferung dem Nennbetrag der Wandelanleihe entspricht und ohne dass eine etwaige Differenz zum Nennbetrag durch Zahlung ausgeglichen würde. Da hierbei eine Rückzahlung zumindest des Nennbetrags nicht gesichert ist, ist grundsätzlich je nach Stückelung Anhang IV ProspektVO bzw. Anhang IX ProspektVO maßgeblich2.

II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) (Schlitt/Schäfer) 1. Verantwortliche Personen 1.1. Alle Personen, die für die im Registrierungsformular gemachten Angaben bzw. für bestimmte Abschnitte des Registrierungsformulars verantwortlich sind. Im letzteren Fall sind die entsprechenden Abschnitte aufzunehmen. Im Falle von natürlichen Personen, zu denen auch Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane des Emittenten gehören, sind der Name und die Funktion dieser Person zu nennen. Bei juristischen Personen sind Name und eingetragener Sitz der Gesellschaft anzugeben. 1.2. Erklärung der für das Registrierungsformular verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die im Registrierungsformular genannten Angaben ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen ausgelassen wor1 Zur Einordnung der Module Kullmann/Sester, ZBB-Report 2005, 209 (213). 2 Zur Maßgeblichkeit der Rückzahlung des Nennbetrags Just in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 7 WpPG Rz. 28.

Schlitt/Schäfer

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EU-ProspektVO

Anhang I

den sind, die die Aussage des Registrierungsformulars wahrscheinlich verändern können. Ggf. Erklärung der für bestimmte Abschnitte des Registrierungsformulars verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die in dem Teil des Registrierungsformulars genannten Angaben, für die sie verantwortlich sind, ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen ausgelassen worden sind, die die Aussage des Registrierungsformulars wahrscheinlich verändern können. 1. Regelungszweck 2

Zweck der Ziffer 1 des Anhangs I ProspektVO ebenso wie der Ziffer 1 der Wertpapierbeschreibung nach Anhang III ProspektVO ist es, sicherzustellen, dass der Anleger erkennen kann, wer die Verantwortung für den Inhalt des Prospekts trägt. An die ausdrückliche Verantwortungsübernahme im Prospekt knüpft die Prospekthaftung nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BörsG an („…von denjenigen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben…“). Allerdings wurde die Prospekthaftung auf europäischer Ebene bislang nicht harmonisiert. Ein entsprechender Vorstoß im Jahr 2002 fand im Rat nicht genügend Rückhalt1. Art. 6 Abs. 1 der Prospektrichtlinie legt lediglich fest, dass mindestens ein Subjekt für den Prospekt verantwortlich zeichnen und die Verantwortungsübernahme ausdrücklich erklären muss, wobei es den Mitgliedstaaten überlassen blieb, ob es sich hierbei um den Emittenten oder dessen Verwaltungs-, Management- bzw. Aufsichtsstellen, den Anbieter, den Zulassungsantragsteller oder den Garantiegeber handelt. Der deutsche Gesetzgeber hat in § 5 Abs. 4 WpPG die Erfordernisse hinsichtlich der Verantwortungsübernahme näher spezifiziert (siehe § 5 WpPG Rz. 45 ff.). 2. Verantwortliche Personen

3

Der Kreis der Verantwortlichen nach Anhang I Ziffer 1.1 ProspektVO bestimmt sich danach, wer Anbieter oder Zulassungsantragsteller für die angebotenen Wertpapiere ist (§ 3 Abs. 1 und Abs. 3 WpPG)2. Wer als Anbieter oder Zulassungsantragsteller fungiert, hängt maßgeblich vom Anlass der Prospektveröffentlichung ab.

4

Als Anbieter treten beim öffentlichen Angebot regelmäßig der Emittent und die die Emission begleitende Investmentbank(en) auf. Mit ihren Namen zeichnen sie für das öffentliche Verkaufsangebot verantwortlich. Sowohl der Emittent als auch zumindest ein Kreditinstitut müssen nach § 32 Abs. 2

1 Dazu Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, §§ 44, 45 BörsG Rz. 8; Schlitt/Schäfer, BKR 2005, 251 (254); Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 26 Rz. 2. 2 Zum Kreis der verantwortlichen Personen siehe auch Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 215 ff.

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BörsG den Zulassungsantrag unterzeichnen. Sowohl unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Angebots als auch der Börsenzulassung resultiert die Pflicht zur Verantwortungsübernahme im Prospekt. Lediglich bei kleineren Emissionen und Emissionen im Freiverkehr tritt in Einzelfällen nur der Emittent der Aktien als Anbieter auf. Einer Nennung der begleitenden Investmentbank(en) bedarf es in diesem Fall auch aus Zulassungssicht nicht, da die Einbeziehung in den Freiverkehr als privatrechtlich organisiertem Markt keiner Zulassung nach dem BörsG bedarf1. Wird der Prospekt allein zu Zwecken der Börsenzulassung erstellt, etwa im 5 Falle eines Segmentwechsels oder bei Wandelanleihen, die in der Regel ausschließlich qualifizierten Anlegern iS des § 2 Nr. 6 WpPG angeboten werden, ist er allein von dem oder den Zulassungsantragstellern zu unterzeichnen. Ob dies, wie bei einer Börsenzulassung in Deutschland, notwendigerweise auch die begleitende Investmentbank ist, hängt maßgeblich von der Gestaltung des Börsenzulassungsverfahrens am Ort der Zulassung ab. So ist eine Unterzeichnung des für Zwecke der Börsenzulassung an der Luxemburger Börse, die ein für Anleihen einschließlich Wandelanleihen gefragter Handelsplatz ist, erstellten Prospekts durch die die Privatplatzierung begleitende Investmentbank nicht erforderlich. Auch wenn die begleitenden Banken nicht verpflichtet sind, bei einem öf- 6 fentlichen Angebot als Anbieter aufzutreten, ist jedoch im Zusammenhang mit einem öffentlichen Angebot2 die Nennung meist schon aus Marketinggründen gewünscht, woraus eine Pflicht zur Verantwortungsübernahme im Prospekt resultiert3. Eine persönliche Verantwortungsübernahme natürlicher Personen inner- 7 halb der juristischen Person, etwa der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft beim öffentlichen Angebot von Aktien, kennt das WpPG nicht. 3. Gegenstand der Verantwortungsübernahme Gegenstand der Verantwortungsübernahme nach Ziffer 1 des Anhangs I ProspektVO ist in aller Regel der gesamte Prospektinhalt. Zwar sieht Ziffer 1.2 die Möglichkeit zur Beschränkung der Verantwortungsübernahme auf bestimmte Prospektteile vor. Der dahinter stehende Gedanke, dass Erklärungen bestimmter Personen wie Wirtschaftsprüfer und anderer Sachverständiger, die Aufnahme in den Prospekt finden, nicht zur Verantwortung dieser Personen für den gesamten Prospektinhalt führen kann, ist grundsätzlich 1 Es ist dem nationalen Recht überlassen, zu bestimmen, welche Personen die Pflicht zur Verantwortungsübernahme trifft, siehe CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 47, 48. 2 Zum Begriff des öffentlichen Angebots siehe die Kommentierung zu § 2 Nr. 4 WpPG. 3 Zur Verantwortlichkeit der Emissionsbanken siehe auch Krämer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 10 Rz. 345.

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zu begrüßen. Jedoch dürfte in der Praxis eine Aufnahme von Sachverständigengutachten in den Prospekt, die entweder für diesen Zweck erstellt oder zu deren Aufnahme in den Prospekt der Gutachtenersteller einwilligt, selten sein. Eine Ausnahme bilden die in Anhang XIX der ProspektVO genannten Kategorien von Emittenten, bei denen die billigende Behörde Zusatzangaben, ua. auch Sachverständigengutachten, fordern kann. Bisher wurden in diesem Zusammenhang vor allem Bewertungsgutachten bei Emissionen von Immobilienunternehmen in den Prospekt aufgenommen. Eine Beschränkung der Verantwortung des Emittenten oder der begleitenden Investmentbank(en) auf bestimmte Prospektteile dürfte hingegen selten zulässig sein, da in der Regel von beiden das Angebot ausgeht und die Prospektpflicht an die Anbietereigenschaft anknüpft (§ 5 Abs. 3 WpPG). 9

Jedenfalls eine Person muss die Verantwortung für den gesamten Prospekt übernehmen.

10

Die in den Prospekten aufzunehmende Formulierung (der Verantwortungsübernahme) orientiert sich eng am Wortlaut von Ziffer 1 der Anhänge I und III sowie des § 5 Abs. 4 WpPG. Üblich ist daher folgende Formulierung: „Die X AG, Ort, die Y Bank, Ort, und die Z Bank, Ort, übernehmen gemäß § 5 Abs. 4 WpPG die Verantwortung für den Inhalt des Prospekts und erklären, dass ihres Wissens die Angaben in diesem Prospekt richtig sind und keine wesentlichen Umstände ausgelassen worden sind sowie dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die in diesem Prospekt genannten Angaben ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen ausgelassen worden sind, die die Aussage dieses Prospekts wahrscheinlich verändern können.“

11

Eine Haftungseinschränkung oder -relativierung ist grundsätzlich nicht zulässig, da hierdurch das Ziel der klaren Zuordnung der Prospekthaftung konterkariert würde. Um schon den Anschein einer Beschränkung der Verantwortlichkeitserklärung zu verhindern, sollten die §§ 44, 45 BörsG nicht unmittelbar in der Verantwortungsübernahmeerklärung, sondern allenfalls im nachfolgenden Text genannt werden1. Bei der Nennung dieser Bestimmungen ist jedoch deutlich zu machen, dass sich eine Haftung insbesondere aus diesen Normen ergeben kann. Dadurch wird klargestellt, dass andere Haftungsgrundlagen wie § 826 BGB nicht ausgeschlossen sind. Als Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot haftungsbeschränkender Hinweise hat die BaFin den Zusatz akzeptiert, wonach aufgrund von Änderungen, die nach der Erstellung des Prospekts eintreten, die Prospektangaben unrichtig oder unvollständig werden können und die Verantwortungsübernehmer keine über die gesetzliche Pflicht des § 16 WpPG hinausgehende Aktualisierung vornehmen werden.

12

Hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabs, den die Verantwortlichen walten lassen müssen, ist auf den für die Prospekthaftung maßgeblichen Sorgfaltsmaßstab 1 So die Empfehlung der BaFin, die jedoch nicht zwingend zu verstehen ist; siehe auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 34.

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zu rekurrieren. Eine Unterscheidung verbietet sich schon deswegen, weil der Anleger auf die Verantwortungsübernahme vertrauen können und gegen eine fälschliche Abgabe der Erklärung durch die Schadensersatzdrohung des § 44 Abs. 1 BörsG geschützt sein muss. In diesem Sinne ist auch der letzte Halbsatz von Anhang I Ziffer 1.2 ProspektVO zu verstehen, wonach keine Tatsachen ausgelassen wurden, die die Aussage des Registrierungsformulars wahrscheinlich verändern können. Daher ist richtigerweise zu fragen, ob eine Prospektaussage unter Berücksichtigung der fraglichen Tatsache unrichtig oder nicht vollständig erscheint.

13

4. Stellung der Verantwortungsübernahmeerklärung Bei einem einteiligen Prospekt reicht richtigerweise eine einmalige, das gesamte Dokument umfassende Verantwortungsübernahme aus, auch wenn Anhang III im Zusammenhang mit der Wertpapierbeschreibung gleichfalls eine Verantwortungsübernahme fordert (siehe Anhang II EU-ProspektVO Rz. 2 f.).

14

Bei einem mehrteiligen Prospekt ist hingegen aufgrund der doppelten Nennung der Verantwortungsübernahme in Anhang I und Anhang III ProspektVO eine entsprechende Verantwortungserklärung in jedes einzelne Dokument aufzunehmen. Wird von der Möglichkeit, lediglich für Teile des Prospekts die Verantwortung zu übernehmen, Gebrauch gemacht, können auch unterschiedliche Personen in den einzelnen Dokumenten die Verantwortung übernehmen.

15

Darüber hinaus spiegelt sich die Verantwortungsübernahme in der Unter- 16 zeichnung des Prospekts, der vom Anbieter und – sofern der Prospekt auch Grundlage für eine Börsenzulassung ist – vom Zulassungsantragsteller zu unterzeichnen ist (§ 5 Abs. 3 WpPG), wieder1. Dies gilt auch in den Fällen, in denen von bestimmten Personen lediglich für einen Teil des Prospekts die Verantwortung übernommen wird, ohne dass es sich um einen mehrteiligen Prospekt handelt und sich die Verantwortungsübernahme auf lediglich einen der Teile bezieht.

III. Abschlussprüfer (Ziffer 2) (Schlitt/Schäfer) 2. Abschlussprüfer 2.1. Namen und Anschrift der Abschlussprüfer des Emittenten, die für den von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraum zuständig waren (einschließlich der Angabe ihrer Mitgliedschaft in einer Berufsvereinigung). 1 Zu dieser „Doppelregelung“ Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 19.

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2.2. Wurden Abschlussprüfer während des von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraums abberufen, nicht wieder bestellt oder haben sie ihr Mandat niedergelegt, so sind entsprechende Einzelheiten zu veröffentlichen, wenn sie von wesentlicher Bedeutung sind. 1. Erforderliche Angaben 17

Ähnlich den vor Inkrafttreten der ProspektVO geltenden § 9 Satz 1 VerkProspVO und § 30 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV aF fordert Anhang I Ziffer 2.1 ProspektVO die Angabe von Name und Anschrift des Abschlussprüfers, der für die Abschlussprüfung der historischen Finanzinformationen im Prospekt zuständig war. Im Regelfall wird eine Prüfungsgesellschaft beauftragt, so dass ihr Name und die Anschrift ihres Sitzes anzugeben ist. Nur im Ausnahmefall einer Bestellung einer natürlichen Person als Abschlussprüfer ist deren Name und die Anschrift ihres Wohnortes in den Prospekt aufzunehmen1.

18

Weiterhin fordert Anhang I Ziffer 2.1 ProspektVO die Angabe, ob eine Mitgliedschaft in einer Berufsvereinigung besteht. Diesem Erfordernis wird mit dem Hinweis auf die bestehende (Pflicht-)Mitgliedschaft der Prüfungsgesellschaft oder der jeweiligen natürlichen Person in der Wirtschaftsprüfungskammer Genüge getan. Fakultativ möglich, aber nicht üblich ist demgegenüber der zusätzliche Hinweis auf das Bestehen weiterer freiwilliger Mitgliedschaften, wie zB die Mitgliedschaft im Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW). 2. Wechsel des Abschlussprüfers

19

Neu gegenüber der vor Inkrafttreten der ProspektVO geltenden Rechtslage ist das Erfordernis der Ziffer 2.2 des Anhangs I ProspektVO, nähere Angaben über einen etwaigen Prüferwechsel zu machen, wenn diese Angaben von wesentlicher Bedeutung sind. Eine solche entscheidende Bedeutung dürfte im Regelfall zu vermuten sein, wenn dies zur Offenlegung von Sachverhalten führen würde, die auf Unstimmigkeiten bei der Aufstellung der historischen Finanzinformationen hindeuten, so beispielsweise wenn der Prüferwechsel auf Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Bilanzierung beruhte2.

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Wenn der Wechsel des Abschlussprüfers nach Feststellung eines Verstoßes gegen Rechnungslegungsvorschriften nach dem Bilanzkontrollgesetz (BilKoG) erfolgte, ist eine entscheidende Bedeutung stets gegeben. Es sind dann Angaben über den Prüferwechsel in den Prospekt aufzunehmen. Diese sollten nähere Angaben zu dem durchgeführten Verfahren und seinen Hintergründen enthalten. 1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 39/40. 2 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 48.

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Keine entscheidende Bedeutung kommt dem Wechsel des Abschlussprüfers zu, wenn dieser turnusmäßig erfolgte1.

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3. Mehrere Abschlussprüfer Sind im Prospekt neben den historischen Finanzinformationen des Emit- 22 tenten weitere historische Finanzinformationen, etwa aufgrund des Vorliegens einer komplexen Finanzhistorie, historische Finanzinformationen von Tochtergesellschaften oder akquirierten Unternehmen2, enthalten, sind zur Vervollständigung der Informationen für Investoren die oben genannten Angaben auch für die Abschlussprüfer aufzunehmen, die diese Finanzinformationen geprüft oder prüferisch durchgesehen haben. Dies gilt auch bei einem Wechsel des Abschlussprüfers. Gleiches gilt bei Aufnahme von Pro Forma-Angaben für den die zugehörige 23 Bescheinigung ausstellenden Prüfer.

IV. Ausgewählte Finanzinformationen (Ziffer 3) (Schlitt/Schäfer) 3. Ausgewählte Finanzinformationen 3.1. Ausgewählte historische Finanzinformationen über den Emittenten sind für jedes Geschäftsjahr für den Zeitraum vorzulegen, der von den historischen Finanzinformationen abgedeckt wird, und für jeden nachfolgenden Zwischenberichtszeitraum und zwar in derselben Währung wie die Finanzinformationen. Die ausgewählten historischen Finanzinformationen müssen die Schlüsselzahlen enthalten, die einen Überblick über die Finanzlage des Emittenten geben. 3.2. Werden ausgewählte Finanzinformationen für Zwischenzeiträume vorgelegt, so sind auch Vergleichsdaten für den gleichen Zeitraum des vorhergehenden Geschäftsjahres vorzulegen, es sei denn, die Anforderung der Beibringung vergleichbarer Bilanzinformationen wird durch die Vorlage der Bilanzdaten zum Jahresende erfüllt. 1. Relevante Zeiträume Zweck der Aufnahme ausgewählter historischer Finanzinformationen ist es, die wesentlichen Informationen aus den im Prospekt enthaltenen Abschlüssen zusammenzufassen3. Die Zeiträume, für die ausgewählte Finanzinformationen in den Prospekt aufzunehmen sind, entsprechen daher gemäß Anhang I Ziffer 3.1 ProspektVO den durch die im Finanzteil des Prospekts enthaltenen Abschlüsse abgedeckten Zeiträumen. Die Formulierung 1 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 10. 2 Siehe zu den in den Prospekt aufzunehmen Finanzinformationen von Tochtergesellschaften und akquirierten Unternehmen unten Rz. 261 ff. 3 CESR/05-054b, Rz. 20.

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„und für jeden nachfolgenden Zwischenberichtszeitraum“ ist im Lichte der in den Prospekt aufzunehmenden historischen Finanzinformationen für Zwischenberichtszeiträume nach Anhang I Ziffer 20.6 ProspektVO (siehe dazu Rz. 245 ff.) zu verstehen. Hingegen ist aus der Formulierung in Anhang I Ziffer 3.2 ProspektVO „auch Vergleichsdaten für den gleichen Zeitraum des vorhergehenden Geschäftsjahres“ nicht zu schließen, dass über den Zeitraum der historischen Finanzinformationen im Prospekt hinaus Vergleichsdaten früherer Zeiträume, also etwas Vergleichszahlen zu dem drei Jahre zurückliegenden Geschäftsjahr, aufgenommen werden müssen. 2. Kriterien der Auswahl 25

Entsprechend dem Zweck, die Schlüsselzahlen für den Investor herauszufiltern, sind für den Emittenten, unter Berücksichtigung des Einzelfalls wie auch der Finanzdaten anderer Emittenten seiner Branche, die wesentlichen Angaben, üblicherweise tabellarisch, zusammenzufassen. Die Angaben sind unmittelbar den im Prospekt enthaltenen (IFRS-)Abschlüssen zu entnehmen1. Sofern eine Vergleichbarkeit der historischen Finanzinformationen etwa dadurch erschwert wird, dass für ein Geschäftsjahr lediglich ein Abschluss nach nationalen Rechnungslegungsstandards in den Prospekt aufgenommen wird, wird in der Praxis zur besseren Vergleichbarkeit auf die im IFRS-Abschluss für das Folgejahr enthaltene Vergleichszahlen abgestellt. Seltener enthalten Prospekte für ein „Brückenjahr“ (siehe dazu Rz. 189/190) sowohl die Angaben nach nationalen Rechnungslegungsstandards als auch nach IFRS2.

26

Sofern neben den historischen Finanzinformationen auch Pro Forma-Finanzinformationen im Prospekt enthalten sind, sind diese in der Regel gleichfalls in den ausgewählten historischen Finanzinformationen zu berücksichtigen3. Darstellerisch kann dem durch eine zusätzliche Spalte in einer tabellarischen Übersicht Rechnung getragen werden.

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Da der Prospekt gemäß Anhang I Ziffer 9.1 und 9.2 ProspektVO Aufschluss über die Geschäfts- und Finanzlage geben soll (siehe dazu unten, Ziffer 9 Rz. 87 ff.), sind unter den Schlüsselzahlen zumindest die wesentlichen Angaben aus Gewinn- und Verlustrechnung und Kapitalflussrechnung zu verstehen. Unter dem Gesichtspunkt der Richtigkeit und Vollständigkeit sind diese jedenfalls dann durch die wesentlichen Angaben aus der Bilanz zu vervollständigen, wenn Angaben zur Bilanz in der Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (Anhang I Ziffer 9.1 und 9.2 ProspektVO) im Prospekt enthalten sind. Hierfür spricht auch die Formulierung der Ziffer 3.2 des Anhangs I ProspektVO („es sei denn, die Anforderung der Beibringung vergleichbarer Bilanzinformationen wird durch die Vorlage der Bilanzdaten zum Jahresende erfüllt“). 1 CESR/05-954b, Rz. 22. 2 CESR/05-054b, Rz. 26. 3 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 62.

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Auf freiwilliger Basis können darüber hinaus zusätzliche Finanz- und Un- 28 ternehmenszahlen angegeben werden, die der Prospektersteller für wesentlich hält. So können beispielsweise Zahlen wie das durchschnittliche jährliche Wachstum oder Margenangaben dargestellt werden, wenn sie aus Vermarktungssicht eine wichtige Rolle spielen. Insoweit ist im Prospekt darzulegen, woher sie stammen, zB als Berechnung aus verschiedenen Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung1. Außerdem ist darauf zu achten, dass dem Adressaten des Prospekts erläutert wird, was unter den aufgeführten Zahlen zu verstehen ist. Daher müssen insbesondere Begriffe, die unter IFRS nicht definiert sind, wie EBIT und EBITDA im Prospekt eindeutig definiert werden2. Des Weiteren dürfen diese freiwillig aufgenommenen Kennziffern nicht mit den im Prospekt abgedruckten historischen Finanzinformationen im Widerspruch stehen3. Da der Investor seine Anlageentscheidung im Wesentlichen auf Grundlage dieser historischen Finanzinformationen treffen soll, ist freiwillig aufgenommenen Angaben weniger Prominenz einzuräumen4. 3. Vergleichsdaten für Zwischenzeiträume Anhang I Ziffer 3.2 ProspektVO legt fest, dass für Zwischenfinanzinforma- 29 tionen Vergleichszahlen in die ausgewählten historischen Finanzinformationen aufgenommen werden müssen. Bei Angaben aus der Gewinn- und Verlustrechnung ebenso wie bei solchen aus der Kapitalflussrechnung handelt es sich um Vergleichszahlen des entsprechenden Vorjahreszeitraums. Auch wenn Anhang I Ziffer 3.2 ProspektVO hinsichtlich der Vergleichszahlen der Bilanz im Regelfall auf Vergleichszahlen zum Ende der entsprechenden Vorjahresperiode abstellt, entspricht es den IFRS-Standards und dem Verständnis von CESR, primär die Angaben zum Ende des letzten Geschäftsjahres als Vergleichszahlen zu nennen5. 4. Stellung im Prospekt Um dem Investor das Verständnis der Schlüsselzahlen zu erleichtern, bietet 30 sich eine Darstellung als eigenes Kapitel unmittelbar vor der Präsentation der nach Anhang I Ziffer 9 ProspektVO erforderlichen Angaben zur Geschäfts- und Finanzlage (üblicherweise „Darstellung und Analyse der Ver-

1 2 3 4

CESR/05-054b, Rz. 24. CESR/05-054b, Rz. 24. CESR/05-054b, Rz. 24. CESR/05-054b, Rz. 23, 25 mit weiteren Beispielen für freiwillige Finanz- und Unternehmensinformationen. 5 Die deutsche Fassung der ProspektVO ist insoweit im Vergleich zur englischen Fassung nicht korrekt übersetzt. In der englischen Fassung heißt es „comparative data from the same period in the prior financial year must also be provided, except that the requirement for comparative balance sheet information is satisfied by presenting the year end balance sheet information.“

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mögens-, Finanz- und Ertragslage“ genannt) an. Da dies vom Aufbau des Anhangs I abweicht, ist ein entsprechender Hinweis in der bei der BaFin einzureichenden Überkreuzcheckliste erforderlich1. 31

Darüber hinaus sind die Angaben auch in der Zusammenfassung des Prospekts zu machen, da diese die wesentlichen Merkmale enthalten muss (zur Zusammenfassung siehe § 5 WpPG Rz. 25 ff.). Art. 24 ProspektVO, der dem Prospektersteller weitgehende Freiheit bei der Gestaltung der Zusammenfassung zubilligt, ist vor dem Hintergrund des durch § 5 Abs. 2 WpPG gesetzten Rahmens zu verstehen.

V. Risikofaktoren (Ziffer 4) (Schlitt/Schäfer) 4. Risikofaktoren Klare Offenlegung von Risikofaktoren, die für den Emittenten oder seine Branche spezifisch sind (unter der Rubrik „Risikofaktoren“). 1. Bedeutung der Risikofaktoren 32

Nach der früheren Rechtslage nach der BörsZulV aF bzw. der VerkProspVO waren Risikofaktoren nicht zwingend. Jedoch entsprach es schon vor ihrer verpflichtenden Einführung durch das WpPG der Praxis, ein eigenes Kapitel zu Risikofaktoren in den Prospekt aufzunehmen2. Die bis zum Inkrafttreten des WpPG geltenden, von den Marktteilnehmern aufgrund einer Selbstverpflichtung befolgten Going-Public-Grundsätze enthielten dem entsprechend Regelungen über die Darstellung von Risikofaktoren3.

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Die ihnen vom Gesetzgeber nunmehr zugemessene Bedeutung wird durch die verpflichtend vorgegebene Nennung der Risiken unmittelbar nach der Zusammenfassung des Prospekts (Art. 25 Abs. 1 Nr. 3 ProspektVO), aber auch durch die zwingende Nennung der Risikofaktoren in der Zusammenfassung (§ 5 Abs. 2 WpPG) unterstrichen. Zudem sieht Anhang I Ziffer 4

1 Art. 25 Abs. 3 ProspektVO ermöglicht, abgesehen von den zwingend in der genannten Reihenfolge voranzustellenden Bestandteilen Inhaltsverzeichnis, Zusammenfassung und Risikofaktoren, eine freie Gestaltung der Reihenfolge der einzelnen Prospektbestandteile. Eine solche abweichende Reihenfolge wird vor dem Hintergrund der etablierten Marktpraxis und Erwartungen der Investoren regelmäßig gewählt. Die BaFin fordert auf Grundlage von Art. 24 Abs. 4 ProspektVO in diesen Fällen eine so genannte Überkreuz-Checkliste, aus der sich die Stellung der nach den Anhängen zur ProspektVO erforderlichen Prospektbestandteile im jeweiligen Prospekt ergibt. 2 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 53; Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 15. 3 Ziffer 4.1 der Going-Public-Grundsätze; dazu Schlitt/Smith/Werlen, AG 2002, 478.

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ProspektVO ausdrücklich vor, dass die Nennung unter der Überschrift „Risikofaktoren“ erfolgen muss1. Die Risikofaktoren sollen für eine angemessene Aufklärung der Investoren über relevante Risiken sorgen. Für die Prospektverantwortlichen entfaltet die Nennung der einschlägigen Risiken eine gewisse Schutzwirkung vor eventuellen Prospekthaftungsklagen2, so dass es eher im wohlverstandenen Interesse der Prospektverantwortlichen liegt, ausreichend und klar verständlich über relevante Risiken aufzuklären.

34

Auch wenn bereits vor Inkrafttreten der ProspektVO Risikofaktoren freiwil- 35 lig, vor allem im Hinblick auf mögliche Prospekthaftungsansprüche, in den Prospekt aufgenommen wurden, war es nicht üblich, in einer ebenfalls freiwillig aufgenommenen Zusammenfassung auch diese Risiken zu nennen3. Die Zusammenfassung war vielmehr der Vermarktung und entsprechenden Hervorhebung der Chancen und Stärken des Emittenten vorbehalten. Mit Inkrafttreten der ProspektVO wurde dies geändert. Neben der ausführlichen Darstellung der wesentlichen Risikofaktoren als eigenes Kapitel fordert § 5 Abs. 2 WpPG ihre Nennung im gleichfalls verpflichtenden Prospektbestandteil Zusammenfassung4. 2. Darstellung Die Darstellung der Risikofaktoren im Prospekt wird üblicherweise von all- 36 gemeinen Warnhinweisen an die Leser eingeleitet, die den Anlegern nahe legen, die im Prospekt enthaltenen Informationen insgesamt sorgfältig zu lesen und abzuwägen, und darauf hinweisen, dass der Eintritt der genannten Risiken die Geschäftstätigkeit des Emittenten wesentlich beeinträchtigen und erhebliche nachteilige Auswirkungen auf seine Vermögens-, Finanzund Ertragslage haben kann und die gewählte Reihenfolge nichts über die Eintrittswahrscheinlichkeit oder Bedeutung der einzelnen Risiken aussagt. Zusätzlich findet sich in der Regel der Hinweis, dass sich rückblickend betrachtet weitere Risiken herausstellen können, weitere Risiken und Unsicherheiten, die gegenwärtig nicht bekannt sind oder die gegenwärtig nicht als wesentlich eingestuft werden, bestehen können und der Börsenkurs aufgrund des Eintritts jedes der genannten Risiken, mit einem entsprechenden (Total-)Verlust des eingesetzten Kapitals, fallen kann. Da dies den Eindruck vermeidet, der Katalog genannter Risiken sei in jedem Fall abschließend, ist dieser Hinweis im Sinne des Anlegerschutzes und daher zulässig.

1 Einer Wiederholung innerhalb des Registrierungsformulars bzw. der Wertpapierbeschreibung bedarf es bei einem, in der Praxis bei Aktienemissionen seltenen, mehrteiligen Prospekt nicht. 2 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 16; Fingerhut/Voß in Just/ Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 69. 3 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 77. 4 Ausführlich zur Zusammenfassung die Kommentierung zu § 5 WpPG Rz. 25 ff.

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Die Risikofaktoren selbst sind in der Prospekten eigenen, an den Erfordernissen des § 5 Abs. 1 WpPG ausgerichteten nüchternen und um Objektivität bemühten Darstellungsweise zu formulieren1. Im Gegensatz zu anderen Prospektteilen, in denen die Herausstellung von Chancen möglich ist oder sogar im Vordergrund steht, ist es den Risikofaktoren eigen, dass in ihnen keinerlei Hinweis auf korrespondierende Chancen möglich ist. Auch die Darstellung gegen die Verwirklichung eines Risikos ergriffener Gegenmaßnahmen oder sonstige relativierende Aussagen (mitigating language) sind nicht möglich. Allerdings ist nach zutreffender Auffassung der BaFin eine Nennung solcher Gegenmaßnahmen oder relativierender Umstände dann möglich, wenn erst im Anschluss und deutlichem Widerspruch hierzu das Risiko genannt wird (zB „Zwar hat der Emittent Gegenmaßnahmen ergriffen, er unterliegt aber dennoch dem Risiko, dass …“)2. Nicht nur im Hinblick auf das zu durchlaufende Billigungsverfahren, sondern auch im Hinblick auf die Schutzwirkung der Risikofaktoren vor möglichen Prospekthaftungsansprüchen, sind Hinweise auf Gegenmaßnahmen oder Tatsachen, aufgrund derer die Prospektverantwortlichen das Risiko als begrenzt ansehen, nur mit großer Zurückhaltung zu verwenden. Ihre Verwendung ist allerdings dann unbedenklich, wenn sie zum Verständnis des Umfangs des Risikos erforderlich sind.

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Um dem Eindruck einer Gewichtung einzelner Risiken vorzubeugen, erscheint es des Weiteren vorzugswürdig und entspricht einer weit verbreiteten Praxis, sämtliche Risikofaktoren mit einem gleich lautenden Hinweis auf ihre möglichen nachteiligen Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanzoder Ertragslage des Emittenten zu versehen3. Ebenso ist es jedoch auch zulässig, die möglichen Auswirkungen für jeden Risikofaktor individuell darzustellen.

39

Trotz des üblichen ausdrücklichen Hinweises auf die mangelnde Aussagekraft der gewählten Reihenfolge entspricht es der Praxis, im Interesse einer angemessenen Information der Anleger die Risiken nach ihrer Schwere zu sortieren. Die Going-Public-Grundsätze verlangten bis zum Inkrafttreten des WpPG, dass die Risikofaktoren nach dem Maß der möglichen wirtschaftlich negativen Auswirkungen auf den Emittenten, wie diese im Zeitpunkt der Prospekterstellung unter Zugrundelegung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns eingeschätzt werden, nicht aber der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts4. Diese Praxis wurde nach Inkrafttreten des WpPG fortgesetzt5.

1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 79; Neises/von Oppen, GoingPublic 2007, 28 (29). 2 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 90; aA Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 18. 3 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 79. 4 Ziffer 4.1.2. der Going-Public-Grundsätze sowie die Bemerkungen der Deutschen Börse v. 1.8.2004 dazu. 5 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 21.

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Da die Risikofaktoren aus sich heraus verständlich sein sollen und die Risiken an einer Stelle im Prospekt im Zusammenhang dargestellt sein sollten, sind Verweise auf außerhalb des Kapitels „Risikofaktoren“ liegende Prospektteile nach Auffassung der BaFin unzulässig. Verweise innerhalb des Kapitels „Risikofaktoren“ und Verweise außerhalb des Kapitels „Risikofaktoren“ auf darin enthaltene Risikofaktoren sind hingegen unschädlich1.

40

CESR hat beabsichtigt, zu einem späteren Zeitpunkt nähere Ausführungen zu den Risikofaktoren zu erarbeiten2. Bislang sind noch keine Empfehlungen erfolgt.

41

3. Kategorien Die ProspektVO gibt verschiedene Fallgruppen von Risiken vor. In Ziffer 4 des Anhangs I werden folgende genannt: – Risikofaktoren, die für den Emittenten spezifisch sind; – Risikofaktoren, die für die Branche des Emittenten spezifisch sind;

42

sowie folgende in Ziffer 2 des Anhangs III genannte und in einem einteiligen Prospekt im gleichen Kapitel zu nennende Risikofaktoren: – Risikofaktoren, die für die anzubietenden und/oder zum Handel zuzulassenden Wertpapiere von wesentlicher Bedeutung sind, wenn es darum geht, das Marktrisiko zu bewerten, mit dem diese Wertpapiere behaftet sind. Um die Darstellung der Risikofaktoren übersichtlicher zu gestalten, werden 43 in der Praxis häufig über die von der ProspektVO vorgegebenen hinaus weitere Fallgruppen gebildet. Ebenfalls aufgrund der besseren Verständlichkeit und Übersichtlichkeit werden hierfür üblicherweise die folgenden Abschnitte/Unterteilungen gebildet: – Marktbezogene Risiken – Unternehmensbezogene Risiken (bisweilen mit marktbezogenen Risiken zu Risiken in Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit zusammengefasst) – Rechtliche und steuerliche Risiken/Risiken im Hinblick auf das regulatorische Umfeld – Risiken im Zusammenhang mit dem Angebot (und der Aktionärsstruktur). 4. Auswahl Welche Risiken in den Prospekt aufzunehmen sind, hängt von einer Vielzahl von Umständen ab. Es müssen jedenfalls die Risiken genannt werden, die notwendig sind, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Ver1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 75. 2 CESR/02-185b, Rz. 46.

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mögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste und die Zukunftsaussichten des Emittenten zu ermöglichen (§ 5 Abs. 1 WpPG). Einen ersten Hinweis geben häufig die im Lagebericht des Emittenten genannten Risiken. 45

Grundsätzlich sind innerhalb der in Ziffer 4 des Anhangs I ProspektVO vorgesehenen Risikofaktoren nur wesentliche Risiken zu nennen, dh. solche, die zu wesentlichen Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Emittenten führen können. Zwar ist der Aspekt der Wesentlichkeit anders als in Ziffer 2 des Anhangs III ProspektVO nicht genannt. Jedoch ergibt sich dieses Kriterium zum einen aus § 44 Abs. 1 BörsG, wonach eine Haftung nur für solche unvollständigen oder unrichtigen Angaben im Prospekt besteht, die für die Beurteilung der Wertpapiere wesentlich sind. Hieraus lässt sich ableiten, dass keine Pflicht zur Aufnahme nicht wesentlicher Informationen besteht. Zum anderen ergibt sich aus § 5 WpPG, dass eine (freiwillige) Nennung jeglichen denkbaren, auch unwesentlichen Risikos, abgesehen davon, dass dies rein faktisch kaum möglich sein dürfte, nicht gestattet ist, da der Prospekt in einer Form abgefasst sein muss, die sein Verständnis und seine Auswertung erleichtern (§ 5 Abs. 1 Satz 3 WpPG)1. Würde jedes, auch unwesentliche, Risiko genannt, würde es den Anlegern erschwert, die wesentlichen Risiken zu identifizieren. Hierdurch würden wesentliche Risiken „verniedlicht“ und Verwirrung angesichts der Vielzahl genannter Risiken gestiftet. Dem entsprechend sahen bereits die vor Inkrafttreten des WpPG geltenden Going-Public-Grundsätze vor, dass jeder einzelne Risikofaktor einen spezifischen Bezug zum Geschäftsbetrieb und -umfeld des Emittenten haben muss und allgemeine Geschäftsrisiken nicht genannt werden dürfen2.

46

Auch wenn die Auswahl der Risikofaktoren im Einzelfall unter Berücksichtigung der bestehenden und künftigen Geschäftstätigkeit und Branche des Emittenten getroffen werden muss, sind aber jedenfalls auch solche Risiken zu nennen, die nicht nur diesen Emittenten oder nur seine Branche betreffen, jedoch als für diesen Emittenten wesentliche Risiken einzustufen sind. Hierzu können beispielsweise die Konjunktur, das Konsumverhalten der Bevölkerung oder die Ölpreisentwicklung zählen3. Ein Verbot der Nennung solcher Faktoren mit Hinweis darauf, dass diese auch für andere Branchen oder die Wirtschaft insgesamt relevant sind, würde dem Informationsbedürfnis der Investoren nicht Rechnung tragen4.

47

Die Wesentlichkeit eines Risikofaktors beurteilt sich anhand seiner Eintrittswahrscheinlichkeit und der Schwere der Auswirkungen im Falle seiner Realisierung5. Besteht eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit, insbesondere 1 2 3 4

Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 82. Ziffer 4.1.1 der Going-Public-Grundsätze. Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 88. Siehe auch Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 53. 5 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 87.

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die Möglichkeit eines gehäuften Eintretens, oder ein sehr großes Ausmaß an nachteiligen Auswirkungen bei Verwirklichung, ist ein Risiko als wesentlich zu erachten. Ist hingegen weder der eine noch der andere Aspekt ausschlaggebend, kann sich die Wesentlichkeit dennoch aus der Zusammenschau von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere der möglichen Auswirkungen ergeben. Ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit der Kündigung einer wesentlichen Lieferbeziehung nicht sehr hoch und der Schaden angesichts weiterer Lieferbeziehungen überschaubar, kann sich ein Risiko dennoch aus der Wahrscheinlichkeit, dass bei Kündigung durch einen Lieferanten andere Lieferanten nachziehen und sich hieraus eine Häufung von Schäden ergibt, ausschlaggebend sein. Bei der Bestimmung der wesentlichen Risikofaktoren sind darüber hinaus die im Prospektkapitel „Geschäftstätigkeit“ geschilderten Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, denen häufig entsprechende Risiken und Unsicherheiten gegenüberstehen. Da es den Risikofaktoren immanent sind, mögliche zukünftige Ereignisse zu beschreiben, sind bei der Auswahl und Beurteilung der Wesentlichkeit von Risiken nicht nur die gegenwärtige Geschäftstätigkeit, sondern auch die erwarteten, im Prospekt angesprochenen zukünftige Entwicklungen zu betrachten1.

48

Des Weiteren kann bei der Auswahl der Risikofaktoren die Investoren- 49 erwartung eine Rolle spielen, die durch die Marktpraxis und Prospekte anderer Emittenten geprägt wird. In der Praxis ist es daher üblich, Prospekte von Wettbewerbern (peer group) heranzuziehen. 5. Zusammenfassung der Risikofaktoren Da es naturgemäß schwer fallen dürfte, aus den bereits als wesentlich be- 50 stimmten Risikofaktoren für Zwecke der Zusammenfassung erneut eine Auswahl zu treffen, hat es sich in der Praxis eingebürgert, sämtliche Risikofaktoren auch in der Zusammenfassung zu nennen. Dies geschieht in der Regel durch die Wiedergabe der in Satzform2 der ausführlichen Darstellung des jeweiligen Risikofaktors im Kapitel Risikofaktoren vorangestellten Überschrift, die die wesentlichen Aspekte der ausführlicheren Darstellung im eigentlichen Textteil aufgreift.

VI. Angaben über den Emittenten (Ziffer 5) (Schlitt/Schäfer) 5. Angaben über den Emittenten 5.1. Geschäftsgeschichte und Geschäftsentwicklung des Emittenten 5.1.1. Juristischer und kommerzieller Name des Emittenten; 5.1.2. Ort der Registrierung des Emittenten und seine Registrierungsnummer; 1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 88. 2 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 19.

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5.1.3. Datum der Gründung und Existenzdauer des Emittenten, soweit diese nicht unbefristet ist; 5.1.4. Die Rechtsform und der Sitz des Emittenten; Rechtsordnung, in der er tätig ist; Land der Gründung der Gesellschaft; Geschäftsanschrift und Telefonnummer seines eingetragenen Sitzes (oder Hauptort der Geschäftstätigkeit, falls nicht mit dem eingetragenen Sitz identisch); 5.1.5. Wichtige Ereignisse in der Entwicklung der Geschäftstätigkeit des Emittenten. 5.2. Investitionen 5.2.1. Beschreibung (einschließlich des Betrages) der wichtigsten Investitionen des Emittenten für jedes Geschäftsjahr, und zwar für den Zeitraum, der von den historischen Finanzinformationen abgedeckt wird bis zum Datum des Registrierungsformulars. 5.2.2. Beschreibung der wichtigsten laufenden Investitionen des Emittenten, einschließlich der geografischen Verteilung dieser Investitionen (im Inland und im Ausland) und der Finanzierungsmethode (Eigenoder Fremdfinanzierung). 5.2.3. Angaben über die wichtigsten künftigen Investitionen des Emittenten, die von seinen Verwaltungsorganen bereits verbindlich beschlossen sind. 1. Geschäftsgeschichte und Geschäftsentwicklung des Emittenten 51

Die nach Anhang I Ziffer 5.1 ProspektVO erforderlichen Angaben betreffen inhaltlich zwei verschiedene Bereiche. In Anhang I Ziffer 5.1.1 bis 5.1.4 ProspektVO werden Angaben zur gesellschaftsrechtlichen Historie wie Gründung, Sitz, Handelsregisternummer uÄ gefordert. Diese Angaben finden sich typischerweise im Prospektkapitel „Allgemeine Informationen über die Gesellschaft“. Sie entsprechen weitestgehend dem vor Inkrafttreten der ProspektVO geltenden § 18 Nr. 1–5 BörZulV aF bzw. § 5 Abs. 2 VerkProspVO iVm. § 18 Nr. 1–5 BörsZulV aF1. Anhang I Ziffer 5.1.5 ProspektVO verlangt hingegen eine Darstellung der historischen Entwicklung der Geschäftstätigkeit des Emittenten, die typischerweise Teil des Prospektkapitels „Geschäftstätigkeit“ ist.

52

Unter dem juristischen Namen des Emittenten nach Anhang I Ziffer 5.1.1 ProspektVO ist die Firma iS des § 17 HGB und § 4 AktG zu verstehen, dh. der Name, unter dem die Geschäfte betrieben und die Unterschrift abgegeben wird. Der kommerzielle Name ist hingegen die gängige Abkürzung, die etwa in einem als Kurzform für die Gesellschaft verwendeten Logo bestehen kann und typischerweise keine Rechtsformbezeichnung beinhaltet2.

53

Ort der Registrierung des Emittenten und seine Registrierungsnummer nach Anhang I Ziffer 5.1.2 ProspektVO bezieht sich auf die Angabe der 1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 93. 2 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 22.

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Handelsregisternummer sowie des das Handelsregister führenden Amtsgerichts. Unter dem Datum der Gründung nach Anhang I Ziffer 5.1.3 ProspektVO ist 54 in der Regel das Datum der notariellen Beurkundung der Satzung zu verstehen (§ 23 Abs. 1 AktG)1. Ist der Emittent nicht neu gegründet, sondern durch eine Umwandlung nach Maßgabe des Umwandlungsgesetzes errichtet worden, so ist auf das Datum der Beurkundung der Satzung des Emittenten in der aktuellen Rechtsform abzustellen. Jedoch sind der Vollständigkeit halber auch die einer solchen gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung vorangegangen Entwicklungen zumindest in groben Zügen nachzuzeichnen2. Das Erfordernis einer Angabe zur Existenzdauer erscheint aus deutschem Rechtsverständnis nicht recht passend, da deutsche Gesellschaften typischerweise nicht auf Zeit errichtet sind. Auch ist nach dem Wortlaut nur dann eine Angabe erforderlich, wenn die Dauer befristet ist. Die BaFin fordert jedoch auch in allen anderen Fällen einen kurzen Hinweis auf die unbegrenzte Dauer, was als Förmelei erscheint. Als nach Anhang I Ziffer 5.1.4 ProspektVO zu nennende Rechtsform kom- 55 men, soweit es sich um einen deutschen Emittenten handelt, die der Aktiengesellschaft (AG) mit der Sonderform der Immobilien-Aktiengesellschaft (REIT-AG), Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und Europäischen Aktiengesellschaft (SE) in Betracht. Die Rechtsform ist in ausgeschriebener Schreibweise in den Prospekt aufzunehmen. Der Sitz, worunter der satzungsmäßige Sitz zu verstehen ist, ist auch dann anzugeben, wenn er bereits entsprechend Anhang I Ziffer 1.1 ProspektVO im Abschnitt „Verantwortungsübernahme“ genannt wurde. Die Rechtsordnung in der der Emittent tätig ist und das Land der Gründung des Emittenten können auch mittelbar genannt werden. So ist es beispielsweise ausreichend, wenn der Emittent als „deutsche Aktiengesellschaft“ bezeichnet wird. Ist der Emittent – wie meist – neben Deutschland in weiteren Jurisdiktionen tätig, so müssen diese Rechtsordnungen sämtlich – wenn auch mittelbar, zB im Kapitel „Geschäftstätigkeit“ – aufgeführt werden. Als Geschäftsanschrift ist die Anschrift des Sitzes bzw. der Hauptverwaltung zu nennen. Als Telefonnummer reicht die Angabe der Zentrale aus; einer Nennung der Telefonnummer der den Prospekt unterzeichnenden Vertreter des Emittenten bedarf es nicht. Die üblicherweise im Kapitel „Geschäftstätigkeit“ verortete Darstellung 56 der historischen Entwicklung der Geschäftstätigkeit soll wichtige Ereignisse in der Geschäftsentwicklung nach Anhang I Ziffer 5.1.5 ProspektVO beschreiben. Insoweit sind sowohl positive als auch negative Entwicklungen zu erläutern3. In jedem Fall zu beschreiben wäre hier etwa eine Transaktion, 1 So auch Schwark in Schwark, § 18 BörsZulV Rz. 1; aA Fingerhut/Voß in Just/ Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 96. 2 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 97. 3 So auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 105.

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die die Verpflichtung zur Aufnahme von Pro Forma-Finanzinformationen nach sich zieht, ebenso wie die Angabe einer Entwicklung, die zur Aufnahme weiterer historischer Finanzinformationen (Stichwort „complex financial history“) führt1. Zwingend zu diskutieren sind darüber hinaus sämtliche Ereignisse, die eine Änderung der Satzung des Emittenten erforderlich gemacht haben. Andere wesentliche Ereignisse können etwa die Expansion ins Ausland, Erschließung neuer Geschäftsbereiche oder die Unterteilung der Geschäftstätigkeit in Segmente sein. 57

Hat sich die Geschäftstätigkeit des Emittenten während der Dauer seines Bestehens nicht wesentlich geändert, ist nach Ansicht der BaFin eine entsprechende Negativaussage, üblicherweise im Überblick über die Geschäftstätigkeit, in den Prospekt aufzunehmen. Dies ist jedoch im Hinblick auf das mangelnde Informationsinteresse des Anlegers an solchen Negativaussagen grundsätzlich abzulehnen (siehe dazu § 8 WpPG Rz. 50). 2. Investitionen

58

Die in Anhang I Ziffer 5.2 ProspektVO geforderten Angaben zu Investitionen sind üblicherweise Teil eines entsprechend titulierten Abschnitts des Prospektkapitels „Geschäftstätigkeit“; verbreitet werden sie zusammen mit ihren Auswirkungen auf die Finanz- und Ertragslage auch im Kapitel „Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ genannt.

59

Nach Ziffer Anhang I 5.2.1 ProspektVO sind Angaben zu den wichtigsten Investitionen zu machen, die im Zeitraum der im Finanzteil des Prospekts enthaltenen historischen Finanzinformationen getätigt wurden. Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen eine Investition „wichtig“ ist. Zum Teil wird vertreten, die 10 %-Grenze des § 20 Abs. 1 Nr. 3 BörsZulV aF zu übertragen2. Eine solche Analogie kommt aber von vornherein nur modifiziert in Betracht, da jedenfalls der Umsatz des Emittenten nicht die maßgebliche Bezugsgröße sein kann. Würde man auf den Umsatz abstellen, wären regelmäßig nur wenige Investitionen im Prospekt darzustellen. Richtigerweise ist als maßgebliche Bezugsgröße das Gesamtinvestitionsvolumen des jeweiligen Jahres anzusehen3. Mit dieser Modifikation bietet sich die analoge Anwendung der 10 %-Grenze jedenfalls als Richtlinie an4. Dies bedeutet, dass 1 Zu Ereignissen, die die Pflicht zur Aufnahme von Pro Forma-Finanzinformationen in den Prospekt auslösen, siehe unten Rz. 215 ff.; zum Erfordernis der Aufnahme weiterer historischer Finanzinformationen (Stichwort: „complex financial history“) siehe unten Rz. 261 ff. 2 So etwa Heidelbach in Schwark, § 20 BörsZulV Rz. 1; aA Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 13–32 BörsZulV Rz. 11 iVm. §§ 1–15 VerkProspV Rz. 8. 3 Zur Anknüpfung an das Gesamtinvestitionsvolumen Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 1–15 VerkProspV Rz. 8; Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 108. 4 Heidelbach in Schwark, § 20 BörsZulV Rz. 1; Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 13–32 BörsZulV Rz. 11 iVm. §§ 1–15 VerkProspV Rz. 8; aA Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 7 VerkProspVO Rz. 5.

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anhand dieser Grenze eine Vor-Selektion der jeweiligen Investitionen durchgeführt werden kann. In einem zweiten Schritt sind dann alle in dem jeweiligen Jahr getätigten Investitionen einer Einzelfallbetrachtung zu unterziehen1. Diese kann dazu führen, dass auch unterhalb der 10 %-Grenze liegende Investitionen in den Prospekt aufzunehmen sind, etwa weil sie sehr risikobehaftet sind oder für den Emittenten zukünftig von besonderer Relevanz sein könnten2. Die aufgrund dieses Verfahrens ausgewählten „wichtigen“ Investitionen sind betragsmäßig zu benennen und darüber hinaus im Einzelnen zu beschreiben. Daneben ist die Gesamtsumme aller getätigten Investitionen in dem relevanten Jahr anzugeben. Die wichtigsten laufenden Investitionen müssen nach Anhang I Ziffer 5.2.2 60 ProspektVO ebenfalls dem Betrag nach angegeben und darüber hinaus sowohl als Gesamtbetrag als auch im Einzelnen beschrieben werden3. Im Einzelnen ist ferner darzustellen, wie sich die laufenden Investitionen geographisch verteilen und wie sie finanziert werden. Insbesondere im Falle einer Finanzierung aus dem Emissionserlös ist hier auf einen Gleichklang mit der Darstellung der Verwendung des Emissionserlöses im Prospekt (Anhang III Ziffer 3.4 ProspektVO, siehe hierzu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 22 ff.) und der Strategie des Emittenten zu achten. Für die Zukunft bereits verbindlich vom Vorstand (ggf. mit Zustimmung 61 des Aufsichtsrats) beschlossene wichtige Investitionen sind nach Anhang I Ziffer 5.2.3 ProspektVO ebenfalls in den Prospekt aufzunehmen. Sie sind möglichst genau darzustellen und betragsmäßig zu beziffern. Auch diesbezüglich ist neben der Bezifferung der einzelnen wichtigen Investitionen der Gesamtbetrag aller verbindlich beschlossenen Investitionen anzugeben. Wegen der korrespondierenden Bestimmung der Ziffer 10.5. des Anhangs I sind die erwarteten Quellen, aus denen die künftigen Investitionen bestritten werden sollen, anzugeben.

VII. Geschäftsüberblick (Ziffer 6) (Schlitt/Schäfer) 6. Geschäftsüberblick 6.1. Haupttätigkeitsbereiche 6.1.1. Beschreibung der Wesensart der Geschäfte des Emittenten und seiner Haupttätigkeiten (sowie der damit im Zusammenhang stehenden Schlüsselfaktoren) unter Angabe der wichtigsten Arten der vertriebenen Produkte und/oder erbrachten Dienstleistungen, und zwar für jedes Geschäftsjahr innerhalb des Zeitraums, der von den historischen Finanzinformationen abgedeckt wird; und 6.1.2. Angabe etwaiger wichtiger neuer Produkte und/oder Dienstleistungen, die eingeführt wurden, und – in dem Maße, wie die Entwicklung 1 Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 7 VerkProspVO Rz. 15. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 1–15 VerkProspV Rz. 8. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 13–32 BörsZulV Rz. 11.

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6.2.

6.3.

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6.5.

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neuer Produkte oder Dienstleistungen offen gelegt wurde – Angabe des Stands der Entwicklung. Wichtigste Märkte Beschreibung der wichtigsten Märkte, auf denen der Emittent tätig ist, einschließlich einer Aufschlüsselung der Gesamtumsätze nach Art der Tätigkeit und geografischem Markt für jedes Geschäftsjahr innerhalb des Zeitraums, der von den historischen Finanzinformationen abgedeckt wird. Falls die unter den Punkten 6.1. und 6.2. genannten Informationen durch außergewöhnliche Faktoren beeinflusst wurden, so sollte dies angegeben werden. Kurze Angaben über die etwaige Abhängigkeit des Emittenten in Bezug auf Patente und Lizenzen, Industrie-, Handels- oder Finanzierungsverträge oder neue Herstellungsverfahren, wenn diese Faktoren von wesentlicher Bedeutung für die Geschäftstätigkeit oder die Rentabilität des Emittenten sind. Grundlage für etwaige Angaben des Emittenten zu seiner Wettbewerbsposition.

1. Bedeutung und Inhalt 62

Die Beschreibung der Geschäftstätigkeit des Emittenten, die in aller Regel mit einer als „Überblick“ bezeichneten Zusammenfassung der wesentlichen Punkte beginnt, bildet zusammen mit den Risikofaktoren und der Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage das Kernstück eines jeden Prospekts. So werden in der Praxis unter der Überschrift „Geschäftstätigkeit“ nicht nur die von Anhang I Ziffer 6 ProspektVO im Einzelnen geforderten Angaben, sondern in der Regel zusätzlich weitere Pflichtangaben und darüber hinaus einige freiwillige Angaben offen gelegt. Über die von Anhang I Ziffer 6 ProspektVO geforderten Angaben hinausgehend enhält das Kapitel „Geschäftstätigkeit“ häufig die an anderen Stellen von der ProspektVO geforderten Pflichtangaben zu Investitionen1, Forschung und Entwicklung2, Mitarbeiter3, Umweltfragen4, wesentlichen Verträgen5, Rechtsstreitigkeiten und Verwaltungsverfahren6. Angaben, deren Nennung rechtlich nicht vorgeschrieben, die sich aber in der Praxis eingebürgert haben und die häufig innerhalb der Geschäftstätigkeit beschrieben werden, sind Wettbewerbsstärken, Strategie und Versicherungen. Nähere Angaben zu den Wettbewerbsstärken und der Strategie werden in aller Regel in den Prospekt aufgenommen, weil dies dem Emittenten und der begleiten1 2 3 4 5 6

Anhang I Ziffer 5.2 ProspektVO. Anhang I Ziffer 11 ProspektVO. Anhang I Ziffer 17 ProspektVO. Anhang I Ziffer 8.2 ProspektVO. Anhang I Ziffer 22 ProspektVO. Anhang I Ziffer 20.8 ProspektVO; siehe auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/ Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 114.

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den Bank die Möglichkeit gibt, diese Informationen zu Vermarktungszwecken in der Kommunikation gegenüber Analysten und Investoren herauszustellen1. 2. Geschäftsmodell und Geschäftsbereiche Der Hauptteil des Kapitels Geschäftstätigkeits ist der Darstellung des Ge- 63 schäftsmodells und der einzelnen Geschäftsbereiche des Emittenten nach Anhang I Ziffer 6.1.1 ProspektVO gewidmet. Aufgrund des übergeordneten Prinzips der Vollständigkeit, Richtigkeit und Verständlichkeit (siehe hierzu § 5 WpPG Rz. 11 ff.) muss Ziel der Darstellung eine möglichst eingängige Schilderung der Abläufe sein, die der Geschäftstätigkeit zu Grunde liegen und den Kern des Unternehmens ausmachen. Hierzu zählen bei einem produzierenden Unternehmen Aussagen zu den Produkten, ihrer Entstehung (Forschung und Entwicklung), der hierfür erforderlichen Beschaffung von Rohstoffen oder Komponenten, den Produktionsabläufen und -verfahren, des gewerblichen Rechtsschutzes, der Vermarktung und Kundenstruktur. Je nach Art der Tätigkeit sind einzelne Teile der Darstellung stärker zu gewichten. So wird regelmäßig dem Abschnitt der Patente und Lizenzen bei einem Pharmaunternehmen stärkeres Gewicht zukommen als bei einem Unternehmen, das etwa als reiner Händler Produkte vertreibt. Hat sich die Geschäftstätigkeit im Zeitraum der historischen Finanzinformationen (in der Regel die letzten drei Jahre) wesentlich geändert, etwa dadurch, dass neue Geschäftsbereiche hinzugekommen sind, ist dies ausdrücklich zu vermerken. Hierzu zählen nach Anhang I Ziffer 6.1.2 ProspektVO auch neu eingeführte wichtige2 Produkte oder Dienstleistungen. Befinden sie sich noch im Stand der Entwicklung, sind sie zumindest abstrakt im Abschnitt „Forschung und Entwicklung“ zu umschreiben. Erstreckt sich die Geschäftstätigkeit auf mehrere Bereiche oder verschiede- 64 ne geografische Regionen, so hat die Darstellung in der Regel der in den Finanzinformationen zu Grunde gelegten Segmentierung zu folgen. Ergänzend besteht die Möglichkeit, einzelne Segmente (Geschäftsbereiche) weiter aufzuteilen und beispielsweise Produktbereiche oder Tätigkeitsfelder innerhalb der einzelnen Geschäftsbereiche darzustellen. Anhang I Ziffer 6.2 ProspektVO schreibt, unabhängig von der Segmentdarstellung in den Finanzinformationen, vor, dass zumindest die Aufteilung der Gesamtumsätze auf die einzelnen Geschäftsbereiche und geografischen Märkte, auf denen der Emittent tätig ist, erfolgen muss. Da auch Emittenten, die keine volle Segmentberichterstattung nach den anwendbaren Rechnungslegungsstandards erstellen müssen3, regelmäßig ihre Umsätze nach Tätigkeitsbereichen und geografischen Regionen erfassen, kann diesem Erfordernis in der Praxis meist unproblematisch genügt werden. Enthalten die in den Prospekt auf1 Zum Konsistenzgebot siehe die Kommentierung zu § 15 WpPG Rz. 18 ff. 2 Zum anzulegenden Maßstab siehe Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 225. 3 § 285 Nr. 4 HGB; IFRS 8.

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genommenen historischen Finanzinformationen des Emittenten eine Segmentberichterstattung, ist diese bei der Darstellung der Geschäftstätigkeit zu reflektieren1. 65

Welche Märkte wichtig sind, ist in der Regel anhand der in den Finanzinformationen des Emittenten enthaltenen Angaben zu bestimmen2. § 20 Abs. 1 Nr. 3 BörsZulV aF hatte für das alte Recht insoweit eine Grenze von 10 % der Umsätze zu Grunde gelegt3. Jedoch bestand bereits nach altem Recht zutreffend Einigkeit, dass dies lediglich als Richtschnur angesehen werden kann und nach den Umständen des Einzelfalls ein höherer, aber auch ein niedrigerer Schwellenwert anzusetzen ist4, so dass hierauf weiterhin abgestellt werden kann5.

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Zu den von Anhang I Ziffer 6.1.1 ProspektVO geforderten Schlüsselfaktoren zählen einerseits die regelmäßig im Kapitel „Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ enthaltenen wesentlichen Einflussfaktoren auf das Ergebnis der Geschäftstätigkeit (key drivers, zu diesem Kapitel siehe unten Ziffer 9 Rz. 91). Andererseits fallen unter die Schlüsselfaktoren auch die Wettbewerbsstärken, die regelmäßig auch im Zuge der Vermarktung der Wertpapiere eine größere Rolle spielen. Ergänzend sind nach Anhang I Ziffer 6.3 ProspektVO solche Faktoren zu nennen, die außergewöhnlichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit und die Verteilung auf einzelne Geschäftsfelder und Regionen hatten. Hierunter fallen einerseits Einmaleffekte, die im Zuge der Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage als Erklärung für die Entwicklung einzelner Posten der Gewinn- und Verlustrechung, Bilanz oder Kapitalflussrechnung zu nennen sind, wie etwa einmalige Steuererstattungen aufgrund einer Änderung der Steuergesetzgebung (außergewöhnliche Faktoren nach Anhang I Ziffer 6.3 ProspektVO), aber auch Verzerrungen in der Kunden- oder Lieferantenstruktur, beispielsweise durch einen dominierenden Großauftrag eines einzelnen Kunden oder den Wegfall und (teureren) Ersatz eines wichtigen Lieferanten innerhalb des Zeitraums der historischen Finanzinformationen.

67

Während § 20 Abs. 1 BörsZulV nach dem bis zum Sommer 2005 geltenden Recht die Aufnahme spezifischer Angaben zur Geschäftstätigkeit für Emittenten bestimmter Branchen (Bergbau, Rohstoffabbau) vorsah, enthält Ziffer 6 des Anhangs I ProspektVO dazu keine Erfordernisse. Vielmehr sieht Anhang XIX der ProspektVO vor, dass die Aufsichtsbehörde, die den Prospekt billigt, die Aufnahme zusätzlicher Angaben für Emittenten bestimmter Branchen verlangen kann (siehe dazu die Kommentierung zu Anhang XIX). 1 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 35. 2 Siehe dazu auch Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 236. 3 Zur Regelung in § 20 Abs. 1 BörsZulV Heidelbach in Schwark, § 20 BörsZulV Rz. 1 ff. 4 Vergleiche Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 1–15 VerkProspV Rz. 8; Heidelbach in Schwark, § 20 BörsZulV Rz. 1; Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 7 VerkProspVO Rz. 5. 5 So auch Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 36.

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Hierzu zählen entsprechend § 20 Abs. 1 BörsZulV aF ua. auch Bergbauunternehmen. 3. Negativaussagen zu Abhängigkeiten Anhang I Ziffer 6.4 ProspektVO erfordert eine ausdrückliche Erklärung des 68 Emittenten im Prospekt dahingehend, ob eine Abhängigkeit der Geschäftstätigkeit von Patenten und Lizenzen, Industrie-, Handels- oder Finanzierungsverträgen oder neuen Herstellungsverfahren besteht, die für den Emittenten von wesentlicher Bedeutung sind. Diese Angabe erfolgt, sei es als Positivaussage, sei es als ansonsten aufzunehmende Negativaussage, regelmäßig in den Abschnitten „Gewerblicher Rechtsschutz“, „Wesentliche Verträge“ (siehe dazu Ziffer 22 Rz. 300 ff.) und „Forschung und Entwicklung“ (dazu Ziffer 11 Rz. 108 ff.). Die Schwelle, ab der eine Abhängigkeit angenommen werden kann, wird aus Gründen der Risikoabwägung häufig mit der Schwelle korrelieren, ab der ein möglicher Wegfall eines gewerblichen Schutzrechts oder eines Vertrags als Risiko in den Abschnitt „Risikofaktoren“ aufzunehmen wäre (siehe Ziffer 4 Rz. 44 ff.). 4. Markt und Wettbewerb Anhang I Ziffer 6.5 ProspektVO verlangt die Aufnahme von Angaben zu 69 Markt und Wettbewerb nur in Fällen, in denen vergleichende Aussagen zur Wettbewerbsstellung des Emittenten im Prospekt getroffen werden. Grundsätzlich ist der Prospekt als objektives Dokument zu verfassen, so dass sich selten strikt vergleichende Darstellungen in Prospekten finden. Jedoch enthält ein Prospekt typischerweise Angaben zur Marktstellung des Emittenten, die durch Angaben zum Marktumfeld und den Wettbewerbern zu plausibilisieren ist1. So findet sich typischerweise eine Darstellung der Wettbewerbsstärken und Aussagen des Emittenten zu einer marktführenden Stellung in einem bestimmten Bereich, wie sie häufig im Zusammenhang mit öffentlichen Angeboten von Aktien anzutreffen sind. Ist der Emittent auf verschiedenen Märkten tätig, sei es im Hinblick auf die Geschäftsbereiche, sei es im Hinblick auf die geografischen Märkte, so ist auf jeden dieser Märkte einzugehen. Typischerweise werden hierzu Marktstudien und andere Veröffentlichungen 70 als externe, neutrale Quellen hinzugezogen, die die Entwicklung der Märkte in dem von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraum schildern. Sofern hierzu widersprüchliche Studien vorliegen, hat der Emittent dies anzugeben und den Angaben im Prospekt die Studie zu Grunde zu legen, die nach seiner Einschätzung die Entwicklung am besten nachzeichnet. Sofern diese neutralen Quellen einen Ausblick enthalten, wird eine solche künftige Entwicklung regelmäßig im Hinblick auf die Bedeutung für Investoren ebenfalls im Prospekt abzubilden sein. Soweit keine Quellen vor1 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 43.

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handen sind, ist die subjektive Wertung durch den Einschub „nach Einschätzung des Emittenten“ zu dokumentieren1. Existieren aufgrund des Geschäftsmodells des Emittenten für einzelne Geschäftsbereiche oder wichtige Produkte und/oder Dienstleistungen Wettbewerber, sind diese im Prospekt ausdrücklich zu nennen. 71

Sofern der Emittent nicht nur auf der Vertriebsseite, sondern auch im Hinblick auf die Beschaffung einer Konkurrenzsituation unterliegt, sind in gleichem Umfang Angaben über den Markt und seine Wettbewerber auf der Beschaffungsseite in den Prospekt aufzunehmen. Ein typisches Beispiel sind Erzeuger alternativer Energien, die in Deutschland aufgrund der Einspeisebedingungen des EEG grundsätzlich eine Abnahmegarantie für den erzeugten Strom in Anspruch nehmen können, hingegen im Hinblick auf den Wettbewerb zB. um geeignete Grundstücke für Windräder uÄ durchaus einer starken Wettbewerbssituation unterliegen können. 5. Rechtliche Rahmenbedingungen

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Anhang I Ziffer 6 ProspektVO sieht eine Schilderung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Geschäftstätigkeit nicht ausdrücklich vor. Grundsätzlich ist eine kurze Schilderung der rechtlichen Rahmenbedingungen dann aufzunehmen, wenn diese zum Verständnis der Geschäftstätigkeit oder deren Grenzen erforderlich ist. Der Umfang der Darstellung richtet sich dabei nach der Bedeutung, die dem rechtlichen Umfeld zukommt. So werden Emittenten stark regulierter Branchen, wie etwa des Finanz- oder Versicherungssektors, regelmäßig eine ausführliche Beschreibung in ihren Prospekt aufnehmen. Auch in stark subventionierten Branchen, wie etwa im Bereich der Solarenergie, sind Ausführungen zu den rechtlichen Regelungen, die möglicherweise das Geschäftsmodell sogar tragen, in den Prospekt aufzunehmen. Sofern die Geschäftstätigkeit des Emittenten einen starken Bezug zum Ausland aufweist, insbesondere im Fall einer Unterteilung nach geografischen Segmenten in den Finanzinformationen, sind grundsätzlich auch Angaben zum rechtlichen Umfeld in den Staaten in den Prospekt aufzunehmen, in denen ein erheblicher Teil des Umsatzes erzielt wird oder die von großer strategischer Bedeutung für das Unternehmen sind.

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In der Regel erfolgt die Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen innerhalb des Kapitels Geschäftstätigkeit. Bisweilen wird ihr, insbesondere bei herausgehobener Bedeutung, ein eigenes Prospektkapitel gewidmet.

VIII. Organisationsstruktur (Ziffer 7) (Schlitt/Schäfer) 7. Organisationsstruktur 7.1. Ist der Emittent Teil einer Gruppe, kurze Beschreibung der Gruppe und der Stellung des Emittenten innerhalb dieser Gruppe. 1 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 39.

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7.2. Liste der wichtigsten Tochtergesellschaften des Emittenten, einschließlich Name, Land der Gründung oder des Sitzes, Anteil an Beteiligungsrechten und – falls nicht identisch – Anteil der gehaltenen Stimmrechte. 1. Gruppendarstellung Der Begriff der Gruppe in Anhang I Ziffer 7.1 ProspektVO entspricht im 74 deutschen Recht dem in § 18 AktG legaldefinierten Begriff des Konzerns1. Insbesondere bei verzweigten Konzernstrukturen bietet es sich aus Gründen der Übersichtlichkeit an, die Konzernstruktur als bildliche Darstellung (Graphik) in den Prospekt aufzunehmen2. Dabei sollte eingangs klargestellt werden, dass der Emittent die Konzernmutter ist. Handelt es sich beim Emittenten um eine reine Holding, wird regelmäßig 75 neben dem Hinweis auf die Holdingstruktur in der Darstellung des Konzerns auch in den Abschnitten „Dividenden und Dividendenpolitik“ (dazu Ziffer 20.7 Rz. 273 ff.) und „Risikofaktoren“ (dazu Ziffer 4 Rz. 44 ff.) ein Hinweis in den Prospekt aufzunehmen sein, dass das Ergebnis und damit die Ausschüttung von Dividenden von der Erzielung entsprechender Ergebnisse ausschließlich durch die operativen Töchter und deren Ausschüttung an den Emittenten (ggf. abzüglich Steuern) abhängt. Ist der Emittent seinerseits ein Konzern(tochter)unternehmen und halten die Aktionäre eine wesentliche Beteiligung, so ist dies ebenfalls darzustellen. In diesem Fall sind regelmäßig auch Angaben zum Erfordernis eines Abhängigkeitsberichts, typischerweise im Kapitel „Aktionärsstruktur“, nach Ziffer 18.3 des Anhangs I zur ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen. Ändert sich die Stellung des Emittenten in diesem Konzern aufgrund des Angebots, zB im Falle einer Umplatzierung durch den Mehrheitsaktionär des Emittenten, ist dies im Prospekt ebenfalls darzustellen.

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Aufgrund der Regelung in Anhang I Ziffer 7.2 ProspektVO ist, auch bei ei- 77 ner graphischen Darstellung der Konzernstruktur, darauf zu achten, dass zumindest bei den wichtigsten Tochtergesellschaften auch deren Gründungsbzw. Sitzstaat und der Anteil der jeweils gehaltenen Beteiligung und ggf. abweichenden Stimmrechte angegeben werden. Teilweise wird darüber hinausgehend die Angabe des auf die jeweilige Tochter entfallenden Umsatzes gefordert3. Dies erscheint jedoch zu weitgehend und angesichts der primären Information des Anlegers anhand konsolidierter Finanzinformationen nicht erforderlich.

1 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 44; Fingerhut/Voß in Just/ Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 138. Bereits zu § 5 VerkProspVO aF Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 5 VerkProspVO Rz. 7. 2 So bereits die Empfehlung zur entsprechenden Regelung in § 18 BörsZulV aF, siehe Heidelbach in Schwark, § 18 BörsZulV Rz. 2. 3 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 44.

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2. Wichtigste Tochtergesellschaften 78

Zu den wichtigsten Tochtergesellschaften zählen die Tochtergesellschaften, zu denen Ziffer 25 des Anhangs I der ProspektVO zusätzliche Angaben im Prospekt fordert (siehe dazu Ziffer 25 Rz. 206). Regelmäßig erfolgt die Darstellung der nach Ziffer 25 erforderlichen Angaben ebenso wie die Angaben nach Anhang I Ziffer 7 ProspektVO im Prospektkapitel „Allgemeine Informationen über den Emittenten“. Darüber hinaus können ausnahmsweise solche Tochtergesellschaften als wichtige Tochtergesellschaften zählen, die zwar nicht die Kriterien der Ziffer 25 des Anhangs I ProspektVO erfüllen, denen jedoch nach Geschäftsmodell und Strategie des Emittenten eine wesentliche strategische Bedeutung zukommt. Auch diese Töchter sind zu nennen.

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Befinden sich unter den wichtigsten Tochtergesellschaften auch ausländische Gesellschaften, so ist bei der Prospekterstellung darauf zu achten, dass deren Geschäftstätigkeit in der Darstellung der geografischen Aufteilung der Geschäftstätigkeit nach Anhang I Ziffer 6 ProspektVO Berücksichtigung findet (siehe dazu Ziffer 6 Rz. 64).

IX. Sachanlagen (Ziffer 8) (Schlitt/Schäfer) 8. Sachanlagen 8.1. Angaben über bestehende oder geplante wesentliche Sachanlagen, einschließlich geleaster Vermögensgegenstände, und etwaiger größerer dinglicher Belastungen der Sachanlagen. 8.2. Skizzierung etwaiger Umweltfragen, die die Verwendung der Sachanlagen von Seiten des Emittenten u.U. beeinflussen können. 1. Sachanlagen 80

Als Sachanlagen iS der Ziffer 8 des Anhangs I ProspektVO sind solche Anlagen zu bezeichnen, die auch in den historischen Finanzinformationen als Sachanlagen bilanziert sind. Den wesentlichen Teil der Sachanlagen bilden aufgrund ihres Werts häufig Grundstücke. Es sind daher Angaben zu den Orten, an denen die Grundstücke belegen sind, ihrer Größe und etwaigen dinglichen Belastungen in den Prospekt aufzunehmen.

81

Bestehen daneben weitere wesentliche Sachanlagen, zB Fertigungsanlagen und Maschinenparks, sind auch diese in den Prospekt aufzunehmen. Ihre Wesentlichkeit kann sich aus ihrem Wert im Verhältnis zum Gesamtwert der Sachanlagen oder ihrer strategischen Bedeutung für die Geschäftstätigkeit oder Strategie des Emittenten ergeben1.

1 Ähnlich Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 46.

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Geleaste Gegenstände fallen hierunter nur dann, wenn sie nach den angewandten Rechnungslegungsgrundsätzen auch als Sachanlagen bilanziert wurden.

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Bestehen bereits Planungen über zukünftige wesentliche Sachanlagen, so sind diese, zusammen mit der Angabe, wie sie finanziert werden sollen (siehe hierzu auch die Kommentierung zu Ziffer 10.5), in den Prospekt aufzunehmen. Erfolgt die Finanzierung aus dem Emissionserlös, so ist hierauf im Prospektkapitel „Gründe für das Angebot und Verwendung des Emissionserlöses“ hinzuweisen (siehe dazu Anhang III Ziffer 3.4).

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Neben Angaben zur Größe bzw. dem Umfang von Sachanlagen fordert CESR in seinen Empfehlungen die Aufnahme der Angabe der mit ihnen hergestellten Produkte bzw. Produktionskapazität (soweit es sich um Produktionsflächen oder Produktionsanlagen handelt) und die Verwendung durch den Emittenten1.

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Zu den besonders umfangreichen Angabeerfordernissen im Fall einer Immo- 85 biliengesellschaft siehe die Kommentierung zu Anhang XIX EU-ProspektVO Rz. 4 ff. 2. Umweltfragen Unter dem Stichwort Umweltfragen sind nach Anhang I Ziffer 8.2 Prospekt- 86 VO alle Punkte offen zu legen, in denen die Geschäftstätigkeit des Emittenten die Umwelt betrifft, sofern diese wesentlich sind. Hierzu können die Emission von Schadstoffen bei der Produktion, die Gefahr der Verunreinigung von Böden und hiergegen getroffene Maßnahmen ebenso wie Altlasten in den als Sachanlagen aufzuführenden Grundstücken zählen. Ist die Geschäftstätigkeit des Emittenten Umweltrisiken ausgesetzt (zB Hochwasser, Erdbeben), ist auch dies zu erwähnen2. Sofern aus den Umweltfragen wesentliche Risiken herrühen, sind diese in das Kapitel „Risikofaktoren“ aufzunehmen3.

X. Angaben zur Geschäfts- und Finanzlage (Ziffer 9) (Schlitt/Schäfer) 9. 9.1.

Angaben zur Geschäfts- und Finanzlage Finanzlage Soweit nicht an anderer Stelle im Registrierungsformular vermerkt, Beschreibung der Finanzlage des Emittenten, Veränderungen in der Finanzlage und Geschäftsergebnisse für jedes Jahr und für jeden Zwischenzeitraum, für den historische Finanzinformationen verlangt

1 CESR/05-054b, Rz. 146. 2 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 49. 3 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 152.

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werden, einschließlich der Ursachen wesentlicher Veränderungen, die von einem Jahr zum anderen in den Finanzinformationen auftreten, sofern dies für das Verständnis der Geschäftstätigkeit des Emittenten insgesamt erforderlich ist. 9.2. Betriebsergebnisse 9.2.1. Angaben über wichtige Faktoren, einschließlich ungewöhnlicher oder seltener Vorfälle oder neuer Entwicklungen, die die Geschäftserträge des Emittenten erheblich beeinträchtigen, und über das Ausmaß, in dem die Erträge derart geschmälert wurden. 9.2.2. Falls der Jahresabschluss wesentliche Veränderungen bei den Nettoumsätzen oder den Nettoerträgen ausweist, sind die Gründe für derlei Veränderungen in einer ausführlichen Erläuterung darzulegen. 9.2.3. Angaben über staatliche, wirtschaftliche, steuerliche, monetäre oder politische Strategien oder Faktoren, die die Geschäfte des Emittenten direkt oder indirekt wesentlich beeinträchtigt haben oder u.U. können. 1. Herkunft, Ziel und Bestandteile 87

Anhang I Ziffer 9 ProspektVO regelt die so genannte Operating and Financial Review (OFR). Die Regelung orientiert sich an dem Form 20-F (Item 5), wie es von ausländischen US-börsennotierten Unternehmen im Zuge ihrer jährlichen Berichterstattung bei der SEC einzureichen ist1. Das Prospektkapitel, das die OFR enthält, wird üblicherweise „Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ (Management’s Discussion and Analysis of Financial Condition and Results of Operations, MD&A) genannt2. Wenngleich das deutsche Recht vor Inkrafttreten der Prospektverordnung im Sommer 2005 keine entsprechende Vorschrift kannte, sondern eine MD&A lediglich in der Muster-Prospektgliederung der Going-Public-Grundsätze vorgesehen war3, war eine MD&A, insbesondere in Prospekten, die ua. für eine Privatplatzierung in den USA verwendet wurden, Standard4. Sie hat jedoch durch Anhang I Ziffer 9 ProspektVO eine Aufwertung erfahren.

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Ziel der MD&A ist es, den Investoren eine Einschätzung zu ermöglichen, inwiefern die bisherigen Erfolge indikativ für die zukünftige Entwicklung sein werden. Bekannte Trends und Unsicherheiten, also Schlüsselfaktoren, die bislang oder nach Einschätzung der Gesellschaft künftig einen Einfluss haben werden5, sind daher darzustellen. Die Schilderung wiederkehrender Einflüsse und eine Darstellung „durch die Augen des Managements“ sollen dem Investor erlauben, die Verlässlichkeit der bisher erzielten Ergebnisse 1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 154. 2 Zur MD&A nach US-Recht vergleiche Werlen in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 37 Rz. 50 ff. 3 Schlitt/Smith/Werlen, AG 2002, 478. 4 Kopp, RIW 2002, 661 (662). 5 Kopp, RIW 2002, 661 (663).

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und Cash-flows zu beurteilen1. Dabei ist, ebenso wie in den anderen Teilen des Prospekts, auf die Wesentlichkeit einer Information abzustellen2. Typischerweise gliedert sich eine MD&A in 89 – einen Überblick3, – die Darstellung der wesentlichen Einflussfaktoren, – die Darstellung der wesentlichen Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze, – für den Vergleich von Konzernabschluss und Jahresabschluss wesentliche Unterschiede in der Bilanzierung nach IFRS und HGB, – einen jahresweisen Vergleich der wesentlichen Positionen der Gewinnund Verlustrechnungen, die in den historischen Finanzinformationen im Finanzteil des Prospekts enthalten sind (siehe hierzu Ziffer 20.1), – sofern für das Geschäftsmodell des Emittenten aussagekräftig und von Bedeutung: einen jahresweisen Vergleich der wesentlichen Positionen der Bilanzen, die in den historischen Finanzinformationen im Finanzteil des Prospekts enthalten sind4, – Angaben zur Liquidität (wie in Ziffer 10.2 des Anhangs I ProspektVO gefordert), – Darstellung der Finanzierungsstruktur und Fremdfinanzierungsbedarf nach Ziffer 10.3 des Anhangs I ProspektVO, einschließlich Darstellung der Eventualverbindlichkeiten und sonstigen finanziellen Haftungsverhältnisse nach Ziffer 3.2 des Anhangs III ProspektVO5. Zusätzlich ist im Falle einer Privatplatzierung in den USA die MD&A um eine Darstellung der wesentlichen Marktrisiken zu ergänzen.

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2. Identifikation der wesentlichen Einflussfaktoren Der wohl bedeutendste und regelmäßig größeren Zeitaufwand erfordernde Teil der MD&A-Erstellung ist die Identifikation der wesentlichen Einflussfaktoren (key drivers), Anhang I Ziffern 9.2.1 und 9.2.3 ProspektVO6. Auch wenn der Emittent den größten Einblick in die Geschicke des Unternehmens hat und letztlich die relevanten Faktoren identifzieren muss, kristallisieren sich erfahrungsgemäß die wichtigen Faktoren in der Regel in der Diskussion zwischen Emittent, Konsortialführern und anwaltlichen Beratern heraus. Auch wenn die MD&A in großem Umfang eine restrospektive Be1 CESR/05-054b, Rz. 27. 2 Kopp, RIW 2002, 661 (663). 3 Um die MD&A aus sich heraus verständlich zu machen, enthält der Überblick eine Zusammenfassung der Geschäftstätigkeit, wobei der Schwerpunkt auf Finanzangaben liegt, siehe auch Kopp, RIW 2002, 661 (664). 4 In diese Richtung: Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 50; Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 157. 5 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 51. 6 CESR/05-054b, Rz. 30.

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trachtung enthält, sind vor allem bei der Darstellung der wesentlichen Einflussfaktoren auch solche Faktoren zu berücksichtigen, die nach Einschätzung des Managements in Zukunft wesentliche Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage haben werden. Ebenso ist für in der Vergangenheit bedeutsame Faktoren, deren Einfluss nach Auffassung des Managements künftig schwinden wird, auf die schwächer werdende Bedeutung hinzuweisen, um dem Investor eine Einschätzung der künftigen Entwicklung aufgrund der historischen Informationen zu ermöglichen. Beispiele wesentlicher Einflussfaktoren können Akquisitionen oder Restrukturierungen, regulatorische Rahmenbedingungen und ergebniswirksame Sonderfaktoren wie die Auflösung von Rückstellungen, außerplanmäßige Abschreibungen oder einmalige Steuererstattungen zählen1. 3. Zu analysierende Finanzinformationen 92

In der jahresweisen Analyse der Finanzinformationen geht es darum, über die in den Zahlen enthaltenen Informationen hinaus Hintergründe der Entwicklung wesentlicher Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung, der Kapitalflussrechnung sowie der Bilanz, soweit Letztere im Einzelfall von Bedeutung sind, darzustellen (Anhang I Ziffern 9.1.1 und 9.2.2 ProspektVO)2. Der Detaillierungsgrad und die Informationstiefe gehen dabei regelmäßig über die Angaben im Anhang zum Konzern- bzw. Jahresabschluss hinaus3, da diese ohnehin im Finanzteil des Prospekts veröffentlicht werden. Ziel der Darstellung muss die Offenlegung übergreifender Aspekte und der Wechselwirkung zwischen einzelnen Positionen sein. Häufig wird man daher die wesentlichen Einflussfaktoren in der Erläuterung bestimmter Entwicklungen wiederfinden.

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Enthält der Prospekt Zwischenfinanzinformationen, zB Halbjahreszahlen, sind auch diese einer vergleichenden Anlayse zu unterziehen, um die Darstellung aktuell zu halten. Entsprechend der Praxis in Abschlüssen werden auch im Prospekt die Gewinn- und Verlustrechnung und die Kapitalflussrechnung der betreffenden Periode mit dem entsprechenden Vorjahreszeitraum und die Bilanz mit der Bilanz zum Stichtag des letzten vorangegangen (Jahres-)Abschlusses verglichen.

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Verfügt der Emittent über eine komplexe Finanzhistorie (siehe hierzu die Kommentierung zu Ziffer 20 Rz. 261 ff.), lehnt sich die Darstellung an die in den Prospekt aufgenommenen Abschlüsse an. Es besteht jedoch keine Verpflichtung, alle in den Prospekt aufgenommenen Abschlüsse zu erläu-

1 Kopp, RIW 2002, 661 (665). 2 Auch wenn Anhang I Ziffer 9.1 ProspektVO lediglich Angaben zur Finanzlage und dem Geschäftsergebnis fordert, sieht die BaFin etwaige wesentliche Bilanzpositionen als Teil der Finanzlage an. 3 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 81.

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tern. Vielmehr kann sich der Emittent auf die Kommentierung der wesentlichen Finanzinformationen beschränken. Praktische Schwierigkeiten können bei der vergleichenden Darstellung ent- 95 stehen, wenn für vergleichbare Zeiträume keine vergleichbaren Abschlüsse vorliegen, zB beim Vorliegen eines Rumpfgeschäftsjahres oder Veränderung einzelner Positionen durch einmalige (verzerrende) Sondereffekte. Während auf letzteres in der Darstellung der einzelnen Position hingewiesen und ggf. eine um den Sondereffekt bereinigte Zahl zum Vergleich herangezogen werden kann, hinkt der Vergleich beim Vorliegen eines Rumpfgeschäftsjahres notwendigerweise. Da in diesen Fällen häufig eine komplexe Finanzhistorie vorliegt und Pro Forma-Finanzangaben in den Prospekt aufgenommen werden, behilft man sich in der Praxis mit dem Vergleich der Pro Forma-Finanzangaben des Rumpfgeschäftsjahres mit den Pro Forma-Finanzangaben des Vorjahres sowie einer Erläuterung einzelner Positionen des historischen Rumpfgeschäftsjahresabschlusses1. Soweit Angaben nur eingeschränkt vergleichbar sind, ist hierauf gesondert hinzuweisen und das Ausmaß der Vergleichbarkeit zu beschreiben2. Neben den wesentlichen Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung, der 96 Kapitalflussrechnung und ggf. der Bilanz sind auch solche Kennzahlen im jahresweisen Vergleich zu erörtern, die der Emittent bislang und/oder künftig in der Unternehmenskommunikation verwendet oder an denen er seinen Erfolg intern maßgeblich misst3. Hierzu können EBT, EBIT, EBITDA, bei Immobiliengesellschaften zudem etwa der Nettovermögenswert (gesamt und pro Aktie), Rohertrag uÄ zählen4. Enthalten die Abschlüsse des Emittenten eine Segmentberichterstattung, so sind diese Angaben aufgrund ihres regelmäßig hohen Informationsgehalts in der Regel ebenfalls zu erläutern5.

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Die BaFin vertritt ebenso wie die nach altem Recht zuständige Börsenzulas- 98 sungsstelle die Auffassung, dass neben Konzernfinanzinformationen auch der letzte Einzelabschluss in den Prospekt aufzunehmen ist, da die Bilanz des Einzelabschlusses Grundlage der Dividendenberechnung ist (siehe unten Ziffer 20.7 Rz. 167 ff.). Konsequent verlangt die BaFin in solchen Fällen neben der Diskussion der Konzernfinanzinformationen in der Regel auch

1 So zB im Prospekt der VERBIO Vereinigte BioEnergie AG v. 28.9.2006, S. 64 ff. 2 So zB im Prospekt der Versatel AG v. 11.4.2007, S. 50 f., bei der mehrere zuvor selbständige Gesellschaften unter dem Dach einer Holding zusammengeführt worden waren. 3 CESR/05-054b, Rz. 28. 4 Die diskutierten Kennzahlen sollten möglichst den in der jeweiligen Branche üblicherweise verwendeten Parametern entsprechen, um einen Peer Group-Vergleich zu ermöglichen, siehe CESR/05-054b, Rz. 32. 5 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 82. Zur Segmentberichterstattung aus empirischer Sicht Langguth/Brunschön, DB 2006, 625 ff.

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eine kurze Darstellung der wesentlichen Bilanzpositionen des Einzelabschlusses in der MD&A1. Typischerweise erfolgt diese in einem separaten Abschnitt am Ende des Kapitels „Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“. 4. Vergleich von Rechnungslegungsstandards 99

Da die MD&A neben Angaben zum IFRS-Konzernabschluss regelmäßig auch einen Abschnitt zu den wesentlichen Bilanzpositionen des HGB-Einzelabschlusses enthält, hat es sich in der Praxis eingebürgert, eine kurze vergleichende Darstellung der unterschiedlichen Behandlung bestimmter Themen durch IFRS und HGB in die MD&A aufzunehmen, soweit diese für den Emittenten und die analysierten Finanzinformationen von Bedeutung sind. Dabei, oder in einem separaten Abschnitt, ist auch auf die Ausübung von Ermessens- und Gestaltungsspielräumen durch den Emittenten einzugehen.

100 Wird der Prospekt auch für Zwecke einer Privatplatzierung in den USA, zB nach Rule 144A, erstellt, enthält er in der Regel darüber hinaus eine vergleichende Darstellung zwischen IFRS und US-GAAP. Diese soll den US-Investoren das Verständnis der im Prospekt analysierten IFRS-Abschlüsse erleichtern. Dieser Vergleich ist nicht zwingend in die MD&A aufzunehmen, sondern kann auch Teil des für Zwecke der Privatplatzierung erstellten sog. „Wrapper“, unter dem man einleitende Zusatzseiten zu der zu diesem Zweck angefertigen englischsprachigen Übersetzung des Prospekts versteht, sein. 101 Ebenso wie bei den übrigen Teilen der MD&A bietet es sich bei der Erstellung des Vergleichs der wesentlichen Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze des Emittenten an, den Abschlussprüfer des Emittenten möglichst frühzeitig in den Erstellungsprozess einzubeziehen und auf dessen Erfahrung aus der Erstellung der Prüfungsberichte zurückzugreifen. Insbesondere die vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind jedoch nicht immer bereit, schon zum Zeitpunkt der Erstellung der MD&A eingebunden zu werden. Zumindest ist aber die letzte Fassung hinsichtlich der Comfortfähigkeit der genannten Zahlen vom Abschlussprüfer in Form eines sog. „Muster-Circle-Up“ vor Prospektbilligung zu bestätigen, um unangenehme Überraschungen bei Erhalt des Comfort Letters2 mit Anlagen zu vermeiden.

XI. Eigenkapitalausstattung (Ziffer 10) (Schlitt/Schäfer) 10. Eigenkapitalausstattung 10.1. Angaben über die Eigenkapitalausstattung des Emittenten (sowohl kurz- als auch langfristig); 1 Dies entspricht auch den Forderungen von CESR, siehe CESR/05-054b, Rz. 31. 2 Ausführlich zu Comfort Letters Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28; A. Meyer, WM 2003, 1745; Krämer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 10 Rz. 209 ff.

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10.2. Erläuterung der Quellen und der Beträge des Kapitalflusses des Emittenten und eine ausführliche Darstellung dieser Posten; 10.3. Angaben über den Fremdfinanzierungsbedarf und die Finanzierungsstruktur des Emittenten; 10.4. Angaben über jegliche Beschränkungen des Rückgriffs auf die Eigenkapitalausstattung, die die Geschäfte des Emittenten direkt oder indirekt wesentlich beeinträchtigt haben oder u.U. können; 10.5. Angaben über erwartete Finanzierungsquellen, die zur Erfüllung der Verpflichtungen der Punkte 5.2.3. und 8.1. benötigt werden. 1. Kapitalausstattung und Verschuldung Mit der Beschreibung der Geschäfts- und Finanzlage hängen inhaltlich die Angaben zur Kapitalausstattung und Verschuldung eng zusammen. Anhang I Ziffer 10 ProspektVO fordert die Aufnahme von Angaben zur Eigenkapitalausstattung, Fremdfinanzierungsbedarf und Finanzierungsstruktur. Darüber hinaus schreibt Anhang III Ziffer 3.2 ProspektVO vor, dass eine Übersicht über die Kapitalausstattung im Prospekt zu veröffentlichen ist. Zur (Eigen-)Kapitalausstattung und Verschuldung, auch nach Anhang I Ziffer 10.1, siehe Anhang III Ziffer 3.2 ProspektVO.

102

2. Kapitalflussrechnung Dem Darstellungserfordernis nach Anhang I Ziffer 10.2 ProspektVO wird 103 typischerweise durch Angaben zu den Quellen und Beträgen des Kapitalflusses im Rahmen eines eigenen Abschnitts der Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage („Liquidität“) nachgekommen. Dieser enthält die wesentlichen Positionen der Kapitalflussrechnung für den von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraum sowie nähere Erläuterungen, insbesondere die Nennung von Sondereffekten, die möglicherweise verzerrende Wirkung auf das Zahlenwerk hatten. Ziel der Darstellung muss sein, offen zu legen, wie sich der Emittent bislang finanzierte und wie er sich aus heutiger Sicht weiter finanzieren wird. 3. Finanzierungsstruktur und Fremdfinanzierungsbedarf In diesem Zusammenhang sind gemäß Anhang I Ziffer 10.3 ProspektVO 104 auch Angaben zum Fremdfinanzierungsbedarf des Emittenten zu machen. Dies beinhaltet alle Formen der Fremdkapitalfinanzierung, etwa Kredite, Anleihen, Subventionen etc. Häufig wird zur Verdeutlichung der Finanzierungsstruktur die Angabe der Eigenkapitalquote ergänzend herangezogen. Anhang I Ziffer 10.4 ProspektVO findet bei deutschen Emittenten idR keine Anwendung, da eine solche Beschränkung gesellschaftsrechtlich nicht vorgesehen ist. Allerdings sind im Einzelfall Konstellationen denkbar, in denen sog. Covenants in Fremdfinanzierungsinstrumenten wie Anleihen oder Kre-

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diten eine bestimmte Eigenkapitalausstattung (Eigenkapitalquote) vorschreiben. Führt deren Unterschreiten zu einer Kündigung wesentlicher Finanzierungen, ist darauf im Prospekt regelmäßig hinzuweisen. Eine Einschränkung kann sich darüber hinaus aus regulatorischen Aspekten, etwa den Eigenmittel- bzw. Kernkapitalanforderungen des KWG ergeben1. 106 Anhang I Ziffer 10.5 ProspektVO fordert ergänzend die Angabe, woraus geplante Investitionen und Sachanlagen finanziert werden sollen2. Diese Angabe findet sich häufig im Zusammenhang mit der Darstellung etwaig geplanter Investitionen und Sachanlagen. 107 Häufig wird im Zusammenhang mit der Darstellung der Finanzierungsstruktur und dem Fremdfinanzierungsbedarf die Erklärung zum Geschäftskapital (working capital statement) verbunden. Siehe dazu Anhang III Ziffer 3.1 ProspektVO.

XII. Forschung und Entwicklung, Patente und Lizenzen (Ziffer 11) (Schlitt/Schäfer) 11. Forschung und Entwicklung, Patente und Lizenzen Falls wesentlich, Beschreibung der Forschungs- und Entwicklungsstrategien des Emittenten für jedes Geschäftsjahr innerhalb des Zeitraums, der von den historischen Finanzinformationen abgedeckt wird, einschließlich Angabe des Betrags für vom Emittenten gesponserte Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten. 1. Forschung und Entwicklung 108 Nach Anhang I Ziffer 11 ProspektVO sind, sofern wesentlich, die Forschungs- und Entwicklungsstrategien des Emittenten zu beschreiben. Dies beschränkt sich nicht allein auf Forschung und Entwicklung im engeren Sinne (zB Pharmaforschung, Entwicklung neuer Maschinen), sondern kann auch die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen im weiteren Sinne umfassen. So können beispielsweise bei einem Online-Händler die Entwicklung neuer Marketing-Strategien oder Kundenbindungsinstrumente hierunter zu fassen sein. 109 Die Angabe des Betrags der hierfür verwendeten Mittel kann entweder bei der Darstellung der entsprechenden Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Kapitel „Geschäftstätigkeit“ oder als separater Abschnitt im Kapitel „Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ erfolgen. 110 Sind künftig Ausgaben für Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen geplant, ist auf einen Gleichlauf zwischen deren Darstellung und den Anga1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 172. 2 Zu den geplanten Investitionen siehe oben Ziffer 5 Rz. 58 ff., zu Sachanlagen Ziffer 8 Rz. 80 ff.

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ben zur Verwendung des Emissionserlöses (Anhang III Ziffer 3.4 ProspektVO) zu achten. Sofern der Emittent keine Forschungs- und Entwicklungsstrategien verfolgt, ist hierauf nicht zwingend im Sinne einer Negativerklärung hinzuweisen. Häufig wird jedoch eine explizite Aussage aufgenommen.

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2. Gewerbliche Schutzrechte Die gewerblichen Schutzrechte des Emittenten werden in Anhang I Ziffer 11 ProspektVO nur beispielhaft in der Überschrift („Patenten und Lizenzen“) genannt. In Zusammenschau mit Anhang I Ziffer 6.4 ProspektVO, der eine Aussage über etwaige Abhängigkeiten des Emittenten von Patenten und Lizenzen verlangt, ergibt sich jedoch, dass der Prospekt auch Angaben zu den gewerblichen Schutzrechten des Emittenten enthalten muss, sofern diese für den Geschäftsbetrieb wesentlich sind. Die Bedeutung der gewerblichen Schutzrechte ergibt sich häufig bereits aus der Branche, in der der Emittent tätig ist (zB Chemie, Pharma, Biotech, Anlagenbau). Eine vollständige Auflistung wird dabei in der Regel nicht geboten sein; vielmehr gilt es, dem Anleger ein Bild von dem Umfang zu verschaffen, in dem die für den Geschäftsbetrieb des Emittenten wesentlichen Verfahren und Produkte geschützt sind.

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XIII. Trendinformationen (Ziffer 12) (Schlitt/Schäfer) 12. Trendinformationen 12.1. Angabe der wichtigsten Trends in jüngster Zeit in Bezug auf Produktion, Umsatz und Vorräte sowie Kosten und Ausgabepreise seit dem Ende des letzten Geschäftsjahres bis zum Datum des Registrierungsformulars. 12.2. Angaben über bekannte Trends, Unsicherheiten, Nachfrage, Verpflichtungen oder Vorfälle, die voraussichtlich die Aussichten des Emittenten zumindest im laufenden Geschäftsjahr wesentlich beeinflussen dürften. Grundsätzlich besteht eine Pflicht zur Aufnahme zukunftsgerichteter Aussagen in einen Prospekt nur in engen Grenzen. Dabei ist zwischen Trendinformationen und Prognosen (dazu unter Anhang I Ziffer 13 ProspektVO) zu unterscheiden. Trendinformationen sind zukunftsgerichtete Aussagen, die sich auf exogene Faktoren (Entwicklung der Branche, des Wirtschaftswachstums etc.) oder allgemein auf die Zukunftsaussichten des Emittenten beziehen1. Letztlich ist eine Negativabgrenzung vorzunehmen2: Handelt es 1 CESR/05-054b, Rz. 49. Zu Trendinformationen im Prospekt siehe auch Schlitt/ Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 88. 2 Zur Definition einer Prognose und der daraus folgenden Negativabgrenzung siehe unten Ziffer 13.

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sich um eine Gewinnprognose entsprechend der unten unter Ziffer 13 Rz. 116 dargestellten Kriterien, ist die Information keine Trendinformation. 114 Nach Anhang I Ziffer 12.1 ProspektVO sind Aussagen zu den wichtigsten Trends in Bezug auf Produktion, Umsatz und Vorräte sowie Kosten und Abgabepreise seit dem Ende des letzten Geschäftsjahres bis zum Datum des Prospekts aufzunehmen. Diese sind zu ergänzen durch Angaben über bekannte Trends, Unsicherheiten, Nachfrage, Verpflichtungen oder Vorfälle, die voraussichtlich die Aussichten des Emittenten zumindest im laufenden Geschäftsjahr beeinflussen dürften. Gefordert ist eine qualitative Darstellung der Faktoren, die das Ergebnis voraussichtlich beeinflussen werden. 115 Dabei ist es nicht erforderlich, die Trendinformationen zusammenhängend an einer Stelle zu beschreiben. Wichtige Trends können sich bereits in der Vergangenheit abgezeichnet haben und sind in diesem Fall bei der Schilderung des Marktumfelds, uU auch im Abschnitt „Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage – Wesentliche Einflussfaktoren auf das Ergebnis der Geschäftstätigkeit“ darzustellen (Anhang I Ziffer 12.1 ProspektVO). Künftig erwartete Entwicklungen (Anhang I Ziffer 12.2 ProspektVO) finden sich hingegen typischerweise im Kapitel „Jüngster Geschäftsgang und Geschäftsaussichten des Emittenten“, der am Ende des Prospekts einen Ausblick auf die künftige Entwicklung gibt1.

XIV. Gewinnprognosen oder -schätzungen (Ziffer 13) (Schlitt/Schäfer) 13.

Gewinnprognosen oder -schätzungen Entscheidet sich ein Emittent dazu, eine Gewinnprognose oder eine Gewinnschätzung aufzunehmen, dann hat das Registrierungsformular die unter den Punkten 13.1. und 13.2. genannten Angaben zu enthalten. 13.1. Eine Erklärung, die die wichtigsten Annahmen erläutert, auf die der Emittent seine Prognose oder Schätzung gestützt hat. Bei den Annahmen muss klar zwischen jenen unterschieden werden, die Faktoren betreffen, die die Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungsund Aufsichtsorgane beeinflussen können, und Annahmen in Bezug auf Faktoren, die klar außerhalb des Einflussbereiches der Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane liegen. Diese Annahmen müssen für die Anleger leicht verständlich und spezifisch sowie präzise sein und dürfen nicht der üblichen Exaktheit der Schätzungen entsprechen, die der Prognose zu Grunde liegen. 13.2. Einen Bericht, der von unabhängigen Buchprüfern oder Abschlussprüfern erstellt wurde und in dem festgestellt wird, dass die Prognose oder die Schätzung nach Meinung der unabhängigen Buchprüfer oder Abschlussprüfer auf der angegebenen Grundlage ordnungsgemäß erstellt 1 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 64.

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wurde und dass die Rechnungslegungsgrundlage, die für die Gewinnprognose oder -schätzung verwendet wurde, mit den Rechnungslegungsstrategien des Emittenten konsistent ist. 13.3. Die Gewinnprognose oder -schätzung muss auf einer Grundlage erstellt werden, die mit den historischen Finanzinformationen vergleichbar ist. 13.4. Wurde in einem Prospekt, der noch aussteht, eine Gewinnprognose veröffentlicht, dann sollte eine Erklärung abgegeben werden, in der erläutert wird, ob diese Prognose noch so zutrifft wie zur Zeit der Erstellung des Registrierungsformulars, oder eine Erläuterung zu dem Umstand vorgelegt werden, warum diese Prognose ggf. nicht mehr zutrifft. 1. Definition der Gewinnprognose und Gewinnschätzung Im Gegensatz zu reinen Trendinformationen handelt es sich bei Gewinn- 116 prognosen und Gewinnschätzungen um quantitative Angaben, die Rückschlüsse auf ein künftig erwartetes Ergebnis des Emittenten zulassen. Im Falle von Gewinnprognosen handelt es sich um das erwartete Ergebnis für künftige Geschäftsjahre, im Falle von Gewinnschätzungen um das erwartete Ergebnis für ein bereits abgelaufenes Geschäftsjahr, für das noch keine historischen Finanzinformationen vorliegen1. Eine Gewinnprognose ist dadurch charakterisiert, dass sie ausdrücklich oder implizit eine Zahl oder Mindest- oder Höchstzahl für die wahrscheinliche Höhe der Gewinne oder Verluste im laufenden Geschäftsjahr oder in den folgenden Geschäftsjahren oder Daten enthalten, aufgrund derer sich eine solche Zahl errechnen lässt, selbst wenn keine bestimmte Zahl genannt wird und das Wort „Gewinn“ nicht erscheint (Art. 2 Nr. 10 ProspektVO)2. 2. Aufnahme in den Prospekt Die Praxis vermeidet möglichst die Aufnahme von Gewinnprognosen oder 117 Gewinnschätzungen in den Prospekt, da auch zukunftsgerichtete Aussagen der Prospekthaftung nach § 44 BörsG unterliegen. Auch wenn nach Ansicht des BGH eine Haftung nicht immer zwangsläufig zum Tragen kommt, wenn eine zukunftsgerichtete Aussage nicht eintritt, sind die Anforderungen, die an die Vermeidung einer Prospekthaftung gestellt werden, sehr hoch3. Die (im Prospekt offen zu legenden) Annahmen für die Prognose oder Schätzung müssen richtig und vollständig sowie kaufmännisch vertretbar 1 CESR/05-054b, Rz. 38 ff. 2 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 66. 3 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (865) (Beton- und Monierbau); zur möglichen Haftung für Prognosen im Prospekt A. Meyer in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 51; Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 28; Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, §§ 44, 45 BörsG Rz. 40; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 21 ff.

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sein1. Zukunftsgerichtete Aussagen müssen zudem als solche klar erkennbar sein und die Umstände schildern, die zu ihrem Nichteintritt führen können. Zudem hat der BGH betont, dass bei zukunftsgerichteten Aussagen Zurückhaltung geboten sei2. 118 Andererseits sehen sich börsennotierte Emittenten einer Erwartungshaltung von Research-Analysten und Investoren ausgesetzt, in ihrer Finanzberichterstattung, insbesondere dem Lagebericht, quantifizierte Angaben zur erwarteten weiteren Geschäftsentwicklung an den Kapitalmarkt zu kommunizieren3. Häufig wird es dem Emittenten im Vorfeld gelingen, „präventiv“ dazu überzugehen, lediglich qualitative Zukunftsaussagen zu treffen4. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, unter welchen Umständen solche zukunftsgerichteten Aussagen bei einer nachfolgenden Kapitalmarkttransaktion in den Prospekt aufgenommen werden müssen. Sofern dies nicht möglich erscheint oder nicht gewünscht ist, vertritt CESR die Auffassung, dass Gewinnprognosen und Gewinnschätzungen im Falle einer Aktienemission wesentlich und damit in den Prospekt aufzunehmen sind5. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen6, da sie über den Wortlaut der ProspektVO hinausgeht, die eine solche Pflicht zur Aufnahme von Gewinnprognosen oder Gewinnschätzungen in den Prospekt nur in Ausnahmefällen vorsieht (Anhang I Ziffer 13.4 ProspektVO). Vielmehr beschränkt sich die Aufnahmepflicht auf Fälle, in denen die Prognose oder Schätzung zuvor in einem Prospekt genannt wurde. Zu Recht teilt die BaFin daher das (zu weit gehende) Verständnis von CESR nicht7. Eine Pflicht zur Aufnahme ei1 Siebel/Gebauer, WM 2001, 173 (175). 2 Siehe im Einzelnen dazu auch Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 85; zu den entsprechenden Regelungen der früher geltenden Going-Public-Grundsätze Schlitt/Smith/Werlen, AG 2002, 478 (483). 3 Veil, AG 2006, 690. Eine Verpflichtung zur Aufnahme quantifizierter Aussagen für die Zukunft besteht grundsätzlich nicht, sondern lediglich eine Empfehlung laut deutschem Rechnungslegungsstandard DRS 15. Hingegen sind zumindest qualitative, dh. nicht bezifferte Zukunftsaussagen in den Lagebericht zwingend aufzunehmen; siehe auch OLG Frankfurt v. 24.11.2009 – WpÜG 11/09 u. 12/09, AG 2010, 79, 82. 4 Im Gegensatz zu zahlenmäßig spezifizierten Prognosen sind qualitative Zukunftsaussagen vager, so dass das Risiko einer Prospekthaftung im Vergleich zur Aufnahme bezifferter Vorhersagen reduziert wird. Aufmerksame Kapitalmarktteilnehmer können im Einzelfall das Unterlassen bezifferter Zukunftsaussagen allerdings als Anzeichen einer bevorstehenden Emission deuten, was Auslöser für Spekulationen sein kann. Dazu auch Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 93. 5 CESR/05-054b, Rz. 43 f.; bekräftigt in CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 25. 6 Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (533); Ponick in Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, S. 213; aA Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 65. 7 Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (533); unter Hinweis auf den Verstoß gegen höherrangiges Recht wurde die CESR-Empfehlung zu Gewinnprognosen bereits im

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ner außerhalb eines früheren Prospekts gemachten Gewinnprognose oder -schätzung kann sich indessen im Einzelfall aus dem übergeordneten Prinzip der Richtigkeit und Vollständigkeit (§ 5 Abs. 1 WpPG) ergeben. Dies kann etwa zu bejahen sein, wenn eine veröffentlichte Gewinnprognose zum Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung aus Sicht des Emittenten nicht mehr länger aufrecht erhalten werden kann, insbesondere weil sie mittlerweile zu positiv ist und sie nicht im Vorfeld bereits korrigiert oder zurückgenommen wurde1. Bislang wurden nur in wenigen Fällen Gewinnschätzungen zeitnah zur Prospektveröffentlichung prominent veröffentlicht und im Anschluss in den Prospekt aufgenommen2. Bei der Aufnahme von Gewinnprognosen oder -schätzungen in einen Pro- 119 spekt ist zu beachten, dass diese den Vorgaben der Ziffern 13.1 bis 13.3 des Anhangs I ProspektVO entsprechen müssen, insbesondere nach Ziffer 13.2 einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers bedürfen. Die Erstellung einer solchen Bescheinigung ist für Wirtschaftsprüfer mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden, so dass ausreichend zeitlicher Vorlauf hierfür einzuplanen ist. Das IDW steht grundsätzlich auf dem Standpunkt, dass Wirtschaftsprüfer die Annahmen des Prospekterstellers, auf denen die Prognose oder Schätzung beruht, generell nicht prüfen, es sei denn, die Annahme ist offensichtlich falsch3. Somit steht im Fokus der Wirtschaftsprüfer, ob die Relationen zwischen Annahmen und Folgerungen stimmig sind4. Eine Ausnahme vom Erfordernis einer Bescheinigung besteht richtigerweise dann, wenn die in den Prospekt aufgenommene Gewinnprognose oder Gewinnschätzung zuvor oder zeitgleich auch im geprüften Lagebericht des Emittenten enthalten ist, da in diesem Fall die erforderliche Prüfung durch einen unabhängigen Prüfer bereits erfolgte. Um dies auch für den Anleger ersichtlich zu machen, sind in diesem Fall allerdings (ausnahmsweise) der Lagebericht und der ihn umfassende Bestätigungsvermerk in den Prospekt aufzunehmen. 3. Ergänzende Hinweise im Prospekt Die meisten Prospekte für Aktienemissionen enthalten im Abschnitt „Allgemeine Informationen“ einen Hinweis, dass zukunftsgerichtete Aussagen im Prospekt mit Unsicherheiten behaftet sind. Insbesondere bei Emissionen

1 2 3 4

Vorfeld stark kritisiert; so ua. Deutsches Aktieninstitut und Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. in Stellungnahmen zu CESR/05-054b, jeweils v. 18.10.2004. Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 93. Beispielsfälle sind der Prospekt der Merck KGaA v. 22.1.2007, der Wacker Construction Equipment AG v. 4.2.2008 und der RHÖN-KLINIKUM AG v. 20.7.2009. Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 203. Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 96.

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mit US-Platzierung (zB Privatplatzierung nach Rule 144A) werden häufig beispielhafte Formulierungen aufgelistet, die auf solche zukunftsgerichteten Aussagen hindeuten (zB „planen“, „beabsichtigen“ etc.). Die BaFin steht diesen Formulierungen kritisch gegenüber und hat in der Vergangenheit darauf gedrängt, dass zumindest Formulierungen, die nicht zwingend auf unsichere künftige Entwicklungen hinweisen, wie „werden“ und „sollen“, aus Prospektentwürfen gestrichen oder durch einen abstrakten Hinweis ohne beispielhafte Formulierung ersetzt werden.

XV. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane sowie oberes Management (Ziffer 14) (Schlitt/Schäfer) 14.

Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane sowie oberes Management 14.1. Namen und Geschäftsanschriften nachstehender Personen sowie ihre Stellung bei dem Emittenten unter Angabe der wichtigsten Tätigkeiten, die sie außerhalb des Emittenten ausüben, sofern diese für den Emittenten von Bedeutung sind: a) Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane; b) persönlich haftende Gesellschafter bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien; c) Gründer, wenn es sich um eine Gesellschaft handelt, die seit weniger als fünf Jahren besteht; und d) Mitglieder des oberen Managements, die geeignet sind um festzustellen, dass der Emittent über die angemessene Sachkenntnis und über die geeigneten Erfahrungen in Bezug auf die Führung der Geschäfte des Emittenten verfügt Art einer etwaigen verwandtschaftlichen Beziehung zwischen diesen Personen. Für jedes Mitglied der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane des Emittenten und für jede der in Unterabsatz b und d genannten Personen detaillierte Angabe der entsprechenden Geschäftsführungskompetenz und -erfahrung sowie die folgenden Angaben: a) Namen sämtlicher Unternehmen und Gesellschaften, bei denen die besagte Person während der letzten fünf Jahre Mitglied der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane bzw. Partner war, unter Angabe der Tatsache, ob die Mitgliedschaft in diesen Organen oder als Partner weiter fortbesteht. Es ist nicht erforderlich, sämtliche Tochtergesellschaften des Emittenten aufzulisten, bei denen die besagte Person ebenfalls Mitglied der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane ist; b) etwaige Schuldsprüche in Bezug auf betrügerische Straftaten während zumindest der letzten fünf Jahre;

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c) detaillierte Angaben über etwaige Insolvenzen, Insolvenzverwaltungen oder Liquidationen während zumindest der letzten fünf Jahre, die eine in (a) und (d) des ersten Unterabsatzes beschriebene Person betreffen, die im Rahmen einer der in (a) und (d) des ersten Unterabsatzes genannten Positionen handelte; und d) detaillierte Angaben zu etwaigen öffentlichen Anschuldigungen und/oder Sanktionen in Bezug auf die genannte Person von Seiten der gesetzlichen Behörden oder der Regulierungsbehörden (einschließlich bestimmter Berufsverbände) und eventuell Angabe des Umstands, ob diese Person jemals von einem Gericht für die Mitgliedschaft in einem Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgan eines Emittenten oder für die Tätigkeit im Management oder die Führung der Geschäfte eines Emittenten während zumindest der letzten fünf Jahre als untauglich angesehen wurde. Falls keinerlei entsprechende Informationen offen gelegt werden, ist eine entsprechende Erklärung abzugeben. 14.2. Interessenkonflikte zwischen den Verwaltungs-, Geschäftsführungsund Aufsichtsorganen sowie dem oberen Management Potenzielle Interessenkonflikte der in Punkt 14.1. genannten Personen zwischen ihren Verpflichtungen gegenüber dem Emittenten sowie ihren privaten Interessen oder sonstigen Verpflichtungen müssen klar festgehalten werden. Falls keine derartigen Konflikte bestehen, ist eine entsprechende Erklärung abzugeben. Ferner ist jegliche Vereinbarung oder Abmachung mit den Hauptaktionären, Kunden, Lieferanten oder sonstigen Personen zu nennen, aufgrund deren eine in Punkt 14.1. genannte Person zum Mitglied eines Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans bzw. zum Mitglied des oberen Managements bestellt wurde. Zudem sind die Einzelheiten jeglicher Veräußerungsbeschränkungen anzugeben, die von den in Punkt 14.1. genannten Personen für für die von ihnen gehaltenen Wertpapiere des Emittenten vereinbart wurden und für sie während einer bestimmten Zeitspanne gelten. 1. Standort und Inhalt Die detailliert von Anhang I Ziffer 14 ProspektVO vorgegebenen Angaben zum Vorstand, Aufsichtsrat, oberen Management und ggf. Gründern des Emittenten finden sich typischerweise im Kapitel „Angaben zu den Organen des Emittenten“. Dabei handelt es sich um weitgehend standardisierte Formulierungen. Die Angaben gehen über die von § 285 Nr. 10 HGB geforderten Angaben hinaus, so dass eine bloße Wiedergabe der Anhangangaben, wie sie vor Inkrafttreten der ProspektVO als ausreichend erachtet wurde1, nicht ausreicht. 1 Heidelbach in Schwark, § 28 BörsZulV Rz. 1; Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 13–32 BörsZulV Rz. 19.

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122 Für die Klärung der verwandtschaftlichen Beziehungen ist im Grundsatz das Vierte Buch des BGB heranzuziehen (§§ 1297 ff. BGB)1. 123 Für Liquidations- oder Insolvenzverfahren ist nicht nur auf abgeschlossene, sondern auch auf bevorstehende und laufende Verfahren abzustellen2. 124 Die zeitliche Beschränkung auf fünf Jahre bezieht sich, wie die englische Fassung zeigt, auf den gesamten Unterabsatz. 125 Hinsichtlich etwaiger Anschuldigungen sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens aufgrund eines Anfangsverdachts (§ 152 Abs. 2 StPO) nicht ausreichend. Dies gilt auch, wenn das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO mangels eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde3. Wurde hingegen eine öffentliche Klage erhoben und das Verfahren im Anschluss eingestellt, ist es grundsätzlich im Prospekt zu nennen. 2. Mitglieder des oberen Managements 126 Der Begriff des oberen Managements ist weder in der ProspektVO noch in den CESR-Empfehlungen näher definiert. Seine Bestimmung bleibt daher in erster Linie der Einschätzung des Emittenten überlassen und kann ua. auch Geschäftsleiter wesentlicher Tochtergesellschaften beinhalten. Insofern ist der Begriff fließend4 und entspricht nicht den engen Anforderungen des Begriffs der Führungspersonen in § 15a WpHG, der typischerweise nur sehr wenige Personen erfasst und nach der (zutreffenden) Verwaltungspraxis der BaFin auf solche Personen beschränkt ist, die strategische Entscheidungen für das Gesamtunternehmen treffen können, was nicht beim Emittenten, sondern bei Tochter- oder Muttergesellschaften bzw. konzernverbundenen Unternehmen tätige Personen ausschließt5. 127 Ein etwaig vorhandener Beirat hat in der Regel lediglich beratende Funktion und ist daher nicht mit einem oberen Management gleichzusetzen. Mangels Organfunktion sind typischerweise auch aus dem Gesichtspunkt der Vollständigkeit und Richtigkeit des Prospekts keine detaillierten Angaben über die Zusammensetzung und die Mitglieder des Beirats in den Prospekt aufzunehmen6.

1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 222. 2 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/ 09-1148, Ziffer 69. 3 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 226. 4 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 69 („mit Vorstandsmitgliedern vergleichbare Kompetenzen“). 5 Siehe Emittentenleitfaden der BaFin, Stand: 28.4.2009, S. 85. 6 AA Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 217.

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3. Gründer Die für Gründer geforderten Angaben passen nur auf natürliche Personen. 128 Wurde der Emittent von juristischen Personen gegründet, sind entsprechend deren Name, Sitz und Unternehmensgegenstand anzugeben. 4. D&O-Questionnaires Da der Emittent häufig keinen Einblick in die persönlichen Verhältnisse der 129 Mitglieder des Aufsichtsrats und des oberen Managements hat, andererseits die BaFin eine Einschränkung dieser Aussagen auf das „beste Wissen“ des Emittenten beanstandet, behilft sich die Praxis damit, die erforderlichen Angaben durch schriftliche Fragebögen bei den jeweiligen Aufsichtsratsmitgliedern und Mitgliedern des oberen Managements abzufragen1. Ein Hinweis im Prospekt darauf, dass der Emittent sich von den erforderlichen Angaben durch schriftliche Befragung der Betroffenen Kenntnis verschafft hat, entspricht der üblichen Marktpraxis, wird von der BaFin in der Vergangenheit jedoch teilweise beanstandet.

XVI. Bezüge und Vergünstigungen (Ziffer 15) (Schlitt/Schäfer) 15.

Bezüge und Vergünstigungen Für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr sind für die in Unterabsatz 1 von Punkt 14.1. unter den Buchstaben a und d genannten Personen folgende Angaben zu machen: 15.1. Betrag der gezahlten Vergütung (einschließlich etwaiger erfolgsgebundener oder nachträglicher Vergünstigungen) und Sachleistungen, die diesen Personen von dem Emittenten und seinen Tochterunternehmen für Dienstleistungen jeglicher Art gezahlt oder gewährt werden, die dem Emittenten oder seinen Tochterunternehmen von einer jeglichen Person erbracht wurden. Diese Angaben sind auf Einzelfallbasis beizubringen, es sei denn, eine individuelle Offenlegung ist im Herkunftsland des Emittenten nicht erforderlich und wird vom Emittenten nicht auf eine andere Art und Weise öffentlich vorgenommen. 15.2. Angabe der Gesamtbeträge, die vom Emittenten oder seinen Tochtergesellschaften als Reserve oder Rückstellungen gebildet werden, um Pensions- und Rentenzahlungen vornehmen oder ähnliche Vergünstigungen auszahlen zu können. 1. Grundsätzliche Pflicht zur Darstellung der individuellen Vergütung Grundsätzlich ist nach Anhang I Ziffer 15 ProspektVO für das letzte abge- 130 schlossene Geschäftsjahr die Gesamtvergütung der Organe anzugeben. Da 1 Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (534).

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§ 285 Nr. 9 lit. a HGB im Anhang börsennotierter Aktiengesellschaften darüber hinaus die Angabe der Einzelvergütung mit Namensnennung der einzelnen Vorstandsmitglieder verlangt, ist grundsätzlich auch diese Angabe erforderlich, sofern der Emittent im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr bereits börsennotiert und daher zur Offenlegung individueller Vorstandsvergütungen verpflichtet war. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Hauptversammlung den Emittenten von der individuellen Offenlegung im Anhang befreit hat, § 286 Abs. 5 HGB. 131 Fraglich ist, ob diese Befreiung auch von der Angabe der Gesamtvergütung des Vorstands befreit, wenn der Vorstand allein aus einer Person besteht. Die BaFin beruft sich insoweit auf die Beurteilung durch den Abschlussprüfer im Einzelfall: wurde die Vorstandsvergütung im Anhang zum Konzernoder Einzelabschluss offen gelegt, so ist sie danach auch in den Prospekt aufzunehmen. Wurde hingegen im Zuge der Abschlusserstellung und -prüfung (regelmäßig aufgrund entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses) darauf verzichtet, beanstandet die BaFin die Nichtaufnahme der Vorstandsvergütung in der Regel nicht1. 2. Vergütungsbestandteile 132 Anhang I Ziffer 15.1 ProspektVO verlangt eine detaillierte Offenlegung der Vergütungsbestandteile. Dazu zählt die Unterscheidung in Festvergütung und variable Vergütungsbestandteile, die Angabe erhaltener Sachleistungen (Dienstwagen etc.) auf Betragsbasis sowie die Angabe, inwiefern eine nachvertragliche Vergütung vom Emittenten oder seinen Tochtergesellschaften geschuldet ist. In diesem Zusammenhang sind häufig nachvertragliche Wettbewerbsverbote und die vereinbarte Karenzentschädigung zu nennen. 3. Pensionsrückstellungen 133 Die Pensionsrückstellungen sind, wie der Wortlaut der Ziffer 15.2 des Anhangs I ProspektVO zeigt, insgesamt, also nicht nur auf Organmitglieder und Mitglieder des oberen Managements beschränkt, anzugeben. Die Stellung der Ziffer 15.2 ist insoweit etwas unglücklich. Regelmäßig bereitet diese Angabe keine Schwierigkeiten, da etwaige Pensionsrückstellungen auch im Abschluss des Emittenten auszuweisen sind.

XVII. Praktiken der Geschäftsführung (Ziffer 16) (Schlitt/Schäfer) 16.

Praktiken der Geschäftsführung Für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr des Emittenten sind – soweit nicht anderweitig spezifiziert – für die im ersten Unterabsatz von

1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 241.

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16.4.

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Punkt 14.1. unter Buchstabe (a) genannten Personen folgende Angaben zu machen: Ende der laufenden Mandatsperiode und ggf. Angabe des Zeitraums, während dessen die jeweilige Person ihre Aufgabe ausgeübt hat. Angaben über die Dienstleistungsverträge, die zwischen den Mitgliedern der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane und dem Emittenten bzw. seinen Tochtergesellschaften geschlossen wurden und die bei Beendigung des Dienstverhältnisses Vergünstigungen vorsehen. Ansonsten ist eine negative Erklärung abzugeben. Angaben über den Auditausschuss und den Vergütungsausschuss, einschließlich der Namen der Ausschussmitglieder und einer Zusammenfassung des Aufgabenbereichs des Ausschusses. Erklärung, ob der Emittent der/den Corporate-Governance-Regelung/ en im Land der Gründung der Gesellschaft genügt. Sollte der Emittent einer solchen Regelung nicht folgen, ist eine dementsprechende Erklärung zusammen mit einer Erklärung aufzunehmen, aus der hervorgeht, warum der Emittent dieser Regelung nicht Folge leistet.

1. Organbestellung und Dienstvertrag Die nach Anhang I Ziffer 16.1 ProspektVO erforderliche Angabe der laufenden Mandatsperiode der unter Anhang I Ziffer 14.1 lit. a ProspektVO genannten Personen erfolgt üblicherweise im Kapitel „Angaben über die Organe des Emittenten“.

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Über die Dienstleistungsverträge werden in der Regel keine detaillierten Angaben aufgenommen. Vielmehr beschränkt sich das berechtigte Interesse des Anlegers in der Regel auf eine Offenlegung der Dauer der Vereinbarung, der vereinbarten Vergütung, etwaige bei Beendigung des Dienstverhältnisses vorgesehen Vergünstigungen (insbesondere sog. „golden handshakes“) und die Vereinbarung sonstiger Vergünstigungen wie D&O-Versicherungen. Insoweit besteht eine Überschneidung der Ziffer 16.2 mit Ziffer 15.1 des Anhangs I ProspektVO. Da Angaben zur Vergütung auch Hinweise auf mögliche Interessenkonflikte ergeben können, die nach Anhang I Ziffer 14.2 ProspektVO darzustellen sind, ist insgesamt auf Kohärenz der Angaben nach Anhang I Ziffer 14.2, 15.1 und 16.2 ProspektVO zu achten.

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2. Aufsichtsratsausschüsse Die Angaben über die Aufsichtsratsausschüsse nach Anhang I Ziffer 16.3 136 ProspektVO sind sinnvollerweise im Zusammenhang mit der Darstellung der Aufsichtsratsmitglieder anzusiedeln. Dabei ist darauf zu achten, dass bezüglich eines gebildeten Auditausschusses und Vergütungsausschusses auch die Namen der Ausschussmitglieder und eine zusammenfassende Darstellung des Aufgabenbereichs der jeweiligen Ausschüsse in den Prospekt aufzunehmen sind.

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3. Corporate Governance 137 Ist der Emittent bereits an einem organisierten Markt zugelassen und unterliegt damit der Verpflichtung zur Abgabe einer Entsprechenserklärung zum Corporate Governance Kodex nach § 161 AktG, so ist die aktuelle Entsprechenserklärung im Prospekt abzudrucken. Im Falle einer Nichteinhaltung von Bestimmungen des Corporate Governance Kodex ist zusätzlich zu erörtern, warum der Emittent diese nicht befolgt. Anhang I Ziffer 16.4 ProspektVO1 geht insofern über die Anforderungen des § 161 AktG hinaus. Ein typisches Beispiel einer Nichtbefolgung ist die Empfehlung des Corporate Governance Kodex zur individualisierten Offenlegung der Vorstandsvergütung. Ist ein börsennotierter Emittent aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses von der individualisierten Offenlegung im Anhang befreit, was nach Anhang I Ziffer 15.1 ProspektVO im Prospekt anzugeben ist, so besteht im Abschnitt „Corporate Governance“ zumindest zu diesem Punkt eine Erläuterungspflicht. 138 In Zusammenhang mit einem Börsengang besteht nach dem Aktiengesetz noch keine Verpflichtung zur Abgabe einer Entsprechenserklärung. Jedoch ist grundsätzlich eine Aussage dazu erforderlich, ob der Emittent in Zukunft den Corporate Governance Kodex weitgehend oder ggf. mit Einschränkungen zu befolgen beabsichtigt, da Anhang I Ziffer 16.4 ProspektVO insoweit nicht zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Emittenten unterscheidet2.

XVIII. Beschäftigte (Ziffer 17) (Schlitt/Schäfer) 17. Beschäftigte 17.1. Entweder Angabe der Zahl der Beschäftigten zum Ende des Berichtszeitraums oder Angabe des Durchschnitts für jedes Geschäftsjahr innerhalb des Zeitraums, der von den historischen Finanzinformationen abgedeckt wird bis zum Datum der Erstellung des Registrierungsformulars (und Angabe der Veränderungen bei diesen Zahlen, sofern diese von wesentlicher Bedeutung sind). Wenn es möglich und wesentlich ist, Aufschlüsselung der beschäftigten Personen nach Haupttätigkeitskategorie und geografischer Belegenheit. Beschäftigt der Emittent eine große Zahl von Zeitarbeitskräften, ist die durchschnittliche Zahl dieser Zeitarbeitskräfte während des letzten Geschäftsjahrs anzugeben. 17.2. Aktienbesitz und Aktienoptionen In Bezug auf die in Punkt 14.1. Unterabsatz 1 unter Buchstaben a und d genannten Personen sind so aktuelle Angaben wie möglich über ihren

1 Kritisch zur gesetzgeberischen Konzeption Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 242 f. 2 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 76.

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Aktienbesitz und etwaige Optionen auf Aktien des Emittenten beizubringen. 17.3. Beschreibung etwaiger Vereinbarungen, mittels derer Beschäftigte am Kapital des Emittenten beteiligt werden können. 1. Anzahl der Mitarbeiter Die Anzahl der Beschäftigten nach Anhang I Ziffer 17.1 ProspektVO war bereits nach der vor Inkrafttreten des WpPG und der ProspektVO einschlägigen BörsZulV als Pflichtangabe aufzunehmen, § 20 Abs. 3 Nr. 1 BörsZulV aF. Sie entspricht auch dem internationalen Standard der IOSCO International Disclosure Standards for Cross-Border Offerings and Initial Listings by Foreign Issuers1.

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Um sicherzustellen, dass die Anzahl der Mitarbeiter vom Comfort Letter2 140 des Abschlussprüfers des Emittenten erfasst ist, sind diese Angaben idealerweise dem Anhang der in den Prospekt aufgenommenen Abschlüsse des Emittenten zu entnehmen. Bei der Wiedergabe im Prospekt ist darauf zu achten und darauf hinzuweisen, wie die Zählung der Zahl der Beschäftigten erfolgte (beispielsweise mit oder ohne Vorstandsmitglieder). Ob die Angabe zum jeweiligen Geschäftsjahresende oder im Jahresdurchschnitt angegeben wird, ist dem Emittenten überlassen. Ergänzend muss der Prospekt die Angabe enthalten, ob sich die Zahl der Beschäftigten seit dem letzten Geschäftsjahresende wesentlich verändert hat. Insbesondere in Fällen, in denen das Ende des letzten Geschäftsjahres bereits länger zurückliegt, sind daher im Regelfall aktuellere Angaben, etwa betreffend des letzten im Prospekt mit Zwischenabschlüssen dokumentierter Quartals oder Halbjahres, in den Prospekt aufzunehmen. Soweit möglich ist die Angabe sowohl nach geographischer Belegenheit als auch nach Haupttätigkeitskategorien aufzuschlüsseln.

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Beschäftigt der Emittent eine große Zahl von Zeitarbeitskräften, so ist die 142 durchschnittliche Zahl der Zeitarbeitskräfte im letzten Geschäftsjahr anzugeben. Ob eine große Zahl von Zeitarbeitskräften beschäftigt wurde, ist dabei relativ zu der Gesamtzahl der Beschäftigten zu sehen. Eine absolute Grenze sieht die ProspektVO nicht vor. 2. Aktienbesitz und Aktienoptionen Anhang I Ziffer 17.2 ProspektVO verlangt die Offenlegung des Aktienbesitzes und der Aktienoptionen, die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder des Emittenten sowie Mitglieder des oberen Managements halten. Die Angabe 1 IOSCO, International Disclosure Standards for Cross-Broder Offerings and Initial Listings by Foreign Issuers 1998, Part I VI. D. 2 Zum Comfort Letter siehe Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 mwN; Meyer, WM 2003, 1745.

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erfolgt in der Regel im Prospektabschnitt „Angaben über die Organe des Emittenten“. Im Falle der Veräußerung von Aktien durch diese Personen im Zuge des Angebots ist nach der Verwaltungspraxis der BaFin zudem die Anzahl der nach Ende des Angebots voraussichtlich noch gehaltenen Aktien anzugeben, wobei diese Angabe in der Regel im Abschnitt „Angaben über die Aktionärsstruktur“ in Zusammenhang mit den von Anhang I Ziffer 18.1 ProspektVO geforderten Angaben erfolgt. 144 Bezüglich gehaltener Aktienoptionen wird in der Regel die Angabe erforderlich sein, wann diese ausübbar sind und unter welchen Voraussetzungen, da der durchschnittliche Anleger insbesondere an einer potentiellen Verwässerung seiner Beteiligung und dem Zeitpunkt und der Wahrscheinlichkeit einer solchen Verwässerung interessiert sein dürfte. 145 Da die Angaben so aktuell wie möglich sein müssen, ist ggf. kurz vor dem Angebot eine entsprechende Anfrage an die Mitglieder des Aufsichtsrats und des oberen Managements zu richten, in deren persönliche Verhältnisse der Emittent regelmäßig keinen Einblick hat. 3. Mitarbeiterbeteiligungen 146 Anhang I Ziffer 17.3 ProspektVO umfasst sowohl Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, die unabhängig von einem Angebot, für dessen Zwecke der Prospekt erstellt wurde, bestehen, als auch das bevorzugte Angebot von Aktien, die Gegenstand des Prospekts sind, an Mitarbeiter (friends & familiy). Erforderlich ist in beiden Fällen eine Beschreibung des Adressatenkreises, der Bedingungen, denen die Mitarbeiterbeteiligung unterliegt, und in welchem Umfang bereits Mitarbeiter am Grundkapital des Emittenten beteiligt sind.

XIX. Hauptaktionäre (Ziffer 18) (Schlitt/Schäfer) 18. Hauptaktionäre 18.1. Soweit dem Emittenten bekannt ist, Angabe des Namens jeglicher Person, die nicht Mitglied der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane ist und die direkt oder indirekt eine Beteiligung am Kapital des Emittenten oder den entsprechenden Stimmrechten hält, die gemäß den nationalen Bestimmungen zu melden ist, zusammen mit der Angabe des Betrags der Beteiligung dieser Person. Ansonsten ist eine negative Erklärung abzugeben. 18.2. Information über den Umstand, ob die Hauptaktionäre des Emittenten unterschiedliche Stimmrechte haben. Ansonsten ist eine negative Erklärung abzugeben. 18.3. Sofern dem Emittenten bekannt, Angabe, ob an dem Emittenten unmittelbare oder mittelbare Beteiligungen oder Beherrschungsverhältnisse bestehen, und wer diese Beteiligungen hält bzw. diese Beherrschung ausübt. Beschreibung der Art und Weise einer derartigen

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Kontrolle und der vorhandenen Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs einer derartigen Kontrolle. 18.4. Beschreibung etwaiger dem Emittenten bekannter Vereinbarungen, deren Ausübung zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Veränderung bei der Kontrolle des Emittenten führen könnte. 1. Angaben zur Aktionärsstruktur Soweit dem Emittenten seine Aktionäre bekannt sind, hat er nach Anhang I 147 Ziffer 18.1 ProspektVO Angaben zu deren Beteiligung im Prospekt zu veröffentlichen. Sind die Aktien des Emittenten bereits an einem organisierten Markt zugelassen, sind dem Emittenten zumindest solche Beteiligungen bekannt, die ihm aufgrund von Stimmrechtsmitteilungen (nach § 21 WpHG) bekannt geworden sind. Die relevante Schwelle liegt daher seit Umsetzung der Transparenzrichtlinie in deutsches Recht zum 1.1.2007 bei 3 % der Stimmrechte. Ist der Emittent noch nicht an einem organisierten Markt, aber an einem 148 nicht organisierten Markt, zB dem Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse, notiert, verfügt er regelmäßig über vergleichsweise unsichere Kenntnisse über seine Aktionärsstruktur. In diesem Fall wird, mit Ausnahme einer Beteiligung des Managements, regelmäßig lediglich eine 25 % übersteigende Beteiligung bekannt sein, da die anwendbaren Meldeschwellen (nach § 20 AktG) 25 % und 50 % der Aktien betragen, § 20 AktG. Eine Nachforschungspflicht des Emittenten besteht nicht1. Liegen dem Emittenten keine Erkenntnisse über seine Aktionärsstruktur vor, hat er eine Negativerklärung im Prospekt abzugeben, die sich auf sein Wissen beschränken kann, da der Wortlaut der Ziffer 18.1 des Anhangs I ProspektVO ausdrücklich auf die Kenntnis des Emittenten abstellt.

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Die Angaben erfolgen üblicherweise im Kapitel „Aktionärsstruktur“ in Tabellenform.

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Anhang I Ziffer 18.2 ProspektVO hat in Deutschland einen geringen Anwendungsbereich. Sie kommt regelmäßig nur bei der Ausgabe von Vorzugsaktien zum Tragen, vgl. § 12 Abs. 1 AktG.

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2. Angaben zur Abhängigkeit Anhang I Ziffer 18.3 ProspektVO fordert die Angabe etwaiger Abhängigkei- 152 ten und solcher Beteiligungsverhältnisse, die einen über die eigene Beteiligung hinausgehenden Einfluss vermitteln. Angaben zu etwaigen Beherrschungsverhältnissen waren auch nach § 19 Abs. 2 Nr. 5 BörsZulV aF bereits vor Inkrafttreten des WpPG und der ProspektVO im Prospekt anzugeben. 1 Heidelbach in Schwark, § 19 BörsZulV Rz. 2.

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153 Ziel der Angabepflicht ist es, dem Anleger ein vollständiges Bild über die Kapitalstruktur und die Verflechtung des Emittenten zu geben, da dies Einfluss auf den zur Ausschüttung bereit gestellten Gewinn haben kann. Hintergrund ist das grundsätzliche Interesse des Anlegers, an Erkenntnissen des Emittenten von Stimmbindungsvereinbarungen und ähnlichen Einflussnahmemöglichkeiten der Altaktionäre zu partizipieren. In Betracht kommen insbesondere Poolingvereinbarungen, in denen eine Abstimmung hinsichtlich der Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung oder bezüglich sonst wesentlicher Maßnahmen, etwa im Hinblick auf die Veräußerung von Aktien, festgeschrieben sind. 154 Unter „Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs einer derartigen Kontrolle“ ist typischerweise der Hinweis auf einen (geprüften) Abhängigkeitsbericht zu verstehen, wenn der Emittent einen solchen nach § 312 AktG erstellt hat. 3. Künftige Kontrollerlangung 155 Ob unter Kontrolle iS der Ziffer 18.4 des Anhangs I ProspektVO eine Mehrheit von 30 % und mehr der Stimmrechte wie in § 29 Abs. 2 WpÜG definiert zu verstehen ist, gibt die ProspektVO nicht an. Zumindest bei (geplanter) Zulassung der Aktien des Emittenten an einem organisierten Markt ist richtigerweise von dieser Schwelle auszugehen. 156 Zu Vereinbarungen, deren Ausübung zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Veränderung der Kontrolle führen können, zählen vor allem Aktienoptionen, deren Ausübung zu einer Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse führen kann, oder Erwerbsrechte aufgrund Aktionärsvereinbarungen. Grundsätzlich ist jedoch jede Art von Vereinbarung, die zu einer Verschiebung des Einflusses dergestalt, dass ein oder mehrere Aktionäre die Kontrolle über den Emittenten erwerben, zu schildern. 157 In der Praxis werden solche Vereinbarungen vor einem Börsengang regelmäßig aufgehoben, da eine Kontrollerlangung nach Zulassung der Aktien an einem organisierten Markt aufgrund der damit einhergehenden Pflicht zur Abgabe eines Angebots an alle Aktionäre nach § 30 WpÜG im Regelfall vermieden werden soll. Eine detaillierte Wiedergabe im Prospekt erübrigt sich damit, sofern die Vereinbarungen nicht fortgelten und auch nicht unter bestimmten Bedingungen wiederaufleben, nachdem Außenstehende bereits Aktien erworben haben.

XX. Geschäfte mit verbundenen Parteien (Ziffer 19) (Schlitt/Schäfer) 19. Geschäfte mit verbundenen Parteien Anzugeben sind Einzelheiten zu Geschäften mit verbundenen Parteien (die in diesem Sinne diejenigen sind, die in den Standards dargelegt wer-

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Schlitt/Schäfer

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den, die infolge der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 angenommen wurden), die der Emittent während des Zeitraums abgeschlossen hat, der von den historischen Finanzinformationen abgedeckt wird bis zum Datum der Erstellung des Registrierungsformulars. Dies hat in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Standard zu erfolgen, der infolge der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 angenommen wurde (falls anwendbar). Finden diese Standards auf den Emittenten keine Anwendung, müssen die folgenden Angaben offen gelegt werden: a) Art und Umfang der Geschäfte, die als einzelnes Geschäft oder insgesamt für den Emittenten von wesentlicher Bedeutung sind. Erfolgt der Abschluss derartiger Geschäfte mit verbundenen Parteien nicht auf marktkonforme Weise, ist zu erläutern, weshalb. Im Falle ausstehender Darlehen einschließlich Garantien jeglicher Art ist der ausstehende Betrag anzugeben; b) Betrag oder Prozentsatz, zu dem die Geschäfte mit verbundenen Parteien Bestandteil des Umsatzes des Unternehmens sind. Anhang I Ziffer 19 ProspektVO unterscheidet zwischen Emittenten, die 158 IFRS anwenden (Ziffer 19 Abs. 1) und Emittenten, die keine IFRS anwenden (Ziffer 19 Abs. 2). Der Umfang der nach Anhang I Ziffer 19 ProspektVO in den Prospekt aufzunehmenden Angaben zu Geschäften und Rechtsbeziehungen zu nahe stehenden Personen richtet sich jedoch unabhängig von der Anwendung von IFRS durch den Emittenten nach IAS 241.

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Grundsätzlich sind danach Angaben zu den Geschäften und Rechtsbeziehungen mit folgenden Personen in den Prospekt aufzunehmen: – natürliche Personen (oder nahe Verwandte derselben), wenn diese – Kontrolle (einzeln oder gemeinsam mit anderen) auf die Gesellschaft oder die Gruppe ausüben können (zB Aktienmehrheit, Aktionärsbindungsverträge, gemeinsame Absprachen); – auf andere Weise Einfluss auf die Gesellschaft oder die Gruppe ausüben können; oder – Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats der Gesellschaft oder anderer Gruppengesellschaften sind; und – juristische Personen, wenn diese – Teil der Gruppe sind (dh. Mutter-, Tochter- und Schwestergesellschaften gelten als nahe stehend); – mittels Joint Venture oder auf andere Weise mit der Gesellschaft oder einer Tochtergesellschaft verbunden sind; oder – von einer nahe stehenden natürlichen Person kontrolliert werden oder diese einen wesentlichen Einfluss auf sie hat.

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1 CESR/05-054b, Rz. 149.

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EU-ProspektVO

Anhang I

161 Fraglich ist, ob auch Angaben zu Geschäften zwischen Konzerngesellschaften aufzunehmen sind, wenn der Emittent Konzernobergesellschaft ist. Anhang I Ziffer 19 ProspektVO trifft hierzu keine Aussage. Richtigerweise sind Angaben zu Geschäften zwischen Konzerngesellschaften, die in den im Prospekt abgedruckten Konzernabschlüssen aufgrund Konsolidierung eliminiert sind, nicht erforderlich, da es sich um konzerninterne Vorgänge handelt1 und die Darstellung dieser Geschäfte angesichts der im Prospekt dargestellten Konzernfinanzinformationen nicht wesentlich, sondern im Einzelfall sogar irreführend sein kann. Handelt es sich um eine größere Unternehmensgruppe, wäre eine Darstellung der gruppeninternen Geschäfte in vielen Fällen zudem umfangmäßig kaum zu leisten. Hingegen sind Geschäfte des Emittenten mit nicht konsolidierten Beteiligungsgesellschaften allenfalls nach der Equity-Methode im Konzernabschluss berücksichtigt und mangels Eliminierung im Zuge der Konsolidierung im Prospekt darzustellen. 162 Während IAS 24 nicht eindeutig hinsichtlich der Frage ist, ob nur wesentliche Geschäfte dargestellt werden müssen, sieht der nach Zulassung der Aktien für die Angaben im Zwischenlagebericht oder im Anhang des Halbjahresfinanzberichts geltende § 11 TranspRLDV vor, dass nur solche Geschäfte offen zu legen sind, die die Finanzlage oder das Geschäftsergebnis des Unternehmens wesentlich beeinflusst haben. Im Hinblick auf den übergeordneten Grundsatz, dass der Prospekt die für eine Anlageentscheidung wesentlichen Informationen enthalten muss (§ 5 Abs. 1 WpPG), ist richtigerweise eine entsprechende Auswahl auch hinsichtlich der Offenlegung von Geschäften mit nahe stehenden Personen im Prospekt zu treffen und nicht jedes Geschäft mit nahe stehenden Personen zu beschreiben. TranspRLDV Ziffer 19 Abs. 2 geht für Emittenten, die nicht IFRS anwenden, ohnehin davon aus, dass nur wesentliche Geschäfte offen zu legen sind. Ein Grund für eine abweichende Behandlung nach IFRS bilanzierender Emittenten ist nicht erkennbar. 163 Anhang I Ziffer 19 fordert für nicht IFRS anwendende Emittenten, also typischerweise im Falle von Entry Standard-IPOs, zusätzlich die Angabe des Betrags oder Prozentsatzes, zu dem die Geschäfte mit verbundenen Parteien Bestandteil des Umsatzes sind. Hintergrund der Offenlegungspflicht auch für nach HGB bilanzierende Emittenten ist die Vorgabe der IOSCO International Disclosure Standards for Cross-Border Offerings and Initial Listings by Foreign Issuers2. Es stellt sich daher die Frage, ob in diesen Fällen ein strengerer Offenlegungsmaßstab als bei nach IFRS bilanzierenden Emittenten anzulegen ist.

1 IAS 24 Ziffer 4 Satz 2, entsprechend auch für Halbjahresabschlüsse nicht-konzernabschlusspflichtiger Emittenten § 11 Abs. 2 TranspRLDV. 2 IOSCO, International Disclosure Standards for Cross-Border Offerings and Initial Listings by Foreign Issuers 1998, Part I VII. B., der jedoch nur bezüglich Darlehen eine Betragsangabe fordert.

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EU-ProspektVO

Nach IFRS1 sind solche Informationen anzugeben, die ein Verständnis der 164 potenziellen Auswirkungen der Beziehung auf den Abschluss ermöglichen. Ob ein Geschäft marktkonform abgeschlossen wurde (at arm’s length) richtet sich danach, ob es mit demselben Inhalt mit einem außen stehenden Dritten ebenfalls abgeschlossen worden wäre2. Der Umfang der Geschäfte ist daher so wiederzugeben, dass der „Effekt der Geschäftsbeziehung“ auf den Abschluss nachvollzogen werden kann3. Die IFRS sehen zudem vor4, dass der Betrag von Geschäftsvorfällen mit na- 165 he stehenden Personen nach Kategorien von Geschäften zusammengefasst werden kann, eine individualisierte Offenlegung also nicht erforderlich ist. Dem entspricht auch die nach Zulassung der Aktien an einem organisierten Markt geltende Bestimmung des § 11 Abs. 2 TranspRLDV. Dieser regelt die Angaben, die im Zwischenlagebericht oder im Anhang des Halbjahresfinanzberichts zu Geschäften mit nahe stehenden Personen aufzunehmen sind. Danach sind zum einen Geschäfte innerhalb eines Konzerns zwischen mittel- oder unmittelbar in hundertprozentigem Anteilsbesitz stehenden konzernangehörigen Unternehmen von der Offenlegung ausgeschlossen. Des Weiteren schränkt § 11 Abs. 2 TranspRLDV die erforderlichen Angaben auf solche ein, die wesentlich und nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommen sind. Entsprechend IAS 24 können Angaben über Geschäfte auch nach § 11 Abs. 2 TranspRLDV zu Geschäftsarten zusammengefasst werden, sofern die getrennte Angabe für die Beurteilung der Auswirkungen auf die Finanzlage nicht notwendig sind. Richtigerweise kann daher auch in Fällen, in denen der Emittent seine Konzernabschlüsse nicht nach IFRS erstellt, eine Aussage zu den Beträgen der Geschäfte mit nahe stehenden Personen grundsätzlich nach Kategorien5 zusammengefasst erfolgen. Der Prozentsatz, zu dem die Geschäfte mit verbundenen Parteien Bestandteil des Umsatzes sind, ist entsprechend der Regelung in § 11 Abs. 2 TranspRLDV nur dann aufzunehmen, wenn es sich um Umsatzgeschäfte handelt, also zB Produkte des Emittenten von der nahe stehenden Person bezogen werden, oder aus sonstigen Gründen diese Angabe für die Beurteilung der Finanzlage notwendig ist6.

1 2 3 4 5

IAS 24 Ziffer 17 Satz 1. Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 292. Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 4. Aufl. 2009, Rz. 4779. IAS 24 Ziffern 17, 22. Als solche Kategorien kommen die in IAS 24 Ziffer 18 genannten Kategorien, zB Mitglieder des Managements, in Betracht. 6 Die Offenlegung des Betrags oder Prozentsatzes am Umsatz ist grundsätzlich wesentlich, um den Investoren ein Gefühl dafür zu geben, in welchem Umfang der Emittent von nahe stehenden Personen und deren weiterer Bereitschaft, Geschäfte mit dem Emittenten abzuschließen, abhängt. Der Betrag oder Prozentsatz am Umsatz ist hierfür jedoch nur bei Umsatzgeschäften ein sinnvoller Indikator.

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XXI. Finanzinformationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten (Ziffer 20) 20. 20.1.

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Finanzinformationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten Historische Finanzinformationen Beizubringen sind geprüfte historische Finanzinformationen, die die letzten drei Geschäftsjahre abdecken (bzw. einen entsprechenden kürzeren Zeitraum, während dessen der Emittent tätig war), sowie der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers für jedes Geschäftsjahr. Hat der Emittent in der Zeit, für die historische Finanzinformationen beizubringen sind, seinen Bilanzstichtag geändert, so decken die geprüften historischen Finanzinformationen mindestens 36 Monate oder – sollte der Emittent seiner Geschäftstätigkeit noch keine 36 Monate nachgegangen sein – den gesamten Zeitraum seiner Geschäftstätigkeit ab. Derartige Finanzinformationen sind nach der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 bzw. für den Fall, dass diese Verordnung nicht anwendbar ist, nach den nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen des betreffenden Mitgliedstaats zu erstellen. Bei Emittenten aus Drittstaaten sind diese Finanzinformationen nach den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards oder nach diesen Standards gleichwertigen nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Drittstaates zu erstellen. Ist keine Äquivalenz zu den Standards gegeben, so sind die Finanzinformationen in Form eines neu zu erstellenden Jahresabschlusses vorzulegen. Die geprüften historischen Finanzinformationen müssen für die letzten zwei Jahre in einer Form dargestellt und erstellt werden, die mit der konsistent ist, die im folgenden Jahresabschluss des Emittenten zur Anwendung gelangen wird, wobei Rechnungslegungsgrundsätze und -strategien sowie die Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind, die auf derlei Jahresabschlüsse Anwendung finden. Ist der Emittent in seiner aktuellen Wirtschaftsbranche weniger als ein Jahr tätig, so sind die geprüften historischen Finanzinformationen für diesen Zeitraum gemäß den Standards zu erstellen, die auf Jahresabschlüsse im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 anwendbar sind bzw. für den Fall, dass diese Verordnung nicht anwendbar ist, gemäß den nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Mitgliedstaats, wenn der Emittent aus der Gemeinschaft stammt. Bei Emittenten aus Drittstaaten sind diese historischen Finanzinformationen nach den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards oder nach diesen Standards gleichwertigen nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Drittstaates zu erstellen. Diese historischen Finanzinformationen müssen geprüft worden sein.

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Anhang I

EU-ProspektVO

Wurden die geprüften Finanzinformationen gemäß nationaler Rechnungslegungsgrundsätze erstellt, dann müssen die unter dieser Rubrik geforderten Finanzinformationen zumindest Folgendes enthalten: a) die Bilanz; b) die Gewinn- und Verlustrechnung; c) eine Übersicht, aus der entweder alle Veränderungen im Eigenkapital hervorgehen oder Veränderungen im Eigenkapital mit Ausnahme der Kapitaltransaktionen mit Eigentümern oder Ausschüttungen an diese zu entnehmen sind; d) eine Kapitalflussrechnung; e) Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden und erläuternde Anmerkungen. Die historischen jährlichen Finanzinformationen müssen unabhängig und in Übereinstimmung mit den in dem jeweiligen Mitgliedstaat anwendbaren Prüfungsstandards oder einem äquivalenten Standard geprüft worden sein, oder es muss für das Registrierungsformular vermerkt werden, ob sie in Übereinstimmung mit dem in dem jeweiligen Mitgliedstaat anwendbaren Prüfungsstandard oder einem äquivalenten Standard ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln. 20.2. Pro forma-Finanzinformationen Im Falle einer bedeutenden Brutto-Veränderung ist eine Beschreibung der Art und Weise, wie die Transaktion ggf. die Aktiva und Passiva sowie die Erträge des Emittenten beeinflusst hat, aufzunehmen, sofern diese Transaktion zu Beginn des Berichtszeitraums oder zum Berichtszeitpunkt durchgeführt wurde. Dieser Anforderung wird normalerweise durch die Aufnahme von Pro forma-Finanzinformationen Genüge getan. Diese Pro forma-Finanzinformationen sind gemäß Anhang II zu erstellen und müssen die darin geforderten Angaben enthalten. Pro forma-Finanzinformationen ist ein Bericht beizufügen, der von unabhängigen Buchprüfern oder Abschlussprüfern erstellt wurde. 20.3. Jahresabschluss Erstellt der Emittent sowohl einen Jahresabschluss als auch einen konsolidierten Abschluss, so ist zumindest der konsolidierte Abschluss in das Registrierungsformular aufzunehmen. 20.4. Prüfung der historischen jährlichen Finanzinformationen 20.4.1. Es ist eine Erklärung dahingehend abzugeben, dass die historischen Finanzinformationen geprüft wurden. Sofern ein Bestätigungsvermerk über die historischen Finanzinformationen von den Abschlussprüfern nicht erteilt wurde bzw. sofern er Vorbehalte oder Verzichtserklärungen enthält, ist diese Nichterteilung bzw. sind diese Vorbehalte oder Verzichtserklärungen in vollem Umfang wiederzugeben und die Gründe dafür anzugeben.

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20.4.2. Angabe sonstiger Informationen im Registrierungsformular, das von den Abschlussprüfern geprüft wurde. 20.4.3. Wurden die Finanzdaten im Registrierungsformular nicht dem geprüften Jahresabschluss des Emittenten entnommen, so ist die Quelle dieser Daten und die Tatsache anzugeben, dass die Daten ungeprüft sind. 20.5. Alter der jüngsten Finanzinformationen 20.5.1. Das letzte Jahr der geprüften Finanzinformationen darf nicht älter sein als: a) 18 Monate ab dem Datum des Registrierungsformulars, sofern der Emittent geprüfte Zwischenabschlüsse in sein Registrierungsformular aufnimmt; oder b) 15 Monate ab dem Datum des Registrierungsformulars, sofern der Emittent ungeprüfte Zwischenabschlüsse in sein Registrierungsformular aufnimmt. 20.6. Zwischenfinanzinformationen und sonstige Finanzinformationen 20.6.1. Hat der Emittent seit dem Datum des letzten geprüften Jahresabschlusses vierteljährliche oder halbjährliche Finanzinformationen veröffentlicht, so sind diese in das Registrierungsformular aufzunehmen. Wurden diese vierteljährlichen oder halbjährlichen Finanzinformationen einer Prüfung oder prüferischen Durchsicht unterzogen, so sind die entsprechenden Berichte ebenfalls aufzunehmen. Wurden die vierteljährlichen oder halbjährlichen Finanzinformationen keiner Prüfung oder prüferischen Durchsicht unterzogen, so ist diese Tatsache anzugeben. 20.6.2. Wurde das Registrierungsformular mehr als neun Monate nach Ablauf des letzten geprüften Finanzjahres erstellt, muss es Zwischenfinanzinformationen enthalten, die u.U. keiner Prüfung unterzogen wurden (auf diesen Fall muss eindeutig hingewiesen werden) und die sich zumindest auf die ersten sechs Monate des Geschäftsjahres beziehen sollten. Diese Zwischenfinanzinformationen müssen einen vergleichenden Überblick über denselben Zeitraum wie im letzten Geschäftsjahr enthalten. Der Anforderung vergleichbarer Bilanzinformationen kann jedoch auch ausnahmsweise durch die Vorlage der Jahresendbilanz nachgekommen werden. 20.7. Dividendenpolitik Aufnahme einer Beschreibung der Politik des Emittenten auf dem Gebiet der Dividendenausschüttungen und etwaiger diesbezüglicher Beschränkungen. 20.7.1. Angabe des Betrags der Dividende pro Aktie für jedes Geschäftsjahr innerhalb des Zeitraums, der von den historischen Finanzinformationen abgedeckt wird. Wurde die Zahl der Aktien des Emittenten geändert, ist eine Anpassung zu Vergleichszwecken vorzunehmen.

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Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren Angaben über etwaige staatliche Interventionen, Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren (einschließlich derjenigen Verfahren, die nach Kenntnis des Emittenten noch anhängig sind oder eingeleitet werden könnten), die im Zeitraum der mindestens 12 letzten Monate bestanden/abgeschlossen wurden, oder die sich erheblich auf die Finanzlage oder die Rentabilität des Emittenten und/oder der Gruppe auswirken bzw. in jüngster Zeit ausgewirkt haben. Ansonsten ist eine negative Erklärung abzugeben. Wesentliche Veränderungen in der Finanzlage oder der Handelsposition des Emittenten Beschreibung jeder wesentlichen Veränderung in der Finanzlage oder der Handelsposition der Gruppe, die seit dem Ende des letzten Geschäftsjahres eingetreten ist, für das entweder geprüfte Finanzinformationen oder Zwischenfinanzinformationen veröffentlicht wurden. Ansonsten ist eine negative Erklärung abzugeben.

1. Vorbemerkung und Überblick zu Ziffer 20.1 bis 20.6 (Kunold) Finanzinformationen stellen sowohl qualitativ wie auch quantitativ einen 167 erheblichen Teil eines Wertpapierprospektes dar. Allein die neben den Erläuterungen zur Geschäfts- und Finanzlage (Operating and Financial Review – OFR, auch als MD&A bezeichnet) nach Anhang I Ziffer 9 ProspektVO (vgl hierzu die Kommentierung in Rz. 87 ff.) in den reinen Finanzteil aufzunehmenden Abschlüsse sowie ggf. aufzunehmende Zwischenfinanzberichte und Quartalsfinanzberichte machen etwa die Hälfte des gesamten Prospektes1 aus. Nicht nur durch diesen seitenmäßigen Umfang wird die große Bedeutung, die den Finanzinformationen zukommt, deutlich. Sie haben auch eine Schlüsselfunktion im Rahmen der Anlegerinformationen: Die Finanzinformationen sollen den Anleger über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten informieren. Der Finanzteil findet sich regelmäßig am Ende eines Prospektes unmittelbar vor den Angaben über den jüngsten Geschäftsgang und die Geschäftsaussichten und der sich ganz am Ende eines Prospektes befindlichen Unterschriftenseite, wobei die Paginierung häufig durch den Buchstaben „F“ vor der mit eins beginnenden Seitenzahl gekennzeichnet ist2, so dass dieser reine Finanzteil auch als „F-Pages“ bezeichnet wird. In der Verwaltungspraxis wird von der BaFin verlangt, dass dem Finanzteil eine kurze Inhaltsübersicht mit den einzelnen Bestandteilen der in dem Prospekt enthaltenen Finanzinformationen vorangestellt wird.

1 So auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 20. 2 Von der BaFin wird grundsätzlich eine fortlaufende Paginierung verlangt. Werden im Einzelfall die Abschlüsse mit der in dem Finanzbericht eines Emittenten enthaltenen Paginierung in den Prospekt aufgenommen, so ist zur Sicherstellung einer fortlaufenden Paginierung eine doppelte Paginierung erforderlich.

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168 Es kommt nicht selten vor, dass bei Aktienemissionen die vorhandenen historischen Finanzinformationen eines Emittenten die Anforderungen der ProspektVO an die nach dieser aufzunehmenden Finanzinformationen nicht erfüllen, so dass die Frage, welche Finanzinformationen im konkreten Einzelfall aufzunehmen und ggf. für Prospektzwecke noch zu erstellen sind, frühzeitig unter Einbeziehung des Wirtschaftsprüfers des Emittenten (in der Regel wird es sich dabei um den Abschlussprüfer handeln) mit der BaFin abgestimmt werden sollte. Handelt es sich um einen Emittenten, der bislang seine Abschlüsse nach nationalen Rechnungslegungsvorschriften (zB HGB) aufgestellt hat und erst infolge der geplanten Wertpapieremission im Rahmen eines Börsengangs zu einem kapitalmarktorientierten Unternehmen (vgl. Rz. 177) wird, das seine Konzernabschlüsse nach internationalen Rechnungslegungsstandards (also IAS/IFRS) aufzustellen hat, so hat der Emittent im Fall der Begebung von Aktien Abschlüsse für die letzten beiden Geschäftsjahre nach denselben Rechnungslegungsstandards zu erstellen, die er für seinen nächsten Abschluss (also den Abschluss für das Jahr, in dem die Emission stattfindet) anzuwenden hat. Bei einer Umstellung der Rechnungslegung von HGB auf IFRS handelt es sich um einen komplexen Prozess, der in der Regel mindestens sechs Monate in Anspruch nehmen und umfangreiche System- und Organisationsanpassungen erforderlich machen wird. Im Rahmen eines Börsengangs wird zB oftmals auch die Struktur eines Unternehmens bzw. einer Unternehmensgruppe verändert, so dass diese in den vorliegenden Finanzinformationen noch nicht abgebildet sind und es an einer Vergleichbarkeit der historischen Finanzinformationen mangelt. An einer Vergleichbarkeit kann es auch fehlen, wenn einer sonstigen Kapitalmaßnahme (zB einer Kapitalerhöhung) eine Umstrukturierung oder ein Unternehmenserwerb vorausgegangen ist. Dies wirft dann – je nach konkretem Fall – die Frage auf, ob Pro-forma-Finanzinformationen (vgl. hierzu Rz. 215 ff. und die Kommentierung zu Anhang II EU-ProspektVO) aufzunehmen sind, ob nicht – wie im Falle einer neu gegründeten Holdingstruktur, in welche bereits bestehende operative Gesellschaften eingebracht wurden – die Finanzinformationen des Emittenten selbst wenig aussagekräftig sind und daher auch Finanzinformationen anderer Gesellschaften in den Prospekt aufzunehmen sind und damit eine so genannte komplexe finanztechnische Vorgeschichte (complex financial history) vorliegt (siehe hierzu Rz. 261 ff.), oder ob nicht im Falle einer konzerninternen Umstrukturierung mit derselben Beherrschung der Unternehmensbereiche kombinierte Abschlüsse (combined financial statements) zu erstellen und aufzunehmen sind (vgl. hierzu Rz. 272). Darüber hinaus kann es aber auch aus Gründen der Rechnungslegung erforderlich sein, dass geänderte Abschlüsse erstellt und in den Prospekt aufgenommen werden. Infolge des mit einer nachträglichen Erstellung und Prüfung von Abschlüssen verbundenen Zeitaufwands ist die Klärung der Frage, wie sich die Situation eines Emittenten im Hinblick auf die historischen Finanzinformationen darstellt und welche Finanzinformationen in einen Prospekt aufzunehmen sind, eine der vorrangigen Fragen, die es im Rahmen einer Wertpapieremission und einer Prospekterstellung zu klären gilt. In der Regel stellt sich dabei jede Situation etwas anders dar.

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2. Historische Finanzinformationen (Ziffer 20.1) (Kunold) a) Pflicht zur Aufnahme geprüfter historischer Finanzinformationen (Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 1) Gemäß Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 1 des Anhangs I ProspektVO müssen bei einer Aktienemission – wie auch bereits vor Inkrafttreten der Prospektverordnung1 – grundsätzlich die geprüften historischen Finanzinformationen für die vergangenen drei Geschäftsjahre eines Emittenten in den Prospekt aufgenommen werden. Nach dem in Satz 1 enthaltenen Klammerzusatz gilt dies jedoch dann nicht, wenn der Emittent erst für einen kürzeren Zeitraum als die gefordertern drei Geschäftsjahre tätig ist. Dann ist es ausreichend, für diesen Zeitraum geprüfte historische Finanzinformationen aufzunehmen. Ein Mindestzeitraum, seit dem der Emittent bestehen muss, ist dabei nicht vorgegeben. Ist jedoch ein Emittent im Zeitpunkt der Emission erst weniger als ein Jahr tätig, so findet Ziffer 20.1 Abs. 3 des Anhangs I ProspektVO Anwendung. Ist ein Emittent weniger als drei Jahre tätig, so ist des Weiteren zu prüfen, ob es sich um ein Start-up-Unternehmen handelt, da in diesem Fall die Anforderungen des Anhangs XIX ProspektVO2 und die diesbezüglichen CESR-Level-3-Empfehlungen3 zu beachten sind (vgl. die Kommentierung zu Anhang XIX EU-ProspektVO Rz. 18 ff.).

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Gemäß Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 1 Anhang I ProspektVO sind die historischen Finanzinformationen des Emittenten in den Prospekt aufzunehmen. Der Begriff des Emittenten ist in § 2 Nr. 9 WpPG als eine Person oder Gesellschaft, die Wertpapiere begibt oder zu begeben beabsichtigt, definiert. In einen Prospekt sind also grundsätzlich nur die historischen Finanzinformationen des Emittenten in seiner während der vergangenen drei Geschäftsjahre bestehenden Rechtsform aufzunehmen. Dabei muss der Emittent nicht notwendigerweise über den gesamten Zeitraum in derselben Rechtsform bestanden haben4. In den Fällen einer sog. komplexen finanztechnischen Vorgeschichte (complex financial history), oder wenn bedeutende finanzielle Verpflichtungen eingegangen wurden, müssen jedoch auch Finanzinformationen einer anderen Gesellschaft (bzw. zu deren den aktuellen Geschäftsbetrieb des Emittenten betreffenden Unternehmensteilen) in den Prospekt aufgenommen werden5 (siehe hierzu Rz. 261 ff.).

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Anhang I Ziffer 20.1 ProspektVO enthält keine Vorgaben dazu, in welcher 171 Form die historischen Finanzinformationen im Prospekt darzustellen sind. Anders als in § 21 Abs. 1 Nr. 1 BörsZulV aF, wonach „Bilanzen und Gewinnund Verlustrechnungen des Emittenten einschließlich der Angaben, die statt in der Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung im Anhang gemacht 1 2 3 4

Vgl. § 21 Abs. 1 BörsZulV aF. Zu den Voraussetzungen siehe die Kommentierung zu Anhang XIX ProspektVO. CESR/05-054b, Rz. 135 ff. Vgl. auch zu § 3 BörsZulV Gebhardt in Schäfer/Hamann, § 3 BörsZulV Rz. 3; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 1–12 BörsZulV Rz. 4. 5 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 37 f.

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werden, für die letzten drei Geschäftsjahre in der Form einer vergleichenden Darstellung“ aufzunehmen waren1, enthält Anhang I Ziffer 20.1 ProspektVO keine ausdrückliche Regelung zur Gestaltung der „F-Pages“. Eine vergleichende Darstellung in Tabellenform ist daher nach der ProspektVO nicht mehr vorgeschrieben. Jedenfalls in den Fällen der Umstellung der Rechnungslegung (zB von HGB-Rechnungslegung auf IFRS) erscheint eine solche vergleichende Darstellung mangels unmittelbarer Vergleichbarkeit der Zahlen auch nicht sinnvoll. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die ebenfalls im Prospekt abzudruckenden Bestätigungsvermerke auf den jeweiligen Abschluss in seiner ursprünglichen Form und Präsentation beziehen und im Fall einer vergleichenden Darstellung in Tabellenform die Präsentation im Prospekt nicht dem entspricht, worauf der Bestätigungsvermerk erteilt wurde. Da die ProspektVO keine von der ursprünglichen Darstellung abweichende Gestaltung der „F-Pages“ vorsieht und Erwägungsgrund 28 ProspektVO von einer Darstellung nach Maßgabe der anwendbaren Rechnungslegungsvorschriften ausgeht, spricht viel für die auch in der Praxis seit Umsetzung der Prospektrichtlinie übliche Handhabung, die Abschlüsse selbst abzudrucken und diese nicht in einer Dreijahresübersicht in Tabellenform zu präsentieren. Der Inhalt der historischen Finanzinformationen ergibt sich aus dem anwendbaren Rechnungslegungsstandard (siehe Rz. 176 ff.), wobei Anhang I Ziffer 20.1 Abs. 4 ProspektVO Mindestanforderungen für nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellte historische Finanzinformationen vorsieht (siehe Rz. 207 ff.). 172 Die in den Prospekt aufzunehmenden historischen Finanzinformationen müssen von einem Wirtschaftsprüfer geprüft sein. Eine Prüfung erfolgt regelmäßig nach den jeweiligen Prüfungsstandards der Wirtschaftsprüfer (vgl. hierzu die Kommentierung zu Ziffer 20.1 Abs. 5 Anhang I EU-ProspektVO Rz. 212 ff.). Im Regelfall wird es sich um die gesetzliche Pflichtprüfung des jeweiligen Jahresabschlusses durch den Abschlussprüfer nach § 316 HGB handeln. Wurden die geprüften historischen Finanzinformationen nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellt und enthalten diese nicht alle nach Ziffer 20.1 Abs. 4 ProspektVO erforderlichen Bestandteile (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Eigenkapitalveränderungsrechnung, Kapitalflussrechnung, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie erläuternde Anhangangaben), müssen die fehlenden Bestandteile für Zwecke des Prospekts erstellt und geprüft werden. Gleiches gilt zudem, wenn freiwillig für Prospektzwecke erstellte Abschlüsse in einen Prospekt aufgenommen werden sollen. Eine Aufnahme freiwillig ersteller Abschlüsse, die nicht geprüft sind, ist daher nicht möglich. „Prüfung“ meint dabei vom Prüfungsumfang her eine Vollprüfung (Audit) durch einen Wirtschaftsprüfer und nicht nur Untersuchungshandlungen für eine Plausibilitätsbeurteilung im Rahmen einer prüferischen Durchsicht (Review), die im Vergleich zu einer (Abschluss)Prüfung nur einen eingeschränkten Prüfungsumfang aufweist, oder

1 Siehe zB den Finanzteil des Verkaufsprospekts/Börsenzulassungsprospekts der Deutsche Postbank AG v. 18.6.2004.

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gar nur vereinbarte Untersuchungshandlungen zu einzelnen Sachverhalten (sog. Agreed Upon Procedures)1. Das Erfordernis der Prüfung der historischen Finanzinformationen wird da- 173 durch dokumentiert, dass – ebenso wie nach der alten Regelung in § 30 Abs. 1 Satz 2 BörsZulV aF – für jedes der drei Geschäftsjahre, für welches historische Finanzinformationen aufzunehmen sind, die Bestätigungsvermerke des Abschlussprüfers für die Abschlüsse iS von § 322 HGB in den Prospekt aufzunehmen sind2. Nicht erforderlich ist, dass der den Bestätigungsvermerk enthaltende gesamte Prüfungsbericht iS von § 321 HGB aufgenommen wird. Der Bestätigungsvermerk einer Kapitalgesellschaft ist gemäß § 325 HGB offen zu legen3 und gerade dazu bestimmt, die Öffentlichkeit über die Gesetz- und Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung einer Gesellschaft zu informieren4. Der Prüfungsbericht ist im Gegensatz zum Bestätigungsvermerk nicht offen zu legen. Mit dem Bestätigungsvermerk fasst der Abschlussprüfer das Ergebnis seiner Prüfung in einem Gesamturteil zusammen und trifft eine Aussage darüber, ob die Rechnungslegung geeignet war, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln. Dagegen enthält er keine eigene Beurteilung über die wirtschaftliche Lage und Geschäftsführung der Gesellschaft. Nach der Verwaltungspraxis der BaFin kann einem Bestätigungsvermerk iS von Ziffer 20.1 Abs. 1 Anhang I ProspektVO eine Bescheinigung über eine Prüfung der historischen Finanzinformationen gleichgestellt werden5. Vor1 Zu dem abgestuften Prüfungsumfang eines Wirtschaftsprüfers und den damit einhergehenden abgestuften inhaltlichen Aussagen vgl. Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 31 ff., 34 ff. 2 In der zunächst veröffentlichten deutschen Sprachfassung der ProspektVO (ABl. EU Nr. L 149 v. 30.4.2004, S. 1 [37]) war der englische Begriff „audit report“ unzutreffenderweise mit „Prüfungsbericht“ statt mit „Bestätigungsvermerk“ übersetzt worden, dies wurde dann in der Berichtigung der deutschen Übersetzung der ProspektVO (ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3 [25]) entsprechend korrigiert. 3 Gesellschafter und Gläubiger einer Gesellschaft haben nur dann unter den Voraussetzungen des § 321a HGB ein Einsichtsrecht in den Prüfungsbericht, wenn über das Vermögen der Gesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. 4 Vgl. hierzu IDW PS 400, Tz. 8, WPg 2005, 1382 (1384); Adler/Düring/Schmaltz, § 322 HGB Rz. 16 ff.; Förschle/Küster in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 322 HGB Rz. 6 ff.; Zimmer in Staub, Großkomm. HGB, 4. Aufl. 2002, § 322 HGB Rz. 1; Nonnenmacher in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 58 Rz. 95. 5 Unzutreffend oder jedenfalls sehr missverständlich Fingerhut/Voß in Just/Voß/ Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO, Rz. 302, nach denen eine Bescheinigung über die prüferische Durchsicht der historischen Finanzinformationen statt eines Bestätigungsvermerks von der BaFin für ausreichend erachtet werde, sofern diese inhaltlich einem Bestätigungsvermerk entspreche. Ziffer 20.1 Abs. 1 ProspektVO erfordert eine Prüfung und gerade nicht nur eine prüferische Durchsicht der Finanzinformationen, die gerade keine positive Gesamtaussage, sondern lediglich eine negativ formulierte Aussage (negative assurance) ermöglicht.

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aussetzung ist jedoch, dass diese inhaltlich einem Bestätigungsvermerk entspricht. Nach § 322 Abs. 1 Satz 2 HGB hat ein Bestätigungsvermerk Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung unter Angabe der dabei verwandten Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze zu nennen sowie anzugeben, dass der Abschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (true and fair view) vermittelt. b) Änderung des Bilanzstichtags (Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 2) 175 Satz 2, der durch Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 211/2007/EG v. 27.2.20071 in Ziffer 20.1 Abs. 1 Anhang 1 ProspektVO eingefügt worden ist, regelt den Fall, dass ein Emittent seinen Abschlussstichtag in dem Zeitraum, für den historische Finanzinformationen in den Prospekt aufzunehmen sind, geändert hat. Eine solche Regelung war erforderlich, weil ohne Einfügung des Satzes 2 im Fall von Rumpfgeschäftsjahren die Situation auftreten konnte, dass die aufzunehmendenden historischen Finanzinformationen nicht – wie bei vollen drei Geschäftsjahren – einen Zeiraum von 36 Monaten abdecken. Denn vor dem Hintergrund, dass Anhang I Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 1 ProspektVO auf „Geschäftsjahre“ und nicht auf „Kalenderjahre“ abstellt, gilt auch ein Rumpfgeschäftsjahr als Geschäftsjahr iS dieser Regelung. Eine Verpflichtung zur Aufnahme von historischen Finanzinformationen für weitere Geschäftsjahre konnte sich allenfalls aus § 5 Abs. 1 WpPG ergeben. Die EUKommission hatte daraufhin in ihrem formellen Mandat an CESR zunächst als vierten Fall für einen Emittenten mit einer komplexen finanztechnischen Vorgeschichte (complex financial history) den Fall aufgenommen, dass ein Emittent seinen Abschlussstichtag während des dreijährigen Berichtszeitraums geändert hat2. Im Ergebnis hat die EU-Kommission dies jedoch zu Recht nicht als einen Fall einer komplexen finanztechnischen Vorgeschichte angesehen, sondern die Änderung durch Einfügung eines neuen Satzes 2 in Ziffer 20.1 Abs. 1 des Anhangs I ProspektVO vorgenommen3. Nach dieser seit 1.3.2007 geltenden Regelung sind Emittenten, die ihren Abschlussstichtag einmal oder mehrmals geändert haben, verpflichtet, his-

1 Verordnung (EG) Nr. 211/2007 der Kommission v. 27.2.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Finanzinformationen, die bei Emittenten mit komplexer finanztechnischer Vorgeschichte oder bedeutenden Verpflichtungen im Prospekt enthalten sein müssen, ABl. EU Nr. L 61 v. 28.2.2007, S. 24. 2 EU-Kommission, Formal Mandate to CESR for technical advice on a possible amendment to Regulation (EC) 809/2004 regarding the historical financial information which must be included in a prospectus, 2.6.2005, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/securities/prospectus/index_de.htm. 3 EU-Kommission, Dienststellen der Generaldirektion Binnenmarkt, Working Document ESC/17/2006 als Erläuterung des Working Document ESC 16/2006 v. 22.6.2006, S. 9 mit dem Hinweis, dass die schlichte Änderung des Abschlussstichtags nicht erfordert, dass Finanzinformationen einer weiteren Gesellschaft, die nicht Emittent ist, ergänzend aufzunehmen sind.

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torische Finanzinformationen für einen Zeitraum von mindestens 36 Monaten1 – unabhängig von der Anzahl der Geschäftsjahre bzw. Abschlüsse2 – in den Prospekt aufzunehmen3. Ist ein Emittent seiner Geschäftstätigkeit noch keine 36 Monate nachgegangen, dann sind für diesen kürzeren Zeitraum historische Finanzinformationen aufzunehmen. Diese historischen Finanzinformationen müssen nach Satz 1 geprüft sein, und es muss jeweils ein Bestätigungsvermerk aufgenommen werden. c) Anwendbare Rechnungslegungsstandards Hinsichtlich der anwendbaren Rechnungslegungsstandards enthält An- 176 hang I Ziffer 20.1 Abs. 1 in Satz 3 eine für alle Emittenten aus EWR-Staaten geltende Grundregel sowie in den Sätzen 4 und 5 eine spezielle Regelung für Drittstaatenemittenten (vgl. Erwägungsgrund 28 der ProspektVO). aa) Emittenten aus EWR-Staaten (Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 3) Nach Anhang I Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 3 ProspektVO sind die aufzunehmen- 177 den historischen Finanzinformationen grundsätzlich nach der Verordnung (EG) 1606/2002 (IAS-VO)4 oder, wenn diese (noch5) nicht anwendbar ist, 1 In dem Konsultationsdokument hatte CESR im Falle eines Wechsels des Abschlussstichtags auf die Beibringung von historischen Finanzinformationen für mindestens drei Kalenderjahre abgestellt. Aufgrund von Stellungnahmen seitens der Wirtschaftsprüfer, dass ein Abstellen auf drei Kalenderjahre zu praktischen Problemen und evtl. „Aufmachen“ bereits vor längerer Zeit geprüfter Abschlüsse führen kann, hat CESR in dem Final Advice die drei Kalenderjahre in 36 Monate abgeändert (vgl. CESR Feedback Statement of October 2005 to CESR prospectus consultation, a possible amendment to Regulation (EC) 809/2004 regarding the historical financial information which must be included in a prospectus, CESR/05-583, S. 8). 2 So auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 309; d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 95. 3 Als Beispiel kann der Prospekt für die Kapitalerhöhung der Deutsche Wohnen AG v. 22.9.2009 genannt werden. Im Zuge der Beendigung eines Beherrschungsvertrags wurde von der Hauptversammlung zunächst beschlossen, mit Wirkung v. 30.6.2006 das Geschäftsjahr jeweils am 1.7. eines Jahres beginnen und am 30.6. des darauf folgenden Jahres enden zu lassen. Einige Monate später wurde von der Hauptversammlung beschlossen, dass das Geschäftsjahr der Gesellschaft ab dem 1.1.2007 jedoch wieder dem Kalenderjahr entspricht. Daher wurde nicht nur für das erste Halbjahr 2006, sondern auch für das zweite Halbjahr 2006 ein Rumpfgeschäftsjahr gebildet, für die jeweils auf der Grundlage von IFRS ein Abschluss erstellt wurde. In den Prospekt sind daher folgende vier Konzernabschlüsse sowie die dazugehörigen vier Bestätigungsvermerke des Abschlussprüfers aufgenommen: Rumpfgeschäftsjahr I/2006, Rumpfgeschäftsjahr II/2006, Geschäftsjahr 2007 und Geschäftsjahr 2008. 4 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EG Nr. L 243 v. 11.9.2002, S. 1. 5 Aufgrund der nach IFRS bestehenden Pflicht zur Aufnahme der Vergleichszahlen des Vorjahres hätte die Einführung der Pflicht zur Aufstellung von IFRS-Jahresabschlüssen zum 1.1.2005 dazu geführt, dass bereits nach HGB oder nach US-

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nach den Vorschriften der jeweiligen nationalen Rechnungslegungsstandards (nationale Generally Accepted Accounting Principles – GAAP) eines EU-Mitgliedstaats, in Deutschland also nach HGB, zu erstellen. Art. 4 der IAS-VO sieht vor, dass alle kapitalmarktorientierten Unternehmen, die dem Recht eines EU-Mitgliedstaats unterliegen, ihre Konzernabschlüsse für alle Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2005 beginnen, nach den internationalen Rechnungslegungsstandards zu erstellen haben. Kapitalmarktorientiert nach Art. 4 IAS-VO sind alle Unternehmen, die Wertpapiere begeben haben, die zum jeweiligen Bilanzstichtag in einem EU-Mitgliedstaat zum Handel an einem geregelten Markt iS von Art. 4 IAS-VO, Art. 4 Abs. 1 Nr. 14, Art. 69 MiFID1 zugelassen sind. In Deutschland wird hiervon die Zulassung zum regulierten Markt (zu dem inhaltlich mit dem geregelten Markt identischen, in § 2 Nr. 16 WpPG definierten Begriff des organisierten Marktes siehe § 2 WpPG Rz. 89 ff.)2 erfasst, nicht jedoch die Einbeziehung in den Freiverkehr. Deutsche, nach HGB bilanzierende Unternehmen, die zur Erstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, müssen zudem auch dann nach IFRS bilanzieren, wenn zum Bilanzstichtag bereits ein Zulassungsantrag gestellt wurde (vgl. § 315a Abs. 2 HGB). GAAP erstellte Jahresabschlüsse nachträglich noch einmal nach IFRS hätten erstellt werden müssen. Aus diesem Grund hatte Art. 57 EGHGB für Emittenten, die nur Schuldtitel zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen haben, und für Emittenten, die bereits nach anderen international anerkannten Rechnungslegungsstandards bilanzieren, Übergangsregelungen vorgesehen. Auch die von den Übergangsregelungen profitierenden Emittenten müssen aber für nach dem 31.12.2006 beginnende Geschäftsjahre die in der EU übernommenen IFRS anwenden, so dass die Übergangsregelungen allenfalls noch in dem besonders gelagerten Ausnahmefall von aktueller Bedeutung sind, dass das Geschäftsjahr nicht dem Kalenderjahr entspricht und ein solches nach dem 31.12.2006 beginnendes Geschäftsjahr in der zweiten Hälfte von 2007 begonnen hat. 1 Art. 4 der IAS-VO verweist auf Art. 1 Abs. 13 der Richtlinie 93/22/EWG über Wertpapierdienstleistungen. Die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie wurde jedoch durch Art. 69 der Richtlinie 2004/39/EG (MiFID) in der durch die Richtlinie 2006/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.4.2006 zur Änderung der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente in Bezug auf bestimmte Fristen (ABl. EU Nr. L 114 v. 27.4.2006, S. 60) geänderten Fassung mit Wirkung zum 1.11.2007 aufgehoben mit dem Inhalt, dass Bezugnahmen auf Begriffsbestimmungen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie als Bezugnahmen auf solche der MiFID gelten. 2 In Deutschland gibt es seit der Umsetzung der MiFID durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG, BGBl. I 2007, 1330) nach dem Börsengesetz noch zwei Marktsegmente: den regulierten Markt und den Freiverkehr. Die EUKommission veröffentlicht in regelmäßigen Abständen eine mit Anmerkungen versehene Übersicht über die geregelten Märkte und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der entsprechenden Anforderungen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie der MiFID (Richtlinie 2004/39/EG) in den EU-Mitgliedstaaten, letzte Fassung vom Juli 2009, ABl. EU Nr. C 158 v. 11.7.2009, S. 3, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/index_de.htm und dort unter „Der Binnenmarkt für Kapital . Wertpapiere . Wertpapierdienstleistungen und geregelte Märkte (MiFID) . Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen/MiFID“.

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Hiervon zu unterscheiden ist die in Anhang I Ziffer 20.1 Abs. 2 ProspektVO 178 enthaltene prospektrechtliche Vorgabe, wonach die historischen Finanzinformationen konsistent mit dem nächsten gleichartigen Jahresabschluss sein müssen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass konzernabschlusspflichtige Emittenten, die eine Zulassung zum Handel am regulierten Markt anstreben und daher im nächsten Jahr gemäß Art. 4 IAS-VO nach IFRS bilanzieren müssen, bereits für die letzten beiden Geschäftsjahre geprüfte historische Finanzinformationen nach IFRS in den Prospekt aufnehmen müssen (Rz. 186 ff.). Internationale Rechnungslegungsstandards sind nach der IAS-VO dabei diejenigen International Accounting Standards (IAS) bzw. International Financial Reporting Standards (IFRS)1 des International Accounting Standards Board (IASB) sowie die diese näher konkretisiernden Interpretationen des Standing Interpretation Committee (SIC) und des International Financial Reporting Interpretation Committee (IFRIC)2, die in EU-Recht übernommen worden sind bzw. übernommen werden (sog. Endorsementverfahren nach Art. 3 Abs. 1 iVm. Art. 6 Abs. 2 IAS-VO3).

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Die Aufnahme historischer Finanzinformationen, die ausschließlich nach HGB oder anderen nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellt wurden, beschränkt sich damit auf Fälle, in denen der Emittent entweder nicht kapitalmarktorientiert oder nicht konzernabschlusspflichtig ist. Allerdings muss auch ein konzernabschlusspflichtiger Emittent, der bislang nicht ka-

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1 Bis März 2002 wurden die Regelwerke als IAS bezeichnet und vom International Accounting Standards Committee (IASC) veröffentlicht, ab diesem Zeitpunkt werden neue Standards als IFRS vom IASB verabschiedet und veröffentlicht. 2 Das Standard Interpretations Committee wurde im Jahr 2002 durch das International Financial Reporting Interpretation Committee (IFRIC) des IASB ersetzt. 3 Zum Anerkennungsmechanismus zur Übernahme von IAS/IFRS und Interpretationen in EU-Recht in Form von Verordnungen vgl. Nonnenmacher in MarschBarner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 56 Rz. 29 ff.; Scheffler, Der europäische Enforcement-Prozess – Europäischer Einfluss auf die Fortentwicklung der International Financial Reporting Standards, in Lange/Löw (Hrsg.), Rechnungslegung, Steuerung und Aufsicht von Banken, FS für Jürgen Krumnow, 2004, S. 55 (57 ff.). Mit der Anerkennung von IAS/IFRS durch die EU-Kommission werden diese zum sekundären Gemeinschaftsrecht und sind nicht länger ausschließlich von einem privaten Standardsetter verabschiedete Rechnungslegungsstandards (vgl. Küting/Ranker, BB 2004, 2510 f.; Heiden, Pro-forma-Berichterstattung, S. 101 f.). Der aktuelle Stand der in der EU verbindlichen IAS/IFRS ist unter http://ec.europa.eu/internal_market/index_de.htm und dort unter „Unternehmensumfeld . Rechnungslegung . IAS/IFRS – Standards und Auslegungen . Standards“ abrufbar; die einzelnen Verordnungen zur Übernahme der IAS/IFRS in EU-Recht können abgerufen werden unter: http://ec.europa.eu/internal_market/index_de.htm und dort unter „Unternehmensumfeld . Rechnungslegung . Rechtsrahmen . Verordnungen zur Übernahme von IAS“ Zur Berücksichtigung von vom IASB veröffentlichten, aber noch nicht in EURecht übernommen Standards vgl. d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 98.

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pitalmarktorientiert ist, aufgrund der Konsistenzregel des Ziffer 20.1 Abs. 2 Anhang I ProspektVO (vgl. Rz. 186 ff.) für die letzten beiden Geschäftsjahre einen nach IFRS erstellten geprüften Jahresabschluss in den Prospekt aufnehmen, wenn er eine Zulassung zum Handel am regulierten Markt anstrebt. Gleiches gilt, wenn ein konzernabschlusspflichtiges Unternehmen in Ausübung seines Wahlrechts gemäß § 315a Abs. 3 HGB freiwillig nach IFRS bilanziert, was im Hinblick auf eine geplante Kapitalmarkttransaktion sinnvoll sein kann1. Soweit ein Emittent einen nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellten Jahresabschluss aufnehmen muss, muss dieser nach Ziffer 20.1 Abs. 4 Anhang I ProspektVO bestimmte Mindestanforderungen erfüllen (siehe Rz. 207 ff.). bb) Drittstaatenemittenten (Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 4 und 5) 181 Emittenten aus Drittstaaten müssen grundsätzlich ebenfalls nach den gemäß Art. 3 IAS-VO übernommenen internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellte historische Finanzinformationen in den Prospekt aufnehmen (Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 3 Anhang I ProspektVO). Bilanziert ein Drittstaatenemittent nicht nach den gemäß Art. 3 IAS-VO übernommenen internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen, können auch solche historischen Finanzinformationen in den Prospekt aufgenommen werden, die aufgrund gleichwertiger Rechnungslegungsgrundsätze erstellt wurden. Liegt auch keine Gleichwertigkeit vor, dann sind die historischen Finanzinformationen gemäß Anhang I Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 5 ProspektVO in Form eines neu zu erstellenden Jahresabschlusses in den Prospekt aufzunehmen. 182 Soweit Drittstaatenemittenten nach IFRS bilanzieren, muss es sich nach der in Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 4 Anhang I ProspektVO und Art. 35 Abs. 5 lit. a ProspektVO enthaltenen Grundregel an sich um die gemäß Art. 3 IASVO übernommenen internationalen Rechnungslegungsgrundsätze handeln. Aufgrund der Regelung des Art. 35 Abs. 5 lit. b ProspektVO in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1289/2008 v. 12.12.20082, der eine entsprechende, für vor dem 1.1.2009 beginnende Geschäftsjahre geltende Übergangsvorschrift3 vorausging, wird eine Bilanzierung nach IFRS den nach der IAS-VO übernommenen IFRS grundsätzlich gleichgestellt. Voraussetzung für die Anerkennung als gleichwertiger Standard ist jedoch, dass der Anhang zum geprüften Abschluss eine ausdrückliche und uneingeschränkte Erklärung 1 Vgl. d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 100. 2 Verordnung (EG) Nr. 1289/2008 der Kommission v. 12.12.2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf bestimmte Angaben für den Prospekt und auf Werbung, ABl. EU Nr. L 340 v. 19.12.2008, S. 17. 3 Art. 35 Abs. 5a lit. a ProspektVO in der durch die Verordnung (EG) 1787/2006 der Kommission v. 4.12.2006, ABl. EU Nr. L 337 v. 5.12.2006, S. 17 geänderten Fassung, der für Prospekte, die vor dem 1.1.2009 eingereicht werden, die von Drittstaatenemittenten angewendeten IFRS den in die EU übernommenen IFRS gleichstellte. Vgl. auch Arnold/Lehmann, 4. Workshop der BaFin „Praxiserfahrungen mit dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG)“, Präsentation „‚Complex Financial History‘ und weitere Neuerungen bei den Finanzinformationen“ v. 4.9.2007, 27 ff.

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enthält, wonach der Abschluss den nach Maßgabe von IAS 1 dargestellten IFRS entspricht. Soweit eine solche IFRS-Bilanzierung nicht erfolgt, können Drittstaa- 183 tenemittenten die historischen Finanzinformationen auch nach gleichwertigen nationalen Rechnungslegungsstandards erstellen. Neben den nach Maßgabe von IAS 1 dargestellten IFRS sind aufgrund von Art. 35 Abs. 5 lit. c und d ProspektVO in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1289/2008 v. 12.12.20081 auch die US-Rechnungslegungsstandards (US-GAAP)2 und die Rechnungslegungsstandards von Japan (Japanese-GAAP) den nach der IASVO übernommenen IFRS gleichgestellt. Darüber hinaus müssen gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 35 Abs. 5a ProspektVO auch Abschlüsse, die nach den nationalen Rechnungslegungsstandards von China, Kanada, Südkorea und Indien erstellt wurden, nicht gemäß Anhang I Ziffer 20.1 ProspektVO neu erstellt werden, soweit es sich um Abschlüsse für vor dem 1.1.2012 beginnende Geschäftsjahre handelt. Gleiches gilt für Anhang IV Ziffer 13.1, Anhang VII Ziffer 8.2, Anhang X Ziffer 20.1 und Anhang XI Ziffer 11.1 sowie für die Darstellung der Unterschiede gemäß Anhang VII Ziffer 8.2a, Anhang IX Ziffer 11.1 und Anhang X Ziffer 20.1a ProspektVO.

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In allen übrigen Fällen ist der Abschluss gemäß Ziffer 20.1 Abs. 1 Satz 5 ProspektVO neu zu erstellen. Die Gleichwertigkeit weiterer nationaler Rechnungslegungsstandards mit den nach der IAS-VO übernommenen IFRS kann jedoch überprüft und auf der Grundlage des in der Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 v. 21.12.20073 vorgesehenen Komitologieverfahrens festgelegt werden4.

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1 Verordnung (EG) Nr. 1289/2008 der Kommission v. 12.12.2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf bestimmte Angaben für den Prospekt und auf Werbung. Zuvor waren US-GAAP und Japanese GAAP aufgrund der Übergangsvorschrift in Art. 35 Abs. 5a lit. b ProspektVO in der durch die Verordnung (EG) 1787/2006 der Kommission v. 4.12.2006, ABl. EU Nr. L 337 v. 5.12.2006, S. 17 geänderten Fassung vorläufig als gleichwertig anerkannt worden. Vgl. auch Arnold/Lehmann, 4. Workshop der BaFin „Praxiserfahrungen mit dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG)“, Präsentation „‚Complex Financial History‘ und weitere Neuerungen bei den Finanzinformationen“ v. 4.9.2007, 27 ff. 2 Am 24.2.2010 hat die SEC bekannt gegeben (siehe die unter http://www.sec.gov abrufbare Pressemitteilung), dass US-amerikanische Unternehmen frühestens ab dem Jahr 2015 nach IFRS bilanzieren dürfen, anstatt – wie bislang geplant – bereits ab dem Jahr 2014. Eine endgültige Entscheidung über den Übergang auf IFRS und die damit verbundene praktische Umsetzung soll im Jahr 2011 getroffen werden. 3 Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 der Kommission v. 21.12.2007 über die Einrichtung eines Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit der von Drittstaatenemittenten angewandten Rechnungslegungsgrundsätze gemäß den Richtlinien 2003/71/EG und 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 340 v. 22.12.2007, S. 66. 4 Vgl. Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 321.

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d) Konsistenzregel (Ziffer 20.1 Abs. 2) 186 Nach Anhang I Ziffer 20.1 Abs. 2 ProspektVO müssen die geprüften Finanzinformationen der letzten beiden Geschäftsjahre nach denselben Rechnungslegungsgrundsätzen erstellt werden, die der Emittent für seinen nächsten Jahresabschluss (also den Jahresabschluss für das Jahr, in welchem die Emission stattfindet) anzuwenden hat. Erforderlich ist also, dass die historischen Finanzinformationen der letzten beiden Jahre hinsichtlich der Rechnungslegungsgrundsätze und den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden konsistent mit dem nächsten gleichartigen Jahresabschluss sein müssen. Zweck dieser Regelung ist es primär, eine Vergleichbarkeit mit der künftigen Regelberichterstattung zu ermöglichen1. Daneben soll nach CESR aber auch eine Vergleichbarkeit innerhalb der abzubildenen vergangenen Geschäftsjahre hergestellt werden2. Dabei hatte man vor allem diejenigen Emittenten im Blick, die bislang nicht kapitalmarktorientiert waren und erstmalig eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt anstreben3. Das Konsistenzgebot gilt nur für einen in den Prospekt aufzunehmenden Konzernabschluss oder in Fällen, in denen ausschließlich ein Einzelabschluss in den Prospekt aufgenommen wird. Eine Anpassung der anwendbaren Rechnungslegungsgrundsätze ist dagegen nicht in Bezug auf einen Einzelabschluss vorzunehmen, der gemäß Anhang I Ziffer 20.3 ProspektVO zusätzlich zu einem Konzernabschluss in den Prospekt aufzunehmen ist (Rz. 234 ff.). 187 Typischerweise werden nicht kapitalmarktorientierte Emittenten bislang nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen bilanziert haben, soweit sie nicht rechtzeitig freiwillig die IFRS-Rechnungslegungsstandards im Vorfeld auf den Börsengang angewendet haben. Dies bedeutet, dass der Emittent in Zukunft andere Rechnungslegungsgrundsätze anwenden wird als bisher. In diesem Fall kann gemäß Ziffer 20.1 Abs. 2 Anhang I ProspektVO der historisch älteste der drei aufzunehmenden Jahresabschlüsse nach den nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen aufgestellt sein, während die Jahresabschlüsse für die beiden letzten Geschäftsjahre wegen der zukünftigen Anwendung von IFRS nach IFRS erstellt werden müssen. 188 Maßgeblich für die Anwendung von IFRS sind nach CESR grundsätzlich die IFRS, die zum Bilanzstichtag der nächsten zu veröffentlichenden Abschlusses in EU-Recht übernommen (endorsed) sind4. Allerdings wird von CESR anerkannt, dass die zum nächsten Bilanzstichtag geltenden Standards möglicherweise nicht mit hinreichender Sicherheit bekannt sind und auch rückwirkende Änderungen möglich sind. Eine Neudarstellung auf Grundlage der zum Bilanzstichtag des nächsten zu veröffentlichenden Abschlusses wird daher oftmals nicht möglich sein. In diesen Fällen sind bereits nach den Vorgaben der IFRS im Anhang zum Konzernabschluss Angaben gemäß IAS 1 2 3 4

A. Meyer, Accounting 2006, 11. CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 53. CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 52. CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 65.

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8.30 zu machen1. Darüber hinaus sind nach CESR unabhängig von den Angaben gemäß IAS 8 prospektrechtlich zusätzliche Angaben in den Prospekt aufzunehmen, soweit entsprechende Informationen hinsichtlich zukünftiger möglicher Änderungen der Standards zur Verfügung stehen und diese Änderungen voraussichtlich wesentliche Auswirkungen auf die Ergebnisse und die Finanzlage des Emittenten haben2. Aus Gründen der Vergleichbarkeit hat CESR den sog. bridge approach ent- 189 wickelt, wonach das mittlere Geschäftsjahr als Brückenjahr zwischen den verschiedenen Rechnungslegungsstandards fungiert3. Das bedeutet, dass für das mittlere Geschäftsjahr zum einen nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellte Finanzinformationen aufzunehmen sind, wodurch die Vergleichbarkeit mit dem ältesten, im Prospekt abzubildenden Geschäftsjahr ermöglicht werden soll. Zum anderen sind für das mittlere Geschäftsjahr aber auch Finanzinformationen aufzunehmen, die nach den Rechnungslegungsstandards erstellt wurden, die für das jüngste Geschäftsjahr gelten, also typischerweise nach IFRS. Dabei kann ein sowohl nach IFRS als auch nach HGB abzubildendes „Brückenjahr“ in der Form dargestellt werden, dass die IFRS-Zahlen des Brückenjahres als Vergleichszahlen des Vorjahres in dem aufzunehmenden IFRS-Abschluss des jüngsten Geschäftsjahres enthalten sind4 und im Übrigen der für das mittlere Geschäftsjahr erstellte HGB-Abschluss aufgenommen wird. Der Emittent gilt als Erstanwender iS von IFRS 1 in Bezug auf das letzte Geschäftsjahr5. Es ist nicht erforderlich, dass über ihre Aufnahme als Vergleichszahlen im jüngsten Abschluss hinaus die Finanzinformationen separat auch für das mittlere Geschäftsjahr nach IFRS aufgestellt werden6. Auch wenn die IFRS-Zahlen des Brückenjahres nur als Vergleichszahlen in dem Abschluss für das letzte Geschäftsjahr enthalten sind, so ist doch der gesamte, für das jüngste Geschäftsjahr erstellte IFRS-Abschluss (einschließlich der Vergleichszahlen des Vorjahres) geprüft. Den Anforderungen der Ziffer 20.1 des Anhangs I ProspektVO, insbesondere dem Erfordernis der Prüfung7, ist also Genüge getan (vgl. auch IDW PS 3188). 1 Vgl. IDW RH HFA 2.002, Tz. 7 f., WPg Supplement 3/2008, 65. 2 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 67. 3 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 56 ff.; zum Brückenjahr siehe auch A. Meyer, Accounting 2006, 11 und in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 22; d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 114; Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 324. Vgl. auch die Regelung des IFRS 1.21 (in der Neufassung des im November 2008 verabschiedeten und am 29.11.2009 in EU-Recht übernommenen IFRS 1, ABl. EU Nr. L 311 v. 26.11.2009, S. 6). 4 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 64. 5 Vgl. Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 324; d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 119. 6 Ebenso Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 324. Vgl. auch CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 64. 7 Vgl. auch CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 56. 8 IDW Prüfungsstandard: Prüfung von Vergleichsangaben für Vorjahre (IDW PS 318) v. 8.3.2006, WPg 2001, 909.

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190 Der bridge approach versucht, einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Investoren an der Anwendung desselben Rechnungslegungsstandards auf möglichst alle relevanten Geschäftsjahre und dem Kostenaufwand für den Emittenten herzustellen. Der Emittent kann sich daher auch dafür entscheiden, im Hinblick auf Investoren-Erwartungen über den IFRS-Abschluss für das letzte Geschäftsjahr (und die darin enthaltenen Vergleichszahlen für das mittlere Geschäftsjahr) hinaus die verwendeten Rechnungslegungsstandards in größerem Umfang nachträglich anzupassen. Somit kann der Emittent auch für das mittlere Geschäftsjahr (Brückenjahr) einen vollständigen IFRSAbschluss aufnehmen, der wiederum Vergleichszahlen zum dritten Geschäftsjahr enthält. Da nach Auffassung von CESR historische Finanzinformationen für das letzte Geschäftsjahr und das Brückenjahr (ohne Vergleichszahlen zum dritten abzubildenden Geschäftsjahr) prospektrechtlich ausreichend sind, kann sich der Emittent aber auch dazu entschließen, einen eigenständigen IFRS-Abschluss für das Brückenjahr ohne Vergleichszahlen zum Vorjahr in den Prospekt aufzunehmen1. Da ein vollständiger IFRS-Abschluss nach IFRS 1.21-22 iVm. IAS 1.38-44 die Aufnahme von Vergleichszahlen des Vorjahres verlangt, kann der Wirtschaftsprüfer insoweit keinen Bestätigungsvermerk hinsichtlich eines vollständigen Abschlusses erteilen2. Nach dem Rechnungslegungshinweis IDW RH HFA 2.0023 wird daher empfohlen, die Abweichung von den Anforderungen der IFRS zum einen begrifflich deutlich zu machen, indem Finanzinformationen ohne Vergleichszahlen nicht als Abschluss, sondern als Finanzinformationen bezeichnet werden. Darüber hinaus soll vom Wirtschaftsprüfer ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass es sich nicht um einen vollständigen IFRSAbschluss handelt. 191 Ähnliches gilt, wenn der Prospekt wie im Fall von Schuldtiteln oder derivativen Wertpapieren historische Finanzinformationen lediglich für das letzte Geschäftjahr und nicht für die beiden letzten Geschäftsjahre enthalten muss. Auch in diesem Fall reicht es aus, wenn historische Finanzinformationen nach IFRS lediglich für das letzte Geschäftsjahr ohne Vergleichszahlen zum vorletzten Geschäftsjahr erstellt werden4. In einem solchen Fall stellen die Finanzinformationen allerdings keinen vollständigen Abschluss nach IFRS und damit auch noch keine Erstanwendung von IFRS in Bezug auf dieses Geschäftsjahr dar5. 192 Ob die Darstellung in Übersichts- bzw. Spaltenformform oder auf getrennten Seiten erfolgt, hängt insbesondere von der Vergleichbarkeit der Finanz-

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Ebenso d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 118 f. d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 119. IDW RH HFA 2.002, Tz. 13, WPg Supplement 3/2008, 66. CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 64; Fingerhut/Voß in Just/ Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 325. 5 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 64; Fingerhut/Voß in Just/ Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 325.

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informationen1 und der Bereitschaft der Wirtschaftsprüfer, hierauf einen Bestätigungsvermerk zu erteilen, ab (siehe Rz. 171). Bei Beibehaltung der Rechnungslegungsgrundsätze, zB aufgrund bereits bestehender Anwendung von IFRS, bedarf es keiner Neuerstellung der historischen Abschlüsse. Die Vergleichbarkeit des nächsten Abschlusses mit dem letzten Abschluss wird im Fall der Anwendung von IFRS durch die Vorgaben von IAS 8 gewährleistet2.

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In bestimmten Fällen kann die Beibehaltung der Rechnungslegungsstandards 194 im nächsten zu veröffentlichenden Abschluss dazu führen, dass bei bislang nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen trotz der beabsichtigten Börsenzulassung der nächste zu veröffentlichende Abschluss auf der Grundlage von nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellt wird. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Börsengang vor Veröffentlichung des Jahresabschlusses für das letzte Geschäftsjahr erfolgt. Da das Unternehmen mangels bisheriger Kapitalmarktorientierung nicht verpflichtet ist, nach IFRS zu bilanzieren, wird der letzte Jahresabschluss auf der Grundlage nationaler Rechnungslegungsgrundsätze erstellt. Dieser wird aber erst nach Prospekterstellung veröffentlicht, und Ziffer 20.1 Abs. 2 Anhang I ProspektVO verlangt eine Neuerstellung nur dann, wenn der nächste zu veröffentlichende Jahresabschluss nach anderen Rechnungslegungsgrundsätzen als in der Vergangenheit erstellt wird. Damit handelt es sich hier grundsätzlich um einen Fall der Beibehaltung der Rechnungslegungsgrundsätze. Da dieses jedoch nur noch einen kurzen Zeitraum des Börsenhandels betrifft und der dann folgende Jahresabschluss nach IFRS zu erstellen ist, ist zu erwägen, ergänzende Informationen auf der Grundlage von IFRS in den Prospekt aufzunehmen, um den Investoren eine Vergleichsbasis für die später nach Börsenzulassung zu veröffentlichenden Finanzinformationen zur Verfügung zu stellen3. Die Übergangsregelungen des Art. 35 Abs. 1 und 2 ProspektVO, die Ausnah- 195 men zum Konsistenzgebot der Ziffer 20.1 Absatz 2 Anhang I ProspektVO enthalten, sind für Prospekte, die ab dem Jahr 2010 eingereicht werden, nicht mehr von praktischer Bedeutung. Nach Art. 35 Abs. 1 ProspektVO war eine Aufnahme geprüfter historischer Finanzinformationen nach IFRS erst für Geschäftsjahre, die ab dem 1.1.2004 beginnen, bzw. bei Emittenten, die zum 1.7.2005 bereits Wertpapiere an einem organisierten Markt zum Handel zugelassen hatten, erstmals für das Geschäftsjahr 2005 erforderlich. Damit sollte die unmittelbar nach Implementierung der Prospektrichtlinie bestehende Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass allein aus prospektrechtlichen Gründen eine sonst noch nicht erforderliche IFRS-Anpassung 1 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 60; d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 115 f. 2 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 69 ff.; CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 15 (December 2007); vgl. auch IDW RH HFA 2.002, Tz. 5, WPg Supplement 3/2008, 65. 3 Vgl. auch CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 74.

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erfolgt. Mit derselben Zielrichtung wurden die Übergangsvorschriften des Art. 35 Abs. 2 ProspektVO geschaffen. Hier ging es darum, dass es bei Emittenten, die von den in Art. 9 IAS-VO, Art. 57 EGHGB enthaltenen Übergangsregelungen profitieren, nicht über das Prospektrecht doch zu einer Vorverlagerung der IFRS-Anpassung kommt. Daher sieht Art. 35 Abs. 2 Alt. 1 ProspektVO in diesen Fällen vor, dass eine Anpassung an IFRS erst für Berichtszeiträume, die ab dem 1.1.2006 beginnen, erforderlich ist. Emittenten, die zum 1.7.2005 Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen hatten, mussten gemäß Art. 35 Abs. 2 Alt. 2 ProspektVO erst nach Veröffentlichung ihres ersten Konzernabschlusses nach Maßgabe der IAS-VO (erstmalig für das nach dem 1.1.2007 beginnende Geschäftsjahr) auch prospektrechtlich Abschlüsse nach IFRS erstellen und in den Prospekt aufnehmen. Eine Anpassung nach Ziffer 20.1 Abs. 2 Anhang I ProspektVO hat jedoch maximal für zwei Geschäftsjahre zu erfolgen. Bei im Jahr 2010 eingereichten Prospekten (also für die Geschäftsjahre 2009 und 2008) gilt insoweit keine Übergangsregelung mehr. e) Emittenten mit einer Geschäftstätigkeit von weniger als einem Jahr (Ziffer 20.1 Abs. 3) 196 Ziffer 20.1 Abs. 3 Anhang I ProspektVO enthält eine Sonderregelung zu den in den Prospekt aufzunehmenden historischen Finanzinformationen in Fällen, in denen der Emittent seine aktuelle Geschäftstätigkeit erst seit kurzem aufgenommen hat. Neben diesen Vorgaben zu den historischen Finanzinformationen können bei Emittenten, bei denen es sich um Startup-Unternehmen iS von Anhang XIX handelt, noch weitere Besonderheiten zu beachten sein (siehe die Kommentierung zu Anhang XIX EU-ProspektVO Rz. 18 ff.). aa) Emittenten mit kurzer Geschäftstätigkeit in ihrer aktuellen Wirtschaftsbranche 197 Gemäß Ziffer 20.1 Abs. 3 Anhang I ProspektVO muss ein Emittent, der weniger als ein Jahr in seiner aktuellen Wirtschaftsbranche tätig ist, geprüfte historische Finanzinformationen für den Zeitraum seiner bisherigen Geschäftstätigkeit in den Prospekt aufnehmen. 198 Von dieser Regelung werden insbesondere Unternehmen mit kurzer Geschäftstätigkeit erfasst, dh. Unternehmen, die noch gar nicht oder erst seit kurzem eine Geschäftstätigkeit ausüben. Dazu gehören etwa auch erst kurz vor der Kapitalmarkttransaktion gegründete Gesellschaften, durch die die Geschäftstätigkeit des Unternehmens in einen neuen rechtlichen Mantel eingefügt wird1. Darüber hinaus stellt Ziffer 20.1 Abs. 3 Anhang I ProspektVO ausdrücklich darauf ab, dass der Emittent weniger als ein Jahr in seiner aktuellen Wirtschaftsbranche tätig ist. Nach ihrem Wortlaut werden von dieser Vorschrift damit alle Unternehmen erfasst, die zwar schon länger bestehen, jedoch vor kurzem ihre Geschäftstätigkeit geändert haben. Diese 1 d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 125.

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Regelung ist allerdings primär vor dem Hintergrund zu sehen, dass die historischen Finanzinformationen sich prinzipiell auf den rechtlichen Emittenten beziehen. Ohne die Regelung der Ziffer 20.1 Abs. 3 Anhang I ProspektVO würde dies dazu führen, dass etwa wenig aussagekräfte Finanzinformationen von seit längerem bestehenden reinen AG-Mantelgesellschaften in den Prospekt aufgenommen werden1. Zu beachten ist hierbei auch, dass CESR die Anforderungen nach Ziffer 20.1 Abs. 1 und 3 Anhang I ProspektVO insgesamt auf den Konzern des Emittenten als Ganzes angewendet wissen will2. Darüber hinaus werden vom Wortlaut der Ziffer 20.1 Abs. 3 Anhang I Pro- 199 spektVO grundsätzlich auch Unternehmen erfasst, die schon länger bestehen, zuvor aber eine vollständig andere Geschäftstätigkeit ausgeübt hatten. Der in Ziffer 20.1 Abs. 3 ProspektVO verwendete Ausdruck „aktuelle Wirtschaftsbranche“ (die englische Fassung spricht von „current sphere of economic activity“) wird von CESR in diesem Sinne auch in den Level-3-Empfehlungen zu den Angaben bei Start-up-Unternehmen verwendet. Auch wenn die speziellen Regelungen für Start-up-Unternehmen (Art. 23 Abs. 1 ProspektVO iVm. Anhang XIX) möglicherweise eine etwas anders gelagerte Zweckrichtung aufweisen, wird man aufgrund der von CESR in diesem Zusammenhang verwendeten und insoweit mit Ziffer 20.1 Abs. 3 ProspektVO identischen Begrifflichkeit3 grundsätzlich davon ausgehen müssen, dass eine grundlegende und vollständige Änderung der Geschäftstätigkeit einer erst kürzlich erfolgten Neugründung gleichzustellen ist. Dies gilt umso mehr, als anders als im Fall der Start-up-Unternehmen, die nach dem Wortlaut von Anhang XIX ProspektVO nur durch ihr noch recht junges Bestehen definiert sind, Ziffer 20.1 Abs. 2 Anhang I ProspektVO ausdrücklich auf die Tätigkeit in der „aktuellen Wirtschaftsbranche“ abstellt. Auf Finanzinformationen zu der früheren, für den Emittenten nicht mehr relevanten Geschäftstätigkeit wird man daher grundsätzlich verzichten können. Dies gilt allerdings nicht, soweit aufgrund von § 5 Abs. 1 WpPG nach allgemeinen Wesentlichkeits- und Risikogesichtspunkten weitere Angaben in den Prospekt aufzunehmen sind. In vielen Fällen werden bei derartigen, erst seit kurzem bestehenden Emittenten oder Emittenten mit vollständig neuer Geschäftstätigkeit weitere Angaben unter dem Gesichtspunkt der Pro-forma- oder kombinierten Abschlüsse (siehe Rz. 215 ff. und die Kommentierung zu Anhang II EU-ProspektVO sowie Rz. 272) bzw. nach Maßgabe der Prospektpflichten im Zu-

1 d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 126 f. 2 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 16 Qc (February 2007). 3 Nach den CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 136 gelten nicht nur solche Unternehmen als Start-up-Unternehmen, die seit weniger als drei Jahren bestehen, sondern auch solche, die seit weniger als drei Jahren in ihrer „aktuellen Wirtschaftsbranche“ (current sphere of economic activity) tätig sind.

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sammenhang mit einer komplexen finanztechnischen Vorgeschichte (siehe Rz. 261 ff.) in den Prospekt aufzunehmen sein1. bb) Anwendbare Rechnungslegungsgrundsätze 201 Hinsichtlich der anwendbaren Rechnungslegungsgrundsätze enthält Ziffer 20.1 Abs. 3 Anhang I ProspektVO dieselben Vorgaben wie Ziffer 20.1 Abs. 1 Anhang I ProspektVO. Insoweit gelten für Emittenten mit kurzer Geschäftstätigkeit keine Besonderheiten. cc) Abzudeckender Berichtszeitraum 202 Nach dem Wortlaut von Ziffer 20.1 Abs. 3 Anhang I ProspektVO sind die historischen Finanzinformationen bei Emittenten mit kurzer Geschäftstätigkeit für „diesen Zeitraum“ in den Prospekt aufzunehmen. Damit kann nur der Zeitraum gemeint sein, in welchem der Emittent in der aktuellen Wirtschaftsbranche tätig ist. Diesem naheliegenden Verständnis entspricht die auch von CESR geäußerte Auffassung, dass grundsätzlich der Zeitraum von der Eröffnungsbilanz bis zu einem möglichst nahe am Prospektdatum liegenden Stichtag ausreichend ist2. Dies entspricht dem Zeitraum der tatsächlichen Geschäftstätigkeit des Emittenten unter Berücksichtigung der Tatsache, dass für die Erstellung und Prüfung der historischen Finanzinformationen sowie die Erteilung eines Bestätigungsvermerks eine gewisse Zeit benötigt wird und daher ein vor dem Prospektdatum liegender Stichtag für die Finanzinformationen festzulegen ist. Bei ganz neuen Gesellschaften, die ihre Geschäftstätigkeit noch nicht aufgenommen haben oder erst sehr kurz tätig sind, kann die Aufnahme der Eröffnungsbilanz genügen. 203 Besonderheiten können sich ergeben, wenn der Emittent nach den anwendbaren Rechnungslegungsgrundsätzen zwischenzeitlich bereits einen Abschluss erstellt hat. Wurde dieser Abschluss zeitnah zur geplanten Emission erstellt, ergibt sich kein Konflikt zu dem oben beschriebenen Grundsatz. Es ist jedoch denkbar, dass ein erster Abschluss entsprechend dem für das Geschäftsjahr des Emittenten geltenden Stichtag bereits kurze Zeit (zB zwei Monate) nach Gründung erstellt wurde (dh. es liegt ein Rumpfgeschäftsjahr vor), die Emission jedoch erst im Verlauf des darauf folgenden Geschäftsjahres stattfinden soll. CESR hält in einem solchen Fall den für das Rumpfgeschäftsjahr erstellten, die ersten zwei Monate der Geschäftstätigkeit abdeckenden Abschluss grundsätzlich für ausreichend3. Der nächste in den Prospekt aufzunehmende Abschluss wäre nach dieser Auffassung ein Zwi1 Vgl. auch CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 16 Qc aE (February 2007). 2 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 16 Qb (February 2007). 3 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 16 Qa (February 2007).

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schenabschluss, wenn das Prospektdatum neun Monate nach dem Stichtag für den Abschluss des Rumpfgeschäftsjahres liegt (Ziffer 20.6.2 Anhang I ProspektVO). Allerdings hat CESR auch zum Ausdruck gebracht, dass die Grundregel, wonach die historischen Finanzinformationen grundsätzlich den bisherigen Zeitraum der (kurzen) Geschäftstätigkeit des Emittenten abdecken sollen, in Fällen einer langen Zeitspanne zwischen dem Ende des Rumpfgeschäftsjahres und dem Prospektdatum auch dann herangezogen werden kann, wenn bereits ein Abschluss für ein Rumpfgeschäftsjahr existiert. Die kritische Zeitspanne wird von CESR recht vage mit „eine erhebliche Anzahl von Monaten“ (significant amount of months) bezeichnet1. Nach dem von CESR angeführten Beispiel begründet der Ablauf von sechs Monaten offenbar noch keine Pflicht, einen neuen Abschluss zu erstellen2, dh. im Fall des Ablaufs von sechs Monaten soll der bestehende Abschluss für das Rumpfgeschäftsjahr noch genügen. In welcher Form die historischen Finanzinformationen gegebenenfalls für 204 einen Zeitraum von der Eröffnungsbilanz bis zu einem angemessenen Stichtag vor dem Prospektdatum erstellt werden sollen, sagt CESR nicht ausdrücklich. Jedenfalls dann, wenn noch kein geprüfter Abschluss für ein Rumpfgeschäftsjahr vorliegt, muss ein solcher für Prospektzwecke erstellter Abschluss geprüft sein (Ziffer 20.1 Abs. 3 Satz 2 Anhang I ProspektVO). Liegt bereits ein Abschluss für ein Rumpfgeschäftsjahr vor, erscheint die Anpassung des Rumpfgeschäftsjahrs nicht zwingend erforderlich und dies wird offenbar auch von CESR nicht verlangt3. Es genügt, wenn für Prospektzwecke ein entsprechender Zwischenabschluss erstellt wird4. Ein solcher Zwischenabschluss muss nicht geprüft sein. Da CESR in einem solchen Fall die Erstellung eines weiteren Abschlusses nur dann für erforderlich hält, wenn kein Zwischenabschluss veröffentlicht wurde, kann die Erstellung eines für Prospektzwecke erstellten Zwischenabschlusses nicht dazu führen, dass eine Prüfung durchzuführen ist, die anderweitig bei einem Zwischenabschluss nach Ziffer 20.6 Anhang I ProspektVO nicht verlangt wird. Nach der Verwaltungspraxis der BaFin sind zumindest in dem Fall, dass der 205 geprüfte Abschluss weniger als sechs Monate abdeckt und mehr als neun Monate seit der Eröffnungsbilanz vergangen sind, Zwischenfinanzinformationen, die nicht geprüft sein müssen, gemäß Ziffer 20.6.2 Anhang I ProspektVO zwingend aufzunehmen (siehe Rz. 256). Liegt in einem solchen Fall ein 1 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 16 Qa (February 2007). 2 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 16 Qa (February 2007). 3 So jedoch offenbar das Verständnis von d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EUProspV Rz. 130 f.; wie hier Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO, Rz. 332. 4 So im Ergebnis auch d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 132 sowie Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO, Rz. 332.

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geprüfter Abschluss für das Rumpfgeschäftsjahr sowie aufgrund der BaFinAnforderungen ein (ungeprüfter) Zwischenabschluss vor, dann sind auch nach Auffassung von CESR (Rz. 203 aE) die Anforderungen nach Ziffer 20.1 Abs. 3 Anhang I ProspektVO erfüllt. 206 In dem von CESR gebildeten Beispielsfall1, dass ein im Januar des betreffenden Kalenderjahres neu gegründeter Emittent innerhalb des ersten Geschäftsjahres zwei Kapitalmarktemissionen durchführt (im Juni und im November), sind nach Auffassung von CESR und auch der BaFin gemäß Ziffer 20.1 Abs. 2 Anhang I ProspektVO für die Juni-Emission geprüfte historische Finanzinformationen für den bis dahin abgelaufenen Zeitraum der Geschäftstätigkeit (dh. bis zu einem vor Juni liegenden Stichtag, Rz. 202) zu erstellen. Die Prüfung kann ausschließlich für Prospektzwecke erfolgen, so dass der betreffende Stichtag nicht mit der Schaffung eines Rumpfgeschäftsjahres einhergehen muss. Da in diesem Beispielsfall der geprüfte Abschluss weniger als sechs Monate abdeckt und im Zeitpunkt der November-Emission seit der Eröffnungsbilanz mehr als neun Monate vergangen sind, ist nach Auffassung der BaFin (ebenso im Ergebnis auch CESR2) vor der November-Emission für Prospektzwecke noch ein (ungeprüfter) Zwischenabschluss zu erstellen. Ist das Geschäftsjahr des Emittenten identisch mit dem Kalenderjahr, würde im Anschluss zum Stichtag 31.12. nach den allgemeinen Bilanzierungsregeln schließlich noch der erste Jahresabschluss erstellt. f) Aufzunehmende Mindestinformationen (Ziffer 20.1 Abs. 4) 207 Ziffer 20.1 Abs. 4 Anhang I ProspektVO trägt dem Umstand Rechnung, dass die ProspektVO zwar in Ziffer 20.1 Abs. 1 Anhang I grundsätzlich die Aufnahme von historischen Finanzinformationen verlangt, die nach der IASVO, also den in die EU übernommenen IFRS, erstellt werden, jedoch unter bestimmten Voraussetzungen auch die Aufnahme von Finanzinformationen zulässt, die auf der Grundlage nationaler Rechnungslegungsgrundsätze erstellt sind (vgl. oben Rz. 180 und 186). Für die Aufnahme von Finanzinformationen, die nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellt sind, sieht Ziffer 20.1 Abs. 4 allerdings Mindestanforderungen vor, die auf der Rechnungslegung nach IFRS basieren. So müssen auch nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellte Finanzinformationen nicht nur eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung sowie entsprechende, in HGB-Abschlüssen üblicherweise im Anhang enthaltene Erläuterungen zu den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden und erläuternde Anmerkungen enthalten, sondern – wie für IFRS in IAS 1 vorgesehen – auch eine Eigenkapitalveränderungsrechnung und eine Kapitalflussrechnung. Damit be1 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 16 Qb (February 2007). 2 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 16 Qb (February 2007).

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schränkt sich Ziffer 20.1 Abs. 4 Anhang I ProspektVO nicht darauf, vom Emittenten die Aufnahme der nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellten Finanzinformationen in den Prospekt zu verlangen. Vielmehr sind darüber hinausgehende, zusätzliche Finanzinformationen für Prospektzwecke zu erstellen, soweit diese nicht in den historischen Abschlüssen bereits enthalten sind1. Enthalten etwa nach HGB geprüfte Konzernabschlüsse keine geprüfte Ei- 208 genkapitalveränderungsrechnung und keine geprüfte Kapitalflussrechnung, so sind diese zusätzlich zu den historischen Abschlüssen in den Prospekt aufzunehmen. Diese zusätzlichen Abschlusselemente ergänzen also den zugrunde liegenden Abschluss2. Nach IDW PH 9.960.2 werden diese dementsprechend aus den geprüften Abschlüssen abgeleitet und nachträglich in Übereinstimmung mit den angewandten Rechnungslegungsgrundsätzen erstellt3. Enthalten die betreffenden nationalen Rechnungslegungsgrundsätze keine entsprechenden Vorgaben, sollen nach den Empfehlungen von CESR die IAS/IFRS-Grundsätze angewendet werden4. Die nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellten historischen Finanzinformationen müssen geprüft sein, wobei die Anforderungen von Ziffer 20.1 Abs. 5 Anhang I ProspektVO zu beachten sind (Rz. 212 ff.). Dies gilt auch für die zusätzlichen Abschlusselemente. Bei deutschen Emittenten richtet sich die Prüfung der zusätzlichen Abschlusselemente nach IDW PH 9.960.25. Sie umfasst keine erneute Abschlussprüfung, und es wird auch kein neuer Bestätigungsvermerk erteilt oder der erteilte Bestätigungsvermerk ergänzt6. Über die Ergebnisse der Prüfung kann aber eine Bescheinigung abgegeben werden, für die IDW PH 9.960.2 auch ein Formulierungsmuster enthält7. Diese Bescheinigung ist in den Prospekt aufzunehmen8.

209

Die Anforderungen von Ziffer 20.1 Abs. 4 Anhang I ProspektVO gelten nicht für Einzelabschlüsse, die gemäß Ziffer 20.3 Anhang I ProspektVO zusätzlich zu Konzernabschlüssen in den Prospekt aufgenommen werden (Rz. 234 ff.).

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Gemäß § 264 Abs. 1 HGB oder §§ 37v Abs. 2 Nr. 2, 37y WpHG zu erstellende Konzernlage-/Lageberichte nach § 289 HGB gehören nicht zu den Mindestanforderungen nach Ziffer 20.1 Abs. 4 Anhang I ProspektVO. Die Aufnahme des Lageberichts als solchem kann auch nicht aufgrund von § 5 Abs. 1 WpPG verlangt

1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO, Rz. 335. 2 Vgl. IDW PH 9.960.2, Tz. 9, WPg 2006, 333. 3 IDW PH 9.960.2, Tz. 1 und 4, WPg 2006, 333; vgl. auch CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 86. 4 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 86. 5 IDW PH 9.960.2, Tz. 7 bis 9, WPg 2006, 333. 6 IDW PH 9.960.2, Tz. 9, WPg 2006, 333. 7 IDW PH 9.960.2, Tz. 11, WPg 2006, 333 (334). 8 Vgl. auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO, Rz. 337.

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werden1. Allerdings kann der Lagebericht Informationen, insbesondere auch Risiken, enthalten, die – ggf. in aktualisierter Form – an anderer Stelle, vor allem im Rahmen der emittentenbezogenen Risikofaktoren und in den „Angaben zur Geschäfts- und Finanzlage“ (Ziffer 9.1 Anhang I Prospekt-VO), im Prospekt zu beschreiben sind. g) Anwendbare Prüfungsstandards (Ziffer 20.1 Abs. 5) 212 Nach Ziffer 20.1. Abs. 5 Satz 1 des Anhangs I ProspektVO muss die Abschlussprüfung unabhängig und in Übereinstimmung mit den in dem jeweiligen Mitgliedstaat anwendbaren Prüfungsstandards oder einem äquivalenten Prüfungsstandard daraufhin durchgeführt (und mit einem entsprechenden Bestätigungsvermerk versehen) werden, ob die geprüften historischen Finanzinformationen entsprechend dem jeweiligen Prüfungsstandard, der in dem betreffenden Mitgliedstaat anwendbar ist, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild (true and fair view) vermitteln. In Deutschland sind die maßgeblichen Prüfungsstandards die Prüfungsstandards und Prüfungshinweise des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW)2, insbesondere IDW PS 2013 sowie IDW PS 4004, der im Wesentlichen dem internationalen Prüfungsstandard ISA 700 nachgebildet ist5. Äquivalente Prüfungsstandards sind nach der Verwaltungspraxis der BaFin neben den International Standards on Auditing (ISA), die aufgrund von Art. 26 der Abschlussprüferrichtlinie6 und dessen Umsetzung in § 317 Abs. 5 HGB nach Anerkennung in Deutschland anzuwenden sind, auch die japanischen, kanadischen und USamerikanischen Prüfungsstandards. Auch wenn hier im Ergebnis ein gewisser Gleichlauf mit der Anerkennung der entsprechenden nationalen Rechnungslegungsgrundsätze als den IFRS gleichwertige Rechnungslegungsstandards iS von Ziffer 20.1 Abs. 1 Anhang I und Art. 35 Abs. 5 und 5a ProspektVO besteht, ist dieser nicht zwingend, und die Beurteilung der Äquivalenz der Prüfungsstandards kann grundsätzlich unabhängig von der Gleichwertigkeit der Rechnungslegungsgrundsätze erfolgen.

1 So aber offenbar Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO, Rz. 372 in Bezug auf Einzelabschlüsse nach HGB, die gemäß Ziffer 20.3 zusätzlich in den Prospekt aufgenommen werden. 2 Vgl. hierzu Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 13. 3 IDW Prüfungsstandard: Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze für die Abschlussprüfung (IDW PS 201) v. 18.5.2006, WPg 2006, 850. 4 IDW Prüfungsstandard: Grundsätze für die ordnungsgemäße Erteilung von Bestätigungsvermerken bei Abschlussprüfungen (IDW PS 400) v. 28.10.2005, WPg 2005, 1382. 5 IDW PS 400, Tz. 116, WPg 2005, 1382 (1394). 6 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 157 v. 9.6.2006, S. 87.

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Entgegen der auf einer unzutreffenden Übersetzung beruhenden deutschen 213 Sprachfassung ist die Prüfung, ob ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild (true and fair view) vermittelt wird, in jedem Fall durchzuführen, und nicht etwa nur dann, wenn keine Prüfung nach den anwendbaren Prüfungsstandards des Mitgliedstaates bzw. einem äquivalenten Standard erfolgt1. Soweit die deutsche Sprachfassung also darauf abstellt, dass dies „für das Registrierungsformular vermerkt werden“ muss, handelt es sich um eine missverständliche Übersetzung der englischen Sprachfassung und bedeutet nicht etwa, dass der Emittent insoweit eine diesbezügliche (zusätzliche) Erklärung in den Prospekt aufnehmen muss. Ein Emittent muss lediglich die nach Ziffer 20.4 Anhang I ProspektVO erforderliche Erklärung abgeben, dass die historischen Finanzinformationen geprüft worden sind2. Regelungen zur Unabhängigkeit der Abschlussprüfer enthält insbesondere die Abschlussprüferrichtlinie (Richtlinie 2006/43/EG v. 17.5.2006)3, deren Art. 22 Abs. 3 durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz4 in deutsches Recht umgesetzt wurde, indem in § 51 Abs. 4 WPO ein neuer Satz 2 angefügt wurde, wonach der Abschlussprüfer iS des § 316 HGB in den Arbeitspapieren die ergriffenen Maßnahmen zur Überprüfung seiner Unabhängigkeit, seine Unabhängigkeit gefährdende Umstände und ergriffene Schutzmaßnahmen schriftlich zu dokumentieren hat5.

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3. Pflicht zur Erstellung von Pro-forma-Finanzinformationen (Ziffer 20.2) (Kunold) a) Vorbemerkung und Überblick Bei Pro-forma-Finanzinformationen handelt es sich um ergänzende Finanz- 215 informationen zu den letzten Jahres-, Konzern- und Zwischenabschlüssen eines Unternehmens. Sie sollen darstellen, welche wesentlichen Auswirkungen eine Unternehmenstransaktion auf die historischen Abschlüsse gehabt hätte. Gemäß Ziffer 20.2 des Anhangs I ProspektVO sind bei Aktienemissionen dann Pro forma-Finanzinformationen in den Prospekt aufzuneh1 Dies scheinen Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO, Rz. 338 zu übersehen, wenn sie hier von einer Alternativprüfung ausgehen, die dann zum Tragen kommt, wenn keine Prüfung nach der (scheinbaren) ersten Alternative der deutschen Sprachfassung von Abs. 5 erfolgt. 2 Vgl. hierzu auch CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 14 Q3 (July 2006). 3 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 157 v. 9.6.2006, S. 87; siehe dazu d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 137 f. 4 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009 v. 28.5.2009, 1102. 5 Vgl. Kuhn/Stibi, WPg 2009, 1157 (1159).

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men, wenn eine Unternehmenstransaktion zu einer bedeutenden BruttoVeränderung der Verhältnisse des Emittenten führt und die durch diese Transaktion geschaffene neue Unternehmensstruktur nicht in den historischen Finanzinformationen abgebildet wird. Liegt eine bedeutende Bruttoveränderung vor, dann ist nach Ziffer 20.2 Abs. 1 des Anhangs I ProspektVO eine Beschreibung der Art und Weise, wie die Transaktion oder die Transaktionen sich auf die Aktiva und Passiva sowie der Erträge des Emittenten ausgewirkt hätte(n), in den Prospekt aufzunehmen, wäre(n) diese Transaktion(en) bereits zum Beginn des Berichtszeitsraums oder zum Berichtszeitpunkt durchgeführt worden. Hierbei ist die deutsche Sprachfassung gemeinsam mit der englischen Sprachfassung zu lesen, da in der deutschen Sprachfassung infolge des dort verwandten Indikativs statt des Konjunktivs suggeriert wird, es gehe um die Darstellung eines tatsächlichen und nicht eines hypothetischen Verlaufs. Pro-forma-Finanzinformationen sollen durch Anpassung um fiktive Elemente die Aussagekraft für die zukünftige Umsatz- und Ertragskraft des Unternehmens (Prognoseeignung) erhöhen1. Damit bilden Pro-forma-Finanzinformationen eine rein hypothetische Situation ab und vermitteln gerade kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage. Der Emittent könnte sich mithin bei Berücksichtigung der Unternehmenstransaktion zu Beginn des Zeitraums, für den der Abschluss aufgestellt wird (Berichtszeitraum), auch ganz anders entwickelt haben, als in den Pro-forma-Angaben dargestellt2. Es handelt sich nicht um die tatsächliche Wiedergabe von historischen Ereignissen, sondern vielmehr um „Als-ob-Abschlüsse“. 216 Mit Ziffer 20.2 des Anhangs I ProspektVO ist die Pflicht zur Aufnahme von Pro-forma-Finanzinformationen in einen Prospekt für öffentliche Angebote oder Börsenzulassungen von Eigenkapitalwertpapieren in Deutschland erstmalig ausdrücklich gesetzlich geregelt3. Vor Inkrafttreten des WpPG wurde die Aufnahme von Pro-forma-Angaben in den Prospekt auf § 21 Abs. 1 Nr. 1 BörsZulV aF und – für das Marktsegment Neuer Markt4 – eine entsprechende Vorschrift im Regelwerk Neuer Markt der Frankfurter Wertpapierbörse (Ziffer 4.1.8 Abs. 1 Nr. 1) gestützt, die eine vergleichende Darstellung von Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen der letzten drei Geschäfts-

1 von Keitz/Grote, KoR 2001, 25 (26 ff.); Heiden, Pro-forma-Berichterstattung, S. 198; Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F, Rz. 17. 2 IDW RH HFA 1.004, Tz. 2, WPg 2006, 141; dazu auch Schindler/Böttcher/Roß, WPg 2001, 22 (24); Schindler/Böttcher/Roß, WPg 2001, 477 (485); Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F, Rz. 17. 3 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 68 bezeichnen dies als Paradigmenwechsel. 4 Der Neue Markt wurde im März 1997 als zusätzliches eigenständiges, privatrechtliches Marktsegment für Wachstumsunternehmen an der Frankfurter Wertpapierbörse geschaffen und am 5.6.2003 im Rahmen einer Neusegmentierung des Aktienmarktes geschlossen; vgl. zum Neuen Markt A. Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 6 Rz. 54 f.

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jahre verlangten1. Hierbei konnte sich nach den Umständen des Einzelfalls die Frage stellen, inwieweit die Aufnahme einer ergänzenden Pro-formaDarstellung gegebenenfalls aus Gründen der Vergleichbarkeit erforderlich oder ratsam ist, wenn in den betroffenen Berichtszeiträumen wesentliche strukturelle Änderungen der Verhältnisse des Emittenten eingetreten sind2. Darüber hinaus schrieb das Regelwerk Neuer Markt ab dem 1.1.2001 ausdrücklich die Aufnahme von Pro-forma-Darstellungen vor, sofern der Emittent nicht bereits drei Jahre als Aktiengesellschaft (Ziffer 4.1.8 Abs. 3 Satz 2, Ziffer 4.1.12 Abs. 3) bestanden hatte3. Auch die Going Public-Grundsätze der Deutsche Börse AG4 enthielten Regelungen zu Pro-forma-Finanzinformationen. Diese waren angesichts der erheblichen Bedeutung von Pro-forma-Finanzinformationen im Rahmen des Neuen Markts und aufgrund des – wie sich zeigte – zweifelhaften Nutzens von Pro-forma-Angaben über drei Geschäftsjahre für die Vergleichbarkeit5 allerdings in ihrer Zielrichtung als Beschränkung (und nicht als Pflichtangaben)6 ausgestaltet. So sollten Proforma-Finanzinformationen nur dann im Prospekt verwendet werden, wenn beim Geschäftsbetrieb des Emittenten wesentliche rechtliche oder wirtschaftlichen Änderungen eingetreten sind und die Pro-forma-Angaben sich nur auf das letzte Geschäftsjahr und die aktuelle Zwischenberichtsperiode (und nicht – wie nach dem Regelwerk Neuer Markt vorgesehen – auf die drei letzten Geschäftsjahre) beziehen. Des Weiteren verlangten die Going Public-Grundsätze, dass die Pro-forma-Angaben nach anerkannten Rechnungslegungsvorschriften erstellt sind und eine Bescheinigung des Wirtschaftsprüfers über eine entsprechende prüferische Durchsicht der Pro-forma-Angaben in den Prospekt aufgenommen wird. In welchem Umfang und in welcher Darstellungsweise Pro-forma-Finanzinformationen in einen Prospekt aufgenommen werden müssen, ist im Ein1 d’Arcy/Leuz, DB 2000, 385 (386); Schindler/Böttcher/Roß, WPg 2001, 22; von Keitz/Grote, KoR 2001, 25; A. Meyer, WM 2002, 1864 (1871); A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2005, § 24 Rz. 22. 2 Vgl. zur Auslegung von § 21 Abs. 1 Nr. 1 BörsZulV aF auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 344; A. Meyer, WM 2002, 1864 (1871); Schindler/Böttcher/Roß, WPg 2001, 22 (27); d’Arcy/Leuz, DB 2000, 385 (386). 3 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2005, § 24 Rz. 22; A. Meyer, WM 2002, 1864 (1871); Heiden, Pro-formaBerichterstattung, S. 187. 4 Die Going Public-Grundsätze der Deutsche Börse AG, die am 1.9.2002 in Kraft getreten sind und in Ergänzung zum damals geltenden Recht Empfehlungen zur Ausgestaltung von Prospekten im Hinblick auf national und international anerkannte Standards enthalten, sind in ihrer ursprünglichen Fassung v. 15.7.2002 abgedruckt in AG 2002, 507 ff.; dazu A. Meyer, WM 2002, 1864 ff.; Schlitt/Smith/ Werlen, AG 2002, 478 ff. Mit Inkrafttreten des WpPG sind die Going PublicGrundsätze zum 1.7.2005 aufgehoben worden. 5 Hierzu auch A. Meyer, WM 2002, 1864 (1871); vgl. auch Heiden, Pro-forma-Berichterstattung, S. 262. 6 So auch Schlitt/Smith/Werlen, AG 2002, 478 (486).

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zelnen in Anhang II ProspektVO „Modul für Pro forma-Finanzinformationen“ geregelt (vgl. die Kommentierung zu Anhang II EU-ProspektVO), der als Modul1 die in Anhang I Ziffer 20.2 ProspektVO geregelte Pflicht, wann Pro-forma-Finanzinformationen in einen Prospekt aufzunehmen sind, ergänzt. 218 Von der Situation, dass ein Unternehmen oder Unternehmensteil erworben oder veräußert wird und die Auswirkungen dieser Unternehmenstransaktion nicht in den historischen Finanzinformationen des Emittenten abgebildet sind, ist die Fallkonstellation zu unterscheiden, dass eine Umstrukturierung von Geschäftseinheiten erfolgt, die während des in den historischen Finanzinformationen darzustellenden Zeitraums von drei Geschäftsjahren sich unter einheitlicher Kontrolle eines übergeordneten Konzerns befunden oder von einem anderen Unternehmen bzw. einer Person beherrscht (common control) wurden. In einem derartigen Fall ist ein kombinierter Abschluss (combined financial statements) zu erstellen (hierzu Rz. 272). b) Bedeutende Brutto-Veränderung 219 Nach Ziffer 20.2 des Anhangs I ProspektVO sind Pro-forma-Finanzinformationen dann in den Prospekt aufzunehmen, wenn eine bedeutende BruttoVeränderung vorliegt, wobei der Wortlaut von Ziffer 20.2 Abs. 1 Anhang I ProspektVO voraussetzt, dass einer solchen bedeutenden Butto-Veränderung regelmäßig eine Transaktion zugrunde liegt. aa) Transaktionsbegriff 220 Der Begriff „Transaktion“ ist in der ProspektVO nicht näher bestimmt. Auch CESR hat sich in den Level-3-Empfehlungen nicht hierzu geäußert, obwohl dies in den Stellungnahmen der Marktteilnehmer verschiedentlich angemahnt worden ist. Der im Hinblick auf die Anforderungen der ProspektVO geänderte Rechnungslegungshinweis der Hauptfachausschusses (HFA) des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW): Erstellung von Pro-FormaFinanzinformationen (IDW RH HFA 1.004)2, der als Orientierung im Rahmen eigenverantwortlicher Entscheidungen des Wirtschaftsprüfers dienen und dessen Anwendung den Wirtschaftsprüfern empfohlen wird (vgl. zur rechtlichen Einordnung und Funktion von Rechnungslegungshinweisen des IDW Anhang II EU-ProspektVO Rz. 2), fasst solche Unternehmenstransaktionen hierunter, die zu einer Änderung der Unternehmensstruktur füh1 Vgl. hierzu den in Art. 2 Nr. 2 ProspektVO legaldefinierten Begriff „Modul“. Ein Modul „bezeichnet eine Liste zusätzlicher Angaben, die nicht in den Schemata enthalten sind und einem oder mehreren dieser Schemata anzufügen sind, je nachdem, um welches Instrument und/oder um welche Transaktion es sich handelt, für die ein Prospekt oder ein Basisprospekt erstellt wurde“, vgl. näher zu dem sog. „building block approach“, also einem Baukastensystem, und der Kombination von Schemata und Modulen Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (507) sowie die Kommentierung zu § 7 WpPG Rz. 19 ff. 2 IDW Rechnungslegungshinweis: Erstellung von Pro-Forma-Finanzinformationen (IDW RH HFA 1.004) v. 29.11.2005, WPg 2006, 141.

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ren können1. Beispielhaft werden genannt der Zugang/Abgang eines Tochterunternehmens, Teilkonzerns oder Unternehmensteils. Im Ergebnis wird man davon ausgehen müssen, dass der Begriff der Transaktion weit zu verstehen ist2 und jede Transaktion umfasst, die geeignet ist, eine entsprechende Änderung der Unternehmensstruktur herbeizuführen. Daher kann sich eine Transaktion auch auf einzelne Vermögensgegenstände beziehen3. Ein Blick auf Art. 11 der Regulation S-X, der die Offenlegung von Pro-forma-Angaben im US-amerikanischen Wertpapierrecht regelt, verdeutlicht weitere Anlässe. In Regulation S-X Rule 11-01 (a) werden enumerativ neben wesentlichen Unternehmenszusammenschlüssen (significant business combinations) und der Aufgabe von Unternehmensteilen (disposition of a significant portion of a business) ua. der Erwerb von Immobilienunternehmen/-unternehmensteilen und Immobilien (acquisition of one or more real estate operations or properties) sowie sonstige Ereignisse oder Transaktionen4 wie Kapitalstrukturmaßnahmen oder unter bestimmten Voraussetzungen die Verwendung von Emissionserlösen genannt. Zu berücksichtigen ist zudem, dass man den Begriff der Transaktion auch nicht losgelöst von der „bedeutenden Brutto-Veränderung“ beurteilen können wird. So wird etwa ein Formwechsel nach den Regelungen des Umwandlungsgesetzes – anders als etwa noch zu Zeiten des Neuen Marktes – nicht erfasst5. Auch der Erwerb von ausstehenden Anteilen an einem Unternehmen, das bereits vor dem Erwerb vollkonsolidiert wurde, führt mangels einer Veränderung der Unternehmensstruktur nicht zu der Pflicht, Pro-forma-Finanzinformationen aufzustellen6. Ferner sind von Relevanz nur solche Unternehmenstransaktionen, die im 221 laufenden oder abgeschlossenen letzten Geschäftsjahr stattgefunden haben, da Pro-forma-Finanzinformationen maximal für den letzten abgeschlossenen Berichtszeitraum veröffentlicht werden dürfen (Anhang II Ziffer 5 ProspektVO) und Transaktionen, die vor Beginn des letzten Geschäftsjahres stattgefunden haben, bereits im Abschluss für das letzte Geschäftsjahr abge1 IDW RH HFA 1.004, Tz. 3, WPg 2006, 141. 2 So auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 363, die erwähnen, dass in der Verwaltungspraxis der BaFin zB auch der Fall einer Entkonsolidierung von Fonds als Transaktion iS von Anhang Ziffer 20.2 ProspektVO gewertet worden ist. 3 Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F, Rz. 71. 4 Vgl. hierzu SEC, Financial Reporting Manual of the Division of Corporate Finance (Rechnungslegungshandbuch der Abteilung Unternehmensfinanzen), Stand 2.3.2010, Tz. 3160, abrufbar unter http://www.sec.gov.division/corfin/cffinancialreportingmanual.shtml. 5 IDW RH HFA 1.004, Tz. 3, WPg 2006, 141. In dem vor dem geänderten Prospektrecht geltenden IDW RH HFA 1.004 v. 1.7.2002, Rz. 7 aF, WPg 2002, 980 wurde ergänzend erwähnt, dass gleichwohl im Einzelfall abzuwägen sei, „ob die Aussagefähigkeit der Rechnungslegung durch einzelne Pro-Forma-Erläuterungen (zB hinsichtlich der Steueraufwands) erhöht werden kann“. 6 Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F, Rz. 75.

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bildet sind (vgl. hierzu Anhang II EU-ProspektVO Rz. 6 f.). In den Fällen des Art. 4a Abs. 1 Unterabsatz 2 Satz 2 ProspektVO umfasst der Transaktionsbegriff auch Situationen, in denen die betreffende Transaktion noch nicht abgeschlossen ist, sondern lediglich der Abschluss einer zu einer bedeutenden Bruttoveränderung führenden Transaktion verbindlich vereinbart wurde (siehe dazu Rz. 267–269)1. bb) Feststellung einer bedeutenden Brutto-Veränderung 222 Eine „bedeutende Brutto-Veränderung“ (significant gross change) ist nach Erwägungsgrund 92 der ProspektVO und Art. 4a ProspektVO dann gegeben, wenn eine konkrete Unternehmenstransaktion zu einer bedeutenden Veränderung der Gesamtsituation eines Emittenten führt, was dann der Fall ist, wenn sich ein oder mehrere Indikatoren, die den Umfang der Geschäftstätigkeit des Emittenten bestimmen, um mehr als 25 % verändern. Ausgenommen sind dabei Fälle, die im Wege einer entsprechenden Rechnungslegung bei Fusionen (Merger Accounting) dargestellt werden3. 223 Für die Beurteilung, ob eine Transaktion zu einer Schwankung von mehr als 25 % in Bezug auf die Geschäftstätigkeit des Emittenten führt, ist daher der Umfang der Transaktion im Verhältnis zum Umfang der Geschäftstätigkeit des Emittenten durch die Heranziehung von geeigneten Indikatoren für den Umfang der Geschäftstätigkeit des Emittenten vor der betreffenden Transaktionen zu bewerten4. Als mögliche, nicht abschließende Indikatoren nennt CESR in den Level-3-Empfehlungen: – Bilanzsumme (total assets) – Umsatzerlöse (revenue) – Jahresergebnis, also Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag (profit or loss)5. Dies bedeutet also, dass (i) die Bilanzsumme des zugehenden/abgehenden Unternehmens/Unternehmensteils oder Teilkonzerns die Grenze von 25 % der Bilanzsumme des rechnungslegenden Unternehmens, also des Emittenten übersteigt, (ii) die Umsatzerlöse des letzten vollen Geschäftsjahres des zugehenden/abgehenden Unternehmens/Unternehmensteils oder Teilkon1 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 50 Qa (September 2007). 2 Erwägungsgrund 9 ProspektVO: „Pro forma-Finanzinformationen müssen dann beigebracht werden, wenn es zu einer bedeutenden Gesamtveränderung der Situation des Emittenten als Folge einer speziellen Transaktion kommt, d.h. einer mehr als 25 %igen Schwankung in Bezug auf einen oder mehrere Indikatoren, die den Umfang der Geschäftstätigkeit des Emittenten bestimmen, mit Ausnahme jener Fälle, in denen eine entsprechende Rechnungslegung bei Fusionen erforderlich ist.“ 3 d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 147; A. Meyer, Accounting 2006, 11 (12). 4 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 91. 5 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 92.

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zerns die Grenze von 25 % der Umsatzerlöse des letzten Geschäftsjahres des Emittenten überschreitet und/oder (iii) der Jahresüberschuss bzw. der Jahresfehlbetrag des zugehenden/abgehenden Unternehmens/Unternehmensteils oder Teilkonzerns die Grenze von 25 % des Jahresüberschusses oder des Jahresfehlbetrages des Emittenten vor der Unternehmenstransaktion überschreitet1. Bei konzernabschlusspflichtigen Emittenten ist hinsichtlich des Schwellenwerts von 25 % auf den Konzernabschluss abzustellen. Darüber hinaus können von einem Emittenten aber auch andere Maßgrö- 224 ßen (wie Anschaffungskosten im Verhältnis zur Bilanzsumme des Emittenten2) herangezogen werden. Dies gilt vor allem dann, wenn die beispielhaft genannten Indikatoren im konkreten Fall unübliche Effekte zeigen oder für die Branche, zu der der Emittent gehört, ungeeignet sind. Ist dies der Fall, dann sollen nach CESR die dann verwendeten Größenindikatoren mit der zuständigen Behörde, also in Deutschland der BaFin, abgestimmt werden3. Hiermit wollte CESR den Emittenten eine gewisse Flexibilität ermöglichen mit dem übergeordneten Ziel, den Anlegern hinreichende Informationen zur Verfügung zu stellen4. Zudem wird auch den Aufsichtsbehörden ermöglicht, auf etwaige Sonderfälle eingehen zu können. Anknüpfungspunkt für die genannten Indikatoren, die den Umfang der Geschäftstätigkeit des Emittenten um mehr als 25 % verändern können, sind nach den CESR-Level-3-Empfehlungen grundsätzlich die Zahlen des letzten veröffentlichten Jahresabschlusses als auch die des nächsten veröffentlichten Jahresabschlusses5. Da die Zahlen des nächsten veröffentlichten Abschlusses im Zeitpunkt der Beurteilung, ob eine Pflicht zur Erstellung von Pro-forma-Finanzinformationen nach Ziffer 20.2 Abs. 1 Anhang I ProspektVO besteht, regelmäßig noch nicht bekannt sind, ist maßgeblicher Anknüpfungspunkt der letzte veröffentlichte Jahresabschluss.

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Haben in einer Berichtsperiode mehrere Unternehmenstransaktionen statt- 226 gefunden, so ist nach dem Wortlaut des Erwägungsgrundes 9 ProspektVO „als Folge einer speziellen Transaktion“ das Überschreiten der 25 %-Schwelle für jede Transaktion gesondert zu prüfen. Dabei ist jedoch zu berücksichti1 Vgl. auch IDW RH HFA 1.004, Tz. 5, WPg 2006, 141. 2 Diese werden neben der Bilanzsumme und den Umsatzerlösen als weiteres Kriterium zur Beurteilung, ob eine Transaktion wesentlich (significant) ist, in Regulation S-X Rule 11-01(b) iVm. Rule 1-02(w) genannt und sind daher insbesondere bei Platzierungen in den USA (zB nach Rule 144A) von Bedeutung. 3 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 93. 4 CESR, Feedback Statement of February 2005 to CESR’s consultation for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses no 809/2004, CESR/05-055b, Tz. 43, 45. Diese Flexibilität wird entgegen d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 149 auch nicht durch IDW RH HFA 1.004 eingeschränkt, da die in Tz. 5 auf der Basis der CESR-Level-3-Empfehlungen genannten Indikatoren nicht als abschließend zu verstehen sind. Selbst wenn das IDW hier diese Indikatoren als abschließend ansehen würde, wären die ProspektVO und die Auslegung durch CESR und die BaFin maßgeblich. 5 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 94.

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gen, dass eine Unternehmenstransaktion auch dann vorliegt, wenn sie sich aus verschiedenen Phasen zusammensetzt1. Mehrere Transaktionen, die für sich betrachtet jeweils einzeln nicht die Schwelle von 25 % überschreiten würden, sind demgegenüber grundsätzlich nicht zusammenzurechnen. Bei mehreren Transaktionen ist die Prüfung der Erreichung des Schwellenwerts für jede Transaktion gesondert auf den letzten veröffentlichten Jahresabschluss zu beziehen, ohne dass die Auswirkungen einer vorhergehenden Transaktion berücksichtigt werden. Es bedarf nach CESR jedoch gegebenenfalls einer Betrachtung des Einzelfalls, da die im Prospekt enthaltenen Informationen nicht irreführend sein dürfen2. Ferner darf zB auch eine Unternehmenstransaktion (aus Gründen der Umgehung) nicht künstlich in mehrere Transaktionen aufgespalten werden. c) Aufnahme von Pro-forma-Finanzinformationen 227 Nach Ziffer 20.2 Abs. 2 des Anhangs I ProspektVO kommt ein Emittent im Falle einer Unternehmenstransaktion, die die Unternehmensgröße des Emittenten um mehr als 25 % ändert, dann seiner nach Ziffer 20.2 Abs. 1 des Anhangs I ProspektVO beschriebenen Verpflichtung nach, wenn er Proforma-Finanzinformationen in den Prospekt aufnimmt. 228 Dabei wird eine hypothetische Betrachtungsweise zugrunde gelegt. Abzustellen ist darauf, wie es sich auf die Aktiva und Passiva ausgewirkt hätte, wenn die Transaktion zu Beginn des letzten Berichtszeitraums oder zum Stichtag stattgefunden hätte. Das Nebeneinander dieser beiden Zeitpunkte erklärt sich daraus, dass der Beginn des Berichtszeitraums für die Gewinnund Verlustrechnung maßgeblich ist, während im Fall der Bilanz auf den Stichtag des letzten Abschluss abzustellen ist (vgl. Anhang II EU-ProspektVO Rz. 7, 15)3. 229 Wie sich aus der Formulierung „normalerweise“ in Ziffer 20.2 Abs. 2 Anhang I ProspektVO ergibt, kann in Einzelfällen jedoch auch auf die Aufnahme von Pro-forma-Finanzinformationen verzichtet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn es dem Emittenten im Ausnahmefall mangels Zugang zu den erforderlichen Informationen nicht möglich ist, Pro-forma-Finanzinformationen zu erstellen4. In diesem Fall liegt nach IDW PH 9.960.1 regelmäßig auch ein Prüfungshemmnis auf Seiten der Wirtschaftsprüfer vor5. Zu 1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 358. 2 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 52 Qa (December 2007). 3 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO, Rz. 361. 4 Vgl. Erwägungsgrund 13 der Verordnung (EG) Nr. 211/2007 der Kommission v. 27.2.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Finanzinformationen, die bei Emittenten mit komplexer finanztechnischer Vorgeschichte oder bedeutenden finanziellen Verpflichtungen im Prospekt enthalten sein müssen, ABl. EU Nr. L 61 v. 28.2.2007, S. 24 (25). 5 IDW PH 9.960.1, Tz. 15, WPg 2006, 133 (135).

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denken ist hier etwa an den Fall einer so genannten „feindlichen Übernahme“1 oder aber an Vorschriften, die es der Zielgesellschaft verbieten (vgl. zB Rule 20 des City Code on Takeovers and Mergers2), dem Erwerber (Emittenten) im Zeitpunkt der Prospekterstellung bestimmte für die Pro-forma-Finanzinformationen erforderliche Finanz- und andere Informationen (wie Details zu den angewandten Bilanzierungsgrundsätzen) offen zu legen. Auch etwa im Fall des Erwerbs eines ausländischen, bisher nicht nach IFRS bilanzierenden Unternehmens, das durch den Erwerb zu einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft und damit in den Konsolidierungskreis einbezogen wird, kann die Erstellung von Pro-forma-Finanzinformationen problematisch sein, weil unter Umständen die Finanzinformationen trotz zumutbarer Anstrengungen nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen, etwa wenn die prospektpflichtige Emission unmittelbar der Finanzierung des Erwerbs der (ausländischen) Gesellschaft dient. Nach CESR3 ist es in derartigen Ausnahmefällen ausreichend, wenn anstatt 230 der Aufnahme von Pro-forma-Finanzinformationen iS von Anhang II ProspektVO eine nach Ziffer 20.2 Abs. 1 des Anhangs I ProspektVO relevante Unternehmenstransaktion mittels einer entsprechenden erläuternden Beschreibung in Worten nach Ziffer 20.2 Abs. 1 des Anhangs I ProspektVO („narrative description“) aufgenommen wird4. Dies setzt aber voraus, dass der Emittent sich ernsthaft und mit zumutbarem Aufwand um das Erlangen der erforderlichen Informationen bemüht hat und diese auch nicht öffentlich zugänglich sind. Des Weiteren ist Voraussetzung, dass dieser Ausnahmefall im Prospekt entsprechend offen gelegt wird. Nach der Verwaltungspraxis der BaFin muss sich diese Beschreibung in Worten aus Gründen der Verständlichkeit auch optisch klar von Pro-forma-Finanzinformationen iS von Anhang II ProspektVO unterscheiden. Unabhängig von der Frage der Pro-forma-Finanzinformationen kann es gemäß § 5 Abs. 1 WpPG geboten sein, die öffentlich verfügbaren historischen Finanzinformationen der Zielgesellschaft sowie eine Darstellung der Zielgesellschaft etwa mittels Abdruck von Auszügen aus veröffentlichten Jahresberichten/Geschäftsberich-

1 So auch Erwägungsgrund 13 der Verordnung (EG) Nr. 211/2007 und CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 50a (September 2007). 2 Der City Code on Takeovers and Mergers ist abrufbar unter http://www.thetakeoverpanel.org.uk/wp-content/uploads/2008/11/code.pdf. Als Beispiel kann der Prospekt der Linde AG v. 23.6.2006 für das öffentliche Angebot von Aktien im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung zur Finanzierung des Erwerbs der The BOC Group plc, Windlesham/Großbritannien genannt werden. 3 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 50a (September 2007). 4 Ein Beispiel für eine solche erläuternde Darstellung unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass es sich nicht um Pro-forma-Finanzinformationen iS der ProspektVO handelt, findet sich auf den S. E-2 ff. des Prospekts für die Kapitalerhöhung der Linde AG v. 23.6.2006 (siehe Rz. 229).

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ten in den Prospekt aufzunehmen, insbesondere dann, wenn anderweitig kein Zugang zu Informationen über die Zielgesellschaft besteht. 231 Pro-forma-Finanzinformationen können auch freiwillig erstellt und in den Prospekt aufgenommen werden. Dies kann zB dann von Relevanz sein, wenn zugleich auch eine Platzierung nach Rule 144A in den USA durchgeführt wird und zB die dort angewandte 20 %-Schwelle für Akquisitionen (nicht jedoch die 25 %-Schwelle) überschritten ist oder die Anschaffungskosten des zugehenden Unternehmens oder der Veräußerungserlös des abgehenden Tochterunternehmens, Konzerns oder Unternehmensteils die Grenze von 20 % der Bilanzsumme des Emittenten vor der Transaktion überschreiten1. Auch bei freiwilligen Pro-forma-Finanzinformationen sind jedoch die Anforderungen des Anhangs II ProspektVO, insbesondere die Beschränkung auf den letzten abgeschlossenen Berichts- und Zwischenberichtszeitraum, zu beachten (vgl. Anhang II EU-ProspektVO Rz. 33). d) Inhalt der Pro-forma-Finanzinformationen 232 Pro-forma-Finanzinformationen müssen nach Ziffer 20.2 Abs. 3 des Anhangs I ProspektVO gemäß den sich aus Anhang II ProspektVO ergebenden näheren Anforderungen erstellt werden. Danach sind neben den unberichtigten historischen Finanzinformationen des die Pro-forma-Finanzinformationen aufstellenden Unternehmens sowie den – ggf. an die Rechnungslegungsgrundsätze und Bewertungsmethoden des die Pro-forma-Finanzinformationen aufstellenden Unternehmens angepassten – Finanzinformationen des erworbenen/veräußerten Unternehmens, Unternehmensteils oder Teilkonzerns als Ausgangszahlen und einer hieraus gebildeten Summe oder Differenz die aus den Ausgangszahlen sowie den Pro-forma-Anpassungen resultierenden Pro-forma-Finanzinformationen – in der Regel in Spaltenform – darzustellen. Die Pro-forma-Finanzinformationen sind mit ausführlichen Pro-forma-Erläuterungen zu versehen. Je nach Fallkonstellation bestehen die Pro-forma-Finanzinformationen aus einer oder zwei Pro-forma-Gewinnund Verlustrechnungen, ggf. einer Pro-forma-Bilanz und – falls erforderlich – einer Pro-forma-Kapitalflussrechnung und/oder einem Pro-forma-Ergebnis je Aktie. Anders als noch nach dem Regelwerk Neuer Markt sind damit nicht komplette Pro-forma-Abschlüsse in einen Prospekt aufzunehmen (vgl. zum Umfang und zur Darstellung der Pro-forma-Finanzinformationen die Kommentierung zu Anhang II EU-ProspektVO).

1 Vgl. Rule 11-01 von Regulation S-X (hierzu auch Werlen in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 37 Rz. 63 f.; Heiden, Proforma-Berichterstattung, S. 300 ff.), die unmittelbar zwar nur für öffentliche Angebote von Wertpapieren in den USA (bei der SEC registrierte Prospekte) gilt, jedoch in der Praxis auch bei Privatplatzierungen nach Rule 144A angewendet wird; dazu, dass der in der Praxis bei Rule 144A-Platzierungen erstellte Prospekt regelmäßig mit einem SEC-registrierten Prospekt weitgehend vergleichbar ist, vgl. Werlen in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 37 Rz. 73.

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e) Aufnahme einer Prüfungsbescheinung des Wirtschaftsprüfers Ziffer 20.2 Abs. 4 des Anhangs I ProspektVO verlangt, dass den Pro-formaFinanzinformationen ein Bericht eines unabhängigen Buchprüfers oder Wirtschaftsprüfers beizufügen und im Prospekt abzudrucken ist. Diese Pflicht wird in Anhang II Ziffer 7 ProspektVO näher konkretisiert. Danach hat ein Wirtschaftsprüfer – in der Regel wird es sich um den Abschlussprüfer des Emittenten handeln (vgl. hierzu Anhang II EU-ProspektVO Rz. 43) – ein Prüfungsurteil darüber abzugeben, ob die Pro-forma-Finanzinformationen auf den in den Pro-forma-Erläuterungen dargestellten Grundlagen ordnungsgemäß erstellt wurden und ob diese in Einklang mit den Rechnungslegungsgrundsätzen sowie den Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden stehen. Der Hauptfachausschuss des IDW hat infolge der geänderten Anforderungen den IDW Prüfungshinweis: Prüferische Durchsicht von Pro-Forma-Angaben (IDW PH 9.900.1) durch den IDW Prüfungshinsweis: Prüfung von Pro-forma-Finanzinformationen (IDW PH 9.960.1) v. 29.11.2005 ersetzt (zur rechtlichen Einordnung und Funktion von IDW Prüfungshinweisen vgl. Anhang II EU-ProspektVO Rz. 2), der eine auf den Anfordernungen von Anhang II Ziffer 7 ProspektVO beruhende Musterbescheinung enthält (siehe zur Prüfungsbescheinigung die Kommentierung zu Anhang II EU-ProspektVO Rz. 41 ff.).

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4. Aufnahme von Konzern- und Einzelabschlüssen (Ziffer 20.3) (Kunold) Gemäß Ziffer 20.3 des Anhangs I ProspektVO ist in dem Fall, dass ein Emit- 234 tent sowohl einen Einzel- als auch einen Konzernabschluss veröffentlicht, zumindest („at least“) der konsolidierte Jahresabschluss, also der Konzernabschluss des Emittenten in den Prospekt aufzunehmen. Nach altem Recht mussten hingegen gemäß § 22 Abs. 1 BörsZulV aF grundsätzlich sowohl Konzern- als auch Einzelabschluss in einen Prospekt aufgenommen werden. Von dem Erfordernis der Aufnahme eines Einzelabschlusses konnte die Zulassungsstelle der jeweiligen Wertpapierbörse allerdings dann befreien, wenn dieser keine wesentlichen anderen Inhalte als der Konzernabschluss beinhaltete, was vom Wirtschaftsprüfer zu bestätigen war. Im Ergebnis war nach altem Recht regelmäßig auch der letzte Einzelabschluss in einen Prospekt aufzunehmen1. Eine vergleichbare Regelung hatte CESR zunächst auch in seinem Konsultationspapier vorgeschlagen2. Die EU-Kommission wollte jedoch durch die gewählte Formulierung sicherstellen, dass ein vorhandener Konzernabschluss in jedem Fall in den Prospekt aufgenommen wird, was zu der jetzigen Regelung führte3. Eine allgemeine Regel, wonach regelmäßig nur der Konzernabschluss aufzunehmen ist, war demnach aber 1 Vgl. Frankfurter Wertpapierbörse, Rundschreiben Listing 04/2004 v. 17.5.2004. 2 CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive, Consultation Paper v. Oktober 2002, Annex A CESR Proposals for the Core Equity Registration Building Block, CESR/02-185b Annex A, Ziffer VII.D „Own versus consolidated accounts“. 3 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 369.

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nicht beabsichtigt. Aus der Formulierung „zumindest“ ergibt sich vielmehr, dass die Aufsichtsbehörde grundsätzlich auch die Aufnahme eines Einzelabschlusses verlangen kann. 235 Vor diesem Hintergrund und basierend auf dem allgemeinen Grundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 WpPG, wonach ein Prospekt einem Anleger ein zutreffendes Urteil über den Emittenten und die von diesem angebotenen Wertpapiere ermöglichen muss, und in Fortführung der nach der dargestellten alten Rechtslage bis zum 30.6.2005 geübten Praxis, wird die Formulierung „zumindest“ bzw. „at least“ von der BaFin dahingehend ausgelegt, dass ein Emittent jedenfalls dann den letzten Einzelabschluss in den Prospekt aufzunehmen hat, wenn dieser wesentliche zusätzliche Informationen im Vergleich zum Konzernabschluss enthält1. Dies ist bei HGB-Einzelabschlüssen, die neben einem IFRS-Konzernabschluss erstellt werden, regelmäßig der Fall. Gleiches gilt nach der Verwaltungspraxis der BaFin auch im Fall eines HGB-Konzernabschlusses. Anders als einem HGB-Einzelabschluss kommt einem (IFRS-)Konzernabschluss keine Steuerbemessungs- oder Ausschüttungsbemessungsfunktion zu, sondern er verfolgt ausschließlich einen Informationszweck (er hat insbesondere eine kapitalmarktorientierte Informationsfunktion)2. Die handelsrechtliche Gewinnermittlung ist demgegenüber maßgeblich für die Besteuerung (§ 5 EStG) und bildet die Grundlage für die Bemessung ergebnisabhängiger Einkommenszahlungen (Dividendenund Erfolgsbeteiligungen) sowie die Bestimmung des haftenden Grundbzw. Stammkapitals3. Demgegenüber verfolgt ein IFRS-Einzelabschluss keine Zwecke, die über einen IFRS-Konzernabschluss hinausgehen und enthält dementsprechend auch keine wesentlichen zusätzlichen Informationen. Die Aufnahme eines ggf. vorhandenen IFRS-Einzelabschlusses kann daher in der Regel nicht von der Aufnahme des letzten HGB-Einzelabschlusses entbinden4. Die Pflicht zur Aufnahme des letzten Einzelabschlusses neben den Konzernabschlüssen gilt auch für einen Garanten5. 236 Bei ausländischen Emittenten, die nach den für den Emittenten geltenden Rechnungslegungsgrundsätzen bilanzieren, kommt es gleichermaßen darauf an, ob der nach den ausländischen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellte Einzelabschluss wesentliche zusätzliche Informationen enthält6. Ist bei einem ausländischen Emittenten nach den maßgeblichen nationalen Vorschriften kein Einzelabschluss neben dem Konzernabschluss aufzustel1 Siehe auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 370. 2 Nonnenmacher in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 56 Rz. 2; Wawrzinek in Beck’sches IFRS Handbuch, § 2 Rz. 10. 3 d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 153; A. Meyer, Accounting 2006, 11 (12). 4 d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 154. 5 BaFin-Workshop, Praxiserfahrungen zum WpPG v. 29.5.2006, Präsentation „Finanzinformationen“, S. 15. 6 Ebenso Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 370

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len, so begründet auch Ziffer 20.3 des Anhangs I ProspektVO keine Pflicht, einen solchen Einzelabschluss für Prospektzwecke aufzustellen1. Ist ein Einzelabschluss in den Prospekt aufzunehmen, dann sind nach der Verwaltungspraxis der BaFin auch die wesentlichen Bilanzpositionen des Einzelabschlusses in der MD&A kurz zu erläutern (siehe hierzu Rz. 98). Die Nachweispflicht, ob ein Einzelabschluss im Vergleich zum Konzernabschluss wesentliche zusätzliche Informationen enthält, obliegt dem Emittenten. Daher verlangt die BaFin entsprechend der Praxis der Börsenzulassungsstelle zum alten Recht als Nachweis für die Entbehrlichkeit der Aufnahme eines Einzelabschlusses die Vorlage einer entsprechenden Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers2. Wie schon nach altem Recht wird in der Praxis jedoch regelmäßig der ohnehin vorhandene letzte Einzelabschluss in den Prospekt aufgenommen, so dass es einer solchen Bestätigung nicht bedarf.

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Da Ziffer 20.3 ProspektVO nur den Konzernabschluss zwingend vorschreibt 238 und die Pflicht zur Aufnahme etwaiger Einzelabschlüsse der Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörde überlässt, gibt es keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich des Zeitraums, für den Einzelabschlüsse aufzunehmen sind, noch gibt es zwingende Anforderungen an den Inhalt der aufzunehmenden Einzelabschlüsse. Die Aufsichtsbehörde kann sich daher darauf beschränken, nur die Aufnahme des letzten veröffentlichten Einzelabschlusses zu verlangen. Letzteres ist regelmäßig geboten, da aufgrund seiner besonderen, über den Konzernabschluss hinausgehenden Zwecke gerade der letzte und damit aktuelle Einzelabschluss für Anleger von besonderem Interesse ist und die Aufnahme weiterer Einzelabschlüsse bei dann insgesamt sechs Abschlüssen (drei Konzernabschlüsse und drei Einzelabschlüsse) der Transparenz und Übersichtlichkeit des Prospekts abträglich wäre, ohne dass dem ein entsprechender wesentlicher Informationsgewinn gegenüberstünde. Eine freiwillige Aufnahme weiterer Einzelabschlüsse ist zulässig. Die Beschränkung auf den letzten Einzelabschluss entspricht auch der gängigen Verwaltungspraxis der BaFin. Des Weiteren ist es nicht erforderlich, dass der Einzelabschluss in jeder Hinsicht den Anforderungen der Ziffer 20.1 des Anhangs I ProspektVO entspricht. Es genügt, wenn der Konzernabschluss diesen Anforderungen entspricht. Der Einzelabschluss wird ausschließlich wegen der darin enthaltenen zusätzlichen Informationen, die dem Anleger nicht vorenthalten werden sollen, in den Prospekt aufgenommen. Daher ist es auch nach der Verwaltungspraxis der BaFin ausreichend, 1 Dies ergibt sich daraus, dass Ziffer 20.3 des Anhangs I ProspektVO nur einen Konzernabschluss zwingend vorschreibt und ein Einzelabschluss, der gar nicht erstellt wird, keine weiteren zusätzlichen Informationen enthalten kann. Vgl. auch CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive, Consultation Paper v. Oktober 2002, Annex A CESR Proposals for the Core Equity Registration Building Block, CESR/02-185b Annex A, Ziffer VII.D „Own versus consolidated accounts“, wo dies ausdrücklich erwähnt wird. 2 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 371.

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wenn die nach dem HGB erstellten Einzelabschlüsse mit dem geprüften und veröffentlichten Inhalt aufgenommen werden. Anhang I Ziffer 20.3 ProspektVO verlangt nicht, über den Konzernabschluss hinaus einen Einzelabschluss oder Teile eines Einzelabschlusses speziell für Zwecke des Prospekts nachträglich zu erstellen. Es besteht daher keine Pflicht, eine in einem HGB-Einzelabschluss nicht enthaltene Kapitalflussrechnung oder Eigenkapitalveränderungsrechnung nachträglich zu erstellen und in den Prospekt aufzunehmen1. Der Einzelabschluss kann weiterhin nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen und muss nicht im Hinblick auf das Konsistenzgebot der Ziffer 20.1 Abs. 2 des Anhangs I ProspektVO nach IFRS erstellt werden (hierzu Rz. 186). 239 Da es sich bei dem Einzelabschluss grundsätzlich ebenso um historische Finanzinformationen handelt wie beim Konzernabschluss, muss der Einzelabschluss auch geprüft sein. Dementsprechend ist auch der diesbezügliche Bestätigungsvermerk in den Prospekt aufzunehmen2. 5. Prüfung historischer Finanzinformationen (Ziffer 20.4) (Kunold) 240 Neben dem nach Anhang I Ziffer 20.1. ProspektVO in einen Prospekt aufzunehmenden Bestätigungsvermerk ist nach Ziffer 20.4.1 Satz 1 des Anhangs I ProspektVO auch eine Erklärung des Emittenten aufzunehmen, dass die historischen Finanzinformationen geprüft worden sind3. Die Regelung entspricht den Anforderungen von § 30 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV aF. Die Erklärung des Emittenten, dass die historischen Finanzinformationen geprüft wurden, wird in der Regel im Anschluss an die nach Anhang I Ziffer 2.1 ProspektVO erforderlichen Angaben zum Abschlussprüfer im Prospekt aufgenommen („Der [Nennung des Namens des Abschlussprüfers] hat den nach [Nennung des Rechnungslegungsstandards] aufgestellten Abschluss und mit dem in diesem Prospekt enthaltenen ungeeinschränkten Bestätigungsvermerk versehen“). Die Erklärung muss sich auf die Prüfung der historischen Finanzinformationen, also alle durch Bestätigungsvermerke oder Prüfungsbescheinigungen erfassten Finanzinformationen, beziehen, einschließlich etwaiger Prüfungen von zusätzlichen Abschlusselementen (vgl. Rz. 208 f.). Wurde der Bestätigungsvermerk nicht erteilt bzw. eingeschränkt, so sind die Aussagen zur Nichterteilung bzw. die Vorbehalte gemäß Ziffer 20.4.1 Satz 2 des Anhangs I ProspektVO in vollem Umfang wiederzugeben und die Gründe anzugeben. Diese Regelung entspricht § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BörsZulV aF. 1 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 25; d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 156; Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 372. 2 Ebenso Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 373. 3 Siehe auch CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 14 (July 2006).

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Darüber hinaus besteht nach Ziffer 20.4.2 Anhang I ProspektVO die Pflicht, 241 sonstige im Registrierungsformular enthaltene Informationen, die von einem Wirtschaftsprüfer geprüft wurden, anzugeben. Dies betrifft alle geprüften Informationen, die keine historischen Finanzinformationen iS von Ziffer 20.1 Anhang I ProspektVO sind. Hierzu gehören geprüfte Zwischenberichte ebenso wie geprüfte Business-Pläne oder Prognosen1. Gemäß Ziffer 20.4.3 Anhang I ProspektVO ist bei Finanzangaben, die nicht 242 dem geprüften Jahresabschluss des Emittenten entnommen wurden, ein Hinweis auf die fehlende Prüfung sowie eine entsprechende Quellenangabe in den Prospekt aufzunehmen. Da die Finanzdaten grundsätzlich in den historischen Finanzinformationen enthalten sind und diese nach Ziffer 20.1 Anhang I ProspektVO regelmäßig geprüft sein müssen, stellt sich die Frage, worauf die Anforderung der Ziffer 20.4.3 abzielt. CESR2 nennt hier Finanzdaten iwS wie „any information, statistics, ratios or other data which purports to represent the performance of the issuer’s business activities“. Derartige Statistiken oder Finanzkennzahlen sind nicht oder nicht notwendigerweise im Jahresabschluss abgedruckt und werden daher von Ziffer 20.4.3 erfasst3. 6. Alter der jüngsten Finanzinformationen (Ziffer 20.5) (Kunold) Ähnlich wie die Vorgängervorschriften in § 22 Abs. 2 Satz 1 BörsenZulV aF. 243 und § 8 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspVO aF schreibt Ziffer 20.5 Anhang I ProspektVO vor, dass die geprüften Finanzinformationen nicht länger als ein bestimmter Zeitraum zurückliegen dürfen. Die Länge des zulässigen Zeitraums hängt davon ab, ob die Zwischenabschlüsse geprüft oder nicht geprüft sind. Sind sie geprüft, so dürfen die geprüften Finanzinformationen nicht älter als 18 Monate sein. Sind die Zwischenabschlüsse nicht geprüft, was der Regelfall ist, so dürfen die geprüften Finanzinformationen nicht als 15 Monate sein. Der Begriff „Zwischenabschluss“ soll CESR zufolge mit dem in Ziffer 20.6 Anhang I ProspektVO verwendeten Begriff „Zwischenfinanzinformation“ gleichzusetzen sein4. Der Zeitraum von 18 bzw. 15 Monaten berechnet sich nach dem Stichtag des letzten in den Prospekt aufgenommenen geprüften Jahresabschlusses einerseits und dem Prospektbilligungsdatum andererseits5.

1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 380. 2 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 95. 3 Siehe auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 381. 4 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 100; siehe auch d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 178. 5 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 385 stellen auf das Prospektaufstellungsdatum ab, was aber in der Praxis zumeist mit dem Prospektbilligungsdatum zusammenfallen dürfte.

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7. Aufnahme von Zwischenfinanzinformationen (Ziffer 20.6) (Kunold) a) Überblick 245 Die Pflicht, Zwischenfinanzinformationen in den Prospekt aufzunehmen, kann nach Ziffer 20.6 an zwei verschiedene Sachverhalte anknüpfen: entweder es wurden bereits Zwischenfinanzinformationen veröffentlicht (Anhang I Ziffer 20.6.1 ProspektVO) oder es sind Zwischenfinanzinformationen für die Zwecke des Prospekts erst noch zu erstellen, weil bereits mehr als neun Monate seit dem Stichtag für den Abschluss des letzten Geschäftsjahres vergangen sind, ohne dass bislang Zwischenfinanzinformationen veröffentlicht wurden (Anhang I Ziffer 20.6.2 ProspektVO). 246 Hat ein Emittent seit dem Stichtag seines letzten geprüften Jahresabschlusses unterjährig Finanzinformationen veröffentlicht, so sind diese in den Finanzteil des Prospekts aufzunehmen. Hierunter fallen in erster Linie Zwischenfinanzberichte gemäß § 37w WpHG sowie Quartalsfinanzberichte. Wurden sie geprüft oder prüferisch durchgesehenen, so ist die dafür erstellte Bescheinigung der Wirtschaftsprüfer – in der Regel wird es sich um den Abschlussprüfer der Gesellschaft handeln – ebenfalls im Prospekt abzudrucken (näher dazu Rz. 253 ff.). Wurde auf eine Prüfung oder prüferische Durchsicht der Zwischenfinanzinformationen verzichtet, so ist im Prospekt ausdrücklich der Hinweis aufzunehmen, dass die Zwischenfinanzinformationen ungeprüft sind. 247 Für den Fall, dass die Erstellung des Prospektes mehr als neun Monate nach dem Stichtag des letzten geprüften Jahresabschlusses erfolgt, sind ebenfalls Zwischenfinanzinformationen in den Prospekt aufzunehmen. Dies bedeutet, dass auch dann, wenn bislang keine Zwischenfinanzinformationen erstellt wurden, für die Zwecke des Prospekts zwingend Zwischenfinanzinformationen für die ersten sechs Monate des laufenden Geschäftsjahres in den Prospekt aufzunehmen sind. 248 In der Praxis werden Zwischenfinanzinformationen, insbesondere Quartalsberichte, häufig auch dann aufgenommen, wenn dieses nicht zwingend erforderlich ist. Eine solche freiwillige Aufnahme von Zwischenfinanzinformationen in den Prospekt kann etwa aus Gründen der Vermarktung erfolgen, um dem Verlangen inbesonderer ausländischer institutioneller Investoren nach möglichst aktuellen und aussagekräftigen Finanzzahlen nachzukommen1. Ein weiterer Grund für die Erstellung und freiwillige Aufnahme von Zwischenfinanzinformationen kann darin bestehen, dass die Wirtschaftsprüfer nicht mehr bereit sind, in dem zu Gunsten der Emissionsbanken ausgestellten Comfort Letter eine Aussage zu ihren Erkenntnissen über die Entwicklung des Emittenten seit dem letzten geprüften oder prüferisch durchgesehenen Abschluss zu treffen (sog. negative assurance), wenn seit dem Stichtag des letzten geprüften oder prüferisch durchgesehenen Ab1 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 32.

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schlusses 135 Tage oder mehr vergangen sind1. Wird etwa der Prospekt Anfang Juni gebilligt, dann ist eine solche (negativ formulierte) Aussage des Wirtschaftsprüfers zur Entwicklung des Emittenten seit dem 31.12. des letzten Geschäftsjahres nur dadurch zu erlangen, dass für das am 31.3. endende Quartal ein Quartalsbericht erstellt und prüferisch durchgesehen wird und für den Zeitraum vom 1.4. bis zu dem für die Aktualisierung der Erkenntnisse festgelegten Stichtag im Juni/Ende Mai bestimmte Untersuchungshandlungen durchgeführt werden2. Die Veröffentlichung von Zwischenfinanzinformationen während der Dauer des öffentlichen Angebots oder im Zeitraum zwischen Prospektbilligung und Einführung bzw. Einbeziehung in den Handel kann eine Nachtragspflicht gemäß § 16 WpPG auslösen (§ 16 WpPG Rz. 43 ff., insbes. 47)3.

249

b) Prospektanforderungen im Fall von bereits veröffentlichten Zwischenfinanzinformationen (Ziffer 20.6.1) aa) Pflicht zur Aufnahme veröffentlichter Zwischenfinanzinformationen Quartals- oder Halbjahresfinanzinformationen, die der Emittent seit dem 250 Stichtag seines letzten geprüften Jahesabschlusses veröffentlicht hat, sind gemäß Satz 1 der Ziffer 20.6.1 Anhang I ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen. Die Aufnahmepflicht gilt nur für veröffentlichte Abschlüsse. Anders als Ziffer 20.6.2 des Anhangs I ProspektVO begründet Ziffer 20.6.1 keine Pflicht zur Erstellung von Zwischenfinanzinformationen ausschließlich für Prospektzwecke. Im Vordergrund steht hier der Gedanke, dass dem Anleger alle aktuellen, veröffentlichten Finanzinformationen im Prospekt zur Verfügung gestellt werden sollen4. Im Fall mehrerer, nach dem Stichtag des letzten Jahresabschlusses veröffentlichter Zwischenberichte sind grundsätzlich immer die zuletzt veröffentlichten Zwischenfinanzinformationen in den Prospekt aufzunehmen. Dies soll allerdings nach Auffassung von CESR dann nicht gelten, wenn der ältere Bericht Informationen enthält, die in dem zuletzt veröffentlichten Zwischenbericht nicht enthalten sind. In diesem Fall seien beide Berichte in den Prospekt aufzunehmen5. Ein solcher 1 Siehe dazu näher Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 35 sowie A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 32. 2 Zur negativ formulierten inhaltlichen Aussage von Wirtschaftsprüfern zu prüferisch durchgesehenen Zwischenfinanzinformationen und zu aktuellen Erkenntnissen bis zum Stichtag der letzten zur Aktualisierung der Erkenntnisse durchgeführten Untersuchungshandlungen Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 33 f. 3 Vgl. CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 19 (July 2006). 4 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 98; d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 171. 5 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 24 (July 2006).

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Fall kann CESR zufolge etwa dann gegeben sein, wenn der Prospekt nach Veröffentlichung des Quartalsberichts für das dritte Quartal gebilligt wird und dementsprechend zuletzt nur ein Quartalsbericht veröffentlicht wurde und der zuvor veröffentlichte Halbjahresbericht umfassendere Informationen enthielt. Enthält in diesem Beispielsfall der Bericht für das dritte Quartal jedoch dem Halbjahresbericht vergleichbare Informationen, dann genügt die Aufnahme des letzten Quartalsberichts. Die Anforderungen an einen dem Halbjahresbericht vergleichbaren Quartalsbericht sind regelmäßig jedenfalls dann erfüllt, wenn ein Quartalsfinanzbericht nach Maßgabe von § 37w WpHG bzw. einer vergleichbaren, Art. 5 Transparenzrichtlinie umsetzenden ausländischen Vorschrift erstellt wurde (vgl. § 37x Abs. 3 WpHG)1. Auch der Rechnungslegungsstandard IAS 34, den Mutterunternehmen, die zur Anwendung von IFRS verpflichtet sind (vgl. § 315a HGB in Verbindung mit der IAS-Verordnung v. 19.7.2002 [Verordnung (EG) Nr. 1606/2002]) sowie auch Unternehmen, die nach § 325 Abs. 2a HGB einen IFRS-Abschluss offen gelegt haben, im Rahmen von § 37w WpHG anwenden müssen (§ 37w Abs. 3 Satz 1 WpHG)2, unterscheidet nicht zwischen Halbjahresberichten und Quartalsberichten, sondern gilt gleichermaßen für alle Zwischenberichte. 251 In Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie wurde durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz3 für Aktienemittenten in § 37x WpHG die Pflicht vorgesehen, einmal pro Halbjahr eine sog. Zwischenmitteilung der Geschäftsführung zu veröffentlichen, wenn nicht bereits ein Quartalsfinanzbericht nach § 37w Abs. 2 Nr.1, 2, Abs. 3 und 4 WpHG erstellt und veröffentlicht worden ist. Eine solche Zwischenmitteilung, die keinen vollständigen Abschluss enthält und inhaltlich wesentlich hinter einem Quartalsbericht nach IAS 34 zurückbleibt4, fällt nicht unter die Zwischenfinanzinformationen iS von Anhang I Ziffer 20.6. ProspektVO5. Sie ist jedoch regelmäßig nach Ziffer 20.9. des Anhangs I ProspektVO in einen Prospekt aufzunehmen. Eine solche Zwischenmitteilung bedarf auch keiner prüferischen Durchsicht. bb) Umfang und Inhalt der Zwischenfinanzinformationen 252 Die in den Prospekt aufzunehmenden Zwischenfinanzinformationen müssen den betreffenden Zwischenabschluss enthalten, nicht jedoch den Zwischenlagebericht oder den sog. „Bilanzeid“ (Erklärung gemäß § 264 Abs. 2 Satz 3, § 289 Abs. 1 Satz 5 HGB), die weder nach Ziffer 20.1 noch nach Ziffer 20.6.2 des Anhangs I ProspektVO Pflichtbestandteile der historischen

1 So bereits d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 172 und diesen folgend Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 390. 2 Schüppen in WP-Handbuch 2008, Bd. II, Abschnitt R Rz. 231. 3 BGBl. I 2007, 10 ff. 4 d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 172; A. Meyer in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 32. 5 Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 31.

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Finanzinformationen bzw. Zwischenfinanzinformationen sind1. Dieser Grundsatz gilt auch bei kapitalmarktorientierten Emittenten, dh. Emittenten, deren Wertpapiere an einem organisierten Markt zugelassen sind. Bei diesen müssen die in den Prospekt aufzunehmenden Zwischenfinanzinformationen nach den CESR-Empfehlungen zwar den Anforderungen der Transparenzrichtlinie entsprechen (vgl. Art. 5 Transparenzrichtlinie und § 37w WpHG für Inlandsemittenten)2. Dieses Erfordernis erstreckt sich jedoch nicht auf den Zwischenlagebericht und den Bilanzeid gemäß Art. 5 Abs. 2 Transparenzrichtlinie bzw. § 37w Abs. 2 Nr. 2 und 3 WpHG3, dh. es ist nur ein verkürzter Abschluss, also mindestens eine verkürzte Bilanz, eine verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung und ein Anhang (§ 37w Abs. 3 Satz 1 WpHG), aufzunehmen4. Bei kapitalmarktorientierten Emittenten, die konzernabschlusspflichtig sind (§ 37y Nr. 2 WpHG) bedeutet dies, dass der verkürzte (condensed) Zwischenabschluss nach IFRS (als den für den Jahresabschluss geltenden Rechnungslegungsgrundsätzen, § 37 w Abs. 3 Satz 2 WpHG) zu erstellen ist und nach den Anforderungen von IAS 34.5 auch eine verkürzte Kapitalflussrechnung und eine verkürzte Eigenkapitalveränderungsregelung beinhalten muss5. Bei nicht kapitalmarktorientierten Emittenten, dh. wenn bislang keine Zulassung an einem organisierten Markt besteht, sind nach den CESR-Empfehlungen eine verkürzte Bilanz und eine verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung sowie ausgewählte Anhangan1 d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 172. Unklar insoweit Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 390, die die von d’Arcy/Kahler geäußerte Ansicht als „noch weitergehend“ ansehen, dies jedoch in einem anderen Zusammenhang erörtern, nämlich bei der Frage, ob die Aufnahme des dritten Quartalsberichts ausreicht oder ob auch der Halbjahresbericht in den Prospekt aufgenommen werden muss. 2 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 101. 3 Ebenso d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 172 und 180 und wohl auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 31, der eine verpflichtende Aufnahme des Zwischenlageberichts und des Bilanzeids nicht einmal in Erwägung zieht; aA jedoch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 398. Letztere übersehen, dass CESR in den Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 101 nicht allgemein auf die Anforderungen der Transparenzrichtlinie und deren Umsetzung in den Mitgliedsstaaten verweist, sondern durch die Formulierung „condensed set of financial statements included in the half-yearly report“ zum Ausdruck bringt, dass die Prospektanforderungen nicht etwa auf den nach der Transparenzrichtlinie zu veröffentlichenden Zwischenlagebericht oder den Bilanzeid erstreckt werden sollten, die nach der Transparenzrichtlinie und in deren Umsetzung auch gemäß § 37w Abs. 2 WpHG Teil des Halbjahresfinanzberichts sind. Die gegenteilige Auffassung würde auch zu dem widersprüchlichen Ergebnis führen, dass der Lagebericht und der Bilanzeid zwar nicht Teil der historischen Finanzinformationen sind, in bestimmten Fällen aber als Teil der Zwischenfinanzinformationen in den Prospekt aufzunehmen wären. 4 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 31. 5 Hierzu auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 31; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 64.

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gaben in den Prospekt aufzunehmen1. Eine verkürzte Kapitalflussrechnung und eine verkürzte Eigenkapitalveränderungsregelung sind nur dann in den Prospekt aufzunehmen, wenn ein bislang nicht kapitalmarktorientierter Emittent ohne gesetzliche Pflicht bereits zuvor Finanzberichte nach IFRS erstellt hat oder wenn er eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt anstrebt und deshalb im Hinblick auf seine zukünftige Pflicht, Finanzberichte nach IFRS zu erstellen, auf der Grundlage von IFRS erstellte historische Finanzinformationen bereits in den Prospekt aufnehmen muss2. cc) Aufnahme einer Bescheinigung des Wirtschaftsprüfers zu den Zwischenfinanzinformationen 253 Ziffer 20.6.1 Satz 2 des Anhangs I ProspektVO sieht für die Zwischenfinanzinformationen ähnlich wie Ziffer 20.1 des Anhangs I ProspektVO grundsätzlich die Aufnahme eines Berichts des Wirtschaftsprüfers zu den veröffentlichten Zwischenfinanzinformationen vor. Dabei wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Zwischenfinanzinformationen anders als ein Jahresabschluss weder geprüft noch einer prüferischen Durchsicht unterzogen werden müssen. Nur im Fall einer Prüfung3 oder einer prüferischen Durchsicht4 ist eine entsprechende Bescheinigung des Wirtschaftsprüfers in den Prospekt aufzunehmen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Zwischenbericht Gegenstand einer freiwilligen Prüfung gemäß § 317 HGB war. Darüber hinaus ist bei Durchführung einer prüferischen Durchsicht von Halbjahresfinanzberichten börsennotierter Emittenten gemäß § 37w Abs. 5 Satz 4 WpHG das Ergebnis der prüferischen Durchsicht in einer Bescheinigung zusammen mit dem Halbjahresfinanzbericht zu veröffentlichen. Auch eine solche Bescheinigung ist nach Ziffer 20.6.1 Satz 2 Anhang I ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen. Bei Quartalsberichten besteht eine solche Pflicht nach dem WpHG jedoch nicht5, so dass insoweit keine Bescheinigung in den Prospekt aufzunehmen ist, soweit nicht eine freiwillige Prüfung oder prüferische Durchsicht vorgenommen wurde (siehe auch Rz. 248). 254 Sind die Zwischenfinanzinformationen weder geprüft noch prüferisch durchgesehen worden, dann genügt es, diesen Umstand im Prospekt offen zu legen (Satz 3 der Ziffer 20.6.1 des Anhangs I ProspektVO). Es besteht also keine Pflicht, Quartals- oder Halbjahresberichte für Zwecke der Prospekterstellung einer Prüfung oder prüferischen Durchsicht zu unterziehen. Die

1 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 104. 2 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 31. 3 Vgl. IDW PS 400, Tz. 5, WPg 2005, 1382 (1383). 4 Diese richtet sich nach IDW Prüfungsstandard: Grundsätze für die prüferische Durchsicht von Abschlüssen (IDW PS 900), WPg 2001, 1078 oder gleichwertigen Standards wie ISRE 2410 (Review of Interim Financial Information Performed by the Independent Auditor of the Entity) und ISRE 2400 (Engagements to Review Financial Statements), beide abrufbar unter http://www.ifac.org. 5 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 30.

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ungeprüften Zwischenfinanzinformationen müssen jedoch klar und eindeutig als ungeprüft bezeichnet werden1. Auch wenn der Wortlaut der Ziffer 20.6.1 des Anhangs I ProspektVO inso- 255 weit nicht eindeutig ist, ist eine Bescheinigung des Abschlussprüfers über eine Prüfung oder prüferische Durchsicht nur dann in den Prospekt aufzunehmen, wenn der betreffende Zwischenabschluss als geprüft oder prüferisch durchgesehen veröffentlicht wurde. Ist der Zwischenabschluss als ungeprüft veröffentlicht worden und sind Zwischenfinanzinformationen ausschließlich für interne Zwecke (etwa im Hinblick auf die Durchführung einer Kapitalmarkttransaktion) einer Prüfung oder einer prüferischen Durchsicht unterzogenen worden, ist keine entsprechende Bescheinigung in den Prospekt aufzunehmen2. Wird ein als ungeprüft veröffentlichter Halbjahres- oder Quartalsbericht zB im Hinblick auf die Ausstellung eines Comfort Letter nach Maßgabe des Prüfungsstandards IDW PS 910 prüferisch durchgesehen3, dann führt dies nicht dazu, dass die entsprechende Aussage des Wirtschaftsprüfers zu dieser prüferischen Durchsicht in den Prospekt aufzunehmen ist4. Nicht ausschließlich für interne Zwecke prüferisch durchgesehen sind jedoch solche Halbjahres- oder Quartalsfinanzberichte eines börsennotierten Emittenten, die in Ausübung des Wahlrechts gemäß § 37w Abs. 5 WpHG prüferisch durchgesehen und gemäß § 37w Abs. 5 Satz 4 WpHG zusammen mit einer entsprechenden Bescheinigung des Abschlussprüfers veröffentlicht wurden (Rz. 253). c) Prospektanforderungen im Fall noch nicht veröffentlichter Zwischenfinanzinformationen (Ziffer 20.6.2) aa) Pflicht zur Aufnahme und Erstellung von Zwischenfinanzinformationen Ziffer 20.6 des Anhangs I ProspektVO enthält keine generelle Pflicht zur Erstellung von Zwischenfinanzinformationen für die Zwecke des Prospekts, wenn zuvor noch keine Zwischenfinanzinformationen erstellt wurden. Ähnlich wie nach § 22 Abs. 2 Satz 3 BörsZulV aF besteht nach Ziffer 20.6.2 des Anhangs I ProspektVO jedoch die Pflicht, Zwischenfinanzinformationen dann in den Prospekt aufzunehmen, wenn seit dem Ende des letzten Geschäftsjahres, also dem Stichtag des letzten Jahresabschlusses, mehr als neun Monate vergangen sind. Dies bedeutet, dass Zwischenfinanzinformationen für Zwecke des Prospekts erstellt werden müssen, soweit sie nicht bereits vorhanden sind. 1 Vgl. zB den im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung der Continental AG veröffentlichten Prospekt v. 11.1.2010, in dem ein ungeprüfter Zwischenabschluss für den zum 30.9.2009 abgelaufenen Neun-Monats-Zeitraum abgedruckt ist, S. 33, F-3 ff. 2 Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (252); A. Meyer in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 30. 3 Dazu näher Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 33. 4 Siehe auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 30.

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Die Zwischenfinanzinformationen müssen gemäß Ziffer 20.6.2 des Anhangs I ProspektVO mindestens die ersten sechs Monate des Geschäftsjahres, für das noch keine Zwischenfinanzinformationen vorliegen, abdecken. Eine Prüfung oder prüferische Durchsicht der zu erstellenden Zwischenfinanzinformationen ist prospektrechtlich nicht vorgeschrieben (siehe auch Rz. 254)1. 257 Bei Start-up-Unternehmen2, für die noch kein geprüfter Jahresabschluss erstellt wurde und dementsprechend die in Ziffer 20.6.2 des Anhangs I ProspektVO genannte Anknüpfung an den „Ablauf des letzten geprüften Finanzjahres“ nicht passt, berechnet sich nach der Verwaltungspraxis der BaFin der Neun-Monats-Zeitraum ab dem Stichtag der Eröffnungsbilanz3. Vorher sind keine Zwischenfinanzinformationen nach Ziffer 20.6.2 aufzunehmen. Hat der Emittent einen zusätzlich zur Eröffnungsbilanz bereits geprüften Abschluss gemäß Ziffer 20.1 Abs. 3 des Anhangs I ProspektVO für einen Zeitraum von weniger als einem Jahr erstellt, dann ließe sich nach dem Wortlaut der Ziffer 20.6.2 des Anhangs I ProspektVO argumentieren, dass das letzte „Finanzjahr“, ab dem die neun Monate zu rechnen sind, nicht ein volles Geschäftsjahr sein muss, sondern auch ein Rumpfgeschäftsjahr (von zB vier Monaten) sein kann. Nach Auffassung der BaFin ist die Aufnahme von Zwischenfinanzinformationen nur dann entbehrlich, wenn der Zeitraum, auf den sich der geprüfte Abschluss bezieht, jedoch mindestens sechs Monate beträgt4. Diese Auffassung beruht auf dem Ziffer 20.6.2 des Anhangs I ProspektVO entnommenen Grundgedanken, dass ein Unternehmen, das mindestens neun Monate tätig ist, ohne (aktuelle) Finanzinformationen veröffentlicht zu haben, Finanzinformationen in den Prospekt aufnehmen muss, die mindestens sechs Monate des Zeitraums ohne Finanzinformationen abdecken5. Zwar sind in einem solchen Fall (zB geprüfter Abschluss für die ersten vier Monate und Prospekterstellung zehn Monate nach Gründung) seit dem Stichtag des geprüften Abschlusses nach Ziffer 20.1 Abs. 3 des Anhangs I ProspektVO noch keine neun Monate vergangen, doch bezieht sich dieser geprüfte Abschluss weder auf ein vollständiges Geschäftsjahr (was zur Anwendung der Neun-Monats-Frist ab dem Stichtag des Abschlusses führen würde) noch deckt er die ersten sechs Monate seit Gründung des Unternehmens ab. bb) Umfang und Inhalt der Zwischenfinanzinformationen 258 Als einzige ausdrückliche Vorgabe zu Umfang und Inhalt der zu erstellenden Zwischenfinanzinformationen, sieht Ziffer 20.6.2 Abs. 2 des Anhangs I ProspektVO vor, dass die Zwischenfinanzinformationen einen vergleichen1 d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 176; Fingerhut/Voß in Just/ Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 393; A. Meyer in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 29. 2 Zum Begriff des Start-up-Unternehmens siehe CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 136. 3 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 394. 4 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 394. 5 So wohl auch das Verständnis von Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 394.

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den Überblick über denselben Zeitraum des letzten Geschäftsjahres enthalten muss. Dabei enthält Satz 2 von Ziffer 20.6.2 Abs. 2 des Anhangs I ProspektVO eine Klarstellung dahingehend, dass entsprechend der gängigen Rechnungslegungspraxis nach IAS 34 und dem deutschen Rechnungslegungsstandard DRS 16 der vergleichende Überblick hinsichtlich der Bilanzinformationen als Bestandsrechnung durch Darstellung der Vorjahresbilanz erfolgen kann und nicht auf die entsprechende Vorjahresperiode abgestellt werden muss1. Neben dieser ausdrücklichen Vorgabe gelten hinsichtlich Inhalt und Um- 259 fang der Zwischenfinanzinformationen auch und gerade hier die in den CESR-Empfehlungen vorgenommenen Konkretisierungen und Präzisierungen (vgl. Rz. 252). Im Fall einer Erstellung und Aufnahme von Zwischenfinanzinformationen gemäß Ziffer 20.6.2 des Anhangs I ProspektVO wird es sich idR um einen bislang nicht kapitalmarktorientierten Emittenten handeln, der grundsätzlich nur eine verkürzte Bilanz und eine verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung sowie ausgewählte Anhangangaben aufnehmen muss. Etwas anderes gilt dann, wenn der bislang nicht kapitalmarktorientierte Emittent aufgrund der beabsichtigten Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder aufgrund bereits zuvor nach IFRS vorgenommener Rechnungslegung Zwischenfinanzinformationen nach IAS 34 erstellen muss (vgl. Rz. 253). Bei Emittenten, die nicht nach IAS 34 bilanzieren, ist der deutsche Rechnungslegungsstandard DRS 16 zu beachten, der grundsätzlich nicht über die Anforderungen der Transparenzrichtlinie hinausgeht, wobei eine verkürzte Kapitalflussrechnung und ein verkürzter Eigenkapitalspiegel empfohlen werden2. Grundsätzlich müssen für die Erstellung der Zwischenfinanzinformationen die Rechnungslegungsstandards verwendet werden, auf deren Grundlage auch die Jahresabschlüsse erstellt werden3. Wurden nach dem Stichtag für den letzten Jahresabschluss Bilanzierungsmethoden geändert und sollen diese auch im folgenden Jahresabschluss gelten, so ist dieses nach den CESR-Empfehlungen bei der Erstellung der Zwischenfinanzinformationen jedoch zu berücksichtigen4. 1 d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 177. Die deutsche Fassung von Ziffer 20.6.2 Abs. 2 ProspektVO enthält hier ein sehr pointiertes „ausnahmsweise“, was – wie d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 177 mit Recht bemerken – zur Fehlvorstellung führen kann, dass die Darstellung der Vorjahresbilanz nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Dies ist jedoch der Übersetzung geschuldet. Die englische Fassung lässt sich als bloße Klarstellung lesen, dass ein Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode bei den Bilanzinformationen nicht vorgeschrieben ist (ebenso Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/ Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 402). Die CESR-Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 106 lit. a sehen sogar ausschließlich die Darstellung der Vorjahresbilanz vor. 2 DRS 16.16, dazu näher d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 184. 3 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 103. 4 CESR, Level-3-Empfehlungen, CESR/05-054b, Rz. 103; d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 185.

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8. Emittenten mit einer komplexen Finanzhistorie (Art. 4a ProspektVO) (Kunold) Art. 4a ProspektVO Schema für Aktienregistrierungsformulare bei komplexer finanztechnischer Vorgeschichte oder bedeutenden finanziellen Verpflichtungen (1) Hat ein Emittent eines unter Artikel 4 Absatz 2 fallenden Wertpapiers eine komplexe finanztechnische Vorgeschichte oder ist er bedeutende finanzielle Verpflichtungen eingegangen, so dass bestimmte Teile der Finanzinformationen einer anderen Gesellschaft als dem Emittenten in das Registrierungsformular aufgenommen werden müssen, um die in Artikel 5 Abs. 1 der Richtlinie 2003/71/EG festgelegte Pflicht zu erfüllen, werden diese Teile für Finanzinformationen des Emittenten erachtet. Die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats verlangt von dem Emittenten, dem Anbieter oder der die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragenden Person in einem solchen Fall, diese Informationsbestandteile in das Registrierungsformular aufzunehmen. Diese Bestandteile der Finanzinformationen können gemäß Anhang II erstellte Pro-forma-Informationen umfassen. Ist der Emittent bedeutende finanzielle Verpflichtungen eingegangen, werden die Auswirkungen der Transaktion, zu der der Emittent sich verpflichtet hat, in diesen Pro-formaInformationen antizipiert und ist der Begriff „die Transaktion“ in Anhang II entsprechend auszulegen. (2) Die zuständige Behörde stützt jedes Verlangen gemäß Nummer 1 auf die Anforderungen, die unter Punkt 20.1 des Anhangs I in Bezug auf den Inhalt der Finanzinformationen und die anwendbaren Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze festgelegt sind, wobei Änderungen zulässig sind, wenn sie durch einen der folgenden Faktoren gerechtfertigt sind: a) Wesensart der Wertpapiere; b) Art und Umfang der bereits im Prospekt enthaltenen Informationen sowie das Vorhandensein von Finanzinformationen einer anderen Gesellschaft als dem Emittenten, die unverändert in den Prospekt übernommen werden könnten; c) die Umstände des Einzelfalls, einschließlich der wirtschaftlichen Substanz der Transaktionen, mit denen der Emittent sein Unternehmen oder einen Teil desselben erworben oder veräußert hat, sowie der speziellen Art des Unternehmens; d) die Fähigkeit des Emittenten, sich unter zumutbarem Aufwand Finanzinformationen über eine andere Gesellschaft zu beschaffen. Kann die in Artikekl 5 Absatz 1 der Richtliniee 2003/71/EG festgelegte Pflicht im Einzelfall auf verschiedenen Wegen erfüllt werden, so ist der kostengünstigsten oder der mit dem geringsten Aufwand verbundenen Variante der Vorzug zu geben. (3) Von Nummer 1 unberührt bleibt die durch nationale Rechtsvorschriften gegebenenfalls festgelegte Verantwortung anderer Personen für die im Pro-

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spekt enthaltenen Informationen, wozu auch die in Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2003/71/EG genannten Personen zählen. Diese Personen sind vor allem dafür verantwortlich, dass sämtliche von der zuständigen Behörde gemäß Nummer 1 geforderten Informationen in das Registrierungsformular aufgenommen werden. (4) Für die Zwecke der Nummer 1 wird ein Emittent als Emittent mit komplexer finanztechnischer Vorgeschichte behandelt, wenn alle der nachfolgend genannten Bedingungen zutreffen: a) Seine operative Geschäftstätigkeit ist zu dem Zeitpunkt, an dem der Prospekt erstellt wird, nicht vollständig in den historischen Finanzinformationen dargestellt, die gemäß Punkt 20.1 des Anhangs I vorzulegen sind; b) diese Ungenauigkeit beeinträchtigt die Fähigkeit des Anlegers, sich ein fundiertes Urteil im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2003/71/ EG zu bilden; und c) Informationen über seine operative Geschäftstätigkeit, die ein Anleger für die Bildung eines solchen Urteils benötigt, sind Gegenstand von Finanzinformationen über ein anderes Unternehmen. (5) Für die Zwecke der Nummer 1 werden als Emittenten, die eine bedeutende finanzielle Verpflichtung eingegangen sind, Gesellschaften behandelt, die eine verbindliche Vereinbarung über eine Transaktion eingegangen sind, die nach ihrem Abschluss voraussichtlich eine bedeutende Bruttoveränderung bewirkt. Selbst wenn der Abschluss der Transaktion in einer solchen Vereinbarung an Bedingungen, einschließlich der Zustimmung durch die Regulierungsbehörde, geknüpft wird, ist die Vereinbarung in diesem Zusammenhang als bindend zu betrachten, sofern diese Bedingungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintreten werden. Eine Vereinbarung wird insbesondere dann als verbindlich betrachtet, wenn sie den Abschluss der Transaktion vom Ergebnis des Angebots der Wertpapiere, die Gegenstand des Prospekts sind, abhängig macht, oder wenn bei einer geplanten Übernahme das Angebot der Wertpapiere, die Gegenstand des Prospekts sind, der Finanzierung dieser Übernahme dienen soll. (6) Für die Zwecke der Nummer 5 dieses Artikels und des Punkts 20.2 des Anhangs I ist eine bedeutende Bruttoveränderung eine mehr als 25 %ige Veränderung der Situation eines Emittenten, und zwar gemessen im Verhältnis zu einem oder mehreren Größenindikatoren für seine Geschäftstätigkeit. a) Überblick und Entwicklung der Norm Art. 4a ProspektVO ist durch Verordnung (EG) Nr. 211/2007 der Kommission v. 27.2.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Finanzinformationen, die bei Emittenten mit komplexer finanztechnischer Vorgeschichte oder bedeutenden finanziellen Ver-

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pflichtungen im Prospekt enthalten sein müssen1, in die ProspektVO eingefügt worden. 262 Die Ergänzung der ProspektVO diente dem Zweck, eine für die Aufsichtsbehörden in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen praktikable rechtliche Grundlage für Prospektanforderungen im Zusammenhang mit einer komplexen finanztechnischen Vorgeschichte oder bedeutenden finanziellen Verpflichtungen des Emittenten zu schaffen. Zwar sehen die Anhänge zur ProspektVO in Konkretisierung von Art. 5 Abs. 1 Prospektrichtlinie und der entsprechenden Umsetzungsvorschriften in den Mitgliedstaaten Emittentenbeschreibungen (Registrierungsformulare) vor, die detaillierte Vorgaben für die Aufnahme von Finanzinformationen der Emittenten enthalten (vgl. im Hinblick auf Aktienemittenten Ziffer 20.1 des Anhangs I ProspektVO). In bestimmten Fällen ist die Finanzlage des Emittenten jedoch so eng mit der Finanzlage anderer Gesellschaften verbunden, dass ohne Finanzinformationen dieser Gesellschaften der Anleger nicht – wie von Art. 5 Abs. 1 Prospektrichtlinie gefordert – in die Lage versetzt werden kann, eine fundierte Einschätzung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten vornehmen zu können (vgl. Erwägungsgrund 2 der Verordnung (EG) Nr. 211/2007). 263 Bereits im Zeitraum zwischen Veröffentlichung und Inkraftreten der ProspektVO hatte die EU-Kommission aufgrund erster Anfragen aus verschiedenen Mitgliedstaaten CESR ein formelles Mandat für die Erarbeitung von Empfehlungen für Prospektanforderungen bei Emittenten mit komplexer finanztechnischer Vorgeschichte erteilt2. Auch bei den ersten Aktienemissionen nach neuem Prospektrecht erwiesen sich die Vorgaben der ProspektVO als in der Praxis schwer handhabbar, wenn der Emittent in dieser Form erst sehr kurzfristig bestand und zuvor erhebliche gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen erfolgt waren3. Zwar ist es nach Art. 5 Abs. 1 Prospektrichtlinie (diesem entspricht § 5 Abs. 1 WpPG) iVm. Art. 3 Abs. 3 ProspektVO grundsätzlich möglich, vom Emittenten weitere Angaben zu den Finanzinformationen zu verlangen, wenn dieses zum besseren Verständnis der Anleger geboten ist. Diese für die Beteiligten einschließlich der Aufsichtsbehörden durchaus günstige Flexibilität der Regelung wurde jedoch von einigen Mitgliedstaaten4 kritisch gesehen, da ihnen eine konkrete Ermächtigungsgrundlage für die in Anhang I ProspektVO nicht ausdrücklich enthaltenen Informationspflichten fehlte5. 1 Abl. EU Nr. L 61 v. 28.2.2007, S. 24. 2 Abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/prospectus/ fin-hist_cesr-mandate_en.pdf. 3 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 36. 4 Als Beispiele sind hier Großbritannien und auch Spanien und Portugal zu nennen. 5 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 36; Röh, BKR 2005, 423; Desmond, Capital Markets Law Journal 2007, 79.

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Mit dem am 1.3.2007 in Kraft getretenen Art. 4a ProspektVO wurde daher 264 eine rechtliche Grundlage (und damit ein höheres Maß an Rechtssicherheit1) geschaffen, die es den Aufsichtsbehörden ermöglicht, bei Aktien und übertragbaren Wertpapieren, die Aktien gleichzustellen sind, sowie sonstigen Wertpapieren, für die aufgrund von Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 ProspektVO Angaben gemäß Anhang I ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen sind (Art. 4a Abs. 1 Satz 1 ProspektVO iVm. Art. 4 Abs. 2 ProspektVO), im Fall einer komplexen finanztechnischen Vorgeschichte oder des Eingehens einer bedeutenden finanziellen Verpflichtung, die Aufnahme zusätzlicher Informationen in den Prospekt zu verlangen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass in derartigen Fällen die üblichen Emittentenangaben oft nicht ausreichen, um den Anlegern ein zutreffendes Bild von der Finanzlage und den Aussichten eines Emittenten von Aktien zu verschaffen2. Dabei wurde auch im Rahmen des Art. 4a ProspektVO auf eine starre, abschließende Regelung zugunsten einer möglichst flexiblen Handhabung verzichtet3. Bereits CESR hat sich bei seinen Vorschlägen für den neuen Art. 4a ProspektVO von den Prinzipien der wirtschaftlichen Realität (economic reality), der Wesentlichkeit (materialiy) und der Angemessenheit von Kosten und Nutzen (reasonabiliy) leiten lassen4. b) Komplexe finanztechnische Vorgeschichte Zu den zusätzlichen Informationen, die eine Aufsichtsbehörde nach Art. 4a 265 ProspektVO verlangen kann, gehören insbesondere Angaben, deren Aufnahme aufgrund einer komplexen finanztechnischen Vorgeschichte (complex financial history) des Emittenten geboten sind. Eine komplexe finanztechnische Vorgeschichte liegt gemäß Art. 4a Abs. 4 ProspektVO dann vor, wenn: – die operative Tätigkeit des Emittenten im Zeitpunkt der Prospekterstellung in den gemäß Ziffer 20.1 Anhang I ProspektVO aufzunehmenden historischen Finanzinformationen nicht vollständig dargestellt ist, – diese Unvollständigkeit die Fähigkeit des Anlegers, eine fundierte Beurteilung der Aktien nach Maßgabe von Art. 5 Abs. 1 Prospektrichtlinie vorzunehmen, beinträchtigt und – wenn die betreffenden, für die Beurteilung der Aktien durch den Anleger maßgeblichen Informationen über die operative Tätigkeit Teil der Finanzinformationen eines anderen Unternehmens sind. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Indem auf der Grundlage der in Art. 4a Abs. 4 ProspektVO enthaltenen Definition der komplexen finanztechnischen Vorgeschichte zusätzliche Informationen nur dann verlangt werden können, wenn andernfalls die Fähigkeit des Anlegers, sich 1 2 3 4

Vgl. Erwägungsgrund 3 der Verordnung (EG) Nr. 211/2007. Vgl. Erwägungsgrund 2 der Verordnung (EG) Nr. 211/2007. Vgl. Erwägungsgründe 6, 8 und 9 der Verordnung (EG) Nr. 211/2007. CESR's advice to the European Commission on a possible amendment to Regulation (EC) 809/2004 regarding the historical financial information which must be included in a prospectus v. Oktober 2005, CESR/05-582, Tz. 47-52.

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ein fundiertes Urteil über den Emittenten zu bilden, beeinträchtigt wird, enthält ähnlich wie der Begriff der bedeutenden finanziellen Verpflichtung (Art. 4a Abs. 5 ProspektVO) auch der Begriff der komplexen finanztechnischen Vorgeschichte ein Wesentlichkeitselement1, das im Rahmen der Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde gemäß Art. 4a Abs. 1 ProspektVO zu berücksichtigen ist. 266 Eine abschließende Aufzählung von Fallgestaltungen, die als komplexe finanztechnische Vorgeschichte einzuordnen sind, enthält Art. 4a ProspektVO als prinzipienorientierte, auf Flexibilität ausgerichtete Regelung bewusst nicht2. Typischerweise kommen jedoch insbesondere folgende drei Fallkonstellationen in Betracht (vgl. auch Erwägungsgrund 5)3: – Akquisitionen und sonstige Eingliederungen eines externen Geschäftsfelds bzw. Zusammenfassung mehrerer Geschäftsfelder in einer neu gegründeten oder bestehenden Gesellschaft, – Neugründung einer Holdinggesellschaft als Emittent zwecks Zusammenfassen bzw. Umgliedern von Geschäftsfeldern innerhalb des Konzerns und – Neugründung des Emittenten als eigene Gesellschaft zwecks Ausgliederung bzw. Abspaltung eines zuvor konzerninternen Geschäftsfeldes. Zu beachten ist hierbei, dass im Fall einer Umstrukturierung von Unternehmensbereichen, die innerhalb der darzustellenden drei Geschäftsjahre unter derselben Beherrschung standen, ein sog. kombinierter Abschluss erstellt werden kann (dazu Rz. 272). c) Bedeutende finanzielle Verpflichtungen 267 Zusätzliche Informationen können des Weiteren dann verlangt werden, wenn der Emittent bedeutende finanzielle Verpflichtungen eingegangen ist. Der Begriff der bedeutenden finanziellen Verpflichtungen ist in Art. 4a Abs. 5 ProspektVO definiert. Nach Art. 4a Abs. 5 Satz 1 ProspektVO ist eine Gesellschaft dann eine bedeutende finanzielle Verpflichtung eingegangen, wenn sie eine verbindliche Vereinbarung über eine Transaktion getroffen hat, die nach ihrem Abschluss eine bedeutende Bruttoveränderung bewirken wird. Inwieweit ein Vorvertrag oder ein Letter of Intent eine solche verbindliche Vereinbarung darstellen, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls4. 1 Siehe auch Rz. 264 zu den der Regelung des Art. 4a ProspektVO zugrunde liegenden Prinzipien der Wesentlichkeit und der Angemessenheit von Kosten und Nutzen sowie Erwägungsgrund 2 der Verordnung (EG) Nr. 211/2007. 2 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 75. 3 Böttcher, 5. BaFin-Workshop „Wertpapierprospekte: Prüfungspraxis und Änderungen auf euoropäischer Ebene“, Präsentation „Complex Financial History in der Fallpraxis“ v. 9.11.2009, S. 10; vgl. auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 37 und Schlitt/ Schäfer, AG 2008, 525 (531). 4 Vgl. auch Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (531), die weitergehend davon ausgehen, dass der Abschluss eines Unternehmenserwerbs bei Unterzeichnung eines Letter

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Das Vorliegen einer bedeutenden Bruttoveränderung beurteilt sich nach den- 268 selben Kriterien wie im Fall der Pro-forma-Finanzinformationen (Rz. 222 ff.). Art. 4a Abs. 5 Satz 2 ProspektVO stellt diesbezüglich klar, dass die Verbindlichkeit einer Vereinbarung nicht deshalb entfällt, weil der Abschluss der vereinbarten Transaktion an den Eintritt bestimmter Bedingungen (wie etwa die Zustimmung der Kartellbehörden, vgl. Art. 4a Abs. 5 Unterabs. 2 ProspektVO) geknüpft ist, vorausgesetzt, der Eintritt der Bedingung ist hinreichend wahrscheinlich. Insoweit enthält Art. 4a Abs. 5 Satz 3 ProspektVO die weitere Präzisierung, dass die Abhängigkeit des Abschlusses der Transaktion von dem Ergebnis des Angebots der Wertpapiere ebenso wenig die Verbindlichkeit beeinträchtigt, wie bei einer geplanten Übernahme allein der Umstand, dass das Angebot der Wertpapiere der Finanzierung der Übernahme dient, die Verbindlichkeit in Frage stellen kann.

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d) Aufzunehmende zusätzliche Informationen Bei den aufzunehmenden zusätzlichen Informationen muss es sich gemäß 270 Art. 4a Abs. 1 ProspektVO um Finanzinformationen einer anderen Gesellschaft handeln, die als Finanzinformationen des Emittenten angesehen werden. Welche zusätzlichen Informationen im Einzelfall in den Prospekt aufzunehmen sind, liegt im Ermessen der Aufsichtsbehörde1. Da die zusätzlichen Informationen als Finanzinformationen des Emittenten angesehen werden, richten sich der Inhalt der Finanzinformationen und die anwendbaren Rechnungslegungsgrundsätze regelmäßig nach Ziffer 20.1 Anhang I ProspektVO, dh. es sind grundsätzlich historische geprüfte Finanzinformationen für die letzten 36 Monate aufzunehmen. Ähnlich wie bei Pro-formaFinanzinformationen sind Abweichungen von den Anforderungen nach Ziffer 20.1 Anhang I ProspektVO jedoch gemäß Art. 4a Abs. 2 ProspektVO in folgenden Fällen möglich: a) aufgrund der Wesensart der Wertpapiere, b) aufgrund Art und Umfang der übrigen im Prospekt vorhandenen Informationen und des Vorhandenseins von Finanzinformationen einer anderen Gesellschaft, c) aufgrund der Umstände des Einzelfalls und d) im Hinblick auf die Fähigkeit des Emittenten, sich mit zumutbarem Aufwand Finanzinformationen über eine andere Gesellschaft zu verschaffen (zB bei feindlichen Übernahmen2, aus wettbewerbsrechtlichen Gründen oder bei Nichtvorliegen von Finanzinformationen, wenn die damit für den Emittenten verbundenen Kosten einen potentiellen Nutzen übersteigen3). Hierbei hat die Aufsichtsbehörde das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu beachten und die Zumutbarkeit für Emittenten gegen Aspekte des Anlegerschutzes abzuwägen. of Intent (LOI) häufig hinreichend wahrscheinlich ist, letztlich jedoch ebenfalls unter Hinweis darauf, dass auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen ist. 1 Böttcher, 5. BaFin-Workshop „Wertpapierprospekte: Prüfungspraxis und Änderungen auf europäsicher Ebene“, Präsentation „Complex Financial History in der Fallpraxis“ v. 9.11.2009, S. 17; A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 38. 2 Vgl. Erwägungsgrund 13 der Verordnung (EG) Nr. 211/2007. 3 Vgl. Erwägungsgrund 13 der Verordnung (EG) Nr. 211/2007.

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Die Aufsichtsbehörde hat bei Vorhandensein mehrerer Offenlegungsvarianten, die dem Informationsbedürfnis des Anlegers Rechnung tragen können, diejenige zu wählen, die die kostengünstigste oder die mit dem geringsten Aufwand verbundene Variante darstellt (§ 4a Abs. 2 Satz 2 ProspektVO)1. 271 Bestandteile der zusätzlichen Finanzinformationen können auch als Pro-forma-Finanzinformationen dargestellt werden (Art. 4a Abs. 1 Unterabs. 2 ProspektVO). Im Fall einer bedeutenden finanziellen Verpflichtung werden gemäß Art. 4a Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 ProspektVO Pro-forma-Finanzinformationen erstellt, in denen die Auswirkungen der Transaktion, zu der sich der Emittent verpflichtet hat, antizipiert werden. Dabei wird in Satz 3 desselben Unterabsatzes klargestellt, dass der Begriff „Transaktion“ auch eine solche, bislang nur vereinbarte Transaktion umfasst (zum Transaktionsbegriff bei Pro-forma-Finanzinformationen siehe oben Rz. 221). Werden nach Art. 4a Abs. 1 Unterabs. 2 ProspektVO Pro-forma-Finanzinformationen in den Prospekt aufgenommen, ist dieses grundsätzlich ausreichend, dh. in diesem Fall müssen in der Regel keine weiteren zusätzlichen Informationen aufgenommen werden (vgl. Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EG) Nr. 211/2007). e) Kombinierte Abschlüsse 272 Eine Besonderheit hinsichtlich der aufzunehmenden zusätzlichen Informationen besteht im Fall einer komplexen finanztechnischen Vorgeschichte in Gestalt einer Umgliederung innerhalb eines Konzerns bzw. Ausgliederung von Geschäftsbereichen aus einem Unternehmen. Liegt eine solche Umstrukturierung von Unternehmensbereichen, die für den nach Ziffer 20.1 Anhang I ProspektVO maßgeblichen Zeitraum von drei Geschäftsjahren unter derselben Beherrschung (common control) standen, vor, findet weder die für Pro-forma-Finanzinformationen geltende zeitliche Begrenzung von einem Jahr Anwendung noch sind Pro-forma-Finanzinformationen zu erstellen2. Vielmehr können nach der Verwaltungspraxis in diesen Fällen die tatsächlichen Finanzinformationen der betreffenden Geschäftseinheiten verwendet und in Gestalt eines sog. kombinierten Abschlusses (combined financial statements) zusammengefasst werden3. Gegenüber der Aufnahme 1 Vgl. auch Erwägungsgründe 9 und 13 der Verordnung (EG) Nr. 211/2007 sowie d’Arcy in Holzborn, Art. 4a EU-ProspV Rz. 9. 2 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 40. Nach IAS 27.4 liegt eine Beherrschung dann vor, wenn das Mutterunternehmen die Möglichkeit hat, die Finanz- und Geschäftspolitik des einzubeziehenden Tochterunternehmens so zu bestimmen, dass es aus dessen Tätigkeit Vorteile ziehen kann; zum Begriff der Beherrschung und zur Einbeziehung in den Konsolidierungskreis vgl. Nonnenmacher in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 56 Rz. 66 ff. und Lüdenbach in Lüdenbach/Hoffmann, Haufe IFRS-Kommentar, 8. Aufl. 2010, § 32 Rz. 7 ff. 3 Böttcher, 5. BaFin-Workshop „Wertpapierprospekte: Prüfungspraxis und Änderungen auf euoropäischer Ebene“, Präsentation „Complex Financial History in der Fallpraxis“ v. 9.11.2009, S. 13 f.; Fuchs/Scharnbacher, IRZ 2009, 39 ff.; A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 40.

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einer Vielzahl von Abschlüssen hat eine solche Zusammenfassung jedoch den Vorteil der besseren Übersichtlichkeit und Verständlichkeit. Ein kombinierter Abschluss wird ausschließlich für Prospektzwecke erstellt und stellt nicht einen gesetzlichen Abschluss nach den Rechnungslegungsvorschriften dar. Ein klassisches Beispiel ist die neu gegründete Holding-Gesellschaft1, deren Geschäftstätigkeit sich durch einfache Aufsummierung der einzelnen rechtlichen Einheiten ergibt. Ein kombinierter Abschluss besteht dementsprechend aus einer Aufsummierung testierter Abschlüsse2 (zB der ausgegliederten Geschäftseinheiten). Ein IDW Prüfungsstandard speziell für kombinierte Abschlüsse existiert nicht. Aus deutscher Sicht wird ein kombinierter Abschluss regelmäßig als Gruppenabschluss aufzustellen sein3. Bei einem kombinierten Abschluss handelt es sich um historische Finanzinformationen, für die auch ein Bestätigungsvermerk mit dem Inhalt erteilt werden kann, dass der Abschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt4. Die Anforderungen an Pro-forma-Finanzinformationen finden daher auf kombinierte Abschlüsse keine Anwendung. Dementsprechend können kombinierte Abschlüsse auch für einen Zeitraum von drei Geschäftsjahren erstellt werden5. 9. Dividenden und Dividendenpolitik (Ziffer 20.7) (Schlitt/Schäfer) Nach Anhang I Ziffer 20.7 ProspektVO ist eine Beschreibung der Kriterien, 273 nach denen bislang Dividenden gezahlt wurden, und der erwarteten oder bereits geplanten künftigen Kriterien in den Prospekt aufzunehmen. Die Darstellung erfolgt üblicherweise in einem eigenen Kapitel „Anteiliges Ergebnis und Dividendenpolitik“. Häufig wird sie mit einer Kurzbeschreibung der rechtlichen Voraussetzungen für eine Dividendenzahlung verbunden. Geht der Emittent davon aus, in der näheren Zukunft keinen ausschüttungsfähigen Gewinn zu erzielen oder trotz Gewinnerzielung keine Dividendenzahlungen vorzunehmen, ist hierauf idR hinzuweisen, da Anleger in Aktien neben der künftigen Wertentwicklung der Aktien auch an einer Dividendenzahlung interessiert sind. Daher sind auch etwaige Beschränkungen auf dem Gebiet der Dividendenausschüttung anzugeben. Hierzu zählen vertragliche 1 Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (531). 2 d’Arcy in Holzborn, Art. 4a EU-ProspV Rz. 17. 3 Näher dazu Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F, Rz. 1 ff., die auch auf die – idR eher theoretischen – Unterschiede zwischen dem aus dem US-amerikanischen Rechtsraum stammenden, auf die gemeinsame Beherrschung (common control) abstellenden Konzept der combined financial statements und dem Konzept der einheitlichen Leitung (§ 290 Abs. 1 HGB), das dem Gruppenabschluss zugrunde liegt, hinweisen. 4 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 40; d’Arcy in Holzborn, Art. 4a EU-ProspV Rz. 17. 5 d’Arcy in Holzborn, Art. 4a EU-ProspV Rz. 17; A. Meyer in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 40; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 73.

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Vereinbarungen mit Dritten, typischerweise in Kreditverträgen, nach denen eine Dividendenzahlung nur bei Erreichen bestimmter Kennzahlen zulässig ist (covenants) ebenso wie aktienrechtliche Ausschüttungssperren1. 274 Neben den Kriterien sind nach Anhang I Ziffer 20.7.1 ProspektVO konkrete Zahlenangaben zu dem Betrag der gezahlten Dividende pro Aktie für jedes Geschäftsjahr, für das historische Finanzinformationen im Prospekt enthalten sind, in den Prospekt aufzunehmen. Im Regelfall sind daher die Dividendenzahlungen je Aktie in den drei letzten Geschäftsjahren zu beziffern. Dies erfolgt üblicherweise in Tabellenform zusammen mit dem Ergebnis je Aktie auf nicht-konsolidierter sowie auf konsolidierter Basis für den gleichen Zeitraum. Bei Börsengängen stellt sich häufig das Problem, dass die Geschäftstätigkeit bis kurz vor dem Börsengang von einer GmbH mit einem oder wenigen Geschäftsanteilen betrieben und erst kurz vor dem Börsengang Aktien begeben wurden. Hierauf ist in der Beschreibung der bisherigen Dividendenzahlungen hinzuweisen und darzulegen, ob ausschüttungsfähige Gewinne und ggf. in welcher Gesamthöhe anfielen und ob eine Ausschüttung oder Thesaurierung erfolgte, um dem Anleger überhaupt eine Einschätzung zu ermöglichen. 275 Hat sich die Zahl der ausgegebenen Aktien des Emittenten innerhalb des Zeitraums, für den Angaben zu Dividendenzahlungen aufgenommen werden, verändert, schreibt Anhang I Ziffer 20.7.1 ProspektVO eine Anpassung zu Vergleichszwecken vor. Eine solche Änderung kann etwa auf eine zwischenzeitliche Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln unter Ausgabe neuer Aktien oder die Ausgabe von Mitarbeiteraktien zurückzuführen sein. Über die Berechnungsmethode zur Anpassung zu Vergleichszwecken schweigt Anhang I Ziffer 20.7.1 ProspektVO. Auch der vor Inkrafttreten der ProspektVO anwendbare § 25 Abs. 2 BörsZulV aF enthielt keine Vorgaben zur korrekten Berechnungsmethode2, forderte aber über Anhang I Ziffer 20.7.1 ProspektVO hinaus die Angabe der angewandten Berichtigungsformeln im Prospekt. In der Praxis wird häufig neben der Dividende je zum Tag der Prospektbilligung ausgegeber Aktie die Dividende je zum Bilanzstichtag des jeweiligen Jahres ausgegebener Aktie ausgewiesen. Teilweise wird – was auch zulässig ist – stattdessen auf die durchschnittliche Anzahl der im jüngsten Geschäftsjahr ausstehenden Aktien abgestellt, was der Berechnungsweise nach IAS 33 entspricht. Letzteres hat den Vorteil, dass hierdurch ein Gleichlauf zwischen den Angaben im jeweiligen Konzernabschluss und den Angaben im Hauptteil des Prospekts erreicht wird. 10. Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren, Verwaltungsverfahren (Ziffer 20.8) (Schlitt/Schäfer) 276 Nach dem deutschen Wortlaut der Ziffer 20.8 des Anhangs I ProspektVO sind alle staatlichen Interventionen, Gerichts- oder Schiedsverfahren, die 1 d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 189. 2 Siehe dazu Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 13–32 BörsZulV Rz. 18a.

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anhängig sind, eingeleitet werden könnten oder im Zeitraum der mindestens zwölf letzten Monate bestanden oder abgeschlossen wurden, aufzunehmen. Die BaFin hatte zunächst in vielen Billigungsverfahren mit Hinweis auf den Gesetzeswortlaut beanstandet, dass auf wesentliche Rechtsstreitigkeiten beschränkte Angaben dem gesetzlichen Erfordernis nicht genügen. Der Verweis auf den Wortlaut der Ziffer 20.8 ProspektVO ging jedoch fehl. Wie sich aus der englischen Fassung der ProspektVO ergibt, besteht das Offenlegungserfordernis nur, soweit sich die Auseinandersetzung erheblich auf die Finanzlage oder die Rentabilität des Emittenten und/oder der Gruppe des Emittenten auswirken bzw. in jüngster Zeit ausgewirkt haben. Dieses Verständnis hat sich auch in der deutschen Praxis durchgesetzt1. 11. Wesentliche Veränderungen in der Finanzlage oder der Handelsposition des Emittenten (Ziffer 20.9) (Schlitt/Schäfer) Nach Anhang I Ziffer 20.9 ProspektVO ist jede wesentliche Veränderung in 277 der Finanzlage oder der Handelsposition des Emittenten (ggf. auf konsolidierter Basis), die seit dem Datum des letzten im Prospekt enthaltenen geprüften historischen Abschlusses eingetreten ist, zu beschreiben oder, sollte keine solche Veränderung eingetreten sein, dies ausdrücklich zu erklären (siehe dazu auch die Kommentierung zu Anhang IV Ziffer 8.1 und Anhang XI Ziffer 7.1). Der Wortlaut der Verordnung enthält keinen Hinweis, was unter einer we- 278 sentlichen Veränderung in der Finanzlage zu verstehen ist. Auf Grundlage des übergeordneten Gebots des § 5 Abs. 1 WpPG, alle Angaben in den Prospekt aufzunehmen, die notwendig sind, um dem Publikum die zutreffende Beurteilung der Vermögenswerte, Verbindlichkeiten, Finanzlage, Gewinne und Verluste und Zukunftsaussichten zu ermöglichen, ist daher im Einzelfall zu beurteilen, ob eine Veränderung wesentlich, dh. zur zutreffenden Beurteilung erforderlich, ist. Die Heranziehung eines abstrakten Kriteriums, zB einer prozentualen Abweichung vom zuletzt erzielten Gewinn/Verlust, wäre daher allenfalls als Indiz, nicht aber als abschließende Maßeinheit für eine wesentliche Verändung geeignet2. Der Begriff der Finanzlage ist iS der Ziffer 9.1 des Anhangs I der ProspektVO 279 zu verstehen (siehe dazu oben Ziffer 9 Rz. 92 ff.). Die im Kapitel „Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ diskutierten Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung sowie sonstigen wesentlichen Kennzahlen sind daher zum Zeitpunkt der Prospektbilligung auf wesentliche Veränderungen gegenüber dem Stichtag des letzten in den Prospekt auf1 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 106; d’Arcy/Kahler in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 191. Zum Begriff der erheblichen Auswirkung vgl. Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 222. 2 So auch zu § 8 Abs. 3 VerkProspVO aF Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 1–15 VerkProspV Rz. 9 mwN.

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genommenen geprüften Abschlusses zu prüfen und etwaige wesentliche Veränderungen im Prospekt zu nennen. Soweit in den Prospekt ein (ungeprüfter) Zwischenabschluss aufgenommen wird, ist es für Zwecke der Ziffer 20.9 Anhang I ProspektVO ausreichend, für den von diesem abgedeckten Zeitraum auf die Erläuterungen im Kapitel „Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ zu verweisen und dessen Inhalt allenfalls summarisch wiederzugeben. 280 Unklar verlangt Anhang I Ziffer 20.9 ProspektVO in der deutschen Fassung der ProspektVO zusätzlich Angaben zu wesentlichen Veränderungen in der Handelsposition des Emittenten (ggf. auf konsolidierter Basis). Der Begriff der Handelsposition wird im Anhang I sonst nicht verwendet. Je nach der Art der Geschäftstätigkeit des Emittenten sind hierunter all jene Kennzahlen zu verstehen, die der Emittent zur Messung seines Erfolgs verwendet, die aber nicht unmittelbaren Bezug zur Finanzlage des Emittenten haben. Hierunter fallen beispielsweise die Zahl und das Volumen der Auftragseingänge oder Bestellungen, die Anzahl der Kunden uä. Positionen, zu denen historische Angaben in anderen Prospektkapiteln, insbesondere den Kapiteln „Augewählte Finanzinformationen und Unternehmenskennzahlen“ und „Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“, dargestellt sind. Verwendet der Emittent intern keinerlei derartige Kennzahlen oder Messgrößen, ist eine Negativerklärung abzugeben. 281 Die Angaben zu wesentlichen Veränderungen in der Finanzlage oder der Handelsposition des Emittenten werden in der allgemeinen Marktpraxis in das letzte Prospektkapitel vor dem Glossar und der Unterschriftsseite aufgenommen („Angaben über den jüngsten Geschäftsgang und die Geschäftsaussichten“). Sie ergänzen sich mit den dort geschilderten Angaben gemäß Anhang I Ziffer 12.1 ProspektVO.

XXII. Zusätzliche Angaben (Ziffer 21) (Schlitt/Schäfer) 21. 21.1.

Zusätzliche Angaben Aktienkapital Aufzunehmen sind die folgenden Angaben zum Stichtag der jüngsten Bilanz, die Bestandteil der historischen Finanzinformationen sind: 21.1.1. Betrag des ausgegebenen Kapitals und für jede Kategorie des Aktienkapitals: a) Zahl der zugelassenen Aktien; b) Zahl der ausgegebenen und voll eingezahlten Aktien sowie der ausgegebenen, aber nicht voll eingezahlten Aktien; c) Nennwert pro Aktie bzw. Meldung, dass die Aktien keinen Nennwert haben; und

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21.1.2.

21.1.3.

21.1.4.

21.1.5.

21.1.6.

21.1.7.

21.2. 21.2.1.

21.2.2.

21.2.3. 21.2.4.

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d) Abstimmung der Zahl der Aktien, die zu Beginn und zu Ende des Geschäftsjahres noch ausstehen. Wurde mehr als 10 % des Kapitals während des Zeitraums, der von den historischen Finanzinformationen abgedeckt wird, mit anderen Aktiva als Barmitteln finanziert, so ist dieser Umstand anzugeben. Sollten Aktien vorhanden sein, die nicht Bestandteil des Eigenkapitals sind, so sind die Anzahl und die wesentlichen Merkmale dieser Aktien anzugeben. Angabe der Anzahl, des Buchwertes sowie des Nennwertes der Aktien, die Bestandteil des Eigenkapitals des Emittenten sind und die vom Emittenten selbst oder in seinem Namen oder von Tochtergesellschaften des Emittenten gehalten werden. Angabe etwaiger wandelbarer Wertpapiere, umtauschbarer Wertpapiere oder Wertpapiere mit Optionsscheinen, wobei die geltenden Bedingungen und Verfahren für die Wandlung, den Umtausch oder die Zeichnung darzulegen sind. Angaben über eventuelle Akquisitionsrechte und deren Bedingungen und/oder über Verpflichtungen in Bezug auf genehmigtes, aber noch nicht geschaffenes Kapital oder in Bezug auf eine Kapitalerhöhung. Angaben über das Kapital eines jeden Mitglieds der Gruppe, worauf ein Optionsrecht besteht oder bei dem man sich bedingt oder bedingungslos darauf geeinigt hat, dieses Kapital an ein Optionsrecht zu knüpfen, sowie Einzelheiten über derlei Optionen, die auch jene Personen betreffen, die diese Optionsrechte erhalten haben. Die Entwicklung des Aktienkapitals mit besonderer Hervorhebung der Angaben über etwaige Veränderungen, die während des von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraums erfolgt sind. Satzung und Statuten der Gesellschaft Beschreibung der Zielsetzungen des Emittenten und an welcher Stelle sie in der Satzung und den Statuten der Gesellschaft verankert sind. Zusammenfassung etwaiger Bestimmungen der Satzung und der Statuten des Emittenten sowie der Gründungsurkunde oder sonstiger Satzungen, die die Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane betreffen. Beschreibung der Rechte, Vorrechte und Beschränkungen, die an jede Kategorie der vorhandenen Aktien gebunden sind. Erläuterung, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Rechte der Inhaber von Aktien zu ändern, wobei die Fälle anzugeben sind, in denen die Bedingungen strenger ausfallen als die gesetzlichen Vorschriften.

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21.2.5. Beschreibung der Art und Weise, wie die Jahreshauptversammlungen und die außerordentlichen Hauptversammlungen der Aktionäre einberufen werden, einschließlich der Teilnahmebedingungen. 21.2.6. Kurze Beschreibung etwaiger Bestimmungen der Satzung und der Statuten des Emittenten sowie der Gründungsurkunde oder sonstiger Satzungen, die u.U. eine Verzögerung, einen Aufschub oder sogar die Verhinderung eines Wechsels in der Kontrolle des Emittenten bewirken. 21.2.7. Angabe (falls vorhanden) etwaiger Bestimmungen der Satzung und der Statuten des Emittenten sowie der Gründungsurkunde oder sonstiger Satzungen, die für den Schwellenwert gelten, ab dem der Aktienbesitz offen gelegt werden muss. 21.2.8. Darlegung der Bedingungen, die von der Satzung und den Statuten des Emittenten sowie der Gründungsurkunde oder sonstigen Satzungen vorgeschrieben werden und die die Veränderungen im Eigenkapital betreffen, sofern diese Bedingungen strenger sind als die gesetzlichen Vorschriften. 1. Angaben über das Kapital 282 Anhang I Ziffer 21.1 ProspektVO fordert die Aufnahme umfangreicher Informationen über das Kapital der Gesellschaft. Diese Angaben sind üblicherweise im Prospektkapitel „Angaben über das Kapital und anwendbare Vorschriften“ enthalten. 283 Als Stichtag, zu dem die Angaben in den Prospekt aufgenommen werden müssen, nennt Anhang I Ziffer 21.1 ProspektVO den Stichtag der jüngsten Bilanz, die Bestandteil der in den Prospekt aufgenommenen historischen Finanzinformationen ist. Sofern zwischenzeitlich wesentliche Änderungen stattgefunden haben, zB wenn zwischenzeitlich eine Kapitalerhöhung durchgeführt wurde, sind die daraus resultierenden, aktuellen Zahlen jedoch aufgrund des übergeordneten Prinzips der Richtigkeit und Vollständigkeit ebenfalls anzugeben. Regelmäßig wird daher im Prospekt auf den Zeitpunkt der Prospektbilligung abgestellt. 284 Nach Anhang I Ziffer 21.1.1 ProspektVO sind der Betrag des ausgegebenen Kapitals (das Grundkapital) sowie die Zahl der Aktien, in die das Grundkapital eingeteilt ist, zu nennen. Nach Anhang I Ziffer 21.1.1 lit. a ist darüber hinaus – wie sich aus der englischen Fassung ergibt (number of shares authorized) – das genehmigte Kapital darzustellen1. Sind ausgegebene Aktien nicht voll eingezahlt, ist hierauf hinzuweisen. Nach § 10 Abs. 2 AktG ist bei deutschen Aktiengesellschaften eine Teileinzahlung nur bei Namensaktien möglich und ist in der Praxis selten anzutreffen. Darüber hinaus sind der Nennbetrag bzw. der anteilige Betrag am Grundkapital anzu1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 419; Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 193.

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geben. Anhang I Ziffer 21.1.1 lit. d Satz 1 ProspektVO hat in Deutschland keinen Anwendungsfall, da das deutsche Recht zwar über das Institut des genehmigten Kapitals verfügt, aber das Konzept der ausstehenden Aktien nicht kennt. Satz 2 ist hingegen häufig anwendbar. Typische Fälle einer Finanzierung von Aktien mit anderen Aktiva als Barmitteln sind in dem von den historischen Finanzinformationen im Prospekt abgedeckten Zeitraum durchgeführte Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln und Kapitalerhöhungen gegen Sacheinlage, zB bei Einbringung von Gesellschaftsanteilen im Zuge einer Akquisition. Anhang I Ziffer 21.1.2 ProspektVO hat in Deutschland keinen Anwendungsbereich.

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Anhang I Ziffer 21.1.3 ProspektVO fordert die Angabe der Anzahl eigener 286 Aktien, die der Emittent, Dritte in seinem Namen oder Tochtergesellschaften halten, deren Buchwert sowie Nennbetrag bzw. anteiligen Betrag am Grundkapital. Insofern besteht eine Diskrepanz zu den weitergehenden Zurechnungstatbestände des § 22 WpHG (zB hinsichtlich dinglicher Optionen). Da nach Anhang I Ziffer 21.1.3 ProspektVO in erster Linie offen zu legen ist, wie viele Aktien an Dritte ausgegeben und damit grundsätzlich stimmberechtigt sind, ist für die Auslegung der Ziffer 21.1.3 nicht auf die weitergehenden Zurechnungstatbestände des § 22 WpHG, sondern aufgrund ähnlicher Formulierung auf die Auslegungsgrundsätze zu § 71d AktG abzustellen1. Danach zählen zu den eigenen Aktien, aus denen dem Emittent nach § 71b AktG keine Rechte zustehen, auch solche Aktien, die ein abhängiges oder ein im Mehrheitsbesitz des Emittenten stehendes Unternehmen oder ein Dritter, der im eigenen Namen, jedoch für Rechnung eines abhängigen oder im Mehrheitsbesitz des Emittenten stehenden Unternehmens handelt, hält2. Nach Anhang I Ziffer 21.1.4 ProspektVO sind Angaben über solche Wert- 287 papiere zu machen, die zu einem Wandel oder Umtausch in Aktien des Emittenten berechtigen, insbesondere Wandelanleihen, Umtauschanleihen und Optionsanleihen, sowie die Bedingungen und Modalitäten für den Erhalt von Aktien. Es sind solche Wertpapiere zu beschreiben, die der Emittent direkt oder indirekt begeben hat3. Aus der Stellung der Vorschrift im Zusammenhang mit Angaben zur Anzahl ausgegebener Aktien und nicht zur Aktionärsstruktur ergibt sich, dass von Dritten emittierte Wertpapiere, die zum Umtausch in (bereits ausgegebene) Aktien des Emittenten berechtigen, nach richtiger Auffassung nicht zwingend anzugeben sind. Ebenso ist im Falle einer Umtauschanleihe keine Angabe zu den Aktien des Dritten, zu deren Erwerb die Umtauschanleihe berechtigt, erforderlich. Eine Nachforschungspflicht kann dem Emittenten insofern nicht aufgebürdet werden.

1 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 195. 2 Hüffer, 9. Aufl. 2010, § 71d AktG Rz. 1. 3 Zur indirekten Begebung Schlitt/Hemeling in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 10 Rz. 47 mwN.

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288 Nach Anhang I Ziffer 21.1.5 ProspektVO sind Angaben zum genehmigten und bedingten Kapital in den Prospekt aufzunehmen. Dabei sind die Voraussetzungen, an die die Schaffung neuer Aktien geknüpft ist, in Übereinstimmung mit dem Inhalt des entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses im Prospekt wiederzugeben, um den Anleger über die Modalitäten und einen etwaigen Schutz vor Verwässerung seiner Beteiligung zu informieren. Darüber hinaus sind bestehende Akquisitionsrechte, die zum Erwerb von Aktien berechtigen, (zB Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, Optionen) zu nennen. Insoweit überschneidet sich der Anwendungsbereich von Anhang I Ziffer 21.1.5 und Ziffer 21.1.4 ProspektVO, da die CESR-Empfehlungen als solche Akquisitionsrechte ausdrücklich Rechte zum Erwerb neuer Aktien aus Wandel- und Optionsanleihen nennen1. 289 In Überschneidung mit den bereits genannten Akquisitionsrechten fordert Anhang I Ziffer 21.1.6 ProspektVO eine Prospektangabe, inwiefern Optionsrechte auf Aktien des Emittenten oder das Kapital eines anderen Mitglieds seiner „Gruppe“ (zum Begriff der Gruppe siehe oben Ziffer 7 Rz. 74) bestehen. Hierzu zählen auch Angaben über die Optionsinhaber, wobei eine Zusammenfassung nach Kategorien, zB Vorstandsmitglieder, Mitarbeiter, Dritte etc., an die diese ausgegeben wurden2, unter Angabe etwaiger Beschränkungen ihrer Weiterveräußerung, ausreichend sind. Aufgrund des Interesses des Anlegers, zu erfahren, unter welchen Bedingungen seine Beteiligung verwässert werden kann, sind darüber hinaus summarisch die Bedingungen, an die die Ausübung der Optionsrechte geknüpft ist (Frist, Ausübungspreis), sowie der Erwerbspreis zu nennen3. Die Angabe einer Spanne ist insofern ausreichend4. 290 Nach Anhang I Ziffer 21.1.7 ProspektVO ist eine Schilderung der Entwicklung des Grundkapitals in den Prospekt aufzunehmen, wobei die Entwicklung innerhalb des von den im Prospekt enthaltenen historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraums besonders hervorzuheben ist. Aufgrund der umfassenden Natur dieser Angaben ist der Abschnitt „Entwicklung des Grundkapitals“ regelmäßig der erste Abschnitt innerhalb des Prospektkapitels „Angaben zum Kapital und anwendbare Vorschriften“. Der Formulierung, dass Angaben zur Entwicklung während des von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraums besonders hervozuheben sind, lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass auch Angaben über frühere Zeiträume in den Prospekt aufzunehmen sind. Regelmäßig ist daher eine überblicksartige Schilderung des bei der Gründung bestehenden Grundkapitals sowie sämtlicher wesentlicher Kapitalveränderungen seit der Gründung in den Prospekt aufzunehmen. Was die vom Verordnungswortlaut geforderte Hervorhebung der Entwicklung während des von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraums anbelangt, emp1 2 3 4

CESR/05-054b, Rz. 150. CESR/05-054b, Rz. 152. CESR/05-054b, Rz. 151. CESR/05-054b, Rz. 152.

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fiehlt CESR die Aufnahme der Gründe für die Veränderung der Grundkapitalziffer sowie ggf. die Angabe, dass eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage erfolgte1. 2. Anwendbare Vorschriften Anhang I Ziffer 21.2 ProspektVO trägt die Überschrift „Satzung und Statu- 291 ten“. Würde man sich ausschließlich an diesem Wortlaut orientieren, wären die in den Unterziffern geforderten Angaben nur insoweit erforderlich, als sich hierzu Regelungen in der Satzung des Emittenten und ihren Statuten (Geschäftsordnungen von Vorstand und Aufsichtsrat) finden. Da das deutsche Aktiengesetz umfassende Regelungen zu den mit dem Aktienbesitz verbundenen Rechten enthält, enthalten die Satzungen deutscher Aktiengesellschaften zu einigen der in Anhang I Ziffer 21.2 ProspektVO genannten Punkten meist keine oder spärliche Regelungen. Es entspricht daher der ständigen Praxis, in das Prospektkapitel „Angaben über das Kapital und anwendbare Vorschriften“ über etwaige Satzungsbestimmungen hinaus die gesetzlich vorgesehenen Regelungen zu den in Anhang I Ziffer 21.2 ProspektVO genannten Themen kurz zusammenzufassen. Da es sich dabei um emittentenunspezifische Bestimmungen handelt, sind die entsprechenden Prospektabschnitte weitgehend standardisiert. Anhang I Ziffer 21.2.1 ProspektVO fordert eine Beschreibung der Zielsetzung des Emittenten und an welcher Stelle seiner Satzung und Statuten sie verankert ist. Es handelt sich im deutschen Recht um die Wiedergabe des Unternehmensgegenstands und der entsprechenden Bestimmung der Satzung (siehe dazu § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG), in der er enthalten ist. Diese Angabe erfolgt im Prospekt regelmäßig im Kapitel „Allgemeine Informationen über die Gesellschaft“, das dem Kapitel „Angaben über das Kapital und anwendbare Vorschriften“ regelmäßig vorangestellt wird.

292

Die von Anhang I Ziffer 21.2.2 ProspektVO geforderte Zusammenfassung etwaiger Bestimmungen der Satzung und Statuten, die die Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane betreffen, finden sich im Prospekt regelmäßig im Kapitel „Angaben über die Organe der Gesellschaft“. Hierbei handelt es sich typischerweise um Angaben zur Größe und Besetzungsmodalitäten des Vorstands- und Aufsichtsrats und der Verfahrensvorschriften und Zustimmungserfordernisse, die in ihren Geschäftsordnungen geregelt sind. Um die Rechte und Pflichten der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, die regelmäßig nicht abschließend in der Satzung und den Geschäftsordnungen niedergelegt sind, vollständig darzustellen, wird diese Darstellung typischerweise durch die Schilderung der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben ergänzt. Hinzu kommen die von Ziffer 14, 15 und 16 des Anhangs I ProspektVO geforderten Angaben.

293

1 CESR/05-054b, Rz. 153/154.

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294 Nach Anhang I Ziffer 21.2.3 ProspektVO sind die Rechte, Vorrechte und Beschränkungen, die an jede Kategorie vorhandener Aktien gebunden sind, im Prospekt zu schildern. Diese Angabe erfolgt typischerweise im Kapitel „Angaben über das Kapital und anwendbare Vorschriften“. Kategorie vorhandener Aktien meint in Deutschland insbesondere die in der Satzung vorgesehenen Aktiengattungen, § 11 AktG. Typischerweise handelt es sich dabei um eine Schilderung der Unterschiede zwischen Stamm- und Vorzugsaktien, sofern die Gesellschaft zwei entsprechende Gattungen ausgegeben hat. Um unterschiedliche Kategorien handelt es sich darüber hinaus bei sog. Tracking Stocks, dh. Emittenten, deren Aktien unterschiedlichen Unternehmensbereichen zugeordnet sind1. Handelt es sich beim Emittenten um eine KGaA ist neben der Schilderung der Aktien auch auf die Kommanditanteile und die mit ihnen verbundenen Rechte und sich daraus ergebende Unterschiede für Anleger in Aktien einer AG einzugehen2. 295 Ist nur eine „Kategorie von Aktien“ vorhanden, sind auch deren Rechte und Beschränkungen der Rechte anzugeben. Prospekte enthalten daher typischerweise weitgehend standardisierte Abschnitte zu den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen, die im Falle einer Liquidation, hinsichtlich der Stimmrechte, Dividenden- und Bezugsrechte, und hinsichtlich obligatorischer Übernahmeangebote sowie dem Ausschluss von Minderheitsaktionären gelten, einschließlich der von Anhang I Ziffer 21.2.4 ProspektVO geforderten Erläuterung der Maßnahmen, die zur Änderung der jeweiligen Rechte erforderlich sind3. Hat der Emittent vinkulierte Namensaktien ausgegeben, ist auf die Beschränkung ihrer Veräußerung einzugehen. So ist im Falle von Luftverkehrsunternehmen auf die Beschränkungen durch das Luftverkehrsnachweissicherungsgesetz (LuftNaSiG) einzugehen4. Werden die Aktien zum Börsenhandel zugelassen ist zusätzlich anzugeben, wie die freie Handelbarkeit der vinkulierten Namensaktien gewährleistet wird. 296 Nach Anhang I Ziffer 21.2.5 ProspektVO sind die Modalitäten der Einberufung einer Hauptversammlung zu schildern, wobei selten Unterschiede zwischen denen einer ordentlichen und einer außerordentlichen Hauptversammlung bestehen dürften. Diese Angaben finden sich regelmäßig im Prospektkapitel „Angaben über die Organe der Gesellschaft“, ergänzt um eine Zusammenfassung der Befugnisse und Aufgaben der Hauptversammlung.

1 In Deutschland wurde bislang erst ein Wertpapierprospekt eines Emittenten mit sog. Tracking Stocks veröffentlicht; Prospekt der Hamburger Hafen und Logistik AG v. 19.10.2007. Zu Tracking Stocks vgl. Natusch, DB 1997, 1141; Breuninger/ Krüger in FS Welf Müller, 2001, S. 527; Friedl, BB 2002, 1157; Friedl, Finance 2008, 20; Fuchs, ZGR 2003, 167; Sieger/Hasselbach, AG 2001, 391; Sieger/Hasselbach, M&A 2001, 381; Wunsch, FB 2004, 76. 2 Alfes/Wieneke in Holzborn, Anh. I EU-ProspV Rz. 202. 3 Die Aufnahme dieser Angaben in den Prospekt wird von CESR empfohlen, CESR/05-054b, Rz. 155. 4 So zB (nach altem Prospektrecht) im Prospekt der Deutsche Lufthansa AG v. 1.6.2004, S. 115 f.

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Für die Ziffer 21.2.6 des Anhangs I ProspektVO besteht aufgrund der grund- 297 sätzlichen Neutralitätspflicht des Vorstandes einer von einem Übernahmeangebot betroffenen Emittenten nach § 33 WpÜG idR kein Anwendungsbereich. Auch Anhang I Ziffer 21.2.7 ProspektVO, wonach in der Satzung oder sonstigen Statuten des Emittenten niedergelegte Schwellenwerte, ab denen Aktionäre ihren Aktienbesitz offen legen müssen, anzugeben sind, findet in Deutschland mangels entsprechender Satzungsregelungen regelmäßig keine Anwendung. Stattdessen werden die gesetzlichen Regeln des Wertpapierhandelsgesetzes (§§ 21 ff. WpHG) bzw., sofern es sich nicht um eine börsennotierte Gesellschaft handelt, des Aktiengesetzes (§§ 20 ff. AktG), im Prospekt unter „Angaben über das Kapital und anwendbare Vorschriften“ geschildert.

298

Nach Anhang I Ziffer 21.2.8 ProspektVO sind die Bedingungen, die die Satzung und Statuten des Emittenten über die gesetzlichen Vorschriften hinaus an die Veränderung des Eigenkapitals knüpfen, in den Prospekt aufzunehmen. Typischerweise sind keine über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden Bedingungen vorgesehen, so dass im Prospekt summarisch die im Aktiengesetz vorgesehenen Bedingungen, insbesondere erforderliche Mehrheiten in der Hauptversammlung, genannt sind.

299

XXIII. Wesentliche Verträge (Ziffer 22) (Schlitt/Schäfer) 22. Wesentliche Verträge Zusammenfassung jedes in den letzten beiden Jahren vor der Veröffentlichung des Registrierungsformulars abgeschlossenen wesentlichen Vertrages (bei denen es sich nicht um jene handelt, die im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit abgeschlossen wurden), bei dem der Emittent oder ein sonstiges Mitglied der Gruppe eine Vertragspartei ist. Zusammenfassung aller sonstigen zum Datum des Registrierungsformulars bestehenden Verträge (bei denen es sich nicht um jene handelt, die im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit abgeschlossen wurden), die von jedem Mitglied der Gruppe abgeschlossen wurden und eine Bestimmung enthalten, der zufolge ein Mitglied der Gruppe eine Verpflichtung oder ein Recht erlangt, die bzw. das für die Gruppe von wesentlicher Bedeutung ist. 1. Wesentlichkeitsschwelle für einzelne Verträge Sind einzelne Verträge von solcher Wesentlichkeit für die Geschäftstätigkeit des Emittenten, dass ihre Existenz von Bedeutung für die zutreffende Beurteilung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, der Finanzlage, der Gewinne und Verluste oder der Zukunftsaussichten des Emittenten (ggf. auf konsolidierter Basis) sind, so sind Einzelheiten zu diesen Verträgen nach Anhang I Ziffer 22 Satz 1 ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen. Der

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Wortlaut der Vorschrift erfasst ausdrücklich lediglich innerhalb der beiden letzten Jahre vor Prospektveröffentlichung vom Emittenten oder einem Unternehmen seines Konzerns (siehe dazu oben Ziffer 7 Rz. 74 ff.) abgeschlossene Verträge sowie solche, die außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit abgeschlossen wurden. Aufgrund des übergeordneten Prinzips der Richtigkeit und Vollständigkeit iS des § 5 Abs. 1 WpPG sind darüber hinausgehend aber auch andere Verträge darzustellen, die die vorgenannten Voraussetzungen erfüllen. Typischerweise sind im Abschnitt „Wesentliche Verträge“, der regelmäßig Teil des Prospektskapitels „Geschäftstätigkeit“ ist, Verträge darzustellen, die für die Geschäftstätigkeit des Emittenten von großer Bedeutung sind und bei deren Wegfall kurzfristig kein Ersatz beschafft werden könnte. Hierzu zählen einzelne Lieferverträge für unabdingbar zur Produktion erforderliche Güter, wenn der Vertragspartner ein (Quasi-)Monopol beansprucht, großvolumige Finanzierungsverträge, Lizenzvereinbarungen, die dem Emittenten die Fertigung seines Hauptprodukts gestatten, etc. 301 Zu solchen wesentlichen Verträgen ist deren Existenz, Laufzeit und Kündigungsmöglichkeiten (insbesondere der Vertragsgegenseite) anzugeben sowie ggf. sog. Change-of-Control-Klauseln, dh. Klauseln, die im Zuge einer Änderung der Eigentümerstruktur des Emittenten, zB durch eine Kapitalerhöhung, zu einem Kündigungsrecht des Vertragspartners führen1. 302 Etwaig vereinbarte Vertraulichkeitserklärungen befreien nicht von der Veröffentlichung wesentlicher Informationen, so dass bei Abschluss einer entsprechenden Vertraulichkeitsvereinbarung eine Zustimmung des Vertragspartners zur Veröffentlichung bestimmter wesentlicher Informationen im Prospekt einzuholen ist. Häufig decken Vertraulichkeitsvereinbarungen jedoch ohnehin nur die vereinbarte Vergütung ab, an deren Angabe im Prospekt regelmäßig kein begründetes Anlegerinteresse besteht2. 303 Ist nicht ein einzelner Vertrag, sondern eine Mehrzahl gleichartiger Verträge von Bedeutung, können diese in Kategorien zusammengefasst und typische Bestimmungen dargelegt werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn mehrere Lieferverträge über Produktionsgüter mit verschiedenen Lieferanten bestehen. 2. Beschreibung der sonstigen Vertragsbeziehungen 304 Anhang I Ziffer 22 Satz 2 ProspektVO erfordert eine Zusammenfassung aller sonstigen Vertragsbeziehungen, die nicht im Rahmen der üblichen Ge1 Dauner-Lieb, DB 2008, 567; Dreher, AG 2002, 214; Kort, AG 2006, 106. Dazu, dass nicht der gesamte Vertragsinhalt wiederzugeben ist, siehe auch CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 73. 2 Für eine allgemeine Beschreibung auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 437.

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schäftstätigkeit abgeschlossen wurden und ein Recht oder eine Verpflichtung begründen, das für den Emittenten bzw. die Gruppe von wesentlicher Bedeutung ist. Sollten solche nicht bestehen, ist ein Negativtestat hierzu nicht erforderlich1.

XXIV. Angaben von Seiten Dritter, Erklärung von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen (Ziffer 23) (Schlitt/Schäfer) 23.

Angaben von Seiten Dritter, Erklärung von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen 23.1. Wird in das Registrierungsformular eine Erklärung oder ein Bericht einer Person aufgenommen, die als Sachverständiger handelt, so sind der Name, die Geschäftsadresse, die Qualifikationen und – falls vorhanden – das wesentliche Interesse am Emittenten anzugeben. Wurde der Bericht auf Ersuchen des Emittenten erstellt, so ist eine diesbezügliche Erklärung dahingehend abzugeben, dass die aufgenommene Erklärung oder der aufgenommene Bericht in der Form und in dem Zusammenhang, in dem sie bzw. er aufgenommen wurde, die Zustimmung von Seiten der Person erhalten hat, die den Inhalt dieses Teils des Registrierungsformulars gebilligt hat. 23.2. Sofern Angaben von Seiten Dritter übernommen wurden, ist zu bestätigen, dass diese Angaben korrekt wiedergegeben wurden und dass – soweit es dem Emittenten bekannt ist und er aus den von diesem Dritten veröffentlichten Informationen ableiten konnte – keine Tatsachen unterschlagen wurden, die die wiedergegebenen Informationen unkorrekt oder irreführend gestalten würden. Darüber hinaus ist/sind die Quelle(n) der Informationen anzugeben. Zu Anhang I Ziffer 23 ProspektVO siehe die Kommentierung zu Anhang III Ziffer 10.3 und 10.4.

XXV. Einsehbare Dokumente (Ziffer 24) (Schlitt/Schäfer) 24. Einsehbare Dokumente Abzugeben ist eine Erklärung dahingehend, dass während der Gültigkeitsdauer des Registrierungsformulars ggf. die folgenden Dokumente oder deren Kopien eingesehen werden können: a) die Satzung und die Statuten des Emittenten; b) sämtliche Berichte, Schreiben und sonstigen Dokumente, historischen Finanzinformationen, Bewertungen und Erklärungen, die von einem Sachverständigen auf Ersuchen des Emittenten abgegeben wur-

1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 439.

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den, sofern Teile davon in das Registrierungsformular eingeflossen sind oder in ihm darauf verwiesen wird; c) die historischen Finanzinformationen des Emittenten oder im Falle einer Gruppe die historischen Finanzinformationen für den Emittenten und seine Tochtergesellschaften für jedes der Veröffentlichung des Registrierungsformulars vorausgegangenen beiden letzten Geschäftsjahre. Anzugeben ist auch, wo in diese Dokumente entweder in Papierform oder auf elektronischem Wege Einsicht genommen werden kann. 1. Inhalt und Standort der abzugebenden Erklärung 306 Die Erklärung über einsehbare Dokumente nach Anhang I Ziffer 24 ProspektVO wird üblicherweise im Prospektkapitel „Allgemeine Informationen“ unter einer eigenen Zwischenüberschrift abgegeben. 307 Ausreichend wäre nach dem Wortlaut eine Erklärung, die die relevanten, in den Buchstaben a bis c genannten Dokumente beschreibt. In der Praxis hat sich jedoch die konkrete Auflistung der bereitgehaltenen Dokumente durchgesetzt. 308 Anzugeben ist der Ort, an dem die Dokumente eingesehen werden können sowie die Form, in der die Einsichtnahme erfolgen kann. Als Ort wird üblicherweise der Sitz des Emittenten gewählt, an dem die Dokumente zumeist in Papierform zur Verfügung gestellt werden. Möglich wäre aber auch eine elektronische Bereitstellung über die Internetseite des Emittenten. 2. Bereit zu haltende Dokumente 309 Wird im Einklang mit der Praxis eine konkrete Auflistung der bereitgehaltenen Dokumente wiedergegeben, so ist darauf zu achten, dass alle in den Buchstaben a bis c genannten Kategorien abgedeckt sind. Eine deutsche Aktiengesellschaft als Emittent muss daher im Regelfall ihre Satzung, die im Prospekt abgedruckten Konzern- und Einzelabschlüsse sowie etwaige in den Prospekt aufgenommene Sachverständigengutachten, also zB das Wertgutachten im Falle einer Immobiliengesellschaft (siehe dazu die Kommentierung zu Anhang XIX), nennen1. Die in Buchstabe c genannten historischen Finanzinformationen des Emittenten, im Falle einer Gruppe die konsolidierten Finanzinformationen der letzten zwei Jahre, dürften in der Regel keinen eigenen Anwendungsbereich neben den schon von Buchstabe b erfassten Abschlüssen haben, da im Prospekt grundsätzlich die Abschlüsse der letzten drei Jahre wiedergegeben werden müssen (siehe dazu die Kommentierung zu Anhang I Ziffer 20.1 ProspektVO). 1 Klarstellend hierzu CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 72.

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Die Einschränkung „ggf.“ soll lediglich verdeutlichen, dass nur existente 310 Dokumente erfasst sind1. Sie begründet kein Wahlrecht des Emittenten, die genannten Kategorien von Dokumenten einsehbar zu halten. Üblicherweise wird die Erklärung nach Anhang I Ziffer 24 ProspektVO durch einen freiwilligen Hinweis auf die Erhältlichkeit künftiger Geschäftsund Zwischenberichte des Emittenten ergänzt.

311

XXVI. Angaben über Beteiligungen (Ziffer 25) (Schlitt/Schäfer) 25. Angaben über Beteiligungen Beizubringen sind Angaben über Unternehmen, an denen der Emittent einen Teil des Eigenkapitals hält, dem bei der Bewertung seiner eigenen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage voraussichtlich eine erhebliche Bedeutung zukommt. 1. Inhalt Unternehmen, an denen der Emittent einen Teil des Eigenkapitals hält, 312 dem bei der Bewertung seiner eigenen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage voraussichtlich eine erhebliche Bedeutung zukommt, werden von der ProspektVO nicht definiert. Nach den CESR-Empfehlungen2 sind solche Unternehmen erfasst, an denen der Emittent eine direkte oder indirekte Beteiligung hält, deren Buchwert mindestens 10 % des Eigenkapitals des Emittenten beträgt oder aus der der Emittent mindestens 10 % seines Gewinns oder Verlustes erzielt. Ist der Emittent eine Konzernobergesellschaft, tritt an die Stelle dieser Kritierien die Schwelle von mindestens 10 % des Konzernnettovermögens bzw. 10 % des Konzernreingewinns/-verlusts. Aus der Wendung „jedenfalls“ ergibt sich, dass auch andere Beteiligungen, die für die Bewertung des Emittenten von erheblicher Bedeutung sind, ebenfalls erfasst sein können. Dies ist etwa der Fall, wenn sie strategische Bedeutung für das Unternehmen haben. Für diese Beteiligungsgesellschaften sehen die CESR-Empfehlungen den folgenden Katalog in den Prospekt aufzunehmender Angaben vor3: a) Name und Sitz der Beteiligungsgesellschaft b) Unternehmensgegenstand c) Vom Emittenten gehaltener Anteil des Kapitals und der Stimmrechte (sofern verschieden) d) Grundkapital e) Rückstellungen

1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang I EU-ProspektVO Rz. 451. 2 CESR/05-054b, Rz. 161. 3 CESR/05-054b, Rz. 160.

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f) Gewinn bzw. Verlust aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit nach Steuern für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr g) Buchwert der vom Emittenten gehaltenen Beteiligung, mit der er die Beteiligung bewertet h) noch ausstehende Einzahlungen auf die Beteiligung i) im letzten Geschäftsjahr erhaltene Dividendenzahlungen j) Verschuldung des Emittenten gegenüber der Beteiligungsgesellschaft und umgekehrt. 314 Dieser Katalog stellt keine strikte Vorgabe dar, sondern lediglich eine Empfehlung, von der nach den CESR-Empfehlungen nach Einschätzung des Emittenten im Einzelfall insbesondere abgewichen werden kann, wenn die Beteiligung nur vorübergehend gehalten wird1. Die nach Buchstabe e und f aufzunehmenden Angaben können entfallen, wenn die Beteiligungsgesellschaft ihrerseits keinen Jahresabschluss veröffentlicht2. Die Angaben nach Buchstaben d bis j können entfallen, wenn der Emittent einen Konzernabschluss veröffentlicht und die Beteiligungsgesellschaft voll oder nach der Equity-Methode konsolidiert wird und die Bewertung der Beteiligung at equity im Konzernabschluss des Emittenten offen gelegt wird, sofern diese Angaben nicht erforderlich sind, um eine wahrscheinliche Irreführung des Publikums zu verhindern3. Ist letztere Voraussetzung erfüllt, kann im Einzelfall auch auf die Angaben nach Buchstaben g und j verzichtet werden4. 2. Darstellung 315 Insbesondere bei einer Vielzahl von Beteiligungsgesellschaften, die die genannten Kriterien erfüllen, hat sich eine tabellarische Wiedergabe der von CESR empfohlenen Angaben im Prospekt eingebürgert. Sie erfolgt üblicherweise im Prospektkapitel „Allgemeine Informationen über die Gesellschaft“ im Anschluss an die Darstellung der Konzernstruktur. 3. Angaben zu anderen Beteiligungsgesellschaften 316 Über den Wortlaut der Ziffer 25 des Anhangs I ProspektVO hinaus fordert CESR in Zusammenhang mit den Angaben zu wesentlichen Beteiligungsgesellschaften auch für andere (nicht wesentliche) Beteiligungsgesellschaften die Angabe des Namens, des Sitzes und des gehaltenen Kapitalanteils, sofern der Emittent mindestens 10 % des Kapitals der Beteiligungsgesellschaft hält. Diese Angaben werden üblicherweise in die graphische Darstellung der Konzernstruktur im Prospekt integriert (siehe dazu auch die Kommentierung zu Ziffer 7 Rz. 74 ff.).

1 2 3 4

CESR/05-054b, Rz. 162. CESR/05-054b, Rz. 162. CESR/05-054b, Rz. 163. CESR/05-054b, Rz. 164.

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Anhang II Modul für Pro forma-Finanzinformationen 1. Die Pro forma-Informationen müssen eine Beschreibung der jeweiligen Transaktion, der dabei beteiligten Unternehmen oder Einheiten sowie des Zeitraums, über den sich die Transaktion erstreckt, umfassen und eindeutig folgende Angaben enthalten: a) Zweck der Erstellung; b) Tatsache, dass die Erstellung lediglich zu illustrativen Zwecken erfolgt; c) Erläuterung, dass die Pro forma-Finanzinformationen auf Grund ihrer Wesensart lediglich eine hypothetische Situation beschreiben und folglich nicht die aktuelle Finanzlage des Unternehmens oder seine aktuellen Ergebnisse widerspiegeln. 2. Zur Darstellung der Pro forma-Finanzinformationen kann unter Umständen die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung eingefügt werden, denen ggf. erläuternde Anmerkungen beizufügen sind. 3. Pro forma-Finanzinformationen sind in der Regel in Spaltenform darzustellen und sollten Folgendes enthalten: a) die historischen unberichtigten Informationen; b) die Pro forma-Bereinigungen; und c) die resultierenden Pro forma-Finanzinformationen in der letzten Spalte. Anzugeben sind die Quellen der Pro forma-Finanzinformationen. Ggf. sind auch die Jahresabschlüsse der erworbenen Unternehmen oder Einheiten dem Prospekt beizufügen. 4. Die Pro forma-Informationen sind auf eine Art und Weise zu erstellen, die mit den vom Emittenten in den letzten Jahresabschlüssen zu Grunde gelegten Rechnungslegungsstrategien konsistent sind, und müssen Folgendes umfassen: a) die Grundlage, auf der sie erstellt wurden; b) die Quelle jeder Information und Bereinigung. 5. Pro forma-Informationen dürfen lediglich in folgendem Zusammenhang veröffentlicht werden: a) den derzeitigen Berichtszeitraum; b) den letzten abgeschlossenen Berichtszeitraum; und/oder c) den letzten Zwischenberichtszeitraum, für den einschlägige unberichtigte Informationen veröffentlicht wurden oder noch werden oder im gleichen Dokument publiziert werden. 6. Pro forma-Berichtigungen in Bezug auf Pro forma-Finanzinformationen müssen: a) klar ausgewiesen und erläutert werden;

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b) direkt der jeweiligen Transaktion zugeordnet werden können; c) mit Tatsachen unterlegt werden können. In Bezug auf eine Pro forma-Gewinn- und Verlustrechnung bzw. eine Pro forma-Kapitalflussrechnung müssen sie klar in Berichtigungen unterteilt werden, die für den Emittenten voraussichtlich einen bleibenden Einfluss haben, und jene, bei denen dies nicht der Fall ist. 7. In dem von unabhängigen Buchprüfern oder Abschlussprüfern erstellten Bericht ist anzugeben, dass ihrer Auffassung nach: a) die Pro forma-Finanzinformationen ordnungsgemäß auf der angegebenen Basis erstellt wurden; und b) dass diese mit den Rechnungslegungsstrategien des Emittenten konsistent ist. Schrifttum: Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Teilbd. 7, 6. Aufl. 2000; Baetge/Wollmert/Kirsch/Oser/Bischoff, Rechnungelegung nach IFRS, 2. Aufl., 10. Erglfg., Loseblatt, Stand Dezember 2009; Budde/Förschle/ Winkeljohann, Sonderbilanzen, 4. Aufl. 2008; d’Arcy/Leuz, Rechnungslegung am Neuen Markt – Eine Bestandsaufnahme, DB 2000, 385; Ellrott/Förschle/Kozikowski/Winkeljohann (Hrsg.), Beck’scher Bilanz-Kommentar, Handelsrecht und Steuerrecht, 7. Aufl. 2010; Frey, Auswirkungen des Börsenganges auf Rechnungslegung und Publizität, DStR 1999, 294; Heiden, Pro-forma-Berichterstattung – Reporting zwischen Information und Täuschung, 2006; IDW Prüfungshinweis: Prüfung von Pro-Forma-Finanzinformationen, (IDW PH 9.960.1) v. 30.1.2006, WPg 2006, 333; IDW Rechnungslegungshinweis: Erstellung von Pro-Forma-Finanzinformationen (IDW RH HFA 1.004) v. 29.11.2005, WPg 2006, 141; von Keitz/Grote, Die Erstellung von Als-ob-Abschlüssen im Sinne des Regelwerks Neuer Markt, KoR 2001, 25; Krimpmann, Konsolidierung nach IFRS/HGB: Vom Einzel- zum Konzernabschluss, 2009; A. Meyer, Anforderungen an Finanzinformationen in Wertpapierprospekten, Accounting 2/2006, 11; A. Meyer, Anlegerschutz und Förderung des Finanzplatzes Deutschland durch die Going Public Grundsätze der Deutsche Börse AG, WM 2002, 1864; Schindler/Böttcher/Roß, Empfehlungen zur Erstellung von Pro-Forma-Abschlüssen, WPg 2001, 139; Schindler/Böttcher/Roß, Erstellung von Pro-Forma-Abschlüssen – Systematisierung, Bestandsaufnahme und Vergleich mit US-amerikanischen Regelungen, WPg 2001, 22; Schlitt/Singhof/Schäfer, Aktuelle Rechtsfragen und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251; Schmotz, Pro-forma-Abschlüsse – Herstellung der Vergleichbarkeit von Rechnungslegungsinformationen, 2004.

Inhaltsübersicht I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . II. Bestandteile von Pro-formaFinanzinformationen 1. Einleitender Abschnitt (Ziffer 1) a) Beschreibung der Transaktion . . . . . . . . . . . . . . .

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1

3

b) Zweck und Funktion von Pro-forma-Finanzinformationen . . . . . . . . . . . . . . . c) Darstellung im Prospekt . . 2. Umfang der Pro-forma-Finanzinformationen (Ziffer 2) a) Überblick . . . . . . . . . . . .

4 5 6

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Anhang II

3.

4.

5. 6.

b) Verhältnis zu Pro-formaAngaben gemäß Rechnungslegungsvorschriften . c) Fallkonstellationen . . . . . Darstellung und Inhalt der Pro-forma-Finanzinformationen (Ziffer 3) . . . . . . . . . . . . a) Ausgangszahlen . . . . . . . . b) Pro-forma-Erläuterungen . c) Pro-forma-Anpassungen . . d) Pro-forma-Finanzinformationen . . . . . . . . . . . . . . . Konsistenzgebot und Angabe der Grundlagen und Informationsquellen (Ziffer 4) a) Konsistenzgebot . . . . . . . b) Grundlagen der Erstellung der Pro-forma-Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Quellen der Informationen und Anpassungen . . . . . . Zulässige Zeiträume für Proforma-Finanzinformationen (Ziffer 5) . . . . . . . . . . . . Anforderungen an die Pro-forma-Anpassungen (Ziffer 6) . . a) Klare Darlegung und Erläuterung der Pro-formaAnpassungen . . . . . . . . . .

10 12 18 19 22 23 26

27 28 29 30 34

b) Unmittelbare Zuordnung zur jeweiligen Transaktion 37 c) Tatsachen, die eine Proforma-Anpassung stützen können . . . . . . . . . . . . . . 38 d) Unterscheidung der Pro-forma-Anpassungen nach der Dauerhaftigkeit ihres Einflusses auf den Emittenten 39 III. Prüfungsbescheinigung zu den Pro-forma-Angaben (Ziffer 7) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfungsumfang und Prüfungshandlungen . . . . . . . . . a) Prüfung, ob die Pro-formaFinanzinformationen ordnungsgemäß auf den dargestellten Grundlagen beruhen . . . . . . . . . . . . . . b) Prüfung, ob die dargestellten Grundlagen mit den Rechnungslegungsgrundsätzen des Emittenten konsistent sind . . . . . . . . 3. Inhalt der Prüfungsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 44

46

49 50

36

I. Überblick Anhang II der ProspektVO enthält detaillierte Regelungen, in welchem Umfang und in welcher Darstellungsweise Pro-forma-Finanzinformationen in einen Prospekt aufzunehmen sind und ergänzt gemäß Art. 2 Nr. 2 ProspektVO als Modul (siehe hierzu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 217) Ziffer 20.2 des Anhangs I der ProspektVO, aus der sich die Pflicht zur Aufnahme von Pro-forma-Finanzinformationen ergibt (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 215 ff., zur Abgrenzung zu sog. kombinierten Abschlüssen bzw. Combined Financial Statements vgl. Anhang I EU-ProspektVO Rz. 218, 272). Auch für den Fall, dass freiwillig Pro-forma-Finanzinformationen in den Prospekt aufgenommen werden (hierzu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 231), sind die Anforderungen von Anhang II ProspektVO zu beachten1. Neben einer Beschreibung der jeweiligen Unternehmenstransaktion, aufgrund der nach Anhang I Ziffer 20.2 ProspektVO Pro-forma-Finanzinformationen in den Prospekt aufzunehmen sind, der dabei beteiligten Unternehmen oder Unter-

1 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 54 (Dezember 2008).

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Anhang II

nehmenseinheiten sowie des Zeitraums der Transaktion sind auch der Zweck der Erstellung der Pro-forma-Finanzinformationen sowie ein Hinweis aufzunehmen, dass die Erstellung von Pro-forma-Finanzinformationen lediglich illustrativen Zwecken dient und die Pro-forma-Finanzinformationen infolge ihrer Wesensart lediglich eine hypothetische Situation beschreiben. Die Pro-forma-Angaben sind insbesondere auf der Grundlage der im letzten Abschluss bzw. Zwischenabschluss enthaltenen Gewinn- und Verlustrechnung und/oder der Bilanz (in der Regel in Spaltenform) darzustellen. Neben den historischen unberichtigten Finanzinformationen des die Proforma-Finanzinformationen aufstellenden Unternehmens, also des Emittenten, sowie der – evtl. an die Rechnungslegung des Emittenten angepassten – historischen Finanzinformationen zB des erworbenen Unternehmens oder der Unternehmenseinheit als Ausgangszahlen sind die Pro-forma-Anpassungen sowie die aus den Ausgangszahlen und den Pro-forma-Anpassungen resultierenden Pro-forma-Finanzinformationen anzugeben. Gerade vor dem Hintergrund, dass Pro-forma-Angaben im Hinblick auf ihre Eigenschaft als fiktive Angaben mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sind, erfordern diese entsprechend ausführliche Pro-forma-Erläuterungen. Die Pro-formaAnpassungen müssen klar als solche ausgewiesen und erläutert werden, direkt der Unternehmenstransaktion zugeordnet werden können und mit Fakten unterlegt sein. Zudem müssen sie im Einklang mit den den Ausgangszahlen zugrunde liegenden Rechnungslegungsgrundsätzen und Bewertungsmethoden stehen. Im Falle einer Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung und einer Pro-forma-Kapitalflussrechnung müssen die Pro-formaAnpassungen in solche unterteilt werden, die für den Emittenten einen einmaligen Effekt haben und solche, die einen dauerhaften Einfluss haben. Der Abschlussprüfer hat in einer Bescheinigung zu bestätigen, dass die Proforma-Finanzinformationen ordnungsgemäß auf der angegebenen Basis erstellt wurden und diese Basis mit den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden des Emittenten konsistent ist. 2

Der Hauptfachausschuss (HFA) des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat seinen Rechnungslegungshinweis: Erstellung von Pro-Forma-Finanzinformationen (IDW RH HFA 1.004) v. 1.7.2002 an die Anforderungen der ProspektVO am 29.11.2005 angepasst1. Dieser Rechnungslegungshinweis richtet sich an deutsche Wirtschaftsprüfer, die im Zusammenhang mit der Erstellung eines Wertpapierprospekts beauftragt sind, Pro-Forma-Finanzinformationen nach den in Anhang II der ProspektVO enthaltenen Grundsätzen zu Umfang und Darstellung von Pro-forma-Finanzinformationen zu erstellen. Die IDW Rechnungslegungshinweise gehören zu den Verlautbarungen des IDW zu Fragen der Rechnungslegung und stellen nach dem IDW Prüfungsstandard: Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze für die Abschlussprüfung (IDW PS 201) die Auffassung der mit den jeweiligen Fragen befassten Ausschüsse des IDW zu Rechnungslegungsfragen dar2. Es

1 WPg 2006, 141 ff. 2 IDW PS 201, Tz. 14, WPg 2006, 850 (851).

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handelt sich bei den IDW Rechnungslegungshinweisen um fachliche Regelungen1 iS von § 4 Abs. 1 Satz 1 der Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer2, die den Wirtschaftsprüfern eine Orientierung über die Auslegung von Rechnungslegungsgrundsätzen geben sollen und von diesen im Rahmen einer gewissenhaften Berufsausübung zu beachten sind3. Da die Rechnungslegungshinweise von den jeweiligen Fachgremien des IDW erarbeitet werden, ohne – wie dies zB bei den IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung der Fall ist – von dem Hauptfachausschuss oder von Fachausschüssen des IDW in einem Verfahren mit Anhörung der interessierten Öffentlichkeit verabschiedet zu werden, haben diese nicht den gleichen Grad an Verbindlichkeit wie die IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung. Ihre Anwendung wird aber gleichwohl nach IDW PS 201 empfohlen4. Sie dienen als Orientierung im Rahmen eigenverantwortlicher Entscheidungen eines Wirtschaftsprüfers5. Der Hauptfachausschuss des IDW hat im Zuge des geänderten Prospektrechts zudem im November 2005 den IDW Prüfungshinweis: Prüfung von Pro-Forma-Finanzinformationen (IDW PH 9.960.1)6 verabschiedet (hierzu Rz. 42 ff.). Die gleichen Grundsätze wie für Rechnungslegungshinweise des IDW gelten auch für IDW Prüfungshinweise, in denen als Orientierung für die Wirtschaftsprüfer die Auffassung der Fachgremien des IDW zu einzelnen Prüfungsfragen näher erläutert wird7. Auch sie haben nicht den gleichen Grad an Verbindlichkeit wie IDW Prüfungsstandards, aber auch ihre Anwendung wird empfohlen8. Ebenso wie IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung und IDW Prüfungsstandards (denen allerdings eine faktische Bindungswirkung zukommt9) handelt es sich bei den Rechnungslegungs- und Prüfungshinweisen des IDW mangels gesetzlicher Grundlage nicht um Rechtsnormen. Maßgeblich für den Prospektinhalt sind daher ausschließlich die Anforderungen nach Anhang II

1 Winkeljohann/Hellweg in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 323 HGB Rz. 15. 2 Satzung der Wirtschaftsprüferkammer über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers (BS WP/ vBP) v. 6.11.2009 (BAnz. 2009, S. 4021), in Kraft getreten am 12.2.2010 (BAnz. 2010, S. 453). 3 § 4 BS WP/vBP ist gestützt auf die Satzungsermächtigung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 lit. a WPO und konkretisiert die gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO normierte Berufspflicht der Gewissenhaftigkeit. 4 IDW PS 201, Tz. 14, WPg 2006, 850 (852); vgl. auch Siefke in Heymann/Pfitzer/ Scheffler, Beck’sches Handbuch Rechnungslegung, Loseblatt, B 601 Rz. 85, 86. 5 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Teilbd. 7, § 323 HGB Rz. 22; Winkeljohann/Hellweg in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 323 HGB Rz. 15; Siefke in Heymann/Pfitzer/Scheffler, Beck’sches Handbuch Rechnungslegung, Loseblatt, B 601 Rz. 85, 86; Kunold in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 13. 6 WPg 2006, 133 ff. 7 IDW PS 201, Tz. 29a, WPg 2006, 850 (854). 8 IDW PS 201, Tz. 29a, WPg 2006, 850 (854). 9 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Teilbd. 7, § 323 HGB Rz. 23.

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Anhang II

ProspektVO1. In der Verwaltungspraxis der BaFin werden Pro-forma-Finanzinformationen, die auf der Grundlage von IDW RH HFA 1.004 erstellt worden sind, grundsätzlich akzeptiert.

II. Bestandteile von Pro-forma-Finanzinformationen 1. Einleitender Abschnitt (Ziffer 1) a) Beschreibung der Transaktion 3

Gemäß Ziffer 1 des Anhangs II ProspektVO muss die Unternehmenstransaktion beschrieben werden, aufgrund der Pro-forma-Angaben nach Ziffer 20.2 des Anhangs I ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen sind. In der Transaktionsbeschreibung sind dabei die beteiligten Unternehmen bzw. Unternehmenseinheiten sowie Angaben zum zeitlichen Ablauf der Transaktion aufzunehmen. b) Zweck und Funktion von Pro-forma-Finanzinformationen

4

Darüber hinaus ist nach Ziffer 1 des Anhangs II ProspektVO zu erläutern, aus welchem Grund Pro-forma-Finanzinformationen in den Prospekt aufgenommen werden. Des Weiteren ist ein Hinweis aufzunehmen, dass die Erstellung von Pro-forma-Finanzinformationen lediglich illustrativen Zwecken dient und dass die Pro-forma-Finanzinformationen infolge ihrer Wesensart lediglich eine hypothetische Situation beschreiben und folglich nicht die tatsächliche Finanz-, Vermögens- und Ertragslage des Emittenten widerspiegeln können. c) Darstellung im Prospekt

5

Nach Art. 5 Abs. 2 ProspektVO ist dabei in einem einleitenden Absatz zunächst der Grund zu erläutern, weshalb Pro-forma-Finanzinformationen in einen Prospekt aufgenommen worden sind. Auch nach der in dem IDW Rechnungslegungshinweis RH HFA 1.004 enthaltenen Gliederung sind der Grund für die Erstellung von Pro-Forma-Finanzinformationen sowie die Klarstellungen zu Zweck und Funktion von Pro-forma-Finanzinformationen als einleitender Abschnitt der Pro-forma-Erläuterungen aufzunehmen2. 2. Umfang der Pro-forma-Finanzinformationen (Ziffer 2) a) Überblick

6

Nach Ziffer 2 des Anhangs II der ProspektVO können Pro-forma-Finanzinformationen „unter Umständen“ in Form einer Pro-forma-Bilanz und ei1 Eine faktische Bindungswirkung (so Fingerhut in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang II EU-ProspektVO Rz. 5 und d’Arcy in Holzborn, Anh. II EU-ProspV Rz. 1) kann der IDW RH HFA 1.004 nur im Verhältnis zwischen Emittent und von diesem beauftragten Wirtschaftsprüfer entfalten. 2 IDW RH HFA 1.004, Tz. 34, WPg 2006, 141 (144).

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ner Gewinn- und Verlustrechnung sowie den dazugehörigen Pro-forma-Erläuterungen aufgenommen werden. Als Hauptfälle von Pro-forma-Finanzinformationen nennt Ziffer 2 Anhang II ProspektVO damit die Pro-formaBilanz und die Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung. Aus der Formulierung „unter Umständen“ folgt, dass es vom konkreten Einzelfall abhängt, welche Art von Pro-forma-Finanzinformationen aufzunehmen sind. Dabei ist es insbesondere von Bedeutung, wann die jeweilige, die Pflicht zur Aufnahme von Pro-forma-Finanzinformationen auslösende Unternehmenstransaktion stattgefunden hat und inwieweit diese bereits in den Abschlüssen abgebildet ist. Bei den aufzunehmenden Pro-forma-Finanzinformationen handelt es sich mithin in der Regel nicht um einen vollständigen Pro-forma-(Konzern-)Abschluss mit allen zu einem Abschluss gehörenden Bestandteilen nach IAS 11. Je nach Anwendungsfall bestehen in der Praxis die Pro-forma-Finanzinfor- 7 mationen aus einer oder zwei Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnungen sowie aus einer Pro-forma-Bilanz. Eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung ist dann zu erstellen, wenn die relevante Unternehmenstransaktion während oder nach der abzubildenden Berichtsperiode stattgefunden hat. Nach Ziffer 5 des Anhangs II ProspektVO ist dies maximal das letzte volle Geschäftsjahr und der Zeitraum des laufenden Geschäftsjahres, für den ein Zwischenabschluss zu erstellen ist (siehe dazu näher Rz. 30). In einer Proforma-Gewinn- und Verlustrechnung wird eine Unternehmenstransaktion so dargestellt, als ob sie zum Beginn eines Geschäftsjahres stattgefunden hätte und nicht erst – wie tatsächlich der Fall – unterjährig im Laufe des Geschäftsjahres oder erst nach Ende des letzten Geschäftsjahres. Eine Pro-forma-Bilanz ist dann zu erstellen, wenn die Unternehmenstransaktion noch nicht in der Bilanz des letzten Abschlusses des Emittenten abgebildet ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Unternehmenstransaktion nach dem Bilanzstichtag des letzten Abschlusses erfolgt ist. Werden eine Bilanz und/oder eine oder zwei Gewinn- und Verlustrechnungen aufgenommen, dann sind immer2 auch die begleitenden bzw. dazugehörigen Pro-forma-Erläuterungen beizufügen. Der Einschub „ggf.“ in der deutschen Sprachfassung von Ziffer 2 Anhang II ProspektVO ist daher missverständlich. Nach dem Sinn und Zweck von Ziffer 2 sollen nur die Aufnahme der Pro-forma-Bilanz und der Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung von den Umständen des Einzelfalls abhängen, während Bilanz bzw. Gewinn- und 1 Heiden, Pro-forma-Berichterstattung, S. 261; d’Arcy in Holzborn, Anh. II EUProspV Rz. 14. 2 Ebenso CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), Frage 51 (September 2007): „CESR considers that the explanatory notes should be included in all cases where any kind of pro forma information (balance sheet and/or profit and loss account) is provided in the prospectus so that investors can understand the pro forma information that is being disclosed.“; IDW RH HFA 1.004, Tz. 7, WPg 2006, 141. Im Ergebnis ebenfalls Fingerhut in Just/Voß/Ritz/ Zeising, Anhang II EU-ProspektVO Rz. 13.

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Verlustrechnung und die jeweiligen Erläuterungen zusammengehören. Dieses Verständnis wird auch durch die englische Sprachfassung der ProspektVO gestützt, in der die begleitenden Erläuterungen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung in Kommata als Apposition hinzugefügt und nicht als eine nur „ggf.“ anwendbare Alternative gekennzeichnet sind. 9

Ziffer 2 des Anhangs II ProspektVO ist – wie sich aus dem Wort „können“ ergibt – nicht abschließend1. So kommt etwa neben einer Pro-forma-Bilanz und einer Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung auch die Aufnahme einer Pro-forma-Kapitalflussrechnung in Betracht2. Ist nach den den historischen Finanzinformationen zugrunde liegenden Rechnungslegungsvorschriften (vgl. die Anforderung nach Ziffer 4 von Anhang II ProspektVO, Rz. 27 ff.) die Darstellung des Ergebnisses je Aktie erforderlich (dies gilt nach IAS 33.2 für IAS/IFRS-Konzernabschlüsse von Aktienemittenten), so ist auch das Pro-forma-Ergebnis je Aktie aufzunehmen3. b) Verhältnis zu Pro-forma-Angaben gemäß Rechnungslegungsvorschriften

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Da eine Pro-forma-Bilanz und eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung nur dann zu erstellen sind, wenn die Unternehmenstransaktion noch nicht oder nicht vollständig in der Bilanz bzw. Gewinn- und Verlustrechnung des letzten Abschlusses des Emittenten abgebildet ist, stellt sich die Frage, ob und, wenn ja, inwieweit die Pro-forma-Angaben gemäß Anhang II ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen sind, wenn der Abschluss des betreffenden Geschäftsjahres bereits nach Maßgabe der anwendbaren Rechnungslegungsvorschriften Pro-forma-Angaben enthält. So sind, ohne dass dies als Pro-forma-Angaben bezeichnet wird und ohne dass die Größe der Unternehmenstransaktion einen bestimmten Schwellenwert erreichen muss, gemäß IFRS 3.B64 lit. q (ii) (rev. 2008)4/IFRS 3.70 (2004) Umsatzerlöse und Gewinn oder Verlust des erworbenen Unternehmens anzugeben, die sich ergeben hätten, wenn die Unternehmenstransaktion zu Beginn der Berichtsperiode stattgefunden hätte und das erworbene Unternehmen bereits 1 So auch d’Arcy in Holzborn, Anh. II EU-ProspV Rz. 15, die auf die Begriffe „unter Umständen“ abstellt; Fingerhut in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang II EU-ProspektVO Rz. 14. 2 Vgl. Anhang II Ziffer 6 Abs. 2 ProspektVO; IDW RH HFA 1.004, Tz. 7, WPg 2006, 141; anders noch die alte Fassung des IDW RH HFA 1.004 v. 1.7.2001, Tz. 8, WPg 2002, 980, wonach eine Pro-forma-Kapitalflussrechnung – ebenso wie eine Proforma-Segmentberichterstattung und eine Pro-forma-Eigenkapitalveränderungsrechnung – nicht erforderlich sein sollte. 3 IDW RH HFA 1.004, Tz. 7, WPg 2006, 141. 4 Verordnung (EG) Nr. 495/2009 der Kommission v. 3.6.2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 zur Übernahme bestimmter Rechnungslegungsstandards gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf International Financial Reporting Standard (IFRS) 3, ABl. EU Nr. L 149 v. 13.6.2009, S. 22; der geänderte IFRS 3 ist spätestens mit Beginn des ersten nach dem 30.6.2009 beginnenden Geschäftsjahres anzuwenden, wobei eine frühere Anwendung – gleichzeitig mit dem geänderten IAS 27 – möglich ist.

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zu Beginn dieser Berichtsperiode vollständig konsolidiert worden wäre1. Auch wenn diese Angaben bereits in einem vorhandenen, in Übereinstimmung mit dem IFRS-Rechnungslegungstandard aufgestellten Abschluss enthalten sind, sind die Anforderungen gemäß Anhang II zu beachten, da diese im Vergleich zu IFRS 3.B64 lit. q (ii) (rev. 2008)/IFRS 3.70 (2004) wesentliche zusätzliche Angaben verlangen. Während die IFRS-Regelung im Wesentlichen nur die zahlenmäßige Wiedergabe des Ergebnisses der „als ob“-Betrachtung verlangt, sind gemäß Anhang II insbesondere auch Erläuterungen zu den Pro-forma-Anpassungen sowie Angaben dazu, welche Pro-forma-Anpassungen einen andauernden Einfluss auf den Emittenten haben, in den Prospekt aufzunehmen2. Die ganz überwiegende Zahl der Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten3 (einschließlich der BaFin) verlangt eine Pro-formaGewinn- und Verlustrechnung gemäß Anhang II ProspektVO daher auch dann, wenn der vorhandene Abschluss des Geschäftsjahres, in dem die Unternehmenstransaktion stattgefunden hat, bereits Angaben gemäß IFRS 3.B64 lit. q (ii) (rev. 2008)/IFRS 3.70 (2004) enthält. Gleiches gilt für die Regelung in IFRS 5.33-36 im Falle der Ausgliederung und Veräußerung (carveout) von Unternehmensteilen oder Vermögenswerten4. Soweit nach § 294 Abs. 2 HGB bei wesentlichen Änderungen des Konsolidie- 11 rungskreises durch Ab- oder Zugang von in den Konzernabschluss einbezogener Unternehmen während des Geschäftsjahres zusätzliche Angaben in den Konzernabschluss aufzunehmen sind, handelt es sich lediglich um der Verbesserung der Vergleichbarkeit dienende erläuternde Angaben im Konzernanhang5 und nicht um Pro-forma-Finanzinformationen. Darüber hinaus 1 IFRS 3.B64 lit. q (i) (rev. 2008) hat diese Pro-forma-Angaben um die Angabe zu den Umsätzen und Gewinnen des erworbenen Unternehmens seit dem Zeitpunkt des Erwerbs ergänzt. Vgl. auch Baetge/Hayn/Ströher in Baetge/Wollmert/ Kirsch/Oser/Bischoff, Rechnungslegung nach IFRS, IFRS 3 Rz. 437; Krimpmann, Konsolidierung, S. 108. 2 Vgl. auch CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51, Case 1 (September 2007); diese Auffassung wohl auch vertretend Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 19, 96, die darauf hinweisen, dass es sich nicht um vollständige Pro-forma-Finanzinformationen handelt. Nach Förschle/Almeling (aaO. Rz. 96) sind jedoch aus Gründen der Verständlichkeit auch im Rahmen von IFRS 3.70 (2004) bzw. nunmehr IFRS 3.B64 lit. q (ii) (rev. 2008) – ähnlich den Anforderungen der ProspektVO – im Anhang die Grundlagen, auf denen die Pro-formaAngaben ermittelt wurden, zu erläutern. 3 Vgl. auch CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51, Case 1 (September 2007); diese Auffassung wohl auch vertretend Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 19, 96, der darauf hinweist, dass es sich nicht um vollständige Pro-forma-Finanzinformationen handelt. 4 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51 (September 2007). 5 Förschle/Deubert in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 294 HGB Rz. 13.

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stellt auch eine etwaige Anpassung der Vorjahreszahlen gemäß § 265 Abs. 2 Satz 3 HGB iVm. § 298 Abs. 1 HGB, die auch nach Streichung des § 294 Abs. 2 Satz 2 HGB aF durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz bei wesentlichen Änderungen des Konsolidierungskreises – insbesondere bei umfangreichen Abgängen – möglich sein soll1, keine Pro-forma-Finanzinformationen dar. Hierbei handelt es sich lediglich um eine andere Darstellung von im Vorjahr tatsächlich vorhandenen Bestands- und Bewegungsgrößen, die der Vergleichbarkeit aufeinander folgender Konzernabschlüsse dient2. c) Fallkonstellationen 12

Art und Umfang der in den Prospekt aufzunehmenden Pro-forma-Finanzinformationen hängen dabei insbesondere davon ab, ob die betreffende Unternehmenstransaktion vor oder nach dem Bilanzstichtag bzw. einem etwaigen Zwischenabschluss stattgefunden hat und ob das Prospektdatum im ersten oder zweiten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres liegt. Auf dieser Grundlage lassen sich verschiedene Fallkonstellationen bilden, anhand derer der mögliche Umfang von Pro-forma-Finanzinformationen verdeutlicht werden kann. Dabei werden von CESR vier Fälle erörtert3, während der IDW RH HFA 1.004 drei Fallbeispiele enthält, die nur zum Teil mit den von CESR gebildeten Fallkonstellationen identisch sind. Insgesamt lassen sich danach folgende fünf Fallbeispiele bilden:

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• Die Unternehmenstransaktion erfolgt vor dem Stichtag des letzten Abschlusses, das Prospektdatum liegt im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres4 In dieser Situation wird die Unternehmenstransaktion bereits in der Bilanz des letzten Abschlusses abgebildet, so dass die Aufnahme einer Pro-forma1 Förschle/Deubert in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § § 298 HGB Rz. 52; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Kap. Q Rz. 170. 2 Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 96 mwN; Förschle/Deubert in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 294 HGB Rz. 2 f. und § 298 HGB Rz. 52 f.; im Ergebnis wohl ebenso Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Kap. Q Rz. 170 ff., die ebenfalls darauf hinweisen, dass über § 294 Abs. 2 HGB und §§ 265 Abs. 2 Satz 3, 298 Abs. 1 HGB hinaus eine freiwillige Erstellung von Pro-forma-Finanzinformationen möglich ist. Zu beachten ist ferner, dass § 294 Abs. 2 Satz 2 HGB, der wahlweise eine Anpassung der Vorjahreszahlen vorsah, durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz aufgehoben wurde (dazu Merkt in Baumbach/Hopt, § 294 HGB Rz. 2). 3 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51 (September 2007). 4 Diese Konstellation entspricht dem von CESR erwähnten Case 1, CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51 (September 2007) und Beispiel 1 des IDW RH HFA 1.004, Tz. 11, WPg 2006, 141 (142), wobei IDW RH HFA 1.004, Tz. 11, WPg 2006, 141 (142) nicht danach unterscheidet, ob die Emission im ersten oder zweiten Halbjahr erfolgt.

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Bilanz nicht erforderlich ist. Da die Unternehmenstransaktion jedoch unterjährig im Laufe des abgelaufenen Geschäftsjahres erfolgt, finden die mit ihr verbundenen Aufwendungen und Erträge erst ab diesem Zeitpunkt Eingang in die Gewinn- und Verlustrechnung des Emittenten und sind daher nicht vollständig in der Gewinn- und Verlustrechnung des abgelaufenen Geschäftsjahres erfasst. Die Unternehmenstransaktion wird also in der Gewinn- und Verlustrechnung nur zeitanteilig erfasst, so dass es einer Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung bedarf. Die Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung soll in dieser Konstellation zeigen, wie sich die Gewinn- und Verlustrechnung entwickelt hätte unter der Annahme, dass die Unternehmenstransaktion bereits zu Beginn des letzten Geschäftsjahres stattgefunden hätte. Nach Auffassung der meisten europäischen Aufsichtsbehörden (einschließlich der BaFin) ist in diesem Fall eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für das abgelaufene Geschäftsjahr in den Prospekt aufzunehmen1. Und auch die Minderheit der Aufsichtsbehörden, die eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung gemäß Anhang II ProspektVO für nicht erforderlich hält, sieht die Pro-forma-Angabe von Gewinnen und Verlusten nicht als generell überflüssig an, sondern hält die im Prospekt bereits anderweitig enthaltenen Angaben (insbesondere die nach IFRS 3.B64 lit. q (ii) (rev. 2008)/IFRS 3.70 (2004) im Abschluss enthaltenen Angaben) für ausreichend. Diese Auffassung berücksichtigt jedoch nicht hinreichend, dass die nach Anhang II EUProspektVO erforderlichen Angaben über diejenigen nach IFRS 3.B64 lit. q (ii) (rev. 2008)/IFRS 3.70 (2004) hinausgehen (näher dazu Rz. 10). Daher umfassen in diesem Fall die Pro-forma-Finanzinformationen: – eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für das letzte volle Geschäftsjahr, also für den Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.12. und – dazugehörige Pro-forma-Erläuterungen. • Die Unternehmenstransaktion erfolgt vor dem Stichtag des letzten Ab- 14 schlusses, das Prospektdatum liegt im zweiten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres2 Auch in diesem Fall wird die Unternehmenstransaktion bereits in der Bilanz des letzten Abschlusses (sowie auch im Zwischenabschluss des laufenden Geschäftsjahres) abgebildet, so dass eine Pro-forma-Bilanz nicht aufzunehmen ist.

1 Vgl. auch CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51, Case 1 (September 2007). 2 Diese Konstellation entspricht dem von CESR erwähnten Case 2, CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51 (September 2007); IDW RH HFA 1.004, Tz. 11, WPg 2006, 141 (142) unterscheidet in Beispiel 1 nicht danach, ob die Emission im ersten oder zweiten Halbjahr erfolgt.

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Hinsichtlich der Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung ist diese Fallkonstellation ebenso zu behandeln wie die in in Rz. 13 dargestellte Fallkonstellation. Zwar sind die Aufwendungen und Erträge des Emittenten aus der Unternehmenstransaktion in der Gewinn- und Verlustrechnung des Zwischenabschlusses zum Halbjahr der laufenden Berichtsperiode erfasst. Wie in der in Rz. 13 dargestellten Fallkonstellation sind die Aufwendungen und Erträge jedoch nur zeitanteilig erst ab dem Zeitpunkt des Erwerbs bzw. nur bis zum Zeitpunkt der Veräußerung des Unternehmens/Unternehmensteils in der Gewinn- und Verlustrechnung des erwerbenden bzw. veräußerenden Unternehmens für das letzte volle Geschäftsjahr enthalten. Die große Mehrheit der europäischen Aufsichtsbehörden (einschließlich der BaFin) verlangt daher zutreffenderweise auch in diesem Fall die Aufnahme einer Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für das abgelaufene Geschäftsjahr1. Auch in Beispiel 1 des IDW RH HFA 1.004 wird nicht danach unterschieden, ob die Emission im ersten oder zweiten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres erfolgt. Daher umfassen in diesem Fall die Pro-forma-Finanzinformationen: – eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für das letzte volle Geschäftsjahr, also für den Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.12. und – dazugehörige Pro-forma-Erläuterungen. 15

• Die Unternehmenstransaktion erfolgt nach dem Stichtag des letzten Abschlusses und vor dem Stichtag des Zwischenabschlusses des laufenden Geschäftsjahres, das Prospektdatum liegt zeitlich nach der Unternehmenstransaktion ebenfalls im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres2 Da in diesem Fall die Unternehmenstransaktion erst nach dem Stichtag des letzten Abschlusses stattgefunden hat und dementsprechend in der Bilanz des abgelaufenen Geschäftsjahres noch nicht abgebildet ist und auch noch kein Zwischenabschluss zum 30.6. erstellt wurde, ist – zumindest nach Auffassung der großen Mehrheit der europäischen Aufsichtsbehörden3 – in dieser Konstellation eine Pro-forma-Bilanz auf den 31.12. des abgelaufenen 1 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51, Case 2 (September 2007). Die Aufsichtsbehörden, die eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für die abgelaufene Berichtsperiode für nicht erforderlich halten, begründen dies damit, dass die Aufwendungen und Erträge zum einen in der Gewinn- und Verlustrechnung des Zwischenabschlusses und bereits nach IFRS in der Gewinn- und Verlustrechnung des abgelaufenen Geschäftsjahres erfasst sind (vgl. Case 2 aE). 2 Diese Konstellation entspricht dem von CESR erwähnten Case 3, CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51 (September 2007). In IDW RH HFA 1.004, WPg 2006, 141 ist diese Fallkonstellation nicht behandelt. 3 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51, Case 3 (September 2007).

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Geschäftsjahres in den Prospekt aufzunehmen (in der unterstellt wird, dass die Unternehmenstransaktion am 31.12. des abgelaufenen Geschäftsjahres stattgefunden hat, um eine fiktive Kapitalkonsolidierung zum Bilanzstichtag durchzuführen). Darüber hinaus ist nach Auffassung der meisten Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten1 auch eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für das abgelaufene Geschäftsjahr zu erstellen, bei der unterstellt wird, dass die Unternehmenstransaktion am 1.1. des abgelaufenen Geschäftsjahres erfolgt ist. Die BaFin hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Daher umfassen in diesem Fall die Pro-forma-Finanzinformationen bei von der BaFin zu billigenden Prospekten: – eine Pro-forma-Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr – eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für das letzte volle Geschäftsjahr, also für den Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.12. des letzten Geschäftsjahres und – dazugehörige Pro-forma-Erläuterungen. • Die Unternehmenstransaktion erfolgt nach dem Stichtag des letzten Ab- 16 schlusses und vor dem Stichtag des letzten Zwischenabschlusses, das Prospektdatum liegt im zweiten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres2 In dieser Fallkonstellation wird die Unternehmenstransaktion in der Bilanz des Zwischenabschlusses zum 30.6. abgebildet, so dass die Erstellung einer Pro-forma-Bilanz nicht erforderlich ist3. Die Gewinn- und Verlustrechnung des Zwischenabschlusses erfasst die Transaktion hingegen nur zeitanteilig, also erst erst ab dem Zeitpunkt des Erwerbs bzw. nur bis zum Zeitpunkt der Veräußerung des Unternehmens/ Unternehmensteils. In der Gewinn- und Verlustrechnung des letzten Abschlusses ist sie gar nicht erfasst. Hinsichtlich der Aufnahme einer Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung sind die Auffassungen und die praktische Handhabung der Aufsichtsbehörden uneinheitlich. Wer die Auffassung vertritt, dass die Angaben nach IFRS 3.B64 lit. q (ii) (rev. 2008)/IFRS 3.70 (2004) und IFRS 5.33-36 im letzten Abschluss generell ausreichend sind (siehe dazu Rz. 10), wird auch hier unter Verweis auf den vorhandenen Zwischenabschluss keine weiteren Angaben verlangen. Diejenigen Aufsichtsbehörden, die ungeachtet IFRS 3.B64 lit. q (ii) (rev. 2008)/IFRS 3.70 (2004) und IFRS 5.33-36 grundsätzlich die Aufnahme einer Pro-forma-Gewinn- und 1 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51, Case 3 (September 2007). 2 Diese Konstellation entspricht dem von CESR erwähnten Case 4, CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51, S. 31 f. (September 2007) und Beispiel 3 des IDW RH HFA 1.004, Tz. 11, WPg 2006, 141 (142). 3 Vgl. auch IDW RH HFA 1.004, Tz. 11, Beispiel 3, WPg 2006, 141 (142).

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Verlustrechnung gemäß Anhang II ProspektVO verlangen, lassen es teilweise ausreichen, dass solche Pro-forma-Angaben nur für das abgelaufene volle Geschäftsjahr oder alternativ nur für das abgelaufene erste Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres beigebracht werden1. Andere Aufsichtsbehörden (einschließlich der BaFin) dagegen verlangen die Aufnahme einer Pro-formaGewinn- und Verlustrechnung sowohl für das abgelaufene volle Geschäftsjahr als auch für das erste Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres, dh. den Zeitraum, für den der letzte Zwischenabschluss erstellt wurde2. Die BaFin verlangt Pro-forma-Finanzinformationen stets für den letzten Zwischenberichtszeitraum, für den ein Zwischenbericht im Prospekt abgedruckt wird3. Das letztgenannte Verständnis liegt auch IDW RH HFA 1.004 zugrunde, der in dieser Fallkonstellation eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für das letzte volle Geschäftsjahr sowie eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für den Zeitraum, für den ein Zwischenabschluss erstellt wurde, vorsieht4. Bei deutschen Emittenten, für die Pro-forma-Angaben nach Maßgabe von IDW RH HFA 1.004 erstellt werden, decken die erstellten Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnungen daher den nach Anhang II der ProspektVO erforderlichen Zeitraum regelmäßig ab. Dementsprechend umfassen in diesem Fall die Pro-forma-Finanzinformationen bei von der BaFin zu billigenden Prospekten: – eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für das letzte volle Geschäftsjahr, also für den Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.12. des letzten Geschäftsjahres, – eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für das abgelaufene erste Halbjahr, also für den Zeitraum vom 1.1 bis zum 30.6. des laufenden Geschäftsjahres und – die jeweils dazugehörigen Pro-forma-Erläuterungen. 17

• Die Unternehmenstransaktion erfolgt nach dem Stichtag des letzten Abschlusses und nach dem Stichtag des letzten Zwischenabschlusses, die Emission erfolgt im zweiten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres5 1 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51, Case 4 (September 2007). 2 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 51, Case 4 (September 2007). 3 Vgl. auch A. Meyer, Accounting 2006, 11 (13); Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 71. 4 IDW RH HFA 1.004, Tz. 11, Beispiel 2, WPg 2006, 141 (142). 5 Diese Konstellation entspricht Beispiel 3 des IDW RH HFA 1.004, Tz. 11, WPg 2006, 141 (142); in den CESR FAQs wird diese Fallkonstellation nicht erörtert. Die von CESR zu Case 3 im Hinblick auf eine nach dem letzten Abschluss stattfindende Unternehmenstransaktion dargestellten Überlegungen dürften hier entsprechend gelten (vgl. Rz. 15) mit dem Unterschied, dass hier die Unternehmenstransaktion nach dem letzten Zwischenabschluss stattgefunden hat und damit auch eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für das erste Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres zu erstellen ist.

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In diesem Fall bilden weder der letzte Jahresabschluss noch der Zwischenabschluss zum 30.6. die Unternehmenstransaktion in der Bilanz ab. Auch in der Gewinn- und Verlustrechnung des letzten Abschlusses des letzten Geschäftsjahres und des Zwischenabschlusses zum 30.6. des laufenden Geschäftsjahres wird die Unternehmenstransaktion nicht erfasst. Die Pro-forma-Finanzinformationen erfassen daher in dieser Konstellation: – eine Pro-Forma-Bilanz zum 30.6. des laufenden Geschäftsjahres, also für den Zeitraum für den ein Zwischenabschluss aufgestellt wurde, – eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.12., also für das letzte volle Geschäftsjahr, – eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.6., also für den Zwischenberichtszeitraum des laufenden Geschäftsjahres und – die jeweils dazugehörigen Pro-forma-Erläuterungen. 3. Darstellung und Inhalt der Pro-Forma-Finanzinformationen (Ziffer 3) Gemäß Ziffer 3 des Anhangs II ProspektVO sind die Pro-Forma-Finanzinfor- 18 mationen in der Regel in Spaltenform darzustellen. Die einzelnen Spalten sollen zumindest die historischen Finanzinformationen in unberichtigter Form (historical unadjusted information), die Pro-forma-Anpassungen (pro forma adjustments) sowie in der letzten Spalte die daraus resultierenden Pro-forma-Finanzinformationen enthalten. a) Ausgangszahlen Ausgangspunkt sind dabei zunächst die geprüften historischen Finanzinfor- 19 mationen für das letzte Geschäftsjahr oder aber der letzte Zwischenabschluss des laufenden Geschäftsjahres des erwerbenden bzw. veräußernden Unternehmens (dh. des Emittenten), die üblicherweise in die erste Spalte aufgenommen werden1. Darüber hinaus sind die historischen Finanzinformationen des/der im Rahmen der Unternehmenstransaktion erworbenen oder veräußerten Unternehmens, bzw. Unternehmen (Tochterunternehmen, Teilkonzern) oder Unternehmensteils bzw. Unternehmensteile aufzunehmen. Im Fall des Erwerbs eines Unternehmens oder Unternehmensteils sind also eine Gewinn- und Verlustrechnung für den Zeitraum vor dem Erwerb und im Fall der Veräußerung eines Unternehmens oder Unternehmensteils eine Gewinn- und Verlustrechnung für den Zeitraum nach der Veräußerung sowie ggf. eine Bilanz zum Stichtag des Konzernabschlusses des Emittenten aufzunehmen, da die Aufwendungen und Erträge des abbzw. zugegangenen Unternehmens/Unternehmensteils erst ab dem Zugang bzw. nur bis zum Abgang in dem Abschluss des Emittenten enthalten sind (siehe Rz. 13). Dementsprechend umfassen die historischen Finanzinforma1 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version (Dezember 2009), CESR/09-1148, Frage 50 b) (September 2007).

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tionen iS von Ziffer 3 lit. a des Anhangs II ProspektVO zB im Fall einer Proforma-Gewinn- und Verlustrechnung infolge einer Unternehmenstransaktion die ersten zwei Spalten, die dann in einer dritten Spalte, der Summenbzw. Differenzspalte, zusammengefasst werden1. Wurden zwei oder mehr Unternehmen erworben bzw. veräußert, so wäre für jedes dieser Unternehmen eine eigene Spalte vorzusehen. Hier kann es sich aus Gründen der Übersichtlichkeit jedoch anbieten, die Abschlüsse mehrerer Unternehmen in einer Spalte zusammenzufassen und die historischen Finanzinformationen für die jeweiligen einzelnen Unternehmen bzw. Unternehmensteile in den Pro-forma-Erläuterungen darzustellen2. 20

Soweit Ziffer 3 lit. a des Anhangs II ProspektVO in diesem Zusammenhang von „historischen unberichtigten Informationen“ (historical unadjusted information) spricht, sind damit die historischen Finanzinformationen ohne Pro-forma-Anpassung gemeint. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die historischen Finanzinformationen etwa eines erworbenen Unternehmens(teils) immer unverändert übernommen werden können. Aus Gründen der Vergleichbarkeit müssen die für das erworbene Unternehmen aufgenommenen historischen Finanzinformationen mit den in den letzten Jahresabschlüssen des Emittenten zu Grunde gelegten Rechnungslegungsgrundsätzen sowie den Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden des Emittenten im Einklang stehen. Auch eingeräumte Wahlrechte müssen in gleicher Weise ausgeübt werden. Daher sind, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, die historischen Finanzinformationen von erworbenen Unternehmen oder Unternehmensteilen zunächst, dh. vor Vornahme der Pro-forma-Anpassungen, entsprechend an die Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden des Emittenten anzupassen. Diese Anpassungen der historischen Finanzinformationen sind von den Pro-forma Anpassungen zu unterscheiden3 und bereits in der Spalte für die historischen Finanzinformationen des erworbenen bzw. veräußerten Unternehmens(teils) zu berücksichtigen.

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Darüber hinaus ist es denkbar, dass zwischen dem Stichtag des letzten historischen Abschlusses und der Erstellung der Pro-forma-Finanzinformationen wertaufhellende Ereignisse4 in Bezug auf die Ausgangszahlen eingetreten sind, also Ereignisse, die nachträglich bessere Erkenntnisse über die Verhältnisse zum Abschlussstichtag liefern. Anhang II ProspektVO enthält keine Vorgaben zu der Frage, ob wertaufhellende Ereignisse hinsichtlich der Ausgangszahlungen bei Erstellung der Pro-forma-Finanzinformationen zu berücksichtigen sind. Letztlich handelt es sich hierbei um eine Frage der Rechnungslegung. IDW RH HFA 1.004 enthält in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass die Ausgangszahlen mit den historischen Abschlüssen identisch sein müssen, woraus man auf den ersten Blick auf eine Nicht-

1 2 3 4

Vgl. den Beispielsfall bei IDW RH HFA 1.004, Tz. 12, WPg 2006, 141 (142 f.). Vgl. IDW RH HFA 1.004, Tz. 12, WPg 2006, 141 (142 f.). Vgl. auch IDW RH HFA 1.004, Tz. 12, WPg 2006, 141 (142 f.). IDW Prüfungsstandard: Ereignisse nach dem Abschlussstichtag (IDW PS 203), Tz. 8, WPg 2001, 891 (892).

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berücksichtigung wertaufhellender Ereignisse schließen könnte. Eine ausdrückliche Empfehlung, wie im Fall von wertaufhellenden Ereignissen, die nach dem Stichtag des letzten historischen Abschlusses und der Erstellung der betreffenden Pro-forma-Finanzinformationen eingetreten sind, zu verfahren ist, fehlt allerdings sowohl in IDW RH HFA 1.004 als auch in dem Prüfungshinweis IDW PH 9.960.1. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass der Wertaufhellungszeitraum sich bis zum Tag der Erstellung der Pro-forma-Finanzinformationen erstreckt und wertaufhellende Ereignisse dementsprechend bis zu diesem Zeitpunkt noch zu berücksichtigen sind1. Es wird zT jedoch auch die gegenteilige Auffassung vertreten, wonach eine Wertaufhellung im Rahmen der Pro-forma-Finanzinformationen nicht mehr zu berücksichtigen ist2. Dies wird damit begründet, dass es nicht Aufgabe der Pro-forma-Finanzinformationen sei, historische Abschlüsse in Bezug auf Ereignisse, die nicht durch die Unternehmenstransaktion veranlasst sind, zu aktualisieren3. Diese Aussage trifft zwar zu und es werden unstreitig keine umfassenden, der Prüfung eines Jahresabschlusses vergleichbare Prüfungshandlungen durchgeführt mit dem Ziel, wertaufhellende Ereignisse aufzudecken. Sinn und Zweck der Erstellung von Pro-forma-Finanzinformationen sprechen jedoch für die Berücksichtigung solcher wertaufhellender Ereignisse, die im Zusammenhang mit den für die Erstellung der Proforma-Finanzinformationen durchgeführten Prüfungshandlungen bekannt geworden sind. Denn Pro-forma-Finanzinformationen verfolgen insbesondere den Zweck, eine Vergleichsbasis mit den künftigen Ist-Abschlüssen und als Ansatzpunkt für die Analyse der Ertragskraft und Wachstumsaussichten des Pro-forma-Finanzinformationen erstellenden Unternehmens zu fungieren, und stellen daher vor allem ein Prognoseinstrument dar4. Würden wertaufhellende Ereignisse, die im Rahmen der Erstellung und Prüfung der Proforma-Finanzinformationen bekannt geworden sind, nicht berücksichtigt, dann würde die Erstellung der Pro-forma-Finanzinformationen ohne Berücksichtigung dieser wertaufhellenden Ereignisse dieser Zwecksetzung nicht gerecht werden, da die Vergleichsbasis auf Zahlen und Erkenntnissen beruhen würde, die offensichtlich veraltet sind. b) Pro-forma-Erläuterungen Ziffer 3 des Anhangs II ProspektVO enthält keine Vorgabe dahingehend, 22 dass auch die Pro-forma-Erläuterungen in der Spaltenform Berücksichtigung finden müssen. Als praktische Lösung sieht der Rechnungslegungshinweis 1 Frey, DStR 1999, 294 (298); Schindler/Böttcher/Roß, WPg 2001, 22 (31); Schindler/Böttcher/Roß, WPg 2001, 139 (143); von Keitz/Grote, KoR 2001, 25 (30); Heiden, Pro-forma-Berichterstattung, S. 194, 197 f.; ebenso wohl auch Schmotz, Proforma-Abschlüsse, S. 126 f. 2 Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 95; diesen folgend Fingerhut in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang II EU-ProspektVO Rz. 31. 3 Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 95; Fingerhut in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang II EU-ProspektVO Rz. 31. 4 Heiden, Pro-forma-Berichterstattung, S. 198.

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IDW RH HFA 1.004 in dem dort behandelten Beispielsfall vor, dass für die Pro-forma-Erläuterungen zwar eine vierte Spalte eingefügt wird, dort jedoch lediglich ein Verweis auf ausführliche Pro-forma-Erläuterungen außerhalb der Spaltendarstellung aufgenommen werden kann1. Anhang II ProspektVO setzt den Ausdruck „Pro-forma-Erläuterungen“ als Begriff der Rechnungslegung voraus und definiert diesen nicht eigenständig, wobei einzelne Aspekte der Erläuterungen im weiteren Sinne (wie etwa die Darstellung der Grundlagen und Quellen der Pro-forma-Finanzinformationen und -Anpassungen gemäß Ziffer 4 und 6 des Anhangs II ProspektVO) Gegenstand spezieller Regelungen des Anhangs II ProspektVO sind (siehe Rz. 28 f., 36). Die Pro-forma-Erläuterungen dienen insbesondere dem besseren Verständnis der Pro-forma-Anpassungen und müssen entsprechend der Vorgabe in Ziffer 6 lit. a des Anhangs II ProspektVO so umfassend und verständlich sein, dass die Pro-forma-Anpassungen nachvollziehbar sind (siehe auch Rz. 36). Nach IDW RH HFA 1.004 bestehen die Pro-forma-Erläuterungen aus drei Teilen: a) einleitender Abschnitt, der ua. die Hinweise auf den lediglich illustrativen Zweck und den hypothetischen Charakter der Pro-forma-Finanzinformationen enthält, b) Grundlagen der Erstellung (basis of preparation, siehe Rz. 28) und c) Erläuterung der Pro-forma-Anpassungen (Detailerläuterung, siehe Rz. 36)2. c) Pro-forma-Anpassungen 23

Entsprechend den Vorgaben von Ziffer 3 des Anhangs II ProspektVO sind die Pro-forma-Anpassungen gemäß Ziffer 3 lit. b des Anhangs II ProspektVO in einer weiteren Spalte (in dem Beispielsfall von IDW RH HFA 1.004 die fünfte Spalte) anzufügen3. Der Begriff „Pro-forma-Anpassungen“ (die deutsche Fassung von Anhang II ProspektVO verwendet den Begriff „Pro-formaBerichtigungen“) ist in Anhang II ProspektVO nicht definiert, sondern wird – ebenso wie die Pro-forma-Erläuterungen – als Begriff der Rechnungslegung vorausgesetzt. Dabei kommen Maßnahmen im Zusammenhang mit der fiktiven Vorverlegung der Erstkonsolidierung (im Fall der Akquisition) bzw. der Entkonsolidierung (im Fall einer Veräußerung) in Betracht4. Da das Weglassen von als wesentlich eingeschätzten Pro-forma-Anpassungen die Aussagekraft der Pro-forma-Finanzinformationen einschränken würde, sind grundsätzlich sämtliche Pro-forma-Anpassungen vorzunehmen, die die Anforderungen von Ziffer 6 des Anhangs II ProspektVO erfüllen5.

24

Pro-forma-Anpassungen erfolgen im Fall der Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung im Hinblick auf die unmittelbar aus der Unternehmenstransaktion resultierenden Aufwendungen, bei denen zwischen Anpassungen mit einmaligem Effekt und solchen mit dauerhaftem Einfluss auf die Ver1 2 3 4 5

IDW RH HFA 1.004, Tz. 12, WPg 2006, 141 (142 f.). IDW RH HFA 1.004, Tz. 32 ff., WPg 2006, 141 (144 f.). IDW RH HFA 1.004, Tz. 12, WPg 2006, 141 (142 f.). IDW RH HFA 1.004, Tz. 21 und 25, WPg 2006, 141 (143 f.). Vgl. Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 84.

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mögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten zu unterscheiden ist (näher dazu unter Rz. 40). Zusätzliche Zinsaufwendungen sind dann als Pro-Forma-Anpassungen in den Prospekt aufzunehmen, wenn die Unternehmenstransaktion tatsächlich fremdfinanziert wurde und sich die Finanzierungskosten nicht in den historischen Finanzinformationen widerspiegeln1, wobei nach IDW RH HFA 1.004 die tatsächlichen Refinanzierungskosten (und nicht fiktive historische Konditionen) anzusetzen sind2. Darüber hinaus bedarf es nach IDW RH HFA 1.004 einer Anpassung des Steueraufwands, wenn die neue Unternehmensstruktur zu einer anderen Besteuerungsform führt, Organschaften entstehen oder aufgrund der Unternehmenstransaktion Verlustvorträge verrechnet werden können oder verloren gehen3. Erlöse aus Börsenplatzierungen sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, sie dienen der Finanzierung der abzubildenden Unternehmenstransaktion4. Im Fall der Erstellung einer Pro-forma-Bilanz wird insbesondere im Zusam- 25 menhang mit der fiktiven Vorverlegung eines Unternehmenserwerbs auf den Stichtag des letzten Abschlusses eine Kapitalkonsolidierung durchgeführt5. Ziel ist es, die fiktive Kapitalkonsolidierung zum Bilanzstichtag so vorzunehmen, dass sich hierbei der gleiche Unterschiedsbetrag wie zum tatsächlichen Zugangszeitpunkt ergibt6. Zu diesem Zweck ist der Beteiligungsbuchwert in Höhe der tatsächlichen Anschaffungskosten zu erfassen, die ggf. um Eigenkapitalveränderungen im Zeitraum zwischen dem Stichtag der Pro-forma-Bilanz und dem Zugangszeitpunkt zu berichtigen sind7. Die Gegenbuchung wird entsprechend der tatsächlichen Finanzierung des Anschaffungsvorgangs (zB im Fremdkapital, Eigenkapital oder bei den liquiden Mitteln) erfasst. Handelt es sich bei der Unternehmenstransaktion um eine Veräußerung, kommen entsprechende Maßnahmen im Zusammenhang mit der fiktiven Vorverlegung der Entkonsolidierung in Betracht8. Wird eine Pro-forma-Bilanz erstellt, stellt sich die Frage, ob diese mit der Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung übereinstimmen muss bzw. eine Überleitung erforderlich ist oder ob die in Bezug auf die Gewinn- und Verlustrechnung vorgenommenen Pro-forma-Anpassungen von den Werten in der Pro-forma-Bilanz abweichen können. Weder Anhang II ProspektVO noch der IDW RH HFA 1.004 enthalten hierzu eine ausdrückliche Aussage. 1 IDW RH HFA 1.004, Tz. 27, WPg 2006, 141 (144); Förschle/Almeling in Budde/ Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 89. 2 IDW RH HFA 1.004, Tz. 28, WPg 2006, 141 (144). 3 IDW RH HFA 1.004, Tz. 29, WPg 2006, 141 (144); Förschle/Almeling in Budde/ Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 91. 4 IDW RH HFA 1.004, Tz. 31, WPg 2006, 141 (144). 5 IDW RH HFA 1.004, Tz. 21 und 22, WPg 2006, 141 (143 f.); Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 93. 6 Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 93. 7 IDW RH HFA 1.004, Tz. 22, WPg 2006, 141 (144); d’Arcy in Holzborn, Anh. II EU-ProspV Rz. 28. 8 Siehe IDW RH HFA 1.004, Tz. 25 f., WPg 2006, 141 (144).

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Aus dem IDW RH HFA 1.004 ergibt sich jedoch, dass Pro-forma-Bilanz und Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung nicht übereinstimmen müssen, da zB die Pro-forma-Bilanz auf den Stichtag des letzten Abschlusses (hierbei kann es sich auch um einen Zwischenabschluss handeln) erstellt wird, während eine Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung – je nach Zeitpunkt der Unternehmenstransaktion – ggf. auch für das letzte volle Geschäftsjahr verlangt wird1. Darüber hinaus müssen in einer Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung – anders als in einer Pro-forma-Bilanz – nur solche Anpassungen vorgenommen werden, die einen dauerhaften Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten haben2. d) Pro-forma-Finanzinformationen 26

In die letzte Spalte (in dem Beispielsfall des IDW RH HFA 1.004 die sechste Spalte) sind dann schließlich gemäß Ziffer 3 lit. c des Anhangs II ProspektVO die Pro-forma-Finanzinformationen (Pro-forma-Bilanz, Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung einschließlich ggf. das Pro-forma-Ergebnis je Aktie, Pro-forma-Kapitalflussrechnung) einzufügen. 4. Konsistenzgebot und Angabe der Grundlagen und Informationsquellen (Ziffer 4) a) Konsistenzgebot

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Gemäß Ziffer 4 Halbsatz 1 des Anhangs II ProspektVO müssen die Pro-forma-Finanzinformationen in einer Art und Weise erstellt sein, die mit dem vom Emittenten im Jahresabschluss zugrunde gelegten Rechnungslegungsstrategien (accounting policies) konsistent ist. Dies bedeutet, dass die Ermittlung von Art und Umfang der Pro-forma-Anpassungen mit den den Ausgangszahlen zugrunde liegenden Rechnungslegungsgrundsätzen sowie den Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden des die Pro-formaFinanzinformationen erstellenden Unternehmens im Einklang stehen muss3. Die deutsche Fassung von Ziffer 4 des Anhangs II ProspektVO verlangt dabei Konsistenz mit den „in den letzten Jahresabschlüssen“ (statt „im letzten Jahresabschluss“) zugrunde gelegten Rechnungslegungsstrategien. Die Pluralform muss jedoch als ein Übersetzungsversehen betrachtet werden, zumal andernfalls unklar wäre, auf welche „letzten Jahresabschlüsse“ abzustellen wäre. Der in der englischen Fassung verwendete Ausdruck „last financial statements“ bezeichnet hier deshalb den letzten Jahresabschluss4 und nicht mehrere letzte Jahresabschlüsse. Gänzlich unerwähnt bleibt in der deutschen Fassung von Ziffer 4 des Anhangs II ProspektVO,

1 IDW RH HFA 1.004, Tz. 11, Beispiel 3, WPg 2006, 141 (142). 2 Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 80. 3 Vgl. IDW RH HFA 1.004, Tz. 20, WPg 2006, 141 (143). 4 Vgl. auch IDW RH HFA 1.004, Tz. 20 iVm. Tz. 13 ff., WPg 2006, 141 (143); ebenso d’Arcy in Holzborn, Anh. II EU-ProspV Rz. 21.

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dass die Pro-forma-Finanzinformationen auch im Einklang mit den im nächsten Jahresabschluss angewandten Rechnungslegungsgrundsätzen erstellt werden können. Dies ist in der englischen Fassung von Ziffer 4 des Anhangs II ProspektVO ausdrücklich vorgesehen und wird dementsprechend auch von den CESR-Empfehlungen als zulässige Alternative vorausgesetzt1. In Übereinstimmung mit der deutschen Fassung von Ziffer 4 des Anhangs II ProspektVO stellt der Rechnungslegungshinweis IDW RH HFA 1.004 allerdings nur auf den letzten historischen Abschluss ab2. b) Grundlagen der Erstellung der Pro-forma-Informationen Gemäß Ziffer 4 lit. a des Anhangs II ProspektVO ist die Grundlage, auf der 28 die Pro-forma-Finanzinformationen erstellt wurden, anzugeben. Die anzugebenden Grundlagen der Erstellung der Pro-forma-Finanzinformationen können als Teil der gemäß Ziffer 6 des Anhangs II ProspektVO in den Prospekt aufzunehmenden Erläuterungen der Pro-forma-Finanzinformationen (siehe dazu Rz. 22 und 36) angesehen werden. Dementsprechend sieht auch IDW RH HFA 1.004 vor, dass im Rahmen der Pro-forma-Erläuterungen die verwendeten einheitlichen Rechnungslegungsgrundsätze und Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zu nennen sind3. Darüber hinaus ist nach IDW RH HFA 1.004 (ebenfalls im Rahmen der Pro-forma-Erläuterungen) ein spezieller Abschnitt „Grundlagen der Erstellung der Pro-forma-Finanzinformationen“ aufzunehmen, in welchem anzugeben ist, wie und unter welchen Pro-forma-Annahmen die Pro-forma-Finanzinformationen aus den Ausgangszahlen hergeleitet werden4. c) Quellen der Informationen und Anpassungen Darüber hinaus sind gemäß Ziffer 4 lit. b des Anhangs II ProspektVO die 29 Quellen der Informationen und Pro-forma-Anpassungen zu nennen. Hinsichtlich der anzuwendenden einheitlichen Rechnungslegungsgrundsätze und Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sieht IDW RH HFA 1.004 beispielsweise vor, dass auf entsprechende Angaben im Anhang des letzten veröffentlichten Jahres- bzw. Konzernabschlusses verwiesen werden kann5, was zugleich auch einen Hinweis auf die Quelle der Informationen beinhaltet.

1 CESR’s recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses no. 809/2004 (Level-3-Empfehlungen), January 2005, Ref.: CESR/05-054b, Tz. 89. Entgegen d’Arcy in Holzborn, Anh. II EU-ProspV Rz. 21 und Fingerhut in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang II EU-ProspektVO Rz. 14 ist dies jedoch nicht eine von CESR geäußerte Auffassung, sondern sie folgt vielmehr unmittelbar aus dem Wortlaut der englischen Fassung von Ziffer 4 des Anhangs II ProspektVO, die in der deutschen Fassung offenbar versehentlich keinen Niederschlag gefunden hat. 2 IDW RH HFA 1.004, Tz. 20 iVm. Tz. 13 ff., WPg 2006, 141 (143). 3 IDW RH HFA 1.004, Tz. 34, WPg 2006, 141 (144). 4 Siehe hierzu im Einzelnen IDW RH HFA 1.004, Tz. 35, WPg 2006, 141 (145). 5 IDW RH HFA 1.004, Tz. 34, WPg 2006, 141 (144).

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5. Zulässige Zeiträume für Pro-forma-Finanzinformationen (Ziffer 5) 30

In Anlehnung an Rule 11-02(c) von Regulation S-X der SEC1 dürfen gemäß Ziffer 5 des Anhangs II ProspektVO Pro-forma-Informationen nur bezogen auf den letzten, abgeschlossenen Berichtszeitraum (Ziffer 5 lit. b des Anhangs II ProspektVO) und den aktuellen Berichtszeitraum (einschließlich des letzten Zwischenberichtszeitraums, Ziffer 5 lit. a und c des Anhangs II ProspektVO), für den jeweils Finanzinformationen im Prospekt enthalten sind, in den Prospekt aufgenommen werden. Die in Ziffer 5 enthaltenen Regelungen zu den Zeiträumen, die von Pro-forma-Finanzinformationen abgedeckt werden, ist nicht als Pflicht des Emittenten, sondern als zeitliche Beschränkung der Aufnahme von Pro-forma-Informationen ausgestaltet2. Dessen ungeachtet müssen die Pro-forma-Finanzinformationen in der Regel eine volle Berichtsperiode abdecken (vgl. Rz. 12 ff., insbes. Rz. 16) und nach Auffassung der BaFin stets für den letzten Zwischenberichtszeitraum, für den ein Zwischenbericht im Prospekt abgedruckt wird3, aufgenommen werden. Die Ausgestaltung der Vorschrift als Beschränkung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass in der Vergangenheit (so auch nach dem Regelwerk Neuer Markt4) Pro-forma-Finanzinformationen für die letzten drei Geschäftsjahre in den Prospekt aufgenommen wurden und die Aussagekraft bei derartigen Zeiträumen angesichts des hypothetischen Charakters von Pro-forma-Informationen zweifelhaft ist5 (zur Historie der Pro-forma-Finanzinformationen näher Anhang I EU-ProspektVO Rz. 216).

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Betrachtet man allein den Wortlaut von Ziffer 5 des Anhangs II ProspektVO, dann stellt sich die Frage, wie Ziffer 5 lit. a des Anhangs II ProspektVO von dem Anwendungsbereich der Ziffer 5 lit. c des Anhangs II ProspektVO abzugrenzen ist. Denn Pro-forma-Finanzinformationen für den letzten Zwischenberichtszeitraum des laufenden Geschäftsjahres gemäß Ziffer 5 lit. c des Anhangs II ProspektVO betreffen das laufende Geschäftsjahr und stellen daher an sich zugleich auch Pro-forma-Finanzinformationen für den aktuellen Berichtszeitraum gemäß Ziffer 5 lit. a des Anhangs II ProspektVO dar. Die selbständige Bedeutung von Ziffer 5 lit. a des Anhangs II ProspektVO soll nach Auffassung von CESR darin bestehen, dass hiervon freiwillig, dh. ohne gesetzliche Verpflichtung, erstellte Zwischenfinanzinformationen erfasst werden6.

1 So auch d’Arcy in Holzborn, Anh. II EU-ProspV Rz. 24. 2 Eine Ziffer 5 Anhang II ProspektVO vergleichbare Beschränkung enthielten auch bereits die Going Public-Grundsätze der Deutsche Börse AG in Ziffer 4.4. 3 Vgl. auch A. Meyer, Accounting 2006, 11 (13); Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 71. 4 Ziffer 4.1.8 Abs. 1 Nr. 1 Regelwerk Neuer Markt, hierzu auch A. Meyer, WM 2002, 1864 (1871); d’Arcy/Leuz, DB 2000, 385 (386). 5 Vgl. A. Meyer, WM 2002, 1864 (1871). 6 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 50 c), Antwort Ac) (a) (September 2007).

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Pro-forma-Finanzinformationen müssen regelmäßig mindestens eine volle 32 Berichtsperiode abdecken. Aus der Konjunktion „und/oder“ zwischen Ziffer 5 lit. b und lit. c des Anhangs II ProspektVO lässt sich nicht ableiten, dass dem Emittenten ein Wahlrecht dahingehend zusteht, dass er Pro-forma-Finanzinformationen entweder für den gesamten abgelaufenen Berichtszeitraum oder nur für den letzten Zwischenberichtszeitraum in den Prospekt aufnehmen muss. Vielmehr bringt diese Formulierung nur zum Ausdruck, dass der Umfang der aufzunehmenden Pro-forma-Finanzinformationen vom Zeitpunkt der Unternehmenstransaktion und der Prospekterstellung im Verhältnis zu den letzten Jahres- oder Zwischenabschlüssen abhängig ist. So ist etwa keine Pro-forma-Bilanz für das letzte abgelaufene Geschäftsjahr in den Prospekt aufzunehmen, wenn die Unternehmenstransaktion bereits in der im Halbjahresbericht enthaltenen Bilanz reflektiert ist (siehe Rz. 16). Auch soweit freiwillige Pro-forma-Finanzinformationen aufgenommen wer- 33 den (siehe Rz. 1) sind die Anforderungen von Ziffer 5 des Anhangs II ProspektVO einzuhalten1. Gleiches gilt für Pro-forma-Finanzinformationen, die nach Anhang I Ziffer 20.2 ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen sind, dh. diese dürfen nicht für längere, über die Beschränkung der Ziffer 5 des Anhangs II ProspektVO hinausgehende Zeiträume aufgenommen werden. Pro-Forma-Informationen können daher nach der Verwaltungspraxis der BaFin nicht freiwillig für einen längeren Zeitraum als maximal für die letzte abgeschlossene volle Berichtsperiode und den laufenden Berichtszeitraum bzw. den letzten Zwischenberichtszeitraum in einen Prospekt aufgenommen werden2. 6. Anforderungen an die Pro-forma-Anpassungen (Ziffer 6) Ziffer 6 des Anhangs II ProspektVO schreibt vor, welche Anforderungen Pro-forma-Anpassungen zu erfüllen haben (zum Begriff der Pro-forma-Anpassungen siehe Rz. 23). Danach müssen Pro-forma-Anpassungen: – klar dargelegt und erläutert werden (Ziffer 6 lit. a),

1 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 54 (Dezember 2008). 2 Nach Auffassung von Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 71 und Schlitt/Singhoff/Schäfer, BKR 2005, 251 (254) berücksichtigt diese Praxis Erwägungsgrund 5 der ProspektVO nicht hinreichend, wonach die Aufnahme von freiwilligen Angaben allgemein zulässig ist. Erwägungsgrund 5 der ProspektVO bezieht sich jedoch nicht spezifisch auf Pro-forma-Angaben und enthält zudem keine Aussage dazu, welche Anforderungen bei der Aufnahme etwaiger freiwilliger Angaben zu beachten sind. Dies gilt erst recht bei Pflichtangaben nach Anhang I Ziffer 20.2 ProspektVO, für die Anhang II ProspektVO ausdrückliche Spezialregelungen vorsieht. Insbesondere gilt dies für Ziffer 5, die als Beschränkung hinsichtlich des Zeitraums der aufzunehmenden Pro-forma-Finanzinformationen formuliert ist.

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– der jeweiligen Transaktion unmittelbar zugeordnet werden können (Ziffer 6 lit. b) und – auf Tatsachen gestützt werden können (Ziffer 6 lit.c). 35

Darüber hinaus ist gemäß Ziffer 6 Satz 2 des Anhangs II ProspektVO in den Fällen einer Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung und einer Pro-formaKapitalflussrechnung danach zu unterscheiden, welche Anpassungen für den Emittenten einen dauerhaften Einfluss haben und bei welchen Anpassungen dieses nicht der Fall ist (siehe Rz. 39 f.). a) Klare Darlegung und Erläuterung der Pro-forma-Anpassungen

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Ziffer 6 lit. a betont über die in den Ziffern 1 und 3 des Anhangs II ProspektVO enthaltenen Vorgaben an die Darstellung der Pro-forma-Finanzinformationen hinaus, dass auch die Pro-forma-Anpassungen klar dargelegt und erläutert werden müssen. Das bedeutet, dass die Darstellung der Pro-formaAnpassungen nicht missverständlich oder irreführend sein darf. Neben den bereits aufgrund von Ziffer 1 des Anhangs II ProspektVO aufzunehmenden allgemeinen Hinweisen zu Wesen und Zweck der Pro-forma-Finanzinformationen (siehe Rz. 1, 4) und den Angaben zur Grundlage der Erstellung der Pro-forma-Finanzinformationen (siehe Rz. 28 f.) enthält IDW RH HFA 1.004 in diesem Zusammenhang ua. den Hinweis, dass im Rahmen der Pro-formaErläuterungen dargelegt werden soll, welche historischen Zahlen in den Ausgangszahlen enthalten sind, wie die historischen Zahlen an die Rechnungslegungsgrundsätze sowie Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden des Emittenten angepasst wurden, ob die Ausgangszahlen geprüft oder ungeprüft sind und ob die Ausgangszahlen bereits veröffentlicht wurden oder ob diese erst zusammen mit den Pro-forma-Finanzinformationen veröffentlicht werden1. Neben diesen allgemeinen, dem besseren Verständnis der Pro-forma-Anpassungen dienenden Informationen und der Darstellung der Grundlage der Erstellung der Pro-forma-Finanzinformationen wird der Ziffer 6 lit. a des Anhangs II ProspektVO in IDW RH HFA 1.004 insbesondere dadurch Rechnung getragen, dass in einem separaten, dritten Abschnitt der Pro-Forma-Erläuterungen die Pro-forma-Anpassungen im Detail zu erläutern sind2. b) Unmittelbare Zuordnung zur jeweiligen Transaktion

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Die Bedeutung dieser aus Ziffer 6 lit. b des Anhangs II ProspektVO folgenden Anforderung an Pro-forma-Anpassungen hat CESR in seinen Level3-Empfehlungen vom Januar 20053 näher konkretisiert. Danach sollen Pro-forma-Finanzinformationen nur solche Sachverhalte widerspiegeln, die integraler Bestandteil der jeweiligen, im Prospekt beschriebenen Unterneh1 IDW RH HFA 1.004, Tz. 34, WPg 2006, 141 (144). 2 Näher dazu IDW RH HFA 1.004, Tz. 36, WPg 2006, 141 (145). 3 CESR’s recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses no. 809/2004 (Level-3-Empfehlungen), January 2005, Ref.: CESR/05-054b, Tz. 88.

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menstransaktion sind. Insbesondere dürfen – auch wenn ein enger Zusammenhang mit der Unternehmenstransaktion besteht – keine Anpassungen vorgenommen werden, die auf Maßnahmen beruhen, die erst nach Abschluss der Unternehmenstransaktion erfolgen1. Zu solchen, der betreffenden Transaktion nicht unmittelbar zuzuordnenden Aufwendungen rechnet IDW RH HFA 1.004 etwa zusätzliche oder reduzierte Hauptversammlungskosten, Prüfungskosten und geänderte Vorstands-/Aufsichtsratsvergütungen2. c) Tatsachen, die eine Pro-forma-Anpassung stützen können Gemäß Ziffer 6 lit. c des Anhangs II ProspektVO müssen die Pro-forma-An- 38 passungen auf Tatsachen gestützt werden können. Dadurch soll ein gewisser Grad an objektiver Bestimmbarkeit der Pro-forma-Anpassungen gewährleistet werden3. Vom IDW RH HFA 1.004 wird diese Anforderung dahingehend verstanden, dass die Pro-forma-Anpassungen hinreichend nachvollziehbar und begründbar sein müssen und sich nicht auf zukünftige Ereignisse beziehen dürfen4. In den CESR-Level-3-Empfehlungen5 werden folgende Tatsachen, auf die Pro-forma-Anpassungen gestützt werden können, beispielhaft aufgeführt: veröffentlichte und interne Abschlüsse sowie sonstige Finanzinformationen und Bewertungen, die im Zusammenhang mit der Unternehmenstransaktion erstellt wurden, der Inhalt des Unternehmenskaufvertrags oder anderer im Zusammenhang mit der jeweiligen Unternehmenstransaktion abgeschlossener Verträge. d) Unterscheidung der Pro-forma-Anpassungen nach der Dauerhaftigkeit ihres Einflusses auf den Emittenten Bei der Darstellung der Pro-forma-Anpassungen im Bereich der Gewinn- 39 und Verlustrechnung und der Kapitalflussrechnung ist zwischen Anpassungen mit einem einmaligen Einfluss und Anpassungen mit einem dauerhaften Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu unterscheiden6. Eine ähnliche Anforderung enthält auch Regulation S-X Rule 11-02(b)(6), wonach Pro-forma-Anpassungen im Bereich der Gewinn- und Verlustrechnung einen dauerhaften Einfluss auf den Emittenten haben müssen7. 1 CESR’s recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses no. 809/2004 (Level-3-Empfehlungen), January 2005, Ref.: CESR/05-054b, Tz. 88. 2 IDW RH HFA 1.004, Tz. 30, WPg 2006, 141 (144). 3 Vgl. CESR’s recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses no. 809/2004 (Level-3-Empfehlungen), January 2005, Ref.: CESR/05-054b, Tz. 87. 4 IDW RH HFA 1.004, Tz. 19, WPg 2006, 141 (143). 5 CESR’s recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses no. 809/2004 (Level-3-Empfehlungen), January 2005, Ref.: CESR/05-054b, Tz. 87. 6 Vgl. IDW RH HFA 1.004, Tz. 18, WPg 2006, 141 (143). 7 So auch Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 83.

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Nach IDW RH HFA 1.004 gehören zu den Pro-forma-Anpassungen mit dauerhaftem Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage typischerweise unmittelbar aus der Unternehmenstransaktion resultierende Aufwendungen wie Abschreibungen des Firmenwerts, Abschreibungen auf zusätzlich anzusetzende Vermögenswerte, Mehrabschreibungen auf Sachanlagen und Folgeaufwendungen aus der Aufdeckung stiller Reserven im Umlaufvermögen1. Pro-Forma-Anpassungen ohne dauerhaften Einfluss sind demgegenüber die Kosten der Akquisition, einmalige Steuereffekte und auch Restrukturierungsaufwendungen2, soweit diese hinreichend mit Fakten unterlegt (Rz. 38) und nicht bereits im letzten Abschluss enthalten sind3. Anhang II ProspektVO enthält keine Vorgaben, wie die Unterscheidung zwischen Pro-forma-Anpassungen mit und ohne dauerhaftem Einfluss im Prospekt darzustellen ist. Die Darstellung in einer separaten Spalte kann jedoch im Hinblick auf eine möglichst klare Darstellung sinnvoll sein4.

III. Prüfungsbescheinigung zu den Pro-forma-Angaben (Ziffer 7) 1. Überblick 41

Der Inhalt des nach Anhang I Ziffer 20.2 Abs. 4 ProspektVO (vgl. hierzu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 233) in den Prospekt aufzunehmenden und den Pro-forma-Finanzinformationen beizufügenden Berichts eines unabhängigen „Buchprüfers“ (Accountant) oder Wirtschaftsprüfers wird in Anhang II Ziffer 7 ProspektVO näher bestimmt. Danach hat ein Wirtschaftsprüfer5 zu bestätigen, dass die Pro-forma-Finanzinformationen in Übereinstimmung mit den dargestellten Grundlagen erstellt wurden und dass diese Grundlagen mit den „Rechnungslegungsstrategien“ (accounting policies), dh. den Rechnungslegungsgrundsätzen sowie den Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, des die Pro-forma-Informationen erstellenden Emittenten konsistent sind.

1 IDW RH HFA 1.004, Tz. 27, WPg 2006, 141 (143). 2 IDW RH HFA 1.004, Tz. 27, WPg 2006, 141 (143). 3 Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 92. 4 So auch Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 83. 5 In Deutschland ist der in Ziffer 7 des Anhangs II ProspektVO neben dem Wirtschaftsprüfer erwähnte Buchprüfer (in der englischen Sprachfassung Accountant) ohne Bedeutung. Die Erwähnung beider Personengruppen beruht darauf, dass zB in Großbritannien und der Republik Irland die Erteilung einer Prüfungsbescheinigung durch den sog. „Reporting Accountant“ erfolgt, vgl. hierzu den britischen Investment Circular Standard (SIR) 4000 „Investment Circular Reporting Standards applicable to public reporting engagements on pro forma financial information“ vom Januar 2006, gültig für Reports, die nach dem 31.3.2006 unterzeichnet worden sind, abrufbar auf der Website des Financial Reporting Council http://www.asb.co.uk/ unter der Rubrik „APB Auditing Practices Board . Publications . Standards for Investment Reporting (SIRs)“.

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Der Hauptfachausschuss des IDW hat infolge der Anforderungen in Zif- 42 fer 20.2 Abs. 4 des Anhangs I und Ziffer 7 des Anhangs II ProspektVO im November 2005 mit dem IDW Prüfungshinweis: Prüfung von Pro-Forma-Finanzinformationen (IDW PH 9.960.1)1 entsprechende berufsständische Grundsätze für die Wirtschaftsprüfer verabschiedet (vgl. hierzu Rz. 2). Damit ersetzt2 der IDW PH 9.960.1 den bis zum Inkrafttreten des neuen Prospektrechts zum 1.7.2005 angewandten IDW Prüfungshinweis: Prüferische Durchsicht von Pro-Forma-Angaben (IDW PH 9.900.1)3, der eine prüferische Durchsicht und nicht eine Prüfung der Pro-forma-Finanzinformationen durch den Wirtschaftsprüfer vorsah. Infolge der prüferischen Durchsicht gab der Wirtschaftsprüfer auch nicht – wie nach dem neuen Prospektrecht erforderlich – eine positiv formulierte Aussage, sondern eine negativ formulierte Aussage dahingehend ab, dass ihm keine Sachverhalte bekannt geworden sind, die ihn zu der Annahme veranlassen, dass (i) die den Pro-Forma-Angaben zugrunde liegenden Annahmen den wesentlichen Konsequenzen der Unternehmenstransaktionen für die Abschlüsse nicht angemessen Rechnung tragen, (ii) die vorgenommenen Pro-Forma-Anpassungen nicht sachgerecht unter Berücksichtigung der Annahmen abgeleitet wurden, (iii) die ProForma-Anpassungen nicht zutreffend in der betreffenden Pro-Forma-Bilanz und Pro-Forma-Gewinn- und Verlustrechnung abgebildet wurden und (iv) die Pro-Forma-Anpassungen nicht umfassend und verständlich in den ProForma-Erläuterungen dargestellt wurden4. Die prüferische Durchsicht der in einen Prospekt aufgenommenen Pro-forma-Finanzinformationen erfolgte dabei im Zusammenhang mit der Erteilung eines Comfort Letter nach dem IDW Prüfungsstandard: Grundsätze für die Erteilung eines Comfort Letter (IDW PS 910)5, bei dem es sich um eine schriftliche Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers über in einem Prospekt abgedruckten Abschlüsse und Finanzzahlen handelt6. Da Ziffer 7 des Anhangs II ProspektVO nunmehr die Aufnahme einer Bescheinigung über die Prüfung der Pro-forma-Finanzinformationen in den Prospekt verlangt, besteht aus Sicht der Wirtschaftsprüfer keine Notwendigkeit mehr, einen Bericht über die Prüfung der Pro-formaFinanzinformationen zusätzlich auch in den Comfort Letter aufzunehmen7. 1 IDW Prüfungshinweis: Prüfung von Pro-Forma-Finanzinformationen (IDW PH 9.960.1) v. 29.11.2005, WPg 2006, 133 ff. 2 IDW PH 9.960.1, Tz. 3, WPg 2006, 133. 3 IDW Prüfungshinweis: Prüferische Durchsicht von Pro-Forma-Angaben (IDW PH 9.900.1) v. 1.10.2002, WPg 2002, 1337 ff. 4 IDW PH 9.900.1, Tz. 8, WPg 2002, 1337, (1339); IDW PS 910, Tz. 92, WPg 2004, 342 (353). 5 IDW Prüfungsstandard: Grundsätze für die Erteilung eines Comfort Letter (IDW PS 910), Tz. 91 f., WPg 2004, 342 (352 f.); ausführlich Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 39 f. 6 Vgl. zum Comfort Letter Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28; A. Meyer, WM 2003, 1745; Krämer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 10 Rz. 209 ff. 7 Vgl. IDW PS 910, Tz. 92, WPg 2004, 342 (353). Im Comfort Letter wird daher lediglich erwähnt, dass die in den Prospekt aufgenommenen und nach IDW RH HFA 1.004 erstellten Pro-forma-Finanzinformationen gemäß IDW PH 9.960.1 ge-

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IDW PH 9.960.1 setzt dabei voraus, dass der die Prüfung durchführende Wirtschaftsprüfer in ausreichendem Maße mit der Geschäftstätigkeit und den angewandten Rechnungslegungsgrundsätzen sowie den Ausweis-, Bewertungs- und Bilanzierungsmethoden der Unternehmen, deren Abschlüsse in die Pro-forma-Finanzinformationen einfließen, vertraut ist. Dies gilt typischerweise für den Abschlussprüfer, der die wesentlichen historischen Abschlüsse geprüft oder prüferisch durchgesehen hat1. Andernfalls muss ein Wirtschaftsprüfer sich die notwendigen Kenntnisse verschaffen2. So können bei Unklarheiten hinsichtlich der Rechnungslegungsgrundsätze sowie Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden des erworbenen Unternehmens oder Unternehmensteils entsprechende Auskünfte bei dem gesetzlichen Vertreter des erworbenen Unternehmens/Unternehmensteils und dessen (ehemaligen) Abschlussprüfern eingeholt werden3. Dabei soll nach IDW PH 9.960.1 ein Prüfungsauftrag nur dann angenommen werden, wenn die zu prüfenden Pro-forma-Finanzinformationen auf der Grundlage des IDW RH HFA 1.004 erstellt worden sind4. 2. Prüfungsumfang und Prüfungshandlungen

44

Prüfungsumfang und Prüfungshandlungen richten sich nach dem Inhalt der gemäß Anhang I Ziffer 20.2 Abs. 4 iVm. Anhang II Ziffer 7 ProspektVO in den Prospekt aufzunehmenden Prüfungsbescheinigung. In dieser müssen die Wirtschaftsprüfer gemäß Anhang II Ziffer 7 lit. a und b ProspektVO angeben, dass ihrer Auffassung nach die Pro-forma-Finanzinformationen ord-

1 2

3

4

prüft worden sind; näher dazu Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 40. IDW PH 9.960.1, Tz. 4, WPg 2006, 133. Vgl. IDW Prüfungsstandard: Kenntnisse über die Geschäftstätigkeit sowie das wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des zu prüfenden Unternehmens im Rahmen der Abschlussprüfung (IDW PS 230) v. 8.12.2005, WPg 2000, 842 ff.; WPg 2006, 218. IDW PH 9.960.1, Tz. 11, WPg 2006, 133 (134) iVm. IDW Prüfungsstandard: Verwertung der Arbeit eines anderen externen Prüfers (IDW PS 320) in der geänderten Fassung verabschiedet vom HFA am 9.9.2009, WPg 2004, 593 ff.; IDW WPg Supplement 4/2009, 4 ff. Mit Umsetzung des Art. 27 lit. a und b der Abschlussprüferrichtlinie (Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 157 v. 9.6.2006, S. 87 ff.), durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BGBl. I 2009, 1102 ff.) ist durch den neugefassten § 317 Abs. 3 Satz 2 HGB die nach § 317 Abs. 3 Sätze 2 und 3 HGB aF vorgesehene und in IDW PS 320, Tz. 5, 33 aF beschriebene Möglichkeit der bloßen „Übernahme“ der Ergebnisse eines anderen Abschlussprüfers entfallen. Nunmehr können die Arbeitsergebnisse eines anderen Abschlussprüfers nur noch eigenverantwortlich „verwertet“ werden, was regelmäßig einen entsprechenden Umfang eigener Prüfungshandlungen erfordert (vgl. IDW PS 320, Tz. 5, 32a; Orth/Müller, Abschlussprüfung, in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht, 2. Aufl. 2009, S. 637 f.). IDW PH 9.960.1, Tz. 5, WPg 2006, 133.

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nungsgemäß auf der angegebenen Basis erstellt wurden und diese Basis mit den Rechnungslegungsstrategien des Emittenten konsistent ist. Was genau unter „ordnungsgemäß erstellt“ (properly compiled) zu verstehen ist, wird in der ProspektVO nicht ausgeführt. Der am 28.4.2010 vom International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB)1 veröffentlichte Entwurf (Exposure Draft) des International Standard on Assurance Engagements (ISAE) 3420 „Assurance Reports on the Process to Compile Pro Forma Financial Information Included in a Prospectus“2 sieht entsprechend der Marktpraxis in verschiedenen Jurisdiktionen3 und Empfehlungen der IAASB Consultative Group vor, dass sich die Prüfung auf das Verfahren der Erstellung von Pro-forma-Finanzinformationen (process to compile pro forma financial information) und nicht auf die Pro-forma-Finanzinformationen selbst bezieht4. Das IAASB hat für den Entwurf des ISAE 3420 die Regelungen der ProspektVO als Ausgangspunkt gewählt5 und bezieht sich hinsichtlich des Prüfungsumfangs ausdrücklich auf die Anforderungen an die Prüfungsbescheinigung nach Anhang II Ziffer 7 ProspektVO6. Der IDW PH 9.960.1 spricht zwar vereinzelt von einer Prüfung der Pro-forma-Finanzinformationen7, stellt aber im Übrigen ähnlich wie der Exposure Draft des IAASB klar, dass es sich hierbei nur um eine Prüfung der Pro-forma-Anpassungen und der rechnerischen Richtigkeit der Zusammenfassung der Ausgangszahlen mit den Pro-forma-Anpassungen zu den daraus resultierenden Pro-forma-Finanzinformationen handelt8. Ausdrücklich ausgenommen von der Prüfung sind dabei nach IDW PH 9.960.1 die historischen Ausgangszahlen selbst, eine uU erforderliche Anpassung der historischen Ausgangszahlen des erworbenen Unternehmens/Unternehmensteils an die Rechnungslegungsgrundsätze, Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden des Emittenten sowie die Angemessenheit der in den Pro-forma-Erläuterungen dargestellten Pro-forma-Annahmen seitens des Emittenten9. Daher sieht IDW PH 9.960.1 vor, dass der Wirtschaftsprüfer sich eine schriftliche Vollständigkeitserklärung von der Unternehmensleitung des Emittenten erteilen lässt, in der er sich bestätigen lässt, dass (i) die Unternehmensleitung für die zugrunde liegenden Pro-forma-Annahmen und die Ermittlung der Pro-forma-Anpassungen verantwortlich ist, (ii) die histori1 Bei dem IAASB handelt es sich um das für Prüfungs- und Beratungsstandards zuständige internationale Gremium der International Federation of Accountants (IFAC). 2 Abrufbar auf der Website der IFAC http://ifac.org unter der Rubrik „Exposure Drafts and Consultation Papers“. 3 Als Beispiele werden Hongkong, Malaysia, Singapur, Südafrika und das Vereinigte Königreich genannt, Exposure Draft des ISAE 3420, S. 5. 4 Exposure Draft des ISAE 3420, S. 5 und 37 sowie Proposed ISAE 3420 Tz. 1 und 2 (Exposure Draft des ISAE 3420, S. 15). 5 Exposure Draft des ISAE 3420, S. 3 f. 6 Exposure Draft des ISAE 3420, S. 5. 7 IDW PH 9.960.1, Tz. 1, 5, 6, WPg 2006, 133 f. 8 IDW PH 9.960.1, Tz. 9, 10, WPg 2006, 133 (134). 9 IDW PH 9.960.1, Tz. 7, 8, 17, WPg 2006, 133 (134 f.).

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schen Finanzinformationen in den Ausgangszahlen auf den gleichen Rechnungslegungsgrundsätzen sowie Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätzen beruhen und Wahlrechte einheitlich ausgeübt worden sind, (iii) die den Pro-forma-Finanzinformationen zugrunde liegenden Pro-forma-Annahmen den wesentlichen Konsequenzen der Unternehmenstransaktion angemessen Rechnung tragen, (iv) die Pro-forma-Anpassungen sachgerecht unter Berücksichtigung der Pro-forma-Anpassungen abgeleitet und in der Pro-forma-Gewinn- und Verlustrechnung und der Pro-forma-Bilanz abgebildet wurden und (v) sämtlichen relevanten Unternehmenstransaktionen sowie den daraus folgenden wesentlichen Konsequenzen für die Abschlüsse in den Pro-forma-Erläuterungen angemessen Rechnung getragen wurde1. a) Prüfung, ob die Pro-forma-Finanzinformationen ordnungsgemäß auf den dargestellten Grundlagen beruhen 46

Für die Prüfung, ob die Pro-forma-Finanzinformationen ordnungsgemäß auf den in den Pro-forma-Erläuterungen dargestellten Grundlagen erstellt worden sind, hat ein Wirtschaftsprüfer nach IDW PH 9.960.12 zunächst die Proforma-Anpassungen zu prüfen. Hierbei umfasst die Prüfungstätigkeit neben der Beurteilung der Konsolidierung insbesondere die Prüfung der vorgenommenen Pro-forma-Anpassungen in Bezug auf die Kaufpreisaufteilung der Unternehmenstransaktion, sofern diese nicht schon bereits im Rahmen der Abschlussprüfung geprüft wurde, sowie deren Finanzierung. Dies ist vor allem in Fallkonstellationen bedeutsam, in denen eine Pro-forma-Bilanz zu erstellen ist3, also wenn die Unternehmenstransaktion in der Bilanz des letzten Abschlusses oder des Zwischenabschlusses des laufenden Geschäftsjahres nicht abgebildet ist, mithin die Transaktion nach dem Stichtag des letzten Abschlusses oder Zwischenabschlusses erfolgt ist (hierzu Rz. 15 und 17). Bei der Prüfung ist zu berücksichtigen, dass die bei der Gewinn- und Verlustrechnung vorgenommen Pro-forma-Anpassungen nicht mit denen in der Pro-forma-Bilanz korrespondieren müssen und daher von der Konzeption her keine Kongruenz zwischen beiden besteht. Eine Gegenbuchung oder die Bildung eines bilanziellen Ausgleichspostens ist somit für Pro-forma-Anpassungen im Bereich der Gewinn- und Verlustrechnung nicht sachgerecht4.

47

Eine Prüfung der Pro-forma-Anpassungen beinhaltet in der Regel insbesondere (i) das kritische Lesen der den Pro-forma-Finanzinformationen zugrunde liegenden Verträge sowie (ii) das Befragen der Unternehmensleitung und ggf. weiterer Auskunftspersonen über die Unternehmenstransaktion(en), deren Konsequenzen für die Abschlüsse und zu sonstigen Geschäftsbezie-

1 IDW PH 9.960.1, Tz. 16, WPg 2006, 133 (135). 2 IDW PH 9.960.1, Tz. 4, WPg 2006, 133. 3 Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 129. 4 Förschle/Almeling in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Kap. F Rz. 130.

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hungen zwischen dem Emittenten und dem zugehenden bzw. abgehenden Tochterunternehmen, Teilkonzern oder Unternehmensteil, (iii) das kritische Lesen der Pro-forma-Erläuterungen hinsichtlich einer nachvollziehbaren Darstellung sowie (iv) die Feststellung, ob die Pro-forma-Anpassungen folgerichtig aus den Pro-forma-Annahmen abgeleitet wurden und widerspruchsfrei sind1. Neben der Prüfung der Pro-forma-Anpassungen ist nach IDW PH 9.960.1 48 zudem die rechnerische Richtigkeit der Zusammenfassung der Ausgangszahlen mit den Pro-forma-Anpassungen zu den sich daraus ergebenden Pro-forma-Finanzinformationen zu prüfen2. In der Regel erstreckt sich die Prüfungstätigkeit ausgehend von einer Darstellung in Spaltenform (vgl. Rz. 18 ff.) auf die Nachvollziehung der Addition (im Falle des Erwerbs eines Unternehmens/Unternehmensteils) oder der Subtraktion (im Falle der Veräußerung eines Unternehmens/Unternehmensteils) der historischen Ausgangszahlen mit den Pro-forma-Anpassungen und den daraus resultierenden Pro-forma-Finanzangaben3. b) Prüfung, ob die dargestellten Grundlagen mit den Rechnungslegungsgrundsätzen des Emittenten konsistent sind Für die Beurteilung, ob die in den Pro-forma-Erläuterungen dargestellten 49 Grundlagen mit den Rechnungslegungsgrundsätzen des Emittenten im Einklang stehen, hat der Wirtschaftsprüfer nach IDW PH 9.960.14 vor allem die den Pro-forma-Finanzinformationen zugrunde liegenden historischen Abschlüsse kritisch zu lesen und die Unternehmensleitung sowie ggf. weitere relevante Personen entsprechend zu befragen. Zudem sind die Pro-forma-Erläuterungen kritisch zu lesen und mit den Angaben in den Anhängen der historischen Abschlüsse zu vergleichen, um beurteilen zu können, ob die zugrunde liegenden Rechnungslegungsgrundsätze sowie die Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden in den Erläuterungen sachgerecht dargestellt oder entsprechende Verweise auf die Anhänge der historischen Abschlüsse enthalten sind5.

1 2 3 4

IDW PH 9.960.1, Tz. 10, WPg 2006, 133 (134). IDW PH 9.960.1, Tz. 9 und 13, WPg 2006, 133 (134). IDW PH 9.960.1, Tz. 13, WPg 2006, 133 (134). IDW PH 9.960.1, Tz. 14, WPg 2006, 133 (134 f.); vergleichbare Prüfungen sieht auch der Exposure Draft des ISAE 3420 vor (Tz. 10(b)(ii), 13(b)(iii) und 18(b) sowie S. 26 A 15, 38), wobei anders als nach Anhang II Ziffer 7 lit. b ProspektVO in dem Entwurf für ein Muster eines Practitioner’s Report keine eigenständige, ausdrückliche Aussage (opinion) zur Konsistenz mit den Rechnungslegungsgrundsätzen des Emittenten, sondern lediglich ein Hinweis auf die Vornahme entsprechender Prüfungshandlungen vorgesehen ist, die als Grundlage der Aussage, dass die Pro-forma-Finanzinformationen ordnungsgemäß erstellt worden sind, dienen (Exposure Draft ISAE 3420, S. 38). 5 IDW PH 9.960.1, Tz. 14, WPg 2006, 133 (134 f.).

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3. Inhalt der Prüfungsbescheinung 50

Tz. 17 des IDW PH 9.960.11 enthält als Empfehlung den Wortlaut für eine Musterbescheinigung. Die Musterbescheinigung endet mit den von Anhang II Ziffer 7 ProspektVO verlangten Aussagen, dass nach Beurteilung des Wirtschaftsprüfers die Pro-forma-Finanzinformationen auf den in den Proforma-Erläuterungen dargestellten Grundlagen ordnungsgemäß erstellt worden sind (siehe Rz. 44 ff.) und dass diese Grundlagen im Einklang mit den Rechnungslegungsgrundsätzen sowie den Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden des Emittenten stehen. Laut CESR genügt eine im Wortlaut von Ziffer 7 des Anhangs II ProspektVO abweichende Aussage des Wirtschaftsprüfers nicht den Anforderungen der ProspektVO, insbesondere sind etwaige Einschränkungen (qualifications) oder Zusätze bzw. Hinweise, die das Prüfungsurteil selbst nicht berühren (emphasis of matter paragraphs2), nicht zulässig, da diese das Urteil des Wirtschaftsprüfers schmälern bzw. zu Unklarheit führen3.

51

Daneben enthält die Musterbescheinigung nach IDW PH 9.960.1 Angaben zu den Prüfungshandlungen und Aufgaben des Wirtschaftsprüfers, welche Pro-forma-Finanzinformationen enthalten sind und worin deren Zweck besteht, dass die Verantwortung der Erstellung der Pro-forma-Finanzinformationen bei den gesetzlichen Vertretern des die Pro-forma-Finanzinformationen erstellenden Unternehmens liegt sowie eine Aussage dazu, dass die Prüfung unter Beachtung von IDW PH 9.960.1 „so geplant und durchgeführt“ wurde, „dass wesentliche Fehler bei der Erstellung der Pro-formaFinanzinformationen auf den in den Pro-forma-Erläuterungen dargestellten Grundlagen sowie bei der Erstellung dieser Grundlagen in Übereinstimmung mit den Rechnungslegungsgrundsätzen sowie den Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden der Gesellschaft mit hinreichender Sicherheit erkannt werden“4.

1 WPg 2006, 133 (135). 2 Zu „emphasis of matter paragraphs“, also Zusätzen bzw. Hinweisen (Hervorhebung eines Sachverhalts in einem gesonderten Abschnitt), ohne damit jedoch das Prüfungsurteil selbst zu berühren, vgl. International Standard on Auditing (ISA) 706 „Emphasis of Matter Paragraphs and Other Matter Paragraphs in the Independent Auditor’s Report“, abrufbar über die Website des IAASB http://www.ifac.org/IAASB/ unter der Rubrik „IAASB Clarity Center . The Clarified Standards . ISAs and ISQC 1“. Der Exposure Draft des IASE 3420 sieht die Möglichkeit von Emphasis of Matter-Hinweisen vor, macht jedoch zugleich deutlich, dass derartige Hinweise nach dem jeweils maßgeblichen Prospektrecht uU nicht gestattet sind (Exposure Draft des IASE 3420, S. 9). 3 CESR, Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members (FAQs), 10th Updated Version v. Dezember 2009, CESR/09-1148, Frage 55 (August 2008). 4 IDW PH 9.960.1, Tz. 17, WPg 2006, 133 (135).

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Anhang III Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung von Aktien (Schema) Schrifttum: Apfelbacher/Metzner, Das Wertpapierprospekt in der Praxis, BKR 2006, 81; Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Ekkenga, Kurspflege und Kursmanipulation nach geltendem und künftigem Recht, WM 2002, 317; Fleischer, Marktschutzvereinbarungen beim Börsengang – Eine Bestandsaufnahme nach dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, WM 2002, 2035; Harrer/Heidemann, Going Public – Einführung in die Thematik, DStR 1999, 254; Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings nach deutschem Recht, WM 1996, 1; Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668; Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up-agreements, 2004; Jäger, Thema Börse (6): Emissionspartner und Anleger, NZG 1999, 643; Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB 2005, 209; Kunold/ Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BB 2004, 501; Schlitt/Ries, Preisbestimmungsverfahren bei Aktienemissionen, FS Schwark, 2009, S. 242; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Schlitt/Singhof/Schäfer, Aktuelle Rechtsfragen und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251; Weber, Unterwegs zu einer europäischen Prospektkultur, NZG 2004, 360; Wegmann, Die Emissionspreisfindung im Zusammenhang mit der Börseneinführung von mittelständischen Unternehmen am Neuen Markt, DStR 1999, 514; Willamowski, Die strategische Allokation von Aktien bei Emissionen, WM 2001, 653.

Inhaltsübersicht I. Anwendungsbereich . . . . . .

1

II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) . . . . . . . . . . . . . . .

2

III. Risikofaktoren (Ziffer 2) 1. Bedeutung und Darstellung . 2. Typischerweise zu nennende Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wichtige Angaben (Ziffer 3) 1. Erklärung zum Geschäftskapital (Ziffer 3.1) a) Inhalt der Erklärung . . . . b) Qualifizierung . . . . . . . . c) Grundsätze für die Erstellung . . . . . . . . . . . d) Standort im Prospekt . . . 2. Kapitalausstattung und Verschuldung (Ziffer 3.2) . . 3. Interessen Dritter an der Emission (Ziffer 3.3) . . . . . . 4. Gründe für das Angebot und Verwendung des Emissionserlöses (Ziffer 3.4) . . . . . . .

5 8

. .

11 14

. .

15 16

.

17

.

20

.

22

V. Angaben über die anzubietenden bzw. zum Handel zuzulassenden Wertpapiere (Ziffer 4) . . . . . . . . . . . . . . . 27 VI. Bedingungen und Voraussetzungen für das Angebot (Ziffer 5) 1. Angebotsbedingungen (Ziffer 5.1) . . . . . . . . . . . . . . 2. Tranchenbildung; Zuteilung (Ziffer 5.2) . . . . . . . . . . . . . . 3. Preisfestsetzung (Ziffer 5.3) . 4. Übernahme der Aktien (Ziffer 5.4) . . . . . . . . . . . . . .

40 51 56 59

VII. Zulassung zum Handel und Handelsregeln (Ziffer 6) 1. Zulassung und Handel (Ziffer 6.1 bis 6.4) . . . . . . . . . 2. Stabilisierung (Ziffer 6.5) . . .

62 67

VIII. Wertpapierinhaber mit Verkaufsposition (Ziffer 7) 1. Anbieter (Ziffer 7.1 und 7.2) .

69

Schlitt/Schäfer

799

EU-ProspektVO 2. Lock-up (Ziffer 7.3) . . . . . . .

Anhang III 71

XI. Kosten der Emission/des Angebots (Ziffer 8) . . . . . . . .

73

X. Verwässerung (Ziffer 9) . . . .

80

XI. Zusätzliche Angaben (Ziffer 10) 1. Berater (Ziffer 10.1) . . . . . . .

2. Geprüfte Zahlen (Ziffer 10.2) . . . . . . . . . . . . . 3. Sachverständigengutachten (Ziffer 10.3) . . . . . . . . . . . . . 4. Informationen von Seiten Dritter (Ziffer 10.4) . . . . . . .

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I. Anwendungsbereich (Ziffer 1) 1

Anhang III der ProspektVO ist das für die Wertpapierbeschreibung von Aktien anwendbare Schema (Art. 6 ProspektVO)1. Es gilt darüber hinaus für andere übertragbare, Aktien gleichzustellende Wertpapiere. Hierunter fallen vor allem ausländische Wertpapiere, die aufgrund ihrer rechtlichen Ausgestaltung Aktien gleichzustellen sind. Andere Anwendungsfälle sind Wandelschuldverschreibungen auf eigene Aktien2, insbesondere, wenn es sich um Pflichtwandelanleihen handelt, und Genussscheine, soweit sie nicht schuldverschreibungsähnlich strukturiert sind3. Nicht erfasst sind Aktien vertretende Zertifikate (depository receipts). Für solche Zertifikate gilt Anhang X (Art. 13 ProspektVO), der sowohl die Wertpapierbeschreibung als auch die Angaben zu den Zertifikaten und den zu Grunde liegenden Aktien vorgibt.

II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) 1. Verantwortliche Personen 1.1. Alle Personen, die für die im Prospekt gemachten Angaben bzw. für bestimmte Abschnitte des Prospekts verantwortlich sind. Im letzteren Fall sind die entsprechenden Abschnitte aufzunehmen. Im Falle von natürlichen Personen, zu denen auch Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane des Emittenten gehören, sind der Name und die Funktion dieser Person zu nennen. Bei juristischen Personen sind Name und eingetragener Sitz der Gesellschaft anzugeben. 1.2. Erklärung der für den Prospekt verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die im Prospekt genannten Angaben ihres Wissens nach richtig sind und 1 Zum Begriff Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1671 f.). 2 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 2. Zu Gestaltungsmöglichkeiten Schlitt/Seiler/Singhof, AG 2003, 254 ff. 3 Eine schuldverschreibungsähnliche Strukturierung liegt grundsätzlich vor, wenn die Genussscheinbedingungen eine Rückgabemöglichkeit und eine erfolgsunabhängige (Mindest-)Verzinsung vorsehen und der Genussschein als Fremdkapital zu bilanzieren ist. Indizien für eine aktienähnliche Ausgestaltung sind hingegen die Teilnahme an etwaigen Verlusten, ein gewinnabhängiger Zinssatz und die Bilanzierung als Eigenkapital; vgl. auch die Kommentierung zu § 2 WpPG Rz. 23.

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keine Tatsachen ausgelassen worden sind, die die Aussage des Prospekts wahrscheinlich verändern können. Ggf. Erklärung der für bestimmte Abschnitte des Prospekts verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die in dem Teil des Prospekts genannten Angaben, für den sie verantwortlich sind, ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen ausgelassen worden sind, die die Aussage des Prospekts wahrscheinlich verändern können. Anhang III Ziffer 1 ProspektVO1 ist im Wesentlichen wortgleich mit Ziffer 1 des Anhangs I. Sofern ein einteiliger Prospekt veröffentlicht wird, wie es bei Aktienemissionen der Regelfall ist2, reicht eine Verantwortlichkeitserklärung im Prospekt aus, die in diesem Fall den gesamten Prospekt abdeckt und damit die Anforderungen der Ziffer 1 des Anhangs III und Ziffer 1 des Anhangs I erfüllt. Eine Wiederholung der Verantwortlichkeitserklärung im Zusammenhang mit der Darstellung des Angebots ist im einteiligen Prospekt nicht erforderlich.

2

Sofern ausnahmsweise ein dreiteiliger Prospekt iS des § 12 Abs. 1 Satz 2 WpPG erstellt wird, ist sowohl in das Registrierungsformular, als auch in die Wertpapierbeschreibung eine Verantwortlichkeitserklärung aufzunehmen3 (hinsichtlich der in die Zusammenfassung aufzunehmenden Angaben zur Verantwortlichkeit vgl. § 5 WpPG Rz. 45 ff.).

3

Wegen weiterer Einzelheiten siehe die Kommentierung zu Anhang I EUProspektVO Rz. 45 ff.

4

III. Risikofaktoren (Ziffer 2) 2. Risikofaktoren Klare Offenlegung der Risikofaktoren, die für die anzubietenden und/oder zum Handel zuzulassenden Wertpapiere von wesentlicher Bedeutung sind, wenn es darum geht, das Marktrisiko zu bewerten, mit dem diese Wertpapiere behaftet sind. Diese Offenlegung muss unter der Rubrik „Risikofaktoren“ erfolgen. 1. Bedeutung und Darstellung Die ProspektVO unterstreicht mit der zwingenden Pflicht zur Aufnahme aktienbezogener Risiken deren Bedeutung innerhalb der Darstellung der üb1 Vgl. § 14 BörsZulV aF, siehe dazu Heidelbach in Schwark, § 14 BörsZulV Rz. 1 ff. 2 Zum Prospekt bei Aktienemissionen siehe auch Crüwell, AG 2003, 243 (247); Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 201; Kullmann/ Sester, ZBB 2005, 209 ff.; Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (505); Ponick in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 208; Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251; Weber, NZG 2004, 360 (363). 3 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 5.

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rigen Risiken. Chancen, die die Risiken mindern, dürfen nicht im Prospekt dargestellt werden, da sie die Bedeutung der geschilderten Risiken verharmlosen könnten (Verbot der sog. mitigating language). Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung zu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 32 ff. 6

Hinsichtlich der Darstellung schreibt Anhang III Ziffer 2 ProspektVO vor, dass auch die aktienbezogenen Risiken im Abschnitt „Risikofaktoren“ offen zu legen sind. Ebenso wie in den übrigen Risikofaktoren sind Verweise auf außerhalb dieses Kapitels liegende Prospektteile in der Regel nicht zulässig, da sie die klare Offenlegung der Risiken beeinträchtigen können. Eine Prioritisierung der verschiedenen Risikofaktoren, etwa nach dem Ausmaß der bei ihrem Eintreten entstehenden Schäden oder nach dem Wahrscheinlichkeitsgrad ihrer Verwirklichung, ist hingegen rechtlich nicht erforderlich. Gleichwohl bemüht sich die Praxis meist, die Risikofaktoren entsprechend der Größe des möglichen Schadens im Falle ihres Eintritts (also nicht der Höhe der Eintrittswahrscheinlichkeit) zu sortieren1.

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Es ist zwar rechtlich nicht geboten, bietet sich aber an und entspricht der allgemeinen Marktpraxis, jedem Risikofaktor einen Satz als Überschrift voranzustellen, der das jeweilige Risiko in Kürze beschreibt. Dieser Satz kann in die Zusammenfassung des Prospekts, die zwingend auch eine Zusammenfassung der Risikofaktoren enthalten muss (§ 5 Abs. 2 WpPG), eingestellt werden, so dass auf diese Weise Konsistenz hergestellt wird. 2. Typischerweise zu nennende Risiken

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Anders als die den Emittenten und seine Branche betreffenden Risiken sind die aktienbezogenen Risiken tendenziell weniger abhängig vom Einzelfall und in vielerlei Hinsicht standardisiert, da Aktienemissionen im Wesentlichen den beiden Fallgruppen Börsengang und Bezugsrechtsemission zugeordnet werden können. Daher haben sich in der Praxis eine Reihe aktienbezogener Risiken herausgebildet, die sehr häufig einschlägig und daher, mit Variationen des genauen Wortlauts, in den meisten Prospekten anzutreffen sind.

9

Zu diesen typischerweise zu nennenden Risiken gehören bei Börsengängen das Risiko, dass (i) ein öffentlicher Handel in den Aktien bislang nicht bestand und keine Gewähr besteht, dass sich ein liquider Handel entwickelt, wobei der Kurs möglicherweise volatil sein kann; (ii) die bisherigen Aktionäre, deren Interessen von denen neuer Investoren abweichen können, auch nach dem Börsengang einen erheblichen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben könnten; (iii) ein zukünftiger Aktienverkauf nachteilige Auswirkun-

1 Ziffer 4.1.2. der bis zum Inkrafttreten des WpPG geltenden Going-Public-Grundsätze der Deutsche Börse AG sahen eine Orientierung in der Reihenfolge an den möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Emittenten im Fall ihrer Realisierung vor. Siehe dazu die Kommentierung zu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 39, zu den Going-Public-Grundsätzen Schlitt/Smith/Werlen, AG 2002, 478.

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gen auf den Kurs haben könnte; (iv) der anteilige Buchwert des Eigenkapitals je Aktie den Platzierungspreis deutlich unterschreitet und (v) die Ausgabe neuer Aktien zu einer Verwässerung der Beteiligung der Aktionäre an der Gesellschaft führen kann1. Im Falle einer Bezugsrechtsemission finden sich neben den unter (ii) bis (v) genannten Risikohinweisen häufig Risikofaktoren zum Zustandekommen eines liquiden Bezugsrechtshandels, einer möglichen Kündigung des Übernahmevertrags durch die Konsortialbanken und einem möglichen Absinken des Aktienkurses während des Bezugsangebots. Sofern der Bezugspreis erst während der Bezugsfrist festgelegt wird2, findet sich in der Regel ergänzend ein Risikofaktor dazu, dass die Bezugsrechtsausübung oder ein Handel in Bezugsrechten vor Bezugspreisfestlegung mit Risiken behaftet ist3.

IV. Wichtige Angaben (Ziffer 3) 3. Wichtige Angaben 3.1. Erklärung zum Geschäftskapital Erklärung des Emittenten, dass das Geschäftskapital seiner Auffassung nach für seine derzeitigen Bedürfnisse ausreicht. Ansonsten ist darzulegen, wie das zusätzlich erforderliche Geschäftskapital beschafft werden soll. 3.2. Kapitalbildung und Verschuldung Aufzunehmen ist eine Übersicht über Kapitalbildung und Verschuldung (wobei zwischen garantierten und nicht garantierten, besicherten und unbesicherten Verbindlichkeiten zu unterscheiden ist). Diese Übersicht darf nicht älter sein als 90 Tage vor dem Datum des Dokuments. Zur Verschuldung zählen auch indirekte Verbindlichkeiten und Eventualverbindlichkeiten. 3.3. Interessen von Seiten natürlicher und juristischer Person, die an der Emission/dem Angebot beteiligt sind Beschreibung jeglicher Interessen – einschließlich möglicher Interessenskonflikte –, die für die Emission/das Angebot von wesentlicher Bedeutung sind, wobei die beteiligten Personen zu spezifizieren und die Art der Interessen darzulegen ist. 3.4. Gründe für das Angebot und Verwendung der Erträge Angabe der Gründe für das Angebot und ggf. des geschätzten Nettobetrages der Erträge, aufgegliedert nach den wichtigsten Verwendungszwecken und dargestellt nach Priorität dieser Verwendungszwecke. Sofern der Emittent weiß, dass die antizipierten Erträge nicht ausreichend sein werden, um alle vorgeschlagenen Verwendungszwecke zu finan1 Rauch in Holzborn, Anh. III EU-ProspV Rz. 3. 2 Zur Preisfestsetzung bei Bezugsrechtsemissionen siehe Schlitt/Ries in FS Schwark, 2009, S. 241, 249 ff. mwN. 3 So zB im Prospekt der Manz Automation AG v. 11.6.2008, S. 31.

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zieren, sind der Betrag und die Quellen anderer Mittel anzugeben. Die Verwendung der Erträge muss im Detail dargelegt werden, insbesondere wenn sie außerhalb der normalen Geschäftsvorfälle zum Erwerb von Aktiva verwendet, zur Finanzierung des angekündigten Erwerbs anderer Unternehmen oder zur Begleichung, Reduzierung oder vollständigen Tilgung der Schulden eingesetzt werden. 1. Erklärung zum Geschäftskapital (Ziffer 3.1) a) Inhalt der Erklärung 11

Nach Anhang III Ziffer 3.1 ProspektVO muss der Emittent zuzulassender oder öffentlich anzubietender Aktien eine Aussage zu seiner aktuellen Finanzlage treffen (working capital statement). Das Geschäftskapital umfasst das Bargeld und die anderen verfügbaren liquiden Mittel, zu denen der Emittent Zugang hat, um seine Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen1. Im Falle eines Konzerns bezieht sich die Erklärung zum Geschäftskapital auf den gesamten Konzern, nicht allein auf den Emittenten2. Auch wenn der Prospekt für ein öffentliches Angebot neuer Aktien erstellt wird, ist grundsätzlich auf die Finanzlage des Emittenten zum Zeitpunkt der Prospektbilligung, dh. ohne Einrechnung des erwarteten Emissionserlöses, abzustellen. Denn die Aussage zum Geschäftskapital muss zum Zeitpunkt der Prospektbilligung zutreffend sein, auch wenn zu diesem Zeitpunkt nicht feststeht, ob und in welchem Umfang das Angebot erfolgreich sein wird3. Anderes gilt nur dann, wenn der Zufluss des Emissionserlöses ausnahmsweise bereits zum Zeitpunkt der Prospektbilligung gesichert ist, etwa angebotene neue Aktien bereits zum Zeitpunkt der Prospektbilligung gezeichnet wurden und auch aus anderen Gesichtspunkten (Eintritt von Bedingungen, Beendigungsgründen) eine vorzeitige Beendingung des Angebots ausgeschlossen ist.

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Der Begriff der „aktuellen“ Finanzlage bezieht sich auf die Dauer der Gültigkeit eines Prospekts. Da ein Prospekt gemäß § 9 Abs. 1 WpPG für zwölf Monate gültig (dh. verwendbar) ist, sofern er durch gebilligte Nachträge nach § 16 WpPG aktualisiert wurde, ist daher auch die Erklärung zum Geschäftskapital für eine Dauer von zwölf Monaten ab dem Datum der Prospektbilligung abzugeben4. Sofern dem Emittenten zum Zeitpunkt der Prospektbilligung jedoch bereits bekannt ist, dass nach Ablauf der Zwölf-Monats-Frist

1 CESR/05-054b, Rz. 107; A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 44; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 84. 2 CESR/05-054b, Rz. 112; Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EUProspektVO Rz. 22. 3 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 20. 4 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt,§ 30 Rz. 44; Rauch in Holzborn, Anh. III EU-ProspV Rz. 6; Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 23.

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keine ausreichenden Mittel zur Deckung seiner Verbindlichkeiten verfügbar sein werden, kann eine Offenlegung dieses Umstands erforderlich sein1. Grundsätzlich ist zwischen einer unqualifizierten und einer qualifizierten 13 Erklärung zum Geschäftskapital zu unterscheiden. Unter einer unqualifizierten Erklärung ist dabei eine Erklärung zu verstehen, bei der die Aussage nicht unter Bedingungen, Annahmen oder Vorbehalten steht und keine weiteren Voraussetzungen genannt werden. Der typische Wortlaut einer unqualifizierten Erklärung lautet: „Die Gesellschaft ist der Auffassung, dass sie aus heutiger Sicht in der Lage sein wird, ihren fälligen Zahlungsverpflichtungen in den nächsten zwölf Monaten nachzukommen.“ b) Qualifizierung Ob eine Einschränkung der Erklärung zum Geschäftskapital erforderlich ist, 14 beurteilt sich im Wesentlichen nach den Voraussetzungen, nach denen Wirtschaftsprüfer eine Aussage zur Unternehmensfortführung (going concern) in ihrem Bestätigungsvermerk treffen2. Sofern eine Aussage zum Geschäftskapital nur unter bestimmten Annahmen oder dem Eintreffen erwarteter Ereignisse möglich ist, ist eine qualifzierte Erklärung abzugeben. In diesem Fall muss zunächst explizit klargestellt werden, dass der Emittent nicht über ausreichendes Geschäftskapital zur Erfüllung seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen in den nächsten zwölf Monaten verfügt3. Des Weiteren ist der Emittent verpflichtet, Angaben darüber zu machen, ab welchem Zeitpunkt das vorhandene Geschäftskapital voraussichtlich nicht mehr ausreichen wird, in welchem Umfang erforderliche Mittel voraussichtlich fehlen werden und mit welchen Maßnahmen diese Mittel aufgebracht werden sollen, um ausreichendes Geschäftskapital zu beschaffen. Hierzu gehört auch die Offenlegung einer Einschätzung des Emittenten zur Wahrscheinlichkeit der Beschaffung weiterer Mittel und des voraussichtlichen Zeitpunkts ihrer Erhältlichkeit4. Sofern die Gefahr einer Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit besteht, ist hierauf unmissverständlich hinzuweisen, wobei dann idR auch ein entsprechender Risikofaktor erforderlich sein wird5. c) Grundsätze für die Erstellung Bevor ein Emittent im Prospekt eine Erklärung zu seinem Geschäftskapital 15 abgibt, sollten verschiedene Prüfungsschritte durchlaufen werden. Hierzu gehört die Vorbereitung nicht in den Prospekt aufzunehmender zukunftsgerichteter Finanzinformationen auf Basis der Fortschreibung bisheriger Ka1 CESR/05-054b, Rz. 110; A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt,§ 30 Rz. 44. 2 CESR/05-054b, Rz. 124. 3 CESR/05-054b, Rz. 118. 4 CESR/05-054b, Rz. 118–122. 5 CESR/05-054b, Rz. 123; zu Risikofaktoren siehe die Kommentierung zu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 32 ff.

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pitalflüsse, der Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz. Des Weiteren ist eine Analyse der Kapitalfüsse des Unternehmens, der Einflüsse, denen es unterliegt, sowie der Beziehungen zu Banken oder anderen Finanzierungsgebern durchzuführen. Dabei ist auch die Geschäftsplanung und Strategie einer kritischen Prüfung, insbesondere im Hinblick auf mögliche Umsetzungsrisiken, zu unterziehen. Dies beinhaltet ua. eine Sensitivitätsanalyse, um mögliche „Worst Case“-Szenarien zu berücksichtigen1. d) Standort im Prospekt 16

Die ProspektVO enthält keine Vorgabe für den Standort der Erklärung zum Geschäftskapital im Prospekt. Sie ist sehr häufig Bestandteil der Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten (sog. MD&A)2, wo sie im Regelfall im Anschluss an die Angaben zur Kapitalflussrechnung, Liquidität und (Fremd-)Finanzierungsstruktur abgegeben wird. Gelegentlich wird sie im Prospekt als eigener Abschnitt unter dem Abschnitt „Gründe für das Angebot und Verwendung des Emissionserlöses“ (siehe dazu unten Rz. 22 ff.) angesiedelt3. 2. Kapitalausstattung und Verschuldung (Ziffer 3.2)

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Über die Anforderungen an die Darstellung der Geschäfts- und Finanzlage nach Ziffer 9.1 des Anhangs I hinaus erfordert Ziffer 3.2 des Anhangs III eine detaillierte Zusammenstellung der aktuellen Kapitalausstattung des Emittenten4. Hierzu zählen neben den Angaben zum Eigenkapital auch Angaben zu kurzfristigen und langfristigen Verbindlichkeiten, wobei zu kennzeichnen ist, inwiefern diese besichert oder garantiert sind5. Darüber hinaus sind in der Regel Angaben zur Liquidität des Emittenten aufzunehmen. Ähnlich wie bei der Erklärung zum Geschäftskapital ist bei Konzernen auch hier auf eine konzernweite Betrachtung vorzunehmen und somit auf die konsolidierten Zahlen abzustellen.

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Neben den Angaben zur Kapitalausstattung ist eine Aussage zur Verschuldung zu treffen. Dies schließt auch Eventualverbindlichkeiten und sonstige (auch außerbilanzielle) Haftungsverhältnisse ein. Diese Angaben werden in der Praxis entweder der Darstellung der Kapitalausstattung unmittelbar angeschlossen oder in das Kapitel „Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ integriert. CESR hat die Begriffe Eventualverbind1 CESR/05-054b, Rz. 125. 2 Vgl. die Kommentierung zu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 87 ff.; A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 44. 3 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 84. 4 Rauch in Holzborn, Anh. III EU-ProspV Rz. 8 ff. mit einem Formulierungsbeispiel. 5 Zu den Einzelheiten und Musterbeispielen für den Aufbau der Kapitalisierungsangaben siehe CESR/05-054b, Rz. 127.

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lichkeiten und sonstige Haftungsverhältnisse definiert1. Danach zählen als sonstige Haftungsverhältnisse alle Verpflichtungen, die der Emittent (auf konsolidierter Basis) nicht direkt eingegangen ist, die ihn aber unter bestimmten Umständen treffen können, zB eine Garantie für ein an ein drittes Unternehmen gewährtes Bankdarlehen, falls das dritte Unternehmen das Darlehen nicht zurückzahlt. Als Eventualverbindlichkeiten beschreibt CESR den maximalen Gesamtbetrag, den der Emittent in Bezug auf Verpflichtungen zahlen muss, die er zwar eingegangen ist, deren finaler Betrag jedoch derzeit noch nicht mit Sicherheit feststeht, zB eine Mehrwertsteuerverpflichtung auf alle Waren in einem Warenlager, wenn der tatsächlich an die Finanzbehörden zu zahlende Betrag nicht nur von den tatsächlich vom Emittenten angeschafften und dort gelagerten Waren, sondern auch von der Anzahl tatsächlich an Kunden verkaufter Waren abhängt. Die Angaben zur Kapitalausstattung und Verschuldung dürfen nach An- 19 hang III Ziffer 3.2 ProspektVO zum Zeitpunkt der Prospektbilligung nicht älter als 90 Tage sein. Während CESR davon ausgeht, dass auch ältere, dem Jahresabschluss des Emittenten entstammende Angaben ausreichend sind, sofern seitdem keine wesentliche Änderung eingetreten ist2, fordert die BaFin in aller Regel, dass die Angaben maximal 90 Tage alt sind. Insbesondere in Konstellationen, in denen diese Angaben aufgrund der zeitlichen Erfordernisse nicht einem geprüften oder prüferisch durchgesehenen Abschluss entstammen, kann eine Bestätigung dieser Zahlen im Comfort Letter3 des Abschlussprüfers uU problematisch sein. In Einzelfällen hat die BaFin in der Vergangenheit der Aufnahme älterer Zahlen zugestimmt, wenn, etwa aufgrund der weit verzweigten Konzernstruktur des Emittenten, aktuelle Zahlen nicht erhältlich waren, sofern im Prospekt ausdrücklich erklärt wird, dass seit dem Stichtag des Abschlusses, aus dem die Angaben entnommen wurden, hierzu keine wesentliche Änderung eingetreten ist4. Richtigerweise sollte hier mehr Flexibilität entsprechend den CESR-Empfehlungen bestehen. 3. Interessen Dritter an der Emission (Ziffer 3.3) Anhang III Ziffer 3.3 ProspektVO fordert die Offenlegung aller Interessen, die für das Angebot von wesentlicher Bedeutung sein können, insbesondere 1 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/ 09-1148, Ziffer 61. 2 CESR/05-054, Rz. 127; CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 62; A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 43. 3 Zum Comfort Letter umfassend A. Meyer, WM 2003, 1745 ff.; Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt,§ 28. 4 Als Beispiele sind die Prospekte der Fresenius AG v. 15.11.2005 und der Wacker Construction Equipment AG v. 30.4.2007 zu nennen. Siehe dazu auch Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 83; Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 36.

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die Darstellung möglicher Interessenkonflikte. Solche liegen vor, wenn an dem Angebot beteiligte Personen ein wesentliches Interesse am Emittenten oder dem Angebot haben. Ein solches wesentliches Interesse kann sich aus einer direkten oder indirekten Beteiligung der betreffenden Person am Emittenten oder seinen Tochtergesellschaften, einem wirtschaftlichen Interesse an der Durchführung oder dem Ergebnis des Angebots oder einer Vereinbarung mit einem Großaktionär ergeben1. 21

Beispielsfälle sind Beratungsverträge, etwa mit IPO-Beratern, die eine erfolgsabhängige Vergütung vorsehen. Typischerweise gehört hierzu auch der Übernahmevertrag mit den Banken, der in aller Regel eine erfolgsabhängige Provision vorsieht, sowie sonstige Beziehungen der Konsortialbanken zum Emittenten (zB Designated Sponsor-Agreements). Häufig können Interessenkonflikte daraus resultieren, dass Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, die über die Durchführung des Angebots entscheiden, direkt oder indirekt am Emittenten beteiligt sind. Ebenfalls zu erwähnen sind im Zuge des Angebots veräußernde Altaktionäre, sofern diese eine nennenswerte Beteiligung am Emittenten oder seinen Tochtergesellschaften halten oder über von ihnen gestellte Aufsichtsratsmitglieder oÄ Einfluss auf das Angebot betreffende Entscheidungen nehmen können. Nicht hierunter fallen hingegen Mandatsvereinbarungen mit den begleitenden Anwälten, wenn diese eine Performance Fee vorsehen, die typischerweise nicht an die Höhe des Emissionserlöses, sondern an die Qualität der erbrachten Leistungen anknüpft. 4. Gründe für das Angebot und Verwendung des Emissionserlöses (Ziffer 3.4)

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Die Gründe für das Angebot, die Angabe der Höhe des erwarteten Bruttound Nettoemissionserlöses2 und die geplante Verwendung des Emissionserlöses können nur bei einem öffentlichen Angebot und nicht bei bloßer Börsenzulassung in den Prospekt aufgenommen werden. Sie werden üblicherweise in einem eigenen Kapitel im Anschluss an das Kapitel „Das Angebot“ in den Prospekt aufgenommen.

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Die Gründe für das Angebot und die geplante Verwendung sollen den Investor informieren, für welche Zwecke das von ihm eingesetzte Kapital verwendet wird. Daher sind ausreichend konkrete Angaben erforderlich. Sehr vage, abstrakte Formulierungen wie „zur Stärkung des Geschäftskapitals“ und „für den Ausbau der Geschäftstätigkeit“ können daher allenfalls als einleitende Oberbegriffe zu verwenden. Sie sind durch weitere Angaben zu konkretisieren. Diese werden in der Regel mit der Beschreibung der Maßnahmen korrespondieren, die unter dem Abschnitt „Strategie“ in der Dar-

1 CESR/05-054b, Rz. 166. 2 Zu den erforderlichen Angaben hinsichtlich der Höhe des erwarteten Emissionserlöses siehe die Kommentierung zu § 8 WpPG Rz. 22 ff.; vgl. auch § 15 Abs. 1 Nr. 13 BörsZulV aF und dazu Heidelbach in Schwark, § 15 BörsZulV Rz. 15.

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stellung der Geschäftstätigkeit im Prospekt als künftig geplante Maßnahmen geschildert sind. Dabei kann es sich etwa um die Akquisition eines anderen Unternehmens, den Bau neuer Produktionsanlagen oder den Erwerb von Lizenzen handeln. Die gewählte Formulierung sollte andererseits auch dem Interesse des Emittenten an ausreichender Flexibilität bei der Verwendung des Emissionserlöses Rechnung tragen. Eine vollständige Aufteilung des erwarteten Erlöses auf konkret genannte Maßnahmen erscheint vor diesem Hintergrund nicht geboten; vielmehr muss ein Spielraum des Emittenten verbleiben, innerhalb der einzelnen Verwendungszwecke stärker zu gewichten oder diese durch ähnliche Maßnahmen zu ergänzen. Die BaFin legt Wert auf eine Gewichtung der einzelnen Verwendungszwecke. Darüber hinausgehend sind quantitative Angaben, etwa eine prozentuale Aufteilung des erwarteten Emissionserlöses auf die geplanten Maßnahmen nicht erforderlich. Eine solche Aufteilung würde den Emittenten auch unnötig in seiner Handlungsfreiheit beschränken.

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Eine Quantifizierung ist ausnahmsweise dann geboten, wenn der Prospekt 25 Angaben über laufende oder künftige Investitionen nach Ziffer 5.2 ProspektVO des Anhangs I enthält. Da Ziffer 5.2 ProspektVO des Anhangs I auch Angaben über deren Finanzierung fordert, sind Hinweise auf laufende und künftige Investitionen und deren Höhe in den Abschnitt zur Verwendung des Emissionserlöses aufzunehmen, sofern die Investitionen ganz oder teilweise aus dem Emissionserlös finanziert werden sollen. Im Falle eines Prospekts, der im Zusammenhang mit der Einbeziehung in 26 den Freiverkehr erstellt wird, um im Zuge dessen durch Werbemaßnahmen auf die Einbeziehung aufmerksam machen zu können1, ohne dass mit der Einbeziehung eine Kapitalerhöhung oder ein sonstiges Aktienangebot verbunden wäre, ist anstelle der Darstellung der Verwendung des Emissionserlöses ein Hinweis aufzunehmen, dass kein Kapital zufließt.

V. Angaben über die anzubietenden bzw. zum Handel zuzulassenden Wertpapiere (Ziffer 4) 4.

Angaben über die anzubietenden bzw. zum Handel zuzulassenden Wertpapiere 4.1. Beschreibung des Typs und der Kategorie der anzubietenden und/oder zum Handel zuzulassenden Wertpapiere einschließlich der ISIN (International Security Identification Number) oder eines anderen Sicherheitscodes. 4.2. Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage die Wertpapiere geschaffen wurden.

1 Zur Grenze zum öffentlichen Angebot und der damit einhergehenden Prospektpflicht siehe die Kommentierung zu § 2 WpPG Rz. 35.

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4.3. Angabe, ob es sich bei den Wertpapieren um Namenspapiere oder um Inhaberpapiere handelt und ob die Wertpapiere verbrieft oder stückelos sind. In letzterem Fall sind der Name und die Anschrift des die Buchungsunterlagen führenden Instituts zu nennen. 4.4. Währung der Wertpapieremission. 4.5. Beschreibung der Rechte die an die Wertpapiere gebunden sind – einschließlich ihrer etwaigen Beschränkungen –, und des Verfahrens zur Ausübung dieser Rechte: – Dividendenrechte: – Fester/e Termin/e, an dem/denen die Dividendenberechtigung beginnt; – Verjährungsfrist für den Verfall der Dividendenberechtigung und Angabe des entsprechenden Begünstigten; – Dividendenbeschränkungen und Verfahren für gebietsfremde Wertpapierinhaber; – Dividendensatz oder Methode zu seiner Berechnung, Angabe der Frequenz und der kumulativen oder nichtkumulativen Wesensart der Zahlungen. – Stimmrechte; – Vorzugsrechte bei Angeboten zur Zeichnung von Wertpapieren derselben Kategorie; – Recht auf Beteiligung am Gewinn des Emittenten; – Recht auf Beteiligung am Saldo im Falle einer Liquidation; – Tilgungsklauseln; – Wandelbedingungen. 4.6. Im Falle von Neuemissionen Angabe der Beschlüsse, Ermächtigungen und Genehmigungen, die die Grundlage für die erfolgte bzw. noch zu erfolgende Schaffung der Wertpapiere und/oder deren Emission bilden. 4.7. Im Falle von Neuemissionen Angabe des erwarteten Emissionstermins der Wertpapiere. 4.8. Darstellung etwaiger Beschränkungen für die freie Übertragbarkeit der Wertpapiere. 4.9. Angabe etwaig bestehender obligatorischer Übernahmeangebote und/ oder Ausschluss- und Andienungsregeln in Bezug auf die Wertpapiere. 4.10. Angabe öffentlicher Übernahmeangebote von Seiten Dritter in Bezug auf das Eigenkapital des Emittenten, die während des letzten oder im Verlauf des derzeitigen Geschäftsjahres erfolgten. Zu nennen sind dabei der Kurs oder die Umtauschbedingungen für derlei Angebote sowie das Resultat. 4.11. Hinsichtlich des Lands des eingetragenen Sitzes des Emittenten und des Landes bzw. der Länder, in dem bzw. denen das Angebot unterbreitet oder die Zulassung zum Handel beantragt wird, sind folgende Angaben zu machen:

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– Angaben über die an der Quelle einbehaltene Einkommensteuer auf die Wertpapiere; – Angabe der Tatsache, ob der Emittent die Verantwortung für die Einbehaltung der Steuern an der Quelle übernimmt. Anhang III Ziffer 4 ProspektVO enthält eine Liste der vorgeschriebenen Angaben über die anzubietenden bzw. zum Handel zuzulassenden Wertpapiere. Der größte Teil dieser Angaben ist typischerweise Teil des Kapitels „Das Angebot“ bzw. „Zuzulassende Wertpapiere“ enthalten.

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Zunächst ist nach Anhang III Ziffer 4.1 ProspektVO der Typ und die Kategorie der anzubietenden oder zum Handel zuzulassenden Wertpapiere zu nennen. Hierunter sind Art (Stückaktien oder Nennbetragsaktien) und Gattung der Aktien (Stammaktien oder Vorzugsaktien) zu verstehen. Neben der ISIN (International Securities Identification Number) sind auch andere Sicherheitscodes anzugeben. Damit sind die in Deutschland nach wie vor zusätzlich zur ISIN verwendete Wertpapierkennnummer (WKN) und andere vergleichbare Identifikationsnummern, wie etwa der Common Code und das Börsenkürzel, gemeint1.

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Anzugeben sind nach Anhang III Ziffer 4.2 ProspektVO die „Rechtsvor- 29 schriften“, auf deren Grundlage die Wertpapiere geschaffen wurden. Gemeint ist die Rechtsordnung2. Im Regelfall reicht die Angabe aus, dass die anzubietenden oder zuzulassenden Aktien nach deutschem Recht geschaffen werden. Anhang III Ziffer 4.3 ProspektVO ergänzt die nach Anhang III Ziffer 4.1 ProspektVO erforderlichen Angaben dahingehend, dass in jedem Fall darzulegen ist, ob es sich um Namenspapiere oder Inhaberpapiere handelt (§ 10 Abs. 1 AktG). Zusätzlich sind Angaben über die Verbriefung der Aktien erforderlich. Hierzu gehört sowohl die Angabe der derzeitigen Verbriefungsform, als auch die Information, ob nach der Satzung eine Einzelverbriefung gefordert werden kann oder der Anspruch der Aktionäre auf Verbriefung ausgeschlossen ist (§ 10 Abs. 5 AktG). Sollen die Aktien an der Börse zum Handel zugelassen werden, sind sie, in der Regel in Form von Globalurkunden, bei der Clearstream Banking AG als derzeit einziger deutscher Clearing- und Settlementstelle zu hinterlegen. In diesem Fall sind Name und Adresse der Clearstream Banking AG in den Prospekt aufzunehmen.

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Nach Anhang III Ziffer 4.4 ProspektVO ist anzugeben, in welcher Währung 31 die Wertpapiere emittiert werden. Diese Angabe ist üblicherweise bereits Bestandteil des Titelblatts, auf dem das Emissionsvolumen in Euro (bzw. anderer gegebenenfalls anwendbarer Währung) angegeben wird.

1 Vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 BörsZulV aF, siehe dazu Heidelbach in Schwark, § 15 BörsZulV Rz. 3. 2 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anh. III EU-ProspV Rz. 60; Rauch in Holzborn, Anh. III EU-ProspV Rz. 23.

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Anhang III Ziffer 4.5 ProspektVO schreibt vor, dass Investoren im Prospekt Angaben zu den mit den Aktien verbundenen Rechten1 und dem Verfahren zur Ausübung dieser Rechte, einschließlich etwaiger Beschränkungen, finden müssen. Angaben zu Tilgungsklauseln und Wandelbedingungen haben nach deutschem Aktienrecht keinen Anwendungsbereich. Die übrigen Angaben sind in der Regel teilweise im Prospektteil „Das Angebot“/„Zuzulassende Aktien“ und teilweise im Prospektteil „Angaben über das Kapital und weitere wichtige Satzungsbestimmungen der Gesellschaft“ enthalten. Hierzu zählen Angaben über die Dividendenberechtigung2 und den Beginn der Dividendenberechtigung der Aktien, das Recht des Aktionärs auf seinen Anteil an einem etwaigen Liquidationserlös sowie Angaben über die Stimmrechte und Bezugsrechte der Aktionäre, etwa im Fall von Kapitalerhöhungen oder der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen. Hinsichtlich der von Anhang III Ziffer 4.5 ProspektVO geforderten Angabe zur Verjährungsfrist ist zu unterscheiden: Der Dividendenanspruch verjährt im Regelfall nach Ablauf der dreijährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB. Ist der Dividendenanspruch allerdings durch einen (Global-)Dividendenschein verbrieft, was in der Praxis die Ausnahme darstellt, verjährt er gemäß § 801 Abs. 1 Satz 2 BGB zwei Jahre nach Ablauf der vierjährigen Vorlegungsfrist (§ 801 Abs. 2, 3 BGB)3. Auch wenn in der Praxis die auf Aktien entfallenden Dividenden den Depotbanken automatisch gutgeschrieben werden, ist dem Verordnungswortlaut nach die Angabe erforderlich, dass nicht in Anspruch genommene Dividenden zu Gunsten der Gesellschaft verfallen.

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Nach Anhang III Ziffer 4.6 ProspektVO ist im Falle von Neuemissionen die Angabe der Beschlüsse, Ermächtigungen und Genehmigungen erforderlich, die die Grundlage für die erfolgte bzw. noch zu erfolgende Schaffung der Wertpapiere und/oder der Emission bilden4. In der Regel umfasst diese Bestimmung die Beschlüsse der Organe der Gesellschaft, dh. die zu Grunde liegenden Beschlüsse der Hauptversammlung, des Vorstands und des Aufsichtsrats5. Ist darüber hinaus ausnahmsweise aufgrund spezifischer Satzungsbestimmungen die Zustimmung eines Beirats oder eines ähnlichen Gremiums oder auch einer externen Stelle wie Zentralbank oÄ erforderlich,

1 Vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BörsZulV aF, siehe dazu Heidelbach in Schwark, § 16 BörsZulV Rz. 1. 2 Weitergehende Angaben zu den Dividenden sind nach Ziffer 20.7 des Anhangs I vorgeschrieben; siehe dazu die Kommentierung zu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 273 ff. 3 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 58 AktG Rz. 119. 4 Vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 BörsZulV aF, siehe dazu Heidelbach in Schwark, § 15 BörsZulV Rz. 2. 5 Zu den bei Börsengängen erforderlichen Beschlüssen siehe Ries in Grunewald/ Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 27 ff.; Singhof/Weber in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 55; vgl. Muster bei Groß in Happ, Aktienrecht, § 16.01; zu den Beschlüssen im Falle einer Bezugsrechtsemission siehe Schlitt/Seiler/Singhof, AG 2003, 254 (260 ff.); Ries in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 45; Happ in Happ, Aktienrecht, § 12.01 Rz. 16.

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sind auch Angaben über dessen Beschlussfassung sowie etwaige Vorbehalte oder Bedingungen, unter denen sie stehen, in den Prospekt aufzunehmen1. Soweit Beschlüsse der zuständigen Gremien noch ausstehen, was regelmäßig bei Börsengängen der Fall ist, ist auf deren Ausstehen und das voraussichtliche Datum der Beschlussfassung hinzuweisen. Sofern die spätere Beschlussfassung dann in dem geschilderten Rahmen verläuft und weder die zeitliche Abfolge noch der Inhalt der Beschlussfassung wesentlich von der Schilderung der voraussichtlichen Beschlussfassung abweichen, bedarf es richtigerweise keines Nachtrags über die nunmehr erfolgte Beschlussfassung. Im Falle eines Prospekts, der im Zusammenhang mit der Einbeziehung von Aktien in den Freiverkehr erstellt wird, um im Zuge der Einbeziehung Werbemaßnahmen ergreifen zu können2, ohne dass mit der Einbeziehung eine Kapitalerhöhung oder ein sonstiges Angebot von Aktien verbunden wäre, entfällt die Angabe nach Anhang III Ziffer 4.6 ProspektVO. Des Weiteren ist nach Anhang III Ziffer 4.7 ProspektVO der (erwartete) 34 Emissionstermin anzugeben. Verlangt wird die Angabe eines konkreten Datums. Da in Deutschland in der Regel eine indirekte Emission erfolgt, bei der die neuen Aktien nicht unmittelbar in den Händen der Anleger, sondern zunächst in den Händen der als technische Intermediäre eingeschalteten Emissionsbanken entstehen3, ist maßgeblicher Emissionstermin das Datum der Lieferung (Einbuchung) der neuen Aktien an die Anleger. Im Falle eines Prospekts, der im Zusammenhang mit der Einbeziehung von Aktien in den Freiverkehr erstellt wird, um im Zuge der Einbeziehung Werbemaßnahmen ergreifen zu können4, ohne dass mit der Einbeziehung eine Kapitalerhöhung oder ein sonstiges Angebot von Aktien verbunden wäre, entfällt die Angabe nach Anhang III Ziffer 4.7 ProspektVO5. Die nach Anhang III Ziffer 4.8. erforderliche Darstellung etwaiger Beschrän- 35 kungen für die freie Übertragbarkeit der Aktien6 umfasst Angaben zu etwaigen Vinkulierungsklauseln. Diese sind bei börsennotierten Aktien eher selten anzutreffen, jedoch bei Versicherungsgesellschaften und Luftfahrtunternehmen verbreitet. Ebenfalls erforderlich sind Angaben zur Aktionärsstellung beim Erwerb von Namensaktien und dem Erfordernis der Eintragung im Aktionärsregister. Zusätzlich ist anzugeben, wie die Aktien über1 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/ 09-1148, Ziffer 66. 2 Zur Grenze zum öffentlichen Angebot und der Prospektpflicht in diesen Fällen siehe die Kommentierung zu § 2 WpPG Rz. 35. 3 Zur indirekten Emission siehe Ries in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 46; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 1 Rz. 75; Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt,§ 3 Rz. 24; Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175 (2178). 4 Zur Grenze zum öffentlichen Angebot und der Prospektpflicht in diesen Fällen siehe die Kommentierung zu § 2 WpPG Rz. 35. 5 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 89. 6 Vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 4 BörsZulV aF, siehe dazu Heidelbach in Schwark, § 15 BörsZulV Rz. 5.

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tragen werden können (wie vor Inkrafttreten der ProspektVO in § 15 Abs. 1 Nr. 4 BörsZulV aF1 bzw. § 4 Satz 1 Nr. 3 VerkProspVO aF vorgesehen) und inwiefern Aktien Marktschutzvereinbarungen bzw. Lock-up-Vereinbarungen unterliegen. Richtigerweise nicht unter Anhang III Ziffer 4.8 ProspektVO fallen Verkaufsbeschränkungen der Aktien in Drittstaaten, insbesondere in die USA, aufgrund dortiger wertpapierrechtlicher Beschränkungen (selling restrictions), da sie nicht aus der Rechtsnatur der angebotenen Wertpapiere, sondern aus dem Wunsch nach Vermeidung bestimmter Rechtsfolgen, wie ausländischer Prospekt- oder Registrierungspflichten, resultieren2. Ein Hinweis auf die Angebots- und Verkaufsbeschränkungen, denen sich die Emissionsbanken unterworfen haben, ist vielmehr als Teil der Beschreibung der vertraglichen Vereinbarungen zwischen Emittent und Emissionsbanken nach Anhang III Ziffer 5.4.3 ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen. Dem entsprechend ist auch ein Hinweis auf eine voraussichtliche Marktenge im Handel der emittierten Aktien im Abschnitt „Veräußerungsbeschränkungen“ nicht erforderlich; vielmehr ist gegebenenfalls auf die Gefahr eines illiquiden Handels in den Risikofaktoren unter „Risiken in Zusammenhang mit dem Angebot/Aktienbezogene Risiken“ hinzuweisen. 36

Nach Anhang III Ziffer 4.9 ProspektVO sind Angaben zu einem etwaigen laufenden, obligatorischen Übernahmeangebot3 auf die Aktien der Gesellschaft sowie über Andienungs- oder Vorkaufsrechte, etwa aufgrund Aktionärsvereinbarungen, hinzuweisen. Ein obligatorisches Übernahmeangebot hat nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) grundsätzlich zu erfolgen, wenn nach Zulassung der Aktien die Grenze von 30 % der Stimmrechte erreicht wird4. Fälle, in denen ein Aktionär bereits zum Zeitpunkt der Zulassung 30 % oder mehr der Stimmrechte auf sich vereint, sind jedoch nicht erfasst5. In der Praxis werden Aktionärsvereinbarungen, die, insbesondere bei Börsengangskandidaten, häufig solche Andienungsoder Vorkaufsrechte enthalten, spätestens zum Zeitpunkt der Notierungsaufnahme, also vor Lieferung der Aktien an die Erwerber, aufgehoben oder so strukturiert, dass kein Aktionär die Schwelle von 30 % erreicht. In diesem Fall sind sie zwar der Vollständigkeit halber unter Hinweis auf ihre bevorstehende Aufhebung zu erwähnen6, eine detaillierte Schilderung ist jedoch nicht erforderlich. Hinsichtlich der von Ziffer 4.9 des Anhangs III Pro-

1 Siehe dazu Heidelbach in Schwark, § 15 BörsZulV Rz. 5. 2 AA Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 97. 3 Zu öffentlichen Übernahmeangeboten siehe Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, § 13 Rz. 567; Noack in Schwark, 1, 2 WpÜG Rz. 13 ff.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 8.301 ff. 4 Zum Kontrollwechsel nach WpÜG und den Voraussetzungen eines Pflichtangebots siehe Schlitt in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2003, § 35 WpÜG; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 8.301 ff.; Noack in Schwark, § 35 WpÜG; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, § 13 Rz. 571 ff.; Grunewald in Grunewald/ Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 305. 5 Schlitt in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2003, § 35 WpÜG Rz. 95. 6 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 102.

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spektVO zudem geforderten Angaben zu Ausschlussregeln ist ein Verweis auf die gesetzlich anwendbaren Regelungen zum Squeeze-out1 geboten2. Auch freiwillige Erwerbsangebote, die während des letzten oder im Verlauf 37 des derzeitigen Geschäftsjahres erfolgten, sind im Prospekt darzustellen (Ziffer 4.10 des Anhangs III ProspektVO). Zu nennen sind dabei der Kurs (Preis) oder, sofern es sich nicht um ein reines Barangebot handelt, die Umtauschbedingungen für solche Angebote und ihr Ergebnis. Die Angaben sind explizit in den Prospekt aufzunehmen; eine Aufnahme durch Einbeziehung durch Verweis (incorporation by reference) auf die nach WpÜG veröffentlichte Angebotsunterlage ist gemäß § 11 WpPG nicht zulässig. An etwas versteckter Stelle sieht Anhang III der ProspektVO in Ziffer 4.11 38 auch steuerrechtliche Ausführungen im Prospekt vor3. Aufzunehmen sind zunächst Angaben über die an der Quelle einbehaltene Einkommensteuer, unabhängig davon, ob sie vom Emittenten selbst oder einem von ihm Beauftragten einbehalten wird4. Gemeint ist damit jede Besteuerung von Einnahmen, dh. auch Kapitalertragsteuern, Solidaritätszuschlag, Körperschaft- und Gewerbesteuer, Erbschaft- und Schenkungssteuer, jedoch nur sofern sie eine Quellensteuer im engeren Sinne darstellt. Erfasst werden damit Steuern auf die gezahlten Dividenden, Sonderausschüttungen oder Liquidationserlöse. Häufig wird zusätzlich die Besteuerung von Veräußerungserlösen bei einer Übertragung von Aktien, sei es im Wege des Verkaufs, sei es im Wege der Erbfolge geschildert, wobei dies nach dem Wortlaut nicht zwingend geboten erscheint. Erforderlich ist darüber hinaus die Angabe, ob der Emittent die Verantwortung für die Einbehaltung der Steuern an der Quelle übernimmt. Aufgrund der unterschiedlichen Behandlung verschiedener Aktionärsgruppen wird in der Darstellung in der Regel zwischen im Inland und im Ausland ansässigen Aktionären sowie zwischen unterschiedlichen Aktionärsgruppen wie Privatanlegern, Kapitalgesellschaften, Einzelunternehmern, Personengesellschaften sowie Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten uÄ als besondere Anlegerkategorie unterschieden. Es entspricht dem Marktstandard, für diese Anlegerkategorien den Steuersatz und einen etwaigen Freibetrag zu nennen. Zu beachten ist, dass die Angaben sowohl für das Land des eingetragenen 39 Sitzes des Emittenten als auch für das Land oder die Länder erforderlich ist, in denen das öffentliche Angebot stattfindet oder die Zulassung beantragt wird. Daher ist in Fällen deutscher Emittenten, die zB in Österreich oder

1 §§ 327a ff. AktG; §§ 39a ff. WpÜG; siehe dazu auch Schlitt/Ries/Becker, NZG 2008, 700. 2 Rauch in Holzborn, Anh. III EU-ProspV Rz. 36. 3 Vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 3 BörsZulV aF, dazu Heidelbach in Schwark, § 15 BörsZulV Rz. 4. 4 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/ 09-1148, Ziffer 45.

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Luxemburg zusätzlich zum öffentlichen Angebot in Deutschland Aktien öffentlich anbieten1, auch eine Schilderung der Besteuerung in den betreffenden Ländern in den Prospekt aufzunehmen. Eine Darstellung für Länder, in denen eine Privatplatzierung erfolgt, ist hingegen nicht erforderlich.

VI. Bedingungen und Voraussetzungen für das Angebot (Ziffer 5) 5. 5.1. 5.1.1. 5.1.2.

5.1.3. 5.1.4.

5.1.5.

5.1.6.

5.1.7. 5.1.8. 5.1.9. 5.1.10.

5.2. 5.2.1.

Bedingungen und Voraussetzungen für das Angebot Bedingungen, Angebotsstatistiken, erwarteter Zeitplan und erforderliche Maßnahmen für die Antragstellung Bedingungen, denen das Angebot unterliegt. Gesamtsumme der Emission/des Angebots, wobei zwischen den zum Verkauf und den zur Zeichnung angebotenen Wertpapieren zu unterscheiden ist. Ist der Betrag nicht festgelegt, Beschreibung der Vereinbarungen und des Zeitpunkts für die Ankündigung des endgültigen Angebotsbetrags an das Publikum. Frist – einschließlich etwaiger Änderungen –, während deren das Angebot gilt und Beschreibung des Antragsverfahrens. Angabe des Zeitpunkts und der Umstände, ab dem bzw. unter denen das Angebot widerrufen oder ausgesetzt werden kann, und der Tatsache, ob der Widerruf nach Beginn des Handels erfolgen kann. Beschreibung der Möglichkeit zur Reduzierung der Zeichnungen und der Art und Weise der Erstattung des zu viel gezahlten Betrags an die Zeichner. Einzelheiten zum Mindest- und/oder Höchstbetrag der Zeichnung (entweder in Form der Anzahl der Wertpapiere oder des aggregierten zu investierenden Betrags). Angabe des Zeitraums, während dessen ein Antrag zurückgezogen werden kann, sofern dies den Anlegern überhaupt gestattet ist. Methode und Fristen für die Bedienung der Wertpapiere und ihre Lieferung. Vollständige Beschreibung der Art und Weise und des Termins, auf die bzw. an dem die Ergebnisse des Angebots offen zu legen sind. Verfahren für die Ausübung eines etwaigen Vorzugsrechts, die Übertragbarkeit der Zeichnungsrechte und die Behandlung der nicht ausgeübten Zeichnungsrechte. Plan für die Aufteilung der Wertpapiere und ihre Zuteilung Angabe der verschiedenen Kategorien der potenziellen Investoren, denen die Wertpapiere angeboten werden. Erfolgt das Angebot gleichzeitig auf den Märkten in zwei oder mehreren Ländern und

1 Zu dem für solche dualen öffentlichen Angebote geltenden Sprachenregime siehe die Kommentierung zu § 19 WpPG Rz. 49 ff.

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5.2.2.

5.2.3.

5.2.4.

5.2.5.

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wurde/wird eine bestimmte Tranche einigen dieser Märkte vorbehalten, Angabe dieser Tranche. Soweit dem Emittenten bekannt, Angabe, ob Hauptaktionäre oder Mitglieder der Geschäftsführungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgane des Emittenten an der Zeichnung teilnehmen wollen oder ob Personen mehr als 5 % des Angebots zeichnen wollen. Offenlegung vor der Zuteilung: a) Aufteilung des Angebots in Tranchen, einschließlich der institutionellen Tranche, der Privatkundentranche und der Tranche für die Beschäftigten des Emittenten und sonstige Tranchen; b) Bedingungen, zu denen eine Rückforderung verlangt werden kann, Höchstgrenze einer solchen Rückforderung und alle eventuell anwendbaren Mindestprozentsätze für einzelne Tranchen; c) Zu verwendende Zuteilungsmethode oder -methoden für die Privatkundentranche und die Tranche für die Beschäftigten des Emittenten im Falle der Mehrzuteilung dieser Tranchen; d) Beschreibung einer etwaigen vorher festgelegten Vorzugsbehandlung, die bestimmten Kategorien von Anlegern oder bestimmten Gruppen nahe Stehender (einschließlich friends and family-Programme) bei der Zuteilung vorbehalten wird, des Prozentsatzes des für die Vorzugsbehandlung vorgesehenen Angebots und der Kriterien für die Aufnahme in derlei Kategorien oder Gruppen; e) Angabe des Umstands, ob die Behandlung der Zeichnungen oder der bei der Zuteilung zu zeichnenden Angebote eventuell von der Gesellschaft abhängig gemacht werden kann, durch die oder mittels deren sie vorgenommen werden; f) Angestrebte Mindesteinzelzuteilung, falls vorhanden, innerhalb der Privatkundentranche; g) Bedingungen für das Schließen des Angebots sowie der Termin, zu dem das Angebot frühestens geschlossen werden darf; h) Angabe der Tatsache, ob Mehrfachzeichnungen zulässig sind und wenn nicht, wie trotzdem auftauchende Mehrfachzeichnungen behandelt werden. Verfahren zur Meldung gegenüber den Zeichnern über den zugeteilten Betrag und Angabe, ob eine Aufnahme des Handels vor der Meldung möglich ist. Mehrzuteilung und Greenshoe-Option: a) Existenz und Umfang einer etwaigen Mehrzuteilungsmöglichkeit und/oder Greenshoe-Option; b) Dauer einer etwaigen Mehrzuteilungsmöglichkeit und/oder Greenshoe-Option; c) Etwaige Bedingungen für die Inanspruchnahme einer etwaigen Mehrzuteilungsmöglichkeit oder Ausübung der Greenshoe-Option.

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5.3. Preisfestsetzung 5.3.1. Angabe des Preises, zu dem die Wertpapiere angeboten werden. Ist der Preis nicht bekannt oder besteht kein etablierter und/oder liquider Markt für die Wertpapiere, ist die Methode anzugeben, mittels deren der Angebotspreis festgelegt wird, einschließlich Angabe der Person, die die Kriterien festgelegt hat oder offiziell für deren Festlegung verantwortlich ist. Angabe der Kosten und Steuern, die speziell dem Zeichner oder Käufer in Rechnung gestellt werden. 5.3.2. Verfahren für die Offenlegung des Angebotskurses. 5.3.3. Besitzen die Anteilseigner des Emittenten Vorkaufsrechte und werden diese Rechte eingeschränkt oder zurückgezogen, ist die Basis des Emissionspreises anzugeben, wenn die Emission in bar erfolgt, zusammen mit den Gründen und den Begünstigten einer solchen Beschränkung oder eines solchen Rückzugs. 5.3.4. Besteht tatsächlich oder potenziell ein wesentlicher Unterschied zwischen dem öffentlichen Angebotspreis und den effektiven Barkosten der von Mitgliedern der Verwaltungs-, Geschäftsführungsoder Aufsichtsorgane oder des oberen Managements oder nahe stehenden Personen bei Transaktionen im letzten Jahr erworbenen Wertpapiere oder deren Recht zum Erwerb ist ein Vergleich des öffentlichen Beitrags zum vorgeschlagenen öffentlichen Angebot und der effektiven Bar-Beitrage dieser Personen einzufügen. 5.4. Platzierung und Übernahme (Underwriting) 5.4.1. Name und Anschrift des Koordinators bzw. der Koordinatoren des gesamten Angebots oder einzelner Teile des Angebots und – sofern dem Emittenten oder dem Bieter bekannt – Angaben zu den Platzierern in den einzelnen Ländern des Angebots. 5.4.2. Name und Anschrift der Zahlstellen und der Verwahrstellen in jedem Land. 5.4.3. Name und Anschrift der Institute, die bereit sind, eine Emission auf Grund einer bindenden Zusage zu übernehmen, und Name und Anschrift der Institute, die bereit sind, eine Emission ohne bindende Zusage oder gemäß Vereinbarungen „zu den bestmöglichen Bedingungen“ zu platzieren. Angabe der Hauptmerkmale der Vereinbarungen, einschließlich der Quoten. Wird die Emission nicht zur Gänze übernommen, ist eine Erklärung zum nicht abgedeckten Teil einzufügen. Angabe des Gesamtbetrages der Übernahmeprovision und der Platzierungsprovision. 5.4.4. Angabe des Zeitpunkts, zu dem der Emissionsübernahmevertrag abgeschlossen wurde oder wird. 1. Angebotsbedingungen (Ziffer 5.1) 40

Anhang III Ziffer 5 ProspektVO enthält detaillierte Vorgaben zur Offenlegung der verschiedenen Aspekte eines Angebots. Werden Aktien lediglich

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zum Handel zugelassen, ohne dass ein öffentliches Angebot erfolgt, ist Anhang III Ziffer 5 ProspektVO grundsätzlich nicht anwendbar. Lediglich einzelne Bestimmungen, die auch im Falle einer reinen Zulassung sinnvoll erscheinen, sind auch ohne Durchführung eines öffentlichen Angebots in den Prospekt aufzunehmen1. Dazu gehört die Angabe der Zahl- und Verwahrstelle nach Anhang III Ziffer 5.4.2 ProspektVO. Im Falle eines Prospekts, der im Zusammenhang mit der Einbeziehung von Aktien in den Freiverkehr erstellt wird, um Werbemaßnahmen im Zuge der Einbeziehung zu ermöglichen2, ohne dass eine Kapitalerhöhung oder ein sonstiges Angebot von Aktien stattfindet, entfallen Anhang III Ziffern 5.1 ProspektVO und 5.2 ProspektVO mangels „echten“ Angebots fast vollständig. Zunächst sind nach Anhang III Ziffer 5.1 ProspektVO Angaben zu den Angebotsbedingungen und den Voraussetzungen für einen Aktienerwerb im Zuge des Angebots in den Prospekt aufzunehmen.

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Dies erfordert die Angabe der eigentlichen Angebotsbedingungen nach An- 42 hang III Ziffer 5.1.1 ProspektVO. Hierunter fallen ein Mindestemissionsvolumen, dh. die mindestens erforderliche Nachfrage, Mindestordergrößen, Orderlimits und die Preisspanne, innerhalb derer Erwerbsangebote abgegeben werden können, bzw., wenn dieser bereits feststeht, der Platzierungspreis. Nach Anhang III Ziffer 5.1.2 ProspektVO sind darüber hinaus die Gesamtsumme der Emission bzw. des Angebots zunennen. Dies bedeutet im Falle einer Bezugsrechtsemission, bei der häufig das Gesamtvolumen der Emission zum Zeitpunkt der Prospektbilligung bereits feststeht3, die Angabe der Höhe der Kapitalerhöhung und damit, in Zusammenschau mit den die Aktien betreffenden Pflichtangaben, auch die Anzahl der Aktien4.

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Bei Börsengängen oder öffentlichen Sekundärplatzierungen steht das Ange- 44 botsvolumen zum Zeitpunkt der Prospektbilligung in der Regel nicht fest, sondern wird erst aufgrund der Nachfrage im Zuge des Bookbuilding-Verfahrens ermittelt5. In diesem Fall sind die Vereinbarungen bezüglich seiner 1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 111. 2 Zur Grenze zum öffentlichen Angebot und der Prospektpflicht in diesen Fällen siehe die Kommentierung zu § 2 WpPG Rz. 35. 3 Zur Zulässigkeit von Bis-Zu-Kapitalerhöhungen bei Bezugsrechtsemissionen siehe Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175 (2182); OLG München v. 22.9.2009 – 31 Wx 110/09. 4 Sofern bei Bezugsrechtsemissionen ein flexibles Preisfestsetzungsverfahren angewandt wird, gelten die im Nachfolgenden dargestellten Ausführungen zum Bookbuilding entsprechend. Zur Zulässigkeit einer flexiblen Preisfestsetzung bei Bezugsrechtsemissionen siehe Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175 (2180). 5 Zum Bookbuilding-Verfahren ausführlich Ries in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 36/37; Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 75; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 82 ff.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.258 ff.; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.94 ff.; Wegmann, DStR 1999, 514 (520); Willamowski, WM 2001, 653 (654); Ekkenga/Maas, Das Recht der Wert-

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Festlegung und der Zeitpunkt für die Veröffentlichung des endgültigen Angebotsvolumens im Prospekt zu nennen1. Ausreichend ist dabei die Nennung einer Zeitspanne, innerhalb derer die Veröffentlichung erfolgen wird. Diese spätere Veröffentlichung des Angebotsvolumens erfolgt nach § 8 Abs. 1 Satz 6 WpPG in Form einer Preis- und Volumensbekanntmachung, also nicht in Form eines Nachtrags nach § 16 WpPG. Eine rein abstrakte Umschreibung des zukünftig zu bestimmenden Angebotsvolumens reicht dabei nach Verlautbarungen der BaFin nicht aus; vielmehr fordert sie quantitative Angaben in Form einer „bis zu“-Angabe des maximalen Angebotsvolumens2. Dahinter steht der Gedanke, dass ohne maximales Angebotsvolumen der Prospekt in die Nähe eines Basisprospekts nach § 6 WpPG gerückt würde, der jedoch vom Gesetzgeber nicht für Aktienemissionen vorgesehen ist. In den von der Prospektverordnung geforderten Angaben für Aktienemissionen findet diese Ansicht indessen keine Stütze. Zwar könnte Art. 8 Abs. 1 lit. a der Prospektrichtlinie in diesem Sinne gelesen werden, jedoch hat der deutsche Gesetzgeber eine Einschränkung dieser Art nicht in das WpPG aufgenommen. Akzeptiert wird hingegen, das angestrebte Maximalvolumen der Emission in einem Nachtrag der erwarteten Nachfrage entsprechend zu reduzieren (Decoupled Bookbuilding, siehe dazu auch Rz. 75)3. Eine Erhöhung des erwarteten Emissionsvolumens würde – sofern dabei auch die Anzahl der auf Grundlage des Prospekts zuzulassenden Aktien überschritten wird – nach Verlautbarungen der BaFin hingegen grundsätzlich ein neues Billigungsverfahren voraussetzen. Unabhängig davon, ob bereits das finale Angebotsvolumen oder lediglich ein „bis zu“-Betrag in den Prospekt aufgenommen wird, ist dieser Betrag betraglich auf solche Aktien, die vom Emittenten neu ausgegeben werden und solchen, die von veräußernden Altaktionären abgegeben werden, zu unterteilen. 45

Zu den weiteren, nach Anhang III Ziffer 5.1.3 ProspektVO in den Prospekt aufzunehmenden Angaben, gehören der Angebotszeitraum und die Stellen, bei denen Angebote zum Erwerb von Aktien abgegeben werden können (Zeichnungsstellen bzw. Bezugsstellen). Der spätestmögliche Angebotsbeginn hat nach Äußerungen der BaFin zwei Monate nach Prospektbilligung zu liegen. Verzögert sich das Angebot, ist selbst innerhalb dieses Zeitraums richtigerweise der Prospekt auf Aktualisierungsbedarf in Form von Nachträgen zu prüfen. Als frühester Zeitpunkt für das Ende des Angebots ist bei erstmaligen öffentlichen Angeboten nicht zum Handel zugelassener Aktien gesetzlich der Zeitpunkt sechs Werktage nach Prospektbilligung festgelegt (§ 14 Abs. 1 Satz 4 WpPG). Eine Mindestangebotsdauer lässt sich hieraus

papieremissionen, § 2 Rz. 127 ff.; Hein, WM 1996, 1 ff.; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 99. 1 Zu den verschiedenen Angebotsverfahren und ihren Auswirkungen auf die Prospektdarstellung von Preis und Angebotsvolumen siehe die Kommentierung zu § 8 WpPG Rz. 19 ff. und unten Rz. 74 ff. sowie Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 98 ff. 2 Weber, NZG 2004, 360 (364). 3 Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (261).

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nicht folgern1. Auch ist anzugeben, bis zu welchem Termin das Angebot beendet werden kann (Anhang III Ziffer 5.1.4 ProspektVO) und unter welchen Voraussetzungen eine vorzeitige Beendingung des Angebots möglich ist. Daher sind insbesondere die Bedingungen, denen die Durchführung des Angebots aufgrund des zwischen Emittent und Emissionsbank abgeschlossenen Übernahmevertrags unterliegt, zB der Nichteintritt einer wesentlichen nachteiligen Änderung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten vor Abschluss des Angebots, im Prospekt zu nennen. Gleichfalls im Prospekt darzulegen ist nach Anhang III Ziffer 5.1.5 Pro- 46 spektVO eine Möglichkeit der Anleger, platzierte Orders nachträglich zu reduzieren. In diesem Zusammenhang ist zu erläutern, ob und wie in diesen Fällen bereits gezahlte Zeichnungsgebühren erstattet werden. Dies richtet sich in der Regel nach den von den Zeichnungs- bzw. Bezugsstellen festgelegten Bedingungen. Entsprechend den Möglichkeiten der Anleger, ihre Orders nachträglich zu ändern, ist ebenso auf die Möglichkeit nachträglicher Änderungen der Angebotsbedingungen durch den Emittenten und die Emissionsbanken einzugehen. Insbesondere ist auf den Zeitpunkt, bis zu dem Modifikationen möglich sind, und die Art der Bekanntmachung (Nachtrag, Ort der Veröffentlichung des Nachtrags, ggf. Ad-hoc-Erfordernis) hinzuweisen. Des Weiteren ist nach Anhang III Ziffer 5.1.6 ProspektVO eine etwaige Mindest- oder Höchstgrenze für Anzahl und Umfang von Orders, die pro Depot eines Anlegers zugelassen werden, im Prospekt zu beschreiben. Anhang III Ziffer 5.1.7 ProspektVO fordert eine Angabe dazu, innerhalb wel- 47 chen Zeitraums Orders von Anlegern zurückgezogen werden können. In Fällen, in denen das öffentliche „Angebot“ der Aktien lediglich eine invitatio ad offerendum darstellt, wie regelmäßig bei Börsengängen der Fall2, ist ein Anleger nach herrschender Meinung im Schrifttum während des Angebotszeitraums in Abweichung von allgemeinem Zivilrecht nicht an sein Angebot gebunden3. Zusätzlich räumt § 16 WpPG Anlegern ein zweitägiges Widerrufsrecht im Falle einer Nachtragsveröffentlichung ein, soweit nicht bereits Erfüllung (dh. Lieferung der Aktien) eingetreten ist.

1 Von einer solchen Mindestangebotsdauer ging irrigerweise die Gesetzesbegründung aus, Begr. RegE, BR-Drucks. 85/05, S. 76. 2 Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 75; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 127 ff.; Ritz in Assmann/Lenz/Ritz VerkProspG (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 37; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 100 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktund Börsenrecht, Rz. 7.7; Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rz. 12; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.48; Willamowski, WM 2001, 653 (655); Heidelbach in Schwark, § 1 VerkProspG Rz. 12. 3 Siehe Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 75, 81; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 100 ff.; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.7; Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rz. 12; Kümpel, Bank und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.48; Willamowski, WM 2001, 653 (655).

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Nach Anhang III Ziffer 5.1.8 ProspektVO ist die Art der Lieferung der Aktien, üblicherweise Einbuchung auf das Konto der Depotbank eines Anlegers bei der Clearstream Banking AG oder Euroclear Bank S.A./N.V. als Betreiberin des Euroclear Systems, oder Clearstream Banking S.A., Luxemburg, und der Zeitpunkt ihrer Lieferung im Prospekt anzugeben, wobei die Angabe eines Zeitraums, innerhalb dessen die Lieferung erfolgt, ausreichend ist.

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Anders als nach altem Recht sieht Anhang III Ziffer 5.1.9 ProspektVO die Verpflichtung vor, offen zu legen, wie und wann das Ergebnis des Angebots veröffentlicht wird. Dies ist vor allem bei Börsengängen und Bezugsrechtsemissionen mit späterer Volumen- oder Preisfestsetzung relevant. In diesen Fällen ist auf die Bekanntmachung nach § 8 Abs. 1 Satz 6 WpPG, den Ort ihrer Veröffentlichung (zB Zeitung unter Titelangabe, Internetseite) und den voraussichtlichen Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung (entweder in Form eines Datums oder in Form einer Anzahl von Tagen vor dem ersten Handelstag) hinzuweisen. Sofern für die angebotenen Aktien auch ein Antrag auf Börsenzulassung gestellt wurde, sind der endgültige Emissionspreis und das Angebotsvolumen zudem nach § 15 WpHG per Ad-hoc-Mitteilung bekannt zu machen, worauf gleichfalls im Prospekt hinzuweisen ist.

50

Anhang III Ziffer 5.1.10 ProspektVO enthält hingegen eine insbesondere auf Bezugsrechtsemissionen anwendbare Regelung. Danach sind das Bestehen der Bezugsrechte der Altaktionäre, das Verfahren für die Bezugsrechtsausübung, die Übertragbarkeit der Bezugsrechte (einschließlich der Einrichtung eines (börslichen) Bezugsrechtshandels) und eine Beschreibung der Behandlung der nicht ausgeübten Bezugsrechte in den Prospekt aufzunehmen. Diese Angaben sind regelmäßig Bestandteil des im Prospekt vollständig abgedruckten Bezugsangebots. 2. Tranchenbildung; Zuteilung (Ziffer 5.2)

51

Nach Anhang III Ziffer 5.2.1 ProspektVO sind die verschiedenen Kategorien angesprochener Investoren, dh. typischerweise institutionelle Investoren und Privatanleger, im Prospekt ausdrücklich als angesprochene Investoren zu nennen. Darüber hinaus ist eine Angabe über die geografische Verteilung der angesprochenen Investoren erforderlich, sofern ein Teil der Emission (eine Tranche) lediglich Anlegern eines oder mehrerer bestimmter Länder vorbehalten ist. Eine solche Tranchenbildung ist in der Praxis indes selten, da der Emittent und die Emissionsbanken sich möglichst große Flexibilität bewahren wollen. Häufiger wird der Vollständigkeit halber auch auf die geografischen Märkte hingewiesen, in denen Privatanleger und/oder institutionelle Investoren angesprochen werden, auch wenn hierfür keine separate Tranche gebildet und nicht in allen diesen Ländern ein (öffentliches) Angebot iS des Anhangs III Ziffer 5.2.1 ProspektVO durchgeführt wird.

52

Ist dem Emittenten bekannt, dass ein Hauptaktionär oder ein Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats oder etwaiger sonstiger Verwaltungsorgane Aktien erwerben möchte oder Dritte mehr als 5 % des Angebots zeichnen

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wollen, muss er dies nach Anhang III Ziffer 5.2.2 ProspektVO im Prospekt angeben, wobei eine Namensangabe der betreffenden Anleger nicht zwingend erforderlich ist und insbesondere bei Privatpersonen häufig nicht opportun erscheinen mag. Ein Beispielsfall sind Bezugsrechtsemissionen, bei denen Großaktionäre sich vorab zur Ausübung ihrer Bezugsrechte und ggf. zum Kauf nicht bezogener Aktien im Vorfeld verpflichten, um im Vorfeld der Kapitalerhöhung öffentlich ihr Vertrauen in den Emittenten zu dokumentieren1. Ebenfalls im Prospekt offen zu legen sind Angaben über die geplante Zutei- 53 lung (Anhang III Ziffer 5.2.3 ProspektVO). So sind zum einen allgemeine Zuteilungskriterien zu nennen, auf die Emittent und Emissionsbanken sich verständigt haben2. Bei Börsengängen sind dies idR die Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger, herausgegeben von der Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium der Finanzen am 7.6.2000. Diese sind nicht verpflichtend; ihre Einhaltung gehört jedoch zur guten Marktpraxis, und die im Emissionsgeschäft tätigen Investmentbanken haben in einer freiwilligen Selbstverpflichtung ihre Einhaltung zugesagt3. Darüber hinaus sind besondere Abreden über die Zuteilung, insbesondere die bevorzugte Zuteilung an bestimmte Anleger oder Anlegergruppen, im Prospekt offen zu legen. Hierunter fallen die sog. Friends & Family-Programme4, die insbesondere zu Zeiten des Neuen Marktes5 populär waren6. Dabei sind der prozentuale Anteil des Angebotsvolumens, der dem jeweiligen Anleger oder einer bestimmten Anlegergruppe im Wege der bevorrechtigten Zuteilung gewährt wird und die Kriterien, nach denen die Zugehörigkeit zu dieser Anlegergruppe bestimmt wird (zB Lieferanten des Emittenten), offen zu legen7. Zusätzlich ist anzugeben, wie bei Überzeich-

1 So zB im Prospekt der REpower Systems AG v. 22.3.2006, S. 45. 2 Beispiele sind das Losverfahren, die Zuteilung nach Ordergrößen, anhand einer bestimmten Quote, nach dem Zeitpunkt des Eingangs des Kaufangebots oder anderen sachgerechten Kriterien; siehe auch Rauch in Holzborn, Anh. III EUProspV Rz. 57. 3 Zu den Zuteilungsgrundsätzen der Börsensachverständigenkommission und der freiwilligen Selbstverpflichtung der Banken siehe Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium für Finanzen (Hrsg.), Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger v. 7.6.2000, ZBB 2000, 287 m. Anm. Köndgen; Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 82; Willamowski, WM 2001, 653 (662); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht,Rz. 9.36 ff. 4 Siehe hierzu A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 49; Willamowski, WM 2001, 653 (661); Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 69. 5 Zum Neuen Markt siehe Schanz, Börseneinführung, § 11 Rz. 6; Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 17.641 ff.; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, § 3 Rz. 133; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 3.36 ff.; Harrer/Heidemann, DStR 1999, 254 (256). 6 Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 212. 7 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 49.

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nung des Angebots verfahren wird1. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass Überzeichnungen möglich sind und sich die Emissionsbanken vorbehalten, insbesondere im Fall der Überzeichnung nicht alle Orders auszuführen2. 54

Nach Anhang III Ziffer 5.2.4 ProspektVO ist zu erläutern, wie die erfolgte Zuteilung den Anlegern gegenüber bekannt gemacht wird. Dazu gehört zum einen die Angabe, ab welchem Zeitpunkt und bei welchen Stellen von Anlegern erfragt werden kann, ob ihre Angebote angenommen und ihnen Aktien zugeteilt worden sind. Bei Emissionen, bei denen sich die Emissionsbanken zur Einhaltung der Grundsätze der Börsensachverständigenkommission für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger verpflichtet haben, ist zudem auf die Veröffentlichung der Einzelheiten der erfolgten Zuteilung, wie sie nach Art. 4 der Zuteilungsgrundsätze3 zu veröffentlichen ist, und den Ort ihrer Veröffentlichung hinzuweisen.

55

Anhang III Ziffer 5.2.5 ProspektVO fordert die Aufnahme von Angaben zu einer Mehrzuteilungs- und Greenshoe-Option im Prospekt. Zusammen mit Anhang III Ziffer 6.5 ProspektVO bildet dieser Teil des Anhangs III eine spezielle Regelung zu den allgemeinen Transparenzanforderungen an eine Stabilisierung, wie sie in Art. 9 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 2273/2003 festgelegt sind4. Die Zulässigkeit der Gewährung und Ausübung von Mehrzuteilungsund Greenshoe-Option richtet sich jedoch auch bei prospektpflichtigen Angeboten weiterhin nach Art. 7 ff. VO (EG) Nr. 2273/2003. Unterliegt diese Bedingungen, sind auch diese aufzunehmen, ebenso wie Angaben zum Vorhandensein, dem Umfang und der Dauer ihrer Inanspruchnahme5. 3. Preisfestsetzung (Ziffer 5.3)

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Nach Anhang III Ziffer 5.3 ProspektVO sind verschiedene Angaben über den Emissionspreis in den Prospekt aufzunehmen. Zunächst sieht Ziffer 5.3.1 ProspektVO6 in Satz 1 die Nennung des Emissionspreises vor. Anhang III Ziffer 5.3.1 Satz 2 ProspektVO greift den nach § 8 WpPG zulässigen Fall auf, dass der Emissionspreis zum Zeitpunkt der Prospektbilligung und -veröffentlichung noch nicht feststeht. In diesem Fall ist anzugeben, welche Personen nach welchen Kriterien und nach welcher Methode den Emis-

1 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 48; Ekkenga/Maas, Das Recht der Werptpapieremissionen, § 2 Rz. 212. 2 Zu Mehrfachzeichnungen siehe auch Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 212. 3 Abrufbar unter http://www.bankenverband.de. 4 Zum Vorrang der Angaben nach Anhang III ProspektVO gegenüber Art. 9 Abs. 1 siehe Art. 9 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 2273/2003. 5 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 48; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 16.424. 6 Vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 5 BörsZulV aF, siehe dazu Heidelbach in Schwark, § 16 BörsZulV Rz. 2.

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sionspreis festlegen werden1. Darüber hinaus sind Steuern oder Kosten, die Anlegern beim Kauf der angebotenen Aktien entstehen, offen zu legen. Damit sind vor allem die in manchen ausländischen Jurisdiktionen auf Aktienemissionen erhobenen Stempelsteuern und von Emittenten erhobene Kosten/Gebühren gemeint, so dass diese Regelung bei deutschen Emittenten im Regelfall keine Anwendung findet. Gelegentlich wird in Prospekten freiwillig über die von Anhang III Ziffer 5.3.1 ProspektVO geforderten Angaben hinaus auf die Erhebung von Zeichnungsgebühren durch Institute, über die Anleger ihre Orders abgeben, hingewiesen. Neben dem Verfahren für die Offenlegung des Emissionspreises nach 57 Anhang III Ziffer 5.3.2 ProspektVO ist nach Anhang III Ziffer 5.3.3 ProspektVO offen zu legen, inwieweit Aktionären ihre Bezugs- oder Vorkaufsrechte, etwa durch einen Bezugsrechtsausschluss, entzogen wurden und wem diese Rechte nunmehr zu Gute kommen (zB Verfall bzw. Verkauf zu bestmöglichen Konditionen an Dritte). Haben Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder eines sonstigen 58 Verwaltungsorgans, Mitglieder des oberen Managements2 oder dem Emittenten nahe stehende Personen, zB Großaktionäre, im letzten Jahr vor der Prospektbilligung Aktien oder Rechte auf den Erwerb von Aktien (zB Wandlungs- oder Optionsrechte) erworben und gehören sie zum Kreis der veräußernden Aktionäre, ist jeder dieser Aktienkäufe einschließlich Volumen und Preis im Prospekt offen zu legen, sofern der Preis wesentlich vom Angebotspreis abweicht (Anhang III Ziffer 5.3.4 ProspektVO)3. Eine solche wesentliche Abweichung ist richtigerweise dann anzunehmen, wenn der historische Preis außerhalb der Preisspanne liegt bzw., sollte keine Preisspanne, sondern ein Festpreis im Prospekt angegeben sein, mindestens 5 % hiervon abweicht. Diese Angaben finden sich typischerweise im Prospektteil „Angebotsstruktur“. 4. Übernahme der Aktien (Ziffer 5.4) Nach Anhang III Ziffer 5.4 ProspektVO4 sind ausführliche Angaben über 59 den zwischen Emittent und Emissionsbanken, ggf. unter Beteiligung weiterer Vertragsparteien wie etwa im Zuge des Angebots Aktien abgebenden 1 Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 214. Sofern bislang kein liquider Markt für die Aktien besteht, sind auch dann Angaben zu den Kriterien der Preisfindung anzugeben, wenn ein Fest- oder Maximalpreis angegeben wird, siehe CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 58. 2 Zum Begriff des oberen Managements siehe die Kommentierung zu Anhang I Ziffer 14 EU-ProspektVO Rz. 126 ff. 3 Über den Wortlaut hinausgehend im Anwendungsbereich Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 274. 4 Zu Ziffer 5.4.3 des Anhangs III ProspektVO vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 12 BörsZulV aF, siehe dazu Heidelbach in Schwark, § 15 BörsZulV Rz. 14.

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Altaktionären, abgeschlossenen Übernahmevertrag1 in den Prospekt aufzunehmen. Teilweise finden sich diese Angaben im Prospektteil „Das Angebot“; überwiegend wird jedoch ein eigenes Kapitel „Aktienübernahme“ in den Prospekt aufgenommen. 60

Dabei sind nach Anhang III Ziffer 5.4.1 ProspektVO Name und Anschrift aller Emissionsbanken und der von diesen in den Vertrieb eingeschalteten Verkaufsstellen (selling agents) im Prospekt zu nennen. Dabei ist anzugeben, inwieweit eine bindende Zusage zum Kauf bzw. zur Zeichnung der Aktien abgegeben wurde (firm underwriting) oder inwieweit lediglich eine bestmögliche Platzierung (best efforts underwriting) vereinbart wurde. Börsengänge, bei denen sich die Emissionsbanken regelmäßig (nur) zu einer bestmöglichen Platzierung verpflichten und die Aktien lediglich zur technischen Erleichterung des Prozesses unter der Voraussetzung einer ausreichenden Investorennachfrage zum geringsten Ausgabebetrag zeichnen, sind dabei richtigerweise als Best Efforts-Underwriting zu kategorisieren2. Anzugeben ist auch die quotale Aufteilung der Übernahme, wenn mehrere Emissionsbanken eingeschaltet sind. Darzustellen sind darüber hinaus der Zeitpunkt des Abschlusses des Übernahmevertrags, die Höhe der den Emissionsbanken für ihre Leistungen zugesagten Provision, sowie sonstige wesentliche Inhalte des Übernahmevertrags. Hierzu gehört regelmäßig ein Hinweis auf die Bedingungen, unter denen der Übernahmevertrag von den Emissionsbanken gekündigt werden kann, die Schilderung der Veräußerungsbeschränkungen, zu deren Einhaltung sich die Emissionsbanken gegenüber dem Emittenten (ggf. auch gegenüber den veräußernden Aktionären) verpflichtet haben, und ein Hinweis auf die Übernahme bestimmter Haftungsverpflichtungen durch den Emittenten bzw. die veräußernden Aktionäre. In letzterem Fall entspricht es einer verbreiteten Praxis, darauf hinzuweisen, dass diese Vereinbarungen keine Auswirkungen auf die Anleger haben.

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Nach Anhang III Ziffer 5.4.2 ProspektVO, dessen Standort zwischen den Angaben zum Übernahmevertrag etwas misslungen ist, sind Angaben zu den Zahl- und Verwahrstellen jeden Landes in den Prospekt aufzunehmen. In der Regel haben Aktienemittenten seit Abschaffung der Hinterlegungspflicht im Vorfeld von Hauptversammlungen nach dem früheren § 123 AktG lediglich eine Zahlstelle, deren Name und Anschrift in den Prospekt 1 Zum Übernahmevertrag bei Aktienemissionen siehe A. Meyer in Marsch-Barner/ Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 8 Rz. 104 ff.; Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 98; Schäfer in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 154 ff.; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 4 Rz. 297 ff.; Schanz, Börseneinführung, § 9 Rz. 45 ff.; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.81 ff.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.245 ff.; Jäger, NZG 1999, 643 (645). 2 Schäfer in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 152; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.23; Ekkenga/Haas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 4 Rz. 298; Schanz, Börseneinführung, § 9 Rz. 35 ff.

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aufzunehmen ist. Ist eine Börsenzulassung angestrebt, muss es sich dabei um ein Finanzinstitut handeln. Eine Hinterlegungsstelle, wie § 123 AktG aF sie vorsah, ist bei börsennotierten Aktiengesellschaften seit der Änderung des Aktiengesetzes nicht mehr zu nennen1. Unter den Begriff der Verwahrstelle fällt richtigerweise aber auch die Wertpapiersammelbank, bei der die Globalurkunde über die Wertpapiere regelmäßig hinterlegt ist. Aktien deutscher börsennotierter Gesellschaften sind bei der Clearstream Banking AG2 hinterlegt, Anleihen häufig bei Euroclear Bank S.A./N.V. Der Zusatz „in jedem Land“ soll lediglich verdeutlichen, dass alle Zahl- und Hinterlegungsstellen anzugeben sind; eine Pflicht zur Einrichtung von Zahloder Hinterlegungsstellen im Ausland soll damit nicht statuiert werden.

VII. Zulassung zum Handel und Handelsregeln (Ziffer 6) 6. 6.1.

6.2.

6.3.

6.4.

6.5.

Zulassung zum Handel und Handelsregeln Angabe, ob die angebotenen Wertpapiere Gegenstand eines Antrags auf Zulassung zum Handel sind oder sein werden und auf einem geregelten Markt oder sonstigen gleichwertigen Märkten vertrieben werden sollen, wobei die jeweiligen Märkte zu nennen sind. Dieser Umstand ist anzugeben, ohne jedoch den Eindruck zu erwecken, dass die Zulassung zum Handel auch tatsächlich erfolgen wird. Wenn bekannt, sollte eine Angabe der frühestmöglichen Termine der Zulassung der Wertpapiere zum Handel erfolgen. Angabe sämtlicher geregelten oder gleichwertigen Märkte, auf denen nach Kenntnis des Emittenten Wertpapiere der gleichen Wertpapierkategorie, die zum Handel angeboten oder zugelassen werden sollen, bereits zum Handel zugelassen sind. Falls gleichzeitig oder fast gleichzeitig zur Schaffung von Wertpapieren, für die eine Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt beantragt werden soll, Wertpapiere der gleichen Kategorie privat gezeichnet oder platziert werden, oder falls Wertpapiere anderer Kategorien für eine öffentliche oder private Platzierung geschaffen werden, sind Einzelheiten zur Natur dieser Geschäfte sowie zur Zahl und den Merkmalen der Wertpapiere anzugeben, auf die sie sich beziehen. Detaillierte Angaben zu den Instituten, die aufgrund einer bindenden Zusage als Intermediäre im Sekundarhandel tätig sind und Liquidität mittels Geld- und Briefkursen zur Verfügung stellen, und Beschreibung der Hauptbedingungen der Zusagevereinbarung. Stabilisierung: Hat ein Emittent oder ein Aktionär mit einer Verkaufsposition eine Mehrzuteilungsoption erteilt, oder wird ansonsten vorgeschlagen, dass Kursstabilisierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem Angebot zu ergreifen sind, so ist Folgendes anzugeben

1 Reger in Bürgers/Körber, AktG, 2008, § 123 AktG Rz. 8. 2 Clearstream Banking AG, Neue Börsenstraße 1, 60487 Frankfurt am Main.

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6.5.1. Die Tatsache, dass die Stabilisierung eingeleitet werden kann, dass es keine Gewissheit dafür gibt, dass sie eingeleitet wird und jederzeit gestoppt werden kann; 6.5.2. Beginn und Ende des Zeitraums, während dessen die Stabilisierung erfolgen kann; 6.5.3. Die Identität der für die Stabilisierungsmaßnahmen in jeder Rechtsordnung verantwortlichen Person, es sei denn, sie ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht bekannt; 6.5.4. Die Tatsache, dass die Stabilisierungstransaktionen zu einem Marktpreis führen können, der über dem liegt, der sich sonst ergäbe. 1. Zulassung und Handel (Ziffer 6.1 bis 6.4) 62

Während Anhang III Ziffer 5 ProspektVO angebotsspezifische Inhalte regelt, ist Anhang III Ziffer 6 ProspektVO ganz überwiegend nur auf Prospekte anwendbar, die zumindest auch für Zwecke der Zulassung von Wertpapieren erstellt werden. Einzelne Angaben, etwa nach Anhang III Ziffer 6.2 ProspektVO, können auch bei anderen Emissionen sinnhaft und damit anwendbar sein.

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Zunächst ist nach Anhang III Ziffer 6.1 ProspektVO im Prospekt anzugeben, wann die angebotenen Wertpapiere zum Handel zugelassen werden sollen. Zu nennen sind die Märkte (etwa der regulierte Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse), an denen die Wertpapiere gehandelt werden sollen, der Zeitpunkt der Stellung des Zulassungsantrags und der voraussichtlichen Zulassung1. Durch den Zusatz „voraussichtlich“ ist klarzustellen, dass die Zulassung nicht gesichert ist. Der Vollständigkeit halber ist neben dem Markt auch das Segment, in dem die Aktien notiert werden sollen, zu nennen (zB Prime Standard oder General Standard)2.

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Nach Anhang III Ziffer 6.2 ProspektVO sind die geregelten oder gleichwertigen Märkte zu nennen, auf denen nach Kenntnis des Emittenten Wertpapiere der gleichen Wertpapier„kategorie“ bereits zum Handel zugelassen sind. Der Begriff des geregelten Marktes ist in Art. 2 Abs. 1 lit. j Prospektrichtlinie definiert. Welche Märkte danach als geregelte Märkte gelten, wird jährlich im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gegeben3. Andere gleichwertige Märkte bezieht Märkte außerhalb der Europäischen Union ein, die den Anforderungen an einen organisierten Markt iS des § 2 Nr. 16 WpPG (siehe dazu § 2 WpPG Rz. 89 ff.) genügen. Der Begriff der Wertpapier1 Zum Zulassungsverfahren siehe Trapp in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 31; Ries in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 37; Schanz, Börseneinführung, § 12; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 176 ff. 2 Zu den Marktsegmenten der Frankfurter Wertpapierbörse Schlitt, AG 2003, 57 ff.; Schlitt/Schäfer, AG 2006, 147 ff. 3 Zuletzt in der Information der Mitgliedstaaten (2007/C 38/07), ABl. EU Nr. C 38 v. 22.2.2007, S. 5.

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kategorie meint Wertpapiere einer Gattung, etwa Vorzugs- oder Stammaktien. Die Angabe ist damit nur dann zwingend, wenn Wertpapiere derselben Gattung und desselben Emittenten bereits an einem solchen Markt gehandelt werden oder gehandelt werden sollen. Die Vorschrift hat ihren Hauptanwendungsbereich bei Kapitalerhöhungen bereits börsennotierter Emittenten. Sofern im Zuge der Zulassung, für deren Zwecke der Prospekt erstellt wird, Wertpapiere der gleichen Kategorie (dh. Gattung) privat gezeichnet oder platziert werden oder Wertpapiere anderer Kategorien für eine öffentliche oder private Platzierung geschaffen werden, ist nach Anhang III Ziffer 6.3 ProspektVO eine Beschreibung im Einzelnen unter Angabe der Zahl und Merkmale zu platzierender Wertpapiere in den Prospekt aufzunehmen. Zu denken ist dabei insbesondere an Privatplatzierungen bei qualifizierten Anlegern und/oder bei weniger als 100 Privatpersonen pro Mitgliedstaat des EWR, die für Zwecke der Platzierung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 WpPG von der Prospektpflicht befreit sind. Umfang und Detaillierungsgrad der Darstellung werden daher häufig hinter den entsprechenden Angaben eines für Zwecke eines öffentlichen Angebots erstellten Prospekts zurückbleiben1.

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Nach Anhang III Ziffer 6.4 ProspektVO sind Angaben zu Designated Sponsors, dh. Intermediären, die im Sekundärhandel Liquidität bereitstellen, aufzunehmen. Hierzu reicht im Regelfall eine kurze Beschreibung der vereinbarten Tätigkeit der Designated Sponsors aus2.

66

2. Stabilisierung (Ziffer 6.5) Neben den bereits nach Anhang III Ziffer 5.2.5 ProspektVO erforderlichen 67 Angaben zu dem in der Praxis wichtigsten Stabilisierungselement, der Greenshoe-Option, und der ihr zu Grunde liegenden Mehrzuteilungsoption, fordert Anhang III Ziffer 6.5 ProspektVO weitere Angaben im Hinblick auf sonstige Stabilisierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem Angebot. Die in den Prospekt aufzunehmenden Angaben entsprechen dabei, auch 68 wenn die Reihenfolge ihrer Nennung im Gesetz teilweise abweicht, den nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 2273/2003 vor Beginn des Angebots zu veröffentlichenden Angaben3. Es ist also darauf hinzuweisen, dass mögli1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 223. 2 Eine typische Formulierung hierzu in Prospekten lautet „X-Bank und Y-Bank werden nach dem Designated Sponsor-Vertrag mit der Gesellschaft ua. während der täglichen Handelszeiten limitierte Kauf- und Verkaufsorder für Aktien der Gesellschaft in das elektronische Handelssystem der Frankfurter Wertpapierbörse einstellen. Dadurch soll insbesondere eine höhere Liquidität des Handels in den Aktien der Gesellschaft erreicht werden.“ 3 Ausführlich hierzu Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 9 VO (EG) Nr. 2273/2003, Rz. 2 ff.

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cherweise Stabilisierungsmaßnahmen ergriffen werden, die den Marktpreis stützen sollen (dh. die zu einem höheren Marktpreis führen können, als er ohne diese Maßnahmen vorliegen würde), ihre Durchführung jedoch nicht garantiert ist und, sollten Stabilisierungsmaßnahmen begonnen werden, diese jederzeit beendet werden können1. Darüber hinaus sind der Stabilisierungszeitraum, dessen Dauer sich nach Art. 8 VO (EG) Nr. 2273/2003 richtet, und der sog. Stabilisierungsmanager, dh. die für die Stabilisierungsmaßnahmen zuständige Person, anzugeben2.

VIII. Wertpapierinhaber mit Verkaufsposition (Ziffer 7) 7. Wertpapierinhaber mit Verkaufsposition 7.1. Name und Anschrift der Person oder des Instituts, die/das Wertpapiere zum Verkauf anbietet; Wesensart etwaiger Positionen oder sonstiger wesentlicher Verbindungen, die die Personen mit Verkaufspositionen in den letzten drei Jahren bei dem Emittenten oder etwaigen Vorgängern oder verbundenen Unternehmen innehatte oder mit diesen unterhielt. 7.2. Zahl und Kategorie der von jedem Wertpapierinhaber mit Verkaufsposition angebotenen Wertpapiere. 7.3. Lock-up-Vereinbarungen: – Anzugeben sind die beteiligten Parteien; – Inhalt und Ausnahmen der Vereinbarung; – Der Zeitraum des „lock up“. 1. Anbieter (Ziffer 7.1 und 7.2) 69

Anhang III Ziffer 7.1 ProspektVO fordert zunächst die Angabe von Name und Anschrift der Anbieter der Wertpapiere. Dies sind in der Regel der Emittent und die Emissionsbanken, die gemeinsam mit dem Emittenten als Anbieter auftreten. Unterhielten Anbieter, deren Rechtsvorgänger oder mit ihnen verbundene Unternehmen in den letzten drei Jahren andere wesentliche Verbindungen zum Emittenten, ist dies gleichfalls offen zu legen. Hierunter fallen insbesondere wesentliche Kreditverträge, die der Emittenten in der Vergangenheit abgeschlossen hat3.

1 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 48; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 16.413. 2 A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 48. 3 Zur Problematik der Rückführung von Darlehen aus dem Emissionserlös bei gleichzeitigem Auftreten des Kreditgebers als Emissionsbank siehe Schäfer in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 162/163; Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 60 ff.; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 4 Rz. 329 ff. Fn. 123, jeweils mwN.

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Die von Anhang III Ziffer 7.2 ProspektVO geforderte Angabe von Zahl und 70 Kategorie der von jedem Wertpapierinhaber angebotenen Wertpapiere bezieht sich auf die im Zuge des Angebots veräußernden Personen. Diese sind nicht mit dem Anbieter gleich zu setzen1. Auch im Falle, dass Altaktionäre ihre Beteiligung ganz oder teilweise im Zuge eines Angebots veräußern, treten diese in der Regel nicht als Anbieter auf. Sie verkaufen im Regelfall ihre Aktien an die Emissionsbanken, die diese dann öffentlich anbieten. Daher sind auch in der (bei prospektpflichtigen Angeboten üblichen) Konstellation, dass die Banken im Falle mangelnder Nachfrage vom Kaufvertrag zurücktreten können, nicht die abgebenden Altaktionäre, sondern die Emissionsbanken Anbieter. Da die Aktien jedoch von den Altaktionären im Zusammenhang mit dem Angebot und mit dem Ziel ihrer Platzierung im Publikum verkauft werden, sind die Anzahl und Art der von jedem abgebenden Aktionär zu veräußernden Aktien im Prospekt zu nennen. Diese Angaben finden sich in der Regel im Abschnitt „Aktionärsstruktur“, der in Tabellenform die Beteiligungsverhältnisse2 vor und nach (vollständiger) Durchführung des Angebots zeigt. Dabei sind auch solche Altaktionäre zu berücksichtigen, die ausschließlich eine Mehrzuteilungs- und GreenshoeOption stellen, da sie im Falle einer Ausübung der Mehrzuteilungs- und Greenshoe-Option ebenfalls Aktien veräußern. 2. Lock-up (Ziffer 7.3) Lock-up-Vereinbarungen umfassen Verpflichtungen von Aktionären, für einen bestimmten Zeitraum keine Aktien des Emittenten zu veräußern, anzubieten oder dem wirtschaftlich entsprechende Geschäfte, etwa Optionsgeschäfte, zu tätigen3. Im Prospekt sind gemäß Anhang III Ziffer 7.3 ProspektVO sämtliche Lock-up-Vereinbarungen, dh. nicht nur anlässlich des Angebots abgeschlossene Vereinbarungen, sondern auch möglicherweise im Vorfeld oder anlässlich einer früheren Emission abgeschlossene, noch gültige Vereinbarungen zu schildern. Dabei sind jeweils die beteiligten Parteien, der wesentliche Inhalt, insbesondere Ausnahmen von der Lock-up-Verpflichtung, und der Zeitraum, für den die Restriktion gilt, darzustellen4. Hierzu gehört richtigerweise auch die Erwähnung einer etwaigen Ver-

1 Zu den Auswirkungen der Anbietereigenschaft auf die Prospekthaftung siehe § 13 VerkProspG Rz. 72. 2 Zu den weiteren Angaben zur Aktionärsstruktur siehe die Kommentierung zu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 147 ff. 3 Umfassend zu Lock-up-Vereinbarungen und ihrer Ausgestaltung Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up-agreements, 2004; siehe auch Schäfer in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 162; Haag in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 23 Rz. 50 ff.; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 4 Rz. 379 ff.; Ekkenga, WM 2002, 317 (321); Fleischer, WM 2002, 2035; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.251; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.84. 4 Vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 14 BörsZulV aF, siehe dazu Heidelbach in Schwark, § 16 BörsZulV Rz. 14.

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buchung in einem Sperrdepot oder die Sicherung der Vereinbarung durch eine separate ISIN für die „gesperrten“ Aktien1. 72

Neben den Lock-Up-Verpflichtungen sind an gleicher Stelle im Prospekt auch Marktschutzvereinbarungen zu schildern. Als Marktschutzvereinbarung wird eine Verpflichtung des Emittenten, für einen bestimmten Zeitraum aus genehmigtem Kapital keine neuen Aktien zu begeben, der Hauptversammlung keine Kapitalerhöhung vorzuschlagen und auch sonst keine vergleichbaren Transaktionen vorzunehmen, bezeichnet2. Richtigerweise erstrecken sich die Offenlegungspflichten nach Anhang III Ziffer 7.3 ProspektVO zu Lock-ups auch auf solche Marktschutzvereinbarungen. Denn die Information, dass der Emittent für einen bestimmten Zeitraum das Angebotsvolumen im Markt nicht erhöhen wird, wird aufgrund der bei Neuemissionen zu erwartenden Auswirkungen auf den Börsenpreis und der, je nach Strukturierung, damit einhergehenden Verwässerung für den Anleger regelmäßig eine wesentliche Information für sein Anlageverhalten darstellen. Dabei ist, wie bei den Lock-Up-Verpflichtungen von Altaktionären, nicht nur das Bestehen an sich, sondern auch der wesentliche Inhalt der Vereinbarung zu nennen, zB Befreiungsmöglichkeiten.

IX. Kosten der Emission/des Angebots (Ziffer 8) 8. Kosten der Emission/des Angebots 8.1. Angabe der Gesamtnettoerträge und Schätzung der Gesamtkosten der Emission/des Angebots. 73

Die nach Anhang III Ziffer 8.1 ProspektVO3 erforderliche Angabe der Gesamtnettoerträge und der Gesamtkosten der Emission bzw. des Angebots wird üblicherweise in unmittelbarem Zusammenhang mit den Gründen für das Angebot und der Schilderung der Verwendung der Erträge (siehe dazu oben Rz. 22 ff.) im Prospekt offen gelegt. Die Angabe ist bei Prospekten, die allein für Zwecke einer Zulassung erstellt werden, nicht erforderlich.

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Liegt dem Angebot ein Festpreis zu Grunde, was etwa bei Bezugsrechtsemissionen häufig der Fall ist4, bereitet die Errechnung des Nettoemissionserlöses und der Kosten keine größeren Schwierigkeiten. Komplexer ist die Situation bei Angeboten, bei denen der Preis zum Zeitpunkt der Prospekt1 So auch Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, § 2 Rz. 21; zur Vorgängervorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 14 BörsZulV aF Heidelbach in Schwark, § 16 BörsZulV Rz. 7. 2 Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up-agreements, 2004, S. 2; Schäfer in Grunewald/Schlitt, Einführung ins Kapitalmarktrecht, S. 162; Fleischer, WM 2002, 2035. 3 Vgl. §§ 15 Abs. 1 Nr. 13, 16 Abs. 1 Nr. 14 BörsZulV aF, siehe dazu Heidelbach in Schwark, § 15 BörsZulV Rz. 15, § 16 BörsZulV Rz. 14. 4 Zur Preisbestimmung bei Bezugsrechtsemissionen Schlitt/Ries in FS Schwark, 2009, S. 241 (249 ff.); allgemein zur Preisbestimmung bei Aktienemissionen A. Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 8 Rz. 24 ff.

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billigung nicht feststeht. In diesen Fällen ist in den Prospekt eine Schätzung des erwarteten Emissionserlöses und der erwarteten Kosten, die ihrerseits teilweise vom Emissionserlös abhängen (so zB die regelmäßig prozentual berechnete Provision der Emissionsbanken), aufzunehmen. Enthält der Prospekt eine Preisspanne, innerhalb derer der Angebotspreis nach Maßgabe des Bookbuildings festgelegt werden soll, kann diese Schätzung entweder auf Grundlage des Mittelwerts der Preisspanne (multipliziert mit der Maximalzahl angebotener Aktien) oder seinerseits als Spanne (auf Grundlage des untersten und obersten Wertes der Preisspanne multipliziert mit der Maximalzahl angebotener Aktien) angegeben werden. Enthält ein Prospekt zum Zeitpunkt der Prospektbilligung keine Preisindi- 75 kation, wie beim sog. Decoupled Bookbuilding üblich1, möchte der Anbieter im Regelfall möglichst keinerlei Bewertung der angebotenen Wertpapiere in den Prospekt aufnehmen. Stattdessen soll gerade auf Grundlage des Prospektinhalts und der Resonanz auf seine ersten Vermarktungsbemühungen eine Bewertung(sspanne) ermittelt werden. Da die Maximalzahl angebotener Aktien nach Anhang III Ziffer 5.1.2 ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen ist, lässt grundsätzlich jede Schätzung des Emissionserlöses mittelbar auf den Emissionspreis schließen. Um dies zu vermeiden, hat sich in der Praxis das sog. erweiterte Decoupled Bookbuilding herausgebildet, bei dem die Maximalzahl angebotener Aktien nicht erwähnt wird2. Die BaFin hat dies nach kurzer Zeit nicht mehr gestattet3. In der jüngeren Vergangenheit wird daher beim sog. Decoupled Bookbuilding zunächst eine tendenziell höhere Maximalzahl von Aktien angeboten und der gewünschte Mindestemissionserlös im Prospekt genannt. Nach der Praxis der BaFin ist auch eine zwar grobe, aber keine willkürliche Schätzung des Emissionserlöses möglich. Daher sollte bei Angabe einer Spanne der untere Wert nicht mehr als 50 % des oberen Werts der Spanne betragen. Die Maximalzahl angebotener Aktien wird dann erst bei Festsetzung der Preisspanne aufgrund des bis dahin erhaltenen Feedbacks zusammen mit der Preisspanne und einer konkretisierten Schätzung des Emissionserlöses in einem Nachtrag vor Beginn des eigentlichen Angebots veröffentlicht. Dieses Verfahren ist jedoch nur praktikabel, wenn die Hauptversammlung über das Volumen der Kapitalerhöhung kurzfristig zwischen Prospektbilligung und Veröffentlichung des Nachtrags beschließen kann. Typischerweise ist dies nur bei Emittenten der Fall, deren Aktien zum Zeitpunkt der Prospektbilligung zu 100 % von einem Aktionär oder aber von einem überschaubaren Kreis von Gesellschaftern gehalten wird, die alle das Transaktionsverfahren mit tragen. Ein entsprechend (zu) hohes Maximalvolumen wird idR im Vorfeld von einer Hauptversammlung nicht beschlossen werden, da es nicht den Vorstellungen der Altaktionäre von der zu erwartenden Verwässerung entspricht. 1 Zum Decoupled Bookbuilding siehe die Kommentierung zu § 8 WpPG Rz. 21 ff. 2 So noch die Prospekte von Wacker Chemie AG v. 24.3.2006, Bauer AG v. 16.6.2006, Praktiker AG v. 4.11.2005. 3 Kritisch dazu Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251 (261); A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 56.

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Anzugeben ist darüber hinaus, wie sich der Emissionserlös auf die im Zuge des Angebots veräußernden Personen verteilt. Insbesondere ist bei gemischten Primär- und Sekundärplatzierungen ein eindeutiger Hinweis erforderlich, dass der Erlös aus dem Verkauf der Altaktien allein den Altaktionären und nicht dem Emittenten zu Gute kommt.

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Im Falle eines Prospekts im Zusammenhang mit der Einbeziehung in den Freiverkehr, anlässlich derer durch Werbemaßnahmen auf die Einbeziehung aufmerksam gemacht werden soll1, ist anstelle der Darstellung der Verwendung des Emissionserlöses ein Hinweis aufzunehmen, dass kein Kapital zufließt.

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Die erwarteten Kosten sind entsprechend dem Emissionserlös zu schätzen. Zu den Kosten zählen sämtliche im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Angebot stehenden Aufwendungen, dh. die Provisionen der Emissionsbanken, Honorare anwaltlicher und sonstiger Berater (IPO-Berater, IR-Berater etc.), Kosten der Handelsregistereintragung, Prospektbilligung, Zulassung und Einbeziehung, Druckkosten für den Prospekt, Kosten für die Vermarktungsbemühungen des Emittenten wie Roadshows etc. Diese sind vom erwarteten Bruttoemissionserlös in Abzug zu bringen. Dabei sind sowohl die Kostenverteilung auf mehrere im Zuge des Angebots veräußernde Personen als auch die Verteilung des Nettoemissionserlöses klarzustellen. Bei einem reinen Zulassungsprospekt entspricht es hingegen einer weit verbreiteten Praxis, die Kostenangabe ausdrücklich auf die reinen Zulassungskosten zu beschränken.

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Sofern Emissionserlös und Kosten schließlich im Rahmen der im Prospekt wiedergegebenen Schätzung bleiben, ist kein Nachtrag über die endgültigen Werte nach Festlegung der Preisspanne erforderlich.

X. Verwässerung (Ziffer 9) 9. Verwässerung 9.1. Betrag und Prozentsatz der unmittelbaren Verwässerung, die sich aus dem Angebot ergibt. 9.2. Im Falle eines Zeichnungsangebots an die existierenden Aktionäre Betrag und Prozentsatz der unmittelbaren Verwässerung, wenn sie das neue Angebot nicht zeichnen. 80

Anhang III Ziffer 9.1 ProspektVO erfordert die Angabe des Betrags und des Prozentsatzes der unmittelbaren Verwässerung, die sich aus dem Angebot ergibt. Da die Angaben nach Anhang III Ziffer 9 ProspektVO für die Anleger unabhängig von der Durchführung eines öffentlichen Angebots wesentlich sind, sind sie auch in dem Fall in den Prospekt aufzunehmen, in dem dieser allein für die Zulassung zu einem organisierten Markt erstellt wird, wenn 1 Zur Grenze zum öffentlichen Angebot und der damit einhergehenden Prospektpflicht siehe die Kommentierung zu § 2 WpPG Rz. 35.

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im Zusammenhang mit der Zulassung neue Aktien emittiert werden (zB im Zuge einer Privatplatzierung) und eine Verwässerung damit einhergeht. Hingegen entfallen die Angaben nach Anhang III Ziffer 9 ProspektVO in Fällen der Prospekterstellung im Zusammenhang mit einer reinen Einbeziehung von Aktien in den Freiverkehr, wenn zur Ermöglichung von Werbemaßnahmen ein Prospekt erstellt wird, ohne dass mit der Einbeziehung eine Emission von Aktien einhergeht1, da der Gesellschaft keine neuen Mittel zufließen und somit keine Verwässerung eintritt2. Inwieweit eine unmittelbare Verwässerung eintritt, bestimmt sich danach, 81 in welchem Umfang der Anteil des Anlegers am „Gesamtwert“ des Emittenten, also nicht hinsichtlich des Stimmrechtsanteils, sinkt. Welche Kennzahl den „Gesamtwert“ des Emittenten adäquat abbildet, hängt von der Art der Geschäftstätigkeit und der finanziellen Situation des Emittenten ab. Im Gegensatz zu der Unternehmensbewertung nach Ertragswertverfahren oder der Discounted-Cash-Flow-Methode, mit denen man eine wirtschaftliche Verwässerung grundsätzlich messen könnte, wird auf eine bilanzielle Betrachtung abgestellt. Hierzu ist im Regelfall auf den Nettobuchwert des Emittenten (Gesamtaktiva abzüglich Firmenwert und anderer immaterieller Anlagenwerte sowie abzüglich Verbindlichkeiten, Rückstellungen und abgegrenzter Erträge) abzustellen3. Um die Verwässerung für Anleger verständlich zu machen, ist dabei zunächst anzugeben, um welchen Betrag sich der zum letzten Abschlussstichtag bestehende Nettobuchwert erhöht hätte, wenn der Emissionserlös aus dem Angebot bereits zu diesem Stichtag dem Emittenten zugeflossen wäre. Im nächsten Schritt ist anzugeben, wie hoch der Nettobuchwert je Aktie 82 zum letzten Abschlusstichtag war und wie hoch er pro Aktie gewesen wäre, wäre der Emissionserlös bereits zu jenem Stichtag zugeflossen gewesen. Die Differenz stellt die unmittelbare Verwässerung der Altaktionäre dar, wenn diese nicht am Angebot teilnehmen. Ist das Angebot auch an Altaktionäre gerichtet, also insbesondere bei einer Bezugsrechtsemission, ist darüber hinaus die prozentuale Veränderung anzugeben. Um diese Veränderung in Prozent auszudrücken, ist der Nettobuchwert je Aktie vor der Kapitalmaßnahme als Bezugsgröße zu Grunde zu legen. Um die unmittelbare Verwässerung der neuen Investoren, die im Zuge des 83 Angebots Aktien erwerben, darzustellen, ist die Differenz zwischen dem Angebotspreis und dem Nettobuchwert je Aktie nach Durchführung des Angebots zu errechnen und die entsprechende prozentuale Differenz anzugeben.

1 Zur Grenze zum öffentlichen Angebot und der Prospektpflicht in diesen Fällen siehe die Kommentierung zu § 2 WpPG Rz. 35. 2 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 258. 3 Je nach den Umständen des Einzefalls kann die Angabe des bilanziellen Eigenkapitals anstelle des Nettobuchwerts geeignet sein. Die BaFin geht jedoch grundsätzlich wohl von der Zugrundelegung des Nettobuchwerts aus.

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XI. Zusätzliche Angaben (Ziffer 10) 10. Zusätzliche Angaben 10.1. Werden an einer Emission beteiligte Berater in der Wertpapierbeschreibung genannt, ist eine Erklärung zu der Funktion abzugeben, in der sie gehandelt haben. 10.2. Hinweis auf weitere Angaben in der Wertpapierbeschreibung, die von gesetzlichen Abschlussprüfern geprüft oder einer prüferischen Durchsicht unterzogen wurden und über die die Abschlussprüfer einen Bestätigungsvermerk erstellt haben. Reproduktion des Berichts oder mit Erlaubnis der zuständigen Behörden Zusammenfassung des Berichts. 10.3. Wird in die Wertpapierbeschreibung eine Erklärung oder ein Bericht einer Person aufgenommen, die als Sachverständiger handelt, so sind der Name, die Geschäftsadresse, die Qualifikationen und – falls vorhanden – das wesentliche Interesse am Emittenten anzugeben. Wurde der Bericht auf Ersuchen des Emittenten erstellt, so ist eine diesbezügliche Erklärung dahingehend abzugeben, dass die aufgenommene Erklärung oder der aufgenommene Bericht in der Form und in dem Zusammenhang, in dem sie bzw. er aufgenommen wurde, die Zustimmung von Seiten dieser Person erhalten hat, die den Inhalt dieses Teils der Wertpapierbeschreibung gebilligt hat. 10.4. Sofern Angaben von Seiten Dritter übernommen wurden, ist zu bestätigen, dass diese Information korrekt wiedergegeben wurde und dass – soweit es dem Emittenten bekannt ist und er aus den von dieser dritten Partei veröffentlichten Angaben ableiten konnte – keine Fakten unterschlagen wurden, die die reproduzierten Angaben unkorrekt oder irreführend gestalten würden. Darüber hinaus hat der Emittent die Quelle(n) der Angaben anzugeben. 1. Berater (Ziffer 10.1) 84

Anhang III Ziffer 10.1 ProspektVO ist nur dann einschlägig, wenn Berater ausdrücklich als solche im Prospekt genannt werden. Dies ist regelmäßig nicht der Fall. Eine Nennung allein im Zusammenhang mit anderweitigen Pflichtangaben, zB bei der Nennung von Interessen Dritter an der Emission nach Ziffer 3.3 des Anhangs III ProspektVO, reicht hierfür nicht aus1. 2. Geprüfte Zahlen (Ziffer 10.2)

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Sind über die auf Grund von Anhang I in den Prospekt aufzunehmenden Finanzinformationen hinaus von einem Abschlussprüfer geprüfte Angaben im Prospekt enthalten, ist hierauf nach Anhang III Ziffer 10.2 ProspektVO jeweils hinzuweisen. Da über die nach Anhang III erforderlichen Angaben in der Regel keine Prüfung durchgeführt und kein Bestätigungsvermerk er1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 264.

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teilt wird, ist es in der Praxis die Ausnahme, dass neben den Finanzinformationen weitere vom Abschlussprüfer geprüfte Angaben Eingang in den Prospekt finden. Eine Ausnahme bilden allenfalls die Angaben zur Kapitalausstattung und Verschuldung nach Ziffer 3.2 des Anhangs III ProspektVO, sofern diese einem geprüften Abschluss des Emittenten entnommen wurden, sowie etwaige Pro-forma-Angaben (siehe dazu die Kommentierung zu Anhang II) oder Gewinnprognosen bzw. Gewinnschätzungen (siehe hierzu die Kommentierung zu Anhang I Rz. 116 ff.). 3. Sachverständigengutachten (Ziffer 10.3) Anhang III Ziffer 10.3 ProspektVO bezieht sich ausschließlich auf Erklärun- 86 gen oder Gutachten von Personen, die diese in ihrer Eigenschaft als Sachverständiger abgegeben haben. Auch ist ein Dokument nicht als Erkärung oder Bericht iS des Anhang III Ziffer 10.3 ProspektVO zu verstehen, wenn seine Erstellung aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgt ist. Dies bedeutet, dass Anhang III Ziffer 10.3 ProspektVO nicht auf die Wiedergabe von Bestätigungsvermerken der Abschlussprüfer im Prospekt anwendbar ist. Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung des Emittenten, ihn betreffende Sachverständigengutachten oder Erklärungen in den Prospekt aufzunehmen. Entscheidet er sich allerdings für eine Aufnahme, so sind die von Anhang III Ziffer 10.3 ProspektVO geforderten Angaben gleichfalls in den Prospekt aufzunehmen. Die Aufnahme eines Sachverständigengutachtens in den Prospekt kann ausnahmsweise aufgrund der besonderen Natur des Emittenten nach Anhang XIX ProspektVO von der BaFin gefordert werden (siehe dazu die Kommentierung zu Anhang XIX). So ist sie etwa berechtigt, nach ihrem Ermessen die Aufnahme eines Wertgutachtens für das Immobilienportfolio in den Prospekt zu fordern, wenn es sich beim Emittenten um eine Immobiliengesellschaft handelt. In solchen Fällen einer ausnahmsweisen Verpflichtung zur Aufnahme eines Sachverständigengutachtens ohne gesetzliche Pflicht sind die nach Ziffer 10.3 des Anhangs III ProspektVO vorgesehenen Angaben ebenfalls verpflichtend.

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Die nach Anhang III Ziffer 10.3 ProspektVO aufzunehmenden Informationen umfassen Name, Geschäftsadresse und Qualifikation des Sachverständigen. Wurde der Bericht des Sachverständigen auf Ersuchen des Emittenten erstellt, ist dies im Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte bei der Erstellung anzugeben. Zudem ist der Sachverständige über die Aufnahme seines Gutachtens bzw. seiner Erklärung in den Prospekt zu informieren und auf seine Zustimmung zum Abdruck in der gewählten Länge ausdrücklich im Prospekt hinzuweisen.

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Da zudem Angaben über ein etwaiges wesentliches Interesse des Sachverständigen am Emittenten erforderlich sind, ist der Emittent verpflichtet, beim Sachverständigen nachzufragen, ob ein solches wesentliches Interesse besteht. Eine Indikation für ein wesentliches Interesses liegt vor, wenn der Sachverständige (i) Aktien am Emittenten oder Anteile an einem mit ihm

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verbundenen Unternehmen oder Optionen oder Bezugsrechte auf diese hält, (ii) früher beim Emittenten angestellt war oder irgendeine Form von Vergütung vom Emittenten erhält, (iii) Mitglied des Vorstands, des Aufsichtsrats oder eines sonstigen, beim Emittenten eingerichteten Gremiums ist oder (iv) irgendeine Verbindung zu den Emissionsbanken oder anderen in das Angebot oder das Zulassungsverfahren eingebundenden Finanzintermediären unterhält1. Lässt sich die Vermutung eines wesentlichen Interesses nach Einschätzung des Emittenten nicht widerlegen, ist auf sein Bestehen und die Art des Interesses hinzuweisen. Einer Offenlegung von Details, etwa der Anzahl der vom Sachverständigen gehaltenen Aktien, bedarf es dabei grundsätzlich nur insoweit, als diese zusätzliche Information wesentlich für den Anleger ist. 4. Informationen von Seiten Dritter (Ziffer 10.4) 90

Anhang III Ziffer 10.4 ProspektVO fordert Emittenten auf, von Dritten übernommene Informationen kritisch zu prüfen, bevor diese in den Prospekt aufgenommen werden. Eine solche Art „Haftungserklärung“ erscheint angesichts der stets drohenden Prospekthaftung der Prospektverantwortlichen zwar praktisch entbehrlich2. Um dem Wortlaut der Verordnung Genüge zu tun, bedarf es jedoch jedenfalls einer Versicherung des Emittenten, dass er die Angaben Dritter im Prospekt korrekt wiedergegeben und – soweit es dem Emittenten bekannt ist und er dies aus den von diesen Dritten veröffentlichten Informationen ableiten konnte – keine Tatsachen unterschlagen wurden, die die wiedergegebenen Informationen unkorrekt oder irreführend gestalten würden.

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Häufig wird diese Angabe mit einer Warnung der Anleger verbunden, dass diese Informationen dennoch mit Vorsicht zu betrachten sind. Insbesondere entspricht es der Marktpraxis, darauf hinzuweisen, dass Marktstudien auf Informationen und Annahmen beruhen können, die weder exakt noch sachgerecht sind, häufig aber zukunftsgerichtet und spekulativ. Auch wird in der Regel zur Vermeidung eines weiten Verständnisses der nach Anhang III Ziffer 10.4 ProspektVO verpflichtend abzugebenden Erklärung erläutert, dass der Emittent und die Emissionsbanken die Zahlenangaben, Marktdaten und sonstigen Informationen, die Dritte ihren Studien zu Grunde gelegt haben, nicht überprüft haben und daher keine Verantwortung oder Garantie für die Richtigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben aus Studien Dritter übernehmen.

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Zwar fordert Anhang III Ziffer 10.4 ProspektVO darüber hinaus eine Angabe der verwendeten Quellen. Eine explizite Nennung aller im Prospekt verwendeten Informationsquellen innerhalb eines separaten Abschnitts ist aber nicht erforderlich. Bisweilen wird eine Liste der Studien und Informationen Dritter in unmittelbarer Nähe zu der Erklärung nach Anhang III Zif1 Vgl. CESR/05-54b, Rz. 156–159. 2 Zur Prospekthaftung siehe § 13 VerkProspG Rz. 95.

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fer 10.4 Satz 1 ProspektVO in den Prospekt aufgenommen. Eine solche Liste birgt jedoch die Gefahr, dass die verstreut im Prospekt enthaltenen Informationen von Seiten Dritter nicht vollständig dokumentiert werden. Es erscheint daher in der Regel vorzugswürdig, Angaben Dritter im Prospekt an der Stelle ihrer jeweiligen Nennung kenntlich zu machen und unmittelbar mit einer Quellenangabe (typischerweise in einem Klammerzusatz) kenntlich zu machen. Dies hat den Vorteil, dass zum einen die Erfassung aller Informationen von Seiten Dritter bei der Prospekterstellung erleichtert wird und zum anderen die jeweilige Quelle jeder Angabe für die Anleger unmittelbar nachvollziehbar wird. Eine korrekte Quellenangabe setzt eine Nennung des Dritten, der die Information erstellt hat (zB eines Marktforschungsinstituts), den Namen der Studie und ihr Erscheinungsjahr voraus. Ein größerer Detailgrad, etwa die Nennung der Seitenzahl, ist hingegen grundsätzlich nicht zu fordern, da die Paginierung je nach Veröffentlichungsmedium und Verlag variieren kann und dies keine wesentliche Information für den Anleger darstellt.

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Anhang IV Mindestangaben für das Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere (Schema) (Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von weniger als EUR 50.000) Schrifttum: Apfelbacher/Metzner, Das Wertpapierprospektgesetz in der Praxis – Eine erste Bestandsaufnahme, BKR 2006, 81; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668, Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB 2005, 209; Meyer, Wertpapierprospekt, in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 30; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und Equity-linked Emissionen, AG 2005, 498; Seitz, Das neue Wertpapierprospektgesetz – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678; Wieneke, Emissionspublizität – Praktische Anforderungen und rechtliche Grenzen, NZG 2005, 109.

Inhaltsübersicht I. Anwendungsbereich 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zu anderen Anhängen der ProspektVO a) Abgrenzung zu Anhang XI ProspektVO (Schema für das Registrierungsformular für Banken) . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung zu Anhang IX ProspektVO (Schema für das Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro) . . . . . . . . . . c) Abgrenzung zu Anhang I ProspektVO (Schema für das Registrierungsformular für Aktien) . . . . . . . . . . . d) Wahlmöglichkeit zwischen den verschiedenen Schemata für Registrierungsformulare . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

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5

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II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) . . . . . . . . . . . . . . .

9

III. Abschlussprüfer (Ziffer 2) . . .

12

IV. Ausgewählte Finanzinformationen (Ziffer 3) . . . . . . . . . .

13

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V. Risikofaktoren (Ziffer 4) 1. Allgemeines zur Darstellung der Risikofaktoren . . . . . . . . 14 2. Umfang der darzustellenden Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Praktische Fragen bei der Darstellung von Risikofaktoren . 19 VI. Angaben über den Emittenten (Ziffer 5) 1. Angaben zur Geschäftsgeschichte und Geschäftsentwicklung des Emittenten (Ziffer 5.1) . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Angaben zu Investitionen (Ziffer 5.2) . . . . . . . . . . . . . . 34 VII. Geschäftsüberblick (Ziffer 6) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 2. Haupttätigkeitsbereiche (Ziffer 6.1) . . . . . . . . . . . . . . 3. Wichtigste Märkte (Ziffer 6.2) 4. Angaben zur Wettbewerbsposition (Ziffer 6.3) . . . . . . . VIII. Organisationsstruktur (Ziffer 7) 1. Gruppendarstellung (Ziffer 7.1) . . . . . . . . . . . . . . 2. Abhängigkeit (Ziffer 7.2) . . .

35 36 38 39

40 41

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Anhang IV IX. Trendinformationen (Ziffer 8) 1. Negativerklärung zu Trendinformationen (Ziffer 8.1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelheiten über die wesentlichen nachteiligen Änderungen (Ziffer 8.1 Satz 2) . . . . . . 3. Informationen über bekannte Trends etc. (Ziffer 8.2) . . . . . X. Gewinnprognosen oder Schätzungen (Ziffer 9) . . . . .

43 49 50 53

XI. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane (Ziffer 10) . . . . . . . . . . . . . .

55

XII. Praktiken der Geschäftsführung (Ziffer 11) . . . . . . . .

58

XIII. Hauptaktionäre (Ziffer 12) . .

60

XIV. Finanzinformationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten (Ziffer 13) . . . . . . . . . . . . .

61

XV. Zusätzliche Angaben (Ziffer 14) 1. Aktienkapital (Ziffer 14.1) . 68 2. Satzung und Statuten der Gesellschaft (Ziffer 14.2) . . . . . 69 XVI. Wesentliche Verträge (Ziffer 15) . . . . . . . . . . . . .

71

XVII. Angaben von Seiten Dritter, Erklärungen von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen (Ziffer 16) . . . . 75 XVIII. Einsehbare Dokumente (Ziffer 17) . . . . . . . . . . . . .

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I. Anwendungsbereich 1. Allgemeines Das Registrierungsformular ist nach Art. 7 ProspektVO gemäß dem in An- 1 hang IV ProspektVO festgelegten Schema zu erstellen, wenn Wertpapiere, die nicht unter Art. 4 ProspektVO fallen, mit einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro begeben werden oder im Fall von nennwertlosen Wertpapieren, die bei der Emission für weniger als 50.000 Euro pro Stück erworben werden können. Aktien und aktienähnliche Wertpapiere iS von Art. 4 ProspektVO sind gemäß Art. 7 ProspektVO ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Anhang IV ProspektVO ausgenommen. Im Umkehrschluss kann daraus gefolgert werden, dass der Anwendungsbereich von Anhang IV ProspektVO im Wesentlichen Schuldtitel iS von Art. 8 Abs. 2 ProspektVO und derivative Wertpapiere iS von Art. 15 Abs. 2 ProspektVO umfasst (zur Abgrenzung siehe näher unten Rz. 8). Im Vergleich zu den übrigen Schemata für Registrierungsformulare beinhaltet Anhang IV ProspektVO – wie sich aus Art. 21 Abs. 2 ProspektVO ergibt – nach Anhang I ProspektVO die höchsten Anforderungen an die darzustellenden Informationen, wobei allerdings die Anforderungen gegenüber Anhang I ProspektVO deutlich niedriger sind (zum Stufenverhältnis zwischen den Anhängen zur Emittentenbeschreibung siehe ausführlich unten Rz. 8)1. So sind beispielsweise Angaben zu Sachanlagen, zur Geschäfts- und Finanzlage, Eigenkapitalausstattung und den Beschäftigten nicht erforderlich. Darüber hinaus müssen teilweise die Mindestangaben im Vergleich zu Anhang I ProspektVO in einer geringeren Detailtiefe aufgenommen werden, beispielsweise bei den Angaben zu den Praktiken der Geschäftsführung, Fi1 Vgl. auch Seitz, AG 2005, 678 (686 f.).

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Anhang IV

nanzinformationen, Aktienkapital und Satzung und Statuten der Gesellschaft (siehe näher unten Rz. 8). 3

Die Anforderungen von Anhang IV ProspektVO entsprechen in weiten Teilen den nach Anhang I ProspektVO geforderten Mindestangaben, weswegen im Folgenden an den entsprechenden Stellen auf die Kommentierung zu Anhang I ProspektVO verwiesen wird. 2. Abgrenzung zu anderen Anhängen der ProspektVO a) Abgrenzung zu Anhang XI ProspektVO (Schema für das Registrierungsformular für Banken)

4

Anhang XI ProspektVO ist nach Art. 14 ProspektVO das maßgebliche Schema für Registrierungsformulare von Banken (zum Anwendungsbereich siehe näher Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 1 ff.). Der nach Anhang XI ProspektVO vorgegebene Mindestinhalt für Registrierungsformulare ist geringer als dies etwa für Registrierungsformulare nach Anhang IV ProspektVO der Fall ist. Dies hängt damit zusammen, dass Banken einer staatlichen Solvenzkontrolle unterliegen und sie dementsprechend ohnehin bestimmte Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung und das Risiko- und Liquiditätsmanagement erfüllen müssen (siehe ausführlich Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 9)1. b) Abgrenzung zu Anhang IX ProspektVO (Schema für das Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro)

5

Sofern Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro bzw. nennwertlose Wertpapiere, die bei der Emission nur für mindestens 50.000 Euro pro Stück erworben werden können, emittiert werden, kann der Emittent nach Art. 12 ProspektVO das Registrierungsformular gemäß dem in Anhang IX ProspektVO festgelegten Schema erstellen, welcher geringere Mindestanforderungen an die darzustellenden Informationen stellt als Anhang IV ProspektVO. Es sind beispielsweise keine Angaben zu Investitionen, zu neuen Produkten oder Märkten oder zu positiven Trendinformationen in das Registrierungsformular nach Anhang IX ProspektVO aufzunehmen.

6

Die strengeren Anforderungen an den Mindestinhalt des Registrierungsformulars in Anhang IV ProspektVO gegenüber Anhang IX ProspektVO resultieren daraus, dass bei Wertpapiere mit einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro das Zielpublikum auch aus Kleinanlegern (retail investors) besteht, die sich im Gegensatz zu institutionellen Anlegern (wholesale investors) regelmäßig nicht in dem gleichen Maße über den Emittenten informieren können, weswegen ausführlichere Informationen über den Emittenten

1 Vgl. im Verordnungsgebungsverfahren CESR/03-129, CESR Prospectus Consultation – Feedback Statement, Rz. 40.

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im Prospekt enthalten sein müssen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 14 ProspektVO)1. c) Abgrenzung zu Anhang I ProspektVO (Schema für das Registrierungsformular für Aktien) Unter Anhang I ProspektVO fallen gemäß Art. 4 Abs. 2 ProspektVO Aktien und andere übertragbare, Aktien gleichzustellende Wertpapiere sowie Wandelanleihen (siehe zum Anwendungsbereich von Anhang I EU-ProspektVO dort Rz. 1). Solche Wertpapiere sind nach Art. 7 ProspektVO ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Anhang IV ProspektVO ausgeschlossen.

7

d) Wahlmöglichkeit zwischen den verschiedenen Schemata für Registrierungsformulare Nach Art. 21 Abs. 2 ProspektVO besteht für Emittenten, die ein Registrie- 8 rungsformular nach einem Schema zu erstellen haben, das weniger umfassend und streng ist als ein anderes Schema, ein Wahlrecht dahingehend, ein umfassenderes und strengeres Schema zu verwenden. Aus der Aufzählung in Art. 21 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 ProspektVO ergibt sich ein Stufenverhältnis zwischen den verschiedenen Anhängen: Das Schema für das Registrierungsformular für Aktien stellt das strengste Schema dar, gefolgt von dem Schema für das Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Einzelstückelung von weniger als 50.000 Euro und dem Schema für ein Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro. Entsprechend ist es möglich, dass ein Emittent das Registrierungsformular nach Anhang IV ProspektVO erstellt, obwohl aufgrund der Mindeststückelung von 50.000 Euro eigentlich Anhang IX ProspektVO „ausreichen“ würde. Dies ist zum Beispiel häufig dann der Fall, wenn unter einem Basisprospekt Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von weniger als 50.000 Euro und gleichzeitig mit einer Mindeststückelung von mindestens 50.000 Euro begeben werden. Schließlich ist es auch möglich, dass Anhang I ProspektVO und damit das umfassendste Schema für Registrierungsformulare angewendet wird, wenn es sich bei den zu Grunde liegenden Wertpapieren nicht um Aktien, sondern um Schuldverschreibungen handelt2. Neben den in Art. 21 Abs. 2 ProspektVO genannten Anhängen zum Registrierungsformular besteht auch die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen von Art. 14 ProspektVO das Registrierungsformular nach Anhang XI ProspektVO zu erstellen (siehe dazu auch Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 9)3.

1 Siehe dazu auch Glismann in Holzborn, Anh. IV EU-ProspV Rz. 1. 2 Zur Verwendung eines Registrierungsformulars für Aktien im Zusammenhang mit der Begebung von anderen Wertpapieren als Aktien siehe CESR/03-208, CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive, Rz. 55; vgl. auch Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 214; zum Stufenverhältnis siehe auch Seitz, AG 2005, 678 (686). 3 Vgl. auch Glismann in Holzborn, Anh. IV EU-ProspV Rz. 1.

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II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) 1. Verantwortliche Personen 1.1. Alle Personen, die für die im Registrierungsformular gemachten Angaben bzw. für bestimmte Abschnitte des Registrierungsformulars verantwortlich sind. Im letzteren Fall sind die entsprechenden Abschnitte aufzunehmen. Im Falle von natürlichen Personen, zu denen auch Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführung- und Aufsichtsorgane des Emittenten gehören, sind der Name und die Funktion dieser Person zu nennen. Bei juristischen Personen sind Name und eingetragener Sitz der Gesellschaft anzugeben. 1.2. Erklärung der für das Registrierungsformular verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die im Registrierungsformular genannten Angaben ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen weggelassen werden, die die Aussage des Registrierungsformulars wahrscheinlich verändern können. Ggf. Erklärung der für bestimmte Abschnitte des Registrierungsformulars verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die in dem Teil des Registrierungsformulars genannten Angaben, für die sie verantwortlich sind, ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen weggelassen werden, die die Aussage des Registrierungsformulars wahrscheinlich verändern können. 9

Der Wortlaut der Ziffern 1.1 und 1.2 Anhang IV ProspektVO stimmt mit dem Wortlaut der Ziffern 1.1 und 1.2 Anhang I ProspektVO überein. Es wird daher auf die Kommentierung zu Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 2 ff.).

10

Gemäß Ziffer 1.1 Anhang IV ProspektVO sind in dem Registrierungsformular Informationen zu Personen aufzunehmen, die für die in dem Registrierungsformular gemachten Angaben verantwortlich sind. Hierbei besteht die Möglichkeit, für das gesamte Registrierungsformular oder lediglich für bestimmte Abschnitte die Verantwortung zu übernehmen. Relevant ist eine geteilte Verantwortlichkeitserklärung zum Beispiel im Fall von Basisprospekten zu Nichtdividendenwerten, bei denen mehrere Emittenten in das Registrierungsformular aufgenommen werden (vgl. dazu auch Anhang V EU-ProspektVO Rz. 16), oder in dem bei derivativen Wertpapieren besonders häufigen Fall, dass neben dem Emittenten auch ein Garant in das Registrierungsformular aufgenommen wird. In diesen Fällen besteht keine Pflicht, eine Person zu benennen, die für das gesamte Registrierungsformular die Verantwortung übernimmt1.

11

Gemäß Ziffer 1.2 Anhang IV ProspektVO ist eine Erklärung der verantwortlichen Personen aufzunehmen, wonach sie die erforderliche Sorgfalt haben 1 Zur Verantwortlichkeitserklärung für den Gesamtprospekt vgl. § 5 WpPG Rz. 47 sowie Glismann in Holzborn, Anh. IV EU-ProspV Rz. 4.

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walten lassen, dass die Angaben im Registrierungsformular richtig und vollständig sind. Der Wortlaut der Erklärung ist Ziffer 1.2 zu entnehmen. Eine ähnliche Regelung findet sich in § 5 Abs. 4 WpPG. Gemäß § 5 Abs. 4 WpPG ist in die Erklärung der Personen, die für den Prospekt die Verantwortung übernehmen, aufzunehmen, dass ihres Wissens die Angaben richtig und keine wesentlichen Umstände ausgelassen sind. Nach Auffassung der BaFin muss ein Prospekt in jedem Fall die Verantwortlichkeitserklärung nach § 5 Abs. 4 WpPG enthalten. Darüber hinaus steht es Emittenten frei, zusätzlich auch die Verantwortlichkeitserklärung nach Ziffer 1.2 von Anhang IV ProspektVO aufzunehmen. Möglich ist, dass eine Kombination der beiden Verantwortlichkeitserklärungen dergestalt erfolgt, dass die Wortlaute der Erklärungen nacheinander aufgenommen werden. Eine anderweitige Kombination oder Modifizierung der Verantwortlichkeitserklärungen nach der ProspektVO und dem WpPG scheidet dagegen aus (vgl. dazu auch § 5 WpPG Rz. 48).

III. Abschlussprüfer (Ziffer 2) 2. Abschlussprüfer 2.1. Namen und Anschrift der Abschlussprüfer des Emittenten, die für den von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraum zuständig waren (einschließlich der Angabe ihrer Mitgliedschaft in einer Berufsvereinigung). 2.2. Wurden Abschlussprüfer während des von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraums abberufen, nicht wieder bestellt oder haben sie ihr Mandat niedergelegt, so sind entsprechende Einzelheiten offen zu legen, wenn sie von wesentlicher Bedeutung sind. Die Wortlaute der Ziffern 2.1 und 2.2 Anhang IV ProspektVO stimmen mit dem Wortlaut der Ziffern 2.1 und 2.2 Anhang I ProspektVO überein. Es wird daher auf die Kommentierung zu Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 17 ff.).

IV. Ausgewählte Finanzinformationen (Ziffer 3) 3. Ausgewählte Finanzinformationen 3.1. Ausgewählte historische Finanzinformationen über den Emittenten sind für jedes Geschäftsjahr für den Zeitraum vorzulegen, der von den historischen Finanzinformationen abgedeckt wird und für jeden späteren Zwischenberichtszeitraum, und zwar in derselben Währung wie die Finanzinformationen. Die ausgewählten historischen Finanzinformationen müssen die Schlüsselzahlen enthalten, die einen Überblick über die Finanzlage des Emittenten geben.

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3.2. Werden ausgewählte Finanzinformationen für Zwischenberichtszeiträume vorgelegt, so sind auch Vergleichsdaten für den gleichen Zeitraum des vorhergehenden Geschäftsjahres vorzulegen, es sei denn, die Anforderung der Beibringung vergleichbarer Bilanzinformationen wird durch die Vorlage der Bilanzdaten zum Jahresende erfüllt. 13

Der Wortlaut der Ziffern 3.1 und 3.2 Anhang IV ProspektVO stimmt mit dem Wortlaut der Ziffern 3.1 und 3.2 Anhang I ProspektVO überein. Es wird daher auf die Kommentierung zu Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 24 ff.).

V. Risikofaktoren (Ziffer 4) 4. Risikofaktoren Hervorgehobene Offenlegung von Risikofaktoren, die die Fähigkeit des Emittenten beeinträchtigen können, seinen Verpflichtungen im Rahmen der Wertpapiere gegenüber den Anlegern nachzukommen (unter der Rubrik „Risikofaktoren“). 1. Allgemeines zur Darstellung der Risikofaktoren 14

Der Begriff der Risikofaktoren ist in Art. 2 Nr. 3 ProspektVO definiert. Danach bezeichnet „Risikofaktoren“ eine Liste von Risiken, die für die jeweilige Situation des Emittenten und/oder der Wertpapiere spezifisch sind und die Anlageentscheidung erheblich beeinflussen.

15

Nach Ziffer 4 Anhang IV ProspektVO sind nur Risikofaktoren erfasst, die die Fähigkeit des Emittenten beeinträchtigen können, seinen Verpflichtungen im Rahmen der Wertpapiere gegenüber den Anlegern nachzukommen. Demnach muss ein Registrierungsformular nicht sämtliche möglichen Risikofaktoren im Hinblick auf den Emittenten enthalten, sondern es ist ausreichend, wenn die „wesentlichen“ Risikofaktoren genannt werden (siehe zur Wesentlichkeitsschwelle auch Anhang I EU-ProspektVO Rz. 45)1. Zu dem von Anhang I ProspektVO im Fall von Aktien und aktienähnlichen Wertpapieren abweichenden Maßstab im Fall von Schuldtiteln und derivativen Wertpapieren siehe unten Rz. 18.

16

Ziffer 4 Anhang IV ProspektVO spricht von einer „hervorgehobenen Offenlegung“ der Risikofaktoren. Diese Formulierung weicht von der entsprechenden Formulierung in Ziffer 4 Anhang I ProspektVO ab, in der von einer „klaren Offenlegung“ die Rede ist. Diese Abweichung zwischen Anhang I ProspektVO und Anhang IV ProspektVO ist aber letztlich unbeachtlich, da sie auf einer nicht konsistenten Übersetzung der englischen Fassung der ProspektVO beruht (in der englischen Fassung ist in beiden Anhängen jeweils von „prominent disclosure of risk factors“ die Rede). Eine hervorgeho1 In diesem Sinne auch Glismann in Holzborn, Anh. IV EU-ProspV Rz. 9.

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bene Offenlegung erfordert, dass der Anleger auf Grund der optischen Darstellung im Registrierungsformular erkennt, dass es sich bei den Risikofaktoren um eine Information handelt, die für ihn wichtig ist. Diese Einschätzung des Anlegers kann durch Schriftgröße oder Layout des Abschnitts „Risikofaktoren“ beeinflusst werden1. So sollte die Schriftgröße beispielsweise nicht kleiner sein als die im restlichen Prospekt verwendete Schriftgröße. Hervorhebungen bestimmter, wesentlicher Aussagen in den Risikofaktoren durch „Fettdruck“ sind dabei für Anleger hilfreich. Neben der optischen Darstellung kommt es zum anderen entscheidend auf die Verständlichkeit der verwendeten Formulierungen im Hinblick auf die dargestellten Risikofaktoren an (siehe dazu auch unten Rz. 19 sowie in Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 28). In dem Abschnitt „Risikofaktoren“ sind nur Risiken darzustellen. Dementsprechend dürfen Chancen, welche die Risiken mindern, in dem Abschnitt nicht genannt werden, da sie die Bedeutung der dargestellten Risiken verharmlosen oder relativieren könnten2. Entsprechend ist es auch nicht statthaft, eine anders lautende Überschrift als „Risikofaktoren“ für den Abschnitt zu verwenden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 15 ProspektVO bzw. Art. 2 Nr. 3, Art. 25 Abs. 1 Nr. 3 und Art. 26 Abs. 1 Nr. 3 ProspektVO)3. Zu Verweisen aus dem Abschnitt „Risikofaktoren“ auf andere Prospektteile sowie zu Verweisen in den Risikofaktoren auf einzelne Unterabschnitte siehe Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 28.

17

2. Umfang der darzustellenden Risiken Im Fall von Anhang IV ProspektVO gilt ein gegenüber Aktien und aktien- 18 ähnlichen Wertpapieren modifizierter Maßstab für die Darstellung von Risiken. Anders als bei Anhang I ProspektVO, bei dem die Risikofaktoren offen zu legen sind, die für den Emittenten oder seine Branche spezifisch sind, kommt es bei Anhang IV ProspektVO darauf an, Risikofaktoren darzustellen, welche die Fähigkeit des Emittenten beeinträchtigen können, seinen Verpflichtungen im Rahmen der Wertpapiere gegenüber den Anlegern nachzukommen. Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass bereits im Rahmen von Anhang I ProspektVO nicht jedes Risiko darzustellen ist (vgl. dazu auch § 16 WpPG Rz. 36). Wenn nun Anhang IV ProspektVO eine davon abweichende Formulierung verwendet, ist dies so auszulegen, dass im Vergleich zu einem Registrierungsformular nach Anhang I ProspektVO weniger Risiken aufzunehmen sind, da nicht alle Risiken geeignet sind, Auswirkungen auf die Solvenz des Emittenten zu haben (zu dem bei Schuldverschreibungen modifizierten Wesentlichkeitsmaßstab siehe auch § 16 WpPG Rz. 39). Letztlich ist dies getragen von der Überlegung, dass für die Investitionsentscheidung von Aktienanlegern die Entwicklung des Werts und das 1 Vgl. dazu auch Glismann in Holzborn, Anh. IV EU-ProspV Rz. 11. 2 So auch Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, Rz. 454; Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (212); Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1672, Fn. 69). 3 Ähnlich Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 12.

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Wachstum des Unternehmens über einen längeren Zeitraum entscheidend ist, wohingegen für Anleger in Schuldtitel und derivative Wertpapiere die aktuelle Zahlungsfähigkeit des Emittenten, dh. seine Fähigkeit, seine Verpflichtungen aus den Wertpapieren zu bedienen, ausschlaggebend ist1. 3. Praktische Fragen bei der Darstellung von Risikofaktoren 19

Der Wortlaut des Anhangs IV ProspektVO schreibt keine Reihenfolge bei der Darstellung der Risikofaktoren vor. Dementsprechend ist es nicht erforderlich, dass die Risikofaktoren nach Folgenschwere oder Eintrittswahrscheinlichkeit abgebildet werden. Allerdings wird entsprechend Erwägungsgrund Nr. 20 der Prospektrichtlinie gefordert, dass die Risikofaktoren in leicht analysierbarer und verständlicher Form erstellt werden.

20

Die im Rahmen des Registrierungsformulars typischerweise zu beschreibenden Risikofaktoren umfassen insbesondere diejenigen Risikofaktoren, die sich aus dem Geschäftsmodell bzw. der Geschäftstätigkeit des Emittenten ergeben. Dabei sind in der Regel insbesondere die folgenden Risikofaktoren abzubilden:

21

– Das Kreditrisiko, dh. das Risiko eines Wertverlustes bzw. des teilweisen oder vollständigen Ausfalls einer Forderung, welche durch den Ausfall oder die Bonitätsverschlechterung eines Geschäftspartners verursacht wird.

22

– Das Bonitätsrisiko des Emittenten, dh. das Risiko, dass der Emittent am Ende der Laufzeit seine Verpflichtungen aus den Wertpapieren nicht mehr erfüllen kann.

23

– Marktrisiken, denen ein Emittent unterliegen kann. Unter Marktrisiken sind dabei Risiken zu verstehen, die sich zB aufgrund der Schwankung von Marktpreisen von Finanzinstrumenten ergeben können, etwa aufgrund von Zinsänderungen, Wechselkursrisiken oder auch Credit-SpreadRisiken.

24

– Geschäftsrisiken, die sich aufgrund eines starken Wettbewerbs in dem Marktsegment, in dem der Emittent tätig ist, oder aus einer rückläufigen Nachfrage in die vom Emittenten angebotenen Produkte und Dienstleistungen ergeben können, beispielsweise aufgrund eines allgemeinen konjunkturellen Abschwungs.

25

– Refinanzierungsrisiken, resultierend aus den Finanzierungsgeschäften, die der Emittent in seinem gewöhnlichen Geschäftsablauf eingegangen ist, und die kurzfristig auslaufen und deren Refinanzierung nicht oder nur zu weniger vorteilhaften Bedingungen möglich ist.

1 Vgl. CESR/03-208, CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive, Rz. 56.

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– Operationelle Risiken, wozu beispielsweise Risiken, die durch fehlerhafte Prozesse, menschliche Fehler oder technischem Versagen hervorgerufen werden, gehören.

26

– Risiken im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten und außergerichtlichen Verfahren.

27

– Aussagen dazu, dass der Emittent keinem Einlagensicherungsfonds oder einem ähnlichen Sicherungssystem angeschlossen ist, das im Fall der Insolvenz des Emittenten Forderungen der Anleger aus den Wertpapieren ganz oder teilweise abdecken würde (vgl. dazu im Zusammenhang mit dem Emittentenausfallrisiko Anhang V EU-ProspektVO Rz. 23).

28

Sofern in dem Registrierungsformular mehrere Emittenten oder nach Anhang VI ProspektVO auch Garanten beschrieben werden sollen, ist es empfehlenswert, dass der Abschnitt zu den Risikofaktoren Unterabschnitte für die jeweilige Einheit enthält, in denen die jeweils maßgeblichen Risikofaktoren dargestellt werden.

29

Ergänzend wird auf die Ausführungen zu Ziffer 4 Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 32 ff. verwiesen).

30

VI. Angaben über den Emittenten (Ziffer 5) 5. Angaben über den Emittenten 5.1 Geschäftsgeschichte und Geschäftsentwicklung des Emittenten 5.1.1. Juristischer und kommerzieller Name des Emittenten; 5.1.2. Ort der Registrierung des Emittenten und seine Registrierungsnummer; 5.1.3. Datum der Gründung und Existenzdauer des Emittenten, soweit diese nicht unbefristet ist; 5.1.4. Sitz und Rechtsform des Emittenten; Rechtsordnung, in der er tätig ist; Land der Gründung der Gesellschaft; Anschrift und Telefonnummer seines eingetragenen Sitzes (oder Hauptort der Geschäftstätigkeit, falls nicht mit dem eingetragenen Sitz identisch); 5.1.5. Ereignisse aus jüngster Zeit in der Geschäftstätigkeit des Emittenten, die in erheblichem Maße für die Bewertung der Solvenz des Emittenten relevant sind. 5.2. Investitionen 5.2.1. Beschreibung der wichtigsten Investitionen seit dem Datum der Veröffentlichung des letzten Jahresabschlusses. 5.2.2. Angaben über die wichtigsten künftigen Investitionen des Emittenten, die von seinen Verwaltungsorganen bereits fest beschlossen sind. 5.2.3. Angaben über voraussichtliche Quellen für Finanzierungsmittel, die zur Erfüllung der in 5.2.2 genannten Verpflichtungen erforderlich sind.

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1. Angaben zur Geschäftsgeschichte und Geschäftsentwicklung des Emittenten (Ziffer 5.1) 31

Hinsichtlich der Ziffern 5.1.1 bis 5.1.4 Anhang IV ProspektVO wird auf die Kommentierung zu den Ziffern 5.1.1 bis 5.1.4 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 51 ff.).

32

Ziffer 5.1.5 Anhang IV ProspektVO verlangt die Angabe von Ereignissen aus jüngster Zeit in der Geschäftstätigkeit des Emittenten, die in erheblichem Maße für dessen Solvenz relevant sind. Im Vergleich zu Ziffer 5.1.5 Anhang I ProspektVO, der die Angabe wichtiger Ereignisse in der Entwicklung der Geschäftstätigkeit des Emittenten erfordert, sind die erforderlichen Mindestangaben somit in sachlicher Hinsicht beschränkt. Sofern derartige Ereignisse in einem gemäß § 11 WpPG per Verweis einbezogenen Geschäftsbericht enthalten sind, ist ein wiederholter Abdruck in dem Registrierungsformular nicht erforderlich, wenn die entsprechenden Seiten des Geschäftsberichts von dem Verweis umfasst sind. Als Beispiele können drohende massive Kreditausfälle1, die Übernahme oder Abspaltung eines Unternehmens bzw. Unternehmensteils oder die Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen durch den SoFFin genannt werden. Eine abschließende Aufzählung ist aber nicht möglich und hängt von der individuellen Sicht des jeweiligen Emittenten ab.

33

Aufzunehmen sind nur Ereignisse, die in „erheblichem Maße“ für die Solvenz des Emittenten relevant sind, wobei weder in der ProspektVO noch der Prospektrichtlinie oder dem WpPG definiert ist, was unter einem „erheblichen Maß“ zu verstehen ist. Teilweise wird vertreten, dass es sich insoweit um Ereignisse handeln solle, die von satzungsrechtlicher Relevanz sind2, wobei unklar bleibt, was unter „satzungsrechtlicher Relevanz“ zu verstehen ist. Vorzugswürdig ist es daher, auch in Zusammenhang mit Ziffer 5.1.5 Anhang IV ProspektVO – wie schon im Hinblick auf die Bestimmung der darzustellenden Risiken – darauf abzustellen, ob die Ereignisse geeignet sind, die Fähigkeit des Emittenten zu beeinträchtigen, seinen Verpflichtungen im Rahmen der Wertpapiere gegenüber den Anlegern nachzukommen (vgl. dazu Ziffer 4 Anhang IV EU-ProspektVO oben Rz. 18). Wie sich aus dem Wortlaut von Ziffer 5.1.5 Anhang IV ProspektVO ergibt, sind nicht nur für den Emittenten negative Ereignisse, sondern auch positive Ereignisse aufzunehmen. Zu den unterschiedlichen Wortlauten zwischen Anhang IV ProspektVO und Anhang XI ProspektVO siehe Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 24. Zu beachten ist, dass die englische Fassung von Ziffer 5.1.5 Anhang IV ProspektVO nicht nur auf wichtige Ereignisse „in der Geschäftstätigkeit“ des Emittenten abstellt, sondern dass vielmehr sämtliche Ereignisse in das Registrierungsformular aufzunehmen sind, die sich gegebenenfalls auf die Solvenz des Emittenten any recent events particular to the issu-

1 Glismann in Holzborn, Anh. IV EU-ProspV Rz. 13. 2 So Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 19.

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er which are to a material extent relevant to the evaluation of the issuer’s solvency“). Im Rahmen der Erstellung des Registrierungsformulars sollte daher darauf geachtet werden, dass der Kreis der aufzunehmenden Informationen zu „Ereignissen aus jüngster Zeit“ nicht zu eng, sondern der englischen Fassung der ProspektVO folgend eher weit gefasst wird und entsprechend alle Informationen in das Registrierungsformular aufgenommen werden, die dem Investor eine Beurteilung erlauben, ob der Emittent seinen Zahlungsverpflichtungen aus den Wertpapieren nachkommen kann oder nicht1. 2. Angaben zu Investitionen (Ziffer 5.2) Im Unterschied zu Anhang IX ProspektVO sind in einem nach Anhang IV 34 ProspektVO erstellten Registrierungsformular nach Ziffer 5.2 Anhang IV ProspektVO Angaben zu Investitionen aufzunehmen (siehe dazu auch Anhang I EU-ProspektVO Rz. 58 ff.). Der Grund für die unterschiedlichen Anforderungen an die Offenlegung in den Anhängen IV und IX ProspektVO liegt in den unterschiedlichen Adressatenkreisen der nach dem jeweiligen Anhang erstellten Registrierungsformulare (siehe dazu Anhang IX EU-ProspektVO Rz. 10 sowie allgemein zur Abgrenzung zwischen Anhang IV und Anhang IX ProspektVO oben Rz. 5 f.). Angaben zu Investitionen sind auch nicht nach Anhang XI ProspektVO erforderlich (siehe dazu Anhang XI EUProspektVO Rz. 25 sowie allgemein zur Abgrenzung zwischen Anhang IV und Anhang XI ProspektVO oben Rz. 4).

VII. Geschäftsüberblick (Ziffer 6) 6. Geschäftsüberblick 6.1. Haupttätigkeitsbereiche 6.1.1. Beschreibung der Haupttätigkeiten des Emittenten unter Angabe der wichtigsten Arten der vertriebenen Produkte und/oder erbrachten Dienstleistungen; und 6.1.2. Angabe etwaiger wichtiger neuer Produkte und/oder Dienstleistungen. 6.2. Wichtigste Märkte Kurze Beschreibung der wichtigsten Märkte, auf denen der Emittent tätig ist. 6.3. Grundlage für etwaige Angaben des Emittenten zu seiner Wettbewerbsposition.

1 So auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 18.

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1. Allgemeines 35

Die Aufnahme der von Ziffer 6 Anhang IV ProspektVO geforderten Informationen sollen dazu dienen, die Anleger umfassend über die wesentlichen Tätigkeiten des Emittenten und das Umfeld, in dem dieser tätig ist, zu informieren. Im Wesentlichen kann insoweit auf die Kommentierung zu Ziffer 6 Anhang I ProspektVO verwiesen werden (siehe dazu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 62 ff.), wobei aber der Wortlaut im Rahmen von Anhang IV ProspektVO zum Teil abweicht, um den Besonderheiten von Emittenten von Schuldtiteln Rechnung zu tragen. 2. Haupttätigkeitsbereiche (Ziffer 6.1)

36

Als Haupttätigkeitsbereiche sind gemäß Ziffer 6.1. Anhang IV ProspektVO die wichtigsten Arten der vom Emittenten vertriebenen Produkte bzw. der von ihm erbrachten Dienstleistungen zu nennen. Dabei ist nicht erforderlich, dass alle Geschäftsaktivitäten in sämtlichen Ländern, in denen der Emittent tätig ist, angegeben werden. Es kann aber je nach Emittent erforderlich sein, dass spezielle Geschäftsfelder ausführlicher dargestellt werden. Im Fall von Emissionsvehikeln, die mit der Begebung von Wertpapieren betraut sind, genügt grundsätzlich ein Hinweis, dass der Geschäftszweck des Emissionsvehikels die Emission von Wertpapieren ist, sofern keine weiteren Dienstleistungen von dem Emissionsvehikel angeboten werden. Im Gegensatz zu Ziffer 6.1.1 Anhang I ProspektVO enthält Ziffer 6.1.1 Anhang IV ProspektVO keine Vorgabe in Bezug auf den durch die Darstellung der Haupttätigkeitsbereiche abzudeckenden Zeitraum. Abzustellen ist daher für die Beschreibung der Haupttätigkeitsbereiche auf das Datum des Registrierungsformulars.

37

Explizit aufzuführen sind insbesondere etwaige neue Produkte bzw. Dienstleistungen. Hierdurch soll für die Anleger transparent sein, in welchen Bereichen der Emittent über Erfahrungen verfügt und ob der Emittent in Bereichen tätig wird, in denen ihm keine Erfahrungswerte zur Verfügung stehen. 3. Wichtigste Märkte (Ziffer 6.2)

38

Die Beschreibung der wichtigsten Märkte entsprechend Ziffer 6.2 Anhang IV ProspektVO, auf denen der Emittent seine Produkte bzw. Dienstleistungen anbietet, erfasst zum einen den regionalen Aspekt, also zB bezogen auf einzelne Bundesländer, Deutschland, Europa usw., zum anderen aber auch produktbezogene Aspekte, wie zB das Staatsfinanzierungsgeschäft im Fall einer Pfandbriefbank oder das Leasinggeschäft im Fall einer Autovermietungsgesellschaft. Im Gegensatz zu Anhang I ProspektVO ist eine Aufschlüsselung der Gesamtumsätze nicht erforderlich.

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4. Angaben zur Wettbewerbsposition (Ziffer 6.3) Der Emittent kann Angaben zu seiner Wettbewerbsposition in das Regis- 39 trierungsformular aufnehmen. Wie sich aus dem Wortlaut von Ziffer 6.3 Anhang IV ProspektVO ergibt, sind Angaben zur Wettbewerbsposition nicht zwingend. Wenn aber entsprechende Angaben erfolgen, dann müssen die Grundlagen genannt werden. In der Praxis wird daher auf entsprechende Angaben regelmäßig verzichtet. Sofern Angaben zur Wettbewerbsposition dennoch erfolgen, ist die Quelle der aufgenommenen Informationen zu nennen oder eine Begründung dafür anzugeben (siehe näher Anhang I EU-ProspektVO Rz. 70). Aussagen mit werblichem Charakter (zB „Wir sind Marktführer in Deutschland“) sind durch ein entsprechendes Zahlenwerk zu bestätigen1.

VIII. Organisationsstruktur (Ziffer 7) 7. Organisationsstruktur 7.1. Ist der Emittent Teil einer Gruppe, kurze Beschreibung des Konzerns und der Stellung des Emittenten innerhalb der Gruppe. 7.2. Ist der Emittent von anderen Einheiten innerhalb der Gruppe abhängig, ist dies klar anzugeben und eine Erläuterung zu seiner Abhängigkeit abzugeben. 1. Gruppendarstellung (Ziffer 7.1) Hinsichtlich Ziffer 7.1 Anhang IV ProspektVO wird auf die Kommentierung 40 zu Ziffer 7.1 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 74 ff.). 2. Abhängigkeit (Ziffer 7.2) Im Gegensatz zu Ziffer 7.2 Anhang I ProspektVO muss ein Registrierungsformular nach Ziffer 7.2 Anhang IV ProspektVO Angaben darüber enthalten, wenn ein Emittent von anderen Einheiten innerhalb der Gruppe abhängig ist. Dafür werden die Angaben zu den Tochtergesellschaften (vgl. Ziffer 7.2 Anhang I ProspektVO) nicht gefordert.

41

Die Aufnahme von Informationen über bestehende Abhängigkeiten des 42 Emittenten von anderen Einheiten der Gruppe dient dazu, den Anleger darüber zu informieren, wer gegebenenfalls Einfluss auf den Emittenten nehmen kann und in welchem Umfang eine Einflussnahme möglich ist. Darzustellen sind insbesondere Abhängigkeiten innerhalb der Konzernstruktur, dh. die Stellung des Emittenten als eines von mehreren abhängigen Unter-

1 Vgl. auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 23.

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nehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens. Darüber hinaus sind auch Abhängigkeiten auf vertraglicher Grundlage, dh. aufgrund von Beherrschungsverträgen (vgl. §§ 308 ff. AktG), sowie Abhängigkeiten aufgrund faktischer Konzerne (vgl. § 17 AktG) darzustellen. Zu Besonderheiten bei Kreditinstituten und deren Zugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung siehe Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 30.

IX. Trendinformationen (Ziffer 8) 8. Trendinformationen 8.1. Einzufügen ist eine Erklärung, der zufolge es keine wesentlichen nachteiligen Veränderungen in den Aussichten des Emittenten seit dem Datum der Veröffentlichung der letzten geprüften Jahresabschlüsse gegeben hat. Kann der Emittent keine derartige Erklärung abgeben, dann sind Einzelheiten über diese wesentlichen nachteiligen Änderungen beizubringen. 8.2. Informationen über bekannte Trends, Unsicherheiten, Nachfrage, Verpflichtungen oder Vorfälle, die voraussichtlich die Aussichten des Emittenten zumindest im laufenden Geschäftsjahr wesentlich beeinflussen dürften. 1. Negativerklärung zu Trendinformationen (Ziffer 8.1 Satz 1) 43

Gemäß Ziffer 8.1 Satz 1 Anhang IV ProspektVO ist in den Prospekt eine Erklärung aufzunehmen, wonach es keine wesentlichen nachteiligen Veränderungen in den Aussichten des Emittenten seit dem Datum der Veröffentlichung des letzten geprüften Jahresabschlusses gegeben hat. Sofern eine solche Negativerklärung nicht abgegeben werden kann, sind nach Ziffer 8.1 Satz 2 Anhang IV ProspektVO Einzelheiten über diese wesentlichen nachteiligen Änderungen beizubringen (siehe dazu unten Rz. 49).

44

Nicht zu verwechseln ist die Negativerklärung zu Trendinformationen mit der Negativerklärung nach Ziffer 13.7 Anhang IV ProspektVO. Im Gegensatz zu der Negativerklärung nach Ziffer 13.7 Anhang IV ProspektVO ist die Erklärung nach Ziffer 8.1 Anhang IV ProspektVO in die Zukunft gerichtet und erfasst nur Veränderungen in den Aussichten, nicht aber bereits eingetretene Veränderungen in der Finanzlage des Emittenten, die unter Ziffer 13.7 Anhang IV ProspektVO fallen (siehe auch zu Ziffer 13.7 Anhang IV ProspektVO unten Rz. 65).

45

Die Formulierung hinsichtlich des von der Negativerklärung abgedeckten Zeitraums weicht in der deutschen Fassung der ProspektVO („seit dem Datum der Veröffentlichung der letzten geprüften Jahresabschlüsse“) von dem Wortlaut der englischen Fassung der ProspektVO („since the date of its last published audited financial statements“) ab. Sinn macht alleine die englische Fassung, da es darum geht, die Negativerklärung auf den Zeitraum zu

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erstrecken, der nicht von den geprüften Finanzinformationen abgedeckt wird. Nur bei einer derartigen Auslegung ist gewährleistet, dass Anleger über alle wesentlichen nachteiligen Veränderungen in den Aussichten des Emittenten bis zum Datum des Registrierungsformulars informiert werden. Bei der deutschen Fassung handelt es sich mithin um einen Übersetzungsfehler und es ist somit nicht auf das Datum der Veröffentlichung der Finanzinformationen, sondern auf das Enddatum des Zeitraums abzustellen, für den die zuletzt geprüften Finanzinformationen vorliegen. Nach dem Wortlaut der Ziffer 8.1 Anhang IV ProspektVO kommt es auf den 46 letzten geprüften Jahresabschluss an. Es handelt sich dabei um einen weiteren Übersetzungsfehler in der deutschen Fassung der ProspektVO. In der englischen Fassung von Ziffer 8.1 Anhang IV ProspektVO wird nämlich nicht auf den Jahresabschluss, sondern lediglich auf die letzten veröffentlichten geprüften Finanzangaben abgestellt („since the date of its last published audited financial statements“). Dies macht auch Sinn, da eine Erstreckung der Negativerklärung auf Zeiträume, für die bereits geprüfte Finanzinformationen vorliegen, unnötig wäre. Der Wortlaut der Negativerklärung hat sich an dem Wortlaut von Ziffer 8.1 47 Anhang IV ProspektVO zu orientieren. Da die Erklärung nur abgegeben werden darf, wenn keine wesentlichen negativen Veränderungen in den Aussichten des Emittenten bestehen, ist eine Modifzierung oder Qualifizierung der Negativerklärung nur sehr begrenzt möglich. So wird es von der BaFin regelmäßig nicht akzeptiert, wenn eine Einschränkung durch Verweis auf die im Registrierungsformular insgesamt dargestellten negativen Veränderungen in den Aussichten des Emittenten erfolgt oder wenn die Negativerklärung vorbehaltlich der Informationen in einem Zwischenbericht abgegeben wird, ohne die genauen Informationen in dem Zwischenbericht näher zu spezifizieren. Möglich ist es aber, besondere Umstände zur Negativerklärung noch in dem gleichen Absatz anzugeben oder auf einzelne genau bezeichnete Stellen in dem Registrierungsformular oder in durch Verweis einbezogenen Dokumenten zu verweisen. Ein entsprechender Text könnte beispielsweise wie folgt lauten: „Vorbehaltlich der im nachfolgenden Absatz angegebenen Stellen, sind seit dem Stichtag der Veröffentlichung des letzten geprüften Jahresabschlusses (31. Dezember 2009) keine wesentlichen Veränderungen in den Geschäftsaussichten (Trendinformationen) des Emittenten eingetreten, welche die Fähigkeit des Emittenten zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten aus den Wertpapieren gefährden können.“ Maßgabe für die Formulierung eine Qualifzierung der Negativerklärung ist es, dass eine umfassende und konkrete Information der Anleger erreicht und gleichzeitig verhindert werden soll, dass Anleger den gesamten Prospekt nach entsprechenden Angaben durchsuchen müssen. Entsprechend Ziffer 8.1 Satz 1 Anhang IV ProspektVO bezieht sich die Negativerklärung darauf, dass es keine wesentlichen nachteiligen Veränderungen in den Aussichten des Emittenten seit dem letzten geprüften Jahres-

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abschluss gegeben hat. Zum Begriff der Wesentlichkeit in Rahmen des Anhang IV ProspektVO siehe bereits oben Rz. 18). 2. Einzelheiten über die wesentlichen nachteiligen Änderungen (Ziffer 8.1 Satz 2) 49

Sofern eine Negativerklärung nach Ziffer 8.1 Satz 1 ProspektVO nicht abgegeben werden kann, muss ein Emittent nach Ziffer 8.1 Satz 2 ProspektVO Einzelheiten über die wesentlichen nachteiligen Änderungen in das Registrierungsformular aufnehmen. Darzustellen sind ausschließlich negative Veränderungen in den Aussichten des Emittenten, positive Veränderungen in den Aussichten des Emittenten sind im Rahmen der Ziffer 8.1 Satz 2 Anhang IV ProspektVO aufgrund des eindeutigen Wortlauts nicht zu berücksichtigen1. In Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise hat die BaFin es auch akzeptiert, wenn im Fall von Kreditinstituten unter Hinweis auf die an den Märkten bestehenden Unsicherheiten darauf verwiesen wird, dass die Vorhersage der weiteren Entwicklung nicht möglich ist, solange in diesem Zusammenhang auf die Faktoren verwiesen wird, die zu dieser Unsicherheit beitragen. Aus Sicht des Anlegers ist daraus erkennbar, dass aufgrund der ungewissen Zukunftsaussichten ein erhebliches Risiko bei der Investition in entsprechende Wertpapiere besteht. 3. Informationen über bekannte Trends etc. (Ziffer 8.2)

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Nach Ziffer 8.2 Anhang IV ProspektVO sind in ein Registrierungsformular Informationen über bekannte Trends, Unsicherheiten, Nachfragen, Verpflichtungen oder Vorfälle, die voraussichtlich die Aussichten des Emittenten zumindest im laufenden Geschäftsjahr wesentlich beeinflussen dürften, aufzunehmen.

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Im Gegensatz zu Ziffer 8.1 Anhang IV ProspektVO sieht Ziffer 8.2 Anhang IV ProspektVO keine Einschränkung auf negative Entwicklungen vor. Das eröffnet Emittenten die Möglichkeit, an dieser Stelle auch die Trends, Unsicherheiten, Nachfragen, Verpflichtungen oder Vorfälle aufzunehmen, die positive Veränderungen in den Aussichten des Emittenten zur Folge haben. Voraussetzung ist jedoch auch hierfür, dass diese die Aussichten des Emittenten im laufenden Geschäftsjahr wesentlich beeinflussen dürften (zum Wesentlichkeitsmaßstab siehe oben Rz. 18). Falls positive Veränderungen in den Aussichten des Emittenten im Registrierungsformular aufge1 Siehe dazu Glismann in Holzborn, Anh. IV EU-ProspV Rz. 17; CESR/03-129, CESR Prospectus Consultation – Feedback Statement, Rz. 10 ff.; vgl. zur abweichenden früheren Regelung, in der eine Beschränkung auf negative Tendenzen nicht vorgesehen gewesen war, Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.5.2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1, Anhang I Schema A Kapitel 7.

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nommen werden, ist jedoch sicherzustellen, dass die Grenze zu einer Gewinnprognose iS der Ziffer 9 Anhang IV ProspektVO (zum Begriff der Gewinnprognose siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 116) und Art. 2 Nr. 10 ProspektVO nicht überschritten wird1. Ob die Grenze überschritten wird, ist eine Einzelfallentscheidung und hängt von den Umständen des betroffenen Emittenten ab2. Während eine Negativerklärung iS der Ziffer 8.1 Satz 1 Anhang IV Prospekt- 52 VO bzw. Einzelheiten über wesentliche negative Änderungen iS der Ziffer 8.1 Satz 2 Anhang IV ProspektVO in jedem Fall in das Registrierungsformular aufzunehmen sind, sind Angaben zu Informationen nach Ziffer 8.2 Anhang IV ProspektVO nicht zwingend, insbesondere ist keine Negativerklärung erforderlich, falls keine Trends oder ähnliche Umstände vorliegen3. Insoweit unterscheidet sich Ziffer 8.2 Anhang IV ProspektVO von Ziffer 12.2 Anhang I ProspektVO bzw. § 11 VerkProspVO aF bzw. § 29 BörsZulVO aF4, wonach die Aufnahme solcher Informationen zwingend vorgeschrieben ist bzw. war5.

X. Gewinnprognosen oder Schätzungen (Ziffer 9) 9.

Gewinnprognosen oder Schätzungen Entscheidet sich ein Emittent dazu, eine Gewinnprognose oder eine Gewinnschätzung aufzunehmen, dann hat das Registrierungsformular die nachfolgend genannten Angaben der Punkte 9.1. und 9.2. zu enthalten: 9.1. Eine Erklärung, die die wichtigsten Annahmen erläutert, auf die der Emittent seine Prognose oder Schätzung gestützt hat. Bei den Annahmen sollte klar zwischen jenen unterschieden werden, die Faktoren betreffen, die die Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane beeinflussen können, und Annahmen in Bezug auf Faktoren, die ausschließlich außerhalb des Einflussbereiches der Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Auf-

1 Für eine solche Einschränkung Glismann in Holzborn, Anh. IV EU-ProspV Rz. 17. 2 Zur Problematik der Abgrenzung zwischen Gewinnprognosen und Trendinformationen siehe auch CESR/05-054b, CESR’s recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses no. 809/2004, Januar 2005, Rz. 49. 3 So auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 30. 4 Dazu auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 30; zur alten Rechtslage unter der VerkProspVO bzw. der BörsZulV siehe Heidelbach in Schwark, § 11 VerkProspV Rz. 1 bzw. Heidelbach in Schwark, § 29 BörsZulV Rz. 1. 5 Zur Behandlung von Trends und zukunftsgerichteten Aussagen im Rahmen der „Management Discussion & Analysis of Financial Condition and Results of Operation (MDRA) im US-Recht siehe Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 297 ff.

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sichtsorgane liegen. Die Annahmen müssen für die Anleger leicht verständlich und spezifisch sowie präzise sein und dürfen nicht der üblichen Exaktheit der Schätzungen entsprechen, die der Prognose zu Grunde liegen. 9.2. Einen Bericht, der von unabhängigen Buchprüfern oder Abschlussprüfern erstellt wurde und in dem festgestellt wird, dass die Prognose oder die Schätzung nach Meinung der unabhängigen Buchprüfer oder Abschlussprüfer auf der angegebenen Grundlage ordnungsgemäß erstellt wurde und dass die Rechnungslegungsgrundlage, die für die Gewinnprognose oder -schätzung verwendet wurde, mit den Rechnungslegungsstrategien des Emittenten konsistent ist. 9.3. Die Gewinnprognose oder -schätzung muss auf einer Grundlage erstellt werden, die mit den historischen Finanzinformationen vergleichbar ist. 53

Nach Ziffer 9 Anhang IV ProspektVO können in ein Registrierungsformular auf freiwilliger Basis Gewinnprognosen und Gewinnschätzungen aufgenommen werden (siehe dazu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 116 ff.).

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Die Bedeutung dieser Vorschrift in der Praxis ist bei Emittenten von Schuldtiteln und derivativen Wertpapieren gering, da es aus Sicht des Anlegers darauf ankommt, dass die Kapitalzahlungen unter den Wertpapieren erfolgen und weniger darauf, wie sich die Gewinnsituation des Emittenten als Schuldner der Schuldverschreibungen künftig verändert. Deshalb haben Emittenten regelmäßig kein Interesse daran, entsprechende Informationen auf freiwilliger Basis aufzunehmen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn Prognosen außerhalb des Prospekts vom Emittenten, zB im Rahmen von Presseberichten oder Roadshows, abgegeben werden1. Hintergrund dafür ist, dass eine solche Gewinnprognose oder Gewinnschätzung als wesentliche Information (siehe dazu auch § 15 WpPG Rz. 30) betrachtet werden kann und dementsprechend gegebenenfalls in das Registrierungsformular aufzunehmen ist2.

1 Vgl. dazu Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668 (1672); CESR/05-054b, CESR’s recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses no. 809/2004, Januar 2005, Rz. 43 ff.; vgl. dazu auch Wieneke, NZG 2005, 109 (113). 2 Apfelbacher/Metzner, BKR 2008, 81 (89); kritisch insoweit Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (504), wonach die Aufnahme einer Prognose im Prospekt trotz früherer Veröffentlichung der Prognose nicht erforderlich ist, wenn seit der Veröffentlichung der Prognose keine wesentlichen Umstände eingetreten sind, welche die Prognose in Frage stellen bzw. wenn Umstände eingetreten sind, welche die Prognose bestätigen. Siehe dazu auch CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 20, wonach die Veröffentlichung einer Gewinnprognose vor dem Angebotsschluss im Fall von Aktienemissionen regelmäßig einen Nachtrag erforderlich macht, wohingegen im Fall von Nichtdividendenwerten ein Nachtrag in einem solchen Fall nicht notwendigerweise erforderlich ist.

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XI. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane (Ziffer 10) 10. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane 10.1. Namen und Geschäftsadressen nachstehender Personen sowie ihre Stellung bei dem Emittenten unter Angabe der wichtigsten Tätigkeiten, die sie außerhalb des Emittenten ausüben, sofern diese für den Emittenten von Bedeutung sind: a) Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane; b) persönlich haftende Gesellschafter bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien. 10.2. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane sowie oberes Management/Interessenkonflikte Potenzielle Interessenkonflikte zwischen den Verpflichtungen gegenüber dem Emittenten von Seiten der in Punkt 10.1 genannten Personen sowie ihren privaten Interessen oder sonstigen Verpflichtungen müssen klar festgehalten werden. Falls keine derartigen Konflikte bestehen, ist eine dementsprechende Erklärung abzugeben. Nach Ziffer 10.1 Anhang IV ProspektVO müssen in einem Registrierungs- 55 formular Angaben zu den Mitgliedern der Verwaltungs-, Geschäftsführungsund Aufsichtsorgane sowie zu den persönlich haftenden Gesellschaftern bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien aufgenommen werden. Anzugeben sind der Namen und die Geschäftsadresse sowie die wichtigsten Tätigkeiten dieser Personen, die sie außerhalb des Emittenten ausüben, sofern diese für den Emittenten von Bedeutung sind. Sofern neben der Geschäftsführung (zB bei einer GmbH) keine Verwaltungs- oder Aufsichtsorgane bestehen, kann eine entsprechende Klarstellung in das Registrierungsformular aufgenommen werden. Nach Ziffer 10.2 Anhang IV ProspektVO sind potentielle Interessenkonflikte der Entscheidungsträger des Emittenten offen zu legen, die aus ihren Verpflichtungen gegenüber dem Emittenten und ihren privaten Interessen bzw. sonstigen Verpflichtungen entstehen. Sofern keine potentiellen Interessenkonflikte der Entscheidungsträger bestehen, muss in das Registrierungsformular eine entsprechende Erklärung aufgenommen werden.

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Hinsichtlich Ziffer 10 Anhang IV ProspektVO wird im Übrigen auf die Kommentierung zu Ziffer 14 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 121 ff.).

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XII. Praktiken der Geschäftsführung (Ziffer 11) 11. Praktiken der Geschäftsführung 11.1. Detaillierte Angaben zum Audit-Ausschuss des Emittenten, einschließlich der Namen der Ausschussmitglieder und einer Zusammenfassung des Aufgabenbereichs für die Arbeit des Ausschusses. 11.2. Erklärung, ob der Emittent der Corporate-Governance-Regelung (falls vorhanden) im Land der Gründung der Gesellschaft genügt. Sollte der Emittent einer solchen Regelung nicht folgen, ist eine dementsprechende Erklärung zusammen mit einer Erläuterung aufzunehmen, aus der hervorgeht, warum der Emittent dieser Regelung nicht Folge leistet. 58

Hinsichtlich Ziffer 11.1 und Ziffer 11.2 Anhang IV ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 16.3 und Ziffer 16.4 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 136 ff.).

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Die Pflicht, eine Erklärung zum Corporate-Governance-Kodex gemäß § 161 AktG abzugeben, welche in dem Registrierungsformular abzudrucken ist, besteht lediglich für börsennotierte Aktiengesellschaften bzw. für Aktiengesellschaften, die ausschließlich andere Wertpapiere als Aktien zum Handel an einem organisierten Markt iS des § 2 Abs. 5 WpHG ausgegeben haben und deren ausgegebene Aktien auf eigene Veranlassung über ein multilaterales Handelssystem iS des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG gehandelt werden. Im Falle von Emittenten, welche nicht in den Anwendungsbereich des § 161 AktG fallen, und die sich nicht auf freiwilliger Basis den CorporateGovernance-Regelungen unterworfen haben, ist die Erklärung aufzunehmen, dass der Emittent die Corporate-Governance-Regelungen nicht einhält, da die Voraussetzungen des § 161 AktG nicht erfüllt sind1.

XIII. Hauptaktionäre (Ziffer 12) 12. Hauptaktionäre 12.1. Sofern dem Emittenten bekannt, Angabe, ob an dem Emittenten unmittelbare oder mittelbare Beteiligungen oder Beherrschungsverhältnisse bestehen, und wer diese Beteiligungen hält bzw. diese Beherrschung ausübt. Beschreibung der Art und Weise einer derartigen Kontrolle und der vorhandenen Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs einer derartigen Kontrolle. 12.2. Sofern dem Emittenten bekannt, Beschreibung etwaiger Vereinbarungen, deren Ausübung zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Veränderung bei der Kontrolle des Emittenten führen könnte. 60

Hinsichtlich Ziffer 12.1 und Ziffer 12.2 Anhang IV ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 18.3 und Ziffer 18.4 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 152 ff.). 1 Siehe dazu auch Glismann in Holzborn, Anh. IV EU-ProspV Rz. 20.

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XIV. Finanzinformationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten (Ziffer 13) 13. 13.1.

Finanzinformationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten Historische Finanzinformationen Beizubringen sind geprüfte historische Finanzinformationen, die die letzten zwei Geschäftsjahre abdecken (bzw. einen entsprechenden kürzeren Zeitraum, während dessen der Emittent tätig war), sowie ein Bestätigungsvermerk für jedes Geschäftsjahr. Hat der Emittent in der Zeit, für die historische Finanzinformationen beizubringen sind, seinen Bilanzstichtag geändert, so decken die geprüften historischen Finanzinformationen mindestens 24 Monate oder – sollte der Emittent seiner Geschäftstätigkeit noch keine 24 Monate nachgegangen sein – den gesamten Zeitraum seiner Geschäftstätigkeit ab. Derartige Finanzinformationen sind gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 zu erstellen bzw. für den Fall, dass diese Verordnung nicht anwendbar ist, gemäß den nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Mitgliedstaats, wenn der Emittent aus der Gemeinschaft stammt. Bei Emittenten aus Drittstaaten sind diese Finanzinformationen nach den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards oder nach diesen Standards gleichwertigen nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Drittstaates zu erstellen. Ist keine Äquivalenz zu den Standards gegeben, so sind die Finanzinformationen in Form eines neu zu erstellenden Jahresabschlusses vorzulegen. Die historischen Finanzinformationen müssen für das jüngste Geschäftsjahr in einer Form dargestellt und erstellt werden, die mit der konsistent ist, die im folgenden Jahbschluss des Emittenten zur Anwendung gelangen wird, wobei die Rechnungslegungsstandards und -strategien sowie die Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind, die auf derlei Jahresabschlüsse Anwendung finden. Ist der Emittent in seiner aktuellen Wirtschaftsbranche weniger als ein Jahr tätig, so sind die geprüften historischen Finanzinformationen für diesen Zeitraum gemäß den Standards zu erstellen, die auf Jahresabschlüsse im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 anwendbar sind bzw. für den Fall, dass diese Verordnung nicht anwendbar ist, gemäß den nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Mitgliedstaats, wenn der Emittent aus der Gemeinschaft stammt. Bei Emittenten aus Drittstaaten sind diese historischen Finanzinformationen nach den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards oder nach diesen Standards gleichwertigen nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Drittstaates zu erstellen. Diese historischen Finanzinformationen müssen geprüft worden sein.

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13.2.

13.3. 13.3.1.

13.3.2. 13.3.3.

13.4. 13.4.1. 13.5. 13.5.1.

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Wurden die geprüften Finanzinformationen gemäß nationaler Rechnungslegungsgrundsätze erstellt, dann müssen die unter dieser Rubrik geforderten Finanzinformationen zumindest Folgendes enthalten: a) die Bilanz; b) die Gewinn- und Verlustrechnung; c) eine Kapitalflussrechnung; und d) Rechnungslegungsstrategien und erläuternde Anmerkungen. Die historischen jährlichen Finanzinformationen müssen unabhängig und in Übereinstimmung mit den in dem jeweiligen Mitgliedstaat anwendbaren Prüfungsstandards oder einem äquivalenten Standard geprüft worden sein oder es muss für das Registrierungsformular vermerkt werden, ob sie in Übereinstimmung mit den in dem jeweiligen Mitgliedstaat anwendbaren Prüfungsstandards oder einem äquivalenten Standard ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln. Jahresabschluss Erstellt der Emittent sowohl einen Jahresabschluss als auch einen konsolidierten Abschluss, so ist zumindest der konsolidierte Abschluss in das Registrierungsformular aufzunehmen. Prüfung der historischen jährlichen Finanzinformationen Es ist eine Erklärung dahingehend abzugeben, dass die historischen Finanzinformationen geprüft wurden. Sofern Bestätigungsvermerke über die historischen Finanzinformationen von den Abschlussprüfern abgelehnt wurden bzw. sofern sie Vorbehalte oder enthalten oder eingeschränkt erteilt wurden, sind diese Ablehnung bzw. diese Vorbehalte oder eingeschränkte Erteilung in vollem Umfang wiederzugeben und die Gründe dafür anzugeben. Angabe sonstiger Informationen im Registrierungsformular, das von den Abschlussprüfern geprüft wurde. Wurden die Finanzdaten im Registrierungsformular nicht dem geprüften Jahresabschluss des Emittenten entnommen, so sind die Quelle dieser Daten und die Tatsache anzugeben, dass die Daten ungeprüft sind. „Alter“ der jüngsten Finanzinformationen Die geprüften Finanzinformationen dürfen nicht älter sein als 18 Monate ab dem Datum des Registrierungsformulars. Zwischenfinanzinformationen und sonstige Finanzinformationen Hat der Emittent seit dem Datum des letzten geprüften Jahresabschlusses vierteljährliche oder halbjährliche Finanzinformationen veröffentlicht, so sind diese in das Registrierungsformular aufzunehmen. Wurden diese vierteljährlichen oder halbjährlichen Finanzin-

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formationen einer prüferischen Durchsicht oder Prüfung unterzogen, so sind die entsprechenden Berichte ebenfalls aufzunehmen. Wurden die vierteljährlichen oder halbjährlichen Finanzinformationen keiner prüferischen Durchsicht oder Prüfung unterzogen, so ist diese Tatsache anzugeben. 13.5.2. Wurde das Registrierungsformular mehr als neun Monate nach Ablauf des letzten geprüften Finanzjahres erstellt, muss es Zwischenfinanzinformationen enthalten, die sich zumindest auf die ersten sechs Monate des Geschäftsjahres beziehen sollten. Wurden die Zwischenfinanzinformationen keiner Prüfung unterzogen, ist auf diesen Fall eindeutig zu verweisen. Diese Zwischenfinanzinformationen müssen einen vergleichenden Überblick über denselben Zeitraum wie im letzten Geschäftsjahr enthalten. Der Anforderung vergleichbarer Bilanzinformationen kann jedoch auch durch die Vorlage der Jahresendbilanz nachgekommen werden. 13.6. Gerichts- und Schiedsgerichtverfahren Angaben über etwaige staatliche Interventionen, Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren (einschließlich derjenigen Verfahren, die nach Kenntnis des Emittenten noch anhängig sind oder eingeleitet werden könnten), die im Zeitraum der mindestens 12 letzten Monate bestanden/abgeschlossen wurden, und die sich erheblich auf die Finanzlage oder die Rentabilität des Emittenten und/oder der Gruppe auswirken bzw. in jüngster Zeit ausgewirkt haben. Ansonsten ist eine negative Erklärung abzugeben. 13.7. Wesentliche Veränderungen in der Finanzlage oder der Handelsposition des Emittenten Beschreibung jeder wesentlichen Veränderung in der Finanzlage oder der Handelsposition der Gruppe, die seit dem Ende des letzten Geschäftsjahres eingetreten ist, für das entweder geprüfte Finanzinformationen oder Zwischenfinanzinformationen veröffentlicht wurden. Ansonsten ist eine negative Erklärung abzugeben. Hinsichtlich Ziffer 13 Anhang IV ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 20 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 167 ff.).

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Gegenüber Anhang I ProspektVO bestehen folgende Besonderheiten:

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– Nach Ziffer 13.1 Anhang IV ProspektVO muss ein Emittent von Schuld- 63 titeln und derivativen Wertpapieren im Registrierungsformular historische Finanzinformationen für die letzten zwei Geschäftsjahre darstellen, während Emittenten von Aktien die historische Finanzinformationen für die letzten drei Geschäftsjahre in das Registrierungsformular aufnehmen müssen. Dieser Unterschied in den Mindestanforderungen beruht auf der unterschiedlichen Interessenlage von Aktienanlegern und Anlegern in

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aktienähnliche Wertpapiere einerseits und Anlegern in Schuldtiteln und derivativen Wertpapieren andererseits. Ausschlaggebend für die Investitionsentscheidung von Aktienanlegern ist die Entwicklung des Werts und das Wachstum des Unternehmens über einen längeren Zeitraum, für Anleger in Schuldtitel und derivative Wertpapiere ist dagegen die aktuelle Zahlungsfähigkeit des Emittenten, dh. seine Fähigkeit, seine Verpflichtungen aus den Wertpapieren zu bedienen, ausschlaggebend1. Hat ein Emittent seinen Bilanzstichtag in dem Zeitraum, für den historische Finanzinformationen in den Prospekt aufzunehmen sind, geändert, so müssen nach Satz 2 von Ziffer 13.1 Anhang IV ProspektVO, der durch Art. 1 Nr. 4 der Verordnung 211/2007/EG v. 27.2.20072 eingefügt worden ist, die geprüften historischen Finanzinformationen einen Zeitraum von mindestens 24 Monaten abdecken bzw. den gesamten Zeitraum der Geschäftstätigkeit des Emittenten, falls der Emittent seiner Geschäftstätigkeit noch keine 24 Monate nachgegangen ist (siehe dazu auch Anhang I EUProspektVO Rz. 175). 64

– Für den Fall, dass der Emittent auch einen konsolidierten Abschluss erstellt, ist nach Ziffer 13.2 Anhang IV ProspektVO zumindest der Konzernabschluss in das Registrierungsformular aufzunehmen. Aus der Formulierung von Ziffer 13.2 Anhang IV ProspektVO kann eigentlich geschlossen werden, dass neben dem Konzernabschluss die Aufnahme des Einzelabschlusses nicht zwingend erforderlich ist. Die BaFin verlangt aber für das letzte Geschäftsjahr auch den Einzelabschluss3. Nur unter besonderen Voraussetzungen verzichtet die BaFin auf die Aufnahme des Einzelabschlusses (siehe dazu Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 37).

65

– Nach Ziffer 13.7 Anhang IV ProspektVO muss das Registrierungsformular eine Beschreibung der wesentlichen Veränderungen in der Finanzlage der Gruppe enthalten, die seit dem Ende des letzten Geschäftsjahres eingetreten sind, für den entweder geprüfte Finanzinformationen oder Zwischenfinanzinformationen veröffentlicht wurden. Im Gegensatz zu der Aussage zu Trendinformationen (siehe oben zu Ziffer 8.1 Anhang IV EUProspektVO Rz. 16) kommt es hier nicht zwingend auf einen geprüften Abschluss an, sondern es genügen auch (ungeprüfte) Zwischenfinanzinformationen. Unter dem Begriff „Stichtag“ ist das Datum der Finanzinformationen bzw. der Zwischenfinanzinformationen zu verstehen, nicht de-

1 CESR/03-208, CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive, Rz. 56. 2 Verordnung (EG) Nr. 211/2007 der Kommission v. 27.2.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Finanzinformationen, die bei Emittenten mit komplexer finanztechnischer Vorgeschichte oder bedeutenden Verpflichtungen im Prospekt enthalten sein müssen, ABl. EU Nr. L 61 v. 28.2.2007, S. 24. 3 Kritisch zu der BaFin-Verwaltungspraxis im Fall von Nichtdividendenwerten Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 44.

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ren Veröffentlichung (siehe oben zu Ziffer 8.1 Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 45)1. Sofern solche wesentlichen Veränderungen nicht eingetreten sind, muss eine Negativerklärung in das Registrierungsformular aufgenommen werden. Zum Wesentlichkeitskriterium siehe oben Rz. 18 bzw. Rz. 33 sowie in § 16 WpPG Rz. 34. – Im Gegensatz zu Ziffer 20.1 Unterabs. 4 lit. c Anhang I ProspektVO ist nach Anhang IV ProspektVO die Aufnahme einer Übersicht zu Veränderungen im Eigenkapital (siehe dazu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 207) nicht erforderlich.

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– Abweichend von Ziffer 20.2 Anhang I ProspektVO sind im Rahmen der Ziffer 13 Anhang IV ProspektVO keine Angaben zu Pro-forma-Finanzinformationen gefordert (siehe dazu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 215 ff. sowie allgemein zu Pro-forma-Finanzinformationen Anhang II EU-ProspektVO Rz. 1 ff.). Da auch bei der Emission von Schuldtiteln und derivativen Wertpapieren in gewissen Situationen ein Bedürfnis nach der Darstellung von „kombinierten Finanzinformationen“ (combined financial statements) besteht (vgl. zu kombinierten Abschlüssen auch Anhang I EU-ProspektVO Rz. 272), zB im Fall einer Umstrukturierung innerhalb eines Konzerns2, verlangt die BaFin, dass die Bezeichnung „Pro forma“, welche gemäß Art. 5 ProspektVO für nach dem in Anhang II ProspektVO festgelegten Modul reserviert ist, vermieden wird.

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XV. Zusätzliche Angaben (Ziffer 14) 14. Zusätzliche Angaben 14.1. Aktienkapital 14.1.1. Anzugeben sind der Betrag des ausgegebenen Kapitals, die Zahl und Kategorien der Aktien, aus denen es sich zusammensetzt, einschließlich deren Hauptmerkmale; der Teil des ausgegebenen, aber noch nicht eingezahlten Kapitals mit Angabe der Zahl oder des Gesamtnennwerts und der Art der noch nicht voll eingezahlten Aktien, eventuell aufgegliedert nach der Höhe, bis zu der sie bereits eingezahlt wurden. 14.2. Satzung und Statuten der Gesellschaft 14.2.1. Anzugeben sind das Register und ggf. die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Register eingetragen ist, sowie eine Beschreibung der Zielsetzungen des Emittenten und an welcher Stelle sie in der Satzung und den Statuten der Gesellschaft verankert sind.

1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 53. 2 Siehe zu kombinierten Finanzinformationen auch ausführlich Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 40.

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1. Aktienkapital (Ziffer 14.1) 68

Hinsichtlich Ziffer 14.1 Anhang IV ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 21.1 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EUProspektVO Rz. 282 ff.). 2. Satzung und Statuten der Gesellschaft (Ziffer 14.2)

69

Hinsichtlich Ziffer 14.2 Anhang IV ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 21.2 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EUProspektVO Rz. 291 ff.).

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Die Anforderung, das Register und gegebenenfalls die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Register eingetragen ist, zu benennen, hat neben den nach Ziffer 5.1.2 Anhang IV ProspektVO geforderten Mindestangaben keine eigenständige Bedeutung.

XVI. Wesentliche Verträge (Ziffer 15) 15. Wesentliche Verträge Kurze Zusammenfassung aller abgeschlossenen wesentlichen Verträge, die nicht im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit abgeschlossen wurden und die dazu führen könnten, dass jedwedes Mitglied der Gruppe eine Verpflichtung oder ein Recht erlangt, die bzw. das für die Fähigkeit des Emittenten, seinen Verpflichtungen gegenüber den Wertpapierinhabern in Bezug auf die ausgegebenen Wertpapiere nachzukommen, von wesentlicher Bedeutung ist. 71

Hinsichtlich Ziffer 15 Anhang IV ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 22 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 300 ff.).

72

Ähnlich wie in Ziffer 22 Anhang I ProspektVO sind auch im Rahmen der Ziffer 15 Anhang IV ProspektVO alle wesentlichen Verträge zusammenzufassen, die nicht im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit abgeschlossen wurden und die dazu führen, dass ein Mitglied der Gruppe eine Verpflichtung oder ein Recht erlangt. Wie bei Anhang I ProspektVO sind Verträge zu beschreiben, die vom Emittenten oder einem Mitglied der Gruppe als Vertragspartei geschlossen werden. Es ist nicht erforderlich, dass der Emittent selbst aus dem Vertrag Rechte oder Pflichten erlangt. Ausreichend ist es vielmehr, wenn dies auf Seiten eines Mitglieds der Gruppe erfolgt. Während nach Ziffer 22 Satz 1 Anhang I ProspektVO eine Zusammenfassung jedes in den letzten beiden Jahren vor der Veröffentlichung des Registrierungsformulars abgeschlossenen wesentlichen Vertrags in dem Registrierungsformular erfolgen muss, ist in Ziffer 15 Anhang IV ProspektVO eine entsprechende zeitliche Beschränkung auf zwei Jahre nicht enthalten. Vor dem Hintergrund, dass Anhang I ProspektVO die strengsten Anforderungen an den Mindestinhalt von Registrierungsformularen stellt (siehe

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oben Rz. 8), ist im Rahmen der Ziffer 15 Anhang IV ProspektVO davon auszugehen, dass jedenfalls auch hier für keinen längeren Zeitraum als für zwei Jahre wesentliche Verträge anzugeben sind. Eine Darstellung eines Vertrags ist nur dann erforderlich, wenn die erlangten Rechte und Pflichten für die Bonität des Emittenten im Hinblick auf die Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber den Wertpapierinhabern von wesentlicher Bedeutung sind. Die Beurteilung, ob die Rechte und Pflichten von wesentlicher Bedeutung iS der Ziffer 15 sind, ist vom Emittenten vorzunehmen. Zum Wesentlichkeitsmaßstab im Rahmen von Anhang IV ProspektVO siehe insoweit oben Rz. 18.

73

Die wesentlichen Verträge sind im Rahmen einer Zusammenfassung zu beschreiben, die alle Schlüsselinformationen enthält, die ein Anleger vernünftigerweise erwarten darf1. Damit wird klargestellt, dass die Verträge als solches nicht in den Prospekt aufzunehmen sind.

74

XVII. Angaben von Seiten Dritter, Erklärungen von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen (Ziffer 16) 16.

Angaben von Seiten Dritter, Erklärungen von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen 16.1. Wird in das Registrierungsformular eine Erklärung oder ein Bericht einer Person aufgenommen, die als Sachverständiger handelt, so sind der Name, die Geschäftsadresse, die Qualifikationen und – falls vorhanden – das wesentliche Interesse am Emittenten anzugeben. Wurde der Bericht auf Ersuchen des Emittenten erstellt, so ist eine diesbezügliche Erklärung dahingehend abzugeben, dass die aufgenommene Erklärung oder der aufgenommene Bericht in der Form und in dem Zusammenhang, in dem sie bzw. er aufgenommen wurde, die Zustimmung von Seiten dieser Person erhalten hat, die den Inhalt dieses Teils des Registrierungsformulars gebilligt hat. 16.2. Sofern Angaben von Seiten Dritter übernommen wurden, ist zu bestätigen, dass diese Angaben korrekt wiedergegeben wurden und dass – soweit es dem Emittenten bekannt ist und er aus den von dieser dritten Partei veröffentlichten Informationen ableiten konnte – keine Tatsachen unterschlagen wurden, die die wiedergegebenen Informationen unkorrekt oder irreführend gestalten würden. Darüber hinaus hat der Emittent die Quelle(n) der Informationen anzugeben. Hinsichtlich Ziffer 16 Anhang IV ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 10.3 und Ziffer 10.4 Anhang III ProspektVO verwiesen (siehe Anhang III EU-ProspektVO Rz. 86 ff.).

1 So auch CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 73.

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XVIII. Einsehbare Dokumente (Ziffer 17) 17. Einsehbare Dokumente Abzugeben ist eine Erklärung dahingehend, dass während der Gültigkeitsdauer des Registrierungsformulars ggf. die folgenden Dokumente (oder deren Kopien) eingesehen werden können: a) die Satzung und die Statuten des Emittenten; b) sämtliche Berichte, Schreiben und sonstigen Dokumente, historischen Finanzinformationen, Bewertungen und Erklärungen, die von einem Sachverständigen auf Ersuchen des Emittenten abgegeben wurden, sofern Teile davon in das Registrierungsformular eingeflossen sind oder in ihm darauf verwiesen wird; c) die historischen Finanzinformationen des Emittenten oder im Falle einer Gruppe die historischen Finanzinformationen für den Emittenten und seine Tochtergesellschaften für jedes der Veröffentlichung des Registrierungsformulars vorausgegangenen beiden letzten Geschäftsjahre. Anzugeben ist auch, wo in diese Dokumente entweder in Papierform oder auf elektronischem Wege Einsicht genommen werden kann. 76

Hinsichtlich Ziffer 17 Anhang IV ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 24 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 306 ff.).

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Anhang V Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel (Schema) (Schuldtitel mit einer Stückelung von weniger als EUR 50.000) Schrifttum: Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung: Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Rechnungslegung, 2008; Diekmann, Übernahmevertrag bei Anleiheemissionen, in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 25; Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB 2005, 209; Seitz, Das neue Wertpapierprospektgesetz – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678.

Inhaltsübersicht I. Anwendungsbereich 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 1 2. Abgrenzung zu anderen Anhängen der ProspektVO a) Abgrenzung zu Anhang III ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Aktien) . . . . . . . . . . . . . . 6 b) Abgrenzung zu Anhang XII ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für derivative Wertpapiere) . . . 8 c) Abgrenzung zu Anhang XIII ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro) . . . . . . . . . . 10 II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) . . . . . . . . . . . . . . . III. Risikofaktoren (Ziffer 2) 1. Allgemeines zur Darstellung der Risikofaktoren . . . . . . . . 2. Typischerweise zu nennende Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verlustrisiken bei kapitalgeschützten Schuldtiteln . b) Renditerisiko . . . . . . . . . . c) Emittentenausfallrisiko . . d) Währungsrisiko . . . . . . . . e) Wiederanlagerisiko . . . . . f) Sonstige Risiken . . . . . . .

14

17 19 21 22 23 24 25 26

IV. Wichtige Angaben (Ziffer 3) 1. Interessen Dritter an der Emission (Ziffer 3.1) . . . . . . . 2. Gründe für das Angebot und Verwendung der Erträge (Ziffer 3.2) . . . . . . . . . . . . . .

27 30

V. Angaben über die anzubietenden bzw. zum Handel zuzulassenden Wertpapiere (Ziffer 4) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten bei einzelnen Angaben über die Wertpapiere a) Angaben zur Verzinsung der Schuldtitel (Ziffer 4.7) . . . b) Angaben zum Fälligkeitstermin und zur Darlehenstilgung (Ziffer 4.8) . . . . . . c) Angaben zur Rendite (Ziffer 4.9) . . . . . . . . . . . . d) Angaben zur Vertretung von Schuldtitelinhabern (Ziffer 4.10) . . . . . . . . . . . e) Angaben zum erwarteten Emissionstermin (Ziffer 4.12) . . . . . . . . . . .

32 33 34 40 42 44 45

VI. Bedingungen und Voraussetzungen für das Angebot (Ziffer 5) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 47 2. Besonderheiten bei einzelnen Angaben über die Wertpapiere 48

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EU-ProspektVO a) Angaben zur Zeichnungsreduzierung im erwarteten Emissionstermin (Ziffer 5.1.4) . . . . . . . . . . . 49 b) Angaben zum Verfahren für die Ausübung eines Vorzugsrechts (Ziffer 5.1.8) . . 50

Anhang V c) Angaben zum übernehmenden Institut (Ziffer 5.4.3) . . 51 VII. Zulassung zum Handel und Handelsregeln (Ziffer 6) . . . .

52

VIII. Zusätzliche Angaben (Ziffer 7) . . . . . . . . . . . . . . .

53

I. Anwendungsbereich 1. Allgemeines 1

Anhang V ProspektVO stellt das für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro maßgebliche Schema dar (Art. 8 Abs. 1 ProspektVO). Nach Art. 8 Abs. 2 ProspektVO gilt das Schema für Schuldtitel, bei denen der Emittent aufgrund der Emissionsbedingungen verpflichtet ist, dem Anleger 100 % des Nominalwerts zu zahlen, wobei dieser Betrag gegebenenfalls noch durch eine Zinszahlung aufgestockt werden kann.

2

Der Begriff „Schuldtitel“ wird weder in der ProspektVO noch in der Prospektrichtlinie näher definiert1. Aus der Zusammenschau mit Art. 6 und Art. 15 Abs. 2 ProspektVO ergibt sich, dass Schuldtitel Wertpapiere sind, die weder Aktien noch derivative Wertpapiere sind (zur Abgrenzung zu anderen Anhängen der ProspektVO siehe unten Rz. 6 ff.)2. Wie aus Art. 8 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 2 ProspektVO deutlich wird, ist die Besonderheit des Begriffs „Schuldtitel“, dass der Anspruch auf Rückzahlung von 100 % des Nominalwerts entsprechend den Emissionsbedingungen während der gesamten Laufzeit der Wertpapiere gesichert ist (siehe näher in Zusammenhang mit der Abgrenzung zu Anhang XII ProspektVO unten Rz. 8). Unter den Begriff „Schuldtitel“ fallen dementsprechend in Deutschland vor allem Inhaberschuldverschreibungen iS des § 793 BGB, die kapitalgarantiert sind, oder diese vertretende Zertifikate, wobei insbesondere Pfandbriefe, bei denen stets eine Rückzahlung zum Nominalwert erfolgt, in den Anwendungsbereich von Anhang V ProspektVO (oder gegebenenfalls Anhang XIII ProspektVO) fallen.

3

Eine wichtige Ausnahme vom Anwendungsbereich des Art. 8 ProspektVO in der Praxis stellen Geldmarktinstrumente mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten (zB Commercial Papers) dar, die nicht dem Wertpapierbegriff des Art. 2 Abs. 1 lit. a Prospektrichtlinie unterfallen (vgl. § 2 WpPG Rz. 19)3. Aus diesem Grund unterfallen diese Instrumente auch nicht der Prospektpflicht und dementsprechend ist weder Anhang V ProspektVO noch ein sonstiger Anhang der ProspektVO anwendbar, unabhängig davon ob die Mindeststückelung mehr oder weniger als 50.000 Euro beträgt bzw. 1 Seitz, AG 2005, 678 (679). 2 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (214). 3 Vgl. auch Seitz, AG 2005, 678 (680).

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ob das jeweilige Instrument zu 100 % des Nominalwerts zurückgezahlt wird. Es wird diskutiert, ob Anhang V ProspektVO auch dann Anwendung findet, 4 wenn die garantierte Rückzahlung mehr als 100 % des Nominalwerts beträgt. Richtigerweise ist Anhang V ProspektVO immer dann anwendbar, wenn die garantierte Rückzahlung „mindestens“ 100 % des Nominalwerts beträgt, da die Intention des Gesetzgebers darin lag, sicherzustellen, dass der Anleger zumindest den Nominalwert zurückerhält (vgl. zu Ziffer 4.7 Anhang V ProspektVO unten Rz. 35)1. Die Inhaltsanforderungen, die Anhang V ProspektVO an einen Prospekt stellt, entsprechen weitgehend den Anforderungen des Anhang XII ProspektVO bzw. bleiben unter den Anforderungen des Anhang XII ProspektVO. Aus diesem Grund wird nachfolgend zum Teil auf die Kommentierung zu Anhang XII ProspektVO verwiesen.

5

2. Abgrenzung zu anderen Anhängen der ProspektVO a) Abgrenzung zu Anhang III ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Aktien) Ob eine Wertpapierbeschreibung nach Anhang V ProspektVO oder nach An- 6 hang III ProspektVO zu erstellen ist, richtet sich danach, ob es sich bei den auszugebenden Wertpapieren um Aktien oder andere übertragbare, Aktien gleichzustellende Wertpapiere handelt und daher eine Emission zur Aufnahme von Eigenkapital stattfindet, oder ob es sich bei den auszugebenden Wertpapieren um Nichtdividendenwerte handelt und mithin die Aufnahme von Fremdkapital erfolgt (siehe dazu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 1 sowie Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 12 ff.). Sofern die Wertpapiere als Fremdkapital zu kategorisieren sind, ist Anhang V ProspektVO dann anwendbar, wenn die Rückzahlung des Nominalwerts zu 100 % gesichert ist, ansonsten findet Anhang XII ProspektVO Anwendung (siehe dazu unten Rz. 8). Bei Genussscheinen ist für die Frage, nach welchem Anhang sie zu beurtei- 7 len sind, danach zu unterscheiden, ob sie eigenkapitalähnlichen oder fremdkapitalähnlichen Charakter aufweisen. Sofern die Genussscheine schuldverschreibungsähnlich strukturiert sind, ist entweder Anhang V ProspektVO oder Anhang XII ProspektVO anwendbar, je nach dem, ob die Rückzahlung zu 100 % des Nominalwerts erfolgt (siehe dazu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 1 sowie Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 15)2.

1 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (214); vgl. zur Abgrenzung zwischen Anhang V und Anhang XII ProspektVO auch Seitz, AG 2005, 678 (687). 2 Zu der Einordnung von Genussscheinen siehe auch Eilers in Eilers/Röding/ Schmalenbach, A Rz. 87 sowie Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang V EUProspektVO Rz. 4.

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b) Abgrenzung zu Anhang XII ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für derivative Wertpapiere) 8

Wie Anhang V ProspektVO kann auch Anhang XII ProspektVO nur dann zur Anwendung kommen, wenn es sich bei den Wertpapieren nicht um Aktien bzw. aktienvertretende Wertpapiere handelt und dementsprechend Anhang III ProspektVO nicht einschlägig ist (siehe oben Rz. 6 f.). Entsprechend Art. 15 Abs. 2 ProspektVO gilt das Schema nach Anhang XII ProspektVO als Auffangtatbestand und ist in den Fällen anwendbar, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 ProspektVO, Art. 8 ProspektVO und Art. 16 ProspektVO fallen (siehe dazu auch Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 7 ff.). Während Anhang XII ProspektVO vor allem in den Fällen zur Anwendung kommt, in denen ein Rückzahlungsanspruch zu 100 % des Nominalwerts nicht besteht, ist gemäß Art. 8 Abs. 2 ProspektVO Anhang V ProspektVO nur in den Fällen anwendbar, in denen der Anspruch auf Rückzahlung von 100 % des Nominalwerts entsprechend den Emissionsbedingungen während der gesamten Laufzeit der Wertpapiere gesichert ist, unabhängig davon ob gegebenenfalls eine Strukturierung im Hinblick auf den Nominalwert vorliegt1. Sofern nach den Emissionsbedingungen nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Anspruch auf Rückzahlung von 100 % des Nominalwerts – wenn auch nur zeitweise – unterschritten wird, ist der Prospekt nach Anhang XII ProspektVO zu erstellen, beispielsweise dann, wenn nach den Emissionsbedingungen ein außerordentliches Kündigungsrecht des Emittenten besteht und im Fall der Ausübung des Kündigungsrechts der Kündigungsbetrag, der grundsätzlich dem Marktpreis der Wertpapiere entspricht, geringer als 100 % des Nominalwerts sein kann2.

9

Zu Besonderheiten bei Umtauschanleihen und Genusscheinen siehe Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 14 f. c) Abgrenzung zu Anhang XIII ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro)

10

Während Anhang V ProspektVO für Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von weniger als 50.000 Euro gilt, ist Anhang XIII ProspektVO gemäß Art. 16 Abs. 1 ProspektVO dann einschlägig, wenn es sich bei den Wertpapieren um Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro handelt. Entsprechend Erwägungsgrund Nr. 14 ProspektVO ist Anhang XIII ProspektVO auch dann anwendbar, wenn die Wertpapiere nicht in Euro, sondern in einer anderen Währung notieren, sofern die Mindeststückelung nach der Umrechnung ebenfalls mindestens 50.000 Euro entspricht (siehe dazu auch § 3 WpPG Rz. 31).

11

Entsprechend Art. 16 Abs. 2 ProspektVO gilt Anhang XIII ProspektVO für Schuldtitel, bei denen der Emittent aufgrund der Emissionsbedingungen 1 Seitz, AG 2005, 678 (687). 2 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang V EU-ProspektVO Rz. 5.

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verpflichtet ist, dem Anleger 100 % des Nominalwerts zu zahlen, der uU noch durch eine Zinszahlung aufgestockt wird, und entspricht insoweit den Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von Anhang V ProspektVO (zur Abgrenzung von derivativen Wertpapieren siehe Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 7 ff.). Gegenüber den Mindestanforderungen, die in Anhang V ProspektVO vorgesehen sind, enthält Anhang XIII ProspektVO zum Teil geringere bzw. weniger detaillierte Anforderungen. So sind ua. die Offenlegung der Gründe für das Angebot oder Angaben zur Verwendung der Erträge sowie die Darlegung der Methode zur Renditeberechnung oder Angaben zur Quellenbesteuerung nicht erforderlich. Weiterhin gehören auch die Informationen nach Ziffer 5 von Anhang V ProspektVO nicht zu den Pflichtangaben im Rahmen des Anhangs XIII ProspektVO. Schließlich müssen im Rahmen des Anhangs XIII ProspektVO Ausführungen zur Zulassung zum Handel nicht in der in Anhang V ProspektVO geforderten Detailtiefe im Prospekt aufgenommen werden. Die unterschiedlichen Prospektinhalte resultieren daraus, dass bei einer Mindeststückelung von 50.000 Euro idR davon auszugehen ist, dass diese Wertpapiere nicht von Kleinanlegern (retail investors), sondern von institutionellen Anlegern (wholesale investors) erworben werden, die ihre Anlageentscheidung auf andere Elemente stützen können (siehe dazu Erwägungsgrund Nr. 14 ProspektVO und Anhang XIII EU-ProspektVO Rz. 8).

12

Auch wenn Anhang XIII ProspektVO an sich einschlägig wäre, bleibt es Emittenten unbenommen, anstelle des Anhangs XIII ProspektVO auch Anhang V ProspektVO anzuwenden bzw. einzelne bzw. einzelne Informationsbestandteile aus Anhang V ProspektVO anzuwenden, wenn ohne die zusätzlichen Angaben des Anhangs V ProspektVO keine ausreichende Beurteilung der Wertpapiere möglich wäre (siehe dazu auch Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 20)1.

13

II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) 1. Verantwortliche Personen 1.1. Alle Personen, die für die im Prospekt gemachten Angaben bzw. für bestimmte Abschnitte des Prospekts verantwortlich sind. Im letzteren Fall sind die entsprechenden Abschnitte aufzunehmen. Im Falle von natürlichen Personen, zu denen auch Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane des Emittenten gehören, sind der Name und die Funktion dieser Person zu nennen. Bei juristischen Personen sind Name und eingetragener Sitz der Gesellschaft anzugeben. 1.2. Erklärung der für den Prospekt verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die im Prospekt genannten Angaben ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen weggelassen werden, die die Aussage des Prospekts 1 So auch Glismann in Holzborn, Anh. V EU-ProspV Rz. 2.

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wahrscheinlich verändern können. Ggf. Erklärung der für bestimmte Abschnitte des Prospekts verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die in dem Teil des Prospekts genannten Angaben, für die sie verantwortlich sind, ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen weggelassen werden, die die Aussage des Prospekts wahrscheinlich verändern können. 14

Inhaltlich entspricht die Verantwortlichkeitserklärung in Ziffer 1 Anhang V ProspektVO der Verantwortlichkeitserklärung in Ziffer 1 Anhang I ProspektVO. Es kann dementsprechend auf die Ausführungen zu Anhang I EUProspektVO Rz. 2 ff. verwiesen werden.

15

Anhang V ProspektVO kommt häufig bei Basisprospekten zur Anwendung. Wie beim einteiligen Prospekt ist auch beim Basisprospekt eine einmalige, das gesamte Dokument umfassende Verantwortungsübernahme ausreichend (siehe dazu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 14), dh. es muss keine separate Verantwortlichkeitserklärung abgegeben werden, wenn die Mindestangaben für das Registrierungsformular in dem Basisprospekt integriert sind. Sofern das Registrierungsformular in einem separaten Dokument erstellt und nur per Verweis gemäß § 11 WpPG in den Basisprospekt einbezogen wird, ist allerdings die Verantwortlichkeitserklärung sowohl in dem separaten Registrierungsformular als auch in dem Basisprospekt aufzunehmen.

16

Bei Basisprospekten besonders relevant sind auch geteilte Verantwortlichkeitserklärungen (siehe dazu auch Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 10). Dies ist zB denkbar, wenn mehrere Emittenten unter einem Basisprospekt vorgesehen sind (siehe § 6 WpPG Rz. 53) oder wenn eine Garantin eine Garantie für die von dem Emittenten unter dem Basisprospekt begebenen Schuldtitel abgibt. Ziffer 1.2 Satz 2 Anhang V ProspektVO bestimmt für diesen Fall, dass es möglich ist, dass eine Person nur für bestimmte Abschnitte des Prospekts eine Verantwortlichkeitserklärung abgibt. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn eine Garantin nur für bestimmte Prospektinformationen hinsichtlich der Garantie bzw. der Garantin eine Verantwortlichkeitserklärung abgeben möchte, aber nicht für sonstige Teile des Prospekts. Sofern eine solche eingeschränkte Verantwortlichkeitserklärung abgegeben wird, ist dennoch zusätzlich gemäß § 5 Abs. 4 WpPG eine Verantwortlichkeitserklärung einer Person, meist des Emittenten, hinsichtlich der gesamten Prospektinformationen erforderlich.

III. Risikofaktoren (Ziffer 2) 2. Risikofaktoren 2.1. Klare Offenlegung der Risikofaktoren, die für die anzubietenden und/ oder zum Handel zuzulassenden Wertpapiere von wesentlicher Bedeutung sind, wenn es darum geht, das Marktrisiko zu bewerten, mit dem

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diese Wertpapiere behaftet sind. Diese Offenlegung muss unter der Rubrik „Risikofaktoren“ erfolgen. 1. Allgemeines zur Darstellung der Risikofaktoren Die Wortlaute von Ziffer 2 Anhang V ProspektVO und Ziffer 2 Anhang XII 17 ProspektVO sind ähnlich, weshalb weitgehend auf die Kommentierung zu Ziffer 2 Anhang XII ProspektVO verwiesen werden kann (siehe Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 24 ff.). Nach Ziffer 2 müssen die wesentlichen, für die Bewertung des Marktrisikos des Schuldtitels erforderlichen Risikofaktoren, die für die anzubietenden Wertpapiere und/oder zum Handel zuzulassenden Risikofaktoren offen gelegt werden. Im Unterschied zu Ziffer 2 Satz 2 Halbsatz 1 Anhang XII ProspektVO ist ein ausdrücklicher Hinweis auf das Verlustrisiko (vgl. Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 33 ff. und siehe unten Rz. 21) sowie ein ausdrücklicher Haftungshinweis gemäß Ziffer 2 Satz 2 Halbsatz 2 Anhang XII ProspektVO (vgl. Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 36) im Rahmen der Ziffer 2 Anhang V ProspektVO nicht erforderlich. Im Hinblick auf die Nummerierung von Ziffer 2 Anhang V ProspektVO, ist 18 zu beachten, dass die Untergliederung in Ziffer 2.1 Anhang V ProspektVO eigentlich nicht erforderlich ist, da es sich bei dieser Ziffer um den einzigen Unterpunkt im Rahmen der Risikofaktoren handelt. Es ist insoweit von einem Redaktionsversehen auszugehen. 2. Typischerweise zu nennende Risiken Zu den darzustellenden wertpapierspezifischen Risiken im Fall von Wertpapieren, bei denen die Rückzahlung zu 100 % des Nominalwerts garantiert ist, gehören beispielsweise das Verlustrisiko bei kapitalgeschützten Schuldtiteln (siehe dazu unten Rz. 21), das Renditerisiko (siehe dazu unten Rz. 22), das Emittentenausfallrisiko (siehe dazu unten Rz. 23), das Risiko von Währungsschwankungen (siehe dazu unten Rz. 24) oder das Wiederanlagerisiko (siehe dazu unten Rz. 25)1.

19

Daneben können auch spezielle Risikofaktoren im Hinblick auf die Verzinsung aufgenommen werden, beispielsweise wenn das konkrete Produkt mit einer Zinsobergrenze ausgestattet ist oder von der Entwicklung eines bestimmten Basiswerts abhängig ist. Ähnlich wie bei Produkten, bei denen keine Kapitalgarantie besteht, bietet es sich auch hier an, die Risikofaktoren in verschiedene Unterkategorien zu untergliedern (siehe dazu Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 38).

20

a) Verlustrisiken bei kapitalgeschützten Schuldtiteln Zwar handelt es sich bei den Wertpapieren nach Anhang V ProspektVO um Schuldtitel, die zumindest zu 100 % des Nominalwerts zurückgezahlt wer1 Siehe dazu auch Glismann in Holzborn, Anh. V EU-ProspV Rz. 4.

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den, dennoch können auch solche kapitalgarantierten Schuldtitel mit einem Verlustrisiko behaftet sein. Anders als im Fall von Anhang XII ProspektVO wird ein expliziter Verlustrisikohinweis von Ziffer 2 Anhang V ProspektVO nicht gefordert (siehe im Gegensatz dazu die Kommentierung zu Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 33 ff.)1. Allerdings darf ein Anleger aus der Eigenschaft des „Kapitalschutzes“2 nicht den Eindruck gewinnen, eine Anlage in die Schuldtitel sei eine risikofreie Investition. Ein Verlust für den Anleger kann zB bei einer Veräußerung des Schuldtitels während der Laufzeit zu dem dann aktuellen Marktwert, der gegebenenfalls (in Abhängigkeit von der Bonität des Emittenten) unter dem Nominalwert liegen kann, bzw. bei einer Rückzahlung am Laufzeitende, wenn die über den Nominalwert hinausgehende Rendite des Schuldtitels die tatsächlich entstandenen Transaktionskosten nicht abdeckt, eintreten. In solchen Fällen erleidet der Anleger einen Teilverlust des von ihm eingesetzten Kapitals. Daneben bestehen auch Verlustrisiken aufgrund des Emittentenausfallsrisikos (siehe dazu unten Rz. 23). b) Renditerisiko 22

Unter dem Renditerisiko versteht man das Risiko, dass die Verzinsung der Schuldverschreibungen unter Umständen niedriger sein kann als der Betrag, den Anleger erwirtschaftet hätten, wenn sie in ein anderes Wertpapier mit derselben Laufzeit und mit einem marktüblichen Zinssatz investiert hätten. Das Renditerisiko besteht vor allem dann, wenn die Verzinsung eine variable bzw. derivative Komponente enthält (zur Beschreibung des strukturierten Zinssatzes siehe zu Ziffer 4.7 Anhang V ProspektVO unten Rz. 34 ff.). Abhängig von der Kursentwicklung des Basiswerts kann in diesem Fall, je nach der Ausgestaltung in den jeweiligen Emissionsbedingungen, eine Verzinsung gegebenenfalls ganz ausbleiben. Auf ein solches Risiko ist jedenfalls im Prospekt hinzuweisen3.

1 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang V EU-ProspektVO Rz. 7. 2 Die Verwendung des Begriffes Kapitalschutz oder ähnlicher Begriffe für die Beschreibung von Wertpapieren wird von Regulierungsbehörden zum Teil kritisch betrachtet. So hat beispielsweise die Financial Services Authority (FSA) im Hinblick auf die Verwendung solcher Bezeichnungen in Marketingmaterialien ausgeführt, dass die Bezeichnung „Kapitalschutz“ irreführend sein kann, wenn sich in dem Marketingmaterial keine weiteren Ausführungen dazu finden, worin der Kapitalschutz besteht, vgl. FSA, Fair, clear and not misleading – review of the quality of financial promotions in the structured investment products marketplace, October 2009, S. 7 ff. Auch die BaFin hat ein Rundschreiben veröffentlicht, wonach im Fall der Verwendung der Bezeichnung „Kapitalschutz“ eine ergänzende Klarstellung erforderlich ist, woraus sich der Kapitalschutz ergibt, vgl. BaFin, Rundschreiben 01/2010 (WA) zur Auslegung der Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes über Informationen einschließlich Werbung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen an Kunden, 11.2.2010, Ziffer 3.1. 3 In diesem Sinne auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang V EU-ProspektVO Rz. 7.

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c) Emittentenausfallrisiko Unter dem Emittentenausfallrisiko versteht man das Risiko, dass der Emit- 23 tent seinen Zahlungsverpflichtungen unter den Wertpapieren nicht nachkommen kann. Beispielsweise sind im Fall der Insolvenz des Emittenten und gegebenenfalls der Garantin etwaige Ansprüche aus den Schuldtiteln, auch wenn sie eine Rückzahlung zu 100 % des Nominalwerts vorsehen, in der Regel weder durch einen Einlagensicherungsfonds noch durch eine staatliche Einrichtung abgesichert oder garantiert. Anleger in die Wertpapiere übernehmen somit stets das Ausfallrisiko des Emittenten bzw. einer eventuellen Garantin. In der Regel erfolgen Ausführungen zum Emittentenausfallrisiko im Rahmen der emittentenbezogenen Risikofaktoren (siehe auch Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 22). In der Praxis haben sich verschiedene Strukturierungsalternativen herausgebildet, mit denen das Insolvenzrisiko des Emittenten bzw. der Garantin vermindert werden soll, beispielsweise durch die Einrichtung eines Sicherheitenpools für alle ausstehenden besicherten Wertpapiere bei einem Treuhänder. d) Währungsrisiko Zu Währungsrisiken siehe die Kommentierung zu Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 45.

24

e) Wiederanlagerisiko Zum Wiederanlagerisiko siehe die Kommentierung zu Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 59.

25

f) Sonstige Risiken Darüber hinaus können je nach Strukturierung des Produkts gegebenenfalls 26 auch noch weitere Risikofaktoren aufzunehmen sein, beispielsweise basiswertbezogene Risikofaktoren (siehe dazu Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 48 ff.), produktübergreifende Risikofaktoren (siehe dazu Anhang XII EUProspektVO Rz. 53 ff.) oder auch Risiken aus Interessenkonflikten (siehe dazu Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 61 ff.).

IV. Wichtige Angaben (Ziffer 3) 3. Wichtige Angaben 3.1. Interessen von Seiten natürlicher und juristischer Personen, die an der Emission/dem Angebot beteiligt sind Beschreibung jeglicher Interessen – einschließlich Interessenskonflikte –, die für die Emission/das Angebot von wesentlicher Bedeutung sind, wobei die betroffenen Personen zu spezifizieren und die Art der Interessen darzulegen ist.

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3.2. Gründe für das Angebot und Verwendung der Erträge Gründe für das Angebot, wenn nicht die Ziele Gewinnerzielung und/ oder Absicherung bestimmter Risiken verfolgt werden. Ggf. Offenlegung der geschätzten Gesamtkosten für die Emission/das Angebot und des geschätzten Nettobetrages der Erträge, aufgeschlüsselt nach den wichtigsten Verwendungszwecken und dargestellt nach Priorität dieser Verwendungszwecke. Sofern der Emittent weiß, dass die antizipierten Erträge nicht ausreichend sein werden, um alle vorgeschlagenen Verwendungszwecke zu finanzieren, sind der Betrag und die Quellen anderer Mittel anzugeben. 1. Interessen Dritter an der Emission (Ziffer 3.1) 27

Im Hinblick auf die Offenlegung von Interessen an der Emission bzw. dem Angebot beteiligter Personen stimmen die Anforderungen von Ziffer 3.1 Anhang V ProspektVO mit denjenigen von Ziffer 3.3 Anhang III ProspektVO bzw. Ziffer 3.1 Anhang XII ProspektVO überein. Es wird daher grundsätzlich auf die Kommentierung zu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 20 f. bzw. zu Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 67 ff. verwiesen.

28

Zu den offenzulegenden Interessen siehe insbesondere Anhang III EU-ProspektVO Rz. 21. Ein Interesse kann bei kapitalgeschützten Schuldtiteln darin gesehen werden, wenn ein Ausgabeaufschlag erhoben wird bzw. der Emittent bei Schuldtiteln mit strukturierter Verzinsung Verwaltungs- oder ähnliche Gebühren im Hinblick auf den Basiswert erhält. Ergeben sich hieraus Interessenkonflikte, sind diese gesondert zu beschreiben1.

29

Regelmäßig wird in Prospekten darauf hingewiesen, dass Interessenkonflikte daraus resultieren können, dass der Emittent die Wertpapiere selbst hält oder weitere ähnliche Wertpapiere begeben kann, die mit den bereits begebenen Wertpapieren im Wettbewerb stehen, bzw. dass der Emittent zur Absicherung der eigenen Positionen Geschäfte in den Wertpapieren bzw. in den zugrunde liegenden Basiswerten tätigen und dadurch den Kurs der Wertpapiere gegebenenfalls beeinflussen kann. Ausführungen zu den Interessenkonflikten finden sich grundsätzlich in den Risikofaktoren (siehe dazu auch Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 61 ff.). 2. Gründe für das Angebot und Verwendung der Erträge (Ziffer 3.2)

30

Sofern das Angebot nicht der bloßen Gewinnerzielung und/oder der Absicherung bestimmter Risiken dient, sind nach Ziffer 3.2 Anhang V ProspektVO die Gründe für das Angebot und die Verwendung der Erträge anzugeben, um den Investor darüber zu informieren, für welche Zwecke das von ihm eingesetzte Kapital verwendet wird. Ziffer 3.2 Anhang V ProspektVO entspricht im Wesentlichen den in Ziffer 3.4 Anhang III ProspektVO enthalte1 Vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 28.

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nen Mindestanforderungen (siehe insbesondere Anhang III EU-ProspektVO Rz. 22 ff.), wobei anders als bei Aktien, bei Schuldtiteln keine detaillierte Darstellung der Verwendung der Erträge gefordert wird, so dass insoweit wohl auch eine stichpunktartige Aufzählung ausreichend sein sollte1. Anzugeben sind die geschätzten Gesamtkosten für die Emission bzw. das Angebot (Platzierung) und der geschätzte Nettobetrag der Erträge. Die Anforderungen von Ziffer 3.2 Anhang V ProspektVO gehen über die entsprechenden Anforderungen in Ziffer 3.2 Anhang XII ProspektVO hinaus. Ähnlich wie in Ziffer 3.4 Anhang III ProspektVO sind insoweit die geschätzten Gesamtkosten für die Emission bzw. das Angebot anzugeben, wobei diese nach den wichtigsten Verwendungszwecken aufgeschlüsselt und nach Priorität der Verwendungszwecke dargestellt werden müssen. Abweichend von Ziffer 3.4 Anhang III ProspektVO ist nach Ziffer 3.2 Anhang V ProspektVO aber keine detaillierte Darstellung erforderlich.

V. Angaben über die anzubietenden bzw. zum Handel zuzulassenden Wertpapiere (Ziffer 4) 4. 4.1.

4.2. 4.3.

4.4. 4.5.

4.6.

4.7.

Angaben über die anzubietenden bzw. zum Handel zuzulassenden Wertpapiere Beschreibung des Typs und der Kategorie der anzubietenden und/oder zum Handel zuzulassenden Wertpapiere einschließlich der ISIN (International Security Identification Number) oder eines anderen Sicherheitscodes. Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage die Wertpapiere geschaffen wurden. Angabe, ob es sich bei den Wertpapieren um Namenspapiere oder um Inhaberpapiere handelt und ob die Wertpapiere verbrieft oder stückelos sind. In letzterem Fall sind der Name und die Anschrift des die Buchungsunterlagen führenden Instituts zu nennen. Währung der Wertpapieremission. Rang der Wertpapiere, die angeboten und/oder zum Handel zugelassen werden sollen, einschließlich der Zusammenfassung etwaiger Klauseln, die den Rang beeinflussen können oder das Wertpapier derzeitigen oder künftigen Verbindlichkeiten des Emittenten nachordnen können. Beschreibung der Rechte die an die Wertpapiere gebunden sind – einschließlich ihrer etwaigen Beschränkungen –, und des Verfahrens zur Ausübung dieser Rechte. Angabe des nominalen Zinssatzes und Bestimmungen zur Zinsschuld: – Datum, ab dem die Zinsen gezahlt werden und Zinsfälligkeitstermine;

1 Zeising, in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang V EU-ProspektVO Rz. 9.

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4.8.

4.9. 4.10.

4.11.

4.12. 4.13. 4.14.

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– Verjährungsfrist von Zinsforderungen und Rückzahlung des Kapitalbetrages. Ist der Zinssatz nicht festgelegt, Beschreibung der zugrunde liegenden Aktien, auf die er sich stützt, und der verwendeten Methode zur Verbindung beider Werte und Angabe, wo Informationen über die vergangene und künftige Wertentwicklung der zugrunde liegenden Aktien und ihre Volatilität eingeholt werden können: – Beschreibung etwaiger Vorfälle, die eine Marktstörung oder eine Unterbrechung der Abrechnung bewirken und die sich auf die zugrunde liegenden Aktien auswirken; – Anpassungsregeln bei Vorfällen, die die zugrunde liegenden Aktien beeinflussen; – Name der Berechnungsstelle. Wenn das Wertpapier eine derivative Komponente bei der Zinszahlung hat, ist eine klare und umfassende Erläuterung beizubringen, die den Anlegern verständlich macht, wie der Wert ihrer Anlage durch den Wert des Basisinstruments/der Basisinstrumente beeinflusst wird, insbesondere in Fällen, in denen die Risiken sehr offensichtlich sind. Fälligkeitstermin und Vereinbarungen für die Darlehenstilgung, einschließlich der Rückzahlungsverfahren. Wird auf Initiative des Emittenten oder des Wertpapierinhabers eine vorzeitige Tilgung ins Auge gefasst, so ist sie unter Angabe der Tilgungsbedingungen und -voraussetzungen zu beschreiben. Angabe der Rendite. Dabei ist die Methode zur Berechnung der Rendite in Kurzform darzulegen. Vertretung von Schuldtitelinhabern unter Angabe der die Anleger vertretenden Organisation und der auf die Vertretung anwendbaren Bestimmungen. Angabe des Ortes, an dem die Öffentlichkeit die Verträge einsehen kann, die diese Vertretung regeln. Im Falle von Neuemissionen Angabe der Beschlüsse, Ermächtigungen und Billigungen, die die Grundlage für die erfolgte bzw. noch zu erfolgende Schaffung der Wertpapiere und/oder deren Emission bilden. Im Falle von Neuemissionen Angabe des erwarteten Emissionstermins der Wertpapiere. Darstellung etwaiger Beschränkungen für die freie Übertragbarkeit der Wertpapiere. Hinsichtlich des Herkunftslands des Emittenten und des Landes bzw. der Länder, in dem bzw. denen das Angebot unterbreitet oder die Zulassung zum Handel beantragt wird, sind folgende Angaben zu machen: – Angaben über die an der Quelle einbehaltene Einkommensteuer auf die Wertpapiere; – Angabe der Tatsache, ob der Emittent die Verantwortung für die Einbehaltung der Steuern an der Quelle übernimmt.

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1. Allgemeines Nach Ziffer 4 Anhang V ProspektVO muss ein Prospekt Angaben über die 32 anzubietenden bzw. zum Handel zuzulassenden Wertpapiere enthalten. Die in Ziffer 4 enthaltenen Mindestanforderungen sind dabei weitgehend auch in Ziffer 4 Anhang XII ProspektVO enthalten. Dies gilt insbesondere für die folgenden Ziffern, für die auf die entsprechenden Ziffern in 4 Anhang XII ProspektVO verwiesen wird: – Ziffer 4.1 Anhang V ProspektVO (Ziffer 4.1.1 Anhang XII ProspektVO, dort Rz. 77 ff.) – Ziffer 4.2 Anhang V ProspektVO (Ziffer 4.1.3 Anhang XII ProspektVO, dort Rz. 92 f.) – Ziffer 4.3 Anhang V ProspektVO (Ziffer 4.1.4 Anhang XII ProspektVO, dort Rz. 94 ff.) – Ziffer 4.4 Anhang V ProspektVO (Ziffer 4.1.5 Anhang XII ProspektVO, dort Rz. 98 ff.) – Ziffer 4.5 Anhang V ProspektVO (Ziffer 4.1.6 Anhang XII ProspektVO, dort Rz. 101 f.) – Ziffer 4.6 Anhang V ProspektVO (Ziffer 4.1.7 Anhang XII ProspektVO, dort Rz. 103 ff.) – Ziffer 4.11 Anhang V ProspektVO (Ziffer 4.1.8 Anhang XII ProspektVO, dort Rz. 107 ff.) – Ziffer 4.13 Anhang V ProspektVO (Ziffer 4.1.10 Anhang XII ProspektVO, dort Rz. 113 ff.) – Ziffer 4.14 Anhang V ProspektVO (Ziffer 4.1.14 Anhang XII ProspektVO, dort Rz. 123 ff.) 2. Besonderheiten bei einzelnen Angaben über die Wertpapiere Bei einer Reihe von Ziffern in Anhang V ProspektVO bestehen Besonderhei- 33 ten, auf die im Folgenden hingewiesen werden soll. a) Angaben zur Verzinsung der Schuldtitel (Ziffer 4.7) Nach Ziffer 4.7 Anhang V ProspektVO muss ein Prospekt Angaben zur Verzinsung der Schuldtitel enthalten.

34

Wertpapiere im Rahmen des Anhang V ProspektVO zeichnen sich in erster 35 Linie dadurch aus, dass die Rückzahlung des Nominalwerts zu 100 % garantiert ist. Darüber hinaus können die Wertpapiere nach Art. 8 Abs. 2 ProspektVO auch eine Verzinsung aufweisen. Die Verzinsung ist dementsprechend kein zwingendes, sondern lediglich ein optionales Ausstattungsmerkmal der Wertpapiere1. Entsprechend ist Anhang V ProspektVO (oder gegebenenfalls Anhang XIII ProspektVO) bei einer garantierten Rückzah-

1 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (214); Seitz, AG 2005, 678 (687).

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lung des Nominalwerts zu 100 % anwendbar, unabhängig davon, ob die Verzinsung strukturiert oder fest ist1. 36

Die Zinskomponenten von Wertpapieren kann auf verschiedenste Weise gestaltet sein. In der Praxis finden sich insbesondere die folgenden Verzinsungsalternativen: Die Schuldtitel können fest verzinslich sein. Dies bedeutet, dass die Schuldtitel während der gesamten Laufzeit zu einem bestimmten, bei Emission festgelegten Zinssatz verzinst werden. Wenn die Schuldtitel variabel verzinslich sind, ist die Höhe der Verzinsung von der Entwicklung eines Basiswerts abhängig, zB eines Referenzzinssatzes (zB EURIBOR oder LIBOR) oder einer Aktie oder eines Index. Bei NullkuponSchuldverschreibungen erfolgen keine periodischen Zinszahlungen. Sie werden üblicherweise mit einem Abschlag auf den Nominalwert begeben. Anstelle von periodischen Zinszahlungen wird der Zinsertrag bis zur Fälligkeit durch die Differenz zwischen dem Rückzahlungsbetrag und dem Emissionspreis gebildet und spiegelt den Marktzinssatz wieder. Im Fall von Stufenzins-Anleihen ist die Verzinsung der Anleihe nicht konstant, sondern steigt während der Laufzeit der Anleihe zu fest definierten Zeitpunkten an (sog. Step-Up-Anleihen) bzw. verringert sich während der Laufzeit (sog. Step-Down-Anleihen).

37

Sofern die Wertpapiere eine Verzinsung vorsehen, müssen in dem Prospekt gemäß Satz 1 von Ziffer 4.2 Anhang V ProspektVO das Datum, ab dem die Zinsen gezahlt werden sowie die Zinsfälligkeitstermine genannt werden. Darüber hinaus muss der Prospekt Angaben zur Verjährungsfrist von Zinsforderungen (zB § 801 BGB) und der Rückzahlung zum Kapitalbetrag enthalten.

38

Wenn der Zinssatz nicht festgelegt ist, muss der Prospekt gemäß Satz 2 von Ziffer 4.2 Anhang V ProspektVO eine Beschreibung des zugrunde liegenden Basiswerts enthalten, auf den sich die Verzinsung stützt. Während die deutsche Fassung von Ziffer 4.7 Anhang V ProspektVO insoweit nur von „Aktien“ spricht, ist die englische Fassung der ProspektVO, die von „underlying“ spricht, weiter. Insofern ist davon auszugehen, dass wie auch im Fall von Ziffer 4.2.2 Anhang XII ProspektVO jeder Basiswert als Grundlage zur Ermittlung des Zinsbetrags herangezogen werden kann (siehe dazu Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 126). Des Weiteren müssen in dem Fall, dass der Zinssatz nicht festgelegt ist, Angaben dazu in den Prospekt aufgenommen werden, wo Informationen über die vergangene und künftige Wertentwicklung des Basiswerts und dessen Volatilität eingeholt werden können. Die Anforderungen entsprechen insoweit weitgehend den Anforderungen in Ziffer 4.2.2 Anhang XII ProspektVO, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann (siehe Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 128 ff.). Darüber hinaus sind – wie in Ziffer 4.2.3 bzw. Ziffer 4.2.4 Anhang XII ProspektVO – auch Informationen zu Marktstörungen und Anpassungsmaßnahmen in den Prospekt aufzunehmen (siehe Anhang XII EU-ProspektVO 1 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang V EU-ProspektVO Rz. 24.

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Rz. 136 ff.). Schließlich muss in dem Prospekt der Name der Berechnungsstelle angegeben werden. Die Berechnungsstelle ist die Stelle, die ua. die Höhe des maßgeblichen Zinssatzes berechnet. Im Rahmen der Ziffer 4.2 Anhang XII ProspektVO besteht kein Erfordernis, die Berechnungsstelle anzugeben. Allerdings ist auch im Rahmen des Anhangs XII ProspektVO die Berechnungsstelle in den Prospekt aufzunehmen (vgl. Ziffer 5.4.5 Anhang XII ProspektVO), so dass insoweit kein Unterschied zwischen den Mindestanforderungen nach Anhang V ProspektVO und Anhang XII ProspektVO besteht. Sofern das Wertpapier im Hinblick auf die Zinszahlungskomponente ein de- 39 rivatives Element aufweist, dh. die Höhe der Verzinsung von einem bestimmten Basiswert abhängig ist, muss der Prospekt nach Ziffer 4.7 letzter Satz Anhang V ProspektVO eine Beschreibung enthalten, wie der Wert der Anlage bzw. die Höhe der Verzinsung von der Entwicklung des Basiswerts abhängig ist. Die Anforderungen entsprechen dabei den entsprechenden Anforderungen in Ziffer 4.1.2 Anhang XII ProspektVO, so dass insoweit auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann. In diesem Zusammenhang sind in einem Prospekt gegebenenfalls auch Angaben zu einem eventuellen Maximal- oder Mindestzins zu machen. Gemäß dem Wortlaut ist Ziffer 4.7 Anhang V ProspektVO nur dann anwendbar, wenn der Zinssatz von einem Basiswert abhängig ist. Allerdings ist Ziffer 4.7 Anhang V ProspektVO auch dann anwendbar, wenn der Rückzahlungsbetrag von einem bestimmten Basiswert abhängig ist, da es wirtschaftlich keinen Unterschied macht, ob der Rückzahlungsbetrag strukturiert ist oder eine strukturierte Zinszahlung am Laufzeitende erfolgt1. b) Angaben zum Fälligkeitstermin und zur Darlehenstilgung (Ziffer 4.8) Nach Ziffer 4.8 Anhang V ProspektVO muss der Prospekt den Fälligkeitster- 40 min sowie Vereinbarungen für die Darlehenstilgung einschließlich der Rückzahlungsverfahren enthalten. Der Wortlaut von Ziffer 4.8 Anhang V ProspektVO weicht insoweit von Anhang XII ProspektVO ab, da nach Ziffer 4.1.11 Anhang XII ProspektVO Angaben zu einer Vereinbarung einer „Darlehenstilgung“ nicht erforderlich sind. Da „Darlehen“ (loan) nicht in den Anwendungsbereich der ProspektVO fallen, ist unter Darlehenstilgung insoweit die Rückzahlung, dh. die Tilgung der Wertpapiere zu verstehen2. Darüber hinaus muss ein Prospekt Angaben dazu enthalten, wenn auf Ini- 41 tiative des Emittenten oder des Wertpapierinhabers eine vorzeitige Tilgung der Wertpapiere möglich ist. Darunter fallen beispielsweise außerordentliche oder ordentliche Kündigungsrechte des Emittenten oder des Anlegers bzw. bestimmte Ausübungsrechte des Anlegers, wobei es auf die konkrete Bezeichnung in den Emissionsbedingungen nicht ankommt, sondern viel-

1 Siehe dazu auch Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (214). 2 Vgl. zum insoweit missverständlichen Wortlaut der ProspektVO Glismann in Holzborn, Anh. V EU-ProspV Rz. 17.

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mehr entscheidend ist, dass die reguläre Laufzeit des Wertpapiers vorzeitig beendet werden kann1. c) Angaben zur Rendite (Ziffer 4.9) 42

Der Prospekt muss nach Ziffer 4.9 Anhang V ProspektVO Angaben zur Rendite der Wertpapiere enthalten. Da die Zinsen bereits von Ziffer 4.8 erfasst sind, ist die Rendite nicht allein auf die laufende Verzinsung beschränkt, sondern weiter zu verstehen. Die ProspektVO enthält allerdings keine Definition, was unter dem Begriff „Rendite“ zu verstehen ist. Am Markt gibt es eine Reihe unterschiedlicher Arten von „Renditen“. Es wird beispielsweise unterschieden zwischen einfacher Rendite, Rendite auf Endfälligkeit oder Vorsteuerrendite2.

43

Zu beachten ist, dass eine Renditeberechnung nur möglich ist, wenn der Rückzahlungsbetrag und etwaige Zinsbeträge bereits bei der Prospekterstellung bzw. bei Emission feststehen3. Angaben zur Rendite sind folglich nur bei festverzinslichen Schuldverschreibungen möglich, da die anfallenden variablen Zinsen bei Erstellung des Prospekts nicht feststehen. In der Praxis erfolgt die Renditeberechnung häufig nach der ICMA Methode, wonach die Effektivverzinsung von Schuldverschreibungen unter Berücksichtigung der täglichen Stückzinsen erfolgt. d) Angaben zur Vertretung von Schuldtitelinhabern (Ziffer 4.10)

44

Entsprechend Ziffer 4.10 Anhang V ProspektVO sind in einem Prospekt Informationen zu einer etwaigen Vertretung von Schuldtitelinhabern zu machen. In Betracht kommen zum Beispiel Gläubigerversammlungen nach § 5 Schuldverschreibungsgesetz4. Im Gegensatz zu dem alten Schuldverschreibungsgesetz aus dem Jahr 1899, dass nur auf Schuldverschreibungen von Emittenten mit Sitz in Deutschland Anwendung gefunden hat, findet das neue Schuldverschreibungsgesetz grundsätzlich auf alle Schuldverschreibungen Anwendung, die unter deutschem Recht begeben werden (vgl. § 1 Abs. 1 Schuldverschreibungsgesetz); auf den Sitz des Emittenten kommt es nicht mehr an. Ähnlich dem englischen Recht kann nach § 5 Abs. 1 Schuldverschreibungsgesetz in den Emissionsbedingungen vorgesehen werden, dass bestimmte, in den Emissionsbedingungen näher definierte Gegenstände durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger entschieden werden. Die gefassten Beschlüsse gelten – sofern sie rechtskräftig sind – gegenüber allen Gläubigern derselben Schuldverschreibung. Wie bereits unter dem alten Schuldverschreibungsgesetz ist es auch weiterhin möglich, einen gemeinsamen 1 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang V EU-ProspektVO Rz. 25. 2 Ausführlich hierzu Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang V EU-ProspektVO Rz. 26. 3 Glismann in Holzborn, Anh. V EU-ProspV Rz. 18. 4 Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung v. 31.7.2009, BGBl. I 2009, 2512.

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Vertreter zu bestimmen, der die Interessen der Gläubiger vertritt (vgl. § 5 Abs. 1 Schuldverschreibungsgesetz). e) Angaben zum erwarteten Emissionstermin (Ziffer 4.12) Nach Ziffer 4.12 Anhang V ProspektVO muss im Fall von Neuemissionen der erwartete Emissionstermin angegeben werden. Unter dem Emissionstermin ist grundsätzlich der Valutatag zu verstehen, dh. der Tag, an dem die Wertpapiere erstmals in das System der Wertpapiersammelbank eingebucht werden1.

45

Während nach Ziffer 4.13 Anhang XIII ProspektVO der „Emissionstermin“ 46 in den Prospekt aufzunehmen ist, weicht der Wortlaut von Ziffer 4.12 Anhang V ProspektVO dahingehend ab, dass nach dieser Ziffer der „erwartete Emissionstermin“ anzugeben ist. Eine unterschiedliche Bedeutung kann daraus indes nicht abgeleitet werden, da in der Praxis die Valutierung in der Regel erst nach dem Beginn des öffentlichen Angebots erfolgt und insoweit nur der erwartete Emissionstermin in den Prospekt aufgenommen werden kann. Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn ein Prospekt zwar nicht für ein öffentliches Angebot erforderlich ist, aber ein Prospekt für die Zulassung an einem organisierten Markt erstellt wird (siehe dazu auch Anhang XIII EU-ProspektVO Rz. 3).

VI. Bedingungen und Voraussetzungen für das Angebot (Ziffer 5) 5. 5.1.

Bedingungen und Voraussetzungen für das Angebot Bedingungen, Angebotsstatistiken, erwarteter Zeitplan und erforderliche Maßnahmen für die Antragstellung 5.1.1. Bedingungen, denen das Angebot unterliegt. 5.1.2. Gesamtsumme der Emission/des Angebots. Ist der Betrag nicht festgelegt, Beschreibung der Vereinbarungen und des Zeitpunkts für die Ankündigung des endgültigen Angebotbetrags an das Publikum. 5.1.3. Frist – einschließlich etwaiger Änderungen – während deren das Angebot gilt und Beschreibung des Antragsverfahrens. 5.1.4. Beschreibung der Möglichkeit zur Reduzierung der Zeichnungen und der Art und Weise der Erstattung des zu viel gezahlten Betrags an die Zeichner. 5.1.5. Einzelheiten zum Mindest- und/oder Höchstbetrag der Zeichnung (entweder in Form der Anzahl der Wertpapiere oder des aggregierten zu investierenden Betrags). 5.1.6. Methode und Fristen für die Bedienung der Wertpapiere und ihre Lieferung. 5.1.7. Vollständige Beschreibung der Art und Weise und des Termins, auf die bzw. an dem die Ergebnisse des Angebots offen zu legen sind. 1 Glismann in Holzborn, Anh. V EU-ProspV Rz. 21.

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5.1.8. Verfahren für die Ausübung eines etwaigen Vorzugsrechts, die Übertragbarkeit der Zeichnungsrechte und die Behandlung von nicht ausgeübten Zeichnungsrechten. 5.2. Plan für die Aufteilung der Wertpapiere und deren Zuteilung 5.2.1. Angabe der verschiedenen Kategorien der potenziellen Investoren, denen die Wertpapiere angeboten werden. Erfolgt das Angebot gleichzeitig auf den Märkten in zwei oder mehreren Ländern und wurde/wird eine bestimmte Tranche einigen dieser Märkte vorbehalten, Angabe dieser Tranche. 5.2.2. Verfahren zur Meldung des den Zeichnern zugeteilten Betrags und Angabe, ob eine Aufnahme des Handels vor dem Meldeverfahren möglich ist. 5.3. Preisfestsetzung 5.3.1. Angabe des Preises, zu dem die Wertpapiere angeboten werden, oder der Methode, mittels deren der Angebotspreis festgelegt wird, und des Verfahrens für die Offenlegung. Angabe der Kosten und Steuern, die speziell dem Zeichner oder Käufer in Rechnung gestellt werden. 5.4. Platzierung und Übernahme (Underwriting) 5.4.1. Name und Anschrift des Koordinators/der Koordinatoren des gesamten Angebots oder einzelner Teile des Angebots und – sofern dem Emittenten oder dem Bieter bekannt – Angaben zu den Platzierern in den einzelnen Ländern des Angebots. 5.4.2. Namen und Geschäftsanschriften der Zahlstellen und der Depotstellen in jedem Land. 5.4.3. Name und Anschrift der Institute, die bereit sind, eine Emission auf Grund einer bindenden Zusage zu übernehmen, und Name und Anschrift der Institute, die bereit sind, eine Emission ohne bindende Zusage oder gemäß Vereinbarungen „zu den bestmöglichen Bedingungen“ zu platzieren. Angabe der Hauptmerkmale der Vereinbarungen, einschließlich der Quoten. Wird die Emission nicht zur Gänze übernommen, ist eine Erklärung zum nicht abgedeckten Teil einzufügen. Angabe des Gesamtbetrages der Übernahmeprovision und der Platzierungsprovision. 5.4.4. Angabe des Zeitpunkts, zu dem der Emissionsübernahmevertrag abgeschlossen wurde oder wird. 1. Allgemeines 47

Die nach Ziffer 5 Anhang V ProspektVO aufzunehmenden Mindestangaben entsprechen im Wesentlichen den Pflichtangaben nach Anhang XII ProspektVO, weshalb insoweit grundsätzlich auf die entsprechende Kommentierung in Anhang XII ProspektVO verwiesen wird (siehe Anhang XII EUProspektVO Rz. 142 ff.). – Ziffer 5.1.1 Anhang V ProspektVO (Ziffer 5.1.1 Anhang XII ProspektVO, dort Rz. 145)

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– Ziffer 5.1.2 Anhang V ProspektVO (Ziffer 5.1.2 Anhang XII dort Rz. 146) – Ziffer 5.1.3 Anhang V ProspektVO (Ziffer 5.1.3 Anhang XII dort Rz. 147 ff.) – Ziffer 5.1.5 Anhang V ProspektVO (Ziffer 5.1.4 Anhang XII dort Rz. 150) – Ziffer 5.1.6 Anhang V ProspektVO (Ziffer 5.1.5 Anhang XII dort Rz. 151 ff.) – Ziffer 5.1.7 Anhang V ProspektVO (Ziffer 5.1.6 Anhang XII dort Rz. 154 ff.) – Ziffer 5.2.1 Anhang V ProspektVO (Ziffer 5.2.1 Anhang XII dort Rz. 157 f.) – Ziffer 5.2.2 Anhang V ProspektVO (Ziffer 5.2.2 Anhang XII dort Rz. 159 f.) – Ziffer 5.3.1 Anhang V ProspektVO (Ziffer 5.3 Anhang XII dort Rz. 161) – Ziffer 5.4.1 Anhang V ProspektVO (Ziffer 5.4.1 Anhang XII dort Rz. 163) – Ziffer 5.4.2 Anhang V ProspektVO (Ziffer 5.4.2 Anhang XII dort Rz. 164 ff.) – Ziffer 5.4.4 Anhang V ProspektVO (Ziffer 5.4.4 Anhang XII dort Rz. 168 ff.)

ProspektVO, ProspektVO, ProspektVO, ProspektVO, ProspektVO, ProspektVO, ProspektVO, ProspektVO, ProspektVO, ProspektVO, ProspektVO,

2. Besonderheiten bei einzelnen Angaben über die Wertpapiere Bei einer Reihe von Ziffern in Anhang V ProspektVO bestehen Besonderhei- 48 ten, auf die im Folgenden hingewiesen werden soll. a) Angaben zur Zeichnungsreduzierung im erwarteten Emissionstermin (Ziffer 5.1.4) Nach Ziffer 5.1.4 Anhang V ProspektVO muss ein Prospekt Angaben zur Zeichnungsreduzierung und zur Rückerstattung des zu viel gezahlten Betrags an die Zeichner enthalten. Angaben nach Ziffer 5.1.4 Anhang V ProspektVO sind dann erforderlich, wenn ein Zuteilungsverfahren im Anschluss an eine Zeichnungsfrist erfolgt und dementsprechend der Zeichner gegebenenfalls nicht Wertpapiere in dem gezeichneten Umfang erhält (siehe dazu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 46). Die im Rahmen der Ziffer 5.1.4 Anhang V ProspektVO geforderten Mindestangaben sind im Rahmen des Ziffer 5 Anhang XII ProspektVO nicht erforderlich.

49

b) Angaben zum Verfahren für die Ausübung eines Vorzugsrechts (Ziffer 5.1.8) Abweichend von Ziffer 5 Anhang XII ProspektVO sind nach Ziffer 5.1.8 Anhang V ProspektVO in den Prospekt gegebenenfalls Angaben zum Verfahren

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für die Ausübung eines etwaigen Vorzugsrecht, die Übertragbarkeit der Zeichnungsrechte und die Behandlung von nicht ausgeübten Zeichnungsrechten aufzunehmen. Die praktische Bedeutung im Fall von Prospekten auf Nicht-Dividendenwerte ist allerdings gering (vgl. zur Bedeutung im Fall von Aktienemissionen Anhang III EU-ProspektVO Rz. 50). c) Angaben zum übernehmenden Institut (Ziffer 5.4.3) 51

Während Ziffer 5.4.3 Anhang XII ProspektVO fordert, dass in dem Prospekt „Einzelheiten“ über die Institute, die auf Grund einer bindenden Zusage oder ohne bindende Zusage bereit sind, eine Emission zu übernehmen, verlangt Ziffer 5.4.3 Anhang V ProspektVO lediglich, dass der Name und die Anschrift der entsprechenden Institute im Prospekt angegeben wird1. Darüber hinaus sind im Rahmen der Ziffer 5.4.3 Anhang V ProspektVO auch die Hauptmerkmale der Vereinbarungen, einschließlich der Quoten, anzugeben. Zu den Hauptmerkmalen der Vereinbarungen zählen dabei ua. Angaben zur Übernahme und Unterbringung der Emission, Haftungsregelungen etc.2 Weiterhin sind im Fall von syndizierten Produkten Angaben zur Übernahme- und Platzierungsprovision zu machen (siehe dazu Anhang XII EUProspektVO Rz. 169).

VII. Zulassung zum Handel und Handelsregeln (Ziffer 6) 6. Zulassung zum Handel und Handelsregeln 6.1. Angabe, ob die angebotenen Wertpapiere Gegenstand eines Antrags auf Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt oder sonstigen gleichwertigen Märkten sind oder sein werden, wobei die jeweiligen Märkte zu nennen sind. Dieser Umstand ist anzugeben, ohne jedoch den Eindruck zu erwecken, dass die Zulassung zum Handel notwendigerweise erfolgen wird. Wenn bekannt, sollte eine Angabe der frühestmöglichen Termine der Zulassung der Wertpapiere zum Handel erfolgen. 6.2. Angabe sämtlicher geregelten oder gleichwertigen Märkte, auf denen nach Kenntnis des Emittenten Wertpapiere der gleichen Wertpapierkategorie, die zum Handel angeboten oder zugelassen werden sollen, bereits zum Handel zugelassen sind. 6.3. Name und Anschrift der Institute, die aufgrund einer bindenden Zusage als Intermediäre im Sekundärhandel tätig sind, um Liquidität mittels Geld- und Briefkursen zur Verfügung stellen, und Beschreibung der Hauptbedingungen der Zusage. 1 Unter § 15 Abs. 1 Nr. 12 BörsZulV aF bzw. § 4 Nr. 11 VerkProspVO aF war auch bereits die bloße Aufzählung aller an der Emission beteiligter Konsortialbanken ausreichend, siehe dazu Heidelbach in Schwark, § 15 BörsZulV Rz. 13; Heidelbach in Schwark, § 4 VerkProspV Rz. 9. 2 Ausführlich dazu Diekmann in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 25 Rz. 27 ff.

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Die Mindestangaben in Ziffer 6 Anhang V ProspektVO stimmen mit den 52 Mindestangaben nach Ziffer 6 Anhang XII ProspektVO überein, so dass insoweit auf die dort getroffenen Ausführungen verwiesen werden kann (siehe Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 172 f.).

VIII. Zusätzliche Angaben (Ziffer 7) 7. Zusätzliche Angaben 7.1. Werden an einer Emission beteiligte Berater in der Wertpapierbeschreibung genannt, ist eine Erklärung zu der Funktion abzugeben, in der sie gehandelt haben. 7.2. Angabe weiterer Informationen in der Wertpapierbeschreibung, die von gesetzlichen Abschlussprüfern geprüft oder einer prüferischen Durchsicht unterzogen wurden und über die die Abschlussprüfer einen Prüfungsbericht erstellt haben. Reproduktion des Berichts oder mit Erlaubnis der zuständigen Behörden Zusammenfassung des Berichts. 7.3. Wird in die Wertpapierbeschreibung eine Erklärung oder ein Bericht einer Person aufgenommen, die als Sachverständiger handelt, so sind der Name, die Geschäftsadresse, die Qualifikationen und – falls vorhanden – das wesentliche Interesse am Emittenten anzugeben. Wurde der Bericht auf Ersuchen des Emittenten erstellt, so ist eine diesbezügliche Erklärung dahingehend abzugeben, dass die aufgenommene Erklärung oder der aufgenommene Bericht in der Form und in dem Zusammenhang, in dem sie bzw. er aufgenommen wurde, die Zustimmung von Seiten dieser Person erhalten hat, die den Inhalt dieses Teils der Wertpapierbeschreibung gebilligt hat. 7.4. Sofern Angaben von Seiten Dritter übernommen wurden, ist zu bestätigen, dass diese Information korrekt wiedergegeben wurde und dass – soweit es dem Emittenten bekannt ist und er aus den von dieser dritten Partei veröffentlichten Informationen ableiten konnte – keine Tatsachen unterschlagen wurden, die die wiedergegebenen Informationen unkorrekt oder irreführend gestalten würden. Darüber hinaus hat der Emittent die Quelle(n) der Informationen anzugeben. 7.5. Angabe der Ratings, die einem Emittenten oder seinen Schuldtiteln auf Anfrage des Emittenten oder in Zusammenarbeit mit dem Emittenten beim Ratingverfahren zugewiesen wurden. Kurze Erläuterung der Bedeutung der Ratings, wenn sie erst unlängst von der Ratingagentur erstellt wurden. Die Ziffern 7.1 bis 7.4 Anhang V ProspektVO entsprechen den Wortlauten der entsprechenden Ziffern in Anhang XII ProspektVO, so dass insoweit auf die dort erfolgten Ausführungen verwiesen werden kann (siehe Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 174 ff.).

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Abweichend von Ziffer 7.5 Anhang XII ProspektVO enthält Ziffer 7 An- 54 hang V ProspektVO keine Verpflichtung im Prospekt anzugeben, ob der

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Emittent die Veröffentlichung von Informationen nach erfolgter Emission beabsichtigt. 55

Nach Ziffer 7.5 Anhang V ProspektVO müssen in einem Prospekt Angaben zum Rating, die einem Emittenten oder seinen Schuldtiteln zugewiesen wurden, veröffentlicht werden. Dabei ist erforderlich, dass eine kurze Erläuterung der Bedeutung des Ratings beigefügt wird, wenn sie erst unlängst von der Ratingagentur erstellt wurden. Eine entsprechende Verpflichtung ist bei Aktien (vgl. Ziffer 10 Anhang III ProspektVO) und derivativen Wertpapieren (vgl. Ziffer 7 Anhang XII ProspektVO) nicht vorgesehen. Für den Fall, dass Informationen zum Rating des Emittenten oder seiner Schuldtiteln in einen Prospekt aufgenommen werden, ist darauf zu achten, dass die Anforderungen nach Ziffer 7.4 Anhang V ProspektVO beachtet werden, sofern das Rating von einer dritten Stelle erstellt wurde, was in der Regel der Fall sein wird.

56

Sofern Ratings in einen Prospekt einbezogen werden, muss ein Prospekt zukünftig nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1060/20091 eine klare und unmissverständliche Information enthalten, ob diese Ratings von einer Ratingagentur mit Sitz in der Gemeinschaft abgegeben wurden, die im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 registriert wurde. Wie sich aus Erwägungsgrund Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 ergibt, sollte die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 keine Verpflichtung für Finanzinstitute oder Anleger begründen, ausschließlich in Wertpapiere zu investieren, für die ein Prospekt entsprechend der Prospektrichtlinie bzw. der Prospektverordnung erstellt wurde und die einem Rating gemäß Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 unterzogen wurden. Ebenso soll die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 Emittenten und Anbieter, die die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragen, nicht verpflichten, Ratings für Wertpapiere zu veröffentlichen, für die nach der Prospektrichtlinie und der Prospektverordnung ein Prospekt zu veröffentlichen ist.

1 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über Ratingagenturen, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1 ff.

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Anhang VI Mindestangaben für Garantien (Zusätzliches Modul) 1. Art der Garantie Beschreibung jeder Vereinbarung, mit der sichergestellt werden soll, dass jeder Verpflichtung, die für die Emission von wesentlicher Bedeutung ist, angemessen nachgekommen wird, und zwar in Form einer Garantie, Sicherheit, „Keep well“-Übereinkunft, „Mono-line“-Versicherungspolice oder einer gleichwertigen Verpflichtung (nachfolgend unter dem Oberbegriff „Garantien“ zusammengefasst, wobei ihr Steller diesbezüglich als „Garantiegeber“ bezeichnet wird). Unbeschadet der vorangehenden allgemeinen Bemerkungen umfassen derartige Vereinbarungen auch Verpflichtungen zur Gewährleistung der Rückzahlung von Schuldtiteln und/oder der Zahlung von Zinsen. In der Beschreibung sollte auch dargelegt werden, wie mit der Vereinbarung sichergestellt werden soll, dass die garantierten Zahlungen ordnungsgemäß bedient werden. 2. Anwendungsbereich der Garantie Es sind Einzelheiten über die Bedingungen und den Anwendungsbereich der Garantie offen zu legen. Unbeschadet der vorangegangenen allgemeinen Bemerkungen müssen diese detaillierten Angaben jede Besonderheit bei der Anwendung der Garantie im Falle eines Ausfalls im Sinne der Sicherheit und der wesentlichen Bedingungen einer „Mono-line“-Versicherung oder einer „Keep well“-Übereinkunft zwischen dem Emittenten und dem Garantiegeber umfassen. Auch müssen detaillierte Angaben zu einem eventuellen Vetorecht des Garantiegebers in Bezug auf Veränderungen bei den Rechten eines Wertpapierinhabers gemacht werden, so wie dies bei einer „Mono-line“-Versicherung oftmals der Fall ist. 3. Offenzulegende Angaben über den Garantiegeber Der Garantiegeber muss Angaben über sich selbst offen legen, so als wäre er der Emittent derselben Art des Wertpapiers, die Gegenstand der Garantie ist. 4. Einsehbare Dokumente Angabe des Ortes, an dem das Publikum die wesentlichen Verträge und sonstige Dokumente in Bezug auf die Garantie einsehen kann. Inhaltsübersicht I. Anwendungsbereich . . . . . .

1

II. Art der Garantie (Ziffer 1) . . .

5

III. Bedingungen der Garantie (Ziffer 2) . . . . . . . . . . . . . . .

7

IV. Offen zu legende Angaben über den Garantiegeber (Ziffer 3) . . . . . . . . . . . . . . .

8

V. Einsehbare Dokumente (Ziffer 4) . . . . . . . . . . . . . . .

10

Schlitt/Schäfer

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EU-ProspektVO

Anhang VI

I. Anwendungsbereich 1

Anhang VI ProspektVO ist ein Modul. Wie sich aus der Legaldefinition des Begriffs „Modul“ in Art. 2 Nr. 2 ProspektVO ergibt, handelt es sich um eine Liste zusätzlicher Angaben, die nicht in den Schemata enthalten sind und einem oder mehreren dieser Schemata anzufügen sind, je nachdem, um welches Instrument und/oder um welche Transaktion es sich handelt, für die ein Prospekt oder ein Basisprospekt erstellt wurde. Dieses Konzept trägt dem Umstand Rechnung, dass in Anbetracht der vielfältigen Arten von Emittenten und Wertpapieren ein einziges Schema häufig nicht ausreicht, um eine fundierte Anlageentscheidung zu ermöglichen (Erwägungsgrund 6 ProspektVO). Bei den Angaben zum Garanten und einer Garantie handelt es sich zudem um einen Sonderfall, da es sich weder um den Emittenten, noch um die Wertpapiere handelt.

2

Die Angaben nach Anhang VI sind gemäß Art. 9, 21 Abs. 1 ProspektVO iVm. Anhang XVIII ProspektVO in Prospekte zu von Dritten garantierten Schuldtiteln und von Dritten garantierten derivativen Wertpapiere aufzunehmen. Wie sich aus Erwägungsgrund 12 ProspektVO und Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 ProspektVO ergibt, ist diese Aufzählung nicht abschließend, so dass andere, ebenfalls mit einer Garantie ausgestattete Wertpapiere ebenfalls in den Anwendungsbereich des Anhang VI ProspektVO fallen.

3

Der Begriff des Schuldtitels umfasst, wie sich im Umkehrschluss aus Art. 4 ProspektVO ergibt, auch indirekt begebene Wandelanleihen, dh. solche, bei denen Wandelanleihen durch eine Finanztochter ausgegeben werden1.

4

Ist der Staat oder eine staatliche Stelle Garantiegeber, wie unter den anlässlich der Finanz- und Wirtschaftskrise von verschiedenen Mitgliedstaaten aufgelegten Konjunkturprogrammen vorgesehen, besteht je nach nationaler Umsetzung des Art. 1 Abs. 2 lit. d Prospektrichtlinie bereits keine Prospektpflicht, so auch in Deutschland für vom Staat oder Gebietskörperschaften unbedingt und unwiderruflich garantierte Wertpapiere (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 WpPG). Sofern dennoch (freiwillig) ein Prospekt erstellt wird (§ 1 Abs. 3 WpPG, sog. Opt-in), sind alle Bestimmungen des Anhangs VI ProspektVO einzuhalten2. Nach einem Änderungsvorschlag der EU-Kommission sollen hingegen künftig Angaben zum Garanten nicht erforderlich sein, wenn es sich dabei um einen Mitgliedstaat handelt und die Garantie unbedingt und unwiderruflich ist3. 1 Zur indirekten Wandelanleiheemission Schlitt/Hemeling in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 10 Rz. 47 ff. 2 CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 70. 3 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenz-

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Schlitt/Schäfer

Anhang VI

EU-ProspektVO

II. Art der Garantie (Ziffer 1) Anhang VI Ziffer 1 ProspektVO beschreibt Arten von Garantien, zu deren 5 inhaltlicher Ausgestaltung im Prospekt Stellung zu nehmen ist. Indirekt wird damit auch der Anwendungsbereich des Anhang VI ProspektVO näher beschrieben, da alle genannten Arten von Garantien unter den oben in Rz. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen die Aufnahme zusätzlicher Angaben in den Prospekt erforderlich werden lassen. Beispielhaft werden Garantien, Sicherheiten, „Keep well“-Übereinkünfte (denen im deutschen Recht Patronatserklärungen entsprechen1), „Mono-line“-Versicherungspolicen genannt und unter dem Oberbegriff „Garantie“ zusammengefasst. Die genannten Arten von Garantien sind nicht abschließend aufgezählt, sondern enthalten eine Öffnungsklausel, über die jegliche Vereinbarung erfasst wird, die sicherstellen soll, dass jeder Verpflichtung, die für die Emission von wesentlicher Bedeutung ist, angemessen nachgekommen wird. Insgesamt ist daher nicht die Bezeichnung als solche, sondern die Funktion einer Vereinbarung oder eines Versprechens für dessen Qualifikation als Garantie iS des Anhang VI Ziffer 1 ProspektVO ausschlaggebend.

6

III. Bedingungen der Garantie (Ziffer 2) Anhang VI Ziffer 2 ProspektVO erfordert die Angabe der Bedingungen und des Anwendungsbereichs der Garantie in ihren Einzelheiten. Dem wird üblicherweise durch die Wiedergabe des gesamten Wortlauts der Garantie Genüge getan. Dabei ist ähnlich wie bei Anleihebedingungen in von der BaFin zu billigenden Prospekten darauf zu achten, dass nur die bindende Version der Garantie sowie ggf. eine Übersetzung in die deutsche Sprache Inhalt des Prospekt sein dürfen. Der Abdruck einer unverbindlichen Übersetzung in eine ausländische, etwa die englische Sprache, wird von der BaFin hingegen lediglich als Anhang zum eigentlichen Prospekt hinter der Unterschriftenseite toleriert2, siehe dazu die Kommentierung zu Anhang V und Anhang VIII.

7

IV. Offen zu legende Angaben über den Garantiegeber (Ziffer 3) Anhang VI Ziffer 3 ProspektVO enthält Anforderungen an die Angaben im 8 Registrierungsformular. Neben der Beschreibung des Emittenten ist demnach auch eine Beschreibung des Garantiegebers aufzunehmen. Welchen Umfang diese Beschreibung hat, richtet sich nach dem Wertpapier, bezüganforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, KOM (2009) 491 endgültig; Council of the European Union, 10254/10 v. 28.5.2010, Erwägungsgrund 12. 1 Holzborn/Heisse in Holzborn, Anh. VI EU-ProspV Rz. 2. 2 Glomb-Schmidt/Gockel, Ausgewählte Rechtsfragen in der Aufsichtspraxis, Präsentation der BaFin v. 4.9.2007, S. 16; Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (529).

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EU-ProspektVO

Anhang VI

lich dessen Verpflichtungen die Garantie ausgesprochen wurde, je nachdem, ob die Stückelung unter 50.000 Euro liegt oder mindestens 50.000 Euro beträgt, also grundsätzlich nach Anhang IV oder Anhang IX1. 9

Unterfällt das garantierte Wertpapier Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 ProspektVO, also insbesondere im Falle indirekter Wandelanleiheemissionen, in denen die deutsche Muttergesellschaft eine Garantie ausspricht, so sind ohnehin entsprechend den für den Emittenten erforderlichen Angaben zu der Muttergesellschaft die Angaben nach Anhang I ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen. Da Anhang I den umfassendsten Katalog enthält (Art. 21 Abs. 1 Nr. 1 ProspektVO), wird damit das Verhältnis der Darstellung umgekehrt: Die Darstellung des Garanten wird umfassender als die des eigentlichen Emittenten.

V. Einsehbare Dokumente (Ziffer 4) 10

Anhang VI Ziffer 4 ProspektVO erfordert die Angabe eines Ortes, an dem die wesentlichen Verträge und sonstigen Dokumente in Bezug auf die Garantie eingesehen werden können. Üblicherweise wird die Zahlstelle oder der Garantiegeber im Prospekt als solcher Ort benannt.

1 Siehe auch Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 282.

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Vorbemerkung vor Anhang VII und VIII Schrifttum: Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Handbuch für das gesamte Investmentwesen, Bd. 1, 2009; Behrends/Bierwirth, Credit Pooling, Butterworths Journal of International Banking and Financial Law 2007, 391; Bosak/Weller, Aktuelle Rechtsfragen der Verbriefung, ZfgK 2006, 1026; Brandt, Kreditderivate, BKR 2002, 243; Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslandInvestmG, 2003; Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Rundschreiben 14/2008 (WA) zum Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG; Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Rundschreiben 1/2002: Anlagen in Asset Backed Securities und Credit Linked Notes; Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Rundschreiben 4/1997 – Veräußerung von Kundenforderungen im Rahmen von Asset Backed Securities-Transaktionen durch deutsche Kreditinstitute; CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive of July 2003; CESR, Addendum to the Consultation Paper on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive (Ref. CESR/185-b) and Annexes (Ref. CESR/02-286) to the addendum to the Consultation Paper on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive, December 2002; Fuller/Ranero, Collateralised Debt Obligations, Butterworths Journal of International Banking and Financial Law 2005, 343; Irish Stock Exchange, Listing and Admission to Trading – Guidelines for Asset Backed Securities, Stand: 2009; Kaiser, Asset Backed Securities, in Eilers/Rödding/ Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 2008, S. 576; Schnatmeyer, Anwendbarkeit des Auslandinvestment-Gesetzes auf Asset-Backed-Securities, WM 1997, 1796; Zeising, Asset Backed Securities (ABS) – Grundlagen und neuere Entwicklungen, BKR 2007, 311.

Inhaltsübersicht I. Überblick . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Anwendungsbereich der Anhänge VII und VIII 1. Definition „Asset Backed Securities“ . . . . . . . . . . . . . 8 2. Art. 2 Nr. 5 lit. a ProspektVO; True-Sale-Verbriefungstransaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 12 3. Art. 2 Nr. 5 lit. b ProspektVO; synthetische Verbriefungstransaktionen . . . . . . . . . . . 13

4. Von Kreditinstituten begebene Credit Linked Notes . . . 5. Emissionsplattformen für strukturierte Anleihen/ Zertifikate . . . . . . . . . . . . . . 6. Pfandbriefe; Covered Bonds . . . . . . . . . . . . . . . . .

14 15 16

III. Kombination von Anhang VII und VIII mit anderen Schemata . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

I. Überblick Die ProspektVO sieht besondere Prospektanforderungen bei öffentlich ange- 1 botenen oder an einem regulierten Markt zugelassenen Asset Backed Securities/ABS vor. Ähnlich wie bei anderen Nichtdividendenwerten waren die von der IOSCO (International Organization of Securities Commissions) zunächst für Aktienemissionen entwickelten Prospektstandards (International Disclosure Standards for Cross-Border Offerings and Initial Listings by

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EU-ProspektVO

Vor Anhang VII, VIII

Foreign Issuers), auf denen die Anhänge der ProspektVO grundsätzlich aufbauen1, auf die konkreten Anforderungen für ABS-Papiere zuzuschneiden. Denn im Zeitpunkt des Erlasses der ProspektVO gab es noch keine IOSCOStandards für ABS-Prospekte und auch die IOSCO-Grundsätze für Anleiheprospekte befanden sich damals noch in der Entwicklung2. Die ABS-Prospektanforderungen der ProspektVO lehnen sich daher zT an Regelungen an, die vor Implementierung der Prospektrichtlinie bei Börsenzulassungen an für ABS besonders relevanten Märkten galten, wie etwa die für ABS geltenden Listing Rules der Irish Stock Exchange. Nicht zuletzt in Reaktion auf die Subprime-Krise und zurückgehend auf einen Bericht der IOSCO Task Force zur Subprime-Krise vom Mai 2008 wurden am 8.4.2010 nunmehr auch die IOSCO Disclosure-Grundsätze für ABS-Prospekte (International Disclosure Principles for Cross-Border Offerings and Listings of Asset Backed Securities) veröffentlicht, die derzeit jedoch noch keine unmittelbare Auswirkung auf die Prospektanforderungen nach Anhang VII und VIII ProspektVO haben. Während die IOSCO-Grundsätze Leitlinien für Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden zur Schaffung oder Weiterentwicklung des Kapitalmarktrechts darstellen, sind im Zuge der Subprime- und Finanzkrise auch freiwillige Offenlegungs- und Transparenzpflichten geschaffen worden, wie etwa die European Securitisation Forum RMBS Issuer Principles for Transparency and Disclosure vom Dezember 20083, die in erster Linie bei britischen ABS-Emissionen angewendet werden. Auch die deutsche True Sale Initiative (TSI) hat Empfehlungen für den Prospektinhalt bzw. -aufbau ausgesprochen, wie etwa die im Hinblick auf eine TSI-Zertifizierung herausgebenen Empfehlungen für den Aufbau von Offering Circulars4. Hierbei handelt es sich um Selbstverpflichtungen der betreffenden Marktteilnehmer, die gegebenenfalls neben den in der ProspektVO niedergelegten Prospektanforderungen zu berücksichtigen sind. Von den aufsichtsrechtlichen Prospektanforderungen zu unterscheiden sind des Weiteren die vor allem für die Strukturierung einer ABS-Transaktion (zT aber auch für die Offenlegung und Transparenz) relevanten Anforderungen, wie die Vorgaben der Rating-Agenturen, die Eigenkapitalvorschriften (vgl. Kapitel 6 der Solvabilitätsverordnung) und gegebenenfalls die Anforderungen der Europäischen Zentralbank (EZB) an ABS-Papiere, die als Sicherheiten bei der EZB hinterlegt werden können5. 1 Art. 7 Abs. 3 Prospektrichtlinie, siehe dazu Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (507). 2 Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 (507). Die IOSCO Disclosure Standards für Anleihen (International Disclosure Principles for Cross-Border Offerings and Listings of Debt Securities by Foreign Issuers) wurden im Jahr 2007 veröffentlicht. 3 http://www.afme.eu/document.aspx?id=2868. 4 http://www.true-sale-international.de/leistungen/zertifizierung/vorraussetzungen.html. 5 Die EZB hat am 23.12.2009 ein Konsultationspapier veröffentlich, das detaillierte Vorgaben an die Offenlegung und das Reporting von Informationen zu den Darlehen, die den ABS-Papieren zugrunde liegen (ABS Loan Level Information) vorsieht (http://www.ecb.int/paym/pdf/cons/abs/ecb_consultation_on_loan-byloan_information_for_abs.pdf?9ec7e29927975f528452d2190f22312e). Die Ergebnisse der Konsultation sind am 23.4.2010 veröffentlicht worden und die Arbeit an

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Vor Anhang VII, VIII

EU-ProspektVO

Da Asset Backed Securities ganz überwiegend nur institutionellen Investoren angeboten werden und eine Mindeststückelung von 50.000 Euro aufweisen, wird ein Prospekt nach den Vorgaben der ProspektVO in der Regel nicht aufgrund eines öffentlichen Angebots1, sondern im Hinblick auf eine Zulassung zum Handel an einem regulierten Markt erstellt. Insbesondere die von der BaFin geprüften „ABS-Prospekte“ betreffen allerdings auch und gerade bestimmte Arten von öffentlich angebotenen strukturierten Anleihen/Zertifikaten. Diese sind zwar keine „klassischen“ ABS-Transaktionen. Sie werden jedoch von Zweck- bzw. Verbriefungsgesellschaften begeben und sind mit Sicherungsinstrumenten unterlegt, was dazu führt, dass sie von der BaFin als Asset Backed Securities iS von Anhang VII und VIII angesehen werden (näher dazu unten Rz. 14).

2

Die spezifischen prospektrechtlichen Anforderungen bei Asset Backed Se- 3 curities betreffen zum einen das Registrierungsformular (Emittentenbeschreibung) für Asset Backed Securities gemäß Anhang VII ProspektVO, der auf Art. 10 ProspektVO beruht. Darüber hinaus enthält der auf Art. 11 ProspektVO beruhende Anhang VIII Prospekt VO spezielle Anforderungen an die Wertpapierbeschreibung für Asset Backed Securities. Bei der Emittentenbeschreibung gemäß Anhang VII ProspektVO handelt es sich um ein selbständiges Schema (schedule) für Angaben zu Emittenten von ABS-Papieren, dh. die in Anhang VII ProspektVO aufgeführten Anforderungen sind abschließend und es kommen nicht zusätzlich noch weitere emittentenbezogene Anhänge zur Anwendung. Die Beschreibung der Emittentin der ABS-Papiere richtet sich daher nicht (auch nicht ergänzend) nach den Anhängen IV oder IX der ProspektVO.

4

Demgegenüber sind die besonderen Anforderungen an die Wertpapier- 5 beschreibung gemäß Anhang VIII ProspektVO bei ABS nicht als selbständiges Schema, sondern als Modul (building block) konzipiert, das mit einem Schema einer Wertpapierbeschreibung zu kombinieren ist (vgl. Art. 21 iVm. Anhang XVIII ProspektVO). Im Fall von ABS ergeben sich die allgemeinen, nicht ABS-spezifischen Anforderungen an die Wertpapierbeschreibung entweder aus Art. 16 iVm. Anhang XIII ProspektVO (Wertpapierbeschreibung für Schuldverschreibungen mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro) bzw. – bei kleineren Stückelungen – aus Art. 8 iVm. Anhang V ProspektVO oder aus Art. 15 iVm. Anhang XII ProspektVO (derivative Wertpapiere, näher dazu unten Rz. 17 ff.).

der Ergänzung des rechtlichen Rahmens für die Anerkennung von Sicherheiten soll in der zweiten Hälfte des Jahres 2010 aufgenommen werden, wobei dann zur Umsetzung der neuen Vorgaben durch die betroffenen Marktteilnehmer eine zwölfmonatige Übergangsfrist geplant ist (http://www.ecb.int/pub/pdf/other/consultationabsloanlevelinformationen.pdf?253e0c2b1702a073c6daa9a6d12d6a97). 1 Relevante Ausnahmen von der Prospektpflicht sind in Art. 3 Abs. 2 lit. a bis d Prospektrichtlinie bzw. § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 WpPG vorgesehen.

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EU-ProspektVO

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6

Für Asset Backed Securities stehen sämtliche, in der Prospektrichtlinie vorgesehenen Prospektformate zur Verfügung. Prospekte für Asset Backed Securities können sowohl als dreiteiliger wie auch als einteiliger Prospekt erstellt werden. Darüber hinaus können Asset Backed Securities auch Gegenstand eines Basisprospekts sein (Art. 22 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 ProspektVO). In der Praxis sind vor allem der einteilige Prospekt und bei bestimmten Emissionsplattformen, über die eine Vielzahl von Schuldverschreibungen begeben werden, auch der Basisprospekt von Bedeutung.

7

Enthalten die verbrieften Portfolien Vermögenswerte iS von § 2 Abs. 4 InvG, kann sich bei der Begebung von ABS-Papieren durch ausländische Zweckgesellschaften1 die Frage stellen, ob es sich hier um ausländische Investmentanteile iS des § 2 Abs. 9 InvG handelt und daher die aufsichts- und steuerrechtlichen Vorgaben des Investmentgesetzes und des Investmentsteuergesetzes zu beachten sind. Aufsichtsrechtlich wird schon aus Gründen des beschränkten Investorenkreises die Frage, ob alternativ oder ergänzend die Vorschriften des Investmentgesetzes Anwendung finden, häufig dahingestellt bleiben können, da Angebote an institutionelle Investoren keinen öffentlichen Vertrieb iS des Investmentgesetzes darstellen (§ 2 Abs. 11 Nr. 1 InvG). Zudem setzt der Begriff des ausländischen Investmentanteils voraus, dass die Investoren ein Recht zur Rückgabe besitzen oder, wenn dieses nicht der Fall ist, dass das betreffende Vermögen einer ausländischen Investmentaufsicht unterliegt (§ 2 Abs. 9 InvG)2. Ferner stellen ABS bzw. Collateralised Debt Obligations (CDO)3 insbesondere dann keine ausländischen Investmentanteile dar, wenn der Geschäftsbetrieb der Zweckgesellschaft nicht hauptsächlich auf die Anlage und Verwaltung ihrer Mittel für gemeinschaftliche Rechnung der Inhaber der CDOs gerichtet ist4.

II. Anwendungsbereich der Anhänge VII und VIII 1. Definition „Asset Backed Securities“ 8

Die Prospektanforderungen gemäß Art. 10, 11 ProspektVO iVm. den Anhängen VII und VIII der ProspektVO finden auf Asset Backed Securities An1 Deutsche Zweckgesellschaften, die ABS-Papiere begeben, sind weder Kapitalanlagegesellschaften noch Investmentaktiengesellschaften und werden auch nicht als Investmentfonds bezeichnet. Sie unterfallen daher schon aus diesem Grund (sog. formeller Fondsbegriffs) nicht dem Investmentgesetz. 2 BaFin, Rundschreiben 14/2008 (WA) Abschnitte I. 2. und I. 3. 3 Die BaFin (Rundschreiben 14/2008 (WA) Abschnitt I. 4. b)) behandelt ABS für die Zwecke der Abgrenzung zu ausländischen Investmentanteilen terminologisch als Unterfall von CDOs. 4 BaFin, Rundschreiben 14/2008 (WA) Abschnitt I. 4. b). Zur Abgrenzung einer investmentrechtlich relevanten Anlage nach dem Grundsatz der Risikomischung von dem Geschäftszweck und der Geschäftsaktivität einer Zweckgesellschaft, die ABS auf der Grundlage eines Portfolios von Vermögenswerten emittiert, auch Schnatmeyer, WM 1997, 1796 (1798). Ebenso Beckmann in Beckmann/Scholtz/ Vollmer, § 1 Rz. 40 und zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Investmentgesetzes Pfüller/Schmitt in Brinkhaus/Scherer, § 1 AuslInvG Rz. 29.

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EU-ProspektVO

wendung. Der Begriff „Asset Backed Securities“, der in der deutschen Fassung der ProspektVO auch durch Verwendung des Ausdrucks „durch Vermögenswerte unterlegte Wertpapiere“ wiedergegeben wird, ist in Art. 2 Nr. 5 ProspektVO definiert: „Durch Vermögenswerte unterlegte Wertpapiere“ („Asset Backed Securities/ABS“) bezeichnet Wertpapiere, die a) einen Anspruch auf Vermögenswerte darstellen, einschließlich der Rechte, mit denen eine Bedienung der Wertpapiere, der Eingang oder die Pünktlichkeit des Eingangs zahlbarer Beträge von Seiten der Inhaber der Vermögenswerte sichergestellt werden soll, wenn es um die in diesem Rahmen zahlbaren Beträge geht; b) durch Vermögenswerte unterlegt sind und deren Bedingungen vorsehen, dass Zahlungen erfolgen, die sich auf Zahlungen oder angemessene Zahlungsprognosen beziehen, die unter Bezugnahme auf bestimmte oder bestimmbare Vermögenswerte berechnet werden. Diese Definition geht zurück auf einen Vorschlag von CESR im Rahmen der im Dezember 2002 veröffentlichten Ergänzung des Consultation Paper von Oktober 20021 zur Level 2-Implementation der Prospektrichtlinie und ist nahezu wortgleich mit der von CESR im Final Advice von Juli 2003 verwendeten Definition2.

9

Die in Art. 2 Nr. 5 ProspektVO enthaltene zweigeteilte Definition ist, zu- 10 mal in ihrer deutschsprachigen Fassung, etwas sperrig und nicht in jeder Hinsicht klar. Etwas griffiger als die Definition des Art. 2 Nr. 5 lit. a und b ProspektVO und für die meisten klassischen Asset Backed Securities zutreffend ist eine von CESR im Rahmen des Konsultationsprozesses verwendete typisierende Umschreibung, wonach Asset Backed Securities üblicherweise von einer Zweckgesellschaft (special purpose vehicle or entity) begeben werden und mit Vermögenswerten unterlegt sind (backed by assets), die Zahlungen generieren, die für Zinszahlungen und Rückzahlung des Kapitals der ABS-Papiere verwendet werden3. Der Grundgedanke besteht darin, dass bei diesen Wertpapieren die wirtschaftliche Substanz bei den zugrunde liegenden Vermögenswerten und nicht bei der Bonität der emittierenden Zweckgesellschaft liegt und daher besondere Informationspflichten hinsichtlich der zugrunde liegenden Aktiva gebietet. Entsprechend dieser Grundvorstellung sind die Anhänge VII und VIII insbesondere auf Emissionen von Zweckgesellschaften ausgerichtet, deren wesentliches Vermögen aus den zugrunde liegenden, durch die Asset Backed Securities verbrieften und von der Zweckgesellschaft zu diesem Zweck erworbenen Vermögens1 CESR Annex 10 in Annexes (Ref. CESR/02-286) to the addendum to the Consultation Paper on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive (Ref. CESR/185-b), December 2002. 2 CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive of July 2003, paragraph 65. 3 So die von CESR in Ziffer 140 des Addendum to the Consultation Paper vom Dezember 2002 verwendete typisierte Umschreibung von Asset Backed Securities.

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Vor Anhang VII, VIII

werten besteht1. Die in Art. 2 Nr. 5 lit. a und b ProspektVO enthaltenen Definition von ABS ist vor dem Hintergrund dieses von CESR beschriebenen Grundtypus von Asset Backed Securities zu lesen. Die Definition des Art. 2 Nr. 5 lit. a und b ProspektVO umfasst danach typischerweise alle wertpapiermäßig verbrieften und von Zweckgesellschaften begebenen Asset Backed Securities und Collateralised Debt Obligations2. Insbesondere Anhang VII ProspektVO trägt daher gerade auch den Besonderheiten von Zweckgesellschaften Rechnung. Dass die Definition von Art. 2 Nr. 5 ProspektVO ABS nicht ausdrücklich auf von Zweckgesellschaften begebene Papiere beschränkt ist, mag seine Berechtigung ua. darin haben, dass auch andere Emittenten die Emission strukturierter Anleihen grundsätzlich so gestalten können, dass der Rückgriff der Anleger ebenso wie bei von Zweckgesellschaften emittierten Anleihen auf die aus der Emission erworbenen Vermögenswerte beschränkt ist und der betreffende Emittent nicht mit seinem gesamten Vermögen haftet. In diesem Fall käme eine Anwendung der Anhänge VII und VIII gegebenenfalls auch bei anderen Emittenten, die keine Zweckgesellschaften sind, in Betracht (vgl. auch Anhang VII EU-ProspektVO Rz. 14). 11

Weder nach dem Wortlaut des Art. 2 Nr. 5 ProspektVO noch nach der Praxis der Aufsichtsbehörden setzt der prospektrechtliche Begriff der Asset Backed Securities voraus, dass die ABS-Papiere in verschiedenen Tranchen begeben werden, die jeweils unterschiedliche Risiken in Bezug auf das verbriefte Portfolio von Vermögensgegenständen widerspiegeln3. 2. Art. 2 Nr. 5 lit. a ProspektVO; True-Sale-Verbriefungstransaktionen

12

Von Art. 2 Nr. 5 lit. a ProspektVO sollen offenbar insbesondere solche ABS erfasst werden, bei denen die Emittentin die Vermögenswerte wie etwa Darlehens- oder Leasingforderungen tatsächlich erwirbt, um dann mit dem Zahlungsstrom aus diesen Vermögenswerten die von ihr emittierten ABS zu bedienen (sog. True-Sale-Verbriefungstransaktion)4. Zwar sind die Inhaber der ABS auch bei True-Sale-Transaktionen nach deutschem zivilrechtlichen Verständnis weder Inhaber der von der Emittentin erworbenen Vermögenswerte, noch haben sie einen Anspruch auf jederzeitige Übertragung der Vermögenswerte, sondern ihnen stehen in Bezug auf die Vermögenswer-

1 Siehe Ziffer 141 des Addendum to the Consultation Paper vom Dezember 2002; vgl. auch die Definition von Asset Backed Securities in den IOSCO ABS Disclosure Principles, S. 5 (siehe Rz. 1). 2 Eine ausführliche Beschreibung der verschiedenen Arten von Collateralised Debt Obligations findet sich bei Fuller/Ranero, Butterworths Journal of International Banking and Financial Law 2005, 343. 3 Vgl. dagegen zum Aspekt der Tranchierung in der Definition von ABS im Bereich des Versicherungsaufsichtsrechts BaFin, Rundschreiben 1/2002, S. 2. 4 Ebenso Foelsch in Holzborn, Art. 2 EU-ProspV Rz. 5. Zum Begriff „True SaleTransaktion“ siehe Kaiser in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E Rz. 87.

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te (mittelbar) Sicherungsrechte zu, die typischerweise von einem Treuhänder gehalten werden. Die in der englischen Fassung der Prospektverordnung gebrauchte Formulierung „interest in assets“ verdeutlicht jedoch, dass Asset Backed Securities nicht die rechtliche Inhaberschaft an den Vermögenswerten, die ja bei der Emittentin verbleibt (oder allenfalls treuhänderisch auf einen Sicherheitentreuhänder übergeht), vermitteln sollen, sondern eine Berechtigung an den Vermögenswerten in einem weiteren Sinne. Von einer solchen „Berechtigung (Interest)“ ist insbesondere die bloße Bezugnahme auf Vermögenswerte, wie sie in Art. 2 Nr. 5 lit. b ProspektVO beschrieben wird, zu unterscheiden. 3. Art. 2 Nr. 5 lit. b ProspektVO; synthetische Verbriefungstransaktionen Dementsprechend soll Art. 2 Nr. 5 lit. b ProspektVO offenbar insbesondere solche ABS-Transaktionen erfassen, bei denen Vermögenswerte für die Zwecke der Bestimmung der aufgrund der ABS an die Anleihegläubiger zahlbaren Beträge lediglich in Bezug genommen werden, ohne dass die Emittentin der ABS die in Bezug genommenen Vermögenswerte tatsächlich erwerben und halten muss (sog. synthetische Verbriefungstransaktionen)1. Die Prospektanforderungen für Asset Backed Securities gelten demnach auch für Schuldverschreibungen, die auf Kreditrisiken bezogen sind (Credit Linked Notes), soweit sie im Rahmen von synthetischer Verbriefungstransaktionen begeben werden. Bei derartigen Transaktionen wird mittels eines Kreditderivats lediglich das Kreditausfallrisiko der als bloße Referenzwerte dienenden Vermögenswerte auf die Emittentin übertragen. Aufgrund der bloß synthetischen, durch Kreditderivate vermittelten Verknüpfung mit den zugrunde liegenden Forderungen bzw. Adressrisiken (das Referenzportfolio), stellen die emittierten Schuldverschreibungen daher keinen Anspruch (auch nicht in dem weiteren Sinne des in der englischen Fassung der ProspektVO verwendeten Begriffs „interest“) auf Vermögenswerte iS von Art. 2 Nr. 5 lit. a ProspektVO dar. Da bei synthetischen Verbriefungstransaktionen nicht das verbriefte Forderungsportfolio (Referenzportfolio) selbst erworben wird, werden die Emissionserlöse im Wesentlichen zum Erwerb anderer Vermögenswerte (zB mit einem AAA-Rating versehene Pfandbriefe oder Staatsanleihen) verwendet. Auch bei synthetischen Verbriefungstransaktionen werden die ABSPapiere typischerweise von einer Zweckgesellschaft ohne eigenes, sonstiges Vermögen begeben. Die mit dem Emissionserlös erworbenen Vermögenswerte dienen den Anleihegläubigern daher als Sicherheit, so dass bei diesen Transaktionen die begebenen Schuldverschreibungen regelmäßig – wie von 1 So auch Foelsch in Holzborn, Art. 2 EU-ProspV Rz. 5. Zum Begriff der „synthetischen Verbriefungstransaktion“ siehe Kaiser in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E Rz. 88 mit beispielhaftem Hinweis auf die von der KfW aufgesetzten „Provide“- und „Promise“-Plattformen einschließlich entsprechenden Fundstellen. Zu weiteren Aspekten synthetischer Übertragungen von Kreditrisiken im Vergleich zu True Sale-Transaktionen siehe auch Behrends/Bierwirth, Butterworths Journal of International Banking and Financial Law 2007, vol. 22, 391.

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Vor Anhang VII, VIII

Art. 2 Nr. 5 lit. b ProspektVO verlangt – mit Vermögenswerten unterlegt bzw. besichert (wie das „secured by assets“ der englischen Fassung der ProspektVO wohl zutreffender hätte übersetzt werden müssen) sind. Anders als noch die von CESR im Rahmen des Konsultationsverfahrens zunächst vorgeschlagene Definition verlangt der auf CESR’s Final Advice beruhende Wortlaut des Art. 2 Nr. 5 lit. b ProspektVO nicht, dass die als Sicherheiten dienenden Vermögenswerte („secured by assets“) mit den im zweiten Teil von lit. b) erwähnten Vermögenswerten identisch sind, die als Referenzwerte für die Bestimmung der Zahlungspflichten dienen (eine solche Identität ist bei synthetischen Verbriefungen – anders als bei True-Sale-ABS – nicht notwendigerweise gegeben). 4. Von Kreditinstituten begebene Credit Linked Notes 14

Von synthetischen ABS zu unterscheiden sind gewöhnliche, unbesicherte Credit Linked Notes, wie sie insbesondere von Kreditinstituten begeben werden. Die Kommentarliteratur ist hinsichtlich der Einordnung solcher strukturierter Schuldverschreibungen zT noch unentschieden1, während in der Prospektpraxis unbesicherte Credit Linked Notes zutreffend als derivative Wertpapiere ohne ABS-Charakter behandelt werden. Bei solchen, typischerweise von einer Bank begebenen Credit Linked Notes haftet die emittierende Bank mit ihrem gesamten eigenen Vermögen. Von klassischen Bankschuldverschreibungen unterscheiden sich diese Credit Linked Notes nur durch das eingebettete Kreditderivat. Sie sind daher derivative Wertpapiere iS von Art. 15 ProspektVO und hinsichtlich der Prospektanforderungen zB den Equity Linked Notes (also Anleihen, deren Zahlungspflichten an die Wertentwicklung von Aktien oder Aktienkörben gekoppelt sind) vergleichbar. Derartige, von Banken begebene Credit Linked Notes sind keine ABS iS von Art. 2 Nr. 5 ProspektVO. Von Kreditinstituten begebene Credit Linked Notes (einschließlich Basket oder Portfolio Credit Linked Notes, deren Zins- und Kapitalrückzahlung an einen Korb bzw. ein Portfolio von Referenzverbindlichkeiten anknüpfen) sind gerade nicht – wie von Art. 2 Nr. 5 lit. b ProspektVO verlangt – mit Vermögenswerten besichert („secured by assets“). Dass der Erwerber einer Credit Linked Note bei Ausfall der zugrunde liegenden Referenzverbindlichkeit(en) trotz guter Bonität der emittierenden Bank einen Totalverlust erleiden kann, ist ein Risiko, dass in ähnlicher Form auch mit anderen, nicht kapitalgeschützten derivativen Wertpapieren verbunden ist. So ging auch CESR in seiner Beschreibung von Asset Backed Securities im Rahmen des Konsultationsprozesses (siehe oben Rz. 10) davon aus, dass ABS typischerweise von Zweckgesellschaften begeben werden, bei denen mangels einer sonstigen verfügbaren Haftungsmasse

1 Foelsch in Holzborn, Art. 2 EU-ProspV Rz. 5 unter Hinweis auf andauernde Diskussionen auf europäischer Ebene und innerhalb der BaFin. Eine Anwendung der Regelungen für Asset Backed Securities auf Credit Linked Notes dagegen mit Recht verneinend Pegel in Holzborn, Art. 10 EU-ProspV Rz. 6.

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regelmäßig eine Besicherung der ABS-Papiere mit den aufgrund der Emission erworbenen Vermögenswerten erfolgt. Kennzeichnend für ABS-Papiere ist insbesondere, dass für die Rückzahlung und für Zinszahlungen nur bestimmte Vermögenswerte als Haftungsmasse zur Verfügung stehen (Rz. 10). Für die Wertpapierbeschreibung von „gewöhnlichen“ unbesicherten Credit Linked Notes ist dementsprechend in der Regel Anhang XII ProspektVO maßgeblich. Für die diesbezügliche Emittentenbeschreibung gelten die Anhänge IV, IX, oder XI ProspektVO. Das Schema für die Emittentenbeschreibung von ABS-Papieren (Anhang VII ProspektVO) und das ABS-Modul (Anhang VIII ProspektVO) finden auf unbesicherte Credit Linked Notes keine Anwendung. 5. Emissionsplattformen für strukturierte Anleihen/Zertifikate Dem Grundgedanken der Besicherung und Beschränkung des Haftungsmas- 15 se auf bestimmte Vermögenswerte der Emittentin entspricht es ferner, dass die Aufsichtsbehörden (so jedenfalls die luxemburgische Commission de surveillance financière, CSSF, und die BaFin) umgekehrt auch Emissionen klassischer derivativer Wertpapiere iS von Art. 15 Abs. 2 ProspektVO wie etwa strukturierte Anleihen und Zertifikate für den deutschen Privatkundenmarkt in der Praxis immer dann den Vorgaben der Anhänge VII und VIII ProspektVO unterworfen haben, wenn derartige Anleihen/Zertifikate von Zweckgesellschaften begeben wurden. Auch daran zeigt sich, dass die Anhänge VII und VIII ProspektVO in der Praxis im Wesentlichen bei Emissionen von Zweckgesellschaften zur Anwendung kommen, und dies sogar unabhängig davon, ob es sich hierbei um ABS-Transaktionen ieS handelt oder ob „klassische“ derivative Wertpapiere wie Zertifikate durch eine Zweckgesellschaft emittiert wurden. Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass die von der Zweckgesellschaft begebenen Papiere mit bestimmten Vermögenswerten besichert bzw. gedeckt sind. 6. Pfandbriefe; Covered Bonds Dem von CESR im Rahmen des Konsultationsprozesses beschriebenen 16 Grundtypus von Asset Backed Securities (Rz. 10, 14) entspricht es ferner, dass es trotz gewisser struktureller Ähnlichkeiten mit Asset Backed Securities ausdrücklich nicht beabsichtigt war, etwa auch Pfandbriefe und sog. Covered Bonds den Prospektanforderungen für Asset Backed Securities zu unterwerfen1. Bei Pfandbriefen/Covered Bonds besteht neben der Rückgriffsmöglichkeit auf bestimmte, vom sonstigen Vermögen der Emittentin separierte Deckungswerte die Haftung der emittierenden Bank uneingeschränkt fort. Die Anhänge VII und VIII ProspektVO gelten daher nicht für

1 Dies ergibt sich aus Erwägungsgrund 13 der ProspektVO. So auch schon CESR’s Advice on possible Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive of July 2003, paragraph 63.

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Vor Anhang VII, VIII

Pfandbriefe und Covered Bonds1. Dies entspricht auch der Praxis der BaFin bei der Billigung von Prospekten, die Pfandbriefe zum Gegenstand haben.

III. Kombination von Anhang VII und VIII mit anderen Schemata 17

Bei der Erstellung eines Wertpapierprospekts für Asset Backed Securities sind neben der Emittentenbeschreibung nach Anhang VII ProspektVO des Weiteren Angaben zur Wertpapierbeschreibung in den Prospekt aufzunehmen. Die Anforderungen an die Wertpapierbeschreibung ergeben sich aus einem Schema für Wertpapierbeschreibungen sowie ergänzend aus den Angaben, die aufgrund des ABS-Moduls nach Anhang VIII ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen sind. Gemäß Art. 21 iVm. Anhang XVIII ProspektVO ist für Asset Backed Securities grundsätzlich das Schema für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel (Art. 16 iVm. Anhang XIII ProspektVO für Schuldverschreibungen mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro bzw. – bei kleineren Stückelungen – Art. 8 iVm. Anhang V ProspektVO) zu verwenden. Die Verwendung des Schemas für Schuldtitel setzt voraus, dass der Emittent nach den Emissionsbedingungen verpflichtet ist, dem Anleger mindestens 100 % des Nominalwertes zurückzuzahlen (Art. 16 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 ProspektVO).

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Bei Asset Backed Securities ist der Betrag der Rückzahlung allerdings regelmäßig von der Werthaltigkeit der verbrieften Vermögenswerte abhängig, so dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ABS-Papiere regelmäßig einen derivativen Charakter aufweisen. Nichtsdestotrotz wird das Schema für die Wertpapierbeschreibung von derivativen Wertpapieren (Anhang XII ProspektVO) vor dem Hintergrund der Regelung des Art. 21 iVm. Anhang XVIII ProspektVO in der Regel nicht anzuwenden sein, soweit nicht abgesehen von der Tatsache, dass ABS-Papiere naturgemäß mit bestimmten Vermögenswerten unterlegt sind, zusätzlich weitere derivative Elemente hinzukommen2. Letzteres kann etwa der Fall sein, wenn zB Index-Zertifikate von einer Zweckgesellschaft emittiert werden, da derartige Zertifikate typischerweise nicht nur mit bestimmten zugrunde liegenden Vermögenswerten besichert sind, sondern darüber hinaus noch ein auf den betreffenden Index (wie etwa den DAX) bezogenes Derivat beinhalten. Liegt eine solche separate derivative Komponente nicht vor, bedarf es der Anwendung des Schemas für derivative Wertpapiere nicht, da entsprechende Informationen 1 Zu Covered Bonds siehe Hagen in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 19 Rz. 39 f. 2 Vgl. Irish Stock Exchange, Listing and Admission to Trading – Guidelines for: Asset Backed Securities, S. 21 unter Abschnitt 3B; aA offenbar Pegel in Holzborn, Art. 10 EU-ProspV Rz. 11, der zutreffend auf den derivativen Charakter von ABSPapieren verweist, jedoch nicht explizit verdeutlicht, dass die Anwendbarkeit von Anhang V bzw. Anhang XIII der in Art. 21, Anhang XVIII vorgesehene Grundfall ist und für die Anwendbarkeit der Prospektanforderungen für derivative Wertpapiere ein zusätzliches derivatives Element, dh. ein Bezug auf einen zusätzlichen Basiswert, hinzukommen muss.

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über die den ABS-Papieren zugrunde liegenden Vermögensgegenstände schon aufgrund des speziell auf Asset Backed Securities zugeschnittenen ABS-Moduls gemäß Anhang VIII ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen sind. Werden die ABS-Papiere von einem Garantiegeber garantiert, so ist ferner Anhang VI ProspektVO zu beachten.

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Anhang VII Mindestangaben für das Registrierungsformular für durch Vermögenswerte unterlegte Wertpapiere („asset backed securities“/ABS) (Schema) Schrifttum: Siehe Vorbemerkung vor Anhang VII und VIII.

Inhaltsübersicht I. Anwendungsbereich . . . . . .

1

II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) . . . . . . . . . . . . . . .

2

III. Abschlussprüfer (Ziffer 2) . . .

4

IV. Risikofaktoren (Ziffer 3) . . . .

5

V. Angaben über den Emittenten (Ziffer 4) . . . . . . . . . . . .

13

VI. Geschäftsüberblick (Ziffer 5) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Haupttätigkeitsbereiche des Emittenten (Ziffer 5.1) . . . . . 3. Gesamtüberblick über die Beteiligten des Verbriefungsprogramms (Ziffer 5.2) . . . . .

16 17 19

VII. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane (Ziffer 6) . . . . . . . . . . . . . . .

21

VIII. Hauptaktionäre (Ziffer 7) . . .

25

IX. Finanzinformationen über Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten (Ziffer 8) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Neu gegründete Emittenten (Ziffer 8.1) . . . . . . . . . . . . . . 3. Emittenten, die ihre Geschäftstätigkeit bereits aufgenommen haben (Ziffer 8.2 und 8.2a) . . . . . . . . . . . . 4. Schieds- und Gerichtsverfahren und bedeutende negative Veränderungen (Ziffer 8.3 und 8.4) . . . . . . . . . . . . . . . .

27 30

32

35

X. Angaben von Seiten Dritter, Erklärungen von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen (Ziffer 9) . . . . . .

37

XI. Einsehbare Dokumente (Ziffer 10) . . . . . . . . . . . . . .

39

I. Anwendungsbereich 1

Anhang VII Prospekt VO gilt aufgrund von Art. 10 ProspektVO1 für die Emittentenbeschreibung in Prospekten für Asset Backed Securities2.

1 Art. 10 ProspektVO: Die Angaben für das Registrierungsformular für durch Vermögenswerte unterlegte Wertpapiere werden gemäß dem in Anhang VII festgelegten Schema zusammengestellt. 2 Zum Begriff der „Asset Backed Securities“ siehe oben Vor Anhang VII, VIII EUProspektVO Rz. 8 ff.

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II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) 1. Verantwortliche Personen 1.1. Alle Personen, die für die im Registrierungsformular gemachten Angaben bzw. für bestimmte Abschnitte des Registrierungsformulars verantwortlich sind. Im letzteren Fall sind die entsprechenden Abschnitte aufzunehmen. Im Falle von natürlichen Personen, zu denen auch Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane des Emittenten gehören, sind der Name und die Funktion dieser Person zu nennen. Bei juristischen Personen sind Name und eingetragener Sitz der Gesellschaft anzugeben. 1.2. Erklärung der für das Registrierungsformular verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die im Registrierungsformular genannten Angaben ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen ausgelassen worden sind, die die Aussage des Registrierungsformulars wahrscheinlich verändern. Ggf. Erklärung der für bestimmte Abschnitte des Registrierungsformulars verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die in dem Teil des Registrierungsformulars genannten Angaben, für den sie verantwortlich sind, ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen ausgelassen worden sind, die die Aussage des Registrierungsformulars wahrscheinlich verändern. Grundsätzlich gelten bei ABS-Papieren die allgemeinen Regeln der Verantwortungsübernahme in Wertpapierprospekten (siehe dazu näher oben § 5 Abs. 4 WpPG Rz. 45 ff. und Anhang I EU-ProspektVO Ziffer 1 Rz. 2 ff.). Nach deutschem Recht, dh. im Fall von bei der BaFin eingereichten und nach dem Wertpapierprospektgesetz geprüften Prospekten, muss jedenfalls eine Person die Gesamtverantwortung für den Prospekt übernehmen (§ 5 Abs. 4 WpPG). Dies wird regelmäßig vom Emittenten (und im Fall der Börsenzulassung auch die den Zulassungsantrag stellende emissionsbegleitende Bank) sein. Eine Verantwortungsübernahme für nur einen Teil des Prospektes ist nach deutschem Recht nicht vorgesehen. Bei ABS-Prospekten, für die neben den Anforderungen der luxemburgischen CSSF aufgrund der Bedeutung der Börsenzulassungen und Prospekteinreichungen in Irland insbesondere die aufsichtsrechtliche Praxis der irischen Aufsichtsbehörde (Irish Financial Services Regulatory Authority) von Bedeutung sind, ist es allerdings durchaus üblich, dass etwa die Verantwortung für die Beschreibungen der Transaktionsbeteiligten (zB gemäß den Ziffern 3.2, 3.7 und 3.8 von Anhang VIII ProspektVO) nicht von dem Emittenten, sondern von dem jeweiligen Transaktionsbeteiligten übernommen wird.

2

Von der Übernahme der Verantwortung im Prospekt zu unterscheiden sind 3 die Prospektverantwortlichen im Sinne der Prospekthaftung, deren Kreis über diejenigen, die ausdrücklich die Prospektverantwortung übernommen haben, hinausgehen kann (zu den Prospektverantwortlichen im Rahmen der Prospekthaftung siehe § 13 VerkProspG Rz. 71 ff.).

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III. Abschlussprüfer (Ziffer 2) 2. Abschlussprüfer 2.1. Namen und Anschrift der Abschlussprüfer des Emittenten, die für den von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraum zuständig waren (einschließlich der Angabe ihrer Mitgliedschaft in einer Berufsvereinigung). 4

Hier ergeben sich keine Besonderheiten, so dass auf die Ausführungen zu Anhang I Ziffer 2.1 ProspektVO verwiesen werden kann.

IV. Risikofaktoren (Ziffer 3) 3. Risikofaktoren 3.1. Vorrangige Offenlegung von Risikofaktoren, die für den Emittenten oder seine Branche spezifisch sind, und zwar unter der Rubrik „Risikofaktoren“. 5

Die emittentenbezogenen Risikofaktoren unterscheiden sich im Fall von ABS-Papieren, die durch eine Zweckgesellschaft begeben werden, signifikant von den Risikofaktoren anderer Gesellschaften. Bei Emittenten von ABS-Papieren handelt es sich typischerweise um Zweckgesellschaften, die ausschließlich zum Zweck der Emission der betreffenden Wertpapiere gegründet werden („special purpose vehicles“, SPVs). Dementsprechend besitzen derartige Zweckgesellschaften über die den ABS-Papieren zugrunde liegenden Vermögenswerte hinaus kein eigenes Vermögen und sie verfügen weder über ein eigenes sonstiges Einkommen in nennenswertem Umfang noch über ein eigenständiges operatives Geschäft. Mitunter werden derartige Gesellschaften für die Durchführung mehrerer Emissionen von ABS-Papieren gegründet. Derartige „multi-purpose vehicles“ sind dadurch gekennzeichnet, dass die den jeweiligen Wertpapieremissionen zugrunde liegenden Vermögensmassen aufgrund einer Compartment- oder Protected Cell-Struktur strikt getrennt sind. In diesen Fällen besitzt das SPV zwar weitere, über die konkrete Emission hinausgehende Vermögenswerte. Für die Anleger einer bestimmten Emission steht jedoch grundsätzlich nur die dieser Emission zugeordnete Vermögensmasse zur Verfügung. Während sich hieraus spezifische neue Anforderungen an die Darstellung des Emittenten ergeben, entfallen eine Reihe anderer unternehmenstypischer Risiken, die mit der Geschäftstätigkeit von Unternehmen und Banken regelmäßig verbunden sind.

6

Aufgrund dieser Besonderheiten enthalten die emittentenbezogenen Risikofaktoren regelmäßig Ausführungen dahingehend, dass die Emittentin ausschließlich die betreffenden Wertpapiere emittiert, abgesehen von den mit dem Erlös aus der Emission von Schuldverschreibungen erworbenen Vermögensgegenständen und dem hiermit verbundenen Zahlungsstrom keine weiteren Einkünfte und kein für ihre Bonität relevantes allgemeines Ver-

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mögen der Emittentin für die Verzinsung und Rückzahlung zur Verfügung steht und die Rückzahlung und Verzinsung daher ausschließlich von der Werthaltigkeit der der Emission zugrunde liegenden Vermögenswerte abhängt. Hiervon zu unterscheiden sind die mit den zugrunde liegenden Vermögenswerten selbst verbundenen Risiken. Diese sind im Rahmen der wertpapierbezogenen Risikofaktoren darzustellen1. Ist die betreffende Zweckgesellschaft für mehr als eine Emission von ABS- 7 Papieren gegründet, so wird ferner regelmäßig darauf hingewiesen, dass für die Rückzahlung und Verzinsung jeweils nur die Vermögenswerte zur Verfügung stehen, die der jeweiligen Emission zugeordnet sind. Diese Separierung jeder einzelnen Emission und Vermögensmasse durch vertragliche (sog. Limited Recourse-Klauseln) oder gesetzliche Regelungen hat zwar in erster Linie eine Schutzfunktion und soll das Risiko der Anleger einer bestimmten Serie von ABS-Papieren vor einer Inanspruchnahme der dieser Emission zugewiesenen Vermögenswerte durch Anleger anderer Serien sowie das Risiko einer Insolvenz verringern. Da die Anleger einer von Verlusten betroffenen Serie jedoch aufgrund dieser Struktur keinen Zugriff auf weitere Vermögenswerte auch anderer Serien haben und dies von dem allgemeinen Grundsatz, dass ein Emittent mit seinem gesamten Vermögen haftet, abweicht, wird insbesondere bei von Zweckgesellschaften an Privatanleger emittierten Schuldverschreibungen in der Regel ein entsprechender Hinweis in die Risikofaktoren aufgenommen. Sollte darüber hinaus das Risiko bestehen, dass zur Deckung allgemeiner 8 Kosten der Emittentin im schlimmsten Falle auch Vermögenswerte herangezogen werden können, die an sich für die Bedienung von Zahlungen aufgrund der ABS-Papieren vorgesehen sind, so stellt dieses ebenfalls einen ABS-spezifischen Risikofaktor dar. Häufig wird bei ABS-Papieren eine Zahlungsreihenfolge vorgesehen, wo- 9 nach im Fall nicht ausreichender Mittel laufende Zahlungen und/oder Erlöse bei Verwertung der zugrunde liegenden Vermögenswerte den verschiedenen Gläubigern der Emittentin in Bezug auf die betreffende Emission bzw. das jeweilige Compartment nach Maßgabe einer Rangfolge ausgezahlt werden. Hier wird nicht selten das Risiko bestehen, dass bei einem Zahlungsausfall den Ansprüchen der Anleger bestimmte Ansprüche wie etwa Forderungen eines Sicherheitentreuhänders in der Rangfolge vorgehen (zur Zahlungsreihenfolge siehe unten Anhang VIII Ziffer 3.4.6 EU-ProspektVO Rz. 41) und für die Anleger entsprechend weniger Mittel zur Verfügung stehen. Eine weitere Besonderheit ist der bei ABS-Emissionen übliche Verzicht auf 10 das Recht, Insolvenzantrag zu stellen. Dies betrifft alle Transaktionsbeteiligte einschließlich der Anleihegläubiger. Auch wenn diese Bestimmungen der von den Rating-Agenturen geforderten Stabilisierung der Transaktion

1 Ebenso Pegel in Holzborn, Anh. VII EU-ProspV Rz. 5.

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und der Struktur dienen und damit grundsätzlich im Interesse aller Beteiligten liegt, ist hiermit eine Abweichung von den üblichen Gläubigerrechten verbunden, bei der in Betracht gezogen werden kann, sie als Risikofaktor zumindest bei ABS-Strukturen, in die Privatanleger investieren, in den Prospekt aufzunehmen. 11

Anhang VII Ziffer 3 ProspektVO verlangt darüber hinaus die Darstellung von Risikofaktoren, die für die Branche der Emittentin spezifisch sind. Diese Anforderung, die wortgleich mit den Vorgaben für die Emittentenbeschreibung bei anderen Wertpapieren ist, hat für den Hauptfall der Emission von ABS-Papieren, die Begebung durch eine Zweckgesellschaft, keine eigenständige Bedeutung1. Aufgrund der Besonderheiten der Zweckgesellschaft gibt es mangels eines operativen Geschäfts der Emittentin über die oben dargelegten Risiken hinaus regelmäßig keine Risiken, die als „branchenspezifisch“ angesehen werden können.

12

Bei den Risiken, die mit den Schuldnern der zugrunde liegenden Vermögenswerte verbunden sind, handelt es sich auch dann, wenn die zugrunde liegenden Vermögenswerte Wertpapiere sind, nicht um emittentenbezogene Risiken iS der Ziffer 3 von Anhang VII ProspektVO, sondern um wertpapierbezogene Risiken. Die Aufnahme von Risiken, die mit der Bonität der Schuldner der Vermögenswerte verbunden sind, kann sich dabei insbesondere nach Ziffer 2.2.11 lit. a von Anhang VIII ProspektVO richten, die ihrerseits wiederum auf die Anforderungen des Registrierungsformulars für Emittenten von Schuldtiteln und derivativen Wertpapieren mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro verweist (näher dazu unten Anhang VIII Ziffer 2.2.11 EU-ProspektVO Rz. 22).

V. Angaben über den Emittenten (Ziffer 4) 4. Angaben über den Emittenten 4.1. Erklärung, ob der Emittent als eine Zweckgesellschaft gegründet wurde oder als Unternehmen für den Zweck der Emission von ABS; 4.2. Juristischer und kommerzieller Name des Emittenten; 4.3. Ort der Registrierung des Emittenten und seine Registrierungsnummer; 4.4. Datum der Gründung und Existenzdauer des Emittenten, soweit diese nicht unbefristet ist; 4.5. Sitz und Rechtsform des Emittenten; Rechtsordnung, in der er tätig ist; Land der Gründung der Gesellschaft; Anschrift und Telefonnummer seines eingetragenen Sitzes (oder Hauptort der Geschäftstätigkeit, falls nicht mit dem eingetragenen Sitz identisch); 4.6. Angabe des Betrags des genehmigten und ausgegebenen Kapitals sowie des Kapitals, dessen Ausgabe bereits genehmigt ist, sowie Zahl und Kategorie der Wertpapiere, aus denen es sich zusammensetzt. 1 Ebenso Pegel in Holzborn, Anh. VII EU-ProspV Rz. 5.

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Eine Besonderheit im Vergleich zu den allgemeinen Anforderungen an eine 13 Emittentenbeschreibung bei Anleihen (siehe hierzu Anhang IV Ziffer 5 und Anhang IX Ziffer 4 ProspektVO) ergibt sich hier im Wesentlichen aus der Anforderung, die Erklärung nach Anhang VII Ziffer 4.1 ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen. Die deutsche Fassung von Ziffer 4.1 scheint dabei auf den ersten Blick nach ihrem Wortlaut und aufgrund des etwas unglücklichen Satzbaus zwischen der Gründung einer Zweckgesellschaft (ohne Bezug auf die Emission von ABS-Papieren) und der Gründung eines sonstigen Unternehmens spezifisch für den Zweck der Emission von ABS zu unterscheiden. Dies ist jedoch lediglich der Übersetzung geschuldet. Aus der englischen Fassung von Ziffer 4.1 ergibt sich, dass sowohl der Begriff des special purpose vehicle (in der deutschen Fassung als „Zweckgesellschaft“ wiedergegeben) als auch der Begriff der entity (in der deutschen Fassung mit dem Wort „Unternehmen“ übersetzt) den Zweck der Emission von ABS verfolgen müssen und die Erklärung nach Ziffer 4.1 dementsprechend zu formulieren ist. Die Nennung der beiden Begriffe special purpose vehicle und entity in Ziffer 4.1 soll offenbar dem Umstand Rechnung tragen, dass derartige, für die Begebung von ABS gegründete Emissionsgesellschaften ganz unterschiedliche Strukturen und Rechtsformen in den jeweiligen Rechtsordnungen, die für ihre Gründung maßgeblich sind, aufweisen können. In der Praxis wird die Erklärung in der Regel daher den Inhalt haben, dass die Emittentin als Zweckgesellschaft zur Begebung von Asset Backed Securities gegründet wurde1. Das Erfordernis, eine Erklärung nach Anhang VII Ziffer 4.1 ProspektVO ab- 14 zugeben, zeigt implizit, dass die Anwendung des Anhangs VII nicht auf Zweckgesellschaften beschränkt ist (siehe dazu Vor Anhang VII, VIII EUProspektVO Rz. 10), auch wenn viele der in Anhang VII enthaltenen Regelungen speziell auf Zweckgesellschaften zugeschnitten sind. Übt die Emittentin außer der Emission von ABS noch weitere Geschäftstätigkeiten aus, kann die Gründung als reine, der Begebung von ABS dienende Zweckgesellschaft dementsprechend im Prospekt nicht gemäß Anhang VII Ziffer 4.1 bestätigt werden. Hinsichtlich der übrigen Anforderungen (Anhang VII Ziffer 4.2 bis Ziffer 4.6 15 ProspektVO) gelten die allgemeinen Grundsätze (siehe Anhang IV Ziffer 5 und Anhang IX Ziffer 4 ProspektVO), wobei im ABS-Bereich die in der Praxis im Vergleich zu anderen Wertpapieremissionen vorzufindende größere Vielfalt möglicher Rechtsformen und Strukturen dazu führen kann, dass insbesondere bei Zweckgesellschaften, die nicht eine verbreitete Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (wie GmbH, Limited, PLC) aufweisen, eine ausführlichere Beschreibung der Rechtsform geboten sein kann.

1 So auch Pegel in Holzborn, Anh. VII EU-ProspV Rz. 5.

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VI. Geschäftsüberblick (Ziffer 5) 5. Geschäftsüberblick 5.1. Kurze Beschreibung der Haupttätigkeitsbereiche des Emittenten. 5.2. Gesamtüberblick über die Teilnehmer des Verbriefungsprogramms, einschließlich Angaben über direkte oder indirekte Besitz- oder Kontrollverhältnisse zwischen diesen Teilnehmern. 1. Überblick 16

Anhang VII Ziffer 5 ProspektVO enthält Vorgaben für die Beschreibung der Geschäftstätigkeit der Emittentin, die im Vergleich zu Emittentenbeschreibungen bei anderen Wertpapieremissionen den Anforderungen von ABSEmissionen und den hierbei üblichen Emittenten Rechnung tragen. Der Beschränkung der eigentlichen Beschreibung der Geschäftstätigkeit des Emittenten auf eine Kurzbeschreibung steht eine über die bloße Emittentenbeschreibung hinausgehende Erweiterung der Prospektangaben auf einen Überblick über sämtliche „Teilnehmer des Verbriefungsprogramms“ gegenüber. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass bei ABS-Emissionen die Emittentin selbst typischerweise von untergeordneter Bedeutung ist und der Anleger statt einer umfassenden Emittentenbeschreibung auch Informationen über weitere Beteiligte erhalten soll. 2. Haupttätigkeitsbereiche des Emittenten (Ziffer 5.1)

17

Nach Anhang VII Ziffer 5.1 ProspektVO ist lediglich eine Kurzbeschreibung der Haupttätigkeitsbereiche des Emittenten in den Prospekt aufzunehmen. Eine vergleichbare Regelung enthält auch Anhang IX Ziffer 5.1.1 ProspektVO in Bezug auf Schuldverschreibungen und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro. Die Gleichbehandlung dieser beiden Arten von Wertpapieren hinsichtlich des Umfangs der Emittentenbeschreibung erscheint schon deshalb sachgerecht, weil ABS-Papiere – abgesehen von bestimmten, über Verbriefungsvehikel emittierten strukturierten Produkten für Privatanleger – regelmäßig institutionellen Investoren mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro angeboten werden. Wichtiger noch als diese eher faktische Parallelität zu den von Anhang IX ProspektVO erfassten Emissionen ist jedoch der Anhang VII Ziffer 5.1.1 ProspektVO zugrunde liegende Gedanke, dass im Vergleich zu Aktien und gewöhnlichen Schuldverschreibungen die Geschäftstätigkeit des Emittenten bei ABS-Papieren regelmäßig von geringerer Bedeutung ist, da es vor allem auf die Werthaltigkeit der als Deckung dienenden Vermögenswerte ankommt. Daher wird mit Recht hinsichtlich des Umfangs der Emittentenbeschreibung bei ABS-Papieren nicht zwischen Emissionen mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro und Emissionen mit einer geringeren Stückelung unterschieden.

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Im Regelfall der Emission von ABS durch eine Zweckgesellschaft be- 18 schränkt sich die Geschäftstätigkeit der Emittentin auf die Emission der betreffenden Wertpapiere und die damit verbundenen Geschäfte und Vertragsabschlüsse. Schon aus diesem Grund kann in derartigen Fällen die Beschreibung der Haupttätigkeit der Emittentin regelmäßig recht knapp gehalten werden, zB durch Wiedergabe des in der Satzung der Emittentin niedergelegten Geschäftszwecks. 3. Gesamtüberblick über die Beteiligten des Verbriefungsprogramms (Ziffer 5.2) Neben der kurzen Beschreibung der Hauptgeschäftstätigkeit der Emittentin 19 ist ein Gesamtüberblick über die Teilnehmer des Verbriefungsprogramms in die Emittentenbeschreibung aufzunehmen. Dabei stellt sich die Frage, was unter dem „Verbriefungsprogramm“ iS von Anhang VII Ziffer 5.2 ProspektVO zu verstehen ist. Dieser ausschließlich in Ziffer 5.2 verwendete Begriff ist weder marktüblich noch ist er in der ProspektVO definiert oder Bestandteil der Definition von Asset Backed Securities. Bei Prospekten für Angebotsprogramme und im Fall von ABS-Conduits wäre die Verwendung des Begriffs „Verbriefungsprogramm“ verständlich. Ziffer 5.2 scheint angesichts des bestimmten Artikels („des Verbriefungsprogramms“) jedoch davon auszugehen, dass jedem Registrierungsformular für ABS-Emittenten ein Verbriefungsprogramm immanent ist, auch wenn die Emittentin nur für eine einzige Verbriefungstransaktion gegründet wurde. Ferner beinhaltet eine Verbriefungstransaktion regelmäßig die Emission mehrerer Schuldverschreibungen mit unterschiedlicher Risikobeteiligung am verbrieften Portfolio und unterschiedlichem Rating. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass ein Registrierungsformular, wenn es im Rahmen eines dreiteiligen Prospekts als selbständiges Dokument erstellt wird, seiner Konzeption nach grundsätzlich für eine Mehrzahl von Emissionen verwendet werden kann1. Vor diesem Hintergrund wird man die Anwendung von Anhang VII Ziffer 5.2 ProspektVO wohl nicht auf sog. Angebotsprogramme für eine Vielzahl von Emissionen, für die Basisprospekte erstellt werden, beschränken können2, zumal derartige Angebotsprogramme und die damit einhergehende Verwendung eines Basisprospekts nur für einen geringen Teil der Wertpapieremissionen, auf die Anhang VII ProspektVO anwendbar ist, von Bedeutung sind3. Andererseits wird man, auch im Hinblick auf Anhang VIII Ziffer 3.2 ProspektVO, zwischen den Beteiligten des Verbriefungsprogramms und den Parteien der konkreten Wertpapieremission unterscheiden müssen. 1 Ein selbständiges Registrierungsformular wird bei ABS in der Praxis allerdings selten verwendet. 2 Im Ergebnis ebenso Pegel in Holzborn, Anh. VII EU-ProspV Rz. 25. 3 Angebotsprogramme und Basisprospekte finden sich etwa bei Verbriefungsvehikeln für die Emission von strukturierten Produkten für Privatkunden, bei denen es sich jedoch nicht um Verbriefungstransaktionen im eigentlichen Sinn handelt.

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Dies zeigt sich bei der Festlegung, auf welche „Teilnehmer“ (die englische Fassung spricht hier von „parties“) eines solchen Verbriefungsprogramms sich die überblicksartige Darstellung beziehen muss. Da Anhang VII ProspektVO die Anforderungen für die Emittentenbeschreibung enthält, kann es sich hierbei nur um emittentenbezogene Beteiligte, nicht jedoch um transaktionsbezogene Parteien handeln. Der Zweck der Vorschrift liegt insbesondere in der Transparenz auf Emittentenseite. Daher muss der Überblick über die an dem Verbriefungsprogramm Beteiligten auch Angaben zu etwaigen direkten oder indirekten Beherrschungsverhältnissen (direct or indirect control) zwischen den am Verbriefungsprogramm Beteiligten beinhalten. Dabei ist bei Emittenten, die Zweckgesellschaften sind, in erster Linie an den sog. Corporate Services Provider zu denken, also die Servicegesellschaft, welche die gesellschaftsrechtlichen Verwaltungsfunktionen der Emittentin ausübt und typischerweise auch die Direktoren/Verwaltungsräte der Emittentin stellt.

VII. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane (Ziffer 6) 6. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane 6.1. Name und Geschäftsanschrift nachstehender Personen sowie ihre Stellung beim Emittenten unter Angabe der wichtigsten Tätigkeiten, die sie außerhalb des Emittenten ausüben, sofern diese für den Emittenten von Bedeutung sind: a) Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane; b) persönlich haftende Gesellschafter bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien. 21

Grundsätzlich gelten hinsichtlich der Verwaltungs-, Geschäftsführungsund Aufsichtsorgane bei Emittenten von ABS keine Besonderheiten gegenüber anderen Emittenten, so dass weitgehend auf die diesbezüglichen Kommentierungen im Rahmen der Anhänge I, IV und IX ProspektVO verwiesen werden kann.

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Ist eine deutsche Zweckgesellschaft Emittentin, so wird es sich regelmäßig um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung handeln, deren Geschäftsführer hier zu nennen sind. Einen Aufsichtsrat gibt es bei einer solchen deutschen Zweckgesellschaft regelmäßig nicht. Bei ausländischen Zweckgesellschaften, auch wenn es sich um ausländische Aktiengesellschaften handelt, sind für die Zwecke von Anhang VII Ziffer 6 lit. a ProspektVO entsprechend des im Ausland vorherrschenden einstufigen Board-Modells regelmäßig Angaben zu den Direktoren/Verwaltungsräten in den Prospekt aufzunehmen.

23

Handelt es sich bei der Emittentin um eine Zweckgesellschaft in der Rechtsform einer Personengesellschaft, was in der Praxis bei ausländischen

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Zweckgesellschaften der Fall sein kann, so sind gemäß Anhang VII Ziffer 6 lit. b ProspektVO auch Angaben zu dem persönlich haftenden Gesellschafter (partner with unlimited liability) in den Prospekt aufzunehmen. Bei Emittenten, die Zweckgesellschaften sind, ist insbesondere zu beachten, 24 dass die Geschäftsführer (bzw. bei ausländischen Gesellschaften: Verwaltungsräte/Direktoren) oftmals Tätigkeiten außerhalb der Emittentin ausüben, die für die Emittentin von Bedeutung sind. So sind die Geschäftsführer bzw. Direktoren oder Verwaltungsräte typischerweise auch Mitglied der Geschäftsführung und/oder Angestellte des Corporate Services Providers, der entsprechende gesellschaftsrechtliche und administrative Dienstleistungen gegenüber der Emittentin erbringt.

VIII. Hauptaktionäre (Ziffer 7) 7. Hauptaktionäre 7.1. Sofern dem Emittenten bekannt, Angabe, ob an dem Emittenten unmittelbare oder mittelbare Beteiligungen oder Beherrschungsverhältnisse bestehen, und wer diese Beteiligungen hält bzw. diese Beherrschung ausübt. Beschreibung der Art und Weise einer derartigen Kontrolle und der vorhandenen Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs einer derartigen Kontrolle. Die Angaben zu den Beteiligungs- und Beherrschungsverhältnissen beim 25 Emittenten entsprechen im Kern den Erfordernissen, wie sie auch bei anderen Wertpapieremissionen gelten. Insofern bestehen bei ABS-Emittenten grundsätzlich keine Besonderheiten. Zumindest hinsichtlich solcher Emittenten, die keine Zweckgesellschaft sind, kann daher auf die Kommentierung zu Anhang I Ziffern 18.3 und 18.4 ProspektVO verwiesen werden (Anhang I EU-ProspektVO Rz. 152 ff.), wobei zu beachten ist, dass im Rahmen des Anhangs VII ProspektVO keine Beschreibung von Vereinbarungen, auf deren Grundlage es später zu einer Veränderung der Beherrschungsverhältnisse kommen kann (vgl. Anhang IV Ziffer 12.2, Anhang IX Ziffer 10.2 ProspektVO), in den Prospekt aufzunehmen ist. Bei Zweckgesellschaften handelt es sich in der Regel um eine sog. Orphan- 26 Gesellschaft, dh. ihre Anteile werden von keinem der an der Verbriefungstransaktion Beteiligten, insbesondere auch nicht vom Originator gehalten, da die Zweckgesellschaft vom Schicksal und Einfluss des Originators oder anderer Beteiligter nach Möglichkeit abgekoppelt sein soll und die RatingAgenturen eine Zweckgesellschaft, die Tochtergesellschaft des Originators ist, regelmäßig nicht als Emittentin akzeptieren. Die Anteile an einem solchen „orphan“ werden daher zumeist von einem Charitable Trust bzw. einer Stiftung gehalten, auf die sich dementsprechend dann auch die Angaben nach Anhang VII Ziffer 7 ProspektVO beziehen müssen.

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IX. Finanzinformationen über Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten (Ziffer 8) 8.

Finanzinformationen über Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten 8.1. Hat ein Emittent seit seiner Gründung oder Niederlassung noch nicht mit der Geschäftstätigkeit begonnen und wurde zum Termin der Abfassung des Registrierungsformulars noch kein Jahresabschluss erstellt, so ist in dem Registrierungsformular ein entsprechender Vermerk aufzunehmen. 8.2. Historische Finanzinformationen Hat ein Emittent seit seiner Gründung oder Niederlassung bereits mit der Geschäftstätigkeit begonnen und wurde ein Jahresabschluss erstellt, so sind in dem Registrierungsformular geprüfte historische Finanzinformationen aufzunehmen, die die letzten zwei Geschäftsjahre abdecken (bzw. einen entsprechenden kürzeren Zeitraum, während dessen der Emittent tätig war), sowie ein Bestätigungsvermerk für jedes Geschäftsjahr. Hat der Emittent in der Zeit, für die historische Finanzinformationen beizubringen sind, seinen Bilanzstichtag geändert, so decken die geprüften historischen Finanzinformationen mindestens 24 Monate oder – sollte der Emittent seiner Geschäftstätigkeit noch keine 24 Monate nachgegangen sein – den gesamten Zeitraum seiner Geschäftstätigkeit ab. Derartige Finanzinformationen sind gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 zu erstellen bzw. für den Fall, dass diese Verordnung nicht anwendbar ist, gemäß den nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Mitgliedstaats, wenn der Emittent aus der Gemeinschaft stammt. Bei Emittenten aus Drittstaaten sind diese Finanzinformationen nach den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards oder nach diesen Standards gleichwertigen nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Drittstaates zu erstellen. Ist keine Äquivalenz zu den Standards gegeben, so sind die Finanzinformationen in Form eines neu zu erstellenden Jahresabschlusses vorzulegen. Die historischen Finanzinformationen müssen für das jüngste Geschäftsjahr in einer Form dargestellt und erstellt werden, die mit der konsistent ist, die im folgenden veröffentlichten Jahresabschluss des Emittenten zur Anwendung gelangen wird, wobei Rechnungslegungsstandards und -strategien sowie die Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind, die auf derlei Jahresabschlüsse Anwendung finden. Ist der Emittent in seiner aktuellen Wirtschaftsbranche weniger als ein Jahr tätig, so sind die geprüften historischen Finanzinformationen für diesen Zeitraum gemäß den Standards zu erstellen, die auf Jahresabschlüsse im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 anwendbar sind bzw. für den Fall, dass diese Verordnung nicht anwendbar ist, gemäß den nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Mitglied-

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staats, wenn der Emittent aus der Gemeinschaft stammt. Bei Emittenten aus Drittstaaten sind diese historischen Finanzinformationen nach den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards oder nach diesen Standards gleichwertigen nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Drittstaates zu erstellen. Diese historischen Finanzinformationen müssen geprüft worden sein. Wurden die geprüften Finanzinformationen gemäß nationaler Rechnungslegungsgrundsätze erstellt, dann müssen die unter dieser Rubrik geforderten Finanzinformationen zumindest Folgendes enthalten: a) die Bilanz; b) die Gewinn- und Verlustrechnung; und c) die Rechnungslegungsstrategien und erläuternde Anmerkungen. Die historischen jährlichen Finanzinformationen müssen unabhängig und in Übereinstimmung mit den in dem jeweiligen Mitgliedstaat anwendbaren Prüfungsstandards oder einem äquivalenten Standard geprüft worden sein oder es muss für das Registrierungsformular vermerkt werden, ob sie in Übereinstimmung mit dem in dem jeweiligen Mitgliedstaat anwendbaren Prüfungsstandard oder einem äquivalenten Standard ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln. 8.2a. Dieser Absatz darf lediglich auf Emissionen von ABS mit einer Mindeststückelung von 50 000 EUR angewandt werden Hat ein Emittent seit seiner Gründung oder Niederlassung bereits mit der Geschäftstätigkeit begonnen und wurde ein Jahresabschluss erstellt, so sind in dem Registrierungsformular geprüfte historische Finanzinformationen aufzunehmen, die die letzten zwei Geschäftsjahre abdecken (bzw. einen entsprechenden kürzeren Zeitraum, während dessen der Emittent tätig war), sowie ein Bestätigungsvermerk für jedes Geschäftsjahr. Hat der Emittent in der Zeit, für die historische Finanzinformationen beizubringen sind, seinen Bilanzstichtag geändert, so decken die geprüften historischen Finanzinformationen mindestens 24 Monate oder – sollte der Emittent seiner Geschäftstätigkeit noch keine 24 Monate nachgegangen sein – den gesamten Zeitraum seiner Geschäftstätigkeit ab. Derartige Finanzinformationen sind gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 zu erstellen bzw. für den Fall, dass diese Verordnung nicht anwendbar ist, gemäß den nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Mitgliedstaats, wenn der Emittent aus der Gemeinschaft stammt. Bei Emittenten aus Drittstaaten sind diese Finanzinformationen nach den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards oder nach diesen Standards gleichwertigen nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Drittstaates zu erstellen. Ansonsten müssen folgende Angaben in das Registrierungsformular aufgenommen werden:

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a) Eine eindeutige Erklärung dahingehend, dass die in das Registrierungsformular aufgenommenen Finanzinformationen nicht nach den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/ 2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards erstellt wurden und dass die Finanzinformationen erhebliche Unterschiede aufweisen könnten, wenn die Verordnung (EG) Nr. 1606/ 2002 doch auf die historischen Finanzinformationen angewandt worden wäre; b) Unmittelbar nach den historischen Finanzinformationen sind die Unterschiede zwischen den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards und den Rechnungslegungsgrundsätzen in einer Beschreibung darzulegen, die der Emittent bei der Erstellung seines Jahresabschlusses zugrunde gelegt hat. Die historischen Finanzinformationen müssen für das letzte Jahr in einer Form dargestellt und erstellt werden, die mit der konsistent ist, die im folgenden Jahresabschluss des Emittenten zur Anwendung gelangen wird, wobei die Rechnungslegungsgrundsätze- und -strategien sowie die Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind, die auf derlei Jahresabschlüsse Anwendung finden. Wurden die geprüften Finanzinformationen gemäß nationaler Rechnungslegungsgrundsätze erstellt, dann müssen die unter dieser Rubrik geforderten Finanzinformationen zumindest Folgendes enthalten: a) die Bilanz; b) die Gewinn- und Verlustrechnung; und c) die Rechnungslegungsstrategien und erläuternde Anmerkungen. Die historischen jährlichen Finanzinformationen müssen unabhängig und in Übereinstimmung mit den in dem jeweiligen Mitgliedstaat anwendbaren Prüfungsstandards oder einem äquivalenten Standard geprüft worden sein oder es muss für das Registrierungsformular vermerkt werden, ob sie in Übereinstimmung mit dem in dem jeweiligen Mitgliedstaat anwendbaren Prüfungsstandard oder einem äquivalenten Standard ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln. Ansonsten müssen folgende Angaben in das Registrierungsformular aufgenommen werden: a) eine eindeutige Erklärung dahingehend, welche Prüfungsstandards zugrunde gelegt wurden; b) eine Erläuterung für die Fälle, in denen von den Internationalen Prüfungsstandards in erheblichem Maße abgewichen wurde. 8.3. Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren Angaben über etwaige staatliche Interventionen, Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren (einschließlich derjenigen Verfahren, die nach Kenntnis des Unternehmens noch anhängig sind oder eingeleitet werden könnten), die im Zeitraum der mindestens letzten 12 Monate

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bestanden/abgeschlossen wurden, und die sich erheblich auf die Finanzlage oder die Rentabilität des Emittenten und/oder der Gruppe auswirken bzw. in jüngster Zeit ausgewirkt haben. Ansonsten ist eine negative Erklärung abzugeben. 8.4. Bedeutende negative Veränderungen in der Finanzlage des Emittenten Hat ein Emittent einen Jahresabschluss erstellt, so ist darin eine Erklärung aufnehmen, der zufolge sich seine Finanzlage oder seine Aussichten seit dem Datum des letzten veröffentlichten und geprüften Jahresabschlusses nicht negativ verändert hat bzw. haben. Ist eine bedeutende negative Veränderung eingetreten, so ist sie im Registrierungsformular zu erläutern. 1. Überblick Anhang VII Ziffer 8 ProspektVO enthält insgesamt vier Regelungsbereiche: 1. Finanzinformationen vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit (Ziffer 8.1), 2. Historische Finanzinformationen nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit (Ziffer 8.2 bzw. Ziffer 8.2a in Bezug auf ABS mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro), 3. Gerichts- und Schiedsverfahren (Ziffer 8.3) und 4. Bedeutende negative Veränderungen in der Finanzlage des Emittenten seit dem letzten veröffentlichten Jahresabschluss (Ziffer 8.4).

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Die Anforderungen an die in den Prospekt aufzunehmenden Finanzinformationen gehören zu den im Vergleich zu anderen Wertpapieremissionen am stärksten modifizierten und an die Besonderheiten von ABS angepassten Regelungen zum Registrierungsformular. So trägt Anhang VII Ziffer 8 ProspektVO insbesondere dem Standardfall der Emission von ABS durch eine speziell für den Zweck der konkreten Verbriefungstransaktion gegründete Zweckgesellschaft Rechnung, indem in Ziffer 8.1 die Möglichkeit vorgesehen ist, bei derartigen, nur dem Zweck der Durchführung einer einzigen Verbriefungstransaktion dienenden Gesellschaften auf die Aufnahme von Finanzinformationen vollständig zu verzichten. Dies erscheint auch sachgerecht, weil eine vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit erstellte Bilanz wenig aussagekräftig wäre.

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Anders als bei sonstigen Anleihen sind darüber hinaus gemäß Anhang VII Ziffer 8.2 bzw. Ziffer 8.2a bei Anwendung nationaler Rechnungslegungsgrundsätze weder eine Kapitalflussrechnung (cash flow statement) noch Zwischenfinanzinformationen in den Prospekt aufzunehmen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ABS mit einer Stückelung von unter 50.000 Euro oder um ABS mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro handelt.

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2. Neu gegründete Emittenten (Ziffer 8.1) Finanzinformationen sind dann nicht in den Prospekt aufzunehmen, wenn die beiden folgenden Voraussetzungen kumulativ vorliegen: Erstens, der

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Emittent hat mit der Geschäftstätigkeit noch nicht begonnen, und zweitens, es wurde noch kein Jahresabschluss erstellt. Der Beginn der Geschäftstätigkeit und ein Jahresabschluss liegen bei Emittenten, die keine Zweckgesellschaft sind, regelmäßig vor, so dass solche Emittenten von der in Anhang VII Ziffer 8.1 ProspektVO eröffneten Möglichkeit, keine Finanzinformationen in den Prospekt aufzunehmen, nicht profitieren können. 31

Bei Zweckgesellschaften besteht die Geschäftstätigkeit in der Emission von ABS. Dementsprechend fällt der Beginn der Geschäftstätigkeit regelmäßig mit der Emission der betreffenden Schuldverschreibungen zusammen. Emissionsvorbereitende sowie der Herstellung der Emissionsfähigkeit der Emittentin dienende Handlungen wie Abschluss des Corporate Services Agreement mit dem Corporate Services Provider führen als solche noch nicht zu einem Beginn der Geschäftstätigkeit der Emittentin iS von Anhang VII Ziffer 8.1 ProspektVO. Ein Jahresabschluss liegt bei Zweckgesellschaften, die für den Zweck der jeweiligen Verbriefungstransaktion neu gegründet werden, im Zeitpunkt der Prospekterstellung typischerweise ebenfalls noch nicht vor. Bei Zweckgesellschaften sind Finanzinformationen daher in der Regel allenfalls dann in den Prospekt aufzunehmen, wenn es sich um sog. Multi-purpose Vehicles handelt, die – typischerweise auf der Grundlage einer Compartment oder Protected Cell-Struktur – mehrere, voneinander getrennte Emissionen durchführen. In derartigen Fällen wird man regelmäßig davon ausgehen müssen, dass die in den Prospekt aufzunehmenden Finanzinformationen sich auf die Zweckgesellschaft als Ganzes und nicht auf einzelne Compartments beziehen. Daher sind nach erfolgter erster Emission in Bezug auf weitere Emissionen von öffentlich angebotenen und/ oder zum Handel an einem geregelten Markt zuzulassenden Wertpapieren Finanzinformationen gemäß Anhang VII Ziffer 8.2 ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen, da der Emittent infolge der ersten Emission bereits mit der Geschäftstätigkeit begonnen hat. 3. Emittenten, die ihre Geschäftstätigkeit bereits aufgenommen haben (Ziffer 8.2 und 8.2a)

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Hat der Emittent bereits mit der Geschäftstätigkeit begonnen und wurde ein Jahresabschluss erstellt, muss die Emittentenbeschreibung gemäß Anhang VII Ziffer 8.2 ProspektVO geprüfte historische Finanzinformationen für den Zeitraum der Geschäftstätigkeit, maximal für die letzten zwei Geschäftsjahre, enthalten. Hat der Emittent seine Geschäftstätigkeit vor weniger als einem Jahr aufgenommen (und liegt dementsprechend noch kein Jahresabschluss vor), so sind nichtsdestotrotz gemäß dem zweiten Absatz von Ziffer 8.2 geprüfte historische Finanzinformationen für diesen Zeitraum in den Prospekt aufzunehmen (näher dazu Anhang I EU-ProspektVO Rz. 196 ff.). Dies gilt allerdings nicht für ABS-Papiere mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro, da Ziffer 8.2a keine dem zweiten Absatz von Ziffer 8.2 vergleichbare Regelung enthält.

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Hinsichtlich der anzuwendenden Rechnungslegungsgrundsätze bestehen 33 grundsätzlich keine Unterschiede zu anderen Anleihen (jeweils mit bzw. ohne Mindeststückelung von 50.000 Euro), so dass diesbezüglich – ebenso wie hinsichtlich des Begriffes und des Umfangs der historischen Finanzinformationen – auf die Kommentierung zu Anhang IV bzw. IX ProspektVO verwiesen werden kann. Werden die historischen Finanzinformationen nach nationalen Rechnungs- 34 legungsgrundsätzen erstellt, so bedarf es jedoch keines Cash Flow Statements (siehe oben Rz. 29). Dies erscheint wegen der Abhängigkeit von Zahlungen auf ABS von den spezifischen Zahlungsströmen der zugrunde liegenden Vermögenswerte sachgerecht, da auch eine nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit erstellte Kapitalflussrechnung im klassischen Sinn wenig Informationsgehalt für den Anleger besäße. Auch Zwischenfinanzinformationen wie sie etwa in Ziffer 13.5 von Anhang IV ProspektVO bei Emittenten von Anleihen mit einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro vorgesehen sind, sind bei ABS-Transaktionen mangels einer entsprechenden Bestimmung in Anhang VII ProspektVO nicht in den Prospekt aufzunehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob die ABS-Papiere eine Mindeststückelung von 50.000 Euro oder eine geringere Stückelung aufweisen1. Ebenso wenig unterliegen die historischen Finanzinformationen von ABSEmittenten einer Beschränkung ihres Alters, wie sie bei Anleiheemittenten sonst vorgesehen ist (Anhang IV Ziffer 13.4 und Anhang IX Ziffer 11.4 ProspektVO). 4. Schieds- und Gerichtsverfahren und bedeutende negative Veränderungen (Ziffer 8.3 und 8.4) Der Wortlaut von Anhang VII Ziffer 8.3 ProspektVO und damit die Anfor- 35 derungen an Angaben zu Schieds- und Gerichtsverfahren unterscheiden sich nicht von den entsprechenden Bestimmungen für andere Emittenten. Es wird daher auf die diesbezügliche Kommentierung zu Anhang I und Anhang IV ProspektVO verwiesen. Anhang VII Ziffer 8.4 ProspektVO weicht von dem in anderen Anhängen verwendeten Standardwortlaut zu den Informationen über bedeutende negative Veränderungen insoweit ab, als Ziffer 8.4 zutreffend die Annahme zugrunde liegt, dass bei ABS-Emittenten regelmäßig noch keine geprüften und veröffentlichten historischen Finanzinformationen vorliegen und sich deswegen auch keine Änderungen hierzu ergeben können. Derartige Angaben kommen überhaupt nur in Betracht, wenn bereits ein Jahresabschluss erstellt wurde. Und auch in diesem Fall geht Anhang VII Ziffer 8.4 ProspektVO davon aus, dass mit entsprechenden Veränderungen aufgrund der üblichen Struktur von Zweckgesellschaften und ihrer Zahlungsströme, die vom Originator abgekoppelt sind, nicht zu rechnen ist. Dementsprechend wird

1 Im Ergebnis ebenso Pegel in Holzborn, Anh. VII EU-ProspV Rz. 46.

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die übliche Reihenfolge (vgl. etwa Anhang IV Ziffer 13.7 ProspektVO) gleichsam umgekehrt. Der Grundsatz ist, dass im Prospekt1 eine entsprechende Negativerklärung abzugeben ist. Die Aufnahme von Angaben zu negativen Veränderungen wird demgegenüber erst im Anschluss angesprochen, wobei sich die negativen Veränderungen auf die Finanzlage (financial position) und die Aussichten (prospects) des Emittenten beziehen müssen.

X. Angaben von Seiten Dritter, Erklärungen von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen (Ziffer 9) 9.

Angaben von Seiten Dritter, Erklärungen von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen 9.1. Wird in das Registrierungsformular eine Erklärung oder ein Bericht einer Person aufgenommen, die als Sachverständiger handelt, so sind der Name, die Geschäftsadresse, die Qualifikationen und – falls vorhanden – das wesentliche Interesse am Emittenten anzugeben. Wurde der Bericht auf Ersuchen des Emittenten erstellt, so ist eine diesbezügliche Erklärung dahingehend abzugeben, dass die aufgenommene Erklärung oder der aufgenommene Bericht in der Form und in dem Zusammenhang, in dem sie bzw. er aufgenommen wurde, die Zustimmung von Seiten dieser Person erhalten hat, die den Inhalt dieses Teils des Registrierungsformulars gebilligt hat. 9.2. Sofern Angaben von Seiten Dritter übernommen wurden, ist zu bestätigen, dass diese Angaben korrekt wiedergegeben wurden und dass – soweit es dem Emittenten bekannt ist und er aus den von dieser dritten Partei veröffentlichten Informationen ableiten konnte – keine Tatsachen unterschlagen wurden, die die wiedergegebenen Informationen unkorrekt oder irreführend gestalten würden. Darüber hinaus hat der Emittent die Quelle(n) der Informationen anzugeben. 37

Im Rahmen einer ABS-Transaktion können von verschiedenen Experten wie etwa Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwälten und Immobiliensachverständigen Erklärungen und Gutachten abgegeben werden. Oft sind derartige Gutachten nicht Bestandteil der Emittentenbeschreibung. Nur bei Aufnahme eines solchen Sachverständigengutachtens in die Emittentenbeschrei1 Die deutsche Fassung bezieht die Aufnahme der Negativerklärung auf den Jahresabschluss, was schon deshalb wenig Sinn macht, weil Anhang VII ProspektVO nicht die Inhalte von Jahresabschlüssen regelt, sondern diese Inhalte voraussetzt. Hinzu kommt, dass eine solche Negativerklärung im Jahresabschluss bestenfalls den Zeitraum zwischen dem Stichtag und dem Tag des Bestätigungsvermerks umfassen könnte, während sich der gemäß Anhang VII Ziffer 8.4 ProspektVO abzudeckende Zeitraum bis zum Datum des Prospekts erstreckt. Die englische Fassung enthält dieses Missverständnis nicht, sondern folgt der in den Anhängen üblichen Darstellungsweise, indem der Prospektverantwortliche aufgefordert wird, entsprechende Angaben in den Prospekt aufzunehmen (vgl. etwa die vergleichbare Anweisung in Ziffer 9.2 von Anhang VII ProspektVO). Im Ergebnis ebenso Pegel in Holzborn, Anh. VII EU-ProspV Rz. 48.

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bung sind die in Anhang VII Ziffer 9.1 ProspektVO aufgeführten Angaben zu dem betreffenden Sachverständigen in den Prospekt aufzunehmen. Denn nur in diesem Fall besteht ein Informationsbedürfnis des Investors, nähere Angaben zu dem betreffenden Sachverständigen zu erhalten. Neben Name, Adresse und Qualifikation ist auch ein etwaiges wesentliches Interesse des Gutachters am Emittenten anzugeben. Unter einem wesentlichen Interesse werden typischerweise etwaige Beteiligungsverhältnisse, aber auch ein ehemaliges Angestelltenverhältnis, Mitgliedschaft in der Geschäftsführung oder sonstige Vergütungsvereinbarungen verstanden. In dem typischen Fall der Emission von ABS-Papieren durch eine Zweckgesellschaft, deren Anteile von einer Stiftung gehalten werden und deren Direktoren von einem auf den Betrieb von Zweckgesellschaften spezialisierten Corporate Service-Provider gestellt werden, bestehen derartige Interessenüberschneidungen regelmäßig nicht. Die Vergütung des Experten für das erstellte Gutachten begründet als solche noch kein wesentliches Interesse1. Hat der Emittent die Erstellung des Berichts veranlasst, so muss der Prospekt gemäß Anhang VII Ziffer 9.1 Satz 2 ProspektVO eine Bestätigung enthalten, dass der Verfasser des Berichts seine Zustimmung zum Abdruck im Prospekt (hinsichtlich Form und Kontext) gegeben hat. Die Anforderungen der Anhang VII Ziffer 9.2 ProspektVO beziehen sich auf von Dritten übernommene Angaben zur Emittentin der ABS-Papiere. Eine ähnliche Regelung enthält Ziffer 1.2 von Anhang VIII ProspektVO hinsichtlich der Wertpapierbeschreibung, bei der es nicht um die Emittentin der ABS-Papiere, sondern den Schuldner der zugrunde liegenden Vermögenswerte geht.

XI. Einsehbare Dokumente (Ziffer 10) 10. Einsehbare Dokumente 10.1. Abzugeben ist eine Erklärung dahingehend, dass während der Gültigkeitsdauer des Registrierungsformulars ggf. die folgenden Dokumente oder deren Kopien eingesehen werden können: a) die Satzung und die Statuten des Emittenten; b) sämtliche Berichte, Schreiben und sonstigen Dokumente, historischen Finanzinformationen, Bewertungen und Erklärungen, die von einem Sachverständigen auf Ersuchen des Emittenten abgegeben wurden, sofern Teile davon in das Registrierungsformular eingefügt worden sind oder in ihm darauf verwiesen wird; c) die historischen Finanzinformationen des Emittenten oder im Falle einer Gruppe die historischen Finanzinformationen für den Emittenten und seine Tochtergesellschaften für jedes der Veröffentlichung des Registrierungsformulars vorausgegangenen beiden letzten Geschäftsjahre. 1 Pegel in Holzborn, Anh. VII EU-ProspV Rz. 50.

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Anzugeben ist auch, wo in diese Dokumente in Papierform oder auf elektronischem Wege Einsicht genommen werden kann. 39

Hinsichtlich der zur Einsicht bereit zu haltenden Dokumente bestehen bei ABS-Papieren regelmäßig keine Besonderheiten gegenüber den Emittenten anderer Wertpapiere, so dass insoweit auf die Erläuterungen zu Anhang I Ziffer 24 ProspektVO verwiesen werden kann.

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Anhang VIII Mindestangaben für durch Vermögenswerte unterlegte Wertpapiere („asset backed securities“/ABS) (Zusätzliches Modul) Schrifttum: Siehe Vorbemerkung vor Anhang VII und VIII.

Inhaltsübersicht I. Anwendungsbereich . . . . . . II. Wertpapiere (Ziffer 1) 1. Mindeststückelung (Ziffer 1.1) 2. Angaben zu Schuldnern bzw. Unternehmen, die nicht in die Transaktion involviert sind (Ziffer 1.2) . . . . . . . . . . III. Basisvermögenswerte (Ziffer 2) 1. Basisvermögenswerte (Underlying Assets) . . . . . . . 2. Bestätigung ausreichender Deckung (Ziffer 2.1) . . . . . . . 3. Angaben zu den Basisvermögenswerten (statisches Portfolio) (Ziffer 2.2) a) Überblick . . . . . . . . . . . . b) Rechtsordnung der Vermögenswerte (Ziffer 2.2.1) c) Allgemeine Beschreibung der Schuldner (Ziffer 2.2.2) d) Rechtsnatur der Vermögenswerte (Ziffer 2.2.3) e) Fälligkeit und Betrag der Vermögenswerte (Ziffer 2.2.4 und 2.2.5) . . . . . . . . f) Beleihungsquote; Grad der Besicherung (Ziffer 2.2.6) . g) Entstehung und Schaffung der Vermögenswerte (origination) (Ziffer 2.2.7) . h) Zusicherungen; zusätzliche Sicherheiten (Ziffer 2.2.8) . . . . . . . . . . . i) Ersetzung von Vermögenswerten (Ziffer 2.2.9) . . . . . j) Versicherungspolicen (Ziffer 2.2.10) . . . . . . . . . . k) Erweiterte Beschreibung der Schuldner (Ziffer 2.2.11) ..

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l) Rechtsbeziehungen von wesentlicher Bedeutung (Ziffer 2.2.12) . . . . . . . . . . m)Forderungen, die nicht an einer Börse gehandelt werden (Ziffer 2.2.13) . . . . . . . n) Dividendenwerte (Ziffer 2.2.14 und 2.2.15) . . o) Forderungen, die mit Immobilien besichert sind (Ziffer 2.2.16) . . . . . . . . . . 4. Aktiv verwaltetes Portfolio (Ziffer 2.3) . . . . . . . . . . . . . . 5. Sicherheiten für weitere Emissionen (Ziffer 2.4) . . . . . IV. Struktur und Kapitalfluss (Ziffer 3) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Struktur der Transaktion (Ziffer 3.1) . . . . . . . . . . . . . . 3. Beteiligte Unternehmen (Ziffer 3.2) . . . . . . . . . . . . . . 4. Übertragung der Vermögenswerte (Ziffer 3.3) . . . . . . . . . 5. Erläuterung des Zahlungsstroms (Ziffer 3.4) . . . . . . . . 6. Beschreibung des Originators (Ziffer 3.5) . . . . . . . . . . . . . . 7. Beschreibung der Vermögenswerte bei synthetischen Verbriefungstransaktionen (Ziffer 3.6) . . . . . . . . . . . . . . 8. Beschreibung weiterer Transaktionsbeteiligter (Ziffer 3.7 und 3.8) . . . . . . . . . . . . . . . . V. „EX POST“-Informationen (Ziffer 4) . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Anwendungsbereich 1

Anhang VIII ProspektVO gilt aufgrund von Art. 11 ProspektVO für die Wertpapierbeschreibung in Prospekten für Asset Backed Securities1. Da es sich bei Anhang VIII um ein bloßes Modul (building block) handelt, das mit den Anforderungen eines Schemas (schedule) zu kombinieren ist (vgl. Art. 21 ProspektVO iVm. Anhang XVIII), treten die Anforderungen nach Anhang VIII ProspektVO zu den Anforderungen eines solchen Schemas, regelmäßig Anhang V, XII oder XIII ProspektVO, hinzu2.

II. Wertpapiere (Ziffer 1) 1. Wertpapiere 1.1. Mindeststückelung einer Emission. 1.2. Werden Angaben über ein Unternehmen/einen Schuldner veröffentlicht, das bzw. der in die Emission nicht involviert ist, ist zu bestätigen, dass die das Unternehmen oder den Schuldner betreffenden Angaben korrekt den Informationen entnommen wurden, die vom Unternehmen oder vom Schuldner selbst publiziert wurden, und dass – soweit es dem Emittenten bekannt ist und er aus den von dem Unternehmen bzw. dem Schuldner übermittelten Informationen ableiten konnte – keine Tatsachen unterschlagen wurden, die die wiedergegebenen Informationen irreführend gestalten würden. Darüber hinaus ist die Quelle(n) der Informationen in der Wertpapierbeschreibung zu ermitteln, die den Informationen entnommen wurden, die das Unternehmen oder der Schuldner selbst publiziert haben. 1. Mindeststückelung (Ziffer 1.1) 2

Die Anforderung gemäß Anhang VIII Ziffer 1.1 ProspektVO, Angaben zur Mindeststückelung einer Emission in den Prospekt aufzunehmen, findet sich innerhalb der ProspektVO nur in dem ABS-Modul nach Anhang VIII ProspektVO. Dies überrascht, da Angaben zur Stückelung auch bei anderen Schuldverschreibungen von gleicher Relevanz sind und dort in der Praxis auch Informationen zur Stückelung aufgenommen werden. Es nicht einleuchtend, warum diese Anforderung speziell für ABS-Papiere von Bedeutung sein soll. Allerdings wirft diese Anforderung auch keine besonderen Fragen auf und ist im Prospekt leicht umsetzbar, da die Mindeststückelung regelmäßig Teil der im Prospekt abgedruckten Anleihebedingungen ist.

1 Zum Begriff der „Asset Backed Securities“ siehe oben Vor Anhang VII, VIII EUProspektVO, Rz. 8 ff. 2 Siehe dazu Vor Anhang VII, VIII EU-ProspektVO Rz. 17 ff.

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2. Angaben zu Schuldnern bzw. Unternehmen, die nicht in die Transaktion involviert sind (Ziffer 1.2) Anhang VIII Ziffer 1.2 ProspektVO trägt dem Umstand Rechnung, dass die 3 Schuldner der einer ABS-Emission zugrunde liegenden Forderungen bzw. bei sonstigen Vermögenswerten, das betreffende Unternehmen, dessen Anteile oder Vermögenswerte verbrieft werden, häufig nicht an der Emission der ABS-Papiere und der Prospekterstellung beteiligt sind und der Emittent keinen unmittelbaren Zugang zu Informationen über diese Schuldner/Unternehmen besitzt. Der Emittent muss im Hinblick auf diese Informationen daher auf sonstige, öffentlich zugängliche Quellen zurückgreifen. Vom Emittenten wird daher nicht erwartet, dass er für die volle inhaltliche Richtigkeit dieser Informationen einsteht. Anhang VIII Ziffer 1.2 ProspektVO verlangt daher lediglich eine Bestätigung des Emittenten, dass die in den Prospekt aufgenommenen Angaben den vom Schuldner bzw. Unternehmen veröffentlichten Informationen korrekt entnommen wurden. Aus denselben Gründen wird auch hinsichtlich der Vollständigkeit der In- 4 formationen über die Schuldner der zugrunde liegenden Vermögenswerte bzw. das betreffende Unternehmen vom Emittenten nicht erwartet, dass er für die Vollständigkeit sämtlicher relevanter Angaben im Prospekt einsteht. Auch hinsichtlich der Vollständigkeit muss der Emittent jedoch gemäß Anhang VIII Ziffer 1.2 ProspektVO eine Bestätigung abgeben, dass nach seiner Kenntnis die in den Prospekt aufgenommenen Angaben auf der Grundlage der vom Schuldner bzw. Unternehmen veröffentlichten Informationen nicht in irreführender Weise unvollständig sind. Soweit die deutsche Fassung hier auf die vom Schuldner/Unternehmen „übermittelten“ Informationen abstellt, handelt es sich um eine Fehlübersetzung, da die Schuldner/ Unternehmen ja, so die Annahme von Ziffer 1.2, gerade nicht in die Emission involviert sind. Die englische Fassung spricht auch hier zutreffend von Informationen, die vom Schuldner/Unternehmen veröffentlicht („published“) wurden. Fraglich ist, ob der Emittent trotz der fehlenden Beteiligung des Schuldners/ 5 Unternehmens gegebenenfalls auch in den vom Schuldner/Unternehmen veröffentlichten Dokumenten nicht enthaltene wesentliche Informationen in den Prospekt aufnehmen muss und welche Publikationen des Schuldners/Unternehmens der Emittent der ABS-Papiere kennen muss. Bei den vom Schuldner/Unternehmen veröffentlichten Informationen wird man in erster Linie an Geschäftsberichte bzw. Jahres- und Zwischenabschlüsse und etwaige sonstige gesellschafts- bzw. kapitalmarktrechtliche Pflichtpublikationen sowie gegebenenfalls einen Auszug aus dem Handelsregister denken müssen. Der Wortlaut von Anhang VIII Ziffer 1.2 ProspektVO ist hier allerdings durchaus weiter und spricht von Veröffentlichungen des Schuldners/ Unternehmens schlechthin, was im Einzelfall die Frage aufwerfen kann, inwieweit dem Emittenten eine bestimmte Publikation bekannt sein muss. Im Zweifelsfall kann es hier jedoch nur um allgemein bekannte und zugängliche Quellen gehen, die der Information der Öffentlichkeit über den

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Schuldner/das Unternehmen dienen und wo die Zurverfügungstellung entsprechender prospektrelevanter Informationen bei vernünftiger Betrachtungsweise zu erwarten ist, so etwa neben den bereits oben genannten Informationsquellen auch die Webseite des Schuldners/Unternehmens. Ein bloßes „Kennenmüssen“ ausgelassener Tatsachen seitens des Emittenten genügt jedenfalls zweifellos dann nicht, wenn diese Tatsachen in den vom Schuldner/Unternehmen veröffentlichten Dokumenten nicht enthalten sind. Dies folgt daraus, dass Anhang VIII Ziffer 1.2 ProspektVO gerade keine eigene Untersuchungspflicht des Emittenten in Bezug auf Informationen, die nicht vom Schuldner/Unternehmen veröffentlicht wurden, statuiert1. 6

Um den Anleger in die Lage zu versetzen, sich ein Bild von der Verlässlichkeit der in den Prospekt aufgenommenen und vom Emittenten aus von Dritten veröffentlichten Informationen zusammengestellten Angaben zu machen und diese Informationen gegebenenfalls in ihrem ursprünglichen Kontext nachzulesen, sieht Ziffer 1.2 von Anhang VIII ProspektVO vor, dass die jeweilige Informationsquelle anzugeben ist.

III. Basisvermögenswerte (Ziffer 2) 2. 2.1.

2.2. 2.2.1. 2.2.2.

2.2.3. 2.2.4. 2.2.5. 2.2.6. 2.2.7.

Basisvermögenswerte Es ist zu bestätigen, dass die verbrieften Aktiva, die die Emission unterlegen, Merkmale aufweisen, denen zufolge sie in der Lage sind, Mittel zu erwirtschaften, die der Bedienung der fälligen Zahlungen für die Wertpapiere zugute kommen. In Bezug auf einen Pool von Aktiva, über die eine Dispositionsbefugnis besteht, sind die folgenden Angaben beizubringen Die Rechtsordnung, unter die dieser Aktiva-Pool fällt. a) Im Falle einer kleineren Zahl von leicht identifizierbaren Schuldnern ist eine allgemeine Beschreibung jedes Schuldners beizubringen. b) In allen anderen Fällen ist eine Beschreibung folgender Aspekte beizubringen: die allgemeinen Merkmale der Schuldner; und das wirtschaftliche Umfeld sowie die globalen statistischen Daten in Bezug auf die verbrieften Aktiva. Die Rechtsnatur der Aktiva; Der Fälligkeitstermin bzw. die Fälligkeitstermine der Aktiva; Der Betrag der Aktiva; Die Beleihungsquote oder den Grad der Besicherung; Die Methode der Entstehung oder der Schaffung der Aktiva sowie bei Darlehen oder Kreditverträgen die Hauptdarlehenskriterien und einen Hinweis auf etwaige Darlehen, die diesen Kriterien nicht ge-

1 Im Ergebnis ebenso Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 2 und 3.

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2.2.8. 2.2.9.

2.2.10.

2.2.11.

2.2.12.

2.2.13.

2.2.14.

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nügen, sowie etwaige Rechte oder Verpflichtungen im Hinblick auf die Zahlung weiterer Vorschüsse; Hinweis auf wichtige Zusicherungen und Sicherheiten, die dem Emittenten in Bezug auf die Aktiva gemacht oder gestellt wurden; Etwaige Substitutionsrechte für die Aktiva und eine Beschreibung der Art und Weise, wie die Aktiva so ersetzt werden können und der Kategorie der Aktiva, die ersetzt werden können. Sollte die Möglichkeit bestehen, Aktiva durch Aktiva einer anderen Kategorie oder Qualität zu ersetzen, so ist eine diesbezügliche Erklärung samt einer Beschreibung der Auswirkungen einer solchen Substitution aufzunehmen; Beschreibung sämtlicher relevanten Versicherungspolicen, die für die Aktiva abgeschlossen wurden. Eine Konzentration bei ein und derselben Versicherungsgesellschaft sollte gemeldet werden, wenn sie für die Transaktion von wesentlicher Bedeutung ist; Setzen sich die Aktiva aus Verpflichtungen von fünf oder weniger Schuldnern zusammen, bei denen es sich um juristische Personen handelt, oder sind mehr als 20 % der Aktiva einem einzigen Schuldner zuzurechnen bzw. hält ein einziger Schuldner einen wesentlichen Teil der Aktiva – sofern dies dem Emittenten bekannt ist und/ oder er in der Lage ist, dies aus den veröffentlichten Informationen des/der Schuldners/Schuldner abzuleiten – so ist eine der beiden folgenden Angaben beizubringen: a) Angaben über jeden Schuldner, so als träte er an die Stelle eines Emittenten, der ein Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von EUR 50.000 zu erstellen hat; b) Name, Anschrift, Land der Gründung, Art der Geschäftstätigkeit und Bezeichnung des Marktes, auf dem die Wertpapiere zugelassen sind, wenn es sich um einen Schuldner oder Garantiegeber handelt, dessen Wertpapiere bereits zum Handel auf einem geregelten oder vergleichbaren Markt zugelassen wurden, oder wenn die Verpflichtungen von einem Unternehmen garantiert werden, das ebenfalls bereits zum Handel auf einem geregelten oder vergleichbaren Markt zugelassen wurde. Besteht zwischen dem Emittenten, dem Garantiegeber und dem Schuldner eine Beziehung, die für die Emission von wesentlicher Bedeutung ist, sind die wichtigsten Aspekte dieser Beziehung im Detail zu erläutern. Umfassen die Aktiva Verpflichtungen in Bezug auf Wertpapiere, die nicht auf einem geregelten oder vergleichbaren Markt gehandelt werden, so ist eine Beschreibung der wichtigsten Bedingungen dieser Verpflichtungen beizubringen. Umfassen die Aktiva Dividendenwerte, die zum Handel auf einem geregelten oder vergleichbaren Markt zugelassen sind, so sind folgende Angaben beizubringen:

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2.2.15.

2.2.16.

2.3. 2.3.1.

2.3.2.

2.4.

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a) eine Beschreibung der Wertpapiere; b) eine Beschreibung des Marktes, auf dem sie gehandelt werden, einschließlich Angabe des Gründungsdatums dieses Marktes, der Art und Weise der Veröffentlichung der Kursinformationen, der täglichen Handelsvolumina, der Bedeutung des Marktes in seinem Land und der für den Markt zuständigen Regulierungsbehörde; c) Häufigkeit der Veröffentlichung der Kurse für die einschlägigen Wertpapiere. Umfassen mehr als zehn (10) Prozent der Aktiva Dividendenwerte, die nicht auf einem geregelten oder vergleichbaren Markt gehandelt werden, sind eine Beschreibung dieser Dividendenwerte sowie Angaben für jeden Emittenten dieser Wertpapiere beizubringen, die den Angaben vergleichbar sind, die in dem Schema für das Registrierungsformular für Aktien gefordert werden. Wird ein bedeutender Teil der Aktiva durch Immobilien besichert oder unterlegt, ist ein Schätzgutachten für diese Immobilie beizubringen, in dem sowohl die Schätzung der Immobilie als auch die Kapitalfluss- und Einkommensströme erläutert werden. Dieser Offenlegung muss nicht nachgekommen werden, wenn es sich um eine Emission von Wertpapieren handelt, die durch Hypothekendarlehen unterlegt sind, wobei die Immobilien als Sicherheiten dienen, sofern diese Immobilien im Hinblick auf die Emission nicht neu geschätzt wurden und klar ist, dass es sich bei den besagten Schätzungen um diejenigen handelt, die zum Zeitpunkt des ursprünglichen Hypothekendarlehens vorgenommen wurden. In Bezug auf einen aktiv gemanagten Pool von Aktiva, die die Emission unterlegen, sind folgende Angaben beizubringen Gleichwertige Angaben wie in 2.1 und 2.2, um eine Bewertung des Typs, der Qualität, der Hinlänglichkeit und der Liquidität der im Portfolio gehaltenen Aktiva vornehmen zu können, die der Besicherung der Emission dienen. Die Parameter, innerhalb deren die Anlagen getätigt werden können; Name und Beschreibung des Unternehmens, das für ein derartiges Management zuständig ist, einschließlich einer Beschreibung des in diesem Unternehmen vorhandenen Sachverstands bzw. der bestehenden Erfahrungen; Zusammenfassung der Bestimmungen, die die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem entsprechenden Unternehmen und die Bestellung eines anderen Managementunternehmens festlegen und Beschreibung des Verhältnisses dieses Unternehmens zu anderen an der Emission beteiligten Parteien. Schlägt ein Emittent vor, weitere Wertpapiere zu emittieren, die von denselben Aktiva unterlegt werden, ist eine entsprechende eindeutige Erklärung abzugeben und – sofern nicht diese neuen Wertpapiere mit den Kategorien der bestehenden Schuldtitel fungibel oder diesen

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nachgeordnet sind – eine Beschreibung der Art und Weise, wie die Inhaber der bestehenden Schuldtitel unterrichtet werden sollen. 1. Basisvermögenswerte (Underlying Assets) Bei den Basisvermögenswerten iS von Anhang VIII Ziffer 2 ProspektVO han- 7 delt es sich um diejenigen Vermögenswerte1, die entsprechend der Definition von Asset Backed Securities in Art. 2 Nr. 5 ProspektVO der Deckung der ABS-Emission dienen bzw. diese besichern. Hierzu zählen etwa je nach Art der verbrieften Gegenstände die von der emittierenden Zweckgesellschaft bzw., im Fall von Conduits, die von der Ankaufsgesellschaft erworbenen Forderungen aus Immobilien- und anderen Darlehen, Leasingforderungen, Handelsforderungen etc. Bei synthetischen Verbriefungen gehören hierzu sowohl die Vermögenswerte, die vom Emittenten mit dem Emissionserlös erworben werden und als Sicherheit für die Zahlungspflichten des Emittenten dienen, wie auch das eigentliche, synthetisch verbriefte Forderungsportfolio, das vom Emittenten nicht direkt erworben wird, sondern dessen Risiken lediglich mittels eines Kreditderivats übertragen werden (vgl. Anhang VIII Ziffer 3.6 ProspektVO, in der klargestellt wird, dass Ziffer 2.2 und 2.3 auch auf vom Emittenten nicht erworbene Vermögenswerte entsprechende Anwendung finden, wenn die Zahlungspflichten des Emittenten an diese anknüpfen). 2. Bestätigung ausreichender Deckung (Ziffer 2.1) Es ist ein Wesensmerkmal von ABS, dass die Zahlungen des Emittenten auf- 8 grund der ABS-Papiere aus den Zahlungen, die der Emittent aus den zugrunde liegenden Vermögenswerten erhält, generiert werden. Verbrieft werden können dementsprechend grundsätzlich alle Vermögenswerte eines Unternehmens, die stabile und möglichst gut prognostizierbare Zahlungsströme hervorbringen2. Dabei liegt es schon im Interesse des Emittenten, dass die Zahlungen aus den zugrunde liegenden Vermögenswerten in einer Weise strukturiert sind, die sicherstellt, dass der Emittent grundsätzlich auch die ABS-Papiere bedienen kann. Denn andernfalls käme der Emittent uU schon mit der ersten Zinszahlung in Verzug. Allerdings ist der Rückgriff der Gläubiger durch entsprechende Klauseln in den Anleihebedingungen regelmäßig auf die zugrunde liegenden Vermögenswerte und sich daraus ergebenden Zahlungsforderungen des Emittenten beschränkt (sog. Limited RecourseKlauseln). Hinzu kommt, dass der Emittent in aller Regel ohnehin keine 1 Die deutsche Fassung von Anhang VIII ProspektVO übersetzt den englischen Begriff „assets“ zT auch mit dem aus der Rechnungslegung und den Eigenkapitalvorschriften für Banken bekannten Begriff „Aktiva“. Ein inhaltlicher Unterschied zum Begriff „Vermögenswert“ ist damit nicht verbunden. 2 Siehe hierzu Geiger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 18 Rz. 7; Kaiser in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E Rz. 101.

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weiteren Vermögenswerte besitzt, die als Haftungsmasse zur Verfügung stehen könnten. Offenbar vor diesem Hintergrund hat der Verordnungsgeber die Aufnahme der in Anhang VIII Ziffer 2.1 ProspektVO vorgesehenen ausdrücklichen Bestätigung in den Prospekt für erforderlich gehalten, dass die Zahlungspflichten des Emittenten durch entsprechende Vermögenswerte grundsätzlich gedeckt sind. 9

Wie bei allen Bestätigungen, die nach der Prospektverordnung abzugeben sind, wird von der BaFin grundsätzlich die Verwendung des Wortlauts der Prospektverordnung gefordert. Dies kann im Einzelfall aus Sicht des Emittenten problematisch sein, wenn der Wortlaut der Prospektverordnung, zumal in seiner deutschsprachigen, aus dem Englischen übertragenen Fassung, unklar oder sogar irreführend ist. Im Fall der Bestätigung gemäß Ziffer 2.1 von Anhang VIII ProspektVO besteht eine gewisse Gefahr, dass diese von Anlegerseite als eine Art Garantiezusage verstanden wird, dass die ABS immer und zu jeder Zeit in Höhe der angegebenen Zins- und Rückzahlungsbeträge bedient werden können. Dies gilt insbesondere im Fall von Privatanlegern, die von Verbriefungsvehikeln begebene strukturierte Anleihen erwerben und die mit der Funktionsweise von Verbriefungen ieS nicht vertraut sind. Zwar verlangt Anhang VIII Ziffer 2.1 ProspektVO lediglich, dass die zu verbriefenden Aktiva entsprechende „Merkmale“ aufweisen, aufgrund derer der Emittent in der Lage ist, die ABS-Papiere zu bedienen, was wohl zum Ausdruck bringen soll, dass die ABS-Emission nicht von vornherein einen defizitären Cash Flow haben darf. Auch ergibt sich aus den übrigen Prospektanforderungen der Ziffer 2 von Anhang VIII ProspektVO und dem entsprechenden Prospektinhalt, dass die Werthaltigkeit der zugrunde liegenden Vermögenswerte für die Bedienung der ABS-Papiere entscheidend ist. In der Praxis wird jedoch zumindest bei Retail-Emissionen im Prospekt im Zusammenhang mit der Bestätigung gemäß Ziffer 2.1 oftmals klargestellt, dass die Bedienung der ABS-Papiere davon abhängig ist, dass die Schuldner der zugrunde liegenden Vermögenswerte ihren Verpflichtungen nachkommen. 3. Angaben zu den Basisvermögenswerten (statisches Portfolio) (Ziffer 2.2) a) Überblick

10

Die in den Prospekt aufzunehmenden Angaben zu den Basisvermögenswerten richten sich nach Ziffer 2.2 bzw. Ziffer 2.3 von Anhang VIII ProspektVO. Anhang VIII Ziffer 2.2 betrifft dabei die Anforderungen für den Grundfall eines aus einzelnen, konkreten Vermögenswerten bestehenden statischen Portfolios („pool of discrete assets“)1. Demgegenüber gilt Anhang VIII Ziffer 2.3 im Fall eines aktiv verwalteten Portfolios, bei dem ne1 Die deutsche Fassung von Anhang VIII Ziffer 2.2 ProspektVO spricht hier von dem Bestehen einer Dispositionsbefugnis. Diese Übersetzung des englischen Ausdrucks discrete assets ist unzutreffend (siehe hierzu auch Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 6).

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ben Angaben, die den Angaben gemäß Ziffer 2.2 gleichwertig sind, außerdem noch spezifische Angaben zur Verwaltung des Portfolios in den Prospekt aufzunehmen sind. Wird ein Basisprospekt für ABS-Emissionen iS der ProspektVO erstellt1, so können die Angaben zu den Vermögenswerten, die von Emission zu Emission andere sein können, den endgültigen Bedingungen vorbehalten bleiben. Das gilt auch für die Beschreibung der Schuldner (siehe Anhang VIII Ziffer 2.2.2 und 2.2.11 ProspektVO). Hierfür genügt es, wenn im Basisprospekt vorgesehen ist, welche Angaben zu den Schuldnern in die endgültigen Bedingungen eingefügt werden sollen. b) Rechtsordnung der Vermögenswerte (Ziffer 2.2.1) Gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.1 ProspektVO ist die Rechtsordnung, unter 11 die der Pool von Vermögenswerten fällt, anzugeben. Da der Pool als solcher regelmäßig nicht einer bestimmten Rechtsordnung unterliegt, ist hier das Recht, dem die Vermögenswerte unterliegen, zu benennen. Die Bezugnahme auf den Pool verdeutlicht jedoch, dass es bei einer Vielzahl von Vermögenswerten nicht erforderlich ist, für jeden einzelnen Vermögenswert die jeweilige Rechtsordnung anzugeben, sondern dass dieses für den Pool als Ganzes erfolgen kann. Enthält der Pool Vermögenswerte, die verschiedenen Rechtsordnungen unterliegen, genügt es, wenn die betreffenden Rechtsordnungen als Voraussetzung für die Aufnahme von Vermögenswerten in den Pool (eligibility criteria) im Prospekt bezeichnet werden2. c) Allgemeine Beschreibung der Schuldner (Ziffer 2.2.2) Anhang VIII Ziffer 2.2.2 ProspektVO verlangt eine allgemeine Beschreibung 12 der Schuldner der zugrunde liegenden Vermögenswerte, wobei Art und Umfang der Beschreibung davon abhängen, ob es sich lediglich um eine kleinere Anzahl von Schuldnern handelt oder ob der Kreis der Schuldner größer ist. Während bei einer kleineren Zahl von Schuldnern eine allgemeine Beschreibung jedes einzelnen Schuldners erforderlich ist (Ziffer 2.2.2. lit. a), sind in allen anderen Fällen lediglich die allgemeinen Merkmale der Schuldner der Vermögenswerte sowie eine Beschreibung des Marktumfelds und statistische Angaben zu den verbrieften Vermögenswerten in den Prospekt aufzunehmen (Ziffer 2.2.2. lit. b). Nicht eindeutig definiert ist, bei welcher Anzahl von Schuldnern es sich noch um eine „kleinere Zahl von leicht identifizierbaren Schuldnern“ iS von Anhang VIII Ziffer 2.2.2 lit. a ProspektVO handelt. Anhaltspunkt hierfür könnte der Maßstab von Ziffer 2.2.11 lit. a sein, der eine umfassende Schuldnerbeschreibung nur bei fünf oder weniger Schuldnern erfordert. Andererseits ist Ziffer 2.2.2 eine eigenständige Regelung, die gerade keine konkrete Zahl als formale Grenze vorsieht, so dass im Rahmen von Ziffer 2.2.2 1 Diese Möglichkeit ist in der ProspektVO ausdrücklich vorgesehen (Art. 22 Abs. 6) und in der Praxis insbesondere bei Emissionsplattformen für strukturierte Produkte üblich. Siehe auch Vor Anhang VII, VIII EU-ProspektVO Rz. 6. 2 So auch Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 7.

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auch eine wertende Beurteilung hinsichtlich des von der Zahl der Schuldner abhängigen Umfangs der Beschreibung vor dem Hintergrund der Gesamttransaktion möglich und gegebenenfalls auch geboten ist. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die englische Fassung von einer kleinen (small) Zahl von Schuldnern spricht, also nicht den Komparativ (kleiner) benutzt, dh. die Zahl der Schuldner muss absolut betrachtet klein sein. Von eigenständiger Bedeutung ist das Erfordernis der allgemeinen Beschreibung jedes einzelnen Schuldners gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.2 lit. a ohnehin nur dann, wenn nicht eine Schuldnerbeschreibung gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.11 ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen ist (siehe dazu nachstehend Rz. 21 ff.). Sind gemäß Ziffer 2.2.11 weitere Angaben zum Schuldner erforderlich, so erfüllt diese Schuldnerbeschreibung auch die Anforderungen der Ziffer 2.2.2 lit. a. Inhalt und Umfang einer allgemeinen Beschreibung des Schuldners sind durch Ziffer 2.2.2. lit. a nicht im Einzelnen vorgegeben. Hier wird man sich an den bei Emittentenbeschreibungen in Prospekten üblichen allgemeinen Darstellungen zu Firma, Sitz und Art der Geschäftstätigkeit des Schuldners bzw. den gemäß Ziffer 2.2.11 lit. b bei der Kurzbeschreibung kapitalmarktorientierter Schuldner erforderlichen Angaben orientieren. Im Fall der Verbriefung eines großen Forderungsportfolios sind gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.2 lit. b ProspektVO neben allgemeinen Merkmalen der verbrieften Forderungen (insbesondere Art der Forderungen und Schuldner) auch eine Beschreibung des Marktumfelds sowie „globale statistische Daten“ (gemeint sind wohl statistische Daten, die portfoliobezogen sind bzw. in Bezug auf Forderungen von der Art der verbrieften Forderungen erhoben wurden) in den Prospekt aufzunehmen. Die Nennung der Namen konkreter Schuldner oder gar eine Kurzbeschreibung einzelner Schuldner werden von Ziffer 2.2.2. lit. b nicht verlangt. d) Rechtsnatur der Vermögenswerte (Ziffer 2.2.3) 14

Des Weiteren ist gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.3 ProspektVO die Rechtsnatur der verbrieften Vermögenswerte anzugeben. Es ist also im Prospekt darzulegen, ob es sich bei den verbrieften Vermögenswerten um Forderungen aus Verträgen (zB Leasing-, Darlehens-, Handelsforderungen), Forderungen aus Wertpapieren oder vielmehr um verbriefte oder unverbriefte Rechte gesellschaftsrechtlicher und mitgliedschaftlicher Natur wie GmbH-Anteile, Aktien oder Vorzugsaktien oder hybride Instrumente wie Genussrechte und -scheine oder etwa auch luxemburgische parts bénéficiares oder preferred shares des angelsächsischen Rechtskreises handelt. e) Fälligkeit und Betrag der Vermögenswerte (Ziffer 2.2.4)

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Anhang VIII Ziffern 2.2.4 und 2.2.5 ProspektVO verlangen die Angabe der Fälligkeitstermine und des Betrags der zugrunde liegenden Vermögenswerte. Naturgemäß kann ein Fälligkeitstermin nur für solche Vermögenswerte angegeben werden (siehe Erwägungsgrund 24 der ProspektVO), die ihrer Rechtsnatur nach fällig werden können, insbesondere verbriefte und unverbriefte Forderungen. Bei einem aus einer Vielzahl von Forderungen beste-

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henden Portfolio wird entsprechend dem Grundgedanken von Ziffer 2.2.2 lit. b die Aufnahme allgemeiner Kriterien zur Laufzeit und Fälligkeit der Forderungen ausreichen1. Ähnliches gilt für den gemäß Ziffer 2.2.5 anzugebenden Betrag der Vermögenswerte. Der Wortlaut von Ziffer 2.2.5 ist dabei insoweit nicht ganz eindeutig, als sowohl der Betrag jedes einzelnen Vermögenswertes als auch der Gesamtbetrag der verbrieften Vermögenswerte gemeint sein könnte. Letztlich dürfte auch hier die Angabe des jeweiligen Betrags der einzelnen Vermögenswerte nur bei der Verbriefung einzelner, weniger Vermögenswerte in Betracht kommen, während bei einer Vielzahl von Vermögenswerten nur die Angabe des Gesamtbetrags praktikabel sein dürfte und die Angabe der Einzelbeträge keine aus Anlegersicht relevante zusätzliche Transparenz schaffen würde. f) Beleihungsquote; Grad der Besicherung (Ziffer 2.2.6) Gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.6 ProspektVO ist die Beleihungsquote bzw. 16 der Grad der Besicherung der verbrieften Vermögenswerte anzugeben. Beleihungsquoten, dh. allgemein gesprochen das Verhältnis zwischen dem Betrag der Finanzierung und dem Wert der Sicherheit, sind insbesondere bei Immobiliendarlehen, die in CMBS- oder RMBS-Transaktionen verbrieft werden, von Bedeutung (siehe dazu unten Rz. 28). Der Grad der Besicherung kann aber auch für sonstige Sicherheiten ermittelt werden. Auch gebietet der Grundsatz der Praktikabilität, dass bei einem sehr großen Forderungsportfolio nicht die Beleihungsquoten jedes einzelnen Vermögenswertes, sondern nur die allgemeinen Merkmale, gegebenenfalls Mindestbeleihungsquoten oder Bandbreiten, anzugeben sind. Bei unbesicherten Vermögenswerten (etwa in Gestalt von Anleihen von Banken oder Unternehmen mit erstklassigem Rating), wie sie zB bei der Emission strukturierter Produkte über verbriefungsähnliche Emissionsplattformen für Retail-Anleihen üblich sind, ist Anhang VIII Ziffer 2.2.6 ProspektVO nicht von Relevanz. Insbesondere ist zu beachten, dass Ziffer 2.2.6 sich ausschließlich auf eine etwaige Besicherung der zugrunde liegenden Vermögenswerte und nicht auf den Umfang der Besicherung der ABS-Papiere durch die Vermögenswerte bezieht2. g) Entstehung und Schaffung der Vermögenswerte (origination) (Ziffer 2.7.7) Bei der nach Anhang VIII Ziffer 2.2.7 ProspektVO zu beschreibenden „Me- 17 thode der Entstehung oder der Schaffung der Aktiva“ geht es um das Verfahren der origination und weniger um die Art und Weise, wie ein Vermögenswert im rechtlichen Sinn technisch entsteht. Daher ist zB im Fall einer als Sicherheit dienenden Anleihe nicht etwa der Begebungsvertrag dieser Anleihe im Detail zu beschreiben. Vielmehr geht es in erster Linie um die Beschreibung operationeller Prozesse und der Kriterien und Leitlinien, die der 1 Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 18. 2 Ebenso Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 20.

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Originator beachtet und berücksichtigt, wenn er Verträge abschließt, deren Forderungen er im Anschluss verbrieft. Dementsprechend sieht Ziffer 2.2.7 bei Darlehen und Kreditverträgen die Angabe der Hauptkriterien der Darlehensvergabe vor (gegebenenfalls unter Hinweis auf etwaige Ausnahmen und die Voraussetzungen für eine Abweichung bzw. auf verbriefte Darlehen, die diesen Kriterien nicht entsprechen). Demgegenüber geht es in Ziffer 2.2.7 nicht um die Verwaltung der Darlehen bzw. sonstigen Forderungen während ihrer Laufzeit und die Einziehung der Forderungen (sog. Servicing)1. Neben Angaben zur Methode und zu den Kriterien der Forderungsentstehung sind gemäß Ziffer 2.2.7 des Weiteren Angaben zu den Rechten und Verpflichtungen des Darlehensgebers zur Auszahlung weiterer Darlehensbeträge (Kreditzusagen)2 in den Prospekt aufzunehmen. h) Zusicherungen; zusätzliche Sicherheiten (Ziffer 2.2.8) 18

Anhang VIII Ziffer 2.2.8 ProspektVO verlangt einen Hinweis auf etwaige Zusicherungen gegenüber dem Emittenten bzw. zusätzliche Sicherheiten zugunsten des Emittenten. Unklar ist, ob hiervon Zusicherungen und Sicherheiten erfasst werden, die im Rahmen der Begründung des Vermögensgegenstandes abgegeben bzw. gestellt wurden3, oder ob vielmehr Zusicherungen in Bezug auf die Vermögenswerte und zusätzliche Sicherheiten des Forderungsverkäufers/Originators im Rahmen des Verkaufs der Forderungen an den Emittenten gemeint sind. Für Letzteres spricht, dass Ziffer 2.2.8 nur auf Zusicherungen und Sicherheiten an den Emittenten abstellt, während die Zusicherungen und Sicherheiten für die Vermögenswerte typischerweise gegenüber dem Originator und Forderungsverkäufer abgegeben bzw. diesem gestellt werden. Andererseits wird der Emittent, gegebenenfalls indirekt über einen Sicherheitentreuhänder, nach Übertragung der Forderung ebenfalls Berechtigter in Bezug auf die Zusicherungen und Sicherheiten. Zumindest in Bezug auf die Stellung von Sicherheiten muss es jedoch letztlich um die Besicherung der zugrunde liegenden Vermögenswerte gehen, da diese – wie etwa die Grundpfandrechte bei Immobilienkrediten – aus Darlehensgeber- und damit letztlich Investorensicht von maßgeblicher Bedeutung sind und die Beschreibung der Sicherheiten auch nicht in einer anderen Ziffer von Anhang VIII ProspektVO geregelt ist. Für Versicherungen bezüglich der Vermögenswerte enthält Anhang VIII Ziffer 2.2.10 ProspektVO eine vergleichbare Regelung. Hinzu kommt, dass – von besonderen Treuhandkonstruktionen einmal abgesehen – nicht-akzessorische Sicherheiten tatsächlich auch vom Originator auf den Emittenten übertragen werden und akzessorische Sicherheiten ohnehin der Forderung folgen. Demgegenüber wäre jedenfalls bei dem gängigen Verbriefungstypus der True-Sale-Transaktion eine ergänzende Bestellung von Sicherheiten durch den Originator an den Emittenten im Rahmen des Forderungsverkaufs eher un1 Anderer Auffassung offenbar Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 22. 2 Die deutsche Fassung, die hier den Begriff „Vorschüsse“ verwendet, gibt den englischen Begriff „advances“ nur unzureichend wieder. 3 So wohl Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 23.

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gewöhnlich. Aus Gründen der Parallelität müsste Gleiches auch für Zusicherungen gelten, dh. es sind wesentliche Zusicherungen seitens des Schuldners der verbrieften Forderung, die letztlich auch dem Emittenten als Erwerber der Forderung zugute kommen, anzugeben. Hier ist der Anwendungsbereich von Anhang VIII Ziffer 2.2.8 ProspektVO allerdings nicht ganz so eindeutig, da auch auf die Vermögenswerte bezogene Zusicherungen des Originators/Forderungsverkäufers unmittelbar gegenüber dem Emittenten als Käufer durchaus üblich sind und der Wortlaut von Ziffer 2.2.8 gerade diese Zusicherungen erfasst. Ziffer 2.2.8 verlangt lediglich einen Hinweis (indication) auf wichtige Zusicherungen und etwaige Sicherheiten. Das bedeutet, der Anleger muss sich aufgrund der Prospektangaben ein Bild von Art und Umfang der wesentlichen Zusicherungen und Sicherheiten machen können. Eine detaillierte Beschreibung ist nicht erforderlich. In der Praxis werden allerdings wesentliche Zusicherungen, die etwa der Forderungsverkäufer im Rahmen des Kaufvertrags über die zu verbriefenden Forderungen abgibt, durchaus auch wörtlich im Prospekt wiedergegeben. i) Ersetzung von Vermögenswerten (Ziffer 2.2.9) Anhang VIII Ziffer 2.2.9 ProspektVO betrifft eine etwaige Ersetzung von 19 Vermögenswerten. Diese ist von einem aktiv gemanagten Portfolio iS von Anhang VIII Ziffer 2.3 ProspektVO zu unterscheiden. Von einer bloßen Substitution kann dann gesprochen werden, wenn unter eng umgrenzten Voraussetzungen – wie etwa der Wegfall einer Forderung oder das Entfallen einer Voraussetzung für den Verbleib der Forderung im Portfolio – der betreffende Vermögenswert durch einen anderen ersetzt wird. Regelmäßig wird es für den neu hinzukommenden Vermögenswert bestimmte Kriterien geben, die im Prospekt zu beschreiben sind. Auf eine etwaige Möglichkeit, Vermögenswerte durch Vermögenswerte einer anderen Qualität oder Kategorie zu ersetzen, ist ausdrücklich hinzuweisen und mögliche Auswirkungen auf die ABS-Papiere sind zu beschreiben. j) Versicherungspolicen (Ziffer 2.2.10) Gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.10 ProspektVO sind des Weiteren die Versicherungspolicen zu beschreiben, die für die Vermögenswerte abgeschlossen wurden. Der Wortlaut gerade auch der deutschen Fassung ist hier recht eng formuliert und scheint nur Versicherungen zu betreffen, die sich unmittelbar auf den Vermögenswert beziehen. Da dies bei Forderungen allenfalls Kreditversicherungen erfassen würde, dürfte Ziffer 2.2.10 etwas weiter zu verstehen sein und insbesondere auch Versicherungen umfassen, die sich auf die für die betreffende Forderung bestellten Sicherheiten beziehen, wie etwa Gebäudeversicherungen und sonstige Sachversicherungen1.

1 Ebenso Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 25.

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k) Erweiterte Beschreibung der Schuldner (Ziffer 2.2.11) 21

Anhang VIII Ziffer 2.2.11 ProspektVO stellt neben Ziffer 2.2.2 die Kernregelung für die Anforderungen an die Beschreibung der Schuldner der zugrunde liegenden Vermögenswerte dar. Danach sind bei Schuldnern, die juristische Personen sind, über die Anforderungen von Ziffer 2.2.2 hinaus weitere Informationen über die Schuldner der Vermögenswerte in den Prospekt aufzunehmen, wenn die Vermögenswerte Verbindlichkeiten von nicht mehr als fünf Schuldnern umfassen oder wenn 20 % oder mehr der Vermögenswerte aus Verbindlichkeiten eines Schuldners bestehen. Darüber hinaus sind die weiteren Informationen gemäß Ziffer 2.2.11 beizubringen, wenn ein Schuldner einen wesentlichen Anteil der Vermögenswerte ausmacht1. Die eigenständige Bedeutung dieser nicht näher definierten Wesentlichkeitsschwelle, die – anders als die übrigen Schwellen in Ziffer 2.2.11 – eine Neuerung gegenüber den vor Umsetzung der Prospektrichtlinie in Irland und im Vereinigten Königreich geltenden Anforderungen darstellt, ist unklar. Bei einem Anteil von 20 % oder mehr greift bereits die 20 %-Regel. Würde man auch einen Anteil von weniger als 20 % als wesentlich ansehen, wäre die 20 %-Schwelle an sich überflüssig und hätte allenfalls die Funktion, dass ab diesem Wert in jedem Fall die umfangreichere Schuldnerbeschreibung erforderlich ist, während bei einem darunter liegenden Wert eine wertende Gesamtbetrachtung möglich ist.

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Erreichen ein oder mehrere Schuldner die vorgenannten Schwellenwerte, so sind die in Ziffer 2.2.11 lit. a bzw. lit. b aufgeführten Informationen über die Schuldner in den Prospekt aufzunehmen. Der Umfang dieser Informationen hängt davon ab, ob der jeweilige Schuldner oder ein etwaiger Garantiegeber kapitalmarktorientiert ist, dh. Wertpapiere begeben hat, die an einem regulierten Markt oder einem vergleichbaren Markt zum Handel zugelassen sind. Ist dieses nicht der Fall, so ist gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.11 lit. a ProspektVO eine grundsätzlich der Emittentenbeschreibung vergleichbare Schuldnerbeschreibung nach den Vorgaben von Anhang IX ProspektVO (Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro) zu erstellen. Insofern kann grundsätzlich auf die Kommentierung zu Anhang IX ProspektVO verwiesen werden. Angaben gemäß Anhang IX ProspektVO sind jedoch wie alle Angaben gemäß Ziffer 2.2.11 nur insoweit in den Prospekt aufzunehmen, als sie dem Emittenten der ABS-Papiere bekannt sind und/oder von diesem aus veröffentlichten Informationen des Schuldners entnommen werden können. Ziffer 2.2.11 begründet daher keine Untersuchungspflicht in Bezug auf die Schuldner, die über die vom Schuldner veröffentlichten Informationen hinausgeht2. Risiken und Finanzinformationen können etwa einem vom Schuldner veröffentlichten Ge-

1 Auch insoweit ist die deutsche Fassung der ProspektVO unglücklich formuliert. Der Schuldner „hält“ nicht etwa die Aktiva, sondern er schuldet aus diesen die Erfüllung einer Leistungspflicht. 2 Zur Reichweite der Auswertung der „vom Schuldner veröffentlichten Informationen“ vgl. oben Rz. 3 ff.

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schäftsbericht entnommen werden. Da es hier nur um eine entsprechende Anwendung von Anhang IX ProspektVO geht, entfallen bestimmte in Anhang IX vorgesehene, von einem Emittenten in Bezug auf einen Schuldner der Vermögenswerte aus praktischen oder rechtlichen Gründen nicht umsetzbare Angaben und Erklärungen wie etwa die Verantwortungsübernahme und die Sorgfaltserklärung gemäß den Ziffern 1.1 und 1.2 oder Angaben zu Gewinnprognosen gemäß Ziffer 8 sowie auch die Anforderungen gemäß Ziffer 13.2 und 14 des Anhangs IX ProspektVO. Hinsichtlich der Darstellung der mit den Schuldnern verbundenen Risikofaktoren steht der an sich im Sinne der Transparenz sinnvollen einheitlichen und komprimierten, auch die Risiken an durchaus prominenter Stelle beinhaltenden Beschreibung des jeweiligen Schuldners in einem separaten Abschnitt („Prospekt im Prospekt“) der prospektrechtliche Grundsatz entgegen, dass Risikofaktoren zu Beginn des Prospekts darzustellen sind (Art. 25 Abs. 1 ProspektVO). Hinzu kommt, dass die BaFin Verweise in dem allgemeinen Abschnitt „Risikofaktoren“ auf Risikofaktoren, die in einer Schuldnerbeschreibung nach Anhang IX ProspektVO enthalten sind, regelmäßig nicht zulässt. Die BaFin verlangt daher nach ihrer nunmehr gängigen Praxis, dass bei ABS-Prospekten, die eine oder mehrere Schuldnerbeschreibungen nach Anhang IX ProspektVO enthalten, auch die Risikofaktoren bezüglich dieser Schuldner vor die Klammer gezogen und zusammen mit den emittenten- und sonstigen wertpapierbezogenen Risikofaktoren im allgemeinen Abschnitt „Risikofaktoren“ dargestellt werden. Dem Wortlaut von Anhang VIII Ziffer 2.2.11 lit. a ProspektVO zufolge muss 23 für „jeden Schuldner“ eine solche Emittentenbeschreibung in den Prospekt aufgenommen werden. Dies ist zweifellos der Fall, wenn es sich um fünf oder weniger Schuldner handelt. Ziffer 2.2.11 lit. a differenziert allerdings nicht ausdrücklich zwischen den verschiedenen Fallgestaltungen. Im Fall des Erreichens der 20 %- oder Wesentlichkeitsschwelle durch nur einen oder zwei Schuldner sollte jedoch entsprechend dem Grundgedanken der Ziffer 2.2.11 eine vollständige Emittentenbeschreibung gemäß Anhang IX ProspektVO nicht für alle Schuldner, sondern ausschließlich in Bezug auf jeden relevanten Schuldner (dh. die betreffenden wesentlichen Schuldner) erforderlich sein, wenn es sich um insgesamt mehr als fünf Schuldner handelt. Eine Anwendung von Anhang VIII Ziffer 2.2.11 lit. a ProspektVO auf Garantiegeber ist – anders als in Ziffer 2.2.11 lit. b – nicht vorgesehen und wird in der Praxis auch eher selten von Bedeutung sein. Die Aufnahme entsprechender Angaben zum Garantiegeber kann sich in einem solchen Einzelfall aus den allgemeinen Informationspflichten nach § 5 Abs. 1 WpPG und den Überlegungen, die dem Garantiemodul gemäß Anhang VI zugrunde liegen, ergeben1. Hat zwar der Schuldner, nicht jedoch der Garantiegeber,

1 Zum Hintergrund der Erwähnung von Garantiegebern im Fall von Anhang VIII Ziffer 2.2.11 lit. b ProspektVO siehe nachstehend Rz. 24. Für eine entsprechende Anwendung von Anhang VIII Ziffer 2.2.11 lit. a auf Garantiegeber offenbar Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 25.

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Anhang VIII

Wertpapiere begeben, die an einem regulierten Markt zugelassen sind, so gilt aber in jedem Fall Anhang VIII Ziffer 2.2.11 lit. b ProspektVO. 24

Eine vom Umfang her deutlich reduzierte Schuldnerbeschreibung (Angabe von Firma, Sitzstaat, Art der Geschäftstätigkeit und Markt, auf dem die Wertpapiere zum Handel zugelassen sind) ist gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.11 lit. b ProspektVO ausreichend, wenn der betreffende Schuldner oder Garantiegeber Wertpapiere begeben hat, die an einem regulierten Markt oder einem vergleichbaren Markt zum Handel zugelassen sind. Dem liegt die Wertung des Verordnungsgebers zugrunde, dass bei derartigen kapitalmarkorientierten Schuldnern aufgrund der mit der Börsennotierung verbundenen Prospekt- und Transparenzpflichten dem Anleger entsprechende Informationen zur Verfügung stehen und daher auf eine umfassende Beschreibung des Schuldners verzichtet werden kann. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass Ziffer 2.2.11 lit. b anders als Ziffer 2.2.11 lit. a neben den Schuldnern auch die Garantiegeber erwähnt. Es erscheint nachvollziehbar, dass die Vorteile der Kurzbeschreibung gemäß Ziffer 2.2.11 lit. b auch solchen Emissionen zugute kommen sollen, deren zugrunde liegende Vermögenswerte von kapitalmarktorientierten Unternehmen garantiert sind. Es macht insoweit letztlich keinen Unterschied, ob etwa eine als Deckung dienende Unternehmensanleihe direkt von einem DAX-Unternehmen emittiert wird oder durch eine niederländische Finanzierungsgesellschaft mit einer Garantie der Konzermuttergesellschaft. Anders als das Wertpapierprospektgesetz, das den in § 2 Nr. 16 WpPG definierten Begriff „organisierter Markt“ kennt, verwendet die deutsche Fassung der Prospektverordnung den Begriff „regulierter Markt“, der aber ebenso wie der organisierte Markt dem „regulated market“ der englischen Fassungen der Prospektrichtlinie und der Prospektverordnung entspricht1. „Vergleichbare Märkte“ sind insbesondere Börsen außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums, deren Handel entsprechenden Transparenzanforderungen unterliegt. l) Rechtsbeziehungen von wesentlicher Bedeutung (Ziffer 2.2.12)

25

Gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.12 ProspektVO sind die wichtigsten Aspekte einer etwaigen vertraglichen oder gesellschaftsrechtlichen Beziehung zwischen dem Emittenten, dem Schuldner und, soweit vorhanden, dem Garantiegeber darzulegen, wenn diese Beziehung für die Emission von wesentlicher Bedeutung ist. Wie der in der englischen Fassung von Ziffer 2.2.12 verwendete Begriff „terms“ zeigt, geht es hier um die wichtigsten bestehenden Regelungen einer solchen Beziehung. Mit dem Garantiegeber dürfte, ebenso wie bereits in den vorhergehenden Ziffern, entsprechend dem systematischen Kontext dieser Bestimmung als Teil von Ziffer 2 (Basisvermögenswerte) ein etwaiger Garantiegeber in Bezug auf den jeweiligen verbrieften Vermögenswert (und nicht der Aussteller einer etwaigen Garantie in Bezug auf die ABS-Papiere) gemeint sein. Es ist eine Frage des Einzelfalls, wann eine 1 Zu Definition und Begriffshistorie des organisierten Marktes näher § 2 WpPG Rz. 89.

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solche vertragliche oder gesellschaftsrechtliche Beziehung für die Emission von wesentlicher Bedeutung ist, wobei insbesondere auch der Anteil des betroffenen Vermögenswerts an der Gesamtdeckung der Emission in der Regel zu berücksichtigen sein wird. m) Forderungen, die nicht an einer Börse gehandelt werden (Ziffer 2.2.13) Anhang VIII Ziffer 2.2.13 ProspektVO enthält die Anforderungen an die 26 Beschreibung von Forderungen, die durch Begebung der betreffenden ABSPapiere verbrieft werden. Entgegen dem Wortlaut der deutschen Fassung von Ziffer 2.2.13 ist der Anwendungsbereich dieser Bestimmung nicht auf Forderungen aus Wertpapieren beschränkt. Vielmehr geht es hier generell um Forderungen, die nicht an einem geregelten oder einem vergleichbaren Markt gehandelt werden, und es werden dementsprechend auch und gerade solche Forderungen erfasst, die keine Wertpapiereigenschaft besitzen1. Im Prospekt aufzuführen sind die wichtigsten Bedingungen der Forderungen. Bei Anleihen sind dies insbesondere Stückelung/Nennbetrag, Ausgabedatum, Verzinsung und Laufzeit sowie etwaige besondere Kündigungsrechte. Entsprechendes gilt für Schuldscheindarlehen und sonstige Darlehensforderungen. Bei Leasing-, Miet- und Kaufverträgen sind außerdem der jeweilige Gegenstand sowie grundsätzlich auch etwaige Gewährleistungsrechte darstellen2. Im Fall eines großen Portfolios von Einzelforderungen ist die Beschreibung jeder einzelnen Forderung allerdings nicht praktikabel. Auch hier sollte – dem Grundgedanken von Anhang VIII Ziffer 2.2.2 lit. b ProspektVO folgend – eine Darstellung der wesentlichen Merkmale der Forderungen in allgemeiner Form genügen. n) Dividendenwerte (Ziffer 2.2.14) Die Ziffern 2.2.14 und 2.2.15 des Anhangs VIII ProspektVO enthalten die 27 Anforderungen an die Beschreibung von Dividendenwerten und der Emittenten dieser Dividendenwerte und stellen insoweit ein Äquivalent zu den entsprechenden Anforderungen an die Beschreibung von Schuldnern und Forderungen gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.11 und 2.2.13 ProspektVO dar. Der Begriff Dividendenwerte (equity securities) ist in Art. 2 Abs. 1 lit. b der Prospektrichtlinie bzw. (in Umsetzung der Prospektrichtlinie) in § 2 Nr. 2 WpPG definiert3. Ebenso wie im Fall von Forderungen gemäß Ziffer 2.2.11 und 2.2.13 wird auch bei Dividendenwerten zwischen solchen, die an einem regulierten bzw. an einem vergleichbaren Markt zum Handel zugelassen sind (Rz. 24), und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, unterschieden. Bei börsennotierten Dividendenwerten iS von Anhang VIII Ziffer 2.2.14 ProspektVO sind lediglich Beschreibungen des Wertpapiers und des Marktes, an dem sie gehandelt werden, sowie Angaben zur Häufigkeit von Kurs1 Ebenso Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 31, der mit Recht auf die englische Fassung verweist, die lediglich von „obligations“ (und nicht von securities) spricht. 2 So auch Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 32. 3 Dazu näher § 2 WpPG Rz. 20 ff.

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veröffentlichungen erforderlich. Demgegenüber ist gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.15 ProspektVO für jeden Dividendenwert, der nicht auf einem solchen Markt gehandelt wird, neben der Beschreibung der Dividendenwerte eine vollständige Emittentenbeschreibung entsprechend Anhang I ProspektVO erforderlich, wenn derartige, nicht börsennotierte Dividendenwerte mehr als 10 % der zu verbriefenden Vermögenswerte ausmachen. o) Forderungen, die mit Immobilien besichert sind (Ziffer 2.2.16) 28

Bestehen die verbrieften Vermögenswerten zu einem wesentlichen Teil aus Forderungen, die durch Immobilien besichert oder gedeckt sind, wie etwa bei Commercial Mortgage Backed Securities (CMBS) oder Residential Mortgage Backed Securities (RMBS), so sind gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.16 ProspektVO grundsätzlich entsprechende Bewertungsgutachten bezüglich der betreffenden Immobilien in den Prospekt aufzunehmen. In der Regel werden allerdings für die ABS-Emission keine neuen Bewertungsgutachten erstellt, sondern es wird auf die im Zusammenhang mit der Darlehensvergabe angefertigten Gutachten zurückgegriffen. Dies ist aufgrund der im zweiten Absatz von Ziffer 2.2.16 enthaltenen Regelung möglich, wonach auf die Aufnahme von Bewertungsgutachten in den Prospekt verzichtet werden kann, wenn es für Zwecke der ABS-Emission keine Neubewertung gegeben hat und im Prospekt deutlich gemacht wird, dass die Bewertungen sich auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Darlehensvergabe beziehen. In der Praxis werden den Investoren bei CMBS-Transaktionen häufig Zusammenfassungen der ursprünglichen Bewertungsgutachten in Form einer CDROM zusammen mit dem Prospekt zur Verfügung gestellt, wobei diese Daten jedoch regelmäßig nicht Teil des von der zuständigen Aufsichtsbehörde gebilligten Prospekts sind. 4. Aktiv verwaltetes Portfolio (Ziffer 2.3)

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Anhang VIII Ziffer 2.3 ProspektVO enthält die Vorgaben für Informationen, die im Hinblick auf ein aktiv verwaltetes Verbriefungsportfolio in den Prospekt aufzunehmen sind. Aus Anlegersicht sind in diesen Fällen nicht nur das anfängliche Portfolio, sondern auch die Kriterien für eine zukünftige Umschichtung und die Person des Portfoliomanagers, auf dessen Fähigkeiten vertraut wird, von Bedeutung. Dem tragen die Ziffern 2.3.1 und 2.3.2 Rechnung, indem entsprechende Prospektanforderungen sowohl an die Beschreibung des Portfolios der Vermögenswerte als auch an die Beschreibung des Portfoliomanagers und des Portfolioverwaltungsvertrags gestellt werden. Die Angaben zu den Vermögenswerten gemäß Anhang VIII Ziffer 2.3.1 ProspektVO müssen den gemäß Ziffer 2.1 und 2.2 für ein statisches Portfolio aufzunehmenden Angaben gleichwertig sein. Unterschiede bestehen insoweit, als bei einem aktiv verwalteten Portfolio in abstrakter Weise die zulässige Art von Vermögenswerten (und nicht individuelle, konkrete Vermögenswerte) und die diesbezüglichen Kriterien zu beschreiben sind. Soweit Ziffer 2.3.1 Angaben verlangt, die eine Einschätzung der Art, Qualität,

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der Hinlänglichkeit (zur Bedienung der ABS-Papiere) und der Liquidität erlauben, verdeutlicht dies lediglich die hinter den Ziffern 2.1 und 2.2 stehenden Regelungszwecke (als Leitlinie zur Handhabung der entsprechenden Anwendung von Ziffer 2.1 und 2.2), ohne dass hierdurch zusätzliche Anforderungen aufgestellt werden sollen. Die Aufnahme gleichwertiger Angaben kann im Einzelfall Fragen aufwerfen, etwa wenn ein aktiv verwaltetes Portfolio nur aus fünf oder weniger Schuldnern besteht oder das Ausfallrisiko in Bezug auf einen einzigen Schuldner mehr als 20 % des Gesamtportfolios ausmachen kann. Bei einem statischen Portfolio wäre in derartigen Fällen gegebenenfalls eine umfangreiche Schuldnerbeschreibung nach den Vorgaben von Anhang IX ProspektVO erforderlich (vgl. Anhang VIII Ziffer 2.2.11 lit. a ProspektVO), was bei einem aktiv verwalteten Portfolio im Hinblick auf zukünftige Portofolioschuldner nicht darstellbar wäre. In der Praxis sehen die Anlagekriterien und -richtlinien allerdings ohnehin häufig vor, dass derartige Schwellen wie etwa der 20 %-Wert nicht überschritten werden dürfen. Gemäß Anhang VIII Ziffer 2.3.2 ProspektVO sind die für die Anlagetätig- 30 keit und damit die Verwaltung des Portfolios relevanten Parameter, Angaben zum Portfolioverwalter und eine Zusammenfassung der Bestimmungen zur Kündigung und Ersetzung des Portfolioverwalters in den Prospekt aufzunehmen. Im Ergebnis bedeutet dies eine Zusammenfassung wesentlicher Bestimmungen des Portfolioverwaltungsvertrags sowie eine Beschreibung des Portfolioverwalters und dessen Geschäftstätigkeit und Expertise. Dem Wortlaut von Ziffer 2.3.2. zufolge bezieht sich die Beschreibung des Portfolioverwalters ausdrücklich auf die betreffende, für die Verwaltung vertraglich verantwortliche Gesellschaft (entity), nicht notwendigerweise auf die dort angestellten, handelnden Personen. In der Praxis werden jedoch regelmäßig auch Angaben zu den Geschäftsführern bzw. den hauptverantwortlichen Personen in den Prospekt aufgenommen. Dies wird dann allerdings häufig mit dem Hinweis verbunden, dass nicht darauf vertraut werden kann, dass diese Personen während der gesamten Laufzeit der Wertpapiere bei der betreffenden Gesellschaft tätig sein werden. Des Weiteren sind auch etwaige vertragliche oder gesellschaftsrechtliche Beziehungen zwischen dem Portfolioverwalter und anderen Transaktionsbeteiligten zu beschreiben. 5. Sicherheiten für weitere Emissionen (Ziffer 2.4) Anhang VIII Ziffer 2.4 ProspektVO soll sicherstellen, dass die Anleger ent- 31 sprechend informiert werden, wenn geplant ist, dass die Vermögenswerte, die als Deckung der von den Anlegern erworbenen Wertpapiere dienen, auch als Sicherheiten für eine weitere Emission dienen sollen. Dabei geht es sowohl darum, die Anleger durch eine entsprechende Erklärung im Prospekt über das Bestehen eines solchen Planes in Kenntnis zu setzen, als auch darum, den Anlegern mitzuteilen, auf welche Weise sie über die Ausführung dieses Planes, also die konkrete weitere Emission, informiert wer-

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den. Ein solches Informationsbedürfnis besteht nach der Wertung von Anhang VIII Ziffer 2.4 ProspektVO nicht, wenn die neu begebenen Wertpapiere mit den vom Anleger erworbenen Wertpapieren fungibel sind oder diesen gegenüber nachrangig sind.

IV. Struktur und Kapitalfluss 3. 3.1. 3.2. 3.3.

3.4. 3.4.1.

3.4.2.

3.4.3. 3.4.4.

3.4.5. 3.4.6. 3.4.7. 3.5.

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Struktur und Kapitalfluss Beschreibung der Struktur der Transaktion, einschließlich ggf. eines Strukturdiagramms. Beschreibung der an der Emission beteiligten Unternehmen und der von ihnen auszuführenden Aufgaben. Beschreibung der Methode und des Datums des Verkaufs, der Übertragung, der Novation oder der Zession der Aktiva bzw. etwaiger sich aus den Aktiva ergebenden Rechte und/oder Pflichten gegenüber dem Emittenten, oder ggf. der Art und Weise und der Frist, auf die bzw. innerhalb deren der Emittent die Erträge der Emission vollständig investiert haben wird. Erläuterung des Mittelflusses, einschließlich der Art und Weise, wie der sich aus den Aktiva ergebende Kapitalfluss den Emittenten in die Lage versetzen soll, seinen Verpflichtungen gegenüber den Wertpapierinhabern nachzukommen. Erforderlichenfalls ist eine Tabelle mit der Bedienung der finanziellen Verpflichtungen aufzunehmen sowie eine Beschreibung der Annahmen, die der Erstellung dieser Tabelle zugrunde liegen; Angaben über die Verbesserung der Kreditwürdigkeit der Anleiheemission; Angabe, wo bedeutende potenzielle Liquiditätsdefizite auftreten könnten und Verfügbarkeit etwaiger Liquiditätshilfen; Angabe der Bestimmungen, die die Zinsrisiken bzw. Hauptausfallrisiken auffangen sollen; unbeschadet des in 3.4.2 Gesagten, Einzelheiten zu etwaigen Finanzierungen von nach geordneten Verbindlichkeiten; Angabe von Anlageparametern für die Anlage von zeitweiligen Liquiditätsüberschüssen und Beschreibung der für eine solche Anlage zuständigen Parteien; Beschreibung der Art und Weise, wie Zahlungen in Bezug auf die Aktiva zusammengefasst werden; Rangordnung der Zahlungen, die vom Emittenten an die Inhaber der entsprechenden Wertpapierkategorien geleistet werden, und detaillierte Angaben zu Vereinbarungen, die den Zins- und Kapitalzahlungen an die Anleger zugrunde liegen; Name, Anschrift und wesentliche Geschäftstätigkeiten der ursprünglichen Besitzer der verbrieften Aktiva.

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3.6.

3.7.

3.8.

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Ist die Rendite und/oder Rückzahlung des Wertpapiers an die Leistung oder Kreditwürdigkeit anderer Aktiva geknüpft, die keine Aktiva des Emittenten sind, gilt das unter 2.2 und 2.3 Gesagte. Name, Anschrift und wesentliche Geschäftstätigkeiten des Verwalters, der Berechnungsstelle oder einer gleichwertigen Person, zusammen mit einer Zusammenfassung der Zuständigkeiten des Verwalters bzw. der Berechnungsstelle; ihr Verhältnis zum ursprünglichen Besitzer oder „Schaffer“ der Aktiva und eine Zusammenfassung der Bestimmungen, die das Ende der Bestellung des Verwalters/der Berechnungsstelle und die Bestellung eines anderen Verwalters/Berechnungsstelle regeln. Namen und Anschriften sowie kurze Beschreibung: a) etwaiger Swap-Vertragsparteien und Beschaffer anderer wesentlicher Formen von Bonitäts- oder Liquiditätsverbesserungen; b) der Banken, bei denen die Hauptkonten in Bezug auf die Transaktion geführt werden.

1. Überblick Anhang VIII Ziffer 3 ProspektVO enthält die prospektrechtlichen Anforderungen an die Beschreibung der Struktur der ABS-Emission und des Zahlungsstroms (cash flow), die neben der Beschreibung der Vermögenswerte gemäß Anhang VIII Ziffer 2 ProspektVO den Kernbestandteil des Moduls für die Wertpapierbeschreibung bei ABS-Papieren darstellt1. Die Grundstruktur einer ABS-Emission ist dadurch geprägt, dass ein Unternehmen oder eine Bank (der Originator) Vermögenswerte, insbesondere Forderungen aus ihrer Geschäftstätigkeit, auf eine Zweckgesellschaft übertragen, die auf dieser Grundlage Anleihen (asset backed securities) begibt, die durch die vom Originator erworbenen Vermögenswerte gedeckt bzw. besichert sind. Die weiteren Strukturelemente hängen davon ab, ob die Vermögenswerte selbst oder nur das diesbezügliche Kreditrisiko übertragen wird (True-SaleTransaktion versus synthetische Verbriefung), ob ein größeres Portfolio durch Begebung einer mittel- oder langfristigen Anleihe (Anleihe- oder Bondstruktur) oder mehrere von einer Ankaufsgesellschaft erworbene kleinere Portfolien durch vergleichsweise kurz laufende Commercial Papers (Conduit-Programme) begeben werden2. In vielen Fällen werden die Com1 Zu den nachfolgenden Grundstrukturen und Arten von ABS-Transaktionen siehe näher Geiger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 18 Rz. 1 ff.; Kaiser in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E Rz. 84 ff.; Zeising, BKR 2007, 313. 2 Zur Grundstruktur von Conduit-Transaktionen siehe näher Geiger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 18 Rz. 5 ff.; Kaiser in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E Rz. 96 ff. Aufgrund ihrer kurzfristigen Refinanzierungsstruktur über die Ausgabe von Commercial Papers besteht das Risiko, dass keine neuen Investoren gefunden werden (näher zum sog. „Roll-over-Risiko“ Kaiser in Eilers/Rödding/

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mercial Papers eine Laufzeit von weniger als zwölf Monaten haben, so dass bei derartigen Wertpapieren aufgrund des Ausschlusses von Geldmarktinstrumenten mit einer solchen kurzen Laufzeit vom Wertpapierbegriff (Art. 2 Abs. 1 lit. a Prospektrichtlinie und § 2 Nr. 1 WpPG) keine Prospektpflicht nach Maßgabe der Prospektrichtlinie und des Wertpapierprospektgesetzes besteht. Einen Sonderfall stellt die Whole Business-Verbriefung1 dar, bei der nicht einzelne Vermögenswerte, sondern der Geschäftsbetrieb bzw. der Umsatz des Originators als Ganzes verbrieft wird. Als Sicherheiten werden hier Sicherheitenpakete geschaffen, insbesondere werden Sicherheiten an solchen Gegenständen bestellt, die für die Erwirtschaftung des verbrieften Umsatzes von erheblicher Bedeutung sind. 2. Struktur der Transaktion (Ziffer 3.1) 33

Gemäß Anhang VIII Ziffer 3.1 ProspektVO ist die Struktur der Transaktion zu beschreiben, was gegebenenfalls auch die Abbildung eines Strukturdiagramms im Prospekt beinhaltet. Ein Strukturdiagramm wird in der Praxis bei allen komplexeren Portfolioverbriefungen (sowohl bei True-Sale-Transaktionen als auch bei synthetischen Verbriefungen) in den Prospekt aufgenommen. Entsprechend der graphischen Darstellung mittels eines Strukturdiagramms beinhaltet die Beschreibung der Struktur in Worten eine Darstellung der rechtlichen und funktionalen Eckpfeiler der Transaktion und der Beziehungen zwischen den wesentlichen Beteiligten. Das bedeutet, dass bei einer True-Sale-Transaktion dargestellt werden muss, dass mit dem Emissionserlös vom Originator bestimmte Vermögenswerte erworben werden, die als Sicherheit für die von der Zweckgesellschaft begebenen Anleihen dienen. Bei einer synthetischen Verbriefung ist insbesondere auf die Übertragung von Kreditrisiken vom Originator auf die Zweckgesellschaft mittels eines Kreditderivats, den Verbleib der rechtlichen Inhaberschaft der Vermögenswerte beim Originator und die Verwendung wesentlicher Teile des Emissionserlöses für den Erwerb der als Sicherheiten dienenden Schuldtitel durch die Zweckgesellschaft abzustellen. Bei der Strukturbeschreibung geht es demnach um die rechtlichen und funktionalen Grundbausteine der Transaktion. Hiervon zu unterscheiden (wenngleich in der Darstellung nicht immer vollständig zu trennen2) ist die Beschreibung der Zahlungsströme gemäß Anhang VIII Ziffer 3.4 ProspektVO.

Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E Rz. 97). In diesem Fall muss die Liquiditätsfazilität gezogen werden. 1 Zur Whole Business-Verbriefung näher Kaiser in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E Rz. 89; Geiger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 18 Rz. 22 ff. 2 Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 44 setzt die Transaktionsstruktur sogar mit den Zahlungsströmen gleich.

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3. Beteiligte Unternehmen (Ziffer 3.2) Bei den gemäß Anhang VIII Ziffer 3.2 ProspektVO zu beschreibenden, an 34 der Transaktion beteiligten Unternehmen handelt es sich um solche transaktionsbezogene Beteiligte der ABS-Emission, die weder Emittent noch Garant der ABS-Papiere (für die Anhang VII bzw. Anhang IV ProspektVO gilt) sind und die auch nicht Schuldner der Vermögenswerte sind (insoweit gelten Ziffer 2.2.2 und 2.2.11 von Anhang VIII ProspektVO). Auch für die Beschreibung der Originatoren und etwaiger Swap und Liquidity Provider sowie der Berechnungsstelle, den Cash Manager und/oder den Servicer (je nachdem, wen man mit dem „Administrator“ iS von Anhang VIII Ziffer 3.8 ProspektVO gleichsetzt, siehe unten Rz. 44) gibt es spezielle Bestimmungen in Anhang VIII Ziffer 3.5, 3.7 und 3.8 ProspektVO, so dass Ziffer 3.2 hinsichtlich der Beschreibung der Transaktionsbeteiligten nur eine begrenzte eigenständige Bedeutung hat. Über die genannten Beteiligten hinaus wäre hier etwa an Sicherheitentreuhänder (security trustee), einen Datentreuhänder oder sonstige Dienstleister wie Paying und Notification Agents sowie den Corporate Services Provider zu denken. An den Umfang der Beschreibung stellt Ziffer 3.2 keine besonderen Anforderungen. Da die Bedeutung der sonstigen Transaktionsbeteiligten für die Beurteilung der ABS-Papiere jedenfalls nicht größer ist als die der Schuldner der Vermögenswerte, wird man sich hinsichtlich des Umfangs der in den Prospekt aufzunehmenden Informationen jedenfalls an Anhang VIII Ziffer 2.2.2 ProspektVO als Maximalumfang orientieren können, so dass eine allgemeine Beschreibung des betreffenden Beteiligten genügt. Darüber hinaus sind auch noch die Aufgaben bzw. Funktionen des jeweiligen Transaktionsbeteiligten im Rahmen der ABS-Transaktion zu erläutern. 4. Übertragung der Vermögenswerte (Ziffer 3.3) Gemäß Anhang VIII Ziffer 3.3 ProspektVO ist des Weiteren zu beschreiben, 35 wie und zu welchem Datum die Vermögenswerte bzw. diesbezügliche Rechte und Pflichten auf den Emittenten der ABS-Papiere übertragen werden. Die in Anhang VIII Ziffer 3.3 ProspektVO aufgeführten Beispiele einer Übertragung reflektieren die mögliche Vielfalt der Übertragungsformen (wie Abtretung und Novation), die unter anderem auch davon abhängen, welchem Recht die Vermögenswerte zugrunde liegen. Im Fall von ABS-Transaktionen, bei denen im Zeitpunkt der Prospekterstellung die Emissionserlöse noch nicht oder noch nicht vollständig investiert sind und das zu verbriefende Portfolio erst noch aufgebaut werden soll, ist statt des Datums der Übertragung das Verfahren und der Zeitraum des geplanten Investments in die Vermögenswerte anzugeben. 5. Erläuterung des Zahlungsstroms (Ziffer 3.4) Anhang VIII Ziffer 3.4 ProspektVO enthält die Anforderungen an die Erläuterung des Zahlungsstroms, die im Einzelnen in den Ziffern 3.4.1 bis 3.4.7

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aufgeführt sind, wobei diese Liste – wie die Formulierung „einschließlich“ zeigt – nicht abschließend ist und im Einzelfall aufgrund der konkreten Transaktionsstruktur weitere Aspekte hinzukommen können. Im Allgemeinen werden die wesentlichen Aspekte des Zahlungsstroms allerdings bereits von Anhang VIII Ziffer 3.4.1 ProspektVO abgedeckt sein. Gemäß Ziffer 3.4.1 ist zu beschreiben, auf welche Weise der mit den zugrunde liegenden Vermögenswerten verbundene Zahlungsstrom geeignet ist, die Verpflichtungen des Emittenten gegenüber den Anleihegläubigern zu erfüllen. Hierbei ist zu erläutern, aufgrund welcher Ansprüche der Emittent Zahlungen aufgrund der Vermögenswerte oder anderweitig zur Bedienung der ABSPapiere erhält und inwieweit eigene regelmäßige Zahlungspflichten des Emittenten außerhalb der Wertpapiere bestehen. Diese Erläuterungen ergänzen die gemäß Anhang VIII Ziffer 2.1 in den Prospekt aufzunehmende Bestätigung, dass die Vermögenswerte die hierfür notwendigen Merkmale aufweisen. 37

Anhang VIII Ziffer 3.4.2 ProspektVO enthält als einen wesentlichen Unterpunkt der Beschreibung des Zahlungsstroms eine explizite Vorgabe für in den Prospekt aufzunehmende Angaben zu Bonitätsverbesserungen und Liquiditäts- und Hedgingfazilitäten. Verbesserungen der Bonität (credit enhancements) des Verbriefungsportfolios und der ABS-Emission können auf verschiedene Art und Weise erfolgen1 und verfolgen letztlich das Ziel, dass die Investoren das Risiko der ersten Ausfälle im Portfolio (first loss) nicht tragen müssen mit der Folge, dass die ABS-Papiere ein besseres Rating erhalten, als dieses andernfalls der Fall wäre. Bei der von Ziffer 3.4.2 geforderten Beschreibung etwaiger potenzieller Liquiditätsdefizite und den Angaben zur Verfügbarkeit etwaiger Liquiditätshilfen ist vor allem an Informationen zu vorhandenen Liquiditätsfazilitäten und deren Anwendungsbereich zu denken, während die in Ziffer 3.4.2 ebenfalls angesprochene Absicherung von Zinsrisiken typischerweise durch Hedgingverträge in Form von Zinsderivaten erfolgt. Dies betrifft Fälle, in denen Zahlungen, die beim Emittenten eingehen, mit Zahlungen, die der Emittent aufgrund der ABS-Papiere zu leisten hat, nicht kongruent wären. So ist etwa, wenn die Fälligkeit der verbrieften Vermögenswerte nicht mit der Fälligkeit der ABS-Papiere übereinstimmt, zu erläutern, ob und wie dieser Fristeninkongruenz begegnet wird (etwa durch Liquiditätsfazilitäten bei kurzfristiger Refinanzierung längerfristiger Forderungen oder, im Fall von Zinsrisiken bei langfristiger Refinanzierung kurzfristiger Forderungen, durch entsprechende Zinsderivate2). Soweit auch Ausfallrisiken in Bezug auf Kapitalzahlungen abgesichert sind (et-

1 ZB durch Bildung von Reserven durch einen Kaufpreisabschlag und Nachzahlung dieses Teils des Kaufpreis bei entsprechend geringem Forderungsausfall (Deferred Purchase Price). Dazu näher Kaiser in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E Rz. 103 f. Zur Beschreibung von Bonitätsverbesserungen siehe auch Pegel in Holzborn, WpPG, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 50 ff. 2 Dazu näher Geiger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 18 Rz. 7.

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wa durch Garantien)1, so sind auch Angaben zu dem diesbezüglichen Zahlungsstrom in den Prospekt aufzunehmen. Gemäß Anhang VIII Ziffer 3.4.3 ProspektVO sind ferner Einzelheiten zu ei- 38 ner etwaigen nachrangigen Fremdkapitalfinanzierung des Emittenten in den Prospekt aufzunehmen. Es ist nicht ganz eindeutig, auf welche nachrangige Finanzierung (subordinated debt financing) diese Bestimmung abzielt. Dass auch nachrangige Tranchen der betreffenden ABS-Transaktion dargestellt werden, versteht sich von selbst, wenn diese ebenfalls zum Handel an einer Börse zugelassen und Investoren angeboten werden sollen und damit Gegenstand desselben Prospekts sind. Vermutlich zielt Ziffer 3.4.3 daher primär auf ergänzende nachrangige Finanzierungen ab, die nicht unmittelbarer Gegenstand des betreffende Prospekts sind, wie etwa sog. B-Notes oder Junior Notes, die letztlich, wenngleich nachrangig, aus dem Zahlungsstrom derselben Vermögenswerte bedient werden. Anhang VIII Ziffer 3.4.4 ProspektVO sieht vor, dass der Prospekt auch An- 39 gaben dazu enthalten muss, wie etwaige vorübergehende Liquiditätsüberschüsse angelegt werden. Ziel ist es, dass der Investor sich ein Bild davon machen kann, in welcher Form und gegebenenfalls bei welchem Institut derartige Liquiditätsüberschüsse angelegt werden, bevor diese vorübergehenden Liquiditätsüberschüsse, wenn benötigt, wieder dem sonstigen Zahlungsstrom zugeführt werden. Der unklare Wortlaut der deutschen Fassung von Anhang VIII Ziffer 3.4.5 ProspektVO beruht auf einer missverständlichen Übersetzung der englischen Fassung. Gegenstand dieser Ziffer ist nicht ein etwaiges „Zusammenfassen“ des Zahlungsstroms. Vielmehr ergibt sich aus dem englischen Text der ProspektVO, dass es hier um den Einzug von Zahlungen (collections) geht, dh. eine Beschreibung der Art und Weise, wie Zahlungen, die aufgrund der zugrunde liegenden Vermögenswerte geschuldet werden, eingezogen werden2. Diese Bestimmung zielt ersichtlich auf die Verbriefung von Forderungsportfolien ab (wie etwa Darlehens- oder Leasingforderungen). Der Einzug der Forderungen erfolgt in diese Fällen in der Regel entweder aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Emittenten weiterhin durch den Originator selbst oder aber durch ein hierzu beauftragtes Unternehmen (Servicer). Dementsprechend sind hier die vom Originator praktizierte und mit diesem vereinbarte Forderungsbearbeitung bzw. die mit dem externen Dienstleister vereinbarten Servicing-Grundsätze darzustellen. Erwirbt der Emittent der ABS-Papiere lediglich eine geringe Zahl von als „Deckung“ dienenden Wertpapieren, bedarf es keiner detaillierten Grundsätze der Forderungsbearbeitung und dementsprechend bedarf es in diesem Fall auch keiner Darstellung derartiger Grundsätze im Prospekt. In 1 Die deutsche Fassung verwendet hier etwas missverständlich den Begriff „Hauptausfallrisiken“. Gemeint ist hier jedoch der Gegensatz von Zins- und Kapitalzahlungen, was in der englischen Fassung der ProspektVO durch das Begriffspaar interest/principal zum Ausdruck gebracht wird. 2 Ebenso Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 62.

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diesem Fall genügt ein Hinweis, auf welcher Grundlage die Rückzahlung der Wertpapiere erfolgt. 41

Anhang VIII Ziffer 3.4.6 ProspektVO trägt dem Umstand Rechnung, dass ABS-Transaktionen in der Regel Bestimmungen enthalten, die eine bestimmte Rangfolge der Verteilung eingehender Zahlungen (reguläre Zahlungen, aber auch Erlöse aus der Verwertung von Sicherheiten im Fall eines Zahlungsverzugs) auf die Ansprüche der verschiedenen Transaktionsbeteiligten vorsehen (sog. „Wasserfall“). In der Regel werden zB die Kosten der Transaktion wie etwa Auslagen und Vergütungen für Sicherheitentreuhänder vorab abgezogen. Die Rangfolge kann unterschiedlich sein, je nachdem, ob es sich um reguläre Zahlungen handelt oder ob Erlöse aus der Verwertung von Sicherheiten zu verteilen sind. Gemäß Anhang VIII Ziffer 3.4.7 ProspektVO sind darüber hinaus detaillierte weitere Angaben zu sonstigen Vereinbarungen, von denen Zins- und Kapitalzahlungen abhängen, in den Prospekt aufzunehmen. Hiermit sind nicht die allgemeinen Zins- und Kapitalrückzahlungsbestimmungen der Anleihebedingungen der ABS-Papiere gemeint1, sondern etwaige weitere, über die in Ziffer 3.4.2 bis 3.4.6 genannten Aspekte hinausgehende Faktoren oder Bedingungen, die in Bezug auf die betreffende ABS-Emission festgelegt wurden und die für die Zins- oder Kapitalzahlungen von Bedeutung sind. 6. Beschreibung des Originators (Ziffer 3.5)

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Anhang VIII Ziffer 3.5 ProspektVO ProspektVO verlangt Angaben zu einem weiteren wesentlichen Transaktionsbeteiligten, dem Originator, und dessen Geschäftstätigkeit. Die deutsche Fassung spricht hier von dem ursprünglichen Besitzer der Vermögenswerte, was sowohl in zivilrechtlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf die möglichen Transaktionsstrukturen nur untechnisch verstanden werden kann. Bei True-Sale-Transaktionen wird es sich bei dem „Besitzer“ regelmäßig um den ursprünglichen Inhaber der Forderungen handeln, also das Unternehmen bzw. die Bank, das bzw. die Forderungen aus seiner bzw. ihrer Geschäftstätigkeit an den Emittenten verkauft hat. Bei synthetischen Transaktionen bleibt der Originator allerdings Inhaber der Forderungen, hier wird lediglich das Ausfallrisiko übertragen. Auch dieser Fall soll, wie die englische Fassung durch Verwendung des Begriffs originator zeigt und wie es sachgerecht ist, von Ziffer 3.5 erfasst werden2. Werden zum Zwecke der Verbriefung die zu verbriefenden und als Sicherheiten dienenden Schuldverschreibungen direkt an den Emittenten der ABS-Papiere begeben, kann es gegebenenfalls an einem Originator im eigentlichen Sinne fehlen, da die zu verbriefende Forderung (dh. die Schuldverschreibung) vor Begebung gar nicht bestanden hat und daher auch keinen ursprünglichen Inhaber hatte. Die Frage, ob in diesen, sich außerhalb der 1 Dies scheint die deutsche Fassung von Anhang VIII Ziffer 3.4.7 ProspektVO jedoch nahe zu legen. Siehe dazu auch Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 66. 2 Ebenso Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 67.

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„klassischen“ ABS-Transaktionen bewegenden Sonderfällen der Anwendbarkeit des Anhangs VIII ProspektVO der Aussteller der als Vermögenswert und Sicherheit dienenden Schuldverschreibungen Originator iS von Ziffer 3.5 ist, kann in der Praxis regelmäßig dahingestellt bleiben. Denn es handelt sich jedenfalls um einen Schuldner von Vermögenswerten, der ohnehin gemäß Anhang VIII Ziffer 2.2.2 und 2.2.11 ProspektVO zu beschreiben ist, gegebenenfalls sogar wesentlich ausführlicher als ein Originator. 7. Beschreibung der Vermögenswerte bei synthetischen Verbriefungstransaktionen (Ziffer 3.6) Anhang VIII Ziffer 3.6 ProspektVO gehört zu den Bestimmungen, die offen- 43 bar wegen ihrer Strukturrelevanz in den Anforderungskatalog der Ziffer 3 aufgenommen wurden. Dabei handelt es sich um die grundlegende Vorschrift für die Anforderungen an die Beschreibung der zugrunde liegenden Vermögenswerte bei synthetischen Verbriefungen. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es klarzustellen, dass die Anforderungen des Anhangs VIII Ziffern 2.2 und 2.3 ProspektVO an die Beschreibung der zugrunde liegenden Vermögenswerte nicht allein deshalb andere sind, weil bei synthetischen Verbriefungen nicht der Vermögenswert selbst, sondern nur das Ausfallrisiko auf den Emittenten der ABS-Papiere übertragen wird. Entsprechend ihrer Bedeutung (gerade auch in Deutschland) wird die Verbriefung von Forderungsportfolien und der damit verbundenen Kreditausfallrisiken als Hauptfall des Anwendungsbereichs der Ziffer 3.6 ausdrücklich genannt. Dieses Kreditausfallrisiko überträgt der Emittent der ABS-Papiere dann weiter an die Investoren der ABS-Papiere, indem die Verzinsung und/oder Rückzahlung der ABS-Papiere von dem Eintritt dieser Kreditausfallrisiken abhängig gemacht wird. Die auch bei synthetischen ABS-Transaktionen vom Emittenten mit dem Emissionserlös tatsächlich erworbenen und als Sicherheit dienenden Vermögenswerte (wie Pfandbriefe, Schuldscheine etc.) werden durch Anhang VIII Ziffer 2.2 und 2.3 ProspektVO direkt (und nicht erst über Ziffer 3.6) erfasst1. Anders als bei rein derivativen Wertpapieren wird in Anhang VIII Ziffer 3.6 ProspektVO allerdings durchaus eine Anknüpfung an konkrete Vermögenswerte und nicht an abstrakte Bezugswerte vorausgesetzt. Der Unterschied zu True-Sale-Verbriefungen (bei denen die Ziffern 2.2 und 2.3 unmittelbar Anwendung finden) besteht insoweit lediglich darin, dass die zugrunde liegenden Vermögenswerte nicht an den Emittenten übertragen werden, sondern von einem anderen Beteiligten, in aller Regel von dem Originator, gehalten werden. 8. Beschreibung weiterer Transaktionsbeteiligter (Ziffer 3.7 und 3.8) Anhang VIII Ziffern 3.7 und 3.8 ProspektVO enthalten Vorgaben für die Beschreibung bestimmter weiterer Transaktionsbeteiligter wie den Administrator (gemeint ist wohl entweder der sog. Servicer, der die Verwaltung des 1 Darauf weist auch Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 69 zutreffend hin.

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Anhang VIII

Asset Pool und insbesondere den Forderungseinzug übernimmt1 und/oder der Cash Manager bzw. ein etwaiger Collateral Administrator), die Berechnungsstelle (Calculation Agent)2 und gleichwertigen Personen (Ziffer 3.7) sowie etwaige Hedging-Vertragspartner und Liquidity Provider und in Bezug auf die Haupttransaktionskonten die betreffenden kontoführenden Banken (Ziffer 3.8). Im Fall des Administrators und der Berechnungsstelle sind neben der Kurzbeschreibung der jeweiligen Partei und ihrer Hauptgeschäftstätigkeiten auch Ausführungen zu ihrer Beziehung zum Originator bzw. der Person, die die zugrunde liegenden Vermögenswerte begründet hat, sowie zur Kündigung und Ersetzung des Administrators bzw. der Berechnungsstelle in den Prospekt aufzunehmen.

V. „EX POST“-Informationen (Ziffer 4) 4. „EX POST“–Informationen 4.1. Angabe im Prospekt, ob beabsichtigt ist, „ex post“–Transaktionsinformationen nach Abschluss der Emission in Bezug auf Wertpapiere zu veröffentlichen, die zum Handel zugelassen werden sollen, sowie in Bezug auf die Leistungskraft der Basissicherheit. Hat der Emittent eine derartige Absicht bekundet, ist im Prospekt zu spezifizieren, welche Informationen veröffentlicht werden, wo sie erhalten werden können und wie häufig sie publiziert werden. 45

Gemäß Anhang VIII Ziffer 4 ProspektVO ist im Prospekt anzugeben, ob Informationen zu den Wertpapieren und den zugrunde liegenden Vermögenswerten3 nach Begebung der ABS-Papiere zur Verfügung gestellt werden. Entsprechend dem Wortlaut von Anhang VIII Ziffer 4.1 ProspektVO kommt es hier allein auf die Absicht des Emittenten im Zeitpunkt der Emission an. 1 So Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 72. Vgl. auch die Definition des Servicer in den IOSCO ABS Disclosure Principles, S. 6 (siehe Vor Anhang VII, VIII EU-ProspektVO Rz. 1). 2 Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 72 weist zutreffend darauf hin, dass hiermit nicht die Berechnungsstelle gemeint ist, die wie bei jeder anderen Schuldverschreibungsemission schlicht die auf die ABS-Papiere zahlbaren Zinsbeträge berechnet, sondern eine umfassendere Funktion im Zusammenhang mit der Vornahme von Ausschüttungen in Übereinstimmung mit der festgelegten Zahlungsreihenfolge, die mit dem Recht und der Pflicht verbunden ist, den Cash Manager entsprechend zu instruieren. Für derartige, wichtige Berechnungsfunktionen gibt es gegebenenfalls sogar einen von vornherein vereinbarten Back-up Calculation Agent ebenso wie für den Servicer auch ein Back-up Servicer vorgesehen sein kann. 3 Pegel in Holzborn, Anh. VIII EU-ProspV Rz. 77 merkt mit Recht an, dass die Terminologie hinsichtlich der zugrunde liegenden Vermögenswerte nicht einheitlich ist. Anhang VIII Ziffer 4.1 ProspektVO spricht von Basissicherheiten bzw. von underlying collateral. Beide Begriffe werden im Anhang VIII an keiner anderen Stelle verwendet. Gemeint sind jedoch die zugrunde liegenden Vermögenswerte, die zumindest bei True-Sale-Transaktionen zugleich auch als Sicherheit für die ABS-Papiere dienen.

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Anhang VIII

EU-ProspektVO

Hier geht es um die bei ABS-Emissionen nicht unübliche freiwillige Bereitstellung von Informationen über die Performance des Portfolios nach Emission der ABS-Papiere. Etwaige gesetzliche Verpflichtungen, zB aufgrund von börsenrechtlichen Regeln, werden von dieser Ziffer nicht erfasst. Ebenso wenig begründet Ziffer 4 eine Pflicht des Emittenten zur Bereitstellung derartiger Informationen. Werden derartige Informationen nicht bereit gestellt, verlangt die BaFin jedoch die Aufnahme einer entsprechenden Negativerklärung im Prospekt, was durch die Formulierung „ob beabsichtigt ist“ in Ziffer 4.1 gestützt wird, auch wenn Ziffer 4.1 nicht ausdrücklich eine solche Negativerklärung verlangt. Werden „post issuance“-Informationen bereit gestellt, so ist im Prospekt anzugeben, welche Informationen zur Verfügung gestellt werden, wo sie erhältlich sind und wie häufig eine Veröffentlichung erfolgt.

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Anhang IX Mindestangaben für das Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere (Schema) (Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von EUR 50.000) Schrifttum: Heidelbach/Preuße, Einzelfragen in der praktischen Arbeit mit dem neuen Wertpapierprospektregime, BKR 2006, 316; Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB 2005, 209; Seitz, Das neue Wertpapierprospektgesetz – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678.

Inhaltsübersicht I. Anwendungsbereich . . . . . .

1

II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) . . . . . . . . . . . . . . .

6

III. Abschlussprüfer (Ziffer 2) . . .

7

IV. Risikofaktoren (Ziffer 3) . . . .

8

V. Angaben über den Emittenten (Ziffer 4) . . . . . . . . . . . . . . .

9

VI. Geschäftsüberblick (Ziffer 5)

11

VII. Organisationsstruktur (Ziffer 6) . . . . . . . . . . . . . . .

15

VIII. Trendinformationen (Ziffer 7)

16

IX. Gewinnprognosen oder -schätzungen (Ziffer 8) . . . . . . . . . 18

X. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane (Ziffer 9) . . . . . . . . . . . . . . .

21

XI. Hauptaktionäre (Ziffer 10) . .

22

XII. Finanzinformationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten (Ziffer 11) . . . . . . . . . . . . . . 23 XIII. Wesentliche Verträge (Ziffer 12) . . . . . . . . . . . . . .

28

XIV. Angaben von Seiten Dritter, Erklärungen von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen (Ziffer 13) . . . . .

29

XV. Einsehbare Dokumente (Ziffer 14) . . . . . . . . . . . . . .

30

I. Anwendungsbereich 1

Bei nicht unter Art. 4 ProspektVO fallenden Wertpapieren mit einer Stückelung von mindestens 50.000 Euro oder bei nennwertlosen Wertpapieren, die bei der Emission nur für mindestens 50.000 Euro pro Stück erworben werden können, ist das Registrierungsformular entsprechend Art. 12 ProspektVO nach Anhang IX ProspektVO zu erstellen1. Dementsprechend sind Aktien und aktienähnliche Wertpapiere iS von Art. 4 ProspektVO ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Anhang IX ProspektVO ausgenommen und es kann im Umkehrschluss gefolgert werden, dass in den Anwendungsbereich von Anhang IX ProspektVO im Wesentlichen Schuldtitel iS von Art. 8 1 Siehe dazu Seitz, AG 2005, 678 (687).

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Abs. 2 ProspektVO und derivative Wertpapiere iS von Art. 15 Abs. 2 ProspektVO fallen (siehe dazu auch Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 1). Die Mindestanforderungen an den Inhalt des Registrierungsformulars nach 2 Anhang IX ProspektVO sind geringer als die Mindestanforderungen nach Anhang IV ProspektVO. Im Gegensatz zu Anhang IV ProspektVO muss das Registrierungsformular beispielsweise keine ausgewählten Finanzinformationen enthalten und es sind keine Angaben zu neuen Produkten und Märkten, Angaben zu Investitionen oder Angaben über bekannte Trends, Unsicherheiten, Nachfragen, Verpflichtungen oder Vorfälle, die voraussichtlich die Aussichten des Emittenten zumindest im laufenden Geschäftsjahr wesentlich beeinflussen dürften, erforderlich. Das Stufenverhältnis kommt auch in der Reihenfolge der Schemata in Art. 21 Abs. 2 ProspektVO zum Ausdruck (siehe unten Rz. 4). Die unterschiedlichen Anforderungen an die Detailtiefe der Beschreibung des Emittenten hängen damit zusammen, dass Anleger, die in Wertpapiere mit einer Stückelung von mindestens 50.000 Euro investieren, als institutionelle Anleger (wholesale investors) angesehen werden, von denen erwartet wird, dass sie sich fortlaufend über die Geschäfte des Emittenten informieren und sie sich ausreichende Kenntnisse über den Emittenten auch ohne Prospekt verschaffen können (siehe dazu auch Anhang XIII EUProspektVO Rz. 8)1. Der Anwendungsbereich des Anhangs IX ProspektVO ist im Hinblick auf 3 die erfassten Institute oder Unternehmen nicht beschränkt. Aus diesem Grund können auch Banken, die das Registrierungsformular in der Regel nach Anhang XI ProspektVO erstellen und damit hinsichtlich der Mindestanforderungen an die in das Registrierungsformular aufzunehmenden Angaben privilegiert sind, das Registrierungsformular entsprechend Anhang IX ProspektVO zusammenstellen, sofern die Anforderungen an die Mindeststückelung der Wertpapiere erfüllt sind (vgl. dazu auch Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 9)2. In diesem Fall wäre der Emittent beispielsweise nicht verpflichtet, Informationen zu etwaigen wichtigen neuen Produkten und Dienstleistungen (vgl. Ziffer 5.1.2 Anhang XI ProspektVO) oder Informationen über bekannte Trends etc. (vgl. Ziffer 7.2 Anhang XI ProspektVO) aufzunehmen. Darüber hinaus enthält Anhang IX ProspektVO Erleichterungen im Hinblick auf die Darstellung historischer Finanzinformationen (siehe dazu unten Rz. 24 ff.). Gemäß Art. 21 Abs. 2 ProspektVO besteht die Möglichkeit, anstelle von Anhang IX ProspektVO auf einer freiwilligen Basis Anhang IV ProspektVO oder auch Anhang I ProspektVO anzuwenden (zum Stufenverhältnis der Registrierungsformulare siehe auch Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 8).

4

Die Bedeutung von Anhang IX ProspektVO in der Praxis ist sehr be- 5 schränkt, da sich die Emittenten von Schuldtiteln und derivativen Wert1 Vgl. dazu auch Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (319) im Zusammenhang mit § 3 Abs. 2 Nr. 4 WpPG. 2 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (213).

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papieren in der Regel die Option der Emission von Wertpapieren mit einer Mindeststückelung von weniger als 50.000 Euro erhalten wollen und zudem mit Anhang XI ProspektVO ein anderer Anhang vorliegt, der bereits deutliche Erleichterungen gegenüber Anhang IV ProspektVO vorsieht.

II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) 1. Verantwortliche Personen 1.1. Alle Personen, die für die im Registrierungsformular gemachten Angaben bzw. für bestimmte Abschnitte des Registrierungsformulars verantwortlich sind. Im letzteren Fall sind die entsprechenden Abschnitte aufzunehmen. Im Falle von natürlichen Personen, zu denen auch Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane des Emittenten gehören, sind der Name und die Funktion dieser Person zu nennen. Bei juristischen Personen sind Name und eingetragener Sitz der Gesellschaft anzugeben. 1.2. Erklärung der für das Registrierungsformular verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die im Registrierungsformular genannten Angaben ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen ausgelassen worden sind, die die Aussage des Registrierungsformulars wahrscheinlich verändern. Ggf. Erklärung der für bestimmte Abschnitte des Registrierungsformulars verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die in dem Teil des Registrierungsformulars genannten Angaben, für die sie verantwortlich sind, ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen ausgelassenen worden sind, die die Aussage des Registrierungsformulars wahrscheinlich verändern. 6

Die Wortlaute der Ziffern 1.1 und 1.2 Anhang IX ProspektVO stimmen mit den Wortlauten der Ziffern 1.1 und 1.2 Anhang I ProspektVO überein. Es wird daher auf die entsprechende Kommentierung in Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 2 ff.) und ergänzend auf die Ausführungen zu den Ziffern 1.1 und 1.2 in der Kommentierung zu Anhang IV ProspektVO (siehe dazu Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 9 ff.) verwiesen.

III. Abschlussprüfer (Ziffer 2) 2. Abschlussprüfer 2.1. Namen und Anschrift der Abschlussprüfer des Emittenten, die für den von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraum zuständig waren (einschließlich der Angabe ihrer Mitgliedschaft in einer Berufsvereinigung). 2.2. Wurden Abschlussprüfer während des von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraums abberufen, nicht wieder bestellt

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oder haben sie ihr Mandat niedergelegt so sind entsprechende Einzelheiten offen zu legen, wenn sie von wesentlicher Bedeutung sind. Die Wortlaute der Ziffern 2.1 und 2.2 Anhang IX ProspektVO stimmen mit den Wortlauten der Ziffern 2.1 und 2.2 Anhang I ProspektVO überein. Es wird daher insoweit auf die Kommentierung zu Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 17 ff.).

7

IV. Risikofaktoren (Ziffer 3) 3. Risikofaktoren 3.1. Klare Offenlegung von Risikofaktoren, die die Fähigkeit des Emittenten beeinflussen können, seinen aus dem Wertpapier resultierenden Verpflichtungen gegenüber den Anlegern nachzukommen (unter der Rubrik „Risikofaktoren“). Der Wortlaut der Ziffer 3.1 Anhang IX ProspektVO entspricht weitgehend 8 dem Wortlaut von Ziffer 4 Anhang IV ProspektVO. Es wird daher insoweit auf die Kommentierung in Anhang IV ProspektVO verwiesen (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 14 ff.). Eine Abweichung besteht nur insofern, als in Ziffer 4 Anhang IV ProspektVO eine „hervorgehobene Offenlegung“ gefordert wird. Diese Abweichung resultiert aber lediglich auf einer nicht konsistenten Übersetzung der ProspektVO und bewirkt keinen Bedeutungsunterschied (vgl. dazu auch Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 16 bzw. Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 14)1.

V. Angaben über den Emittenten (Ziffer 4) 4. Angaben über den Emittenten 4.1. Geschäftsgeschichte und Geschäftsentwicklung des Emittenten 4.1.1. Juristischer und kommerzieller Name des Emittenten; 4.1.2. Ort der Registrierung des Emittenten und seine Registrierungsnummer; 4.1.3. Datum der Gründung und Existenzdauer des Emittenten, soweit diese nicht unbefristet ist; 4.1.4. Sitz und Rechtsform des Emittenten; Rechtsordnung, unter der er tätig ist; Land der Gründung der Gesellschaft; Anschrift und Telefonnummer seines eingetragenen Sitzes (oder Hauptort der Geschäftstätigkeit, falls nicht mit dem eingetragenen Sitz identisch); 4.1.5. Jüngste Ereignisse, die für den Emittenten eine besondere Bedeutung haben und die in hohem Maße für die Bewertung der Solvenz des Emittenten relevant sind.

1 So auch Glismann in Holzborn, Anh. IX EU-ProspV Rz. 9.

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Hinsichtlich der Ziffern 4.1.1 bis 4.1.4 Anhang IX ProspektVO wird auf die Kommentierung zu den Ziffern 5.1.1 bis 5.1.4 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 51 ff.). Hinsichtlich der Ziffer 4.1.5 Anhang IX ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 5.1.5 Anhang IV ProspektVO verwiesen (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 32 ff.).

10

Im Gegensatz zu Ziffer 5.2 Anhang IV ProspektVO sind im Rahmen der Ziffer 4 Anhang IX ProspektVO Angaben zu Investitionen nicht erforderlich (siehe dazu Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 34). Allerdings kann es auch im Rahmen des Anhang IX ProspektVO erforderlich sein, Angaben zu Investitionen zu machen, wenn ohne diese Angaben eine ausreichende Beurteilung des Emittenten durch den Anleger nicht möglich ist1.

VI. Geschäftsüberblick (Ziffer 5) 5. Geschäftsüberblick 5.1. Haupttätigkeitsbereiche 5.1.1. Kurze Beschreibung der Haupttätigkeiten des Emittenten unter Angabe der wichtigsten Kategorien der vertriebenen Produkte und/oder erbrachten Dienstleistungen; 5.1.2. Kurze Erläuterung der Grundlage für etwaige Erklärungen des Emittenten im Registrierungsformular hinsichtlich seiner Wettbewerbsposition. 11

Gemäß Ziffer 5 Anhang IX ProspektVO ist wie gemäß Ziffer 6 Anhang IV ProspektVO die Geschäftstätigkeit des Emittenten zu beschreiben, wobei die Mindestanforderungen an die darzustellenden Informationen im Anwendungsbereich der Ziffer 5 Anhang IX ProspektVO deutlich niedriger sind, als im Anwendungsbereich der Ziffer 6 Anhang IV ProspektVO (siehe dazu oben Rz. 2).

12

Im Gegensatz zu Ziffer 6.1 Anhang IV ProspektVO ist im Rahmen der Ziffer 5.1.1 Anhang IX ProspektVO nur eine kurze Beschreibung der Haupttätigkeiten des Emittenten und gegebenenfalls nach Ziffer 5.1.2 Anhang IX ProspektVO zu seiner Wettbewerbsposition im Registrierungsformular aufzunehmen. Darüber hinaus muss das Registrierungsformular grundsätzlich keine Informationen zu wichtigen neuen Produkten bzw. Dienstleistungen des Emittenten sowie zu wichtigen Märkten, auf denen der Emittent tätig ist, enthalten, wie dies beispielsweise im Rahmen der Ziffer 6.1.2 Anhang IV ProspektVO erforderlich ist. Allerdings kann es auch im Rahmen der Ziffer 5 Anhang IX ProspektVO erforderlich sein, weitere Angaben zur Geschäftstätigkeit des Emittenten in das Registrierungsformular aufzunehmen, wenn ohne diese Angaben eine ausreichende Beurteilung des Emittenten durch den Anleger nicht möglich ist2. 1 Siehe dazu Glismann in Holzborn, Anh. IX EU-ProspV Rz. 11. 2 Darauf weist auch Glismann in Holzborn, Anh. IX EU-ProspV Rz. 12 hin.

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Da im Rahmen der Trendinformationen zukünftige positive Entwicklungen in den Aussichten des Emittenten nicht dargestellt werden können, können solche im Rahmen der Angaben zur Geschäftstätigkeit des Emittenten dargestellt werden (siehe dazu auch unten Rz. 17).

13

Im Übrigen wird auf die Kommentierung zu den Ziffern 6.1 bis 6.3 Anhang IV ProspektVO (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 35 ff.) sowie auf die Kommentierung zu Ziffer 6 Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EUProspektVO Rz. 62 ff.) verwiesen.

14

VII. Organisationsstruktur (Ziffer 6) 6. Organisationsstruktur 6.1. Ist der Emittent Teil einer Gruppe, kurze Beschreibung der Gruppe und der Stellung des Emittenten innerhalb dieser Gruppe. 6.2. Ist der Emittent von anderen Instituten innerhalb der Gruppe abhängig, ist dies klar anzugeben und eine Erklärung zu seiner Abhängigkeit abzugeben. Hinsichtlich Ziffer 6.1 Anhang IX ProspektVO wird auf die Kommentie- 15 rung zu Ziffer 7.1 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 74 ff.). Im Hinblick auf die in Ziffer 6.2 Anhang IX ProspektVO enthaltenen Mindestanforderungen wird auf die Kommentierung zu Ziffer 7.2 Anhang IV ProspektVO verwiesen (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 41 f.). Der Wortlaut von Ziffer 6.2 Anhang IX ProspektVO, der von „anderen Instituten innerhalb der Gruppe“ spricht, weicht von dem entsprechenden Wortlaut in Ziffer 7.2 Anhang IV ProspektVO zwar ab, in dem von „anderen Einheiten innerhalb der Gruppe“ die Rede ist. Diese Abweichung ist aber bedeutungslos, dass sie auf einen Fehler in der deutschen Übersetzung zurückzuführen ist. In der englischen Fassung der beiden Anhänge wird einheitlich der Begriff „other entities within the group“ verwendet.

VIII. Trendinformationen (Ziffer 7) 7. Trendinformationen 7.1. Einzufügen ist eine Erklärung, der zufolge es keine wesentlichen negativen Veränderungen in den Aussichten des Emittenten seit dem Datum der Veröffentlichung der letzten geprüften Jahresabschlüsse gegeben hat. Kann der Emittent keine derartige Erklärung abgeben, dann sind Einzelheiten über diese wesentliche negative Änderung beizubringen. Hinsichtlich Ziffer 7.1 Anhang IX ProspektVO wird auf die Kommentie- 16 rung zu Ziffer 8.1 Anhang IV ProspektVO verwiesen (siehe Anhang IV EUProspektVO Rz. 43 ff.). Die Bezugnahme auf wesentliche negative Änderun-

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gen in Ziffer 7.1 Anhang IX ProspektVO anstelle einer Bezugnahme auf „wesentliche nachteilige Änderungen“ wie in Ziffer 8.1 Anhang IV ProspektVO beruht auf einem Übersetzungsfehler. In der englischen Fassung der beiden Anhänge wird einheitlich auf „material adverse change“ abgestellt. 17

Abweichend von Ziffer 8 Anhang IV ProspektVO ist in Ziffer 7 Anhang IX ProspektVO nicht vorgesehen, im Rahmen der Trendinformationen auch Angaben über bekannte Trends, Unsicherheiten, Nachfragen, Verpflichtungen oder Vorfälle, die voraussichtlich die Aussichten des Emittenten zumindest im laufenden Geschäftsjahr wesentlich beeinflussen dürften, darzustellen. Entsprechend ist es nicht vorgesehen, im Rahmen der Ziffer 7 Anhang IX ProspektVO Angaben zu positiven Entwicklungen in den Aussichten des Emittenten im Registrierungsformular abzubilden. Allerdings besteht die Möglichkeit etwaige positive Entwicklungen in Zusammenhang mit anderen Angaben des Registrierungsformulars abzubilden (siehe oben Rz. 13). Es ist dabei aber darauf zu achten, dass durch die Aufnahme einer entsprechenden Information nicht die Schwelle zur Gewinnprognose überschritten wird, für deren Darstellung erhöhte Anforderungen gelten würden (siehe unten Rz. 18 ff.).

IX. Gewinnprognosen oder -schätzungen (Ziffer 8) 8.

Gewinnprognosen oder -schätzungen Entscheidet sich ein Emittent dazu, eine Gewinnprognose oder eine Gewinnschätzung aufzunehmen, dann hat das Registrierungsformular unter den Punkten 8.1. und 8.2. Folgendes zu enthalten: 8.1. Eine Erklärung, die die wichtigsten Annahmen erläutert, auf die der Emittent seine Prognose oder Schätzung gestützt hat. Bei den Annahmen sollte klar zwischen jenen unterschieden werden, die Faktoren betreffen, die die Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane beeinflussen können, und Annahmen in Bezug auf Faktoren, die klar außerhalb des Einflussbereiches der Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane liegen. Diese Annahmen müssen für die Anleger leicht verständlich, spezifisch sowie präzise sein und dürfen nicht der üblichen Exaktheit der Schätzungen entsprechen, die der Prognose zu Grunde liegen. 8.2. Jeder Gewinnprognose im Registrierungsformular ist eine Erklärung beizufügen, in der bestätigt wird, dass die besagte Prognose auf der angegebenen Grundlage ordnungsgemäß erstellt wurde und dass die Rechnungslegungsgrundlage mit den Rechnungslegungsstrategien des Emittenten konsistent ist. 8.3. Die Gewinnprognose oder -schätzung ist auf einer Grundlage zu erstellen, die mit den historischen Finanzinformationen vergleichbar ist. 18

Hinsichtlich Ziffer 8 Anhang IX ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 13 Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EU-ProspektVO

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Rz. 116 ff.) sowie ergänzend auf die Ausführungen zu Ziffer 9 von Anhang IV ProspektVO (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 53 f.) verwiesen. Anhang IX ProspektVO stellt wie auch die anderen Schemata für Registrie- 19 rungsformulare hohe Anforderungen an die Aufnahme von Prognosen, um im Interesse der Anleger die Aufnahme von Prognosen mit Werbecharakter, die sich im Nachhinein als unzutreffend herausstellen, zu verhindern. Im Unterschied zu den Anhängen I, IV und XI ProspektVO enthält Ziffer 8.2 Anhang IX ProspektVO allerdings eine Erleichterung im Hinblick auf die Darstellung von Gewinnprognosen im Registrierungsformular insofern, als die Erklärung über die ordnungsgemäße Erstellung der Gewinnprognose und die Konsistenz der Rechnungslegungsgrundlage mit den Rechnungslegungsstrategien im Anwendungsbereich des Anhangs IX ProspektVO nicht zwingend von unabhängigen Buchprüfern oder Abschlussprüfern erstellt werden muss. Hierdurch wird es dem Emittenten ermöglicht, diese Erklärung selbst abzugeben1. Während Ziffer 8 Anhang IX ProspektVO grundsätzlich auf die Mindest- 20 angaben im Hinblick auf Gewinnprognosen und Gewinnschätzungen abstellt, ist abweichend davon im Fall von Ziffer 8.2 Anhang IX ProspektVO nur im Fall von Gewinnprognosen eine Erklärung beizufügen, die bestätigt, dass die entsprechende Prognose auf der angegebenen Grundlage ordnungsgemäß erstellt wurde und dass die Rechnungslegungsgrundlage mit den Rechnungslegungsstrategien des Emittenten konsistent ist. In dieser Hinsicht weicht Ziffer 8.2 Anhang IX ProspektVO von den entsprechenden Ziffern in den Anhängen I, IV, X und XI ProspektVO ab, da nach diesen Anhängen eine entsprechende (von einem Wirtschaftsprüfer zu erstellende) Erklärung sowohl im Fall von Gewinnprognosen als auch im Fall von Gewinnschätzungen aufzunehmen ist. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb der Wortlaut in Ziffer 8.2 Anhang IX ProspektVO im Gegensatz zu den anderen genannten Anhängen nur auf Gewinnprognosen und nicht auch auf Gewinnschätzungen verweist, weshalb über den Wortlaut der Ziffer 8.2 Anhang IX ProspektVO hinaus eine Erklärung nach Ziffer 8.2 Anhang IX ProspektVO nicht nur im Fall von Gewinnprognosen, sondern auch im Fall von Gewinnschätzungen aufzunehmen ist2.

X. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane (Ziffer 9) 9. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane 9.1. Name und Geschäftsanschrift nachstehender Personen sowie ihre Stellung beim Emittenten unter Angabe der wichtigsten Tätigkeiten, die

1 Glismann in Holzborn, Anh. IX EU-ProspV Rz. 15. 2 So auch CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 25.

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sie neben der Tätigkeit für den Emittenten ausüben, sofern diese für den Emittenten von Bedeutung sind: a) Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane; b) persönlich haftende Gesellschafter bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien. 9.2. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane – Interessenkonflikte Potenzielle Interessenkonflikte zwischen den Verpflichtungen gegenüber dem Emittenten seitens der in Punkt 9.1 genannten Personen und ihren privaten Interessen oder sonstigen Verpflichtungen müssen klar festgehalten werden. Falls keine derartigen Konflikte bestehen, ist eine dementsprechende Erklärung abzugeben. 21

Hinsichtlich Ziffer 9 Anhang IX ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 14 Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 121 ff.) und ergänzend auf die Ausführungen zu Ziffer 10 Anhang IV ProspektVO (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 55 ff.) verwiesen.

XI. Hauptaktionäre (Ziffer 10) 10. Hauptaktionäre 10.1. Sofern dem Emittenten bekannt, Angabe, ob an dem Emittenten unmittelbare oder mittelbare Beteiligungen oder Beherrschungsverhältnisse bestehen, und wer diese Beteiligungen hält bzw. diese Beherrschung ausübt. Beschreibung der Art und Weise einer derartigen Kontrolle und der vorhandenen Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs einer derartigen Kontrolle. 10.2. Sofern dem Emittenten bekannt, Beschreibung etwaiger Vereinbarungen, deren Ausübung zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Veränderung bei der Kontrolle des Emittenten führen könnte. 22

Hinsichtlich Ziffer 10 Anhang IX ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 18.3 und 18.4 Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EUProspektVO Rz. 152 ff.) verwiesen.

XII. Finanzinformationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten (Ziffer 11) 11. 11.1.

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Finanzinformationen über die Vermögens-. Finanz- und Ertragslage des Emittenten Historische Finanzinformationen Beizubringen sind geprüfte historische Finanzinformationen, die die letzten zwei Geschäftsjahre abdecken (bzw. einen entsprechenden kürzeren Zeitraum, während dessen der Emittent tätig war), sowie

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ein Bestätigungsvermerk für jedes Geschäftsjahr. Hat der Emittent in der Zeit, für die historische Finanzinformationen beizubringen sind, seinen Bilanzstichtag geändert, so decken die geprüften historischen Finanzinformationen mindestens 24 Monate oder – sollte der Emittent seiner Geschäftstätigkeit noch keine 24 Monate nachgegangen sein – den gesamten Zeitraum seiner Geschäftstätigkeit ab. Derartige Finanzinformationen sind gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 bzw. für den Fall, dass diese Verordnung nicht anwendbar ist, gemäß den nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Mitgliedstaats zu erstellen, wenn der Emittent aus der Gemeinschaft stammt. Bei Emittenten aus Drittstaaten sind diese Finanzinformationen nach den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards oder nach diesen Standards gleichwertigen nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Drittstaates zu erstellen. Ansonsten müssen folgende Angaben in das Registrierungsformular aufgenommen werden: a) Eine eindeutige Erklärung dahingehend, dass die in das Registrierungsformular aufgenommenen Finanzinformationen nicht nach den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards erstellt wurden und dass die Finanzinformationen erhebliche Unterschiede für den Fall aufweisen, dass die Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 doch auf die historischen Finanzinformationen angewandt worden wäre; b) Unmittelbar nach den historischen Finanzinformationen sind die Unterschiede zwischen den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards und den Rechnungslegungsgrundsätzen in einer Beschreibung darzulegen, die der Emittent bei der Erstellung seines Jahresabschlusses zugrunde gelegt hat. Die geprüften historischen Finanzinformationen müssen für das letzte zurückliegende Jahr in einer Form dargestellt und erstellt werden, die mit der konsistent ist, die im folgenden Jahresabschluss des Emittenten zur Anwendung gelangen wird, wobei die Rechnungslegungsgrundsätze und -strategien sowie die Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind, die auf derlei Jahresabschlüsse Anwendung finden. Wurden die geprüften Finanzinformationen gemäß nationaler Rechnungslegungsgrundsätze erstellt, dann müssen die unter dieser Rubrik geforderten Finanzinformationen zumindest Folgendes enthalten: a) die Bilanz; b) die Gewinn- und Verlustrechnung; c) die Rechnungslegungsstrategien und erläuternde Anmerkungen.

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EU-ProspektVO

11.2.

11.3. 11.3.1.

11.3.2. 11.3.3.

11.4. 11.4.1. 11.5.

11.6.

964

Anhang IX

Die historischen jährlichen Finanzinformationen müssen unabhängig und in Übereinstimmung mit den in dem jeweiligen Mitgliedstaat anwendbaren Prüfungsstandards oder einem äquivalenten Standard geprüft worden sein oder es muss für das Registrierungsformular vermerkt werden, ob sie in Übereinstimmung mit dem in dem jeweiligen Mitgliedstaat anwendbaren Prüfungsstandard oder einem äquivalenten Standard ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln. Ansonsten müssen folgende Informationen in das Registrierungsformular aufgenommen werden: a) Eine eindeutige Erklärung dahingehend, welche Prüfungsstandards zugrunde gelegt wurden; b) eine Erläuterung für die Fälle, in denen von den Internationalen Prüfungsgrundsätzen in erheblichem Maße abgewichen wurde. Jahresabschluss Erstellt der Emittent sowohl einen Jahresabschluss als auch einen konsolidierten Abschluss, so ist zumindest der konsolidierte Abschluss in das Registrierungsformular aufzunehmen. Prüfung der historischen jährlichen Finanzinformationen Es ist eine Erklärung dahingehend abzugeben, dass die historischen Finanzinformationen geprüft wurden. Sofern vom Abschlussprüfer kein oder nur ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk für die historischen Finanzinformationen erteilt wurde, sind diese Ablehnung oder eingeschränkte Erteilung in vollem Umfang wiederzugeben und die Gründe dafür anzugeben. Angabe sonstiger Informationen im Registrierungsformular, das von den Abschlussprüfern geprüft wurde. Wurden die Finanzdaten im Registrierungsformular nicht dem geprüften Jahresabschluss des Emittenten entnommen, so sind die Quelle dieser Daten und die Tatsache anzugeben, dass die Daten ungeprüft sind. „Alter“ der jüngsten Finanzinformationen Die geprüften Finanzinformationen dürfen nicht älter sein als 18 Monate ab dem Datum des Registrierungsformulars. Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren Angaben über etwaige staatliche Interventionen, Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren (einschließlich derjenigen Verfahren, die nach Kenntnis des Emittenten noch anhängig sind oder eingeleitet werden könnten), die im Zeitraum der mindestens letzten 12 Monate bestanden/abgeschlossen wurden, und die sich erheblich auf die Finanzlage oder die Rentabilität des Emittenten und/oder der Gruppe auswirken bzw. in jüngster Zeit ausgewirkt haben. Ansonsten ist eine negative Erklärung abzugeben. Wesentliche Veränderungen in der Finanzlage oder der Handelsposition des Emittenten

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Anhang IX

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Beschreibung jeder wesentlichen Veränderung in der Finanzlage oder der Handelsposition der Gruppe, die seit dem Ende des letzten Geschäftsjahres eingetreten ist, für das entweder geprüfte Finanzinformationen oder Zwischenfinanzinformationen veröffentlicht wurden. Ansonsten ist eine negative Erklärung abzugeben. Hinsichtlich Ziffer 11 Anhang IX ProspektVO kann im Wesentlichen auf 23 die Kommentierung zu Ziffer 20 Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EUProspektVO Rz. 167 ff.) und ergänzend auf Ziffer 13 Anhang IV ProspektVO (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 61 ff.) verwiesen werden. Im Vergleich zu Ziffer 20 Anhang I ProspektVO und Ziffer 13 Anhang IV ProspektVO enthält Ziffer 11 Anhang IX ProspektVO allerdings wesentliche Erleichterungen im Hinblick auf die in das Registrierungsformular aufzunehmenden Finanzinformationen. Gegenüber Ziffer 13 Anhang IV ProspektVO bestehen im Rahmen von Ziffer 11 Anhang IX ProspektVO insbesondere die folgenden Besonderheiten: – Entsprechend Ziffer 11.1 Anhang IX ProspektVO ist es nicht zwingend 24 erforderlich, dass die historischen Finanzinformationen nach internationalen Rechnungslegungsstandards, dh. IAS/IFRS, erstellt werden (siehe grundsätzlich zu der Prüfung der Finanzinformationen nach internationalen Rechnungslegungsstandards in Anhang I EU-ProspektVO Rz. 176 ff.). Allerdings ist in dem Fall, dass die Geschäftsberichte nicht nach internationalen Rechnungslegungsstandards erstellt werden, eine entsprechende eindeutige Erklärung in das Registrierungsformular aufzunehmen. Darüber hinaus muss darauf hingewiesen werden, dass die Finanzinformationen erhebliche Unterschiede aufweisen würden, wenn die internationalen Rechnungslegungsstandards angewandt worden wären. Weiterhin ist unmittelbar nach den historischen Finanzinformationen eine Beschreibung der Unterschiede zwischen den nach internationalen Rechnungslegungsstandards und den vom Emittenten bei der Erstellung seines Geschäftsberichts angewendeten nationalen Rechnungslegungsstandards aufzunehmen. – Abweichend von den Anhängen I, IV und XI ProspektVO enthält Ziffer 11.1 Anhang IX ProspektVO keine Regelung für den Fall, dass ein Emittent in seiner Wirtschaftsbranche weniger als ein Jahr tätig ist. Dementsprechend sind solche Emittenten nicht verpflichtet, für Rumpfjahre, in denen sie in ihrer aktuellen Wirtschaftbranche tätig sind, Finanzinformationen zu erstellen.

25

– Die historischen Finanzinformationen bestehen gemäß Ziffer 11.1 Anhang IX ProspektVO aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie den Rechnungslegungsstrategien und erläuternden Anmerkungen. Im Gegensatz zu Anhang IV ProspektVO ist im Rahmen des Anhangs IX ProspektVO die Aufnahme einer Kapitalflussrechnung nicht erforderlich.

26

– Abweichend von den Anhängen I, IV und XI ProspektVO, besteht im Rahmen des Anhangs IX ProspektVO keine Verpflichtung, Zwischenfinanz-

27

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EU-ProspektVO

Anhang IX

informationen in das Registrierungsformular aufzunehmen. Insoweit entspricht Anhang IX ProspektVO dem Art. 8 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2004/109/EG (Transparenzrichtlinie)1. Nach dieser Vorschrift sind Emittenten, die ausschließlich zum Handel an einem geregelten Markt zugelassene Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro begeben, ebenfalls nicht verpflichtet, Zwischenfinanzinformationen zu erstellen.

XIII. Wesentliche Verträge (Ziffer 12) 12. Wesentliche Verträge Kurze Zusammenfassung aller abgeschlossenen wesentlichen Verträge, die nicht im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit abgeschlossen wurden und die dazu führen könnten, dass jedwedes Mitglied der Gruppe eine Verpflichtung oder ein Recht erlangt, die bzw. das für die Fähigkeit des Emittenten, seinen Verpflichtungen gegenüber den Wertpapierinhabern in Bezug auf die ausgegebenen Wertpapiere nachzukommen, von wesentlicher Bedeutung ist. 28

Hinsichtlich Ziffer 12 Anhang IX ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 22 Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 300 ff.) und ergänzend auf die Ausführungen zu Ziffer 15 Anhang IV ProspektVO verwiesen (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 71 ff.).

XIV. Angaben von Seiten Dritter, Erklärungen von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen (Ziffer 13) 13.

Angaben von Seiten Dritter, Erklärungen von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen 13.1. Wird in das Registrierungsformular eine Erklärung oder ein Bericht einer Person aufgenommen, die als Sachverständiger handelt, so sind der Name, die Geschäftsadresse, die Qualifikationen und – falls vorhanden – das wesentliche Interesse am Emittenten anzugeben. Wurde der Bericht auf Ersuchen des Emittenten erstellt, so ist eine diesbezügliche Erklärung dahingehend abzugeben, dass die aufgenommene Erklärung oder der aufgenommene Bericht in der Form und in dem Zusammenhang, in dem sie bzw. er aufgenommen wurde, die Zustimmung von Seiten dieser Person erhalten hat, die den Inhalt dieses Teils des Registrierungsformulars gebilligt hat.

1 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38 ff.

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Anhang X

13.2. Angaben von Seiten Dritter Sofern Angaben von Seiten Dritter übernommen wurden, ist zu bestätigen, dass diese Angaben korrekt wiedergegeben wurden und dass – soweit es dem Emittenten bekannt ist und er aus den von dieser dritten Partei veröffentlichten Informationen ableiten konnte – keine Tatsachen unterschlagen wurden, die die wiedergegebene Informationen unkorrekt oder irreführend gestalten würden. Darüber hinaus ist/sind die Quelle(n) der Informationen anzugeben. Hinsichtlich Ziffer 13 Anhang IX ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 10.3 und Ziffer 10.4 Anhang III ProspektVO verwiesen (siehe Anhang III EU-ProspektVO Rz. 86 ff.).

29

XV. Einsehbare Dokumente (Ziffer 14) 14. Einsehbare Dokumente Abzugeben ist eine Erklärung dahingehend, dass während der Gültigkeitsdauer des Registrierungsformulars ggf. die folgenden Dokumente oder deren Kopien eingesehen werden können: a) die Satzung und die Statuten des Emittenten; b) sämtliche Berichte, Schreiben und sonstigen Dokumente, historischen Finanzinformationen, Bewertungen und Erklärungen, die von einem Sachverständigen auf Ersuchen des Emittenten abgegeben wurden, sofern Teile davon in das Registrierungsformular eingeflossen sind oder in ihm darauf verwiesen wird; c) die historischen Finanzinformationen des Emittenten oder im Falle einer Gruppe die historischen Finanzinformationen für den Emittenten und seine Tochtergesellschaften für jedes der Veröffentlichung des Registrierungsformulars vorausgegangenen beiden letzten Geschäftsjahre. Anzugeben ist auch, wo in diese Dokumente entweder in Papierform oder auf elektronischem Wege Einsicht genommen werden kann. Hinsichtlich Ziffer 14 Anhang IX ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 24 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 306 ff.).

Anhang X Hier nicht kommentiert.

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Anhang XI Mindestangaben für das Registrierungsformular für Banken (Schema) Schrifttum: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), Kreditwesengesetz, 3. Aufl. 2008; Kullmann/ Sester, Inhalt und Format von Wertpapierprospekten nach dem WpPG, ZBB 2005, 209; Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), Kreditwesengesetz, 2009; Seitz, Das neue Wertpapierprospektgesetz – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678; Wieneke, Emissionspublizität – Praktische Anforderungen und rechtliche Grenzen, NZG 2005, 109.

Inhaltsübersicht I. Anwendungsbereich . . . . . . 1. Erfasste Institute . . . . . . . . . 2. Nutzbarkeit des Registrierungsformulars für Schuldtitel, derivative Wertpapiere und sonstige nicht unter Art. 4 ProspektVO fallende Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu anderen Anhängen der ProspektVO . . . . . . . II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) . . . . . . . . . . . . . . .

1 2

8 9 10

III. Abschlussprüfer (Ziffer 2) . . .

12

IV. Risikofaktoren (Ziffer 3) . . . .

13

V. Angaben über den Emittenten (Ziffer 4) . . . . . . . . . . . . . . . 23 VI. Geschäftsüberblick (Ziffer 5) VII. Organisationsstruktur (Ziffer 6) . . . . . . . . . . . . . . .

26 29

VIII. Trend Information (Ziffer 7) .

31

IX. Gewinnprognosen oder -schätzungen (Ziffer 8) . . . . .

32

X. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane (Ziffer 9) . . . . . . . . . . . . . . .

33

XI. Hauptaktionäre (Ziffer 10) . .

34

XII. Finanzinformationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten (Ziffer 11) . . . . . . . . . . . . . . 35 XIII. Wesentliche Verträge (Ziffer 12) . . . . . . . . . . . . . .

41

XIV. Angaben von Seiten Dritter, Erklärungen von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen (Ziffer 13) . . . . .

42

XV. Einsehbare Dokumente (Ziffer 14) . . . . . . . . . . . . . .

43

I. Anwendungsbereich 1

Anhang XI ProspektVO enthält nach Art. 14 Abs. 1 ProspektVO das Schema für das Registrierungsformular für Banken. Gemäß Art. 14 Abs. 2 ProspektVO gilt dieses Schema für Kreditinstitute iS der EG-Bankenrichtlinie sowie für Kreditinstitute aus Drittstaaten, die nicht unter diese Definition fallen, jedoch ihren eingetragenen Sitz in einem Staat haben, der Mitglied der OECD ist.

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Anhang XI

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1. Erfasste Institute Kreditinstitute iS des Art. 1 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2000/12/EG sind Unternehmen, deren Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren1.

2

In Deutschland fallen darunter Einlagenkreditinstitute nach § 2 Nr. 8 3 WpPG bzw. § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG2. § 2 Nr. 8 WpPG verweist im Hinblick auf die Definition des Begriffs „Einlagenkreditinstitut“ auf § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG3. Bei dem Verweis auf die Vorschriften in der Bankenrichtlinie bzw. auf die entsprechenden Bestimmungen im Kreditwesengesetz wird vorausgesetzt, dass das Institut auch über die entsprechende Erlaubnis zum Betreiben des Einlagengeschäfts verfügt4. In Deutschland ist jedes Kreditinstitut iS des § 1 Abs. 1 KWG, das eine Volllizenz besitzt, auch als Einlagenkreditinstitut zu qualifizieren5. Im Fall von Instituten mit Sitz im EWR-Ausland ist für die Feststellung, ob 4 sie ein Kreditinstitut iS des Anhangs XI ProspektVO sind, das jeweils einschlägige nationale Recht maßgeblich. Entsprechend der Definition der EGBankenrichtlinie ist auch für Institute im Ausland entscheidend, dass die Tätigkeit des Instituts darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und das Kreditgeschäft betrieben wird. Daneben gilt das Schema nach Anhang XI ProspektVO gemäß Art. 14 Abs. 2 5 ProspektVO auch für solche Kreditinstitute aus Drittstaaten, die nicht unter die Definition des Kreditinstituts iS des Art. 1 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2000/12/EG fallen, ihren eingetragenen Sitz aber in einem Staat haben, der Mitglied der OECD ist. Das Schema nach Anhang XI ProspektVO ist damit auch auf Kreditinstitute aus Australien, Kanada, Island, Japan, Korea, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, der Schweiz, der Türkei und den Vereinigten Staaten anwendbar. Hintergrund dieser Regelung ist, dass auch Banken aus diesen Staaten, die zwar außerhalb der EU liegen, aber einen vergleichbaren aufsichtsrechtlichen Standard aufweisen, der Marktzutritt in der EU erleichtert werden soll6. 1 Demgegenüber ist in der Richtlinie 2006/48/EG, welche die Richtlinie 2000/12/EG neu gefasst hat, der Begriff des Kreditinstituts gleich geblieben, wurde aber um den Tatbestand der E-Geld-Institute im Sinn der Richtlinie 2000/46/EG ergänzt (vgl. Art. 4 Nr. 1 der Richtlinie 2006/48/EG). 2 So auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 2. 3 Zum Begriff „Einlagenkreditinstitut“ siehe Schäfer in Boos/Fischer/SchulteMattler, § 1 KWG Rz. 192 ff. sowie Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 179 ff. 4 Vgl. dazu Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 28 f. 5 Siehe dazu Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 193. 6 So CESR/03-129, CESR Prospectus Consultation – Feedback Statement, Rz. 44 ff.

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6

Nicht erfasst von Art. 14 Abs. 2 ProspektVO sind dagegen Wertpapierhandelsunternehmen. Wie aus der Definition des Einlagenkreditinstituts in § 1 Abs. 3d KWG deutlich wird, differenziert der deutsche Gesetzgeber zwischen Einlagenkreditinstituten (§ 1 Abs. 3d Satz 1 KWG) und Wertpapierhandelsunternehmen (§ 1 Abs. 3d Satz 2 KWG). Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens wurde entsprechend diskutiert, inwiefern Anhang XI ProspektVO auf „regulated firms“ anwendbar sei1. Im Verfahren zur Erarbeitung der so genannten Level 2-Bestimmungen hatte CESR vorgeschlagen, die Anwendbarkeit von Anhang XI ProspektVO auf „regulated firms“ auszudehnen, sofern das jeweilige regulierte Unternehmen über eine erhebliche Erfahrung bei der Emission von Wertpapieren verfügt und hohen Aufsichtsstandards unterliegt2. Die Europäische Kommission ist jedoch dieser Ausdehnung des Anwendungsbereichs nicht gefolgt3.

7

Anhang XI ProspektVO findet auch keine Anwendung auf Emissionsverhikel (Special Purpose Vehicles – SPVs). Für solche Einheiten findet entweder Anhang IV ProspektVO oder Anhang IX ProspektVO Anwendung, abhängig von der Mindeststückelung der Wertpapiere4. Hintergrund dieser Auslegung ist, dass solche Emissionsvehikel nicht der Solvenzaufsicht unterliegen, wie dies für Banken der Fall ist5. Die Nichtanwendbarkeit von Anhang XI ProspektVO ist unabhängig davon, ob die von dem Emissionsvehikel begebenen Wertpapiere zusätzlich von der Garantie einer Bank abgesichert werden oder nicht6. Für die Garantin gelten insoweit die Anforderungen von Anhang VI ProspektVO (siehe dazu Anhang VI EU-ProspektVO Rz. 1 ff.). 2. Nutzbarkeit des Registrierungsformulars für Schuldtitel, derivative Wertpapiere und sonstige nicht unter Art. 4 ProspektVO fallende Wertpapiere

8

Wie aus Art. 14 Abs. 1 ProspektVO deutlich wird, ist Anhang XI ProspektVO für Schuldtitel, derivative Wertpapiere und sonstige nicht unter Art. 4

1 Die Ausdehnung wird bejaht von Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 4. 2 CESR/03-300, CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive, Rz. 115. 3 Siehe zur Begründung der Europäischen Kommission ESC/42/2003-rev2, European Commission, Main differences between the Commission draft regulation on draft implementing rules for the Prospectus Directive and the CESR advice, S. 13 f. 4 CESR/03-300, CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive, Rz. 115. 5 Vgl. CESR/03-129, CESR Prospectus Consultation – Feedback Statement, Rz. 40. 6 CESR/03-162, CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive, Rz. 57; vgl. dazu auch ursprüngliche Ansicht von CESR/02-286, CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive – Addendum to the Consultation Paper, Rz. 62, wonach Anhang XI ProspektVO im Fall von SPVs dann Anwendung finden sollte, wenn die Verbindlichkeiten aus den Wertpapieren des SPVs durch eine Bank garantiert werden.

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ProspektVO fallende Wertpapiere nutzbar. Dementsprechend ist Anhang XI ProspektVO auf alle Wertpapierarten anzuwenden, die keine Aktien, Aktien gleichzustellende Wertpapiere oder sonstige Art. 4 ProspektVO unterstehende Wertpapiere sind. Dabei ist die Anwendbarkeit von Anhang XI ProspektVO im Gegensatz zu Anhang IV ProspektVO und Anhang IX ProspektVO unabhängig von einer Mindeststückelung der Wertpapiere. 3. Verhältnis zu anderen Anhängen der ProspektVO Anhang XI ProspektVO enthält geringere Anforderungen an die in ein Regis- 9 trierungsformular aufzunehmenden Mindestinformationen als beispielsweise Anhang I ProspektVO oder Anhang IV ProspektVO. Diese Erleichterungen finden ihre Begründung in der Solvenzaufsicht über Banken und deren Anteil am Gesamtmarkt für Wertpapieremissionen1. Banken steht es nach Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 2 ProspektVO aber frei, die in Art. 7 ProspektVO bzw. Art. 12 ProspektVO vorgesehenen Schemata zu verwenden. Das bedeutet, dass Banken anstelle des Anhangs XI ProspektVO in Abhängigkeit von der Mindeststückelung der Wertpapiere auch Anhang IV ProspektVO (siehe dazu auch Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 8) oder Anhang IX ProspektVO (siehe dazu auch Anhang IX EU-ProspektVO Rz. 3) als maßgebliches Schema für das Registrierungsformular wählen können2. Daneben ist es auch möglich, Anhang I ProspektVO als umfassendstes Schema für Registrierungsformulare anzuwenden, auch wenn es bei den zu Grunde liegenden Wertpapieren nicht um Aktien, sondern um nicht unter Art. 4 ProspektVO fallende Wertpapiere handelt (siehe zu den Wahlmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Schemata auch Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 8)3.

II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) 1. Verantwortliche Personen 1.1. Alle Personen, die für die im Registrierungsformular gemachten Angaben bzw. für bestimmte Abschnitte des Registrierungsformulars verantwortlich sind. Im letzteren Fall sind die entsprechenden Abschnitte aufzunehmen. Im Falle von natürlichen Personen, zu denen auch Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane des Emittenten gehören, sind der Name und die Funktion dieser Person zu nennen. Bei juristischen Personen sind Name und eingetragener Sitz der Gesellschaft anzugeben.

1 So auch Wagner in Holzborn, Anh. XI EU-ProspV Rz. 7 und CESR/03-129, CESR Prospectus Consultation – Feedback Statement, Rz. 40. 2 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (213); CESR/03-300, CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Prospectus Directive, Rz. 119. 3 Siehe auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Vor Anhang I EU-ProspektVO Rz. 11.

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1.2. Erklärung der für das Registrierungsformular verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die im Registrierungsformular genannten Angaben ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen ausgelassen werden, die die Aussage des Registrierungsformulars wahrscheinlich verändern. Ggf. Erklärung der für bestimmte Abschnitte des Registrierungsformulars verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die in dem Teil des Registrierungsformulars genannten Angaben, für die sie verantwortlich sind, ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen ausgelassen werden, die die Aussage des Registrierungsformulars wahrscheinlich verändern. 10

Der Wortlaut der Ziffern 1.1 und 1.2 Anhang XI ProspektVO stimmt mit dem Wortlaut der Ziffern 1.1 und 1.2 Anhang I ProspektVO überein. Es wird daher auf die Kommentierung zu Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 2 ff.). Ergänzungen finden sich in der Kommentierung zu den Ziffern 1.1 und 1.2 Anhang IV ProspektVO (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 9 ff.).

11

Sollen Wertpapiere gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 WpPG zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden, muss nach § 5 Abs. 4 Satz 2 WpPG auch das Kreditinstitut, das Finanzdienstleistungsinstitut oder das nach § 53 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 53b Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen, mit dem der Emittent zusammen die Zulassung der Wertpapiere beantragt, die Verantwortung für den Inhalt des Prospekts erklären (siehe dazu § 5 WpPG Rz. 43 f.). Soweit der Emittent ein Kreditinstitut ist und die Verantwortlichkeitserklärung entsprechend Ziffer 1 Anhang XI ProspektVO (und entsprechend für die Wertpapierbeschreibung) abgibt, ist im Hinblick auf § 5 Abs. 4 Satz 2 WpPG keine weitere Verantwortlichkeitserklärung erforderlich1.

III. Abschlussprüfer (Ziffer 2) 2. Abschlussprüfer 2.1. Namen und Anschrift der Abschlussprüfer des Emittenten, die für den von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraum zuständig waren (einschließlich der Angabe ihrer Mitgliedschaft in einer Berufsvereinigung). 2.2. Wurden Abschlussprüfer während des von den historischen Finanzinformationen abgedeckten Zeitraums abberufen, wurden sie nicht wieder bestellt oder haben sie ihr Mandat niedergelegt, so sind entsprechende Einzelheiten offen zu legen, wenn sie von wesentlicher Bedeutung sind.

1 So auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 10; Wagner in Holzborn, Anh. XI EU-ProspV Rz. 2.

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Der Wortlaut der Ziffern 2.1 und 2.2 Anhang XI ProspektVO stimmt mit dem Wortlaut der Ziffern 2.1 und 2.2 Anhang I ProspektVO überein. Es wird daher auf die Kommentierung zu Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 17 ff.).

12

IV. Risikofaktoren (Ziffer 3) 3. Risikofaktoren 3.1. Vorrangige Offenlegung von Risikofaktoren, die die Fähigkeit des Emittenten beeinträchtigen können, seinen Verpflichtungen im Rahmen der Wertpapiere gegenüber den Anlegern nachzukommen (unter der Rubrik „Risikofaktoren“). Hinsichtlich Ziffer 3 von Anhang XI ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 4 Anhang IV ProspektVO verwiesen (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 14 ff.). In Zusammenhang mit Anhang IV ProspektVO wird ausführlich auf die Besonderheiten der emittentenbezogenen Risikofaktoren bei den Emittenten von Schuldtiteln und derivativen Wertpapieren eingegangen.

13

Der Wortlaut von Ziffer 3.1 Anhang XI ProspektVO weicht zwar von der 14 entsprechenden Formulierung in Ziffer 4.1 Anhang I ProspektVO bzw. Ziffer 4 Anhang IV ProspektVO ab, da nach Ziffer 3.1 Anhang XI ProspektVO eine „vorrangige Offenlegung“ erforderlich ist, wohingegen in Ziffer 4.1 Anhang I ProspektVO von einer „klaren Offenlegung“ bzw. in Ziffer 4 Anhang IV ProspektVO von einer „hervorgehobenen Offenlegung“ die Rede ist1. Allerdings resultiert diese Abweichung zwischen Anhang I ProspektVO bzw. Anhang IV ProspektVO einerseits und Anhang XI ProspektVO andererseits wohl auf einer nicht konsistenten Übersetzung der ProspektVO, da in den englischen Fassungen der jeweiligen Anhänge der Wortlaut identisch ist („prominent disclosure of risk factors“). Dementsprechend ist aus dem unterschiedlichen Wortlaut kein Bedeutungsunterschied abzuleiten (vgl. dazu auch Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 16). Regelmäßig sind in den Risikofaktoren Ausführungen zu den folgenden Risiken aufzunehmen:

15

– Regelmäßig sind Ausführungen zum Marktpreisrisiko aufzunehmen. Das 16 Marktpreisrisiko beinhaltet das Risiko, Positionen nicht zu den mit internen Bewertungsmodellen ermittelten Preisen veräußern zu können, oder dass gar kein Markt für die Positionen existiert. – Der Prospektverantwortliche hat grundsätzlich Ausführungen zum Liquiditätsrisiko des Emittenten in den Risikofaktoren aufzunehmen. Unter dem Liquiditätsrisiko ist das Risiko zu verstehen, bestehenden oder zu1 Unklar sind insoweit die Ausführungen in Wagner in Holzborn, Anh. XI EUProspV Rz. 4.

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künftigen Zahlungsverpflichtungen nach Umfang und in zeitlicher Hinsicht nicht uneingeschränkt bzw. nicht fristgerecht nachkommen zu können. 18

– In den Risikofaktoren können Ausführungen zum Geschäftsrisiko der Bank aufgenommen werden. Das Geschäftsrisiko umfasst mehrere zugrundeliegende Risikokategorien, die hauptsächlich aus strategischem Risiko und dem Risiko von Kosten-/Ertragsschwankungen bestehen. Im Rahmen des Geschäftsrisikos können auch Ausführungen zu Belastungen der Ertragslage aufgenommen werden, die aus der Inanspruchnahme des SoFFin resultieren.

19

– In den emittentenbezogenen Risikofaktoren können Aussagen dazu aufgenommen werden (falls zutreffend), dass der Emittent keinem Einlagensicherungsfonds oder einem ähnlichen Sicherungssystem angeschlossen ist (siehe dazu auch Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 28).

20

Zu praktischen Fragen bei der Darstellung von Risikofaktoren und zu weiteren aufzunehmenden Risikofaktoren siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 19 ff.

21

Im Rahmen des Anhang XI ProspektVO wird diskutiert, ob das Rating eines Kreditinstituts im Zusammenhang mit dem Bonitätsrisiko, dh. dem Risiko, dass der Emittent seine Verbindlichkeiten aus den Wertpapieren erfüllen kann, in den Risikofaktoren aufzunehmen ist (siehe zu Ratingangaben im Rahmen der Wertpapierbeschreibung auch Anhang V EU-ProspektVO Rz. 55 f. [dort Ziffer 7.5])1. Dies wird von der BaFin aber regelmäßig nicht gestattet, da auch im Fall eines guten Ratings ein Kreditinstitut seinen Zahlungsverpflichtungen gegebenenfalls nicht nachkommen kann und entsprechend die Gefahr einer Relativierung der Risikofaktoren besteht2. Dies heißt aber nicht, dass die Aufnahme von Ratings im Prospekt generell nicht empfehlenswert ist. Soweit dies nicht ohnehin erforderlich ist (vgl. Ziffer 7.5 Anhang V ProspektVO), können die Angaben zum Rating entweder in Zusammenhang mit der Emittentenbeschreibung oder in einem Abschnitt „General Information“ aufgenommen werden.

22

In Zusammenhang mit der Darstellung der emittentenbezogenen Risikofaktoren bei Kreditinstituten als Emittenten stellt sich regelmäßig die Frage, inwiefern auch Ausführungen zu dem nach dem Bankaufsichtsrecht vorgeschriebenen Risikomanagement der Bank aufgenommen werden. Falls entsprechende Ausführungen in den Abschnitt „Risikofaktoren“ aufgenommen werden, prüft die BaFin besonders kritisch, inwiefern darin evtl. „risikorelativierende Aussagen“ enthalten sind, welche die BaFin im Abschnitt Risikofaktoren nicht akzeptiert. Es ist daher empfehlenswert, entsprechen1 Siehe dazu Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 15 sowie Wagner in Holzborn, Anh. XI EU-ProspV Rz. 4 2 Vgl. auch Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 15.

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de Aussagen sehr knapp zu halten oder im Abschnitt Risikofaktoren ganz wegzulassen und die entsprechenden Ausführungen im Geschäftsbericht per Verweis in den Prospekt zu Informationszwecken einzubeziehen.

V. Angaben über den Emittenten (Ziffer 4) 4. Angaben über den Emittenten 4.1. Geschäftsgeschichte und Geschäftsentwicklung des Emittenten 4.1.1. Juristischer und kommerzieller Name des Emittenten; 4.1.2. Ort der Registrierung des Emittenten und seine Registrierungsnummer; 4.1.3. Datum der Gründung und Existenzdauer des Emittenten, soweit diese nicht unbefristet ist; 4.1.4. Sitz und Rechtsform des Emittenten; Rechtsordnung, in der er tätig ist; Land der Gründung der Gesellschaft; Anschrift und Telefonnummer seines eingetragenen Sitzes (oder Hauptort der Geschäftstätigkeit, falls nicht mit dem eingetragenen Sitz identisch); 4.1.5. Wichtige Ereignisse aus jüngster Zeit in der Geschäftstätigkeit des Emittenten, die in hohem Maße für die Bewertung der Solvenz des Emittenten relevant sind. Hinsichtlich Ziffer 4 Anhang XI ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 5.1 Anhang IV ProspektVO verwiesen (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 31 ff.).

23

Der Wortlaut von Ziffer 4.1.5 Anhang XI ProspektVO weicht geringfügig von der entsprechenden Formulierung in Ziffer 5.1.5 Anhang IV ProspektVO ab, da nach Ziffer 5.1.5 Anhang IV ProspektVO Angaben zu „Ereignissen aus jüngster Zeit in der Geschäftstätigkeit des Emittenten, die in erheblichem Maße für die Bewertung der Solvenz des Emittenten relevant sind“, in das Registrierungsformular aufzunehmen sind. Allerdings resultiert diese Abweichung zwischen Anhang IV ProspektVO und Anhang XI ProspektVO auf einer nicht konsistenten Übersetzung der ProspektVO, da in den englischen Fassungen der jeweiligen Anhänge der Wortlaut identisch ist („any recent events particular to the issuer which are to a material extent relevant to the evaluation to the issuer’s solvency“). Dementsprechend ist aus der Wortlautabweichung kein Bedeutungsunterschied abzuleiten.

24

Im Gegensatz zu Ziffer 5.2 Anhang IV ProspektVO sind im Rahmen der Ziffer 4 Anhang XI ProspektVO keine Ausführungen zu den Investitionen des Emittenten in das Registrierungsformular aufzunehmen.

25

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VI. Geschäftsüberblick (Ziffer 5) 5. Geschäftsüberblick 5.1. Haupttätigkeitsbereiche 5.1.1. Beschreibung der Haupttätigkeiten des Emittenten unter Angabe der wichtigsten Arten der vertriebenen Produkte und/oder erbrachten Dienstleistungen; 5.1.2. Angabe etwaiger wichtiger neuer Produkte und/oder Dienstleistungen; 5.1.3. Wichtigste Märkte Kurze Beschreibung der wichtigsten Märkte, auf denen der Emittent tätig ist; 5.1.4. Grundlage für etwaige Angaben des Emittenten im Registrierungsformular zu seiner Wettbewerbsposition. 26

Hinsichtlich Ziffer 5 Anhang XI ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 6 Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 62 ff.) und ergänzend auf die Ausführungen zu Ziffer 6 Anhang IV ProspektVO verwiesen (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 35 ff.). Der Wortlaut von Ziffer 5 Anhang XI ProspektVO weicht allerdings geringfügig von dem Wortlaut von Ziffer 6 Anhang I ProspektVO ab, um den Besonderheiten von Kreditinstituten als Emittenten Rechnung zu tragen. Beispielsweise sind keine Angaben zur „Wesensart der Geschäfte des Emittenten“ oder zu einem bestimmten Entwicklungsstand neuer Produkte und Dienstleistungen in das Registrierungsformular aufzunehmen.

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Die Angaben zu den Haupttätigkeiten, inklusive der vertriebenen Produkte und/oder erbrachten Dienstleistungen nach Ziffer 5.1.1 Anhang XI ProspektVO, zu evtl. neuen Produkten und/oder Dienstleistungen nach Ziffer 5.1.2 Anhang XI ProspektVO und den wichtigsten Märkten nach Ziffer 5.1.3 Anhang XI ProspektVO kann im Fall eines Kreditinstituts regelmäßig relativ knapp gehalten werden, soweit sich die Tätigkeit im Rahmen des Einlagen- und Kreditgeschäfts befindet. Soweit darüber hinausgehende Geschäftsfelder angeboten werden oder die Tätigkeit auf besonderen Märkte stattfindet, sind aber regelmäßig genauere Angaben erforderlich, so zB im Fall von Aktivitäten einer Bank im US-amerikanischen Immobilienfinanzierungsgeschäft oder im Fall von besonderen Aktivitäten im Bereich Investment Banking, die evtl. mit besonderen Risikopositionen verbunden sind.

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Nach Ziffer 5.1.4 Anhang XI ProspektVO kann der Emittent Angaben zu seiner Wettbewerbsposition in das Registrierungsformular aufnehmen (siehe zu den Angaben des Emittenten zu seiner Wettbewerbsposition auch Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 39).

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VII. Organisationsstruktur (Ziffer 6) 6. Organisationsstruktur 6.1. Ist der Emittent Teil einer Gruppe, kurze Beschreibung der Gruppe und der Stellung des Emittenten innerhalb dieser Gruppe. 6.2. Ist der Emittent von anderen Einheiten innerhalb der Gruppe abhängig, ist dies klar anzugeben und eine Erklärung zu seiner Abhängigkeit abzugeben. Hinsichtlich Ziffer 6 Anhang XI ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 7 Anhang IV ProspektVO verwiesen (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 40 ff.).

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In Zusammenhang mit den Angaben zur Organisationsstruktur können Informationen zu einer für den Emittenten bestehenden Sicherungseinrichtung aufgenommen werden, die sich zB aus der Zugehörigkeit des Emittenten zu einer bestimmten Säule des deutschen Bankenwesens ergibt1. Eine entsprechende Angabe ist allerdings nicht zwingend2, da ein Abhängigkeitsverhältnis innerhalb einer Gruppe bestehen muss, was regelmäßig enger zu verstehen ist und voraussetzt, dass eine andere Einheit der Gruppe Einfluss auf den Emittenten ausüben kann, was beispielsweise im Fall eines Beherrschungsvertrags der Fall sein kann (siehe zur Abhängigkeit eines Emittenten von anderen Einheiten innerhalb der Gruppe auch Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 41 f.).

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VIII. Trend Information (Ziffer 7) 7. Trend Information 7.1. Einzufügen ist eine Erklärung, der zufolge es keine wesentlichen negativen Veränderungen in den Aussichten des Emittenten seit dem Datum der Veröffentlichung der letzten geprüften Jahresabschlüsse gegeben hat. Kann der Emittent keine derartige Erklärung abgeben, dann sind Einzelheiten über diese wesentliche negative Änderung beizubringen. 7.2. Informationen über bekannte Trends, Unsicherheiten, Nachfragen, Verpflichtungen oder Vorfälle, die voraussichtlich die Aussichten des Emittenten zumindest im laufenden Geschäftsjahr wesentlich beeinflussen dürften. Hinsichtlich Ziffer 7 Anhang XI ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 8 Anhang IV ProspektVO verwiesen (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 43 ff.).

1 So Wagner in Holzborn, Anh. XI EU-ProspV Rz. 7. 2 Anders Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 25.

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IX. Gewinnprognosen oder -schätzungen (Ziffer 8) 8.

Gewinnprognosen oder -schätzungen Entscheidet sich ein Emittent dazu, eine Gewinnprognose oder eine Gewinnschätzung aufzunehmen, dann hat das Registrierungsformular die Angaben unter den Punkten 8.1. und 8.2. zu enthalten: 8.1. Eine Erklärung, die die wichtigsten Annahmen erläutert, auf die der Emittent seine Prognose oder Schätzung gestützt hat. Bei den Annahmen sollte klar zwischen jenen unterschieden werden, die Faktoren betreffen, die die Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane beeinflussen können, und Annahmen in Bezug auf Faktoren, die klar außerhalb des Einflussbereiches der Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane liegen. Die Annahmen müssen für die Anleger leicht verständlich und spezifisch sowie präzise sein und dürfen nicht der üblichen Exaktheit der Schätzungen entsprechen, die der Prognose zu Grunde liegen. 8.2. Einen Bericht, der von unabhängigen Buchprüfern oder Abschlussprüfern erstellt wurde und in dem festgestellt wird, dass die Prognose oder die Schätzung nach Meinung der unabhängigen Buchprüfer oder Abschlussprüfer auf der angegebenen Grundlage ordnungsgemäß erstellt wurde und dass die Rechnungslegungsgrundlage, die für die Gewinnprognose oder -schätzung verwendet wurde, mit den Rechnungslegungsstrategien des Emittenten konsistent ist. 8.3. Die Gewinnprognose oder -schätzung sollte auf einer Grundlage erstellt werden, die mit den historischen Finanzinformationen vergleichbar ist. 32

Hinsichtlich Ziffer 8 Anhang XI ProspektVO wird auf die Kommentierung zu den Ziffern 13.1, 13.2 und 13.3 Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 116 ff.) und ergänzend auf die Ausführungen zu Ziffer 9 Anhang IV ProspektVO (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 53 f.) verwiesen.

X. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane (Ziffer 9) 9. Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane 9.1. Name und Geschäftsanschrift nachstehender Personen sowie ihre Stellung bei dem Emittenten unter Angabe der wichtigsten Tätigkeiten, die sie außerhalb des Emittenten ausüben, sofern diese für den Emittenten von Bedeutung sind: a) Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane; b) persönlich haftende Gesellschafter bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien.

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9.2. Interessenkonflikte von Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen sowie vom oberen Management Potenzielle Interessenkonflikte zwischen den Verpflichtungen der unter Punkt 9.1 genannten Personen gegenüber dem Emittenten und ihren privaten Interessen oder sonstigen Verpflichtungen müssen klar festgehalten werden. Falls keine derartigen Konflikte bestehen, ist eine negative Erklärung abzugeben. Hinsichtlich Ziffer 9 Anhang XI ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 14 Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 121 ff.) und ergänzend auf die Ausführungen zu Ziffer 10 Anhang IV ProspektVO (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 55 ff.) verwiesen.

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XI. Hauptaktionäre (Ziffer 10) 10. Hauptaktionäre 10.1. Sofern dem Emittenten bekannt, Angabe, ob an dem Emittenten unmittelbare oder mittelbare Beteiligungen oder Beherrschungsverhältnisse bestehen, und wer diese Beteiligungen hält bzw. diese Beherrschung ausübt. Beschreibung der Art und Weise einer derartigen Kontrolle und der vorhandenen Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs einer derartigen Kontrolle. 10.2. Sofern dem Emittenten bekannt, Beschreibung etwaiger Vereinbarungen, deren Ausübung zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Veränderung bei der Kontrolle des Emittenten führen könnte. Hinsichtlich Ziffer 10 Anhang XI ProspektVO wird auf die Kommentierung zu den Ziffern 18.3 und 18.4 Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 152 ff.) verwiesen.

XII. Finanzinformationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten (Ziffer 11) 11. 11.1.

Finanzinformationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten Historische Finanzinformationen Beizubringen sind geprüfte historische Finanzinformationen, die die letzten zwei Geschäftsjahre abdecken (bzw. einen entsprechenden kürzeren Zeitraum, während dessen der Emittent tätig war), sowie ein Bestätigungsvermerk für jedes Geschäftsjahr. Hat der Emittent in der Zeit, für die historische Finanzinformationen beizubringen sind, seinen Bilanzstichtag geändert, so decken die geprüften historischen Finanzinformationen mindestens 24 Monate oder – sollte der Emittent seiner Geschäftstätigkeit noch keine 24 Monate nachgegangen sein – den gesamten Zeitraum seiner Geschäftstätigkeit ab. Derartige Finanzinformationen sind gemäß der Verordnung (EG)

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Nr. 1606/2002 zu erstellen bzw. für den Fall, dass diese Verordnung nicht anwendbar ist, gemäß den nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Mitgliedstaats, wenn der Emittent aus der Gemeinschaft stammt. Bei Emittenten aus Drittstaaten sind diese Finanzinformationen nach den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards oder nach diesen Standards gleichwertigen nationalen Rechnungslegungsstandards eines Drittstaates zu erstellen. Ist keine Äquivalenz zu den Standards gegeben, so sind die Finanzinformationen in Form eines neu zu erstellenden Jahresabschlusses vorzulegen. Die geprüften historischen Finanzinformationen des letzten Jahres müssen in einer Form dargestellt und erstellt werden, die mit der konsistent ist, die im folgenden Jahresabschluss des Emittenten zur Anwendung gelangen wird, wobei die Rechnungslegungsstandards und -strategien sowie die Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind, die auf derlei Jahresabschlüsse Anwendung finden. Ist der Emittent in seiner aktuellen Wirtschaftsbranche weniger als ein Jahr tätig, so sind die geprüften historischen Finanzinformationen für diesen Zeitraum gemäß den Standards zu erstellen, die auf Jahresabschlüsse im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 anwendbar sind bzw. für den Fall, dass diese Verordnung nicht anwendbar ist, gemäß den nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines Mitgliedstaats, wenn der Emittent aus der Gemeinschaft stammt. Bei Emittenten aus Drittstaaten sind diese historischen Finanzinformationen nach den im Verfahren des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards oder nach diesen Standards gleichwertigen nationalen Rechnungslegungsstandards eines Drittstaates zu erstellen. Diese historischen Finanzinformationen müssen geprüft worden sein. Wurden die geprüften Finanzinformationen gemäß nationaler Rechnungslegungsgrundsätze erstellt, dann müssen die unter dieser Rubrik geforderten Finanzinformationen zumindest Folgendes enthalten: a) die Bilanz; b) die Gewinn- und Verlustrechnung; c) nur im Falle der Zulassung der Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt eine Kapitalflussrechnung; d) die Rechnungslegungsstrategien und erläuternde Anmerkungen. Die historischen jährlichen Finanzinformationen müssen unabhängig und in Übereinstimmung mit den in dem jeweiligen Mitgliedstaat anwendbaren Prüfungsstandards oder einem äquivalenten Standard geprüft worden sein oder es muss für das Registrierungsformular vermerkt werden, ob sie in Übereinstimmung mit dem in dem jeweiligen Mitgliedstaat anwendbaren Prüfungsstandard oder

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11.2.

11.3. 11.3.1.

11.3.2. 11.3.3.

11.4. 11.4.1. 11.5. 11.5.1.

11.5.2.

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einem äquivalenten Standard ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln. Jahresabschluss Erstellt der Emittent sowohl einen Jahresabschluss als auch einen konsolidierten Abschluss, so ist zumindest der konsolidierte Abschluss in das Registrierungsformular aufzunehmen. Prüfung der historischen jährlichen Finanzinformationen Es ist eine Erklärung dahingehend abzugeben, dass die historischen Finanzinformationen geprüft wurden. Sofern die Bestätigungsvermerke über die historischen Finanzinformationen von den Abschlussprüfern abgelehnt wurden bzw. sofern sie Vorbehalte oder Einschränkungen enthalten, sind diese Ablehnung bzw. diese Vorbehalte oder Einschränkungen in vollem Umfang wiederzugeben und die Gründe dafür anzugeben. Angabe sonstiger Informationen im Registrierungsformular, das von den Abschlussprüfern geprüft wurde. Wurden die Finanzdaten im Registrierungsformular nicht dem geprüften Jahresabschluss des Emittenten entnommen, so sind die Quelle dieser Daten und die Tatsache anzugeben, dass die Daten ungeprüft sind. „Alter“ der jüngsten Finanzinformationen Das letzte Jahr der geprüften Finanzinformationen darf nicht älter sein als 18 Monate ab dem Datum des Registrierungsformulars. Zwischenfinanzinformationen und sonstige Finanzinformationen Hat der Emittent seit dem Datum des letzten geprüften Jahresabschlusses vierteljährliche oder halbjährliche Finanzinformationen veröffentlicht, so sind diese in das Registrierungsformular aufzunehmen. Wurden diese vierteljährlichen oder halbjährlichen Finanzinformationen einer teilweisen oder vollständigen Prüfung unterworfen, so sind die entsprechenden Berichte ebenfalls aufzunehmen. Wurden die vierteljährlichen oder halbjährlichen Finanzinformationen keiner teilweisen oder vollständigen Prüfung unterzogen, so ist diese Tatsache anzugeben. Wurde das Registrierungsformular mehr als neun Monate nach Ablauf des letzten geprüften Finanzjahres erstellt, muss es Zwischenfinanzinformationen enthalten, die sich zumindest auf die ersten sechs Monate des Geschäftsjahres beziehen sollten. Wurden die Zwischenfinanzinformationen keiner Prüfung unterzogen, ist auf diesen Fall eindeutig zu verweisen. Diese Zwischenfinanzinformationen müssen einen vergleichenden Überblick über denselben Zeitraum wie im letzten Geschäftsjahr enthalten. Der Anforderung vergleichbarer Bilanzinformationen kann jedoch auch ausnahmsweise durch die Vorlage der Jahresendbilanz nachgekommen werden.

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EU-ProspektVO 11.6.

11.7.

Anhang XI

Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren Angaben über etwaige staatliche Interventionen, Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren (einschließlich derjenigen Verfahren, die nach Kenntnis des Emittenten noch anhängig sind oder eingeleitet werden könnten), die im Zeitraum der mindestens letzten 12 Monate bestanden/abgeschlossen wurden, und die sich erheblich auf die Finanzlage oder die Rentabilität des Emittenten und/oder der Gruppe auswirken bzw. in jüngster Zeit ausgewirkt haben. Ansonsten ist eine negative Erklärung abzugeben. Wesentliche Veränderungen in der Finanzlage des Emittenten Beschreibung jeder wesentlichen Veränderung in der Finanzlage der Gruppe, die seit dem Ende des Stichtags eingetreten ist, für den entweder geprüfte Finanzinformationen oder Zwischenfinanzinformationen veröffentlicht wurden. Ansonsten ist eine negative Erklärung abzugeben.

35

Hinsichtlich Ziffer 11 Anhang XI ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 20 Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 167 ff.) und ergänzend auf die Kommentierung zu Ziffer 13 Anhang IV ProspektVO verwiesen (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 61 ff.). Ziffer 11 Anhang XI ProspektVO enthält teilweise geringere Anforderungen an die in das Registrierungsformular aufzunehmenden Finanzinformationen (zur Begründung siehe oben Rz. 9). Gegenüber Ziffer 13. Anhang IV ProspektVO bestehen insbesondere die folgenden Besonderheiten:

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– Entsprechend Ziffer 11.1 Unterabs. 4 lit. c Anhang XI ProspektVO ist die Kapitalflussrechnung nur im Falle der Zulassung der Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt dem Prospekt als Finanzinformation beizufügen1. Die Beschränkung soll eine Erleichterung für kleinere Kreditinstitute bewirken, die in der Praxis häufig ihre Bilanzen nach den deutschen Rechnungslegungsgrundsätzen im HGB erstellen, wonach eine Kapitalflussrechnung entbehrlich ist2. In der Praxis greift diese Erleichterung allerdings häufig nicht, da bei einer Refinanzierung über Anleihen in der Regel von der Investorenseite eine Zulassung der Anleihe am organisierten Markt gefordert wird.

37

– Für den Fall, dass der Emittent auch einen konsolidierten Abschluss erstellt, ist nach Ziffer 11.2 Anhang XI ProspektVO zumindest der Konzernabschluss in das Registrierungsformular aufzunehmen. Abweichend von Ziffer 13.2 Anhang IV ProspektVO verzichtet die BaFin auf die Aufnahme eines Einzelabschlusses, wenn eine Bestätigung des Wirtschaftsprüfers vorliegt, nach welcher der Einzelabschluss keine über den Inhalt des Konzernabschlusses hinausgehende Informationen enthält3. 1 Siehe dazu auch CESR/03-209, CESR Prospectus Consultation – Feedback Statement, Rz. 212. 2 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 40. 3 Siehe Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XI EU-ProspektVO Rz. 43.

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– Nach Ziffer 11.4.1 Anhang XI ProspektVO darf das letzte Jahr der geprüf- 38 ten Finanzinformationen nicht älter sein als 18 Monate ab dem Datum des Registrierungsformulars. Der von dieser Regelung abweichende Wortlaut in Ziffer 13.4.1 Anhang IV ProspektVO beruht auf einem Übertragungsfehler aus der englischen Fassung der ProspektVO, in der in beiden Anhängen für den Beginn der Frist von 18 Monaten auf das letzte Jahr der geprüften Finanzinformationen abgestellt wird („the last year of audited financial information may not be older than 18 months from the date of the registration document“). – Ebenso beruhen die Abweichungen im Wortlaut von Ziffer 11.5.1 und 11.5.2 Anhang XI ProspektVO zu 13.5.1 und 13.5.2 Anhang IV ProspektVO auf einer ungenauen Übersetzung.

39

– Nach Ziffer 11.7 Anhang XI ProspektVO sind in das Registrierungsfor- 40 mular Angaben zu wesentlichen Veränderungen in der Finanzlage des Emittenten aufzunehmen (siehe dazu auch Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 65). Gegenüber Ziffer 13.7 Anhang IV ProspektVO sieht Ziffer 11.7 Anhang XI ProspektVO eine Erleichterung insofern vor, als wesentliche Veränderungen in der Handelsposition des Emittenten bzw. eine entsprechende Negativerklärung nicht aufgenommen werden müssen.

XIII. Wesentliche Verträge (Ziffer 12) 12. Wesentliche Verträge Kurze Zusammenfassung aller abgeschlossenen wesentlichen Verträge, die nicht im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit abgeschlossen wurden und die dazu führen könnten, dass jedwedes Mitglied der Gruppe eine Verpflichtung oder ein Recht erlangt, die bzw. das für die Fähigkeit des Emittenten, seinen Verpflichtungen gegenüber den Wertpapierinhabern in Bezug auf die ausgegebenen Wertpapiere nachzukommen, von wesentlicher Bedeutung ist. Hinsichtlich Ziffer 12 Anhang XI ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 22 Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 300 ff.) und ergänzend auf die Ausführungen zu Ziffer 15 Anhang IV ProspektVO verwiesen (siehe Anhang IV EU-ProspektVO Rz. 71 ff.).

XIV. Angaben von Seiten Dritter, Erklärungen von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen (Ziffer 13) 13.

Angaben von Seiten Dritter, Erklärungen von Seiten Sachverständiger und Interessenerklärungen 13.1. Wird in das Registrierungsformular eine Erklärung oder ein Bericht einer Person aufgenommen, die als Sachverständiger handelt, so sind der Name, die Geschäftsadresse, die Qualifikationen und – falls vor-

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handen – das wesentliche Interesse am Emittenten anzugeben. Wurde der Bericht auf Ersuchen des Emittenten erstellt, so ist eine diesbezügliche Erklärung dahingehend abzugeben, dass die aufgenommene Erklärung oder der aufgenommene Bericht in der Form und in dem Zusammenhang, in dem sie bzw. er aufgenommen wurde, die Zustimmung von Seiten dieser Person erhalten hat, die den Inhalt dieses Teils des Registrierungsformulars gebilligt hat. 13.2. Sofern Angaben von Seiten Dritter übernommen wurden, ist zu bestätigen, dass diese Angaben korrekt wiedergegeben wurden und dass – soweit es dem Emittenten bekannt ist und er aus den von dieser dritten Partei veröffentlichten Informationen ableiten konnte – keine Tatsachen fehlen, die die wiedergegebenen Informationen unkorrekt oder irreführend gestalten würden. Darüber hinaus hat der Emittent die Quelle(n) der Informationen anzugeben. 42

Hinsichtlich Ziffer 13 Anhang XI ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 10.3 und Ziffer 10.4 Anhang III ProspektVO verwiesen (siehe Anhang III EU-ProspektVO Rz. 86 ff.).

XV. Einsehbare Dokumente (Ziffer 14) 14. Einsehbare Dokumente Abzugeben ist eine Erklärung dahingehend, dass während der Gültigkeitsdauer des Registrierungsformulars ggf. die folgenden Dokumente oder deren Kopien eingesehen werden können: a) die Satzung und die Statuten des Emittenten; b) sämtliche Berichte, Schreiben und sonstige Dokumente, historischen Finanzinformationen, Bewertungen und Erklärungen, die von einem Sachverständigen auf Ersuchen des Emittenten abgegeben wurden, sofern Teile davon in das Registrierungsformular eingeflossen/einbezogen sind oder in ihm darauf verwiesen wird; c) die historischen Finanzinformationen des Emittenten oder im Falle einer Gruppe die historischen Finanzinformationen für den Emittenten und seine Tochtergesellschaften für jedes der Veröffentlichung des Registrierungsformulars vorausgegangenen beiden letzten Geschäftsjahre. Anzugeben ist auch, wo in diese Dokumente entweder in Papierform oder auf elektronischem Wege Einsicht genommen werden kann. 43

Hinsichtlich Ziffer 14 Anhang XI ProspektVO wird auf die Kommentierung zu Ziffer 24 Anhang I ProspektVO verwiesen (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 306 ff.).

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Anhang XII Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für derivative Wertpapiere (Schema) Schrifttum: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), Kreditwesengesetz, 3. Aufl. 2008; Burn/ Wells, The pan-European retail market – are we there yet?, CLMJ 2007, 263; Eilers/ Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung: Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Rechnungslegung, 2008; Gruson/Harrer, Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarungen sowie Bedeutung des AGB-Gesetzes bei DM-Auslandsanleihen auf dem deutschen Markt, ZBB 1996, 37; Heidelbach/Preuße, Einzelfragen in der praktischen Arbeit mit dem neuen Wertpapierprospektregime, BKR 2006, 316; Heidelbach/Preuße, Zweieinhalb Jahre neues Prospektregime und noch viele Fragen offen, BKR 2008, 10; Hull, Optionen, Futures und andere Derivate, 7. Aufl. 2009; Kullmann/Metzger, Der Bericht der Expertengruppe „Europäische Wertpapiermärkte“ (ESME) zur Richtlinie 2003/71/EG („Prospektrichtlinie“), WM 2008, 1292; Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB-Report 2005, 209; Mattil/Möslein, Die Sprache des Emissionsprospekts, WM 2007, 819; Mülbert, Anlegerschutz bei Zertifikaten, WM 2007, 1149; Mülbert/Böhmer, Zivil-, Kapitalmarkt-, Wertpapier-, Straf- und Öffentliches Recht, WM 2006, 937; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002; Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechtshandbuch, 3. Aufl. 2007; Schneider/Haag, Retail cascading in Germany – a model for a revision of the PD?, CMLJ 2007, 370; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes auf Aktien- und. Equitylinked Emissionen, AG 2005, 498; Seitz, Das neue Wertpapierprospektgesetz – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678; Zahn/ Lemke, Die Credit Linked Note – Anleihe mit integriertem Kreditderivat, WM 2002, 1536.

Inhaltsübersicht I. Anwendungsbereich 1. Begriff des derivativen Wertpapiers (Art. 15 Abs. 1 ProspektVO) . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Abgrenzung zu anderen Anhängen der ProspektVO a) Anhang XII als Auffangtatbestand (Art. 15 Abs. 2 ProspektVO) . . . . . . . . . . . . . 7 b) Abgrenzung zu Anhang III ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Aktien) . . . . . . . . . . . . . . 12

c) Abgrenzung zu Anhang V ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro) . . . . . . . . . . 16 d) Abgrenzung zu Anhang XIII ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro) . . . . . . . . . . 19

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Anhang XII

e) Rangfolge der Schemata für Wertpapierbeschreibungen, zusätzliche Informationen und Kombinationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) . . . . . . . . . . . . . . . III. Risikofaktoren (Ziffer 2) 1. Bedeutung und grundsätzliche Aufbaufragen . . . . . . . . . . . . 2. Umfang der darzustellenden Risiken (Ziffer 2 Satz 1) . . . . 3. Ausdrücklicher Hinweis auf Verlustrisiko (Ziffer 2 Satz 2 Halbsatz 1) . . . . . . . . . . . . . 4. Ausdrücklicher Haftungshinweis (Ziffer 2 Satz 2 Halbsatz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Praktische Fragen bei der Darstellung von Risikofaktoren . a) Produktbezogene Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . b) Basiswertbezogene Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . c) Produktübergreifende Risikofaktoren . . . . . . . . . d) Risiko von Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . .

23

24 31 33 36 37 39 48 53 61

IV. Wichtige Angaben (Ziffer 3) 1. Interessen Dritter an der Emission (Ziffer 3.1) . . . . . . . . . . 67 2. Gründe für das Angebot und Verwendung der Erlöse (Ziffer 3.2) . . . . . . . . . . . . . . 71 V. Angaben über die anzubietenden bzw. zum Handel zuzulassenden Wertpapiere (Ziffer 4) 1. Allgemeines, Besonderheiten von Basisprospekten . . . . . . 2. Angaben über die Wertpapiere (Ziffer 4.1) a) Beschreibung des Typs und der Kategorie (Ziffer 4.1.1) . b) Klare und umfassende Erläuterung, wie der Wert der Anlage durch den Basiswert beeinflusst wird (Ziffer 4.1.2) . . . . . . . . . . . c) Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage die Wertpapiere geschaffen wurden (Ziffer 4.1.3) . . . . . . . . . . .

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73

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92

d) Angaben zur Verbriefung (Ziffer 4.1.4) . . . . . . . . . . . 94 e) Währung der Wertpapiere (Ziffer 4.1.5) . . . . . . . . . . . 98 f) Einstufung der Wertpapiere (Ziffer 4.1.6) . . . . . . . . . . . 101 g) Beschreibung der Rechte (Ziffer 4.1.7) . . . . . . . . . . . 103 h) Angabe der Beschlüsse (Ziffer 4.1.8) . . . . . . . . . . . 107 i) Angabe des Emissionstermins (Ziffer 4.1.9) . . . . . . 111 j) Darstellung etwaiger Beschränkungen für die freie Übertragbarkeit (Ziffer 4.1.10) . . . . . . . . . . 113 k) Angabe des Verfalltags oder Fälligkeitstermins, Ausübungstermins oder endgültigen Referenztermins (Ziffer 4.1.11) . . . . . . . . . . 116 l) Beschreibung des Abrechnungsverfahrens (Ziffer 4.1.12) . . . . . . . . . . 119 m) Beschreibung der Rückgabe der derivativen Wertpapiere, Angabe zu Zahlungs- und Liefertermin und der Art und Weise der Berechnung (Ziffer 4.1.13) . . . . . . . . . . 120 n) Angaben zur Quellenbesteuerung (Ziffer 4.1.14) . . 123 3. Angaben über den Basiswert (Ziffer 4.2) . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Ausübungspreis oder endgültiger Referenzpreis des Basiswerts (Ziffer 4.2.1) . . 127 b) Informationen über den Basiswert (Ziffer 4.2.2) . . . 128 c) Marktstörungen (Ziffer 4.2.3) . . . . . . . . . . . 136 d) Anpassungsmaßnahmen (Ziffer 4.2.4) . . . . . . . . . . . 140 VI. Bedingungen und Voraussetzungen für das Angebot (Ziffer 5) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 142 2. Bedingungen des Angebots (Ziffer 5.1) a) Bedingungen, denen das Angebot unterliegt (Ziffer 5.1.1) . . . . . . . . . . . 145 b) Gesamtsumme (Ziffer 5.1.2) . . . . . . . . . . . 146

Anhang XII c) Frist (Ziffer 5.1.3) . . . . . . . 147 d) Mindest- und Höchstbetrag (Ziffer 5.1.4) . . . . . . . . . . . 150 e) Bedienung und Lieferung der Wertpapiere (Ziffer 5.1.5) . . . . . . . . . . . 151 f) Bekanntmachung der Ergebnisse des Angebots (Ziffer 5.1.6) . . . . . . . . . . . 154 3. Verbreitung der Wertpapiere und Zuteilung (Ziffer 5.2) a) Anlegerkategorien und Tranchen (Ziffer 5.2.1) . . . 157 b) Zuteilungsmeldung und Handel vor Zuteilung (Ziffer 5.2.2) . . . . . . . . . . . 159

EU-ProspektVO 4. Preisfestsetzung (Ziffer 5.3) . 5. Platzierung und Übernahme (Ziffer 5.4) a) Koordinator und Platzierer (Ziffer 5.4.1) . . . . . . . . . . . b) Zahl- und Verwahrstelle (Ziffer 5.4.2) . . . . . . . . . . . c) Übernahme der Emission (Ziffer 5.4.3 und Ziffer 5.4.4) . . . . . . . . . . . d) Berechnungsstelle (Ziffer 5.4.5) . . . . . . . . . . .

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163 164 168 171

VII. Zulassung zum Handel und Handelsregeln (Ziffer 6) . . . . 172 VIII. Zusätzliche Angaben (Ziffer 7) . . . . . . . . . . . . . . . 174

I. Anwendungsbereich 1. Begriff des derivativen Wertpapiers (Art. 15 Abs. 1 ProspektVO) Gemäß Art. 15 Abs. 1 ProspektVO enthält Anhang XII ProspektVO die erforderlichen Informationen, die im Fall von derivativen Wertpapieren in den Prospekt aufzunehmen sind. Der Anwendungsbereich des Anhangs XII ProspektVO lässt sich dabei nicht ohne weiteres aus der ProspektVO ableiten, da sich weder in der ProspektVO noch in der Prospektrichtlinie eine Definition dafür findet, was unter einem „derivativen Wertpapier“ zu verstehen ist. Auch das WpPG enthält keine Legaldefinition für diesen Begriff1.

1

Aus ökonomischer Sicht stellen Derivate Finanzinstrumente dar, deren Wert aus einem zugrundeliegenden Basiswert oder einem Kassainstrument abgeleitet wird, wobei Derivate auch die aus Derivaten abgeleiteten Geschäfte sind2. Es wird entsprechend nicht auf eine bestimmte, statische Gruppe von Finanzinstrumenten abgestellt, was dazu führt, das zukünftig auch neue derivative Finanzinstrumente geschaffen werden können3.

2

Der deutsche Gesetzgeber hat in § 2 Abs. 2 WpHG bzw. § 1 Abs. 11 Satz 4 KWG den Begriff des „Derivats“ definiert. Nach diesen Vorschriften sind Derivate insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass sie zeitlich verzögert zu erfüllen sind und sich ihr Wert unmittelbar vom Preis oder Maß eines in diesen Vorschriften genannten Basiswerts orientiert (zB Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente, Devisen oder Rechnungseinheiten, Zinssätze oder

3

1 Zur fehlenden Konturschärfe der unterschiedlichen Bezeichnungen für die erfassten Finanzinstrumente im WpPG, Prospektrichtlinie und ProspektVO siehe auch Seitz, AG 2005, 678 (679 ff.). 2 Vgl. Jahn in Bankrechts-Handbuch, § 114 Rz. 1; Hull, Optionen, Futures und andere Derivate, S. 24. 3 Vgl. von Dryander/Apfelbacher in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 22 Rz. 5.

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andere Erträge, Indizes der genannten Basiswerte bzw. andere Finanzindices oder Finanzmessgrößen oder Derivate)1. Nach der traditionellen Typuslehre wurde darüber hinaus auch das Risiko eines Totalverlusts sowie die Hebelwirkung als Merkmale eines Termingeschäfts und damit eines Derivats genannt2. Im Rahmen des § 2 Abs. 2 WpHG bzw. des § 1 Abs. 11 Satz 4 KWG ist keine Verbriefung und damit – in Abgrenzung zu den Wertpapieren iS des § 2 Abs. 1 WpHG – letztlich kein Wertpapiercharakter erforderlich3. 4

Die Auslegung des Begriffs Derivat im Rahmen des WpHG und des KWG ist nur eingeschränkt als Interpretationshilfe für den Begriff des derivativen Wertpapiers iS des Art. 15 Abs. 1 ProspektVO geeignet. Gemäß § 1 Abs. 1 iVm. § 2 Nr. 1 WpPG ist der Wertpapiercharakter jedenfalls eine notwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Prospektrechts (dazu § 1 WpPG Rz. 1). Gemeinsamkeit zwischen dem Begriff des Derivats iS des WpHG bzw. KWG und dem Begriff des derivativen Wertpapiers iS des Art. 15 Abs. 1 ProspektVO ist vor allem, dass auch im Rahmen von Art. 15 ProspektVO eine Abhängigkeit von der Entwicklung eines Basiswerts besteht4. Dabei muss sich ein Basiswert nicht zwingend nur auf die in § 2 Abs. 2 WpHG genannten Referenzgrößen beziehen, sondern kann sich auch auf ereignisbezogene Basisgrößen beziehen (zB Wetter, Immobilienindizes, Ergebnisse eines Sportereignisses etc.; vgl. näher unten Rz. 89)5. Weiterhin ist zu beachten, dass im Rahmen des Art. 15 ProspektVO für das Vorliegen eines derivativen Wertpapiers nicht zwingend eine Hebelwirkung erforderlich ist.

5

Die weite Auslegung des Begriffs des derivativen Wertpapiers steht auch im Einklang mit der Entstehungsgeschichte des Prospektrechts, wonach der Begriff des „derivativen Wertpapiers“ ein Synonym für den in der Prospektrichtlinie und der ProspektVO verwendeten Begriff „Optionsscheine jeglicher Art“ ist6 und dementsprechend auch die in Deutschland weit verbreiteten Zertifikate und Optionsscheine umfasst. Auch strukturierte Produkte, wie zB Credit Linked Notes, die eine Kombination zwischen einer Anleihe und einem derivativen Instrument bilden, fallen in den Anwendungsbereich des Anhang XII ProspektVO7. MaW, Anhang XII ProspektVO 1 Zum Begriff des Derivats nach der Neufassung infolge des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes siehe Fuchs in Fuchs, § 2 WpHG Rz. 39; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 2 WpHG Rz. 40 ff. 2 Vgl. dazu Beck in Schwark, § 2 WpHG Rz. 9 sowie Mülbert/Böhmer, WM 2006, 937 (940); auch die BaFin verweist in einem Merkblatt auf den Hebeleffekt als kennzeichnendes Kriterium für ein Derivat; BaFin, „Merkblatt – Hinweise zur Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 KWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und Abs. 1a KWG bei Geschäftstätigkeiten im Zusammenhang mit Emissionszertifikaten“ v. 21.4.2008, unter 2. 3 Vgl. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 2 WpHG Rz. 45 sowie Fülbier in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 218. 4 Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316 (317). 5 Vgl. auch Mülbert/Böhmer, WM 2006, 937 (940 f.). 6 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (211 f.). 7 Vgl. zum Begriff „Credit Linked Notes“ Beck in Schwark, § 2 WpHG Rz. 19; Zahn/Lemke, WM 2002, 1536 (1536).

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ist auf solche Wertpapiere anzuwenden, die keine Aktien oder Schuldtitel, bei denen die Rückzahlung zu 100 % garantiert ist, darstellen und dient daher auch als einschlägiges Schema für neu entwickelte Finanzinstrumente. Festgehalten werden kann zudem, dass der Begriff des derivativen Wertpapiers jedenfalls – soweit die Wertpapiere unter deutschem Recht begeben werden – nur Inhaberschuldverschreibungen iS des § 793 BGB umfasst und es sich bei denen derivativen Wertpapieren um Nichtdividendenwerte iS des § 2 Nr. 3 WpPG handelt (zur Abgrenzung von Dividendenwerten siehe unten Rz. 12 ff.)1.

6

2. Abgrenzung zu anderen Anhängen der ProspektVO a) Anhang XII als Auffangtatbestand (Art. 15 Abs. 2 ProspektVO) Art. 15 Abs. 2 ProspektVO stellt klar, dass das Schema für die Fälle gilt, die 7 nicht in den Anwendungsbereich der in den Art. 6 ProspektVO (dazu unten Rz. 12 ff.), Art. 8 ProspektVO (dazu unten Rz. 16 ff.) und Art. 16 ProspektVO (dazu unten Rz. 19) genannten anderen Schemata fallen, einschließlich solcher, bei denen die Zahlungs- und Lieferbedingungen an einen Basiswert gebunden sind. Demnach dient Anhang XII ProspektVO als Auffangtatbestand für die Fälle, die nicht bereits von anderen Schemata für die Wertpapierbeschreibung erfasst werden. Eine entsprechende Klarstellung findet sich auch in Erwägungsgrund 18 8 ProspektVO, wonach das das Schema „Wertpapierbeschreibung für derivative Wertpapiere“ auf solche Titel Anwendung finden soll, die nicht von anderen Schemata und Modulen abgedeckt sind. Auch CESR vertrat im Zuge der Erarbeitung der Durchführungsbestimmungen zur Prospektrichtlinie die Ansicht, dass Anhang XII ProspektVO eine sog. „everything else box“ ist und entsprechend zur Anwendung kommt, wenn weder das Schema der Wertpapierbeschreibung für Aktien (Anhang III ProspektVO), das Schema für Schuldtitel (Anhang V ProspektVO bzw. Anhang XIII ProspektVO) noch ein sonstiges spezielles Offenlegungserfordernis Anwendung findet2.

9

Die Bedeutung von Anhang XII ProspektVO als Auffangtatbestand kommt vor allem in den Fällen zum Tragen, in denen ein Rückzahlungsanspruch zu 100 % des Nominalwerts (vgl. Art. 8 Abs. 2 ProspektVO und Art. 16 Abs. 2 ProspektVO) nicht besteht. Anhang XII ProspektVO gilt nicht nur in den Fällen, in denen die Ermittlung des Rückzahlungsbetrags bzw. die Er-

10

1 Zu dem Verhältnis der unterschiedlichen Begriffe näher Seitz, AG 2005, 678 (679 ff.). 2 CESR 03-162, Draft – CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive, Rz. 67; vgl. dazu auch ausführlich Zeising in Just/ Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 1.

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mittlung eines Zinsbetrags von der Entwicklung eines Basiswerts abhängt. Vielmehr ist der Begriff weiter zu verstehen und erfasst auch Fälle, bei denen zB eine feste Verzinsung vorgesehen ist und Anhang V ProspektVO nur deshalb nicht anwendbar ist, weil die Rückzahlung nicht zu 100 % des Nominalwerts erfolgt (vgl. dazu auch unten Rz. 16)1. 11

Für die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Schemata für die Wertpapierbeschreibung in der Praxis ist zu beachten, dass im häufigsten Anwendungsfall, nämlich der Emission von derivativen Wertpapieren über Basisprospekte (vgl. dazu auch § 6 WpPG Rz. 19), häufig mehrere potentiell einschlägige Anhänge der ProspektVO bereits auf Ebene des Basisprospekts zu erfüllen sind (siehe dazu auch unten Rz. 22). Es ist zB denkbar, dass im Rahmen eines Basisprospekts sowohl Produkte emittiert werden sollen, deren Rückzahlung zu 100 % des Nominalwerts sichergestellt ist, als auch solche, bei denen die Rückzahlung auch weniger als 100 % des Nominalwerts betragen kann. In diesem Fall ist grundsätzlich eine Querverweisliste sowohl für Anhang V ProspektVO als auch für Anhang XII ProspektVO erforderlich2. Dabei ist zu beachten, dass der Basisprospekt zusammen mit den jeweiligen endgültigen Bedingungen sämtliche Mindestangaben enthalten muss, die von dem für das konkrete Produkt maßgeblichen Anhang gefordert werden (siehe dazu § 6 WpPG Rz. 40 ff.). In diesem Zusammenhang ist bei der Erstellung des Basisprospekts darauf zu achten, dass hinsichtlich derjenigen Mindestangaben, die erst auf Basis der endgültigen Bedingungen ausgefüllt werden, der Basisprospekt aussagekräftige Regieanweisungen für das Ausfüllen der endgültigen Bedingungen enthält. b) Abgrenzung zu Anhang III ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Aktien)

12

Anhang III ProspektVO ist gemäß Art. 6 Abs. 2 ProspektVO in dem Fall anwendbar, dass es sich bei den zu begebenden Wertpapieren um Aktien oder andere übertragbare, Aktien gleichzustellende Wertpapiere handelt. Erfasst von Anhang III ProspektVO sind demnach Dividendenwerte iS des § 2 Nr. 2 WpPG. Anhang XII ProspektVO kommt dagegen dann zur Anwendung, wenn es sich bei den zu begebenden Wertpapieren um Schuldtitel, dh. um Nichtdividendenwerte iS des § 2 Nr. 3 WpPG, handelt.

13

In den Anwendungsbereich des Anhang III ProspektVO fallen auch Wandelschuldverschreibungen (sog. convertible bonds), dh. Schuldverschreibungen, die dem Gläubiger das Recht einräumen, entweder den Rückzahlungsanspruch aus der Schuldverschreibung geltend zu machen oder das Recht auf Wandlung der Schuldverschreibung in Aktien des Emittenten auszu-

1 Siehe dazu auch Seitz, AG 2005, 678 (687). 2 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (214) fordern, dass dem Anleger in diesem Fall eine Wahlmöglichkeit zwischen Anhang V ProspektVO und Anhang XII ProspektVO eingeräumt werden sollte.

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üben (siehe dazu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 1)1. Ebenso ist Anhang III ProspektVO im Fall von Optionsanleihen einschlägig2. Umtauschanleihen (sog. exchangeable bonds) sind dagegen Wertpapiere, die einen Anspruch auf Zinszahlung, auf Rückzahlung der Anleihe bzw. auf Umtausch der Urkunde in Aktien einer Gesellschaft, die nicht mit dem Emittenten identisch ist, verbriefen3. Da der Anleger im Fall von Umtauschanleihen keine Aktien des Emittenten erhält, sind Umtauschanleihen nicht als eigenkapitalähnliche Wertpapiere einzustufen (vgl. dazu auch Art. 4 Abs. 2 ProspektVO), weshalb Umtauschanleihen grundsätzlich dem Anwendungsbereich von Anhang XII ProspektVO bzw. Anhang V ProspektVO unterfallen (zur Abgrenzung zwischen Anhang XII ProspektVO und Anhang V ProspektVO siehe unten Rz. 16)4.

14

Bei Genussscheinen ist für die Frage, nach welchem Anhang sie zu beurteilen sind, danach zu unterscheiden, ob sie eigenkapitalähnlichen oder fremdkapitalähnlichen Charakter aufweisen (siehe dazu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 1). Während im ersten Fall Anhang III ProspektVO anzuwenden ist, ist im Fall einer schuldverschreibungsähnlichen Strukturierung entweder Anhang V ProspektVO bzw. Anhang XIII ProspektVO oder Anhang XII ProspektVO einschlägig, je nach dem ob die Rückzahlung zu 100 % des Nominalwerts erfolgt (siehe dazu unten Rz. 18).

15

c) Abgrenzung zu Anhang V ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro) Anhang V ProspektVO ist gemäß Art. 8 Abs. 2 ProspektVO nur in den Fällen anwendbar, in denen der Anspruch auf Rückzahlung von 100 % des Nominalwerts entsprechend den Emissionsbedingungen während der gesamten Laufzeit der Wertpapiere gesichert ist (siehe dazu auch Anhang V EUProspektVO Rz. 8 und oben Rz. 10). Sofern nach den Emissionsbedingungen nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Anspruch auf Rückzahlung von 100 % des Nominalwerts – wenn auch nur zeitweise – unterschritten wird (zB im Fall einer außerordentlichen Kündigungsmöglichkeit des Emittenten mit einer potentiellen Rückzahlung unter dem Nominalwert), kann der Pro-

1 Schlitt/Hemeling in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 10 Rz. 2; Müller-Eising in Eilers/Rödding/Schmalenbach, D Rz. 67; siehe dazu auch CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 28, wonach es nicht darauf ankommt, ob das Wandelrecht ausschließlich im Ermessen des Anlegers liegt. 2 Müller-Eising in Eilers/Rödding/Schmalenbach, D Rz. 69; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (505). 3 Schlitt/Kammerlohr in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 11 Rz. 1. 4 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (506); Seitz, AG 2005, 678 (680).

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spekt nicht nach Anhang V ProspektVO erstellt werden, so dass in einem solchen Fall grundsätzlich Anhang XII ProspektVO Anwendung findet1. 17

Im Fall von Umtauschanleihen (siehe bereits oben Rz. 14) kommt Anhang V ProspektVO zur Anwendung, sofern nach den Wertpapierbedingungen sichergestellt ist, dass die zu liefernden Aktien mindestens einen dem Nominalwert entsprechenden Wert aufweisen2. Umgekehrt heißt dies: Soweit aufgrund der Ausgestaltung der Anleihebedingungen nicht sichergestellt ist, dass die Aktien bei Lieferung einen dem Nominalwert der Anleihe entsprechenden Wert haben und insoweit auch kein Barausgleich vorgesehen ist, findet Anhang XII ProspektVO Anwendung. Selbst wenn man zur Anwendbarkeit von Anhang V ProspektVO kommt, ist entsprechend Anhang XVIII ProspektVO zu beachten, dass hinsichtlich der Beschreibung der unterlegten Aktien die in Ziffer 4.2.2 des Anhangs XII ProspektVO vorgesehen Angaben aufzunehmen sind3.

18

Im Fall von Genussscheinen, die schuldverschreibungsähnlich strukturiert sind (siehe bereits oben Rz. 15), ist Anhang V ProspektVO dann anwendbar, wenn die Rückzahlung zu mindestens 100 % des Nominalwerts erfolgt. d) Abgrenzung zu Anhang XIII ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro)

19

Anhang XIII ProspektVO kommt für Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro zur Anwendung. Neben den geringeren Anforderungen bezüglich des Prospektinhalts besteht die wesentliche Erleichterung darin, dass keine Zusammenfassung für den Prospekt zu erstellen ist (vgl. Anhang XIII EU-ProspektVO Rz. 8). Für die Abgrenzung zu Anhang XII ProspektVO gelten die gleichen Grundsätze wie für die Abgrenzung zwischen Anhang XII ProspektVO und Anhang V ProspektVO: Da Anhang XIII ProspektVO gemäß Art. 16 Abs. 2 ProspektVO – wie auch Anhang V ProspektVO – nur auf Schuldtitel Anwendung findet, wenn der Anspruch auf Rückzahlung von 100 % des Nominalwerts entsprechend den Emissionsbedingungen während der gesamten Laufzeit der Wertpapiere gesichert ist, findet Anhang XII ProspektVO als Auffangtatbestand dann Anwendung, wenn eine entsprechende Sicherung des Rückzahlungsbetrags nicht besteht (zu Erleichterungen in diesem Fall im Hinblick auf Ziffer 4.1.2 Anhang XII ProspektVO siehe unten Rz. 19).

1 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 4. 2 In diesem Sinne wohl auch Schlitt/Kammerlohr in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 11 Rz. 61. 3 Schlitt/Kammerlohr in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 11 Rz. 61.

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e) Rangfolge der Schemata für Wertpapierbeschreibungen, zusätzliche Informationen und Kombinationsmöglichkeiten Die ProspektVO enthält keine Regelung zum Stufenverhältnis der verschie- 20 denen Schemata für Wertpapierbeschreibungen, wie dies für die Schemata für Registrierungsformulare in Art. 21 ProspektVO vorgesehen ist1. Entsprechend hat ein Emittent keine Wahlmöglichkeit, welches Schema er anwenden möchte. Bei Schuldverschreibungen kommt daher entweder Anhang XII ProspektVO oder Anhang V ProspektVO bzw. Anhang XIII ProspektVO in Betracht. Allerdings hat ein Emittent entsprechend Erwägungsgrund 5 ProspektVO 21 die Möglichkeit, Informationen, die über die in den Schemata genannten Informationsbestandteile hinausgehen, in den Prospekt aufzunehmen, sofern die zusätzlichen Informationen dem Wertpapier bzw. der Art des betreffenden Emittenten angemessen sind. Dementsprechend kann zB ein Emittent, der seine Wertpapierbeschreibung grundsätzlich nach Anhang XIII ProspektVO erstellt, Informationen aufnehmen, die zwar nicht nach Anhang XIII ProspektVO erforderlich sind, die aber zu den Mindestangaben nach Anhang V ProspektVO oder Anhang XII ProspektVO gehören (siehe dazu Anhang XIII EU-ProspektVO Rz. 8). In der Praxis kann es für eine bestimmte Struktur erforderlich sein, dass mehrere Anhänge heranzuziehen sind. Für solche Fälle sieht Art. 21 Abs. 1 ProspektVO iVm. Anhang XVIII ProspektVO verschiedene Kombinationsmöglichkeiten für die maßgeblichen Anhänge vor, wobei nach Art. 21 Abs. 1 Satz 2 ProspektVO für Wertpapiere, auf welche die in Anhang XVIII ProspektVO vorgesehenen Kombinationsmöglichkeiten nicht zutreffen, weitere Kombinationsmöglichkeiten verwendet werden können (siehe dazu für den Fall von Umtauschanleihen oben Rz. 14).

II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) 1. Verantwortliche Personen 1.1. Alle Personen, die für die im Prospekt gemachten Angaben bzw. für bestimmte Abschnitte des Prospekts verantwortlich sind. Im letzteren Fall sind die entsprechenden Abschnitte aufzunehmen. Im Falle von natürlichen Personen, zu denen auch Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane des Emittenten gehören, sind der Name und die Funktion dieser Person zu nennen. Bei juristischen Personen sind Name und eingetragener Sitz der Gesellschaft anzugeben. 1.2. Erklärung der für den Prospekt verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die im Prospekt genannten Angaben ihres Wissens nach richtig sind und

1 Seitz, AG 2005, 678 (680).

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keine Tatsachen ausgelassen worden sind, die die Aussage des Prospekts wahrscheinlich verändern. Ggf. Erklärung der für bestimmte Abschnitte des Prospekts verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die in dem Teil des Prospekts genannten Angaben, für die sie verantwortlich sind, ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen ausgelassen worden sind, die die Aussage des Prospekts wahrscheinlich verändern. 23

Siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 2 ff. und Anhang V EU-ProspektVO Rz. 14 ff.

III. Risikofaktoren (Ziffer 2) 2.

Risikofaktoren Klare Offenlegung der Risikofaktoren, die für die Beurteilung der mit den Wertpapieren, die angeboten und/oder zum Handel zugelassen werden sollen, verbundenen Marktrisiken wesentlich sind (im Abschnitt „Risikofaktoren“). Es ist ein Risikohinweis für den Fall aufzunehmen, dass der Anleger den Wert seiner Anlage insgesamt oder teilweise verlieren könnte und/oder ein entsprechender Hinweis, wenn die Haftung des Anlegers nicht an den Wert der Anlage gebunden ist, in der die Umstände beschrieben werden, in denen es zu einer zusätzlichen Haftung kommen kann und welche voraussichtlichen finanziellen Folgen eintreten können.

1. Bedeutung und grundsätzliche Aufbaufragen 24

Nach Ziffer 2 Anhang XII ProspektVO muss ein Prospekt eine klare Offenlegung der Risikofaktoren enthalten, die für die Beurteilung der mit den Wertpapieren verbundenen Marktrisiken wesentlich sind.

25

Ziffer 2 Satz 1 spricht insoweit von einer „klaren Offenlegung“ der Risikofaktoren, wohingegen entsprechend dem Wortlaut anderer Anhängen der ProspektVO zB eine „vorrangige Offenlegung“ (Anhang XI ProspektVO) oder eine „hervorgehobene Offenlegung“ (Anhang IV ProspektVO) verlangt wird. Ein unterschiedlicher Beurteilungsmaßstab für die Offenlegung kann aus diesen voneinander abweichenden Wortlauten allerdings nicht abgeleitet werden, da die englische Fassung der entsprechenden Abschnitte einheitlich von „prominent disclosure of risk factors“ spricht, so dass insoweit lediglich eine Inkonsistenz bei der deutschen Übersetzung vorliegt.

26

Die Beschränkung auf „Risikofaktoren“ ist eng auszulegen. Dementsprechend dürfen Chancen, welche die Risiken mindern oder die den Risiken gegenüberstehen, in den Risikofaktoren nicht genannt werden, da sie die Bedeutung der dargestellten Risiken relativieren könnten1. Beispielsweise 1 Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, Rz. 454; Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (212).

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ist es bei Produkten, bei denen ein Währungsrisiko besteht, nicht statthaft, in den Risikofaktoren Ausführungen dazu zu machen, dass das Währungsrisiko für den Anleger gegebenenfalls auch positive Auswirkungen aufweisen kann. Weiterhin ist es nicht möglich, den die Risikofaktoren darstellenden Abschnitt mit einer anderslautenden Überschrift als „Risikofaktoren“ zu betiteln (vgl. auch Erwägungsgrund 15 ProspektVO bzw. Art. 2 Nr. 3, Art. 25 Abs. 1 Nr. 3 und Art. 26 Abs. 1 Nr. 3 ProspektVO)1.

27

Der Abschnitt „Risikofaktoren“ muss nach der ständigen Verwaltungspraxis der BaFin in sich geschlossen sein, dh. muss aus sich heraus verständlich sein (vgl. auch unten Rz. 29)2. Verweise auf andere Teile des Prospekts sind dementsprechend grundsätzlich nicht zulässig. Möglich ist es aber, innerhalb der Risikofaktoren auf einzelne Unterabschnitte zu verweisen. Weiterhin wird es von der BaFin akzeptiert, wenn erst auf Ebene der endgültigen Bedingungen emissionsspezifische Risikofaktoren ergänzt werden, zB im Fall von Risikofaktoren in Zusammenhang mit einer besonderen Auszahlungsstruktur (zB besondere Korrelationsrisiken bei einem Basiswertekorb oder besondere Risiken im Hinblick auf eine besondere Art und Weise der Barrierenbeobachtung) oder mit einem bestimmten Basiswert (zB in Zusammenhang mit einer bestimmten Währung oder einem bestimmten Index; siehe zu den Besonderheiten bei Basisprospekten näher unten Rz. 32). Schließlich ist es auch zulässig, aus anderen Abschnitten des Prospekts auf den Abschnitt „Risikofaktoren“ zu verweisen oder bestimmte Absätze aus den Risikofaktoren in anderen Abschnitten des Prospekts nochmals aufzunehmen (siehe dazu auch unten Rz. 88).

28

In der Praxis ist es üblich, innerhalb der Risikofaktoren zwischen emittentenbezogenen und wertpapierbezogenen Risikofaktoren zu differenzieren (zum Aufbau vgl. auch unten Rz. 37 ff.). Damit wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass die entsprechenden Angaben auf unterschiedliche Schemata zurückzuführen sind. In der Praxis ergeben sich Überschneidungen zwischen den beiden Risikofaktoren. Hier ist möglichst sauber zu differenzieren: So gehört ein Kapitalschutz aufgrund einer Mindestrückzahlung zu den wertpapierbezogenen Risikofaktoren, während der Hinweis auf eine fehlende Einlagensicherung zu den emittentenspezifischen Risiken gehört. Es kann offenbleiben, ob eine entsprechende Differenzierung zwingend ist. Die BaFin prüft jedenfalls gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 WpPG die Verständlichkeit der Darstellung der Risikofaktoren besonders sorgfältig.

29

Im Hinblick auf die vermehrt auftretenden Klagen von Käufern von struktu- 30 rierten Produkten ist auch zu beachten, dass der klaren und verständlichen Darstellung von Risikofaktoren in dem Prospekt eine besondere Bedeutung zukommt. Auch wenn die Klagen primär in Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und der fehlenden Aufklärung ent1 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 12. 2 Vgl. auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 14.

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sprechend den Anforderungen des WpHG stehen, kann der Prospekt dennoch helfen das Haftungsrisiko zu verringern, soweit er in Zusammenhang mit der Wertpapierdienstleistung von dem jeweiligen Wertpapierdienstleister gegenüber seinem Kunden ausgehändigt wurde (vgl. auch § 5 Abs. 2 Nr. 3 WpDVerOV). 2. Umfang der darzustellenden Risiken (Ziffer 2 Satz 1) 31

In dem Abschnitt „Risikofaktoren“ sind nicht sämtliche Risikofaktoren, sondern nur die wesentlichen Risiken für das Produkt darzustellen (vgl. auch Art. 2 Nr. 3 ProspektVO). Die Frage, ob ein Risikofaktor als wesentlich anzusehen ist, ist dabei weder in der ProspektVO noch der Prospektrichtlinie oder dem WpPG näher definiert. Auch von Seiten der BaFin gibt es keine Informationen dazu, welche Risikofaktoren für ein konkretes Produkt als wesentlich anzusehen sind. Entsprechend liegt es im Ermessen des Prospektverantwortlichen zu beurteilen, welche Risiken bei dem konkreten Produkt als wesentlich anzusehen sind. Als Orientierungshilfe für die Entscheidung, ob ein Risikofaktor als wesentlich einzuordnen ist, kann § 5 Abs. 1 Satz 1 WpPG herangezogen werden. Nach dieser Vorschrift muss ein Prospekt – und dementsprechend auch die Risikofaktoren – in leicht analysierbarer Form sämtliche Angaben enthalten, die im Hinblick auf den Emittenten und die öffentlich angebotenen oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Wertpapiere notwendig sind, um dem Publikum ua. ein zutreffendes Urteil über die mit den Wertpapieren verbundenen Rechte zu ermöglichen, wobei insoweit – ähnlich wie im Rahmen des § 16 WpPG – auf einen verständigen Anleger abzustellen ist (zu der Relevanz eines Umstandes für die Beurteilung der Wertpapiere siehe auch § 16 WpPG Rz. 35 ff.). Entsprechend dieser Norm und vor dem Hintergrund der §§ 44 BörsG und 13 VerkProspG und deren Haftungsfolgen ist die Frage der Wesentlichkeit eher weit zu beurteilen (siehe dazu auch § 13 VerkPropG Rz. 37 ff.), dh. ein Risikofaktor ist im Zweifel aufzunehmen. Da die Risikofaktoren eine wesentliche Angabe zur Beurteilung der Wertpapiere darstellen, bestünde andernfalls die Gefahr, dass die Risikofaktoren als unvollständig angesehen werden könnten1.

32

Im Fall von Basisprospekten besteht die Besonderheit, dass in dem Fall, dass unter dem Basisprospekt eine Vielzahl verschiedener Wertpapierarten emittiert werden sollen, bei Erstellung des Basisprospekt häufig noch nicht absehbar ist, welche Produkte konkret während der Gültigkeitsdauer des Basisprospekts begeben werden sollen, und dementsprechend eine abschließende Darstellung der Risikofaktoren im Rahmen des Basisprospekts nicht möglich ist. In der Praxis wird dieses Problem in der Regel dadurch gelöst, dass in dem Basisprospekt typische Risikofaktoren abgebildet werden, die bei Zertifikaten, Optionsscheinen oder Anleihen bestehen, und dass darüber 1 Vgl. auch Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, §§ 44 BörsG, 13 VerkPropG Rz. 27 ff.

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hinaus in den Basisprospekt eine Öffnungsklausel aufgenommen wird, über die im Rahmen der endgültigen Bedingungen noch weitere, auf das konkrete Produkt zugeschnittene Risikofaktoren aufgenommen werden können (siehe bereits oben Rz. 28)1. Ob die Aufnahme neuer Risikofaktoren im Rahmen der endgültigen Bedingungen zulässig ist, ist nicht unumstritten. Hintergrund für den Streit ist, dass lediglich der Basisprospekt, nicht aber die endgültigen Bedingungen Gegenstand einer Prüfung durch die BaFin ist. Nach der Verwaltungspraxis der BaFin ist die nachträgliche Aufnahme von Risikofaktoren aber zulässig, solange es sich um emissionsspezifische, die bereits im Basisprospekt enthaltenen Risikofaktoren ergänzende Umstände handelt (siehe dazu § 6 WpPG Rz. 51)2. Bei der Erstellung eines Basisprospekts unter dem eine Vielzahl verschiedener Produkte begeben werden sollen, ist bei der Gestaltung der im Basisprospekt enthaltenen Risikofaktoren empfehlenswert, dass mittels Regieanweisungen klargestellt wird, in welchen Fällen diese Anwendung finden (vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 20 der Prospektrichtlinie). Gerade bei umfangreichen Basisprospekten kann es darüber hinaus empfehlenswert sein, in den endgültigen Bedingungen die für das jeweilige Produkt maßgeblichen Risikofaktoren in den endgültigen Bedingungen aufzunehmen und insoweit nicht nur auf den Basisprospekt zu verweisen. Dadurch ist gewährleistet, dass einem Anleger alle für ihn maßgeblichen Risikofaktoren in einem Dokument konsolidiert zur Verfügung stehen. 3. Ausdrücklicher Hinweis auf Verlustrisiko (Ziffer 2 Satz 2 Halbsatz 1) Im Unterschied zu Anhang V ProspektVO fallen unter Anhang XII ProspektVO Wertpapiere, bei denen der Rückzahlungsbetrag nicht 100 % des Nominalwertes entspricht (siehe oben Rz. 10). Dementsprechend weist Anhang XII ProspektVO die Besonderheit auf, dass das Risiko eines Kapitalverlusts maßgebliches Kennzeichen der Wertpapiere ist. Entsprechend muss der Prospekt einen Risikohinweis dazu enthalten, dass der Anleger den Wert seiner Anlage insgesamt oder teilweise verlieren kann. In der Praxis erfolgt der Hinweis auf ein etwaiges Totalverlustrisiko dadurch, dass das Totalverlustrisiko an prominenter Stelle, zB zu Beginn des Abschnitts, oder durch Fettdruck hervorgehoben wird3.

33

In der Praxis ist bezüglich der Formulierung des „Totalverlustrisiko“ aller- 34 dings zu differenzieren. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob ein Totalverlust dann eintritt, wenn die Rückzahlung eines Discount Zertifikats Null beträgt, wenn der dem Discount Zertifikat zugrundeliegende Aktienindex auf Null sinkt, oder ob ein Totalverlust dann eintritt, wenn ein Optionsschein auf eine einzelne Aktie am Laufzeitende wertlos verfällt, weil der Basiskurs unterschritten wurde. Während der Anleger im ersten Fall das

1 Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (14). 2 Siehe dazu auch Kullmann/Metzger, WM 2008, 1292 (1296 f.). 3 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 19.

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übliche, mit einem Investment in den Basiswert verbundene Kursverlustrisiko trägt, kann im zweiten Fall – je nach der Höhe des Basiskurses – aufgrund der Struktur des derivativen Wertpapiers das Totalverlustrisiko weitaus wahrscheinlicher sein. Um dem Rechnung zu tragen, ist es hilfreich, nicht nur pauschal auf das Totalverlustrisiko zu verweisen, sondern die maßgeblichen Umstände hinzuzufügen. 35

Ein potentielles Verlustrisiko kann auch mit einem darlehensfinanzierten Investment in die derivativen Wertpapiere oder aufgrund von entsprechenden Transaktionskosten verbunden sein (dazu Anhang V EU-ProspektVO Rz. 21). 4. Ausdrücklicher Haftungshinweis (Ziffer 2 Satz 2 Halbsatz 2)

36

Abweichend von Anhang V ProspektVO und Anhang III ProspektVO ist in einem Prospekt nach Ziffer 2 Satz 2 Halbsatz 2 Anhang XII ProspektVO gegebenenfalls ein Hinweis aufzunehmen, wenn die Haftung des Anlegers nicht an den Wert der Anlage gebunden ist, in der die Umstände beschrieben werden, in denen es zu einer zusätzlichen Haftung kommen kann und welche voraussichtlichen finanziellen Folgen eintreten können. Mit der „Haftung des Anlegers“ ist vor allem eine etwaige Nachschusspflicht des Anlegers gemeint1. Eine solche besteht bei Wertpapieren nach Anhang XII ProspektVO grundsätzlich nicht (anders gegebenenfalls bei Genussscheinen; vgl. dazu bereits oben Rz. 15)2. 5. Praktische Fragen bei der Darstellung von Risikofaktoren

37

Der Wortlaut des Anhang XII ProspektVO schreibt keine Rangfolge hinsichtlich der Darstellung der Risikofaktoren vor. Dementsprechend ist es nicht erforderlich, dass die Risikofaktoren nach Folgenschwere oder Eintrittswahrscheinlichkeit abgebildet werden. In der Praxis erfolgt in der Regel zu Beginn der Risikofaktoren eine entsprechende Klarstellung.

38

Wie bereits oben dargestellt, sollten die Risikofaktoren klar strukturiert werden. Um die Übersichtlichkeit zu erhöhen, bietet es sich an, im Abschnitt „Risikofaktoren“ themenbezogene Unterabschnitte zu bilden. Es ist in der Praxis üblich zwischen folgenden Unterabschnitten von wertpapierbezogenen Risikofaktoren zu unterscheiden; a) produktbezogene Risikofaktoren (dazu unten Rz. 39 ff.), b) basiswertbezogene Risikofaktoren (dazu unten Rz. 48 ff.), c) produktübergreifende Risikofaktoren (dazu unten Rz. 53 ff.) und d) Risikofaktoren im Hinblick auf Interessenkonflikte (dazu unten Rz. 61 ff.) (zur Abgrenzung zwischen emittenten- und wertpapierbezogenen Risikofaktoren siehe bereits oben Rz. 29).

1 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 22. 2 Zu Genussscheinen siehe auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 22.

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a) Produktbezogene Risikofaktoren In den produktbezogenen Risikofaktoren werden die dem jeweiligen Pro- 39 dukt innewohnenden Risikofaktoren, die sich aus der konkreten Strukturierung des Produkts ergeben, beschrieben. Dabei ist es auch möglich, eine Produktbeschreibung, gegebenenfalls auch unter Angabe des Rückzahlungsprofils, aufzunehmen, wenn dadurch die dem Produkt zugrundeliegenden Risiken besser verdeutlicht werden können. Insbesondere zu den nachfolgenden Punkten kann der Unterabschnitt „produktbezogenen Risikofaktoren“ bei derivativen Wertpapieren Aussagen enthalten:

40

– Der Prospekt kann Risiken in Zusammenhang mit einer variablen Ver- 41 zinsung enthalten, insbesondere Angaben dazu, dass die Höhe des variablen Zinssatzes von der Wertentwicklung eines Referenzzinssatzes (zB EURIBOR) oder eines sonstigen Basiswerts abhängt und dementsprechend der Zinsbetrag im Fall einer für den Anleger ungünstigen Entwicklung des Referenzzinssatzes bzw. Basiswerts gegebenenfalls auch null betragen kann. – Insbesondere im Fall von Aktien als Basiswert sind Risiken in Zusam- 42 menhang mit der fehlenden Partizipation an Erträgen des Basiswerts darzustellen, beispielsweise dass kein Anspruch auf Erhalt der Dividende der zugrundeliegenden Aktie besteht; bei sonstigen Basiswerten kann gegebenenfalls ein Hinweis darauf aufgenommen werden, dass die derivativen Wertpapiere, abgesehen von etwaigen Zinszahlen, keine sonstigen Ausschüttungen gewähren. Im Fall von auf Indizes bezogenen Wertpapieren kann in diesem Zusammenhang darauf eingegangen werden, ob es sich bei dem Index um einen Kursindex (zB EURO STOXX 50) handelt, bei dem der Indexstand insbesondere durch die Kurse der im Index enthaltenen Aktien bestimmt wird, wobei Dividendenzahlungen und Kapitalveränderungen bei der Berechnung des Indexstands nicht berücksichtigt werden, oder ob es sich um einen Performanceindex (zB DAX) handelt, bei dem Bardividenden und sonstige Einnahmen aus dem Besitz der Aktien wieder in die Aktien des Index reinvestiert werden. – Sofern die Wertpapiere mit einem Höchstrückzahlungsbetrag ausgestattet sind, sind Risiken aufgrund dieses Höchstrückzahlungsbetrags in den Prospekt aufzunehmen, dh. Angaben dazu, dass der Rückzahlungsbetrag maximal dem festgelegten Höchstrückzahlungsbetrag (Cap) entspricht und der Anleger nicht an einer ggf. über diesen Höchstrückzahlungsbetrag hinausgehenden Entwicklung des Basiswerts teilnimmt.

43

– Bei Optionsscheinen ist in der Regel das Risiko aufgrund des Hebeleffekts 44 darzustellen, dh. der Prospekt sollte Angaben dazu enthalten, dass sich eine Änderung des Basiswerts überproportional auf den Wert des Wertpapiers auswirkt, wobei im Einzelfall gegebenenfalls danach zu differen-

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zieren ist, ob sich der Hebel in Abhängigkeit von Laufzeit oder Kurs des Basiswerts verändert oder der Hebel konstant ist. 45

– Im Fall von Wertpapieren, bei denen der Basiswert in einer anderen Währung als die Wertpapiere gehandelt wird und keine Quanto-Struktur vorliegt, dh. die Umrechnung nicht 1:1 erfolgt (zB 1 USD entspricht 1 Euro), sind Angaben zu dem mit den Wertpapieren verbundenen Währungsrisiken aufzunehmen. Es ist insbesondere darzustellen, dass das Verlustrisiko des Anlegers nicht allein von der Entwicklung des Basiswerts, sondern darüber hinaus auch von der Entwicklung des Wechselkurses zwischen der Währung des Basiswerts und der Währung, in der die Wertpapiere notieren, abhängt.

46

– Bei Produkten mit Barrierenbeobachtung ist grundsätzlich das Volatilitätsrisiko näher zu erläutern1. Unter dem Begriff „Volatilität“ versteht man die Schwankungsbreite bzw. Kursbeweglichkeit eines Basiswerts. Je höher die Volatilität eines Basiswerts ist, desto höher ist für den Anleger das Risiko, dass die Kursschwelle unter- bzw. überschritten oder gegebenenfalls erreicht wird.

47

– Im Fall von Credit Linked Notes ist im Rahmen der Risikofaktoren auch die rechtliche und wirtschaftliche Situation darzustellen, die den Credit Linked Notes zu Grunde liegt. Zudem können gegebenenfalls auch Informationen zu den maßgeblichen Swapverträgen oder dem jeweiligen Referenzaktivum aufgenommen werden (siehe dazu auch unten Rz. 89)2. b) Basiswertbezogene Risikofaktoren

48

Die Abhängigkeit von einem Basiswert stellt ein Wesensmerkmal von derivativen Wertpapieren ab. Über die reine Abhängigkeit von einem Basiswert hinausgehend können zB die nachfolgenden Punkte spezifische basiswertbezogene Risikofaktoren auslösen:

49

– Im Fall von Indizes als Basiswert ist in der Regel darzustellen, dass der Wert des Index und damit der Wert des Wertpapiers von der Entwicklung der im Index enthaltenen Indexbestandteile abhängig ist.

50

– Bei Aktien als Basiswert ist klarzustellen, dass sich die Entwicklung der Aktie an verschiedenen gesamtwirtschaftlichen und unternehmensspezifischen Faktoren orientiert.

51

– Wenn sich ein Produkt auf Rohstoffe bezieht, sind insbesondere Ausführungen zu politischen Risiken, zu Wetter und Naturkatastrophen sowie zu den mit den Rohstoffen verbundenen Investitionskosten, dh. Kosten für Lagerung, Versicherung oder Steuern, in den Prospekt aufzunehmen.

1 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 25. 2 Instruktiv zu Prospektanforderungen bei Credit Linked Notes Zahn/Lemke, WM 2002, 1536 (1543 f.).

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– Im Fall von Wertpapieren, die sich auf einen Basiswertkorb beziehen, sind 52 in der Regel Ausführungen zum Korrelationsrisiko der Korbbestandteile aufzunehmen. Unter der Korrelation der Korbbestandteile ist der Grad der Abhängigkeit der Wertentwicklungen der Korbbestandteile voneinander zu verstehen, wobei eine hohe positive Korrelation bedeutet, dass die Wertentwicklungen der Korbbestandteile gleichgerichtet ist, wohingegen bei einer negativen Korrelation die Wertentwicklung der Korbbestandteile entgegengesetzt ist. Insbesondere bei sogenannten „Worst-of Strukturen“, bei denen sich die Rückzahlungshöhe an der Entwicklung des schlechtesten Korbbestandteils im Verhältnis zu einer bestimmten Barriere orientiert, ist eine Zugehörigkeit der Korbbestandteile zu unterschiedlichen Branchen tendenziell negativ für den Anleger, da damit in der Regel eine negative Korrelation verbunden ist, was das Risiko eines für den Anleger negativen Barriereereignisses erhöht. c) Produktübergreifende Risikofaktoren Zu den produktübergreifenden Risikofaktoren zählen die Risikofaktoren, die grundsätzlich für alle derivativen Wertpapiere gelten, dh. die unabhängig von der konkreten Strukturierung und dem jeweiligen Basiswert sind. Typische produktübergreifende Risikofaktoren bei derivativen Wertpapieren sind die nachfolgenden Umstände:

53

– Gegebenenfalls können Risiken aufgrund der Preisbildung der Wertpapiere bestehen. Da sich die Preisbildung bei Schuldtiteln nicht aus Angebot und Nachfrage ergibt, sondern sich der Preis aus verschiedenen Faktoren, wie beispielsweise dem allgemeinen Zinsniveau, der Volatilität des Basiswerts, der Laufzeit der Wertpapiere, etwaigen Dividendenzahlungen im Basiswert, dem Credit Spread des Emittenten etc. zusammensetzt, sind eventuell Ausführungen in den Risikofaktoren dazu empfehlenswert, wie sich diese Faktoren auf die Preise im Sekundärmarkt auswirken (vgl. dazu auch zu Ziffer 4.1.2 unten Rz. 88).

54

– In den Prospekt sind regelmäßig Risken aufgrund des Einflusses von Ne- 55 benkosten (zB Gebühren und andere Transaktionskosten) aufzunehmen, da die Nebenkosten – insbesondere bei niedrigen Auftragswerten – zu Kostenbelastungen beim Anleger führen und die aus dem Wertpapier gegebenenfalls zu erwartenden Erträge vermindern können. – Für den Anleger besteht ein erhöhtes Verlustrisiko, falls er den Erwerb 56 der Wertpapiere über Kredit finanziert hat, da der Anleger in diesem Fall gegebenenfalls sowohl die Verluste hinsichtlich der Wertpapiere hinnehmen als auch weiterhin den Kredit verzinsen und zurückzahlen muss; auf dieses Risiko kann in dem Prospekt hingewiesen werden. – Es können sich Risiken aus einer Einschränkung der Handelbarkeit der Wertpapiere ergeben. In diesem Fall sollte in den Risikofaktoren darauf hingewiesen werden, dass ein Anleger nicht darauf vertrauen kann, dass

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er seine Wertpapiere jederzeit am Sekundärmarkt verkaufen kann (vgl. dazu auch zu Ziffer 6.1 unten Rz. 172). 58

– In Prospekten werden in der Regel auch Risiken, die sich aus Marktstörungen oder Anpassungsmaßnahmen ergeben können, dargestellt, beispielsweise, dass sich eine Anpassungsmaßnahme im nachhinein als für einen Anleger ungünstig herausstellen kann (vgl. dazu auch unten Rz. 136 ff. zu Ziffer 4.2.3 Anhang XII ProspektVO bzw. Rz. 140 f. zu Ziffer 4.2.4 Anhang XII ProspektVO).

59

– Im Fall, dass die Emissionsbedingungen ein außerordentliches oder ordentliches Kündigungsrecht des Emittenten vorsehen, sind die damit zusammenhängenden Risiken darzustellen; insbesondere das Wiederanlagerisiko des Anlegers ist darzustellen. Unter dem Wiederanlagerisiko versteht man das Risiko, dass der Anleger vorzeitig zurückerhaltene Mittel, beispielsweise im Fall einer Kündigung durch den Emittenten, nur zu verschlechterten Konditionen wieder anlegen kann.

60

– Regelmäßig enthalten Prospekte Ausführungen zu Steuerrisiken, die sich aus einer potentiellen Änderung der steuerlichen Behandlung der Wertpapiere ergeben können (vgl. dazu auch zu Ziffer 4.1.14 Anhang XII ProspektVO unten Rz. 123 ff.). d) Risiko von Interessenkonflikten

61

Mehr und mehr ist es üblich, in dem Abschnitt Risikofaktoren auch auf Risiken aus Interessenkonflikten einzugehen (vgl. dazu zu Ziffer 3.1 Anhang XII ProspektVO unten Rz. 68). Zuletzt hat es vermehrt Gerichtsurteile in Zusammenhang mit einer fehlenden Aufklärung über Interessenkonflikte in Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen gegeben1. Vor diesem Hintergrund ist es empfehlenswert, auf entsprechende Risiken aus der Sicht des Emittenten bzw. Prospektverantwortlichen in einem gesonderten Abschnitt einzugehen.

62

In der Praxis finden sich in Prospekten zu derivativen Wertpapieren zu Risiken infolge von Interessenkonflikten insbesondere die folgenden Aussagen:

63

– In den Prospekt sind gegebenenfalls Ausführungen dazu aufzunehmen, dass der Emittent oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen im Zuge seiner Geschäftstätigkeit Handel in dem Basiswert betreibt und gegebenenfalls für eigene oder fremde Rechnung an Transaktionen beteiligt sein kann, die mit den Wertpapieren in Verbindung stehen; dadurch soll dem Anleger erläutert werden, dass der Emittent oder das mit ihm verbundene Unternehmen nicht nur die Interessen des Anlegers, sondern gegebenenfalls auch eigene oder Interessen Dritter verfolgt, wodurch sich Interes-

1 Vgl. ua. BGH v. 19.12.2006 – XI ZR 56/06, BB 2007, 627 ff.; BGH v. 12.5.2009 – XI ZR 586/07, BKR 2009, 376; LG Hamburg v. 10.7.2009 – 329 O 44/09, WM 2009, 1511; OLG Hamburg v. 23.4.2010 – 13 U 117/09 und 13 U 118/09.

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senkonflikte im Hinblick auf die vom Anleger erworbenen Wertpapiere ergeben können. – Sofern ein Emittent oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen neben der Tätigkeit als Emittent noch verschiedene weitere Funktionen ausübt, beispielsweise als Berechnungsstelle oder Indexsponsor, können sich aus diesen unterschiedlichen Funktionen Interessenkonflikte ergeben, die in dem Prospekt darzustellen sind.

64

– Wenn ein Emittent Absicherungsgeschäfte im eigenen Interesse durchführt, die gegebenenfalls den Preis des Wertpapiers negativ beeinflussen können, oder wenn der Emittent Geschäfte im Basiswert durchführt, die gegebenenfalls zu Preisänderungen beim Basiswert führen können, sind entsprechende Erklärungen dazu in dem Prospekt aufzunehmen1.

65

– Sofern der Emittent das Market-Making in den Wertpapieren selbst 66 durchführt, sollte der Prospekt Angaben dazu enthalten, dass der Emittent die Preise der Wertpapiere selbst bestimmt, was sich für den Anleger gegebenenfalls nachteilig auswirken kann. Insbesondere ist darzustellen, dass in dem Verkaufspreis der Wertpapiere neben den festgesetzten Ausgabeaufschlägen, Verwaltungs- und anderen Entgelten ein nicht erkennbarer Aufschlag auf den fairen Wert (fair value), die sog. Marge, enthalten sein kann. Darüber hinaus sind in dem Prospekt gegebenenfalls Angaben dazu zu machen, dass in dem Verkaufspreis gegebenenfalls eine Provision enthalten sein kann, die der Market-Maker für die Emission erhebt bzw. die von dem Market-Maker ganz oder teilweise als Entgelt für Vertriebstätigkeiten weitergegeben werden können.

IV. Wichtige Angaben (Ziffer 3) 3. Wichtige Angaben 3.1. Interessen von Seiten natürlicher und juristischer Personen, die an der Emission/dem Angebot beteiligt sind Beschreibung jeglicher Interessen – einschließlich Interessenskonflikte –, die für die Emission/das Angebot von wesentlicher Bedeutung sind, wobei die betreffenden Personen zu nennen sind und die Art der Interessen darzulegen ist. 3.2. Gründe für das Angebot und die Verwendung der Erlöse (sofern diese nicht in der Gewinnerzielung und/oder Absicherung bestimmter Risiken liegen) Wenn die Gründe für das Angebot und die Verwendung der Erlöse angegeben werden, Angabe des Nettobetrages der Erlöse und der geschätzten Gesamtkosten für die Emission/das Angebot.

1 Mülbert, WM 2007, 1149 (1153).

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1. Interessen Dritter an der Emission (Ziffer 3.1) 67

Nach Ziffer 3.1 Anhang XII ProspektVO sind jegliche Interessen, einschließlich Interessenkonflikte, von Seiten natürlicher und juristischer Personen, die an der Emission bzw. dem Angebot beteiligt sind, offenzulegen. Der weite Anwendungsbereich von Ziffer 3.1 („jegliche Interessen“) wird durch die Beschränkung, dass nur die Interessen darzustellen sind, die „von wesentlicher Bedeutung“ sind, wieder eingeschränkt (zum Begriff „Interessenkonflikte“ und zu den wesentlichen Interessen siehe Anhang III EU-ProspektVO Rz. 20 f.). Der Zweck von Ziffer 3.1 Anhang XII ProspektVO liegt darin, dass dem Anleger gegenüber offengelegt wird, für welche Personen die Emission günstig ist und welche Interessen sie dabei verfolgen1.

68

Die Offenlegung erfolgt dadurch, dass die betreffenden Personen genannt und die Art der Interessen darzulegen ist. Da mit Interessen bestimmter Personen häufig auch bestimmte Risiken in Bezug auf die Wertpapiere verbunden sind, ist es denkbar, diese Interessen im Prospekt im Rahmen des Abschnitts „Risikofaktoren“ darzustellen (siehe oben Rz. 61).

69

„Beteiligt“ iS von Ziffer 3.1 Anhang XII ProspektVO sind Personen, die ein wirtschaftliches Interesse an der Emission bzw. an dem Angebot haben. Dazu können neben dem Emittenten beispielsweise Berater, Finanzintermediäre oder Sachverständige gehören. Nicht erforderlich ist insoweit, dass im Prospekt eine von einer beteiligten Person getroffene Aussage veröffentlicht wird2.

70

Eine Negativerklärung im Fall des Fehlens entsprechender Interessen ist nicht erforderlich. Anders als im Fall der Ziffer 3.2 Anhang XII ProspektVO enthält die Verordnung zwar keine entsprechende Klarstellung. Es kann aber vermutet werden, dass ein Emittent sich immer zu möglichst günstigen Bedingungen refinanzieren möchte bzw. insbesondere im Fall von derivativen Wertpapieren mittels der Emission des derivativen Wertpapiers eine Gewinnmarge erzielen will, so dass eine Beschreibung von Interessen oder Interessenkonflikten nur dann erforderlich ist, wenn besondere Interessen oder Interessenkonflikte bestehen. 2. Gründe für das Angebot und Verwendung der Erlöse (Ziffer 3.2)

71

Nach Ziffer 3.2 Anhang XII ProspektVO sind die Gründe für das Angebot und die Verwendung der Erlöse anzugeben, sofern diese nicht in der Gewinnerzielung und/oder der Absicherung bestimmter Risiken liegen. Zum Zweck der Angabe der Gründe für das Angebot und die Verwendung der Erlöse siehe Anhang III EU-ProspektVO Rz. 23. Im Fall der Emission von derivativen Wertpapieren, die in der Praxis regelmäßig von Banken begeben werden, dienen die Erlöse aus den Wertpapieren in aller Regel der Gewin1 Glismann in Holzborn, Anh. XIII EU-ProspV Rz. 7. 2 CESR/05-054b, CESR’s recommendation for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses No 809/2003, Rz. 166.

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nerzielung bzw. der Absicherung von Institutsrisiken, so dass eine erläuternde Angabe zu den Gründen des Angebots in der Regel unterbleiben kann. Wenn die Gründe für das Angebot und die Verwendung der Erlöse angege- 72 ben werden müssen, sind ausreichend konkrete Angaben zu dem Nettobetrag der Erlöse und den geschätzten Gesamtkosten für die Emission/das Angebot in den Prospekt aufzunehmen (siehe dazu auch Anhang III EU-ProspektVO Rz. 23). Erforderlich ist eine konkrete Betragsangabe, wobei Schätzungen ausreichen. In Bezug auf die Kosten ist aber keine Aufsplittung nach den einzelnen Kostenbestandteilen erforderlich, da in Ziffer 3.2 Anhang XII ProspektVO ausdrücklich nur von Gesamtkosten die Rede ist1.

V. Angaben über die anzubietenden bzw. zum Handel zuzulassenden Wertpapiere (Ziffer 4) 4. 4.1. 4.1.1.

4.1.2.

4.1.3. 4.1.4.

4.1.5. 4.1.6.

Angaben über die anzubietenden bzw. zum Handel zuzulassenden Wertpapiere Angaben über die Wertpapiere Beschreibung des Typs und der Kategorie der anzubietenden und/ oder zum Handel zuzulassenden Wertpapiere einschließlich der ISIN (International Security Identification Number) oder eines ähnlichen Sicherheitsidentifikationscodes. Klare und umfassende Erläuterung, die den Anlegern verständlich macht, wie der Wert ihrer Anlage durch den Wert des Basisinstruments/der Basisinstrumente beeinflusst wird, insbesondere in Fällen, in denen die Risiken am offensichtlichsten sind, es sei denn, die Wertpapiere haben eine Mindeststückelung von 50 000 EUR oder können lediglich für mindestens 50 000 EUR pro Wertpapier erworben werden. Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage die Wertpapiere geschaffen wurden. Angabe, ob es sich bei den Wertpapieren um Namenspapiere oder um Inhaberpapiere handelt und ob die Wertpapiere verbrieft oder stückelos sind. In letzterem Fall sind der Name und die Anschrift des die Buchungsunterlagen führenden Instituts zu nennen. Währung der Wertpapieremission. Einstufung der Wertpapiere, die angeboten und/oder zum Handel zugelassen werden sollen, einschließlich der Zusammenfassung etwaiger Klauseln, die die Rangfolge beeinflussen können oder das Wertpapier derzeitigen oder künftigen Verbindlichkeiten des Emittenten nachordnen können.

1 Anders wohl Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 25, wonach die Kosten konkret zu benennen seien, eine abstrakte Beschreibung genüge nicht.

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4.1.7. Beschreibung der Rechte – einschließlich ihrer etwaigen Beschränkungen –, die an die Wertpapiere gebunden sind, und des Verfahrens zur Ausübung dieser Rechte. 4.1.8. Im Falle von Neuemissionen Angabe der Beschlüsse, Ermächtigungen und Billigungen, die die Grundlage für die erfolgte bzw. noch zu erfolgende Schaffung der Wertpapiere und/oder deren Emission bilden. 4.1.9. Angabe des erwarteten Emissionstermins der Wertpapiere. 4.1.10. Darstellung etwaiger Beschränkungen für die freie Übertragbarkeit der Wertpapiere. 4.1.11. – Verfalltag oder Fälligkeitstermin der derivativen Wertpapiere; – Ausübungstermin oder endgültiger Referenztermin. 4.1.12. Beschreibung des Abrechnungsverfahrens für die derivativen Wertpapiere. 4.1.13. Beschreibung, wie die Rückgabe der derivativen Wertpapiere erfolgt und Angabe des Zahlungs- oder Liefertermins und der Art und Weise der Berechnung. 4.1.14. Hinsichtlich des Lands des eingetragenen Sitzes des Emittenten und des Landes bzw. der Länder, in dem bzw. denen das Angebot unterbreitet oder die Zulassung zum Handel beantragt wird, sind folgende Angaben zu machen: a) Angaben über die an der Quelle einbehaltene Einkommensteuer auf die Wertpapiere; b) Angabe der Tatsache, ob der Emittent die Verantwortung für die Einbehaltung der Steuern an der Quelle übernimmt. 4.2. Angaben über die zungrunde liegenden Aktien 4.2.1. Ausübungspreis oder endgültiger Referenzpreis des Basiswerts. 4.2.2. Erklärung mit Erläuterungen zum Typ des Basiswertes und Einzelheiten darüber, wo Angaben über den Basiswert eingeholt werden können: – Angaben darüber, wo Angaben über die vergangene und künftige Wertentwicklung des Basiswertes und seine Volatilität eingeholt werden können; – Handelt es sich bei dem Basiswert um ein Wertpapier, Angabe: – des Namens des Wertpapieremittenten; – der ISIN („International Security Identification Number“) oder eines ähnlichen Sicherheitsidentifikationscodes; – Handelt es sich bei dem Basiswert um einen Index, Angabe: – der Bezeichnung des Indexes und einer Indexbeschreibung, falls der Index vom Emittenten zusammengestellt wird. Wird der Index nicht vom Emittenten zusammengestellt, Angabe des Ortes, wo Angaben zu diesem Index zu finden sind;

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– Handelt es sich bei dem Basiswert um einen Zinssatz: – Beschreibung des Zinssatzes; – Sonstige: – Fällt der Basiswert nicht unter eine der oben genannten Kategorien, muss die Wertpapierbeschreibung gleichwertige Angaben enthalten; – Handelt es sich bei dem Basiswert um einen Korb von Basiswerten: – Angabe der entsprechenden Gewichtungen jedes einzelnen Basiswertes im Korb. 4.2.3. Beschreibung etwaiger Störungen des Marktes oder bei der Abrechnung, die den Basiswert beeinflussen. 4.2.4. Anpassungsregelungen in Bezug auf Ereignisse, die den Basiswert betreffen. 1. Allgemeines, Besonderheiten von Basisprospekten Nach Ziffer 4 Anhang XII ProspektVO sind Angaben über die anzubietenden 73 bzw. zum Handel zuzulassenden Wertpapiere in den Prospekt aufzunehmen. Bei derivativen Wertpapieren finden sich dazu Angaben regelmäßig in den Emissionsbedingungen für die jeweiligen Wertpapiere. Soweit die Wertpapiere unter deutschem Recht begeben werden, ist es üblich, sog. „konsolidierte Bedingungen“ in den Prospekt mitaufzunehmen, mittels derer das Rechtsverhältnis zwischen Emittent und dem Inhaber der jeweiligen Wertpapiere geregelt werden. Abhängig von der Komplexität der jeweiligen Wertpapiere ist es erforderlich, darüber hinausgehende Informationen in einem gesonderten Abschnitt „Wertpapierbeschreibung“ oder in einem anderen Abschnitt in den Prospekt mitaufzunehmen, um die Angaben der ProspektVO abzudecken. Dies gilt insbesondere für die Angaben zu dem Basiswert. Die Frage nach der Art und Weise der Abbildung der unter Ziffer 4 An- 74 hang XII ProspektVO geforderten Informationen stellt sich im besonderen Maße bei Basisprospekten. Dies resultiert daraus, dass bei Basisprospekten die Besonderheit besteht, dass erst auf Basis der endgültigen Bedingungen die konkreten Ausstattungsmerkmale eines Wertpapiers festgelegt werden (zum Gegenstand der endgültigen Bedingungen und dem Verhältnis der endgültigen Bedingungen zum Basisprospekt siehe § 6 WpPG Rz. 42 ff.). Beispielsweise wird erst auf Ebene der endgültigen Bedingungen die WKN und die ISIN, der Basiswert, die Emissionsgröße oder der Preis des Wertpapiers festgelegt (siehe dazu auch § 6 WpPG Rz. 48 ff.)1. Der Basisprospekt muss für alle von der ProspektVO geforderten Mindestangaben (vgl. § 7 WpPG iVm. den Anforderungen der ProspektVO), dh. auch für die Angaben nach Ziffer 4 von Anhang XII ProspektVO, zumindest einen Platzhalter enthalten (siehe dazu auch § 6 WpPG Rz. 41). Die Gestaltung dieser Platzhalter ist Ge1 Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (13 f.).

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genstand kontroverser Diskussionen. Die BaFin verlangt regelmäßig, dass erkennbar ist (beispielsweise durch eine entsprechende Regieanweisung), welche Informationen zur Abdeckung der Mindestangaben eingefügt werden. Zu der Gestaltung der Platzhalter oder Lücken und der entsprechenden Regieanweisungen siehe § 6 WpPG Rz. 40 f. und zu der Präsentation der endgültigen Bedingungen siehe § 6 WpPG Rz. 54 ff. 75

Die Grenze für das Einfügen von Informationen auf Ebene der endgültigen Bedingungen besteht dann, wenn der Billigungsgegenstand des Basisprospekts überschritten wird (vgl. dazu § 16 WpPG Rz. 54). Es ist daher zB nicht zulässig, erst im Rahmen der endgültigen Bedingungen den Basiswert festzulegen. Der abstrakte Basiswerttyp (zB Index, Aktien, Rohstoffe etc.), auf den sich die unter dem Basisprospekt zu begebenden Wertpapiere beziehen können, muss vielmehr bereits im Basisprospekt angelegt sein (siehe dazu auch § 6 WpPG Rz. 50)1.

76

Zu weiteren Besonderheiten bei Basisprospekten siehe unten Rz. 82 und 92. 2. Angaben über die Wertpapiere (Ziffer 4.1) a) Beschreibung des Typs und der Kategorie (Ziffer 4.1.1)

77

Bezüglich der Bezeichnungen „Typ“ und „Kategorie“ von Wertpapieren besteht keine einheitliche Systematik im Prospektrecht2. Dementsprechend kann daraus auch wenig Konturschärfe für die Typen und Kategorien von derivativen Wertpapieren gewonnen werden.

78

Vor Inkrafttreten des Prospektregimes musste nach § 4 Satz 1 Nr. 1 VerkProspektVO aF bzw. § 15 Abs. 1 Nr. 2 BörsZulV aF die „Art der Wertpapiere“ im Prospekt dargestellt werden, wobei insoweit regelmäßig zwischen Optionsscheinen, Zertifikaten oder Schuldverschreibungen unterschieden wurde3. Diese Einteilung wird auch unter dem Prospektregime im Hinblick auf die Angabe des Produkttyps vertreten4.

79

In der Praxis wird häufig einer Empfehlung des Deutschen Derivate Verbands folgend zwischen Anlageprodukten einerseits und Hebelprodukten andererseits unterschieden, wobei der Deutsche Derivate Verband bei Anlageprodukten zwischen Produkten mit Kapitalschutz und Produkten ohne Kapitalschutz und bei Hebelprodukten zwischen Produkten mit Knock-Out und Produkten ohne Knock-Out unterscheidet. Zu den Anlageprodukten mit Kapitalschutz gehören strukturierte Anleihen und Kapitalschutz-Zertifikate, wohingegen zu den Anlageprodukten ohne Kapitalschutz Discount-Zertifikate, Bonus-Zertifikate, Outperformance1 Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (13). 2 Zur fehlenden übergeordneten Systematik der Begrifflichkeiten im Prospektrecht siehe Seitz, AG 2005, 678 (679 ff.). 3 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 4 VerkProspVO Rz. 4. 4 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 34.

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Zertifikate, Aktienanleihen, Express-Zertifikate, Index-/Partizipations-Zertifikate und Sprint Zertifikate gehören. Zu den Hebelprodukten ohne Knock-Out zählen Optionsscheine. In der Praxis ist es üblich, dass im Fall von Optionsscheinen angegeben wird, ob es sich um einen Put- oder Call-Optionsschein handelt. Zu den Hebelprodukten mit Knock-Out, dh. Produkten, bei denen es bei einer Verletzung der Knock-Out Schwelle in der Regel zu einen Totalverlust des eingesetzten Kapitals kommt, gehören beispielsweise sog. Turbo-Scheine.

80

Darüber hinaus ist im Rahmen der Kategorisierung neben der Bezeichnung der Struktur auch eine Klarstellung aufzunehmen, auf welchen Basiswert sich das jeweilige Produkt bezieht (zB „Bonus Zertifikat auf Aktien“).

81

Bei Basisprospekten besteht die Besonderheit, dass unter einem Basisprospekt in der Regel verschiedene Typen und Kategorien von Wertpapieren emittiert werden sollen. Es ist dann in den jeweiligen endgültigen Bedingungen anzugeben, welchem Typ und welcher Kategorie das jeweilige Wertpapier zuzuordnen ist.

82

Wertpapiere haben in der Praxis in aller Regel eine Kennnummer, die erfor- 83 derlich ist, um das Wertpapier an eine Börse zuzulassen oder um das Wertpapier im Wege der Girosammelverwahrung zu übertragen. Falls eine entsprechende Kennnummer vorhanden ist, ist diese in den Prospekt aufzunehmen. In Betracht kommen dafür die International Securities Identification Number (ISIN), die aus einem zwölfstelligen Code besteht, oder die sechsstellige Wertpapierkennnummer (WKN) oder der achtstellige Common Code (siehe dazu auch Anhang III EU-ProspektVO Rz. 28). b) Klare und umfassende Erläuterung, wie der Wert der Anlage durch den Basiswert beeinflusst wird (Ziffer 4.1.2) Nach Ziffer 4.1.2 Anhang XII ProspektVO muss ein Prospekt eine klare und umfassende Erklärung enthalten, die den Anlegern verständlich macht, wie der Wert ihrer Anlage durch den Wert des Basisinstruments/der Basisinstrumente, dh. durch den Basiswert, beeinflusst wird.

84

Als Basiswert für derivative Wertpapiere (zum Begriff „derivative Wert- 85 papiere“ siehe bereits oben unter Rz. 1 ff.) kommen ua. Aktien (zB Daimler, Google), Indizes (zB DAX, EURO STOXX 50), Fonds, Rohstoffpreise (zB Weizen, Erdöl), Zinsen (zB EURIBOR, LIBOR), Futures Kontrakte (zB Brent Crude Oil Futures, EURO STOXX 50 Index Dividenden Futures) oder Währungs-Wechselkurse (zB EUR-USD Wechselkurs) in Betracht. Auch ist es möglich, dass ein Basiswert aus einem Korb verschiedener Basiswertklassen besteht (zB Korb aus drei Indizes oder Korb aus Aktien, Indizes und Rohstoffen). Zu den in den Prospekt aufzunehmenden Angaben zu dem Basiswert siehe unten Rz. 128 ff. Wie genau die Erläuterung der Beeinflussung des Werts der Anlage durch den Basiswert erfolgt, lässt die ProspektVO offen. Auch die Prospektricht-

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linie und das WpPG enthalten dazu keine Vorgaben. Ziffer 4.1.2 Anhang XII ProspektVO schreibt aber vor, dass insbesondere in den Fällen, in denen die Risiken am offensichtlichsten sind, die Beeinflussung des Werts der Anlage durch den Basiswert klar und umfassend zu erläutern ist. Im Gegensatz zu den Risikofaktoren, in denen lediglich die Risiken dargestellt werden dürfen, können im Rahmen der Erläuterung, wie der Wert des Wertpapiers durch den Basiswert beeinflusst wird, neben den Risiken auch die Chancen des Produkts dargestellt werden. 87

Für die Darstellung der Beeinflussung des Wertpapiers durch den Basiswert bietet es sich an, auf Beispiele zurückzugreifen. In Erwägungsgrund 18 ProspektVO findet sich ein Hinweis, dass Emittenten – auf freiwilliger Basis – auf „zweckmäßige Beispiele“ zurückgreifen könnten, da „komplexe derivative Wertpapiere am Besten anhand von Beispielen erläutert werden“ könnten. In der Praxis haben sich verschiedene Modelle etabliert, mittels derer die Abhängigkeit des Werts des Wertpapiers von dem Basiswert dargestellt werden kann. Eine Möglichkeit besteht darin, dass in dem Prospekt die Struktur des Produkts anhand eines Schaubilds beschrieben wird, in dem die Entwicklung des Basiswerts in Beziehung zur Wertentwicklung des Wertpapiers gesetzt wird. Weiterhin ist es denkbar, die Abhängigkeit des Wertpapiers von einem bestimmten Basiswert durch die Aufnahme von Beispielsrechnungen zu verdeutlichen, wobei bei der Wahl von fiktiven Beispielsrechnungen darauf zu achten ist, dass für den Anleger klar ersichtlich ist, dass es sich lediglich um fiktive Beispiele handelt1. Darüber hinaus sollte darauf hingewiesen werden, dass sich die Beispielsrechnungen lediglich auf eine Rückzahlung zum Laufzeitende beziehen und keinen Rückschluss auf einen etwaigen am Sekundärmarkt erhältlichen Verkaufspreis erlauben. Es gibt keine generelle Regel für die Wahl der Darstellungsform. Es kommt vor allem auf die Struktur des jeweiligen Produkts an und gegebenenfalls kann auch eine Kombination der verschiedenen Darstellungsalternativen (zB Schaubild zusammen mit Beispielsrechnungen oder abstrakte Beschreibung zusammen mit Beispielsrechnungen) sinnvoll sein.

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Als Bestandteil der Erläuterung kann es empfehlenswert sein, auf den Einfluss der Volatilität oder anderer Parameter (wie der Korrelation zwischen Basiswerten, der Veränderung von Dividendenerwartungen oder der Ausfallwahrscheinlichkeit des Emittenten (Credit Spreads)) auf die Auszahlungsstruktur des derivativen Wertpapiers einzugehen. Ein entsprechender Einfluss besteht nicht nur bei Optionsscheinen, sondern auch bei anderen derivativen Wertpapieren, bei denen der Basiswert Gegenstand einer eigenständigen Preisbildung ist2. Dabei ist allerdings zwischen den Auswirkungen auf die Sekundärmarktpreise einerseits und die Auswirkungen auf den

1 Vgl. dazu auch CESR 03-162, Draft – CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive, Rz. 74, wo die Vor- und Nachteile von Beispielsrechnungen aufgeführt werden. 2 Dies wird verkannt von Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 36.

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Rückzahlungsbetrag oder auf Zinszahlungen andererseits zu differenzieren. Im Fall der Auswirkungen auf die Sekundärmarktpreise geht es darum, inwiefern sich eine Veränderung der Volatilität des Basiswerts oder der Dividendenerwartung preiserhöhend oder preismindernd auf den Preis des Wertpapiers im Sekundärmarkt auswirkt; empfehlenswert kann eine entsprechende Angabe im Prospekt insbesondere im Fall eines fortlaufendes Verkaufs des entsprechenden Wertpapiers sein. Soweit es um die Auswirkungen auf den Rückzahlungsbetrag oder auf Zinszahlungen geht, kann sich eine hohe Volatilität oder eine hohe Korrelation risikoerhöhend oder risikomindernd in Bezug auf die Höhe des Rückzahlungsbetrags oder von Zinszahlungen auswirken (siehe dazu auch in Zusammenhang mit der Darstellung von Risikofaktoren oben Rz. 46). Eine allgemeingültige Regel für den Einfluss derartiger Parameter auf die Auszahlungsstruktur besteht nicht. Wie bereits erläutert, ist dass Vorliegen einer Hebelwirkung nicht zwingende Voraussetzung für ein derivatives Wertpapier (siehe oben Rz. 4). Sofern ein Wertpapier allerdings über eine Hebelwirkung verfügt, ist in dem Prospekt der Hebeleffekt des Produkts darzustellen, dh. es ist zu erläutern, dass sich der Preis der Optionsscheine überproportional zum Basiswert entwickelt und entsprechend hohe Gewinn- und Verlustrisiken bestehen (siehe dazu auch in Zusammenhang mit der Darstellung von Risikofaktoren oben Rz. 44). Der Begriff des derivativen Wertpapiers iS des Art. 15 Abs. 1 ProspektVO umfasst auch Wertpapiere, bei denen keine eigenständige Preisermittlung für den Basiswert stattfindet, sondern der Basiswert als der Eintritt eines Ereignisses definiert wird (siehe dazu oben Rz. 4). In diesem Fall finden die Ausführungen zur Abhängigkeit von bestimmten Parametern (oben Rz. 88) nur eingeschränkt Anwendung und es ist die Abhängigkeit von dem Ereignis im Einzelfall darzustellen. So ist zB bei Credit Linked Notes (siehe zum Begriff oben Rz. 5) die Abhängigkeit des Rückzahlungsbetrags von dem Referenzaktivum zu beschreiben (vgl. bereits oben Rz. 47)1.

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Aufgrund des Auffangcharakters von Anhang XII ProspektVO fallen unter 90 den Begriff des derivativen Wertpapiers iS des Art. 15 Abs. 1 ProspektVO auch solche Wertpapiere, bei denen keine Abhängigkeit von einem Basiswert besteht, bei denen der Anhang XII ProspektVO aber zur Anwendung kommt, weil die Rückzahlung zu 100 % des Nominalwerts nicht garantiert ist (vgl. oben Rz. 10). In diesem Fall erübrigen sich Angaben zu Ziffer 4.1.2 Anhang XII ProspektVO. Sofern die Wertpapiere eine Mindeststückelung von 50.000 Euro aufweisen 91 oder lediglich für 50.000 Euro pro Wertpapier erworben werden können, ist eine klare und umfassende Erläuterung, wie der Wert der Anlage durch den Basiswert beeinflusst wird, nicht erforderlich. Diese Vereinfachung resultiert aus dem Rechtsgedanken, der sich durch das gesamte Prospektrecht durchzieht (vgl. auch Erwägungsgrund 14 ProspektVO), dass Anleger, die in 1 Zahn/Lemke, WM 2002, 1536 (1544).

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dieser Größenordnung investieren, ihre Anlageentscheidung auf anderen Grundlagen treffen und sie die Informationen, die sie für ihre Anlageentscheidung benötigen auch aus anderen Quellen beschaffen können (vgl. auch Anhang XIII EU-ProspektVO Rz. 8). c) Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage die Wertpapiere geschaffen wurden (Ziffer 4.1.3) 92

Mit „Rechtsvorschriften“ gemäß Ziffer 4.1.3 Anhang XII ProspektVO ist im Wesentlichen gemeint, dass in dem Prospekt angegeben werden muss, welche Rechtsordnung für die derivativen Wertpapieren maßgeblich ist. Dabei kann es durchaus möglich sein, dass für ein derivatives Wertpapier verschiedene Rechtsordnungen für unterschiedliche Strukturierungselemente maßgeblich sind. So können zB die Emissionsbedingungen deutsches Recht als maßgebliches Recht vorsehen und daneben kann eine Garantie, welche die Rückzahlung der Wertpapiere absichert, einem anderen Recht unterstellt sein. Im Rahmen von grenzüberschreitenden Angebotsprogrammen kommt es auch häufig vor, dass ein Basisprospekt Emissionsbedingungen für verschiedene Rechtsordnungen oder mit einer Rechtswahlklausel enthält und erst auf Basis der endgültigen Bedingungen entschieden wird, nach welchem Recht die jeweiligen Wertpapiere begeben werden. In diesem Fall ist es erforderlich, dass in dem Basisprospekt klargestellt wird, dass das für die jeweiligen Wertpapiere maßgebliche Recht im Rahmen der endgültigen Bedingungen festgesetzt wird.

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Mit der Wahl des anwendbaren Rechts ist häufig auch die Sprachwahl der Emissionsbedingungen verbunden, da in der Regel die verbindliche Fassung der Emissionsbedingungen in der Sprache des anwendbaren Rechts verfasst ist. Ob in diesem Fall zusätzlich eine unverbindliche Übersetzung der Emissionsbedingungen in die Sprache erstellt wird, in der das Angebot stattfindet (zB eine deutsche Übersetzung der Emissionsbedingungen im Fall eines öffentlichen Angebots der Wertpapiere in Deutschland), ist weniger eine prospektrechtlich, sondern vor allem eine zivilrechtlich zu beurteilende Frage1. d) Angaben zur Verbriefung (Ziffer 4.1.4)

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Nach Ziffer 4.1.4 Anhang XII ProspektVO ist es erforderlich, dass der Prospekt Angaben dazu enthält, ob es sich bei den Wertpapieren um Namenspapiere oder Inhaberpapiere handelt und ob die Wertpapiere verbrieft oder stückelos sind.

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Im Unterschied zu Inhaberpapieren, bei denen die Rechte aus dem Papier dem jeweiligen Inhaber des Inhaberpapiers zustehen2, wird der Berechtigte bei Namenspapieren namentlich genannt. Nur die namentlich benannte Person bzw. deren Rechtsnachfolger kann die Ansprüche aus den Namens1 Siehe näher zur Sprachenregelung aus prospektrechtlicher und zivilrechtlicher Sicht Mattil/Möslein, WM 2007, 819 (820 ff.); Gruson/Harrer, ZBB 1996, 37 (44). 2 Sprau in Palandt, Einf v § 793 BGB Rz. 3.

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papieren geltend machen1. Namenspapiere sind dementsprechend unter deutschem Recht keine Wertpapiere iS des WpPG, sondern Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 Satz 2 VerkProspG, da es den Namenspapieren an der Fungibilität fehlt, die für den deutschen Wertpapierbegriff erforderlich ist, da sie anders als Inhaberpapiere nicht nach den §§ 929 ff. BGB übereignet, sondern nur nach §§ 398 ff. BGB abgetreten werden können (siehe dazu auch § 2 WpPG Rz. 5 ff.; zu den Besonderheiten bei Namensaktien, siehe auch Anhang III EU-ProspektVO Rz. 30)2. Dagegen kann in anderen europäischen Rechtsordnungen gegebenenfalls auch ein als Namenspapier verbrieftes Finanzprodukt als Wertpapier iS der ProspektVO zu qualifizieren sein. Darüber hinaus erfordert Ziffer 4.1.4 Anhang XII ProspektVO eine Angabe dazu, ob die Wertpapiere verbrieft oder stückelos sind. Nach § 793 BGB ist bei Wertpapieren, die nach deutschem Recht begeben werden, grundsätzlich eine Verbriefung für ihre Entstehung erforderlich3. Während früher oft einzelne gedruckte Urkunden (sog. effektive Stücke) ausgegeben wurden, erfolgt heute die Verbriefung fast ausschließlich in Sammelurkunden, auch Globalurkunden genannt. An der Globalurkunde, die bei einer Wertpapiersammelbank eingereicht wird (unter dem deutschen Depotgesetz ist dies alleine die Clearstream Banking AG, Frankfurt), haben die einzelnen Anleger kein Sondereigentum, sondern Miteigentum nach Bruchteilen. Sind die Wertpapiere zunächst in einer vorläufigen Globalurkunde (temporary global note) und erst anschließend in einer Dauerglobalurkunde (permanent global note) verbrieft, muss der Prospekt dazu Angaben enthalten.

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Entsprechend dem letzten Satz von Ziffer 4.1.4 Anhang XII ProspektVO 97 sind „im letzteren Fall“ der Name und die Anschrift des die Buchungsunterlagen führenden Instituts zu nennen. Vom Wortlaut her ist nicht eindeutig, auf welchen Tatbestand sich das bezieht. Jedenfalls ist vom Sinn und Zweck her bei Namenspapieren anzugeben, welches Institut das Register führt (inklusive der Anschrift). Gleiches gilt auch für Inhaberpapiere, bei denen die Eigentumsübertragung „stückelos“ erfolgt (im Englisch wird von „bookentry form“ gesprochen). Dementsprechend ist im Fall der Girosammelverwahrung die Adresse der Wertpapiersammelbank anzugeben (vgl. auch zu Ziffer 5.4.2 Anhang XII ProspektVO unten Rz. 167). e) Währung der Wertpapiere (Ziffer 4.1.5) Nach Ziffer 4.1.5 von Anhang XII ProspektVO ist die Währung der Wertpapieremission anzugeben. Dabei ist bei derivativen Wertpapieren häufig zwischen der Währung der Wertpapiere (häufig als „Handelswährung“ bezeichnet) und der Währung des Basiswerts (häufig als „Preiswährung“ bezeichnet) zu differenzieren.

1 Sprau in Palandt, Einf v § 793 BGB Rz. 2. 2 Seitz, AG 2005, 678 (680); BT-Drucks. 15/4999, S. 28; Zeising in Just/Voß/Ritz/ Zeising, Anhang V EU-ProspektVO Rz. 15. 3 Sprau in Palandt, § 793 BGB Rz. 1 und Rz. 8.

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Des Weiteren ist es im Fall von sogenannten „Doppelwährungs-Schuldverschreibungen“ möglich, dass die Wertpapiere in einer anderen Währung als der Handelswährung der Wertpapiere abgewickelt werden, beispielsweise wenn die Wertpapiere in Euro notieren, der Rückzahlungsbetrag oder Zinsen in Britischen Pfund an den Anleger gezahlt werden.

100 Wenn die Handels- von der Preiswährung abweicht und keine Währungssicherung besteht, oder im Fall von Doppelwährungs-Schuldverschreibungen ist in den Risikofaktoren ein Hinweis auf das mit den Wertpapieren bestehende Währungsrisiko aufzunehmen (siehe dazu oben Rz. 45). f) Einstufung der Wertpapiere (Ziffer 4.1.6) 101 Gemäß Ziffer 4.1.6 Anhang XII ProspektVO ist der Rang der Wertpapiere anzugeben, dh. es ist darzustellen, wie das Rangverhältnis der Wertpapiere untereinander und gegenüber anderen von dem Emittenten begebenen Wertpapieren gestaltet ist. Dabei ist auch eine Zusammenfassung etwaiger Klauseln aufzunehmen, die die Rangfolge beeinflussen können oder das Wertpapier derzeitigen oder künftigen Verbindlichkeiten nachordnen können. 102 Während Ziffer 4.1.6 von „Einstufung der Wertpapiere“ spricht, lautet die Überschrift von Ziffer 4.5 Anhang V ProspektVO „Rang der Wertpapiere“. Die unterschiedlichen Bezeichnungen stellen dabei aber nur eine Ungenauigkeit in der Übersetzung der ProspektVO dar, da in der englischen Fassung von Ziffer 4.1.6 Anhang XII ProspektVO und Ziffer 4.5 Anhang V ProspektVO jeweils von „Ranking of the Securities“ gesprochen wird. Wertpapiere können vorrangig („senior“), nachrangig („subordinate“) oder gleichrangig („pari passu“) mit anderen Forderungen sein. Die Angabe des Rangs der Wertpapiere im Prospekt dient dazu, den Anleger darüber zu informieren, inwieweit andere Gläubiger im Fall der Insolvenz oder der Liquidation des Emittenten gegebenenfalls vorrangig befriedigt werden. g) Beschreibung der Rechte (Ziffer 4.1.7) 103 Ziffer 4.1.7 Anhang XII ProspektVO sieht vor, dass im Prospekt eine Beschreibung der Rechte, die an die Wertpapiere gebunden sind, einschließlich etwaiger Beschränkungen der Rechte erfolgen muss. 104 Die Beschreibung der Rechte des Anlegers erfolgt in der Regel dadurch, dass die Emissionsbedingungen (terms and conditions) in den Prospekt aufgenommen werden. Im Einzelfall sind aber darüber hinausgehende Erläuterungen erforderlich, beispielsweise eine Beschreibung, wie der Rückzahlungsbetrag oder Zinsbeträge ermittelt werden (siehe zur Abhängigkeit vom Basiswert bereits oben Rz. 84 ff.) oder Informationen zu einer etwaigen physischen Lieferung des Basiswerts. Besonderes Augenmerk ist auch auf die Beschreibung des Verfahrens zur Ausübung bestimmter Rechte zu legen, zB im Fall von Ausübungs-, Einlösungs- oder gegebenenfalls Kündigungsrechten des Anlegers.

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Neben einer Beschreibung der Rechte sind in den Emissionsbedingungen 105 auch die Einschränkungen der Rechte zu beschreiben. Solche Beschränkungen können beispielsweise Kündigungsrechte des Emittenten oder Anpassungs- und Marktstörungsregelungen sein, welche das Recht des Anlegers auf Erhalt des Rückzahlungsbetrags modifizieren oder gänzlich aufheben können. Im Rahmen der Ziffer 4.1.7 Anhang XII ProspektVO sind auch etwaige Rückkaufsrechte des Emittenten in den Prospekt aufzunehmen1. Auch zu Einschränkungen von Rechten des Anlegers finden sich die Angaben in erster Linie in den Emissionsbedingungen. Im Fall der Einschränkung von Rechten ist darüber hinaus im besonderen Maße darauf zu achten, dass entsprechende Risikofaktoren in den Prospekt aufgenommen werden. Bei der Ausgestaltung der Rechte sowie etwaiger Beschränkungen in den 106 Emissionsbedingungen und deren Beschreibung im Prospekt sind die Transparenzanforderungen nach § 3 Schuldverschreibungsgesetz zu beachten, wonach die vom Schuldner nach den Emissionsbedingungen versprochene Leistung durch einen Anleger, der hinsichtlich der jeweiligen Art von Schuldverschreibungen sachkundig ist, ermittelt werden können muss. Daneben ist bei der Gestaltung der Beschreibung der Rechte sowie etwaiger Beschränkungen zu berücksichtigen, dass der BGH entschieden hat, dass auch Emissionsbedingungen der Inhaltskontrolle unterliegen und dementsprechend die §§ 307 ff. BGB zu beachten sind2. h) Angabe der Beschlüsse (Ziffer 4.1.8) Gemäß Ziffer 4.1.8 Anhang XII ProspektVO ist in den Prospekt im Fall von 107 Neuemissionen eine Angabe der Beschlüsse, Ermächtigungen und Billigungen, die die Grundlage für die erfolgte bzw. noch zu erfolgende Schaffung der Wertpapiere und/oder deren Emission bilden. Abweichend von Ziffer 4.12 Anhang XIII ProspektVO ist eine entsprechende 108 Angabe nur im Fall von Neuemissionen aufzunehmen. Bei Neuemissionen handelt es sich um solche, bei denen die Wertpapiere erstmalig dem Publikum angeboten werden. Bei der Emission von derivativen Wertpapieren ist dies regelmäßig der Fall. Entsprechend Ziffer 4.1.8 Anhang XII ProspektVO sind in einen Prospekt beispielsweise Gremien aufzunehmen, die entsprechend den internen Bestimmungen des Emittenten Emissionen genehmigen müssen (zB Vorstandsbeschluss bei Programmen; siehe dazu auch Anhang III EU-ProspektVO Rz. 33).

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Die ProspektVO verlangt lediglich, dass die Beschlüsse genannt werden 110 müssen; nicht erforderlich ist, dass der genaue Wortlaut der Beschlüsse, Ermächtigungen und Billigungen angegeben werden3. In der Praxis werden 1 Glismann in Holzborn, Anh. XIII EU-ProspV Rz. 14. 2 BGH v. 30.6.2009 – XI ZR 364/08, WM 2009, 1500 (1502). 3 So auch zu § 15 BörsZulV aF Heidelbach in Schwark, § 15 BörsZulV Rz. 2.

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häufig nur die Rahmenermächtigungen angeben, nach denen ein expliziter Beschluss im Fall der einzelnen Emission entbehrlich ist. Fraglich ist, ob unter Ziffer 4.1.8 Anhang XII ProspektVO nur emittenteninterne Beschlüsse etc. fallen oder ob zB auch Genehmigungen von Dritten dargestellt werden müssen (zB Genehmigungen einer Zentralbank oder von Aufsichtsbehörden). Aus dem Wortlaut von Ziffer 4.1.8 Anhang XII ProspektVO ergibt sich implizit, dass lediglich die emittenteninternen Beschlüsse darzustellen sind. Für diese Auslegung spricht auch, dass im Rahmen von Ziffer 5.1.1 Anhang XII ProspektVO die Bedingungen, denen das Angebot unterliegt, darzustellen sind. Daher sind etwaige Genehmigungen von Seiten Dritter im Rahmen der Ziffer 5.1.1 Anhang XII ProspektVO offenzulegen1. i) Angabe des Emissionstermins (Ziffer 4.1.9) 111 In dem Prospekt ist nach Ziffer 4.1.9 von Anhang XII ProspektVO der erwartete Emissionstermin der Wertpapiere anzugeben. Im Gegensatz zu Ziffer 4.6 von Anhang III ProspektVO, bei dem Angaben zum Emissionstermin nur im Fall erfolgen müssen, dass es sich um eine Neuemission handelt, ist im Rahmen des Anhangs XII ProspektVO der Emissionstermin immer anzugeben. 112 In der Praxis von unter deutschem Recht begebenen Wertpapieren ist der weitaus häufigste Fall die Verbriefung der Wertpapiere im Rahmen der Girosammelverwahrung (siehe oben Rz. 96). Für die Bestimmung des Emissionstermins kommt es bei dieser Art der Verbriefung nicht auf die Einbuchung in das Depot des jeweiligen Anlegers an, maßgebend ist vielmehr der Zeitpunkt der Hinterlegung der Globalurkunde bei der Wertpapiersammelbank, da mit der Einlieferung der Wertpapiere die Rechte an dem Wertpapiersammelbestand entstehen und die Wertpapiere nach den entsprechenden sachenrechtlichen Vorschriften (insbesondere §§ 929 ff. BGB) übertragen werden können. In der Regel wird nur der „voraussichtliche“ Emissionstermin angegeben, was damit zusammenhängt, dass der Prospekt – insbesondere bei Zeichnungsprodukten – grundsätzlich vor dem Emissionstermin erstellt wird und deshalb nur der erwartete Emissionstermin angegeben werden kann2. In dem seltenen Fall der Ausgabe effektiver Stücke ist der Emissionstermin der Zeitpunkt, zu dem die Wertpapiere an den Anleger ausgehändigt werden. j) Darstellung etwaiger Beschränkungen für die freie Übertragbarkeit (Ziffer 4.1.10) 113 Die ProspektVO geht grundsätzlich von einer Handelbarkeit der Wertpapiere aus. Die Fungibilität, dh. die Handelbarkeit der Wertpapiere, ist insoweit ein maßgeblicher Grundsatz des Wertpapierbegriffs iS des WpPG (zum

1 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 66. 2 Vgl. auch Glismann in Holzborn, Anh. V EU-ProspV Rz. 21.

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Wertpapierbegriff siehe auch § 2 WpPG Rz. 5 ff.)1. Sofern abweichend davon, die freie Übertragbarkeit eingeschränkt sein sollte, sind diese Beschränkungen zu beschreiben. Die Vorgabe, Einschränkungen der freien Übertragbarkeit zu beschreiben, fand sich bereits in § 4 Satz 1 Nr. 3 VerkProspVO aF bzw. § 15 Abs. 1 Nr. 4 BörsZulV aF. Nach diesen Vorschriften waren beispielsweise Angaben zu einer bestehenden Vinkulierung zu machen2, wobei im Fall einer „Vinkulierung“ eine Einschränkung des Handels dadurch erfolgt, dass die Weitergabe von Wertpapieren an Dritte von der Zustimmung des Emittenten abhängig ist. Eine derartige Einschränkung der Handelbarkeit wäre im Rahmen der Ziffer 4.1.10 Anhang XII ProspektVO darzustellen. Allerdings sind solche Vinkulierungsklauseln in der Praxis selten. Ob auch eine sich aus der Marktenge oder aus einem fehlenden Market 114 Making ergebende Erschwernis der faktischen Handelbarkeit eines Produkts eine Einschränkung der freien Übertragbarkeit darstellt, war unter den Vorgängervorschriften umstritten3. Die Formulierung von Ziffer 4.1.10 Anhang XII ProspektVO spricht eher dafür, diese Fälle nicht als eine Beschränkung der freien Übertragbarkeit anzusehen, da beim Vorhandensein einer entsprechenden Gegenpartei die Übertragung (rechtlich) ohne weiteres möglich ist. Unabhängig davon, ob der Sachverhalt unter Ziffer 4.1.10 Anhang XII ProspektVO zu subsumieren ist, empfiehlt es sich aber gegebenenfalls in den Risikofaktoren einen Hinweis auf eine gegebenenfalls eingeschränkte Handelbarkeit aufzunehmen (siehe dazu oben Rz. 57). Dies kann zB relevant sein, wenn die derivativen Wertpapiere nicht wie üblich in Scoach oder EUWAX, wo eine fortlaufende Quotierungsverpflichtung besteht, sondern nur im Freiverkehr an einer Börse ohne eine fortlaufende Quotierungsverpflichtung gehandelt werden. In Prospekten finden sich häufig Abschnitte zu Verkaufsbeschränkungen 115 der Wertpapiere in bestimmten Ländern. Solche Verkaufsbeschränkungen stellen allerdings keine Einschränkung der freien Handelbarkeit der Wertpapiere dar (siehe dazu auch Anhang III EU-ProspektVO Rz. 35)4. k) Angabe des Verfalltags oder Fälligkeitstermins, Ausübungstermins oder endgültigen Referenztermins (Ziffer 4.1.11) Der Prospekt muss gemäß Ziffer 4.1.11 Anhang XII ProspektVO Angaben zum Verfallstag oder Fälligkeitstermin des derivativen Wertpapiers enthalten und den Ausübungstermin oder den endgültigen Referenztermin nennen. Dadurch soll der Anleger darüber informiert werden, wann die Laufzeit der Wertpapiere endet. In der Praxis ist die Angabe des Fälligkeitstags oder

1 Vgl. auch Seitz, AG 2005, 678 (680). 2 Heidelbach in Schwark, § 15 BörsZulV Rz. 5. 3 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 4 VerkProspVO Rz. 11; aA Heidelbach in Schwark, § 15 BörsZulV Rz. 5. 4 AA Glismann in Holzborn, Anh. V EU-ProspV Rz. 22; wie hier auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 56.

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der Laufzeit regelmäßig in den Emissionsbedingungen enthalten. Besonderheiten können insbesondere in den nachfolgenden Fällen bestehen. 117 Im Fall von Produkten, deren Laufzeitende nicht bereits bei Emission konkret festgelegt ist (zB Open End Zertifikate), kann ein entsprechender Termin in dem Prospekt nicht angegeben werden. In diesem Fall sollte aber in dem Prospekt darauf hingewiesen werden, dass das Produkt nicht über eine von vornherein festgelegte Laufzeitbegrenzung verfügt. Entsprechend ist bei Optionsscheinen – abhängig von ihrer Ausübungsart – klarzustellen, ob eine Ausübung der Optionsscheine durch Anleger an jedem Tag bis zum Fälligkeitstag möglich ist (sog. amerikanischer Ausübung), ob die Ausübung der Optionsscheine am Fälligkeitstag automatisch erfolgt und eine tägliche Ausübung des Optionsrechts nicht möglich ist (sog. europäischer Ausübung) oder ob die Optionsscheine nur zu bestimmten, in den endgültigen Bedingungen näher bestimmten Tagen ausgeübt werden können (sog. Bermuda Option)1. 118 Bei Autocallable Zertifikaten (zB Express Zertifikaten), bei denen abhängig von der Entwicklung des Basiswerts eine vorzeitige Laufzeitbeendigung möglich ist, sind die jeweils möglichen Rückzahlungstage in dem Prospekt anzugeben. l) Beschreibung des Abrechnungsverfahrens (Ziffer 4.1.12) 119 Der Prospekt für derivative Wertpapiere muss gemäß Ziffer 4.1.12 Anhang XII ProspektVO eine Beschreibung enthalten, wie das Abrechnungsverfahren für die derivativen Wertpapiere erfolgt. Darunter ist eine Beschreibung des Verfahrens zu verstehen, nach welchem beispielsweise der Rückzahlungsbetrag oder der maßgebliche Zinsbetrag ermittelt wird. Aus dem Wortlaut der Vorschrift folgt, dass die Angabe einer Formel für sich alleine nicht ausreichend ist, sondern dass das konkrete Abrechnungsverfahren anhand einer textlichen Beschreibung näher darzustellen ist. Die zusätzliche Aufnahme einer Formel neben der textlichen Beschreibung ist allerdings möglich (vgl. allgemein zur Darstellung des Einflusses des Basiswerts auf das Wertpapier nach Ziffer 4.1.2 Anhang XII ProspektVO oben Rz. 84 ff.). Darüber hinaus fallen unter das Abrechnungsverfahren auch die Modalitäten der Einlösung von derivativen Wertpapieren bei dem Emittenten oder Zahlstelle, was zB im Fall von Optionsscheinen oder Endlos-Zertifikaten relevant sein kann (zum Ausübungstermin siehe Ziffer 4.1.11 Anhang XII ProspektVO oben Rz. 116). m) Beschreibung der Rückgabe der derivativen Wertpapiere, Angabe zu Zahlungs- und Liefertermin und der Art und Weise der Berechnung (Ziffer 4.1.13) 120 Nach Ziffer 4.1.13. Anhang XII ProspektVO muss der Prospekt eine Beschreibung enthalten, wie die Rückgabe der derivativen Wertpapiere erfolgt. 1 Instruktiv zu den verschiedenen Ausübungsformen bei Optionsscheinen Hull, Optionen, Futures und andere Derivate, S. 29 f. und S. 681.

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Des Weiteren muss der Prospekt Angaben zum Zahlungs- und Liefertermin und zu der Art und Weise der Berechnung enthalten. Die Verpflichtung, das Rückgabeverfahren zu beschreiben, umfasst dabei 121 nicht nur das Rückgabeverfahren im Hinblick auf den Rückzahlungsbetrag, sondern auch etwaige Zinszahlungen. Diese Auslegung ergibt sich aus der englischen Fassung der ProspektVO, die auf „any returns on derivative securities“ abstellt und somit einen weiteren Anwendungsbereich aufweist als nur hinsichtlich des Rückzahlungsbetrags1. Sofern effektive Stücke geliefert werden, bedarf der Prospekt einer detaillier- 122 ten Beschreibung, wie die Rückgabe der effektiven Stücke und die Zahlung des Rückzahlungsbetrags erfolgt. Bei dem Regelfall, dass die Wertpapiere in einer Globalurkunde verbrieft sind, ist darzustellen, wie und wann die Einbuchung der Beträge auf das entsprechende Konto des jeweiligen Anlegers vorgenommen wird. n) Angaben zur Quellenbesteuerung (Ziffer 4.1.14) Nach dem Wortlaut von Ziffer 4.1.14 lit. a Anhang XII ProspektVO sind Angaben bezüglich „an der Quelle einbehaltener Steuern“ in den Prospekt aufzunehmen (siehe dazu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 38 f.).

123

Bei derivativen Wertpapieren erfolgt die Darstellung steuerlicher Erwägungen in der Regel in einem separaten Abschnitt des Prospekts, wobei zu Beginn dieses Abschnitts ein Hinweis empfehlenswert ist, dass die im Prospekt enthaltenen Informationen keine steuerliche Beratung darstellen und eine individuelle Beratung durch einen Steuerberater oder einen Rechtsanwalt erforderlich ist (siehe zu einem entsprechenden Risikofaktor auch oben Rz. 60)2.

124

Darüber hinaus muss nach von Ziffer 4.1.14 lit. b Anhang XII ProspektVO in den Prospekt eine Angabe dazu aufgenommen werden, ob der Emittent die Verantwortung für die Einbehaltung der Steuer an der Quelle übernimmt. Dazu finden sich in den Emissionsbedingungen, insbesondere von grenzüberschreitend angebotenen Wertpapieren, zumeist entsprechende Klauseln. Darin wird vor allem festgelegt, ob der Emittent gegebenenfalls einen Ausgleich für einen evtl. Quellensteuerabzug übernimmt.

125

3. Angaben über den Basiswert (Ziffer 4.2) Nach Ziffer 4.2 Anhang XII Prospekt VO muss ein Prospekt Angaben über 126 den zugrundeliegenden Basiswert enthalten. Die deutsche Fassung spricht 1 Vgl. dazu auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 60. 2 Siehe dazu auch CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 45.

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in der Überschrift von Ziffer 4.2 Anhang XII ProspektVO nur von „Angaben über die zugrunde liegenden Aktien“, wohingegen die englische Fassung dieser Ziffer von „Information concerning the underlying“ spricht. Die deutsche Übersetzung ist im Vergleich zu der englischen Fassung zu eng, da entsprechend der englischen Fassung als Basiswert für derivative Wertpapiere nicht nur Aktien, sondern auch andere Basiswerte wie beispielsweise Indizes, Rohstoffe, Währungen, Futures Kontrakte etc. in Betracht kommen (vgl. zu Ziffer 4.1.2 oben Rz. 85). a) Ausübungspreis oder endgültiger Referenzpreis des Basiswerts (Ziffer 4.2.1) 127 Nach Ziffer 4.2.1 Anhang XII ProspektVO ist in dem Prospekt der Ausübungspreis oder der endgültige Referenzpreis des Basiswerts anzugeben. Unter dem Ausübungspreis ist beispielsweise bei Optionsscheinen der bereits bei Emission festgelegte Ausübungspreis zu verstehen (auch „Basispreis“ oder „strike price“ genannt), der angibt, zu dem welchem Preis die Option ausgeübt werden kann. Im Fall von Zertifikaten ist unter dem endgültigen Referenzpreis der Preis zu verstehen, der für die Ermittlung des Rückzahlungsbetrags relevant ist (zB der Schlusskurs des Basiswerts am Bewertungstag kurz vor dem Fälligkeitstag). In der Praxis besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Beträgen darin, dass der Ausübungspreis bereits betragsmäßig in dem Prospekt angegeben werden kann, während der endgültige Referenzpreis in der Regel nur anhand einer Definition im Prospekt festgelegt wird. b) Informationen über den Basiswert (Ziffer 4.2.2) 128 Der Prospekt muss gemäß Ziffer 4.2.2 Anhang XII ProspektVO eine Erklärung zum Typ des Basiswerts sowie Einzelheiten darüber enthalten, wo Angaben über den Basiswert eingeholt werden können. Im Prospekt ist dementsprechend anzugeben, um welchen Basiswerttyp es sich handelt (zB Aktie, Index, Rohstoff, Wechselkurs etc). Bezüglich der Angabe, wo Angaben über den Basiswert eingeholt werden können, wird häufig auf die Website der entsprechenden Aktie, der Indexberechnungsstelle oder von Börsen, an denen die Produkte gehandelt werden, verwiesen. Im Fall von Wechselkursen wird häufig auf das Fixing der EZB abgestellt und auf die entsprechende Website der EZB verwiesen. 129 Darüber hinaus enthält Ziffer 4.2.2 Anhang XII ProspektVO in einzelnen Spiegelstrichen detaillierte Anforderungen zu einzelnen Angaben bzw. einzelnen Basiswerten. 130 Gemäß dem 1. Spiegelstrich ist es – unabhängig von dem Basiswerttyp – erforderlich, dass Informationen darüber in dem Prospekt aufgenommen werden, wo Angaben über die vergangene und künftige Volatilität des Basiswerts eingeholt werden können. Dabei ist es grundsätzlich ausreichend, wenn eine Fundstelle angegeben wird, unter der Angaben zur Volatilität des Basiswerts abgerufen werden können (zB Webseite der Börse, an der Basis-

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wert gehandelt wird, oder eine Hotline des jeweiligen Emittenten). Erforderlich ist insoweit, dass es sich bei der Fundstelle um eine öffentliche, kostenfrei zugängliche Quelle handeln muss, wobei diese Quelle keine deskriptiven Ausführungen zur Volatilität des Basiswerts enthalten muss, sondern die Abbildung eines Charts zur Kursentwicklung und Volatilität des Basiswerts ausreichend ist. In der Praxis wird in Deutschland regelmäßig auf die Internetseite der Primärbörse, an welcher der Basiswert gehandelt wird oder auf die Internetseite eines Indexsponsors etc. verwiesen. Sofern die Mindeststückelung der Wertpapiere nicht 50.000 Euro beträgt bzw. die Wertpapiere lediglich für 50.000 Euro pro Wertpapier erworben werden können, ist es empfehlenswert, im Hinblick auf die Informationen zur Volatilität des Basiswerts nicht (ausschließlich) auf eine Bloombergseite oder Reutersseite zu verweisen. Diese Einschränkung ergibt sich zwar nicht aus der ProspektVO, ist aber vor dem Hintergrund, dass Privatanlegern diese Seiten grundsätzlich nicht zur Verfügung stehen, ratsam1 und entspricht wohl auch der Ansicht der BaFin. Sofern es sich bei dem Basiswert um ein Wertpapier handelt (zB eine Aktie), 131 ist gemäß dem 2. Spiegelstrich von Ziffer 4.2.2 Anhang XII ProspektVO der Name des Emittenten des Basiswerts sowie die ISIN oder hilfweise ein anderer Sicherheitsidentifikationscode (zB WKN) des Basiswerts in den Prospekt aufzunehmen. Die Aufnahme eines Sicherheitsidentifikationscodes ist deshalb wichtig, um dem Anleger die Auffindbarkeit von Kursinformationen zu dem Basiswert, beispielsweise im Internet, zu erleichtern. Daneben ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Aufnahme solcher Codes die Unterscheidbarkeit des Basiswerts von anderen am Markt gehandelten Produkten, die dem Basiswert ähnlich sind, erleichtern. Beispielsweise werden am Markt von Henkel sowohl Vorzugsaktien als auch Inhaberaktien gehandelt, für die jeweils unterschiedliche ISINs gelten. Wenn es sich bei dem Basiswert um einen Index handelt (zB DAX oder EURO STOXX 50) muss der Prospekt gemäß dem 3. Spiegelstrich von Ziffer 4.2.2 Anhang XII ProspektVO die genaue Bezeichnung des Index enthalten. Darüber hinaus ist eine Indexbeschreibung in den Prospekt aufzunehmen, sofern der Index vom Emittenten zusammengestellt wird. Sofern der Index nicht von dem Emittenten zusammengestellt wird, muss der Prospekt einen Hinweis enthalten, wo Angaben zu dem Index zu finden sind (zB Verweis auf Internetseite des Indexsponsors, auf der die Indexmethodologie veröffentlicht wird). In der Praxis wird oftmals aber auch dann, wenn der Index nicht vom Emittenten zusammengestellt wird, eine Indexbeschreibung aufgenommen. Dies ist insbesondere dann empfehlenswert, wenn sich das derivative Wertpapier an deutsche Privatanleger richtet und die Vertragsdokumentation entsprechend auf Deutsch erfolgt, die Basiswertbeschreibung auf der Seite des Indexsponsors aber nur in englischer Sprache veröffentlicht ist. In der Praxis ist es außerdem üblich, dass der In1 Vgl. auch Kullmann/Sester, ZBB-Report 2005, 209 (215); Zeising in Just/Voß/ Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 65.

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dexsponsor in dem Prospekt angegeben wird. Des Weiteren finden sich häufig auch Ausführungen dazu, ob es sich bei dem Index um einen Preis- oder Performanceindex handelt und in welcher Währung der Index notiert (zu dem entsprechenden Risikofaktor siehe oben Rz. 42 bzw. Rz. 45). Ähnlich wie bei Aktien empfiehlt es sich daher auch bei Indizes, einen Sicherheitsidentifikationscode in den Prospekt aufzunehmen, um die Unterscheidbarkeit zu ähnlichen Indizes zu gewährleisten. 133 Für den Fall, dass der Basiswert eines derivativen Wertpapiers ein Zinssatz (zB EURIBOR oder LIBOR) ist, muss ein Prospekt gemäß dem 4. Spiegelstrich von Ziffer 4.2.2 Anhang XII ProspektVO eine Beschreibung des Zinssatzes enthalten. Dazu zählen unter anderem Angaben dazu, zwischen welchen Parteien der Zinssatz für welche Laufzeit gewährt wird. 134 Bei Basiswerten, die nicht in Ziffer 4.2.2 Anhang XII ProspektVO explizit aufgeführt sind (zB Währungen, Rohstoffe, Edelmetalle, Futures Kontrakte etc.), muss ein Prospekt gemäß dem 5. Spiegelstrich von Ziffer 4.2.2 Anhang XII ProspektVO gleichwertige Angaben zu dem Basiswert enthalten. Im Einzelnen hängt dies sehr stark von dem jeweiligen Basiswert ab. Es empfiehlt sich jedenfalls, auch hier nicht nur auf eine Website und dort evtl. abrufbare Erläuterungen zu verweisen, sondern gegebenenfalls kurze Informationen in den Prospekt mitaufzunehmen. 135 Sofern der Basiswert ein Korb bestehend aus verschiedenen Korbbestandteilen ist, muss der Prospekt eine Angabe zu der entsprechenden Gewichtung jedes einzelnen Korbbestandteils im Korb enthalten. Darüber hinaus sind die einzelnen Korbbestandteile näher zu beschreiben. Bei einem Basiswertekorb als Basiswert ist ferner bei der Gestaltung der Risikofaktoren regelmäßig auf das Korrelationsrisiko näher einzugehen (siehe dazu oben Rz. 52). c) Marktstörungen (Ziffer 4.2.3) 136 Der Prospekt muss gemäß Ziffer 4.2.3 Anhang XII ProspektVO Angaben zu etwaigen Störungen des Marktes oder Störungen bei der Abwicklung, die den Basiswert beeinflussen, enthalten. 137 Je nach Basiswert kommen unterschiedliche Marktstörungen in Betracht. Eine entsprechende Regelung findet sich in der Regel in den entsprechenden Emissionsbedingungen Bei der Gestaltung der Marktstörungsklausel wird häufig auf die entsprechenden Regelungen in internationale Rahmenvereinbarungen für derivative Transaktionen zurückgegriffen, zB für Aktien oder Aktienindizes als Basiswert auf die 2002 ISDA Equity Derivatives Definitions oder für Rohstoffe auf die 2005 ISDA Commodity Derivatives Definitions. Hintergrund dafür ist, dass die den Wertpapieren zugrundeliegenden Absicherungsgeschäfte in der Regel auf Basis dieser Rahmenvereinbarungen abgeschlossen werden und sich die auf die Wertpapiere anwendbaren Marktstörungsregelungen mit den für das Absicherungsgeschäft anwendbaren Regeln decken sollen.

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Eine Marktstörung liegt in der Regel dann vor, wenn der Handel des Basiswerts an den maßgeblichen Börsen eingeschränkt ist oder wenn Optionsoder Terminkontrakte auf den Basiswert nicht gehandelt werden können. Im Einzelfall kann dies jedoch deutlich komplizierter sein und es können weitere Fälle von möglichen Marktstörungen in den Emissionsbedingungen geregelt sein. Nicht zu verwechseln sind die Fälle einer Marktstörung mit den Fällen, in denen der Emittent oder eine Berechnungsstelle berechtigt ist, eine Anpassung des Wertpapierrechts vorzunehmen (vgl. unten Rz. 140 f.)1.

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Rechtsfolge einer Marktstörungsregelung ist regelmäßig, dass die Feststel- 139 lung des Basiswertkurses um einen Handelstag verschoben wird und nach einer bestimmten Anzahl von Verschiebungen gegebenenfalls von dem Emittenten ein Ersatzpreis auf Basis der aktuellen Marktgegebenheiten nach billigem Ermessen festgelegt wird. d) Anpassungsmaßnahmen (Ziffer 4.2.4) Neben den Marktstörungsregelungen sind in einem Prospekt gemäß Ziffer 4.2.4 Anhang XII ProspektVO grundsätzlich auch Angaben zu Anpassungsmaßnahmen aufzunehmen. Wie die Marktstörungsregelungen sind auch die Regelungen zu Anpassungsmaßnahmen in der Regel in den Emissionsbedingungen enthalten und orientieren sich an internationalen Rahmenvereinbarungen (siehe oben Rz. 137).

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Anpassungsmaßnahmen können beispielsweise Fälle, sogenannte „Anpas- 141 sungsereignisse“ erfassen, in denen der Basiswert wegfällt und durch einen Ersatzwert ersetzt werden muss (zB im Fall der Aufhebung eines Index oder der Abspaltung eines Unternehmensteils) oder in denen es zu einer Änderung hinsichtlich der Bestimmung des für die Wertpapiere maßgeblichen Kurses kommt (zB wenn der Indexsponsor die Berechnung des Index bzw. die Zusammensetzung oder Gewichtung der einzelnen Indexbestandteile ändert). Anpassungsmaßnahmen bei Indizes umfassen in der Regel auch Vorschriften für den Fall, dass der Indexsponsor wegfällt bzw. ersetzt wird. In den Anpassungsmaßnahmen im Fall von Aktien als Basiswert finden sich regelmäßig Bestimmungen dazu, wie sich die einzelnen Ausstattungsmerkmale des derivativen Wertpapiers im Fall von zB Dividendenausschüttungen oder Kapitalerhöhungen bezüglich des Basiswerts verändern.

VI. Bedingungen und Voraussetzungen für das Angebot (Ziffer 5) 5. 5.1.

Bedingungen und Voraussetzungen für das Angebot Bedingungen, Angebotsstatistiken, erwarteter Zeitplan und erforderliche Maßnahmen für die Antragstellung 5.1.1. Bedingungen, denen das Angebot unterliegt.

1 Nicht klar getrennt werden diese Fälle bei Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 68.

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5.1.2. Gesamtsumme der Emission/des Angebots; ist die Gesamtsumme nicht festgelegt, Beschreibung der Vereinbarungen und des Zeitpunkts für die öffentliche Bekanntmachung des Angebotbetrags. 5.1.3. Frist – einschließlich etwaiger Ergänzungen/Änderungen – während deren das Angebot gilt und Beschreibung des Antragverfahrens. 5.1.4. Einzelheiten zum Mindest- und/oder Höchstbetrag der Zeichnung (entweder in Form der Anzahl der Wertpapiere oder der aggregierten zu investierenden Summe). 5.1.5. Methode und Fristen für die Bedienung der Wertpapiere und ihre Lieferung. 5.1.6. Vollständige Beschreibung der Art und Weise und des Termins, auf die bzw. an dem die Ergebnisse des Angebots bekanntzumachen sind. 5.2. Plan für die Verbreitung der Wertpapiere und deren Zuteilung 5.2.1. Angabe der verschiedenen Kategorien der potenziellen Investoren, denen die Wertpapiere angeboten werden. Erfolgt das Angebot gleichzeitig auf den Märkten in zwei oder mehreren Ländern und wurde/wird eine bestimmte Tranche einigen dieser Märkte vorbehalten, Angabe dieser Tranche. 5.2.2. Verfahren zur Meldung des den Zeichnern zugeteilten Betrags und Angabe, ob eine Aufnahme des Handels vor dem Meldeverfahren möglich ist. 5.3. Preisfestsetzung Angabe des erwarteten Preises, zu dem die Wertpapiere angeboten werden, oder der Methode zur Preisfestsetzung und des Verfahrens für seine Veröffentlichung. Angabe des Betrags etwaiger Kosten und Steuern, die dem Zeichner oder Käufer speziell in Rechnung gestellt werden. 5.4. Platzierung und Übernahme (Underwriting) 5.4.1. Name und Anschrift des Koordinators/der Koordinatoren des gesamten Angebots oder einzelner Teile des Angebots und – sofern dem Emittenten oder dem Bieter bekannt – Angaben zu den Platzierern in den einzelnen Ländern des Angebots. 5.4.2. Name und Anschrift der Zahlstellen und der Verwahrstellen in jedem Land. 5.4.3. Einzelheiten über die Institute, die bereit sind, eine Emission auf Grund einer bindenden Zusage zu übernehmen, und Einzelheiten über die Institute, die bereit sind, eine Emission ohne bindende Zusage oder gemäß Vereinbarungen „zu den bestmöglichen Bedingungen“ zu platzieren. Wird die Emission nicht zur Gänze übernommen, ist eine Erklärung zum nicht abgedeckten Teil einzufügen. 5.4.4. Angabe des Zeitpunkts, zu dem der Emissionsübernahmevertrag abgeschlossen wurde oder wird. 5.4.5. Name und Anschrift einer Berechnungsstelle.

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1. Allgemeines Im Gegensatz zu Ziffer 4 Anhang XII ProspektVO, nach der allgemeine Angaben zu den Merkmalen der Wertpapiere zu machen sind, verlangt Ziffer 5 Anhang XII ProspektVO Angaben zu dem konkreten Erwerb der Wertpapiere, dem Zuteilungsverfahren, der Preisfestsetzung und der Platzierung der Wertpapiere.

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Die Angaben in Ziffer 5 Anhang XII ProspektVO sind in erster Linie auf Aktienemissionen zugeschnitten, bei denen sich die Preisbildung anhand eines Bookbuilding-Verfahrens stattfindet. In bestimmten Fällen können daher bestimmte im Rahmen von Ziffer 5 geforderte Angaben nicht anwendbar sein1. Entsprechend Erwägungsgrund 24 ProspektVO soll es dem Emittenten in diesen Fällen möglich sein, auf die Aufnahme solcher Angaben zu verzichten2.

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Darüber hinaus verlangt Ziffer 5. Anhang XII ProspektVO Angaben zur An- 144 gebotsfrist, Einzelheiten zu Mindest- und Höchstbeträgen oder Angaben zur Bedienung und Lieferung der Wertpapiere. Insbesondere im Fall von Vertriebsketten (sog. Retail Cascades; vgl. zur Prospektpflicht im Fall von Vertriebsketten § 3 WpPG Rz. 39 ff.), bei denen nicht der Emittent direkt an Anleger verkauft, sondern der Emittent die Wertpapiere zunächst an einen Finanzintermediär veräußert, der die Wertpapiere wiederum an die Anleger weiterveräußert, kann der Emittent in der Regel Angaben zu diesen Punkten zum Zeitpunkt des Erstangebots nicht erbringen (siehe zum Offenlassen von Angaben in den endgültigen Bedingungen auch § 6 WpPG Rz. 101 ff.)3. CESR ist in einem solchen Fall der Auffassung, dass die Informationen, welche die Zuteilung, den Vertrieb oder die Preisfestsetzung betreffen, dem Anleger durch den Intermediär zum Zeitpunkt des Angebots zur Verfügung zu stellen sind. Der Emittent dagegen sei nach Art. 23 Abs. 4 ProspektVO nicht verpflichtet, solche Informationen in den Prospekt aufzunehmen4. CESR empfiehlt allerdings, einen Hinweis in den Prospekt aufzunehmen wonach die noch offengelassenen Informationen zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gemacht würden5.

1 Vgl. dazu auch Schneider/Haag, CMLJ 2007, 370 (370 f.). 2 Vgl. zur „Blanket Clause“ im Allgemeinen auch CESR/03-162, Draft – CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Proposed Prospectus Directive, Rz. 216 ff. 3 Vgl. auch Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (11). 4 Vgl. insoweit auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang V EU-ProspektVO Rz. 35 wo offen gelassen wird, ob die Informationen nach Art. 23 Abs. 4 ProspektVO mangels Sachdienlichkeit nicht aufgenommen werden müssen oder ob entsprechend Erwägungsgrund 24 ProspektVO die entsprechenden Ziffern des Anhangs XII ProspektVO nicht anwendbar sind. 5 CESR/09-1148, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members, Stand Dezember 2009, Frage 56.

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2. Bedingungen des Angebots (Ziffer 5.1) a) Bedingungen, denen das Angebot unterliegt (Ziffer 5.1.1) 145 Unter Ziffer 5.1.1 Anhang XII ProspektVO fallen die Bedingungen, denen das Angebot unterliegt, beispielsweise ein Mindestemissionsvolumen oder eine Zeichnungsfrist. Darüber hinaus fallen unter „Bedingungen“ auch etwaige Beschränkungen Dritter (siehe oben Rz. 113 ff.). Ob neben diesen Bedingungen auch generell die Emissionsbedingungen der Wertpapiere unter Ziffer 5.1.1 Anhang XII ProspektVO fallen, erscheint fraglich. Die Informationen im Rahmen der Ziffer 5 Anhang XII ProspektVO dienen dazu, Angaben zu dem konkreten Erwerb der Wertpapiere, dem Zuteilungsverfahren, der Preisfestsetzung und der Platzierung der Wertpapiere in dem Prospekt offenzulegen. Da die Emissionsbedingungen nicht nur Angaben zum Erwerb der Wertpapiere enthalten, sondern insbesondere das Rechtverhältnis zwischen Anleger und Emittent regeln, sprechen die besseren Argumente dafür, dass die Emissionsbedingungen nicht komplett, sondern allenfalls teilweise in den Anwendungsbereich der Ziffer 5.1.1 Anhang XII ProspektVO fallen1. b) Gesamtsumme (Ziffer 5.1.2) 146 Der Prospekt muss gemäß Ziffer 5.1.2 Anhang XII ProspektVO Angaben zu der Gesamtsumme der Emission bzw. der Gesamtsumme des Angebots enthalten. Es kommt insoweit nicht auf die platzierten Wertpapiere, sondern auf die angebotenen Wertpapiere an. Grundsätzlich ist eine Zahlenangabe erforderlich. Wie aus § 8 Abs. 1 WpPG deutlich wird, können diese Informationen auch nachgereicht werden, so dass es ausreichend ist, wenn in einem Prospekt eine „Bis zu“-Angabe aufgenommen wird (siehe zu „Bis zu“-Angaben in endgültigen Bedingungen § 6 WpPG Rz. 105). c) Frist (Ziffer 5.1.3) 147 Nach Ziffer 5.1.3 Anhang XII ProspektVO ist im Prospekt grundsätzlich eine Frist aufzunehmen, während der das Angebot gilt. Dies erfordert, das Angaben zum Fristbeginn und zum Fristende in den Prospekt aufgenommen werden. Sofern Emittenten die Angabe konkreter Termine nicht erbringen können, sollte es jedoch möglich sein, den frühesten Termin für den Fristbeginn und den spätesten Termin für den Fristablauf aufzunehmen. Bei Zertifikaten und Optionsscheinen, bei denen häufig ein fortlaufender Abverkauf erfolgt, ist die Aufnahme eines Fristendes allerdings nicht möglich (siehe § 9 WpPG Rz. 10). 148 Zu beachten ist, dass der Beginn des öffentlichen Angebots gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG frühestens einen Werktag nach der Veröffentlichung des gebilligten Prospekts beginnen kann (siehe § 14 WpPG Rz. 6) bzw. im

1 AA Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 73, wonach die Emissionsbedingungen (insgesamt) unter Ziffer 5.1.1 Anhang XII ProspektVO fallen sollen.

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Fall eines Basisprospekts am Tag der Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen (siehe § 6 WpPG Rz. 88 ff.). Sofern die Möglichkeit besteht, dass die Angebotsfrist geändert wird, sollte 149 darauf in dem Prospekt hingewiesen werden. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn bereits Zeichnungsaufträge in Höhe des Angebotsvolumens der Emission vorliegen und durch die Verkürzung der Frist eine Überzeichnung und damit die Durchführung eines Zuteilungsverfahrens verhindert werden soll. d) Mindest- und Höchstbetrag (Ziffer 5.1.4) Wenn für die Zeichnung eines Wertpapiers ein Mindest- und/oder Höchstbetrag bestimmt ist, müssen gemäß Ziffer 5.1.4 Anhang XII ProspektVO Angaben dazu in den Prospekt aufgenommen werden. Denkbar ist es zB, dass eine bestimmte Anzahl Wertpapiere oder ein entsprechender Geldbetrag vorgegeben wird.

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e) Bedienung und Lieferung der Wertpapiere (Ziffer 5.1.5) Nach Ziffer 5.1.5 Anhang XII ProspektVO sind in einem Prospekt Methoden 151 und Fristen für die Bedienung von Wertpapieren und ihre Lieferung anzugeben (siehe dazu auch Anhang III EU-ProspektVO Rz. 48). Unter „Bedienung der Wertpapiere“ sind Angaben zu den Zahlungsmodalitä- 152 ten hinsichtlich der Zahlung des Kaufpreises für die Wertpapiere zu verstehen. Dazu gehören beispielsweise Angaben dazu, auf welches Konto der Preis für die Wertpapiere zu überweisen ist etc. Im Hinblick auf die „Frist der Bedienung“ ist die Periode anzugeben, innerhalb der ein Anleger den Kaufpreis für die Wertpapiere zahlen muss. Auch Teilbeträge, die im Hinblick auf den Kaufpreis gezahlt werden müssen, können beschrieben werden1. Die „Lieferung der Wertpapiere“ betrifft das Abwicklungsverfahren, dh. in dem Prospekt muss beschrieben werden, wie die Auslieferung der Wertpapiere erfolgt, wobei im Rahmen der Girosammelverwahrung die Wertpapiere auf das Konto der Depotbank eines Anlegers bei einer Wertpapiersammelbank (zB Clearstream Banking AG, Frankfurt) eingebucht werden. Entsprechend muss ein Prospekt auch Angaben dazu enthalten, welches Clearingsystem benutzt werden soll. Daneben muss ein Prospekt auch Information hinsichtlich der Frist für die Lieferung der Wertpapiere enthalten.

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f) Bekanntmachung der Ergebnisse des Angebots (Ziffer 5.1.6) Nach Ziffer 5.1.6 Anhang XII ProspektVO sind Emittenten und Anbieter verpflichtet, die Art und Weise und den Termin vollständig zu beschreiben, auf die bzw. an dem die Ergebnisse des Angebots bekanntzumachen sind (zur Relevanz bei Aktien im Rahmen von Bookbuilding-Verfahren siehe Anhang III EU-ProspektVO Rz. 49). 1 So auch für Vermögensanlagen Voß in Arndt/Voß, § 4 VermVerkProspV Rz. 62.

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155 Im Fall von „Bis zu“-Angaben ist zu differenzieren. Soweit sich die „Bis zu“-Angabe auf das Emissionsvolumen bezieht, dh. lediglich ein maximal mögliches Emissionsvolumen in den endgültigen Bedingungen eines Basisprospekts angegeben wird, das aber nicht voll ausgeschöpft werden muss, ist das tatsächlich begebene Volumen nachträglich zu veröffentlichen, zB auf der Webseite des Emittenten oder in einer Zeitungsanzeige (siehe dazu auch § 6 WpPG Rz. 105). Dadurch soll der Anleger in die Lage versetzt werden, abschätzen zu können, in welchem Umfang sich für die von ihm erworbenen Wertpapiere ein Sekundärmarkt etablieren kann1. Die entsprechende Verpflichtung folgt aber bereits aus Ziffer 5.1.2 Anhang XII ProspektVO (siehe oben Rz. 146), so dass ein Rückgriff auf Ziffer 5.1.6 Anhang XII ProspektVO entbehrlich ist. Da nach dem Wortlaut von Ziffer 5.1.2 Anhang XII ProspektVO allerdings nur die Gesamtsumme der Emission bzw. des Angebots bekannt zu machen ist, ist Ziffer 5.1.6 Anhang XII ProspektVO in den Fällen anwendbar, in denen andere Angaben als das Emissionsvolumen bzw. der Emissionspreis mit einer „Bis zu“-Angabe oder in einer anderen Weise noch nicht final in die endgültigen Bedingungen aufgenommen werden (siehe für den Fall von endgültigen Bedingungen § 6 WpPG Rz. 106). Soweit sich eine „Bis zu“-Angabe in einem einteiligen Prospekt befindet, gelten grundsätzlich die gleichen Anforderungen, wobei allerdings entsprechende Veröffentlichungspflichten unmittelbar aus § 8 WpPG abzuleiten sind (siehe § 8 WpPG Rz. 26 ff.). 156 Zu der Art der Offenlegung des Ergebnisses des Angebots siehe unter Anhang III EU-ProspektVO Rz. 49. 3. Verbreitung der Wertpapiere und Zuteilung (Ziffer 5.2) a) Anlegerkategorien und Tranchen (Ziffer 5.2.1) 157 In den Prospekt sind gemäß Ziffer 5.2.1 Anhang XII ProspektVO Informationen dazu aufzunehmen, welcher Kategorie von Anlegern die Wertpapiere angeboten werden sollen (zB institutionelle Investoren oder Privatanleger; siehe dazu auch Anhang III EU-ProspektVO Rz. 51). In Prospekten zu Optionsscheinen bzw. Zertifikaten finden sich dazu in der Praxis meist keine Angaben, da der Anlegerkreis regelmäßig nicht eingeschränkt ist. 158 Darüber hinaus muss der Prospekt gemäß Ziffer 5.2.1 Anhang XII ProspektVO Angaben zu der geographischen Verteilung der angesprochenen Investoren enthalten, wenn ein Teil der Emission lediglich Anlegern eines oder mehrerer bestimmter Länder vorbehalten ist (siehe dazu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 51). Durch diese Information soll der Anleger ein Überblick über die Gesamtemission erhalten2.

1 So auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 73. 2 Siehe zur ähnlichen Regelung in § 15 Abs. 1 Nr. 7 BörsZulV aF bzw. § 4 Nr. 9 VerkProspVO aF Heidelbach in Schwark, § 15 BörsZulV Rz. 8 bzw. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 4 VerkProspVO Rz. 21.

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b) Zuteilungsmeldung und Handel vor Zuteilung (Ziffer 5.2.2) Nach Ziffer 5.2.2 Anhang XII ProspektVO muss ein Prospekt Angaben zum Verfahren enthalten, aufgrund dessen den Zeichnern der zugeteilte Betrag gemeldet wird (siehe dazu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 54).

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Auch bei derivativen Wertpapieren kann die Frage relevant sein, ob die Aufnahme des Handels vor dem Meldeverfahren möglich ist. Nach § 38 Abs. 2 BörsG dürfen zwar Wertpapiere, die zur öffentlichen Zeichnung aufgelegt werden, erst nach beendeter Zuteilung in den regulierten Markt eingeführt werden1. Für den Freiverkehr ist allerdings in § 9 Abs. 5 Allgemeine Geschäftsbedingungen der Deutsche Börse AG für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse (Stand: 12.10.2009) geregelt, dass die Wertpapiere, die zur öffentlichen Zeichnung aufgelegt werden, abweichend von § 38 Abs. 2 BörsG bereits vor Beendigung der Zuteilung an die Zeichner in den Open Market einbezogen werden.

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4. Preisfestsetzung (Ziffer 5.3) Ziffer 5.3 Anhang XII ProspektVO ist insbesondere auf das Bookbuilding- 161 Verfahren als Preisfestsetzungsverfahren ausgelegt, da es ua. Informationen zur Methode der Preisfestsetzung und des Verfahrens zur Veröffentlichung des Preises fordert. Bei derivativen Wertpapieren spielt das BookbuildingVerfahren in der Praxis keine Rolle. Allerdings ist nach Ziffer 5.3 Anhang XII ProspektVO in diesen Fällen erforderlich, dass der Prospekt Angaben zu dem anfänglichen Verkaufspreis enthält, zu dem die Wertpapiere angeboten werden. Dazu zählen auch Informationen zu einem eventuellen Aufgeld (Agio) oder zu sonstigen Gebühren, die dem Anleger vom Emittent bzw. dem Anbieter berechnet werden. Angaben zu Gebühren, die von einer anderen Stelle als dem Emittent bzw. dem Anbieter erhoben werden, müssen nicht in den Prospekt aufgenommen werden. Vgl. zur nachträglichen Veröffentlichung des Emissionspreises auch § 8 WpPG Rz. 26 ff. Eine Anwendung von Ziffer 5.3 Anhang XII ProspektVO kommt auch dann in Betracht, wenn es sich bei den noch nicht final festgelegten Angaben nicht um den Emissionspreis handelt, sondern um andere Angaben, wie zB eine Kursschwelle, ein Höchstpreis oder Mindestzinssätze, zu denen sich nur eine indikative Angabe in dem Prospekt bzw. den endgültigen Bedingungen befindet (siehe zu den Argumenten für eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 1 WpPG in diesem Fall § 6 WpPG Rz. 106).

1 Zum Zweck des § 38 Abs. 2 BörsG siehe Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 164; zur entsprechenden Vorschrift in § 37 Abs. 2 BörsG aF Heidelbach in Schwark, § 37 BörsG Rz. 23 ff.

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5. Platzierung und Übernahme (Ziffer 5.4) a) Koordinator und Platzierer (Ziffer 5.4.1) 163 Nach dieser Ziffer sind gegebenenfalls Angaben zu Koordinator und Platzierer der Wertpapiere aufzunehmen (siehe dazu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 60). b) Zahl- und Verwahrstelle (Ziffer 5.4.2) 164 Nach Ziffer 5.4.2 Anhang XII ProspektVO müssen in einem Prospekt Name und Anschrift der Zahlstellen und Verwahrstellen in jedem Land aufgenommen werden. Die Verpflichtung, Angaben zur Zahl- und Hinterlegungsstelle in den Prospekt aufzunehmen, galt bereits vor Inkrafttreten der ProspektVO (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 6 BörsZulV aF bzw. § 4 Nr. 5 VerkProspVO aF). 165 Aus dem Wortlaut von Ziffer 5.4.2. Anhang XII ProspektVO lässt sich keine Verpflichtung ableiten, eine Zahl- und Hinterlegungsstelle in jedem Land, in dem ein Angebot erfolgen soll, zu errichten. Eine entsprechende Verpflichtung bestand auch nach alter Rechtslage nicht. Vielmehr soll durch den Wortlaut klargestellt werden, dass alle bestehenden Zahl- und Hinterlegungsstellen in dem Prospekt aufgeführt werden müssen1, was insbesondere bei grenzüberschreitenden Angeboten relevant sein kann. 166 Der Begriff der „Zahlstelle“ wird nicht einheitlich verwendet. Typischerweise bezeichnet „Zahlstelle“ die Stelle, bei welcher ein Prospekt im Wege der Schalterpublizität hinterlegt wird2. Diese Funktion ist von Ziffer 5.4.2 Anhang XII ProspektVO nicht umfasst, da nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 WpPG ein Prospekt in gedruckter Form nicht zwingend bei einer Zahlstelle, sondern auch beim Emittenten oder einem anderen in § 14 Abs. 2 Nr. 2 WpPG genannten Institut zur Ausgabe bereitgehalten werden kann. Die Zahlstelle iS der Ziffer 5.4.2 Anhang XII ProspektVO ist vielmehr die Stelle, die Auszahlungen an den Anleger durchführen bzw. veranlassen kann. bzw. die Stelle, die für die Einlösung fälliger Zinsscheine oder die Tilgung gekündigter oder ausgelaufene Wertpapiere zuständig ist3. 167 Die Verwahrstelle (auch Hinterlegungsstelle) war ursprünglich vor allem im Fall von Aktien relevant, hat aber seit der Abschaffung der Hinterlegungspflicht nach § 123 AktG aF im Aktienrecht keine Bedeutung mehr. Allerdings ist unter dem Begriff „Verwahrstelle“ auch eine Wertpapiersammelbank zu verstehen, bei der die Globalurkunde für die girosammelverwahrten Wertpapiere hinterlegt ist (siehe dazu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 61)4. 1 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 202. 2 Voß in Arndt/Voß, § 4 VermVerkProspV Rz. 60; Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/ Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 203. 3 Voß in Arndt/Voß, § 4 VermVerkProspV Rz. 60; Heidelbach in Schwark, § 39 BörsG Rz. 8 ff. 4 AA Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 85, der davon ausgeht, dass Angaben zur Verwahrstelle im Fall von Nicht-Dividendenwerten obsolet sind, da eine Verwahrung bei solchen Papieren nicht stattfindet.

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c) Übernahme der Emission (Ziffer 5.4.3 und Ziffer 5.4.4) Emittenten bedienen sich bei der Emission und Platzierung von Wertpapieren teilweise der Mitwirkung von Kreditinstituten. Bei größeren Emissionen unter EMTN-Programmen wirkt dabei nicht nur ein einzelnes Kreditinstitut mit, sondern ein Bankenkonsortium. Sofern ein Emittent sich der Mitwirkung eines oder mehrerer Kreditinstitute bedient, muss der Prospekt Angaben zu den einzelnen Instituten enthalten. Dies entspricht auch der vor Inkrafttreten des europäischen Prospektrechts in Deutschland geltenden Rechtslage nach § 4 Satz 1 VerkProspVO aF bzw. § 15 Abs. 1 Nr. 12 BörsZulV aF. Insbesondere ist klarzustellen, ob das einzelne Institut eine Emission aufgrund einer bindenden Zusage tätig wird, da nur in diesem Fall Ziffer 5.4.3 Anhang XII ProspektVO einschlägig ist (siehe zum Begriff „bindende Zusage“ Anhang III EU-ProspektVO Rz. 60). Sofern eine Emission nicht zur Gänze übernommen wird, muss der Prospekt auch Angaben zu dem nicht übernommenen Teil enthalten.

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Des Weiteren sind im Fall von syndizierten Produkten Angaben zu Übernahme- und Platzierungsprovisionen zu machen1. Die Übernahme- und Platzierungsprovision stellt dabei ein Entgelt für die Leistungen dar, die ein Bankenkonsortium bei der Übernahme und Unterbringung einer Anleihe erbringt. Platzierungsprovisionen können dabei aus dem Emissionserlös in Form einer einmaligen Zahlung geleistet werden oder der Vertriebsstelle wird alternativ durch den Emittenten ein entsprechender Abschlag auf den Ausgabepreis gewährt. Für den Fall, dass Provisionen gezahlt werden, kann es empfehlenswert sein, in den Risikofaktoren auf daraus resultierende Interessenkonflikte hinzuweisen (siehe oben Rz. 66).

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Nach Ziffer 5.4.4 Anhang XII ProspektVO sind in den Prospekt Angaben da- 170 zu aufzunehmen, zu welchem Zeitpunkt der Emissionsübernahmevertrag abgeschlossen wurde oder wird. d) Berechnungsstelle (Ziffer 5.4.5) Nach Ziffer 5.4.4 Anhang XII ProspektVO ist die Berechnungsstelle in dem 171 Prospekt zu nennen, wobei auch der Emittent selbst die Aufgaben der Berechnungsstelle übernehmen kann. Die Berechnungsstelle ist ua. zuständig für die Berechnung des Rückzahlungsbetrags, die Berechnung der Zinsen und gegebenenfalls auch für die Feststellung bestimmter Tatsachen, zB ob eine Marktstörung oder ein Anpassungsereignis eingetreten ist. Sofern die Berechnungsstelle eine gesonderte Stelle darstellt, ist die Stelle ausdrücklich zu benennen.

1 Heidelbach/Preuße, BKR 2008, 10 (11); Kullmann/Sester, ZBB-Report 2005, 209 (215); Zu Einzelheiten zu Provisionen bei syndizierten Produkten Ekkenga/ Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rz. 360 f.

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VII. Zulassung zum Handel und Handelsregeln (Ziffer 6) 6. Zulassung zum Handel und Handelsregeln 6.1. Angabe, ob die angebotenen Wertpapiere Gegenstand eines Antrags auf Zulassung zum Handel sind oder sein werden und auf einem geregelten Markt oder sonstigen gleichwertigen Märkten vertrieben werden sollen, wobei die jeweiligen Märkte zu nennen sind. Dieser Umstand ist anzugeben, ohne jedoch den Eindruck zu erwecken, dass die Zulassung zum Handel auch tatsächlich erfolgen wird. Wenn bekannt, sollte eine Angabe der frühestmöglichen Termine der Zulassung der Wertpapiere zum Handel erfolgen. 6.2. Angabe sämtlicher geregelten oder gleichwertigen Märkte, auf denen nach Kenntnis des Emittenten Wertpapiere der gleichen Wertpapierkategorie, die zum Handel angeboten oder zugelassen werden sollen, bereits zum Handel zugelassen sind. 6.3. Name und Anschrift der Institute, die aufgrund einer bindenden Zusage als Intermediäre im Sekundärhandel tätig sind und Liquidität mittels Geld- und Briefkursen zur Verfügung stellen, und Beschreibung der Hauptbedingungen der Zusagevereinbarung. 172 Hinsichtlich der Ziffern 6.1 und 6.2 Anhang XII ProspektVO gelten die entsprechenden Ausführungen in Anhang III ProspektVO (siehe Anhang III EU-ProspektVO Rz. 63 f.). Nach Ziffer 6.1 bzw. 6.2 Anhang XII ProspektVO muss ein Prospekt Informationen über die Zulassung zum Handel und die Handelsregeln enthalten, sofern die Wertpapiere an einem geregelten Markt zugelassen oder auf einem geregelten Markt vertrieben werden sollen (siehe dazu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 64). Auch wenn dies in der ProspektVO nicht ausdrücklich vorgesehen ist, wird in der Literatur vertreten, dass Ausführungen nach Ziffer 6.1 und 6.2 Anhang XII ProspektVO auch dann in den Prospekt aufgenommen werden sollen, wenn die Wertpapiere nicht an einem geregelten Markt bzw. organisierten Markt iS des Prospektrechts, sondern lediglich in den Freiverkehr einbezogen werden sollen1. Im Hinblick darauf, dass in Ziffer 6.1 Anhang XII ProspektVO auch Angaben zur Zulassung von Wertpapieren auf „sonstigen gleichwertigen Märkten“ aufgenommen werden sollen, wird man zumindest bei der Zulassung zu den Qualitätssegmenten Scoach im Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse oder EUWAX an der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse, in denen eine fortlaufende Quotierungsverpflichtung besteht, zu dem Ergebnis kommen, dass eine Angabe zur Zulassung an diesen Märkten erforderlich ist. Damit ist sichergestellt, dass der Anleger abschätzen kann, ob und in welchem Umfang ein Sekundärmarkt für die Wertpapiere besteht bzw. nicht besteht.

1 Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 88; zu § 4 Nr. 4 VerkProspektVO aF Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 4 VerkProspVO Rz. 12 f.; Heidelbach in Schwark, § 4 VerkProspV Rz. 4.

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EU-ProspektVO

Gemäß Ziffer 6.3 Anhang XII ProspektVO muss eine Prospekt Angaben zu Intermediären im Sekundärmarkt (Market Maker) enthalten. Während im Rahmen der Ziffer 6.4 Anhang III ProspektVO detaillierte Angaben zu den Instituten, die aufgrund einer bindenden Zusage als Intermediäre im Sekundärmarkt tätig sind, sowie Angaben zu den Hauptbedingungen der Zusagevereinbarung aufzunehmen sind, reicht es nach Ziffer 6.3 Anhang XII ProspektVO aus, dass lediglich Name und Anschrift des Intermediärs angegeben werden. Angaben zu dem Market Maker sind allerdings nur dann in den Prospekt aufzunehmen, wenn das Market Making nicht vom Emittenten selbst, sondern von einer anderen Stelle vorgenommen wird.

VIII. Zusätzliche Angaben (Ziffer 7) 7. Zusätzliche Angaben 7.1. Werden an einer Emission beteiligte Berater in der Wertpapierbeschreibung genannt, ist eine Erklärung zu der Funktion abzugeben, in der sie gehandelt haben. 7.2. Angabe weiterer Informationen in der Wertpapierbeschreibung, die von gesetzlichen Abschlussprüfern teilweise oder vollständig geprüft wurden und über die die Abschlussprüfer einen Bericht erstellt haben. Reproduktion des Berichts oder mit Erlaubnis der zuständigen Behörden Zusammenfassung des Berichts. 7.3. Wird in die Wertpapierbeschreibung eine Erklärung oder ein Bericht einer Person aufgenommen, die als Sachverständiger handelt, so sind der Name, die Geschäftsadresse, die Qualifikationen und – falls vorhanden – das wesentliche Interesse am Emittenten anzugeben. Wurde der Bericht auf Ersuchen des Emittenten erstellt, so ist eine diesbezügliche Erklärung dahingehend abzugeben, dass die aufgenommene Erklärung oder der aufgenommene Bericht in der Form und in dem Zusammenhang, in dem sie bzw. er aufgenommen wurde, die Zustimmung von Seiten dieser Person erhalten hat, die den Inhalt dieses Teils der Wertpapierbeschreibung gebilligt hat. 7.4. Sofern Angaben von Seiten Dritter übernommen wurden, ist zu bestätigen, dass diese Information korrekt wiedergegeben wurde und dass – soweit es dem Emittenten bekannt ist und er aus den von dieser dritten Partei veröffentlichten Informationen ableiten konnte – keine Tatsachen unterschlagen wurden, die die reproduzierten Informationen unkorrekt oder irreführend gestalten würden. Darüber hinaus hat der Emittent die Quelle(n) der Informationen zu anzugeben. 7.5. Im Prospekt ist anzugeben, ob der Emittent die Veröffentlichung von Informationen nach erfolgter Emission beabsichtigt. Hat der Emittent die Veröffentlichung derartiger Informationen angekündigt, hat er im Prospekt zu spezifizieren, welche Informationen veröffentlicht werden und wo man sie erhalten kann.

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Anhang XII

174 Nach Ziffer 7.1 Anhang XII ProspektVO ist in einem Prospekt eine Erklärung zur Funktion aufzunehmen, wenn in dem Prospekt an einer Emission beteiligte Berater genannt werden. Dadurch soll dem Anleger ein etwaiger Einfluss des Beraters bei einer Emission offengelegt werden1. Berater können beispielsweise Rechtsanwälte, Steuerberater etc. sein2. In der Regel werden solche Berater allerdings nicht in einem Prospekt erwähnt, so dass entsprechende Erklärungen zur Funktion nicht erforderlich sind (siehe dazu auch Anhang III EU-ProspektVO Rz. 84). 175 In einen Prospekt können nach Ziffer 7.2 Anhang XII ProspektVO geprüfte Angaben von gesetzlichen Abschlussprüfern bzw. einer prüferischen Durchsicht unterzogene Angaben aufgenommen werden, für die ein Abschlussprüfer einen Bestätigungsvermerk erstellt hat (siehe dazu Anhang III EUProspektVO Rz. 85). Darunter fallen beispielsweise zusätzliche Abschlüsse eines Unternehmens oder ausgewählte Finanzinformationen, die nicht bereits zu den Mindestangaben im Rahmen eines Schemas für Registrierungsformulare fallen. 176 Sofern ein Prospekt eine Erklärung oder einen Bericht einer Person enthält, die als Sachverständiger handelt, muss ein Prospekt nach Ziffern 7.3 Anhang XII ProspektVO Informationen dazu enthalten, woher diese Informationen stammen. Des Weiteren sind etwaige Interessenkonflikte offen zu legen. Dadurch soll Anlegern die Möglichkeit gegeben werden, festzustellen, woher die Informationen, die im Prospekt enthalten sind, stammen, und in was für einem Zusammenhang sie abgegeben wurden. Zur Nichtanwendbarkeit der Ziffer 7.3 Anhang XII ProspektVO auf Bestätigungsvermerke von Wirtschaftsprüfern siehe unter Anhang III EU-ProspektVO Rz. 86. 177 Sofern in einen Prospekt Angaben Dritter aufgenommen werden, muss der Prospekt eine an Ziffer 7.4 Anhang XII ProspektVO orientierte „Haftungserklärung“ enthalten (siehe dazu Anhang III EU-ProspektVO Rz. 90 ff.). Neben etwaigen Erklärungen oder Berichten von Sachverständigen, muss auch bei Basiswertbeschreibungen, die anhand von Informationen von Seiten Dritter erstellt werden, eine entsprechende Bestätigung abgegeben werden. 178 Nach Ziffer 7.5 Anhang XII ProspektVO ist im Prospekt über Anhang V ProspektVO hinausgehend anzugeben, ob der Emittent die Veröffentlichung von Informationen nach erfolgter Emission beabsichtigt. Darunter sind Informationen zu verstehen, zu denen der Emittent sich zivilrechtlich verpflichtet und zu deren Veröffentlichung er nicht prospektrechtlich verpflichtet ist. Ein Emittent kann sich in den Emissionsbedingungen beispielsweise dazu verpflichten, variable Zinssätze während der Laufzeit eines Wertpapiers oder bestimmte Anpassungsmaßnahmen im Hinblick auf den Basiswert, die im Rahmen eines dem Emittenten eingeräumten Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB festgelegt werden, zu veröffentlichen. Vor dem Hintergrund des § 8 WpPG ist ein Emittent darüber hinaus 1 Glismann in Holzborn, Anh. V EU-ProspV Rz. 30. 2 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang III EU-ProspektVO Rz. 264.

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verpflichtet, im Fall, dass der Prospekt indikative Angaben enthält, die endgültig festgelegten Konditionen zu veröffentlichen (siehe dazu oben Rz. 162 und § 6 WpPG Rz. 106). In der Regel enthalten die Emissionsbedingungen Ausführungen dazu, wie die jeweiligen Veröffentlichungen im Hinblick auf die Wertpapiere erfolgen. In Betracht kommen insoweit beispielsweise eine Veröffentlichung auf der Internetseite des Emittenten, ein Veröffentlichung in einer Zeitung oder die Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger.

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Anhang XIII Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 EUR (Schema) Schrifttum: Kullmann/Sester, Inhalt und Format von Emissionsprospekten nach dem WpPG, ZBB-Report 2005, 209; Kunold, Die neue EU-Prospektrichtlinie – Inhalt und Auswirkungen auf das deutsche Kapitalmarktrecht, BB 2004, 501; Seitz, Das neue Wertpapierprospektgesetz – Auswirkungen auf die Emission von Schuldverschreibungen, AG 2005, 678. Inhaltsübersicht I. Anwendungsbereich 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 1 2. Abgrenzung zu anderen Anhängen der ProspektVO a) Abgrenzung zu Anhang V ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von weniger als 50.000 Euro) . . . . . . . . 7 b) Abgrenzung zu Anhang XII ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für derivative Wertpapiere) . . . 10 c) Abgrenzung zu Anhang III ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Aktien) . . . . . . . . . . . . . . 11

II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) . . . . . . . . . . . . . . .

12

III. Risikofaktoren (Ziffer 2) . . . .

13

IV. Wichtige Angaben (Ziffer 3) .

15

V. Angaben über die zum Handel zuzulassenden Wertpapiere (Ziffer 4) . . . . . . . . . . . . . . . 17 VI. Zulassung zum Handel und Handelsregeln (Ziffer 5) . . . .

25

VII. Kosten der Zulassung zum Handel (Ziffer 6) . . . . . . . . .

28

VIII. Zusätzliche Angaben (Ziffer 7) . . . . . . . . . . . . . . .

29

I. Anwendungsbereich 1. Allgemeines 1

Nach Art. 16 Abs. 1 ProspektVO werden die Mindestinformationen bei der Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro nach dem in Anhang XIII ProspektVO festgelegten Schema zusammengestellt.

2

Das Schema gilt nach Art. 16 Abs. 2 ProspektVO für Schuldtitel (zum Begriff „Schuldtitel“ siehe Anhang V EU-ProspektVO Rz. 2), bei denen der Emittent aufgrund der Emissionsbedingungen verpflichtet ist, dem Anleger 100 % des Nominalwertes zu zahlen, der uU noch durch eine Zinszahlung aufgestockt wird. Erfasst sind somit kapitalgarantierte Schuldtitel (vgl. Anhang V EU-ProspektVO Rz. 11)1. 1 Seitz, AG 2005, 678 (687).

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Anhang XIII ProspektVO ist anwendbar, wenn die Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen. Dies folgt im Umkehrschluss aus Art. 3 Abs. 2 lit. d Prospektrichtlinie bzw. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WpPG. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WpPG gilt die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts im Fall eines öffentlichen Angebots dann nicht, wenn die Wertpapiere eine Mindeststückelung von 50.000 Euro aufweisen1.

3

Anhang XIII ProspektVO gilt auch dann, wenn ein Mindestbetrag von 4 50.000 Euro für den Erwerb festgelegt ist. Abweichend von Art. 12 ProspektVO, der das Schema von Anhang IX ProspektVO für das Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro in den Fällen für anwendbar erklärt, in denen die Mindeststückelung oder die Mindesterwerbsgröße 50.000 Euro beträgt, ist in Art. 16 ProspektVO zwar eine entsprechende Klarstellung hinsichtlich der Mindesterwerbsgröße nicht enthalten. Für die Gleichbehandlung von Art. 16 ProspektVO mit Art. 12 ProspektVO, dh. dafür, dass für Art. 16 ProspektVO auch die Mindesterwerbsgröße maßgeblich ist, spricht aber der Umstand, dass es widersprüchlich wäre, wenn zwar für das Registrierungsformular die niedrigeren Anforderungen aufgrund der Mindestbetragsgrenze, nicht aber für die Wertpapierbeschreibung gelten2. Anhang XIII ProspektVO ist auch dann einschlägig, wenn die Wertpapiere 5 in einer anderen Währung als Euro begeben werden. Nach Erwägungsgrund Nr. 14 ProspektVO ist in diesem Fall aber erforderlich, dass die Mindeststückelung der Wertpapiere bzw. die Mindesterwerbsgröße nach Umrechnung in Euro ebenfalls mindestens 50.000 Euro beträgt (vgl. dazu auch § 3 WpPG Rz. 31). Anhang XIII ProspektVO ist jedenfalls nicht auf Aktien anwendbar. Art. 12 ProspektVO (Schema für das Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro) und Art. 16 ProspektVO weisen zwar einen unterschiedlichen Wortlaut hinsichtlich der Anwendbarkeit des jeweiligen Schemas auf, da in Art. 12 ProspektVO explizit darauf hingewiesen wird, dass Art. 12 ProspektVO nur dann anwendbar ist, wenn es sich bei den Wertpapieren um solche handelt, die nicht unter Art. 4 ProspektVO fallen. Aufgrund der Sonderregelung in Art. 6 ProspektVO im Hinblick auf die Wertpapierbeschreibung für Aktien, ist aber auch im Rahmen des Art. 16 ProspektVO davon auszugehen, dass darunter nur solche Wertpapiere fallen, die nicht bereits von Art. 6 ProspektVO umfasst sind3.

1 Im Ergebnis so auch Zeising in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang V EU-ProspektVO Rz. 3; zu den Ausnahmen zur Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts siehe die Kommentierung zu § 3 WpPG Rz. 12 ff. 2 So auch Glismann in Holzborn, Anh. XIII EU-ProspV Rz. 1. 3 Glismann in Holzborn, Anh. XIII EU-ProspV Rz. 1.

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2. Abgrenzung zu anderen Anhängen der ProspektVO a) Abgrenzung zu Anhang V ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von weniger als 50.000 Euro) 7

Wie Anhang V ProspektVO gilt auch Anhang XIII ProspektVO für Schuldtitel, bei denen der Emittent aufgrund der Emissionsbedingungen verpflichtet ist, dem Anleger 100 % des Nominalwerts zu zahlen, der uU noch durch eine Zinszahlung aufgestockt wird. Während Anhang V ProspektVO aber dann angewendet wird, wenn die Mindeststückelung weniger als 50.000 Euro beträgt, findet Anhang XIII ProspektVO Anwendung, wenn die Mindeststückelung mindestens 50.000 Euro beträgt1.

8

Gegenüber den Mindestanforderungen, die in Anhang V ProspektVO vorgesehen sind, sieht Anhang XIII ProspektVO teilweise geringere bzw. weniger detaillierte Anforderungen vor2. So ist es beispielsweise nicht erforderlich, dass die Gründe für das Angebot offen gelegt werden oder Angaben zur Verwendung der Erträge gemacht werden. Ebenso sind Angaben zur Renditeberechnung und Angaben zur Quellenbesteuerung abweichend von Anhang V ProspektVO nicht erforderlich. Auch Angaben zu den Bedingungen und Konditionen des Angebots, die nach Ziffer 5 Anhang V ProspektVO grundsätzlich in den Prospekt aufzunehmen sind, zählen im Rahmen des Anhangs XIII ProspektVO nicht zu den in den Prospekt aufzunehmenden Mindestangaben. Letztlich sind auch Angaben zur Zulassung zum Handel nicht in der Detailtiefe wie in Anhang V ProspektVO gefordert. Die unterschiedlichen Prospektinhalte resultieren daraus, dass bei einer Mindeststückelung von 50.000 Euro idR davon auszugehen ist, dass diese Wertpapiere nicht von Kleinanlegern (retail investors), sondern von Großanlegern (wholesale investors) erworben werden, die ihre Anlageentscheidung auf andere Elemente stützen können als Kleinanleger (siehe dazu Erwägungsgrund Nr. 14 ProspektVO).

9

Allerdings bleibt es Emittenten unbenommen, anstelle des Anhang XIII ProspektVO den strengeren Anhang V ProspektVO anzuwenden, wenn dies nach Ansicht des Emittenten als sinnvoll erscheint, dem Anleger ein vollständigeres Bild über die angebotenen Schuldtitel zu ermöglichen (siehe zu den Kombinationsmöglichkeiten auch Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 20 ff.). b) Abgrenzung zu Anhang XII ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für derivative Wertpapiere)

10

Da Anhang XIII ProspektVO (wie auch Anhang V ProspektVO) nur dann auf Schuldtitel anwendbar ist, wenn der Anspruch auf Rückzahlung von 100 % des Nominalwerts entsprechend den Emissionsbedingungen während der gesamten Laufzeit der Wertpapiere gesichert ist, findet Anhang XII Pro-

1 Siehe dazu auch Kunold, BB 2004, 501 (508). 2 Kullmann/Sester, ZBB 2005, 209 (213).

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spektVO als Auffangtatbestand in den Fällen Anwendung, in denen die genannte Sicherung des Rückzahlungsbetrags nicht besteht (siehe ausführlich zur Abgrenzung zwischen Anhang XIII ProspektVO und Anhang XII ProspektVO in der Kommentierung zu Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 19). c) Abgrenzung zu Anhang III ProspektVO (Schema für die Wertpapierbeschreibung für Aktien) Anhang III ProspektVO findet nach Art. 6 Abs. 2 ProspektVO dann Anwendung, wenn es sich bei den zu begebenden Wertpapieren um Aktien oder andere übertragbare, Aktien gleichzustellende Wertpapiere handelt (siehe dazu auch oben Rz. 6 und allgemein zum Anwendungsbereich von Anhang III ProspektVO ausführlich in der Kommentierung zu Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 12 ff.).

11

II. Verantwortliche Personen (Ziffer 1) 1. Verantwortliche Personen 1.1. Alle Personen, die für die im Prospekt gemachten Angaben bzw. für bestimmte Abschnitte des Prospekts verantwortlich sind. Im letzteren Fall ist eine Angabe der entsprechenden Abschnitte vorzunehmen. Im Falle von natürlichen Personen, zu denen auch Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane des Emittenten gehören, sind der Name und die Funktion dieser Person zu nennen. Bei juristischen Personen sind Name und eingetragener Sitz der Gesellschaft anzugeben. 2.2. Erklärung der für den Prospekt verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die im Prospekt genannten Angaben ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen ausgelassen worden sind, die die Aussage des Prospekts wahrscheinlich verändern. Ggf. Erklärung der für bestimmte Abschnitte des Prospekts verantwortlichen Personen, dass sie die erforderliche Sorgfalt haben walten lassen, um sicherzustellen, dass die in dem Teil des Prospekts genannten Angaben, für die sie verantwortlich sind, ihres Wissens nach richtig sind und keine Tatsachen ausgelassen worden sind, die die Aussage des Prospekts wahrscheinlich verändern. Die Mindestangaben in Ziffer 1 von Anhang XIII ProspektVO stimmen mit den Mindestangaben nach Ziffer 1 von Anhang V ProspektVO bzw. den Mindestangaben nach Ziffer 1 von Anhang III ProspektVO überein, so dass insoweit auf die dort getroffenen Ausführungen verwiesen werden kann (siehe Anhang V EU-ProspektVO Rz. 14 ff. bzw. Anhang III EU-ProspektVO Rz. 2 ff.).

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III. Risikofaktoren (Ziffer 2) 2. Risikofaktoren Klare Offenlegung der Risikofaktoren, die für die zum Handel zuzulassenden Wertpapiere von wesentlicher Bedeutung sind, wenn es darum geht, das Marktrisiko zu bewerten, mit dem diese Wertpapiere behaftet sind. Diese Offenlegung muss unter der Rubrik „Risikofaktoren“ erfolgen. 13

Der Wortlaut der Ziffer 2 Anhang XIII ProspektVO stimmt weitgehend mit den Wortlauten der Ziffer 4 Anhang I ProspektVO und Ziffer 2 Anhang V ProspektVO überein. Es wird daher auf die Kommentierung zu Anhang I ProspektVO (siehe Anhang I EU-ProspektVO Rz. 32 ff.) und Anhang V ProspektVO (siehe Anhang V EU-ProspektVO Rz. 17 ff.) verwiesen. Abweichend von Ziffer 2 Anhang V ProspektVO stellt Ziffer 2 Anhang XIII ProspektVO nicht auf eine Offenlegung der Risikofaktoren ab, die für die „anzubietenden Wertpapiere“ von ausschlaggebender Bedeutung sind. Die Abweichung resultiert daraus, dass ein prospektpflichtiges Angebot im Fall einer Mindeststückelung von 50.000 Euro nicht besteht (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WpPG) und dementsprechend Anhang XIII ProspektVO nur im Fall einer Zulassung zum Handel anwendbar ist.

14

Da sich die Wertpapiere, die im Rahmen des Anhangs XIII ProspektVO begeben werden, an institutionelle Anleger richten, sind an die Detailtiefe der Darstellung der Risikofaktoren keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Diese Differenzierung wird zwar nicht aus dem Wortlaut der ProspektVO deutlich, kann aber aus Erwägungsgrund Nr. 14 ProspektVO abgeleitet werden und entspricht auch der Wertung im Vergleich zu anderen kapitalmarktrechtlichen Bestimmungen (vgl. inbesondere §§ 4 und 5 WpDVerOV). Allerdings empfiehlt es sich, auch im Rahmen des Anhang XIII ProspektVO zumindest auf die sich aus der konkreten Struktur des Wertpapiers ergebenden Risiken näher einzugehen.

IV. Wichtige Angaben (Ziffer 3) 3. Wichtige Angaben Interessen von Seiten natürlicher und juristischer Personen, die an der Emission beteiligt sind. Beschreibung jeglicher Interessen – einschließlich Interessenskonflikte –, die für die Emission von wesentlicher Bedeutung sind, wobei die involvierten Personen zu spezifizieren und die Art der Interessen darzulegen ist. 15

Im Rahmen der Ziffer 3 Anhang XIII ProspektVO sind wie auch im Rahmen der Ziffer 3.1 Anhang V ProspektVO bzw. Ziffer 3.1 Anhang XII ProspektVO jegliche Interessen von Seiten natürlicher und juristischer Personen – einschließlich Interessenkonflikte –, die für die Emission von wesentlicher Bedeutung sind, zu beschreiben. Hierbei sind die involvierten natürlichen und

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juristischen Personen zu spezifizieren und es ist die Art der Interessen darzulegen. Es gelten insoweit die Ausführungen unter Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 67 ff. Abweichend von Ziffer 3 Anhang V ProspektVO bzw. Ziffer 3.1 Anhang XII ProspektVO sind nur die Interessen von Seiten natürlicher und juristischer Personen darzustellen, die an der „Emission“ beteiligt sind, wohingegen nach Ziffer 3.1 Anhang V ProspektVO bzw. Ziffer 3.1 Anhang XII ProspektVO auch Interessen natürlicher und juristischer Personen darzustellen sind, die an dem „Angebot“ beteiligt sind. Die Abweichung resultiert daraus, dass die Mindeststückelung der Wertpapiere im Rahmen des Anhangs XIII ProspektVO 50.000 Euro beträgt und dementsprechend kein prospektpflichtiges Angebot vorliegt, weshalb ein Prospekt nur im Fall einer Zulassung zum Handel zu erstellen ist (siehe dazu oben Rz. 3). Abweichend von Ziffer 3.2 Anhang V ProspektVO bzw. Ziffer 3.2 Anhang XII ProspektVO ist es im Rahmen von Anhang XIII ProspektVO nicht erforderlich, dass die Gründe für das Angebot und die Verwendung der Erlöse offen gelegt werden.

V. Angaben über die zum Handel zuzulassenden Wertpapiere (Ziffer 4) 4. Angaben über die zum Handel zuzulassenden Wertpapiere 4.1. Gesamtbetrag der Wertpapiere, die zum Handel zuzulassen sind. 4.2. Beschreibung des Typs und der Kategorie der zum Handel zuzulassenden Wertpapiere einschließlich der ISIN (International Security Identification Number) oder eines ähnlichen Sicherheitsidentifikationscodes. 4.3. Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage die Wertpapiere geschaffen wurden. 4.4. Angabe, ob es sich bei den Wertpapieren um Namenspapiere oder um Inhaberpapiere handelt und ob die Wertpapiere verbrieft oder stückelos sind. In letzterem Fall sind der Name und die Anschrift des die Buchungsunterlagen führenden Instituts zu nennen. 4.5. Währung der Wertpapieremission. 4.6. Rangfolge der Wertpapiere, die zum Handel zugelassen werden sollen, einschließlich der Zusammenfassung etwaiger Klauseln, die die Rangfolge beeinflussen können oder das Wertpapier derzeitigen oder künftigen Verbindlichkeiten des Emittenten nachordnen können. 4.7. Beschreibung der Rechte – einschließlich ihrer etwaigen Beschränkungen –, die an die Wertpapiere gebunden sind, und des Verfahrens zur Ausübung dieser Rechte. 4.8. Angabe des nominalen Zinssatzes und Bestimmungen zur Zinsschuld: – Datum, ab dem die Zinsen fällig werden und Zinsfälligkeitstermine;

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4.9.

4.10. 4.11.

4.12.

4.13. 4.14.

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– Frist für die Einbringung von Zinsforderungen und Rückzahlung des Kapitalbetrages. Ist der Zinssatz nicht festgelegt, Beschreibung des Basiswertes, auf den er sich stützt, und der verwendeten Methode zur Verbindung beider Werte: – Beschreibung etwaiger Vorfälle, die eine Marktzerrüttung oder eine Störung der Abrechnung bewirken und die sich auf den Basiswert auswirken; – Anpassungsregeln bei Vorfällen, die den Basiswert beeinflussen; – Name der Berechnungsstelle. Fälligkeitstermin und Vereinbarungen für die Darlehenstilgung, einschließlich der Rückzahlungsverfahren. Wird auf Initiative des Emittenten oder des Wertpapierinhabers eine vorzeitige Tilgung ins Auge gefasst, so ist sie unter Angabe der Tilgungsbedingungen zu beschreiben. Angabe der Rendite. Repräsentation der Schuldtitelinhaber unter Angabe der die Anleger vertretenden Organisation und der auf die Repräsentation anwendbaren Bestimmungen. Angabe des Ortes, an dem die Anleger die Verträge einsehen können, die diese Repräsentationsformen regeln. Angabe der Beschlüsse, Ermächtigungen und Billigungen, die die Grundlage für die erfolgte Schaffung der Wertpapiere und/oder deren Emission bilden. Angabe des Emissionstermins der Wertpapiere. Darstellung etwaiger Beschränkungen für die freie Übertragbarkeit der Wertpapiere.

17

Aufgrund des weitgehend gleichen Wortlauts kann im Hinblick auf die Mindestangaben nach Ziffer 4 Anhang XIII ProspektVO weitgehend auf die entsprechende Kommentierung zu Ziffer 4 Anhang V ProspektVO (siehe Anhang V EU-ProspektVO Rz. 32 ff.) bzw. zu Ziffer 4 Anhang XII ProspektVO (siehe Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 73 ff.) verwiesen werden.

18

Ziffer 4 Anhang XIII ProspektVO weist die folgenden Besonderheiten auf:

19

– Abweichend von Ziffer 4 Anhang V ProspektVO ist im Rahmen des Anhang XIII ProspektVO nach Ziffer 4.1 der Gesamtbetrag der Wertpapiere, die zum Handel zuzulassen sind, anzugeben. Angegeben werden kann insoweit entweder der Gesamtnennbetrag oder – falls die Wertpapiere nicht über einen Nennbetrag verfügen – die Anzahl der Wertpapiere, die zugelassen werden sollen1.

20

– Ähnlich wie Ziffer 4.7 Anhang V ProspektVO verlangt auch Ziffer 4.8 Anhang XIII ProspektVO Informationen zum Zinssatz, zur Bestimmung der Zinsschuld sowie zu einem etwaigen Basiswert. Während Ziffer 4.7 An1 Glismann in Holzborn, Anh. XIII EU-ProspV Rz. 9.

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hang V ProspektVO aber im Fall eines nicht festgelegten Zinssatzes verlangt, dass der Prospekt Informationen darüber enthält, wo Informationen über die vergangene und künftige Wertentwicklung des Basiswerts und seine Volatilität eingeholt werden können, sind entsprechende Angaben nach Ziffer 4.8 Anhang XIII ProspektVO nicht erforderlich. Des Weiteren ist – abweichend von Ziffer 4.7 Anhang V ProspektVO – auch dann, wenn das Wertpapier eine derivative Komponente bei der Zinszahlung aufweist, eine klare und umfassende Erläuterung, die den Anlegern verständlich macht, wie der Wert ihrer Anlage durch den Wert des Basisinstruments/ der Basisinstrumente beeinflusst wird, im Rahmen von Ziffer 4.8 Anhang XIII ProspektVO nicht erforderlich. Zu den Gründen für die geringeren Anforderungen bei Anhang XIII ProspektVO siehe oben Rz. 8. – Entsprechend Ziffer 4.9 Anhang V ProspektVO ist auch nach Ziffer 4.10 Anhang XIII ProspektVO eine Angabe der Rendite in den Prospekt aufzunehmen. Abweichend von Ziffer 4.9 Anhang V ProspektVO ist dabei aber eine Darlegung der Methode zur Berechnung der Rendite im Rahmen der Ziffer 4.10 Anhang XIII ProspektVO nicht erforderlich.

21

– Im Gegensatz zu Ziffer 4.11 Anhang V ProspektVO ist nach Ziffer 4.12 Anhang XIII ProspektVO in jedem Fall, dh. nicht nur im Fall von Neuemissionen, eine Angabe der Beschlüsse, Ermächtigungen und Genehmigungen erforderlich, die die Grundlage für die erfolgte Schaffung der Wertpapiere und/oder deren Emission bilden.

22

– Nach Ziffer 4.13 Anhang XIII ProspektVO ist die Angabe des erwarteten 23 Emissionstermins der Wertpapiere – abweichend von Ziffer 4.12 Anhang V ProspektVO (siehe Anhang V EU-ProspektVO Rz. 45 f.) – nicht nur im Fall einer Neuemission in den Prospekt aufzunehmen. – Abweichend von Ziffer 4.14 Anhang V ProspektVO ist nach Anhang XIII 24 ProspektVO die Aufnahme von Angaben zur Quellenbesteuerung nicht erforderlich. Dies resultiert – auch hier – aus der Überlegung, dass sich institutionelle Anleger in der Regel über die für sie maßgeblichen Steuerproblematiken informieren und es dementsprechend nicht erforderlich ist, dass der Emittent Angaben dazu in den Prospekt aufnimmt1.

VI. Zulassung zum Handel und Handelsregeln (Ziffer 5) 5. Zulassung zum Handel und Handelsregeln 5.1. Angabe des Marktes, auf dem die Wertpapiere gehandelt werden und für die ein Prospekt veröffentlicht wurde. Wenn bekannt, sollten die frühestmöglichen Termine für die Zulassung der Wertpapiere zum Handel angegeben werden. 5.2. Name und Anschrift etwaiger Zahlstellen und Verwahrstellen in jedem Land. 1 Glismann in Holzborn, Anh. XIII EU-ProspV Rz. 8.

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Nach Ziffer 5.1 Anhang XIII ProspektVO sind in dem Prospekt Angaben zu dem Markt, auf dem die Wertpapiere gehandelt werden und für die ein Prospekt veröffentlicht wurde, aufzunehmen. Ebenso sollte – wenn bekannt – der frühestmögliche Termin für die Zulassung der Wertpapiere zum Handel angegeben werden. Diese Angabe dient dazu, den Anleger darüber zu informieren, an welcher Börse und ab welchem Zeitpunkt er seine Wertpapiere wieder verkaufen kann1.

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Darüber hinaus sind nach Ziffer 5.2 Anhang XIII ProspektVO auch der Name und die Anschrift etwaiger Zahlstellen und Verwahrstellen in jedem Land anzugeben. Die Mindestangaben dazu entsprechen den Mindestangaben zur Zahl- und Verwahrstelle, die im Rahmen der Ziffer 5.4.2 Anhang V ProspektVO bzw. Ziffer 5.4.2 Anhang XII ProspektVO in den Prospekt aufzunehmen sind, so dass insoweit auf die Ausführungen in Anhang XII EUProspektVO Rz. 164 ff. verwiesen werden kann.

27

Im Gegensatz zu Ziffer 6 Anhang V ProspektVO bzw. Ziffer 6 Anhang XII ProspektVO stellt Ziffer 5 Anhang XIII ProspektVO geringere Anforderungen an die aufzunehmenden Mindestinformationen, da sich die angebotenen Schuldtitel an institutionelle Anleger richten. So sind Angaben zu sämtlichen geregelten oder gleichwertigen Märkten, auf denen nach Kenntnis des Emittenten Wertpapiere der gleichen Wertpapierkategorie bereits zugelassen sind, entbehrlich (vgl. auch Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 172).

VII. Kosten der Zulassung zum Handel (Ziffer 6) 6. Kosten der Zulassung zum Handel Angabe der geschätzten Gesamtkosten für die Zulassung zum Handel. 28

Nach Ziffer 6 Anhang XIII ProspektVO sind in dem Prospekt Angaben der geschätzten Gesamtkosten für die Zulassung zum Handel aufzunehmen (nicht zu verwechseln ist dies mit den Anforderungen von Ziffer 3.2 Anhang XII ProspektVO bzw. Ziffer 3.2 Anhang V ProspektVO). Entsprechende Mindestangaben werden in den Schemata nach Anhang V ProspektVO bzw. Anhang XII ProspektVO nicht gefordert. Die Kosten für die Zulassung zum Handel orientieren sich dabei in erster Linie an der Gebührenordnung der Börse, an der die Zulassung zum Handel erfolgen soll. Die Gesamtkosten umfassen auch etwaige Kosten für Wirtschaftsprüfer und Anwälte.

VIII. Zusätzliche Angaben (Ziffer 7) 7. Zusätzliche Angaben 7.1. Werden an einer Emission beteiligte Berater in der Wertpapierbeschreibung genannt, ist eine Erklärung zu der Funktion abzugeben, in der sie gehandelt haben. 1 Glismann in Holzborn, Anh. XIII EU-ProspV Rz. 22.

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Seitz/Maier

EU-ProspektVO

Anhänge XIV–XVIII

7.2. Angabe weiterer Informationen in der Wertpapierbeschreibung, die von gesetzlichen Abschlussprüfern teilweise oder vollständig geprüft wurden und über die die Abschlussprüfer einen Prüfungsbericht erstellt haben. Reproduktion des Berichts oder mit Erlaubnis der zuständigen Behörden Zusammenfassung des Berichts. 7.3. Wird in die Wertpapierbeschreibung eine Erklärung oder ein Bericht einer Person aufgenommen, die als Sachverständiger handelt, so sind der Name, die Geschäftsadresse, die Qualifikationen und – falls vorhanden – das wesentliche Interesse am Emittenten anzugeben. Wurde der Bericht auf Ersuchen des Emittenten erstellt, so ist eine diesbezügliche Erklärung dahingehend abzugeben, dass die aufgenommene Erklärung oder der aufgenommene Bericht in der Form und in dem Zusammenhang, in dem sie bzw. er aufgenommen wurde, die Zustimmung von Seiten dieser Person erhalten hat, die den Inhalt dieses Teils der Wertpapierbeschreibung gebilligt hat. 7.4. Sofern Angaben von Seiten Dritter übernommen wurden, ist zu bestätigen, dass diese Information korrekt wiedergegeben wurde und dass – soweit es dem Emittenten bekannt ist und er aus den von dieser dritten Partei veröffentlichten Informationen ableiten konnte – keine Tatsachen unterschlagen wurden, die die wiedergegebenen Informationen unkorrekt oder irreführend gestalten würden. Darüber hinaus ist/sind die Quelle(n) der Informationen anzugeben. 7.5. Angabe der Ratings, mit dem ein Emittent oder seine Schuldtitel auf Anfrage des Emittenten oder in Zusammenarbeit mit dem Emittenten im Rahmen eines Ratingverfahrens bewertet wurde(n). Die Anforderungen nach Ziffer 7 Anhang XIII ProspektVO entsprechen weitgehend Ziffer 7 Anhang XII ProspektVO, so dass insoweit auf die Ausführungen in Anhang XII EU-ProspektVO Rz. 174 ff. verwiesen werden kann.

29

Nach Ziffer 7.5 Anhang XIII ProspektVO sind in den Prospekt Angaben zum Rating aufzunehmen, mit dem ein Emittent oder seine Schuldtitel auf Anfrage des Emittenten oder in Zusammenarbeit mit dem Emittenten im Rahmen eines Ratingverfahrens bewertet wurden. Abweichend von Ziffer 7.5 Anhang V ProspektVO ist im Rahmen der Ziffer 7.5 Anhang XIII ProspektVO allerdings eine kurze Erläuterung der Bedeutung der Ratings nicht erforderlich, da sich die unter Anhang XIII ProspektVO fallenden Schuldtitel an institutionelle Anleger richtet, für die eine Erläuterung im Hinblick auf die Bedeutung eines Ratings nicht erforderlich ist.

30

Anhänge XIV–XVIII Hier nicht kommentiert.

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Anhang XIX Verzeichnis bestimmter Kategorien von Emittenten – – – – – –

Immobiliengesellschaften Bergbaugesellschaften Investmentgesellschaften In der wissenschaftlichen Forschung tätige Gesellschaften Seit weniger als drei Jahren bestehende Gesellschaften (Startups) Schifffahrtsgesellschaften

Schrifttum: Schlitt/Schäfer, Drei Jahre Praxis unter dem Wertpapierprospektgesetz – eine Zwischenbilanz, AG 2008, 525.

Inhaltsübersicht I. Anwendungsbereich . . . . . .

1

II. Zusätzliche Informationsbestandteile für die einzelnen Kategorien von Emittenten . 1. Immobiliengesellschaften . . 2. Bergbaugesellschaften . . . . .

3 4 9

3. Investmentgesellschaften . . . 4. In der wissenschaftlichen Forschung tätige Gesellschaften 5. Seit weniger als drei Jahren bestehende Gesellschaften (Startups) . . . . . . . . . . . . . . 6. Schifffahrtsgesellschaften . . .

14 15 18 22

I. Anwendungsbereich 1

Die Mindestangaben, die nach § 7 WpPG iVm. der ProspektVO in einen Prospekt aufzunehmen sind, ergeben sich aufgrund der Zuordnung bestimmter Wertpapiere aufgrund Art. 3 ff. ProspektVO. Art. 3 Unterabs. 2 Satz 2 ProspektVO bestimmt daher, dass die für die Prospektbilligung zuständige Behörde keine Angaben verlangen kann, die von den in den Anhängen I bis XVII zur ProspektVO genannten Informationsbestandteilen nicht umfasst sind. In Anerkennung besonderer Informationsbedürfnisse der Anleger bei bestimmten Kategorien von Emittenten stellt Art. 23 Abs. 1 Satz 1 ProspektVO eine Ausnahme von diesem Grundsatz dar, indem er der zuständigen Behörde in Fällen, in denen die Tätigkeit des Emittenten einer der in Anhang XIX genannten Kategorien unterfällt, gestattet, aufgrund der besonderen Art dieser Tätigkeit zusätzlich zu den Informationbestandteilen der anwendbaren Anhänge besondere Angaben zu verlangen. Zu diesen zusätzlich geforderten Angaben kann ua. eine Bewertung des Vermögens des Emittenten oder ein diesbezüglicher Bericht eines Sachverständigen zählen (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 ProspektVO).

2

Anhang XIX ProspektVO legt die Kategorien von Emittenten fest, für deren Prospekte die billigende Behörde zusätzliche Informationen verlangen

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Schlitt/Schäfer

Anhang XIX

EU-ProspektVO

kann1. Welche zusätzlichen Informationen gefordert werden können, spezifiziert die ProspektVO nicht. Sie verweist in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 ProspektVO lediglich auf das übergeordnete Prinzip der Richtigkeit und Vollständigkeit des Art. 5 Abs. 1 Prospektrichtlinie (umgesetzt in § 5 Abs. 1 WpPG). Als zusätzliche Informationsbestandteile können daher nur solche Angaben verlangt werden, deren Aufnahme zur vollständigen Information des Publikums iS des § 5 WpPG erforderlich ist. Erwägungsgrund 22 der ProspektVO schränkt die zusätzlich geforderten Informationsbestandteile zudem auf solche ein, deren Aufnahme im Hinblick auf die Art der jeweiligen Tätigkeit des Emittenten geeignet und verhältnismäßig erscheint. Im gleichen Erwägungsgrund wurde CESR aufgefordert, sich um eine Annäherung dieser Informationsanforderungen in der Gemeinschaft zu bemühen.

II. Zusätzliche Informationsbestandteile für die einzelnen Kategorien von Emittenten CESR hat in Umsetzung dieses Handlungsauftrags umfassende Empfehlun- 3 gen zu den zusätzlichen Informationsbestandteilen ausgesprochen, deren Aufnahme die zuständige Behörde bei Emittenten fordern kann, die in eine der in Anhang XIX ProspektVO genannten Kategorien fallen2. Wie bei den übrigen CESR-Empfehlungen handelt es sich lediglich um Empfehlungen, denen die nationalen Behörden nicht Folge leisten müssen (siehe § 7 WpPG Rz. 14). 1. Immobiliengesellschaften Immobiliengesellschaften (property companies) im prospektrechtlichen Sin- 4 ne sind Gesellschaften, die Immobilien direkt oder indirekt zum Zwecke der Vermietung oder Selbstnutzung erschließen und/oder halten3. Hierzu gehören nach Ansicht der BaFin Wohnungsbaugesellschaften mit einem eigenen Bestand an Immobilien, Konzerngesellschaften für vom Konzern des Emittenten selbst genutzte Gewerbeimmobilien sowie Anlagegesellschaften. REIT-AGs sind in jedem Fall Immobiliengesellschaften. Nicht unter den Begriff der Immobiliengesellschaft fallen hingegen solche Gesellschaften, deren Unternehmensgegenstand nicht auf eine dauerhafte Bewirtschaftung eigener Immobilien gerichtet ist4. Die Schwelle der zeitlichen Dauerhaftigkeit liegt

1 Siehe dazu auch A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 54 f.; Wiegel, Die Prospektrichtlinie und Prospektverordnung, S. 285 ff. 2 CESR/05-054b Rz. 128–145. Siehe dazu auch Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 112 ff. 3 CESR/05-054b Rz. 129; Höninger in Holzborn, Anh. XIX EU-ProspV Rz. 2; zu den Zusatzanforderungen für Immobiliengesellschaften siehe auch Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 (535). 4 Knobloch/Langenkamp, Der Prospekt für Immobiliengesellschaften, BaFinWorkshop v. 4.9.2007.

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nach Auffassung der BaFin in der Regel bei einem Jahr1. Ein Indikator ist, ob der Emittent das Immobilienvermögen im Anlage- (dann grundsätzlich Immobiliengesellschaft) oder im Umlaufvermögen ausweist2. Demnach können Emittenten, deren Unternehmensgegenstand den Kauf, die Renovierung und den Weiterverkauf von Immobilien umfasst und die zu diesem Zweck Immobilien über den Zeitraum von einem Jahr hinaus halten, unter den Begriff der Immobiliengesellschaft fallen, wenn dieser Teil der Geschäftstätigkeit ihre Hauptgeschäftstätigkeit darstellt. Um eine Hauptgeschäftstätigkeit der Gesellschaft handelt es sich nach Auffassung der BaFin, wenn die Bewirtschaftung der Immobilien einen wesentlichen Teil ausmacht. Grundsätzlich wird dieser Teil der Geschäftstätigkeit als wesentlich einzuschätzen sein, wenn er einen Gewinn- oder Umsatzbeitrag von 50 % beiträgt3. 5

Die BaFin fordert von allen Immobiliengesellschaften die Aufnahme des von CESR empfohlenen4 (zusammengefassten) Bewertungsgutachtens in den Prospekt. In diesem Gutachten muss ein unabhängiger Experte das Immobilienportfolio auf einer einheitlichen Bewertungsbasis im Gesamtwert zu einem Datum bewerten, das maximal ein Jahr vor dem Zeitpunkt der Prospektbilligung liegt. Seit dem Erstellungsdatum dürfen sich keine wesentlichen Änderungen ergeben haben. Bewertungsunterschiede zwischen diesem Gutachten und den historischen Finanzinformationen sind zu erläutern5. Nicht in den Prospekt aufgenommen werden dürfen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Gutachters (und damit auch nicht etwaige Haftungsbeschränkungen) sowie sonstige Verwendungsverbote, die dem Prospektzweck zuwiderlaufen6.

6

Handelt es sich bei der betreffenden Immobiliengesellschaft um eine REITAG, sind aufgrund der steuerlichen Vorteile und Risiken darüber hinaus grundsätzlich spezifische Risikofaktoren aufzunehmen, etwa bezüglich des Wegfalls der steuerlichen Vorteile oder gar des REIT-Status aufgrund Änderungen in der Aktionärsstruktur, der Schilderung von Finanzierungsrisiken und steuerlicher Risiken für die Anleger. Darüber hinaus bedarf es der Schilderung der steuerlichen Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit sowie der Bilanzstrukturvorgaben7.

7

Daneben ist bei Immobiliengesellschaften zu berücksichtigen, dass diese typischerweise häufiger als andere Emittenten potentiell pro-forma-pflichtige 1 Knobloch/Langenkamp, Der Prospekt für Immobiliengesellschaften, BaFinWorkshop v. 4.9.2007. 2 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XIX EU-ProspektVO Rz. 6. 3 Fingerhut/Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, Anhang XIX EU-ProspektVO Rz. 6. 4 CESR/05-054b Rz. 128 ff. 5 CESR/05-054b Rz. 130; A. Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt; Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 55. 6 Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 118. 7 Knobloch/Langenkamp, Der Prospekt für Immobiliengesellschaften, BaFinWorkshop v. 4.9.2007; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 119.

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Anhang XIX

EU-ProspektVO

Transaktionen des Anhangs I Ziffer 20.2, Anhang II ProspektVO durchführen1. Eine Pro-forma-Pflicht entsteht grundsätzlich, wenn eine Transaktion oder mehrere in Zusammenhang stehende Transaktionen eine mindestens 25 %ige Änderung des Vermögens, des Umsatzes oder der Gewinne oder Verluste auslöst2. Da Immobiliengesellschaften besonders häufig derartige Transaktionen durchführen, beschränkt die BaFin den Begriff der Transaktion im Falle eines Immobilien- oder Immobilienportfolioerwerbs auf solche Fälle, in denen zusätzlich der Umfang der Geschäftstätigkeit erweitert wird, zB wenn neben Wohnungseinheiten zusätzlich eine Hausverwaltung übernommen wird3. Die oben genannten Zusatzangaben sind nur erforderlich im Zusammenhang mit einem öffentlichen Angebot oder einer Zulassung von Aktien, Schuldverschreibungen in einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro, die durch die Immobilien besichert sind, und Zertifikate, die die Aktien vertreten, in einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro4.

8

2. Bergbaugesellschaften Der Begriff der Bergbaugesellschaft (mineral company)5 erfasst Emittenten, 9 deren Haupttätigkeit der Abbau von Bodenschätzen ist. Unter Abbau ist der Bergbau, die Produktion, Förderung oder ähnliche Aktivitäten und die Wiederaufbereitung von Minenabfallprodukten oder Abfallgruben gemeint. Bodenschätze bezeichnet alle metallischen oder nicht-metallischen Erze, Erzkonzentrate, industriell nutzbaren Erze, Bau-Aggregate, Mineralöle, Erdgase, Kohlenwasserstoffe und feste Brennstoffe einschließlich Kohle. Haupttätigkeit ist der Abbau von Bodenschätzen nach Auffassung der BaFin dann, wenn der Abbau von Bodenschätzen im Hinblick auf den bestehenden oder geplanten Umsatz und Ertrag mindestens 50 % ausmacht6. Nicht unter den Begriff der Bergbaugesellschaft fallen nach den CESR-Emp- 10 fehlungen und der richtigen Auffassung der BaFin Emittenten, die sich rein der Exploration von Bodenschätzen ohne deren Abbau in gewerblichem

1 In Zweifelsfällen fordert die BaFin eine Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers; Knobloch/Langenkamp, Der Prospekt für Immobiliengesellschaften/Property Companies, BaFin-Workshop v. 4.9.2007. 2 Liegt dieses Ereignis vor dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr, kann die Aufnahme zusätzlicher Finanzinformationen aufgrund komplexer Finanzhistorie erforderlich sein, siehe dazu Anhang I Ziffer 20 EU-ProspektVO Rz. 266. 3 Knobloch/Langenkamp, Der Prospekt für Immobiliengesellschaften/Property Companies, BaFin-Workshop v. 4.9.2007; Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 116. 4 CESR/05-054b, Rz. 128. 5 Zum Begriff der Bergbaugesellschaft siehe CESR/05-054b, Rz. 131; GlombSchmidt/Gockel, Ausgewählte Rechtsfragen in der Aufsichtspraxis, BaFin-Workshop v. 4.9.2007. 6 Glomb-Schmidt/Gockel, Ausgewählte Rechtsfragen in der Aufsichtspraxis, BaFin-Workshop v. 4.9.2007.

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Umfang widmen1. Aufgrund der genannten Kriterien fallen auch Emittenten, die technische Voraussetzungen oder Dienstleistungen für den Abbau von Bodenschätzen durch Dritte zur Verfügung stellen, ebenso wenig unter den Begriff der Bergbaugesellschaft wie Emittenten, die Bodenschätze nach ihrem Abbau verarbeiten, zB im Zuge der Energiegewinnung. 11

Anders als grundsätzlich nach der Praxis der BaFin sind nach den CESREmpfehlungen2 zusätzlich zu den sonstigen Mindestangaben folgende zusätzliche Angaben in den Prospekt aufzunehmen, wenn der Emittent eine Bergbaugesellschaft ist: – Einzelheiten zu den vorhandenen Bodenschätzen; – die erwartete Dauer ihres Abbaus; – Angaben zur Dauer und den wesentlichen Bedingungen etwaiger Lizenzen oder Konzessionen, die für den Abbau erforderlich sind, sowie die wirtschaftlichen Parameter für den Abbau nach diesen Lizenzen oder Konzessionen; – Angaben zum aktuellen Stand des Abbaus; – Angaben zu außergewöhnlichen Faktoren, die die vorgenannten Angaben beeinflusst haben oder beeinflussen.

12

Abweichend von der Regelpraxis der BaFin sind darüber hinaus nach den CESR-Empfehlungen3 folgende Zusatzangaben in den Prospekt aufzunehmen, wenn der Emittent seit weniger als drei Jahren als Bergbaugesellschaft tätig ist: – Sofern der Emittent keine kontrollierende Mehrheit (bezogen auf den Wert) an den Böden, Vorkommen, Minen, Gesellschaften oder anderen Vermögenswerten hat, in die er investiert hat: eine Angabe, ob er Bodenschätze in ausreichendem Umfang unmittelbar hält und zu deren Abbau berechtigt ist, entweder durch Stimmrechte oder andere Rechte, die ihm einen Einfluss auf den Zeitpunkt und die Methode des Abbaus sichern; – eine Schätzung der in den nächsten zwei Jahren nach Prospektveröffentlichung erforderlichen Finanzmittel; – Einzelheiten des geschätzten Kapitalflusses während der zwei auf die Prospektveröffentlichung folgenden Jahre oder, sofern größer, bis zum Ende des ersten vollen Geschäftsjahres, in dem der Abbau in gewerblichem Umfang betrieben wird. Dabei sind Angaben zu den relevanten Bodenschätzen, den erwarteten Preisen und Qualitätsstruktur der zu verkaufenden Bodenschätze oder Produkte sowie den erwarteten Abbaukosten zu den verschiedenen Abbauphasen zu machen, mit Quellenangaben und Annahmen, auf denen diese Schätzungen basieren. Ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer oder Buchhalter muss bestätigen, dass die Angaben 1 Höninger in Holzborn, Anh. XIX EU-ProspV Rz. 3. 2 CESR/05-054b, Rz. 132. 3 CESR/05-054b, Rz. 133a) und b); siehe auch CESR, Frequently asked questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR members, 10th Updated Version – December 2009, CESR/09-1148, Ziffer 68.

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zum geschätzten Kapitalfluss mit ausreichender Sorgfalt und auf ausreichender Informationsgrundlage erstellt wurden. Darüber hinaus ist in den CESR-Empfehlungen die Aufnahme eines Sach- 13 verständigengutachtens vorgesehen1. Dem folgt in der Praxis auch die BaFin. Der damit beauftragte Sachverständige muss unabhängig und angemessen qualifiziert im Bereich Geologie/Bergbau mit adäquater Ausbildung und Erfahrungen in der Bewertung von Rohstofflagerstätten sein2. Die BaFin hat eine Liste der Anforderungen und Inhalte an das Sachverständigengutachten bekannt gegeben, die im Folgenden wiedergegeben ist: – Genaue Angaben zur Art der bereits geförderten oder zur Förderung vorgesehenen Bodenschätze; – Angaben zu deren genauer geographischen Lage inklusive einer Darstellung des Umfelds; – Angaben zu allen verwendeten Informationsquellen und dem Alter der Informationen, ggf. Datum persönlicher Ortsbesichtigungen oder Explorationen; – Angaben zur Person, Ausbildung, Erfahrung und Unabhängigkeit des Sachverständigen; – Unterschrift des Sachverständigen; – Datum des Sachverständigenberichts; – Darstellung der Methodik des Berichts zur Bewertung des Abbaugebiets bzw. zur Wirtschaftlichkeit der Exploration; – geschätzter Umfang und Qualität der Bodenschätze; – geologische Beschaffenheit des Abbaugebiets; – Aussagen zu geeigneten/notwendigen Abbaumethoden sowie zur Zugänglichkeit, Erschließung und Infrastrukturanbindung des Abbaugebiets; – Machbarkeitsstudie; – Darstellung wesentlicher Umweltaspekte; – soweit vorhanden und zugänglich: Darstellung historischer Explorationen und der Explorationsresultate; – abschließende Beurteilung des Sachverständigen, ggf. Empfehlungen; – bei umfangreichen Gutachten: Inhaltsverzeichnis und Zusammenfassung der Ergebnisse. 3. Investmentgesellschaften Investmentgesellschaften unterliegen in Deutschland den vorrangigen Bestimmungen des Investmentgesetzes (InvG), so dass eine Prospektbilligung nach dem WpPG iVm. ProspektVO nicht erfolgt.

1 CESR/05-054b, Rz. 133c). 2 Glomb-Schmidt/Gockel, Ausgewählte Rechtsfragen in der Aufsichtspraxis, BaFin-Workshop v. 4.9.2007.

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4. In der wissenschaftlichen Forschung tätige Gesellschaften 15

Zu den in der wissenschaftlichen Forschung tätigen Gesellschaften zählt CESR Emittenten, deren Haupttätigkeit laboratorische Forschung und die Entwicklung chemischer oder biologischer Produkte oder Prozesse darstellt, einschließlich pharmazeutischer Unternehmen, Unternehmen, die im Bereich Diagnostik oder der landwirtschaftlichen Forschung tätig sind, sofern diese Emittenten zugleich Startup-Gesellschaften sind, dh. ihre Geschäftstätigkeit seit weniger als drei Jahren betreiben1. Grundsätzlich unterfallen damit Biotech- und Pharmaunternehmen dieser Definition (siehe dazu unten Rz. 18).

16

Die von CESR empfohlenen Zusatzangaben im Prospekt umfassen insbesondere die Patente, den Status und Fortschritt der Forschung und Entwicklung der Produkte, Angaben zur Erfahrung der wesentlichen Mitarbeiter im technischen Bereich sowie Angaben zu etwaigen Forschungs- und Entwicklungskooperationen und zu den wesentlichen Produkten, von denen die künftige Entwicklung des Emittenten abhängt2. Im Regelfall nehmen im Bereich der Forschung tätige Emittenten, auch wenn sie nicht zugleich Startup-Gesellschaften sind, diese Angaben freiwillig in den Prospekt auf, da sie regelmäßig zur Beurteilung durch Anleger wesentlich sind.

17

Da es sich nach der Definition der in der wissenschaftlichen Forschung tätigen Gesellschaften zugleich um Startup-Gesellschaften handelt, unterliegen diese außerdem den für solche Unternehmen geltenden allgemeinen Anforderungen (dazu sogleich unten). 5. Seit weniger als drei Jahren bestehende Gesellschaften (Startups)

18

Nach den CESR-Empfehlungen gelten zusätzliche Anforderungen auch für Emittenten, die ihr Geschäft seit weniger als drei Jahre betreiben. Dieses Erfordernis gilt indessen unabhängig von der Dauer ihrer Existenz als eigenständige Gesellschaft. Damit können bereits seit mindestens drei Jahren operierende Geschäftsbereiche, die in eine Holdinggesellschaft eingebracht wurden, ohne die Aufnahme solcher zusätzlicher Prospektangaben ein öffentliches Angebot durchführen oder an der Börse zugelassen werden3. Ausgenommen von diesem Erfordernis sind zudem Zweckgesellschaften iS des Art. 2 Nr. 4 ProspektVO4. Da Emittenten, die ihre Geschäftstätigkeit weniger als drei Jahre betreiben, aufgrund der Voraussetzung des mindestens dreijährigen Bestehens nach § 3 Abs. 1 BörsZulV grundsätzlich nicht zum Börsenhandel zugelassen werden, sind in der Praxis nur wenige Emittenten als Startups einzuordnen. 1 CESR/05-054b, Rz. 134. 2 CESR/05-054b, Rz. 134. 3 CESR/05-054b, Rz. 136; siehe dazu auch Schlitt/Ponick in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 5 Rz. 113; Schlitt/Singhof/ Schäfer, BKR 2005, 251 (254); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498 (505). 4 CESR/05-054b, Rz. 136.

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Ein typisches Beispiel einer Start-up-Gesellschaft sind SPACs (special purpose acquisition companies). Hierbei handelt es sich um eine Gesellschaft, deren Geschäftstätigkeit in der Identifizierung und Akquisition eines operativen Unternehmens einer bestimmten Branche oder Region besteht1. Zur Finanzierung des Akquisitionsvorhabens führt ein SPAC einen Börsengang durch. Typischerweise werden Aktien europäischer SPACs in Amsterdam im organisierten Markt gelistet. In Ausnahme vom grundsätzlichen Zulassungserfordernis eines dreijährigen Bestehens würde auch die Frankfurter Wertpapierbörse SPACs zum regulierten Markt zulassen, wenn der Emittent die typischen Charakteristika eines SPAC aufweist (Einzahlung der IPO-Erlöse auf ein verzinsliches Treuhandkonto, detaillierte Darstellung eines Verwendungszwecks im Prospekt, zeitliche Befristung des SPAC mit Rückzahlungsverpflichtung des Treuhandvermögens im Fall einer Auflösung, Entscheidung der Aktionärsversammlung über die Verwendung des Treuhandvermögens für Unternehmensübernahmen mit einem Mehrheitserfordernis von mehr als 50 %)2. In diesen Fällen sind in den Prospekt grundsätzlich die zusätzlichen Angaben für Startups aufzunehmen.

19

Wurde die gegenwärtige Geschäftstätigkeit hingegen vor weniger als drei 20 Jahren aufgenommen, empfiehlt CESR die Aufnahme einer Beschreibung des Geschäftsplans (ohne zwingende Angabe von Zahlen), insbesondere der Strategie, der Abhängigkeit von bestimmten Individuen, bestimmten Kunden oder Lieferanten, und nicht im Eigentum des Emittenten stehenden Produktionsanlagen sowie der dezeitigen und erwarteten Wettbewerbssituation. Allein auf freiwilliger Basis sollen Startups zusätzlich ein Bewertungsgutachten (valuation report) eines unabhängigen Experten zu den Dienstleistungen bzw. Produkten des Emittenten in den Prospekt aufnehmen. Diesen Empfehlungen folgt auch die BaFin3. Hinzu kommen bei Startups regelmäßig Fragen der Complex Financial History, siehe dazu die Kommentierung zu Anhang I Ziffer 20 EU-ProspektVO.

21

6. Schifffahrtsgesellschaften Schifffahrtsgesellschaften sind Gesellschaften, deren Kernaktivität die See- 22 schifffahrt darstellt und die Fracht- oder Personenschiffe (direkt oder indirekt) managen, im Eigentum halten oder geleast haben4. Die im Folgenden genannten zusätzlichen Angaben sind erforderlich im Zusammenhang mit dem öffentlichen Angebot oder der Zulassung von Aktien, Schuldverschreibungen in einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro, die durch Schiffe 1 Zu SPACs siehe Ahlers, Going Public (Sonderbeilage) 2008, 6; Seiler/Just, Going Public (Sonderbeilage) 2008, 18; von Ilberg/Neises, Going Public 2008, 54. 2 Steinbach/Rieß, Going Public (Sonderbeilage) 2008, 12 (13). 3 Arnold/Lehmann, „Complex Financial History“ und weitere Neuerungen bei den Finanzinformationen, BaFin-Workshop v. 4.9.2007. 4 CESR/05-054b, Rz. 141; Knobloch/Langenkamp, Der Prospekt für Immobiliengesellschaften/Property Companies, BaFin-Workshop v. 4.9.2007.

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Anhang XIX

besichert sind, und Zertifikaten, die Aktien vertreten, in einer Stückelung von weniger als 50.000 Euro1. 23

Ist ein Emittent als Schifffahrtsgesellschaft einzuordnen, sind nach den Empfehlungen von CESR und der Verwaltungspraxis der BaFin Einzelheiten der Schiffsmanagementverträge, den wesentlichen Schiffen und Verträgen zum Bau wesentlicher Schiffe im Prospekt darzulegen. Darüber hinaus wird grundsätzlich die Aufnahme eines (zusammengefassten) Wertgutachtens eines unabhängigen Sachverständigen in den Prospekt erwartet, das inhaltlich im Wesentlichen dem von Immobiliengesellschaften beizubringenden Wertgutachten entspricht2. Ausnahmen gelten im Falle, dass keine neuen Schiffe finanziert werden sollen und der Prospekt deutlich darauf hinweist, dass er keine aktuellen Bewertungen der Schiffe enthält3.

24

Sollen die Schiffe erst durch das auf Grundlage des Prospekts eingeworbene Kapital erworben werden (blind pool), sind nach Angaben der BaFin zusätzlich die Zusatzangaben für Startups (siehe oben Rz. 20) in den Prospekt aufzunehmen4.

1 CESR/05-054b, Rz. 140. 2 CESR/05-054b, Rz. 142/143; Knobloch/Langenkamp, Der Prospekt für Immobiliengesellschaften/Property Companies, BaFin-Workshop v. 4.9.2007. 3 CESR/05-054b, Rz. 145. 4 Knobloch/Langenkamp, Der Prospekt für Immobiliengesellschaften/Property Companies, BaFin- Workshop v. 4.9.2007.

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C. Wertpapierprospektgebührenverordnung (WpPGebV)1 Verordnung über die Erhebung von Gebühren nach dem Wertpapierprospektgesetz (Wertpapierprospektgebührenverordnung – WpPGebV) vom 29. Juni 2005 (BGBl. I S. 1875) Eingangsformel. Auf Grund des § 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Wertpapierprospektgesetzes vom 22. Juni 2005 (BGBl. I S. 1698) in Verbindung mit dem 2. Abschnitt des Verwaltungskostengesetzes vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) und § 1 Nr. 7 der Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, § 1 Nr. 7 eingefügt durch Artikel 7 Nr. 3 des Gesetzes vom 22. Juni 2005 (BGBl. I S. 1698), verordnet die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: § 1 Anwendungsbereich. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erhebt für Amtshandlungen nach dem Wertpapierprospektgesetz und nach Rechtsakten der Europäischen Union Gebühren nach dieser Verordnung; Auslagen werden nicht gesondert erhoben. Im Übrigen gilt das Verwaltungskostengesetz. § 2 Gebühren. (1) Die gebührenpflichtigen Amtshandlungen und die Gebührensätze bestimmen sich vorbehaltlich der Regelungen in Absatz 2 und § 3 nach dem anliegenden Gebührenverzeichnis. (2) Erfordert eine gebührenpflichtige Amtshandlung nach dieser Verordnung im Einzelfall einen außergewöhnlich hohen Verwaltungsaufwand, kann die nach dem Gebührenverzeichnis ermittelte Gebühr abhängig vom tatsächlichen Verwaltungsaufwand bis auf das Doppelte erhöht werden. § 3 Gebührenerhebung in besonderen Fällen. (1) Für die Ablehnung eines Antrags auf Vornahme einer gebührenpflichtigen Amtshandlung aus anderen Gründen als wegen Unzuständigkeit wird eine Gebühr bis zur Höhe der für die Vornahme der Amtshandlung festzusetzenden Gebühr erhoben. Wird ein Antrag nach Beginn der sachlichen Bearbeitung, jedoch vor deren Beendigung zurückgenommen, beträgt die Gebühr höchstens 50 Prozent der für die Vornahme der Amtshandlung festzusetzenden Gebühr. (2) Für die vollständige oder teilweise Zurückweisung eines Widerspruchs wird eine Gebühr bis zur Höhe von 50 Prozent der für die angefochtene Amtshandlung festgesetzten Gebühr erhoben; dies gilt nicht, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 45 des Verwaltungsverfahrensgesetzes unbeachtlich ist. War für die angefochtene Amtshandlung eine Gebühr nicht vorgesehen oder wurde eine Gebühr nicht erhoben, wird eine Gebühr 1 Vgl. hierzu die Komm. der VermVerkProspGebV (S. 1579).

1055

WpPGebV

Text

bis zu 1.500 Euro erhoben. Bei einem erfolglosen Widerspruch, der sich ausschließlich gegen eine Gebührenentscheidung richtet, beträgt die Gebühr bis zu 10 Prozent des streitigen Betrags; Absatz 3 bleibt unberührt. Wird ein Widerspruch nach Beginn seiner sachlichen Bearbeitung jedoch vor deren Beendigung zurückgenommen, ist keine Gebühr zu erheben. Das Verfahren zur Entscheidung über einen Widerspruch, der sich ausschließlich gegen die festgesetzte Widerspruchsgebühr richtet, ist gebührenfrei. (3) Die Gebühr beträgt in den Fällen der Absätze 1 und 2 Satz 1 bis 3 mindestens 50 Euro. § 4 Inkrafttreten. Diese Verordnung tritt am 1. Juli 2005 in Kraft. Anlage (zu § 2 Abs. 1) Gebührenverzeichnis Gebührentatbestand

Gebühren in Euro

1. Für die Hinterlegung der endgültigen Bedingungen des Angebots (§ 6 Abs. 3 Satz 2, auch in Verbindung mit Satz 3 WpPG)

25

2. Für die Hinterlegung des endgültigen Emissionspreises und des Emissionsvolumens (§ 8 Abs. 1 Satz 9 WpPG)

25

3. Gestattung der Nichtaufnahme bestimmter Angaben (§ 8 Abs. 2 WpPG)

500

4. Für die Hinterlegung eines jährlichen Dokuments im Sinne des § 10 WpPG (§ 10 Abs. 2 Satz 1 WpPG)

100

5. Billigung eines Basisprospekts im Sinne des § 6 Abs. 1 WpPG und für dessen Hinterlegung (§ 13 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG)

2.500

6. Billigung eines Basisprospekts im Sinne des § 6 Abs. 1 WpPG und für dessen Hinterlegung in den Fällen, in denen nach Artikel 26 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 die Informationen eines, zuvor oder gleichzeitig, gebilligten und hinterlegten Registrierungsformulars durch Verweis einbezogen wurden (§ 13 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG)

1.750

7. Billigung eines Prospekts, der als ein einziges Dokument im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. des WpPG erstellt worden ist und für dessen Hinterlegung (§ 13 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG)

4.000

8. Billigung eines Registrierungsformulars im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 und 3 WpPG und für dessen Hinterlegung (§ 13 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG)

1056

2.250

WpPGebV

Text Gebührentatbestand

Gebühren in Euro

9. Billigung einer Wertpapierbeschreibung im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 und 4 WpPG und einer Zusammenfassung im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 und 5 WpPG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Satz 2 bis 4 WpPG und für deren Hinterlegung (§ 13 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG)

1.750

10. Anordnung, dass die Werbung für jeweils zehn aufeinander folgende Tage auszusetzen ist (§ 15 Abs. 6 Satz 1 WpPG)

2.000

11. Untersagung der Werbung (§ 15 Abs. 6 Satz 2 WpPG)

2.000

12. Billigung eines Nachtrags im Sinne des § 16 Abs. 1 WpPG (§ 16 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 WpPG)

500

13. Übermittlung einer Bescheinigung im Sinne des § 18 Abs. 1 WpPG über die Billigung des Prospekts für jeden Mitgliedstaat, an dessen zuständige Behörde eine solche Bescheinigung übermittelt wird (§ 18 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Abs. 2 WpPG)

100

Ist die Bescheinigung der Billigung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 WpPG innerhalb von einem Werktag zu übermitteln, erhöht sich die Gebühr um

50

Hat die Bescheinigung der Billigung eine Angabe nach § 18 Abs. 3 WpPG zu enthalten, erhöht sich die Gebühr um

50

14. Gestattung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 WpPG

100

15. Billigung eines Prospekts, der von einem Emittenten nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften eines Staates, der nicht Staat des Europäischen Wirtschaftsraums ist, erstellt worden ist, für ein öffentliches Angebot oder die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt und für dessen Hinterlegung (§ 20 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 Satz 1 WpPG)

5.350

16. Untersagung eines öffentlichen Angebots (§ 21 Abs. 4 Satz 1 WpPG)

4.000

17. Anordnung, dass ein öffentliches Angebot für höchstens zehn Tage auszusetzen ist (§ 21 Abs. 4 Satz 2 WpPG)

2.500

18. Widerruf der Billigung und Untersagung des öffentlichen Angebots (§ 21 Abs. 8 Satz 3 WpPG)

4.000

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2. Teil Vermögensanlagen A. Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2701), geändert durch Gesetze vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1857), vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3822), vom 22. April 2002 (BGBl. I S. 1310), vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010), Art. 2 Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630), Art. 8 Bilanzrechtsreformgesetz vom 4. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3166), Art. 2 und 7a Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 22. Juni 2005 (BGBl. I S. 1698), Art. 7 Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren vom 16. August 2005 (BGBl. I S. 2437), Art. 13 Gesetz zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1911), Art. 8 Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1330) I. Abschnitt. Anwendungsbereich; Allgemeine Vorschriften §§ 1 bis 4a (weggefallen) II. Abschnitt. Angebot von Wertpapieren, für die eine Zulassung zum amtlichen Markt oder zum geregelten Markt beantragt ist §§ 5 bis 6 (weggefallen) III. Abschnitt. Angebot von Wertpapieren, für die eine Zulassung zum amtlichen Markt oder zum geregelten Markt nicht beantragt ist §§ 7 bis 8e (weggefallen) IIIa. Abschnitt. Prospektpflicht für Angebote anderer Vermögensanlagen § 8f Anwendungsbereich. (1) 1Für im Inland öffentlich angebotene nicht in Wertpapieren im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes verbriefte Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, für Anteile an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet (Treuhandvermögen), oder für Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds muss der Anbieter einen Verkaufs-

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prospekt nach diesem Abschnitt veröffentlichen, sofern nicht bereits nach anderen Vorschriften eine Prospektpflicht besteht oder ein Prospekt nach den Vorschriften dieses Gesetzes veröffentlicht worden ist. 2Die Prospektpflicht nach Satz 1 gilt auch für Namensschuldverschreibungen. (2) Ausgenommen von der Prospektpflicht sind: 1. Anteile an einer Genossenschaft im Sinne des § 1 des Genossenschaftsgesetzes, 2. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die von Versicherungsunternehmen oder Pensionsfonds im Sinne der §§ 1 und 112 des Versicherungsaufsichtsgesetzes emittiert werden, 3. Angebote, bei denen von derselben Vermögensanlage im Sinne des Absatzes 1 nicht mehr als 20 Anteile angeboten werden oder bei denen der Verkaufspreis der im Zeitraum von zwölf Monaten angebotenen Anteile insgesamt 100.000 Euro nicht übersteigt oder bei denen der Preis jedes angebotenen Anteils mindestens 200.000 Euro je Anleger beträgt, 4. Angebote nur an Personen, die beruflich oder gewerblich für eigene oder fremde Rechnung Wertpapiere oder die in Absatz 1 genannten Vermögensanlagen erwerben oder veräußern, 5. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die Teil eines Angebots sind, für das bereits im Inland ein Verkaufsprospekt veröffentlicht worden ist, 6. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die einem begrenzten Personenkreis oder nur den Arbeitnehmern von ihrem Arbeitgeber oder von einem mit seinem Unternehmen verbundenen Unternehmen angeboten werden, 7. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die ausgegeben werden a) von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, einem Vollmitgliedstaat der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, sofern er nicht innerhalb der letzten fünf Jahre seine Auslandsschulden umgeschuldet oder vor vergleichbaren Zahlungsschwierigkeiten gestanden hat, oder einem Staat, der mit dem Internationalen Währungsfonds besondere Kreditabkommen im Zusammenhang mit dessen Allgemeinen Kreditvereinbarungen getroffen hat, b) von einer Gebietskörperschaft der in Buchstabe a genannten Staaten, c) von einer internationalen Organisation des öffentlichen Rechts, der mindestens ein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum angehört, d) von einem Kreditinstitut im Sinne des § 1 Abs. 1 des Kreditwesengesetzes oder einem Finanzdienstleistungsinstitut, das Finanzdienstleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 bis 4 des Kreditwesengesetzes erbringt, oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau oder einem nach § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Kreditwesengesetzes tätigen Unternehmen, das regelmäßig seinen Jahresabschluss offen legt; mit Ausnahme der Ausgabe von Namensschuldverschreibungen muss die Ausgabe

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dauerhaft oder wiederholt erfolgen; eine wiederholte Ausgabe liegt vor, wenn in den zwölf Kalendermonaten vor dem öffentlichen Angebot mindestens eine Emission innerhalb der Europäischen Union oder innerhalb eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgegeben worden ist, oder e) von einer Gesellschaft oder juristischen Person mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die ihre Tätigkeit unter einem Staatsmonopol ausübt und die durch ein besonderes Gesetz oder auf Grund eines besonderen Gesetzes geschaffen worden ist oder geregelt wird oder für deren Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1 ein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder eines seiner Bundesländer oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines seiner Bundesländer die unbedingte und unwiderrufliche Gewährleistung für ihre Verzinsung und Rückzahlung übernommen hat, 8. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die bei einer Verschmelzung von Unternehmen angeboten werden oder die als Gegenleistung im Rahmen eines Angebots nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz angeboten werden, 9. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die vor dem 1. Juli 2005 veräußert worden sind und nach dem 1. Juli 2005 öffentlich auf einem Markt angeboten werden, der regelmäßig stattfindet, geregelte Funktions- und Zugangsbedingungen hat, für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich ist und unter der Verantwortung seines Betreibers steht. § 8g Prospektinhalt. (1) 1Der Verkaufsprospekt muss alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, die notwendig sind, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 zu ermöglichen. 2Bestehen die Anteile an einem Treuhandvermögen im Sinne des § 8f Abs. 1 und besteht dieses ganz oder teilweise aus einem Anteil an einer Gesellschaft, so muss der Prospekt auch hinsichtlich dieser Gesellschaft die entsprechenden Angaben enthalten. 3 Ferner ist in den Prospekt an herausgehobener Stelle ausdrücklich ein Hinweis aufzunehmen, dass die inhaltliche Richtigkeit der im Prospekt gemachten Angaben nicht Gegenstand der Prüfung des Prospekts durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) ist. (2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die zum Schutz des Publikums erforderlichen Vorschriften über die Sprache, den Inhalt und den Aufbau des Verkaufsprospekts zu erlassen, insbesondere über 1. die erforderlichen Angaben zu den Personen oder Gesellschaften, die für den Inhalt des Verkaufsprospekts insgesamt oder für bestimmte Angaben die Verantwortung übernehmen, 2. die Beschreibung der angebotenen Vermögensanlagen und ihre Hauptmerkmale sowie die verfolgten Anlageziele der Vermögensanlage einschließlich der finanziellen Ziele und der Anlagepolitik,

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3. die erforderlichen Angaben über die Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 2, 4. die erforderlichen Angaben zu dem Emittenten der Vermögensanlage, zu seinem Kapital und seiner Geschäftstätigkeit, seiner Vermögens-, Finanzund Ertragslage, einschließlich des Jahresabschlusses und des Lageberichts, 5. die erforderlichen Angaben zu den Geschäftsaussichten des Emittenten und über seine Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane. (3) In der Rechtsverordnung nach Absatz 2 können auch Ausnahmen bestimmt werden, in denen von der Aufnahme einzelner Angaben in den Verkaufsprospekt abgesehen werden kann, 1. wenn beim Emittenten, bei den angebotenen Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 oder bei dem Kreis der mit dem Angebot angesprochenen Anleger besondere Umstände vorliegen und den Interessen des Publikums durch eine anderweitige Unterrichtung ausreichend Rechnung getragen ist oder 2. mit Rücksicht auf die geringe Bedeutung einzelner Angaben oder einen beim Emittenten zu befürchtenden erheblichen Schaden. § 8h Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts. (1) Ein Emittent, der nicht nach anderen Bestimmungen verpflichtet ist, einen Jahresabschluss prüfen zu lassen und einen Lagebericht aufzustellen und prüfen zu lassen, hat ohne Rücksicht auf seine Rechtsform entweder einen Hinweis nach Absatz 2 in den Verkaufsprospekt aufzunehmen oder den Jahresabschluss und den Lagebericht nach den Bestimmungen des Ersten Unterabschnitts des Zweiten Abschnitts des Dritten Buchs des Handelsgesetzbuchs aufzustellen und entsprechend den Bestimmungen der §§ 317 bis 324 des Handelsgesetzbuchs prüfen zu lassen. (2) Der Emittent im Sinne von Absatz 1, der keine Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts nach Absatz 1 vornimmt, hat in dem Verkaufsprospekt ausdrücklich an herausgehobener Stelle auf die fehlende Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts nach den genannten Vorschriften hinzuweisen. § 8i Hinterlegungsstelle, Rechte der Hinterlegungsstelle, sofortige Vollziehung. (1) Der Anbieter muss den für die Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 zu erstellenden Verkaufsprospekt vor seiner Veröffentlichung der Bundesanstalt als Hinterlegungsstelle übermitteln. (2) 1Der Verkaufsprospekt für Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 darf erst veröffentlicht werden, wenn die Bundesanstalt die Veröffentlichung gestattet. 2Die Bundesanstalt hat dem Anbieter ihre Entscheidung hinsichtlich der Gestattung innerhalb von 20 Werktagen nach Eingang des Verkaufsprospekts mitzuteilen. 3Gelangt die Bundesanstalt zu der Auffassung, dass die ihr übermittelten Unterlagen unvollständig sind, beginnt die Frist des Satzes 2 erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Anbieter die fehlenden Unterlagen vorlegt. 4Die Bundesanstalt soll dem Anbieter innerhalb von zehn Werk-

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tagen nach Eingang des Verkaufsprospekts mitteilen, wenn sie weitere Unterlagen nach Satz 3 für erforderlich hält. 5Die Bundesanstalt untersagt die Veröffentlichung, wenn der Verkaufsprospekt nicht die Angaben enthält, die nach § 8g Abs. 1, auch in Verbindung mit der nach § 8g Abs. 2 und 3 zu erlassenden Rechtsverordnung, erforderlich sind. 6§ 10 bleibt unberührt. (3) 1Die Bundesanstalt bestätigt dem Anbieter den Tag des Eingangs des Verkaufsprospekts. 2Der hinterlegte Verkaufsprospekt wird von der Bundesanstalt zehn Jahre aufbewahrt. 3Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Verkaufsprospekt hinterlegt worden ist. (4) Die Bundesanstalt untersagt das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1, wenn sie Anhaltspunkte dafür hat, dass der Anbieter entgegen § 8f Abs. 1 keinen Verkaufsprospekt veröffentlicht hat oder der Verkaufsprospekt nicht die Angaben enthält, die nach § 8g Abs. 1, auch in Verbindung mit einer nach § 8g Abs. 2 und 3 erlassenen Rechtsverordnung, erforderlich sind. (4a) Der Anbieter hat auf Verlangen der Bundesanstalt Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die die Bundesanstalt benötigt 1. zur Überwachung der Einhaltung der Pflichten nach den Absätzen 1, 2 Satz 1, § 8f Abs. 1 und den §§ 9 bis 11 sowie 12, oder 2. zur Prüfung, ob der Verkaufsprospekt die Angaben enthält, die nach § 8g Abs. 1 auch in Verbindung mit einer auf Grund des § 8g Abs. 2 und 3 erlassenen Rechtsverordnung erforderlich sind. (4b) Die Bundesanstalt kann die Erteilung von Auskünften und die Vorlage von Unterlagen auch von demjenigen verlangen, bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Anbieter im Sinne dieses Gesetzes ist. (4c) 1Der zur Erteilung einer Auskunft Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. 2Der Verpflichtete ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. (5) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach Absatz 2 Satz 5 und nach den Absätzen 4, 4a und 4b haben keine aufschiebende Wirkung. § 8j Werbung. (1) Die Bundesanstalt kann die Werbung mit Angaben untersagen, die geeignet sind, über den Umfang der Prüfung nach § 8i Abs. 2 irrezuführen. (2) Vor allgemeinen Maßnahmen nach Absatz 1 sind die Spitzenverbände der betroffenen Wirtschaftskreise und des Verbraucherschutzes zu hören. § 8k Verschwiegenheitspflicht. (1) 1Die bei der Bundesanstalt Beschäftigten und die nach § 4 Abs. 3 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes beauftragten Personen dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen

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Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse eines nach diesem Gesetz Verpflichteten oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie personenbezogene Daten, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. 2Dies gilt auch für andere Personen, die durch dienstliche Berichterstattung Kenntnis von den in Satz 1 bezeichneten Tatsachen erhalten. 3Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an 1. Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte, 2. kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Überwachung von Börsen oder anderen Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, des Handels mit Finanzinstrumenten oder Devisen, von Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten, Investmentgesellschaften, Finanzunternehmen oder Versicherungsunternehmen betraute Stellen sowie von diesen beauftragte Personen, soweit diese Stellen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. 4 Für die bei diesen Stellen beschäftigten Personen gilt die Verschwiegenheitspflicht nach Satz 1 entsprechend. 5An eine Stelle eines anderen Staates dürfen die Tatsachen nur weitergegeben werden, wenn diese Stelle und die von ihr beauftragten Personen einer dem Satz 1 entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen. (2) 1Die Vorschriften der §§ 93, 97 und 105 Abs. 1, § 111 Abs. 5 in Verbindung mit § 105 Abs. 1 sowie § 116 Abs. 1 der Abgabenordnung gelten nicht für die in Absatz 1 Satz 1 oder 2 genannten Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden. 2Sie finden Anwendung, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, und nicht Tatsachen betroffen sind, die den in Absatz 1 Satz 1 oder 2 bezeichneten Personen durch eine Stelle eines anderen Staates im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 Nr. 2 oder durch von dieser Stelle beauftragte Personen mitgeteilt worden sind. IV. Abschnitt. Veröffentlichung des Verkaufsprospekts; Prospekthaftung § 9 Frist und Form der Veröffentlichung. (1) Der Verkaufsprospekt muß mindestens einen Werktag vor dem öffentlichen Angebot gemäß Absatz 2 Satz 1 und 2 veröffentlicht werden. (2) 1Der Verkaufsprospekt ist in der Form zu veröffentlichen, dass er entweder in einem überregionalen Börsenpflichtblatt bekannt gemacht oder bei den im Verkaufsprospekt benannten Zahlstellen zur kostenlosen Ausgabe bereitgehalten wird; im letzteren Fall ist in einem überregionalen Börsenpflichtblatt bekannt zu machen, dass der Verkaufsprospekt bei den Zahlstellen bereitgehalten wird. 2Bei einem Angebot von Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem

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ist der Verkaufsprospekt auch in diesem zu veröffentlichen und in dem Angebot auf die Fundstelle in dem elektronischen Informationsverbreitungssystem hinzuweisen. 3Der Anbieter hat der Bundesanstalt Datum und Ort der Veröffentlichung unverzüglich schriftlich mitzuteilen. § 10 Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts. 1Werden einzelne Angebotsbedingungen erst kurz vor dem öffentlichen Angebot festgesetzt, so darf der Verkaufsprospekt ohne diese Angaben nur veröffentlicht werden, sofern er Auskunft darüber gibt, wie diese Angaben nachgetragen werden. 2Die nachzutragenden Angaben sind spätestens am Tag des öffentlichen Angebots gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 zu veröffentlichen. 3Die nachzutragenden Angaben sind spätestens zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung der Bundesanstalt zu übermitteln. § 11 Veröffentlichung ergänzender Angaben. 1Sind seit der Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts Veränderungen eingetreten, die für die Beurteilung des Emittenten oder der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 von wesentlicher Bedeutung sind, so hat der Anbieter die Veränderungen während der Dauer des öffentlichen Angebots unverzüglich in einem Nachtrag zum Verkaufsprospekt gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 zu veröffentlichen. 2Auf diesen Nachtrag sind die Vorschriften über den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung mit Ausnahme des § 8i Abs. 2 entsprechend anzuwenden. § 12 Hinweis auf Verkaufsprospekt. Der Anbieter ist verpflichtet, in Veröffentlichungen, in denen das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 angekündigt und auf die wesentlichen Merkmale der Vermögensanlagen hingewiesen wird, einen Hinweis auf den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung aufzunehmen. § 13 Haftung bei fehlerhaftem Prospekt. (1) Sind für die Beurteilung der Wertpapiere, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, oder der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 wesentliche Angaben in einem Prospekt im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes oder in einem Verkaufsprospekt unrichtig oder unvollständig, so sind die Vorschriften der §§ 44 bis 47 des Börsengesetzes mit folgender Maßgabe entsprechend anzuwenden: 1. bei der Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 des Börsengesetzes ist für die Bemessung des Zeitraums von sechs Monaten anstelle der Einführung der Wertpapiere der Zeitpunkt des ersten öffentlichen Angebots im Inland maßgeblich; 2. § 44 Abs. 3 des Börsengesetzes ist auf Emittenten mit Sitz im Ausland anzuwenden, deren Wertpapiere auch im Ausland öffentlich angeboten werden; 3. bei Angaben in einem Verkaufsprospekt für Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 sind die §§ 44 und 45 des Börsengesetzes unbeschadet der Nummern 1 und 2 darüber hinaus mit folgenden Maßgaben anzuwenden:

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a) an die Stelle des Wertpapiers tritt die Vermögensanlage, b) an die Stelle der Beschränkung des Erwerbspreises auf den Ausgabepreis nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Börsengesetzes tritt der erste Erwerbspreis, c) § 44 Abs. 1 Satz 2 und § 45 Abs. 2 Nr. 5 des Börsengesetzes finden keine Anwendung und d) an die Stelle des Börsenpreises in § 45 Abs. 2 Nr. 2 tritt der Erwerbspreis. (2) weggefallen § 13a Haftung bei fehlendem Prospekt. (1) 1Der Erwerber von Wertpapieren, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, oder von Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 kann, wenn ein Prospekt entgegen § 3 Abs. 1 Satz 1 desWertpapierprospektgesetzes oder entgegen § 8f Abs. 1 Satz 1 oder § 8f nicht veröffentlicht wurde, von dem Emittenten und dem Anbieter als Gesamtschuldner die Übernahme der Wertpapiere oder Vermögensanlagen gegen Erstattung des Erwerbspreises, soweit dieser den ersten Erwerbspreis nicht überschreitet, und der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen, sofern das Erwerbsgeschäft vor Veröffentlichung eines Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot im Inland abgeschlossen wurde. 2Auf den Erwerb von Wertpapieren desselben Emittenten, die von den in Satz 1 genanntenWertpapieren nicht nach Ausstattungsmerkmalen oder in sonstiger Weise unterschieden werden können, ist Satz 1 entsprechend anzuwenden. (2) 1Ist der Erwerber nicht mehr Inhaber der Wertpapiere oder Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1, so kann er die Zahlung des Unterschiedsbetrags zwischen dem Erwerbspreis und dem Veräußerungspreis der Wertpapiere oder Vermögensanlagen sowie der mit dem Erwerb und der Veräußerung verbundenen üblichen Kosten verlangen. 2Absatz 1 Satz 1 gilt entsprechend. (3) Werden Wertpapiere oder Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 eines Emittenten mit Sitz im Ausland auch im Ausland öffentlich angeboten, besteht ein Anspruch nach Absatz 1 oder Absatz 2 nur, sofern die Wertpapiere oder Vermögensanlagen auf Grund eines im Inland abgeschlossenen Geschäfts oder einer ganz oder teilweise im Inland erbrachten Wertpapierdienstleistung erworben wurden. (4) Der Anspruch nach den Absätzen 1 bis 3 besteht nicht, sofern der Erwerber die Pflicht, einen Prospekt oder Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, beim Erwerb kannte. (5) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 verjähren in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber Kenntnis von der Pflicht, einen Prospekt oder Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts. (6) 1Eine Vereinbarung, durch die ein Anspruch nach den Absätzen 1 bis 3 im Voraus ermäßigt oder erlassen wird, ist unwirksam. 2Weitergehende An-

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sprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes auf Grund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen erhoben werden können, bleiben unberührt. (7) Für Entscheidungen über Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gilt § 32b der Zivilprozessordnung entsprechend. V. Abschnitt. Verfahren in der Europäischen Gemeinschaft §§ 14 und 15 (weggefallen) VI. Abschnitt. Gebühren; Bekanntgabe und Zustellung; Bußgeld- und Übergangsvorschriften § 16 Gebühren. 1Die Bundesanstalt erhebt für die Amtshandlungen nach diesem Gesetz und nach den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften Gebühren. 2Das Bundesministerium der Finanzen bestimmt die Gebührentatbestände im Einzelnen und die Höhe der Gebühren durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. 3Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. § 16a Bekanntgabe und Zustellung. (1) 1Verfügungen, die gegenüber einer Person mit Wohnsitz oder einem Unternehmen mit Sitz im Ausland ergehen, gibt die Bundesanstalt der Person bekannt, die als Bevollmächtigte benannt wurde. 2Ist kein Bevollmächtigter benannt, so erfolgt die Bekanntgabe durch öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger. (2) 1Ist die Verfügung zuzustellen, so erfolgt die Zustellung bei Personen mit Wohnsitz oder Unternehmen mit Sitz im Ausland an die Person, die als Bevollmächtigte benannt wurde. 2Ist kein Bevollmächtigter benannt, so erfolgt die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger. § 17 Bußgeldvorschriften. (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig 1. entgegen § 8f Abs. 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 8g Abs. 2 einen Verkaufsprospekt nicht veröffentlicht, 2. entgegen § 8h Abs. 2 einen Hinweis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise gibt, 3. entgegen § 8i Abs. 1 oder 3 Satz 1 einen Verkaufsprospekt oder eine nachzutragende Angabe nicht oder nicht rechtzeitig übermittelt, 4. entgegen § 8i Abs. 2 Satz 1 einen Verkaufsprospekt veröffentlicht, 4a. einer vollziehbaren Anordnung nach § 8i Abs. 2 Satz 5 oder Abs. 4 zuwiderhandelt, 5. entgegen § 9 Abs. 1, § 10 Satz 2 oder § 11 Satz 1 einen Verkaufsprospekt, eine nachzutragende Angabe oder eine Veränderung nicht, nicht richtig,

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nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht, 6. entgegen § 9 Abs. 2 Satz 3 eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig macht oder 7. entgegen § 12 einen Hinweis nicht oder nicht richtig aufnimmt. (2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 8i Abs. 4a eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt oder eine Unterlage nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vorlegt oder 2. einer vollziehbaren Anordnung nach § 8j Abs. 1 zuwiderhandelt. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 4 und 4a mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2, 5 und 7 mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro und in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. (4) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Bundesanstalt. § 18 Übergangsvorschriften. (1) FürWertpapiere, die vor dem 1. April 1998 im Inland bei einem öffentlichen Umtauschangebot angeboten worden sind und für die auf Grund der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 7 in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 1996 (BGBl. I S. 1047) kein Verkaufsprospekt veröffentlicht wurde, ist § 1 mit der Maßgabe anzuwenden, daß als erstmaliges öffentliches Angebot das erste öffentliche Angebot nach dem 1. April 1998 gilt. (2) 1Auf Verkaufsprospekte, die vor dem 1. April 1998 im Inland veröffentlicht worden sind, sind § 13 in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 1996 (BGBl. I S. 1047) und die Vorschriften der §§ 45 bis 49 des Börsengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 1996 (BGBl. I S. 1030) weiterhin anzuwenden. 2Auf vor dem 1. Juli 2005 im Inland veröffentlichte Verkaufsprospekte für von Kreditinstituten ausgegebene Wertpapiere ist dieses Gesetz in der vor dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. 3Auf andere als in Satz 2 genannte Verkaufsprospekte, die vor dem 1. Juli 2005 im Inland veröffentlicht worden sind, findet dieses Gesetz in der vor dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung bis 30. Juni 2006 weiterhin Anwendung. 4Auf die Verkaufsprospekte im Sinne des Satzes 3 sind § 13 dieses Gesetzes in der vor dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung und die Vorschriften der §§ 45 bis 47 des Börsengesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630) geändert worden ist, weiterhin anzuwenden. 5§ 3 Abs. 1 des Wertpapierprospektgesetzes findet in den Fällen der Sätze 2 und 3 keine Anwendung. (3) § 16 Abs. 2 in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 1996 (BGBl. I S. 1047) über die Gebührenerhebung durch die Bundesanstalt ist bis zum Inkrafttreten einer Verordnung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 anzuwenden.

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Einleitung Schrifttum: Assmann, Neues Recht für den Wertpapiervertrieb, die Förderung der Vermögensbildung durch Wertpapieranlage und die Geschäftstätigkeit von Hypothekenbanken, NJW 1991, 528; Assmann, Die Regelung der Primärmärkte für Kapitalanlagen mittels Publizität im Recht der Europäischen Gemeinschaft, AG 1993, 549; Bosch, Prospektpflicht und Prospekthaftung, in Hellner/Steuer (Hrsg.), Bankrecht und Bankpraxis, Loseblatt, Lieferung 12.97; Gebauer, Wertpapierverkaufsprospekte – Erläuterungen zum Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) und zur Verkaufsprospekt-Verordnung (VerkProspVO), in Kümpel/Hammen/Ekkenga (Hrsg.), Kapitalmarktrecht, Loseblatt, Lieferung 4/2001, Nr. 100; Grimme/Ritz, Die Novellierung verkaufsprospektrechtlicher Vorschriften durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1998, 2091; Hasche-Preuße, Verkaufsprospekte bei Wertpapieren: Mehr Informationen für die Anleger, Die Bank 1990, 713 (= Sparkasse 1990, 549 = WP 1991, 108); Heinze, Europäisches Kapitalmarktrecht – Recht des Primärmarktes, 1999; Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz. Prospektpflicht und Anlegerschutz, 1996; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2009; Kullmann/ Müller-Deku, Die Bekanntmachung zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, WM 1996, 1989; Lenz/Ritz, Die Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte, WM 2000, 904; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, ZGR-Sonderheft 1, 4. Aufl. 1996; Manzei, Einzelne Aspekte der Prospektpflicht am Grauen Kapitalmarkt, WM 2006, 845; Moritz/Grimm, Licht im Dunkel des „Grauen Marktes“?, Aktuelle Bestrebungen zur Novellierung des Verkaufsprospektgesetzes, BB 2004, 1352; Müller, Richtlinie für Verkaufsprospekte über Wertpapiere, Die Bank 1989, 375; Schäfer, Emission und Vertrieb von Wertpapieren nach dem Wertpapierverkaufsprospektgesetz, ZIP 1991, 1557; Süßmann, Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz und Verkaufsprospekt-Verordnung, EuZW 1991, 210; Waldeck/Süßmann, Die Anwendung des Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes, WM 1993, 361. Siehe im Übrigen das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis.

Inhaltsübersicht I. Der Regelungsgegenstand des Verkaufsprospektgesetzes und der zu diesem ergangenen Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . II. Entstehung und Entwicklung des Verkaufsprospektgesetzes 1. Die Einführung der Vertriebspublizität durch das Verkaufsprospektgesetz . . . . . . . . . . . 2. Europäisches Recht als Grundlage der Vertriebspublizität . . 3. Entwicklung des Verkaufsprospektgesetzes und der mit diesem verbundenen Rechtsakte

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a) Verkaufsprospektgesetz v. 13.12.1990 . . . . . . . . . . . . b) Verkaufsprospektgesetz nach der Neubekanntmachung v. 9.9.1998 . . . . . III. Anwendung der Vorschriften des Verkaufsprospektgesetzes und der VermVerkProspV 1. Europarechtliche Dimension der Rechtsanwendung . . . . . 2. Auslegungsschreiben der Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . 3. IDW-Standard S 4 (IDW S 4) .

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I. Der Regelungsgegenstand des Verkaufsprospektgesetzes und der zu diesem ergangenen Rechtsakte 1

In seiner ursprünglichen Fassung regelte das Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) v. 13.12.19901 die Vertriebspublizität für das öffentliche Angebot von Kapitalanlagen, die in Wertpapieren verbrieft waren (näher unten Rz. 4 f., 12 ff.). Auf Grund des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes (AnSVG) v. 28.10.20042 wurde der Anwendungsbereich des Gesetzes dann auch auf bestimmte Kapitalanlagen erweitert, die keine Verbriefung in Wertpapieren aufwiesen (siehe unten Rz. 6, 21). Schließlich wurde mit dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.20053 der Vertrieb von wertpapiermäßig verbrieften Kapitalanlagen in dem neu geschaffenen WpPG geregelt, so dass das VerkProspG heute nur noch „im Inland öffentlich angebotene nicht in Wertpapieren im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes verbriefte Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren“ (§ 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG), erfasst. Im VerkProspG verblieben sind allerdings die Vorschriften, auf Grund deren auch für die Fehlerhaftigkeit (§ 13 VerkProspG) oder die pflichtwidrige Unterlassung der Veröffentlichung eines Prospekts (§ 13a VerkProspG) gehaftet wird, der im Falle des Vertriebs von Wertpapieren, die nicht an einer inländischen Börse zugelassen sind, veröffentlicht bzw. nicht veröffentlicht wurde.

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Das VerkProspG wird durch die auf Grund der Ermächtigung in § 8g Abs. 2 und 3 VerkProspG erlassene Verordnung über Vermögens-Verkaufsprospekte (Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung – VermVerkProspV) v. 16.12.20044 und die auf Grund von § 16 Satz 2 VerkProspG iVm. Abschnitt 2 des Verwaltungskostengesetzes und § 1 Nr. 6 der Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFinBefugV) ergangene Verordnung über die Gebühren für Amtshandlungen betreffend Verkaufsprospekte für Vermögensanlagen nach dem Verkaufsprospektgesetz (Vermögensanlagen-Verkaufsprospektgebührenverordnung – VermVerkProspGebV) v. 29.6.20055 ergänzt. Aufgabe der VermVerkProspV ist es, die sich aus § 8g VerkProspG ergebenden Anforderungen an den Prospekt, wie er im Falle des öffentlichen Angebots einer nicht wertpapiermäßig verbrieften Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens zu veröffentlichen ist, zu kon-

1 BGBl. I 1990, 2749 ff. 2 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BGBl. I 2004, 2630. 3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2005, 1698. Zur Gesetzgebungsentwicklung siehe die Nachweise zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz in Einl. WpPG Rz. 1. 4 BGBl. I 2004, 3464. 5 BGBl. I 2005, 1873.

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kretisieren. Die Bestimmungen des WpPG finden auf die nach §§ 8f ff. VerkProspG zu erstellenden, zu prüfenden und zu veröffentlichenden Prospekte keine Anwendung. Das aus den zahlreichen Änderungen des VerkProspG von 1990 im Besonderen und des Rechts der prospektbezogenen Vertriebspublizität im Allgemeinen erwachsene Regelungssystem in Bezug auf die Publizitätsanforderungen beim Vertrieb von Kapitalanlagen ist nicht zuletzt deshalb kompliziert geworden, weil es aus einem nicht ohne weiteres erkennbaren Zusammenspiel unterschiedlicher Gesetze und Rechtsakte – wie dem BörsG, der BörsZulV, dem WpPG, der EG-Prospektverordnung der Kommission (Nr. 809/2004)1, dem VerkProspG und der VermVerkProspV sowie dem InvG – besteht. Die Einbindung des VerkProspG in dieses System erhellt aus den nachfolgenden Ausführungen.

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II. Entstehung und Entwicklung des Verkaufsprospektgesetzes 1. Die Einführung der Vertriebspublizität durch das Verkaufsprospektgesetz Zusammen mit der VerkProspVO führte das VerkProspG v. 13.12.19902 erstmals eine Regelung für den Vertrieb von Wertpapieren in das deutsche Kapitalmarktrecht ein, die am öffentlichen Angebot von Wertpapieren anknüpfte und damit auf Prospektpublizität als Regelungsinstrument der Kapitalmärkte und als Instrument zum Schutz der Kapitalanleger setzte. Neben der Umsetzung der Emissionsprospektrichtlinie v. 17.4.19893 war es der erklärte Zweck des Gesetzes, die Transparenz der Wertpapiermärkte zum Schutze der Anleger in dem zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Märkte für das öffentliche Angebot von Wertpapieren gebotenen Maß zu verbessern, um dadurch das Vertrauen der Marktbeteiligten, namentlich der Anleger, in die Integrität der Wertpapieremissionsmärkte zu gewährleisten4. 1 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, erstveröffentlichte Fassung ABl. EU Nr. L 149 v. 30.4.2004, berichtigte Fassung ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3 ff. 2 BGBl. I 1990, 2749 ff. 3 Richtlinie 89/298/EWG vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist (sog. Emissionsprospektrichtlinie), ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8. Zur Richtlinie siehe etwa Gruber, Publizität des Emissionsgeschäfts, in Koppensteiner (Hrsg.), Österreichisches und europäisches Wirtschaftsprivatrecht, Teil 4: Börsen- und Kapitalmarktrecht, Wien 1996, S. 104 ff.; Heinze, S. 187 ff.; Hüffer, S. 7 ff.; Lutter, S. 605 ff.; Müller, Die Bank 1989, 375; Warren, The Common Market Prospectus, Common Market Law Review 26 (1989), 687. 4 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über WertpapierVerkaufsprospekte und zur Änderung von Vorschriften über Wertpapiere, BT-

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Zwar kannte das deutsche Kapitalmarktrecht schon vor dem Erlass des VerkProspG Vorschriften, welche der Information des Publikums über die auf den Primärmärkten öffentlich angebotenen Wertpapiere zu dienen bestimmt waren, doch waren diese in ihrer Reichweite in vielfacher Hinsicht begrenzt: Der Prospektzwang nach § 19 Abs. 1 KAGG und § 3 AuslInvestmG in ihrer seinerzeitigen Fassung betraf nur inländische bzw. ausländische Investmentanteile und gewährleistete im Zeitpunkt der Einführung des VerkProspG nur eine beschränkte Vertriebspublizität. So verlangten § 19 Abs. 1 KAGG und § 3 Abs. 1 AuslInvestmG in ihrer 1990 gültigen Fassung lediglich, dass dem Erwerber eines Anteilsscheines ein Verkaufsprospekt auszuhändigen sei, ohne nähere Angaben über den Zeitpunkt zu enthalten, in dem diese Pflicht zu erfüllen war. Im Übrigen war Prospektpublizität auf den deutschen Wertpapiermärkten bis zum Erlass des VerkProspG gleichbedeutend mit Börsenzulassungspublizität und beschränkte sich damit auf die Erstemission von Wertpapieren, die an einem der börslichen Märkte gehandelt werden sollten1. Diesbezüglich war der historische Gesetzgeber des BörsG von 1896 von der Vorstellung ausgegangen, Börsenzulassungsprospekte seien ein hinreichendes Mittel der Anlegerinformation, weil nicht börsennotierten Wertpapieren der Absatz so gut wie verschlossen sei2. Diese Annahme erwies sich jedoch schon seinerzeit als irrig, waren die meisten Emissionen doch bereits vollständig beim Publikum platziert, bevor der entsprechende Börsenzulassungsprospekt veröffentlicht wurde. Von einer Vertriebspublizität mittels Börsenzulassungspublizität konnte deshalb keine Rede sein.

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Das VerkProspG revidiert diesen Ansatzpunkt der Primärmarktpublizität in zweifacher Weise: Zum einen, indem es den Prospektzwang auf das erstmalige öffentliche Angebot von Wertpapieren vorverlagerte, und zum anderen, indem es auch solche öffentlichen Angebote von Wertpapieren einem Prospektzwang unterwarf, die nicht an einem der börslichen Marktsegmente gehandelt werden sollten. Damit war sichergestellt, dass bei jedem erstmaligen öffentlichen Angebot von Wertpapieren im Inland ein Prospekt veröffentlicht werden musste, der – überwacht durch die Aufsichtsbehörde – vollständig und zutreffend über die Verhältnisse des Emittenten und die Umstände der Emission zu informieren hatte. Geblieben war freilich die Beschränkung des Prospektzwangs auf das Angebot von Wertpapieren, dh. von wertpapiermäßig verbrieften Kapitalanlagen: Der Vertrieb von KapitalanlaDrucks. 11/6340 v. 1.2.1990 (im Folgenden: RegE VerkProspG), S. 1, 10 (zu Nr. 3), S. 11 (zu Art. 1). 1 Einschlägig waren seinerzeit die Vorschriften über die Verpflichtung zur Anfertigung und Veröffentlichung eines Börsenzulassungsprospektes (amtlicher Markt) bzw. eines Unternehmensberichts (geregelter Markt) nach §§ 36 Abs. 3 Nr. 2, 73 Abs. 1 Nr. 2 BörsG (aF) und die Prospekthaftung bzw. Unternehmensberichtshaftung nach §§ 45–49, 77 BörsG (aF). Die die Prospektpublizität auf den Emissionsmärkten ergänzende Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität nach §§ 44a, 76 BörsG (aF) wurde praktisch weder befolgt noch – im Falle ihrer Verletzung – verfolgt. 2 Siehe dazu, mwN, Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 62.

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gen des grauen Kapitalmarkts unterlag damit weiterhin keinem gesetzlichen Prospektzwang. Das hat sich erst mit der Novellierung des VerkProspG durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) v. 28.10.20041 geändert, welche zur Folge hatte, dass auch der größte Teil nicht wertpapiermäßig verbriefter Kapitalanlagen für den Fall ihres öffentlichen Angebots der Prospektpflicht und der Prospekthaftung nach dem VerkProspG unterzogen wurde (siehe unten Rz. 21). Unberührt vom VerkProspG blieb auch der Vertrieb von Anteilscheinen, die von einer inländischen oder ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben wurden. Für diese galten nach wie vor die Sonderregelungen des § 12 KAGG bzw. der §§ 3, 10 AuslInvestmG in ihrer seinerzeitigen Fassung sowie die Beaufsichtigung der diesbezüglichen Prospektierungspflichten durch das seinerzeitige BAKred2. An der Entscheidung des Gesetzgebers, den Vertrieb von Investmentanteilen im Hinblick auf die Prospektpflichten und die Prospekthaftung einer Sonderregelung zu unterziehen, hat sich bis heute nichts geändert3. Mit der Einführung des VerkProspG verband sich jedoch nicht nur die Um- 7 wandlung der Börsenzulassungspublizität in eine Vertriebspublizität und die Erstreckung Letzterer auf das öffentliche Angebot von Wertpapieren, die nicht an einem börslichen Marktsegment gehandelt werden sollen, sondern auch ein Paradigmenwechsel in Bezug auf den Regelungsansatz des deutschen Kapitalmarktrechts: Bis zum Inkrafttreten des VerkProspG existierte Kapitalmarktrecht praktisch nur in Gestalt aktien-, börsen- und bankrechtlicher (namentlich bankaufsichtsrechtlicher) Bestimmungen, deren Zielrichtung darin bestand, die Solidität der den deutschen Kapitalmarkt tragenden Institutionen – dh. der Aktiengesellschaften als Emittenten, der Börsen als Handelsplätze von Wertpapieren und der Banken als Emissionsbegleiter und Marktintermediäre – sicherzustellen4. Mit dem VerkProspG bricht sich dagegen erstmals ein Regelungsansatz Bahn, der institutionenbezogene Regelungen um solche ergänzt, die sich auf den Vertrieb von Wertpapieren beziehen und damit zur Ordnung der Kapitalmärkte verstärkt auf Publizität als Regelungsinstrument und das Publikum (den Markt) als Kontrollinstanz setzen. Ebnete das VerkProspG der vertriebsbezogenen Publizität als Regelungsinstrument von Kapitalmärkten den Weg, so wurde dieser Ansatz nur wenig später durch das WpHG von 19955 um verhaltensbezogene Pflichten der Kapitalmarktteilnehmer ergänzt. 1 Siehe oben Rz. 1. 2 Siehe Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), Einl. Rz. 5. 3 Zur Übersicht über das investmentrechtliche Publizitätssystem siehe Kübler/ Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 32 III 3 und VI 2. 4 Siehe dazu Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Einl. Rz. 2 ff.; Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rz. 8 ff.; Hopt, Vom Aktien- und Börsenrecht zum Kapitalmarktrecht?, ZHR 140 (1976), 201 (Teil 1), und ZHR 141 (1977), 389 (Teil 2); Hopt, Ideelle und wirtschaftliche Grundlagen der Aktien-, Bank- und Börsenrechtsentwicklung im 19. Jahrhundert, in Coing/Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. V, 1980, S. 128. 5 Art. 1 des Gesetzes über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungs-

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Zusammengenommen bildeten das VerkProspG und das WpHG auf Grund ihres Marktbezugs die Keimzellen eines neuen kapitalmarktrechtlichen Regelungsansatzes, der die Wandlungen des deutschen Unternehmensfinanzierungsmarkts von einem bislang bankendominierten hin zu einem zunehmend marktorientierten System begleitete und unterstützte1. Dabei stand das VerkProspG (und steht in Verbindung mit dem WpPG noch heute) für die Etablierung publizitätsbezogener Regelungselemente und das WpHG für den Einsatz marktbezogener Verhaltenspflichten von Marktteilnehmern – namentlich von Marktintermediären – im deutschen Kapitalmarktrecht. 2. Europäisches Recht als Grundlage der Vertriebspublizität

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Die wesentlichen Impulse zur Fortbildung des aus dem Verbund von Aktien-, Börsen- und Bank(aufsichts)recht gebildeten institutionenorientierten deutschen Kapitalmarktrechts zu einem vertriebs- und publizitätsbezogenen Kapitalmarktrecht neuer Prägung entstammten den Bestrebungen der EG zum Aufbau eines integrierten europäischen Kapitalmarkts als Bestandteil der Bemühungen zur Errichtung eines europäischen Binnenmarktes2. Die diesbezüglichen Harmonisierungsmaßnahmen, die auf die Integration der mitgliedstaatlichen Kapitalmärkte in Gestalt der Schaffung der Voraussetzungen zur wechselseitigen Durchdringung der nationalen Märkte zielten, setzten im Bereich der Harmonisierung des Kapitalmarktrechts vor allem auf das Instrument der Primärmarktpublizität3. Die Grundlage der diesbezüglichen Anstrengungen4 bildete die Börsenzulassungsrichtlinie5 und,

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gesetz) v. 26.7.1994, BGBl. I 1994, 1749 ff. Siehe Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Einl. Rz. 9 ff. Siehe dazu näher Assmann, Deregulierung im Verbands- und Finanzmarktrecht – Vom banken- zum kapitalmarktdominierten Unternehmensfinanzierungsmarkt, in Nörr ua. (Hrsg.), Regulierung – Deregulierung – Liberalisierung: Tendenzen zur Rechtsentwicklung in Deutschland und Japan zur Jahrhundertwende, 2001, S. 37, 62 ff.; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Einl. Rz. 9 ff. Zur Entwicklung des europäischen Kapitalmarktrechts unter konzeptionellen Gesichtspunkten siehe etwa Assmann, Die rechtliche Ordnung des europäischen Kapitalmarkts: Defizite des EG-Konzepts einer Kapitalmarktintegration durch Rechtsvereinheitlichung, Ordo 44 (1993), 87 ff.; Assmann, Harmonisierung des Kapitalmarkt- und Börsenrechts in der EG, in Deutsches und europäisches Bankund Börsenrecht, Bankrechtstag 1993, 1994, S. 61 ff.; Assmann, Kapitalmarkt in Europa, Zentrum für europäisches Wirtschaftsrecht, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn/Zentrum für Europäisches Wirtschaftsrecht: Vorträge und Berichte Nr. 52, Bonn 1995; Assmann in Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2. Aufl. 1997, § 1 Rz. 81 ff.; Assmann/Buck, Europäisches Kapitalmarktrecht, EWS 1990, 110 (I.), 190 (II.), 220 (III.); Grundmann, Europäisches Kapitalmarktrecht, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 1996, 103. Dazu Assmann, AG 1993, 549; Heinze, S. 3 ff. Siehe dazu auch Assmann, AG 1993, 549 (553 f.); Heinze, S. 9 f. ABl. EG Nr. L 66 v. 16.3.1979, S. 21; abgedruckt in Lutter, S. 532, mit Einleitung S. 528 ff.

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auf dieser aufbauend, die Börsenzulassungsprospektrichtlinie1, die Halbjahresberichtsrichtlinie2 und die Transparenzrichtlinie3. Die Emissionsprospektrichtlinie (siehe oben Rz. 4 und unten Rz. 12), deren Umsetzung in deutsches Recht durch die VerkProspG erfolgte, stellte insoweit lediglich eine Fortentwicklung der mit der Börsenzulassungspublizität angestrebten Vereinheitlichung der Primärmarktpublizität dar, indem sie – als Maßnahme ua. zur Förderung der wechselseitigen Durchdringung der mitgliedstaatlichen Kapitalmärkte – mit der Vorverlagerung der Zulassungspublizität auf den Zeitpunkt des ersten öffentlichen Angebots von Wertpapieren eine gemeinschaftsweit angeglichene Emissionspublizität herbeizuführen beabsichtigte4. Damit teilte das VerkProspG, das die Emissionsprospektrichtlinie nahezu 10 wortgetreu – wenngleich unter Ausnutzung der von dieser eröffneten Gestaltungsspielräume für die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber5 – in nationales Recht umsetzte, die Stärken und Schwächen des EG-Konzepts zur Schaffung eines integrierten europäischen Kapitalmarkts im Allgemeinen und der Maßnahmen zur Harmonisierung der Primärmarktpublizität im Besonderen. Zu den Stärken dieses Ansatzes gehörte gewiss die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, stärker auf den Einsatz der im Vergleich zu institutionellen Regelungen flexibleren und effizienteren marktbezogenen Regelungsmechanismen zu setzen. In Gestalt der Emissionsprospektrichtlinie folgte die EG damit der Einsicht, dass funktionsfähige Kapitalmärkte nur auf der Grundlage informierter Anlageentscheidungen zu erwarten sind, sei es auf Grund der Informationsverarbeitung durch den Anleger selbst oder sei es auf Grund der Informationsverarbeitung durch Informationsintermediäre (wie etwa Anlageberater und -vermittler). Ein beträchtlicher Vorteil des EG-Ansatzes zur Schaffung eines integrierten europäischen Kapitalmarkts und der Harmonisierung der Primärmarktpublizität bestand im Übrigen schon seinerzeit in der Erleichterung grenzüberschreitender Emissionen innerhalb des Binnenmarkts. Dazu trug zum einen das in Art. 21 der Emissionsprospektrichtlinie verankerte (und in § 15 des VerkProspG aF umgesetzte) Prinzip der gegenseitigen Anerkennung des von einer (gemäß Art. 20 der Richtlinie zuständigen) mitgliedstaatlichen Behörde gebilligten Verkaufsprospekts und zum anderen die Verpflichtung zur wechselseitigen Zusammenarbeit der bei grenzüberschreitenden Emissionen zuständigen Stellen sowie der Mitgliedstaaten (Art. 19 f., 22 f. iVm. Art. 14, 15 der Richtlinie, umgesetzt in §§ 14, 15 VerkProspG) bei. Dagegen ist zu den Schwächen des

1 ABl. EG Nr. L 100 v. 17.4.1980, S. 1; abgedruckt in Lutter, S. 552, mit Einleitung S. 546 ff. 2 ABl. EG Nr. L 48 v. 20.2.1982, S. 26; abgedruckt in Lutter, S. 581, mit Einleitung S. 578 ff. 3 ABl. EG Nr. L 348 v. 17.12.1988, S. 62; abgedruckt in Lutter, S. 589, mit Einleitung S. 585 ff. 4 Dazu Assmann, NJW 1991, 528 (530); Assmann, AG 1993, 549 (554 ff.); Hüffer, S. 85; Schäfer, ZIP 1991, 1557 (1563). 5 Siehe Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), Einl. Rz. 12.

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Ansatzes insbesondere der Umstand zu zählen, dass die Emissionspublizität ihrem Inhalt nach nichts anderes war als eine zeitlich vorverlagerte Börsenzulassungspublizität für wertpapiermäßig verbriefte Anlagen, die ihrerseits im Wesentlichen aus Elementen der ganz anderen Informationszwecken dienenden Rechnungslegungspublizität bestand1; ein Mangel, der jedenfalls bis zur Novellierung der Primärmarktpublizität durch das AnSVG v. 28.10.2004 (siehe oben zu Rz. 1) und das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.2005 (siehe oben zu Rz. 1) fortbestand. 11

Diente das AnSVG v. 28.10.2004 zwar ua. auch der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie2, so war die durch das Gesetz herbeigeführte Einbeziehung des Vertriebs von Anlagen des „grauen“ Kapitalmarkts in die Prospektpflicht nach Maßgabe der §§ 8f ff. VerkProspG nicht durch Verpflichtungen zur Umsetzung einer Richtlinie veranlasst, sondern allein dem Gestaltungswillen des deutschen Gesetzgebers geschuldet3. Anders verhält es sich jedoch wiederum mit der Neugestaltung der vertriebsbezogenen Prospektpublizität in Gestalt der Änderung des VerkProspG und der Einführung des WpPG durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz (siehe oben Rz. 1), welches die Prospektrichtlinie4 in deutsches Recht transformierte. Mit dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde die Regelung über Prospekte für das öffentliche Angebot von Wertpapieren aus dem VerkProspG herausgenommen und, an die Anforderungen der Prospektrichtlinien angepasst, in das neu geschaffene WpPG überführt. Bedeutsamer als diese gesetzestechnische Formalie ist der Umstand, dass das WpPG, entsprechende Vorgaben der Prospektrichtlinie umsetzend, die Voraussetzungen für einen „europäischen Pass für Wertpapieremissionen“ schafft, demzufolge der von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats der EU bzw. eines

1 Dazu näher Assmann, AG 1993, 549 (555 ff.). 2 Richtlinie 2003/6/EG v. 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16 ff. 3 Mit der auf das AnSVG zurück gehenden Änderung sind Teile der im Referat von Assmann zu den Gutachten F und G zum 64. Deutschen Juristentag in Berlin 2002 („Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?“, in Verhandlungen des Vierundsechzigsten Deutschen Juristentages Berlin 2002, hrsg. v. der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, Band II/1, 2002, S. P11 ff., P17 f.) zur Regelung des „grauen“ Kapitalmarkts unterbreiteten Vorschläge zur Einbeziehung des „grauen“ Kapitalmarkts in das Regelungsregime des VerkProspG umgesetzt worden. 4 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 325 v. 31.12.2003, S. 64 ff. Zur Historie der Richtlinie und ihrer Umsetzung sowie zu Reformüberlegungen und Revisionsvorschlägen siehe die Website der Kommission unter: http://ec.europa.eu/internal_market/securities/prospectus/index_de.htm (von hier aus sind auch sämtliche einschlägigen Dokumente abrufbar); näher zu Revisionsvorschlägen Einl. WpPG Rz. 8 f.

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Vertragsstaats des EWR1 gebilligt wird, in allen anderen Mitglieds- bzw. Vertragsstaaten ohne weitere Prüfung anzuerkennen ist (siehe Einl. WpPG Rz. 7). Auf die Emission von Wertpapieren beschränkt, kann dieser Pass allerdings nicht für die Emission von Kapitalanlagen erlangt und genutzt werden, die nicht in Wertpapieren verbrieft sind. Für sie sind dementsprechend auch nicht die neuen Regelungen über den Inhalt und die Gestaltung von Prospekten im WpPG und der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission v. 29.4.2004 (siehe oben zu Rz. 3) maßgebend, sondern allein die Vorschriften der §§ 8f ff. VerkProspG und der VermVerkProspV. 3. Entwicklung des Verkaufsprospektgesetzes und der mit diesem verbundenen Rechtsakte a) Verkaufsprospektgesetz v. 13.12.1990 Das VerkProspG v. 13.12.1990 ist als Art. 1 des Gesetzes über Wertpapier- 12 Verkaufsprospekte und zur Änderungen von Vorschriften über Wertpapiere v. 13.12.1990 in seinen wesentlichen Bestimmungen zum 1.1.1991 in Kraft getreten (Art. 4 des Gesetzes v. 13.12.1990)2 und in der Folgezeit mehrfach geändert worden (dazu unten Rz. 14 ff.). Kurz nach der Verkündung des VerkProspG wurde dieses, auf Grund der in dessen § 7 Abs. 2 und 3 enthaltenen Ermächtigung, um die VerkProspVO ergänzt3, um den nach Art. 11 der Emissionsprospektrichtlinie (siehe oben zu Rz. 4) festzulegenden Mindestinhalt von Verkaufsprospekten bei dem ersten öffentlichen Angebot von Wertpapieren, für die eine amtliche Notierung nicht beantragt ist, festzuschreiben. Dabei lehnte sich die Verordnung in weiten Teilen – dem EGrechtlichen Konzept entsprechend (siehe oben Rz. 9) – den entsprechenden Vorschriften der seinerzeitigen, dem diesbezüglichem Gemeinschaftssekundärrecht angeglichenen BörsZulV an4. Das VerkProspG basiert auf dem Regierungsentwurf desselben v. 1.2.19905, 13 der allerdings nach der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf6, der diesbezüglichen Gegenäußerung der Bundesregierung7, der öffentlichen Anhörung zum Gesetzesvorhaben am 12.9.19908 und der Beschlussempfehlung

1 Das WpPG spricht zusammenfassend von einem „Staat des Europäischen Wirtschaftsraums“, vgl. § 2 Nr. 15 WpPG. 2 Zum Regelungsinhalt der übrigen Artikel des Gesetzes siehe Assmann, NJW 1991, 528 (532 ff.); Denzer, Sparkasse 1991, 112; Süßmann, EuZW 1991, 210. 3 Verordnung über die Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) v. 17.12.1990, BGBl. I 1990, 2869. Im Folgenden: VerkProspVO. 4 Zur näheren Erläuterung der Vorschriften der VerkProspVO siehe Verordnung der Bundesregierung: Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung), BR-Drucks. 811/90 v. 20.11.1990, S. 10 ff. 5 BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, siehe oben Rz. 4. 6 BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, Anlage 1, S. 18. 7 BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, Anlage 1, S. 20. 8 Deutscher Bundestag, 11. Wahlperiode, 7. Ausschuss, AZ 2450, Protokoll Nr. 82.

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und dem Bericht des Finanzausschusses des Bundestags1 im Hinblick auf das verabschiedete Gesetzeswerk einige Änderungen erfuhr. Hauptsächlich betroffen davon war der Entwurf der Regelung einer Haftung für den Verkaufsprospekt, welcher sich stark an die Prospekthaftungsregelung des seinerzeitigen KAGG und des seinerzeitigen AuslInvestmG anlehnte und als Rechtsfolge eine Rücknahmepflicht der Prospektverantwortlichen als Gesamtschuldner gegen Erstattung des Kaufpreises vorsah. Die dagegen erhobenen Bedenken2 vermochten sich durchzusetzen und führten dazu, dass die Haftung für unrichtige Verkaufsprospekte durch Verweis auf die Prospekthaftungsregelung der §§ 45–48 BörsG aF geregelt wurde. 14

Erste, in der Sache aber nur geringfügige Änderungen erfuhr das VerkProspG durch Art. 43 des Gesetzes zur Ausführung des Abkommens v. 2.5.1992 über den europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Ausführungsgesetz) v. 27.4.19933. Weiterreichende Modifikationen des VerkProspG verbanden sich dagegen mit den durch Art. 8 des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes (2. FFG) v. 26.7.19944 veranlassten Änderungen. Unter diesen ist vor allem der Umstand herauszustellen, dass die Funktion der Hinterlegungsstelle für den Verkaufsprospekt nunmehr dem mit dem 2. FFG neu geschaffenen seinerzeitigen Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) übertragen wurden. Darin deutet sich bereits die Betrauung der Aufsichtsbehörde mit weiteren Aufgaben in Bezug auf die Kontrolle der Einhaltung der Pflichten aus dem VerkProspG an, wie sie sodann im Dritten Finanzmarktförderungsgesetz von 1998 (dazu Rz. 15) vollzogen wurde. Auf Grund von Art. 19 Nr. 1 des 2. FFG wurde das VerkProspG am 25.7.1996 erstmals neu bekannt gemacht5.

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Gewichtige Änderungen des VerkProspG brachte schließlich Art. 2 des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes (3. FFG) v. 24.3.19986 mit sich: (1) Zur 1 2 3 4

BT-Drucks. 11/8328 v. 29.10.1990. Siehe dazu näher Assmann, NJW 1991, 528 (531 f.). BGBl. I 1993, 521, 533 f. Betroffen waren die §§ 3, 14 und 15 des VerkProspG. Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) v. 26.7.1994, BGBl. I 1994, 1749, 1779 f. Betroffen waren die §§ 4, 8, 9 und 14–17 des VerkProspG; Einzelheiten hierzu bei den Erläuterungen zu diesen Vorschriften. Darstellung und Erläuterungen der Änderungen in: Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz), BTDrucks. 12/6679 v. 27.1.1994, S. 89 f. 5 Bekanntmachung der Neufassung des Verkaufsprospektgesetzes v. 17.7.1996, BGBl. I 1996 v. 25.7.1996, 1047. Zur zweiten Neubekanntmachung siehe Rz. 16. 6 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, 529, 532 ff. Betroffen waren die §§ 3–17 VerkProspG; neu eingefügt wurden §§ 8a–8e und § 18 VerkProspG. Darstellung und Erläuterungen der Änderungen in: Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz), BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997 (= BR-Drucks. 605/97 v. 15.8.1997), Begründung S. 57 ff.,

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Verbesserung des Anlegerschutzes im Zusammenhang mit erstmaligen öffentlichen Angeboten von Wertpapieren wurden der Aufsichtsbehörde, dem seinerzeitigen BAWe, zusätzliche Kompetenzen übertragen: Fungierte die Behörde bisher nur als Hinterlegungsstelle für Verkaufsprospekte, so wurden ihr mit dem 3. FFG auch die Aufgaben der Prüfung der Vollständigkeit der Verkaufsprospekte und die Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen des VerkProspG übertragen. Dazu eröffnete das 3. FFG der Behörde ua. umfangreiche Auskunftsrechte und räumte ihr die Befugnis ein, zur Kontrolle der Vollständigkeit der Verkaufsprospekte und der Einhaltung der Vorschriften des VerkProspG die Vorlage von Unterlagen verlangen zu können. (2) Des Weiteren wurde das bislang im dritten Abschnitt des VerkProspG geregelte Verfahren zur Prüfung des Verkaufsprospekts für die Emission von Wertpapieren, für die ein Antrag auf Zulassung zum geregelten Markt gestellt ist, dem Verfahren unterstellt, das nach dem zweiten Abschnitt des geänderten Gesetzes für das Angebot von Wertpapieren gilt, für die ein Antrag zum amtlichen Markt eingereicht wurde. Der Zweck dieser Maßnahme bestand darin, eine zweifache Prüfung der Prospektdokumente durch die zuständigen Zulassungsausschüsse der Börsen einerseits und durch die Aufsichtsbehörde andererseits zu vermeiden. (3) Darüber hinaus beseitigte das 3. FFG verschiedene Lücken und Schwächen des bisherigen VerkProspG. So wurden ua. die Prospekthaftungsregelung des Gesetzes an die zwischenzeitlich geänderte Fassung der börsengesetzlichen Prospekthaftung angepasst und einige der bisherigen Ausnahmen von der Prospekterstellungs- und -veröffentlichungspflicht eingeengt. (4) Schließlich enthielt das 3. FFG auch verschiedene deregulierend wirkende und der Internationalisierung der Kapitalmärkte Rechnung tragende Maßnahmen, wie etwa die Abschaffung der Verpflichtung, Nachträge zu unvollständigen Verkaufsprospekten nach § 10 VerkProspG (aF) vor dem ersten öffentlichen Angebot veröffentlichen zu müssen oder die Einräumung der Möglichkeit, Verkaufsprospekte in einer anderen als der deutschen Sprache abfassen zu können. b) Verkaufsprospektgesetz nach der Neubekanntmachung v. 9.9.1998 Die derzeitige Fassung des VerkProspG beruht auf der Neubekanntmachung 16 des Gesetzes v. 9.9.19981, deren Grundlage Art. 6b des Gesetzes zur Umsetzung der Einlagensicherungsrichtlinie und der Anlegerentschädigungsrichtlinie vom 16.7.19962 bildete. Im Zusammenhang mit der Neubekanntmachung des VerkProspG wurde auch die VerkProspVO am 9.9.1998 neu bekannt gemacht3, doch ist diese später durch Art. 9 des ProspektrichtlinieUmsetzungsgesetzes v. 22.6.2005 (siehe oben Rz. 1) aufgehoben worden (siehe unten Rz. 24).

84 ff. Zu der Novellierung der verkaufsprospektgesetzlichen Vorschriften näher Grimme/Ritz, WM 1998, 2091. 1 BGBl. I 1998, 2701. 2 BGBl. I 1998, 1842, 1849. 3 BGBl. I 1998, 2853.

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Aber auch die neu bekannt gemachte Fassung des VerkProspG hat wieder rasch zahlreiche Änderungen erfahren. Nur geringfügige Änderungen des Gesetzes bzw. der Verordnungen zu dem Gesetz gingen vom Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro v. 21.12.20001 aus.

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Gewichtigere Änderungen des VerkProspG und der VerkProspVO verbanden sich mit dem Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen v. 20.12.20012. Nach dem mit diesem Gesetz eingefügten WpÜG können den Adressaten eines öffentlichen Wertpapiererwerbs- oder Übernahmeangebots, als Gegenleistung für die Annahme des Angebots, Wertpapiere angeboten werden („Tauschangebot“). Ein solches Angebot von Wertpapieren war geeignet, die Voraussetzungen von § 1 VerkProspG aF zu erfüllen und im Hinblick auf die als Gegenleistung offerierten Wertpapiere die Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts erforderlich zu machen. Um diese Konsequenz zu vermeiden, wurde in einer in Art. 6 des Gesetzes enthaltenen Ergänzung von § 4 VerkProspG aF angeordnet, dass ein Verkaufsprospekt nicht zu veröffentlichen ist, wenn „als Gegenleistung im Rahmen eines Angebots nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz angeboten werden“ (§ 4 Abs. 1 Nr. 9 VerkProspG der geänderten Fassung)3. Darüber hinaus sah Art. 10 des Gesetzes eine dem Anlegerschutz dienende Ergänzung des § 4 VerkProspVO aF vor4. Der Anleger, dem mittels eines Verkaufsprospekts, dessen Inhalt sich nach der VerkProspVO richtete, Aktien angeboten wurden, war nach § 4 Satz 2 VerkProspVO in der geänderten Fassung darauf hinzuweisen, dass diese Wertpapiere nicht der Regelung des WpÜG unterfallen und vor allem keine Verpflichtung eines Aktionärs auslösen können, im Falle der Erlangung der Kontrolle über die Emittentin ein Pflichtangebot (nach § 35 WpÜG) abgeben zu müssen5.

1 Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes, insbesondere zur Durchführung der EG-Richtlinie 98/78/EG v. 27.10.1998 über die zusätzliche Beaufsichtigung der einer Unternehmensgruppe angehörenden Versicherungsunternehmen sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro v. 21.12.2000, BGBl. I 2000, 1857. 2 BGBl. I 2001, 3822. Die Änderungen finden sich in Art. 6 bzw. Art. 10 des Gesetzes. 3 Hintergrund dieser Regelung ist das Konzept, alle im Zusammenhang mit öffentlichen Wertpapiererwerbs- oder Übernahmeangeboten anfallenden Informationspflichten des Bieters in dem mit Art. 1 des Gesetzes eingeführten WpÜG zu regeln. Siehe dazu näher Assmann in Nachtrag zu Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), Einl. Rz. 9. 4 Vgl. RegE WpÜG, BR-Drucks. 574/01 v. 17.8.2001(= BT-Drucks. 14/7034 v. 5.10.2001), S. 189. 5 Näher zum Hintergrund dieser Änderung Assmann in Nachtrag zu Assmann/ Lenz/Ritz (Voraufl.), Einl. Rz. 10.

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Auf Grund des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht 19 v. 22.4.20021 wurde die bislang von unterschiedlichen Behörden wahrgenommene staatliche Aufsicht über Banken, Versicherungsunternehmen und Finanzdienstleistungsinstitute in eine sektorübergreifende Finanzmarktaufsicht durch die neu geschaffene Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überführt. Eine materielle Änderung des VerkProspG, der VerkProspVO und der VerkProspGebVO war damit ebenso wenig verbunden wie eine Änderung des materiellen Aufsichtsrechts im Übrigen. Die Änderungen des Gesetzes und der angeführten Verordnungen bestanden vielmehr lediglich darin, die in den einschlägigen Bestimmungen enthaltene Bezeichnung der bisherigen Aufsichtsbehörde durch diejenige der neuen Behörde („Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“ bzw. „BaFin“) zu ersetzen. Umfangreiche Änderungen der verkaufsprospektrechtlichen Vorschriften haben sodann Art. 5 und Art. 21 des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes v. 21.6.20022 gebracht. Sie waren teils rein redaktioneller Natur, teils hatten sie bloße Klarstellungsfunktion, teils dienten sie der Anpassung des Verkaufsprospektrechts an neue Angebotstechniken in Gestalt von Angeboten mittels Internet, teils passten sie aufsichtsrechtliche Bestimmungen den auf Grund der Internationalisierung des Wertpapierhandels veränderten Verhältnissen an3. Ungeachtet ihrer unterschiedlichen Ansatzpunkte dienten die weitgehend durch die Erfahrungen der Aufsichtspraxis der Aufsichtsbehörde angeregten Änderungen der Verbesserung des Anlegerschutzes und der Funktionsfähigkeit der Emissionsmärkte.

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Wie bereits an früherer Stelle (siehe oben Rz. 1, 6) ausgeführt, hat das Anle- 21 gerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) v. 28.10.20044 den Anwendungsbereich der vertriebsbezogenen Prospektpublizität nach Maßgabe des VerkProspG und der VerkProspVO, über den Vertrieb von nicht börsennotierten Wertpapieren hinaus, auf Kapitalanlagen ausgedehnt, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, aber nicht in Wertpapieren verbrieft sind. Damit hat der Gesetzgeber einen wesentlichen Teil der auf dem „grauen“ Kapitalmarkt angebotenen Wertpapiere einer an den Vertrieb der Anlagen anknüpfenden Prospektpflicht und der Prüfung der zu veröffentlichenden Prospekte durch die BaFin unterworfen. Zur Begründung hierfür heißt es im RegE AnSVG5: „In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass auf dem bislang nicht bzw. nicht spezialgesetzlich geregelten Teil des Kapitalmarktes für nicht in Wertpapieren verbriefte Anlageformen (‚Grauer

1 BGBl. I 2002, 1310. Die Änderungen finden sich in Art. 5 und Art. 20 Abs. 3 und 4 des Gesetzes. 2 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 21.6.2002 (4. FFG), BGBl. I 2002, 2010. 3 Zu den Änderungen im Einzelnen siehe Assmann in Nachtrag zu Assmann/ Lenz/Ritz (Voraufl.), Einl. Rz. 10. 4 BGBl. I 2004, 2630; siehe oben Rz. 1. 5 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 27.

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Kapitalmarkt‘) häufig hohe Anlegerschäden bis hin zu Totalverlusten zu verzeichnen sind. Deshalb wird für nicht in Wertpapieren verbriefte Unternehmensbeteiligungen, die den Schwerpunkt der Anlageformen in diesem Marktsegment bilden, eine Prospektpflicht eingeführt… Damit werden dem Erwerber die Angaben zur Verfügung gestellt, die notwendig sind, um Risiken und Chancen des Produkts abwägen zu können.“ 22

Zu den Änderungen, die das AnSVG für das VerkProspG mit sich gebracht hat, gehört auch die Einführung einer Haftung bei fehlendem Prospekt nach § 13a VerkProspG1. Wie die Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG iVm. §§ 44–47 BörsG betrifft sie sowohl nach dem WpPG (in Bezug auf den Vertrieb nicht an einer inländischen Börse zugelassener Wertpapiere) wie nach dem VerkProspG zu erstellende Prospekte. Der Ermächtigung in § 8g Abs. 2 und 3 des geänderten VerkProspG entsprechend erging am 16.12.2004 die VermVerkProspV2. Sie stand damit kurzfristig neben der das öffentliche Angebot von Wertpapieren iS des § 1 VerkProspG aF betreffenden VerkProspVO, die am 9.9.1998 neu bekannt gemacht3 und durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.2005 aufgehoben (siehe oben Rz. 1 und weiter unten Rz. 24) wurde.

23

Die Änderungen, die das VerkProspG und die VerkProspVO durch Art. 8 Abs. 6 bzw. 7 Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) v. 3.12.20044 erfahren haben, sind als bloße Folgeänderungen des Rechnungslegungsrechts nur redaktioneller Art.

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Wie ebenfalls bereits (Rz. 1, 11) erwähnt, verbindet sich der am weitesten reichende Eingriff in das VerkProspG und die VerkProspVO im Besonderen und das prospektbezogene Vertriebsrecht im Allgemeinen mit dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.2005 (siehe oben Rz. 1). Die Prospektpflicht für Wertpapiere, die zum Handeln an einem inländischen organisierten Markt zugelassen oder ohne eine solche Zulassung im Inland öffentlich angeboten werden sollen (§§ 1, 3 Abs. 1 und 3 WpPG) sowie die Haftung für die zu erstellenden Prospekte richten sich nunmehr ausschließlich nach dem (durch Art. 1 des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes) eingeführten, Teile des BörsG und Teile des VerkProspG zusammenführenden WpPG. Dementsprechend werden die §§ 1–8e, 14 und 15 VerkProspG aF durch Art. 2 Nr. 1 des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes aufgehoben5. Das VerkProspG regelt damit nur noch die Prospektpflicht beim Vertrieb von im Inland öffentlich angebotenen nicht in Wertpapieren iS des neu1 Vgl. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 27. Zum Hintergrund der Neuregelung siehe Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 312. 2 Vgl. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 27. Zum Hintergrund der Neuregelung siehe Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 312. 3 BGBl. I 1998, 2853; siehe auch oben Rz. 16. 4 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG), BGBl. I 2004, 3166. 5 Vgl. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 26.

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en WpPG verbrieften Beteiligungen am Ergebnis eines Unternehmens sowie die Haftung für die nach Maßgabe des VerkProspG und – was sich aus systematischen Gründen nicht unbedingt aufdrängt (s. dazu Einl. WpPG Rz. 5 aE) – auch des WpPG im Hinblick auf den Vertrieb von Wertpapieren, die nicht an einer inländischen Börse zugelassen sind, zu veröffentlichenden Prospekte (§§ 13, 13a VerkProspG). Dabei wird die Einheitlichkeit der Haftung für die Fehlerhaftigkeit von Prospekten, die nach dem WpPG und dem VerkProspG zu veröffentlichen sind, durch den Verweis in § 13 Abs. 1 VerkProspG auf die nach näherer Maßgabe von § 13 Abs. 1 Nr. 1–3 VerkProspG anzuwendende Regelung der börsengesetzlichen Prospekthaftung in §§ 44–47 BörsG sichergestellt, welche unmittelbar nur die Haftung für den auf der Grundlage des WpPG erstellten Börsenzulassungsprospekt erfasst (siehe § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG). Da sich die Prospektpflicht für den Vertrieb von Wertpapieren nunmehr ausschließlich nach dem WpPG richtet, wurde auch die VerkProspVO bisheriger Fassung, die den Inhalt der beim Vertrieb von Wertpapieren zu erstellenden und zu veröffentlichenden Prospekte konkretisierte, durch Art. 9 des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes aufgehoben. Das Gesetz zur Einführung von Kapitalanlage-Musterverfahren v. 16.8.20051 hob in seinem Art. 7 die Zuständigkeitsregelung des § 13 Abs. 2 VerkProspG betreffend die Entscheidung über Ansprüche aus Prospekthaftung nach § 13 Abs. 1 VerkProspG und über mögliche weitergehende Ansprüche nach § 13 Abs. 2 VerkProspG iVm. § 47 Abs. 2 BörsG auf. Es brachte ansonsten keine weiteren Änderungen des VerkProspG mit sich.

25

Die Änderungen des VerkProspG, die sich aus Art. 13 des Gesetzes zur Einführung der Europäischen Genossenschaft v. 14.8.20062 ergaben, waren lediglich der Änderung des Genossenschaftsrechts geschuldet und rein redaktioneller Natur.

26

Auch die Änderungen des VerkProspG durch Art. 8 des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (FRUG) v. 16.7.20073 sind nur von beschränkter Reichweite und nehmen durch die Hinzufügung einer Nr. 9 zu § 8f Abs. 2 VerkProspG das öffentliche Angebot von vor dem 1.7.2005 emittierten Vermögensanlagen auf bestimmten so genannten Zweitmärkten von der Prospektpflicht nach § 8f Abs. 1 VerkProspG aus4.

27

Das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funk- 27a tionsfähigkeit des Kapitalmarkts, dessen Diskussionsentwurf im Mai 2010 vorgelegt wurde5, sieht geringfügige Änderungen des VerkProspG und weitrei1 BGBl. I 2005, 2437. 2 BGBl. I 2006, 1911. 3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2007, 1330. 4 Näher RegE Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/4028 v. 12.1.2007, 1, 100. 5 Der Diskussionsentwurf (Bearbeitungsstand 3.5.2010) ist abrufbar über die Website des BMF http://www.bundesfinanzministerium.de unter der Sucheingabe: Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes.

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chende Änderungen der VermVerkProspV vor. Geleitet sind diese von dem Ziel, das durch die Finanzkrise erschütterte Vertrauen in die Finanzmärkte durch substanzielle Verbesserungen des Aufsichtsrechts namentlich im Hinblick auf das Marktsegment des Grauen Kapitalmarkts wiederherzustellen. Grundlage dieses Vorhabens ist die Ausdehnung der Vorschriften des WpHG und des KWG auf den Vertrieb von Anlageprodukten des Grauen Kapitalmarkts. Auf diese Weise sollen insbesondere die anlegerschützenden Vorschriften des WpHG auch in diesem Bereich zur Anwendung gebracht werden1. Hierauf aufbauend ist durch eine umfangreiche Bereinigung der Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung vorgesehen, dass Prospekte für Graumarktprodukte besondere inhaltliche Anforderungen erfüllen, die über die bisherigen hinausgehen. Insbesondere müssen sie Angaben zu etwaigen weitergehenden Prospektprüfungen durch Wirtschaftsprüfer sowie Informationen enthalten, die eine Beurteilung der Seriosität der Projektinitiatoren ermöglichen. Weiter wird die Prüfung der nach dem VerkProspG zu erstellenden Prospekte durch eine Ergänzung des § 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG auf die Kontrolle der Kohärenz und Verständlichkeit der nach § 8g Abs. 1 VerkProspG erforderlichen Prospektangaben ausgedehnt und so dem Niveau der Prospektprüfung nach § 13 WpPG angepasst. Schließlich soll durch die Aufhebung von § 13a Abs. 5 VerkProspG die Verjährung für Schadensersatzansprüche wegen fehlenden Prospekts an die allgemeinen Verjährungsregeln angepasst werden.

III. Anwendung der Vorschriften des Verkaufsprospektgesetzes und der VermVerkProspV 1. Europarechtliche Dimension der Rechtsanwendung 28

Nachdem die Prospektpflicht für öffentlich angebotene Wertpapiere in das WpPG überführt wurde, enthält das VerkProspG weitgehend nur noch solche Vorschriften, die nicht auf der Umsetzung von europäischen Richtlinien beruhen und mithin nach den allgemeinen Regeln zur Auslegung deutschen Rechts und mithin ohne das Erfordernis richtlinienkonformer Auslegung anzuwenden sind2.

29

Das gilt fraglos für die Vorschriften des VerkProspG, welche die Prospektpflicht und die Prospekte für nicht wertpapiermäßig verbriefte Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG zum Gegenstand haben. Dazu gehören auch §§ 13 und 13a VerkProspG, doch beziehen sich diese nicht nur auf Prospekte, die Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG betreffen, sondern auch auf solche, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassene Wertpapiere, deren öffentliches Angebot eine Prospektpflicht nach §§ 1 und 3 WpPG auslöst, zum Gegenstand haben. Enthielt die Emissionsprospektrichtlinie, deren Umsetzung das VerkProspG v. 13.12.1990 1 Diskussionsentwurf (siehe vorstehende Fn.), Begründung Allgemeiner Teil I. und II., S. 33. 2 Zur bisherigen Situation siehe Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), Einl. Rz. 14.

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diente (siehe oben Rz. 4, 9 und 12), noch keine Verpflichtung zur Einführung einer Prospekthaftungsbestimmung betreffend die bei prospektpflichtigen Wertpapierangeboten zu veröffentlichenden Prospekte, so verlangt die Prospektrichtlinie1 in ihrem Art. 5 zumindest die Einführung einer Prospekthaftungsregelung für fehlerhafte Prospekte, wie sie im Falle prospektpflichtiger Angebote iS von Art. 3 und 4 zu veröffentlichen sind. Dieses Erfordernis ist mit § 13 VerkProspG erfüllt. Bei dieser Vorschrift handelt es sich mithin teils – im Hinblick auf die Haftung für nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG zu veröffentlichenden Prospekte – um angeglichenes2, teils – im Hinblick auf die nach § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG zu veröffentlichenden Prospekte – um nicht angeglichenes Recht. Das kann zu einer gespaltenen Auslegung des § 13 VerkProspG führen, die sich – je nach dem, um welche Art von Prospekt in vorstehendem Sinne es sich handelt – auch auf die Anwendung der Vorschriften der börsengesetzlichen Prospekthaftung in Gestalt von §§ 44–47 BörsG, auf die § 13 VerkProspG verweist, erstrecken müsste. Gleichwohl ist eine Zweigleisigkeit in der Auslegung des § 13 VerkProspG und der §§ 44–47 BörsG nicht zu erwarten, da die Prospektrichtlinie im Wesentlichen nur das Erfordernis einer Prospekthaftungsregelung aufstellt und den einzubeziehenden Personenkreis umschreibt, im Übrigen aber keine Vorgaben über die Ausgestaltung der Haftung enthält. Ebenso wenig verlangt die Prospektrichtlinie die Einführung einer Haftung 30 für fehlende Prospekte, wie sie § 13a VerkProspG enthält. Bei dieser Bestimmung handelt es sich folglich auch dann nicht um angeglichenes Recht, wenn Fälle zu beurteilen sind, in denen ohne Veröffentlichung eines Prospekts und unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassene Wertpapiere angeboten wurden. 2. Auslegungsschreiben der Aufsichtsbehörde In der Bekanntmachung zum Verkaufsprospektgesetz (aF) v. 15.4.19963 hatte 31 die Aufsichtsbehörde (seinerzeit das BAWe) erstmals ihre Auslegung des VerkProspG dargelegt. Die Änderungen des VerkProspG durch das 3. FFG sowie die in der Anwendung der Vorschriften des VerkProspG gewonnenen Erfahrungen haben die Aufsichtsbehörde veranlasst, die Bekanntmachung von 1996 zu überarbeiten und durch die Bekanntmachung v. 6.9.1999 zum VerkProspG und zur VerkProspVO4 zu ersetzen. Diese Bekanntmachung ist jedoch zwischenzeitlich aufgehoben worden und kann deshalb nur noch als Hilfe zur Auslegung in Bezug auf die ihrem Wortlaut nach fortgeltenden Vorschrif1 ABl. EG Nr. L 325 v. 31.12.2003, S. 64 ff.; siehe oben Rz. 11. 2 AA wohl Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006, VerkProspG Vorbem. Rz. 5 aE, 6. 3 BAnz. Nr. 82 v. 30.4.1996, S. 5069. Dazu ausführlich und kritisch Kullmann/ Müller-Deku, WM 1996, 1989. 4 Bekanntmachung zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701 ff.) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2835 ff.) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180; siehe Assmann/Lenz/ Ritz (Voraufl.), Textanhang 2. Dazu ausführlich Lenz/Ritz, WM 2000, 904.

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ten mit herangezogen1 werden. Das gilt namentlich im Hinblick auf den Umstand, dass die BaFin unter dem 30.6.2005 ein Auslegungsschreiben zur Prospektpflicht für Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte2 vorgelegt hat, in dem ausgewählte materielle Fragen der Prospektpflicht für Vermögensanlagen nach §§ 8f ff. des VerkProspG und der VermVerkProspV erläutert werden. 32

Mit der Veröffentlichung der vorgenannten Bekanntmachungen hatte die Aufsichtsbehörde zur Transparenz der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des VerkProspG und zur Rechtssicherheit in der Anwendung eines von unbestimmten Rechtsbegriffen durchsetzten Gesetzes beigetragen. Die Bekanntmachung war als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift3 zwar weder für die Aufsichtsbehörde selbst4 noch für die Gerichte5 bindend, doch bestand berechtigter Anlass zu der Annahme, dass weder die Behörde noch die Gerichte ohne triftige Gründe von der in der Bekanntmachung veröffentlichten Auslegungspraxis abweichen würden. Hinzu kam, dass gegenüber denjenigen, die sich bekanntmachungskonform verhalten, im Rahmen von Ordnungswidrigkeitsverfahren oder eventueller zivilrechtlicher Schadensersatzstreitigkeiten (etwa über Prospekthaftungsansprüche nach § 13 VerkProspG) schwerlich ein Schuldvorwurf hätte erhoben werden können6. Nichts anderes kann für das vorerwähnte Auslegungsschreiben v. 30.6.2005 gelten7. Dass das Auslegungsschreiben noch vor dem Inkrafttreten der Prospektpflicht nach § 8f VerkProspG zum 1.7.2005 und ohne entsprechende Verwaltungspraxis vorgelegt wurde, nimmt ihm aber umgekehrt nichts von der Bedeutung, die zuvor den auf Grund entsprechender Aufsichtspraxis ergangenen Bekanntmachungen für die Auslegung der Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen zukam. Dafür spricht schon der Umstand, dass die BaFin bislang keinen Anlass gesehen hat, ihr Schreiben zu modifizieren. 3. IDW-Standard S 4 (IDW S 4)

33

Bereits 1987 hatte der Wohnungswirtschaftliche Fachausschuss im Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) die Stellungnahme WFA 1/1987 über die „Grundsätze ordnungsgemäßer Durchführung von Pro1 Ebenso Groß, Kapitalmarktrecht, Vorbem. VerkProspG Rz. 8. 2 Abrufbar von der Website der BaFin http://www.bafin.de/ unter der Sucheingabe „Auslegungsschreiben 30.06.2005“. 3 Bosch, Rz. 10/104; Gebauer, S. 11; Hamann, Vor § 1 VerkProspG Rz. 7; Kullmann/Müller-Deku, WM 1996, 1989. 4 Kullmann/Müller-Deku, WM 1996, 1989 f.; zu Ausnahmen ebd. Ebenso Hamann, Vor § 1 VerkProspG Rz. 7. 5 Bosch, Rz. 10/104; Gebauer, S. 11; Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006, Vorbem. VerkProspG Rz. 5; Kullmann/Müller-Deku, WM 1996, 1989 f. 6 IE ebenso Bosch, Rz. 10/104 (unvermeidbarer Verbotsirrtum); Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006, Vorbem. VerkProspG Rz. 5 (aE; unvermeidbarer Verbotsirrtum); Hamann, Vor § 1 VerkProspG Rz. 7 (Vertrauenstatbestand, der zur Ermessungsbindung bei der Ordnungswidrigkeitsverfolgung führt); Kullmann/ Müller-Deku, WM 1996, 1989 (1990) (Ermessensbindung des BAWe bei der Ahndung eines Verstoßes als Ordnungswidrigkeit; unvermeidbarer Verbotsirrtum des Prospektpflichtigen). 7 Auch Groß, Kapitalmarktrecht, VerkProspG Vorbem. Rz. 8.

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spektprüfungen“1 abgegeben. Diese wurden am 1.9.2000 durch die „Grundsätze ordnungsgemäßer Beurteilung von Prospekten über öffentlich angebotene Kapitalanlagen (IDW S 4)“2 ersetzt. An ihre Stelle wiederum traten im Mai 2005 die (2006 überarbeiteten und aktualisierten) „Grundsätze ordnungsmäßiger Beurteilung von Verkaufsprospekten über öffentlich angebotene Vermögensanlagen (IDW S 4)“3, mit denen vor allem auf die Änderung des Verkaufsprospektgesetzes durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz v. 28.10.2004 (Rz. 21) reagiert wurde. Mit den Grundsätzen soll ein Standard für die Beurteilung von Verkaufspro- 34 spekten über im Inland öffentlich angebotene und nicht in Wertpapieren verbriefte Anteile an Unternehmen nach § 8f Abs. 1 VerkProspG sowie unmittelbare Anteile an einem Anlageobjekt (Vermögensanlage) geschaffen werden. Das Bedürfnis für eine solche Prüfung entspringt dem Umstand, dass ein Verkaufsprospekt für Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 VerkProspG gemäß § 8i Abs. 2 Satz 1 VerkProspG zwar erst veröffentlicht werden darf, nachdem die BaFin seine Veröffentlichung gestattet hat, die Prüfung des Prospekts durch die Aufsichtsbehörde aber gemäß § 8i Abs. 2 Satz 5, Abs. 4 VerkProspG auf die Vollständigkeit des Prospekts im Sinne der gesetzlichen Vorgaben beschränkt ist. Für die Prüfung eines Verkaufsprospekts auch auf seine materielle Richtigkeit und Vollständigkeit besteht indes sowohl aus der Perspektive der angesprochenen Anlegerkreise als auch aus derjenigen der Emittenten ein Bedürfnis. Dabei ist es in erster Linie ein Anliegen des jeweiligen Emittenten, durch die Prüfung des gesetzlich zu erstellenden Prospekts sowohl die Seriosität seines Anlageangebots zu unterstreichen als auch seine Haftung für einen fehlerhaften Prospekt zu minimieren. Dementsprechend ist es die Aufgabe einer solchen Prospektprüfung, mit hinreichender Sicherheit festzustellen, ob in den Verkaufsprospekten die für eine Anlageentscheidung erheblichen Angaben vollständig und richtig enthalten sind und ob diese Angaben gedanklich geordnet, eindeutig und verständlich gemacht werden. Für diese Prüfung von Verkaufsprospekten haben sich die Wirtschaftsprüfer 35 empfohlen, und sie war von Anfang an allein in ihrer Hand. Deshalb war es naheliegend, die zahlreichen Fragen einer freiwilligen Prospektprüfung von Verkaufsprospekten durch Wirtschaftsprüfer durch selbstgesetzte, auf Gesetz und Recht in Bezug auf die Beurteilung der Richtigkeit und Vollständigkeit eines Prospekts aufbauende Standards zu regeln. Dementsprechend legt das IDW mit dem IDW-Standard S 4 (IDW S 4) die Berufsauffassung dar, nach der Wirtschaftsprüfer – unbeschadet ihrer Eigenverantwortlichkeit – Verkaufsprospekte über Vermögensanlagen unter Bezugnahme auf diesen Standard beurteilen und hierüber ein Prospektgutachten erstellen. Der Standard verdeutlicht gleichzeitig gegenüber der Öffentlichkeit Gegenstand, Umfang und Grenzen eines solchen Prospektgutachtens. Umgekehrt hilft er, 1 Ohne Anlagen abgedruckt in WPg 1987, 325 ff. 2 Dazu erging 2003 noch die Verlautbarung des IDW: Zweifelsfragen im Zusammenhang mit IDW S 4 (FN IDW 2003, 129 ff.). 3 Ohne Anlagen abgedruckt in WPg 2006, 919 ff. (Stand 18.5.2006).

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die Risiken zu beschränken, denen ein Wirtschaftsprüfer bei der Prüfung eines Verkaufsprospekts in Gestalt seiner Haftung gegenüber dem Auftraggeber und gegenüber Dritten unterliegt. Dem auf Grund des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes eingeschränkten Anwendungsbereich des VerkProspG entsprechend liegt der Hauptanwendungsbereich der idR vom Emittenten ohne diesbezügliche gesetzliche in Auftrag gegebenen Prospektprüfung im Bereich der für den Vertrieb von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds zu erstellenden und zu veröffentlichenden Verkaufsprospekte. 36

Aus dem vorstehend ausgeführten Zweck der freiwilligen Prüfung von Verkaufsprospekten nach dem IDW-Standard S 4 folgt, dass den Grundsätzen des IDW S 4 keine Rechtsnormqualität zukommt. Das schließt freilich nicht aus, dass die Grundsätze auf die Auslegung der für die Beurteilung der Richtigkeit und Vollständigkeit eines Verkaufsprospekts durch die Aufsichtsbehörde und die Gerichte ausstrahlen1. Dafür spricht neben den in den Grundsätzen des IDW-Standards S 4 zum Ausdruck kommenden Sachverstands neutraler Wirtschaftsprüfer auch der Umstand, dass die Beurteilung des Prospekts – den Anforderungen der einschlägigen Rechtsprechung zur Prospekthaftung (siehe § 13 VerkProspG Rz. 27 ff.) folgend – aus der Sicht eines durchschnittlich verständigen und durchschnittlich vorsichtigen Anlegers erfolgen soll, der über ein Grundverständnis für die wirtschaftlichen Gegebenheiten der angebotenen Vermögensanlage verfügt2.

37

Dementsprechend kann die beanstandungsfreie und testierte Prüfung eines Verkaufsprospekts jedenfalls keine Bindungswirkung für Gerichte bei der Beurteilung der Richtigkeit und Vollständigkeit eines Verkaufsprospekts entfalten. Dafür spricht – neben der fehlenden Rechtsnormqualität der IDW-Standards – auch der von den Urhebern des IDW S 4 selbst hervorgehobene Umstand, dass auf Grund der jeder Prospektbeurteilung immanenten Begrenzung der Erkenntnismöglichkeiten auch bei ordnungsgemäßer Planung und Durchführung einer Prospektprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer ein unvermeidbares Risiko besteht, wesentliche falsche Prospektangaben oder das Fehlen wesentlicher Prospektangaben nicht zu entdecken3. Deshalb kann der wegen eines in wesentlichen Punkten unrichtigen oder unvollständigen Prospekts in Anspruch genommene Prospektverantwortliche auch nicht ohne weiteres geltend machen, ihn treffe an dem Prospektmangel kein Verschulden, weil der nach dem IDW S 4 geprüfte Verkaufsprospekt vom Prüfer nicht beanstandet worden sei. Umgekehrt vermag aber auch die Nichtbeachtung der im IDW-Standard S 4 niedergelegten Grundsätze und der in den Anlagen zum IDW S 4 aufgestellten allgemeinen und besonderen Anforderungen an Prospektinhalt und Prospektgestaltung4 keine Fehlerhaftigkeit eines Prospekts zu begründen. 1 2 3 4

Vgl. Assmann in Assmann/Schütze, 2. Aufl. 1997, § 7 Rz. 80. Vgl. Gliederungspunkt 2 Abs. 3 IDW S 4. Vgl. Gliederungspunkt 2 Abs. 7 IDW S 4. Zum Vergleich der Anforderungen des VerkProspG und der VermVerkProspV einerseits und dem IDW S 4 andererseits siehe den tabellarischen Überblick bei Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 343 ff.

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I.–III. Abschnitt (§§ 1–8e weggefallen)

IIIa. Abschnitt Prospektpflicht für Angebote anderer Vermögensanlagen § 8f Anwendungsbereich (1) Für im Inland öffentlich angebotene nicht in Wertpapieren im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes verbriefte Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, für Anteile an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet (Treuhandvermögen), oder für Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds muss der Anbieter einen Verkaufsprospekt nach diesem Abschnitt veröffentlichen, sofern nicht bereits nach anderen Vorschriften eine Prospektpflicht besteht oder ein Prospekt nach den Vorschriften dieses Gesetzes veröffentlicht worden ist. Die Prospektpflicht nach Satz 1 gilt auch für Namensschuldverschreibungen. (2) Ausgenommen von der Prospektpflicht sind: 1. Anteile an einer Genossenschaft im Sinne des § 1 des Genossenschaftsgesetzes, 2. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die von Versicherungsunternehmen oder Pensionsfonds im Sinne der §§ 1 und 112 des Versicherungsaufsichtsgesetzes emittiert werden, 3. Angebote, bei denen von derselben Vermögensanlage im Sinne des Absatzes 1 nicht mehr als 20 Anteile angeboten werden oder bei denen der Verkaufspreis der im Zeitraum von zwölf Monaten angebotenen Anteile insgesamt 100.000 Euro nicht übersteigt oder bei denen der Preis jedes angebotenen Anteils mindestens 200.000 Euro je Anleger beträgt, 4. Angebote nur an Personen, die beruflich oder gewerblich für eigene oder fremde Rechnung Wertpapiere oder die in Absatz 1 genannten Vermögensanlagen erwerben oder veräußern, 5. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die Teil eines Angebots sind, für das bereits im Inland ein Verkaufsprospekt veröffentlicht worden ist, 6. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die einem begrenzten Personenkreis oder nur den Arbeitnehmern von ihrem Arbeitgeber oder von einem mit seinem Unternehmen verbundenen Unternehmen angeboten werden, 7. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die ausgegeben werden a) von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, einem Vollmitgliedstaat der Organisation für wirtschaftliche Entwick-

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I.–III. Abschnitt (§§ 1–8e weggefallen)

IIIa. Abschnitt Prospektpflicht für Angebote anderer Vermögensanlagen § 8f Anwendungsbereich (1) Für im Inland öffentlich angebotene nicht in Wertpapieren im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes verbriefte Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, für Anteile an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet (Treuhandvermögen), oder für Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds muss der Anbieter einen Verkaufsprospekt nach diesem Abschnitt veröffentlichen, sofern nicht bereits nach anderen Vorschriften eine Prospektpflicht besteht oder ein Prospekt nach den Vorschriften dieses Gesetzes veröffentlicht worden ist. Die Prospektpflicht nach Satz 1 gilt auch für Namensschuldverschreibungen. (2) Ausgenommen von der Prospektpflicht sind: 1. Anteile an einer Genossenschaft im Sinne des § 1 des Genossenschaftsgesetzes, 2. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die von Versicherungsunternehmen oder Pensionsfonds im Sinne der §§ 1 und 112 des Versicherungsaufsichtsgesetzes emittiert werden, 3. Angebote, bei denen von derselben Vermögensanlage im Sinne des Absatzes 1 nicht mehr als 20 Anteile angeboten werden oder bei denen der Verkaufspreis der im Zeitraum von zwölf Monaten angebotenen Anteile insgesamt 100.000 Euro nicht übersteigt oder bei denen der Preis jedes angebotenen Anteils mindestens 200.000 Euro je Anleger beträgt, 4. Angebote nur an Personen, die beruflich oder gewerblich für eigene oder fremde Rechnung Wertpapiere oder die in Absatz 1 genannten Vermögensanlagen erwerben oder veräußern, 5. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die Teil eines Angebots sind, für das bereits im Inland ein Verkaufsprospekt veröffentlicht worden ist, 6. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die einem begrenzten Personenkreis oder nur den Arbeitnehmern von ihrem Arbeitgeber oder von einem mit seinem Unternehmen verbundenen Unternehmen angeboten werden, 7. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die ausgegeben werden a) von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, einem Vollmitgliedstaat der Organisation für wirtschaftliche Entwick-

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Anwendungsbereich

lung und Zusammenarbeit, sofern er nicht innerhalb der letzten fünf Jahre seine Auslandsschulden umgeschuldet oder vor vergleichbaren Zahlungsschwierigkeiten gestanden hat, oder einem Staat, der mit dem Internationalen Währungsfonds besondere Kreditabkommen im Zusammenhang mit dessen Allgemeinen Kreditvereinbarungen getroffen hat, b) von einer Gebietskörperschaft der in Buchstabe a genannten Staaten, c) von einer internationalen Organisation des öffentlichen Rechts, der mindestens ein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum angehört, d) von einem Kreditinstitut im Sinne des § 1 Abs. 1 des Kreditwesengesetzes oder einem Finanzdienstleistungsinstitut, das Finanzdienstleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 bis 4 des Kreditwesengesetzes erbringt, oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau oder einem nach § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Kreditwesengesetzes tätigen Unternehmen, das regelmäßig seinen Jahresabschluss offen legt; mit Ausnahme der Ausgabe von Namensschuldverschreibungen muss die Ausgabe dauerhaft oder wiederholt erfolgen; eine wiederholte Ausgabe liegt vor, wenn in den zwölf Kalendermonaten vor dem öffentlichen Angebot mindestens eine Emission innerhalb der Europäischen Union oder innerhalb eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgegeben worden ist, oder e) von einer Gesellschaft oder juristischen Person mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die ihre Tätigkeit unter einem Staatsmonopol ausübt und die durch ein besonderes Gesetz oder auf Grund eines besonderen Gesetzes geschaffen worden ist oder geregelt wird oder für deren Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1 ein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder eines seiner Bundesländer oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines seiner Bundesländer die unbedingte und unwiderrufliche Gewährleistung für ihre Verzinsung und Rückzahlung übernommen hat, 8. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die bei einer Verschmelzung von Unternehmen angeboten werden oder die als Gegenleistung im Rahmen eines Angebots nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz angeboten werden, 9. Vermögensanlagen im Sinne des Absatzes 1, die vor dem 1. Juli 2005 veräußert worden sind und nach dem 1. Juli 2005 öffentlich auf einem Markt angeboten werden, der regelmäßig stattfindet, geregelte Funktions- und Zugangsbedingungen hat, für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich ist und unter der Verantwortung seines Betreibers steht.

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Anwendungsbereich

§ 8f VerkProspG

In der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701), zuletzt geändert durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16.7.2007 (BGBl. I 2007, 1330). Schrifttum: Assmann, Neuemissionen von Wertpapieren über das Internet, FS Rolf A. Schütze, 1999, S. 15; Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum Kreditwesengesetz und Ausführungsvorschriften, 3. Aufl. 2008; Bürgers/Körber (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz, 2008; Fleischer, Prospektpflicht und Prospekthaftung für Vermögensanlagen des Grauen Kapitalmarkts, BKR 2004, 339; Gehling, „Obligationsähnliche Genussrechte“: Genussrechte oder Obligationen, WM 1992, 1093; Gräfer/Schiller/Rösner, Finanzierung – Grundlagen, Institutionen, Instrumente und Kapitalmarkttheorie, 6. Aufl. 2008; Grimme/Ritz, Die Novellierung verkaufsprospektrechtlicher Vorschriften durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1998, 2091; Hahn, Neue Ansätze im Anlegerschutz durch Ad-hoc-Publizität des § 15 WpHG, 2004; Hammen, Genussscheinfinanzierte Geschäfte mit Finanzinstrumenten und Finanzkommissionsgeschäft nach § 1 Abs. 1 KWG, DB 1988, 2549; Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, Stellungnahme zum Regierungsentwurf v. 14.9.2006 eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarkt-Richtlinien-Umsetzungsgesetz), NZG 2006, 935; Heisterhagen, Die gesetzliche Prospektpflicht für geschlossene Fonds nach dem Regierungsentwurf des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes, DStR 2004, 1089; Jäger/ Voß, Prospektpflicht und -prüfung bei geschlossenen Schiffsfonds, in Winter/ Hennig/Gerhard, Grundlagen der Schiffsfinanzierung, 2007, S. 893; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002; Kullmann/Müller-Deku, Die Bekanntmachung zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, WM 1996, 1989; Lenz/Ritz, Die Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes zum Wertpapierverkaufsprospektgesetz, WM 2000, 904; Loritz, Ausschüttungen in den Verlustjahren bei geschlossenen Fonds, NZG 2008, 887; Loritz/Pfnür, Der geschlossene Immobilienfonds in Deutschland, 2006; Lüdicke/Arndt (Hrsg.), Geschlossene Fonds, 5. Aufl. 2009; Lutter, Genussrechtsfragen – Besprechung der Entscheidungen BGH ZIP 1992, 1542 (Klöckner) und BGH ZIP 1992, 1728 (Bremer Bankverein), ZGR 1993, 291; Meilicke, Welchen Genuss gewährt der Genussschein?, BB 1987, 1609; Möllers/Weicherts/Wenninger, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung in Berlin am 7.3.2007 zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 16/4028, 16/4037, S. 6 (abrufbar unter: http://www.jura.uni-augsburg.de/fakultaet / lehrstuehle / moellers / materialien/materialdateien/040_deutsche_gesetzgebungsgeschichte/FRUG/finanzmarkt_ richtlinie_umsetzungsg_pdf/FRUG_Stellungnahme_Moellers_Weichert_Wenninger_19_02_2007.pdf);Moritz/Grimm,LichtimDunkeldes„GrauenMarktes“?–Aktuelle Bestrebungen zur Novellierung des Verkaufsprospektes, BB 2004, 1352; Pötzsch, Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1998, 949; Schneck, Handbuch für Alternative Finanzierungsformen, 2006; Schäfer, Emission und Vertrieb von Wertpapieren nach dem Wertpapierprospektgesetz, ZIP 1991, 1557; Sester, Fallen Anteile an Geschlossenen Fonds unter den Wertpapierbegriff der MiFID bzw. des FRUG?, ZBB 2008, 369; Süßmann, Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz und Verkaufsprospektverordnung, EuZW 1991, 210; Volhard/Wilkens, Neue Entwicklungen zur Erlaubnispflicht für kollektive Anlagemodelle, DB 2008, 2411; Voß, Geschlossene Fonds unter dem RechtsregimederMiFID?,BKR2007,45;Wagner,HaftenangeschlossenenGbR-Fonds mittelbar Beteiligte persönlich?, BKR 2008, 57; Waldeck/Süßmann, Die Anwendung desWertpapier-Verkaufsprospektgesetzes,WM1993,361.

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§ 8f VerkProspG

Anwendungsbereich Inhaltsübersicht

I. Normentwicklung . . . . . . . .

1

II. Regelungsinhalt . . . . . . . . .

2

III. Anwendungsbereich (§ 8f Abs. 1 VerkProspG) 1. Öffentliches Angebot . . . . . . 4 a) Begriff des Angebots . . . . . 6 b) Öffentlich . . . . . . . . . . . . 12 c) Zusammenfassung . . . . . . 15 2. Inlandsbezug . . . . . . . . . . . . 16 a) Internet . . . . . . . . . . . . . . 17 b) Ausländische Zeitungen . . 19 3. Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . 20 4. Beteiligungsformen . . . . . . . 25 a) Nicht in Wertpapieren iS des WpPG verbrieft . . . . . 26 b) Anteile, die einen Gewinn am Ergebnis eines Unternehmens gewähren (§ 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . 33 aa) Unternehmensbeteiligungen . . . . . . . . . . . . 35 bb) Beteiligungen an Gesellschaften ausländischer Rechtsformen . 37 cc) Einbeziehung nicht verbandsrechtlich organisierter Beteiligungen . . 41 c) Anteile an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet (Treuhandvermögen, § 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 2 VerkProspG) . 64 d) Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds (§ 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 3 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . 78 e) Namensschuldverschreibungen (§ 8f Abs. 1 Satz 2 VerkProspG) . . . . . . . . . . 90 5. Veröffentlichung eines Prospekts nach diesen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . 97 6. Prospektpflicht auf der Grundlage anderer Vorschriften . . . 101 7. Kostenlose Angebote . . . . . . 107 8. Selbstlose Angebote . . . . . . . 108

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9. Abgrenzung zu anderen kapitalmarktrechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . a) Einlagengeschäft . . . . b) Anlageverwaltung . . . c) Weitere Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäfte . . . . . . . . . .

. . . 109 . . . 110 . . . 114 . . . 115

IV. Ausnahmetatbestände (§ 8f Abs. 2 VerkProspG) . . . . . . . 1. Genossenschaften (§ 8f Abs. 2 Nr. 1 VerkProspG) . . . 2. Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds (§ 8f Abs. 2 Nr. 2 VerkProspG) . . . . . . . . 3. Umfangbezogene Grenzen (§ 8f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nicht mehr als 20 Anteile angeboten (§ 8f Abs. 2 Nr. 3 Var. 1 VerkProspG) . . b) Verkaufspreis der angebotenen Anteile bis 100.000 Euro innerhalb von zwölf Monaten (§ 8f Abs. 2 Nr. 3 Var. 2 VerkProspG) . . . . . . c) Preis jedes angebotenen Anteils mindestens 200.000 Euro je Anleger (§ 8f Abs. 2 Nr. 3 Var. 3 VerkProspG) . . . . . . . . . . 4. Institutionelle Anleger (§ 8f Abs. 2 Nr. 4 VerkProspG) . . . 5. Teilemission (§ 8f Abs. 2 Nr. 5 VerkProspG) . . . . . . . . a) Materieller Inhalt . . . . . . . b) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . 6. Begrenzter Personenkreis, Arbeitgeberangebote (§ 8f Abs. 2 Nr. 6 VerkProspG) . . . a) Begrenzter Personenkreis (§ 8f Abs. 2 Nr. 6 Var. 1 VerkProspG) . . . . . . . . . . b) Angebote an Arbeitnehmer (§ 8f Abs. 2 Nr. 6 Var. 2 VerkProspG) . . . . . . . . . . 7. Emittenten hoher Bonität (§ 8f Abs. 2 Nr. 7 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anwendungsbereich a) Ausgabe von Vermögensanlagen durch die öffentliche Hand (§ 8f Abs. 2 Nr. 7 lit. a bis c VerkProspG) . . . b) Ausgabe von Vermögensanlagen durch Kredit- oder Finanzdienstleisungsinstitute (§ 8f Abs. 2 Nr. 7 lit. d VerkProspG) . . . . . . aa) Wiederholende Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . bb) Dauerhafte Ausgabe . . c) Ausgabe von Vermögensanlagen durch Staatsmonopolisten (§ 8f Abs. 2 Nr. 7 lit. e VerkProspG) . . . . . . . 8. Verschmelzungen, Übernahmen (§ 8f Abs. 2 Nr. 8 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . . .

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9. Zweitmarkt (§ 8f Abs. 2 Nr. 9 VerkProspG) a) Entstehung . . . . . . . . . . . b) Erscheinungsformen . . . . aa) Offene Handelsplattformen . . . . . . . . . . . . bb) Emissionshausinterne Plattformen . . . . . . . . cc) Käuferplattformen . . . dd) Vertrieb durch Platzierungsgaranten . . . . . . c) Materielle Anforderungen aa) Regelmäßiger Markt . . bb) Geregelte Funktionsund Zugangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . cc) Zugänglichkeit für das Publikum . . . . . . . . . . dd) Verantwortung des Betreibers . . . . . . . . . . .

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I. Normentwicklung Gegenstand des Verkaufsprospektgesetzes (VerkProspG) in seiner ursprüng- 1 lichen Fassung v. 13.12.19901 war die Vertriebspublizität für das öffentliche Angebot von Kapitalanlagen, die in Wertpapieren verbrieft waren. Auf Grund von Art. 2 Nr. 1 des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes (AnSVG) v. 28.10.20042 wurde der Anwendungsbereich des Gesetzes durch Einführung eines neuen Abschnitts IIIa dann auch auf bestimmte Kapitalanlagen erweitert, die keine Verbriefung in Wertpapieren aufwiesen (siehe Einl. VerkProspG Rz. 6, 21). Sodann wurde mit dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.20053 der Vertrieb von wertpapiermäßig verbrieften Kapitalanlagen in dem neu geschaffenen WpPG geregelt, so dass das VerkProspG heute nur noch „im Inland öffentlich angebotene nicht in Wertpapieren iS des Wertpapierprospektgesetzes verbriefte Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren“ (§ 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG), erfasst. Dementsprechend gehen die Bestimmungen des § 8f VerkProspG auf Art. 2 Nr. 1 des AnSVG zurück. § 8f Abs. 1 VerkProspG orientiert sich an § 1 VerkProspG aF, der seinerseits auf einer Umsetzung von Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 der EG-Emissionsprospektrichtlinie (Einl. VerkProspG Rz. 4) beruhte. Abs. 1 Satz 1 der Bestimmung wurde durch Art. 2 Nr. 2 lit. a Pro1 BGBl. I 1990, 2749. 2 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BGBl. I 2004, 2630. 3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I, 2005, 1698.

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Anwendungsbereich

spektrichtlinie-Umsetzungsgesetz einer rein redaktionellen Änderung unterzogen. § 8f Abs. 2 VerkProspG greift für den Wortlaut und Inhalt der in desssen Nrn. 4 bis 8 enthaltenen Ausnahmen auf die ursprünglichen §§ 2 bis 4 VerkProspG aF zurück1. Die übrigen Ausnahmevorschriften wurden neu geschaffen, zum Teil (in Gestalt von Nr. 3) vorgreifend an die Bestimmungen des WpPG angelehnt2. § 8f Abs. 1 VerkProspG hat durch Art. 13 des Gesetzes zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts v. 14.8.2006 (BGBl. I 2006, 1911) eine redaktionelle Änderung erfahren. Die aktuelle Fassung von § 8f Abs. 2 Nrn. 6 bis 8 VerkProspG beruht auf Art. 2 Nr. 2 lit. b des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes. § 8f Abs. 2 Nr. 9 VerkProspG gelangte durch Art. 8 Nr. 2 Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) v. 16.7.20073 in die Bestimmung.

II. Regelungsinhalt 2

Der Anwendungsbereich der Vorschrift wird in § 8f Abs. 1 VerkProspG bestimmt. Danach ist für bestimmte Vermögensanlagen, die im Inland öffentlich angeboten werden sollen, ein Verkaufsprospekt zu erstellen. § 8f Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VerkProspG beschreiben dabei die Typen der prospektpflichtigen Vermögensanlagen.

3

§ 8f Abs. 2 VerkProspG führt abschließend bestimmte Tatbestände auf, die die allgemeine Prospektpflicht nach § 8f Abs. 1 VerkProspG wieder ausschließen.

III. Anwendungsbereich (§ 8f Abs. 1 VerkProspG) 1. Öffentliches Angebot 4

Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist der Anwendungsbereich des Gesetzes nur bei der Vornahme eines öffentlichen Angebots von Vermögensanlagen entsprechend der weiteren Voraussetzungen der Norm eröffnet. Das Verkaufsprospektgesetz greift hier den Wortlaut des § 1 VerkProspG aF wieder auf. Historisch betrachtet konnte dem Begriff des öffentlichen Angebots bisher keine feste Kontur verliehen werden. Eine Konkretisierung des Begriffes scheiterte bereits bei den der Norm zu Grunde liegenden Beratungen zur Emissionsrichtlinie4. 1 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. 2 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. 3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2007, 1330. 4 Vgl. 7. Erwägungsgrund der Richtlinie 89/298/EWG vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospektes, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989.

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Anwendungsbereich

§ 8f VerkProspG

Eine Annäherung an den Begriff des öffentliches Angebots gelingt, wenn 5 man sich die Zielsetzung einer Emission für Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG vergegenwärtigt. Eine Emission bedeutet für den Emittenten die Möglichkeit der Durchführung von bestimmten unternehmerischen Projekten, die ohne die Allokation von weiteren Finanzmitteln nicht möglich oder nicht gewünscht ist. Die Einführung von Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG in den Kapitalmarkt bedeutet daher, dass der Anbieter zielgerichtet an Dritte als potentielle Erwerber der Vermögensanlage iS eines Kapitalgebers herantreten muss. Diese potentiellen Erwerber der Vermögensanlagen werden unter den Begriff des Anlegers gefasst1. Ein Anleger ist als Person zu definieren, die sich mittelbar oder unmittelbar durch Vermittlung des öffentlichen Kapitalmarktes an Unternehmen oder Sondervermögen beteiligt2. Dabei beschränkt sich der Zweck der Beteiligung im Regelfall auf die Anlage im pekuniären Sinne3. Die Rolle als Unternehmer oder Eigentümer steht außer für steuerrechtliche Zwecke nicht im Vordergrund. In der Praxis werden aus diesem Grunde im Wesentlichen Kommandit- oder Genussrechtsbeteiligungen angeboten, die einen Einfluss auf die Geschäftsführung weitestgehend einschränken. a) Begriff des Angebots Das öffentliche Anbieten iS des § 8f VerkProspG steht dem zivilrechtlichen 6 Begriff des Angebots gemäß § 145 BGB nicht gleich. Unter Verweis auf die alte Rechtslage nach § 1 VerkProspG macht der Gesetzgeber deutlich, dass er den Schutzbereich des Verkaufsprospektgesetzes auch für Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG einem rechtsverbindlichen Angebot nach § 145 BGB vorgelagert wissen möchte4. Denn die Sicherstellung der Möglichkeit zur Information des Publikums über die Vermögensanlage und den Emittenten muss vor dem Erwerb der Beteiligung erreicht werden, damit der Anlageinteressent die Informationen zur Grundlage seiner Anlageentscheidung machen kann. Eine Orientierung am Schutzzweck des Gesetzes gebietet es daher, ein Angebot nicht erst im Antrag iS des § 145 BGB zu erblicken, sondern bereits bei einer Aufforderung des Anbieters zur Abgabe eines Kaufgebots (invitatio ad offerendum) an den Anlageinteressenten5. Vom Schutzzweck des Gesetzes ist jedoch nicht umfasst, wenn der Anleger

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Hahn, Anlegerschutz, S. 23 ff. Hahn, Anlegerschutz, S. 23 ff. Loritz, NZG 2008, 887. Vgl. Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 86; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8f VerkProspG Rz. 5; zum alten Recht: Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 25; Ziff. I. 2. der Bekanntmachung des BAWe v. 6.9.1999 zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701 ff.) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2835 ff.), BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180.

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sich in Eigeninitiative an den Anbieter wendet1. Denn das Gesetz geht von der zielgerichteten Ansprache des Anlegerpublikums durch den Anbieter aus. Die Initiative des Anlegers ist dem Anbieter jedoch dann zurechenbar, wenn er durch entsprechende Maßnahmen, wie zB Werbung, Anlagewünsche provoziert hat und diesen auf Nachfrage auch nachkommt2. 7

Erforderlich ist eine konkrete Möglichkeit zum Erwerb der Vermögensanlage. Der Anleger muss also in der Lage sein, einen rechtsverbindlichen Vertrag über den Erwerb der Beteiligung iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG eingehen zu können (vgl. im Einzelnen § 2 WpPG Rz. 46 bis 48). Das Gesetz unterscheidet selbst zwischen Angebot und bloßer Ankündigung eines Angebots, § 12 VerkProspG.

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Der Beginn eines Angebots ist daher stets in dem Zeitpunkt zu erblicken, in dem die vom Anleger ergriffenen Maßnahmen ohne eine weitere notwendige Handlung seinerseits zu einem Erwerb der Beteiligung führen. Das bedeutet, dass der Anbieter der Vermögensanlage das Angebot des Anlegers durch einseitige Erklärung annehmen kann3. Daher ist es für das Bestehen einer Prospektpflicht ohne Bedeutung, ob das betreffende Angebot erfolgreich ist oder nach seinem Beginn wieder zurückgezogen wird4.

9

Zu den prospektpflichtigen Angeboten sind folgende Einzelfälle der Vertragsgestaltung über den Erwerb der Vermögensanlage zu rechnen: ein verbindlicher Vorvertrag, der ohne weitere Rechtshandlung des Anlegers in den Erwerb der Vermögensanlage mündet; ein mit Widerrufsvorbehalt ausgestatteter Kaufvertrag über die Vermögensanlage; der Abschluss eines Darlehensvertrages, der als Rückzahlung Anteile an Vermögensanlagen beinhaltet, oder ein aufschiebend bedingter Kaufvertrag über eine Vermögensanlage5.

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Des Weiteren sind detaillierte Hinweise in elektronischen Informationsmedien, die in Verbindung mit einer konkreten Möglichkeit zum Erwerb einer Vermögensanlage stehen, als öffentliches Angebot zu bewerten, wobei es ausreicht, dass von einer Internetseite mit allgemeinen Informationen über die Vermögensanlage auf eine andere Internetseite mit entsprechenden konkreten Zeichnungsunterlagen oder -modalitäten weitergeleitet wird6.

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Kein Angebot besteht: in der bloßen Aufforderung oder Möglichkeit einer Registrierung an das Publikum beim Anbieter einer bevorstehenden Emission ohne rechtsverbindlichen Charakter in Hinblick auf die Beteiligung; in der bloßen Verbreitung von allgemein gehaltenen Informationen, zB als re1 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 64. 2 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 64. 3 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 27, Hamann in Schäfer, § 1 VerkProspG Rz. 6; Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 10, 12. 4 Grimme/Ritz, WM 1998, 2091 (2095). 5 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 28 ff. 6 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 35, 58.

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daktionelle Beiträge in Form von Nachrichten, Interviews unabhängig vom Medium, über die Vermögensanlage ohne Hinweis auf die Erwerbsmodalitäten bzw. Kontaktadressen1; in der bloßen Verwendung von Hyperlinks auf andere Internetseiten, die ein Angebot enthalten2, und ebenfalls nicht in der Abgabe von Geschäftsberichten, allgemein gehaltener Informationen bei Unternehmenspräsentationen ohne werbenden Charakter und der Veröffentlichung von Anzeigen über erfolgreich abgeschlossene Emissionen3. b) Öffentlich Der Begriff „öffentlich“ beschreibt eine Qualifikation des Adressatenkreises 12 bei der Vornahme eines Angebots von Vermögensanlagen. Denn die Zielrichtung des Angebots an außerhalb des Emittenten stehende potentielle Anleger ist bereits durch den Begriff des Angebots erfasst4. Der Begriff der Öffentlichkeit beinhaltet die Ansprache eines allgemeinen und unbestimmten Personenkreises. Die öffentliche Ansprache umfasst dabei jedes Anbieten oder jede Werbung, die sich über ein beliebiges Medium zielgerichtet an einen unbestimmten Personenkreis wendet, ein Kaufangebot abzugeben5. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist somit die Art und Weise eines Angebots einer Vermögensanlage entscheidend für die Abgrenzung eines „öffentlichen“ von einem „nicht öffentlichen“ Angebot. Im Schrifttum wird zusätzlich der Schutzzweck des Verkaufsprospektgesetzes als Abgrenzungskriterium herangezogen6. Ein nicht öffentliches Angebot soll sich danach bemessen, ob der Anleger bereits auf Grund der Kenntnis oder der leichten Erlangung der notwendigen, von ihm auch bewertbaren Informationen für seine Anlageentscheidung den vom Verkaufsprospektgesetz beabsichtigten Schutzes nicht bedarf7. Dem Anleger müssen also Informationen zur Verfügung stehen, die vom Umfang und der Qualität her den Angaben in einem Verkaufsprospekt nach dem Verkaufsprospektgesetz genügen8. Ein über das Internet verbreitetes Angebot verliert daher seine Eigenschaft 13 als öffentlich nicht allein dadurch, dass der Zugang zu der Internetseite mittels eines Kennwortes oder einer PIN beschränkt wird, sofern jeder, der das Anmeldeverfahren durchläuft, das Kennwort erhalten kann9. Treten jedoch Merkmale hinzu, die einem Ausnahmetatbestand nach § 8f Abs. 2 Verk-

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Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 34, 64. Assmann in FS Schütze, 1999, S. 15 (37). Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 60, 62 f. Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 19. Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. Zum dogmatischen Streit um das Verhältnis zwischen § 8f Abs. 1 und Abs. 2 VerkProspG siehe unten Rz. 118 ff. 7 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 17; Ritz in Assmann/Lenz/ Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 46; Hamann in Schäfer, § 1 VerkProspG Rz. 13; Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 19. Kritisch Kullmann/Müller-Deku, WM 1996, 1989 (1992). 8 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 25. 9 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 75.

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ProspG zugeordnet werden können, kann die Prospektpflicht wiederum entfallen. 14

Im Übrigen ist von einem grundsätzlichen Gleichklang des Verständnisses eines öffentlichen Angebots zwischen dem Wertpapierprospektgesetz und dem Verkaufsprospektgesetz auszugehen, da die Definition des öffentlichen Angebots durch den Gesetzgeber im Rahmen der Begründung zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz1 weitestgehend mit der Definition in § 2 Nr. 4 WpPG übereinstimmt. Im Wesentlichen kann daher auf die Kommentierung des öffentlichen Angebots im Rahmen des WpPG verwiesen werden (vgl. § 2 WpPG Rz. 28 ff.). c) Zusammenfassung

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Das Vorliegen eines öffentlichen Angebots bemisst sich nach den Kriterien der konkreten Zeichnungsmöglichkeit für den Anleger, einer zielgerichteten Ansprache des Anlegers durch die Schaffung einer Anlagestimmung mittels Werbemaßnahmen sowie dem Erfordernis der Aufklärung des angesprochenen Personenkreises mittels eines Verkaufsprospekts zum Ausgleich eines Informationsdefizits beim Anleger über die angebotenen Vermögensanlagen und den entsprechenden Emittenten2. 2. Inlandsbezug

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Der Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes ist örtlich beschränkt. Er ist allein bei Angeboten im Inland eröffnet. Die Abfassung eines Verkaufsprospekts in einer Fremdsprache für eine bestimmte Personengruppe im Inland hindert daher die Annahme eines öffentlichen Angebots für eine Vermögensanlage iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG nicht (vgl. auch § 2 VermVerkProspV Rz. 23 ff.). Die Ansprache deutscher Anleger im Ausland fällt dagegen nicht in den Regelungsbereich. a) Internet

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Die zunehmende Verbreitung elektronischer Kommunikationswege, wobei hier im Besonderen das Internet hervorzuheben ist, lässt die den Anwendungsbereich des Gesetzes kennzeichnende, geographisch festgelegte Grenze verschwimmen. Ein öffentliches Angebot einer Vermögensanlage bzw. die elektronische Vorhaltung der Unterlagen kann von jedem beliebigen Server von jedem beliebigen Staat aus erfolgen. Ein Inlandsbezug des Angebots einer Beteiligung besteht regelmäßig dann, wenn das Angebot an das Publikum im Geltungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes gerichtet ist3. Der Bezug zum Inland lässt sich aus Indizien herleiten. Dazu zählen, neben der Verwendung der deutschen Sprache und dem Hinweis auf im Inland ansäs1 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. 2 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 18; Ritz in Assmann/Lenz/ Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 48. 3 Sog. Zielmarktkonzept; vgl. Assmann in FS Schütze, 1999, S. 15 (27 ff.).

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sige Ansprechpartner, Abwicklungs- und Zahlstellen oder sonstige Treuhänder, vor allem Bezüge auf die rechtliche Ausgestaltung der Vermögensanlage, die sich an deutschem Recht orientieren, wie zB Hinweise auf steuerliche Regelungen in Deutschland oder eine Beteiligung an einem Gebilde in einer Rechtsform des HGB usw. Die Staatsbürgerschaft des angesprochenen Anlegers scheidet als Abgrenzungskriterium aus. Entscheidend ist allein die Ansprache von potentiellen, im Inland ansässigen Anlegern1. Soll sich das Angebot nicht an in Deutschland befindliche Personen richten, 18 muss dies eindeutig aus dem Hinweis (sog. Disclaimer) hervorgehen2. Die Gestaltung als positiver oder negativer Hinweis ist ohne Belang3. Zusätzlich sind auch interne, organisatorische Vorkehrungen des Anbieters möglich, den Erwerb durch in Deutschland befindliche Personen zu verhindern, zB durch die Verweigerung der Annahme von Zeichnungsunterlagen oder Zahlungen oder technische Vorkehrungen in Bezug auf den Erhalt von Informationen über das Angebot4. b) Ausländische Zeitungen Werden Angebote von Vermögensanlagen in ausländischen, in Deutschland erhältlichen Druckwerken veröffentlicht, wie zB Zeitschriften, bemisst sich das Vorliegen eines Angebots nach dem Verkaufsprospektgesetz ebenfalls nach der Zielmarktorientierung des Angebots. Das Angebot ist daher nur dann den Regelungen des Verkaufsprospektgesetzes zu unterwerfen, wenn zielgerichtet Anleger in Deutschland angesprochen werden5. Grundsätzlich sind die gleichen Indizien wie im Rahmen eines Internetangebots heranzuziehen. Bei einer ausschließlichen Orientierung des Druckwerkes an Ausländer entscheiden die Gegebenheiten des Einzelfalls6.

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3. Anbieter Die Pflichten des Verkaufprospektgesetzes treffen den Anbieter einer Ver- 20 mögensanlage iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG. Die Bestimmung des Anbieters ist auf Grund der mit dieser Eigenschaft einhergehenden ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit iS des § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG bei einem Verstoß gegen diese Pflichten wesentlich. 1 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 70 f.; Assmann in FS Schütze, 1999, S. 15 (27 ff.). 2 Vgl. bereits Ziff. I. 2. b) der Bekanntmachung des BAWe v. 6.9.1999 zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701 ff.) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2835 ff.), BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 3 Assmann in FS Schütze, 1999, S. 15 (30). 4 Lenz/Ritz, WM 2000, 904 (906). 5 Vgl. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 76 ff. 6 Vgl. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 78.

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Die Eigenschaft des Anbieters ist grundsätzlich losgelöst von der die Vermögensanlagen zum Angebot zur Verfügung stellenden Emissionsgesellschaft zu betrachten1. Bei Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG entspricht es der Regel, dass die Emissionshäuser, eine mit diesen verbundene Gesellschaft oder vertraglich eingebundene Kreditinstitute als Mittler für die Emissionsgesellschaften auftreten. Denn bei den Emissionsgesellschaften handelt es sich im Regelfall nur um spezielle verbandsrechtliche Vehikel zu einer bestimmten, auf befristete Zeit angelegten Projektfinanzierung. Eine Eigenemission der Emissionsgesellschaft, also ein vollständig eigenes Angebot der Vermögensanlage durch die Gesellschaft, wird zumeist aus wirtschaftlichen Interessen der Initiatoren nicht beabsichtigt.

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Anbieter ist diejenige Person oder Gesellschaft, die die Verantwortung für das öffentliche Angebot einer Emission innehat, wobei die Zuweisung anhand des Auftretens gegenüber dem Anlegerpublikum herzuleiten ist2. Die Zuweisung der Verantwortlichkeit für eine Emission erfordert entweder einen, über die passive Hinnahme hinausgehenden, wesentlichen aktiven Beitrag bei dem öffentlichen Angebot oder aber die Kontrolle über das öffentliche Angebot der Vermögensanlagen (siehe im Detail § 2 WpPG Rz. 72). Als Anbieter erfasst ist daher also jeder, der tatsächlich selbst anbietet (Eigenemission) oder einen Dritten zur Durchführung der Emission (Fremdemission) als Urheber oder Hintermann veranlasst3. Die Voraussetzungen für die Erfüllung der Merkmale eines öffentlichen Angebots können daher auf verschiedene natürliche oder juristische Personen aufgeteilt sein4.

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Zweitmarktbetreiber sind als Anbieter zu betrachten, da sie für den Anleger erkennbar nach außen auftreten und für den technischen-organisatorischen Ablauf des Angebots in der Zweitvermarktung verantwortlich sind5.

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Das Ende der Verpflichtung zur Erstellung und Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts wird durch den Abschluss des öffentlichen Angebots der Vermögensanlage bestimmt. Der Zweck der Sicherstellung einer ausreichenden Anlegerinformation für eine Anlageentscheidung kann nicht mehr erreicht werden6.

1 Hamann in Schäfer, § 1 VerkProspG Rz. 21 ff.; Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 80. 2 Vgl. bereits Ziff. I. 3. der Bekanntmachung des BAWe v. 6.9.1999 zum WertpapierVerkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701 ff.) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2835 ff.), BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 3 Hamann in Schäfer, § 1 VerkProspG Rz. 21. 4 Vgl. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 59. 5 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8f VerkProspG Rz. 23. 6 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 95.

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4. Beteiligungsformen Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist nur mit dem öffentlichen Angebot 25 bestimmter Beteiligungsformen eröffnet. Diese sind in § 8f Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VerkProspG niedergelegt. Auffällig ist, dass in dem Gesetz mit Ausnahme der Namensschuldverschreibungen nach Satz 2 keine Begriffsbestimmungen in Hinblick auf die Arten der Beteiligung anhand einer beispielhaften Aufzählung Eingang gefunden haben. Fortgesetzt wird hier die Dogmatik des Verkaufsprospektgesetzes aF, die in dem damaligen § 1 VerkProspG ebenfalls keine Begriffsbestimmung in Bezug auf Wertpapiere vornahm. a) Nicht in Wertpapieren iS des WpPG verbrieft Das VerkProspG bestimmt, dass das Gesetz nur dann zur Anwendung ge- 26 langt, wenn keine iS des WpPG verbrieften Anteile öffentlich angeboten werden. Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des VerkProspG zum WpPG richtet sich damit nach dem Wertpapierbegriff des WpPG. Wertpapiere iS des WpPG bestimmen sich nach der Definition des § 2 Nr. 1 WpPG (vgl. § 2 WpPG Rz. 5 ff.). Angebote an Anteilen an Geschlossenen Fonds sind daher von Angeboten an Wertpapieren iS des WpPG eindeutig zu trennen. Die auf die Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie (MiFID)1 durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) v. 16.7.2007 (siehe oben Rz. 1) zurückgehende Modifikation des Wertpapierbegriffs des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) warf die Frage auf, ob auch Anteile an Geschlossenen Fonds iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG diesem Wertpapierbegriff zu unterwerfen sind.

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Die Vorgabe für die Bestimmung des Wertpapierbegriffs im Rahmen des 28 WpPG ergibt sich ebenfalls aus Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der Finanzmarktrichtlinie (MiFID, siehe oben Rz. 27). Es ist eine notwendige Folge, welche sich aus der Aufhebung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie2 ergab, auf die sich Art. 2 Abs. 1 lit. a der Prospektrichtlinie3 bezieht. Danach erfolgte die Begriffsbestimmung des Wertpapiers für den Anwendungsbereich des Wertpapierprospektrechts anhand derjenigen übertragbaren Wertpapiere, welche Art. 1 Abs. 4 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie mit Ausnahme von

1 Richtlinie 2004/39/EG vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. 2 Richtlinie 93/22/EWG vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27. 3 Richtlinie 2003/71/EG vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 325 v. 31.12.2003, S. 64 ff.

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Geldmarktinstrumenten iS von Art. 1 Abs. 5 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten umschreibt. Über Art. 69 der MiFID wurde dieser ursprüngliche Verweis der Prospektrichtlinie auf die entsprechenden Regelungen der MiFID umgeleitet1. Der Anwendungsbereich des WpPG konkretisiert sich daher auf der Grundlage des Wertpapierbegriffes nach dem Inkrafttreten der MiFID anhand der darin enthaltenen Regelungen. Eine Ausnahme ergibt sich bei Geldmarktinstrumenten. Diese zählen bei einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten nicht zu den Wertpapieren (Art. 2 Abs. 1 lit. a der Prospektrichtlinie). Denn diese spezielle Regelung der Prospektrichtlinie wird durch den Wertpapierbegriff der MiFID nicht verdrängt2. 29

Die Zuordnung von Anteilen an Geschlossenen Fonds als Wertpapiere iS der MiFID ist an die Voraussetzungen der Vergleichbarkeit der Eigenschaften dieser Anteile mit den Eigenschaften von Aktien als Referenzgröße, mit der möglichen Übertragbarkeit nach sachenrechtlichen Grundsätzen unter Ermöglichung des gutgläubigen Erwerbs und einem hohen Maß an Standardisierung des verbrieften Mitgliedschaftsrechts verknüpft3.

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Nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers fehlt es Anteilen an einem Geschlossenen Fonds an der Qualität als Wertpapier. Die Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 lit. a der MiFID erfolgte durch § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG. Danach sind Wertpapiere iS des Gesetzes insbesondere nach Nr. 1 „Aktien“ und nach Nr. 2 „andere Anteile an Personengesellschaften, soweit sie Aktien vergleichbar sind“4. Die Vergleichbarkeit mit Aktien sei dann gegeben, wenn die Kriterien der Übertragbarkeit, der Standardisierung und der Handelbarkeit derjenigen von Aktien entsprechen. Die Vergleichbarkeit mit einer Aktie erfordere neben der Verbriefung zumindest eine Verkörperung in einer Art und Weise, die eine Anwendung der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb möglich mache. Der Eigentumswechsel im Wege der Zession reicht dafür nicht aus. Anteile an Geschlossenen Fonds können mangels Vergleichbarkeit mit Aktien, einer mangelnden Standardisierung und grundsätzlich mangelnden Geeignetheit für einen Handel am Kapitalmarkt, nicht zu den Anteilen iS des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG gerechnet werden5.

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Diese Postion des Gesetzgebers ist in der Praxis angegriffen worden. Danach habe die Einbeziehung des gutgläubigen Erwerbs als Unterscheidungskriterium keine praktische Bedeutung. Der Wertpapierbegriff müsse nach europarechtlichen Maßstäben ausgelegt werden und richte sich nach einem

1 Vgl. Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 28. 2 Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 28. 3 Sester, ZBB 2008, 369 (372). 4 Vgl. Gesetzesbeschluss, BR-Drucks. 247/07, S. 2. 5 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028 v. 12.1.2007, S. 54.

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marktbezogenen Verständnis der tatsächlichen Handelbarkeit, die auch bei Anteilen an Geschlossenen Fonds bereits vorliege1. Andere Teile des Schrifttums folgen der Auffassung des deutschen Gesetz- 32 gebers. Dem ist zuzustimmen. Zwar lassen Anteile an Geschlossenen Fonds, soweit sie Anteile an Personengesellschaften darstellen, unter dem Aspekt der Rechtsform eine Einordnung unter dem Begriff des Wertpapiers nach der MiFID zu2. Denn der europäische Gesetzgeber wollte mit der MiFID allgemein Handelsgesellschaften mit einer kapitalistischen Struktur erfassen, ohne dies auf den Aspekt der Haftungsbeschränkung des Gesellschaftsvermögens einzuengen3. Anteile an Geschlossenen Fonds stellen jedoch keine eigene, ähnlich wie Aktien oder Anleihen standardisierte Asset-Klasse dar, deren Handelsvolumen und Umschlaghäufigkeit im Zweitmarkt ausreichend hoch sind4. Denn Handelbarkeit iS der MiFID kann nicht allein auf die rechtstechnische Übertragbarkeit festgelegt werden, sondern es muss eine Vergleichbarkeit mit traditionellen Finanzinstrumenten herstellbar sein, die sich auf Grund ihrer Standardisierung und Gleichförmigkeit für den massenhaften und daher einem einer qualitätsbezogenen Abwicklung zu unterwerfenden Handel eignen5. Diese Vergleichbarkeit ist bei dem Handel von Anteilen an Geschlossenen Fonds nicht gegeben. Es fehlt an einer ausreichenden Standardisierung von Anteilen an Geschlossenen Fonds6. Die Änderung des Gesellschafterkreises auf Grund einer Übertragung eines Gesellschafteranteils (Mitgliedschaft) im Wege der Abtretung (§§ 413, 398 BGB) bedarf als Grundlagengeschäft einer Personengesellschaft dem Erfordernis der Zustimmung der Mitgesellschafter7. Eine Handelbarkeit von Anteilen ist beseitigt, wenn durch ein Zustimmungserfordernis im Rahmen der Übertragung eines Finanzinstruments eine Behinderung des Marktes ausgelöst wird8. Die für den Handel am Zweitmarkt fehlende generelle, sondern allein auf eine konkrete, bereits angebahnte Transaktion erteilte Zustimmung zu einer Übertragung eines Anteils an einem Geschlossenen Fonds stellt eine solche Behinderung des Marktes dar9. Weitere Merkmale einer fehlenden Standardisierung ergeben sich aus den folgenden 1 Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, NZG 2006, 935; Möllers/Weicherts/Wenninger, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung in Berlin am 7.3.2007 zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung BTDrucks. 16/4028, 16/4037, S. 6 ff., abrufbar unter: http://www.jura.uni-augsburg. de/fakultaet/lehrstuehle/ moellers / materialien / materialdateien / 040_deutsche _gesetzgebungsgeschichte / FRUG / finanzmarkt_richtlinie_umsetzungsg_pdf / FRUG_Stellungnahme_Moellers_Weichert_Wenninger_19_02_2007.pdf. 2 Sester, ZBB 2008, 369 (374 f.); Voß, BKR 2007, 45 (48). 3 Sester, ZBB 2008, 369 (374). 4 Sester, ZBB 2008, 369 (375). 5 Erwägungsgrund 4 und 5 der Finanzmarktrichtlinie (MiFID), siehe oben Rz. 28. 6 Sester, ZBB 2008, 369 (379); Voß, BKR 2007, 45 (53). 7 Hopt in Baumbach/Hopt, § 105 HGB Rz. 70. 8 CESR’s Technical Advice on Possible Implementing Measures of the Directive 2004/39/EC on Markets in Financial Instruments, CESR/05-290b, BOX 25, S. 84; siehe dazu Voß, BKR 2007, 45 (48). 9 Sester, ZBB 2008, 369 (378).

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Anhaltspunkten: Die in den Einzelheiten regelmäßig voneinander abweichende Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge führt zu unterschiedlichen Rechten und Pflichten, die mit dem Anteil an dem jeweiligen Geschlossenen Fonds verbunden sind1. Des Weiteren führt die Bestimmung der Anteile nach der Beteiligungshöhe abweichend von der festgelegten Mindestbeteiligungssumme zu einer Verschiedenheit der Anteile sowohl an dem gleichen, als auch in Hinblick auf andere Geschlossene Fonds2. Anfänglich gleiche Beteiligungshöhen können sich auf Grund der verschiedenen pro Anteil geführten Konten (zB Kapital-, Entnahme- oder Verlustkonten) sowie unterschiedlicher steuerlicher Gegebenheiten im Verlauf der Beteiligung unterschiedlich entwickeln3. b) Anteile, die einen Gewinn am Ergebnis eines Unternehmens gewähren (§ 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VerkProspG) 33

Der Gesetzgeber hat keine ausdrückliche Aufzählung der Anlageformen vorgenommen, die als Anteile anzusehen sind, welche einen Gewinn am Ergebnis eines Unternehmens gewähren. Der Begriff ist daher nicht materiell auf bestimmte Anlagemodelle beschränkt, sondern einerseits wertend in Abgrenzung zu den anderen Prospektrechtsmaterien, wie WpPG und InvG, anderseits wertend in Hinblick auf die Einbeziehung einer bestimmten Beteiligungsform nach zivil- und handelsrechtlichen Maßstäben zu ermitteln. Die Anbieter von Vermögensanlagen sind keinem bestimmten Rechtsformzwang in Bezug auf das Unternehmen unterworfen, das die Gewinn gewährende Beteiligung ausgibt. Als Unternehmen lässt sich jede planvoll organisierte und rechtlich abgegrenzte Wirtschaftseinheit bezeichnen, in der Güter bzw. Dienstleistungen mit dem Ziel erstellt (Leistungserstellung) und abgesetzt (Leistungsverwertung) werden sollen, um damit Einkommen (Gewinn) zu erzielen4. Entsprechend fallen grundsätzlich zunächst alle von diesen Unternehmen ausgegebenen Anteile, die auf Grund der damit vom Anleger eingegangenen gesellschaftlichen Verbundenheit einen gesetzlichen Anspruch auf Beteiligung am Gewinn des Unternehmens beinhalten, unter diese Variante.

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Von einer Vermögensanlage iS des Gesetzes ist auszugehen, wenn zwischen einer unbestimmten Anzahl von Erwerbern und dem die Kapitalanlage letztlich darstellenden Vermögenswert ein Unternehmen eingeschaltet ist, das als Eigentümer oder Verwalter dieses Vermögens auftritt5. Der Erwerb individuell zuzuordnender Vermögensgegenstände, wie Grundbesitz, Waren usw. durch den Anleger ist damit vom Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes ausgeschlossen (zB Grundbesitzanteile an Holzplantagen).

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Sester, ZBB 2008, 369 (378); Voß, BKR 2007, 45 (51, 53). Voß, BKR 2007, 45 (51). Sester, ZBB 2008, 369 (379). Gräfer/Schiller/Rösner, Finanzierung, S. 17. Siehe bereits Entwurf eines Gesetzes über den Vertrieb von Anteilen an Vermögensanlagen, BT-Drucks. 8/1405 v. 2.1.1978, S. 10.

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Anwendungsbereich

§ 8f VerkProspG

aa) Unternehmensbeteiligungen Nach der Auffassung des Gesetzgebers gehören zu den Unternehmensantei- 35 len iS des § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG insbesondere Unternehmensbeteiligungen an Personenhandelsgesellschaften, GmbH-Anteile, Anteile an BGB-Gesellschaften, Genossenschaftsanteile sowie stille Beteiligungen an den genannten Gesellschaften oder an bestimmten Vermögensmassen solcher Gesellschaften und auch Beteiligungen an ausländischen Unternehmen anderer Rechtsformen1. Die Erwähnung der Rechtsformen der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien in § 5 Nr. 3 und § 6 Satz 2 VermVerkProspV lassen den Rückschluss zu, dass auch Beteiligungen an Unternehmen dieser Rechtsformen als Anteile iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG betrachtet werden müssen. Dies ist insofern interessant, weil hier eine direkte Beteiligung als gesellschaftlich verbundener Unternehmer im Rahmen einer sinnvoll öffentlich anzubietenden Anlage nach dem VerkProspG nur im Rahmen der stillen Gesellschaft möglich ist, da die das Unternehmen ausmachende Beteiligungsform mit Aktien auf Anteilen iS des § 2 Nr. 1 lit. a WpPG beruht. Diese fallen jedoch als prospektpflichtige Beteiligungsform gerade nicht unter das Verkaufprospektgesetz. Für eine Zurechnung ist die Dauer der gemeinsamen Zweckbindung nicht entscheidend. Auch wenn im Bereich geschlossener Unternehmensbeteiligungen zumeist langjährige gemeinsame Interessenverfolgungen vorherrschen, ist auch ein kurzer Zeitraum als ausreichend zu betrachten. Denn zu den Unternehmensbeteiligungen lassen sich so genannte Gelegenheitsinteressengemeinschaften rechnen, die sich grundsätzlich in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts konstituieren. Der gemeinsame Zweck liegt zumeist in der Verfolgung der Erzielung eines kurzfristigen, bei Erfolg unter den Mitgliedern zu verteilenden Gewinns, wie zB bei Prozessfinanzierungen2.

36

bb) Beteiligungen an Gesellschaften ausländischer Rechtsformen Grundsätzlich werden Beteiligungen an ausländischen Unternehmen ande- 37 rer Rechtsformen ebenfalls vom Verkaufsprospektgesetz erfasst3. Auf Grund der Subsidiarität des Verkaufsprospektgesetzes ist auch bei solchen Angeboten in Form direkter Unternehmensbeteiligungen zunächst zu klären, ob es sich um Wertpapiere iS des WpPG handeln könnte. Dann wäre die Anwendbarkeit des Verkaufsprospektgesetzes ausgeschlossen (vgl. oben Rz. 26 ff.). Die Entscheidung über die Einordnung eines ausländischen Wertpapiers in das Regelungssystem des WpPG richtet sich nicht nach kollisionsrechtlichen Normen sondern begründet sich in der Auslegung deutschen Rechts (vgl. § 2 WpPG Rz. 13). Art. 43 EGBGB ermöglicht lediglich die Ermittlung

1 BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. 2 Sprau in Palandt, § 705 BGB Rz. 42. 3 BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42.

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§ 8f VerkProspG

Anwendungsbereich

der Rechtsnatur der fraglichen Beteiligung als Wertpapier nach ausländischen Recht1. 39

Die Einbeziehung der ausländischen Rechtsfigur unter das deutsche Recht erfolgt unter den Aspekten der Gleichwertigkeit im Sinne einer funktionellen Äquivalenz oder einer nach den Maßstab von Sinn und Zweck der Norm zu bemessendes Ähnlichkeit2. Rechtsfiguren, die nach dem richtlinienkonformen Recht eines EWR-Mitgliedstaats als Wertpapiere (harmonisierte Rechtsfiguren) gelten, sind auch als Wertpapier iS des WpPG aufzufassen (vgl. § 2 WpPG Rz. 15). Rechtsfiguren, die nach dem Recht von Drittstaaten konzipiert sind, bedürfen einer Feststellung der Gleichwertigkeit als Wertpapier iS des WpPG (vgl. § 2 WpPG Rz. 16). Das Kriterium der Art der Übertragung des ausländischen Anlageinstruments bietet sich dann an, wenn die ausländische Rechtsordnung vergleichbar mit der deutschen Rechtsordnung eine Unterscheidung zwischen sachenrechtlicher Übertragung und Abtretung kennt. Ansonsten ist zur Ermittlung der Wertpapiereigenschaft die Funktionsäquivalenz heranzuziehen (vgl. § 2 WpPG Rz. 17).

40

Kann das fragliche Anlageinstrument weder unter den Aspekten der Gleichwertigkeit noch nach einer Prüfung der für die Erfüllung einer Wertpapiereigenschaft erforderlichen äquivalenten Funktion als Wertpapier iS des WpPG eingeordnet werden, handelt es sich um eine nach dem Verkaufsprospektgesetz zu beurteilende Beteiligung, soweit auch keine Beteiligung iS des InvG in Betracht kommt. cc) Einbeziehung nicht verbandsrechtlich organisierter Beteiligungen

41

Der Gesetzgeber geht vordergründig von einer verbandsrechtlich organisierten Beteiligung der Anleger aus. Alle Unternehmensbeteiligungen, die auf einer vertraglichen Dauerbeziehung beruhen und die Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes unter einer mit der Leistung eines Beitrags zu erfüllenden Förderpflicht beinhalten, eröffnen den Anwendungsbereich des § 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VerkProspG. Schwierigkeiten ergeben sich bei Beteiligungsformen, denen keine verbandsrechtliche Organisation zu Grunde liegt.

42

(1) Einbeziehung partiarischer Darlehen. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz werden partiarische Darlehen nicht in den Anwendungsbereich des § 8f Abs. 1 VerkProspG einbezogen3. Dies ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht zwingend, da nur die Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens als Voraussetzung für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Verkaufsprospektgesetzes notwendig ist. Über eine zwischen Anleger und Emissionsgesellschaft zu begründende gesellschaftsrechtliche Verbindung trifft der Gesetzestext keine Aussage. 1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rz. 5. 2 Heldrich in Palandt, (IPR) Einl. v. Art. 3 EGBGB Rz. 31 und Art. 11 EGBGB Rz. 7, jeweils mwN. 3 BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42.

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Anwendungsbereich

§ 8f VerkProspG

Sofern die vom Gesetzgeber vorgenommene Ausklammerung des partiarischen Darlehens auf Grund einer formalen Auslegung des Begriffes „Ergebnis“ als tatsächlich notwendige Gewinn- und Verlustbeteiligung am Unternehmen vermutet wird1, wird übersehen, dass der Gesetzgeber in einem früheren Entwurf zur Prospektpflicht von Vermögensanlagen bei gleichem Gesetzeswortlaut das partiarische Darlehen ausdrücklich mit einbezogen hatte2. Eine Diskussion der Problematik erschöpft sich in der Literatur zudem meist in der Zitierung der Regierungsbegründung3. Sofern die Problematik im Schrifttum aufgegriffen wird, stehen sich die Standpunkte einer Orientierung am Schutzzweck des Verkaufsprospektgesetzes unter Einbeziehung partiarischer Rechtsverhältnisse einer formalen und damit überprüfbaren Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VerkProspG unter Ausschluss partiarischer Rechtsverhältnisse gegenüber.

43

Einerseits wird eine Einbeziehung partiarischer Darlehen in den Anwen- 44 dungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes auf Grund des vergleichbaren Gefährdungspotentials von Anlegern im Vergleich zu anderen nach § 8f Abs. 1 VerkProspG prospektpflichtigen Typen von Vermögensanlagen befürwortet4. Der Schutzzweck des Gesetzes gebiete ein weites Verständnis des Anwendungsbereichs, um eine Umgehung durch unseriöse Anlagemodelle zu verhindern. Denn es müsse die Befürchtung bestehen, dass die bestehenden Ansprüche auf die Darlehensvaluta nicht realisierbar sein werden5. Des Weiteren ist den Anlegern einer Vermögensanlage vordergründig an einer erfolgreichen Geldanlage gelegen, eine tatsächliche unternehmerische Betätigung wird selten gesucht und ist anhand der üblichen vertraglichen Reglementierungen auch selten möglich. Andere Stimmen in der Literatur plädieren für ein Festhalten an der in der Begründung zum Gesetz geäußerten Absicht des Gesetzgebers, Beteiligungsformen in der Ausprägung eines (partiarischen) Darlehens aus dem Anwendungsbereich des § 8f Abs. 1 VerkProspG auszuschließen. Begründet wird dies mit der Gewährleistbarkeit einer Abgrenzung der vertraglichen Beziehung hinsichtlich der Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks der Vertragspartner als Voraussetzung für eine unternehmerische Beteiligung iS des § 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VerkProspG gegenüber der Verfolgung ausschließlich eigener Interessen der Vertragspartner im Sinne einer nicht prospektpflichtigen Anlageform6. Befürchtet wird zudem eine Aufweichung des Anwendungsbereichs des § 8f Abs. 1 VerkProspG7. 1 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8f VerkProspG Rz. 25. 2 Vgl. bereits den Entwurf eines Gesetzes über den Vertrieb von Anteilen an Vermögensanlagen, BT-Drucks. 8/1405 v. 2.1.1978, 10. 3 Vgl. Fleischer, BKR 2004, 339 (340); Heisterhagen, DStR 2004, 1089 (1090); Jäger/ Voß in Winter/Hennig/Gerhard, Grundlagen der Schiffsfinanzierung, S. 897. 4 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8f VerkProspG Rz. 25. 5 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8f VerkProspG Rz. 25. 6 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 39. 7 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 40.

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§ 8f VerkProspG

Anwendungsbereich

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Der Vorteil der Schärfung des Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes durch den Ausschluss partiarischer Rechtsverhältnisse gelingt nur vordergründig. Eine befriedigende Trennschärfe zwischen den beiden Beteiligungsformen ist selten zu erreichen1. Eine gegensätzliche, eine gesellschaftliche Verbindung ausschließende Interessenverfolgung wird sich zudem bei Kapitalanlagemodellen, die sich an ein breites Anlegerpublikum richten, kaum begründen lassen2. Letztlich muss in der Praxis regelmäßig eine materielle Abgrenzung erfolgen. Die Einbeziehung zumindest bestimmter partiarischer Rechtsverhältnisse in den Anwendungsbereich des § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG verdient daher den Vorzug gegenüber einer formalen Abgrenzung der Rechtsformen, wenn die Ausgestaltung als partiarisches Rechtsverhältnis eine stille Gesellschaft verschleiern soll und somit eine Umgehung des Anwendungsbereiches des Verkaufsprospektgesetzes bezweckt wird. In den Anwendungsbereich einbezogen werden sollten daher alle als partiarische Darlehen bezeichneten Anlageformen, deren Merkmale überwiegend auf eine stille Beteiligung hinweisen. Dies kommt auch dem vertriebsbezogenen Ansatz des Verkaufsprospektgesetzes entgegen, der eben gerade nicht auf einen starren, an bestimmten gesellschaftsrechtlichen Rechtsformen orientierten Anwendungsbereich abstellt.

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Die Ausgestaltung eines partiarischen Rechtsverhältnisses ist auf vielfältige Art und Weise möglich. So kann ein partiarisches Darlehen als atypisch stille Gesellschaft mit Eigenkapitalcharakter genauso wie als nachrangiges Darlehen mit Fremdkapitalcharakter ausgestaltet werden3.

48

Eine Unterscheidung zwischen partiarischen Darlehen und stillen Gesellschaften erfolgt auf verschiedenen Ebenen. Zu betrachten sind der Vertragszweck, die wirtschaftlichen Ziele und das Verhältnis der beiden Vertragsparteien4.

49

Partiarische Darlehen sind Rechtsverhältnisse, die eine Gewinnbeteiligung beinhalten, aber nicht auf einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung der Vertragsparteien gründen5. Eine gesellschaftrechtliche Verbindung setzt die Verfolgung eines gemeinsamen Zweck der Beteiligten voraus, der einer partiarischen Rechtsbeziehung fehlt6. Eine Verlustbeteiligung ist rechtlich ausgeschlossen.

50

Die stille Gesellschaft stellt eine Innengesellschaft dar, bei der ein Gesellschafter auf Grund einer Einlage am Unternehmen eines anderen mit einer 1 In diesem Sinne auch K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2007, § 230 HGB Rz. 58. 2 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8f VerkProspG Rz. 26. 3 Schneck, Handbuch Alternative Finanzierungsformen, S. 141, 144 f. 4 Schneck, Handbuch Alternative Finanzierungsformen, S. 144; Hopt in Baumbach/Hopt, § 230 HGB Rz. 4. 5 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 II 1. c); Hopt in Baumbach/Hopt, § 230 HGB Rz. 4. 6 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 II 1. c); Hopt in Baumbach/Hopt, § 230 HGB Rz. 4.

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Anwendungsbereich

§ 8f VerkProspG

Einlage beteiligt ist. Es liegt zwingend ein Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Stillen und dem Träger des Unternehmens auf der Grundlage eines Gesellschaftsvertrages vor1. Grundsätzlich ist der still Beteiligte an Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt, wobei die Verlustbeteiligung ausgeschlossen werden kann, § 231 Abs. 2 HGB. Kriterien für eine Abgrenzung lassen sich an äußeren Merkmalen fest- 51 machen. Eine Beteiligung am Verlust setzt eine gesellschaftsrechtliche Verbindung voraus2. Die Verlustbeteiligung muss dabei jedoch gemäß § 231 Abs. 1 HGB nicht ausdrücklich im Vertrag geregelt sein3. Weitere Anhaltspunkte eines gesellschaftlichen, von der Absicht einer gemeinsamen Zweckverfolgung getragenen Rechtsverhältnisses sind zB in der Bezeichnung des Vertrags als stille Beteiligung, in der Einräumung von Informations- und Kontrollrechten nach § 233 HGB, einer fehlenden Kreditsicherung, einer langen vertraglichen Bindungsdauer sowie in der Einschränkung von Kündigungs- und Übertragungsmöglichkeiten der Beteiligung zu erblicken4. Weiteres wesentliches Merkmal einer unternehmerischen Verbindung ist zudem die notwendige Mitwirkung eines Vertragspartners hinsichtlich einer Änderung des Vertragsgegenstandes im Rahmen der Verbandstätigkeit5. (2) Einbeziehung von Genussrechten. Die Emission von Beteiligungen durch Unternehmen, die als Genussrechte bezeichnet werden, ist in der Praxis relativ häufig anzutreffen6.

52

Genussrechte unterliegen in ihrer Ausprägung keinerlei gesetzlich bestimmter Merkmalen. In einigen Gesetzen werden Genussrechte lediglich erwähnt oder Bedingungen genannt, in denen das gegen die Gewährung von Genussrechten eingezahlte Kapital als Eigenmittel angerechnet werden kann, zB § 221 Abs. 3 und 4 AktG, § 10 Abs. 5 KWG, § 53c Abs. 3a VAG. Ein gesetzlicher Anhaltspunkt über die Ausstattung eines Genussrechts findet sich in § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. l Fünftes Vermögensbildungsgesetz7. Danach sind Genussrechte solche Beteiligungen an einem Unternehmen, die ein Recht am Gewinn dieses Unternehmens einräumen. Ein Genussrecht kann zudem mit dem Recht der Teilhabe am Liquidationserlös ausgestattet sein

53

1 2 3 4 5

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 II 1. c). K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 II 1. c). BGH v. 29.6.1992 – II ZR 284/91, NJW 1992, 2696. BGH v. 10.10.1994 – II ZR 32/94, NJW 1995, 192. BGH v. 10.10.1994 – II ZR 32/94, NJW 1995, 192, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II 3. b). 6 Vgl. in Bezug auf die Emission von Genussrechten durch Aktiengesellschaften Hammen, DB 1988, 2549; in Bezug auf Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG: Jahresbericht der BaFin 2008, S. 174: 102 von 773 Emissionen 2008, abrufbar unter: http://www.bafin.de/cln_170/nn_722604/SharedDocs/Downloads/ DE / Service / Jahresberichte / 2008 / jb__2008__gesamt,templateId=raw,property= publicationFile.pdf/jb_2008_gesamt.pdf. 7 Fünftes Vermögensbildungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 4.3.1994, BGBl. I 1994, 406, zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes v. 16.7.2009, BGBl. I 2009, 1959.

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§ 8f VerkProspG

Anwendungsbereich

(§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG)1. Notwendiger Inhalt eines Genussrechts sind diese Rechte jedoch nicht2. 54

Die Bezeichnung einer Beteiligung als Genussrecht kann daher für sich noch keinen Rückschluss auf die Anwendbarkeit des Verkaufsprospektgesetzes darstellen. Die einschlägigen Tatbestände des § 8f Abs. 1 VerkProspG führen Genussrechte ausdrücklich nicht auf. Auch die Regierungsbegründung des Entwurfs zum § 8f Abs. 1 VerkProspG schweigt über eine Beteiligungsform in der Ausprägung als Genussrecht3.

55

Die Zuordnung eines Schuldverhältnisses als Genussrecht kann nur funktional unter Zugrundelegung der Erfordernisse der jeweils einschlägigen Rechtsmaterie erfolgen4. Genussrechte werden grundsätzlich als Dauerschuldverhältnisse eigener Art aufgefasst, die auf wiederkehrende Leistungen gerichtet sind. Sie begründen keine gesellschaftsrechtlich geprägten Mitgliedschaftsrechte, sondern erschöpfen sich in einem bestimmten geldwerten Anspruch5. Genussrechte treten in Bezug auf die vermögensmäßigen Mitgliedschaftsrechte vielmehr in tatsächliche Konkurrenz6. In formeller Hinsicht geht die Stellung des Genussrechtsinhabers nicht über die eines schuldrechtlichen Gläubigers hinaus, während in materieller Hinsicht eine Verlustbeteiligung an den Vermögensrechten des Unternehmens begründet werden kann. Die vertragliche Freiheit in Bezug auf die Ausgestaltung des Genussrechts führt zu einer weiten Spannbreite des Inhaltes eines Genussrechts. Es kann sowohl mitgliedschaftsähnliche Rechte und Pflichten am Vermögen des Unternehmens enthalten, die einerseits denen einer Schuldverschreibung, andererseits Rechten entsprechen, die nach dem Gesetz eine gesellschaftsrechtliche Stellung charakterisieren. Dagegen ist die Möglichkeit einer Emission von Genussrechten von der Rechtsform des Emittenten unabhängig7.

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Für die Einbeziehung der Genussrechte in den Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes spricht zunächst der vertriebsrechtliche Ansatz, der allein auf das Angebot einer Beteiligung an das breite Publikum abstellt und hinsichtlich der Beteiligung nicht nach Rechtsformen typisiert. Zweck ist es, denjenigen zu schützen, der sich mittels einer Kapitalbeteiligung gegen Einlage an den Risiken eines Unternehmens oder einer Vermögensmasse ei-

1 Körperschaftsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 15.10.2002 (BGBl. I 2002, 4144), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 8.4.2010 (BGBl. I 2010, 386). 2 Hammen, DB 1988, 2549. 3 BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. 4 Gehling, WM 1992, 1093 (1096 f.); Lutter, ZGR 1993, 291 (311). 5 BGH v. 5.3.1959 – II ZR 145/57, WM 1959, 434 (436); BGH v. 5.10.1992 – II ZR 172/91, NJW 1993, 57; BGH v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, NJW 1993, 400 (410); Habersack in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 221 AktG Rz. 86; Lutter, ZGR 1993, 291 (294 f.). 6 Gehling, WM 1992, 1093 (1094). 7 Hammen, DB 1988, 2549 (2553 f. mwN).

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Anwendungsbereich

§ 8f VerkProspG

nes Unternehmens beteiligen will1. Der Schutzzweck des Verkaufsprospektgesetzes ist damit grundsätzlich bei einer Emission von Genussrechten berührt, die gegen die Leistung einer Einlage gewährt werden. Eine Information des Anlegers über einen Verkaufsprospekt bei einer genussrechtlich ausgestalteten Anlageform ist ähnlich wie bei einer gesellschaftlichen Beteiligung geboten. Denn das Risiko, dass der Anleger mit dem Erwerb eines Genussrechtes eingeht, kann höher als bei einer direkten gesellschaftlichen Verbindung sein. Der Nutzen in der Ausgabe von Genussrechten durch einen Emittenten liegt zum einen für diesen in der Aufrechterhaltung der Beherrschungsmacht über sein Unternehmen, zum anderen unter bestimmten Voraussetzungen in der Stärkung seiner Eigenkapitalbasis durch die eingeworbenen Mittel der Anleger2. Dem Anleger stehen dadurch bei einer Beteiligung als Genussrechtsinhaber ua. weniger Kontroll- und Informationsrechte zu als einem direkt am Unternehmen Beteiligten, der über gesetzlich bestimmte mitgliedschaftliche Mitwirkungsrechte verfügt. Lässt man grundsätzlich die Einbeziehung der Genussrechte in den Anwendungsbereich des § 8f Abs. 1 VerkProspG zu, ist als Nächstes die Frage einer umfassenden oder einer nur selektiven Einbeziehung von Genussrechten unter Berücksichtigung ihrer vertraglichen Ausgestaltung zu klären.

57

Beinhaltet die vertragliche Gestaltung des Genussrechts neben einem am Gewinn des Unternehmens orientierten oder abhängigen Anspruch eine Risikobeteiligung des Genussrechtsinhabers in Bezug auf sein eingesetztes Kapital, also eine Verlustteilnahme, ist eine sachliche Nähe zur stillen Gesellschaft vollzogen3.

58

Die vertragliche Ausgestaltung eines Genussrechts mit einem festen Rück- 59 zahlungsanspruch und einen vom Gewinn des Unternehmens abhängigen oder daran orientierten Anspruch auf Verzinsung des Kapitals führt zu einer Einordnung als partiarisches Darlehen4. Im Schrifttum wird eine selektive Einbeziehung der Genussrechte in den 60 Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes befürwortet5. Danach werden auf dem Namen lautende Genussrechte den Namensschuldverschreibungen nach § 8f Abs. 1 Satz 2 VerkProspG in den Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes eingeordnet und Genussrechte ohne Verlustbeteiligung oder Nachrangabrede und am Gewinn orientierter oder vom Gewinn abhängiger Verzinsung als partiarisches Darlehen vom Anwendungsbereich des Verkaufprospektgesetzes ausgeschlossen6. 1 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. 2 Meilicke, BB 1987, 1609. 3 Habersack in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 221 AktG Rz. 88. AA Stadler in Bürgers/Körber, Kommentar zum AktG, § 221 AktG Rz. 94. 4 Habersack in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 221 AktG Rz. 93; Stadler in Bürgers/Körber, § 221 AktG Rz. 98. 5 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 41. 6 Vgl. in Bezug auf partiarische Rechtsverhältnisse die Begr. RegE AnSVG, BTDrucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42.

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§ 8f VerkProspG

Anwendungsbereich

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Nach den in der Begründung zum RegE AnSVG geäußerten Willen des Gesetzgebers ist eine selektive Eröffnung des Anwendungsbereichs des Verkaufsprospektgesetzes möglich1. Denn wenn partiarische Rechtsverhältnisse vom Anwendungsbereich ausgenommen werden sollen, muss dies auch für Genussrechte gelten, die in ähnlicher Weise ausgestattet sind. Gegen diese selektive Auslegung ist anzuführen, dass Genussrechte Rechtsverhältnisse eigener Art darstellen2. Dieses Verständnis würde aber dem Schutzzweck des Verkaufsprospektgesetzes entgegenstehen. Denn die Eröffnung des Anwendungsbereiches des Verkaufsprospekts wäre bei einer Auffassung des Genussrechts als eigenständiges, von seiner rechtlichen Ausprägung unabhängiges Rechtsverhältnis davon abhängig, ob man die Variante des § 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 3 VerkProspG als sonstiger geschlossener Fonds als gegeben betrachtet, da es sich dann weder um eine unternehmerische Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens iS der Var. 1 handelt, noch um eine treuhänderische Vermittlung dieser Rechtsbeziehung iS der Var. 2. Dazu käme, dass dann partiarischen Rechtsverhältnissen ähnliche Konstruktionen im Deckmantel eines Genussrechts wieder vom Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes eingeschlossen wären. Daher spricht mehr dafür, an einer selektiven Einordnung der Genussrechte in den Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes festzuhalten. Diese Einordnung kann anhand materiell bestimmter Leitbilder vorgenommen werden3. Danach wären Kapitalanlagen, bei denen gegen eine Einlage Genussrechte mit Verlustbeteiligungen gewährt werden, als stille Gesellschaft und somit in den Kontext des § 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VerkProspG einzuordnen; als partiarische Rechtsverhältnisse ausgestaltete Genussrechte wären hingegen vom Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes ausgenommen.

62

Abschließende Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Verkaufsprospektgesetzes ist, dass die Genussrechte nicht in Wertpapieren verbrieft sind (siehe oben Rz. 26 ff.).

63

(3) Bruchteilsgemeinschaften sind nicht von § 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VerkProspG erfasst. Die Gemeinschaft nach Bruchteilen gemäß § 741 ff. BGB beinhaltet eine Berechtigung seiner Mitglieder an einem Sach- oder Vermögensgegenstand, jedoch keine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens4. Es besteht keine Rechtsbeziehung zu einem Unternehmen, über das der Vermögenswert, das die Kapitalanlage darstellt, an die Mitglieder der Gemeinschaft vermittelt wird.

64

Einstweilen frei.

1 2 3 4

Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. BGH v. 21.7.2003 – II ZR 109/02, ZIP 2003, 1788 (1789 f.). Habersack in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 221 AktG Rz. 89. Ulmer in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, Vor § 705 BGB Rz. 124 mwN.

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Anwendungsbereich

§ 8f VerkProspG

c) Anteile an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet (Treuhandvermögen, § 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 2 VerkProspG) Der Prospektpflicht unterliegen Angebote von Anteilen an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter im eigenen Namen für die Rechnung der Anleger hält oder verwaltet. Der Wortlaut des Gesetzes enthält eine Legaldefinition des Begriffes „Treuhandvermögen“.

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Die Tatbestandsalternative stellt eine weitere Variante dar, bei der dem An- 66 leger der Erwerb einer Kapitalanlage ermöglicht wird, ohne dass dieser das Anlageobjekt direkt erwerben muss. Erfasst werden alle Konstruktionen, bei denen eine wirtschaftliche Mitunternehmerschaft des Anlegers begründet wird, zivilrechtlich jedoch keine Verbindung des Anlegers zu dem das Anlageobjekt haltenden Unternehmen besteht. Die Erweiterung der direkten, zivilrechtlich bestehenden unternehmerischen Beteiligungen des Anlegers nach der ersten Variante des § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG ist auf Grund der geübten Praxis bei den bestehenden geschlossenen Anlagemodellen notwendig, da ansonsten große Teile des Marktes für Vermögensanlagen im geschlossenen Sinne nicht erfasst würden. Denn das Steuerrecht erkennt auch die bloße wirtschaftliche Beteiligung als steuerrechtlich zu berücksichtigende Mitunternehmerschaft des Anlegers an1. Eine Festlegung über die rechtliche Ausgestaltung der Treuhandbeziehungen zwischen Anleger als Treugeber und dem Emittenten oder Dritten als Treuhänder trifft das Verkaufsprospektgesetz nicht.

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Maßgebend für die Annahme und Ausgestaltung eines Treuhandvermögens 68 sind daher, sofern das öffentliche Recht keine eigenen Vorgaben trifft, die zivilrechtlichen Vereinbarungen zwischen Treuhänder und Treugeber2. Bei der Bestimmung der materiellen Prospektpflicht des zu betrachtenden Treuhandvermögens der konkreten Vermögensanlage ist zu beachten, dass in der Praxis der Anleger parallel in verschiedene Treuhandverhältnisse einbezogen sein kann. Im Rahmen des Beitritts eines Anlegers zu einer Publikumsgesellschaft kann sich die Treuhandvereinbarung einerseits lediglich auf die Einzahlungsverpflichtung, anderseits auch auf den Beitritt als wirtschaftlicher Gesellschafter beziehen3. Nur Letztere ist für die materielle Prospektpflicht entscheidend, andere Treuhandverhältnisse sind dagegen lediglich nach der Regelung des § 12 Abs. 3 VermVerkProspV zu beschreiben (siehe § 12 VermVerkProspV Rz. 19 ff.), in den Prospekt sind daher neben den Angaben zum Treuhänder nach § 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 2 VerkProspG auch Angaben zu weiteren treuhändisch handelnden Personen (zB Mittelverwendungskontrolleur) aufzunehmen. 1 Vgl. Medienerlass v. 5.8.2003, BStBl. I 2003, 406 (Schreiben des BMF, Gz.: IV A 6 – S 2241 – 81/03, Punkt IV); 5. Bauherrenerlass, BStBl. I 2003, 546 (Schreiben des BMF, Gz.: IV C 3 – S 2253 a – 48/03, Punkt II). 2 BVerwG v. 4.9.2008 – 5 C 12.08, DVBl. 2009, 129. 3 BFH v. 9.10.2001 – VIII B 30/01, BFH/NV 2002, 191.

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§ 8f VerkProspG

Anwendungsbereich

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Die Begründung des Regierungsentwurfs eines Anlegerschutzverbesserungsgesetzes unterstützt die weite Auslegung des prospektrechtlichen Treuhandbegriffes1. Eine Aussage über eine bestimmte anzuwendende Rechtsform der Treuhand wird dort nicht getroffen. Berücksichtigt wird in der Begründung zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz lediglich die Ausgestaltung des Treuguts. Danach kann das Treuhandvermögen entweder aus bestimmten Vermögenswerten bestehen, zu deren direktem Erwerb die Mittel der Anleger bestimmt sind oder aus Rechten, zB Gesellschaftsanteilen, kraft derer sich der Treuhänder für die Rechnung der Anleger eine Beteiligung am Ergebnis eines anderen Unternehmens verschafft2.

70

Bei zivilrechtlichen Treuhandverhältnissen lassen sich das Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder und das Außenverhältnis zwischen Treuhänder und Drittem unterscheiden. Ihnen gemeinsam ist die Übertragung von Vermögensrechten auf (fiduziarische Vollrechtstreuhand) oder eine entsprechende Einräumung einer Rechtsmacht des Treugebers gegenüber dem Treuhänder3.

71

Diese Unterscheidung setzt offenbar auch das Verkaufsprospektgesetz voraus. Der Begriff des „Haltens“ eines Vermögens durch den Treuhänder für fremde Rechnung deutet auf eine Vollrechtsübertragung im Rahmen einer echten Treuhand hin, während der Begriff des „Verwaltens“ die bloße Einräumung einer Verfügungsmacht über ein Recht auf den Treuhänder durch den Anleger in Form der Ermächtigungstreuhand beschreibt.

72

Bei der dem Treuhänder eingeräumten bloßen Rechtsmacht ist zwischen der Einräumung einer eigenen Verfügungsmacht über das beim Treugeber verbleibende Recht gemäß § 185 BGB (Ermächtigungstreuhand) und der bloßen Einräumung einer Bevollmächtigung im Namen des Treugebers über das Recht iS von §§ 164 ff. BGB (Vollmachtstreuhand) zu unterscheiden4. Nur erstere Variante erfüllt die Voraussetzungen iS des des § 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 2 VerkProspG. Denn der Wortlaut des Gesetzes sieht die Notwendigkeit des Handelns im eigenen Nahmen des Treuhänders vor, während bei der Vollmachtstreuhand auf Grund der Geltung der Regelungen des §§ 164 ff. BGB der Treuhänder im Namen des Anlegers tätig wird.

73

Diese grundsätzliche Ausgestaltung der Treuhand für die materielle Prospektpflicht wird auch von der Verwaltungspraxis der BaFin unterstützt. Im Auslegungsschreiben der BaFin wird klar gestellt, dass vom Begriff des Treuhandvermögens sowohl diejenige Form der Treuhand, bei der der Treuhänder Rechtsinhaber wird („echte Treuhand“) als auch diejenige Ausgestaltungsmöglichkeit, bei der der Treugeber Rechtsinhaber bleibt und der Treu1 Siehe auch Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 32. 2 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. 3 Bassenge in Palandt, § 903 BGB Rz. 33; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 61 III 1 a). 4 Bassenge in Palandt, § 903 BGB Rz. 33; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 61 III 1 b).

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händer nur in eigenem Namen im Interesse des Treugebers tätig wird („unechte Treuhand“ oder „Verwaltungstreuhand“) umfasst ist1. Die dem Treuhänder im Außenverhältnis zustehende Rechtsmacht wird im Rahmen der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung im Innenverhältnis zwischen Treuhänder und Treugeber ausgestaltet und beschränkt2. Die Weisungsgebundenheit im Innenverhältnis muss dabei so ausgeprägt sein, dass der Treugeber das Treuhandverhältnis beherrschen muss, die Verfügungsmacht des Treuhänders nach außen also nur noch als „leere Hülle“ erscheint3.

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Die weitere Ausgestaltung des Treuhandverhältnisses zwischen Treugeber und Treuhänder hat auf die materielle Prospektpflicht nach § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG keine weiteren Auswirkungen4.

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So ist die treuhändische Konstruktion in Publikumspersonengesellschaften, die von einer Überlagerung des Treuhandverhältnisses von gesellschaftsrechtlichen Bindungen im Sinne einer Zubilligung der dem Treuhänder als Gesellschafter zustehenden Rechte und Ansprüche im Innenverhältnis an die Treugeber geprägt ist, nicht anders als ein reines Treuhandverhältnis zu bewerten5. Die bei einer Überlagerung des Treuhandverhältnisses durch gesellschaftsrechtlichen Bindungen anzunehmende weitere rechtliche Beziehung zwischen Gesellschaftern der Emissionsgesellschaft und den Treugebern in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Innengesellschaft6 beeinflusst die materielle Prospektpflicht ebenso wenig, da keine Anteile an dieser Gesellschaft öffentlich angeboten werden.

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Die Unterscheidung beider Konstellationen hat lediglich Auswirkungen auf die anwendbaren gesetzlichen Regelungen, die neben den vertraglichen Bestimmungen der Treuhandvereinbarungen zur Anwendung kommen. Die Verfolgung eigener Interessen des Treuhandgesellschafters im Rahmen seiner Beteiligung an der Gesellschaft neben der Interessenwahrnehmung der Treugeber führt zu der Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses zwischen Treuhandgesellschafter und Treugebern in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Innengesellschaft mit der Folge der Anwendbarkeit der §§ 705 ff. BGB in diesem Verhältnis7. Im Falle des Fehlens solcher Eigen-

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1 Auslegungsschreiben der BaFin v. 30.06.2005, Punkt 1, abrufbar unter: http://www.bafin.de/cln_170/nn_724536/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/ Unternehmen / AllgemeinePflichten / ProspekteFuerVermoegensanlagen / FunktionenUndVerfahren/auslegungsschreiben.html. 2 Bassenge in Palandt, § 903 BGB Rz. 33; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 61 III 1 a). 3 Niedersächsisches Finanzgericht v. 12.07.2004 – 1 K 325/01, EFG 2004, 1882. 4 Siehe auch Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 33. 5 Zu beiden Ausprägungen BGH v. 13.5.1953 – II ZR 157/52, BGHZ 10, 44 (49 f.); BGH v. 23.6.2003 – II ZR 46/02, WM 2003, 1614. 6 Vgl. Wagner, BKR 2008, 57 (58). 7 BGH v. 13.6.1994 – II ZR 259/92, NJW 1994, 2886 (2887); Wagner, BKR 2008, 57 (58).

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interessen, also der vollständigen Ausübung der Gesellschaftsbeteiligung im alleinigen Interesse der Treugeber durch den Treuhänder, ist hingegen auf die Normen des Auftragsrechts oder der Geschäftsbesorgung gemäß §§ 662 ff., 675 ff. BGB abzustellen. Auswirkungen im Prospektrecht bestehen daher nur in Bezug auf die im Verkaufsprospekt zu tätigenden Angaben1. d) Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds (§ 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 3 VerkProspG) 78

Als dritte Variante des § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG eröffnet das öffentliche Angebot von sonstigen geschlossenen Fonds den Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes. Die Verwendung dieser Tatbestandsalternative trägt nicht zur Schärfung des Anwendungsbereiches des Verkaufsprospektgesetzes bei. Der Begriff „geschlossene Fonds“ wird im Allgemeinen nur als Sammelbezeichnung für Vehikel zur Investition in kostenintensive Wirtschaftsgüter verwendet. Traditionell werden hierunter an das Publikum gerichtete Beteiligungsformen an Personengesellschaften zur Finanzierung zumeist einzelner bestimmter Investitionsobjekte aus den Bereichen Schiffe, Immobilien, Medien und erneuerbare Energien verstanden2. Hiermit erfolgt jedoch keine eigenständige Begriffsklärung, sondern lediglich eine Typisierung anhand der Investitionsobjekte. Der Einsatzzweck des Fonds bestimmt die anzuwendende Strukturierung. Zu berücksichtigende Interessen sind die Bündelung der Investoren und ihres Kapitals und die Erreichung einer Abschirmung hinsichtlich der mit dem Anlageobjekt verbundenen Haftungsrisiken zugunsten der Investoren3.

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Vielfach wird eine Einordnung einer Beteiligung in die dritte Variante des § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProsG nicht notwendig werden. Denn zumeist stellen die Beteiligungen Anlageformen dar, die ohne weiteres der ersten oder zweiten Variante des § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG zugeordnet werden können.

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Bereits im Rahmen der Gesetzgebung ist die Unsicherheit in der Begriffswahl erkennbar. So wird im RegE AnSVG v. 24.5.20044 im Tatbestand des § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG noch der Tatbestand des „sonstigen geschlossenen Immobilienfonds“ aufgeführt. In der Beschlussfassung v. 3.9.20045 ist in der Gesetzesfassung das Wort „Immobilien“ entfernt worden. Weder aus den Sitzungsprotokollen noch den Stellungnahmen zum AnSVG ist ersichtlich, warum der Begriff „Immobilien“ entfernt wurde. Nur das Sitzungspro-

1 Hier ist auf die inzwischen höchstrichterlich entschiedene Frage der Haftung der Treugeber im Außenverhältnis hinzuweisen: BGH v. 11.11.2008 – XI ZR 468/07, BGHZ 178, 271 = ZIP 2008, 2354; OLG Karlsruhe v. 4.7.2007 – 17 U 34/06. 2 Lüdicke in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 1 ff. 3 Lüdicke/Bost/Halfpap in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 5 f. 4 BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 1, 22. 5 Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags – Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BR-Drucks. 643/04 v. 3.9.2004, S. 1, 19.

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tokoll des Deutschen Bundestages1 gibt einen Anhaltspunkt für das gesetzgeberische Verständnis der Einführung der Prospektpflicht für Vermögensanlagen im Rahmen des VerkProspG in der Äußerung des MdB Pronold: „Neu ist auch die Erfassung von Treuhandvermögen und Unternehmensbeteiligungen – einschließlich Immobilienfonds – durch die Prospektpflicht“. Offenbar wurde auf Grund der zeitlich vorangegangenen Zusammenbrüche einiger geschlossener Immobilienfonds (zB der Zusammenbruch der IBG-Fonds der Berliner Bankgesellschaft im Jahre 2001 oder die Insolvenz des Emissionshauses Dr. Görlich GmbH im Jahre 2003) im Speziellen diese Branche als Regelungsgegenstand für den Anwendungsbereich des § 8f Abs. 1 VerkProspG erkannt. Dies fand dann im Rahmen dieser ursprünglichen dritten Variante seinen Ausdruck. Die in der Literatur geäußerte Vermutung, dass die im Gesetzgebungsver- 81 fahren gefundene Formulierung der Klarstellung diente und nicht allein außerhalb eines Treuhandvermögens konzipierte Immobilienfonds, sondern alle denkbaren Fondsstrukturen mit unterschiedlichsten Anlageobjekten der Prospektpflicht unterwerfen sollte, findet daher keine Stütze in den Gesetzgebungsmaterialien2. Der Schluss liegt jedoch nahe, dass eine zu starke Eingrenzung des Anwendungsbereiches nicht gewollt war. Eine weitere Erklärung für die Aufnahme der ursprünglichen Formulierung 82 ergibt sich aus dem Steuerrecht. Das Steuerrecht unterscheidet unter anderem zwischen den Einkunftsarten „Einkünften aus Gewerbebetrieb“ gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und „Einkünften aus Vermietung und Verpachtung“ gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG. Möglicherweise sollte mit der Verortung der „sonstigen geschlossenen Immobilienfonds“ im Referentenentwurf als dritte Variante des § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG sichergestellt werden, dass auch Beteiligungsformen erfasst werden, die nicht gewerblich, sondern wie bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vermögensverwaltend tätig sind. Im System der einzelnen Regulierungen des Kapitalmarkts ist der Begriff 83 des geschlossenen Fonds keine neue Erscheinung. Dies kommt bereits im Verkaufsprospektgesetz selbst zur Geltung, wenn man „sonstige geschlossene Fonds“ nicht als selbständige dritte Variante des § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG auffasst, sondern als einen Auffangtatbestand. Die Folge davon wäre, dass auch die Varianten 1 und 2, also Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, und Treuhandvermögen, geschlossene Fonds darstellten. Noch deutlicher wird dies, wenn man den Blick auf den verwandten Sektor des Kapitalmarkts der offenen Investmentfonds nach dem InvG bzw. den vorangegangenen Regelungen, wie dem KAGG, richtet. Mit dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz v. 24.3.1998 (Einl. VerkProspG Rz. 15) führte der Gesetzgeber das Konzept der Investment-

1 15. Wahlperiode – 111. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 27.5.2004, S. 10139 f. 2 Vgl. Jäger/Voß in Winter/Henning/Gerhard, Grundlagen der Schiffsfinanzierung, S. 897.

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aktiengesellschaft mit fixem Grundkapital ein (§ 51 KAGG). Die Einführung solcher geschlossener Fonds in der Rechtsform der Aktiengesellschaft verfolgte das Ziel der Lenkung von privaten Ersparnissen in eine mittelbare Anlage in Risikokapital durch mittelbare Unternehmensbeteiligungen und der Verbesserung der Wettbewerbsmöglichkeiten professioneller Vermögensverwalter auf Betätigungsfeldern, die in ausländischen Rechtsordnungen bereits bestanden1. Die bisher in Deutschland bestehenden Restriktionen in der Anlage im Bereich der offenen Investmentfonds sollten beseitigt werden. Der Verlust der Rückgabemöglichkeit der Anteile zum Inventarwert stand die zwingend zu ermöglichende Handelbarkeit der Anteile an der Investmentaktiengesellschaft an der Börse entgegen2. Diese Rechtsgestaltung einer Investmentaktiengesellschaft wurde in der Praxis jedoch nicht angenommen, so dass sie im Rahmen der Änderung des InvG mit der Begründung der Wesensfremdheit zum sonstigen Investmentrecht aus dem InvG wieder entfernt wurde3. 84

Wendet man weiter den Blick auf die flankierenden Steuererlasse für geschlossene Fondskonstruktionen4, fällt auf, dass auch die Finanzverwaltung den Begriff des „geschlossenen Fonds“ anwendet. Hervorzuheben ist jedoch ausdrücklich, dass das vorrangige Ziel der Schreiben der Feststellung der Steuerschuld der Anleger solcher Konstruktionen durch die Unterscheidung von Bauherren und Erwerbern dient. Der Charakter des geschlossenen Fonds wird vorausgesetzt und lediglich beschrieben, eine eigenständige Definition erfolgt nicht. Für die Frage der Steuerschuld ist vielmehr entscheidend, ob es sich um eine modellhafte Gestaltung handelt und somit eine Verlustverrechnung beschränkt wird.

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Der Begriff des „sonstigen geschlossenen Fonds“ beinhaltet anhand der dargestellten Erkenntnisse eine Typisierung bestimmter Anlagemodelle am Kapitalmarkt. Mangels gesetzlicher Definition kann er nur wertend ausgefüllt werden. Allen geschlossenen Anlagekonstruktionen liegen Fixierungen bestimmter Parameter des entworfenen Anlagemodells zu Grunde. Die Grundformel eines geschlossenen Fonds leitet sich aus der Akquisition von Eigenkapital für ein zeitlich und gegenständlich abgrenzbares Projekt mithilfe einer gesellschaftsrechtlichen Organisationsform ab, die eine der Höhe

1 Begr. RegE 3.FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 62. 2 Begr. RegE 3.FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 62. 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/5576 v. 11.6.2007, S. 121 f.; RefE des BMF zur Änderung des Investmentgesetzes v. 18.1.2007, S. 110, abrufbar unter: http://www. jura.uni-augsburg.de/prof/moellers/materialien/materialdateien/040_deutsche_ gesetzgebungsgeschichte / InvG_Aenderungsgesetz / invg_pdf / RefE_Aenderung_ InvG.pdf. 4 Medienerlass v. 5.8.2003, BStBl I 2003, 406 (Schreiben des BMF, Gz.: IV A 6 – S 2241 – 81/03); 5. Bauherrenerlass, BStBl. I 2003, 546 (Schreiben des BMF, Gz.: IV C 3 – S 2253 a – 48/03); Anwendungsschreiben zu § 15b EStG: BMF-Schreiben v. 17.7.2007 – IV B 2 – S 2241- b/07/0001, BStBl. I 2007, 542.

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nach möglichst flexible Eigenkapitalbeteiligung unter einer üblichen Begrenzung der Haftung auf die geleistete Einlage vorsieht1. Ausgangspunkt für die Bestimmung der Parameter ist regelmäßig das be- 86 reits vor der Emission festgelegte, durchzuführende Projekt in Form des zumeist aus physischen Wirtschaftsgütern bestehenden Anlageobjekts. Typischerweise handelt es sich um ein oder wenige Anlageobjekte. Eine Risikodiversifikation anhand verschiedener Investitionsobjekte findet grundsätzlich nicht oder nur in geringem Umfang statt. Es handelt sich bei den zu finanzierenden Projekte im Regelfall um Immobilien, Transportmittel jeglicher Art (zB Schiffe, Flugzeuge und Energieerzeugungsanlagen oder Biogas-, Solar- oder Windkraftanlagen), aus deren laufenden Betrieb dann Erträge generiert werden. Erfolgt die Bestimmung des Anlageobjekts erst nach der Einwerbung der Eigenmittel, hindert dies die Annahme eines geschlossenen Fonds nicht. Die Fixierung der Anlageobjekte in ihrer tatsächlichen Ausprägung bestimmt den Investitionsrahmen. Zugleich wird zumeist das Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital bereits definiert2. Damit ist auch der Umfang der Emission als Größenordnung bestimmt. Weitere Anleger können bei Ausschöpfung des Emissionsvolumens nicht mehr aufgenommen werden.

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Die Planungen der Projekte sind zumeist mit Zeitkomponenten verknüpft, dh. die Umsetzung des Projekts ist auf Grund bereits eingegangener oder in Verhandlung stehender vertraglicher Verpflichtungen an Zeitpläne gebunden. Dadurch ist zumeist auch der Zeitraum der Einwerbung der Eigenmittel über eine Emission an eine Frist gebunden.

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Anlagebedingungen geschlossener Fonds sehen eine Rückgabe der vom Anleger erworbenen Anteile gegen Auszahlung der durch sie repräsentierten Werte am Fondsvermögen in ihren Vertragsbedingungen grundsätzlich nicht vor. Die Investition ist also in der Regel langfristig bis zur Verwertung des Projekts gebunden. Ein organisierter Markt im klassischen Verständnis besteht für die bestehenden Beteiligungen nicht3. Dem Anleger bleibt nur die Möglichkeit, auf dem Kapitalmarkt selbst einen Abnehmer für seine Papiere zu suchen und zu finden. Diese Kriterium kann zur Abgrenzung eines geschlossenen Fonds iS des VerkProspG in Bezug auf offene Fonds nach dem Investmentgesetz herangezogen werden. Ein wichtiges Merkmal eines offenen Fonds im Bereich der Kapitalanlageprodukte ist das grundsätzliche Recht des Anlegers gemäß § 37 Abs. 1 InvG, gegen Rückgabe seiner Anteilsscheine den durch sie repräsentierten Anteil am Sondervermögen zum Inventarwert oder einem auf seiner Grundlage berechneten Preis ausgezahlt zu bekommen.

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1 Sester, ZBB 2008, 369 (370); im vereinfachenden Sinn auch Moritz/Grimm, BB 2004, 1352 (1352 f.). 2 Pelikan, Chancen mit geschlossenen Fonds, 2007, S. 13. 3 Regelfall GmbH & Co. KG. Vgl. Loritz/Pfnür, Der geschlossene Immobilienfonds in Deutschland, 2006, S. 7 ff.; Sester, ZBB 2008, 369 (370).

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e) Namensschuldverschreibungen (§ 8f Abs. 1 Satz 2 VerkProspG) 90

Gemäß § 8f Abs. 1 Satz 2 VerkProspG ist der Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes auch für das Angebot von Namensschuldverschreibungen eröffnet. Mit der Regelung erfasst der Gesetzgeber eine Anlageform, die sich von den unverbrieften Anlageformen des Satzes 1 durch ihre Verbriefung unterscheidet. Im Einklang mit den anderen Vermögensanlagen nach Satz 1, die zur Eröffnung des Anwendungsbereichs nach § 8f Abs. 1 VerkProspG führen, steht die Übertragbarkeit des Rechts im Wege der Abtretung.

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Namensschuldverschreibungen verbriefen ein Forderungsrecht, zu dessen Ausübung durch den namentlich Berechtigten die Innehabung der Urkunde erforderlich ist. Mit der Ausstellung der Urkunde wird das verbriefte Recht begründet. Die Übertragung erfolgt hingegen auf Grund eines Abtretungsvertrages über die verbriefte Forderung gemäß § 398 BGB, dem das Eigentum an der Urkunde gemäß § 952 Abs. 2 BGB nachfolgt1. Die Ausgestaltung richtet sich nach den §§ 793, 806 BGB. Im Wesentlichen wird die Urkunde einen Anspruch auf eine (laufende) Verzinsung für den Anleger und eine Rückzahlung des durch Anleger dem Aussteller zur Verfügung gestellten Betrages beinhalten.

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Es handelt sich um ein forderungsrechtliches Wertpapier im zivilrechtlichen Sinne (Rektapapier), bei denen nur der namentlich Berechtigte oder sein Rechtsnachfolger zur Geltendmachung des Anspruchs befugt ist. Der Namensschuldverschreibung fehlt daher die Kapitalmarktfähigkeit, da die allein mögliche Abtretung der Forderung nach den §§ 398 ff. BGB eine Fungibilität und Umlauffähigkeit des Papiers verhindert. Namensschuldverschreibungen konnten daher früher nicht den Wertpapieren iS des Verkaufsprospektgesetzes aF zugeordnet werden2. Mit der Aufnahme der Namensschuldverschreibung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass sie als eigenständige Anlagekategorie des Kapitalmarkts einer Prospektpflicht unterliegt.

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Unter dem Regime des Verkaufsprospektgesetzes aF stand im Rahmen der Auslegung einer Ausnahmeregelung von der Prospektpflicht (§ 3 Nr. 2 VerkProspG aF) im Streit, ob dem Begriff der Schuldverschreibung ein enges oder weites Verständnis entgegengebracht werden musste3.

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Teilweise wurde ein weiter Begriff der Schuldverschreibung favorisiert, so dass neben der klassischen Schuldverschreibung nach § 793 BGB4 auch weitere Anlageformen, wie Options- und Genussscheine sowie sonstige Finanzinnovationen vom Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift umschlossen sein sollten5. 1 2 3 4 5

OVG Berlin v. 20.2.1980 – 1 B 13.77 (unveröffentlicht, wiedergegeben in juris). Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 13 f., 19. Vgl. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 19 ff. So eingeschränkt Schäfer, ZIP 1991, 361 (367). Süßmann, EuZW 1991, 210 (212); Waldeck/Süßmann, WM 1993, 361 (366); Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 63 ff.

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Demgegenüber stand die Auffassung, dass unter einer Schuldverschreibung nur verzinsliche und rückzahlbare Anleihen mit festem Nennwert zu verstehen sind1.

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Dem Begriff der Namensschuldverschreibung ist ein weites Verständnis zu 96 Grunde zu legen. Der Gesetzgeber hat einerseits durch die Einbeziehung der Namensschuldverschreibungen in den Anwendungsbereich des § 8f Abs. 1 VerkProspG als auch durch den Verzicht einer Enumeration von Rechtsformtypen in § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG zu erkennen gegeben, dass er alle Rechtsgestaltungen von öffentlich angebotenen Anlagemodellen im Interesses eines wirksamen Anlegerschutzes durch die Sicherstellung von Informationsmöglichkeiten für die Anleger durch einen Verkaufsprospekt erfassen möchte. Der Bedarf für eine Sicherung des Anlegerschutzes durch die Eingrenzung des Anwendungsbereichs einer Ausnahmevorschrift liegt damit nicht mehr vor2. Auf Grund der weiter bestehenden gleichen Interessenlage im Sinne eines umfassenden Anlegerschutzes ist daher eine enge Auslegung des Begriffes nicht mehr angezeigt3. 5. Veröffentlichung eines Prospekts nach diesen Vorschriften Nach dem Verkaufsprospektgesetz muss für eine Vermögensanlage nur einmal, nämlich im Rahmen des ersten öffentlichen Angebots einer Vermögensanlage, ein Verkaufsprospekt veröffentlicht werden. Er muss nach der Maßgabe der §§ 8f ff. VerkProspG veröffentlicht worden sein4. Der Regelung kommt eine lediglich klarstellende Funktion zu. Denn sie setzt für das bestehende öffentliche Angebot einer Vermögensanlage einen nach den Vorschriften des Verkaufsprospektgesetzes veröffentlichten Verkaufsprospekt voraus. Die Regelung befreit daher nicht von der Prospektpflicht, sondern verzichtet auf einen weiteren Verkaufsprospekt für die identische Vermögensanlage (vgl. auch § 3 WpPG Rz. 12).

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Zum Ausdruck kommt durch die Regelung das Prinzip der dauerhaften Gültigkeit eines Verkaufsprospekts für eine rechtlich identisch ausgestaltete Vermögensanlage und den damit einhergehenden Erschöpfungsgrundsatz der Informationsverpflichtung des Anbieters, wenn die entsprechenden Informationen bereits dem Anlegerpublikum am Markt öffentlich zugänglich gemacht wurde und somit als bekannt gilt. Der gesetzliche Verzicht auf die

98

1 VG Frankfurt v. 7.8.1997 – 15 E 2135/95 (1), WM 1998, 762 (763 f.); Grimme/Ritz, WM 1998, 2091 (2095); Kullmann/Müller-Deku, WM 1996, 1989 (1993). Siehe auch Ziff. III. 1. der Bekanntmachung des BAWe zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701 ff.) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2835 ff.) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 2 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 20a, 24. 3 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG, Rz. 38. 4 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG, Rz. 56.

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Neuerstellung eines Verkaufsprospekts nach einem unterbrochenen Angebot korrespondiert jedoch mit der Verpflichtung gemäß § 11 VerkProspG, eventuell seit der Gestattung des ursprünglichen Prospekts aufgetretene Veränderungen nachtragen zu müssen. 99

Verkaufsprospekte, die für Vermögensanlagen erstellt worden sind, deren Angebot bereits vor dem 1.7.2005 begann, erfüllen die Ausnahmebestimmung nicht. Gleiches gilt für Angebote von Vermögensanlagen, bei denen zwar der Verkaufsprospekt bereits zur Veröffentlichung gestattet wurde, dies aber selbst noch nicht geschehen ist.

100 Die Veröffentlichung kann grundsätzlich von einem Anbieter allein wahrgenommen werden. Nach der Veröffentlichung als Untervertrieb hinzutretende weitere Anbieter der Vermögensanlage müssen selbst keinen eigenen Verkaufsprospekt nach einem Hinterlegungsverfahren veröffentlichen. 6. Prospektpflicht auf der Grundlage anderer Vorschriften 101 Diese Ausnahme von der Anwendbarkeit des Verkaufsprospektgesetzes bringt den Subsidiaritätsgrundsatz des Gesetzes zum Ausdruck. Besteht bereits auf Grund anderer Vorschriften eine Informationspflicht an das Anlegerpublikum, ist dem Schutz dieser Personen ausreichend Genüge getan. Die Informationsdichte des jeweiligen Verkaufsprospekts ist dabei nicht zu berücksichtigen. 102 Für den Bereich der Kapitalanlagen besteht grundsätzlich für Beteiligungen iS des Investmentgesetzes (§ 42 InvG) und des Wertpapierprospektgesetzes (§ 3 WpPG) eine Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts. Diese Gesetzesmaterien scheiden jedoch bereits dadurch aus, weil ihre Beteiligungsformen Wertpapiere iS des WpPG darstellen1. 103 Die Anwendbarkeit einer Ausnahmebestimmung eines anderen Gesetzes führt nicht zu einem Wiederaufleben der Prospektpflicht nach dem Verkaufsprospektgesetz2. Denn mit der Feststellung der Subsidiarität des Verkaufsprospektgesetzes bleibt kein Raum mehr für seine Anwendung. 104 Eine weitere abschließende Regelung einer Prospektpflicht findet sich in §§ 482, 487 Satz 2 BGB. Die in dem §§ 481 ff. BGB erfassten Teilzeit-Wohnrechtsverträge sind Vertragsgestaltungen, in denen ein Unternehmer einem Verbraucher gegen Zahlung eines Gesamtpreises das Recht verschafft oder zu verschaffen verspricht, für die Dauer von mindestens drei Jahren ein Wohngebäude jeweils für einen bestimmten oder bestimmbaren Zeitraum zu Erholungs- oder Wohnzwecken zu nutzen3. Die Ausgestaltung der Ver1 Vgl. Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8f VerkProspG Rz. 29. 2 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 52. 3 Die Regelungen gehen auf die Umsetzung der Richtlinie 1994/47/EG v. 26.10.1994, ABl. EG Nr. L 280 v. 29.10.1994, S. 82, zurück.

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träge können dabei die Nutzung der Wohnrechte auf der Grundlage einer direkten gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen, über eine treuhändische Lösung oder andere Konstruktionen vorsehen. Auf Grund der nicht vergleichbaren Zielsetzung beider Regelungskomplexe wäre die Anwendbarkeit des Verkaufsprospektgesetzes ohnehin abzulehnen. Während Beteiligungen iS des Verkaufsprospektgesetzes im Rahmen einer bloßen wirtschaftlichen Zielsetzung zur produktiven oder spekulativen Vermehrung eigenen Vermögens eingegangen werden, dient das Recht über TeilzeitWohnrechte allein dem Schutz von Publikum, dass den Erwerb von Nutzungsrechten zur persönlichen Verwendung im Rahmen der eigenen Freizeitgestaltung beabsichtigt. Bei dem Verkaufsprospektgesetz handelt es sich um eine rein nationale Regelungsmaterie1. Verkaufprospekte für Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 VerkProspG können daher nicht grenzüberschreitend genutzt werden, da ein entsprechendes Verfahren nicht vorgesehen ist. Grundsätzlich gilt dies auch für Verkaufprospekte von Vermögensanlagen, die aus dem Ausland stammen und in Deutschland angeboten werden sollen. Verfahren iS der §§ 17 f. WpPG zur Anerkennung und Gleichstellung von Verkaufsprospekten bestehen nicht.

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Eine Prospektpflicht nach dem Verkaufsprospektgesetz entsteht jedoch 106 dann nicht, wenn eine nach deutschem Recht als Vermögensanlage iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG aufzufassende, öffentlich angebotene Beteiligung an einem Unternehmen mit Sitz im europäischen Ausland über eine Notifizierung nach § 17 Abs. 3 WpPG in der Bundesrepublik Deutschland angeboten werden soll. Diese Notifizierung (Europäischer Pass) erfolgt auf der Grundlage eines nach ausländischen Rechtsvorschriften von einer Behörde eines Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes gebilligten Prospekts und einer entsprechenden Unterrichtung der BaFin (vgl. § 3 WpPG Rz. 15). Dieser Billigung liegt die Entscheidung der ausländischen Behörde zu Grunde, dass es sich bei der dem Verkaufsprospekt zu Grunde liegenden Beteiligung um ein Wertpapier iS der Prospektrichtlinie handelt. Durch den entsprechenden Verkaufsprospekt ist das Anliegen des Verkaufsprospektgesetzes erfüllt, nämlich den Schutz der Anleger durch den Ausgleich von Informationsasymmetrien zu gewährleisten. Der Inhalt der Verkaufsprospekte nach dem Verkaufsprospektgesetz und dem Wertpapierprospektgesetz sind in Hinblick auf ihre Informationsdichte auch vergleichbar. Entscheidend ist aber, dass eine Verweigerung der Anerkennung dieser Verkaufsprospekte eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs gemäß Art. 63 Abs. 1 AEUV (ex-Art. 56 Abs. 1 EGV) auf Grund der Unverhältnismäßigkeit eines zweiten behördlichen Hinterlegungsverfahrens nach sich ziehen würde und daher abzulehnen ist.

1 Vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, Vorbemerkungen VerkProspG Rz. 5.

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7. Kostenlose Angebote 107 Die kostenlose Abgabe von Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG stellt kein Angebot im Rahmen des Verkaufsprospektgesetzes dar. Die fehlende Gegenleistung der Anleger für den „Erwerb“ der Vermögensanlagen eröffnet nicht den Schutzbereich des Verkaufsprospektgesetzes, die Anleger vor übereilten Investitionsentscheidungen auf Grund einer mangelhaften Informationslage zu schützen. Gegenleistungen der Anleger in Form von Kosten oder sonstige Verpflichtungen dürfen durch die Annahme der Beteiligung nicht entstehen1. 8. Selbstlose Angebote 108 Ist eine Beteiligung derart ausgestaltet, dass der Anleger keine eigenwirtschaftlichen Zwecke durch die Beteiligung verfolgen kann, scheiden solche öffentlichen Angebote aus der Prospektpflicht gemäß § 8f Abs. 1 VerkProspG aus2. Im Rahmen einer solchen Beteiligung stehen beim Anleger bewusst altruistische Motive im Sinne einer Spende im Vordergrund. Voraussetzung für die Annahme eines selbstlosen Angebots ist, dass der Anleger keine Gewinnanteile und auch keine sonstigen Zuwendungen aus den Mitteln der Emissionsgesellschaft erhält und im Rahmen der Auseinandersetzung oder des Ausscheidens nicht mehr als die eingezahlten Kapitalanteile zurückerhält, vgl. § 55 AO. 9. Abgrenzung zu anderen kapitalmarktrechtlichen Normen 109 Die von der BaFin im Verlauf des Hinterlegungsverfahrens erteilte Gestattung der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts beinhaltet keine Konzentrationswirkung in Bezug auf eventuell bestehende weitere Pflichten des Anbieters aus anderen, insbesondere kapitalmarktbezogenen Rechtsmaterien3. Die gewählte materielle Ausgestaltung der Vermögensanlage kann im Rahmen der Emission an das Anlegerpublikum und der Verwaltung der eingenommenen Einlagen dem Erlaubnisvorbehalt einer Tätigkeit im Rahmen des § 32 KWG unterworfen sein. a) Einlagengeschäft 110 Bei einem geplanten Angebot von bestimmten Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 VerkProspG können in diesen Beteiligungsformen regelmäßig die Voraussetzungen erfüllt sein, die an das Vorliegen des nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG erlaubnispflichtigen Tatbestands des Einlagengeschäfts nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG geknüpft sind. Die Konzeption einer Vermögens1 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 35; Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 57. Siehe auch die Erläuterungen zu § 2 WpPG Rz. 44. 2 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 58. 3 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 43.

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anlage nach § 8f Abs. 1 VerkProspG anhand einer gewählten Rechtsform der Beteiligung, bei denen keine besonders enge oder überhaupt nicht bestehende gesellschaftsrechtliche Verbundenheit vorliegt und das unternehmerische Risiko einer Verlustteilnahme tatsächlich oder wirtschaftlich ausgeschaltet ist (zB stille Beteiligung ohne Verlustteilnahme gemäß § 231 Abs. 2 HGB, Genussrechte und Namensschuldverschreibungen sowie deren Zinsausschüttungen ohne Rangrücktritt) muss daher zur Vermeidung einer Rückabwicklung der Emission unter den Aspekt der Erlaubnispflicht nach dem KWG überprüft werden. Die Verwirklichung des Einlagengeschäfts setzt die Annahme fremder Gel- 111 der als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums voraus, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden. Die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, richtet sich nach der bankwirtschaftlichen Verkehrsauffassung1. Die Entgegennahmen von Geldern durch ein Unternehmen erfüllen dann den Begriff des Einlagengeschäfts, wenn die vom Unternehmen an das breite Anlegerpublikum gerichteten Kapitalanlagemöglichkeiten dem Einlagengeschäft der Banken in wirtschaftlich adäquater Weise gleichen. Für die Beurteilung sind die dem Kunden angebotenen Bedingungen der Geldanlagemöglichkeit, der sich daraus ergebende wirtschaftliche Gehalt der Anlage und die durch die Werbung des Geld annehmenden Unternehmens beim Anlegerpublikum hervorgerufenen Vorstellungen über den Zweck der getätigten Geldanlage zu berücksichtigen2. Insbesondere sind auf Grund der Ausgabe von Namensschuldverschreibungen eingenommene fremde Gelder bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise den Einlagen iS des KWG zuzuordnen3. Die Anzahl der Anleger, ein beschränkter Personenkreis und eine fehlende öffentliche Werbung schließen das Betreiben eines Einlagengeschäfts nicht aus4. Somit kann auch ein Angebot von Vermögensanlagen, das auf Grund einer Ausnahme nach § 8f Abs. 2 VerkProspG von der Prospektpflicht nach § 8f Abs. 1 VerkProspG ausgenommen ist, weiterhin der Erlaubnispflicht nach § 32 KWG unterliegen. Voraussetzung für den Ausschluss eines Einlagengeschäfts in Bezug auf eine 112 Vermögensanlage nach § 8f Abs. 1 VerkProspG ist eine Gestaltung der Anlageform, der bei Einbringung der Gelder in das Unternehmen eine gesellschaftsrechtliche Verpflichtung zur Inkaufnahme des damit einhergehenden Geschäftsrisikos zu Grunde liegt5. Die Ausschaltung oder wirtschaftliche Verschleierung eines unternehmerischen Risikos prägen dagegen den Charakter der Anlage in Form einer Einlage. 1 VG Frankfurt v. 26.6.2007 – 1 G 1501/07 (1) (unveröffentlicht). 2 VG Berlin v. 22.2.1999 – 25 A 276.95, DB 1999, 1377. 3 OVG Berlin v. 20.2.1980 – 1 B 13.77 (unveröffentlicht, wiedergegeben in juris); Fülbier in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 43. 4 OLG Celle v. 14.10.2004 – 4 U 114/04, OLGR Celle 2005, 96; HessVGH v. 19.5.2006 – 6 TG 435/06 (unveröffentlicht). 5 BGH v. 15.3.1984 – III ZR 15/83, BGHZ 90, 310 (313) = ZIP 1984, 944.

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113 Die Vereinbarung einer Mindestverzinsung steht einer unbedingten Rückzahlbarkeit nicht gleich, wenn die Mindestverzinsung mit einer Verlustteilnahme verknüpft ist1. Der Mindestverzinsung und Verlustteilnahme muss jeweils eine eigenständige Bedeutung zukommen2. b) Anlageverwaltung 114 Bestimmte Konzeptionen der Angebote von Beteiligungen an Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 VerkProspG verwirklichen eine Finanzdienstleistung in Form der Anlageverwaltung nach § 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 11 KWG. Betroffen sind hier insbesondere so genannte Investmentclubs und bestimmte Private-Equity-Gesellschaften. Deren Geschäftsmodell muss die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten für eine Gemeinschaft von Anlegern, die natürliche Personen sind, mit Entscheidungsspielraum bei der Auswahl der Finanzinstrumente vorsehen, sofern dies ein Schwerpunkt des angebotenen Produktes ist und zu dem Zweck erfolgt, dass diese Anleger an der Wertentwicklung der erworbenen Finanzinstrumente teilnehmen (Anlageverwaltung). Bei den Anlegern muss es sich um natürliche Personen handeln, ausschließlich sich an institutionelle Anleger richtende Angebote sind nicht Gegenstand der Regelung3. c) Weitere Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäfte 115 Andere Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäfte können bei Angeboten von Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG unter bestimmten konzeptionell bedingten Voraussetzungen auftreten, spielen aber in der Praxis eine marginale Rolle (zB Emissionsgeschäft, Garantiegeschäft und Finanzierungsleasing).

IV. Ausnahmetatbestände (§ 8f Abs. 2 VerkProspG) 116 Soweit bereits § 8f Abs. 1 VerkProspG Ausnahmen von Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes enthält, listet der Gesetzgeber in § 8f Abs. 2 VerkProspG verschiedene Fallgruppen auf, bei denen die Pflicht zur Erstellung eines Verkaufsprospekts trotz bestehender Eröffnung des Anwendungsbereich des § 8f Abs. 1 VerkProspG ausgeschlossen wird. Die Ausnahmeregelungen sind abschließend. Die § 8f Abs. 2 Nrn. 4 bis 8 VerkProspG gehen ihrem Ursprung nach auf Regelungen der aufgehobenen Ausnahmevorschriften in den §§ 2 bis 4 VerkProspG aF zurück4. Die anderen Ausnahmevorschriften wurden neu geschaffen, zum Teil (Nr. 3) vorgreifend an die

1 Fülbier in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 42; VG Frankfurt v. 26.6.2007 – 1 G 1501/07 (1) (unveröffentlicht); VG Berlin v. 22.2.1999 – 25 A 276.95, DB 1999, 1377. 2 VG Frankfurt v. 26.6.2007 – 1 G 1501/07 (1) (unveröffentlicht). 3 Im Einzelnen Volhard/Wilkens, DB 2008, 2411 ff. 4 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42.

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Bestimmungen des WpPG angelehnt1. Siehe auch die Erläuterungen oben zu Rz. 1. Die Ausnahmen dienen der Verhinderung einer Überregulierung bestimm- 117 ter Angebote, bei denen die Bonität des Emittenten, die Größe des Konzepts oder auch der angesprochene Anlegerkreis eine zwangsweise Schaffung einer weiteren Informationsquelle nicht rechtfertigen. Vielmehr geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich die angesprochenen Anleger die Informationen selbst beschaffen können und daher nicht schutzwürdig sind2. Die Regelungen enthalten sowohl quantitative Kriterien, die eine Prospektpflicht anhand des Umfangs des unternehmerischen Projekts oder der Höhe der einzelnen Beteiligung ausschließen, als auch qualitative Kriterien, die sich am Anbieter, dem Emittenten oder der angesprochenen Anlegergruppe orientieren und auf Grund der damit vorausgesetzten Erfüllung von Informationspflichten bzw. der Unterstellung, dass die notwendigen Informationen durch den angesprochenen Anleger selbständig besorgt werden können, eine weitere durch einen Verkaufsprospekt erfolgte Aufklärung für überflüssig erachten. Das Gesetz unterbindet dabei die Kombination verschiedener Ausnahmetatbestände durch den Anbieter nicht3. Von der Größenordnung an sich prospektpflichtige Angebote können durch die Aufteilung und Inanspruchnahme verschiedener Ausnahmen insgesamt prospektfrei angeboten werden. Die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelungen kann für das gleiche Angebot einer Beteiligung sowohl gleichzeitig als auch nacheinander in Anspruch genommen werden. Ausgenommen von der Kombinationsfähigkeit sind Ausnahmetatbestände auf der Grundlage einer Vermögensanlage, die in ihrer Kombination zum Ausschluss eines Ausnahmetatbestands führen, zB ist die Kombination von 20 Anteilen einer Vermögensanlage nach § 8f Abs. 2 Nr. 3 Var. 1 VerkProspG nicht mit weiteren Anteilen zum Preis von über 200.000 Euro nach § 8f Abs. 2 Nr. 3 Var. 3 VerkProspG möglich, da dann insgesamt mehr als 20 Anteile angeboten werden4. Das Verhältnis von § 8f Abs. 2 zu § 8f Abs. 1 VerkProspG ist dogmatisch 118 schwer zu erfassen. Ursache ist die Ausnahme von der Prospektpflicht auf Grund eines Angebots an einen begrenzten Personenkreis nach § 8f Abs. 2 Nr. 6 VerkProspG. In der Literatur herrschte bereits zum Verkaufsprospektgesetz aF Streit hinsichtlich des Verhältnisses zwischen einem „begrenzten“ Personenkreis“ im Verständnis einer Privatplatzierung und einem öffentlichen Angebot5. Dieser Streit setzt sich auch im Rahmen des § 8f VerkProspG fort. Im Schrifttum wurde unter Heranziehung systematischer Erwägungen vertreten, dass die Ausnahmeregelungen sämtlich echte Ausnahmetatbestände von der sich im Grundfall bestehenden Prospektpflicht darstellen. Das An1 2 3 4 5

Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 4. Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 117. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 10 ff.

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gebot an einen begrenzten Personenkreis könne nach dieser Auffassung durchaus als „öffentlich“ betrachtet werden1. Das Schutzbedürfnis der Anleger besteht grundsätzlich bei der Ansprache des Kapitalmarkts. Der Gesetzgeber hat mit den Ausnahmevorschriften Fälle bestimmt, in denen er den Adressatenkreis eines Angebots auf Grund anderer Informationsmöglichkeiten für nicht schutzbedürftig hält2. Die Bestimmung des begrenzten Personenkreises habe quantitativ zu erfolgen. Der angesprochene Personenkreis müsse derartig überschaubar sein, dass auf Grund der Vermutung einer persönlichen Beziehung zum emittierenden Unternehmen der Nutzen der Erstellung eines aufwendigen Prospekts zu Informationszwecken außer Verhältnis zum Aufwand steht3. Eine Festlegung der Größe der angesprochenen Personengruppe wurde aber nicht vorgenommen, vertreten wurden Gruppengrößen von 50 bis 300 Personen4. Unter Heranziehung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 WpPG wird nun auch für den Bereich des VerkProspG aus Rechtssicherheitsgründen die Anwendung der Grenze von 100 Anlegern für die Bestimmung des begrenzten Personenkreises befürwortet5. 120 Nach der Gegenauffassung ist in der Privatplatzierung bereits kein öffentliches Angebot zu erblicken6. Eine Notwendigkeit der Aufnahme der Ausnahmebestimmung für die Prospektfreiheit von Angeboten an einen begrenzten Personenkreis hätte es nicht bedurft, ein eigenständiger Anwendungsbereich sei ihr nicht zu zumessen7. Die Bestimmung des begrenzten Personenkreises habe orientiert am Schutzzweck des Gesetzes jeweils am Einzelfall individuell zu erfolgen8. 121 Ein sachgerechtes Ergebnis lässt sich über eine vermittelnde Herangehensweise erzielen. Der Begriff „öffentlich“ in § 8f Abs. 1 VerkProspG beschreibt noch keine konkrete Qualifikation des Anlegerkreises bei der Vornahme des Angebots einer Vermögensanlage. Er bezeichnet allein das Herantreten des Emittenten an den Kapitalmarkt unter Ansprache eines beliebigen Personenkreises zur Abgabe eines Kaufangebots über ein beliebiges Medium. Erst wenn die angesprochene Personengruppe Merkmale quantitativer oder qualitativer Art in den Tatbeständen des § 8f Abs. 2 VerkProspG aufweist, entfällt die Prospektpflicht, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass es die1 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 27; Kullmann/Müller-Deku, WM 1996, 1989 (1992). Vgl. auch Begr. RegE Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 1, 11, zu § 2 VerkProspG, in der festgestellt wird, dass „bei bestimmten Formen des öffentlichen Angebots“ keine Prospektpflicht besteht. 2 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 27. 3 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 51. 4 Siehe Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 11 mwN. 5 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8f VerkProspG Rz. 35; im Ergebnis wohl auch Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 84. 6 Hamann in Schäfer, § 2 VerkProspG Rz. 3; Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 13. 7 Hamann, in Schäfer, § 2 VerkProspG Rz. 3. 8 Schäfer, ZIP 1991, 1557 (1559); Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 13.

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sen Personengruppen auf Grund der Möglichkeit der zu einem Verkaufsprospekt entsprechenden Informationsbeschaffung auf andere Art und Weise an einer Schutzbedürftigkeit ermangelt (vgl. auch § 2 WpPG Rz. 37). Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine Fiktion, denn die Voraussetzungen der Ausnahmevorschriften können vorliegen, ohne dass der Anleger tatsächlich über die einem Verkaufsprospekt gleichzustellenden Informationen verfügt1. Es handelt sich daher bei den Regelungen des § 8f Abs. 2 VerkProspG um echte Ausnahmetatbestände. Der begrenzte Personenkreis, also die Privatplatzierung, kann mangels zahlenmäßiger Vorgabe des Gesetzes jedoch nur anhand qualitativer Merkmale bestimmt werden. Quantitativen Merkmalen der Personengruppe kommt lediglich eine Indizwirkung zu. Denn je größer die angesprochene Anlegergruppe ist, desto unwahrscheinlicher ist eine persönliche Beziehung zum Emittenten anzunehmen, die für eine umfängliche und wahrheitsgemäße Information des einzelnen Anlageinteressenten sorgen kann. Das die zahlenmäßige Überschaubarkeit einer Anlegergruppe für sich allein als Indizwirkung nicht ausreichen kann, folgt bereits aus § 8f Abs. 2 Nr. 3 Var. 1 VerkProspG. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die Ausnahme von der Prospektpflicht anhand einer allein zahlenmäßig zu bestimmenden Anlegergruppe auf Grund der Festlegung der Höchstzahl der Anteile am Emittenten vorgenommen. Hinter dieser Begrenzung steht aber auch die qualitative Vermutung des Gesetzgebers, dass die Erwerber der Anteile auf Grund bestimmter Merkmale, wie beabsichtigte unternehmerische Tätigkeit und bestehender persönlicher Kontakt untereinander und zum Emittenten, über die gesellschaftsrechtlichen Schutzrechte hinaus keiner weiteren Schutzmaßnahmen mehr bedürfen2. Im Rahmen des § 8f Abs. 2 Nr. 6 VerkProspG dreht sich nun das Verhältnis der Anwendung von quantitativen und qualitativen Merkmalen zur Auslegung der Vorschrift wieder um. Das quantitative Element tritt mangels gesetzlicher Bestimmung hinter die qualitativen Elemente der Charakterisierung der Anlegergruppe zurück. 1. Genossenschaften (§ 8f Abs. 2 Nr. 1 VerkProspG) Gemäß § 8f Abs. 2 Nr. 1 VerkProspG werden Angebote von Anteilen an ei- 122 ner Genossenschaft gemäß § 1 GenG von einer Prospektpflicht nach § 8f Abs. 1 VerkProspG ausgenommen. Es handelt sich um eine emittentenbezogene Ausnahme. Sie begründet sich auf Grund des besonderen bestehenden Schutzes der Anleger, dem durch eine Überprüfung der Geschäftstätigkeiten der Genossenschaften hinsichtlich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung durch qualitätsgeprüfte und staatlich beaufsichtigte Prüfverbände ausreichend Rechnung getragen wird3.

1 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 22 f. 2 So schon die Begr. RegE zum Gesetz über den Vertrieb von Anteilen an Vermögensanlagen, BT-Drucks. 8/1405 v. 2.1.1978, S. 11. 3 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42.

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Diese umfassenden Kontrollmaßnahmen sind in §§ 11a, 63e, 64 GenG festgelegt. 123 Anteile iS der Vorschrift sind lediglich die in der Satzung der Genossenschaft betragsmäßig bestimmten Einlagen des einzelnen Mitglieds, zu dessen Leistung sich das Mitglied beim Beitritt zur Genossenschaft verpflichtet (§§ 7, 7a, 15 GenG). Die Emission anderer Vermögensanlagen iS von § 8f Abs. 1 VerkProspG durch die Genossenschaft werden hingegen auf Grund des soweit eindeutigen Wortlauts der Regelung von der Ausnahmebestimmung nicht erfasst. Es fehlt an einem konkreten Verweis auf § 8f Abs. 1 VerkProspG, wie er in den anderen Ausnahmebestimmungen des § 8f Abs. 1 Nrn. 2 bis 9 VerkProspG enthalten ist. Begibt die Genossenschaft beispielsweise Genussrechte, ist deren Angebot grundsätzlich prospektpflichtig. Unter den Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des § 8f Abs. 2 Nr. 6 Var. 1 VerkProspG könnten jedoch die Mitglieder einer Genossenschaft einen beschränkten Personenkreis darstellen und die Prospektpflicht aus diesem Grunde wieder entfallen (vgl. unten Rz. 158 ff.). 124 Der Förderzweck der erfassten Genossenschaft ist für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung nicht eng auf die Erreichung kapitalmarktbezogener Zwecke für ihre Mitglieder im Sinne einer Erwerbs- oder Wirtschaftsgenossenschaft beschränkt. Der Verweis auf § 1 GenG erfasst jede Genossenschaft1. 2. Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds (§ 8f Abs. 2 Nr. 2 VerkProspG) 125 Gemäß § 8f Abs. 2 Nr. 2 VerkProspG werden von Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds begebene Emissionen von Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG von der Prospektpflicht befreit. Es handelt sich um eine emittentenbezogene Ausnahme. Sie zielt im Besonderen auf die besondere Bonität und daneben auf die staatliche Beaufsichtigung dieser Unternehmen ab2. Angebote von Fremdemissionen durch solche Unternehmen fallen nicht in den Anwendungsbereich der Regelung. 3. Umfangbezogene Grenzen (§ 8f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG) 126 Die Regelungen des § 8f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG enthalten Ausnahmen von der grundsätzlich bestehenden Prospektpflicht für öffentliche Angebote von Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 VerkProspG, da die hier aufgeführten Tatbestände ein besonderes Schutzbedürfnis der Anleger nicht erkennen lassen bzw. auf Grund der Größe der Anlage die selbständige Informations1 Begr. RegE zum GenG, BT-Drucks. 16/1025 v. 17.5.2006, S. 80 f., und Neufassung des Genossenschaftsgesetzes in Form der Bekanntmachung v. 16.10.2006 (BGBl. I 2006, 2230), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes v. 25.5.2009 (BGBl. I 2009, 1102). 2 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42.

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beschaffung des Anlegers für eine qualifizierte Anlageentscheidung voraussetzen1. Die Beschränkungen des Anwendungsbereichs der Prospektpflicht erfolgen anhand quantitativ bestimmter Grenzen. Es muss sich jeweils um ein Angebot derselben Vermögensanlage handeln. Unabdingbar für die Inanspruchnahme der Ausnahmevorschriften ist, dass die Bagatellgrenzen in der Konzeption der Verträge oder im Rahmen eines Gesellschafterbeschlusses ausdrücklich festgelegt werden. Denn nicht der wirtschaftliche Erfolg des Angebots beim Anlegerpublikum entscheidet über die Prospektpflicht, sondern deren tatsächliche Ausgestaltung. Dieses Erfordernis stellt einen Reflex des eigentlichen Anwendungsbereichs der Prospektpflicht für öffentliche Vermögensanlagen dar und dient daher nicht allein staatlichen Interessen an einer leichteren Überwachung des Marktes2. In der Vorschrift sind drei selbständige Ausnahmetatbestände zusammenge- 127 fasst, die für den Ausschluss von der Prospektpflicht Alternativen darstellen. Danach ist das Angebot derselben Vermögensanlage mit nicht mehr 20 An- 128 teilen (Maximalstückelung), bei einem 100.000 Euro nicht übersteigenden Verkaufspreis der angebotenen Anteile über einen Zeitraum von zwölf Monaten (maximaler Verkaufspreis) oder einen Preis des angebotenen Anteils von mindestens 200.000 Euro je Anleger von der Prospektpflicht ausgenommen (Mindestkaufpreis). Die Ausnahmeregelung in § 8f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG hat im Gesetz- 129 gebungsverfahren in der Höhe der Mindestbeteiligungssumme eine starke Erhöhung erfahren. Die ursprünglich im Entwurf vorgesehene Begrenzung des Mindestanteilswertes von 50.000 Euro wurde auf 200.000 Euro angehoben, weil die Anteilswerte auf Grund der deutlich höheren Stückelung bei Beteiligungen an geschlossenen Fonds eine weit geringere Risikostreuung des Anlagekapitals zulassen, als dies bei Wertpapieren möglich ist3. Bereits in § 2 Nr. 4 VerkProspG aF wurden konzeptionell vergleichbare Schranken der Anwendbarkeit des Verkaufsprospektgesetzes festgelegt, der auf einer Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 lit. c und d der Emissionsprospektrichtlinie (Einl. VerkProspG Rz. 4) beruhte. Der Gesetzgeber wollte ursprünglich die Grenzwerte der Nr. 3 mit Ausnahme der Beschränkung auf 20 Anteile an die EU-Prospektrichtlinie 2003/71/EG (Einl. VerkProspG Rz. 11) angleichen.

1 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. 2 BVerfG v. 25.3.1992 – 1 BvR 298/86, BVerfGE 86, 28 = NJW 1992, 2621. 3 Vgl. Gegenäußerung des Bundesrats zum AnSVG, BT-Drucks. 15/3355 v. 16.6.2004, S. 4, Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks. 15/3493 v. 1.7.2004, S. 40.

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a) Nicht mehr als 20 Anteile angeboten (§ 8f Abs. 2 Nr. 3 Var. 1 VerkProspG) 131 Mit dem Begriff des Anteils in der Regelung wird auf die individuelle Beteiligung des Anlegers an der Vermögensanlage abgestellt1. Erfasst sind nur Anteile, die öffentlich angebotenen werden. 132 Die Regelung erfasst Fälle, bei denen die Annahme besteht, dass die Erwerber der angebotenen Anteile im Rahmen einer Unternehmensgründung oder -erweiterung selbst unternehmerisch tätig werden wollen. Es liegt also kein Angebot vor, das sich an das breite Publikum wendet. Anteile von Gründungsgesellschaftern sind somit grundsätzlich im Rahmen eines öffentlichen Angebots nicht erfasst. Der Gründungsvorgang einer Gesellschaft vollzieht sich üblicherweise außerhalb der Öffentlichkeit. Der Schutzzweck des Verkaufsprospektgesetzes in der Form des Ausgleichs von Informationsasymmetrien zwischen Emissionsgesellschaft und Anlegerpublikum ist damit bei diesen Personen nicht berührt. Nach der Begründung des Gesetzgebers wird unterstellt, dass der Anleger auf Grund der typischen Nähe der Investoren untereinander keinem besonderen Schutzbedürfnis bei der Anlageentscheidung unterliegt2. Auch stehen der Erfolg für das Unternehmen in keinem angemessenen Nutzenverhältnis, der mit den erweiterten Anlegerschutzmaßnahmen des Verkaufsprospektgesetzes einhergeht. 133 Die Anzahl der Anteile ist je Vermögensanlage zu verstehen. Die rechtlich identische Ausgestaltung der Vermögensanlage ist entscheidend. Dies kommt Konzeptionen zugute, die eine rechtliche Aufspaltung bestimmter Teilbereiche einer Unternehmung vorsehen. So werden wirtschaftlich zusammenhängende Projekte in mehreren Abschnitten bzw. modular aufgebaut, die von jeweils einer eigenen Gesellschaft realisiert und verwaltet werden. Jede dieser Gesellschaften kann selbständig jeweils bis zu 20 Anteile öffentlich zum Erwerb anbieten, ohne dass eine Prospektpflicht ausgelöst wird. Hintergrund für diese Gestaltung sind zumeist steuerliche oder ertragsbezogene Gründe. So ergibt sich auf Grund der eingeführten Abgeltungsteuer zum Jahr 2009, dass ein Gesellschafter maximal 10 % der Geschäftsanteile einer Gesellschaft halten darf, um den reduzierten Abgeltungsteuersatz von 25 % in Anspruch nehmen zu können. Die Aufspaltung bei ertragsbezogenen Konzeptionen ist zwar prospektrechtlich nicht zu beanstanden, jedoch hat der Gesetzgeber zumeist diese Konzeptionen einer wirtschaftlichen Betrachtung unterworfen, so dass keine Mehrerlöse für die Emissionsgesellschaft bzw. den Anleger auf Grund dieser Konzeption generiert werden können. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Konzeption der Anlage auf Grund der technischen Ausführung durch Aufteilung in mehrere Kleinanlagen einer Degression des Vergütungssatzes zuvorkommen will, im Nachhinein aber nur der Vergütungssatz als Gesamtanlage Anwendung findet3. 1 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 69. 2 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. 3 Siehe § 19 EEG, bzw. für Spanien das Real Decreto 1578/2008 v. 26.9.2008 für Strom aus PV-Anlagen.

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Die rechtlich gebotene formale Betrachtung der Vermögensanlage eröffnet 134 Konstellationen, bei denen der Anlegerschutz versagen muss. Denn die formale Betrachtung kann eine Umgehung des Prospektrechts nicht verhindern, wenn für das selbe Anlageobjekt jeweils immer wieder neue Gesellschaften aufgelegt werden, die formal immer nur eine Vermögensanlage mit maximal 20 Anteilen anbieten1. Ein Auffangtatbestand zur Verhinderung von solchen missbräuchlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Interesse des Anlegerschutzes ist im Verkaufsprospektgesetz nicht verankert. Die Prospektpflicht nach dem Verkaufsprospektgesetz kann für Fonds, die 135 bereits vor dem 1.7.2005 mit dem öffentlichen Angebot begonnen haben, nicht dadurch vermieden werden, indem nach diesem Datum das restliche Angebotsvolumen in maximal 20 Anteile gebündelt wird, denn auf Grund der gleich bleibenden rechtlichen Ausgestaltung der Vermögensanlage handelt es sich um dieselbe Vermögensanlage iS der Vorschrift2. b) Verkaufspreis der angebotenen Anteile bis 100.000 Euro innerhalb von zwölf Monaten (§ 8f Abs. 2 Nr. 3 Var. 2 VerkProspG) Zweck der Regelung ist es, eine Überregulierung für Kleinprojekte von Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG zu verhindern. Die Kosten für die Erstellung eines Prospekts stehen hier in keinem vertretbaren Verhältnis zum Emissionserlös3. Praktische Bedeutung kommt die Regelung insbesondere bei Kleinprojekten im Bereich erneuerbarer Energien zu, wenn Kommunen oder andere Träger unter finanzieller Beteiligung der Bürger die Solarenergiegewinnung, zB auf Schuldächern, einsetzen wollen.

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Der Verkaufspreis entspricht dem Erwerbspreis iS von § 4 Nr. 9 VermVerkProspV, weitere Kosten und Leistungen zum Erwerb der Vermögensanlage sind nicht zu berücksichtigen4.

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Weder dem Wortlaut der Regelung noch ihrer Begründung5 kann entnom- 138 men werden, ob das Angebot nur einmalig über einem Zeitraum von zwölf Monaten erfolgen kann oder ob sich an diesen Zeitraum fortlaufend Angebote derselben Vermögensanlage in der beschränkten Höhe von 100.000 Euro anschließen dürfen. Es wird lediglich angedeutet, dass kleineren Unternehmen Erleichterungen zugebilligt werden sollten. Die Vorgängervorschrift des § 2 Nr. 4 VerkProspG aF kannte eine zeitliche Grenze noch nicht. Diese ist vielmehr in Anlehnung an den Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 lit. e der EU-Prospektrichtlinie 2003/71/EG (Einl. VerkProspG Rz. 11) aus dem Wertpapierprospektbereich übernommen worden. Die Verknüpfung der ursprünglich rein wertmäßigen Beschränkung des Umfangs der Ver-

1 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 69. 2 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 69. 3 Hamann in Schäfer, § 2 VerkProspG Rz. 5; Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 26. 4 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 70. 5 Vgl. Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42.

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mögensanlage mit einer zeitlichen Komponente lassen darauf schließen, dass es sich um einen besonderen Fall einer Daueremission handeln soll (vgl. die Kommentierung zu § 8f Abs. 2 Nr. 7 lit. d VerkProspG, unten Rz. 168 ff.). Dies entspräche auch der faktischen Auswirkung der alten Regelung, deren Einwerbsvolumen zwar nach der absoluten Höhe, aber nicht hinsichtlich des Angebotszeitraumes begrenzt war. Der Anlegerschutz wird mit der neuen Regelung nur noch durch die dauerhafte Begrenzung der Angebotshöhe und damit einhergehend mit der Reduzierung der Zeichnungsmöglichkeiten für die Anleger für den Zeitraum erreicht. Eine Begrenzung des gesamten Emissionsvolumens ist nach dieser Auslegung damit nicht mehr verknüpft. Für die Frage der Anwendbarkeit der Ausnahme von der materiellen Prospektpflicht muss daher die volumenmäßige Begrenzung für den Angebotszeitraum von zwölf Monaten durch die Emissionsgesellschaft im Vorfeld fixiert werden, da ansonsten tatsächlich eine Prospektpflicht iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG besteht. Der tatsächliche Erfolg der Vermögensanlage im Rahmen des öffentlichen Angebots ist daher für die Frage der Prospektpflicht nicht entscheidend. 139 Der Zeitraum kann somit nicht nur einmal in Anspruch genommen werden, sondern weitere Emissionen von gleichartig ausgestalteten Vermögensanlagen können sich nachfolgend für den jeweils gleichen Zeitraum anschließen (dauerhafte, wiederholende Emission). Für den Beginn des Zeitraums ist der erste Tag des öffentlichen Angebots entscheidend1. c) Preis jedes angebotenen Anteils mindestens 200.000 Euro je Anleger (§ 8f Abs. 2 Nr. 3 Var. 3 VerkProspG) 140 Die Regelung setzt eine tatsächliche Aufwendung von mindestens 200.000 Euro zur Erlangung einer Beteiligung an der Vermögensanlage im Rahmen des öffentlichen Angebots voraus. Bei der Berechnung dieses Mindesterwerbspreises sind etwaige Gebühren oder sonstige Aufwendungen zum Erwerb der Vermögensanlage nicht zu berücksichtigen2. Eine dem Hauptangebot beigefügte Pflicht zu einer Nebenleistung kann auf Grund der Gefahr des Missbrauchs dieser Gestaltungsmöglichkeit im Interesse des Anlegerschutzes nicht zur Ermittlung des Anwendungsbereichs einer Ausnahmeregelung von der Prospektpflicht herangezogen werden3. Diese Trennung gilt auch bei gespaltenen Einlageverpflichtungen, bei denen der Erwerber der Vermögensanlage mit dem Beitritt zur Emissionsgesellschaft die Verpflichtung zur Gewährung weiterer Geldmittel an die Gesellschaft, zB in Form von Darlehen, übernimmt. Denn die faktische Ausgestaltung des öffentlichen Angebots der Vermögensanlage als Nebenleistung der eigentlichen Beteiligung eröffnet ebenfalls die Manipulationsgefahr der Prospektpflicht nach Belieben des Anbieters4.

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Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 70. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 27. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 27. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 28.

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Eine Aufspaltung der Beteiligung an derselben Vermögensanlage in mehrere Anteile bleibt ebenfalls unberücksichtigt1.

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Richtet sich das Angebot hingegen auf verschiedene Vermögensanlagen, die nur zusammen erworben werden können, sind die Erwerbspreise der einzelnen erworbenen Vermögensanlagen für die Berechnung der Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung zusammenzuziehen2. In der Praxis betrifft dies zumeist Fälle, bei denen der Anleger mehreren Emissionsgesellschaften zwangsweise durch die Beteiligung mit fixen oder variablen Anteilen jeder einzelnen Gesellschaft beitreten muss, zB ein Pool mit mehreren Schiffen, die von jeweils einer Gesellschaft als Anlageobjekt gehalten werden.

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Erfolgt das Angebot in einer Fremdwährung, muss durch die Emissionsgesellschaft sichergestellt werden, dass der gezeichnete Betrag im Zeitraum des öffentlichen Angebots stets mindestens 200.000 Euro beträgt3.

143

4. Institutionelle Anleger (§ 8f Abs. 2 Nr. 4 VerkProspG) Eine Befreiung von der Prospektpflicht nach § 8f Abs. 2 Nr. 4 VerkProspG erfolgt für Angebote von Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG, die sich nur an institutionelle Anleger, dh. an Personen richten, welche beruflich oder gewerblich für eigene oder fremde Rechnung Wertpapiere oder Vermögensanlagen iS dieser Bestimmung erwerben oder veräußern.

144

Die Regelung geht ihrem Wortlaut nach auf § 2 Nr. 1 VerkProspG aF zurück und gründet daher auf einer Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 lit. a der Emissionsprospektrichtlinie (Einl. VerkProspG Rz. 4).

145

Die Personen sind auf Grund ihrer eigenen Sachkunde nicht schutzbedürftig iS des Gesetzes. Es handelt sich um so genannte institutionelle oder professionelle Investoren4.

146

Der Anwendungsbereich ist im Interesse der Verwirklichung eines effektiven Anlegerschutzes eng auszulegen. Das Geschäft mit Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG und Wertpapieren muss dauerhaft den Hauptgegenstand des Gewerbes oder der Berufstätigkeit dieser Personen bilden und sich nicht nur als gelegentlicher untergeordneter Neben- oder Hilfszweck darstellen5. Als Kriterium zur Abgrenzung bietet sich die Ermittlung der Art und Häufigkeit des Auftretens der Personen am Kapitalmarkt und der organisatorischen Verselbständigung des Handels mit Wertpapieren und

147

1 2 3 4

Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 71. Vgl. bereits Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 29. Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 71. Vgl. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 7; Hamann in Schäfer, § 2 VerkProspG Rz. 2. 5 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 73; Hamann in Schäfer, § 2 VerkProspG Rz. 2.

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§ 8f VerkProspG

Anwendungsbereich

Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG gegenüber dem sonstigen Geschäft an1. 148 Es sind ausschließlich Angebote von der Regelung umfasst, die den Personen im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit und nicht als Privatperson unterbreitet werden2. Bei Angeboten an Unternehmen kommt es bestimmungsgemäß auf deren gewerbliche Tätigkeit und nicht auf den angesprochenen Arbeitnehmer an3. 149 Regelmäßig fallen damit Banken, Kapitalanlagegesellschaften, Versicherungen, Pensionskassen und bestimmte Finanzdienstleistungsunternehmen in den Anwendungsbereich4, nicht jedoch kleinere Unternehmen, die ihre liquiden Mittel anlegen5. 5. Teilemission (§ 8f Abs. 2 Nr. 5 VerkProspG) 150 Ausgenommen von der Prospektpflicht nach § 8f Abs. 1 VerkProspG sind nach § 8f Abs. 2 Nr. 5 VerkProspG Angebote von Vermögensanlagen, die Teil eines Angebots sind, für das bereits im Inland ein Verkaufsprospekt veröffentlicht wurde. 151 Die Regelung geht auf § 2 Nr. 5 VerkProspG aF zurück, der wiederum Art. 1 Abs. 2 der Emissionsprospektrichtlinie (Einl. VerkProspG Rz. 4) umsetzte. a) Materieller Inhalt 152 Die Regelung unterstreicht für einen bestimmten Teilbereich des Angebots einer Emission einer Vermögensanlage den in § 8f Abs. 1 VerkProspG bereits festgelegten Grundsatz der einmaligen Informationsverpflichtung des Kapitalmarkts über einen Verkaufsprospekt hinsichtlich eines öffentlichen Angebots von Vermögensanlagen (vgl. oben Rz. 4). 153 Zum Ausdruck kommt damit das Prinzip der dauerhaften Gültigkeit eines Verkaufsprospekts für eine rechtlich identisch ausgestaltete Vermögensanlage und den damit einhergehenden Erschöpfungsgrundsatz der Informationsverpflichtung des Anbieters, wenn die entsprechenden Informationen bereits dem Anlegerpublikum am Markt öffentlich zugänglich gemacht wurde und somit als bekannt gilt. Der gesetzliche Verzicht auf die Neuerstellung eines Verkaufsprospekts nach einem unterbrochenen Angebot korrespondiert jedoch mit der Verpflichtung gemäß § 11 VerkProspG, eventuell seit der Gestattung des ursprünglichen Prospekts aufgetretene Veränderungen nachtragen zu müssen.

1 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 50. 2 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 50; Hamann in Schäfer, § 2 VerkProspG Rz. 2. 3 Hamann in Schäfer, § 2 VerkProspG Rz. 2. 4 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 73. 5 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 50.

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Anwendungsbereich

§ 8f VerkProspG

Die Voraussetzung der Anwendung der Ausnahmeregelung nach § 8f Abs. 2 Nr. 5 VerkProspG ist, dass es sich um Vermögensanlagen derselben Emission handelt, denn nur dann ist sichergestellt, dass die erforderlichen Informationen in einem veröffentlichten Verkaufsprospekt enthalten sind. Dies setzt die rechtlich identische Ausgestaltung der Vermögensanlage zum ursprünglichen Emissionsangebot voraus. Die Vermögensanlagen weisen zueinander einheitliche Bestimmungsmerkmale auf1.

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b) Einzelfälle Erfasst ist insbesondere die nachträgliche Erhöhung des angebotenen Volu- 155 mens einer Emission von Vermögensanlagen, für die bereits ein Verkaufsprospekt veröffentlicht wurde2. Einschlägig ist die Regelung immer dann, wenn die Möglichkeit der Mehrzuteilung von Anteilen an Vermögensanlagen an durch das ursprüngliche Angebot nicht oder nicht im vollem Umfang zum Zuge gekommene Anleger im Verkaufsprospekt entweder gar nicht oder nicht der Höhe nach vorgesehen ist. Es handelt sich um eine wesentliche Änderung der Angebotsbedingungen (vgl. § 11 VerkProspG Rz. 25 sowie § 4 VermVerkProspV Rz. 9 ff. und 88 ff.). Die Prospektfreiheit nach § 8f Abs. 2 Nr. 5 VerkProspG umfasst alle Anteile derselben Vermögensanlage, auch wenn ein Teil der Anteile unter Anwendung einer Ausnahmeregelung zunächst prospektfrei platziert wurde. Durch das öffentliche Angebot des anderen Teils der Emission unter Verwendung eines nach Maßgabe des Verkaufsprospektgesetzes veröffentlichten Verkaufsprospekts ist der Informationspflicht an den Kapitalmarkt ausreichend Genüge getan3. Ein Hinweis auf die Möglichkeit der Mehrzuteilung von Anteilen der Vermögensanlage in einem konkret im Verkaufsprospekt beschriebenen Volumen schließt die Anwendung des § 8f Abs. 2 Nr. 5 VerkProspG dagegen aus. Der Verkaufsprospekt bezieht sich dann bereits auf die gesamte Emission4.

156

Die Ausnahmeregelung erfasst weiterhin keine Angebote von Vermögens- 157 anlagen, bei denen es an der vorherigen Veröffentlichung eines vollständigen Verkaufsprospekts nach den Vorschriften des Verkaufsprospektgesetzes mangelt. Konkret betrifft dies die Fälle eines bei der BaFin hinterlegten, aber vom Anbieter noch nicht veröffentlichten Verkaufsprospekt5, bei veröffentlichten unvollständigen Verkaufsprospekten nach § 10 VerkProspG, da ihm wesentliche Angaben zu den Angebotsbedingungen fehlen6, oder die Ange-

1 Vgl. zum alten Recht für Wertpapiere Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 33. 2 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 75. 3 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 36; Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 28. 4 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 34. 5 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 31. 6 VG Frankfurt v. 7.8.1997 – 15 E 2135/95 (1), WM 1998, 762 (763).

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Anwendungsbereich

bote von Vermögensanlagen mit oder ohne einen Verkaufsprospekt, die bereits vor dem 1.7.2005 begonnen haben (sog. Altfälle). 6. Begrenzter Personenkreis, Arbeitgeberangebote (§ 8f Abs. 2 Nr. 6 VerkProspG) 158 § 8f Abs. 2 Nr. 6 VerkProspG fasst zwei Ausnahmeregelungen zusammen. Inhaltliches Vorbild waren die Regelungen in § 2 Nr. 2 und 3 VerkProspG aF. Erstere gründete auf der Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 lit. b, Letztere auf Art. 2 Abs. 2 lit. h der EG-Emissionsprospektrichtlinie (Einl. VerkProspG Rz. 4). a) Begrenzter Personenkreis (§ 8f Abs. 2 Nr. 6 Var. 1 VerkProspG) 159 Erfolgt ein Angebot von Vermögensanlagen an einen begrenzten Personenkreis, so sind diese gemäß § 8f Abs. 2 Nr. 6 VerkProspG von der Prospektpflicht ausgenommen. 160 Die Bestimmung eines begrenzten Personenkreis erfolgt unter Einbeziehung quantitativer Indizien des Umfangs des Personenkreises anhand seiner ihn ausmachenden qualitativen Kriterien (vgl. oben Rz. 118 ff.). Dem Anbieter müssen die betreffenden Personen im Einzelnen bekannt, anhand einer gezielten Auswahl auf Grund individueller Gesichtspunkte angesprochen worden sein und einer Aufklärung durch einen Verkaufsprospekt im Hinblick auf ihr Informationsbedürfnis nicht bedürfen1. 161 Die Herstellung der persönlichen Beziehung kann nicht erst mit dem Angebot selbst erfolgen; beim Vertrieb über ein gestaffeltes Vertreternetz stellen die angesprochenen Personen daher keinen begrenzten Personenkreis dar. Es widerspräche Sinn und Zweck dieser Ausnahmeregelung, wenn durch vorbereitende Werbemaßnahmen ein willkürlich zusammengesetzter begrenzter Personenkreis geschaffen werden könnte, um die ansonsten bestehende Prospektpflicht zu umgehen2. Ein begrenzter Personenkreis setzt immer eine gezielte Auswahl nach individuellen Gesichtspunkten voraus. Die persönlichen Beziehungen zwischen Anbieter und Anleger müssen über den Charakter eines Massengeschäftes anhand der Auswahl nach rein objektiven Merkmalen deutlich hinausgehen3. Eine Kategorisierung des Personenkreises nach Berufsgruppen, nicht spezifischem Kundenkontakt oder Einkommen reicht für eine Individualisierung nicht aus4. 1 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 14. Siehe auch Ziff. II. 1. der Bekanntmachung des BAWe v. 6.9.1999 zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701 ff.) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2835 ff.), BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 2 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 15. 3 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 16. 4 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 80.

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Anwendungsbereich

§ 8f VerkProspG

Der Hauptanwendungsfall im Rahmen des Verkaufsprospektgesetzes aF be- 162 ruhte auf der Identität von Anbieter und Emittent. Ein Angebot an die Altaktionäre einer Gesellschaft zur Zeichnung von neuen Aktien an dieser Gesellschaft oder von Anteilen an einem Tochterunternehmen eröffnete auf Grund der bestehenden gesellschaftsrechtlichen Informationsmöglichkeiten der Altaktionäre kein iS des Umfangs eines Verkaufsprospekts notwendiges gesteigertes Informationsbedürfnis1. Zu Recht weisen Arndt/Bruchwitz darauf hin, dass im Bereich der Vermögensanlagen Konstellationen im vorgenannten Sinne selten auftauchen werden. Denn auf Grund der Abgeschlossenheit der Projekte der einzelnen Beteiligungsgesellschaften im Bereich Geschlossener Fonds wird es nur in seltenen Fällen zu einer notwendigen Kapitalerhöhung innerhalb dieser Gesellschaften kommen2. Angebote an anderen Beteiligungsgesellschaften an die Altgesellschafter einer Beteiligungsgesellschaft fallen mangels gesellschaftsrechtlicher Informationsmöglichkeiten dagegen nicht in den Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung3. b) Angebote an Arbeitnehmer (§ 8f Abs. 2 Nr. 6 Var. 2 VerkProspG) Das Angebot von Vermögensanlagen, dass der Arbeitgeber oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen ausschließlich an seine Arbeitnehmer unterbreitet, ist von der Prospektpflicht nach § 8f Abs. 1 VerkProspG ausgenommen. Es handelt sich um einen Spezialfall des begrenzten Personenkreises und geht § 8f Abs. 2 Nr. 6 Var. 1 VerkProspG daher im Falle des Vorliegens seiner Voraussetzungen immer vor4.

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Das Vorliegen eines verbundenen Unternehmens bemisst sich nach § 15 164 AktG5. Der Gesetzgeber hat die Arbeitnehmer, auch ehemalige, nicht als schutzbedürftig iS des Verkaufsprospektgesetzes betrachtet, weil er davon ausgeht, dass die Arbeitnehmer auf Grund ihres engen persönlichen Kontakts zum Arbeitgeber im Rahmen ihrer Tätigkeit über einen Zugang zu den relevanten Informationen für ihre Anlageentscheidung verfügen6. Diese Entscheidung ist in Hinblick auf den Anlegerschutz kritisch zu würdigen. Es ist zu hinterfragen, ob die angenommenen Fürsorgepflichten des Arbeitgebers in der Praxis tatsächlich zur Gewährung des vermuteten Zugangs zu den für die Anlageentscheidung relevanten Informationen für den Arbeitnehmer führen und dieser auch allen Arbeitnehmern gewährt wird7.

1 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 15 und 17. Vgl. Ziff. II. 1. der Bekanntmachung des BAWe v. 6.9.1999 zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701 ff.) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2835 ff.), BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 2 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 81. 3 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 81. 4 Vgl. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 21. 5 Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 11. 6 Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 11. 7 Vgl. Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 86.

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Anwendungsbereich

165 Sinn und Zweck des Verkaufsprospektgesetzes gebieten, dass es sich ausschließlich um Vermögensanlagen handelt, die vom Arbeitgeber oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens selbst emittiert werden. Nicht entscheidend ist hingegen, ob die Vermögensanlagen über einen Vermittler angeboten werden1. 7. Emittenten hoher Bonität (§ 8f Abs. 2 Nr. 7 VerkProspG) 166 Die Ausnahmeregelungen in § 8f Abs. 2 Nr. 7 VerkProspG stellen Angebote von Vermögensanlagen bestimmter Emittenten von der Prospektpflicht frei. Die Regelung knüpft dabei größtenteils an die Regelungen von § 3 VerkProspG aF an. Fortgeführt wird die Befreiung von der Prospektpflicht auf Grund der bestehenden besonderen Bonität der in der Vorschrift aufgeführten Emittenten oder anderer für ihn geltender Ausnahmeregelungen2. Zu den Emittenten mit über jeden Zweifel erhabener Bonität werden bestimmte Staaten, Gebietskörperschaften dieser Staaten und bestimmte internationale Organisationen gezählt, während für inländische Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute sowie Unternehmen, die ihre Tätigkeit unter einem Staatsmonopol ausüben, bestimmte aufsichtsrechtliche Regelungen gelten. Hervorzuheben ist, dass die Inanspruchnahme der Ausnahmebestimmung die Ausgabe der Vermögensanlage durch einen der in der Vorschrift genannten Emittenten voraussetzt, da die Vorschrift nicht wie bei allen anderen Ausnahmebestimmungen auf das Angebot, sondern auf den Emittenten der Vermögensanlage abstellt. Anbieter Geschlossener Fonds in Form der Publikumsgesellschaft als GmbH & Co. KG werden daher, von den anderen Voraussetzungen der Vorschrift abgesehen, die Ausnahmebestimmung regelmäßig nicht in Anspruch nehmen können, da immer die Fondsgesellschaft selbst Emittent der Vermögensanlage ist und nicht das die Vermögensanlage anbietende Institut oder Emissionshaus3. a) Ausgabe von Vermögensanlagen durch die öffentliche Hand (§ 8f Abs. 2 Nr. 7 lit. a bis c VerkProspG) 167 Die Vorschrift des § 8f Abs. 2 Nr. 7 lit. a bis c VerkProspG entspricht in ihrem Wortlaut § 3 Nr. 1 lit. a bis c VerkProspG aF. Sie beruhte auf Art. 2 Abs. 2 lit. c der Emissionsprospektrichtlinie (Einl. VerkProspG Rz. 4) und erfuhr durch Art. 43 Nr. 1 lit. a des EWR-Ausführungsgesetzes v. 27.4.19934 sowie durch Art. 2 Nr. 2 lit. a des 3. FFG5 Anpassungen in Bezug auf die freigestellten Emittenten. In den Anwendungsbereich einbezogen wurden 1 Vgl. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspG Rz. 24. 2 Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 12; vgl. auch BTDrucks. 13/8933, S. 84. 3 Jäger/Voß in Winter/Hennig/Gerhard, Grundlagen der Schiffsfinanzierung, S. 903. 4 Gesetz zur Ausführung des Abkommens vom 2.5.1992 über den europäischen Wirtschaftsraum, BGBl. I 1993, 521, 533. 5 3. FFG v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, 529, 532 f.

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Anwendungsbereich

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sämtliche Vertragsstaaten der EU und des EWR, unter bestimmten Voraussetzungen auch Staaten der OECD, sowie Staaten, die mit dem Internationalen Währungsfonds besondere Kreditabkommen im Zusammenhang mit dessen Allgemeinen Kreditvereinbarungen getroffen haben1. Einbezogen in den Anwendungsbereich sind ebenfalls Gebietskörperschaften der vorgenannten Staaten und internationale Organisationen des öffentlichen Rechts, der mindestens ein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des EWR angehört. b) Ausgabe von Vermögensanlagen durch Kredit- oder Finanzdienstleisungsinstitute (§ 8f Abs. 2 Nr. 7 lit. d VerkProspG) Die Vorschrift des § 8f Abs. 2 Nr. 7 lit. d VerkProspG erweitert den Anwen- 168 dungsbereich der dem Wortlaut zu Grunde liegenden Vorschrift des § 3 Nr. 1 lit. d VerkProspG aF, welche Art. 5 lit. a der Emissionsprospektrichtlinie (Einl. VerkProspG Rz. 4) umsetzte, in Hinblick auf die angebotenen Anlagetypen2. Ein entsprechendes Unternehmen kann die Ausnahmebestimmung für sämtliche Typen von Vermögensanlagen in Anspruch nehmen. Die Vorschrift schafft ein Privileg für so genannte Daueremittenten. Dieses Privileg soll Kredit- und bestimmte Finanzdienstleistungsinstitute bzw. ihnen gleichgestellte Institute zugunsten ihrer Refinanzierungstätigkeit vor der wiederholten Erstellung von im Wesentlichen gleichen Verkaufsprospekten bewahren3. Betrügerische Emissionen sind bei diesen Instituten auf Grund der gewährleisteten Aufsicht durch die BaFin nicht zu befürchten4. Der Gesetzgeber unterscheidet die Voraussetzungen der Befreiung von der 169 Prospektpflicht nach dem Typus der Vermögensanlage. Namensschuldverschreibungen nach § 8f Abs. 1 Satz 2 VerkProspG müssen für ein prospektfreies Angebot keine weiteren Voraussetzungen in Bezug auf die Art und Weise des Angebots erfüllen. Alle anderen Vermögensanlagen, also solche des § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG, müssen zusätzlich entweder wiederholt oder dauerhaft ausgegeben werden. aa) Wiederholende Ausgabe Das Gesetz gibt eine Definition einer wiederholenden Ausgabe von Vermögensanlagen vor. Danach liegt eine wiederholte Ausgabe vor, wenn in den zwölf Kalendermonaten vor dem öffentlichen Angebot mindestens eine Emission innerhalb der europäischen Union oder innerhalb eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgegeben worden ist, § 8f Abs. 2 Nr. 7 lit. d letzter Halbsatz VerkProspG. 1 Vgl. zur Entwicklung der Vorschrift Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 3, 5 bis 7. 2 Zur Entwicklung der Vorschrift nach altem Recht Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 8. 3 Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 12. 4 Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 12.

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Anwendungsbereich

171 Die zwölfmonatige Frist ist durch Rückrechnung vom Zeitpunkt des beabsichtigten Angebotsbeginns aus zu bestimmen. Innerhalb dieses Zeitraums muss das vorhergehende Angebot der betreffenden Vermögensanlage stattgefunden haben. Nicht erforderlich ist, dass das Angebot in diesem Zeitraum begonnen hat. Denn während des Angebotszeitraums besteht eine Pflicht des Anbieters, den Verkaufsprospekt auf dem neuesten Stand zu halten (§ 11 VerkProspG und § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV), damit der Anleger ausreichende Informationen erhalten kann. Anhand dieser Angaben kann sich dann auch ein Anleger informieren, der die Anteile an einer Vermögensanlage einer nachfolgenden Emission erwerben möchte1. 172 Auf Grund des Wortlauts, der allein auf die Ausgabe einer Vermögensanlage abstellt, wird eine Identität von Emittent und Anbieter nicht vorausgesetzt2. Denn für den Anlegerschutz kommt es nicht darauf an, wer die von einem Kreditinstitut oder gleichgestellten Unternehmen ausgegebenen Vermögensanlagen öffentlich anbietet, da der Emittent und nicht der Anbieter gegenüber dem Anleger zur Einlösung der Vermögensanlage verpflichtet ist3. Erfasst sind von der Ausnahmebestimmung daher auch Vermögensanlagen, die von der Zweigniederlassung eines ausländischen Kreditinstitutes angeboten werden, wenn das ausländische Kreditinstitut selbst Daueremittent ist4. 173 Bereits unter dem Regime des alten Verkaufsprospektgesetzes war strittig, ob die Inanspruchnahme der Prospektfreiheit bei einer wiederholten Ausgabe zuvor eine prospektpflichtige Emission voraussetzt5. Einigkeit besteht darin, dass der Gesetzgeber die Einführung des Daueremittentenprivilegs vor allem zur Entlastung der Sparkassen und Genossenschaftsbanken im Zusammenhang mit der von ihnen betriebenen Refinanzierung vollzogen hat, da der Schutz der Anleger bereits unmittelbar bei einer Emission dieser Institute durch die staatliche Solvenzaufsicht sichergestellt sei6. Die Befürworter der Abhängigkeit der Prospektfreiheit bei einer wiederholenden Emission von einer zuvor prospektpflichtigen öffentlichen Emission legen für diese Auslegung unter Anknüpfung an die Tatbestandsmerkmale der Dauerhaftigkeit und der Wiederholung der Emission den Schutzzweck des Verkaufsprospektgesetzes zu Grunde, dass sich der Anleger zuvor über die Rechte über das angebotene Anlageinstrument informieren können muss7. Diese Auslegung findet im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze. Mag diese Auslegung auf Grund der Einschränkung des Anlageinstruments im alten 1 2 3 4 5

Schon Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 14. Zum VerkProspG aF bereits Pötzsch, WM 1998, 949 (956). Schon Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 15. Schon Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 29. Dafür Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG, Rz. 15; für das VerkProspG nF Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 92. Dagegen Hamann in Schäfer, § 3 VerkProspG Rz. 4. 6 Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 12. 7 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 16 f. Für das VerkProspG nF Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 92.

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Anwendungsbereich

§ 8f VerkProspG

Recht auf Schuldverschreibungen (vgl. § 3 Nr. 2 VerkProspG aF) noch möglich gewesen sein, ist für diese Auslegung auf Grund der Änderung des Gesetzeswortlauts in § 8f Abs. 2 Nr. 7 lit. d VerkProspG kein Raum mehr. Der Gesetzgeber hat vielmehr deutlich gemacht, dass er die Solvenzaufsicht für die in der Norm genannten Institute für die Sicherstellung des Anlegerschutzes bei Emissionen von Vermögensanlagen für ausreichend erachtet. Eine Differenzierung wird nur noch auf Grund der Typen von Vermögensanlagen vollzogen, wobei die Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG noch an die zusätzlichen Voraussetzungen der Wiederholung oder Dauerhaftigkeit der Emission für eine Inanspruchnahme der Prospektfreiheit geknüpft werden. Diese Merkmale stellen aber nur auf die zeitliche Komponente der Emissionstätigkeit der Institute ab. Die bestehende Öffentlichkeit eines Angebots einer ersten Emission dieser Institute, die eine Prospektpflicht nach sich ziehen könnte, ist überhaupt nicht Regelungsgegenstand dieser Ausnahmebestimmung, da nicht wie in anderen Ausnahmebestimmungen auf das Angebot der Vermögensanlagen in Bezug auf die Zielgruppe abgestellt wird. Da eine wiederholende Emission zwar zumindest eine vorausgehende Emission einer Vermögensanlage voraussetzt, jedoch über das eigenständige Tatbestandsmerkmal der dauerhaften Ausgabe einer Vermögensanlage ohnehin eine Befreiung von der Prospektpflicht erreicht werden kann, besteht eine Bedeutung diese Rechtsstreits ohnehin kaum noch. bb) Dauerhafte Ausgabe Anstelle einer wiederholenden Ausgabe, die eher auf punktuelle Ereignisse 174 in der Emissionstätigkeit abzielt, kann auch eine dauernde, also eine auf Zeiträume bezogene Emission von Vermögensanlagen die betreffenden Institute von der Prospektpflicht befreien. Diese Befreiung tritt bereits mit der ersten Emission ein. Dem Begriff „dauernd“ ist neben dem Begriff „wiederholend“ eine eigenständige Bedeutung beizumessen. Der Status als Daueremittent kann von den in der Vorschrift genannten Instituten erlangt werden, ohne jemals eine Verkaufsprospekt nach dem Verkaufsprospektgesetz erstellen zu müssen. Der Begriff der dauernden Ausgabe ist nicht vom Gesetz vorgegeben. Lediglich in den Gesetzgebungsmaterialien zur Vorgängervorschrift findet sich Erläuterungen, die die dauernde Emission als sich über einen längeren Zeitraum erstreckendes, fortlaufend ohne Unterbrechung stattfindendes Angebot der Anteile der Emission verstehen1. Die eigenständige Bedeutung des Begriffes „dauernd“ wurde in der Literatur 175 zum alten Recht teilweise stark eingegrenzt, indem dem Tatbestandsmerkmal „dauernd“ neben dem Tatbestandsmerkmal „wiederholt“ nur noch dann eine eigenständige Bedeutung zugebilligt wurde, wenn der längere Zeitraum, während dessen die frühere Emission angeboten worden ist, vor

1 Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 12 und Begr. 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 84.

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§ 8f VerkProspG

Anwendungsbereich

der zwölfmonatigen Frist lag1. Zusätzlich wurde das Vorliegen einer dauernden Emission mit dem Umstand verknüpft, dass es sich nicht um die erste Emission des betreffenden Instituts handeln darf, da die Bestimmung der Dauerhaftigkeit zu Beginn eines Angebots auf Grund der Marktgegebenheiten nicht möglich wäre2. Dagegen ist einzuwenden, dass damit die Grenzen der Alternativen der Tatbestandsmerkmale „dauernd“ und „wiederholt“ aufgehoben werden. Das Merkmal der Dauerhaftigkeit stellt keine Beschreibung des Merkmals der Wiederholung dar, mag es in der Praxis auch oft hinter dieses Merkmal zurücktreten, weil die Bestimmung der Wiederholung einfacher vollzogen werden kann. Die Schaffung der Dauerhaftigkeit einer Emission ist eher eine Frage der Ausgestaltung des Angebots durch die Institute, indem diese sicherstellen, dass das Angebot nachweislich über einen längeren Zeitraum angelegt ist und auch angeboten wird. 176 Nach altem Recht wurde in der Praxis von einem dauernden Angebot ausgegangen, wenn es sich über acht bis zehn Wochen erstreckte, während ein Zeitraum von drei bis vier Wochen als nicht ausreichend betrachtet wurde3. Die Emission von Vermögensanlagen erstreckt sich im Vergleich zu Wertpapieren gewöhnlich zumeist über längere Zeiträume, die eher in Monaten als in Wochen zu bemessen sind. Die Frist von vier Wochen als Voraussetzung für eine dauernde Emission nach § 2 Nr. 12 WpPG zu übernehmen bzw. an die Frist in der Praxis zum alten Recht anzuknüpfen, erscheint daher auf Grund ihrer jeweiligen Kürze und im Interesses des Anlegerschutzes für den Bereich der Vermögensanlagen ungeeignet. Die Zeiträume der Emissionen von Vermögensanlagen sind allerdings sehr inhomogen und stark von der rechtlichen Ausgestaltung der Vermögensanlage abhängig. Erfahrungswerte aus der Praxis lassen sich daher schwer verallgemeinern. Eine Frist von drei Monaten als Voraussetzung für die Annahme einer dauernden Emission zu setzen, erscheint daher nicht verfehlt4. c) Ausgabe von Vermögensanlagen durch Staatsmonopolisten (§ 8f Abs. 2 Nr. 7 lit. e VerkProspG) 177 Die Vorschrift des § 8f Abs. 2 Nr. 7 lit. e VerkProspG erweitert den Anwendungsbereich der dem Wortlaut zu Grunde liegenden Vorschrift des § 3 Nr. 1 lit. e VerkProspG aF, welche Art. 5 lit. b der Emissionsprospektrichtlinie (Einl. VerkProspG Rz. 4) umsetzte, in Hinblick auf die angebotenen Anlagetypen5. Ein entsprechendes Unternehmen kann die Ausnahmebestimmung für sämtliche Typen von Vermögensanlagen in Anspruch nehmen. Von der Regelung erfasst sind ausgegebene Vermögensanlagen von Gesellschaften und juristischen Personen, die in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR ansässig sind und ihre Tätigkeit unter einem Staatsmonopol 1 2 3 4 5

Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 11. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 12. Bereits Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 10. Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 94. Vgl. zur Entwicklung der Vorschrift nach altem Recht Ritz in Assmann/Lenz/ Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspG Rz. 36.

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ausüben, welches entweder durch ein besonderes Gesetz oder auf Grund eines besonderen Gesetzes geschaffen worden ist oder geregelt wird oder für deren Vermögensanlagen ein Mitgliedstaat der EU oder des EWR oder eines seiner Bundesländer die unbedingte und unwiderrufliche Gewährleistung für ihre Verzinsung und Rückzahlung übernommen hat. Der ausreichende Schutz der Anleger wird durch die staatliche Aufsicht (dh. das Staatsmonopol) bzw. die staatliche Gewähr erreicht. 8. Verschmelzungen, Übernahmen (§ 8f Abs. 2 Nr. 8 VerkProspG) § 8f Abs. 2 Nr. 8 VerkProspG fasst die Vorschriften des § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 9 VerkProspG aF zusammen und stimmt mit deren bisherigem Regelungsinhalt überein. Der § 4 Abs. 1 Nr. 7 VerkProspG aF diente der Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 lit. e der Emissionsprospektrichtlinie (Einl. VerkProspG Rz. 4), während § 4 Abs. 1 Nr. 9 VerkProspG aF durch Art. 6 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen eingefügt wurde1.

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Zweck der Ausnahmevorschrift ist die Vermeidung von Kosten für die Anbieter der Vermögensanlagen auf Grund einer ansonsten bestehenden mehrfachen Informationsverpflichtung anhand von Unterlagen gegenüber dem Anleger nach verschiedenen Gesetzen. Eine Identität der Informationen auf Grund der jeweiligen gesetzlichen Informationsverpflichtung wird vom Verkaufsprospektgesetz nicht gefordert2.

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Eine Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts für Anteile von Vermögens- 180 anlagen ist entbehrlich, wenn diese im Rahmen einer Verschmelzung angeboten werden. Die notwendige Information der Anleger anhand einer vom inhaltlichen Umfang mit einem Verkaufsprospekt nach dem Verkaufsprospektgesetz vergleichbaren Unterlage ergibt sich bereits durch andere Rechtsvorschriften. Der Schutz der Anleger wird durch die Vorschriften des Zweiten Buches des UmwG sichergestellt3. In dem Verschmelzungsbericht sind gemäß § 8 UmwG der Verschmelzungsvertrag aufzunehmen und insbesondere das Umtauschverhältnis der Anteile rechtlich und wirtschaftlich zu erläutern und zu begründen. Im Verschmelzungsvertrag, dem die Anteilsinhaber zustimmen müssen, sind nach § 5 UmwG weitere Angaben über die an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger (ua. Firma und Sitz, Umtauschverhältnis, Einzelheiten für die Übertragung der Anteile etc.) aufzunehmen. Die Ausnahmebestimmung für öffentliche Angebote von Vermögensanlagen, die als Gegenleistung im Rahmen eines Angebots nach dem Wert-

1 Gesetz v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3822, 3838. 2 Vgl. aber insofern zum Kriterium der Gleichwertigkeit der Dokumente nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WpPG die Kommentierung zu § 4 WpPG Rz. 9 ff. und 17. 3 Schon Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 4 VerkProspG Rz. 31.

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papiererwerbs- und Übernahmegesetz1 offeriert werden, rechtfertigt sich darin, dass auch in dieser Konstellation bereits eine umfangreiche Information des Anlegers auf der Grundlage anderer Vorschriften erfolgt. Die Information der Anleger wird durch die Angebotsunterlage nach § 11 WpÜG sichergestellt, ein gesonderter Verkaufsprospekt mit identischen Inhalt ist daher nicht mehr notwendig2. Die Angebotsunterlage muss gemäß § 14 WpÜG auch veröffentlicht werden. 9. Zweitmarkt (§ 8f Abs. 2 Nr. 9 VerkProspG) a) Entstehung 182 § 8f Abs. 2 Nr. 9 VerkProspG war ursprünglich nicht im § 8f Abs. 2 VerkProspG enthalten. Sie wurde erst nachträglich durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz in § 8f Abs. 2 VerkProspG eingefügt (siehe oben Rz. 1). Die Regelung trat am 1.11.2007 in Kraft. 183 Der Regelungsbedarf ergab sich, weil es für bereits vor dem Inkrafttreten des Verkaufsprospektgesetzes zum 1.7.2005 geschlossene Emissionen von Vermögensanlagen oder danach noch weiter im Vertrieb befindliche Vermögensanlagen keine Übergangsvorschriften gab. Die Vorschriften der §§ 8f ff. VerkProspG wurden mit einer Vorlaufzeit am 28.10.2004 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und traten bis auf die Ermächtigung für den Verordnungsgeber in § 8g Abs. 2 und 3 VerkProspG und einer redaktionellen Änderung in § 16 Abs. 2 Satz 1 VerkProspG erst zum 1.7.2005 in Kraft3. Mit der Einführung des Ausnahmetatbestands des § 8f Abs. 2 Nr. 9 VerkProspG sollte erreicht werden, dass die Härte einer Prospektpflicht für auf dem Zweitmarkt gehandelte Anteile, die vor der neuen Prospektpflicht begeben wurden und nach dem In-Kraft-Treten der neuen Prospektpflicht noch gehandelt werden, gegenüber erstmals gehandelten Anteilen von Vermögensanlagen abgemildert wird. In Abwägung zwischen dem notwendigen Anlegerschutz und dem Interesse der investierenden Anleger an einem funktionierenden Zweitmarkt auch für ältere Anteile, bei denen sich mit der Zunahme des zeitlichen Abstand zur ursprünglichen Emission auch der notwendige Aufwand an die Erstellung eines Verkaufsprospekts erhöhen würde, wird daher von einer Prospektpflicht abgesehen4. 184 Gemäß § 8f Abs. 1 VerkProspG musste ab dem 1.7.2005 für jedes öffentliche Angebot einer Vermögensanlage iS dieser Vorschrift zuvor ein Verkaufsprospekt nach den Vorschriften dieses Gesetzes veröffentlicht werden. Jede Emission ist somit durch die Prospektpflicht erfasst, zunächst unabhängig 1 Gesetz v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3822, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 30.7.2009 (BGBl. I 2009, 2479). 2 Begr. RegE WpÜG, BT-Drucks. 14/7034 v. 5.10.2001, S. 72. 3 Erlass der Vermögensanlagen-Verkaufprospektverordnung v. 16.12.2004, BGBl. I 2004, 3464; im RegE zum AnSVG waren ursprünglich nur vier bis fünf Monate Vorlaufzeit vorgesehen, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 25. 4 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028 v. 12.1.2007, S. 1, 138.

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davon, ob sie im Prmär- oder Sekundärmarkt angeboten wird. Das Gesetz stellt jedoch in § 8f Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz VerkProspG klar, dass eine umfangreiche Prospektpflicht nur einmal erfüllt werden muss. Angebote von Vermögensanlagen im Rahmen einer Zweitverwertung (Sekundärmarkt) unterliegen dieser Prospektpflicht grundsätzlich nicht mehr. Nach dem 1.7.2005 neu zum Vertrieb angebotene oder noch im Vertrieb befindliche Angebote von Vermögensanlagen verfügen daher grundsätzlich über einen nach den Vorschriften des Verkaufsprospektgesetzes veröffentlichen Verkaufsprospekt. Mit der Beendigung einer Emission einer Vermögensanlage bereits vor dem 185 1.7.2005 fehlte es dagegen an einem Verkaufsprospekt, der den Ansprüchen der §§ 8f ff. VerkProspG genügt (sog. Altfälle). Erneute Angebote dieser Vermögensanlagen im Rahmen einer Zweitverwertung nach dem 1.7.2005 werden durch die Ausnahmeregelung des § 8f Abs. 2 Nr. 9 VerkProspG somit der Verpflichtung zur Hinterlegung eines Verkaufsprospekts bei der BaFin und zur Veröffentlichung dieses Verkaufsprospekt für ein öffentliches Angebot entzogen. Vor der gesetzlichen Regelung sah die BaFin unter bestimmten Vorausset- 186 zungen von der Vorlage eines Verkaufsprospekts im Rahmen ihres Auslegungsschreibens ebenfalls ab1. Diese Verfahrensweise war stark umstritten. Teilweise wurde die Haltung der BaFin begrüßt, da eine Prospektpflicht für den Zweitmarkt auf Grund der Kosten und des Zeitaufwandes als Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit dieser Märkte2, andererseits als Beeinträchtigung des Anlegerinteresses an einem Verkauf seiner Anteile betrachtet wurde3. Teilweise wurde bereits die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts für Anteile geschlossener Emissionen auf einem Zweitmarkt insgesamt in Frage gestellt4. Andere wiederum kritisierten die Verfahrensweise als unvereinbar mit dem gesetzgeberischen Willen5. Denn die Bundesregierung wollte den Änderungsvorschlägen des Bundesrates in diesem Zusammenhang nicht folgen, da eine unbefristete Parallelität von Angeboten mit unterschiedlichen Prospektanforderungen und -ausgestaltungen in diesem Marktsegment nicht mit dem Anlegerschutz zu vereinbaren sei6.

1 Ziff. 2, Auslegungsschreiben der BaFin, abrufbar unter: http://www.bafin.de/ cln_115 / nn_724536 / SharedDocs / Veroeffentlichungen / DE / Unternehmen / AllgemeinePflichten/ProspekteFuerVermoegensanlagen/FunktionenUndVerfahren/ auslegungsschreiben.html. 2 Vgl. Verfürth/Grunenberg, DB 2005, 1043 (1046). 3 Fleischer, BKR 2004, 339 (341). 4 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 101. 5 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8f VerkProspG Rz. 13 ff. 6 Gegenäußerung der Bundesregierung v. 7.4.2005, BT-Drucks. 15/5219 v. 7.4.2005, S. 1, 8.

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b) Erscheinungsformen 187 Die Weiterveräußerung von Vermögensanlagen ist nicht durch die Schnelligkeit und Leichtigkeit eines Börsenhandels für Wertpapiere geprägt, sondern besteht auf Grund gesellschaftsrechtlicher und gesellschaftsvertraglicher Vorgaben an die Übertragung eines Gesellschafteranteils bei einem Geschlossenen Fonds im Grundfall aus bilateralen Verträgen zwischen einem individuellen Käufer und Verkäufer, die einer Abbildung im Handelsregister bedürfen1. Zweitmärkte für Anteile an Geschlossenen Fonds stellen keinen homogenen, sondern einen stark segmentierten Markt dar. Die geringe Liquidität der Märkte wird diese Spaltung noch längerfristig aufrecht erhalten, fördert jedoch auch einen Wettbewerb unter den einzelnen Systemen2. 188 Zweitmärkte haben sich für Geschlossene Fonds bisher in grundsätzlich drei Ausprägungen entwickelt. Eine Unterscheidung kann anhand der zugelassenen Marktteilnehmer und der gehandelten Produkte vorgenommen werden3. aa) Offene Handelsplattformen 189 Unabhängige Handelsplattformen dienen der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage von Anteilen an beliebigen, von der Zuordnung zu Emissionshäusern unabhängigen Geschlossenen Fonds. Käufer und Verkäufer sowie die gelisteten Beteiligungen müssen lediglich bestimmte formale Merkmale erfüllen4. Als Beispiel ist die Fondsbörse Deutschland Beteiligungsmakler AG zu nennen, die den Betrieb der Plattform für Handel von Anteilen an Geschlossenen Fonds Ende 2004 aufgenommen hat. bb) Emissionshausinterne Plattformen 190 Emissionshausinterne Plattformen werden durch die entsprechenden Emissionshäuser von Geschlossenen Fonds betrieben. Sie vereinen Primär- und Sekundärmarkt für ihre Anteile in einer Hand5. Sie haben sich in unterschiedlicher Ausgestaltung etabliert. Teilweise wird das Angebote für eine Zweitvermarktung eines Anteils auf die bloße Vermittlungsleistung des Emissionshauses zwischen Ver- und Ankäufer beschränkt, die dann die Übertragung bilateral vornehmen6. In anderen Fällen kauft das Emissions-

1 Sester, ZBB 2008, 369 (381). 2 TKL.Fonds Gesellschaft für Fondsconception und -analyse mbH, Studie S. 19, abrufbar unter: http://www.zweitmarkt.de/fileadmin/user_upload/media/pdf/ downloads/TKL_Vergleich_von_Zweitmarkplattformen_18.7.2007.pdf. 3 Sester, ZBB 2008, 369 (379). 4 Sester, ZBB 2008, 369 (379). Vgl. § 8 Marktordnung der Fondsbörse Deutschland, abrufbar unter: http://www.zweitmarkt.de/home/handelsinformationen/marktordnung.html. 5 Vgl. etwa § 3 der Marktordnung der CFB-Fonds Transfair GmbH, abrufbar unter: https://www.cfbvertrieb.de/dotnet20/zweitmarkt/portal/info/handelsbedingungen.aspx. 6 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 100.

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haus oder eine damit beauftragte andere Gesellschaft den Anteil auf eigene Rechnung auf und veräußert ihn dann wieder. cc) Käuferplattformen Käuferplattformen sind durch einen Initiator der Plattform gekennzeichnet, 191 der die Plattform exklusiv zum Aufkauf von bestimmten Beteiligungen nutzt1. Es handelt sich ausschließlich um bilaterale Vertragsbeziehungen; ein Makler oder Dritter als Mittler zwischen den Parteien ist nicht einbezogen. Eine Prospektpflicht des Verkaufsinteressenten wird daher grundsätzlich, wenn die Voraussetzungen des § 8f Abs. 2 Nr. 9 VerkProspG für die Plattform nicht als gegeben betrachtet werden können, nach § 8f Abs. 2 Nr. 3 Var. 1 VerkProspG nicht bestehen. dd) Vertrieb durch Platzierungsgaranten Konstellationen, bei denen ein Platzierungsgarant auf Grund einer Vereinbarung mit dem Anbieter einer Vermögensanlage eine bestimmten Teil des Emissionsvolumens als Anteil zum späteren Weiterverkauf in kleineren Anteilseinheiten übernimmt, können nicht den Bereich der im Sekundärmarkt angesiedelten Zweitmarktplattformen zugeordnet werden. Es handelt sich vielmehr um einen verzögerten Primärmarkt2.

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c) Materielle Anforderungen Die Ausnahmeregelung ist nur für Anteile von Vermögensanlagen anwend- 193 bar, die vor dem 1.7.2005 veräußert worden sind und nach dem 1.7.2005 öffentlich auf einem Markt angeboten werden. Der Markt muss gewisse Voraussetzungen erfüllen. Diese sind in den Kriterien der Regelmäßigkeit des Marktes, der geregelten Funktions- und Zugangsbedingungen, der Zugänglichkeit des Marktes für das Publikum in un- oder wenigstens mittelbarer Form und der Verantwortlichkeit des Betreibers des Marktes zu erblicken. aa) Regelmäßiger Markt Ein regelmäßig stattfindender Markt setzt ein in regelmäßigen kürzeren 194 Zeitabständen zugängliches Handelssystem voraus, ohne dass es dabei auf die tatsächliche wiederkehrende Erzielung von Umsätzen ankommt3. Das Kriterium der Regelmäßigkeit ist bei nur bei Gelegenheit stattfindenden Veranstaltungen, wie Messen, nicht erfüllt4. Die Anforderungen an die Regelmäßigkeit sind an der beschränkten Handelbarkeit von Anteilen geschlossener Fonds auszurichten. Erfüllt sind diese in jedem Fall bei offenen Handelsplattformen wie der Fondsbörse Deutschland in Hamburg, die ähnlich wie die „echten“ Börsen nach deren Marktordnungen eine tägliche 1 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 100; Sester, ZBB 2008, 369 (380). 2 Sester, ZBB 2008, 369 (379). 3 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 112. 4 Beck in Schwark, § 2 WpHG Rz. 46.

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Preisfeststellung vorsehen und somit einen regelmäßigen Markt unterhalten1. Die Anforderungen sind jedoch auch bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn die Homepage bei einer Handelsplattform im Internet aufgerufen werden kann, bzw. bei filialgestützten Handelssystemen regelmäßige Geschäftszeiten gegeben sind2. bb) Geregelte Funktions- und Zugangsbedingungen 195 Zugangsbedingungen bestehen durch die eine formale Regelung des Zugangs. Die Verknüpfung der Möglichkeit der Nutzung einer Zweitmarktplattform an bestimmte persönliche oder sachliche Voraussetzungen der Personen reicht aus3. Die Anforderungen sind nicht zu hoch anzusetzen, um den bestehenden kleinen Markt nicht durch zu hohe formale Restriktionen zu zerstören4. 196 Als ausreichend für die Erfüllung des Kriteriums Zugangsbedingungen muss daher bei internetgestützten Handelsplattformen eine Zugangsberechtigung durch ein vergebenes Passwort, bei filialgestützten Handelsplattformen die Kundeneigenschaft des Verkaufsinteressenten bei der die Filiale betreibenden Gesellschaft als ausreichend betrachtet werden5. 197 Funktionsbedingungen sind in der Schaffung von Organisationsmechanismen zu erblicken, die die Funktionsfähigkeit der Handelsplattform regeln und bestimmen6. Sie werden grundsätzlich durch einen für die am Handel beteiligten Parteien transparenten Preisfindungsmechanismus indiziert. Preisfindungsmechanismen sind auf dem Zweitmarkthandelsplattformen in vielfältiger Ausprägung anzutreffen. Grundvoraussetzung ist, das sie ein Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage zur willkürfreien Feststellung des Preises des Anteils am Geschlossenen Fonds ermöglichen7.

1 Vgl. §§ 11 und 14 Marktordnung Fondsbörse Deutschland für geschlossene Fonds, abrufbar unter: http://www.zweitmarkt.de/home/handelsinformationen/ marktordnung.html. 2 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 112. 3 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 113. 4 Vgl. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 7.4.2007 (Fonds im Angebot). Die Schätzungen für die Umsatzzahlen des Zweitmarkts 2006 beliefen sich zwischen ca. 200 Mio. t (Quelle: FAZ v. 7.4.2007) und ca. 400 Mio. t (Quelle: http://emagazin.zweitmarkt.de/events.html), für 2008 auf ca. 483 Mio. t (Quelle: http://www.vgf-branchenzahlen.de / fileadmin / VGF_Marktzahlen/Uebersicht_ Grafiken/VGF%20Marktzahlen%202008%20Auswahl%20Grafiken.pdf) und für 2009 auf ca. 179,97 Mio. t (Quelle: http://www.vgf-branchenzahlen.de/fileadmin/ VGF_Branchenzahlen_2009/Gesamtuebersicht_Grafiken_Branchenzahlen_ 2009. pdf). Weitere Übersicht bei der Fondsbörse Deutschland unter http://zahlen.zweitmarkt.de. 5 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 113. 6 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 113. 7 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 113.

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Preisfindungsmechanismen werden in verschiedener Ausprägung einge- 198 setzt1. So kommt das Einheitskursverfahren zum Einsatz. Dh., dass alle Transaktionen nach dem zu bestimmenden Preis abgewickelt werden. Hierfür werden alle Kauf- und Verkaufsaufträge geschäftstäglich zentral gesammelt und das Orderbuch geschlossen. Die Preisfestsetzung erfolgt nach dem Meistausführungsprinzip, also unter Berücksichtigung des Zustandekommens des höchsten Umsatzes unter der Mittelung der beiden besten ausführbaren Kaufgebote. Zur Ausführung gelangen Kauf- bzw. Verkaufsaufträge nach den Grundsätzen der Preispriorität und Zeitpriorität2. Ebenfalls üblich ist die Ausgestaltung des Preisfindungsmechanismus in Form eines Auktionsverfahrens. Der Verkaufsinteressent bietet seine Beteiligung unter Festlegung eines Mindestgebotes an. Die Kaufinteressenten können bis zum Ende der Auktion ihre Gebote abgeben, wobei das höchste Gebot den Zuschlag erhält3. Daneben ist, insbesondere bei Käuferplattformen, das Festpreisverfahren etabliert, bei dem der Käufer den Preis anhand einer Analyse der Werthaltigkeit der angebotenen Beteiligung festlegt4. Eine geforderte schriftliche Fixierung der Zugangs- und Funktionsbedingungen ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Dieses Erfordernis kann auch nicht dem Begriff „geregelt“ zugeschrieben werden, da hiermit nur die Willkürfreiheit der Bedingungen für die jeweiligen Teilnehmer an der Handelsplattform unterstrichen wird, letztlich aber eine Bedingung bereits eine Regelung enthält. Es reicht daher auch eine rein faktische, willkürfreie Anwendung der Bedingungen aus5.

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cc) Zugänglichkeit für das Publikum Die Zugänglichkeit eines Marktes für das Publikum ist gewährleistet, wenn 200 es die Einrichtungen des Marktes für seine Zwecke in Anspruch nehmen kann. Sie müssen dem Anleger also auf irgendeine Art und Weise zur Benutzung zur Verfügung stehen. Ein direkter Zugang ist hierbei nicht erforderlich, vielmehr kann dieser auch über Dritte, zB Angestellte der Marktplattform, vermittelt werden6. dd) Verantwortung des Betreibers Als letzte Voraussetzung sieht die Regelung vor, dass der Markt, auf dem die Vermögensanlagen angeboten werden, unter der Verantwortung seines Betreibers steht. Eine zivilrechtliche haftungsbegründende Verantwortlich1 Vgl. TKL.Fonds Gesellschaft für Fondsconception und -analyse mbH, Studie S. 8 ff., abrufbar unter: http://www.zweitmarkt.de/fileadmin/user_upload/media/ pdf/downloads/TKL_Vergleich_von_Zweitmarkplattformen_18.7.2007.pdf. 2 Vgl. § 11 Abs. 3 Marktordnung Fondsbörse Deutschland für geschlossene Fonds, abrufbar unter: http://www.zweitmarkt.de/home/handelsinformationen/marktordnung.html. 3 Vgl. Sester, ZBB 2008, 369 (380). 4 Vgl. Sester, ZBB 2008, 369 (380). 5 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 113. 6 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 114.

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keit für die Vorgänge auf der von dem Betreiber unterhaltenen Marktplattform wird darunter nicht verstanden. Der Begriff der Verantwortung soll vielmehr in einem allgemeinen Sprachverständnis zu suchen sein, der unter Verantwortung die Bestimmung der technischen und organisatorischen Abwicklung des Handels auf der Plattform durch den Betreiber versteht1.

§ 8g Prospektinhalt (1) Der Verkaufsprospekt muss alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, die notwendig sind, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 zu ermöglichen. Bestehen die Anteile an einem Treuhandvermögen im Sinne des § 8f Abs. 1 und besteht dieses ganz oder teilweise aus einem Anteil an einer Gesellschaft, so muss der Prospekt auch hinsichtlich dieser Gesellschaft die entsprechenden Angaben enthalten. Ferner ist in den Prospekt an herausgehobener Stelle ausdrücklich ein Hinweis aufzunehmen, dass die inhaltliche Richtigkeit der im Prospekt gemachten Angaben nicht Gegenstand der Prüfung des Prospekts durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) ist. (2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die zum Schutz des Publikums erforderlichen Vorschriften über die Sprache, den Inhalt und den Aufbau des Verkaufsprospekts zu erlassen, insbesondere über 1. die erforderlichen Angaben zu den Personen oder Gesellschaften, die für den Inhalt des Verkaufsprospekts insgesamt oder für bestimmte Angaben die Verantwortung übernehmen, 2. die Beschreibung der angebotenen Vermögensanlagen und ihre Hauptmerkmale sowie die verfolgten Anlageziele der Vermögensanlage einschließlich der finanziellen Ziele und der Anlagepolitik, 3. die erforderlichen Angaben über die Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 2, 4. die erforderlichen Angaben zu dem Emittenten der Vermögensanlage, zu seinem Kapital und seiner Geschäftstätigkeit, seiner Vermögens-, Finanzund Ertragslage, einschließlich des Jahresabschlusses und des Lageberichts, 5. die erforderlichen Angaben zu den Geschäftsaussichten des Emittenten und über seine Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane. (3) In der Rechtsverordnung nach Absatz 2 können auch Ausnahmen bestimmt werden, in denen von der Aufnahme einzelner Angaben in den Verkaufsprospekt abgesehen werden kann, 1 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 115.

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1. wenn beim Emittenten, bei den angebotenen Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 oder bei dem Kreis der mit dem Angebot angesprochenen Anleger besondere Umstände vorliegen und den Interessen des Publikums durch eine anderweitige Unterrichtung ausreichend Rechnung getragen ist oder 2. mit Rücksicht auf die geringe Bedeutung einzelner Angaben oder einen beim Emittenten zu befürchtenden erheblichen Schaden. In der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701), zuletzt geändert durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630). Schrifttum: Fleischer, Prospektpflicht und Prospekthaftung für Vermögensanlagen des Grauen Kapitalmarkts, BKR 2004, 339; Moritz/Grimm, Die Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung: Inhaltliche Anforderungen an Verkaufsprospekte geschlossener Fonds, BB 2005, 337. Siehe auch Einl. VerkProspG und § 8f VerkProspG.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . .

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II. Regelungsgehalt . . . . . . . . .

2

III. Einzelheiten 1. Inhalt des Verkaufsprospekts (§ 8g Abs. 1 VerkProspG) . . . a) Prospektierungsmaßstäbe (§ 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . aa) Gebot der Vollständigkeit und Richtigkeit . . bb) Gebot der Wesentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . cc) Gebot der Auswertbarkeit . . . . . . . . . . . . dd) Vergleichbarkeit von Prospekten . . . . . . . . . b) Treuhandvermögen (§ 8g Abs. 1 Satz 2 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . c) Warnhinweis (§ 8g Abs. 1 Satz 3 VerkProspG) . . . . . .

4 5 6 9 11 13 14

2. Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung über die Sprache, den Inhalt und den Aufbau des Verkaufsprospekts (§ 8g Abs. 2 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung über Ausnahmen von Angabepflichten (§ 8g Abs. 3 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . a) Besondere Umstände (§ 8g Abs. 3 Nr. 1 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . b) Weglassen von Angaben (§ 8g Abs. 3 Nr. 2 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . aa) Geringe Bedeutung einzelner Angaben . . . bb) Erhebliche Schäden . .

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22 23 26 26 27

15

I. Normentwicklung Die Vorschrift des § 8g VerkProspG ist auf der Grundlage des AnSVG v. 28.10.2004 in das Verkaufsprospektgesetz eingefügt worden1. Dabei wurde 1 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BGBl. I 2004, 2630.

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im Wesentlichen der Wortlaut von § 7 VerkProspG aF unter Anpassung des Wortlauts an die Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG übernommen und nur im Detail einer Erweiterung des Inhalts der Vorschrift in Bezug auf Angaben zu mittelbaren unternehmerischen Beteiligungen und dem Hinweis zum Prüfungsumfang der BaFin vorgenommen. Die Vorschrift des § 7 VerkProspG aF geht im Übrigen auf Art. 11 der Emissionsprospektrichtlinie (Einl. VerkProspG Rz. 4) zurück1.

II. Regelungsgehalt 2

Die Vorschrift enthält allgemeine Anforderungen, die an einen Verkaufsprospekt für Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG zu stellen sind. Nach den in § 8g Abs. 1 VerkProspG niedergelegten Grundsätzen besteht die Zielsetzung des Verkaufsprospekts in dem Abbau von Informationsdefiziten beim Anleger. Der Anleger soll anhand des Verkaufsprospekts in die Lage versetzt werden, mit Hilfe der enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Angaben zum Emittenten und der Vermögensanlage auf Grund eigener Bewertung eine sinnvolle Anlageentscheidung treffen zu können2. Die Bestimmung legt damit einen generellen Maßstab zur Beurteilung der Richtigkeit und Vollständigkeit eines Verkaufsprospekts fest3.

3

§ 8g Abs. 2 und Abs. 3 VerkProspG enthalten die Ermächtigung der Bundesregierung, durch den Erlass einer Verordnung auf der Grundlage des Generalmaßstabs detaillierte Mindestanforderungen sowie eventuelle Ausnahmen an die Angaben des Verkaufsprospekts zu stellen. In § 8g Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 VerkProspG erfolgt die Festlegung von Eckpunkten des Verkaufsprospekts, wobei die dazugehörigen Angaben auf Grund ihrer Wesentlichkeit auf jeden Fall im Prospekt enthalten sein müssen4. § 8g Abs. 1 VerkProspG verlangt für die in dessen Satz 2 und Satz 3 angeführten Sachverhalte klarstellende Prospektangaben, die möglichen Fehlvorstellungen von Prospektlesern vorbeugen sollen.

III. Einzelheiten 1. Inhalt des Verkaufsprospekts (§ 8g Abs. 1 VerkProspG) 4

In § 8g Abs. 1 VerkProspG werden die Anforderungen an den Inhalt eines Verkaufsprospekts in Form einer Generalklausel aufgestellt. Die Vorschrift verlangt, dass der Prospekt alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben ent1 Richtlinie 89/298/EWG vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospektes, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989. 2 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42 f. 3 Bereits Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 7 VerkProspG Rz. 7; Arndt/ Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8g VerkProspG Rz. 10. 4 Vgl. Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43.

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hält, die notwendig sind, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG zu ermöglichen. Aus dem Wortlaut des § 8g Abs. 1 VerkProspG ergibt sich zugleich der an den Verkaufsprospekt zu stellende Anspruch der Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben1. Die auf der Grundlage des § 8g Abs. 2 und 3 VerkProspG ergangene Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung bestimmt hingegen nur die Mindestanforderungen an einen Verkaufsprospekt2. In der Verordnung werden die generalklauselartigen Anforderungen an den Inhalt des Verkaufsprospekts in § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV nochmals mit anderen Worten wiederholt, doch ergeben sich daraus keine weitergehenden Anforderungen3. a) Prospektierungsmaßstäbe (§ 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG) Die Prospektierung einer Vermögensanlage stellt bestimmte Anforderungen 5 an den Anbieter. Inhaltliche Vorgaben des Verkaufsprospekts ergeben sich zum einen aus den allgemeinen Maßstäben, die an die Prospektierung zu richten sind. Neben dem bereits ausdrücklich gesetzlich festgeschriebenen Gebot der Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben im Verkaufsprospekt, werden diese durch die Gebote der Wesentlichkeit und der Auswertbarkeit ergänzt. Im Detail bestimmt sich der Inhalt eines Verkaufsprospekts nach dem Katalog an Mindestangaben der Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung sowie darüber hinausgehende freiwillige Angaben. aa) Gebot der Vollständigkeit und Richtigkeit Das gesetzliche bestimmte Gebot der Vollständigkeit und Richtigkeit 6 nimmt die Erwartungshaltung des Anlegers auf, mit den Angaben im Verkaufsprospekt über die tatsächlichen Gegebenheiten der Vermögensanlage und des Emittenten und alle damit verbundenen bedeutenden Umstände sachlich und vollständig richtig unterrichtet zu werden4. Der Fokus des Gesetzes liegt darin, dem Anleger alle wesentlichen Angaben und Umstände mitzuteilen, damit er auf dieser Grundlage eine eigenverantwortliche Anlageentscheidung treffen kann5. Der Anleger soll demnach nicht vor dem Erwerb nicht werthaltiger Vermögensanlagen geschützt werden, sondern lediglich eine transparente und verlässliche Informationsgrundlage für eine Anlageentscheidung erhalten. Bedeutend sind alle Tatsachen und Umstän-

1 Bereits Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 7 VerkProspG Rz. 7; Arndt/ Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8g VerkProspG Rz. 8. 2 Schon Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 7 VerkProspG Rz. 7; Arndt/ Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8g VerkProspG Rz. 8. 3 Schon Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 7 VerkProspG Rz. 7 und 10; Moritz/Grimm, BB 2005, 337. 4 Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 26; BGH v. 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 (344); BGH v. 25.11.1981 – IVa 286/80, WM 1982, 90 (91). 5 BGH v. 28.9.1992 – II ZR 224/91, NJW 1992, 3296; BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92, NJW 1993, 2865.

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de, die objektiv zu den wertbildenden Faktoren einer Anlage gehören und die ein durchschnittlicher und verständiger Anleger „eher als nicht“ bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde1. Dazu gehören insbesondere Tatsachen, die den Vertragszweck vereiteln können2. Die Richtigkeit der Angabe ist dabei an die Aktualität der Angabe geknüpft3. Die Vollständigkeit der Angaben ist zudem als Bestandteil („Sonderfall“, § 13 VerkProspG Rz. 25) der Richtigkeit des Verkaufsprospekts zu betrachten4. Die gewählte Konzeption der Vermögensanlage kann daher, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über den Emittenten und die Vermögensanlage zu ermöglichen, weitere Angaben im Verkaufsprospekt erfordern, die über die Mindestanforderungen von Angaben der Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung hinausgehen. Im Einzelfall können nach § 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG daher weitere Angaben notwendig sein5. 7

Die Erwartungshaltung des Anlegers an den Informationsgehalt des Verkaufsprospekts beim öffentlichen Angebot einer Vermögensanlage und damit einhergehend an die Vollständigkeit der Angaben ist am Kreis des angesprochenen Anlegerpublikums zu bemessen6. Die Anlegerorientierung ergibt sich bereits aus der Regelung von Grundsätzen für die Darstellung von Prospekten7. Der mit dem Verkaufsprospekt vorgesehene Ausgleich von Informationsdefiziten beim Anleger schließt eine allein am Kenntnisstand von Fachleuten orientierte Darstellungsweise aus8. Der Maßstab des durchschnittlichen Anlegers kann aber auch nicht zu niedrig angesetzt werden. Denn der durch den Mindestkatalog der auf Grund von § 8g Abs. 2 VerkProspG erlassenen Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung vorgegebene, weite Bereich an Angaben und der teilweise, je nach Konzeption der Vermögensanlage zusätzlich verlangten, speziellen Angaben spricht dafür, dass ein bestimmtes Verständnisgrundniveau an den Anleger vorausgesetzt wird9. Nach der Rechtsprechung muss sich das Niveau eines Verkaufspro-

1 Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 87; dazu auch BGH v. 22.3.2010 – II ZR 66/08 (GEHAG Berlin), PM Nr. 58 des BGH v. 22.3.2010; BGH v. 7.12.2009 – II ZR 15/08, ZIP 2010, 176, in Bezug auf die Vollständigkeit der Angaben zum Anlagekonzept. 2 BGH v. 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 (344); BGH v. 25.11.1981 – IVa 286/80, WM 1982, 90. Siehe auch die Erläuterungen zu § 13 VerkProspG Rz. 38. 3 Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 31; Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8g VerkProspG Rz. 11. 4 Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 33; Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8g VerkProspG Rz. 11. Siehe auch die Erläuterungen zu § 13 VerkProspG Rz. 24. 5 Bereits Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 9 und 10; Moritz/Grimm, BB 2005, 337. 6 Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 83. Siehe auch die Erläuterungen zu § 13 VerkProspG Rz. 7. 7 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 90. 8 Anders LG Düsseldorf v. 24.10.1980 – 1 O 148/80, WM 1981, 102 (106). 9 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 88.

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spekts an einem aufmerksam lesenden, zum Lesen einer Bilanz mächtigen und ohne besondere Fachkenntnisse ausgestatteten Anleger orientieren1. Nicht zu berücksichtigen sind die individuellen Verhältnisse und Belange eines Anlegers, denn eine auf jede Person zugeschnittene, vollständige und umfassende Information ist einem generellen Informationsmedium wie einem Prospekt fremd2.

8

bb) Gebot der Wesentlichkeit Das Gebot der Wesentlichkeit der Angaben in einem Verkaufsprospekt er- 9 gibt sich nicht ausdrücklich aus dem Gesetzeswortlaut des § 8g VerkProspG. Es ist aber indirekt über § 8g Abs. 2 VerkProspG iVm. § 15 Abs. 2 VermVerkProspV und § 10 VerkProspG herzuleiten. Zum einen wird dem Anbieter das Weglassen von Angaben geringer (unwesentlicher) Bedeutung ermöglicht (vgl. § 15 Abs. 2 VermVerkProspV). Zum anderen sind bestimmte Angaben als so wichtig zu erachten, dass ein Verkaufsprospekt nur dann dem Anlagepublikum öffentlich gemacht werden darf, wenn sie noch vor dem öffentlichen Angebot nachgetragen werden (vgl. § 10 VerkProspG). Des Weiteren ist das Gebot der Wesentlichkeit von Angaben ausdrücklich in § 11 VerkProspG niedergelegt. Diese Vorschrift bestimmt, dass für die Beurteilung der Vermögensanlage oder des Emittenten nach der Gestattung der Veröffentlichung eingetretene Veränderungen von wesentlicher Bedeutung eine Ergänzung des Verkaufsprospekts über eine Veröffentlichung dieser Angaben erfordern (siehe auch § 11 VerkProspG Rz. 3 ff.). Die in den Verkaufsprospekt aufzunehmenden Angaben müssen für den An- 10 leger zur richtigen Beurteilung der angebotenen Vermögensanlage und ihrem Emittenten entscheidend sein3. Der Anleger soll über den Verkaufsprospekt die Informationen erhalten, die ihm sonst nicht oder nur unter Schwierigkeiten zugänglich sind4. Dem Anleger kann über den Verkaufsprospekt keine allumfassende vollständige Information zur Verfügung gestellt werden. Das Gebot der Wesentlichkeit ist somit als Teilaspekt dem Gebot der Richtigkeit zuzuordnen (siehe schon oben Rz. 6) und bedeutet, dass ein Verkaufsprospekt nicht mit freiwilligen Angaben überfrachtet werden darf, um die entscheidenden Informationen nicht zu verschleiern5. 1 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 f.; OLG Frankfurt/M. v. 1.2.1994 – 5 U 213/92, WM 1994, 291 (295); OLG Frankfurt/M. v. 17.3.1999 – 21 U 260/97, ZIP 1999, 1005 (1007). Siehe dazu im Einzelnen die Erläuterungen zu § 13 VerkProspG Rz. 27 ff. 2 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 91. Siehe auch die Erläuterungen zu § 13 VerkProspG Rz. 32. 3 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8g VerkProspG Rz. 14. 4 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 93. Vgl. insbesondere auch KG Berlin v. 25.9.2006 – 23 U 107/05, KGR 2007, 185, wonach dem Anleger bereits die eigenständige Einsichtnahme in ein öffentliches Register nicht zumutbar ist. 5 Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 32; zur Verschleierung von Risiken OLG München v. 18.7.2007 – 20 U 2052/07 (unveröffentlicht, abrufbar über juris), red. Leitsätze in: EWiR 2007, 699.

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cc) Gebot der Auswertbarkeit 11

Die in einem Verkaufsprospekt enthaltenen Angaben müssen einer Auswertung durch den Anleger zugänglich sein. Der Anbieter muss die Angaben im Verkaufsprospekt daher in einer verständlichen, eindeutigen und übersichtlichen Sprache und Gestaltung aufführen1. Hieran knüpft die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermVerkProspV an, die eine Abfassung des Verkaufsprospekts in einer der Auswertung des Inhalts zuträglichen und verständlichen Form verlangt. Erreichbar ist dieses Ziel durch eine lesbare Gestaltung des Textes, der sich durch die Hilfestellung einer vorangestellten Kurzzusammenfassung, ein zum Auffinden von Informationen taugliches Inhaltsverzeichnis und die Erläuterung verwendeter Fachbegriffe auszeichnet2. Die Erfordernisse an die Erstellung eines umfangreichen Erläuterungswerks zu den wesentlichen Informationen sind jedoch nicht zu hoch anzusetzen. Entscheidend für die Auswertung des Verkaufsprospekts ist das Gesamtbild, das durch ihn vom Unternehmen und der Anlage gegenüber dem Anleger vermittelt wird3, denn die Klarheit des Prospekts und seine Übersichtlichkeit kollidieren mit zusätzlich eingefügten Erläuterungen, wenn die eigentliche wesentliche Information in den Hintergrund gedrängt wird4. In besonderen Fällen kann jedoch die Spezialität der Konstruktion der Vermögensanlage eine umfangreiche Erläuterung erfordern, die einem schnellen Überblick dann nicht mehr zugänglich sind5. Auch können Wiederholungen bestimmter Angaben in Passagen erforderlich sein, in denen sich ansonsten ein unzutreffendes Gesamtbild der Vermögensanlage aufdrängt6.

12

Die Auswertbarkeit eines Verkaufsprospekts ist dann nicht gegeben, wenn der Anleger bestimmte Informationen erst über den Abgleich und in Beziehung zueinander zu setzender, verschiedener Prospektangaben erschließen kann7. dd) Vergleichbarkeit von Prospekten

13

Teilweise wird in der Literatur die Vergleichbarkeit für Verkaufsprospekte eines Anbieters mit früheren und zukünftigen Veröffentlichungen gefor-

1 Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 31. 2 Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 31 f.; Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8g VerkProspG Rz. 13. 3 BGH v. 12.07.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (863); BGH v. 14.6.2007 – III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993 Rz. 9. Siehe auch die Erläuterungen zu § 13 VerkProspG Rz. 47 f. 4 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 93. Vgl. BGH v. 14.1.2002 – II ZR 40/00, WM 2002, 813, wonach eine falsche Aussage nicht mehr durch einen versteckten Hinweis kompensiert werden kann. 5 BGH v. 12.1.2006 – III ZR 407/04, BB 2002, 854 (856); Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 95. 6 BGH v. 14.6.2007 – III ZR 185/05, NJW-RR 2007, 1479. 7 BGH v. 6.2.2006 – II ZR 329/04, ZIP 2006, 893.

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dert1. Die Notwendigkeit dieser Anforderungen ist aus dem Gesetz jedoch nicht ableitbar. Gerade im Bereich der Vermögensanlagen als langfristige, auf individuelle Projekte zugeschnittene, zumeist mit hohen Mindestbeteiligungssummen belegte Anlageformen ist die Gefahr der Verwirrung eines Anlegers durch unterschiedliche Gestaltungen von Verkaufsprospekten durch den Anbieter nicht gegeben. Eine Vergleichbarkeit der Verkaufsprospekte ergibt sich zudem aus dem durch die Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung vorgegebenen Katalog an Mindestangaben. b) Treuhandvermögen (§ 8g Abs. 1 Satz 2 VerkProspG) Bei Vermögensanlagen, deren angebotene Anteile ein Treuhandvermögen 14 nach § 8f Abs. 1 Satz 1 Var. 2 VerkProspG darstellen und das ganz oder teilweise aus einem Gesellschaftsanteil besteht, fordert das Gesetz in § 8g Abs. 1 Satz 2 VerkProspG ebenfalls eine Darstellung der tatsächlichen und rechtlichen Angaben zu dieser Gesellschaft im Verkaufsprospekt. Eine Beschreibung allein der unmittelbaren tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen zu dem Treuhandvermögen würde nicht ausreichen, da ansonsten eine vom Gesetz gerade nicht gewollte Verschleierung von Informationen für die Anlageentscheidung des Anlegers und damit eine einhergehende Verstärkung der Informationsasymmetrien zwischen Anbieter und Anleger ermöglicht würde2. c) Warnhinweis (§ 8g Abs. 1 Satz 3 VerkProspG) Nach § 8g Abs. 1 Satz 3 VerkProspG ist in den Prospekt an herausgehobener 15 Stelle ausdrücklich ein Hinweis aufzunehmen, dass die inhaltliche Richtigkeit der im Prospekt gemachten Angaben nicht Gegenstand der Prüfung des Prospekts durch die BaFin ist. Diese Regelung dient der Klarstellung und der Vermeidung einer missbräuchlichen Ausnutzung der Werbewirksamkeit eines Prospekts3. Die Prüfung der Bundesanstalt beschränkt sich vielmehr darauf, ob die im Prospekt gemachten Angaben den Vorgaben nach § 8g VerkProspG entsprechen. Der von § 8g Abs. 1 Satz 3 VerkProspG verlangte Hinweis dient damit der Vorbeugung einer unzutreffenden Erwartungshaltung des Anlegers und tritt einer irreführenden Werbung der Anbieter mit dem „Gütesiegel“ der Gestattung der Veröffentlichung durch die Bundesanstalt entgegen4. Die Formulierung des Hinweises muss sich daher an den Kriterien des § 8j VerkProspG messen lassen können. Es handelt sich neben dem Hinweis nach § 8h Abs. 2 VerkProspG um einen 16 gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweis für den Anleger, der den Anleger vor einer unüberlegten Anlageentscheidung bewahren soll. Der Anleger ist 1 Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 32; Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8g VerkProspG Rz. 15. 2 Vgl. Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8g VerkProspG Rz. 1; Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8g VerkProspG Rz. 19. 3 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43. 4 Fleischer, BKR 2004, 339 (341).

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in Bezug auf die Anlageentscheidung für die angebotenen Vermögensanlage gehalten, selbständig eine Risikobewertung der Vermögensanlage anhand seines eigenen Erfahrungsschatzes vornehmen. Ein nachträgliches Reurecht im Falle der Nichterfüllung der wirtschaftlichen Erwartungen sieht das Prospektrecht nicht vor. Eine eventuelle prospektrechtliche Haftung des Anbieters lässt sich ausschließlich aus unterlassenen oder irreführenden Darstellungen zweckdienlicher Informationen im Verkaufsprospekt herleiten1. 17

Die Art und Weise der Hervorhebung des Hinweises nach § 8g Abs. 1 Satz 3 VerkProspG wird durch § 2 Abs. 2 Satz 2 VermVerkProspV konkretisiert. Danach ist der Hinweis unmittelbar im Anschluss an das Inhaltsverzeichnis im Verkaufsprospekt aufzuführen2. Für eine Hervorhebung sind die üblichen drucktechnischen Mittel anwendbar. So kann diese beispielsweise durch Fett-, Sperr- oder Großschrift, Unterstreichung, Einrahmung oder farbliche Gestaltung erfolgen3. 2. Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung über die Sprache, den Inhalt und den Aufbau des Verkaufsprospekts (§ 8g Abs. 2 VerkProspG)

18

Die Regelung des § 8g Abs. 2 VerkProspG ermächtigt die Bundesregierung zur Konkretisierung der allgemeinen, in Abs. 1 niedergelegten Anforderungen an den Prospektinhalt. Neben den allgemeinen Regelungen, die in Bezug auf die Sprache und den Aufbau des Verkaufsprospekts getroffen werden können, enthält § 8g Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 VerkProspG bestimmte Eckpunkte zu Sachverhalten, die der Gesetzgeber im Interesse der Anlegerinformation über den Verkaufsprospekt als Mindeststandard der Angaben zu der Vermögensanlage und dem Emittenten vorgesehen hat4. Die Bundesregierung hat auf der Grundlage dieser Vorschrift die Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung erlassen5. Die Einhaltung der durch die Verordnung vorgegebenen, detaillierten Vorgaben über die inhaltlichen Anforderungen an einen Verkaufsprospekt für Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG durch die Anbieter wird durch die BaFin im Rahmen des Hinterlegungsverfahrens gemäß § 8i Abs. 2 VerkProspG überwacht (vgl. § 8i VerkProspG Rz. 32 ff.).

19

Die in § 8g Abs. 2 Halbsatz 1 VerkProspG aufgeführten allgemeinen notwendigen Prospektinhalte wurden durch § 2 VermVerkProspV umgesetzt. Die in § 8g Abs. 2 Nr. 1 VerkProspG festgelegten Eckpunkte entsprechen in ihrer Umsetzung den Mindestangaben nach § 3 VermVerkProspV. Die in

1 OLG Celle v. 16.7.2004 – 9 U 15/04, WM 2005, 737. Vgl. auch die Kommentierung zu § 2 VermVerkProspV Rz. 43 ff. 2 Vgl. insbesondere auch in Hinblick auf die Gestaltung des Hinweises die Kommentierung zu § 2 VermVerkProspV Rz. 33. 3 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8g VerkProspG Rz. 1. 4 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43. 5 Verordnung über Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte (Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung – VermVerkProspV) v. 16.12.2004, BGBl. I 2004, 3464.

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§ 8g Abs. 2 Nr. 2 VerkProspG angeführten Eckpunkte wurden als Mindestangaben nach §§ 4 und 9 VermVerkProspV umgesetzt. Die sich aus § 8g Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG ergebenden Eckpunkte entsprechen § 12 Abs. 3 VermVerkProspV. Die Eckpunkte des § 8g Abs. 2 Nr. 4 VerkProspG entsprechen in ihrer Umsetzung den Mindestangaben nach §§ 5 bis 8, 10 und 11 VermVerkProspV. Die in § 8g Abs. 2 Nr. 5 VerkProspG genannten Eckpunkte wurden als Mindestangaben nach §§ 12 und 13 VermVerkProspV umgesetzt. Der durch die Verordnung bestimmte Mindestkatalog an Angaben für einen 20 Verkaufsprospekt gewährleistet eine weitgehende Standardisierung der Verkaufsprospekte und gibt dem Prospektpflichtigen eine gewisse Sicherheit im Hinblick auf die Vollständigkeit des von ihm zu erstellenden Verkaufsprospekt1. Es handelt sich um Pflichtangaben. Können bestimmte dieser Angaben durch den Anbieter auf Grund der Konzeption der Vermögensanlage nicht beigebracht werden, kann die Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts für diese Vermögensanlage trotzdem erlangt werden. Um der Vollständigkeit des Verkaufsprospekts zu genügen, sind die fehlenden Angaben mit Negativtestaten auszufüllen2. Neben den Mindestangaben können auch freiwillige Angaben in den Verkaufsprospekt aufgenommen werden3. Ihre Aufnahme sollte in Hinblick auf das vermittelte Gesamtbild des Verkaufsprospekts kritisch auf ihre Notwendigkeit betrachtet werden.

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3. Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung über Ausnahmen von Angabepflichten (§ 8g Abs. 3 VerkProspG) § 8g Abs. 3 VerkProspG erweitert die Ermächtigung der Konkretisierung der 22 Inhaltsanforderungen an den Verkaufsprospekt in der Weise, das in die nach § 8g Abs. 2 VerkProspG zu erlassene Verordnung auch Vorschriften aufgenommen werden können, die bestimmte, in den Voraussetzungen nach den Nrn. 1 und 2 genannte Umstände enthalten, nach denen von der Aufnahme einzelner Angaben in den Verkaufsprospekt abgesehen werden kann. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht und die Regelungen in die Vorschrift über verringerte Prospektanforderungen in die Vermögensanlagen-Verkaufprospektverordnung in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 VermVerkProspV eingefügt.

1 Bereits Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 7 VerkProspG Rz. 9. 2 Vgl. Nrn. 4 und 7 des Auslegungsschreibens der BaFin v. 30.6.2005, abrufbar unter: http://www.bafin.de/cln_116/nn_724536/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Unternehmen/AllgemeinePflichten/ProspekteFuerVermoegensanlagen/FunktionenUndVerfahren/auslegungsschreiben.html. 3 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 103; Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß § 8g VerkProspG Rz. 18.

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a) Besondere Umstände (§ 8g Abs. 3 Nr. 1 VerkProspG) 23

Die Ermächtigung des § 8g Abs. 3 Nr. 1 VerkProspG hat die Bundesregierung im Rahmen der Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung mit § 15 Abs. 1 VermVerkProspV umgesetzt1. Als besondere Umstände hat der Verordnungsgeber solche Konstellationen in Betracht gezogen, bei denen auf Grund der Kürze der geschäftlichen Tätigkeit des Emittenten die Anforderungen gemäß den §§ 10, 11 und 13 VermVerkProspV nicht erfüllt werden können. Trotzdem soll den Anbietern von Beteiligungen an solchen Emittenten das öffentliche Angebot dieser Beteiligungen nicht verwehrt werden. Da nur wenige vergangenheitsbezogene Informationen vorliegen, sind stattdessen zukunftsbezogene Angaben in den Verkaufsprospekt aufzunehmen2. Zum Ausdruck kommt damit, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Angebots von Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 VerkProspG keine Benachteiligung junger Unternehmen bei der Inanspruchnahme des Kapitalmarkts vorsehen wollte3.

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Die Möglichkeit des frühzeitigen Markteintritts durch die Anbieter bestimmter Vermögensanlagemodelle ist somit der Vorrang gegenüber einer vergangenheitsbezogenen Finanzinformation des Anlegers eingeräumt worden. Dies stellt nicht unbedingt einen Nachteil für den Anleger dar. Aufgrund der häufigen Verwendung von Vorratsgesellschaften als Beteiligungsgesellschaften für den Anleger ist die Bedeutung der Angaben zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage anhand der §§ 10, 11 und 13 VermVerkProspV vom Informationsgehalt zumeist geringer zu bewerten als die nach § 15 Abs. 1 VermVerkProspV zu erbringenden Angaben.

25

Eine Änderung des Namens oder der Rechtsform des Emittenten rechtfertigt die Anwendung von verringerten Inhaltsanforderungen an den Verkaufsprospekt hingegen nicht4.

1 AA Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß § 8g VerkProspG Rz. 24. 2 Begr. zur VermVerkProspV, S. 9, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de / nn_4328 / DE / BMF__Startseite / Service / Downloads / Downloads__6/ 30200,templateId=raw,property=publicationFile.pdf. 3 Zu erwähnen ist zu diesem Punkt, dass nach früherem Recht die Zulassung von Aktien zur Börse als Teil des Kapitalmarkts nur dann zulässig war, wenn die betroffene Gesellschaft mindestens ein Jahr vor der Zulassung im Handelsregister eingetragen war und bereits ihre erste Jahresbilanz und Gewinn- und Verlustrechnung veröffentlicht hatte, und somit bereits vergangenheitsbezogene Finanzzahlen zur Einschätzung der Gesellschaft vorlagen, vgl. nur Obst, Geld-, Bankund Börsenwesen, 1937, S. 424. Diese Verpflichtung ist durch § 3 BörsZulV im Zuge der Reform des Börsenwesens auf sogar grundsätzlich drei Jahre ausgedehnt worden, vgl. Börsenzulassungs-Verordnung v. 15.4.1987 (BGBl. I 1987, 1234) in der Fassung der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2832), zuletzt geändert durch Art. 19a Nr. 2 des Investmentgesetzes v. 21.12.2007 (BGBl. I 2007, 3089). 4 Begr. zur VermVerkProspV, S. 9, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de / nn_1940 / DE / BMF__Startseite / Service / Downloads / Downloads__6/ 30200,templateId=raw,property=publicationFile.pdf.

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Aufstellung/Prüfung des Jahresabschlusses/Lageberichts

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b) Weglassen von Angaben (§ 8g Abs. 3 Nr. 2 VerkProspG) aa) Geringe Bedeutung einzelner Angaben Einzelne Angaben von geringer Bedeutung und ohne Einfluss auf die Beur- 26 teilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten müssen nicht in den Verkaufsprospekt aufgenommen werden. Die Vorschrift dient damit zum einen der Beschränkung des Inhalts eines Verkaufsprospekts auf einen wesentlichen Inhalt, zum anderen dem Prinzip der Richtigkeit der Aussagen des Verkaufsprospekts, indem Emittenten von Vermögensanlagen von der Aufnahme von Angaben in den Verkaufsprospekt absehen können, deren Konzeption die Erbringung bestimmter Angaben zum Zeitpunkt der Prospektierung tatsächlich noch nicht ermöglicht. Möchte der Anbieter diese Möglichkeit nutzen, hat er einen entsprechenden Hinweis in den Verkaufsprospekt aufnehmen, wenn eine Pflichtangabe betroffen ist1. bb) Erhebliche Schäden Die Regelung räumt dem Anbieter einer Vermögensanlage ein, von der Ver- 27 öffentlichung von Angaben abzusehen, wenn bei dem Emittenten ansonsten durch die Veröffentlichung die Zufügung eines erheblichen Schadens zu befürchten ist und durch das Weglassen der Angabe keine Täuschung des Anlegerpublikums zu besorgen ist. Die Regelung stellt eine Abwägung des Informationsbedarfs des Anlegerpublikums gegenüber dem Interesse des Emittenten an Geheimhaltung bestimmter Informationen dar2. Der Interessenkonflikt zwischen Offenbarungs- und Geheimhaltungspflichten ist anhand einer Güterabwägung zu entscheiden3.

§ 8h Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts (1) Ein Emittent, der nicht nach anderen Bestimmungen verpflichtet ist, einen Jahresabschluss prüfen zu lassen und einen Lagebericht aufzustellen und prüfen zu lassen, hat ohne Rücksicht auf seine Rechtsform entweder einen Hinweis nach Absatz 2 in den Verkaufsprospekt aufzunehmen oder den Jahresabschluss und den Lagebericht nach den Bestimmungen des Ersten Unterabschnitts des Zweiten Abschnitts des Dritten Buchs des Handels-

1 Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß § 8g VerkProspG Rz. 24. 2 Begr. zur VermVerkProspV, S. 9, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de / nn_1940 / DE / BMF__Startseite / Service / Downloads / Downloads__6/ 30200,templateId=raw,property=publicationFile.pdf. 3 Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 126 f.

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§ 8h VerkProspG

Aufstellung/Prüfung des Jahresabschlusses/Lageberichts

gesetzbuchs aufzustellen und entsprechend den Bestimmungen der §§ 317 bis 324 des Handelsgesetzbuchs prüfen zu lassen. (2) Der Emittent im Sinne von Absatz 1, der keine Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts nach Absatz 1 vornimmt, hat in dem Verkaufsprospekt ausdrücklich an herausgehobener Stelle auf die fehlende Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts nach den genannten Vorschriften hinzuweisen. In der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701), zuletzt geändert durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630). Schrifttum: Fleischer, Prospektpflicht und Prospekthaftung für Vermögensanlagen des Grauen Kapitalmarkts, BKR 2004, 339; Lüdicke/Arndt (Hrsg.), Geschlossene Fonds, 5. Aufl. 2009; Memento Rechtshandbücher, Bilanzrecht für die Praxis, 3. Aufl. 2009; Moritz/Grimm, Die Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung: Inhaltliche Anforderungen an Verkaufsprospekte geschlossener Fonds, BB 2005, 337. Siehe auch Einl. VerkProspG und § 8f VerkProspG.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . .

1

II. Regelungsgehalt . . . . . . . . .

3

III. Einzelheiten (§ 8h Abs. 1 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . 1. Adressat . . . . . . . . . . . . . . . 2. Informationsgüte . . . . . . . . . a) Rechtsform der Emissionsgesellschaft . . . . . . . . . . . b) Andere Bestimmungen . . . c) Größenabhängige Erleichterungen . . . . . . . . . . . . .

4 5 6 7 8 12

d) Aktualität . . . . . . . . . . . . 3. Zeitrahmen . . . . . . . . . . . . .

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IV. Pflicht zum Hinweis auf fehlende Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts (§ 8h Abs. 2 VerkProspG) . . . . . . . 1. Wortlaut des Hinweises . . . . 2. Hinweis an herausgehobener Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . .

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V. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . .

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I. Normentwicklung 1

§ 8h VerkProspG wurde im Zuge der Erweiterung des ursprünglichen Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes in Gestalt der Einfügung des Abschnitts IIIa durch das AnSVG v. 28.10.20041 in das Gesetz eingefügt. Ein Vorbild für den Wortlaut der Regelung gab es im Verkaufsprospektgesetz aF nicht. Die Vorschrift des § 8h VerkProspG spezifiziert im Detail die Vorgabe des § 8g Abs. 2 Nr. 4 VerkProspG hinsichtlich der an die in den Verkaufsprospekt zu übernehmenden Finanzinformationen in Gestalt des Jahresabschlusses und des Lageberichts des Emittenten.

1 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BGBl. I 2004, 2630.

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Der Gesetzgeber bleibt mit dieser Regelung hinter dem Entwurf des § 8 VermögensanlageG-RegE von 1978 zurück1, der eine generelle Verpflichtung zur Aufstellung und Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht der Emissionsgesellschaft vorsah.

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II. Regelungsgehalt Die Vorschrift legt den Standard der Informationspflichten zur Rechnungs- 3 legung der Emissionsgesellschaft fest. Sofern die Emissionsgesellschaft nicht ohnehin auf Grund ihr auferlegter Berichts- und Prüfungspflichten über diese Angaben verfügt, ermöglicht § 8h Abs. 2 VerkProspG dem Anbieter, diese fehlenden Informationen im Verkaufsprospekt auf der Grundlage eines zuvor von der Emissionsgesellschaft extra aufgestellten und geprüften Jahresabschlusses und Lageberichts nach den Vorschriften des Zweiten Abschnitts des Dritten Buches des Handelsgesetzbuchs freiwillig beizubringen2. Mit dieser freiwilligen Beibringung kann die Aufnahme des Hinweises nach § 8h Abs. 2 VerkProspG in den Verkaufsprospekt vermieden werden. Die Beibringungspflicht der betreffenden Finanzangaben ist von der Rechtsform des Emittenten unabhängig, gilt also auch, wenn es sich bei den Emittenten um Einzelhandelskaufleute, Personenhandelsgesellschaften, kleine Kapitalgesellschaften iS des § 267 Abs. 1 HGB oder um ein anderes Unternehmen in der Rechtsform des § 3 Abs. 1 des PublG handelt, das die Schwellenwerte des § 1 des PublG nicht überschreitet3.

III. Einzelheiten (§ 8h Abs. 1 VerkProspG) Die Vorschrift steht in einem festen Zusammenhang mit den §§ 10 und 15 VermVerkProspV. Dies wird insbesondere an der Bezugnahme in § 10 Abs. 1 VermVerkProspV auf § 8h VerkProspG deutlich. Über diese Regelungen wird dem Anleger ein wichtiges Informationsfeld für eine von ihm zu treffende Anlageentscheidung eröffnet. Es handelt sich um einen Aspekt der vom Anbieter über den Emittenten zu leistenden Finanzinformationen. Der Fokus liegt dabei auf dem Ausweis eines handelsrechtlichen Einzelabschluss, vgl. § 10 Abs. 2 VermVerkProspV.

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1. Adressat In der Zusammenschau mit den Adressaten der übrigen Vorschriften des 5 VerkProspG ergeben sich für die Bestimmung Verständnisschwierigkeiten: Verpflichtet zur Verwendung des Hinweises nach § 8h Abs. 2 VerkProspG ist nach dem Gesetzeswortlaut der Emittent. Für die Information des Publikums über einen Prospekt hat nach § 8f Abs. 1 VerkProspG jedoch der An1 RegE VermögensanlagenG, BT-Drucks. 8/1405 v. 2.1.1978, S. 10. 2 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43. 3 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43.

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bieter einer Vermögensanlage nach § 8f Abs. 1 VerkProspG zu sorgen, nicht der Emittent. Dies wird auch für das Betreiben des Hinterlegungsverfahrens für den Verkaufsprospekt in § 8i VerkProspG betont. Auch hier ist allein der Anbieter in der Pflicht. Die Norm geht ganz offenbar von der Einheit von Emittent und Anbieter in der Tradition des Verkaufsprospektgesetzes alter Fassung aus. Für den Bereich der Angebote geschlossener Fonds ist dieser Automatismus hingegen nicht selbstverständlich. Zumeist werden von Initiatoren als eigenständige Anbieter selbständige Zweckgesellschaften als geschlossene Fonds gegründet1. Diese Emissionsgesellschaften bieten aber nur selten selbständig an. 2. Informationsgüte 6

Eine selbständige Verpflichtung zur Aufstellung und Prüfung eines Jahresabschlusses sowie eines Lageberichts stellt das Verkaufsprospektgesetz nicht auf. Die Regelung legt nur einen Qualitätsstandard fest, mit der die Finanzinformationen für den Anleger im Verkaufsprospekt aufgenommen werden sollten. Dieser soll dem Informationsniveau einer großen Kapitalgesellschaft entsprechen2. Eine Verpflichtung zur Erfüllung dieses Informationsstandards sieht das Gesetz hingegen nicht vor. Will der Anbieter den Qualitätsstandard des § 8h VerkProspG für die Finanzangaben der Emissionsgesellschaft im Verkaufsprospekt (sofern er dies nicht bereits auf Grund von ihn betreffenden Bestimmungen ohnehin tun muss) nicht freiwillig erfüllen, verpflichtet ihn das Gesetz zur Aufnahme eines Hinweises nach § 8h Abs. 2 VerkProspG auf diesen Umstand. Dem Anleger obliegt es, diese Information in seiner Anlageentscheidung zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber folgt damit dem im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht favorisierten Informationsmodell3. a) Rechtsform der Emissionsgesellschaft

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Die Anwendbarkeit der Norm ist unabhängig von der Rechtsform der Emissionsgesellschaft. Dies hat zur Folge, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes auch Anbieter von Beteiligungen an ausländischen Emissionsgesellschaften vom Grundsatz der Verpflichtung unterliegen, einen aufgestellten und geprüften Jahresabschluss und Lagebericht nach den Bestimmungen des Ersten Unterabschnitts des Zweiten Abschnittes des Dritten Buches des Handelsgesetzbuches (§§ 264 ff. HGB) und den Bestimmungen der §§ 317 bis 324 HGB im Verkaufsprospekt beizubringen, wenn sie in Deutschland Anteile iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG öffentlich ohne einen Hinweis nach § 8h Abs. 2 VerkProspG im Verkaufsprospekt anbieten wollen.

1 Bost/Halfpap in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 32. 2 Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 8. 3 Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 5; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8h VerkProspG Rz. 4; Fleischer, BKR 2004, 339 (342).

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b) Andere Bestimmungen Ist die Emissionsgesellschaft nicht bereits nach dem Handelsgesetzbuch zur 8 Aufstellung und Prüfung eines Jahresabschlusses sowie eines Lageberichts verpflichtet, so kann sich diese Verpflichtung auch aus anderen Bestimmungen ergeben. Andere Bestimmungen umfassen alle zwingenden Vorschriften gesetzlicher oder vertraglicher Natur1. Denn die Einräumung des Wahlrechts für den Anbieter in Bezug auf die hier gegenständlichen und im Verkaufsprospekt abzubildenden Finanzinformationen zielt auf eine Vermeidung des Mehraufwands zur Erstellung der Informationen bei der Emissionsgesellschaft ab2. Als andere Bestimmung kommt zB im Bereich des nationalen Kapitalmarktrechts die Vorschrift des § 26 KWG in Betracht.

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Ob sich unter dem Begriff der anderen Bestimmungen auch ausländische 10 Vorschriften zur Rechnungslegung von im Ausland ansässigen Emittenten erfassen lassen, ist aus dem Gesetzeswortlaut selbst nicht bestimmbar. Nach der Begründung zum RegE AnSVG hatte der Gesetzgeber aber zumindest ausländische Emittenten im Fokus des Anwendungsbereiches des § 8f Abs. 1 VerkProspG erblickt3. Die Schwierigkeit besteht darin, ob die durch einen ausländischen Emittenten nach dessen nationalem Recht erfüllte Verpflichtung zur Aufstellung und Prüfung eines Jahresabschlusses und Lageberichts dem Informationsniveau der durch § 8h Abs. 1 VerkProspG aufgestellten Anforderungen gleichzustellen ist. Erschwerend zur Beantwortung dieser Frage kommt hinzu, dass sich administrative Bemühungen zur Schaffung weltweit einheitlicher Rechnungslegungsstandards zureit nur auf börsennotierte Unternehmen konzentrieren4 und somit eine Vergleichbarkeit von Einzelabschlüssen der Emittenten von Vermögensanlagen iS von § 8f Abs. 1 VerkProspG nicht gewährleistet ist5. Eine Kapitalmarktorientierung iS eines Handels der Anteile an einem organisierten Markt der Unternehmen liegt bei Emittenten von Beteiligungen an geschlossenen Fonds gerade nicht vor, weil die Anteile iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG nicht an ei-

1 Moritz/Grimm, BB 2005, 337 (342). 2 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43. Insbesondere kleinen Emittenten aus dem Bereich der geschlossenen Fonds, zB Einzelkaufleute und kleine Personengesellschaften, soll wohl hiermit der Weg auf den Kapitalmarkt auf Grund von Kostengründen nicht versperrt werden, wobei sie dann allerdings den Nachteil eines Warnhinweises hinnehmen müssen. 3 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. 4 Vgl. Verordnung Nr. 1569/2007 der Kommission vom 21.12.2007 über die Einrichtung eines Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit der von Drittstaatemittenten angewandten Rechnungslegungsgrundsätze gemäß den Richtlinien 2003/71/EG und 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 340 v. 22.12.2007, S. 66. 5 Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 14 in Bezug auf den Einzelabschluss nach US-GAAP.

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nem organisierten Markt gehandelt werden1. Sieht man daher den von § 8h Abs. 1 VerkProspG geforderten Standard durch die nach ausländischen Recht erfolgte Rechnungslegung nicht als erfüllt an, so muss der ausländische Emittent zur Vermeidung des Hinweises nach § 8h Abs. 2 VerkProspG einen Parallelabschluss nach den Anforderungen des § 8h Abs. 1 VerkProspG aufstellen und in den Verkaufsprospekt aufnehmen2. Besteht hingegen umgekehrt eine Vergleichbarkeit der ausländischen Rechnungslegung mit einem aufgestellten und geprüften Jahresabschluss nach den Bestimmungen des Ersten Unterabschnitts des Zweiten Abschnittes des Dritten Buches des Handelsgesetzbuches (§§ 264 ff. HGB) und den Bestimmungen der §§ 317 bis 324 HGB, ist kein Grund ersichtlich, diese Bestimmungen nicht unter den Rechtsbegriff der „anderen Bestimmungen“ nach § 8h Abs. 1 VerkProspG zu fassen. Denn die vom Gesetz vorgesehenen Informationen werden dann bei entsprechender deutscher Übersetzung und einem eindeutigen Hinweis auf das angewendete Rechtssystem dem Anleger ebenfalls ausreichend zur Kenntnis gebracht3. Bedenken gegen diese Vorgehensweise sind in den Risiken der Nichtgestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts durch die BaFin bei Nichtanerkennung der Zahlenwerke als Pflichtangabe nach § 10 VermVerkProspV, den Zeitverzögerungen bei der Nachweisführung der Gleichwertigkeit im Prüfverfahren durch Nachforderung von Unterlagen (§ 8i Abs. 2 Satz 3 und 4 VerkProspG) und eventuellen Schadenersatzrisiken auf Grund des fehlenden Hinweises nach § 13 VerkProspG auf Grund der Nichtanerkennung der Auffassung der BaFin bei der Auslegung der Norm zu erblicken4. 11

Die Erfassung einer nach den Bestimmungen der IFRS erfolgten Rechnungslegung als „andere Bestimmung“ iS des § 8h Abs. 1 VerkProspG, trifft auf nur geringe Bedenken – dienen doch die ihre Anwendung regelnden Vorschriften der Schaffung und Verbesserung von Transparenz auf dem Finanzsektor durch die Anwendung eines einheitlichen Regelwerks von international anerkannten Rechnungslegungsstandards5. Sie sind darüber hinaus für kapitalmarktorientierte Unternehmen, deren Anteile oder Anleihen an

1 Vgl. die Anforderungen an die Kapitalmarktorientierung nach § 264d HGB und die Kommentierung zu § 8f VerkProspG Rz. 30 ff. 2 Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 14. 3 Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 16 aE. 4 Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 14. 5 Zu beachten ist insbesondere die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, VO (EG) Nr. 1606/2002 v. 19.7.2002, ABl. EG Nr. L 243 v. 11.9.2002, S. 1, und die Verordnung Nr. 1569/2007 der Kommission vom 21.12.2007 über die Einrichtung eines Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit der von Drittstaatemittenten angewandten Rechnungslegungsgrundsätze gemäß den Richtlinien 2003/71/EG und 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 340 v. 22.12.2007, S. 66; Memento Rechtshandbücher, Ausführungen zum Einzelabschluss Rz. 2.160 ff.

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einem geregelten Markt gehandelt werden, innerhalb der EU verpflichtend1. Problematisch ist jedoch, dass der deutsche Gesetzgeber darauf verzichtete, die Gesellschaften bei der freiwilligen Erstellung eines Einzelabschlusses nach internationalen Vorschriften (IFRS) von der Fertigung eines Einzelabschlusses nach den Vorschriften des HGB zu befreien2. Es besteht daher zumeist kein Vorteil für einen deutschen Emittenten von Vermögensanlagen, auf einen im Verhältnis zum HGB-Bilanzrecht komplexeren und daher kostenintensiveren Rechnungslegungsstandard zurückzugreifen. Mit dem am 29.5.2009 in Kraft getretenen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) fand zudem eine inhaltliche Annäherung des handelsrechtlichen Einzelabschlusses an die IFRS statt3. c) Größenabhängige Erleichterungen Vom Handelsgesetzbuch vorgesehene, größenabhängige Erleichterungen für rechnungslegungspflichtige Gesellschaften werden in Bezug auf die Offenbarungspflichten im Verkaufprospekt von der Regelung des § 8h VerkProspG überlagert4. Dies ergibt sich unter anderem auch aus der Verweisung auf die Bestimmungen der §§ 317 bis 324 HGB über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts selbst. Der Verweis bezieht nicht die Vorschrift des § 316 HGB in den Verweis mit ein. Eine eigenständige Prüfungspflicht für den Jahresabschluss und den Lagebericht wird daher vom Verkaufsprospektgesetz nicht begründet, sondern dem Anbieter nur eine besondere Pflichtangabe im Verkaufsprospekt im Falle des Fehlens der Prüfung auferlegt. Ein Verzicht zur Aufstellung eines Lageberichts auf der Grundlage von § 267 Abs. 1 HGB durch die Emissionsgesellschaft und das Fehlen dieser Information im Verkaufsprospekt wird vom Gesetzgeber auf Grund der Ansprache des Kapitalmarkts durch die Emissionsgesellschaft und im Interesse einer möglichst umfassenden Anlegerinformation nur dann gebilligt, wenn der Anbieter dann auf Grund des nach § 8h Abs. 2 VerkProspG geforderten und notwendigen Hinweises im Verkaufsprospekt die nachteiligen Auswirkungen auf den Erfolg der Platzierung der Emission hinnimmt5. Dem Informationsbedürfnis des Anlegers wird nach Ansicht des Gesetzgebers im Falle des Verzichts des Emittenten auf eine Prüfung seines Jahresabschlusses und Lageberichts durch einen Hinweis nach § 8h Abs. 2 VerkProspG genügend Rechnung getragen6.

1 Erwägungsgrund 2 und Art. 1, 4 und 9 VO (EG) Nr. 1606/2002 v. 19.7.2002, ABl. EG Nr. L 243 v. 11.9.2002, S. 1. 2 Memento Rechtshandbücher, Ausführungen zum Einzelabschluss Rz. 2.165. 3 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102; Memento Rechtshandbücher, Ausführungen zum Einzelabschluss Rz. 2.165. 4 Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 8; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8h VerkProspG Rz. 4 Fn. 2. 5 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43. 6 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43.

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Als Anwendungsbereich für die nach § 267 HGB für bestimmte Emittenten eröffneten, größenabhängigen Erleichterungen verbleibt zur Vermeidung des Hinweises nach § 8h Abs. 2 VerkProspG allein die verlängerte Aufstellfrist für den Jahresabschluss nach § 264 Abs. 1 Satz 4 HGB1. d) Aktualität

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Die in der Literatur geäußerte Kritik2 der Möglichkeit, auf Grund der Vorgaben der Verordnung relativ lang zurückliegende geprüfte und alles andere als aktuelle Jahresabschlüsse in den Verkaufsprospekt zu übernehmen3, trifft im Grunde zu. Ihre Auswirkungen in der Praxis sind jedoch gering. Bei den Emittenten von Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG handelt es sich zumeist um junge Gesellschaften, die erst im Zuge der Projektentwicklung gegründet wurden, oder um Vorratsgesellschaften. In beiden Fällen ist die Anzahl der die Zahlen beeinflussenden Geschäftsvorfälle gering. Das lässt sich in bestimmten Fällen auf entsprechende steuerliche Vorschriften zurückführen, bei denen eine Anerkennung der anfänglichen Verluste von bestimmten Voraussetzungen abhängig ist, so dass eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit erst nach Einwerbung des Eigenkapitals stattfindet4. Die Aussagekraft eines aufgestellten und geprüften Jahresabschlusses und Lageberichts ist daher nicht sonderlich hoch, da der Vergangenheitsbezug der enthaltenden Zahlen zumeist nur einen kurzen Zeitraum umfasst5. Zum anderen ist die Perspektive des Anlegers nicht zu vergessen. Vom Anleger wird ein bestimmtes Verständnisniveau vorausgesetzt6. Nach der Rechtsprechung muss sich das Niveau eines Verkaufsprospektes an einem aufmerksam lesenden, zum Lesen einer Bilanz mächtigen und ohne besondere Fachkenntnisse ausgestatteten Anleger orientieren7. Dazu gehört dann aber auch die Einbeziehung der Aktualität der Zahlenwerke in die eigene Anlageentscheidung.

1 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8h VerkProspG Rz. 4 Fn. 2. In diesem Sinne muss wohl die Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43 gelesen werden, die den § 267 HGB für entsprechend anwendbar erklärt. 2 Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 15; Moritz/Grimm, BB 2005, 337 (342). 3 Der Stichtag der Abschlüsse kann gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 VermVerkProspV maximal 18 Monate zurückliegen. 4 Vgl. Medienerlass v. 5.8.2003 (Schreiben des BMF, Gz.: IV A 6 – S 2241 – 81/03). 5 Es ist daher durchaus üblich, dass die Anbieter die freiwillige Aufstellung und Prüfung des Jahrsabschlusses und des Lageberichts für die Emissionsgesellschaft der Erstellung von Zahlen nach § 15 Abs. 1 VermVerkProspV auf Grund des damit verbundenen geringeren zeitlichen Aufwands vorziehen. 6 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 88. 7 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 f.; OLG Frankfurt/M. v. 1.2.1994 – 5 U 213/92, WM 1994, 291 (295); OLG Frankfurt/M. v. 17.3.1999 – 21 U 260/97, ZIP 1999, 1005 (1007). Siehe dazu im Einzelnen die Erläuterungen zu § 8h VerkProspG Rz. 6 f. und zu § 13 VerkProspG Rz. 27 ff.

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3. Zeitrahmen Die Pflicht nach § 8h Abs. 1 VerkProspG erstreckt sich auf sämtliche Jahresabschlüsse und Lageberichte, die im Zeitraum des öffentlichen Angebots einer Vermögensanlage im Verkaufsprospekt bzw. seinen Nachträgen an das Anlegerpublikum offen gelegt werden1. Der Gesetzgeber betont in der Begründung zum RegE die Wichtigkeit der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts für den Informationsgehalt des Verkaufsprospekts und das Vertrauen des Anlegers in die Vermögensanlage2. Verzichtet der Emittent daher im Verlauf des öffentlichen Angebots auf eine Prüfung des Jahresabschlusses und Lageberichts, muss der Anbieter im entsprechenden Nachtrag zur Aktualisierung der Finanzangaben einen Hinweis nach § 8h Abs. 2 VerkProspG anbringen. Umgekehrt fällt die Verpflichtung zur Verwendung eines Hinweises nach § 8h Abs. 2 VerkProspG weg, wenn der Emittent im Verlauf des öffentlichen Angebots den nach § 8h Abs. 2 VerkProspG angestrebten erhöhten Rechnungslegungsstandard erfüllt.

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IV. Pflicht zum Hinweis auf fehlende Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts (§ 8h Abs. 2 VerkProspG) Die Vorschrift regelt eine Verpflichtung des Emittenten zur Information des 16 Anlegerpublikums. Will oder kann der Emittent den in § 8h Abs. 1 VerkProspG aufgestellten Informationsstandard nicht erfüllen, muss er den Anleger mit einem entsprechenden Hinweis warnen. Die Regelung enthält damit neben § 8g Abs. 1 Satz 3 VerkProspG eine weitere Pflichtangabe, die im VerkProspG selbst im Wortlaut bestimmt ist. Der Warnhinweis an das Anlegerpublikum entspricht dem Leitmotiv des VerkProspG in Form der reinen Informationspflicht an den Anleger. Die Disposition über sein Vermögen soll der Anleger durch eine vom Anbieter ermöglichte, vollständige und richtige Information in einer eigenverantwortlichen Entscheidung treffen können. Ein Schutz vor den nachteiligen Auswirkungen der Anlageentscheidung in Hinblick auf die nachteiligen Auswirkungen auf das Vermögen des Anlegers auf Grund des Eintritts der dargestellten Risiken der Beteiligung ist hingegen nicht Aufgabe des Gesetzes3. 1. Wortlaut des Hinweises Der vom Gesetz vorgebende Wortlaut des Hinweises nach § 8h Abs. 2 VerkProspG nimmt nur auf eine bestimmte Konstellation im Rahmen der Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses und Lageberichts der Emissions-

1 Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 9. 2 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43. 3 BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92, NJW 1993, 2865; OLG Celle v. 16.7.2004 – 9 U 15/04, WM 2005, 737.

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gesellschaft Bezug1. Ausweislich der Regierungsbegründung zu § 8h Abs. 2 VerkProspG hatte der Gesetzgeber nur die allgemeine Verpflichtung eines Kaufmanns zur Aufstellung eines Jahresabschlusses gemäß § 242 HGB vor Augen2. Dieser Umstand ist besonders misslich. Denn Emittenten von Vermögensanlagen können zB einerseits auf Grund ihrer Größe oder wegen Nichtausübung eines Handelsgewerbes nicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet sein, §§ 242 Abs. 4, 241a HGB und § 105 Abs. 2 HGB, oder andererseits auf Grund größenabhängiger Erleichterungen nicht zur Aufstellung eines Lageberichts verpflichtet sein, den Jahresabschluss hingegen freiwillig prüfen lassen. Die Formulierung des § 8h Abs. 2 VerkProspG ist daher im Zusammenhang mit dem durch § 8h Abs. 1 VerkProspG vom Gesetzgeber ausgedrückten Willen zu lesen, dass ein Verzicht auf den Hinweis nur bei der Aufstellung und Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht zulässig ist. Abzustellen ist darauf, inwieweit der Emittent diesen vier konkreten Maßnahmen nachgekommen ist, also die Aufstellung eines Jahresabschluss, die Prüfung des Jahresabschluss, die Aufstellung eines Lageberichts und die Prüfung des Lageberichts vorgenommen hat3. Ein nach § 8h Abs. 2 VerkProspG aufzunehmender Hinweis muss demzufolge aufgliedern, inwieweit eine dieser Maßnahmen unterblieben ist und als Information nicht in den Verkaufsprospekt aufgenommen werden konnte. Aufgrund des aus § 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG folgenden Gebots der Richtigkeit der Angaben im Verkaufsprospekt muss der Anbieter bei der Formulierung des Hinweises im Verkaufsprospekt diesen daher an die tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen4. 2. Hinweis an herausgehobener Stelle 18

Der Hinweis ist an herausgehobener Stelle im Verkaufsprospekt vorzunehmen. Eine Konkretisierung der Platzierung des Hinweises im Verkaufsprospekt wurde im Rahmen der Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung im Gegensatz zum Hinweis nach § 8g Abs. 1 Satz 3 VerkProspG nicht vorgenommen. Der in § 2 Abs. 2 Satz 2 VermVerkProspV manifestierte Rechtsgedanke ist jedoch auf die Verortung des Hinweises nach § 8h Abs. 2 VerkProspG übertragbar. Die mit dem Hinweis beabsichtigte Warnfunktion für das Anlegerpublikum kann nur erfüllt werden, wenn der Hinweis vom Anleger bereits möglichst früh bei der Lektüre des Verkaufsprospekts wahrgenommen werden kann. Die Aufnahme des Hinweises sollte daher im vorderen Teil des Verkaufsprospekts erfolgen5. 1 Die Wahl des Wortlauts kann auf Grund des Anlegersschutzcharakters des Verkaufsprospektgesetzes nicht derart verstanden werden, dass nur bei einem Vorliegen der genannten Konstellation ein Hinweis im Verkaufsprospekt aufzunehmen wäre. Vgl. Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 17. AA Moritz/Grimm, BB 2005, 337 (342). 2 Begr. AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43. 3 Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 17. 4 Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 13. 5 Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 18.

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Rechte der Hinterlegungsstelle, sofortige Vollziehung

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Der vom Gesetz geforderte Hinweis an herausgehobener Stelle schließt auch die Art der Darstellung ein, denn seiner Warnfunktion kann der Hinweis nur gerecht werden, wenn er dem Anlegerpublikum sogleich bei der Lektüre auffällt. Bei der Erstellung des Verkaufsprospekts kann auf die üblichen drucktechnischen Mittel zur Hervorhebung zurückgegriffen werden, wie Fettdruck, Großschrift, farbiger Hintergrund oder Umrahmung. Unzulässig ist die Platzierung des Hinweises in einer Fußnote, da diese keine herausgehobene Stelle im Text eines Prospekts darstellt und leicht zu überlesen ist1.

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V. Rechtsfolgen Wurde der Hinweis nach § 8h Abs. 2 VerkProspG nicht, nicht richtig, nicht 20 vollständig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise in den Verkaufsprospekt aufgenommen, so begeht der Anbieter eine Ordnungswidrigkeit iS von § 17 Abs. 1 Nr. 2 VerkProspG, die gemäß § 17 Abs. 3 VerkProspG mit einer Geldbuße bis zu 100.000 Euro geahndet werden kann.

§ 8i Hinterlegungsstelle, Rechte der Hinterlegungsstelle, sofortige Vollziehung (1) Der Anbieter muss den für die Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 zu erstellenden Verkaufsprospekt vor seiner Veröffentlichung der Bundesanstalt als Hinterlegungsstelle übermitteln. (2) Der Verkaufsprospekt für Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 darf erst veröffentlicht werden, wenn die Bundesanstalt die Veröffentlichung gestattet. Die Bundesanstalt hat dem Anbieter ihre Entscheidung hinsichtlich der Gestattung innerhalb von 20 Werktagen nach Eingang des Verkaufsprospekts mitzuteilen. Gelangt die Bundesanstalt zu der Auffassung, dass die ihr übermittelten Unterlagen unvollständig sind, beginnt die Frist des Satzes 2 erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Anbieter die fehlenden Unterlagen vorlegt. Die Bundesanstalt soll dem Anbieter innerhalb von zehn Werktagen nach Eingang des Verkaufsprospekts mitteilen, wenn sie weitere Unterlagen nach Satz 3 für erforderlich hält. Die Bundesanstalt untersagt die Veröffentlichung, wenn der Verkaufsprospekt nicht die Angaben enthält, die nach § 8g Abs. 1, auch in Verbindung mit der nach § 8g Abs. 2 und 3 zu erlassenden Rechtsverordnung, erforderlich sind. § 10 bleibt unberührt. (3) Die Bundesanstalt bestätigt dem Anbieter den Tag des Eingangs des Verkaufsprospekts. Der hinterlegte Verkaufsprospekt wird von der Bundesan1 Lüdicke in Arndt/Voß, § 8h VerkProspG Rz. 13.

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Rechte der Hinterlegungsstelle, sofortige Vollziehung

stalt zehn Jahre aufbewahrt. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Verkaufsprospekt hinterlegt worden ist. (4) Die Bundesanstalt untersagt das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1, wenn sie Anhaltspunkte dafür hat, dass der Anbieter entgegen § 8f Abs. 1 keinen Verkaufsprospekt veröffentlicht hat oder der Verkaufsprospekt nicht die Angaben enthält, die nach § 8g Abs. 1, auch in Verbindung mit einer nach § 8g Abs. 2 und 3 erlassenen Rechtsverordnung, erforderlich sind. (4a) Der Anbieter hat auf Verlangen der Bundesanstalt Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die die Bundesanstalt benötigt 1. zur Überwachung der Einhaltung der Pflichten nach den Absätzen 1, 2 Satz 1, § 8f Abs. 1 und den §§ 9 bis 11 sowie 12, oder 2. zur Prüfung, ob der Verkaufsprospekt die Angaben enthält, die nach § 8g Abs. 1 auch in Verbindung mit einer auf Grund des § 8g Abs. 2 und 3 erlassenen Rechtsverordnung erforderlich sind. (4b) Die Bundesanstalt kann die Erteilung von Auskünften und die Vorlage von Unterlagen auch von demjenigen verlangen, bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Anbieter im Sinne dieses Gesetzes ist. (4c) Der zur Erteilung einer Auskunft Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Der Verpflichtete ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. (5) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach Absatz 2 Satz 5 und nach den Absätzen 4, 4a und 4b haben keine aufschiebende Wirkung. In der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701), zuletzt geändert durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630). Schrifttum: Fleischer, Prospektpflicht und Prospekthaftung für Vermögensanlagen des Grauen Kapitalmarkts, BKR 2004, 339; Grimme/Ritz, Die Novellierung verkaufsprospektrechtlicher Vorschriften durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1998, 2091; Kopp/Ramsauer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. 2008; Lenz/Ritz, Die Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes zum Wertpapierverkaufsprospektgesetz, WM 2000, 904; Lüdicke/Arndt (Hrsg.), Geschlossene Fonds, 5. Aufl. 2009; Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008; Weber, Internetemissionen, MMR 1999, 385. Siehe auch Einl. VerkProspG und § 8f VerkProspG.

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§ 8i VerkProspG

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . .

1

II. Regelungsinhalt . . . . . . . . .

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III. Übermittlung des Verkaufsprospekts (§ 8i Abs. 1 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Einleitung des Hinterlegungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Formelle Anforderungen an den Antrag auf Hinterlegung 15 IV. Verfahren zur Gestattung der Veröffentlichung (§ 8i Abs. 2 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . 1. Prüfungsfrist (§ 8i Abs. 2 Satz 2 VerkProspG) . . . . . . . 2. Prüfungsumfang (§ 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG) . . . . . . . 3. Nachforderung von Unterlagen (§ 8i Abs. 2 Sätze 3 und 4 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . 4. Untersagung der Veröffentlichung (§ 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . 5. Nachträge gemäß § 10 VerkProspG (§ 8i Abs. 2 Satz 6 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . 6. Gestattung (§ 8i Abs. 2 Satz 1 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . a) Einwirkungsmöglichkeiten auf die erteilte Gestattung vor der Veröffentlichung . . b) Einwirkungsmöglichkeiten auf die erteilte Gestattung nach der Veröffentlichung . V. Eingangsbestätigung, Hinterlegung (§ 8i Abs. 3 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . . .

21 24 32 38 41 46 47 48 52

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VI. Untersagung des öffentlichen Angebots (§ 8i Abs. 4 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anhaltspunkte für einen Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Untersagung wegen Nichtveröffentlichung eines Verkaufsprospekts (§ 8i Abs. 4 Alt. 1 VerkProspG) . . . . . . . . 3. Untersagung des öffentlichen Angebots wegen Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts (§ 8i Abs. 4 Alt. 2 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Amtshaftung . . . . . . . . . . . . a) Anlegerbetroffenheit . . . . b) Anbieterbetroffenheit . . . . VII. Auskunfts- und Vorlagerechte der BaFin (§ 8i Abs. 4a bis 4c VerkProspG) . . . . . . . . . . . . 1. Auskunfts- und Vorlageersuchen gegenüber dem Anbieter (§ 8i Abs. 4a VerkProspG) . . . a) Gegenstand der Auskunft . b) Formelle Anforderungen an das Verwaltungshandeln . . c) Durchsetzung des Auskunfts- oder Vorlageverlangens mit Zwangsmitteln . 2. Auskunfts- und Vorlageersuchen gegenüber dem vermuteten Anbieter (§ 8i Abs. 4b VerkProspG) . . . . . . . . . . . . 3. Auskunftsverweigerungsrecht (§ 8i Abs. 4c VerkProspG) . . . VIII. Sofortige Vollziehung (§ 8i Abs. 5 VerkProspG) . . . . . . .

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68

71 74 77 78

79 80 81 83 84

89 91 94

I. Normentwicklung Die Vorschrift ist durch das AnSVG v. 28.10.20041 neu in das Verkaufspro- 1 spektgesetz aufgenommenen worden. Sie fasst sämtliche für das originäre Hinterlegungsverfahren und die flankierenden Marktüberwachungsverfahren notwendigen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften zusammen. Die in ihr enthaltenen Regelungen übernehmen dabei größtenteils die Regelungen der §§ 8 bis 8d VerkProspG aF bzw. modifizieren diese teilwei1 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BGBl. I 2004, 2630.

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se. § 8i Abs. 1 VerkProspG entspricht § 8 Satz 1 VerkProspG aF. Diese Vorgängervorschrift diente der Umsetzung von Art. 14 Emissionsprospektrichtlinie1 und forderte die Notwendigkeit der Übermittlung der Verkaufsprospekte vor ihrer Veröffentlichung an eine bestimmte Hinterlegungsstelle. Die zuvor an die zuständigen obersten Landesbehörden übertragende Aufgabe wurde mit dem 2. FFG2 an die Aufsichtsbehörde – das seinerzeitige BAWe – übertragen und ging im Zuge der Integration der Finanzmarktaufsicht auf die BaFin über (Art. 5 und Art. 20 Abs. 3 FinDAG3). 2

Die Regelungen des § 8i Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 VerkProspG enthalten einen Paradigmenwechsel gegenüber ihrer Vorgängervorschrift § 8a Abs. 1 VerkProspG aF. Die Fiktion einer Gestattung durch Zeitablauf wird zugunsten einer tatsächlich notwendigen Gestattung der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts durch die BaFin aufgegeben. Der Gesetzgeber führt diese Abweichung auf die höchst unterschiedlichen Anlageformen des Marktsegments der Vermögensanlagen zurück. Standardisierte oder von institutionellen Anbietern erarbeitete Verkaufsprospekte wie im Wertpapierbereich dürften eher die Ausnahme sein. Dies geht auch mit der Verlängerung der Prüffrist auf 20 Werktage einher.

3

Die auf § 8i Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 VerkProspG beruhende Möglichkeit der Fristverlängerung geht auf das AnSVG zurück. Die Regelungen von § 8i Abs. 2 Satz 5 und 6 VerkProspG haben § 8a Abs. 2 VerkProspG aF als Vorbild und entstanden auf der Grundlage von Art. 2 Nr. 10 des 3. FFG4.

4

Die Vorschrift des § 8i Abs. 3 Sätze 1 bis 3 VerkProspG übernimmt den Wortlaut von § 8 Sätze 3 bis 5 VerkProspG aF. Während § 8 Satz 3 VerkProspG aF auf Art. 2 Nr. 9 des 3. FFG beruht, haben die Vorschriften des § 8 Satz 4 und Satz 5 VerkProspG aF ihren Ursprung in Art. 5 Nr. 5 des 4. FFG5.

5

Die Vorschrift des § 8i Abs. 4 VerkProspG überträgt die Regelung von § 8b VerkProspG aF auf Vermögensanlagen; die Bestimmungen des § 8i Abs. 4a, 4b und 4c VerkProspG entsprechen in ihrer Regelung § 8c Abs. 1, 2 und 3 VerkProspG aF und sind, mit Ausnahme von § 8c Abs. 4b VerkProspG aF, der erst auf Grund des Art. 5 Nr. 6 des 4. FFG in das Gesetz eingeführt wurde, auf Art. 2 Nr. 10 des 3. FFG zurückzuführen. 1 Richtlinie vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospektes, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8, 13 (inzwischen aufgehoben). 2 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz – 2. FFG), BGBl. I 1994, 1749. 3 Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht v. 22.4.2002, BGBl. I 2002, 1310. 4 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz – 3. FFG) v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, 529. 5 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz – 4. FFG) v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, 2010.

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§ 8i VerkProspG

Die Vorschrift des § 8i Abs. 5 VerkProspG beruht auf der Regelung des § 8d VerkProspG aF, der durch Art. 2 Nr. 10 des 3. FFG eingeführt wurde.

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II. Regelungsinhalt In § 8i VerkProspG werden sämtliche für das originäre Hinterlegungsver- 7 fahren (Abs. 1 bis 3) und die flankierenden Marktüberwachungsverfahren (Abs. 4 und 5) notwendigen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften zusammengefasst. Zur Hinterlegung darf die BaFin nur Verkaufsprospekte annehmen, die in 8 den Anwendungsbereich des § 8f Abs. 1 VerkProspG fallen und nicht einer Ausnahmevorschrift gemäß § 8f Abs. 2 VerkProspG zuzuordnen sind. Der Vorgang der Hinterlegung umfasst die Eingangserfassung und -bestätigung, die Prüfung, ob im Verkaufsprospekt die gesetzlich erforderlichen Angaben enthalten sind, sowie die Archivierung des Verkaufsprospekts. Diese ursprünglich in § 1 Satz 2 VerkProspGebV1 enthaltene Definition der Hinterlegung wurde vom Gesetzgeber im Rahmen der Ausdehnung der Prospektpflicht auf Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG nicht ausdrücklich fortgeführt. Aufgrund der Systematik der Regelungen in § 8i Abs. 1 bis 3 VerkProspG wird jedoch deutlich, dass eine Abkehr vom bisherigen Verständnis der Hinterlegung nicht angezeigt ist. Die genannten Absätze enthalten Regelungen, die mit dem bisherigen Verständnis des Begriffs „Hinterlegung“ übereinstimmen. Die Teilschritte der Eingangserfassung und -bestätigung, die Prüfung der Vollständigkeit der Angaben des übermittelten Verkaufsprospekts sowie die Archivierung des Verkaufsprospekts finden sich in § 8i Abs. 1 bis 3 VerkProspG wieder. Die Änderung und Verlagerung des Schwerpunkts der Hinterlegung auf das Verwaltungsverfahren zur Erlangung der Gestattung der Veröffentlichung des übermittelten Verkaufsprospekts hat auf die Ausfüllung des Begriffs der Hinterlegung keine direkte Auswirkung, da lediglich eine Verschärfung des Verwaltungsverfahrens in Form der Abschaffung der Gestattungsfiktion vorgenommen wurde, das Verfahren selbst ansonsten dem gleichen Zweck dient. Auch bestätigt § 4 Satz 1 Nr. 1 VermVerkProspV ein weites Verständnis des Begriffes der Hinterlegung, das sich nicht lediglich auf die tatsächliche Archivierung des Verkaufsprospekts beschränkt. Denn die Frage, ob die Anzahl oder der Gesamtbetrag der angebotenen Vermögensanlage noch nicht feststeht und deshalb einer besonderen Hervorhebung im Verkaufsprospekt bedarf, ist eine Frage, die im Rahmen der Vollständigkeitskontrolle der Angaben im Prüfverfahren zur Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts geklärt wird und nicht erst bei dessen Archivierung.

1 Verordnung über Gebühren für die Hinterlegung von Verkaufsprospekten (Verkaufsprospektgebührenverordnung) v. 7.5.1999 (BGBl. I 1999, 874), zuletzt geändert durch Art. 20 des FinDAG v. 22.4.2002 (BGBl. I 2002, 1310).

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III. Übermittlung des Verkaufsprospekts (§ 8i Abs. 1 VerkProspG) 9

Um ein förmliches Verwaltungsverfahren für die Hinterlegung eines Verkaufsprospekts für Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG einleiten zu können, muss der Anbieter der Vermögensanlage den Verkaufsprospekt zunächst an die BaFin übermitteln. Diese wird vom Gesetz ausdrücklich als die zuständige Behörde für die Hinterlegung von Verkaufsprospekten von Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG benannt. Diese ausdrückliche Benennung erfolgte im Interesse der Rechtsklarheit1. 1. Einleitung des Hinterlegungsverfahrens

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Die BaFin leitet bei eingegangenen Verkaufsprospekten das Verfahren zur Hinterlegung mit der Überprüfung der Vollständigkeit zur Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts nur im Rahmen der ihr nach § 8f Abs. 1 VerkProspG zugemessenen Zuständigkeit für Verkaufsprospekte für Vermögensanlagen ein.

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Hinterlegunsfähig sind nur Verkaufsprospekte, die für ihre Veröffentlichung einer Gestattung der BaFin bedürfen. Freiwillig erstellte Verkaufsprospekte können mangels Rechtsgrundlage nicht zur Hinterlegung angenommen werden2. Denn die BaFin kann ihre Marktaufsichtsrechte und die dazu bestehenden Sanktionsmöglichkeiten nur bei öffentlich angebotenen Vermögensanlagen ausüben, für die eine Prospektpflicht nach § 8f Abs. 1 VerkProspG besteht. Der Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes mit seiner angestrebten Schutzfunktion für das Anlegerpublikum würde anderenfalls verwässert, da der Anleger bei öffentlich angebotenen Vermögensanlagen nicht mehr davon ausgehen könnte, dass dem Verkaufsprospekt nur Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG zugrunde liegen3.

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Die Annahme des vom Anbieter eingereichten Verkaufsprospekts zur Prüfung der Gestattung der Veröffentlichung ist von der BaFin jedoch vorzunehmen, wenn vom Anbieter in hinreichender Weise in seinem Antrag zum Ausdruck gebracht wird, dass eine zum Zeitpunkt der Einreichung bestehende Prospektfreiheit auf Grund einer Ausnahmeregelung nach § 8f Abs. 2 VerkProspG durch ein Angebot an das allgemeine Publikum erweitert wird. In diesen Fällen hat die BaFin den eingereichten Verkaufsprospekt zur Prüfung anzunehmen, weil die Prospektpflicht dem Grunde nach bereits gegeben und nur der Zeitpunkt des öffentlichen Angebots verschoben ist4. Die Erweiterung des Angebots an das öffentliche Publikum muss konkret festgelegt sein. Nur vage Absichtserklärungen reichen nicht aus.

1 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43. 2 Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 54; Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 13 f. 3 Bereits Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8 VerkProspG Rz. 11. 4 Schon Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8 VerkProspG Rz. 12.

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Das Gleiche gilt in Bezug auf die Hinterlegung eines Verkaufsprospekts zu 13 einem öffentlichen Angebot einer Beteiligung an einem zum Zeitpunkt der Antragsstellung noch nicht gegründeten Unternehmen. Denn ein öffentliches Angebot und damit eine Pflicht zur Hinterlegung eines zuvor zur Veröffentlichung gestatteten Verkaufsprospekts liegt bereits dann vor, wenn das allgemeine Anlegerpublikum die Beteiligung unter der aufschiebenden, von ihm nicht beeinflussbaren Bedingung der Gründung des Unternehmens eingehen kann und mit Gründung des Unternehmens der einzelne Anleger ohne weiteres Zutun aus dem Beteiligungsvertrag unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird1. Eine Hinterlegung für Verkaufsprospekte scheidet damit aus, wenn die Ver- 14 mögensanlagen wegen ihrer gesamten Konzeption auf Grund einer Ausnahmeregelung des § 8f Abs. 1 und 2 VerkProspG nicht der Prospektpflicht unterworfen sind. Mangels Rechtsgrundlage kann die BaFin im Vorfeld keine Freistellungsbescheinigungen für solche Verkaufsprospekte erteilen. Eine Bestätigung der Prospektfreiheit für eine konkrete Vermögensanlage ergibt sich indirekt über die Abweisung des Antrags auf Gestattung der Veröffentlichung nach der Übermittlung des Verkaufsprospekts mit dem Ziel der Hinterlegung. Die BaFin ist zur Entgegennahme des Antrags verpflichtet (§ 24 Abs. 3 VwVfG). Erst nach der Entgegennahme darf die Behörde über Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Antrags entscheiden2. Dies gilt auch dann, wenn die Behörde den Antrag auf Grund eines fehlenden Sachentscheidungsinteresses abweist3. Ein fehlendes Sachentscheidungsinteresse wird insbesondere dann vorliegen, wenn der Anbieter bereits zuvor für die verfahrensgegenständliche Vermögensanlage die Gestattung zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts erhalten hat, des Weiteren, wenn das Angebot keine Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG beinhaltet oder das Angebot nicht im Inland erfolgen soll. Dem Anbieter stehen gegen diese Entscheidung die üblichen verfahrensrechtlichen Rechtsbehelfe zur Verfügung. 2. Formelle Anforderungen an den Antrag auf Hinterlegung Der Antrag auf Hinterlegung des Verkaufsprospekts bedarf keiner bestimmten Form. Er kann sowohl ausdrücklich über ein dem Verkaufsprospekt beigefügtes Begleitschreiben zum Ausdruck kommen, als auch konkludent durch die bloße Übersendung eines Verkaufsprospekts erfolgen.

15

Der Anbieter der Vermögensanlage kann sich für die Übermittlung der Hilfe von Bevollmächtigten bedienen, bspw. Rechtsanwälte oder Beratungsunternehmen. Die Vorlage einer Vollmacht zusammen mit der Übermittlung des Verkaufsprospekts ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 VwVfG nicht zwingend not-

16

1 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 29. 2 Vgl. hierzu auch die Gebührenregelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspGebV. 3 Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, § 24 VwVfG Rz. 73, 74.

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wendig, vielmehr muss die Behörde bis zur schriftlichen Aufforderung zur Vorlage einer Vollmacht den als Vertreter des Anbieters auftretenden als Bevollmächtigten behandeln, sofern keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte gegen die behauptete Vollmacht sprechen1. Die BaFin wird aber bereits aus den Gründen der Geheimhaltungsverpflichtung gemäß § 8k VerkProspG regelmäßig eine Vollmacht anfordern. Aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung sollten die Anbieter diese jeweils bereits bei der Übermittlung des Verkaufsprospekts gleichfalls übersenden lassen. 17

Der Begriff der Übermittlung gibt keinen bestimmten Übertragungsweg des Verkaufsprospekts vor. Die Verkörperung des Verkaufsprospekts in einem Dokument erfordert lediglich, dass ein Schriftstück an die BaFin übermittelt werden muss.

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Die Übermittlung auf dem Postweg erweist sich in der Praxis als am geeignetsten. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Verkaufsprospekt eine Originalunterschrift des Anbieters enthält, die als Angabe nach § 2 Abs. 4 VermVerkProspV Voraussetzung für die Vollständigkeit des Verkaufsprospekts ist, um eine Gestattung der Veröffentlichung erhalten zu können. Des Weiteren eröffnet die Originalunterschrift des Anbieters eine Verknüpfung zur Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG und der Strafvorschrift des § 264a Abs. 1 StGB (Kapitalanlagebetrug). Folglich ist es im Hinterlegungsverfahren sachdienlich und notwendig, wenn die BaFin im Sinne des Anlegerschutzes auf der Übermittlung eines Prospekts mit Originalunterschrift besteht, zumal dadurch mögliche Schutzbehauptungen des Erklärenden entkräftet oder verhindert werden können2.

19

Eine Übermittlung des Verkaufsprospekts per Telefax wird von der BaFin nur dann als ausreichend angesehen, wenn der Verkaufsprospekt mit der Originalunterschrift parallel dazu unverzüglich nachgereicht wird3. Dies stellt ein Entgegenkommen der BaFin dar, um dem oftmals auf Seiten der Anbieter vorhandenen Zeitdruck Rechnung zu tragen. Die Verfahrensweise trägt zur Erleichterung der kurzfristigen Festsetzung von Angaben für Nachträge nach § 10 VerkProspG bei, die damit nahezu zeitgleich festgelegt, veröffentlicht und der BaFin übermittelt werden können. Auf ihrer Internetseite weist die BaFin ausdrücklich darauf hin, dass die bloße Übermittlung des Verkaufsprospekts per Telefax nicht genügt und die Eingangsbestätigung als gegenstandslos anzusehen ist, wenn am dritten Werktag nach der TelefaxHinterlegung der Verkaufsprospekt noch nicht im Original und vom Anbie-

1 Vgl. Bonk/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 14 VwVfG Rz. 14. 2 Bereits Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8 VerkProspG Rz. 15. 3 Ziff. VI. der Bekanntmachung des BAWe zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2835) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180.

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ter eigenhändig unterschrieben vorliegt1. Nach diesem Fristablauf eingehende Verkaufsprospekte werden als neu übermittelter Verkaufsprospekt mit erneuertem Beginn der Prüfungsfrist nach § 8i Abs. 2 Satz 2 VerkProspG angesehen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit der elektronischen Übermittlung des Verkaufsprospekts über die Melde- und Veröffentlichungsplattform via Internet2. Der Wortlaut des § 8i Abs. 1 Satz 1 VerkProspG schließt eine elektronische Prospekthinterlegung nicht aus3. Bei einer Übermittlung ausschließlich per E-Mail stellen sich jedoch Zweifelsfragen im Hinblick auf die Authentizität der übermittelten Dokumente. Die Authentizität muss mittels digitaler Signatur gewährleistet werden (vgl. § 126a Abs. 1 BGB).

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IV. Verfahren zur Gestattung der Veröffentlichung (§ 8i Abs. 2 VerkProspG) Die Regelungen des § 8i Abs. 2 VerkProspG haben die Voraussetzungen und den Ablauf des Verwaltungsverfahrens zum Gegenstand, das dem Anbieter die Veröffentlichung seines übermittelten Verkaufsprospekts an das Publikum ermöglichen soll. Das Gesetz umschreibt die Voraussetzungen, die zur Erteilung der Gestattung der Veröffentlichung führen, in einer negativen Abgrenzung. Gemäß § 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG führt die Unvollständigkeit der Angaben nach § 8g Abs. 1 VerkProspG sowie in Verbindung mit der nach § 8g Abs. 2 und 3 erlassenen Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung zu einer Untersagung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts. Dem Anbieter steht es in einem solchen Fall frei, den Verkaufsprospekt nach einer Ergänzung der beanstandeten Angaben erneut zur Hinterlegung an die BaFin zu übermitteln und ein neues Gestattungsverfahren zur Veröffentlichung in Gang zu setzen.

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Die Regelung des § 8i Abs. 2 Satz 1 VerkProspG bringt die Änderung des gesetzgeberischen Willens in Bezug auf den Ablauf des Prüfverfahrens gegenüber der Vorgängervorschrift § 8a Abs. 1 VerkProspG aF zum Ausdruck. Sie enthält eine bewusste Abkehr von der Fiktion einer Gestattung durch Zeitablauf zugunsten einer für die Veröffentlichung notwendigerweise tatsächlich zu erteilenden Gestattung der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts durch die BaFin. Hintergrund für diese Abweichung sind die höchst unterschiedlichen Anlageformen des Marktsegments der Vermögensanlagen, bei denen standardisierte oder von institutionellen Anbietern

22

1 Abrufbar unter: http://www.bafin.de/cln_152/nn_724462/DE/Unternehmen/ AllgemeinePflichten/ProspekteVermoegensanlagen/Verfahren/verfahren__node. html?__nnn=true. 2 Abrufbar unter: http://www.bafin.de/cln_152/nn_724536/DE/Unternehmen/ MeldeplattformMVP/meldeplattformmvp__node.html?__nnn=true. 3 Vgl. Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 18; auch bereits Weber, MMR 1999, 385 (388).

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erarbeitete Verkaufsprospekte wie im Wertpapierbereich eher die Ausnahme sein dürften1. 23

Die Gestattung bzw. die Untersagung der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts stellt keine Ermessens-, sondern eine gebundene Entscheidung der BaFin dar. 1. Prüfungsfrist (§ 8i Abs. 2 Satz 2 VerkProspG)

24

Innerhalb von 20 Werktagen ist die BaFin zur Entscheidung über eine Gestattung der Veröffentlichung eines übermittelten Verkaufsprospekts verpflichtet (§ 8i Abs. 2 Satz 2 VerkProspG). Die Prüfungsfrist zur Feststellung der Vollständigkeit der Angaben des übermittelten Verkaufsprospekts ist damit grundsätzlich auf diese Frist begrenzt und als gesetzlich bestimmte Frist keiner Verlängerung zugänglich.

25

Die Frist beginnt grundsätzlich am nächsten Werktag nach dem Eingang des Verkaufsprospekts bei der BaFin (vgl. § 31 VwVfG iVm. §§ 187 bis 193 BGB). Es handelt sich um eine so genannte uneigentliche Frist für das konkrete Verfahren, die das Gesetz der Behörde als Verfahrensträgerin zur Beachtung setzt2. Der Samstag ist als Werktag einzubeziehen, dies gilt auch für die Berechnung des Fristablaufs3. Bei der Berücksichtigung von Feiertagen für die Berechnung der Frist ist auf die für den Dienstsitz geltende Feiertagsregelung abzustellen, an dem die Prüfungshandlung vorgenommen wird4. Da die Hinterlegung von Vermögensanlagenverkaufsprospekten am Dienstsitz der BaFin in Frankfurt am Main vorgenommen wird, gilt damit die Feiertagsregelung für das Land Hessen.

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Stellt die BaFin im Prüfungsverfahren die Unvollständigkeit der übermittelten Unterlagen fest, beginnt die Frist erst mit dem Zeitpunkt der Vorlage dieser fehlenden Unterlagen durch den Anbieter erneut zu laufen (§ 8i Abs. 2 Satz 3 VerkProspG). Die Vorschrift ermöglicht der BaFin ihre Entscheidung über die Gestattung der Veröffentlichung anhand einer gründlichen Prüfung der Vollständigkeit einzelner Angaben vorzunehmen. Die Vorschrift sichert damit einen hohen Prüfungsstandard ab. Denn der Markt der Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG ist durch höchst unterschiedliche Anlageformen gekennzeichnet, die eine mit Wertpapierprospekten vergleichbare Standardisierung nicht kennt5. Der Gewährleistung des Anlegerschutzes anhand der vollständigen Information eines Verkaufsprospekts ist der Vorrang gegenüber der Planungssicherheit der Anbieter, die

1 2 3 4 5

Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, § 31 VwVfG Rz. 8 ff. Bereits Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8a VerkProspG Rz. 16. Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, § 31 VwVfG Rz. 36. Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43.

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bereits einen Anspruch auf eine Entscheidung innerhalb von 20 Werktagen haben, eingeräumt worden1. Für den Begriff der Unterlagen ist ein weites, aber auf das Verfahren der Hinterlegung konkretisiertes Verständnis angezeigt, dh. die Unterlage muss den Abschnitten der Hinterlegung zugeordnet werden können2. Denn das Verfahren zur Nachforderung von Unterlagen ist allgemein in die Regelungen zum Prüfverfahren des § 8i Abs. 2 VerkProspG eingebettet, ohne dass ein konkreter Bezug zu einem bestimmten Verfahrensabschnitt getroffen wird. Unterlagen iS der Regelungen sind daher zum einen diejenigen Dokumente, die die BaFin zur Überprüfung der Vollständigkeit der Angaben des Verkaufsprospekts gemäß § 8g Abs. 1 VerkProspG sowie in Verbindung mit der nach § 8g Abs. 2 und 3 VerkProspG erlassenen Rechtsverordnung benötigt sowie zum anderen die Unterlagen, die die BaFin zusätzlich zur Durchführung des Verfahrens braucht.

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Die Angaben des Verkaufsprospekts als solche sowie der Verkaufsprospekt im Ganzen als Sammlung von Angaben sind als zwingende Voraussetzungen einer Hinterlegung vom Begriff der Unterlage nicht erfasst3.

28

Als Unterlagen kommen beispielsweise in Betracht: die Bevollmächtigung 29 zur Durchführung des Verfahrens4; Verträge, die in einem Zusammenhang mit den Angaben zur Vermögensanlage stehen5; Bewertungsgutachten zum Anlageobjekt6; Jahresabschlüsse und Lageberichte sowie ihre Testate. Grundsätzlich nicht zu den Unterlagen ist hingegen die Originalunterschrift des Anbieters zu zählen, da sie grundsätzlich sicherstellt, dass der Verkaufsprospekt mit dem Willen des Anbieters in den Rechtsverkehr gebracht wurde und nicht nur einen Entwurf darstellt7. Sie ist damit bereits Voraussetzung zur Eröffnung des Verfahrens; ihr kommt aber darüber hinaus ein dualer Charakter im Rahmen der Angabeverpflichtung nach § 2 Abs. 4 VermVerkProspV zu8. Ebenfalls nicht erfasst ist die ÜberkreuzCheckliste. Sie stellt lediglich ein Hilfsmittel für das Verfahren der Überprüfung der Vollständigkeit der Angaben dar, stellt aber die Prüfbarkeit der einzelnen Angabe als solche nicht in Frage9.

1 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/3493, S. 49 f.; auch Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8i VerkProspG Rz. 3. 2 Vgl. dazu Rz. 82 zum abweichenden Begriff der Unterlage im Rahmen der Marktüberwachung. 3 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 37. 4 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 39; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8i VerkProspG Rz. 2. 5 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 39. 6 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 39. 7 Vgl. Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rz. 31. 8 AA im Sinne einer bloßen Angabe Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 39. 9 Siehe auch Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 39.

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Die Unterlagen sind unvollständig, wenn ohne ihre Vorlage ein Prüfungsverfahren nicht eingeleitet werden kann oder ihr Inhalt nicht geeignet ist, die Beseitigung eines Mangels der Vollständigkeit von Angaben im Verkaufsprospekt im Rahmen des Prüfungsverfahrens zu ermöglichen und daher in der Folge eine Untersagung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts nach sich ziehen würde1. Die BaFin soll diesen Umstand dem Anbieter innerhalb von zehn Werktagen nach Eingang des Verkaufsprospekts durch Nachforderung der entsprechenden Unterlagen mitteilen, § 8i Abs. 2 Satz 4 VerkProspG. Die Regelung ist sowohl hinsichtlich der Nachforderung als auch hinsichtlich der zehntägigen Frist eine „Soll-“ Vorschrift. Während die Anforderung von Unterlagen gegenüber dem Anbieter zur Ausräumung von Fragen der Vollständigkeit des Verkaufsprospekts regelmäßig aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erfolgen wird, ist die Einhaltung der zehntägigen Frist zur Anforderung der Unterlagen regelmäßig von der Anzahl der laufenden Verfahren abhängig.

31

Bei einem teilweise oder vollständig in einer Fremdsprache übermittelten Verkaufsprospekt bestimmt sich der Beginn der Frist für das Gestattungsverfahren nach dem Tag, an dem die BaFin gegenüber dem Anbieter die Gestattung der Verwendung dieser Fremdsprache ausspricht (§ 2 Abs. 2 Satz 4 VermVerkProspV). In der Praxis wird die Eingangsbestätigung mit der Gestattung der Verwendung der fremdsprachigen Abfassung des Verkaufsprospekts verbunden, wenn keine besonderen Gründe gegen die Verwendung der ausländischen Sprache bestehen, so dass sich der Fristbeginn nach dem Eingang des Verkaufsprospekts richtet2. Bei einer Ablehnung der fremdsprachigen Abfassung durch die BaFin beginnt die Frist erst mit der Übermittlung eines Verkaufsprospekts in deutscher Sprache. 2. Prüfungsumfang (§ 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG)

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Der Prüfungsumfang bestimmt sich nach § 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG. Der Verkaufsprospekt muss alle nach § 8g Abs. 1 VerkProspG in Verbindung mit der nach § 8g Abs. 2 und 3 VerkProspG erlassenen VermVerkProspV erforderlichen Angaben enthalten. Die Beschreibung dieses Prüfungsumfangs begrenzt und beschreibt den Umfang des Anlegerschutzes. Die Angaben in dem übermittelten Verkaufsprospekt werden von der BaFin nicht hinsichtlich ihrer inhaltlichen („materiellen“) Richtigkeit überprüft. Über die Aufnahme des Hinweises nach § 8g Abs. 1 Satz 3 VerkProspG bzw. § 2 Abs. 2 Satz 2 VermVerkProspV ist dies gegenüber dem Anleger vom Anbieter deutlich im Verkaufsprospekt zum Ausdruck zu bringen. Dies soll den Anleger davor bewahren, die von der BaFin ausgesprochene Gestattung der Prospektveröffentlichung als Indiz für die Seriosität des Angebots zu werten, obgleich die Prospektprüfung diesbezüglich keine Aussagekraft besitzt. Die Vollständigkeit des Verkaufsprospekts muss formell hinsichtlich der Min1 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 37. 2 Bereits Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8a VerkProspG Rz. 17.

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destangaben erfüllt sein. Eine Prüfung der Erfüllung von weiteren Angabeverpflichtungen entzieht sich einer formellen Bewertung der Vollständigkeit anhand der vorgelegten Unterlagen und würde eine nicht beabsichtigte Plausibilitätskontrolle der Vermögensanlage bedeuten. Eine Überprüfung der Bonität der Emissionsgesellschaft oder eine Prüfung der tatsächlichen Plausibilität der Vermögensanlage in Hinblick auf Werthaltigkeit und Umsetzbarkeit der Anlageziele und -politik ist durch das Gesetz nicht vorgesehen1. Eine Verpflichtung der BaFin zur Beachtung von Umständen, die zu einer Übervorteilung des Publikums führen können, ist durch das AnSVG ebenfalls nicht in das Verkaufsprospektgesetz aufgenommen worden2. Vielmehr obliegt es dem Anleger, sich mit dem Risiko, welches mit dem Erwerb von Vermögensanlagen von Emittenten außerhalb eines staatlich überwachten Marktsegmentes einhergeht, auseinander zu setzen und die Folgen der Anlageentscheidung selbst zu tragen. Das Risiko einer Fehlinvestition kann von staatlicher Seite nicht durch eine Überprüfung der tatsächlichen Richtigkeit der Prospektangaben aufgefangen werden, zumal entsprechende Kontrollen weder innerhalb der knappen 20tägigen Frist noch von den Bediensteten der BaFin zu leisten wären3.

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Dennoch richtet sich die Erfüllung des Kriteriums „Vollständigkeit der Angaben“ nicht allein nach der Vollzähligkeit der Angaben. Denn im Rahmen der Schaffung des AnSVG wurde die bisherige Handhabung der Gestattung einer Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts aufgegeben.

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Nach der Rechtslage unter § 8a VerkProspG aF entsprach der Prüfungs- 35 umfang der formellen Vollständigkeit für die Erteilung einer Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts dem bei einer Prüfung des Jahresund Konzernabschlusses gemäß § 329 Abs. 1 HGB anzuwendenden, vergleichbaren Maßstab für das Registergericht4. Die Überprüfung des Registergerichts erstreckte sich dabei nur darauf, ob es sich bei den eingereichten Unterlagen um die tatsächlich einzureichenden handelte und ob diese vollzählig waren5. Weder eine Prüfung der Richtigkeit der Angaben noch eine eventuelle Bemängelung offensichtlicher Nichtigkeiten der Unterlagen wurden vom Registergericht vorgenommen6. Dem entsprechend war für das Verfahren der Gestattung der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts

1 Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100 S. 53; Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 31. AA in Bezug auf die Plausibilitätsprüfung Fleischer, BKR 2004, 339 (342). 2 Vgl. in Bezug auf die Einbeziehung von Wertpapieren in den regulierten Markt § 33 Abs. 1 Nr. 2 BörsG. 3 Vgl. bereits zum Prüfungsumfang von Wertpapieren nach § 8a VerkProspG aF Lenz/Ritz, WM 2000, 904 (910). 4 Begr. RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 87. 5 Merkt in Baumbach/Hopt, § 329 HGB Rz. 1; Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8a VerkProspG Rz. 6. 6 Merkt in Baumbach/Hopt, § 329 HGB Rz. 1.

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auch nur auf die eingereichten Unterlagen zur Beurteilung der Vollständigkeit abzustellen1. 36

Die neue Regelung des § 8i Abs. 2 VerkProspG erfolgte in Anlehnung an die Regelung des § 8a VerkProspG aF und die Regelungen der EU-Prospektrichtlinie 2003/71/EG (Einl. VerkProspG Rz. 11)2.

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Im Gesetzgebungsverfahren wurde das Erfordernis einer Gestattung zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts aus Gründen der damit einhergehenden, fehlenden Planungssicherheit in Bezug auf die Unterrichtung der Vertriebspartner zum Beginn der Platzierung, der Gesamtdauer der Platzierung sowie der Bestimmung eines eventuellen Zwischenfinanzierungsbedarfs für den Anbieter kritisiert und die Fortführung der Gestattungsfiktion nach Ablauf der Prüffrist gefordert, wobei die Effizienz des Gestattungsverfahrens notfalls über die Kopplung der Übermittlung des Verkaufsprospekts mit der Einreichung eines zuvor erstellten Wirtschaftspüfergutachtens nach IDWStandard hätte sichergestellt werden können3. In der Gegenäußerung der Bundesregierung erteilte diese den Vorschlägen eine klare Absage. Danach wäre auf Grund von Art. 13 Abs. 2 Prospektrichtlinie eine wie in § 8a VerkProspG aF umgesetzte nationale Genehmigungsfiktion nicht mehr möglich, da ansonsten der für Anleger risikoreichere Bereich des „Grauen Kapitalmarkts“ geringere Anforderungen als für den stärker regulierten und standardisierten Bereich der Wertpapiere aufweisen würde4. Die Kritik wurde dann in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses nur insoweit aufgegriffen, als dass die Planungssicherheit der Anbieter allein durch eine Betonung des Anspruches auf Entscheidung innerhalb der 20tägigen Prüfungsfrist hervorgehoben wurde5. 3. Nachforderung von Unterlagen (§ 8i Abs. 2 Sätze 3 und 4 VerkProspG)

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Des Weiteren wurde der BaFin das Recht eingeräumt, weitere Unterlagen zur Feststellung der Vollständigkeit des Verkaufsprospekts in die Prüfung mit einzubeziehen bzw. vom Anbieter diese nachzufordern, § 8i Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 VerkProspG.

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Diese Erwägungen führen zu einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Erweiterung des Prüfungsmaßstabs. Die Anlehnung an die Regelungen der EUProspektrichtlinie 2003/71/EG (Einl. VerkProspG Rz. 11) bedeutet eine Ausweitung der Vollständigkeitskontrolle. Denn der Maßstab der Regelung von Art. 13 Prospektrichtlinie ergibt sich anhand der Definition des Begriffes 1 Begr. RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 87. 2 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43. 3 Empfehung des Finanzausschusses, Innenausschusses, Rechtsausschusses, Wirtschaftsausschusses, BR-Drucks. 341/1/04 v. 28.5.2004, S. 10. 4 Gegenäußerung des Bundesrats zum AnSVG, BT-Drucks. 15/3355 v. 16.6.2004, S. 7. 5 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/3493 v. 1.7.2004, S. 53.

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§ 8i VerkProspG

„Billigung“ durch Art. 2 Abs. 1 lit. q der Prospektrichtlinie. Danach beinhaltet die Billigung im Rahmen der Vollständigkeitskontrolle der Angaben des Verkaufsprospekts sowohl ihre Kohärenz als auch ihre Verständlichkeit1. Da diese Einbeziehung die Erweiterung hinsichtlich der eingeschränkten Vollständigkeitskontrolle nach § 8a VerkProspG aF darstellt, müssen diese Kriterien, um der Absicht des Gesetzgebers gerecht zu werden, entsprechend auch im Rahmen des § 8i Abs. 2 VerkProspG Anwendung finden. Für eine Anlehnung an § 8a VerkProspG aF verbleibt nur noch der gleich bleibende Wortlaut „Gestattung“ als Bezeichnung des Abschlusses des Prüfverfahrens zur Vollständigkeit, da eine dem WpPG entsprechende Begriffsdefinition für den Begriff „Billigung“ im Rahmen des rein nationalen Verkaufsprospektgesetzes nicht übernommen wurde. Für die Erweiterung der Vollständigkeitsprüfung im Rahmen des Verkaufs- 40 prospektgesetzes um Kriterien, die die entsprechende Ausfüllung der Begriffe „Verständlichkeit“ und Kohärenz“ ermöglichen, spricht die Kontrollmöglichkeit von Mindestangaben durch die BaFin mittels Nachforderung von Unterlagen zu diesen Mindestangaben. Denn die Rechte nach § 8i Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 VerkProspG kann die BaFin tatsächlich nur wahrnehmen, wenn die Erfüllung der Vollständigkeit einer Mindestangabe erweitert um ein weiteres Kriterium, nämlich um ihre formelle Schlüssigkeit in Bezug auf Wiederholungen der Mindestangabe und gegenüber anderen Angaben im Verkaufsprospekt, betrachtet wird. Zweck des Verkaufsprospektgesetzes ist die Stärkung des Vertrauens der Anleger in die Unternehmensintegrität und in den Kapitalmarkt als Ganzes durch mehr Transparenz und Kontrolle auf dem Kapitalmarkt2. Dieser Zweck kann aber allein durch ein bloßes Feststellen des Vorliegens einer Angabe nicht erreicht werden, da eine solche Entscheidung bei sich widersprechenden Angaben gar nicht zu treffen ist. Denn zwei widersprüchliche Sachverhalte zu einer Mindestangabe heben einander auf, so dass die Angabe als im Verkaufsprospekt nicht erfolgt gelten muss3. Die Prüfung der Vollständigkeit bedeutet daher im Kontext der neuen Regelung auch eine Prüfung hinsichtlich des Vorliegens offener Widersprüche in Bezug auf Mindestangaben in und unter sich oder von Mindestangaben in Bezug auf sonstige freiwillige oder weitere Angaben nach der Generalklausel4. Die Schlüssigkeit einer Mindestangabe bestimmt sich infolgedessen nach ihrer Verständlichkeit im Kontext des Verkaufsprospekts. Die Überprüfung der Schlüssigkeit stellt somit gegenüber den Regelungen des WpPG eine etwas engere Prüfung der Verständlichkeit dar, da keine Widersprüche zwischen Generalklausel und freiwilligen Angaben untereinander erfasst werden. Im Übrigen spricht für die begrenzte Verständlichkeitsprüfung auch die Verweisung auf § 2 Abs. 1 Satz 3 VermVerk1 Begr. RegE WpPG, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 34. 2 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 41. 3 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 34; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8i VerkProspG Rz. 4. 4 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 34; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8i VerkProspG Rz. 4.

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ProspV im Rahmen des § 8g VerkProspG, der auf das Erfordernis der Abfassung des Verkaufsprospekts in einer sein Verständnis und seine Auswertung erleichternden Form abstellt1. 4. Untersagung der Veröffentlichung (§ 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG) 41

Die BaFin untersagt die Veröffentlichung eines zur Hinterlegung übermittelten Verkaufsprospekts, wenn dieser nicht alle nach § 8g Abs. 1 VerkProspG (in Verbindung mit der nach § 8g Abs. 2 und 3 VerkProspG erlassenen Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung) erforderlichen Angaben enthält (§ 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG).

42

Bei geringfügigen Mängeln in Hinblick auf die Vollständigkeit des Verkaufsprospekts wird die BaFin dem Anbieter innerhalb der 20tägigen Prüffrist die Gelegenheit zur Nachbesserung bzw. der Ergänzung der fehlenden Angaben anhand eines Anhörungsschreibens unter Hinweis auf die einzelnen Mängel geben2. Die Möglichkeit der Ergänzung des Verkaufsprospekts erscheint nicht nur praktikabel, sondern in Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch als milderes Mittel zur sofortigen Untersagung der Veröffentlichung geboten3. Im Verlauf des Hinterlegungsverfahrens eingehende Unterlagen oder überarbeitete Verkaufsprospekte vom Anbieter werden dem entsprechend in Hinblick auf das aktuelle Prüfungsverfahren gewürdigt4. Beabsichtigt der Hinterleger dagegen die Aufgabe des ursprünglichen Verfahrens zugunsten eines Neuantrags mit entsprechender neu einsetzender Prüffrist, muss dies aus dem Antrag eindeutig hervorgehen5.

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Ist der Umfang der Mängel in Hinblick auf die Vollständigkeit der Angaben im Verkaufsprospekt derart groß, dass dem Hinterleger innerhalb der 20tägigen Prüffrist keine Abhilfe durch Nachreichung einer überarbeiteten Fassung des Verkaufsprospekts möglich ist, untersagt die BaFin die Veröffentlichung des Verkaufsprospekts. Eine Anhörung oder Beratung erfolgt nur in den Fällen, in denen die Frist von 20 Werktagen des § 8i Abs. 2 Satz 2 VerkProspG nicht abzulaufen droht, da ansonsten durch die Beratung oder Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde6.

1 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8i VerkProspG Rz. 4. 2 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 29; vgl. auch Ziff. VII. 2. Bekanntmachung des BAWe zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2835) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 3 Bereits Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8a VerkProspG Rz. 21. 4 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 22 VwVfG Rz. 36. 5 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 22 VwVfG Rz. 37 ff., 68 f. 6 Kopp/Ramsauer, § 28 VwVfG Rz. 62 f. mwN.

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Sind die notwendigen Änderungen an den Angaben des Verkaufsprospekts 44 zu umfangreich, um innerhalb der verbleibenden Prüfungsfrist vom Anbieter adäquat angepasst zu werden, steht es dem Anbieter als Hinterleger jederzeit frei, im laufenden Prüfungsverfahren bis zum Erlass der Untersagungsverfügung den Antrag auf Hinterlegung des Verkaufsprospekts zurückzunehmen. Die Befugnis zur Antragsrücknahme folgt aus der Verfügungsbefugnis des Antragstellers über seinen Antrag1. Die Rücknahme des Antrags hat die Beendigung des Verfahrens zur Folge; eine Entscheidung ergeht nur noch über die Kosten2. Diese sind gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 VermVerkProspGebV auf die Hälfte der ursprünglichen Gebühr begrenzt, betragen jedoch mindestens 50 Euro, § 3 Abs. 3 VermVerkProspGebV. Der Anbieter kann jederzeit einen neuen Antrag auf Hinterlegung des Verkaufsprospekts stellen, der die gleiche Vermögensanlage beinhaltet. Gegen die Entscheidung der BaFin stehen dem Hinterleger die üblichen verfahrensrechtlichen Rechtsbehelfe des Widerspruchs und der Klage zur Verfügung.

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5. Nachträge gemäß § 10 VerkProspG (§ 8i Abs. 2 Satz 6 VerkProspG) Nachträge gemäß § 10 VerkProspG sind auf Grund der Ausnahmeregelung 46 des § 8i Abs. 2 Satz 6 VerkProspG von der Prüfungsfrist nach § 8i Abs. 2 Satz 2 VerkProspG ausgenommen. Sie setzten weder eine vorausgegangene Prüfung noch eine Gestattung zu ihrer Veröffentlichung voraus. Damit wird klargestellt, dass bei unvollständigen Verkaufsprospekten nach § 10 VerkProspG das Fehlen von einzelnen Angaben, die regelmäßig erst kurz vor dem öffentlichen Angebot festgesetzt werden können und die deshalb nach § 10 VerkProspG nachträglich hinterlegt und veröffentlicht werden dürfen, keinen Untersagungsgrund darstellt3. Die Unvollständigkeit darf sich dabei nur auf solche Angebotsbedingungen beziehen, die üblicherweise erst kurzfristig vom Anbieter bzw. Emittenten festgelegt werden können4; mit Ausnahme dieser Angaben muss der zu veröffentlichende Verkaufsprospekt vollständig sein. 6. Gestattung (§ 8i Abs. 2 Satz 1 VerkProspG) Erst mit der Erteilung der entsprechenden Gestattung durch die BaFin erlangt der Anbieter das Recht zur Veröffentlichung des Verkaufsprospekts, § 8i Abs. 2 Satz 1 VerkProspG. Die von der BaFin ausgesprochene Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts bezieht sich in Bezug auf

1 2 3 4

Kopp/Ramsauer, § 22 VwVfG Rz. 65. Kopp/Ramsauer, § 22 VwVfG Rz. 71. Begr. RegE 3. FGG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 87. Zu solchen kurzfristig festzusetzenden Bedingungen zählen regelmäßig nicht Angaben, die sich auf die Emittentin beziehen. Vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, § 10 VerkProspG Rz. 5; ebenso Grimme/Ritz, WM 1998, 2091 (2093).

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die Überprüfung ihrer Vollständigkeit auf die letzte vom Hinterleger im Verfahren eingereichte Fassung des Verkaufsprospekts. Zusätzlich wird im Bescheid klargestellt, dass ihm keine Konzentrationswirkung zukommt, eventuell also weitere Pflichten aus anderen Gesetzen bestehen können1. In Fokus der Betrachtung steht hier regelmäßig der Erlaubnisvorbehalt einer Tätigkeit im Rahmen des § 32 KWG. Zur Vermeidung einer drohenden Rückabwicklung des gesamten Geschäftsmodells sollte die zuständige Abteilung der BaFin bereits im Vorfeld eines Hinterlegungsverfahrens kontaktiert werden. a) Einwirkungsmöglichkeiten auf die erteilte Gestattung vor der Veröffentlichung 48

Mit der Bekanntgabe der Gestattung der Veröffentlichung gegenüber dem Anbieter endet das Prüfverfahren2. Die Unzulässigkeit einer Rücknahme des ursprünglichen Antrags ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 183 BGB. Das Verwaltungsverfahren ist mit Erlass des Verwaltungsaktes beendet, so dass sich eine erklärte Rücknahme mangels bestehenden Verwaltungsrechtsverhältnisses nicht mehr auswirken kann3. Eine eventuell erklärte Rücknahme des ursprünglichen Antrags berührt die einmal erteilte Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts in ihrer Wirksamkeit nicht. Damit wird Rechtssicherheit in Bezug auf begünstigende Verwaltungsakte erreicht, die nur die Zubilligung eines einzelnen Rechts zum Inhalt haben. Denn ein rechtliches Interesse, den Abschluss des Verfahrens über Rechtsbehelfe hinauszuzögern, würde nach der Erlangung der beantragten Rechtsposition zu Widersprüchen führen. Im Rahmen der Hinterlegung könnte es zu der vom Gesetz nicht beabsichtigten Situation kommen, dass für eine Vermögensanlage ein Angebot ohne einen für das Angebot Verantwortlichen fortgeführt werden könnte, wenn die Information in Gestalt des Verkaufsprospekts dem Publikum bereits bekannt gegeben wäre, die Gestattung vom Hinterleger selbst aber erfolgreich angefochten wurde. Dem hinterlegenden Anbieter steht es jedoch frei, auf die Rechtsfolgen aus der Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts zu verzichten. Der Verzicht entspringt keiner allgemeinen Rechtsgrundlage, ist aber als eigenständiges verwaltungsrechtliches Institut anerkannt4. Der Verzicht lässt das aus dem Verwaltungsakt folgende Recht als solches für den Rechteinhaber als auch dessen Nachfolger erlöschen5.

1 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 43. 2 Das Hinterlegungsverfahren insgesamt ist erst mit der Archivierung des Verkaufsprospekts bei der BaFin abgeschlossen, die jedoch eine unmittelbare Folge des Ausspruchs der Gestattung ist. 3 Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rz. 70. Zum Meinungsstreit über das Ende eines Verwaltungsverfahrens Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/ Sachs, § 9 VwVfG Rz. 193 ff. mwN. 4 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 53 VwVfG Rz. 30. 5 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 53 VwVfG Rz. 31 ff.; HessVGH v. 7.12.1994 – 4 TH 3032/94, DVBl 1995, 525.

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Der Anbieter verfügt mit der Gestattung der Veröffentlichung seines Verkaufsprospekts über eine konkrete materiell-rechtliche Rechtsposition des öffentlichen Rechts und kann über diese frei verfügen. Eine Einschränkung dieser Dispositionsbefugnis liegt nicht vor, denn die Erteilung der Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts für den Anbieter dient vor ihrem Gebrauch allein dessen Individualinteressen, seinem Gewerbe nachgehen zu können. Eine Nutzungspflicht dieser Erlaubnis besteht nicht. Öffentlich-rechtliche Interessen sind erst mit der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts selbst (auf der Grundlage der Gestattung) berührt, weil erst dann den Anlegern eine Informationsgrundlage mit einem Mindestmaß an Angaben für ihre Anlageentscheidung zur Verfügung gestellt werden muss. Unterstrichen wird dies durch § 17 VerkProspG, der in den einzelnen Tatbeständen die Art und Weise des öffentlichen Anbietens einer Vermögensanlage sanktioniert.

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Der Anbieter hat den Verzicht gegenüber der BaFin eindeutig im Sinne einer 50 Aufgabe des Rechts aus der Gestattung zu erklären. Mit Zugang bei der BaFin wird der Verzicht gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam. Die rechtsgestaltende Wirkung des Verzichts beinhaltet kein Erfordernis der ausdrücklichen Aufhebung der Gestattung der Veröffentlichung durch die BaFin. Einem behördlichen Bescheid, der die Gestattung entsprechend dem erklärten Verzicht aufhebt oder beschränkt, kommt danach lediglich deklaratorische Bedeutung zu1.

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b) Einwirkungsmöglichkeiten auf die erteilte Gestattung nach der Veröffentlichung Auf Grund der Konzeption des Verkaufsprospektgesetz, das die einmalige 52 Schaffung einer Informationsgrundlage für das Anlegerpublikum in Form des Verkaufsprospekts vorsieht, verbraucht sich die Gestattung der Veröffentlichung mit derselben. Ein Verzicht auf die Gestattung der Veröffentlichung kommt mangels noch bestehender Rechtsposition nicht mehr in Betracht. Dem Anbieter eröffnet sich auch nicht die Möglichkeit des Wiederaufgreifens des Hinterlegungsverfahrens. Wegen der mit der Gestattung der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts erfolgten Erweiterung der Rechtsposition des Anbieters fehlt es mangels Betroffenheit in einem Recht an der Zulässigkeit eines solchen Antrags2.

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Eine erneut begehrte Entscheidung über die Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts der ursprünglichen Vermögensanlage entspricht ihrem Regelungsgehalt nach der Erstentscheidung. Denn die Ände-

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1 BVerwG v. 15.12.1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 = DÖV 1990, 479; VGH Baden-Württemberg v. 10.11.1999 – 3 S 1120/92, DVBl 1994, 707. 2 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 51 VwVfG Rz. 10; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 51 VwVfG Rz. 17.

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rungen von Tatsachen und Gegebenheiten seit der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts zu den im Verkaufsprospekt aufgeführten Angaben und Umständen betreffen den materiellen Inhalt des Verkaufsprospekts und beeinflussen daher die formale Vollständigkeit des Verkaufsprospekts als Grundlage der Entscheidung über die Gestattung der Veröffentlichung bzw. berühren das Recht zur Veröffentlichung des Verkaufsprospekts nicht. Eventuelle Nachteile für den Markterfolg der Vermögensanlage durch die Erweiterung der Informationsgrundlage von Verkaufsprospekten über Nachträge rechtfertigen keine andere Sichtweise.

V. Eingangsbestätigung, Hinterlegung (§ 8i Abs. 3 VerkProspG) 55

Übermittelt ein Anbieter einen Verkaufsprospekt zur Hinterlegung an die BaFin, bestätigt diese ihm den Tag des Eingangs des Verkaufsprospekts. Die Eingangsbestätigung erfolgt unabhängig davon, ob es sich um einen vollständigen oder unvollständigen Verkaufsprospekt iS des § 10 VerkProspG handelt. Die Eingangsbestätigung stellt einen Nachweis für den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts dar. Der Anbieter wird anhand dieser Mitteilung in die Lage versetzt, das Ende der Prüfungsfrist von 20 Werktagen iS von § 8i Abs. 2 Satz 2 VerkProspG zu berechnen. Der Anbieter hat auf Grund dieser Mitteilung jedoch keinen Anspruch auf bevorzugte Behandlung. Zwar ist die Behörde infolge des Grundsatzes der Priorität zur Bearbeitung der Anträge in der Reihenfolge ihres Eingangs grundsätzlich verpflichtet, in sachlich begründeten Fällen kann davon jedoch abgewichen werden1.

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Die Übersendung der Eingangsbestätigung erfolgt im Regelfall per Telefax oder Schreiben. Eingehende Nachträge nach §§ 10 oder 11 VerkProspG erfahren hinsichtlich ihres Eingangs bei der BaFin keine Bestätigung. Gemäß §§ 10 Satz 3, 11 Satz 2, 8i Abs. 1 VerkProspG müssen diese lediglich an die BaFin übermittelt werden. Die Prüfungsfrist gemäß § 8i Abs. 2 Satz 2 VerkProspG ist nicht anwendbar.

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Zur Vereinfachung des Verfahrens werden grundsätzlich bei eingegangenen fremdsprachigen Verkaufsprospekten die Bestätigung des Eingangs des Verkaufsprospekts mit der Gestattung der Verwendung dieser Fremdsprache gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 VermVerkProspV zusammengefasst an den Anbieter übermittelt.

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Die Regelung des § 8i Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 VerkProspG enthält die Frist zur Aufbewahrung der bei der BaFin hinterlegten Verkaufsprospekte sowie ihre Berechnungsgrundlage. Die Aufbewahrung der Verkaufsprospekte bei der BaFin ist auf zehn Jahre begrenzt. Die Frist ist an die Regelungen des § 257 Abs. 4 HGB und § 147 AO angelehnt2. Die Begrenzung der Aufbewahrungsfrist trägt dem Umstand der zeitlich auf drei Jahre begrenzten Pro1 Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rz. 60. 2 Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017 v. 18.1.2002, S. 109.

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§ 8i VerkProspG

spekthaftung nach § 13 VerkProspG iVm. §§ 44, 46 BörsG Rechnung und steht damit im Einklang mit der Schutzbedürftigkeit der Anleger, in Haftungsfällen notfalls auf die BaFin als zentrale Sammelstelle (Evidenzzentrale) für Verkaufsprospekte zurückgreifen zu müssen. Mit der zeitlichen Begrenzung der Aufbewahrungspflicht wird ferner dem 59 praktischen Bedürfnis der BaFin Rechnung getragen, angesichts der großen Menge der bei ihr in ihrer Funktion als Sammelstelle (Evidenzzentrale) hinterlegten Verkaufsprospekte einen nicht vertretbaren und unnötigen Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Lagerung und Archivierung der Prospekte zu betreiben. Die Frist der Aufbewahrung beginnt gemäß § 8i Abs. 3 Satz 3 VerkProspG mit dem Schluss des Kalenderjahres, in das die Hinterlegung des Verkaufsprospekts fällt, bei unvollständigen Verkaufsprospekten entsprechend mit dem Kalenderjahr, in das die Hinterlegung des letzten Nachtrags gemäß § 10 VerkProspG fällt.

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VI. Untersagung des öffentlichen Angebots (§ 8i Abs. 4 VerkProspG) Die Regelung des § 8i Abs. 4 VerkProspG gibt der BaFin die Befugnis zum 61 Einschreiten gegen öffentliche Angebote von Vermögensanlagen, die ein Anbieter trotz bestehender Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts nach den Regelungen des Verkaufsprospektgesetzes ohne einen solchen vertreibt oder der verwendete Verkaufsprospekt nicht die Angaben der nach § 8g Abs. 1 iVm. der nach § 8g Abs. 2 und 3 VerkProspG erlassenen Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung enthält. Gegenstand der Untersagung iS des § 8i Abs. 4 VerkProspG ist das öffentliche Angebot selbst. Die Vorschrift ergänzt damit die Befugnis der BaFin nach § 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG, die immer die Übermittlung eines Verkaufsprospekts zur Hinterlegung bei der BaFin voraussetzt. Übermittelt der Anbieter den Verkaufsprospekt nicht an die BaFin, sondern bietet die Vermögensanlagen ohne oder nur auf der Grundlage eines unvollständigen Verkaufsprospekts öffentlich an, ermächtigt § 8i Abs. 4 VerkProspG die BaFin zur sofortigen Untersagung dieses Angebots. Die der BaFin eingeräumte Befugnis stellt sicher, dass nur solche Vermö- 62 gensanlagen öffentliche angeboten werden, für die dem Anleger vollständige Verkaufsprospekte zur Verfügung stehen1. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für die Untersagung eines Angebots einer Vermögensanlage verpflichtet die BaFin zum Einschreiten

1 So bereits zur Vorgängernorm Begr. RegE 3. FGG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 54, 88, und der Verweis auf diese Regelungen im RegE AnSVG, BTDrucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43 f.

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Rechte der Hinterlegungsstelle, sofortige Vollziehung

gegen solche Angebote1. Es handelt sich wie bei der Gestattung der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts einer Vermögensanlage um eine gebundene Entscheidung. 64

Dem entsprechend ist die Untersagung der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts von der BaFin aufzuheben, wenn der Anbieter im Rahmen eines Prüfverfahrens erfolgreich einen vollständigen Verkaufsprospekt bei der BaFin hinterlegt hat und ihm die Veröffentlichung gestattet wurde, bzw. der Anbieter den Verkaufsprospekt um die fehlenden nachtragspflichtigen Angaben nach § 10 VerkProspG ergänzt hat.

65

Die Norm sichert damit die Transparenz des Marktes für Vermögensanlagen. Die BaFin kann durch Kontrolle der üblichen Absatzwege wie Internet und Anzeigen in Printmedien oder auf Grund von Hinweisen von Anlegern aktiv gegen Zuwiderhandlungen gegen die Prospektpflicht nach § 8f Abs. 1 VerkProspG vorgehen. 1. Anhaltspunkte für einen Verstoß

66

Nach § 8i Abs. 4 VerkProspG untersagt die BaFin das öffentliche Angebot, wenn sie Anhaltspunkte dafür hat, dass der Anbieter entgegen § 8f Abs. 1 VerkProspG keinen Verkaufsprospekt veröffentlicht hat oder der Verkaufsprospekt nicht die Angaben enthält, die nach § 8g Abs. 1 VerkProspG erforderlich sind. Der Begriff „Anhaltspunkte“ wird vom Gesetz nicht definiert. Anhaltspunkte für einen Pflichtverstoß nach § 8i Abs. 4 VerkProspG beruhen auf dem Verhalten des Anbieters, der durch sein Tun den Anschein für ein prospektpflichtiges Angebot einer Vermögensanlage gesetzt haben muss2. Diese Umstände müssen auf Grund konkreter und nachgewiesener Tatsachen zwar nicht mit konkreter Gewissheit, jedoch hinreichend wahrscheinlich auf einen Verstoß gegen das Verkaufsprospektgesetz hindeuten3. Bloße Befürchtungen oder vage Verdachtsmomente reichen demnach als Anhaltspunkte nicht aus4.

67

Eine enge Auslegung des Begriffs „Anhaltspunkte“ wird durch die Systematik der der BaFin zur Verfügung gestellten Eingriffsbefugnisse zur Wahrnehmung der Marktaufsicht vorgegeben. Sie erfordert auf Grund der sofortigen

1 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8i VerkProspG Rz. 6; Bruchwitz in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 115. 2 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 90; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8i VerkProspG Rz. 7; Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8b VerkProspG Rz. 5. 3 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 90; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8i VerkProspG Rz. 7; Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8b VerkProspG Rz. 5. 4 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 90; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8i VerkProspG Rz. 7; Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8b VerkProspG Rz. 5.

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Vollziehbarkeit der Untersagung gemäß § 8i Abs. 5 VerkProspG eine Abwägung der Interessen der Anleger an einer unverzüglichen Untersagung von Angeboten, für die kein Verkaufsprospekt veröffentlicht wurde, mit den möglichen (wirtschaftlichen) Konsequenzen einer solchen Maßnahme für den Anbieter. Denn der BaFin stehen als weitere Eingriffsbefugnisse zunächst mildere Mittel in Form von Auskunfts- und Vorlageersuchen zur Verfügung, um zunächst Befürchtungen oder Verdachtsmomente in Hinblick auf einen Pflichtverstoß des Anbieters gegen das Verkaufsprospektgesetz zu konkretisieren oder auszuräumen. Ist die Sachlage in Hinblick auf ein nach § 8f Abs. 1 VerkProspG prospektpflichtiges Angebot nicht eindeutig, ist die BaFin zunächst verpflichtet, den zugrundeliegenden Sachverhalt aufzuklären und den vermuteten Anbieter der Vermögensanlage anzuhören1. 2. Untersagung wegen Nichtveröffentlichung eines Verkaufsprospekts (§ 8i Abs. 4 Alt. 1 VerkProspG) Die Voraussetzung einer Untersagung wegen der Nichtveröffentlichung ei- 68 nes Verkaufsprospekts folgt aus den der BaFin vorliegenden Anhaltspunkten für ein tatsächlich prospektpflichtiges Angebot einer Vermögensanlage. Die BaFin prüft die auf Grund eigener Ermittlungen oder durch Hinweise Dritter festgestellten Anhaltspunkte in Hinblick auf eine tatsächliche, unter Berücksichtigung des Ausnahmekatalogs nach § 8f Abs. 2 VerkProspG bestehende Prospektpflicht der Vermögensanlage nach § 8f Abs. 1 VerkProspG ua. unter der Berücksichtigung der bereits bei der BaFin hinterlegten Verkaufsprospekte und der tatsächlichen Ansprache von Anlegern im Inland. Die Anhaltspunkte iS des § 8i Abs. 4 Alt. 1 VerkProspG ergeben sich regelmäßig aus dem Angebot selbst. Der Anbieter ist beim Absatz der Vermögensanlage auf die Ansprache von potentiellen Investoren angewiesen. Dies geschieht – abgesehen von Fällen der direkten Kontaktaufnahme durch Telefonanrufe oder Anschreiben – durch Zeitungsinserate, Postwurfsendungen und vor allem durch den Einsatz der Möglichkeiten des Internets, in dem ein öffentliches Angebot nicht nur auf einer Homepage, sondern auch mittels E-Mail, insbesondere durch die massenhafte Versendung solcher E-Mails (sog. Spamming), erfolgt2.

69

Die Beurteilung der Frage, ob tatsächlich Vermögensanlagen iS des VerkProspG angeboten werden, ist auf Grund der wenig detaillierten Beschreibung der Vermögensanlage bei den ermittelten Verdachtsfällen mitunter schwierig. In Zweifelsfällen, in denen bspw. in Inseraten nur allgemein und ungenau „Kapitalanlagemöglichkeiten“ oder „Unternehmensbeteili-

70

1 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 90; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8i VerkProspG Rz. 7; Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8b VerkProspG Rz. 6. 2 Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8b VerkProspG Rz. 7.

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gungen“ offeriert werden, ist der BaFin bis zur Aufklärung der tatsächlichen Umstände eine Untersagung verwehrt1. 3. Untersagung des öffentlichen Angebots wegen Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts (§ 8i Abs. 4 Alt. 2 VerkProspG) 71

Die BaFin kann das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen nach § 8i Abs. 4 Alt. 2 VerkProspG auch dann untersagen, wenn sie Anhaltspunkte dafür hat, dass der veröffentlichte Verkaufsprospekt in Hinblick auf die nach § 8g Abs. 1 und der nach der Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung notwendigen Angaben unvollständig ist.

72

Hauptanwendungsfall ist eine Verkürzung der Angaben des zum Vertrieb benutzten Prospekts zu den Angaben des hinterlegten Verkaufsprospekts im Sinne einer Unvollständigkeit2. Gestalterische Abweichungen des Verkaufsprospekts im Vergleich zum hinterlegten Verkaufsprospekt, wie Farbgestaltungen, Seitenabweichungen etc., sind unbeachtlich3.

73

Der Anwendungsbereich des § 8i Abs. 4 Alt. 2 VerkProspG umfasst auch Nachträge nach § 10 VerkProspG. Die notwendige Vollständigkeitsprüfung kann von der BaFin im Fall der taggleichen Übermittlung der Nachträge und des Beginns des öffentlichen Angebots regelmäßig erst abgeschlossen werden, nachdem die Vermögensanlagen bereits angeboten worden sind. Im Fall des Fehlens einzelner nach der VermVerkProspV notwendiger Angaben kommt dann nur noch eine Untersagung des öffentlichen Angebots nach § 8i Abs. 4 Alt. 2 VerkProspG in Betracht4. 4. Amtshaftung

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Bei einer fehlerbehafteten Ausübung der der BaFin im Rahmen des Hinterlegungsverfahrens und beim Erlass von Anordnungen im Rahmen der Marktaufsicht übertragenen Befugnisse stellt sich für die von dieser Maßnahme Betroffenen die Frage nach dem Ersatz der daraus entstehenden Schäden. Grundsätzlich bedarf es für die Geltendmachung eines solchen Entschädigungsanspruches iS der Regelungen des § 839 BGB iVm. Art. 34 GG eines drittschützenden Charakters der ausgeübten Amtspflicht. Entscheidend ist der Schutzzweck, dem die Amtspflicht nach der zugrunde liegenden Regelung dienen soll5.

75

Dieser Schutzzweck ist im Verkaufsprospekt in Bezug auf die der BaFin in diesem Bereich übertragenen Aufgaben und Befugnisse nicht ausdrücklich 1 Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8b VerkProspG Rz. 8; vgl. zu den Begriffen Angebot und Vermögensanlage die Kommentierung zu § 8f Abs. 1 VerkProspG Rz. 4 ff. und 25 ff. 2 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 89; Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8b VerkProspG Rz. 13. 3 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 89. 4 Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8b VerkProspG Rz. 12. 5 BGH v. 20.1.2005 – III ZR 48/01, NJW 2005, 742.

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§ 8i VerkProspG

geregelt. Dass die BaFin die ihr übertragenen Befugnisse lediglich im öffentlichen Interesse ausübt, hat der Gesetzgeber vielmehr allgemein in § 4 Abs. 4 FinDAG zusammengefasst1. Zu unterscheiden sind die Rechtsverhältnisse von Anlegern und Anbietern zur BaFin.

76

a) Anlegerbetroffenheit Zwischen Anlegern und der BaFin besteht kein direktes Verwaltungsrechts- 77 verhältnis. Amtshaftungsansprüche scheiden mangels drittschützenden Charakters der Amtspflicht aus. Die Anleger sind zwar von einer Entscheidung der BaFin mittelbar betroffen, wenn zB eine Gestattung zur Veröffentlichung an einen Anbieter nicht hätte erteilt werden dürfen und der Anleger im Vertrauen auf diese Veröffentlichung eine Beteiligung an dieser Vermögensanlage erwirbt. Der Zweck des Verkaufsprospekts erschöpft sich jedoch in der Sicherstellung des Anlegerschutzes für den gesamten Marktbereich der Vermögensanlagen auf Grund einer Darbietung von ausreichenden Informationen über die jeweils angebotene Vermögensanlage. Der Schutz des einzelnen Anlegers stellt sich lediglich als Reflex dieses Schutzes dar2. Allgemein verliefen Amtshaftungsklagen gegen die BaFin daher in der Vergangenheit erfolglos3. b) Anbieterbetroffenheit Zwischen Anbieter und BaFin liegt in bestimmten Fällen ein konkretes 78 Verwaltungsrechtsverhältnis vor, zB im Rahmen des Hinterlegungsverfahrens. In Betracht kommen Amtshaftungsansprüche von Anbietern von Vermögensanlagen damit bei innerhalb dieser Verhältnisse getätigten Pflichtverletzungen der BaFin, denn die Wahrnehmung der Aufgaben und Befugnisse im öffentlichen Interesse ist unabhängig von der Pflicht zur gesetzmäßigen Verwaltung4. Die Erfüllung der zur Amtsausübung übertragenen Aufgaben und Befugnisse hat im Einklang mit dem objektiven Recht zu erfolgen5. Im Verkaufsprospektgesetz stehen die Amtshandlungen auf Grund der Regelungen der §§ 8i, 8j und 8k VerkProspG im Vordergrund. Beispiele hierfür sind die Verweigerung der Erteilung einer Gestattung der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts trotz Erfüllung aller Voraussetzungen innerhalb der Prüffrist gemäß § 8i Abs. 2 Satz 2 VerkProspG6, die

1 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) v. 22.4.2002, BGBl. I 2002, 1310. 2 Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8a VerkProspG Rz. 26; zweifelnd am Haftungsausschluss Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 102. 3 BGH v. 20.1.2005 – III ZR 48/01, NJW 2005, 742; BGH v. 2.6.2005 – III ZR 365/03, ZIP 2005, 1168. Vgl. zum Drittschutz auch Sprau in Palandt, § 839 BGB Rz. 43 ff. 4 Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8a VerkProspG Rz. 27. 5 BGH v. 20.2.1992 – III ZR 188/90, NJW 1992, 3229; Sprau in Palandt, § 839 BGB Rz. 31 ff. 6 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8i VerkProspG Rz. 18; Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 16 f.

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Rechte der Hinterlegungsstelle, sofortige Vollziehung

Nichtaufnahme des Prüfverfahrens trotz vorliegenden Antrags1 oder die Untersagung eines öffentlichen Angebots trotz offensichtlich fehlender Prospektpflicht2.

VII. Auskunfts- und Vorlagerechte der BaFin (§ 8i Abs. 4a bis 4c VerkProspG) 79

Die Vorschriften des § 8i Abs. 4a und 4b VerkProspG sichern die Befugnisse der BaFin für eine effektive Sachverhaltsaufklärung. Die Auskunfts- und Vorlagepflichten des Anbieters sind Voraussetzung für eine sachgerechte Beurteilung, ob eine Untersagung des Angebots ausgesprochen und eine Maßnahme nach § 17 VerkProspG eingeleitet werden kann3. 1. Auskunfts- und Vorlageersuchen gegenüber dem Anbieter (§ 8i Abs. 4a VerkProspG)

80

Normadressat der Vorschrift ist der tatsächliche Anbieter von Vermögensanlagen. Bei Personen, bei denen das Auskunfts- und Vorlageersuchen erst eine Bestätigung der Anbietereigenschaft erbringen soll, ist die Regelung des § 8i Abs. 4b VerkProspG einschlägig. a) Gegenstand der Auskunft

81

Der Gegenstand einer Auskunft beschränkt sich auf Tatsachen in der Einflusssphäre des Anbieters in Bezug auf die Überwachung der Pflichten des Anbieters nach dem Verkaufsprospektgesetz und erfasst weder Rechtsfragen noch subjektive Einschätzungen4.

82

Die Vorlagepflicht des Anbieters bezieht sich grundsätzlich auf alle Unterlagen, soweit sie für die in § 8i Abs. 4a Nr. 1 und Nr. 2 VerkProspG beschriebenen Aufgaben der BaFin von aufsichtsrechtlicher Relevanz sind. Die Sachverhaltsermittlung zielt vor allem auf die Beurteilung der Frage ab, ob das in Erfahrung gebrachte Angebot überhaupt der Prospektpflicht nach dem Verkaufsprospektgesetz unterliegt oder ob der Verkaufsprospekt vollständig ist, also die nach § 8g Abs. 1 VerkProspG und den Bestimmungen der VermVerkProspV erforderlichen Angaben enthält. Der Begriff der Unterlagen ist weit gefasst. Er geht damit über den inhaltlichen Umfang des Begriffs der Unterlage nach § 8i Abs. 2 Satz 3 und 4 VerkProspG hinaus. Während dort nur Unterlagen zur Einschätzung der Vollständigkeit von Angaben des Verkaufsprospekts angefordert werden können, schließt der Unterlagenbegriff nach § 8i Abs. 4a VerkProspG auch solche geschäftlichen Unterlagen ein, die zB die Ermittlung des bereits platzierten Angebots zulassen. Er erstreckt sich auf alle schriftlichen Dokumente, wie etwa Aktenvermerke, in1 2 3 4

Vgl. Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rz. 57. Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8a VerkProspG Rz. 27. Begr. RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 88. Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8c VerkProspG Rz. 5.

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§ 8i VerkProspG

terne Anweisungen, Rechnungen und Korrespondenz, aber auch elektronische Datenträger jeglicher Art1. b) Formelle Anforderungen an das Verwaltungshandeln Eine besondere Form ist für Auskunftsersuchen und Aufforderungen zur Vorlage von Unterlagen nicht vorgesehen. Sie können mündlich, fernmündlich oder schriftlich geäußert werden, wobei der Auskunftsverpflichtete auf ein Auskunftsverweigerungsrecht hinzuweisen ist; § 8i Abs. 4c VerkProspG2. Sollen die Ersuchen durch Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden, ist die Maßnahme auf Grund ihres belastenden Charakters regelmäßig förmlich vorzunehmen3.

83

c) Durchsetzung des Auskunfts- oder Vorlageverlangens mit Zwangsmitteln Die Einhaltung der Pflichten des Anbieters nach dem Verkaufsprospektgesetz kann mit Zwangsmitteln nach dem VwVG durchgesetzt werden. Die Anwendung des Verwaltungszwangs setzt neben dem eigentlichen unanfechtbaren oder sofort vollziehbaren Auskunfts- und Vorlageersuchen als Grundverwaltungsakt gemäß § 6 VwVG eine Androhung des Zwangsmittels nach § 13 VwVG mit Fristsetzung voraus.

84

Die BaFin kann die Androhung nach § 13 Abs. 2 VwVG mit der zu vollstreckenden Auskunfts- oder Vorlageverfügung verbinden. Da den Rechtsmitteln nach § 8i Abs. 5 VerkProspG keine aufschiebende Wirkung zukommt, ist die BaFin nach § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVG sogar gehalten, in der Auskunftsoder Vorlageverfügung die Androhung des Zwangsmittels vorzunehmen.

85

Von den nach § 9 VwVG den Vollzugsbehörden grundsätzlich zur Verfügung stehenden Zwangsmitteln kommt bei der Durchsetzung von Auskunftsoder Vorlageersuchen in erster Linie der Verhängung eines Zwangsgelds gemäß § 11 VwVG Bedeutung zu, weil die Auskunfts- und Vorlagepflichten des Anbieters regelmäßig unvertretbare Handlungen darstellen, die weder von einem Dritten noch von der BaFin selbst vorgenommen werden können4.

86

Nach dem fruchtlosen Verstreichen der in der Androhung bestimmten Frist 87 setzt die BaFin das Zwangsgeld der Höhe nach fest und lässt es erforderlichenfalls beim Anbieter durch die Vollstreckungsbehörden beitreiben. Ist das Zwangsgeld uneinbringlich, kann das Verwaltungsgericht auf Antrag die BaFin auch Ersatzzwangshaft von bis zu zwei Wochen anordnen. Gegen die Androhung des Zwangsmittels kann der Betroffene die Rechtsmittel einlegen, die gegen den Verwaltungsakt zustehen, also gemäß § 18 VwVG der Widerspruch und die Anfechtungsklage. 1 2 3 4

Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8c VerkProspG Rz. 6. Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8c VerkProspG Rz. 7. Vgl. Kopp/Ramsauer, § 35 VwVfG Rz. 67. Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8c VerkProspG Rz. 21.

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§ 8i VerkProspG

Rechte der Hinterlegungsstelle, sofortige Vollziehung

2. Auskunfts- und Vorlageersuchen gegenüber dem vermuteten Anbieter (§ 8i Abs. 4b VerkProspG) 89

Die Regelung erweitert in Bezug auf die Pflicht zur Erteilung von Auskünften und der Vorlage von Unterlagen die Ermittlungsbefugnisse der BaFin auch auf mutmaßliche Anbieter, dh. auf solche Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Anbieter iS des Verkaufsprospektgesetzes sind. Die Notwendigkeit der Einbeziehung dieser Personen ergibt sich bei der konkreten Zuordnung der Anbietereigenschaft bei mehreren in Frage kommenden Personen. Die Klärung der Anbietereigenschaft ist oftmals erst auf Grund der Einholung der entsprechenden Auskünfte oder der Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen möglich1.

90

Der Vorbehalt des Vorliegens entsprechender Tatsachen setzt überprüfbare Umstände oder Handlungen der auskunftspflichtigen Person voraus, die seine Eigenschaft als Anbieter begründen können. Vage, also nicht hinreichende Vermutungen in Bezug auf die Anbietereigenschaft schließen eine Befugnis der BaFin zur Ermittlung gegen diese Person aus2. 3. Auskunftsverweigerungsrecht (§ 8i Abs. 4c VerkProspG)

91

Die Vorschrift setzt den rechtsstaatlichen Gedanken der Unzumutbarkeit einer Selbstanzeige um. Sie entspricht dem Zeugnisverweigerungsrecht in anderen kapitalmarktrechtlichen Materien, zB § 44 Abs. 6 KWG.

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Danach kann von einem Auskunftspflichtigen nicht verlangt werden, sich selbst oder einen nahen Angehörigen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu bezichtigen. Angehörige iS des § 383 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 ZPO sind der Verlobte des Auskunftspflichtigen (Nr. 1), der Ehegatte des Auskunftspflichtigen, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht (Nr. 2), der Lebenspartner des Auskunftsverpflichteten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht (Nr. 2a), Personen, die mit dem Auskunftspflichtigen in gerader Linie verwandt, verschwägert oder durch Adoption verbunden oder in der Seitenlinie bis zum Dritten Grad verwandt oder bis zum Zweiten Grad verschwägert sind (Nr. 3). Gemäß § 8i Abs. 4c Satz 2 VerkProspG ist über das Auskunftsverweigerungsrecht zu belehren.

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Anhand des Wortlauts der Vorschrift ergibt sich eine Beschränkung des Auskunftsverweigerungsrechts auf Auskünfte. Die Vorlage von Unterlagen kann der Anbieter auf der Grundlage dieser Regelung daher nicht verweigern.

VIII. Sofortige Vollziehung (§ 8i Abs. 5 VerkProspG) 94

Die Regelung des § 8i Abs. 5 VerkProspG ordnet die die sofortige Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügungen nach § 8i Abs. 2 Satz 5 und Abs. 4 1 Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017 v. 18.1.2002, S. 110. 2 Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 8c VerkProspG Rz. 3.

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VerkProspG sowie der Anordnungen der BaFin zur Auskunftserteilung und Vorlage von Unterlagen nach § 8i Abs. 4a und 4b VerkProspG an. Der Sofortvollzug dieser Maßnahmen der BaFin dient dem Anlegerschutz1. Die sofortige Vollziehbarkeit der Untersagung der Veröffentlichung des Ver- 95 kaufsprospekts nach § 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG verhindert einen lückenhaften Anlegerschutz, da der Anbieter ansonsten durch Einlegung eines Widerspruchs oder Erhebung der Anfechtungsklage gegen die Untersagungsverfügung einen lückenhaften Verkaufsprospekt veröffentlichen und in zulässiger Weise mit dem öffentlichen Angebot und Verkauf der Vermögensanlagen beginnen könnte2. Bis über Widerspruch oder Anfechtungsklage entschieden ist, könnten die Wertpapiere bereits vollständig platziert sein. Eine entsprechende Problematik stellt sich ebenfalls im Rahmen des Sofortvollzugs von Untersagungsverfügungen nach § 8i Abs. 4 VerkProspG. Denn die Beendigung des öffentlichen Angebots von Vermögensanlagen, die ohne einen notwendigen Verkaufsprospekt angeboten werden, muss im Interesse eines effektiven Anlegerschutz durch die BaFin noch vor dessen Abplatzierung erreicht werden können.

96

Die Notwendigkeit der sofortigen Vollziehbarkeit von Maßnahmen nach 97 § 8i Abs. 4a und 4b VerkProspG ergibt sich aus der Eilbedürftigkeit der Einholung von Auskünften und Unterlagen zur Vorbereitung einer Untersagungsverfügung nach § 8i Abs. 4 VerkProspG. Erst die Rücknahme der Maßnahme nach § 8i Abs. 2 Satz 5 und § 8i Abs. 4, 4a und 4b VerkProspG oder ihre Aussetzung durch die BaFin oder durch gerichtliche Anordnung beendet die Folgepflicht des Anbieters in Hinblick auf die angeordnete Maßnahme. Gebührenbescheide gemäß § 16 VerkProspG sind als Kostenbescheide auf Grund von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sofort vollziehbar. Gegenüber sonstigen Maßnahmen der BaFin nach dem VerkProspG verbleibt es bei der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage.

§ 8j Werbung (1) Die Bundesanstalt kann die Werbung mit Angaben untersagen, die geeignet sind, über den Umfang der Prüfung nach § 8i Abs. 2 irrezuführen. (2) Vor allgemeinen Maßnahmen nach Absatz 1 sind die Spitzenverbände der betroffenen Wirtschaftskreise und des Verbraucherschutzes zu hören. 1 Zur Problematik bei Wertpapieren schon Begr. RegE 3. FGG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 54, 88. 2 Zur Problematik bei Wertpapieren schon Begr. RegE 3. FGG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 54, 88.

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In der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701), zuletzt geändert durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Siehe Einl. VerkProspG.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung, Zweck und Bedeutung der Vorschrift 1. Normentwicklung . . . . . . . . 2. Zweck und Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . .

3

II. § 8j Abs. 1 VerkProspG 1. Normadressaten . . . . . . . . .

6

1

2. Werbung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Irreführung . . . . . . . . . . . . . 4. Befugnisse der BaFin . . . . . .

7 8 12

III. § 8j Abs. 2 VerkProspG . . . .

13

I. Normentwicklung, Zweck und Bedeutung der Vorschrift 1. Normentwicklung 1

Die Vorschrift ist auf Grund von Art. 2 Nr. 3 des 3. FFG1 als seinerzeitiger § 8e in das VerkProspG eingefügt worden. Der RegE 3. FFG2 hatte eine entsprechende Bestimmung nicht vorgesehen, doch wurde eine solche vom Bundesrat in seiner Stellungnahme zum RegE 3. FFG angeregt3. Nach den Vorstellungen des Bundesrats sollte die Aufsichtsbehörde – ihren Befugnissen nach § 36b Abs. 1 WpHG der seinerzeitigen Fassung des Gesetzes entsprechend und vergleichbar den Möglichkeiten nach § 23 Abs. 1 KWG aF – im Einzelfall oder allgemein bestimmte Arten der Werbung untersagen dürfen, um im Zusammenhang mit der Hinterlegungspflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 VerkProspG aF Missständen bei der Werbung für Wertpapiere, für die eine Zulassung zur amtlichen Notierung oder zum geregelten Markt nicht beantragt ist, begegnen zu können. Die Bundesregierung vermochte sich in ihrer Gegenäußerung4 diesen Überlegungen indes nur teilweise anzuschließen, weil sie für die vom Bundesrat vorgeschlagene umfassende (den Regelungen in § 36b Abs. 1 WpHG aF, § 23 Abs. 1 KWG aF entsprechende) Befugnis der Aufsichtsbehörde, in die Werbefreiheit einzugreifen, keinen Bedarf sah. Um Missständen bei der Werbung durch Hinweise auf eine Prüfung des Verkaufsprospekts durch die Aufsichtsbehörde zu begegnen, hielt sie es – über die sich aus dem UWG in der seinerzeitigen Fassung ergebenden Möglichkeiten zur Verhinderung irreführender Werbung hinaus1 Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, 529, 533. 2 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997. 3 Siehe BR-Drucks. 605/97 v. 17.10.1997, S. 15 = BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, Anlage 2, S. 161, 166 f. 4 BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, Anlage 3, S. 181, 183.

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gehend – für ausreichend, der Behörde die Befugnis zu erteilen, im Einzelfall oder allgemein die Werbung mit Angaben zu untersagen, die geeignet sind, über den Umfang der Prüfung nach § 8a VerkProspG aF (heute § 8i Abs. 2 Satz 1, 5 VerkProspG) irrezuführen. Dieser Vorschlag fand die Billigung des Finanzausschusses1 und wurde schließlich in das Gesetz aufgenommen. Die Vorschrift hat seitdem nur redaktionelle Änderungen erfahren. Auf 2 Grund von Art. 5 Nr. 6 des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht v. 22.4.20022 wurden die Wörter „Bundesaufsichtsamt“ durch die Wörter „Bundesanstalt“ ausgetauscht. Schließlich wurde der alte § 8e VerkProspG durch Art. 2 Nr. 1 des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 22.6.20053 aufgehoben und durch dessen Art. 2 Nr. 4 durch den heutigen und mit der alten Vorschrift inhaltsgleichen § 8j VerkProspG ersetzt. Hierbei handelte es sich mithin nur um eine Folgeänderung der mit dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz verbundenen anderweitigen Änderungen des VerkProspG (siehe Einl. VerkProspG Rz. 1, 11). 2. Zweck und Bedeutung der Vorschrift Die Vorschrift gibt der BaFin die Befugnis, im Einzelfall oder generell bestimmte Werbemaßnahmen zu untersagen, in denen mit der Hinterlegung des Verkaufsprospekts bei der Aufsichtsbehörde oder der Gestattung der Veröffentlichung durch die Behörde in unzulässiger Weise – nämlich mit falschen Angaben – über den Umfang der Prüfung nach § 8i Abs. 2 Sätze 1 und 5 VerkProspG geworben wird.

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Andere Formen irreführender Werbung sind von der Vorschrift nicht erfasst 4 und können, auch wenn sie gegen Bestimmungen des UWG verstoßen, nicht nach § 8j Abs. 1 VerkProspG untersagt werden. Da es sich bei Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 VerkProspG nicht um Finanzinstrumente iS von § 2 Abs. 2b WpHG handelt, vermag die BaFin diesbezüglich auch nicht im Wege der Missstandsprävention und -beseitigung nach § 4 Abs. 1 WpHG einzuschreiten. Ebenso wenig sind beim Angebot von Vermögensanlagen iS von § 8f Abs. 1 VerkProspG die Voraussetzungen gegeben, nach denen die BaFin nach § 36b Abs. 1 WpHG den Wertpapierdienstleistungsunternehmen bestimmte Arten der Werbung untersagen kann, „um Missständen bei der Werbung für Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen zu begegnen“. Geht es um die Werbung von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten, die am öffentlichen Angebot von Vermögensbeteiligungen mitwirken, kommt ein Einschreiten der BaFin nach § 23 Abs. 1 KWG in Betracht. Ansprüche auf Beseitigung oder Unterlassung unlauterer Werbung iS von § 3 (iVm. §§ 4–7) UWG können mithin nur die nach § 8 Abs. 3 UWG angeführten Anspruchsberechtigten geltend machen, darunter namentlich Mitbewerber. Infolge ihrer Be1 Siehe BT-Drucks. 13/9874 v. 11.2.1998, S. 17, 132. 2 BGBl. I 2002, 1310. Siehe Einl. VerkProspG Rz. 19. 3 BGBl. I 2005, 1698. Siehe Einl. VerkProspG Rz. 1, 11.

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schränkung auf Irreführungen über den Umfang der Prüfung nach § 8i Abs. 2 VerkProspG bleibt die Bestimmung auch erheblich hinter derjenigen des § 15 WpPG über die Werbung in Bezug auf öffentliche Angebote von Wertpapieren oder auf eine Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt sowie der Regelung in § 124 InvG bezüglich des Erwerbs von Anteilen eines Investmentvermögens zurück. 5

Die Vorschrift dient dem Anlegerschutz. Da die BaFin nach § 8i Abs. 2 Sätze 1 und 5 VerkProspG lediglich eine formelle Vollständigkeitsprüfung vornimmt, in deren Rahmen sie weder die inhaltliche Richtigkeit der Angaben im Verkaufsprospekt noch die Bonität des Emittenten überprüft, soll durch die Untersagungsbefugnis nach § 8j Abs. 1 VerkProspG verhindert werden, dass der Anleger falschen Vorstellungen hinsichtlich dieses eingeschränkten Prüfungsumfangs unterliegt. Die BaFin versucht, derartigen Fehlvorstellungen der Anleger auch dadurch entgegen zu wirken, dass bereits im Rahmen der Vollständigkeitsprüfung nach § 8i Abs. 2 Sätze 1 und 5 VerkProspG Angaben im Verkaufsprospekt beanstandet werden, mit denen auf die Hinterlegung und Prüfung durch die BaFin hingewiesen wird, die aber den Umfang der Prüfung im Unklaren lassen. In diesen Fällen verlangt die BaFin die Aufnahme eines zusätzlichen Hinweises, mit dem im Verkaufsprospekt erklärt wird, die Behörde habe den Prospekt nur auf dessen formelle Vollständigkeit überprüft. Eine Erweiterung des sich aus § 8j VerkProspG ergebenden Anlegerschutzes in Anlehnung an die (mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht analog anwendbare1) Bestimmung des § 15 WpPG wäre, auch wenn sie die BaFin mit weiteren Aufsichtspflichten belastet, schon im Interesse der Angleichung der Emissionsbedingungen auf den Kapitalanlagemärkten zu begrüßen.

II. § 8j Abs. 1 VerkProspG 1. Normadressaten 6

Eine Maßnahme zur Untersagung einer irreführenden Werbung iS des § 8j Abs. 1 VerkProspG kann sich gegen jeden richten, der unter Verstoß gegen die Bestimmung wirbt. Sie muss sich mithin nicht auf Personen oder Gesellschaften beschränken, die Anbieter von Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG darstellen und zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts nach Maßgabe des VerkProspG verpflichtet sind2. Werbender und Anbieter müssen mithin nicht identisch sein. Das ist etwa für die Fälle von Bedeutung, in denen sich Dritte nach der (gemäß § 8i Abs. 2 Satz 1 VerkProspG gestatteten) Veröffentlichung des Verkaufsprospekts und dem Beginn der Vertriebsmaßnahmen (etwa als Vertriebshelfer) an dem Angebot des nach § 8f Abs. 1 VerkProspG Prospektpflichtigen beteiligen. 1 AA wohl Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmakrtrecht, § 8k VerkProspG Rz. 14 („analoge Anwendung ist … angezeigt“). 2 Ebenso Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8j VerkProspG Rz. 7; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8k VerkProspG Rz. 12.

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2. Werbung Nach § 8j Abs. 1 VerkProspG kann die BaFin gegen Werbung mit Angaben vorgehen, die geeignet sind, über den Umfang der Prüfung nach § 8i Abs. 2 Satz 1, 5 VerkProspG irrezuführen. Der Begriff der Werbung ist im Verkaufsprospektgesetz nicht umschrieben, ist jedoch nach dem Schutzzweck des § 8j VerkProspG weit auszulegen1. Als Werbung ist daher jeder auf den Verkauf der Vermögensanlagen zielende Vorgang anzusehen. Hierzu zählen unabhängig von der Form der Anpreisung sämtliche Maßnahmen, mit denen der Anleger zu einem Erwerb der Vermögensanlagen bewegt werden soll oder auf die Erwerbsmöglichkeit hingewiesen wird. Typische Werbemittel sind Annoncen, Prospekte, Internet, Rundschreiben oder Telefonanrufe.

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3. Irreführung Nach § 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG prüft die BaFin den Verkaufsprospekt 8 nur auf die Vollständigkeit der nach § 8g Abs. 1 VerkProspG und nach den Vorschriften der VermVerkProspV vorgeschriebenen Angaben. Damit nimmt sie zwar eine formelle Vollständigkeitskontrolle des Prospekts vor, prüft aber weder den Prospekt auf seine inhaltliche Richtigkeit noch den Emittenten auf seine Bonität (siehe die Erläuterungen zu § 8i VerkProspG Rz. 32 ff.). Irreführend iS des § 8j Abs. 1 VerkProspG ist damit jede Werbung, die geeignet ist, einen hinsichtlich dieses Prüfungsumfangs unzutreffenden Eindruck zu erwecken. Ob die Angaben geeignet sind, einen Irrtum über den Umfang der Prüfung hervorzurufen, ist aus der Sicht eines durchschnittlich informierten Anlegers zu bestimmen. Da dieser üblicherweise keine Vorstellung über den sich aus § 8i Abs. 2 VerkProspG ergebenden Prüfungsumfang hat, ist grundsätzlich jeder pauschale Hinweis auf eine „Prüfung“ oder „Genehmigung“ des Verkaufsprospekts durch die BaFin geeignet, über den tatsächlichen Prüfungsumfang zu täuschen, indem der falsche Eindruck entstehen, die Prüfung oder Genehmigung sei eine Art Gütesiegel für die dem Verkaufsprospekt zu Grunde liegenden Vermögensanlagen. Eine Irreführung ist insbesondere anzunehmen, wenn durch einen Hinweis der Eindruck erweckt wird, der Verkaufsprospekt sei von der BaFin in vollem Umfang, dh. auch auf seine inhaltliche Richtigkeit geprüft worden2. Da die BaFin keine formelle Genehmigung des Verkaufsprospekts ausspricht, sondern nach § 8i Abs. 2 Satz 1 VerkProspG lediglich die Veröffentlichung des Verkaufsprospekts „gestattet“, ist auch eine Werbung, die auf die „Genehmigung“ oder „Billigung“ des Verkaufsprospekts durch die BaFin hin-

1 Folgend Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8j VerkProspG Rz. 6. 2 So auch Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, Anlage 3, S. 183; Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 13/9874 v. 11.2.1998, S. 132. Ebenso Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8j VerkProspG Rz. 8.

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weist, geeignet, über den Umfang der Prüfung nach § 8i Abs. 2 VerkProspG irrezuführen1. 10

Als zulässig zu betrachten ist dagegen der Hinweis, die BaFin habe auf der Grundlage des fraglichen Verkaufsprospekts die Veröffentlichung des Prospekts gestattet, wenngleich darauf hinzuweisen ist, dass die Aufsichtsbehörde hierzu eine restriktivere Haltung einnimmt und auch solche Aussagen über die Gestattung der Prospektveröffentlichung als zur Irreführung geeignet ansieht, weil auch sie über den Umfang der Prospektprüfung täuschen können. Deshalb wird man sich als Emittent in solchen Fällen nur dann auf der sicheren Seite bewegen, wenn mit dem Hinweis auf die Gestattung der Prospektveröffentlichung gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht wird, die BaFin habe die Veröffentlichung des Prospekts nur auf Grund der Prüfung seiner Vollständigkeit im Hinblick auf die gesetzlich erforderlichen Angaben gestattet2. Da sich genau dies auch aus dem Gestattungsbescheid ergibt, sollten die von der Sorge der Irreführung getragenen Bedenken der BaFin gegen eine Veröffentlichung desselben nicht durchschlagen3.

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Nicht zu beanstanden ist auch die werbliche Angabe, der Verkaufsprospekt sei bei der BaFin hinterlegt4, denn darin verbirgt sich keine Aussage über den Umfang der Prüfung des Prospekts. In den beiden vorgenannten Fällen weist der Werbende zutreffend auf einen nach § 8i Abs. 2 VerkProspG bzw. nach Abs. 1 gesetzlich vorgesehenen bzw. verlangten Umstand hin. Zwar kann auch die Werbung mit wahren Aussagen, die jedoch Selbstverständlichkeiten zum Gegenstand haben, eine Irreführung darstellen5, doch liegt in den fraglichen Hinweisen die keineswegs selbstverständliche und für die angesprochenen Verkehrskreise durchaus gehaltvolle Information, dass das öffentliche Angebot der Vermögensanlagen den Vorschriften des VerkProspG unterliegt und unter Einhaltung der Bestimmungen des § 8i Abs. 1 und 2 VerkProspG vorgenommen wird. Auch ist allein in den fraglichen Hinweisen keine Eignung zur Irreführung über den Umfang der Prospektprüfung zu erkennen.

1 2 3 4

Vgl. Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 13/9874 v. 11.2.1998, S. 132. Ebenso Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8j VerkProspG Rz. 9. Für die Zulässigkeit auch Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8j VerkProspG Rz. 11. So die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, Anlage 3, S. 183, in zutreffendem Widerspruch zur Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, Anlage 2, S. 166. Auch Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8j VerkProspG Rz. 89; Hamann in Schäfer, Anm. zu § 8e VerkProspG; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8k VerkProspG Rz. 10. 5 Siehe dazu etwa Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. 2009, § 5 UWG Rz. 2.115 ff.; Dreyer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 2. Aufl. 2009, § 5 UWG Rz. 72 ff.

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Verschwiegenheitspflicht

4. Befugnisse der BaFin Nach § 8j Abs. 1 VerkProspG kann die BaFin gegen einzelne die Vorschrift 12 verletzende Werbemaßnahmen eines bestimmten Werbenden vorgehen, indem es ihm, im Wege eines Verwaltungsakts, das beanstandete Verhalten untersagt. Darüber hinaus kann die BaFin aber auch generell bestimmte Werbemaßnahmen oder -methoden untersagen, die geeignet sind, über den Umfang der Prüfung nach § 8i Abs. 2 VerkProspG irrezuführen. Als Mittel hierzu kommt ein Verwaltungsakt in Gestalt einer (adressatenbezogenen) Allgemeinverfügung iS des § 35 Satz 2 VwVfG in Betracht. Vor einer solchen allgemeinen Maßnahme nach Abs. 1 sind jedoch die Spitzenverbände der betroffenen Wirtschaftskreise und des Verbraucherschutzes zu hören (§ 8j Abs. 2 VerkProspG).

III. § 8j Abs. 2 VerkProspG Die Kompetenz der BaFin, generell bestimmte Werbemaßnahmen oder -me- 13 thoden zu untersagen, die geeignet sind, über den Umfang der Prüfung nach § 8i Abs. 2 VerkProspG irrezuführen, folgt bereits aus § 8j Abs. 1 VerkProspG1. § 8j Abs. 2 VerkProspG ordnet lediglich an, dass vor einer allgemeinen Maßnahme nach Abs. 1 die Spitzenverbände der betroffenen Wirtschaftskreise und des Verbraucherschutzes zu hören sind. § 8j Abs. 2 VerkProspG entspricht § 36b Abs. 2 WpHG und § 23 Abs. 2 KWG. Nach § 8j Abs. 2 VerkProspG hat die BaFin die vorgenannten Spitzenverbän- 14 de anzuhören, wenn sie allgemeine Anordnungen in Form von Allgemeinverfügungen erlassen will. Für Einzelverfügungen ist keine Anhörung der Verbände vorgesehen.

§ 8k Verschwiegenheitspflicht (1) Die bei der Bundesanstalt Beschäftigten und die nach § 4 Abs. 3 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes beauftragten Personen dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse eines nach diesem Gesetz Verpflichteten oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie personenbezogene Daten, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. Dies gilt auch für andere Personen, die durch dienstliche Berichterstattung Kenntnis von den in Satz 1 bezeichneten Tatsachen erhalten. Ein unbefugtes Offenbaren

1 So jetzt auch Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 8f–8k VerkProspG Rz. 10.

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Verschwiegenheitspflicht

oder Verwerten im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an 1. Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte, 2. kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Überwachung von Börsen oder anderen Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, des Handels mit Finanzinstrumenten oder Devisen, von Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten, Investmentgesellschaften, Finanzunternehmen oder Versicherungsunternehmen betraute Stellen sowie von diesen beauftragte Personen, soweit diese Stellen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Für die bei diesen Stellen beschäftigten Personen gilt die Verschwiegenheitspflicht nach Satz 1 entsprechend. An eine Stelle eines anderen Staates dürfen die Tatsachen nur weitergegeben werden, wenn diese Stelle und die von ihr beauftragten Personen einer dem Satz 1 entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen. (2) Die Vorschriften der §§ 93, 97 und 105 Abs. 1, § 111 Abs. 5 in Verbindung mit § 105 Abs. 1 sowie § 116 Abs. 1 der Abgabenordnung gelten nicht für die in Absatz 1 Satz 1 oder 2 genannten Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden. Sie finden Anwendung, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, und nicht Tatsachen betroffen sind, die den in Absatz 1 Satz 1 oder 2 bezeichneten Personen durch eine Stelle eines anderen Staates im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 Nr. 2 oder durch von dieser Stelle beauftragte Personen mitgeteilt worden sind. In das am 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701) bekannt gemachte Gesetz eingefügt durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Siehe Einl. VerkProspG.

1

Die Vorschrift ist durch Art. 2 Nr. 4 des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 22.6.20051 in das Gesetz eingefügt worden.

2

Die Aufnahme der Bestimmung dient nach der Begründung des RegE des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes der Klarstellung2. Das impliziert, dass es der Vorschrift streng genommen nicht bedurft hätte, um „das unbefugte Offenbaren oder Verwerten von Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse eines nach dem Gesetz Verpflichteten oder eines Dritten liegt“3, 1 BGBl. I 2005, 1698. Siehe Einl. VerkProspG Rz. 1, 11. 2 BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 41. 3 BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 41.

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Verschwiegenheitspflicht

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zu untersagen. Dass dem in der Tat so ist, ist dem Umstand zu verdanken, dass bereits § 8 WpHG die in § 8k VerkProspG angeführten Personen einer Verschwiegenheitspflicht unterwirft. Dabei unterscheidet sich die Verschwiegenheitsregelung in § 8 WpHG von der in § 8k VerkProspG nur in der Weise, dass § 8 WpHG, dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes entsprechend, in Abs. 1 Satz 3 Nrn. 3 und 4 weitere Stellen nennt, denen gegenüber die in Abs. 1 angeführten Informationen nicht weitergegeben werden dürfen. § 8k VerkProspG ist im Übrigen wortgleich mit § 22 WpPG, welcher seiner- 3 seits der Umsetzung von Art. 22 der Prospektrichtlinie1 diente. Hinsichtlich der Erläuterungen zu § 8k VerkProspG kann deshalb auf die Kommentierung von § 22 WpPG verwiesen werden.

1 Richtlinie 2003/71/EG, ABl. EG Nr. L 325 v. 31.12.2003, S. 64 ff. Siehe Einl. VerkProspG Rz. 11.

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IV. Abschnitt Veröffentlichung des Verkaufsprospekts; Prospekthaftung §9 Frist und Form der Veröffentlichung (1) Der Verkaufsprospekt muss mindestens einen Werktag vor dem öffentlichen Angebot gemäß Absatz 2 Satz 1 und 2 veröffentlicht werden. (2) Der Verkaufsprospekt ist in der Form zu veröffentlichen, dass er entweder in einem überregionalen Börsenpflichtblatt bekannt gemacht oder bei den im Verkaufsprospekt benannten Zahlstellen zur kostenlosen Ausgabe bereitgehalten wird; im letzteren Fall ist in einem überregionalen Börsenpflichtblatt bekannt zu machen, dass der Verkaufsprospekt bei den Zahlstellen bereitgehalten wird. Bei einem Angebot von Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem ist der Verkaufsprospekt auch in diesem zu veröffentlichen und in dem Angebot auf die Fundstelle in dem elektronischen Informationsverbreitungssystem hinzuweisen. Der Anbieter hat der Bundesanstalt Datum und Ort der Veröffentlichung unverzüglich schriftlich mitzuteilen. In der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701), zuletzt geändert durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Assmann, Neuemissionen von Wertpapieren über Internet – IPO’s als Gegenstand des deutschen Kapitalmarktrechts, FS Schütze 1999, S. 15; Assmann, Neues Recht für den Wertpapiervertrieb, die Förderung der Vermögensbildung durch Wertpapieranlage und die Geschäftstätigkeit von Hypothekenbanken, NJW 1991, 528; Carl/ Machunsky, Der Wertpapier-Verkaufsprospekt, 1992; von Kopp-Colomb/Lenz, Angebote von Wertpapieren über das Internet, BKR 2002, 5; Lenz/Ritz, Die Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte, WM 2000, 904; Meyding, Zweifelsfragen bei Anwendung des WertpapierVerkaufsprospektgesetzes, DB 1993, 419; Müller, Prospektpflicht für öffentliche Wertpapierangebote ab 1991, WM 1991, 213; Ritz, Die Änderungen verkaufsprospektrechtlicher Vorschriften im Jahr 2002 und aufsichtsrechtliche Praxis, AG 2002, 662; Weber, Internetemissionen, MMR 1999, 385. Siehe auch das Schrifttum zu Einl. VerkProspG.

Inhaltsübersicht I. Regelungsgegenstand und Normentwicklung 1. Regelungsgegenstand . . . . . . 2. Normentwicklung . . . . . . . .

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II. Veröffentlichungsfrist (§ 9 Abs. 1 VerkProspG) . . . . 1 2

III. Veröffentlichung des Verkaufsprospekts (§ 9 Abs. 2 VerkProspG)

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Frist und Form der Veröffentlichung 1. Wahl der Veröffentlichungsform (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VerkProspG) . . . . . . . . 2. Bekanntmachung durch Vollabdruck (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 1 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . 3. Schalterpublizität (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 VerkProspG) a) Hinweisbekanntmachung (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VerkProspG) . . . . . . . . . . b) Bereithaltung des Verkaufsprospekts zur kostenlosen Ausgabe (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VerkProspG) . .

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4. Angebot über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem (§ 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG) . . . . . . . 5. Schriftliche Mitteilung von Veröffentlichungsdaten (§ 9 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG) . . IV. Annexregelungen 1. Hinweispflicht bei öffentlichem Angebot . . . . . . . . . . 2. Übermittlung an das Unternehmensregister . . . . . . . . . 3. Ordnungswidrigkeiten . . . . .

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I. Regelungsgegenstand und Normentwicklung 1. Regelungsgegenstand Gegenstand der Vorschrift sind Frist und Form der Veröffentlichung des Ver- 1 kaufsprospekts: In Abs. 1 regelt sie den Zeitpunkt und in Abs. 2 die Art und Weise, in welcher der Verkaufsprospekt zu veröffentlichen ist. Wie in § 14 Abs. 1 WpPG setzt der Gesetzgeber auch in § 9 VerkProspG auf Anlegerschutz durch Publizität in Gestalt der Veröffentlichung des Prospekts in einer Frist, die es dem Anleger ermöglichen soll, den Verkaufsprospekt vor Abgabe des Angebots in ausreichender Weise zur Kenntnis zu nehmen1. Dieser Ansatz unterscheidet sich von demjenigen des Investmentrechts, welches in § 121 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 InvG verlangt, dem Anleger vor Vertragsschluss den vereinfachten Verkaufsprospekt der Kapitalanlagegesellschaft oder der ausländischen Investmentgesellschaft in der geltenden Fassung kostenlos und unaufgefordert anzubieten und den ausführlichen Verkaufsprospekt sowie den letzten veröffentlichten Jahres- und Halbjahresbericht auf Verlangen kostenlos zur Verfügung zu stellen. 2. Normentwicklung In ihrer ursprünglichen Fassung diente die Vorschrift der Umsetzung von Art. 9 und Art. 16 der Emissionsprospektrichtlinie2. Bis zur letzten Änderung durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz (siehe unten Rz. 4) 1 Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 14. Ferner Müller, WM 1991, 213 (215). Kritisch dazu Assmann, NJW 1991, 528 (530). 2 Richtlinie vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist (sog. Emissionsprospektrichtlinie), ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8. Siehe auch Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 14. Siehe Einl. VerkProspG Rz. 4, 10 ff.

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Frist und Form der Veröffentlichung

und der mit dieser einhergehenden Verlagerung der Regelungen der Prospektpflicht für das öffentliche Angebot von Wertpapieren in das WpPG (siehe dazu Einl. VerkProspG Rz. 11) war die Ausgangsfassung der Vorschrift dadurch geprägt, dass sie im Hinblick auf die Form der Veröffentlichung zwischen Angeboten von Wertpapieren, für die eine börsliche Zulassung beantragt wurde, und solchen, bei denen dies nicht der Fall war, unterschied. 3

Die Bestimmung wurde dann erstmals durch Art. 8 Nr. 3 lit. a und b des 2. FFG v. 26.7.19941 geändert: In § 9 Abs. 2 Nr. 2 VerkProspG aF (ihr entspricht heute § 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 VerkProspG) wurde die so genannte Schalterpublizität begründet, und in § 9 Abs. 3 VerkProspG aF wurde die Möglichkeit zur Veröffentlichung des Verkaufsprospekts in einem Börsenpflichtblatt auf überregionale Börsenpflichtblätter beschränkt. Eine zweite Änderung erfuhr die Vorschrift durch Art. 2 Nr. 12 lit. a–c des 3. FFG v. 6.11.19972: Neben eher redaktionellen Anpassungen in Bezug auf die Regelung in § 9 Abs. 2 VerkProspG aF wurde die in § 9 Abs. 1 VerkProspG aF bestimmte Veröffentlichungsfrist von mindestens drei Werktagen vor dem öffentlichen Angebot auf einen Werktag vor einem solchen Angebot verkürzt. Weiterhin entfiel die zuvor durch Art. 8 Nr. 3 lit. b bb des 2. FFG in § 9 Abs. 3 VerkProspG aF als Satz 2 eingeführte Pflicht, im Bundesanzeiger einen Hinweis darauf bekannt zu machen, an welcher Stelle der Verkaufsprospekt veröffentlicht und für das Publikum erhältlich ist. In einer dritten Änderung der Vorschrift durch Art. 5 Nr. 7 des 4. FFG v. 21.6.20023 wurden in § 9 Abs. 3 VerkProspG aF die Sätze 2 und 3 angefügt. Ihnen entsprechen § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VerkProspG in der aktuellen Fassung. Die Änderungen brachten für den Anbieter zusätzliche Veröffentlichungs-, Hinweis- und Mitteilungspflichten. Zum einen handelte es sich um Folgeänderungen, die auf Grund vorausgegangener Änderungen des Börsengesetzes erforderlich geworden waren; zum anderen trugen sie der Tatsache Rechnung, dass seinerzeit Wertpapiere zunehmend auch über elektronische Informationsverbreitungssysteme angeboten wurden4.

1 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) v. 26.7.1994, BGBl. I 1994, 1749, 1779. Siehe Einl. VerkProspG Rz. 14. 2 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, 529, 534. Siehe dazu auch Begr. RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997 (= BR-Drucks. 605/97 v. 15.8.1997), S. 88. Siehe Einl. VerkProspG Rz. 15. 3 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 21.6.2002 (4. FFG), BGBl. I 2002, 2010. Siehe Einl. VerkProspG Rz. 20. Zu den Änderungen, die das VerkProspG durch das 4. FFG erfahren hat, siehe etwa Ritz, AG 2002, 662, sowie den Nachtrag 2002 zu Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.). 4 Vgl. Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 1 VerkProspG Rz. 25 ff. und 70 ff.; Steck/Zingel in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, 2. Aufl. 2002, S. 177, 179 ff.

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Frist und Form der Veröffentlichung

Durch Art. 2 Nr. 5 des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 22.6.20051 4 wurden in § 9 Abs. 1 VerkProspG redaktionelle Änderungen vorgenommen, § 9 Abs. 2 VerkProspG aF aufgehoben und der bisherige § 9 Abs. 3 VerkProspG zum neuen und durch Bezugnahme auf § 8f VerkProspG an die übrigen Neuregelung des Verkaufsprospektgesetzes angepassten aktuellen § 9 Abs. 2 VerkProspG. Sämtliche dieser Änderungen sind Folgeänderungen, die dem Umstand geschuldet sind, dass durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz die Wertpapiere betreffenden Vorschriften des VerkProspG modifiziert und ergänzt in das WpPG überführt wurden und im VerkProspG nur noch die Regelungen über das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen iS von § 8f Abs. 1 VerkProspG verblieben2.

II. Veröffentlichungsfrist (§ 9 Abs. 1 VerkProspG) Der Verkaufsprospekt muss mindestens einen Werktag vor dem öffentlichen Angebot in der in § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VerkProspG vorgeschriebenen Form veröffentlicht werden (§ 9 Abs. 1 VerkProspG).

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Bis zur Änderung des VerkProspG und der Einführung des WpPG durch das 6 Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.2005 (siehe oben Rz. 4) hat sich die BaFin, entsprechend der herrschenden Meinung3, bei der Fristenberechnung rechtskonform an § 31 Abs. 1 VwVfG und §§ 187–193 BGB ausgerichtet. Entsprechend § 187 Abs. 1 BGB hat sie dabei den Tag der Prospektveröffentlichung nicht mitgezählt und gemäß § 188 Abs. 1 BGB das Ende der Frist auf den Ablauf des darauf folgenden Werktags festgelegt. Das bedeutete, dass zwischen der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts und dem öffentlichen Angebot ein voller Werktag liegen musste4. Danach durfte bei einer Veröffentlichung des Verkaufsprospekts bspw. an einem Montag das öffentliche Angebot frühestens am folgenden Mittwoch stattfinden.

1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 22.6.2005, BGBl. I 2005, 1698, 1713. Siehe Einl. VerkProspG Rz. 1, 11. 2 Vgl. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 41. Siehe auch Einl. VerkProspG Rz. 1 und 11. 3 Hamann in Schäfer/Hamann (Hrsg.), § 9 VerkProspG Rz. 2; Lenz/Ritz, WM 2000, 908; Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 9 VerkProspG Rz. 4 ff. 4 Ziff. VIII. der Bekanntmachung des BAWe zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. I, 2701 ff.) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. I, 2835 ff.) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. So auch noch die BaFin in Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2003, Mai 2004, S. 197, abrufbar über die Website der BaFin, http://www.bafin.de/, Rubrik „Service/Veröffentlichungen“ unter „Archive/Jahresberichte“.

Assmann

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§ 9 VerkProspG

Frist und Form der Veröffentlichung

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Dieser Fristberechnung wurde entgegengehalten, sie widerspreche dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 VerkProspG. Mit der Formulierung „ein Werktag vor dem öffentlichen Angebot“ sei der Werktag gemeint, der dem Werktag vorausgehe, an dem Angebot unterbreitet werde. Das folge auch daraus, dass § 31 Abs. 1 VwVfG und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB schon deshalb nicht anwendbar seien, weil es sich bei der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts in Form der Schalterpublizität (siehe unten Rz. 11, 13 ff.) nicht um ein Ereignis iS des § 187 Abs. 1 BGB handele1. Die Bereithaltung des Verkaufsprospekts zur kostenlosen Abgabe sei als ein länger andauernder Zustand während der gesamten Angebotsphase anzusehen. Deshalb sei § 187 Abs. 2 BGB anwendbar2, mit der Konsequenz, dass der Beginn des Tages, an dem der Verkaufsprospekt zur Abgabe bereitgehalten werde, für den Fristbeginn maßgeblich und deshalb mitzurechnen sei. Ferner bestimmten Art. 9 und Art. 16 der Emissionsprospektrichtlinie (siehe oben Rz. 2), auf die in der Gesetzesbegründung3 ausdrücklich Bezug genommen werde, der Verkaufsprospekt müsse „spätestens zum Zeitpunkt der Eröffnung des Angebots“ veröffentlicht oder für das Publikum zur Verfügung gehalten werden.

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Dagegen war und ist zu replizieren4, dass Art. 9 und Art. 16 der Emissionsprospektrichtlinie nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur den spätesten Zeitpunkt bestimmen, zu dem der Verkaufsprospekt zu veröffentlichen ist. Dies bedeutet, dass der Verkaufsprospekt auch vor dem Angebotsbeginn veröffentlicht werden kann und der nationale Gesetzgeber befugt ist, entsprechende Regelungen vorzusehen. In Deutschland wurde ausweislich der Gesetzesmaterialien ein Tag Wartezeit „zwischen“ der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts und dem öffentlichen Angebot der Vermögensanlage zugunsten der Anleger vorgesehen5. Andernfalls wäre das in der Gesetzesbegründung genannte Ziel6, dem Anleger vor seiner Anlageentscheidung die Möglichkeit zu geben, vom Verkaufsprospekt Kenntnis zu nehmen, nur dann zu erreichen, wenn der Verkaufsprospekt nicht im Wege der Schalterpublizität veröffentlicht wird, sondern durch vollständigen Abdruck in den in Betracht kommenden Börsenpflichtblättern. Diese Form der Veröffentlichung wird jedoch praktisch nie gewählt, was auch dem Gesetzgeber bekannt war. Die hier kritisierte Gegenansicht gelangt aber zu unterschiedlichen Fristen, je nachdem, ob der Verkaufsprospekt im Wege der Schalterpublizität oder durch Vollabdruck in einem überregionalen Börsenpflichtblatt 1 So schon Groß, Kapitalmarktrecht, München 2000, § 9 VerkProspG Rz. 5, unter Hinweis auf den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes v. 6.7.1972 – GmS-OGB 2/71, NJW 1972, 2035, zu § 2 Abs. 6 BauGB; auch noch Groß, Kapitalmarkrecht, 4. Aufl. 2009, § 9 VerkProspG Rz. 3 und § 14 WpPG Rz. 4 mit Fn. 7. Kritisch dagegen Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 57. 2 So argumentiert auch Heidelbach in Schwark, § 9 VerkProspG Rz. 4. 3 RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 14. 4 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 9 VerkProspG Rz. 6 f. 5 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 87 und 88. 6 RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 14.

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Frist und Form der Veröffentlichung

§ 9 VerkProspG

veröffentlicht wird. Im Falle des Vollabdrucks, bei dem es sich ganz fraglos um ein Ereignis handelt, müsste auch diese Meinung zur Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB kommen. Dann wäre der Tag, an dem der Verkaufsprospekt abgedruckt wird, bei der Bestimmung der Frist nicht mitzurechnen. Das Angebot der Vermögensanlage dürfte demzufolge bei der Veröffentlichung durch Vollabdruck erst am zweiten Werktag danach stattfinden, während es im Falle der Schalterpublizität bereits am ersten Werktag nach Beginn des Bereithaltens beginnen könnte. Im Hinblick darauf, dass die Anleger den Verkaufsprospekt vor Beginn des Angebots erhalten sollen, um sich informieren zu können, ist dieses Ergebnis nicht vertretbar. Es hätte außerdem zur Folge, dass dann, wenn die Anleger den Inhalt des Verkaufsprospekt sofort am Tag der Veröffentlichung zur Kenntnis nehmen können, ein längerer Zeitraum bis zum Beginn des Angebots der Vermögensanlage verstriche als in dem Fall, in dem die Anleger zumindest die Postlaufzeiten abwarten müssen, bevor sie die Möglichkeit haben, den Verkaufsprospekt zu lesen. Vorstehende Überlegungen hat die BaFin indes mit der Änderung des Verk- 9 ProspG und der Einführung des WpPG durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz (siehe oben Rz. 4) im Interesse einer größeren Serviceorientierung für die Emittenten über Bord geworfen. Sie vertritt seither die Ansicht, zwischen Veröffentlichung des Verkaufsprospekts und dem Beginn des Angebots der Vermögensanlagen brauche kein ganzer Werktag zu liegen und das Angebot könne am Werktag nach der Veröffentlichung des Prospekts am vorausgegangenen Werktag beginnen1. Diese Praxis erscheint nicht gesetzeskonform, auch wenn sie mit der rechtspolitischen Überlegung gerechtfertigt werden kann, dass der Anleger durch die Möglichkeit, den veröffentlichten Prospekt mindestens einen vollen Werktag zur Kenntnis nehmen zu können, ohnehin nicht profitiert, weil in den seltensten Fällen die nur mehr oder weniger zufällig wahrgenommene Veröffentlichung des Prospekts, sondern regelmäßig erst das ihn erreichende Investitionsangebot Anlass zu Erkundigungen über die angebotene Vermögensanlage und damit ein Bedürfnis für die Heranziehung des Prospekts gibt. Doch wie dem auch sei: dem gesetzgeberischen Zweck der Fristenlösung, es dem Anleger zu ermöglichen, den Verkaufsprospekt vor Abgabe des Angebots in ausreichender 1 Im Informationsblatt der BaFin „Wie ist der Verkaufsprospekt zu veröffentlichen?“ heißt es: „Der Verkaufsprospekt muss mindestens einen Werktag vor dem öffentlichen Angebot gemäß § 9 Abs. 2 Verkaufsprospektgesetz veröffentlicht werden. Beispiel: Bei einer Veröffentlichung an einem Montag können frühestens am Dienstag die Vermögensanlagen öffentlich angeboten werden.“ Das Informationsblatt kann über den Link „Veröffentlichung“ im Dokument „Die Prospektpflicht und das Verfahren im Überblick“ aufgerufen werden, welches sich auf der Internetseite der BaFin http://www.bafin.de/ über die Rubriken Unternehmen . Allgemeine Pflichten . Prospekte für Vermögensanlagen . Verfahren öffnet. Folgend Groß, Kapitalmarkrecht, § 9 VerkProspG Rz. 3 und § 14 WpPG Rz. 4 mit Fn. 7; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 9 VerkProspG Rz. 4. Ohne Stellungnahme Bruchwitz in Arndt/Voß, § 9 VerkProspG Rz. 10.

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§ 9 VerkProspG

Frist und Form der Veröffentlichung

Weise zur Kenntnis zu nehmen (siehe oben Rz. 1), ist mit der neuen Praxis nicht gedient. 10

Unbestritten ist, dass der Samstag ein Werktag ist1. Bei der Fristberechnung nach § 9 Abs. 1 VerkProspG werden nur bundeseinheitlich festgelegte Feiertage berücksichtigt2. Außer Frage steht auch, dass § 9 Abs. 1 VerkProspG die Mindestfrist festlegt, die zwischen Prospektveröffentlichung und öffentlichem Angebot liegen muss, weshalb der Verkaufsprospekt auch früher als einen Werktag vor dem öffentlichen Angebot veröffentlicht werden kann3. Wird das öffentliche Angebot auch über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem unterbreitet, so beginnt die Frist, nach deren Ablauf frühestens mit dem Angebot begonnen werden darf, erst zu laufen, wenn die letzte der nach § 9 Abs. 2 Satz 1 VerkProspG (Bekanntmachung des Prospekts oder der Schalterpublizität) und nach § 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG (Veröffentlichung des Prospekts im elektronischen Informationsverbreitungssystem) vorgeschriebenen Veröffentlichungen erfolgt ist4. Im Falle der Schalterpublizität beginnt die Frist des § 9 Abs. 1 VerkProspG nicht bereits mit der Bereithaltung der Verkaufsprospekte an den Schaltern, sondern erst mit der Veröffentlichung der Hinweisbekanntmachung nach Maßgabe von § 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VerkProspG zu laufen (siehe unten Rz. 12).

III. Veröffentlichung des Verkaufsprospekts (§ 9 Abs. 2 VerkProspG) 1. Wahl der Veröffentlichungsform (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VerkProspG) 11

Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VerkProspG hat der prospektpflichtige Anbieter die Wahl, zwischen der Bekanntmachung, dh. dem Vollabdruck des Verkaufsprospekts in einem überregionalen5 Börsenpflichtblatt, einerseits und der Bereithaltung des Prospekts bei den in diesem benannten Zahlstellen zur kostenlosen Ausgabe, dh. der so genannten Schalterpublizität andererseits.

1 Siehe schon BaFin, Bekanntmachung v. 6.9.1999 (oben Rz. 6 Fn. 4) zu VII. (§ 8a Verkaufsprospektgesetz) 1. (Frist). BaFin, Die Prospektpflicht und das Verfahren im Überblick, http://www.bafin.de/DE/Unternehmen/AllgemeinePflichten/ProspekteVermoegensanlagen/Verfahren/verfahren__node.html?__nnn=true. Siehe auch. § 8i VerkProspG Rz. 25. Soll der Samstag ausnahmsweise nicht als Werktag gelten, ist dies im Gesetz vermerkt, wie etwa in § 9 Abs. 1 Satz 1 WpHG. Ebenso Bruchwitz in Arndt/Voß, § 9 VerkProspG Rz. 11. AA noch Carl/Machunsky, Der Wertpapier-Verkaufsprospekt, S. 62. 2 BaFin, Bekanntmachung v. 6.9.1999 (oben Rz. 6 Fn. 4) Ziff. VIII. 3 Schon Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 68. 4 Schon Ritz, AG 2002, 662 (665); auch Bruchwitz in Arndt/Voß, § 9 VerkProspG Rz. 12. 5 Der Gesetzgeber hielt die Veröffentlichung des Verkaufsprospekts nur in einem regionalen Börsenpflichtblatt nicht für ausreichend; siehe Begr. RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679 v. 27.1.1994, S. 90.

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Frist und Form der Veröffentlichung

§ 9 VerkProspG

2. Bekanntmachung durch Vollabdruck (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 1 VerkProspG) Überregionale Börsenpflichtblätter zur Bekanntmachung eines Verkaufspro- 12 spekts im Wege des Vollabdrucks des Prospekts sind die Börsenzeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Frankfurter Rundschau, das Handelsblatt, die Süddeutsche Zeitung, Die Welt sowie die Financial Times Deutschland. Wegen des va. finanziellen Aufwands des Vollabdrucks des regelmäßig umfänglichen Verkaufsprospekts dominiert in der Praxis die Schalterpublizität als Veröffentlichungsform. 3. Schalterpublizität (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 VerkProspG) a) Hinweisbekanntmachung (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VerkProspG) Wählt der Anbieter die Schalterpublizität, muss er nach § 9 Abs. 2 Satz 1 13 Halbsatz 2 VerkProspG in einem überregionalen Börsenpflichtblatt bekannt machen, bei welchen der im Verkaufsprospekt benannten Zahlstellen der Prospekt bereitgehalten wird (sog. Hinweisbekanntmachung). Da es allein darauf ankommt, dass die Stellen benannt werden, an denen der Prospekt bereitgehalten wird, ist es als misslich, aber gleichwohl unschädlich anzusehen, wenn die benannten Stellen nicht mit den im Prospekt benannten „Zahlstellen“ iS von § 4 Satz 1 Nr. 4 VermVerkProspV (dh. den Stellen, die „bestimmungsgemäß Zahlungen an den Anleger ausführen“) identisch sind. Nicht bereits mit der Bereithaltung der Verkaufsprospekte an den fraglichen Stellen, sondern erst mit der Veröffentlichung der Hinweisbekanntmachung ist dem Erfordernis der Schalterpublizität nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VerkProspG Genüge getan, denn allein die Bereithaltung stellt noch keine Publizität dar. Dementsprechend beginnt auch erst mit der Veröffentlichung der Hinweisbekanntmachung und der so eröffneten Möglichkeit, den Prospekt zu erhalten und zur Kenntnis zu nehmen, die Frist des § 9 Abs. 1 VerkProspG zu laufen. Die früher vorgeschriebene Veröffentlichung der Hinweisbekanntmachung im Bundesanzeiger ist seit der Neuregelung durch das 3. FFG v. 6.11.1997 entfallen (siehe oben Rz. 3), da sie den Anlegern über die Veröffentlichung in einem überregionalen Börsenpflichtblatt hinaus keine einfacher zugänglichen oder zusätzlichen Informationen bietet1. Hinsichtlich des Inhalts der Hinweisbekanntmachung ergibt sich aus § 9 14 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VerkProspG lediglich die Pflicht, bekannt zu machen, dass der Verkaufsprospekt bei den Zahlstellen bereitgehalten wird. Das erfordert aber zumindest Angaben zum Anbieter als Hinweisenden sowie darauf, um welche Art von Verkaufsprospekt es sich handelt und auf welche Wertpapiere sich dieser bezieht. Die Art des Verkaufsprospekts kann insbesondere bei unvollständigen Verkaufsprospekten und den entsprechenden Nachträgen nach § 10 VerkProspG von Bedeutung sein. Beide müssen 1 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 88.

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§ 9 VerkProspG

Frist und Form der Veröffentlichung

einander zugeordnet sein, da sie nur zusammen „den Verkaufsprospekt“ iS des Gesetzes bilden. Zur Identifizierung des Verkaufsprospekts, auf den hinzuweisen ist, und zur Vermeidung von Verwechslungen mit anderen Angeboten und Anlagemöglichkeiten, die wiederholt von demselben Anbieter oder Emittenten angeboten werden, ist es zweckmäßig, aber nicht zwingend, in der Hinweisbekanntmachung auch das Datum der Erstellung des Verkaufsprospekts zu nennen. Darüber hinaus müssen die Hinweise die Identifikation der Zahlstelle ermöglichen und Angaben zur Bereithaltung des Verkaufsprospekts enthalten. Das verlangt zunächst die Nennung der Adresse oder zumindest einer Telefonnummer der Stelle, bei der der Anleger den Verkaufsprospekt kostenlos erhalten kann. Ist der Verkaufsprospekt zusätzlich im Internet abrufbar, empfiehlt es sich, auch die Internetseite in der Hinweisbekanntmachung aufzunehmen. 15

Die vorstehenden Hinweise stimmen mit den Angaben überein, welche die BaFin in dem auf ihrer Website veröffentlichten „Muster einer Hinweisbekanntmachung gemäß § 9 Abs. 2 Verkaufsprospektgesetz für vollständige sowie unvollständige Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte“ v. 26.10.20071 verlangt: „Bekanntmachung gemäß § 9 Abs. 2 Verkaufsprospektgesetz Die Firma X [Firma des Anbieters] beabsichtigt, von der Firma Y [Firma des Emittenten] begebene [Art der Vermögensanlage] öffentlich anzubieten. Ein (un)vollständiger Verkaufsprospekt wird bei der [Firma/Firmen und Anschrift/en der im Verkaufsprospekt benannten Zahlstelle/n] zur kostenlosen Ausgabe bereitgehalten. [Ort, Datum der Veröffentlichung Firma des Anbieters]“

b) Bereithaltung des Verkaufsprospekts zur kostenlosen Ausgabe (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VerkProspG) 16

Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VerkProspG heißt Schalterpublizität die Bereithaltung des Verkaufsprospekts zur kostenlosen Ausgabe. Das bedeutet, dass dem Anleger auf Anforderung der Verkaufsprospekt ohne Kostenaufwand ausgehändigt, übermittelt oder zugesandt2 werden muss. Die bloße Eröffnung der Möglichkeit, den bereitgehaltenen Prospekt kostenlos einsehen zu können, stellt keine Ausgabe dar und ist deshalb nicht ausreichend3. Diese Auslegung steht sowohl mit dem Wortlaut der Vorschrift, die von „Bereithaltung zur Ausgabe“ spricht, im Einklang und ist darüber hinaus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift geschuldet: Die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Prospekts und einer informierten Anlegerentscheidung wären de facto erheblich erschwert, hätte der Anleger die Kosten der 1 Abrufbar über die Website der BaFin, http://www.bafin.de/ über die Rubriken Unternehmen . Allgemeine Pflichten . Prospekte für Vermögensanlagen . Verfahren (dort am Ende der Seite „Die Prospektpflicht und das Verfahren im Überblick“ unter Mustervorlagen: Muster Hinweisbekanntmachung). 2 AA, ein Recht auf Zusendung verneinend, Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 57 (S. 58: Recht auf Portoersatz). 3 Ebenso Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 57. AA Meyding, DB 1993, 419 (422); Bruchwitz in Arndt/Voß, § 9 VerkProspG Rz. 17.

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Frist und Form der Veröffentlichung

§ 9 VerkProspG

Übermittlung des Prospekts zu tragen1, die dem Anbieter durch die Eröffnung dieser Publizitätsform gegenüber dem Vollabdruck in einem überregionalen Börsenpflichtblatt erspart bleiben. Dass für den Prospekt selbst keine Kosten berechnet werden dürfen, ist jedoch auf Grund des diesbezüglich klaren Wortlauts der Vorschrift unbestritten. Wie der Prospekt zur Aushändigung bereitgehalten wird, ist unerheblich: Er kann bereits gedruckt vorgehalten werden oder auf Verlangen des Anlegers nach Prospektaushändigung ausgedruckt werden2. Die Pflicht zur kostenlosen Ausgabe des Prospekts als Teil der Schalterpu- 17 blizität geht von einem öffentlichen, dh. an einen unbestimmten Personenkreis gerichtetes Angebot aus und begründet deshalb nicht die Pflicht, dass jedes in diesem Rahmen einer bestimmten Person – etwa durch den Anbieter selbst mittels eigener Leute oder durch selbstständige Anlagevermittler oder Anlageberater – unterbreitete Angebot mit der Aushändigung eines Prospekts einhergehen muss. Dies ist vom Gesetzgeber, anders als beim Vertrieb von Investmentanteilen (siehe oben Rz. 1), erkennbar nicht beabsichtigt3. Ein Prospekt ist darüber hinaus auch nur auf Verlangen kostenlos auszuhändigen, wobei der Anleger die Kosten der Übermittlung dieses Begehrens zu tragen hat. 4. Angebot über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem (§ 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG) Werden Vermögensanlagen über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem angeboten, hat der Anbieter nach § 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG den Verkaufsprospekt – zusätzlich zu seiner Bekanntmachung oder Bereithaltung im Wege der Schalterpublizität nach § 9 Abs. 2 Satz 1 VerkProspG – auch in diesem elektronischen selbst zu veröffentlichen. Darüber hinaus ist er verpflichtet, in dem Angebot auf die Fundstelle in dem elektronischen Informationsverbreitungssystem hinzuweisen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG) und der BaFin Datum und Ort der Veröffentlichung unverzüglich schriftlich mitzuteilen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG, siehe unten Rz. 19 ff.).

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Elektronische Informationsverbreitungssysteme iS von § 9 Abs. 2 Satz 2 19 VerkProspG sind alle auf die elektronische Verbreitung von Informationen an eine Vielzahl angeschlossener Benutzer angelegte Medien, die (wie sich aus § 9 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 VerkProspG im Hinblick auf die Folgepflichten einer elektronischen Angebotsverbreitung in Gestalt der Prospektveröffentlichung des Hinweises auf die „Fundstelle“ ergibt) geeignet und bestimmt sind, einen Verkaufsprospekt zu kommunizieren und zumindest temporär und abrufbar zu speichern. Als ein solches elektronisches kommt

1 So aber Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 58. 2 Siehe schon von Kopp-Colomb/Lenz, BKR 2002, 5 (9). Ebenso Bruchwitz in Arndt/Voß, § 9 VerkProspG Rz. 19. 3 Auch Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 58 zu Fn. 364.

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Frist und Form der Veröffentlichung

vorliegend in erster Linie das Internet in Betracht1. Da der Gesetzgeber hier (wie etwa auch in § 5 Satz 1 Nr. 1 WpAIV) den Begriff des elektronischen (oder wie in § 5 Satz 1 Nr. 1 WpAIV des elektronisch betriebenen) Informationsverbeitungsystems verwendet und, anders als etwa in § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpÜG, nicht den Begriff Internet, zeigt, dass vorliegend auch andere elektronische Informationsverbreitungssysteme als dieses in Betracht kommen, während er in § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpÜG eine Beschränkung auf das Internet vornimmt, um die Veröffentlichung der Angebotsunterlage auf ein weit verbreitetes sowie allgemein und frei zugängliches Informationssystem zu beschränken. 20

Die Verpflichtung des Anbieters nach § 9 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG besteht nicht nur dann, wenn die gesamte Emission über den neuen Vertriebsweg angeboten wird, sondern auch dann, wenn nur Teile einer Emission über das elektronische Informationsverbreitungssystem veräußert werden. Dies gebietet der mit dem VerkProspG verfolgte Schutzzweck, da die potentiellen Anleger, die nur über das elektronische Informationsverbreitungssystem angesprochen werden, sonst keine ausreichenden Informationsmöglichkeiten hätten.

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Die Pflicht zur Veröffentlichung des Verkaufsprospekts in dem elektronischen Informationsverbreitungssystem nach § 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG tritt neben die von § 9 Abs. 2 Satz 1 VerkProspG vorgeschriebenen Veröffentlichungswege in Gestalt der Bekanntgabe und der Schalterpublizität. Das ergibt sich aus der Verwendung des Wortes „auch“ in § 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG2. Der Anbieter muss also selbst dann, wenn er die gesamte Emission über das elektronische Informationsverbreitungssystem anbietet, den Prospekt auf jeden Fall im Wege des Vollabdrucks in einem überregionalen Börsenpflichtblatt oder mittels Schalterpublizität (siehe oben Rz. 11) veröffentlichen.

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Angaben über die Art und Weise der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts in dem elektronischen Informationsverbreitungssystem enthält die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG nicht. Da die Bestimmung die Veröffentlichung des Prospekts und den Hinweis auf eine entsprechende Fundstelle verlangt, ist es zumindest erforderlich, dass der Verkaufsprospekt auf die Internetseite des Anbieters oder des Emittenten3 eingestellt und ohne weitere Einschränkung zugänglich ist. Damit ist der Prospekt iS der Vorschrift elektronisch veröffentlicht. Um den so veröffentlichten Prospekt zur Kenntnis nehmen zu können, bedarf es nicht zwingend – auch nicht aus Beweisgründen – der Möglichkeit, diesen speichern und/oder ausdrucken zu

1 Vgl. auch Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 14/8017, S. 110. 2 Ebenso Bruchwitz in Arndt/Voß, § 9 VerkProspG Rz. 21; Groß, Kapitalmarktrecht, § 9 VerkProspG Rz. 4, mit dem Hinweis auf die entsprechende Regelung in § 14 Abs. 2 Nr. 3 iVm. Abs. 5 WpPG; Lenz/Ritz, WM 2000, 904; Ritz, AG 2002, 662 (665). 3 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), Nachtrag 2002 § 9 VerkProspG Rz. 8.

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Frist und Form der Veröffentlichung

§ 9 VerkProspG

können1. Die BaFin scheint dies anders zu sehen, führt sie doch in ihrem Jahresbericht 20022 aus, die Interessenten müssten die elektronische Version des Verkaufsprospekts im Internet zügig auffinden und auch auf ihren Computer herunterladen und ausdrucken können. Nicht ausreichend wäre es aber auf jeden Fall, wenn die Fundstelle, auf die nach § 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG in dem elektronischen Angebot hinzuweisen ist, lediglich eine Information über eine Adresse enthielte, bei welcher ein Verkaufsprospekt abgeholt oder (online, per Telefon oder per Post) angefordert werden kann. Bei dem Angebot der Vermögensanlagen über ein elektronisches Informati- 23 onsverbreitungssystem ist nach § 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG auch auf die Fundstelle in dem elektronischen Informationsverbreitungssystem hinzuweisen, an der der Prospekt elektronisch veröffentlicht ist. In Bezug auf die Anforderungen, die an diesen Hinweis zu stellen sind, wird man sich an der Praxis zur Hinweisbekanntmachung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VerkProspG (siehe oben Rz. 13 ff.) orientieren können. Genannt werden muss demzufolge die Art des Verkaufsprospekts (vollständig oder unvollständig Prospekt oder Nachtrag nach § 10 VerkProspG oder § 11 VerkProspG) und des Datums seiner Erstellung sowie die Fundstelle (im Falle eines Internetangebots die Internetseite), unter der der Verkaufsprospekt abgerufen werden kann. Wenn § 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG für den Fall des Angebots von Vermögensanlagen über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem verlangt, den Verkaufsprospekt auch in diesem zu veröffentlichen, so steht außer Frage, dass der elektronisch veröffentlichte Verkaufsprospekt mit dem Verkaufsprospekt identisch sein muss, dessen Veröffentlichung die Bundesanstalt nach § 8i Abs. 2 Satz 1 VerkProspG gestattet hat.

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5. Schriftliche Mitteilung von Veröffentlichungsdaten (§ 9 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG) Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG ist der Anbieter verpflichtet, der BaFin das Datum und den Ort der Veröffentlichung unverzüglich – dh. entsprechend der Definition des Begriffs in § 121 BGB ohne schuldhaftes Zögern – schriftlich mitzuteilen. Die Mitteilungspflicht erstreckt sich auf alle gesetzlich vorgesehenen Veröffentlichungsarten, dh. auf den Vollabdruck, die Schalterpublizität und die Veröffentlichung des Verkaufsprospekts in einem elektronischen Informationsverbreitungssystem. Sie gilt darüber hinaus für alle Prospektarten, dh. vollständige und unvollständige Verkaufsprospekte

1 Anders Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), Nachtrag 2002 § 9 VerkProspG Rz. 8; Groß, Kapitalmarkrecht, § 9 VerkProspG Rz. 4 (S. 442); ebenso wohl, allerdings ohne nähere Begründung, Bruchwitz in Arndt/Voß, § 9 VerkProspG Rz. 22. 2 So schon Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2002, Juni 2003, S. 169, abrufbar über die Website der BaFin, http://www.bafin.de/, Rubrik „Service/Veröffentlichungen“ unter „Archive/Jahresberichte“.

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§ 9 VerkProspG

Frist und Form der Veröffentlichung

und Nachträge nach § 10 VerkProspG und § 11 VerkProspG)1. Anders als die Übermittlung per Telefon oder per E-Mail genügt die Übermittlung durch Fax dem Schriftlichkeitserfordernis. 26

Diese 2002 durch das 4. FFG (siehe oben Rz. 3) eingefügte Regelung trägt den Erfahrungen Rechnung, die von der Aufsichtsbehörde zuvor mit der Überwachung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts gemacht wurden. Im Zusammenhang mit der Ahndung einer Ordnungswidrigkeit nach § 17 Abs. 1 Nr. 6 VerkProspG konnte oftmals nur mit erheblichem Zeit- und Personalaufwand festgestellt werden, ob, wann und wie der Anbieter den Verkaufsprospekt veröffentlicht hatte2. Mit der neu geschaffenen Mitteilungsverpflichtung des Anbieters soll dieser Kontrollaufwand reduziert werden3. Im Hinblick darauf, dass der Überwachungsaufwand bei einer Veröffentlichung des Verkaufsprospekts über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem ungleich größer ist als bei einer Veröffentlichung im Wege des Vollabdrucks oder der Schalterpublizität, ist eine solche Mitteilungspflicht des Anbieters unerlässlich.

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Um seiner Mitteilungspflicht Genüge zu tun, hat der Anbieter – sofern die Veröffentlichung des Verkaufsprospekts durch Bekanntmachung und Vollabdruck (siehe oben Rz. 11, 12) erfolgt – die BaFin darüber zu informieren, wann und in welchem überregionalen Börsenpflichtblatt der Verkaufsprospekt abgedruckt wurde4.

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Wird der Verkaufsprospekt im Wege der Schalterpublizität veröffentlicht, ist der BaFin mitzuteilen, ab welchem Zeitpunkt und unter welcher Adresse der Verkaufsprospekt kostenlos zur Abgabe an Anleger bereitgehalten wird. Das bedeutet, dass eine Formulierung ähnlich wie sie bislang in der Hinweisbekanntmachung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VerkProspG erfolgte5, ausreichend ist. Erfüllt werden kann die Mitteilungspflicht zunächst dadurch, dass der Bundesanstalt eine Kopie des Auftrags für die Hinweisbekanntmachung zur Verfügung gestellt wird, den der Anbieter an das überregionale Börsenpflichtblatt richtet. Dies gilt aber nur dann, wenn gleichzeitig auch darüber informiert wird, wann die Hinweisbekanntmachung in dem überregionalen Börsenpflichtblatt veröffentlicht wird. Zur Verfahrensvereinfachung sollte so nach Möglichkeit bei Nachträgen nach § 10 VerkProspG verfahren werden. Ferner wird der Mitteilungspflicht Genüge getan, wenn der BaFin die entsprechende Zeitungsseite, auf der die Hinweisbekanntmachung veröffentlicht wurde, als Original oder Kopie 1 In Bezug auf die Nachträge ergibt sich dies aus § 10 Satz 2 VerkProspG und § 11 Satz 2 VerkProspG. 2 Die schon früher unter Ziff. VI. der Bekanntmachung zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Rz. 6 Fn.4) vorgesehene Mitteilungspflicht hat nur Hinweischarakter. Der Verstoß gegen die Mitteilungspflicht ist gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 6 VerkProspG allerdings bußgeldbewehrt. 3 Vgl. Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 14/8017, S. 110. 4 Ritz, AG 2002, 662. 5 Vgl. dazu auch die Formulierungsbeispiele auf der Website der BaFin, http:// www.bafin.de, Sektor Wertpapieraufsicht/Assetmanagement.

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Frist und Form der Veröffentlichung

§ 9 VerkProspG

übersandt wird1. Im Interesse eines vereinfachten Verfahrensablaufs sollte diese Alternative bei der Hinterlegung von vollständigen und unvollständigen Verkaufsprospekten gewählt werden. Wird der Verkaufsprospekt in einem elektronischen Informationsverbrei- 29 tungssystem veröffentlicht, ist der Bundesanstalt die Webadresse mitzuteilen, unter der der Verkaufsprospekt abgerufen werden kann. Dabei hat der Anbieter auch anzugeben, ab wann der Abruf des Verkaufsprospekts unter dieser Adresse möglich ist2. Denn die Kenntnis dieses Datums ist erforderlich, um die Einhaltung der in § 9 Abs. 1 VerkProspG genannten eintägigen Frist zwischen der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts und dem Beginn des öffentlichen Angebots überprüfen zu können. Die vorstehenden Hinweise stimmen mit den Angaben überein, welche die BaFin in dem auf ihrer Website veröffentlichten Muster betreffend den Nachweis einer Veröffentlichung nach § 9 Abs. 2 Verkaufsprospektgesetz3 verlangt: „Firma XYZ, Musterstraße 123, 12345 Musterstadt Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Referat PRO 3 Lurgiallee 12 60439 Frankfurt am Main [aktuelles Datum] Nachweis über die Veröffentlichung des Verkaufsprospekts vom [Datum] für [Art der Vermögensanlage] Sehr geehrte Damen und Herren, mit Schreiben vom [Datum] haben Sie uns die Veröffentlichung des oben genannten Verkaufsprospektes gestattet. Die Veröffentlichung des Verkaufsprospekts durch entsprechende Hinweisbekanntmachung erfolgte am [Datum] in [der Börsenzeitung, dem Handelsblatt, der Financial Times Deutschland, Die Welt, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Frankfurter Rundschau, der Süddeutschen Zeitung]. Eine Fotokopie der OriginalHinweisbekanntmachung aus dem/der [Name des entsprechenden Börsenpflichtblattes] liegt diesem Schreiben bei. [Darüber hinaus kann der Verkaufsprospekt im Internet unter [URL der Website] ab dem [Datum] eingesehen werden (§ 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Verkaufsprospektgesetz).] Bei Fragen steht Ihnen Herr/Frau […], Tel.: […]; Fax: […] gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Firma XYZ Anlage Korrekturabzug/Original-Hinweisbekanntmachung vom [Datum]“ 1 Ritz, AG 2002, 662. 2 Ritz, AG 2002, 662. 3 Abrufbar über die Website der BaFin, http://www.bafin.de/, über die Rubriken Unternehmen . Allgemeine Pflichten . Prospekte für Vermögensanlagen . Verfahren (dort am Ende der Seite „Die Prospektpflicht und das Verfahren im Überblick“ unter Mustervorlagen: Nachweis Veröffentlichung).

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§ 10 VerkProspG

Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts

IV. Annexregelungen 1. Hinweispflicht bei öffentlichem Angebot 31

Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG muss der Anbieter einem Angebot von Vermögensanlagen über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem in diesem nicht nur den Verkaufsprospekt veröffentlichen, sondern hat auch in dem Angebot auf den Ort der Veröffentlichung des Prospekts im elektronischen Informationsverbreitungssystem hinzuweisen. Eine entsprechende Bestimmung für anderweitige öffentliche Angebote von Vermögensanlagen findet sich zwar nicht in § 9 VerkProspG, doch ist der Anbieter gemäß § 12 VerkProspG verpflichtet, in Veröffentlichungen, in denen das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen angekündigt und auf die wesentlichen Merkmale der Vermögensanlagen hingewiesen wird, einen Hinweis auf den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung aufzunehmen. 2. Übermittlung an das Unternehmensregister

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Gemäß § 8b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 10 HGB ist der Anbieter zusätzlich verpflichtet, die Daten der Veröffentlichung nach § 9 VerkProspG an das Unternehmensregister1 zu übermitteln. 3. Ordnungswidrigkeiten

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Wer entgegen § 9 Abs. 1 VerkProspG vorsätzlich oder leichtfertig einen Verkaufsprospekt nicht, nicht richtig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht, oder entgegen § 9 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig macht, handelt nach § 17 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 6 VerkProspG ordnungswidrig. Im ersteren Falle kann die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 100.000 Euro, im letzteren Falle mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden (§ 17 Abs. 3 VerkProspG).

§ 10 Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts Werden einzelne Angebotsbedingungen erst kurz vor dem öffentlichen Angebot festgesetzt, so darf der Verkaufsprospekt ohne diese Angaben nur veröffentlicht werden, sofern er Auskunft darüber gibt, wie diese Angaben nachgetragen werden. Die nachzutragenden Angaben sind spätestens am Tag des öffentlichen Angebots gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 zu veröffent-

1 Internetadresse: https://www.unternehmensregister.de/.

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Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts

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lichen. Die nachzutragenden Angaben sind spätestens zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung der Bundesanstalt zu übermitteln. In der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701), zuletzt geändert durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Kullmann/Müller-Deku, Die Bekanntmachung zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, WM 1996, 1989; Pötzsch, Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1998, 949; Schäfer, Emission und Vertrieb von Wertpapieren nach dem WertpapierVerkaufsprospektgesetz, ZIP 1991, 1557. Siehe auch das Schrifttum zu Einl. VerkProspG.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung und Übersicht . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen der Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts (§ 10 Satz 1 VerkProspG) . . . 1. Einzelne Angebotsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auskunft über den Nachtrag fehlender Angaben . . . . . . . . 3. Gestaltung des unvollständigen Verkaufsprospekts . . . . . 4. Übermittlung, Hinterlegung und Veröffentlichung des unvollständigen Verkaufsprospekts . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Veröffentlichung von Nachträgen (§ 10 Satz 2 VerkProspG) 1. Vollabdruck oder Schalterpublizität . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Hinweisbekanntmachung bei Schalterpublizität . . . . . . . . 15 IV. Übermittlung der Nachträge an die BaFin (§ 10 Satz 3 VerkProspG) . . . . . . . . . . . .

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V. Annexfragen und -regelungen 1. Der unvollständige Verkaufsprospekt und die Nachträge beim Vertrieb der Vermögensanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2. Prospekthaftung . . . . . . . . . 21 3. Ordnungswidrigkeit . . . . . . . 22

I. Normentwicklung und Übersicht Nach den Ausführungen im RegE VerkProspG1 setzt die Vorschrift Art. 16 1 der Emissionsprospektrichtlinie2 um und „entspricht der Bezugnahme“ von Art. 7 der Richtlinie auf die Börsenzulassungsprospektrichtlinie v. 17.3.19803, umgesetzt in (dem zwischenzeitlich aufgehobenen) § 44 Börs1 Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 14. 2 Richtlinie v. 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist (sog. Emissionsprospektrichtlinie), ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8. 3 Richtlinie v. 17.3.1980 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 100 v. 17.4.1980, S. 1.

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Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts

ZulVO aF. Durch Art. 2 Nr. 13 des 3. FFG1 wurde die Vorschrift dahingehend geändert, dass die Pflicht zur Vorabveröffentlichung von Nachträgen zu unvollständigen Verkaufsprospekten nach § 10 VerkProspG aF vor dem ersten öffentlichen Angebot der Wertpapiere zugunsten der derzeit gültigen Regelung (siehe Rz. 2) entfiel. Durch Art. 2 Nr. 6 lit. b des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes2 wurde § 10 Satz 3 VerkProspG eingefügt. Es handelt sich dabei um eine bloße Folgeänderung der Beschränkung des Verkaufsprospektgesetzes auf Vermögensanlagen iS von § 8f Abs. 1 VerkProspG3. 2

Um die Vorschriften betreffend die Prospektpflicht den Erfordernissen des Marktes anzupassen, sieht die Bestimmung vor, dass ein Verkaufsprospekt veröffentlicht werden darf, in dem einzelne Angebotsbedingungen noch nicht enthalten sind (sog. unvollständiger Verkaufsprospekt). Der Verkaufsprospekt muss jedoch Auskunft darüber geben, wie die noch fehlenden Angaben nachgetragen werden. Der Nachtrag muss spätestens am Tag des öffentlichen Angebots erfolgen. Somit wird der Grundsatz der Veröffentlichung eines vollständigen Verkaufsprospekts nicht durchbrochen4. Der unvollständige Verkaufsprospekt bildet zusammen mit dem Nachtrag den gesetzlich vorgeschriebenen vollständigen Verkaufsprospekt5.

3

Durch die Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts wird gewährleistet, dass die Konditionen der Emission zum Angebotszeitpunkt der Marktlage entsprechen6. Die Regelung ermöglicht unter angemessener Berücksichtigung von Anlegerschutzgesichtspunkten eine flexible Reaktion der Marktteilnehmer auf kurzfristige Veränderungen am Markt.

II. Voraussetzungen der Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts (§ 10 Satz 1 VerkProspG) 4

Wie sich aus § 10 Satz 1 VerkProspG ergibt, besteht die Möglichkeit, einen in Bezug auf einzelne Angebotsbedingungen unvollständigen Verkaufsprospekt zu erstellen, falls diese erst kurz vor dem öffentlichen Angebot festgesetzt werden und der Prospekt Auskunft darüber gibt, wie die fehlenden Angaben nachgetragen werden. 1 Gesetz zur weiteren Entwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, 529, 533. Siehe dazu auch die Begründung zum RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997 (= BRDrucks. 605/97 v. 15.8.1997), S. 89. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 22.6.2005, BGBl. I 2005, 1698, 1713. 3 Vgl. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 41. 4 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 87. 5 VG Frankfurt v. 7.8.1997 – 15 E 2135/95 (1), WM 1998, 762 (763). 6 Schäfer, ZIP 1991, 1557 (1565); Hamann in Schäfer, § 10 VerkProspG Rz. 1.

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Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts

§ 10 VerkProspG

1. Einzelne Angebotsbedingungen Um einzelne Angebotsbedingungen handelt es sich nur bei solchen Anga- 5 ben, die typischerweise („nach der Eigenart der beabsichtigten Emission“) erst kurzfristig vor dem öffentlichen Angebot festgesetzt werden können1. Erfasst werden solche Informationen, welche die Ausgestaltung der Vermögensanlagen selbst betreffen, da andere Angaben nicht von den Veränderungen am Kapitalmarkt abhängig sind2. Da die gesamten Hintergrundinformationen zum Emittenten (§ 8g Abs. 1, 2 VerkProspG iVm. § 5 VermVerkProspV) vollständig im Verkaufsprospekt enthalten sein müssen, dürfen im unvollständigen Verkaufsprospekt deshalb nur Angaben nach § 4 VermVerkProspV3 oder – sofern man diese nicht ohnehin unter die Angaben über die Art der Vermögensanlage iS von § 4 Satz 1 Nr. 1 VermVerkProspV über das Anlageobjekt fassen darf – über das Anlageobjekt4 fehlen. Die Verlagerung von Angaben, die nicht die angebotene Vermögensanlage betreffen, in den Nachtrag iS der Vorschrift ist in aller Regel unzulässig5. Deshalb sind Angebotsbedingungen, die durch die Entwicklungen und die Schwankungen des Marktes nicht beeinflusst werden können und frühzeitig feststehen, von Anfang an vollständig wiederzugeben6. In diesem Zusammenhang ist eine formale Abgrenzung danach, was vom Verordnungsgeber als Angabe über die Vermögensanlagen angesehen wird, einer materiellen Abgrenzung aus Gründen des Anlegerschutzes vorzuziehen7. Keinesfalls zulässig ist die Aufnahme von den Emittenten betreffenden Angaben in einen Nachtrag iS der Vorschrift. Als einzelne Angebotsbedingungen sind danach jedenfalls die Anzahl und der Gesamtbetrag der angebotenen Vermögensanlagen (vgl. § 4 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 VermVerkProspV), die einzelnen Teilbeträge, falls das Angebot gleichzeitig in verschiedenen Staaten mit bestimmten Teilbeträgen erfolgt (vgl. § 4 Satz 1 Nr. 8 Satz 2 VermVerkProspV) und der Erwerbspreis (vgl. § 4 Satz 1 Nr. 9 VermVerkProspV), aber auch die eventuelle Verzinsung oder die Laufzeit der Vermögensanlage8 anzusehen. 1 Ziff. IX.1. der Bekanntmachung des BAWe zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I. S. 2701 ff.) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I. S. 2835 ff.) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180; Pötzsch, WM 1998, 949 (956). 2 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 71. 3 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 71, zu § 4 VerkProspVO aF. 4 Auch dieses gehört zu den Elementen der Ausgestaltung der Vermögensanlage in vorstehendem Sinne. Vgl. Bruchwitz in Arndt/Voß, § 10 VerkProspG Rz. 14 im Hinblick auf bestimmte Qualifikationen des Anlageobjekt eines geschlossenen Fonds. 5 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 87; ferner Ziff. IX.1. der Bekanntmachung des BAWe v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 6 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 72. 7 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 72. 8 Hamann in Schäfer, § 10 VerkProspG Rz. 2.

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Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts

2. Auskunft über den Nachtrag fehlender Angaben 7

Ein Prospekt, in dem Angaben über einzelne, erst kurz vor dem öffentlichen Angebot festzusetzende Angebotsbedingungen fehlen, darf nur dann veröffentlicht werden, wenn er Auskunft darüber gibt, wie diese Angaben nachgetragen werden. Fehlen diesbezügliche Hinweise in einem unvollständigen Prospekt, so stellt dies ein Verstoß gegen Satz 1 der Vorschrift dar, welcher dazu führt, dass die Veröffentlichung des Prospekts (§ 8i Abs. 2 Sätze 5 und 6 VerkProspG) und gegebenenfalls ein öffentliches Angebot von Vermögensanlagen (§ 8i Abs. 4 VerkProspG) von der BaFin zu untersagen sind. Ein ohne die fraglichen Hinweise veröffentlichter Prospekt ist zudem unvollständig iS von § 13 Abs. 1 VerkProspG.

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Nicht genehmigungs- und veröffentlichungsfähig sowie unvollständig ist der Prospekt, dem Angaben von erst kurz vor dem öffentlichen Angebot festzusetzenden Angebotsbedingungen fehlen, insbesondere auch dann, wenn er nicht die Angaben enthält, die § 4 Satz 1 Nr. 1 Satz 2, Nr. 8 Satz 2 und Nr. 9 VermVerkProspV für den Fall verlangen, dass die nach § 4 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, Nr. 8 Satz 1 und Nr. 9 VermVerkProspV erforderlichen Angaben über die Vermögensanlagen bis zur Prospektveröffentlichung nicht gemacht werden können. 3. Gestaltung des unvollständigen Verkaufsprospekts

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Der unvollständige Verkaufsprospekt ist als solcher kenntlich zu machen und als Volltext abzufassen, der lediglich bei einzelnen Positionen Lücken aufweisen darf1. Von der Aufnahme fiktiver Daten an der Stelle der noch nicht feststehenden ist abzusehen. Vielmehr ist die Lücke – zB durch Platzhalter und textliche Anmerkung – als solche zu kennzeichnen2. Anderenfalls vermittelt der Verkaufsprospekt den unzutreffenden Eindruck der Vollständigkeit und ermöglicht dem Publikum kein zutreffendes Urteil über die Vermögensanlage iS des § 8g Abs. 1 Satz 13. 4. Übermittlung, Hinterlegung und Veröffentlichung des unvollständigen Verkaufsprospekts

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Auch der unvollständige Prospekt iS von § 10 VerkProspG ist ein Verkaufsprospekt, der vor seiner Veröffentlichung der BaFin zu übermitteln ist (§ 8i Abs. 1 VerkProspG) und der erst nach der Gestattung durch die Aufsichtsbehörde veröffentlicht werden darf (§ 8i Abs. 2 Satz 1 VerkProspG) und nach Maßgabe von § 9 VerkProspG zu veröffentlichen ist.

1 Ziff. IX.1. der Bekanntmachung des BAWe v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 2 Vgl. Ziff. IX.2. der Bekanntmachung des BAWe v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 3 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 87, zu § 7 Abs. 1 VerkProspG aF.

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Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts

§ 10 VerkProspG

Die Übermittlung des unvollständigen Prospekts im Hinblick auf die Gestattung seiner Veröffentlichung und Hinterlegung nach § 8i Abs. 1 VerkProspG kann unter Verwendung des nachfolgenden von der BaFin am 26.10.2007 publizierten Musters für die „Hinterlegung eines (un)vollständigen Verkaufsprospekts“1 erfolgen, welches vorliegend bereits für die Verwendung zur Übermittlung des unvollständigen Prospekts redigiert wurde:

11

„Firma XYZ, Musterstraße 123, 12345 Musterstadt Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Referat PRO 3 Lurgiallee 12 60439 Frankfurt am Main [aktuelles Datum] Hinterlegung eines unvollständigen Verkaufsprospekts für [Art der Vermögensanlage] gemäß § 8i Abs. 1 Verkaufsprospektgesetz Sehr geehrte Damen und Herren, zur Hinterlegung gemäß § 8i Abs. 1 Verkaufsprospektgesetz übermitteln wir Ihnen anbei ein unterschriebenes Exemplar eines unvollständigen Verkaufsprospekts mit der Bitte um Gestattung der Veröffentlichung. Eine ausgefüllte Überkreuz-Checkliste ist beigefügt. Die nach § 10 Verkaufsprospektgesetz nachzutragenden Angaben werden wir gemäß § 10 Satz 3 Verkaufsprospektgesetz spätestens zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung an Sie übermitteln. Die Gestattung der Veröffentlichung vorausgesetzt, werden wir Ihnen gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 Verkaufsprospektgesetz Datum und Ort der Veröffentlichung des o.g. Verkaufsprospektes unverzüglich schriftlich mitteilen. Mit freundlichen Grüßen Firma XYZ“

III. Veröffentlichung von Nachträgen (§ 10 Satz 2 VerkProspG) 1. Vollabdruck oder Schalterpublizität Nachzutragende Angaben – Nachträge – sind nach Satz 2 der Vorschrift spä- 12 testens am Tag des öffentlichen Angebots nach Maßgabe von § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 VerkProspG zu veröffentlichen. Auf diese Weise werden Belange des Anlegerschutzes gewahrt, da in jedem Fall bei Beginn des öffentlichen Angebots dem Anleger sämtliche Angebotsbedingungen zur Verfügung stehen2. Durch den Verweis auf § 9 Abs. 2 Satz 1 VerkProspG eröffnet § 10 Satz 2 13 VerkProspG dem prospektpflichtigen Anbieter die Wahl (siehe § 9 VerkProspG Rz. 11), den jeweiligen Nachtrag im Wege der Bekanntmachung, dh. durch Vollabdruck des Nachtrags in einem überregionalen Börsenpflichtblatt, oder im Wege der Bereithaltung des Nachtrags bei den in diesem be1 Abrufbar von der Website der BaFin, http://www.bafin.de/ unter dem Suchbegriff „Muster Hinterlegung“. 2 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 89.

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Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts

nannten Zahlstellen zur kostenlosen Ausgabe, dh. durch die so genannte Schalterpublizität, zu veröffentlichen; siehe dazu die Erläuterungen § 9 VerkProspG Rz. 12 und 13 ff. Das Gesetz verlangt nicht, dass die Form der Veröffentlichung des Prospekts und diejenige der Veröffentlichung der Nachträge dieselben sind und zwingt nicht einmal dazu, die jeweiligen Nachträge einheitlich in einer der in § 9 Abs. 2 Satz 1 VerkProspG vorgesehenen Weisen zu veröffentlichen. 14

Davon unabhängig ist kraft des Verweises in § 10 Satz 2 VerkProspG auch auf § 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG für den Fall, dass das Angebot der fraglichen Vermögensanlagen über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem erfolgt, der Verkaufsprospekt auch in diesem zu veröffentlichen und in dem Angebot auf die Fundstelle in dem elektronischen Informationsverbreitungssystem hinzuweisen (siehe hierzu § 9 VerkProspG Rz. 18 ff.). 2. Hinweisbekanntmachung bei Schalterpublizität

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Wählt der Anbieter zur Veröffentlichung des Nachtrags die Schalterpublizität, hat er nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VerkProspG eine so genannte Hinweisbekanntmachung vorzunehmen, dh. er muss in einem überregionalen Börsenpflichtblatt bekannt machen, bei welchen der im Verkaufsprospekt benannten Zahlstellen der Nachtrag bereitgehalten wird1. Für jeden Nachtrag ist eine eigene Hinweisbekanntmachung zu veröffentlichen2. Dabei ist es jedoch ausreichend, wenn in einer Bekanntmachung die verschiedenen, eindeutig bezeichneten Nachträge aufgeführt werden, die für den Anleger an den Zahlstellen zur kostenlosen Ausgabe bereitgehalten werden.

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Eine Hinweisbekanntmachung nach § 10 Satz 2 iVm. § 9 Abs. 2 VerkProspG muss nach dem von der BaFin unter dem 29.7.2005 veröffentlichten „Muster einer Hinweisbekanntmachung für Nachträge nach § 10 oder § 11 Verkaufsprospektgesetz“3 „grundsätzlich zumindest Angaben zu folgenden Punkten enthalten: – eindeutige Angabe, dass es sich um einen Nachtrag nach § 10 … Verkaufsprospektgesetz handelt, – Datum oder Nummer des betreffenden Nachtrags, – dazugehöriger vollständiger Verkaufsprospekt (einschließlich dazugehöriger Nachträge nach § 10 … Verkaufsprospektgesetz) mit Angabe des diesbezüglichen Datums, – Art der Vermögensanlage.“

1 Siehe schon Ziff. IX.3. der Bekanntmachung des BAWe v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 2 Ziff. IX.3. der Bekanntmachung des BAWe v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 3 Abrufbar von der Website der BaFin, http://www.bafin.de/ unter dem Suchbegriff „Hinweisbekanntmachung Nachträge“.

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Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts

§ 10 VerkProspG

Das zur Gestaltung der Hinweisbekanntmachung von der BaFin vorgeschla- 17 gene Muster (Rz. 16) ist das Folgende: „Bekanntmachung gemäß § 9 Abs. 2 Verkaufsprospektgesetz Bereithaltung des Nachtrags Nr. […] der [Firma des Anbieters] nach [Paragraph, aufgrund dessen der Nachtrag erfolgt] Verkaufsprospektgesetz vom [Datum des Nachtrags] zum bereits veröffentlichten (un)vollständigen Verkaufsprospekt vom [Datum des Verkaufsprospekts] betreffend das öffentliche Angebot von [Art der Vermögensanlage]. Der gemäß [Paragraph, aufgrund dessen der Nachtrag erfolgt] erstellte Nachtrag wird zusammen mit dem (un)vollständigen Verkaufsprospekt bei [Firma/Firmen und Anschrift/en der im Verkaufsprospekt benannten Zahlstelle/n] zur kostenlosen Ausgabe bereitgehalten. [Ort, Datum der Veröffentlichung Firma des Anbieters]“

IV. Übermittlung der Nachträge an die BaFin (§ 10 Satz 3 VerkProspG) Da die gemäß der Vorschrift nachzutragenden Angaben zusammen mit dem unvollständigen Verkaufsprospekt den Verkaufsprospekt iS des Gesetzes bilden1, sind sie – nicht anders als der vollständige und der unvollständige Verkaufsprospekt – der BaFin zu übermitteln. Weil die Nachträge nach § 10 VerkProspG nicht unbedingt vor dem Beginn des öffentlichen Angebots veröffentlicht werden müssen – § 10 Satz 2 VerkProspG lässt die Veröffentlichung spätestens am Tag des öffentlichen Angebots zu –, stellt § 10 Satz 3 VerkProspG klar, dass die nachzutragenden Angaben der BaFin spätestens zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung zu übermitteln sind2. Der Nachtrag iS der Vorschrift wird von der BaFin auf Vollständigkeit geprüft. Sollten die im unvollständigen Verkaufsprospekt noch fehlenden Angaben nicht im Nachtrag enthalten oder gar erkennbar unrichtig oder unvollständig wiedergegeben sein, ist mit der Untersagung des öffentlichen Angebots der Vermögensanlagen, auf die sich der unvollständige Prospekt und der Nachtrag beziehen, durch die BaFin nach § 8i Abs. 4 VerkProspG zu rechnen3.

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Für die Übermittlung der Nachträge und deren Hinterlegung nach § 8i 19 Abs. 1 VerkProspG kann auf ein von der BaFin am 26.10.2007 veröffentlichtes (auch ein eventuelles Angebot der Vermögensanlagen über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem – siehe oben Rz. 14 – berücksichtigendes) „Muster Schreiben Hinterlegung und Veröffentlichung Nachtrag § 10 VerkProspG“4 zurückgegriffen werden:

1 VG Frankfurt v. 7.8.1997 – 15 E 2135/95 (1), WM 1998, 762 (763). 2 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 10 VerkProspG Rz. 24: spätestens taggleiche Veröffentlichung. 3 Vgl. Bruchwitz in Arndt/Voß, § 10 VerkProspG Rz. 25. 4 Abrufbar von der Website der BaFin, http://www.bafin.de/ unter dem Suchbegriff „Muster Hinterlegung“.

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Veröffentlichung eines unvollständigen Verkaufsprospekts

„Firma XYZ, Musterstraße 123, 12345 Musterstadt Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Referat PRO 3 Lurgiallee 12 60439 Frankfurt am Main [aktuelles Datum] Nachtrag gemäß § 10 Verkaufsprospektgesetz Nr. […] vom [Datum] zum unvollständigen Verkaufsprospekt vom [Datum] über […] Sehr geehrte Damen und Herren, zur Hinterlegung gemäß § 8i Abs. 1 Verkaufsprospektgesetz überreichen wir Ihnen anbei ein unterschriebenes Exemplar des gemäß § 10 Verkaufsprospektgesetz erstellten Nachtrages Nr. […] vom [Datum] zum unvollständigen Verkaufsprospekt vom [Datum]. Die Veröffentlichung einer entsprechenden Hinweisbekanntmachung, über die Bereithaltung des oben genannten Nachtrages, erfolgt am [Datum] in [der Börsenzeitung, dem Handelsblatt, der Financial Times Deutschland, Die Welt, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Frankfurter Rundschau, der Süddeutschen Zeitung]. [Darüber hinaus kann der Nachtrag im Internet unter [URL der Website] voraussichtlich ab dem [Datum] eingesehen werden (§ 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Verkaufsprospektgesetz).] [Das öffentliche Angebot beginnt am [Datum].] Mit freundlichen Grüßen Firma XYZ“

V. Annexfragen und -regelungen 1. Der unvollständige Verkaufsprospekt und die Nachträge beim Vertrieb der Vermögensanlagen 20

Beim Vertrieb und dem Angebot der Vermögensanlage, auf die sich der unvollständige Prospekt bezieht, kann zur vollständigen Information des Anlegers auf den unvollständigen Prospekt und die Nachträge – zweckmäßigerweise aber nicht notwendigerweise zu einem Dokument zusammengefasst – zurückgegriffen werden, wenn diese zusammengenommen einem vollständigen Verkaufsprospekt entsprechen, wie er für die fragliche Vermögensanlage nach Festsetzung der einzelnen Angebotsbedingungen kurz vor dem öffentlichen Angebot zu veröffentlichen gewesen wäre. Um dies zu gewährleisten, müssen die einzelnen Nachträge eindeutig als solche erkennbar sein, dh. einen Bezug zum entsprechenden unvollständigen Verkaufsprospekt und zu den jeweils anderen sich auf dieselbe Emission beziehenden Nachträgen herstellen. Dies lässt sich dadurch erreichen, dass in dem jeweiligen Nachtrag angegeben wird, auf welchen unvollständigen Verkaufsprospekt er sich bezieht. Da zumeist eine Vielzahl von Nachträgen zu den unvollständigen Verkaufsprospekten erstellt wird, empfiehlt es sich, zur Herstellung der gebotenen Klarheit die Nachträge entsprechend durchzunummerieren. Darüber hinaus ist auch die drucktechnische Zusammen-

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fassung mehrerer verschiedener Nachträge bei entsprechender Kennzeichnung zulässig1. 2. Prospekthaftung Gemeinsam mit dem unvollständigen Verkaufsprospekt bilden die gemäß der Vorschrift nachzutragenden Angaben den Verkaufsprospekt iS des Gesetzes. Zusammen und mit ihren sich ergänzenden Angaben unterliegen sie dementsprechend auch der Haftung bei fehlerhaftem Prospekt nach § 13 VerkProspG2.

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3. Ordnungswidrigkeit Wer entgegen seiner Verpflichtung nach § 10 Satz 2 VerkProspG, die nachzutragenden Angaben spätestens am Tag des öffentlichen Angebots gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 VerkProspG zu veröffentlichen, vorsätzlich oder leichtfertig einen Verkaufsprospekt, eine nachzutragende Angabe oder eine Veränderung nicht, nicht richtig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht, handelt ordnungswidrig (§ 17 Abs. 1 Nr. 5 VerkProspG). Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro geahndet werden (§ 17 Abs. 3 VerkProspG).

§ 11 Veröffentlichung ergänzender Angaben Sind seit der Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts Veränderungen eingetreten, die für die Beurteilung des Emittenten oder der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 von wesentlicher Bedeutung sind, so hat der Anbieter die Veränderungen während der Dauer des öffentlichen Angebots unverzüglich in einem Nachtrag zum Verkaufsprospekt gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 zu veröffentlichen. Auf diesen Nachtrag sind die Vorschriften über den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung mit Ausnahme des § 8i Abs. 2 entsprechend anzuwenden. In der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701), zuletzt geändert durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698).

1 Ziff. IX.2. der Bekanntmachung des BAWe v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 2 Ebenso Groß, Kapitalmarktrecht, § 10 VerkProspG Rz. 6; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 10 VerkProspG Rz. 4.

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Schrifttum: Elsen/Jäger, Die Nachtragspflicht gemäß § 11 Verkaufsprospektgesetz unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt, BKR 2009, 190; Lenz/Ritz, Die Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes zum Wertpapierverkaufsprospektgesetz, WM 2000, 904; Lüdicke/Arndt (Hrsg.), Geschlossene Fonds, 5. Aufl. 2009; Maas/Voß, Nachträge bei Vermögensanlagen-Verkaufsprospekten, BB 2008, 2302; Möllers, Zur „Unverzüglichkeit“ einer Ad-hoc-Mitteilung im Kontext nationaler und europäischer Dogmatik, FS Horn, 2006, S. 473; Stephan, Prospektaktualisierung, AG 2002, 3. Siehe auch Einl. VerkProspG und § 8f VerkProspG.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . .

1

II. Regelungsgehalt . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . a) Materielle Eingrenzung von nachtragsfähigen Sachverhalten . . . . . . . . . b) Materieller Gehalt der Veränderung . . . . . . . . . . c) Zeitliche Eingrenzung der Nachtragspflicht . . . . . . . d) Dauer der Erfassung von Veränderungen durch Nachträge . . . . . . . . . . . . e) Beispiele für wesentliche Veränderungen . . . . . . . . .

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f) Einzelfälle aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . g) Nachtragsfähigkeit eines unvollständigen Verkaufsprospekts gemäß § 10 VerkProspG . . . . . . . . . . . 2. Formelle Anforderungen . . . a) Mitteilungspflicht des Anbieters an die BaFin . . . b) Form . . . . . . . . . . . . . . . . c) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . d) Veröffentlichung . . . . . . .

35 38 42 48

III. Gebühren . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Folgen eines Verstoßes gegen § 11 VerkProspG . . . . . . . . .

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I. Normentwicklung 1

Der Wortlaut der Vorschrift entspricht im Wesentlichen den Regelungen der Vorgängervorschrift § 11 VerkProspG aF. Der Ursprung geht daher auf Art. 7 und 18 der Emissionsprospektrichtlinie (Einl. VerkProspG Rz. 4)1 zurück. Änderungen der Vorschrift erfolgten durch das 3. FFG2, das 4. FMG3, das AnSVG4 und durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz5.

II. Regelungsgehalt 2

§ 11 Satz 1 VerkProspG verpflichtet den Anbieter zur Aktualisierung von bereits veröffentlichten Verkaufsprospekten, deren zu Grunde liegende Angebote der Vermögensanlagen noch andauern. Die Vorschrift dient damit, 1 2 3 4 5

ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8. BGBl. I 1998, 529. BGBl. I 2002, 2010. BGBl. I 2004, 2630. BGBl. I 2005, 1698.

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wie zunächst die originäre Prospektpflicht nach § 8f Abs. 1 VerkProspG, der Sicherstellung der Zugänglichkeit aktueller und wichtiger Informationen für die Anlageentscheidungen des Publikums während des öffentlichen Angebots. Die Veröffentlichung ergänzender Angaben ist durch den Anbieter vorzunehmen, wenn seit der Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts Veränderungen eingetreten sind, die für die Beurteilung des Emittenten oder der Vermögensanlage von wesentlicher Bedeutung sind. Der Anbieter ist damit, gleichlaufend zur Pflicht der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts nach § 8f Abs. 1 VerkProspG, Adressat der Regelung. Der Anbieter hat dieser Verpflichtung unverzüglich durch einen Nachtrag zum Verkaufsprospekt nachzukommen und diesen gemäß der § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 VerkProspG zu veröffentlichen. 1. Sachlicher Anwendungsbereich Veränderungen iS des Prospektrechts sind Abwandlungen eines ursprünglich gegebenen, als Ausgangslage zu betrachtenden Sachverhalts rechtlicher oder tatsächlicher Natur im Vergleich zu einem anderen, neuen Sachverhalt1. Mittels eines Vergleiches dieser zwei Sachverhalte zu den zwei Ereigniszeitpunkten muss sich ein objektiver Unterschied feststellen lassen. Die ursprüngliche, im Verkaufsprospekt niedergelegte Angabe in Form einer Tatsache oder eines Umstandes stimmt mit der derzeitigen, aktuellen Sachlage nicht mehr überein. Erfasst sind zunächst alle im Verkaufsprospekt niedergelegten Angaben und Umstände, deren Änderungen für die Beurteilung des Emittenten oder der Vermögensanlage erheblich sind. Dazu zählen sowohl Modifikationen bereits bestehender Umstände als auch das Hinzutreten neuer und der Wegfall gegebener Umstände2.

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Die Beurteilung einer Veränderung als wesentlich stellt eine subjektive Bewertung der die Veränderung betrachtenden Person dar. Für die Beurteilung lassen sich zwei Komponenten heranziehen: Sie muss einerseits die Sichtweise eines Anlegers als Teil des durch die Veränderung angesprochenen Personenkreis und andererseits die Art der öffentlich angebotenen Vermögensanlage berücksichtigen. Wesentlich ist eine Veränderung dann, wenn sie den Anleger zu einer anderen oder modifizierten Anlageentscheidung veranlasst oder ihn gänzlich von einer Beteiligung absehen lässt3. Als Maßstab für die Beurteilung der Wesentlichkeit bietet sich die Verwendung eines durchschnittlichen Anlegers an4. Dabei ist die vom Anbieter angesprochene Anlegergruppe zu berücksichtigen. Aufgrund der unterschiedlichen Risikostruktur der einzelnen Beteiligungsmodelle ergibt sich damit für jede, in sich geschlossen zu betrachtende Anlage ein anderer Maßstab

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1 Maas/Voß, BB 2008, 2302 (2303). 2 Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 11 VerkProspG Rz. 13. 3 Vgl. Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 VerkProspG Rz. 3; Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 VerkProspG Rz. 5; siehe auch Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 11 VerkProspG Rz. 5. 4 Lenz/Ritz, WM 2000, 904 (908).

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für die Wesentlichkeit einer Veränderung zur Auslösung einer Nachtragspflicht. 5

Notwendig ist daher die Bestimmung eines Schwellenwertes für die Veränderung, dessen Überschreitung durch eine durchschnittliche, objektive Person als so bedeutsam und elementar aufgefasst wird, dass es diese Person zu einem anderen Anlageverhalten in Bezug auf die konkrete Vermögensanlage veranlasst1.

6

Der Maßstab des durchschnittlichen Anlegers kann dabei nicht zu niedrig angesetzt werden2. Denn der Anbieter der Vermögensanlage kann dem Anleger über den Nachtrag, ähnlich wie im Verkaufsprospekt, ein Mehr an Informationen zukommen lassen, solange diese nicht über die Wesentlichkeit einer Veränderung irreführen. Der objektivierte Maßstab, der an die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Veränderung zu richten ist, dient letztlich nur der Durchsetzung zivilrechtlicher Verantwortlichkeiten des Anbieters gegenüber dem Anleger und der Möglichkeit der durch die Ergreifung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen erzwingbaren Sicherstellung der Information der Anleger durch den Anbieter der Vermögensanlage.

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Das Niveau der Wesentlichkeit einzelner Veränderungen wird durch den Anbieter durch die Wahl der Beteiligungsmöglichkeiten an der jeweiligen Vermögensanlage bestimmt. Die Bedeutung bestimmter Tatsachen ist nicht bei jeder Beteiligungsform gleich hoch. Die Verringerung einer Einnahmequelle unter das prognostizierte Niveau hat etwa bei einer Mehr-Objekt-Gesellschaft durch Kompensationsmöglichkeiten geringere Auswirkungen als bei einer Ein-Objekt-Gesellschaft. Auch kann der Austausch von Personen in einer geschäftsführenden Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG einen anderen Stellenwert aufweisen als in einer GbR. a) Materielle Eingrenzung von nachtragsfähigen Sachverhalten

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Grundsätzlich sind alle Katalogangaben der VermVerkProspV von der Nachtragspflicht umfasst, auch wenn sie weder auf den Emittenten noch auf die Vermögensanlage konkret abzielen. Dies betrifft insbesondere Angaben, die zB nach den §§ 3 und 12 Abs. 4 VermVerkProspV in den ursprünglichen Verkaufsprospekt aufzunehmen sind und bei nicht bestehender Personenidentität weder den Emittenten noch in sonstiger Weise die Vermögensanlage selbst betreffen müssen. Aus Gründen der Transparenz für den Anleger und den Kapitalmarkt im Allgemeinen sind auch Änderungen, die für die Vermögensanlage selbst oder den Emittenten nur mittelbare Bedeutung haben, vom Nachtragsgebot gemäß § 11 VerkProspG erfasst3. Die eindeutige Identität eventueller Anspruchsgegner ist für den Anleger wichtig. Denn Angaben, die mittels eines Nachtrags dem ursprünglichen Verkaufsprospekt hinzugefügt werden, lassen die ursprüngliche Verjährungsfrist für Ansprüche 1 Maas/Voß, BB 2008, 2302 (2307). 2 AA Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 11 VerkProspG Rz. 5. 3 Maas/Voß, BB 2008, 2302 (2303).

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aus fehlerhaftem Prospekt gemäß § 13 Abs. 1 VerkProspG unberührt, die mit dem ersten öffentlichen Angebot der Vermögensanlage im Inland beginnt. Um den Schutzzweck des Prospekts als Informationsmittel für den Anleger aufrecht zu erhalten, darf der Anleger mithin nicht gezwungen sein, bestimmte Angaben im Verkaufsprospekt, die sich erst nachträglich geändert haben, in der ggf. nur noch kurzen Spanne der Verjährung seiner Ansprüche langwierig ermitteln zu müssen. b) Materieller Gehalt der Veränderung Auswirkungen der Veränderung von Sachverhalten beim Anleger sind in 9 Hinblick auf die Nachtragspflichtigkeit ohne Belang. Jegliche Veränderung ist daher wertneutral zu betrachten und löst eine Nachtragspflicht aus, sofern sie nur wesentliche Bedeutung für den betreffenden Sachverhalt hat1. Der Fokus des Gesetzes liegt darin, dem Anleger alle wesentlichen Angaben und Umstände mitzuteilen, damit er auf dieser Grundlage eine eigenverantwortliche Anlageentscheidung treffen kann2. Der Anleger soll nach demnach nicht vor dem Erwerb nicht werthaltiger Vermögensanlagen geschützt werden, sondern lediglich eine transparente und verlässliche Informationsgrundlage für eine Anlageentscheidung erhalten. Die Regelungen sind daher vom Rechtsgedanken mit den Publizitätspflichten des WpHG vergleichbar: Auch diesen ist eine Unterscheidung zwischen Informationen, die für den Anleger nachteilig, und solchen, die für ihn vorteilhaft sind, unbekannt. Veränderungen iS des § 11 VerkProspG erfassen nicht die dem Verkaufspro- 10 spekt zugrunde liegende Vermögensanlage in ihrer vertraglichen Ausgestaltung. Sie beziehen sich allein auf die Angaben, die im Verkaufsprospekt nach den Katalogangaben der VermVerkProspV zu der Vermögensanlage getroffen wurden. Eine Einführung geänderter Beteiligungsvarianten über einen Nachtrag in den Verkaufsprospekt ist damit nicht möglich. Denn die Veränderung einer bestehenden Vermögensanlage in eine qualitativ neue Vermögensanlage oder die Einführung einer qualitativ neuen Vermögensanlage in rechtlicher Hinsicht ist keine Frage des § 11 VerkProspG, sondern eine Frage der Abgrenzung der einzelnen Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 VerkProspG (vgl. § 16 VerkProspG Rz. 15 ff.). Die Eingrenzung des Veränderungsbegriffes auf die Prospektangaben und 11 der Ausschluss zugrunde liegender materieller Vertragsgestaltungen der Vermögensanlage verhindert eine Umgehung des Verfahrens zur Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts nach § 8i Abs. 2 VerkProspG3. Eine Marktüberwachung wäre anderenfalls durch die BaFin nicht mehr zu gewährleisten. Denn auf Grund der Bestimmung des § 11 Satz 2 VerkProspG ist keine Vollständigkeitsprüfung der Angaben nach der VermVerkProspV und keine Möglichkeit der Untersagung der Veröffentlichung für 1 Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 11 VerkProspG Rz. 14. 2 BGH v. 28.9.1992 – II ZR 224/91, NJW 1992, 3296; BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92, NJW 1993, 2865. 3 Maas/Voß, BB 2008, 2302 (2304).

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den Nachtrag gemäß § 8i Abs. 2 VerkProspG vorgesehen. Auch die Systematik des VerkProspG spricht für die Unzulässigkeit der Einführung von Vermögensanlagen über Nachträge. Die Vorschrift des § 10 VerkProspG gestattet dem Anbieter als Abweichung vom Grundsatz der Vollständigkeit des § 8g VerkProspG einen zunächst von den notwendigen Angaben her nach der VermVerkProspV unvollständigen Verkaufsprospekt zu veröffentlichen und erst zum Tag des öffentlichen Angebots zu ergänzen. Diese Ergänzung beschränkt sich auf Angaben, die sich typischerweise erst kurzfristig vor dem öffentlichen Angebot festlegen lassen1. Damit wird deutlich, dass grundsätzlich die Vermögensanlage in ihrer vertraglichen Ausgestaltung zum Zeitpunkt der Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts feststeht. Die Festlegung eines engen Veränderungsbegriffes rechtfertigt sich zudem auf Grund von Aspekten des Gebührenrechts. Die Möglichkeit der Einführung neuer Vermögensanlagen über Nachträge würde zu einer Gebührenverkürzung führen. Die Hinterlegung eines Nachtrags ist gemäß der Vermögensanlagen-Verkaufsprospektgebührenverordung (VermVerkProspGebV) kostenpflichtig. Nr. 4 der Anlage zu § 2 Abs. 1 VermVerkProspGebV sieht für die Aufbewahrung eines Nachtrags zu einer Vermögensanlage eine Gebühr von 25 Euro vor. Gemäß Nr. 1 der Anlage beträgt hingegen die Gebühr für die Gestattung der Veröffentlichung eines Verkaufsprospektes zu einer Vermögensanlage 1.000 Euro. c) Zeitliche Eingrenzung der Nachtragspflicht 12

Nach dem Wortlaut der Vorschrift werden Veränderungen ab der Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts von dieser Regelung erfasst. Die Erteilung der Gestattung der Veröffentlichung der Vermögensanlage durch die BaFin markiert damit den Beginn der materiellen Nachtragspflicht. Die tatsächliche formelle Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Nachtrags ist davon zu trennen. Sie ergibt sich anhand der Formulierung des Gesetzes „während der Dauer des öffentlichen Angebots“. Denn die Veröffentlichung eines Nachtrags ist auf Grund seines unselbständigen Informationsgehalts an die Veröffentlichung des eigentlichen Verkaufsprospektes und damit den Beginn des öffentlichen Angebots gebunden.

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Von der Frage der Nachtragsfähigkeit von Sachverhalten sind auch solche Konstellationen betroffen, bei denen der Anbieter bei der Abfassung eines Verkaufsprospektes die Veränderung von Sachverhalten vor der Erteilung der Gestaltung der Veröffentlichung nicht mehr durch die Änderung der entsprechenden Angaben in der zur Gestaltung der Veröffentlichung vorgesehenen Fassung des Verkaufsprospektes berücksichtigt. Die gesetzlich vorgesehene zeitliche Grenze der Nachtragsfähigkeit von Veränderungen wirft die Frage nach dem Umgang mit solchen Sachverhalten auf.

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Im Schrifttum besteht Streit über die Einordnung solcher Sachverhalte in die Regelungen des § 11 VerkProspG. Teilweise wird die Auffassung vertre1 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), Nachtrag, § 10 VerkProspG Rz. 4.

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ten, dass es nicht darauf ankommt, ob die ergänzungspflichtigen Umstände erst nach der Gestattung der Veröffentlichung aufgetreten sind oder bereits von Anfang an vorlagen1. Grund hierfür sei, dass dem Anlegerpublikum während der Dauer der Emission ein aktueller Verkaufsprospekt zur Verfügung stehen soll, der objektiv richtig und vollständig sein muss. Auch erfasse der Begriff der Veränderung auch neue Erkenntnisse des Anbieters über die Vollständigkeit des Verkaufsprospekts. Dem hat sich die BaFin in der Prüfungspraxis letztlich angeschlossen2. Andere Teile des Schrifttums ordnen zum Teil solche vor der Gestattung aufgetretenen Veränderungen dem allgemeinen Richtigkeitsgebot unter, dass Anbieter gegenüber dem Anlegerpublikum mit ihren Verkaufsprospekten erfüllen müssen, § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV3.

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Gegen die entsprechende Anwendung des § 11 VerkProspG spricht die zu 16 befürchtende Überdehnung des Wortlauts der Norm. Die Formulierung des Art. 18 Emissionsprospektrichtlinie 89/298/EWG v. 17.4.1989 (Einl. VerkProspG Rz. 4) erfasste mit dem Begriff der Ungenauigkeiten zwar auch solche Arten von Prospektmängeln, die bereits in der Urfassung des Verkaufsprospektes hätten berichtigt werden müssen. Die Modifizierung des VerkProspG sowie die Einführung des WpPG zum 1.7.2005 haben jedoch einer an die alte Formulierung der Richtlinie angelehnte Interpretation den Boden entzogen. Denn das VerkProspG dient nicht mehr der Umsetzung der Richtlinie4. Eine planwidrige Regelungslücke für § 11 VerkProspG lässt sich auf Grund der erweiterten Fassung der Parallelvorschrift in § 16 WpPG, die jetzt auch die Feststellung von Umständen und wesentlichen Unrichtigkeiten nach der Billigung erfasst, nicht mehr annehmen. Bedenken für eine Analogie ergeben sich aber vor allem auch auf Grund der Einordnung der Nichterfüllung von Nachtragspflichten gemäß § 11 VerkProspG als ein Ordnungswidrigkeitentatbestand mit einer Bußgeldbewehrung von bis zu 100.000 Euro (§ 17 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 VerkProspG). Daher ist eine Unterscheidung zwischen unbewusster und bewusster Prospektunrichtigkeit auf Grund des grundgesetzlich geregelten Analogieverbots abzulehnen5. Soweit Einigkeit innerhalb dieser Auffassung über die Möglichkeit des An- 17 bieters zur Berichtigung fehlerbehafteter Aussagen des Verkaufsprospekts gegenüber dem Anleger besteht, desto mehr gehen die Ansichten über die Vermittlung der Berichtigung an den Anleger auseinander6. Der Inanspruch-

1 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 VerkProspG Rz. 3; Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 VerkProspG Rz. 5. 2 Vgl. Bruchwitz in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 129. 3 Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 11 VerkProspG Rz. 63 f.; Ritz in Assmann/Lenz/ Ritz (Voraufl.), § 11 VerkProspG Rz. 10. 4 Groß, Kapitalmarktrecht, VerkProspG, Anwendungsbereich des Gesetzes Rz. 5; Arndt/Voß in Arndt/Voß, Einleitung vor § 1 VerkProspG Rz. 52. 5 Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 11 VerkProspG Rz. 62; Maas/Voß, BB 2008, 2302 (2305); Stephan, AG 2002, 3 (9). 6 Maas/Voß, BB 2008, 2302 (2305 f.).

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nahme einer Berichtigung über einen freiwilligen, bei der BaFin hinterlegten Nachtrag1 steht das von der BaFin zu beachtende Verfahren der Hinterlegung gemäß §§ 11, 8i VerkProspG entgegen. Die Hinterlegung scheitert zum einen regelmäßig am Fehlen des Tatbestandsmerkmals „seit der Gestattung“, zum anderen an der dann fehlenden Möglichkeit einer freiwilligen Hinterlegung2. Dem Anleger würde die mangelnde Richtigkeit des bei der BaFin hinterlegten Verkaufsprospekts auch nicht zum Nachteil gereichen, da dieser Umstand im Zweifel für ihn eine Beweiserleichterung in einem eventuellen Haftungsprozess für den Nachweis der Unrichtigkeit des Verkaufsprospekts nach sich zieht3. Die berechtigten Interessen der Anbieter auf Rechtssicherheit können auf andere Art und Weise erfüllt werden. Der Verkaufsprospekt stellt eine typisierte Informationsquelle für den Anleger dar, die der Anbieter auch in zumutbarer Weise anderweitig ergänzen kann oder bei nicht ausreichender Aufklärung durch den Verkaufsprospekt ergänzen muss, um seine Prospekthaftung gemäß § 13 VerkProspG wirksam auszuschließen4. Eventuelle Nachteile des Anbieters auf Grund einer ggf. nicht eintretenden kurzen Verjährung für solche Arten von Prospektmängeln gemäß § 13 VerkProspG sind auf Grund der Erfüllung erhöhter Sorgfaltspflichten bei der Inanspruchnahme des Kapitalmarkts durch den Anbieter hinzunehmen5. d) Dauer der Erfassung von Veränderungen durch Nachträge 18

Der Wegfall der Nachtragspflicht wird durch das vollständige Ende des öffentlichen Angebots markiert. Mit dem Angebotsende wird der Schutzbereich des VerkProspG verlassen. Ein weiteres Informationsinteresse des Anlegerpublikums entfällt auf Grund der nicht mehr vorhandenen Beteiligungsmöglichkeiten.

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Das Ende der Nachtragspflicht ergibt sich daher aus der tatsächlichen Dauer des öffentlichen Angebots. Dies ist der Fall, wenn das öffentliche Angebot tatsächlich abgeschlossen ist. Das Ende des öffentlichen Angebots wird daher vom Anbieter durch die Vollplatzierung aller Anteile der Emission tatsächlich erreicht oder durch den endgültigen Abbruch der Emission herbeigeführt6. Solange diese so genannte Schließung der Emission daher noch nicht stattgefunden hat, also weiterhin Anteile der bestimmten Emission

1 Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 11 VerkProspG Rz. 64 ff. 2 Maas/Voß, BB 2008, 2302 (2305). 3 BGH v. 3.12.2007 – II ZR 21/06, BB 2008, 575; dazu Gundermann, WM 2008, 391. 4 Die Rechtsprechung hat bei der Ausformung der zivilrechtlichen Prospekthaftung verlangt, dass „der Prospektverantwortliche auf nachträglich eingetretene Änderungen … durch entsprechende Hinweise bei Abschluss des Vertrages aufmerksam machen muss“. BGH v. 29.5.2008 – III ZR 59/07, BB 2008, 1529; BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225 (232) = ZIP 1998, 1528. 5 Maas/Voß, BB 2008, 2302 (2305). 6 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 VerkProspG Rz. 4.

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angeboten werden, muss das Anlegerpublikum noch über wesentliche Veränderungen, die die Emission betreffen, informiert werden. Teilweise wird die Frage aufgeworfen, ob Maßnahmen zur Marktpflege die 20 Angebotsdauer verlängern. Anteile aus Marktpflegemaßnahmen sind vom Anbieter selbst zurück erworbene und wieder öffentlich angebotene Anteile an der Emission. Während dies teilweise mit dem Hinweis auf den Anwendungsbereich des Verkaufsprospektgesetzes, der nur das erstmalige öffentliche Angebot einer Vermögensanlage unter eine Prospektpflicht stellt, verneint wird1, wird dies von anderen Teilen des Schrifttums bestritten. Begründet wird die zuletzt genannte Auffassung damit, dass im Bereich der Vermögensanlagen gemäß § 8f Abs. 1 VerkProspG kein Grund für eine einschränkende Auslegung des § 11 VerkProspG im Interesse des Schutzes der Anleger an einer vollständigen und richtigen Information auch bei marktpflegenden, also öffentlich angebotenen Wiederverkäufen von Anteilen der Emission durch den Anbieter besteht2. Für die Beantwortung der Frage bedarf es einer Differenzierung. Nimmt der 21 Anbieter im Verlauf des laufenden öffentlichen Angebots Anteile zurück und bietet sie erneut öffentlich an, sind diese Anteile der ursprünglichen Emission zuzurechnen und verlängern damit die Angebotsdauer. Denn anders als im Bereich der Wertpapiere kann nicht auf eine Anzahl von effektiven Anteilen abgestellt werden, sondern das Gesamtvolumen der eingeworbenen Einlagen entscheidet über die Schließung der Emission. Der Markt für Vermögensanlagen besteht weitestgehend nur aus einem Primärmarkt, dh., das öffentliche Angebot der Vermögensanlage erfolgt nur einmal und solange, bis die Höhe der eingeworbenen Vermögenswerte für die Realisierung der angedachten Unternehmung ausreichen. Die Art der Beteiligung über eine Vermögensanlage nach § 8f Abs. 1 VerkProspG ist auf eine in sich geschlossene, nicht auf eine freie Handelbarkeit ausgerichtete Vermögensallokation des Anlegers ausgerichtet. Dies resultiert einerseits aus den hauptsächlich von den Anbietern verwendeten Beteiligungsmodellen über eine Personengesellschaft, die eine freie Austauschbarkeit der Gesellschafter erschwert, andererseits aus der Strukturierung des Anlagemodells, die eine langjährige Festlegung des Kapitals für ein Gelingen der Unternehmung erfordert. Ein Interesse des Anbieters oder der Emissionsgesellschaft an einem Rückkauf von Anteilen zur Marktverknappung und daraus folgender Nachfragesteigerung bei den Anlegern, die mit einer Preissteigerung der Anteile einhergeht, besteht bei Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 VerkProspG nicht. Der Anbieter bzw. die Emissionsgesellschaft werden lediglich ein Interesse daran haben, Anteile, die von Anlegern erworben wurden, die ihre Einlage nicht erbringen können, im Interesse der Sicherstellung der Finanzmittel der Unternehmung wieder öffentlich anzubieten und einen anderen, solventen Anleger zu finden. Findet das öffentliche Angebot dieser Anteile 1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 VerkProspG Rz. 6; bereits zum VerkProspG aF Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 11 VerkProspG Rz. 27. 2 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 11 VerkProspG Rz. 5.

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vor dem endgültigen Ausplatzieren der gesamten, im öffentlichen Angebot stehenden Emission statt, müssen diese Anteile noch dem erstmaligen Angebot der Anteile zugerechnet werden und verlängern damit die Dauer der Emissionsphase. Eine tatsächliche Unterscheidung dieser Anteile ist praktisch nicht möglich. 22

Nimmt der Anbieter nach Schließung der Emission und Beendigung des erstmaligen öffentlichen Angebots Anteile von Anlegern zurück, lebt die Verpflichtung für Nachträge nach § 11 VerkProspG für diese wieder angebotenen Anteile nicht mehr auf. Denn richtigerweise besteht diese Verpflichtung nur im Rahmen des ersten öffentlichen Angebots der Anteile. Diese Anteile sind dann einem Sekundärmarkt zuzuordnen, für den die Informationspflichten des Verkaufsprospektgesetzes nicht mehr bestehen. e) Beispiele für wesentliche Veränderungen

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Die Veröffentlichung eines neuen Jahresabschlusses wird allgemein als nachtragspflichtig betrachtet1. Als weitere wesentliche Veränderungen werden die Verringerung der gesetzlich bestimmten Einspeisevergütung nach dem EEG bei Solarfonds und die Einschränkung der Verlustverrechnung nach § 15 EStG2 angesehen.

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Bei schweren volks- bzw. weltwirtschaftlichen Krisensituationen können die veränderten Rahmenbedingungen eine Anpassung der Beschreibung der Risiken, insbesondere im Bereich der Fremdfinanzierung der Vermögensanlage, der Darstellung der Kapitalstruktur und im operativen Geschäft auf Grund erhöhter Bonitätsrisiken der Kunden, erforderlich machen3. Turnusmäßig oder außerordentlich durchgeführte Neubewertungen des Wertes des Projekts können in Darlehensverträgen enthaltene so genannte Loan-ToValue-Klauseln auslösen, dh. die zulässigen Beleihungsgrenzen des Objekts werden verletzt und führen zu einer Einbehaltung der den Anlegern zugesagten Ausschüttungen durch den Kreditgeber4. Weitere betroffene Bereiche, die einer Anpassung der Darstellung bedürfen, sind eventuell im Verkaufsprospekt dargestellte Sensitivitätsanalysen, da die unterstellten Zusammenhänge in Krisenzeiten nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen5. Gleiches gilt für Darstellungen, die die Angaben zum jüngsten Geschäftsgang und den Geschäftsaussichten sowie im Falle junger Emittenten iS des § 15 Abs. 1 VermVerkProspV die Angaben zu den Planzahlen des Emittenten betreffen6.

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Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 11 VerkProspG Rz. 13. Vgl. Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 11 VerkProspG Rz. 29. Elsen/Jäger, BKR 2009, 190 (192). Financial Times Deutschland v. 15.12.2009: „Geschlossene Fonds in der Klauselfalle“. 5 Elsen/Jäger, BKR 2009, 190 (193). 6 Elsen/Jäger, BKR 2009, 190 (193).

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Veröffentlichung ergänzender Angaben

§ 11 VerkProspG

Als nicht der Nachtragspflicht unterliegend werden etwa folgende Sachver- 25 halte angesehen: Die Verlängerung der Zeichnungsfrist; die Inanspruchnahme einer Platzierungsgarantie, sofern jeweils keine Nachteile für den Anleger entstehen; die Kapitalzufuhr durch den Anleger sowie die Berichterstattung in der Presse durch Dritte1. Vom Einzelfall in Bezug auf die Auslösung einer Nachtragspflicht abhängig ist zB die Erhöhung oder Verringerung des Angebotsvolumens2. Sind im Verkaufsprospekt Tatsachen in Form zukünftig eintretender Ereig- 26 nisse beschrieben, die gegenüber den zum Zeitpunkt der Prospektaufstellung bestehenden Verhältnissen Veränderungen beinhalten, bedürfen diese ausnahmsweise keines Nachtrages, wenn die Beschreibung im Verkaufsprospekt mit dem tatsächlichen Eintritt der Ereignisse vollumfänglich, zB bei dem Vollzug des Erwerbs von mehreren Gebäuden mit festgelegter Lage, Größe, Nutzungsart und Preis und insbesondere auch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Ergebnisse, korrespondiert. Der Schutz des Anlegers ist bereits durch die im Verkaufsprospekt enthaltene Information gewährleistet und mit ihr dem Anleger eine ausreichende Grundlage für die Anlageentscheidung gegeben worden, ein Nachtrag über den tatsächlichen Eintritt würde keinen Mehrwert an Information mehr bieten3. Betroffen sind insbesondere Fondskonstruktionen, die im Verkaufsprospekt 27 nur Leitlinien für die Auswahl von Investitionsgütern vorsehen (so genannte Blind-Pool-Modelle). Diese Konstruktionen gehen auf die einkommensteuerliche Behandlung von Erwerbern fertig konzeptionierter Projekte zurück, deren Beteiligung mit Hilfe vorformulierter Vertragswerke abgewickelt wird. Diesen Erwerbern kann es an einer steuerlichen Anerkennung der Übernahme eines unternehmerischen Risikos fehlen4. Bestehen hingegen Lücken im für eine ausreichende Anlegerinformation 28 notwendigen Detailgrad der zukünftigen Ereignisse oder wird die konkrete Investitionsentscheidung erst nach Beginn des öffentlichen Angebots durch ein bestimmtes Gremium getroffen, besteht für diese Umstände eine Nach-

1 Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 11 VerkProspG Rz. 29. Anders OLG Celle v. 16.7.2004 – 9 U 15/04, WM 2005, 737 und BGH v. 7.10.2008 – XI ZR 89/07, ZIP 2008, 2208, für den Fall deutlicher, vorherrschender und begründeter Kritik. 2 Siehe Ziff. X.1. der Bekanntmachung des BAWe zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2835) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180; dazu Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 11 VerkProspG Rz. 13. 3 Vgl. Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 11 VerkProspG Rz. 29; Maas/Voß, BB 2008, 2302 (2306). 4 Vgl. BMF-Schreiben v. 20.10.2003 – IV C 3-S 2253a-48/03 (sog. Bauherrenerlass); BMF-Schreiben v. 23.2.2001 – IV A 6-S 2241-8/01 bzw. BMF-Schreiben v. 5.8.2003 – IV A 6-S 2241-81/03 (sog. Medienerlass).

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Veröffentlichung ergänzender Angaben

tragspflicht1. Einer Nachtragspflicht sind auch im Rahmen der Angebotsdauer festgestellte Bewertungsveränderungen der Anlageobjekte unterworfen. Denn die Kenntnis dieser Veränderung ist für die Wertschätzung der gesamten Anlage für den Anlageinteressenten von entscheidender Bedeutung. Das Verkaufsprospektgesetz selbst verpflichtet hingegen nicht zu einer Erstellung von Wertgutachten über die im Geschlossenen Fonds enthaltenen Anlageobjekte. f) Einzelfälle aus der Rechtsprechung 29

Die Rechtsprechung gibt zahlreiche Beispiele in Bezug auf die zivilrechtliche Prospekthaftung bzw. die strafrechtliche Betrugsverantwortlichkeit vor, in deren konkreten Sachverhalten von der Wesentlichkeit einer vom Anbieter gegenüber dem Anleger zu unterbreitenden Information auszugehen ist: – Nachträglicher Erwerb eines beherrschenden Einflusses durch einen Mitinitiator oder Gründungsgesellschafter oder Gestalter der Gesellschaft2; nachträgliche Verflechtung zweier Gesellschaften in der Form der Verknüpfung ihrer Schicksale3. – Abweichungen in der Anlageobjektbeschreibung4; Verwendung der Einlagen für sonstige, außerhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten liegende Zwecke5; Nichteinhaltung des ursprünglich prospektierten Finanzierungszeitplans mangels Einwerberfolgs benötigter Mittel6; zukünftige Ereignisse, die eine Wahrscheinlichkeit für die Gefährdung der vom Anleger verfolgten Zwecke beinhalten7. – Tatsächliche permanente Kontrolle der eingelegten Gelder durch einen Treuhänder8. – Abweichung des tatsächlichen Geschäftsverlaufs von den bisher dargestellten Geschäftsaussichten9. – Rückzahlbarkeit der Einlage10. 1 Ziff. 7 des Auslegungsschreibens der BaFin v. 30.6.2005, abrufbar unter: http://www.bafin.de/cln_108/nn_724536/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/ Unternehmen/AllgemeinePflichten/ProspekteFuerVermoegensanlagen/FunktionenUndVerfahren/auslegungsschreiben.html. 2 BGH v. 25.2.1991 – II ZR 60/90, NJW 1991, 1608. 3 OLG Stuttgart v. 5.8.2004 – 19 U 30/04, ZIP 2005, 909. 4 BGH v. 6.2.2006 – II ZR 329/04, NJW 2006, 2042; OLG Frankfurt v. 5.6.2008 – 16 U 205/07, WM 2008, 1917. 5 OLG Hamm v. 23.4.2007 – 8 U 54/05 (unveröffentlicht, abrufbar über juris). 6 OLG Koblenz v. 11.2.2005 – 8 U 141/04, OLGR Koblenz 2005, 349 (und über juris). 7 BGH v. 29.5.2008 – III ZR 59/07, ZIP 2008, 1481; BGH v. 26.9.1991 – VII ZR 376/89, NJW 1992, 228; BGH v. 16.6.1992 – XI ZR 166/91, NJW 1992, 2148; BGH v. 7.4.2003 – II ZR 160/02, WM 2003, 1086; BGH v. 12.5.2005 – 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242. 8 BGH v. 1.12.1994 – III ZR 93/93, NJW 1995, 1025. 9 BGH v. 16.6.1992 – XI ZR 166/91, NJW 1992, 2148. 10 OLG München v. 18.7.2007 – 20 U 1811/07 (unveröffentlicht, abrufbar über juris).

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Veröffentlichung ergänzender Angaben

§ 11 VerkProspG

g) Nachtragsfähigkeit eines unvollständigen Verkaufsprospekts gemäß § 10 VerkProspG Ist der unvollständige Verkaufsprospekt bereits durch einen Nachtrag nach § 10 VerkProspG um die fehlenden Angebotsbedingungen ergänzt worden, ist dieser Verkaufsprospekt wie jeder andere Verkaufsprospekt uneingeschränkt nachtragsfähig gemäß § 11 VerkProspG.

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Die Frage der Möglichkeit einer Ergänzung eines unvollständigen Verkaufs- 31 prospekts über § 11 VerkProspG betrifft den Zeitraum zwischen der Veröffentlichung des unvollständigen Verkaufsprospekts und der Veröffentlichung der fehlenden Angebotsbedingungen respektive dem Beginn des öffentlichen Angebots. Denn die Nachtragspflicht gemäß § 11 VerkProspG besteht nur während der Dauer des öffentlichen Angebots, das bei einem unvollständigen Verkaufsprospekt aber erst mit Veröffentlichung der noch fehlenden Angebotsbedingungen beginnen kann. Aus Gründen des Anlegerschutzes, der sich aus einem frühzeitigen Informationsbedürfnis der Anleger ableitet, befürwortet die überwiegende Auffassung eine Anwendbarkeit des § 11 VerkProspG1. Die Problematik genießt auf Grund fehlender unvollständiger Verkaufsprospekte nach § 8f Abs. 1 VerkProspG keine hohe Praxisrelevanz mehr. 2. Formelle Anforderungen Wesentliche Veränderungen, welche in der Zeitspanne zwischen der Gestat- 32 tung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts und der tatsächlichen Veröffentlichung des Verkaufsprospekts der Vermögensanlage auftreten, sind nach der Regelung des § 11 VerkProspG ebenfalls unverzüglich zu veröffentlichen. Da der die wesentliche Veränderung beinhaltende Nachtrag inhaltlich unselbständig gegenüber dem ursprünglichen Verkaufsprospekt ist, muss die Bestimmung der Frist der Unverzüglichkeit zur Veröffentlichung des Nachtrags von der Veröffentlichung des eigentlichen Verkaufsprospekts abhängig gemacht werden. Die Veröffentlichung einer einzelnen Information oder mehrerer punktueller Informationen ohne einen entsprechenden Bezug zu den vollständigen Informationen der Vermögensanlage könnte die Marktteilnehmer und insbesondere das angesprochene Anlegerpublikum verwirren. Der Nachtrag ist daher frühestens mit dem eigentlichen Verkaufsprospekt der entsprechenden Vermögensanlage zu veröffentlichen2. Der Wortlaut des § 11 VerkProspG geht ausdrücklich weder auf den Inhalt noch die Gestaltung eines Nachtrags ein. § 11 Satz 2 VerkProspG erklärt vielmehr die Vorschriften des Verkaufsprospektgesetzes mit Ausnahme des § 8i Abs. 2 VerkProspG für Nachträge entsprechend anwendbar. Dem folgend gelten die formellen Regelungen des Verkaufsprospekts auch für den Nachtrag. Der Nachtrag ist daher gemäß § 8i Abs. 1 VerkProspG vor der Ver1 Zusammenstellung bei Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 11 VerkProspG Rz. 42. 2 Bereits Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 11 VerkProspG Rz. 4.

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§ 11 VerkProspG

Veröffentlichung ergänzender Angaben

öffentlichung bei der BaFin zu hinterlegen. Insbesondere ist er auch tatsächlich vom Anbieter zu unterschreiben (vgl. § 8i VerkProspG Rz. 18). Eine notwendige Unterbrechung des Vertriebs der Vermögensanlage ist mit der vor der Veröffentlichung vorzunehmenden Hinterlegung nicht verbunden. Es handelt sich um eine bloße Anzeigeverpflichtung, da kein Prüfungsverfahren nach § 8i Abs. 2 VerkProspG stattfindet und die Wartefrist nach § 9 Abs. 1 VerkProspG nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 11 VerkProspG keine Anwendung findet. 34

Die Angaben eines Nachtrags sind auf Grund des Verweises in § 11 Satz 2 VerkProspG den Grundsätzen des § 8g Abs. 2 und 3 VerkProspG iVm. § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 VermVerkProspV zu unterwerfen. Der Nachtrag ist daher auch in einer Form abzufassen, die dem Verständlichkeitsgebot des ursprünglichen Verkaufsprospekts unterliegt. a) Mitteilungspflicht des Anbieters an die BaFin

35

§ 11 Satz 1 VerkProspG regelt mit der Betonung der Unverzüglichkeit sowie des Verweises auf die Veröffentlichungsvorschriften des § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 VerkProspG die förmlichen Pflichten des Anbieters zur Veröffentlichung des Nachtrags an das Publikum. Der Verweis umfasst hingegen nicht die Regelung über die Mitteilung an die BaFin gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG. Insoweit stellt sich vor dem Hintergrund der Vorschrift des § 17 Abs. 1 Nr. 6 VerkProspG, der die nicht rechtzeitige Unterrichtung über die Veröffentlichung gegenüber der BaFin als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld bewehrt, die Frage, ob Mitteilungen an die BaFin, die Ort der Veröffentlichung und Datum der Nachträge gemäß § 11 VerkProspG betreffen, überhaupt und unverzüglich erfolgen müssen. Erfasst man die Regelung des § 11 Satz 1 VerkProspG als abschließende lex specialis gegenüber der Regelung des § 9 Abs. 2 VerkProspG, würde eine Mitteilungspflicht bei Nachträgen durch den Anbieter an die BaFin entfallen. Die Entstehungsgeschichte des § 11 VerkProspG aF im Rahmen des 3. FFG1 verdeutlicht, dass die Fristen- und Veröffentlichungsregelungen des § 11 Satz 1 VerkProspG eigenständig gegenüber denen des § 9 VerkProspG geregelt sein sollten, um eine schnellstmögliche Information des Anlegerpublikums zu gewährleisten.

36

Demgegenüber könnte man die Auffassung vertreten, dass auf Grund der Regelung in § 11 Satz 2 VerkProspG, der bei Nachträgen nach § 11 VerkProspG eine entsprechende Anwendung der Normen des VerkProspG mit Ausnahme des § 8i Abs. 2 VerkProspG vorsieht, auch die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG mit erfasst wird. Über diesen „Umweg“ wäre der Anbieter verpflichtet, der BaFin über Ort und Datum der Veröffentlichung des Nachtrags Mitteilung zu machen. Dieser Auffassung wäre jedoch entgegen zu halten, dass Sinn und Zweck der Nachträge eine zeitnahe Informa-

1 Gesetz zur weiteren Entwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz – 3. FFG) v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, 529, 533.

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Veröffentlichung ergänzender Angaben

§ 11 VerkProspG

tion des Publikums über anlageentscheidungserhebliche Tatsachen und Umstände sein soll, die gegenüber der ursprünglichen Informationsquelle des Verkaufsprospekts ein wesentliche Änderung erfahren haben. Die Mitteilung von Ort und Datum einer Veröffentlichung an die BaFin dient dagegen allein der Überwachung des Marktes. Diese Mitteilung mag zwingend bei einer initialen Informationsverbreitung über ein Angebot einer Vermögensanlage durch den Verkaufsprospekt sein, nicht aber mehr im Verlauf des Angebots, da Veränderungen, die die materielle Prospektpflicht für das öffentliche Angebot einer Vermögensanlage betreffen, für gewöhnlich bei einem geschlossenen Fonds dann nicht mehr eintreten. Kenntnis vom Nachtrag erlangt die BaFin durch den Anbieter ohnehin, da dieser verpflichtet ist, ihn bei der BaFin gemäß § 11 Satz 2 iVm. § 8i Abs. 1 VerkProspG zu hinterlegen. Auch hat die BaFin gemäß § 8i Abs. 4a VerkProspG jederzeit die Möglichkeit, von dem ihr bekannten Anbieter der Vermögensanlage Auskünfte über eventuelle Nachträge einzuholen. Vor dem Hintergrund der speziellen Veröffentlichungsregelungen des § 11 Satz 1 VerkProspG und der Einordnung der unterlassenen Mitteilung über Ort und Datum der Veröffentlichung bei einem Verkaufsprospekt an die BaFin als Ordnungswidrigkeit mit einer Bußgeldbewehrung gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 6 VerkProspG ist daher eine Einbeziehung der Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG über die Verweisungsnorm des § 11 Satz 2 VerkProspG bei Nachträgen bedenklich.

37

b) Form Als Gestaltungsmittel für einen Nachtrag ist vom Gesetz ein selbständiges 38 Dokument vorgesehen. Das ergibt sich aus einer systematischen Betrachtung des Gesetzes. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 VerkProspG ist die Veröffentlichung eines physischen Dokuments für den Verkaufsprospekt erforderlich. Dies legt § 11 Satz 1 VerkProspG aE auch für die Veröffentlichung ergänzender Angaben zum Verkaufsprospekt fest. Verkaufsprospekt und Nachtrag stellen somit voneinander physisch unabhängige Dokumente dar. Inhaltlich bildet der Nachtrag zusammen mit dem Verkaufsprospekt eine Einheit, ist also in Bezug auf den Verkaufsprospekt als unselbständig anzusehen. In dieser Hinsicht teilt er das rechtliche Schicksal des bereits veröffentlichten Verkaufsprospekts1. Der Nachtrag muss als solcher erkennbar sein, unabhängig davon, welche Wahl zu seiner Gestaltung der Anbieter trifft.

39

Handelt es sich um ein Einzeldokument zum Verkaufsprospekt, so ist vom Anbieter eine Bezeichnung des Dokuments zu wählen, die eindeutig zum Ausdruck bringt, dass es sich um eine ergänzende Angabe zu dem entsprechenden Verkaufsprospekt, also den Nachtrag, handelt. Die Verbindung zu dem bestimmten, zu ergänzenden Verkaufsprospekt ist durch eine eindeuti-

40

1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 VerkProspG Rz. 9; Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 11 VerkProspG Rz. 46.

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§ 11 VerkProspG

Veröffentlichung ergänzender Angaben

ge Bezugnahme herzustellen. Das Gebot der Verständlichkeit erfordert zudem eine eindeutige Identifizierbarkeit des Nachtrags. Der Anbieter muss den Nachtrag entsprechend der tatsächlichen Verhältnisse mit einer Nummer und einem Datum kennzeichnen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Nachtrag sich nur auf bestimmte Vermögensanlagen des ergänzten Gesamtdokuments an zusammenhängenden Verkaufsprospekten bezieht. 41

Bei einer Ergänzung und Einarbeitung des Nachtrags in den Verkaufsprospekt muss neben der eindeutigen Kennzeichnung des Dokuments als Verkaufsprospekt in der Fassung eines Nachtrags auch die jeweilige Änderung stilistisch deutlich hervorgehoben werden. Die ursprünglichen Passagen müssen weiter erkennbar bleiben und dürfen nicht ersatzlos wegfallen, da der Anleger ansonsten die historische Entwicklung der Informationen über die Vermögensanlage nicht nachvollziehen kann. Der Anbieter ist in der Gestaltung des einbezogenen Nachtrags frei, solange die Verständlichkeit des Gesamtdokuments noch gewährleistet ist. In Frage kommen daher auch Gestaltungen, die beim Inhaltsverzeichnis auf die geänderten Passagen hinweisen, geänderte Passagen in einen Anhang oder eine Fußnote auslagern oder mit dem Original gegenüberstellen oder die Änderung und ihren Ort zu Beginn des Verkaufsprospektes voranstellen. c) Frist

42

Die Veröffentlichung wesentlicher, nach der Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospektes aufgetretener Veränderungen im Wege eines Nachtrags erfolgt für die Dauer des öffentlichen Angebots. Frühester Zeitpunkt für die Veröffentlichung eines Nachtrags ist damit die Veröffentlichung des eigentlichen Verkaufsprospektes gemäß § 9 Abs. 2 VerkProspG. Ein früherer Zeitpunkt der Veröffentlichung des Nachtrags wird durch das Gesetz zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen, jedoch fehlt eine Bezugnahme zum eigentlichen Verkaufsprospekt. Eine Veröffentlichung des Nachtrags vor dem eigentlichen Verkaufsprospekt könnte daher zu einer Verwirrung des Marktes führen und ist daher nicht zulässig1.

43

Das Ende der Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Nachtrags ist mit der endgültigen Schließung des öffentlichen Angebots der Vermögensanlage erreicht. Der Primärmarkt für das erste öffentliche Angebot von Vermögensanlagen an der Emittentin wandelt sich zum Sekundärmarkt für diese Anteile um. Nachfolgende Veränderungen, die die Vermögensanlage betreffen, sind dann nicht mehr nach dem VerkProspG nachtragspflichtig. Ab diesem Zeitpunkt greifen die handelsrechtlichen oder andere Publizitätspflichten der Gesellschaft in Bezug auf ihre als Mitgesellschafter beteiligten Anleger, zB §§ 166, 233 HGB. Bei Treuhandverhältnissen sehen die Verträge zumeist eine Informationspflicht des Treuhänders bzgl. der Belange der Gesellschaft an die Anleger vor, so dass auch in diesen Fällen keine Transparenzlücke zu besorgen ist. 1 Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 14/8017 v. 18.1.2002, S. 110.

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Veröffentlichung ergänzender Angaben

§ 11 VerkProspG

Im Anwendungsbereich des § 8f Abs. 2 Nr. 5 VerkProspG bleibt eine Nach- 44 tragspflicht nach § 11 VerkProspG bestehen1. Das öffentliche Angebot der Vermögensanlage ist, wenn das Angebotsvolumen erhöht wird, noch nicht abschließend beendet worden. Die Ausnahme des § 8f Abs. 2 Nr. 5 VerkProspG bringt nur zum Ausdruck, dass für eine Volumenerhöhung des Angebots nicht nochmals ein bis auf den Umfang des Angebots identischer Verkaufsprospekt aufgestellt werden muss. Aufgrund des noch bestehenden öffentlichen Angebots sind daher alle wesentlichen Änderungen, die nach der zwischenzeitlichen Einstellung des Angebots und dem neuen Angebot aufgetreten sind, in einem Nachtrag zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung der wesentlichen Veränderungen muss vom Anbieter unverzüglich durchgeführt werden. Die Bestimmung des Begriffs der Unverzüglichkeit erfolgt nach einer weit verbreiteten Ansicht (BAWe-Schreiben v. 8.8.2002) anhand der Legaldefiniton des § 121 BGB. Diese Vorschrift durchdringt alle Bereiche des privaten und des öffentlichen Rechts2. Der Begriff „unverzüglich“ ist durch ein Handeln ohne schuldhaftes Zögern gekennzeichnet. Die Handlung muss daher nicht unmittelbar vorgenommen werden, vielmehr ist dem zum Handeln Verpflichteten eine adäquate Frist zur Überlegung entsprechend den jeweiligen Umständen einzuräumen.

45

Die Gleichsetzung der Situation eines Anfechtungsberechtigten mit derjenigen eines informationsbedürftigen, am Kapitalmarkt investierenden Anlegers erfährt teilweise Kritik3. Die Frist sei vielmehr an dem Inhalt und der Funktion der konkret auferlegten Handlungspflicht auszurichten4. Damit werden die dem jeweiligen Einzelfall angepassten, entsprechenden Interessen der Anleger besser als bei einem engen Korsett starrer kurzer Fristen berücksichtigt.

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Die BaFin setzt die Frist zur Vornahme einer Veröffentlichung im Bereich der Vermögensanlagen mit drei Werktagen an5. Diese Zeitspanne ist im Sinne der Unverzüglichkeit grundsätzlich als sachgerecht anzusehen6.

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d) Veröffentlichung Entsprechend dem Verweis von § 11 Satz 1 VerkProspG auf die Veröffent- 48 lichungsvorschriften der § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 VerkProspG steht dem Anbieter die Wahl zu, den Nachtrag im Wege des Vollabdrucks in einem Börsenpflichtblatt oder im Wege der Schalterpublizität sowie jeweils zusätzlich in einem elektronischen Informationssystem zu veröffentlichen. Die Wege der Veröffentlichung von Verkaufsprospekt und Nachtrag können daher aus-

1 2 3 4 5

Arndt/Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8f VerkProspG Rz. 76. Heinrichs/Ellenberger in Palandt, § 121 BGB Rz. 3. Vgl. Möllers in FS Horn, 2006, S. 473. OLG Frankfurt/M. v. 22.4.2003 – WpÜG-OWi 3/02, NZG 2003, 638. Bruchwitz in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 129 mit Zweifeln am Festhalten an der Praxis durch die BaFin. 6 Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 11 VerkProspG Rz. 34 ff.

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§ 12 VerkProspG

Hinweis auf Verkaufsprospekt

einander fallen. Geschieht dies, sollte trotzdem bei der Zahlstelle auch das Dokument mit dem Nachtrag vorgehalten werden, da ansonsten die Gefahr besteht, dass der Anleger von den eingetretenen Veränderungen keine Kenntnis erlangt.

III. Gebühren 49

Nach Nr. 4 der Anlage zu § 2 Abs. 1 VermVerkProspGebV beträgt die Gebühr für die Hinterlegung eines Nachtrags 25 Euro. Die Zusammenfassung mehrerer Nachträge für verschiedene Vermögensanlagen erhöht die Gebühr entsprechend der Anzahl der betroffenen Vermögensanlagen.

IV. Folgen eines Verstoßes gegen § 11 VerkProspG 50

Unterlassene, unvollständige oder fehlerhafte Nachträge verpflichten den Anbieter im Rahmen des § 13 VerkProspG zu einer Haftung gegenüber dem geschädigten Anleger. Auch eine Strafbarkeit nach § 264a StGB kommt in Betracht.

51

Im Rahmen der Marktaufsicht stehen der BaFin die Eingriffsmöglichkeiten des § 8i Abs. 4 ff. VerkProspG zur Verfügung. Des Weiteren kann sie einen Verstoß gegen die Verpflichtungen des § 11 VerkProspG mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro ahnden.

§ 12 Hinweis auf Verkaufsprospekt Der Anbieter ist verpflichtet, in Veröffentlichungen, in denen das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 angekündigt und auf die wesentlichen Merkmale der Vermögensanlagen hingewiesen wird, einen Hinweis auf den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung aufzunehmen. In der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701), zuletzt geändert durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Assmann, Neues Recht für den Wertpapiervertrieb, die Förderung der Vermögensbildung durch Wertpapieranlage und die Geschäftstätigkeit von Hypothekenbanken, NJW 1991, 528. Siehe auch Einl. VerkProspG.

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§ 12 VerkProspG

Hinweis auf Verkaufsprospekt Inhaltsübersicht I. Normentwicklung und Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . II. Normadressat und Voraussetzungen der Hinweispflicht 1. Normadressat und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Hinweispflicht . . . . . . . . . . . . .

1

3 5

a) Veröffentlichung . . . . . . . b) Ankündigung des Angebots . . . . . . . . . . . . . c) Hinweis auf wesentliche Merkmale der Wertpapiere

6 9 14

III. Hinweis auf den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . 16

I. Normentwicklung und Regelungszweck In ihrer ursprünglichen Fassung setzte die Vorschrift Art. 7 der Emissionsprospektrichtlinie1 iVm. Art. 22 der Börsenzulassungsprospektrichtlinie 80/390/EWG2 und Art. 10 Abs. 1 und 2 iVm. Art. 17 der Emissionsprospektrichtlinie 89/298/EWG3 um4. Die Bestimmung hat dann durch Art. 2 Nr. 15 des 3. FFG5 geringfügige Änderungen erfahren, die Folge der Änderungen des § 9 VerkProspG durch Art. 2 Nr. 12 des 3. FFG sind. Auf Grund einer entsprechenden Beschlussempfehlung des Finanzausschusses6 wurden Satz 1 der Vorschrift durch Art. 5 Nr. 8a des 4. FFG v. 21.6.20027 unter klarer Herausstellung des Normadressaten8 der Bestimmung neu gefasst und in Satz 2 kleinere redaktionelle Änderungen vorgenommen9. Auch die An-

1 Richtlinie vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist (sog. Emissionsprospektrichtlinie), ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8. 2 Richtlinie des Rates vom 17.3.1980 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 100 v. 17.4.1980, S. 1. 3 Richtlinie 89/298/EWG vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist (sog. Emissionsprospektrichtlinie), ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8. 4 Siehe Begr. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 14. 5 Gesetz zur weiteren Entwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, 529, 533. Siehe dazu auch die Begr. RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997 (= BR-Drucks. 605/97 v. 15.8.1997), S. 89. 6 BT-Drucks. 14/8600 v. 20.3.2002, S. 87 (Art. 5 Nr. 8a). 7 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz – 4. FFG) v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, 2010. 8 Das hatte seinen Grund darin, dass durch Art. 5 Nr. 13a cc des 4. FFG nach § 17 Abs. 1 Nr. 7 VerkProspG auch der Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 12 Satz 1 VerkProspG zur Ordnungswidrigkeit erklärt wurde. Siehe Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), Nachtrag 2002, § 12 VerkProspG Rz. 2. 9 Dazu Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), Nachtrag 2002, § 12 VerkProspG Rz. 1.

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Hinweis auf Verkaufsprospekt

passung an die mit dem AnSVG v. 28.10.20041 verbundene Erweiterung des Anwendungsbereichs des VerkProspG (Einl. VerkProspG Rz. 6) hat lediglich redaktionelle (durch Art. 2 Nr. 4 des AnSVG veranlasste) Änderungen der Vorschrift erforderlich gemacht. Durch Art. 2 Nr. 8 des ProspektrichtlinieUmsetzungsgesetzes v. 22.6.20052 hat die Vorschrift ihre heutige Fassung erhalten, welche sie an die mit diesem Gesetz veranlasste Einführung des WpPG und die damit verbundenen Reduktion der Anwendung des VerkProspG auf das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen (siehe Einl. VerkProspG Rz. 11) anpasste. Eine funktional als auch hinsichtlich der einzelnen Voraussetzungen einer Hinweispflicht nur schwer vergleichbare Bestimmung findet sich in § 15 Abs. 2 WpPG im Hinblick auf Werbung für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren. 2

Zielsetzung der Bestimmung ist es, die Anleger im Vorfeld eines öffentlichen Angebots von Vermögensanlagen iS von § 8f Abs. 1 VerkProspG – also vor Beginn des öffentlichen Angebots3 – darüber zu informieren, dass es für dieses öffentliche Angebot einen Verkaufsprospekt gibt und dieser veröffentlicht werden wird. Das soll bewirken, dass Anleger, denen bereits wesentliche Angebotsbedingungen zu der betreffenden Emission vorliegen, keine unüberlegten Anlageentscheidungen treffen4, sondern von der Möglichkeit erfahren, sich vor dem Erwerb der Anlage über alle anlagerelevanten Umstände des Angebots informieren zu können5. Nach Beginn des öffentlichen Angebots ist eine solche Hinweispflicht auf den Verkaufsprospekt nicht mehr erforderlich, weil ein öffentliches Angebot nur dann stattfinden darf, wenn der Verkaufsprospekt bereits veröffentlicht worden ist (vgl. § 1 VerkProspG und § 9 Abs. 1 VerkProspG) und für den Fall, dass die Veröffentlichung unterblieben ist, ein Hinweis auf einen nicht veröffentlichten Verkaufsprospekt keinen Sinn macht; siehe auch im Folgenden Rz. 4.

1 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BGBl. I 2004, 2630. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2005, 1698. Zur Gesetzgebungsentwicklung siehe die Nachweise zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz in Einl. WpPG Rz. 1. 3 Ebenso Groß, Kapitalmarktrecht, § 12 VerkProspG Rz. 2; Heidelbach in Schwark, § 12 VerkProspG Rz. 4; Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 12 VerkProspG Rz. 7, 20, 22 ff. 4 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 74. 5 Assmann, NJW 1991, 528 (531); Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 61; Hamann in Schäfer, § 12 VerkProspG Rz. 1; Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 12 VerkProspG Rz. 7; Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 12 VerkProspG Rz. 3.

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Hinweis auf Verkaufsprospekt

§ 12 VerkProspG

II. Normadressat und Voraussetzungen der Hinweispflicht 1. Normadressat und Anwendungsbereich Die Hinweispflicht trifft ausschließlich den Anbieter von Vermögensanla- 3 gen für von ihm selbst – also nicht von „Dritten“ – veranlasste1 Veröffentlichungen. Anbieter ist nach den Ausführungen des RegE AnSVG zu § 8f VerkProspG derjenige, der für das öffentliche Angebot der Vermögensanlage verantwortlich ist und den Anlegern gegenüber nach außen erkennbar als Anbieter auftritt, wobei der Anbieter mit dem Emittenten der Vermögensanlage identisch sein kann2 (zu Einzelheiten siehe § 8f VerkProspG Rz. 20 ff.). Den Emittenten der Anlage, dh. nach der Begründung zu § 8f VerkProspG im RegE AnSVG denjenigen, der die Vermögensanlage erstmalig auf den Markt bringt und für seine Rechnung unmittelbar oder durch Dritte öffentlich zum Erwerb anbietet3 (zu Einzelheiten siehe § 8f VerkProspG Rz. 20 ff.), treffen Hinweispflichten für eigene Veröffentlichungen nur, wenn er auch Anbieter ist4. Da § 12 VerkProspG eine Hinweispflicht im Vorfeld eines öffentlichen Angebots von Vermögensanlagen betrifft (siehe oben Rz. 2), ist zu präzisieren, dass Normadressat der zukünftige Bieter ist, dh. derjenige, der beabsichtigt, in einem öffentlichen Angebot von Vermögensanlagen als Anbieter iS von § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG aufzutreten und der noch vor Beginn des Angebots dieses – unter Hinweis auf die wesentlichen Merkmale der Vermögensanlagen – in Veröffentlichungen angekündigt hat. Erfasst wird mithin nur eine Veröffentlichung vor Beginn des öffentlichen 4 Angebots (siehe oben Rz. 2). Hat das öffentliche Angebot begonnen, macht es für den Anbieter keinen Sinn mehr, Veröffentlichungen vorzunehmen, in denen das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen angekündigt und auf die wesentlichen Merkmale der Vermögensanlagen hingewiesen wird. In diesem Fall geht es dem Anbieter vielmehr darum, auf die Möglichkeit zum Erwerb der Vermögensanlagen aufmerksam zu machen. Öffentliche Angebote setzen gemäß § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG die Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts voraus, doch gibt es keine verkaufsprospektgesetzliche Pflicht, in öffentlichen oder persönlichen Angeboten auf die Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts hinzuweisen oder diesen gar dem Interessenten auszuhändigen. Zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein (zukünftiges) Angebot ein öffentliches Angebot iS der Vorschrift ist, ist auch hier auf die Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 4 WpPG zurückzugreifen. Danach ist als ein öffentliches Angebot von Vermögensanlagen jede Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise anzusehen, die ausreichende Informationen über die Ange1 Heidelbach in Schwark, § 12 VerkProspG Rz. 2; Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 12 VerkProspG Rz. 40. 2 BT-Drucks 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42. 3 BT-Drucks 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42, in Erweiterung des früheren wertpapierrechtlichen Emittentenbegriffs iS der Prospektrichtlinie. 4 Heidelbach in Schwark, § 12 VerkProspG Rz. 1; Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 12 VerkProspG Rz. 38 f.

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Hinweis auf Verkaufsprospekt

botsbedingungen und die anzubietenden Vermögensanlagen enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Anlagen zu entscheiden. 2. Voraussetzungen der Hinweispflicht 5

Voraussetzungen für die Hinweispflicht nach § 12 VerkProspG sind a) eine Veröffentlichung, in der b) das öffentliche Angebot der Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG angekündigt wird und in der c) ein Hinweis auf die wesentlichen Merkmale der Vermögensanlagen enthalten ist. a) Veröffentlichung

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Die Hinweispflicht des § 12 VerkProspG setzt Veröffentlichungen mit dem in der Bestimmung genannten Inhalt voraus. Den Richtlinienbestimmungen (siehe oben Rz. 1), deren Umsetzung § 12 VerkProspG in seiner ursprünglichen Fassung diente und die zur richtlinienkonformen Auslegung der Vorschrift heranzuziehen waren, konnte entnommen werden, dass als Veröffentlichungen nur solche in Schriftform in Frage kamen1. Schon seinerzeit wurden dazu „auch Hinweise in elektronischer Form, also solche auf Internetseiten, in werbenden Emails oder aber ‚optische‘ Hinweise im Fernsehen“ gezählt, doch sollten „rein akustische Werbespots, bspw. im Radio oder bloß gesprochene Hinweise im Fernsehen ohne optische Unterstützung“ nicht erfasst sein, weil „eine überstürzte Entscheidung des Anlegers allein aufgrund von Radiowerbespots“ als wenig wahrscheinlich erschien2.

7

Zwischenzeitlich – nach der auf das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz zurückgehenden Beschränkung des Anwendungsbereichs des VerkProspG auf nicht wertpapiermäßig verbriefte Vermögensanlagen (siehe Rz. 1 und Einl. VerkProspG Rz. 11) – handelt es sich bei § 12 VerkProspG um unangeglichenes Recht, dh. um eine Vorschrift, die nicht der Umsetzung einer Richtlinie dient, so dass für die Auslegung des Begriffs der Veröffentlichung Emissions- und Börsenzulassungsrichtlinie ebenso wenig heranzuziehen sind wie die Prospektrichtlinie 2003/71/EG3. Gleichzeitig würde aber auch die für die Vereinheitlichung des Prospektrechts in der EU maßgebliche Prospektrichtlinie einer anderen und erweiterten Auslegung des Begriffs der Veröffentlichung in § 12 VerkProspG nicht entgegenstehen. Wie sich aus § 2 Nr. 4 WpPG ergibt, welcher der Umsetzung der Prospektrichtlinie dient, öffentliche Angebote definiert und im Hinblick auf die Umschreibung des 1 Sowohl in Art. 10 Abs. 1 als auch in Art. 17 Abs. 1 der Emissionsprospektrichtlinie (siehe oben Rz. 1) ist von „Bekanntmachungen, Anzeigen, Plakaten und Dokumenten“ die Rede. 2 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 12 VerkProspG Rz. 5; auch Heidelbach in Schwark, § 12 VerkProspG Rz. 3. 3 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 325 v. 31.12.2003, S. 64 ff.

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Hinweis auf Verkaufsprospekt

§ 12 VerkProspG

Begriffs der Öffentlichkeit auch zur Auslegung des Begriffs der Veröffentlichung mit herangezogen werden kann, ist für Zwecke der Anwendung der Vorschriften des WpPG als öffentliches Angebot jede ein Angebot enthaltende „Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise“ anzusehen. Schon im Interesse einer einheitlichen Begriffsbildung in Bereichen des WpPG und des VerkProspG, die nicht speziellen Harmonisierungszielen im Bereich der Verkaufsprospekte für Wertpapierangebote geschuldet sind, wird man deshalb als Veröffentlichung iS des § 12 VerkProspG jede „Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise“ betrachten dürfen. Mit dieser Umschreibung des Begriffs der Veröffentlichung entfällt jede Be- 8 schränkung auf bestimmte Medien, namentlich auf Printmedien1. Das wird auch Sinn und Zweck der Bestimmung gerecht, in allen Ankündigungen eines bevorstehenden Angebots, in denen auch auf die wesentlichen Merkmale der Vermögensanlagen hingewiesen wird, zugleich einen Hinweis auf den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung aufnehmen zu müssen. Stattdessen stellt sich allerdings die Frage, wann von einer Mitteilung an das Publikum auszugehen ist. Wurde dies bisher in anderem Zusammenhang, namentlich in Bezug auf Anlageangebote, nur für den Fall bejaht, dass sich die Kommunikation an eine unbestimmte Zahl von Personen richtete, so wird man im vorliegenden Zusammenhang eine Mitteilung an eine Mehrzahl von Personen ausreichen lassen müssen2, sofern es sich nicht nur um einen „begrenzten Personenkreis“ nicht aufklärungs- und schutzbedürftiger Personen iS der (soweit erkennbar nicht aufgehobenen) Bekanntmachung der Aufsichtsbehörde – seinerzeit das BAWe – v. 6.9.19993 handelt4. Zur Konkretisierung einer Ausnahme von der Prospektpflicht konzipiert und heute als Auslegungsregel für den Begriff des Publikums heranzuziehen, soll ein begrenzter Personenkreis dann vorliegen, „wenn die betreffenden Personen dem Anbieter im einzelnen bekannt sind, von ihm aufgrund einer gezielten Auswahl nach individuellen Gesichtspunkten angesprochen werden und eine Aufklärung durch einen Verkaufsprospekt im Hinblick auf das Informationsbedürfnis des Anlegers nicht erforderlich ist“, wobei eine genaue zahlenmäßige Festlegung des begrenzten Personenkreises nicht möglich sei5.

1 Ebenso Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 12 VerkProspG Rz. 18. 2 Ebenso Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 Nr. 4 WpPG Rz. 99 („Personenmehrheit“). 3 Bekanntmachung des BAWe zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte v. 6.9.1999, BAnz Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180. 4 Mit diesem Vorbehalt auch Ritz in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 2 Nr. 4 WpPG Rz. 101, mit der Folgerung, ein Publikum liege jedenfalls dann vor, wenn die angesprochenen Anleger noch keine ausreichenden Informationen über die angebotenen Anlagen und deren Emittenten besäßen. 5 Bekanntmachung v. 6.9.1999, BAnz Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180, II. 1. Abs. 1 und 2.

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Hinweis auf Verkaufsprospekt

b) Ankündigung des Angebots 9

Eine Hinweispflicht nach § 12 VerkProspG kann nur entstehen, wenn es um die Ankündigung eines öffentlichen Angebots von Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG handelt; zu den von dieser Vorschrift erfassten Vermögensanlagen siehe die Erläuterungen zu § 8f VerkProspG.

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Das öffentliche Angebot der Wertpapiere muss angekündigt werden, also noch nicht begonnen haben (siehe oben Rz. 2 und 4). § 12 VerkProspG erfasst sowohl die Fälle, in denen die Ankündigung erfolgt, bevor der Verkaufsprospekt veröffentlicht worden ist, als auch dann, wenn nach Veröffentlichung des Verkaufsprospekts ein entsprechender Hinweis auf das bevorstehende öffentliche Angebot erfolgt1.

11

Im Schrifttum wurde dagegen die Auffassung vertreten, die Hinweispflicht nach § 12 VerkProspG bestehe auch dann, wenn das öffentliche Angebot bereits begonnen habe und noch nicht abgeschlossen sei2. In diesen Fall sei im öffentlichen Angebot selbst der Hinweis gemäß § 12 VerkProspG aufzunehmen. Dieser Meinung dürfte die Erwägung zu Grunde gelegen haben, die Anleger sollten auch während eines Angebots optimal informiert werden. Der Wortlaut der Bestimmung, in dem von der Ankündigung des öffentlichen Angebots die Rede ist, deckt diese Auffassung jedoch nicht3, denn angekündigt werden kann nur etwas, was noch nicht der Fall ist. Eine erweiternde Auslegung scheidet schon deshalb aus, weil es sich bei § 12 VerkProspG um eine gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 7 VerkProspG bußgeldbewehrte Vorschrift handelt4 und auf Grund des bereits veröffentlichten Prospekts ein Schutzbedürfnis der Anleger nicht zu erkennen ist5.

12

Für den Fall, dass der Verkaufsprospekt bereits nach § 9 Abs. 1 und 2 VerkProspG veröffentlicht worden ist, das Angebot aber noch nicht angefangen hat und dann die entsprechenden Ankündigungen erfolgen, gilt das zuvor Gesagte. Ein Hinweis nach § 12 VerkProspG ist nicht erforderlich, da der Verkaufsprospekt bereits veröffentlicht worden ist und der Anleger entsprechend informiert ist oder sich entsprechend informieren kann. 1 Für § 12 VerkProspG aF als angeglichenes Recht konnte diesbezüglich unterstützend auf Art. 7 der Emissionsprospektrichtlinie iVm. Art. 22 der Börsenzulassungsprospektrichtlinie sowie Art. 10 Abs. 1 und 2 iVm. Art. 17 der Emissionsprospektrichtlinie hingewiesen werden (siehe Ritz in Assmann/Lenz/Ritz [Voraufl.], § 12 VerkProspG Rz. 6), doch hat sich daran auch nach der Beschränkung des § 12 VerkProspG auf Vermögensanlagen in der Sache nichts geändert. Auch Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 12 VerkProspG Rz. 23. 2 Noch Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2000, § 12 VerkProspG Rz. 1, anders – und wie hier – aber Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 12 VerkProspG Rz. 3; Hamann in Schäfer, § 12 VerkProspG Rz. 2; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 12 VerkProspG Rz. 3. 3 Ebenso Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 12 VerkProspG Rz. 26. 4 Der Hinweis von Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 12 VerkProspG Rz. 3, diese Auslegung der Vorschrift erscheine „allzu formal“ geht schon deshalb fehl. 5 Ausführlich schon Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 12 VerkProspG Rz. 7.

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Hinweis auf Verkaufsprospekt

§ 12 VerkProspG

Bei so genannten Tombstones (emissionsbezogene Werbeanzeigen) ist zu 13 differenzieren: Erfolgen sie – wie in den USA, wo sie bis zum Beginn eines registrierten öffentlichen Angebots von Kapitalanlagen die einzig zulässige Form der Werbung für die Emission darstellen und nach Form und Inhalt reguliert sind – vor einem öffentlichen Angebot und enthalten sie Hinweise auf die wesentlichen Merkmale der anzubietenden Vermögensanlagen, so muss ein Hinweis auf den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung nach § 12 VerkProspG erfolgen; werden sie dagegen erst nach erfolgter Emission zur Anzeige des erfolgreichen Abschlusses derselben veröffentlicht, handelt es sich nicht um die Ankündigung einer Emission, so dass § 12 VerkProspG nicht eingreift1. c) Hinweis auf wesentliche Merkmale der Wertpapiere Ein Hinweis auf den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung nach 14 § 12 VerkProspG ist nur dann erforderlich, wenn in der Ankündigung auf die wesentlichen Merkmale der Vermögensanlage hingewiesen wird. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann angenommen werden, dass sich ein Anleger überhaupt zu einem entsprechenden Geschäft entschließt. Sind die Hinweise auf die Emission nur allgemeiner Natur, ist ein solcher Erwerbsentschluss unwahrscheinlich und es besteht kein Bedürfnis, den Anleger auf die Verfügbarkeit des Verkaufsprospekts hinzuweisen. Deshalb lösen auf den Emittenten oder die Vermögensanlagen bezogene Marketingmaßnahmen allgemeiner Natur keine Hinweispflicht nach § 12 VerkProspG aus2. Das ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die Angaben über die Vermögensanlagen so konkret sind, dass sie auch bei einem Anleger bereits einen Entschluss zum Erwerb der Anlage auslösen könnten. Die Vorschrift liefe leer, würde man dabei auf einen durchschnittlichen An- 15 leger abstellen, der auch Vermögensanlagen iS von § 8f Abs. 1 VerkProspG nie ohne Heranziehung eines Prospekts tätigen würde. Deshalb kann hier als Maßstab nur ein Anleger herangezogen werden, der bereits bei dem Erhalt essentieller Angaben einen Anlageentschluss tätigen könnte. Aus der Vagheit dieses Anlegermaßstabs wird deutlich, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift in erster Linie durch die objektiven Merkmale des § 12 VerkProspG einzugrenzen ist. Dementsprechend kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass auch konkrete Angaben nur dann als eine Hinweispflicht nach § 12 VerkProspG auslösen können, wenn sie sich auf wesentliche Merkmale der jeweiligen Vermögensanlage iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG beziehen, wie den Erwerbspreis, die Art der Beteiligung, das 1 So die Prämisse und die Folgerung bei Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 12 VerkProspG Rz. 9 iVm. § 1 VerkProspG Rz. 63. 2 Ebenso Heidelbach in Schwark, § 12 VerkProspG Rz. 5; Könnecke/Voß in Arndt/ Voß, § 12 VerkProspG Rz. 33; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 12 VerkProspG Rz. 2, 4. Kritisch zur unzureichenden Regulierung von Maßnahmen des „Konditionieren des Marktes“ in Gestalt etwa solcher Werbemaßnahmen Baums/Hutter, Informationen des Kapitalmarkts beim Börsengang (IPO), FS Ulmer 2003, S. 779 (790).

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§ 12 VerkProspG

Hinweis auf Verkaufsprospekt

Schema der Anlage der Investorengelder und die die Bestimmung der Teilhabe am Anlageerfolg, eine eventuelle Verzinsung der investierten Gelder und die Modalität ihrer Auszahlung sowie gegebenenfalls der Modalitäten einer eventuellen Rückzahlung der investierten Beträge1. Dabei kann es allerdings nicht darauf ankommen, dass zu allen Merkmalen des Anlageangebots, die ein durchschnittlicher Anleger als wesentlich betrachten würde, konkrete Angaben gemacht werden2, da sich sonst der Anbieter leicht der Pflicht zum Hinweis auf den ausführlichen Verkaufsprospekt entziehen könnte. Vielmehr muss es als ausreichend angesehen werden, dass das Gesamtbild der Angaben zu wesentlichen Merkmalen einer Anlage den Eindruck erwecken kann, die für einen Anlageentschluss hinreichenden Informationen zu geben.

III. Hinweis auf den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung 16

Erfüllt die Veröffentlichung eines Anbieters die vorstehenden Merkmale, so hat der Anbieter in die Veröffentlichung einen Hinweis auf den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung aufzunehmen.

17

Umstritten ist, ob § 12 VerkProspG einen Hinweis auf die Art und Weise der Veröffentlichung nach § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VerkProspG und den genauen Ort der Veröffentlichung oder Bereithaltung des Prospekts iS dieser Bestimmung verlangt. Das wurde im Schrifttum vor allem unter Berufung auf Sinn und Zweck der Vorschrift bislang fast einhellig bejaht3. Der Wortlaut des § 12 VerkProspG gibt eine solche Auslegung indes nicht her, noch verlangen Sinn und Zweck der Vorschrift eine solche Auslegung der Vorschrift4. 1 Ziff. I. 2. lit. d der Bekanntmachung des BAWe zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I. S. 2701 ff.) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I. S. 2835 ff.) v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180, nennt – noch bezogen auf das Angebot von Wertpapieren – beispielhaft deren Preis und Ausstattungsmerkmale wie Stamm- oder Vorzugsaktien. 2 So auch Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 12 VerkProspG Rz. 35. 3 Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 62; Groß, Kapitalmarktrecht, § 12 VerkProspG Rz. 5; Heidelbach in Schwark, § 12 VerkProspG Rz. 7; Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 74 f.; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 12 VerkProspG Rz. 5, dessen Hinweis, die Angabe, „wo der Prospekt erhältlich ist“, sei „zu fordern“ (Hervorhebung hinzugefügt), lässt allerdings im Unklaren, ob dies eine Aussage de lege lata oder de lege ferenda sein soll; Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 12 VerkProspG Rz. 3, 14 ff. Zurückhaltender Hamann in Schäfer, § 12 VerkProspG Rz. 3, mit dem Hinweis, in entsprechender Anwendung von § 9 Abs. 2 und 3 VerkProspG (aF) „sollte jedoch auch in § 12 auf die Bezugsmöglichkeit hingewiesen werden“, unter Berufung auf die noch mehr zurückhaltende Äußerung von Assmann, NJW 1991, 531 in Fn. 41. 4 IE ebenso Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 12 VerkProspG Rz. 45 mit Ausnahmen in Rz. 46 bei einer Veröffentlichung via Internet.

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Hinweis auf Verkaufsprospekt

§ 12 VerkProspG

Abweichend von der Regelung zur „Schalterpublizität“ in § 9 Abs. 2 Satz 1 18 Halbsatz 2 VerkProspG ist es nach dem Wortlaut von § 12 VerkProspG jedoch nicht erforderlich, dass die Stellen, bei denen der Verkaufsprospekt bereitgehalten wird bzw. zukünftig bereitgehalten werden wird, ausdrücklich benannt werden, dh. ein Hinweis auf die Bezugsmöglichkeit des Verkaufsprospekts mit aufgenommen wird. Der Wortlaut der Vorschrift, der schon deshalb nicht extensiv ausgelegt werden kann, weil ein Verstoß gegen § 12 VerkProspG nach § 17 Abs. 1 Nr. 7 VerkProspG eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit darstellt, erfordert nicht mehr als den Hinweis auf den Verkaufsprospekt und den Hinweis auf dessen Veröffentlichung, ohne dass erkennbar verlangt wird, dass auch auf die Art und Weise der Veröffentlichung noch den Ort einer Veröffentlichung oder Bereithaltung1 hingewiesen werden muss2. Dass es an einem solchen Verlangen, das sprachlich unschwer in der Vorschrift zu verankern gewesen wäre, fehlte und nach wie vor fehlt, hat seinen Grund darin, dass in dem Zeitpunkt, in dem eine Veröffentlichung iS des § 12 VerkProspG erfolgt, weder die Art und Weise der Publikation des Prospekts noch der Ort der Veröffentlichung oder der Bereithaltung festliegen muss. Dementsprechend soll mit der Vorschrift des § 12 VerkProspG auch nicht mehr erreicht werden, als dem Anleger deutlich zu machen, dass er sich vor dem Erwerb der Anlage, deren öffentliches Angebot unter Mitteilung ihrer wesentlichen Merkmale in einer Veröffentlichung angekündigt wird, aus einem Verkaufsprospekt über alle anlageerheblichen Umstände der fraglichen Vermögensanlage unterrichten kann. § 12 VerkProspG verlangt mithin nicht mehr, als dass der Anleger informiert wird, dass es neben der Veröffentlichung mit ihren Angaben zur Vermögensanlage noch einen zu veröffentlichenden Verkaufsprospekt geben wird. Es besteht kein Anlass, dies in dem Fall anders zu behandeln, dass die Ver- 19 öffentlichung, iS des § 12 VerkProspG über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem, namentlich das Internet, erfolgen soll3. Auch hier muss die diesbezügliche Entscheidung im Falle der Vornahme einer Veröffentlichung noch nicht feststehen, und im Hinblick auf die begrenzte Informationsfunktion des von § 12 VerkProspG verlangten Hinweises genügt auch hier die Information, dass es die Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts geben wird. Die Pflichten aus § 9 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG knüpfen erkennbar an das Angebot von Vermögensanlagen über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem und nicht an die Veröffentlichung iS von § 12 VerkProspG an. Wenn in einer Veröffentlichung nach § 12 VerkProspG

1 So im Ausgangspunkt auch Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 12 VerkProspG Rz. 13, die allerdings (Rz. 14) zu einer Korrektur dieses Ergebnisses im Wege der richtlinienkonformen Auslegung für den Fall des Angebots von Wertpapieren gelangte. Anders schon im Ausgangspunkt etwa Heidelbach in Schwark, § 12 VerkProspG Rz. 7. 2 Auch Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 12 VerkProspG Rz. 45. 3 Anders (aber inkonsequent) Könnecke/Voß in Arndt/Voß, § 12 VerkProspG Rz. 46.

Assmann

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§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

schon nicht auf die Art und Weise der Publikation eines Verkaufsprospekts hingewiesen werden muss, so braucht auch nicht auf eine Besonderheit bei der Publikation desselben aufmerksam gemacht zu werden, die sich mit einem Medium der Unterbreitung des öffentlichen Angebots verbindet. 20

Für den Hinweis auf den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung, der in die Veröffentlichung nach § 12 VerkProspG aufzunehmen ist, genügt deshalb folgende Formulierung: „Entsprechend § 12 VerkProspG wird darauf hingewiesen, dass für das hier angekündigte öffentliche Angebot der vorstehenden Vermögensanlagen ein Verkaufsprospekt erstellt wurde, der vor Beginn des öffentlichen Angebots nach Maßgabe von § 9 VerkProspG veröffentlicht werden wird.“

21

Darüber hinausgehende Mehrinformationen sind unschädlich. So ist etwa mit dem Hinweis auf die möglichen Formen der Veröffentlichung des Prospekts nach § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VerkProspG den Klarstellungsinteressen sowohl der Anleger als auch des Anbieters gedient. Der vorstehend (Rz. 20) vorgeschlagenen Formulierung kann deshalb der Satz hinzugefügt werden: „Die Veröffentlichung wird entweder durch Bekanntmachung in einem überregionalen Börsenpflichtblatt oder durch Bereithaltung bei den im Verkaufsprospekt benannten Zahlstellen zur kostenlosen Ausgabe vorgenommen. In letzterem Falle wird in einem überregionalen Börsenpflichtblatt bekannt gemacht, dass der Verkaufsprospekt bei den Zahlstellen bereitgehalten wird.“ Sollten Art und Weise und das Börsenpflichtblatt der Veröffentlichung bzw. die Stellen für die Bereithaltung des Prospekts bereits bekannt sein, so wäre auch diesbezüglich eine Aufnahme entsprechender Angaben in die Veröffentlichung nach § 12 VerkProspG als im Interesse sowohl des Anbieters als auch des Publikums liegend zu empfehlen.

§ 13 Haftung bei fehlerhaftem Prospekt (1) Sind für die Beurteilung der Wertpapiere, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, oder der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 wesentliche Angaben in einem Prospekt im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes oder in einem Verkaufsprospekt unrichtig oder unvollständig, so sind die Vorschriften der §§ 44 bis 47 des Börsengesetzes mit folgender Maßgabe entsprechend anzuwenden: 1. bei der Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 des Börsengesetzes ist für die Bemessung des Zeitraums von sechs Monaten anstelle der Einführung der Wertpapiere der Zeitpunkt des ersten öffentlichen Angebots im Inland maßgeblich;

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§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

2. § 44 Abs. 3 des Börsengesetzes ist auf Emittenten mit Sitz im Ausland anzuwenden, deren Wertpapiere auch im Ausland öffentlich angeboten werden; 3. bei Angaben in einem Verkaufsprospekt für Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 sind die §§ 44 und 45 des Börsengesetzes unbeschadet der Nummern 1 und 2 darüber hinaus mit folgenden Maßgaben anzuwenden: a) an die Stelle des Wertpapiers tritt die Vermögensanlage, b) an die Stelle der Beschränkung des Erwerbspreises auf den Ausgabepreis nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Börsengesetzes tritt der erste Erwerbspreis, c) § 44 Abs. 1 Satz 2 und § 45 Abs. 2 Nr. 5 des Börsengesetzes finden keine Anwendung und d) an die Stelle des Börsenpreises in § 45 Abs. 2 Nr. 2 tritt der Erwerbspreis. (2) (aufgehoben) In der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701), zuletzt geändert durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Auszug aus dem Börsengesetz Börsengesetz (BörsG) idF der Bekanntmachung vom 16.7.2007 (BGBl. I 2007, 1330), geändert durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16.7.2007 (BGBl. I 2007, 1330), das Investmentänderungsgesetz vom 21.12.2007 (BGBl. I 2007, 3089), das FGG-Reformgesetz vom 17.12.2008 (BGBl. I 2008, 2586), das Gesetz zur Umsetzung der Beteiligungsrichtlinie vom 12.3.2009 (BGBl. I 2009, 470), und das Gesetz zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts vom 20.3.2009 (BGBl. I 2009, 607).

§ 44 BörsG Unrichtiger Wertpapierprospekt (1) Der Erwerber von Wertpapieren, die auf Grund eines Prospekts zum Börsenhandel zugelassen sind, in dem für die Beurteilung der Wertpapiere wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig sind, kann 1. von denjenigen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben und 2. von denjenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, als Gesamtschuldnern die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises, soweit dieser den ersten Ausgabepreis der Wertpapiere nicht überschreitet, und der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen, sofern das Erwerbsgeschäft nach Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wert-

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§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

papiere abgeschlossen wurde. Ist ein Ausgabepreis nicht festgelegt, gilt als Ausgabepreis der erste nach Einführung der Wertpapiere festgestellte oder gebildete Börsenpreis, im Falle gleichzeitiger Feststellung oder Bildung an mehreren inländischen Börsen der höchste erste Börsenpreis. Auf den Erwerb von Wertpapieren desselben Emittenten, die von den in Satz 1 genannten Wertpapieren nicht nach Ausstattungsmerkmalen oder in sonstiger Weise unterschieden werden können, sind die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden. (2) Ist der Erwerber nicht mehr Inhaber der Wertpapiere, so kann er die Zahlung des Unterschiedsbetrags zwischen dem Erwerbspreis, soweit dieser den ersten Ausgabepreis nicht überschreitet, und dem Veräußerungspreis der Wertpapiere sowie der mit dem Erwerb und der Veräußerung verbundenen üblichen Kosten verlangen. Absatz 1 Satz 2 und 3 ist anzuwenden. (3) Sind Wertpapiere eines Emittenten mit Sitz im Ausland auch im Ausland zum Börsenhandel zugelassen, besteht ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 nur, sofern die Wertpapiere auf Grund eines im Inland abgeschlossenen Geschäfts oder einer ganz oder teilweise im Inland erbrachten Wertpapierdienstleistung erworben wurden. (4) Einem Prospekt steht eine schriftliche Darstellung gleich, auf Grund deren Veröffentlichung der Emittent von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts befreit wurde.

§ 45 BörsG Haftungsausschluss (1) Nach § 44 kann nicht in Anspruch genommen werden, wer nachweist, dass er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. (2) Der Anspruch nach § 44 besteht nicht, sofern 1. die Wertpapiere nicht auf Grund des Prospekts erworben wurden, 2. der Sachverhalt, über den unrichtige oder unvollständige Angaben im Prospekt enthalten sind, nicht zu einer Minderung des Börsenpreises der Wertpapiere beigetragen hat, 3. der Erwerber die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts bei dem Erwerb kannte, 4. vor dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts im Rahmen des Jahresabschlusses oder Zwischenberichts des Emittenten, einer Veröffentlichung nach § 15 des Wertpapierhandelsgesetzes oder einer vergleichbaren Bekanntmachung eine deutlich gestaltete Berichtigung der unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Inland veröffentlicht wurde oder

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Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

5. er sich ausschließlich auf Grund von Angaben in der Zusammenfassung oder einer Übersetzung ergibt, es sei denn, die Zusammenfassung ist irreführend, unrichtig oder widersprüchlich, wenn sie zusammen mit den anderen Teilen des Prospekts gelesen wird.

§ 46 BörsG Verjährung Der Anspruch nach § 44 verjährt in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Prospekts.

§ 47 BörsG Unwirksame Haftungsbeschränkung; sonstige Ansprüche (1) Eine Vereinbarung, durch die der Anspruch nach § 44 im Voraus ermäßigt oder erlassen wird, ist unwirksam. (2) Weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes auf Grund von Verträgen oder vorsätzlichen oder grob fahrlässigen unerlaubten Handlungen erhoben werden können, bleiben unberührt. Schrifttum: Assmann, Informationspflicht des Anlagevermittlers und Mitverschulden des Anlegers, NJW 1982, 1083; Assmann, Entwicklungstendenzen der Prospekthaftung, WM 1983, 138; Assmann, Prospekthaftung, 1985; Assmann, Prospekthaftung als unerlaubter Haftungsdurchgriff?, in Richterliche Rechtsfortbildung, FS der Juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 1986, S. 299; Assmann, Haftung gegenüber dem Anleger (I) – Prospekthaftung, in Köndgen (Hrsg.), Neue Entwicklungen im Bankhaftungsrecht, 1987, S. 55; Assmann, Neues Recht für den Wertpapiervertrieb, die Förderung der Vermögensbildung durch Wertpapieranlage und die Geschäftstätigkeit von Hypothekenbanken, NJW 1991, 528; Assmann, Der Inhalt des Schadensersatzanspruchs fehlerhaft informierter Kapitalanleger, FS Hermann Lange, 1992, S. 345; Assmann, Das künftige deutsche Insiderrecht, AG 1994, 196 (I), 237 (II); Assmann, Die Befreiung von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Börsenzulassungsprospekts nach § 45 Nr. 1 BörsZulVO und die Prospekthaftung: Eine Lücke im Anlegerschutz?, AG 1996, 508; Assmann, Entwicklungslinien und Entwicklungsperspektiven der Prospekthaftung, in Assmann/Brinkmann/Gounalakis/Kohl/Walz (Hrsg.), Wirtschafts- und Medienrecht in der offenen Demokratie, Freundesgabe für Friedrich Kübler, 1997, S. 317; Assmann, Negativberichterstattung als Gegenstand der Nachforschungs- und Hinweispflich-

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Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

ten von Anlageberatern und Anlagevermittlern, ZIP 2002, 637; Assmann, Prospektaktualisierungspflichten, FS Ulmer, 2003, S. 757; Assmann, Die Prospekthaftung beruflicher Sachkenner, AG 2004, 435; Assmann, Civil liability for the prospectus, in Instituto dos valores mobiliarios, Direito dos valores mobiliários, vol. VI, Coimbra 2006, S. 163; Assmann, Die Pflicht von Anlageberatern und Anlagevermittlern zur Offenlegung von Innenprovisionen, ZIP 2009, 2125; von Bar, Vertrauenshaftung ohne Vertrauen, ZGR 1983, 476; Barta, Der Prospektbegriff in der neuen Verkaufsprospekthaftung, NZG 2005, 305; Benecke, Haftung für Inanspruchnahme von Vertrauen – Aktuelle Fragen zum neuen Verkaufsprospektgesetz, BB 2006, 2597; Bischoff, Internationale Börsenprospekthaftung, WM 2002, 489; Bohlken/Lange, Die Prospekthaftung im Bereich geschlossener Fonds nach §§ 13 Abs. 1 Nr. 3, 13a Verkaufsprospektgesetz n. F., DB 2005, 1259; Brondics/Mark, Die Börsenprospekthaftung der Banken nach deutschem Recht, in Yamauchi (Hrsg.), Beiträge zum japanischen und ausländischen Bank- und Finanzrecht, Tokio 1987, S. 23; Brondics/Mark, Die Verletzung von Informationspflichten im amtlichen Markt nach der Reform des Börsengesetzes, AG 1989, 339; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981; Degner, Börsenprospekt und Prospekthaftung, WP 1963, 54; Ehricke, Zur zivilrechtlichen Prospekthaftung der Emissionsbanken gegenüber dem Wertpapieranleger, DB 1980, 2429; Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, 2001; Ellenberger, Die Börsenprospekthaftung nach dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz, FS Schimansky, 1999, S. 591; Erman, Zur Prospekthaftung aus § 45 Börsen-Gesetz, AG 1964, 327; Fleischer, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?, Gutachten F für den 64. Deutschen Juristentag, 2002; Fleischer, Zur Haftung bei fehlendem Verkaufsprospekt im deutschen und US-amerikanischen Kapitalmarktrecht, WM 2004, 1897; Fleischer, Prospektpflicht und Prospekthaftung für Vermögensanlagen des Grauen Kapitalmarkts nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 339; Fleischer, Zur zivilrechtlichen Teilnehmerhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen nach deutschem und US-amerikanischem Recht, AG 2008, 265; Fleischer/Kalss, Kapitalmarktrechtliche Schadensersatzpflichten und Kurseinbrüche an der Börse, AG 2002, 329; Förster, Die Prospekthaftung der organisierten und grauen Kapitalmärkte, 2002; Frohne, Prospektpflicht und Prospekthaftung in Deutschland, Frankreich und den USA, 1974; Gebauer, Börsenprospekthaftung und Kapitalerhaltungsgrundsatz in der Aktiengesellschaft, 1999; Gerber, Die Prospekthaftung bei Wertpapieremissionen nach dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz, 2001; Grimme/Ritz, Die Novellierung verkaufsprospektrechtlicher Vorschriften durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1998, 2091; Groß, Die börsengesetzliche Prospekthaftung, AG 1999, 199; Grundmann/Selbherr, Börsenprospekthaftung in der Reform, WM 1996, 985; Hasche-Preuße, Verkaufsprospekte bei Wertpapieren, Die Bank 1990, 713 = Sparkasse 1990, 549 = WP 1991, 108; Hauptmann, Die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß Börsengesetz und Verkaufsprospektgesetz, in Vortmann (Hrsg.), Prospekthaftung und Anlageberatung, 2000, § 3; Heidelbach/ Preuße, Einzelfragen in der praktischen Arbeit mit dem neuen Wertpapierprospektregime, BKR 2006, 316; Holzborn/Israel, Das neue Wertpapierprospektrecht, ZIP 2005, 1668; Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, 1991; Hopt, Emission, Prospekthaftung und Anleihetreuhand im internationalen Recht, FS Lorenz, 1991, S. 413; Hopt, Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, FS Drobnig, 1998, S. 525; Hopt, Kapitalmarktrecht (mit Prospekthaftung) in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. II, 2000, S. 497; Hopt/Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005; Hüffner, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz. Prospektpflicht und Anlegerschutz, 1996; Keusch/Wankerl, Die Haftung der Aktiengesellschaft für fehlerhafte

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Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

tung in der AG, FS Raisch, 1995, S. 269; Siebel/Gebauer, Prognosen im Aktienund Kapitalmarktrecht, WM 2001, 118 (I), 173 (II); Siemon, Börsenprospekt und Prospekthaftung, WP 1962, 781; Sittmann, Die Aktivlegitimation bei der börsengesetzlichen Prospekthaftung, DB 1997, 1701; Sittmann, Modernisierung der börsengesetzlichen Prospekthaftung, NJW 1998, 3761; Sittmann, Die Prospekthaftung nach dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz, NZG 1998, 490; Stephan, Prospektaktualisierung, AG 2002, 3; Steuer, Umfang der Prospekthaftung nach dem Börsengesetz, Die Bank 1982, 490; Thode, Haftung für Prospektangaben, in Reithmann/Meichssner/v. Heymann, Kauf vom Bauträger, 7. Aufl. 1995, Teil N; Waldeck/Süßmann, Die Anwendung des Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes, WM 1993, 361; Weber, Internationale Prospekthaftung nach der Rom II-Verordnung, WM 2008, 1581; Wittmann, Zivilrechtliche Prospekthaftung beim Vertrieb von steuerbegünstigten Kapitalanlagen, DB 1980, 1579; Wunderlich, Haftungsfragen im Zusammenhang mit öffentlich angebotenen Vermögensanlagen, DStR 1975, 688; Zacher/Stöcker, Die Haftung von Wirtschaftsprüfern bei steuerorientierten Kapitalanlagen – Überblick und aktuelle Tendenzen, DStR 2004, 1494 (I), 1537 (II); Ziegler, Die Rechtsfolge der §§ 13, 13a VerkProspG n.F. und der Kapitalerhaltungsgrundsatz, NZG 2005, 301; Zimmer/Binder, Prospekthaftung von Experten? Kritik eines Gesetzesentwurfs, WM 2005, 577. Siehe im Übrigen das allgemeine Schrifttumsverzeichnis.

Inhaltsübersicht I. Überblick und Normentwicklung 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Die Normentwicklung und das Haftungskonzept der Vorschrift im Einzelnen . . . . . . 6 3. Zur Kommentierung (Querverweise zu den einzelnen Bestimmungen der § 13 VerkProspG und §§ 44 bis 47 BörsG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG iVm. §§ 44-47 BörsG 1. Anwendungsbereich (§ 13 Abs. 1 VerkProspG) . . . . . . . a) Wertpapierprospekte . . . . b) Verkaufsprospekte . . . . . . 2. Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts (§ 13 Abs. 1 VerkProspG, § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG) a) Allgemeines und Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . b) Maßstab zur Beurteilung der Richtigkeit und Unvollständigkeit eines Prospekts . . . . . . . . . . . .

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c) Beurteilungszeitpunkt und Aktualisierungspflichten . d) Wesentliche Angaben . . . . e) Unrichtigkeit . . . . . . . . . . f) Unvollständigkeit . . . . . . g) Gesamteindruck . . . . . . . h) Besondere Fälle der Unrichtigkeit und Unvollständigkeit von Prospekten aa) Zusammenfassungen im Prospekt . . . . . . . . bb) Risikohinweise . . . . . cc) Zukunftsbezogene Information (Vorhaben, Prognosen) . . . . . . . . . i) Geheimhaltungsinteressen j) Berichtigung eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts (§ 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG) . . 3. Wer haftet? Die Adressaten der Prospekthaftung (§ 13 Abs. 1 VerkProspG, § 44 Abs. 1 BörsG) a) Der Adressatenkreis nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BörsG . . . . . . . . . . . b) Berufliche Sachkenner . . .

32 37 40 43 47

49 50 54 63

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Haftung bei fehlerhaftem Prospekt c) Gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . . . . . . . . . 4. Ersatzberechtigte (§ 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BörsG) . . . a) Erwerbszeitraum (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erwerb und Erwerbsgegenstand (§ 44 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3, Abs. 2 BörsG) . c) Erwerb von Anlagen eines Emittenten mit Sitz im Ausland (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 lit. a VerkProspG iVm. § 44 Abs. 3 BörsG) . . 5. Kausalität a) Haftungsbegründende Kausalität (§ 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 45 Abs. 2 Nr. 1 BörsG) . . . . . . . . . . . b) Haftungsausfüllende Kausalität (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. d VerkProspG iVm. § 45 Abs. 2 Nr. 2 BörsG) . . . . . . 6. Verschulden (§ 45 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 BörsG) a) Überblick . . . . . . . . . . . .

78 79

7.

80 83

86 8. 9. 87 10. 89

11. 12.

b) Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 93 c) Mitverschulden (§ 45 Abs. 2 Nr. 3 BörsG, § 254 BGB) . . 97 Schadensersatz a) Übersicht: Prospekthaftungsspezifische Regelung 99 b) Erwerber ist noch Inhaber der Wertpapiere bzw. der Vermögensanlagen (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a und b VerkProspG, § 44 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BörsG) . . 102 c) Erwerber ist nicht mehr Inhaber der Wertpapiere bzw. der Vermögensanlagen (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a und b VerkProspG, § 44 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BörsG) . . 108 Verjährung (§ 46 BörsG) . . . . 111 Haftungsbeschränkung (§ 47 Abs. 1 BörsG) . . . . . . . . 115 Konkurrenzen (§ 47 Abs. 2 BörsG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Gerichtliche Zuständigkeit . 121 Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . 124

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I. Überblick und Normentwicklung 1. Überblick Die Haftung für fehlerhafte Prospekte nach § 13 VerkProspG bezieht sich 1 auf zwei Arten von Prospekten: Zum einen auf Prospekte, die nach § 3 Abs. 1 WpPG zu veröffentlichen sind, wenn sie Wertpapiere betreffen, die im Inland öffentlich angeboten werden, aber nicht zum Handeln an einer inländischen Börse zugelassen sind (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VerkProspG); sie werden im Folgenden auch als Wertpapierprospekte bezeichnet. Zum anderen auf Prospekte, die nach § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG zu veröffentlichen sind, wenn im Inland nicht in Wertpapieren iS des Wertpapierprospektgesetzes verbriefte Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG öffentlich angeboten werden; sie werden im Folgenden auch kurz als Verkaufsprospekte bezeichnet. Im Einzelnen handelt es sich bei den Vermögensanlagen entweder (1) um nicht in Wertpapieren iS des WpPG verbriefte Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, um Anteile an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet (Treuhandvermögen), oder (2) um Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds. Nach der

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§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

Klarstellung in § 8f Abs. 1 Satz 2 VerkProspG fallen unter Vermögensanlagen auch Prospekte für Namensschuldverschreibungen. 2

Diese Regelung greift auf § 13 VerkProspG in seiner ursprünglichen Fassung zurück, der zufolge nur für Prospekte gehaftet wurde, die gemäß § 1 VerkProspG aF für erstmals im Inland öffentlich angebotene und nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassene Wertpapiere zu erstellen und zu veröffentlichen waren. Die weitreichendsten Änderungen der Vorschrift sind mit der Veränderung des Anwendungsbereichs des VerkProspG zunächst durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) v. 28.10.20041 und sodann durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.20052 verbunden. Mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz wurden Prospektpflicht und Prospekthaftung auf bestimmte Kapitalanlagen erweitert, die keine Verbriefung in Wertpapieren aufwiesen (siehe Einl. VerkProspG Rz. 1, 6, 21), während mit dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz das öffentliche inländische Angebot von nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassenen Kapitalanlagen aus dem VerkProspG herausgenommen und modifiziert in das neu geschaffene WpPG überführt wurde, so dass das VerkProspG heute nur noch das inländische öffentliche Angebot von Vermögensanlagen iS von § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG zum Gegenstand hat (siehe Einl. VerkProspG Rz. 1, 11, 24).

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Geblieben ist indes zweierlei: zum einen die Regelung der Prospekthaftung unter Verweis auf die mit dem 3. FFG v. 24.3.19983 neugestalteten börsengesetzlichen Prospekthaftungsbestimmungen4; und zum anderen der Umstand, dass die Prospekthaftungsbestimmung des § 13 VerkProspG sowohl Prospekte für nicht zum Börsenhandel zugelassene Wertpapiere (dh. heute Wertpapierprospekte nach dem WpPG) als auch Prospekte für Vermögensanlagen (dh. Verkaufsprospekte nach dem VerkProspG) erfasst. Dem WpPG wurde mithin keine eigene Prospekthaftungsbestimmung eingefügt; zum 1 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) v. 28.10.2004, BGBl. I 2004, 2630. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 22.6.2005, BGBl. I 2005, 1698. 3 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, 529. Zur Änderung der börsengesetzlichen Prospekthaftung durch das Gesetz siehe etwa Ellenberger in FS Schimansky, 1999, S. 591 ff.; Gerber, Prospekthaftung, S. 112 ff.; Hopt in FS Drobnig, S. 525 (526 ff.); Pötzsch, WM 1998, 949 ff.; Sittmann, NJW 1998, 3761 ff.; Sittmann, NZG 1998, 490 ff. 4 Orientierte sich die Rechtsprechung bei der Ausgestaltung der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung anfangs am börsengesetzlichen Prospekthaftungstatbestand, so ging sie doch schnell über dessen Restriktionen und Besonderheiten hinweg, um nun ihrerseits zum Maßstab für eine Reform der börsengesetzlichen Prospekthaftung zu werden, die seit ihrer Neugestaltung durch das 3. FFG zum Referenztatbestand der Prospekthaftung geworden ist. Siehe Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 4.

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Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

§ 13 VerkProspG

System der Haftung für die nach dem WpPG zu erstellenden Prospekte siehe die Erläuterungen in Einl. WpPG Rz. 47 ff. Durch den Verweis in § 13 Abs. 1 VerkProspG auf die nach näherer Maßgabe von § 13 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VerkProspG anzuwendenden Bestimmungen der börsengesetzlichen Prospekthaftung in §§ 44 bis 47 BörsG wird sichergestellt, dass die Haftung für fehlerhafte, auf einer gesetzlichen Prospektpflicht beruhende Prospekte einheitlichen Grundsätzen folgt. Da die börsengesetzliche Prospekthaftung als Maßstab für die Entwicklung der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung1 diente, dann aber wiederum von dieser beeinflusst und entsprechend novelliert wurde2, hat sich auch insoweit eine weitgehende, aber keineswegs umfassende Vereinheitlichung der Prospekthaftung eingestellt3.

4

Für die Anwendung des § 13 VerkProspG ist zu beachten, dass es sich bei 5 den Bestimmungen des VerkProspG im Wesentlichen um nicht angeglichenes Recht handelt, für § 13 VerkProspG allerdings eine Ausnahme gilt. Diese geht darauf zurück, dass die Prospektrichtlinie4 in ihrem Art. 5 zumindest die Einführung einer Prospekthaftungsregelung für Prospekte, wie sie im Falle prospektpflichtiger Angebote iS von Art. 3 und 4 zu veröffentlichen sind, verlangte. Dieses Erfordernis wurde mit § 13 VerkProspG erfüllt. Das hat zur Folge, dass es sich bei dieser Vorschrift teils (im Hinblick auf die Haftung für nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG zu veröffentlichende und der Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG iVm. §§ 44 bis 47 BörsG unterliegende Prospekte) um angeglichenes, teils (im Hinblick auf die nach § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG zu veröffentlichenden Prospekte) um nicht angeglichenes Recht handelt. In der Praxis wird sich daraus indes keine Gefahr für eine zweigleisige Auslegung des § 13 VerkProspG ergeben, denn die Prospektrichtlinie enthält im Wesentlichen nur Vorgaben für das Erfordernis einer Prospekthaftungsregelung und den einzubeziehenden Personenkreis, nicht aber für die Ausgestaltung der Haftung selbst (siehe zum Ganzen schon Einl. VerkProspG Rz. 29). 2. Die Normentwicklung und das Haftungskonzept der Vorschrift im Einzelnen Die vorstehend (Rz. 5) ausgeführte Beschränkung der Prospektrichtlinie fand sich schon in der Emissionsprospektrichtlinie5, deren Umsetzung den 1 Zur allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung und zu deren Entwicklung im Rahmen der Entwicklung der Prospekthaftung siehe Assmann in Assmann/ Schütze, § 6 Rz. 129 ff. bzw. 1 ff. 2 Siehe oben Rz. 3 mit Fn. 4. 3 Kritisch zur Anwendung der börsengesetzlichen Prospekthaftungsbestimmungen auf Verkaufsprospekte Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 VerkProspG Rz. 11 ff. 4 ABl. EG Nr. L 325 v. 31.12.2003, S. 64 ff. Siehe auch Einl. WpPG Rz. 7 ff. 5 Richtlinie v. 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von

Assmann

1269

6

§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

Ausgangspunkt der § 13 VerkProspG bildet. Sie enthält lediglich Bestimmungen zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist. Maßnahmen der Haftung des Prospektpflichtigen für den Inhalt des Verkaufsprospekts schrieb sie dagegen nicht vor. Schon die ursprüngliche Fassung der Vorschrift1 unterwarf die Prospekthaftung kraft Verweisung den Vorschriften der börsengesetzlichen Prospekthaftung nach den seinerzeitigen §§ 45–48 BörsG (aF) und fügte dem lediglich die spezielle Regelung hinzu, dass der Ersatzanspruch in fünf Jahren seit der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts verjähre. 7

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einem VerkProspG2 hatte demgegenüber noch in §§ 13, 14 des RegE VerkProspG eine eigenständige verkaufsprospektrechtliche Regelung vorgesehen, die sich am Vorbild der investmentrechtlichen Prospekthaftungsregelung (in § 20 KAGG und § 12 AuslInvestmG dieser zwischenzeitlich aufgehobenen Gesetze) orientierte. Kern des Vorschlags der Haftung für fehlerhafte Verkaufsprospekte war zum einen die Pflicht der Prospektverantwortlichen als Gesamtschuldner zur Rücknahme der Papiere gegen Erstattung des Kaufpreises, und zum anderen das Recht früherer (dh. nicht mehr im Besitz der Papiere befindlicher) Erwerber, die Zahlung des Betrages verlangen zu können, um den der von ihnen gezahlte Betrag den Wert des Wertpapiers im Zeitpunkt der Veräußerung überstieg. Darüber hinaus wurde die Haftung auch auf jene erstreckt, die gewerbsmäßig den Verkauf des Wertpapiers vermittelt oder das Wertpapier in fremdem Namen verkauft haben, sofern den Betroffenen die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts bekannt war.

8

Gegen diesen Vorschlag erhob der Finanzausschuss des Bundestags3 Bedenken. Diese richteten sich weniger gegen die Gestaltungsvorschläge des RegE VerkProspG, die für sich genommen schon eine gravierende Neuerung in der Landschaft der vorhandenen Prospekthaftungsregelungen gebracht hätten, sondern rügten in erster Linie den vermeintlichen Verzicht des Entwurfs auf den Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen Prospektmangel und Schaden. Darüber hinaus wurden Zweifel angebracht, ob es sachlich gerechtfertigt sei, für den Verkaufsprospekt und den Börsenzulassungsprospekt unterschiedliche Haftungsgrundlagen vorzusehen. Zwar scheine die gegenwärtige Prospekthaftung nach dem BörsG unter dem Gesichtspunkt des Anlegerschutzes nicht befriedigend, doch sei bei der Novellierung mit einer Änderung der börsengesetzlichen Prospekthaftung zu rechnen, die einen wirksameren Anlegerschutz gewährleiste4. Die in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vorgeschlagene Fassung eines

1 2 3 4

Wertpapieren zu veröffentlichen ist (sog. Emissionsprospektrichtlinie), ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8. BGBl. I 1990, 2749, 2751. RegE VerkProspG, BT-Drucks. 11/6340 v. 1.2.1990, S. 6 f., 14. BT-Drucks. 11/8328 v. 29.10.1990, S. 24 und 26. BT-Drucks. 11/8328 v. 29.10.1990, S. 26.

1270

Assmann

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

§ 13 VerkProspG

§ 13 VerkProspG1, welche im Wesentlichen die börsengesetzlichen Prospekthaftungsregelung für anwendbar erklärte, wurde schließlich Gesetz. Damit verband sich das Schicksal der verkaufsprospektgesetzlichen Pro- 9 spekthaftungsregelung mit demjenigen der börsengesetzlichen Prospekthaftungsbestimmungen. Diese wurden, wie schon im Bericht des Finanzausschusses (siehe oben Rz. 8) avisiert, mit dem 3. FFG einer grundlegenden Reform unterzogen2, was eine gleichzeitige Anpassung des § 13 VerkProspG aF an die geänderten Vorschriften der §§ 45–48 BörsG erforderlich machte3. Erhalten hat sich der Verweis des § 13 Abs. 1 VerkProspG auf die börsengesetzlichen Prospekthaftungsbestimmungen. Die der Vorschrift mit dem 3. FFG neu hinzugefügten Nrn. 1 und 2 dienten der Anpassung der börsengesetzlichen Regelungen an die Besonderheiten der vom VerkProspG erfassten Umstände. Der seinerzeit neu hinzugefügte und zwischenzeitlich aufgehobene Abs. 2 regelte die Gerichtszuständigkeit bei der Geltendmachung von Prospekthaftungsansprüchen nach § 13 Abs. 1 VerkProspG. Darüber hinaus bestimmte die durch das 3. FFG in das VerkProspG einge- 10 fügte Übergangsvorschrift in § 18 Abs. 2 VerkProspG aF, auf Verkaufsprospekte, die vor dem 1.4.1998 im Inland veröffentlicht wurden, seien § 13 VerkProspG in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.7.1996 (BGBl. I 1996, 1047) und die Vorschriften der §§ 45 bis 49 des BörsG in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.7.1996 (BGBl. I S. 1030) weiterhin anzuwenden. Das bedeutet, dass mindestens bis zu dem Zeitpunkt, in dem verkaufsprospektgesetzliche Prospekthaftungsansprüche längstens gemäß § 47 BörsG aF (fünf Jahre seit Prospektveröffentlichung) verjährten, dh bis zum 31.3.20034, die alten Prospekthaftungsbestimmungen der §§ 45–48 BörsG zur Anwendung kamen, wenn der Prospekt vor dem 1.4.1998 veröffentlicht wurde. Die weiteren Änderungen des VerkProspG, welche auf die Umbenennung 11 der Aufsichtsbehörde durch das Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht v. 22.4.20025 (siehe Einl. VerkProspG Rz. 19) zurückgingen, waren nur formaler Art. Entsprechendes gilt für Änderungen, welche die Vorschrift durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz (4. FFG) v.

1 BT-Drucks. 11/8328 v. 29.10.1990, S. 12. 2 Art. 1 Nr. 19 3. FFG, BGBl. I 1998, 529, 530 f. Siehe dazu RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 6 ff. (Gesetzesvorschlag) und S. 55 f., 74 ff. (allgemeine und besondere Begründung). Siehe Hopt in Baumbach/Hopt, § 45 BörsG Rz. 2; Ellenberger in FS Schimansky, 1999, S. 591; Hopt in FS Drobnig, 1998, S. 525 (526 ff.); Meixner, NJW 1998, 1896 (1900); Pötzsch, WM 1998, 950 f.; Sittmann, NZG 1998, 490. 3 Art. 2 Nr. 17 des 3. FFG, BGBl. I 1998, 529, 535. Siehe dazu näher RegE 3. FFG, BTDrucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 11 (Gesetzesvorschlag) und S. 89 ff. (Begründung). 4 Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, § 13 VerkProspG Rz. 9; Hamann in Schäfer, § 13 VerkProspG n.F. Rz. 1. 5 BGBl. I 2002, 1310. Die Änderungen finden sich in Art. 5 und Art. 20 Abs. 3 und 4 des Gesetzes.

Assmann

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§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

21.6.20021 (siehe Einl. VerkProspG Rz. 20) erfuhr und die weitgehend Folgeänderungen zur neuen Nummerierung der Vorschriften des BörsG darstellten2. 12

Weitreichendere Änderungen brachten dann aber sowohl das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) v. 28.10.2004 (siehe oben Rz. 2 und Einl. VerkProspG Rz. 21) und das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.2005 (siehe oben Rz. 2, Einl. WpPG Rz. 5 und Einl. VerkProspG Rz. 24). Die Erweiterung der Prospektpflicht auf Vermögensanlagen im Sinne des neu eingefügten § 8f Abs. 1 VerkProspG zwang zur Anpassung des § 13 VerkProspG namentlich im Hinblick auf die Anwendung der qua Verweis aus § 13 Abs. 1 VerkProspG anwendbaren börsengesetzlichen Prospekthaftungsbestimmungen (siehe schon oben Rz. 2 und Einl. VerkProspG Rz. 1, 6, 21). Entsprechende Anpassungen waren infolge der auf das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz zurückgehenden Herausnahme des Angebots von Wertpapieren aus dem Anwendungsbereich des VerkProspG erforderlich (siehe Einl. VerkProspG Rz. 1, 11, 24). Eingriffe in die Prospekthaftungsgrundsätze waren aber auch mit diesen Änderungen des § 13 VerkProspG nicht verbunden. Zum Hintergrund des Fehlens einer Regelung der Prospekthaftung für Wertpapierprospekte, die nach dem WpPG zu erstellen sind und nicht der Prospekthaftung des § 44 Abs. 1 BörsG unterfallen, siehe die Hinweise in Einl. WpPG Rz. 5. 3. Zur Kommentierung (Querverweise zu den einzelnen Bestimmungen der § 13 VerkProspG und §§ 44 bis 47 BörsG)

13

Die Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen des § 13 VerkProspG sowie zu den auf Grund dieser Norm und nach deren Maßgabe anzuwendenden Bestimmungen der §§ 44 bis 47 BörsG sind hier in eine systematische Darstellung der Haftung für fehlerhafte Wertpapierprospekte und Verkaufsprospekte eingebunden. Soweit Erläuterungen zu speziellen börsenrechtlichen Bestimmungen in ihrer Modifikation durch § 13 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VerkProspG gesucht werden, erlaubt es die nachfolgende Übersicht, die entsprechenden Ausführungen in der systematischen Darstellung aufzufinden. Sie gibt zugleich einen Überblick über die Modifikation der anwendbaren börsengesetzlichen Bestimmungen durch § 13 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VerkProspG.

1 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, 2010. 2 Zu Einzelheiten der auf das 4. FGG zurückgehenden Änderungen des § 13 VerkProspG siehe Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), Nachtrag § 13 VerkProspG Rz. 1 ff.

1272

Assmann

§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt Bestimmungen des BörsG

Anwendbarkeitsmodifikation durch § 13 VerkProspG

Erläutert im Zusammenhang mit Gliederungspunkt/Rz.

§ 44 Abs. 1 Satz 1

– § 13 Abs. 1 Nr. 1 – – § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a für Verkaufsprospekte – – § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b für Verkaufsprospekte – –

Abs. 1 Satz 2

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. c nicht anwendbar auf Verkaufsprospekte

– Schadensersatz II.7.b)/104; II.7.c)/109

Abs. 1 Satz 3

§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a für Verkaufsprospekte

– Ersatzberechtigte II.4.b)/85

Abs. 2 Satz 1

– § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a für Ver- Schadensersatz II.7.c)/108 kaufsprospekte – § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b für Ver- Schadensersatz II.7.c)/109 kaufsprospekte

Abs. 2 Satz 2

Abs. 3

Unrichtigkeit/Unvollständigkeit II.2./23 ff. Adressaten der Prospekthaftung II.3./71 ff. Ersatzberechtigte II.4./79 ff. Schadensersatz II.7.a)/99 ff.; II.7.b)/102 ff.

(Erwerbsgegenstand)

– § 13 Abs. 1 Nr. 2 – Ersatzberechtigte (Emittent mit Sitz im – § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a für VerAusland) II.4.c)/86 kaufsprospekte

Abs. 4

Gerichtliche Zuständigkeit II.11./121

§ 45 Abs. 1

– Verschulden II.6.a)/91; II.6.b)/93 ff.

Abs. 2 Nr. 1

§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a für Verkaufsprospekte

Abs. 2 Nr. 2

– § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a für Ver- – Haftungsausfüllende kaufsprospekte II.5.b)/89 f. – § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. d für Verkaufsprospekte

Abs. 2 Nr. 3

– Haftungsbegründende II.5.a)/87 f.

Kausalität Kausalität

– Mitverschulden II.6.a)/92; II.6.c)/97 f.

Abs. 2 Nr. 4

§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a für Verkaufsprospekte

Berichtigung II.2.j)/67 ff.

Abs. 2 Nr. 5

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. c nicht anwendbar auf Verkaufsprospekte

– Maßstab zur Beurteilung der Richtigkeit und Unvollständigkeit II.2.b)/29 f. – Zusammenfassungen II.2.h)aa)/49

§ 46

Verjährung II.8./112 ff.

§ 47 Abs. 1

Haftungsbeschränkung II.9./115 ff.

Abs. 2

Konkurrenzen II.10./118 ff.

Assmann

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§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

II. Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG iVm. §§ 44–47 BörsG 1. Anwendungsbereich (§ 13 Abs. 1 VerkProspG) 14

Gegenstand der Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG können nur Wertpapierprospekte iS von § 3 WpPG und Verkaufsprospekte iS von § 8f VerkProspG sein. a) Wertpapierprospekte

15

Bei Wertpapierprospekten handelt es sich nach § 13 Abs. 1 VerkProspG um Prospekte, die Wertpapiere betreffen, welche nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind. Mit der Beschränkung der Prospekthaftung nach § 13 Abs. 1 VerkProspG auf Prospekte in Bezug auf Wertpapiere, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, soll der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1 VerkProspG von demjenigen der Haftung für Prospekte ausgeschlossen werden, die zwar nach § 3 WpPG zu erstellen sind, aber der Börsenprospekthaftung nach § 44 Abs. 1 BörsG unterliegen, weil es sich um Prospekte handelt, auf Grund derer Wertpapiere zum Börsenhandel zugelassen wurden1. Mit der Beschränkung der Haftung aus § 13 Abs. 1 VerkProspG auf Prospekte betreffend „Wertpapiere, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind“, gelingt zwar die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG von demjenigen der Haftung nach § 44 BörsG, doch schießt die hierzu gewählte Formulierung über dieses Ziel hinaus, indem sie auch die Haftung für bereits zum Handel an einer inländischen Börse zugelassene Wertpapiere ausschließt, für deren Angebot nach § 3 Abs. 1 WpPG ein Prospekt zu veröffentlichen ist2. Dass dies nicht gewollt ist, ergibt sich schon daraus, dass § 13 Abs. 1 VerkProspG im Weiteren an unrichtige oder unvollständige Angaben in „einem Prospekt im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes“ anknüpft3. Dies entspricht auch einer systematisch-teleologischen Auslegung der Bestimmung, deren Zweck darin besteht, die nach dem WpPG zu erstellenden Prospekte mit Ausnahme derjenigen, auf Grund

1 Wurden Wertpapiere zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen, so bedurfte es hierzu gemäß § 32 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Nr. 2 BörsG der Veröffentlichung eines nach § 3 Abs. 1 WpPG zu erstellenden von der BaFin nach § 13 WpPG gebilligten Prospekts. 2 Zur Prospektpflicht beim öffentlichen Angebot bereits an einem organisierten Markt zugelassener Wertpapiere siehe § 3 WpPG Rz. 10 mwN. 3 Auch aus der Erörterung der Frage, ob das WpPG eine eigenständige Prospekthaftungsregelung haben sollte und dem Hinweis der Bundesregierung, zur Vermeidung einer Verzögerung der Verabschiedung des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes solle dies einem späteren Gesetzgebungsverfahren geschehen (Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung zum RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/5219 v. 7.4.2005, S. 1 und 7; siehe dazu Einl. WpPG Rz. 5 aE), geht hervor, dass es in § 13 WpPG in der Sache um nichts anderes als die Haftung für Prospekte geht, die nach § 3 Abs. 1 WpPG zu erstellen sind und nicht der Haftung nach § 44 Abs. 1 BörsG unterfallen.

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Assmann

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

§ 13 VerkProspG

deren Wertpapiere zum Handel an einer Börse zugelassen wurden, der Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG zu unterwerfen1. Dementsprechend kommen für eine Prospekthaftung aus § 13 Abs. 1 Verk- 16 ProspG alle Prospekte in Betracht, die – unter Berücksichtigung der sich aus § 3 Abs. 2 WpPG und § 4 WpPG ergebenden Ausnahmen von der Prospektpflicht – nach § 3 Abs. 1 WpPG zu erstellen sind und nicht die Grundlage einer Zulassung der Wertpapiere zum Handel an einer inländischen Börse bilden. Darüber hinaus unterliegen der Haftung aus § 13 Abs. 1 VerkProspG aber nur solche nach § 3 Abs. 1 WpPG zu erstellende Prospekte, die nach Maßgabe von § 14 WpPG veröffentlicht wurden, nachdem die BaFin den Prospekt nach § 13 Abs. 1 WpPG gebilligt hat2. Nicht von der BaFin gebilligte Wertpapierprospekte unterliegen vielmehr der Haftung des Emittenten und des Anbieters der Wertpapiere nach § 13a VerkProspG. Der Gesetzgeber hat den Fall der Verwendung eines nicht gebilligten Prospekts im Rahmen eines prospektpflichtigen Angebots nicht im Wege der Haftung für die Fehlerhaftigkeit des tatsächlich verwandten Prospekts, sondern durch die Schaffung eines neuen Tatbestands der Haftung für fehlende Prospekte geregelt. Zusammengenommen stellen §§ 13 und 13a VerkProspG eine abschließende Regelung der Haftung für fehlerhafte und fehlende Prospekte im Rahmen eines prospektpflichtigen Angebots dar. Für eine Anwendung der Grundsätze der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung auf nicht gebilligte Prospekte3 besteht damit kein Raum mehr (siehe § 13a VerkProspG Rz. 14 und Rz. 31 f.). Das ist nur für den Fall anders zu beurteilen, dass neben einem gebilligten und veröffentlichten Prospekt anderweitige Schriftstücke verwandt werden, die nach den Regeln der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung als Prospekte anzusehen sind4. Zwar erfassen WpPG und VerkProspG diesen Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der Werbung für das öffentliche Angebot (§ 15 WpPG bzw. § 8j VerkProspG) und sanktionieren werbliches Fehlverhalten (siehe §§ 15 Abs. 6, 30 Abs. 2 Nr. 1 WpPG bzw. §§ 8j, 17 Abs. 2 Nr. 2 VerkProspG), doch sind die einschlägigen Vorschriften weder als Schutzgesetze iS von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen noch eröffnen sie dem Anleger, der bei seiner Anlageentscheidung auf die fehlerhaften Angaben in den fraglichen Schriftstücken vertraute, einen Schadensersatzanspruch, es sei denn, die strengen Voraussetzungen eines Kapitalanlagebetrugs nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 264a StGB oder einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB liegen vor.

1 Ebenso Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 VerkProspG Rz. 2 ff.; Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 11; Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13 VerkProspG Rz. 3 f. 2 Siehe schon, in Bezug auf § 13 VerkProspG aF, Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 11 mwN auch zu den seinerzeitigen Gegenansichten; Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 66. 3 Zur seinerzeitigen Sachlage und ihrer rechtlichen Beurteilung siehe Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 11, 13 f. 4 Zu diesem Fall im Hinblick auf § 13 VerkProspG aF Assmann in Assmann/Lenz/ Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 13 f.

Assmann

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§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

17

Prospekte iS des § 13 Abs. 1 VerkProspG sind auch Nachträge zu einem gebilligten Wertpapierprospekt, die gemäß § 16 Abs. 1 WpPG erstellt, von der BaFin gebilligt und sodann veröffentlicht wurden1.

18

Die Haftung aus § 13 Abs. 1 VerkProspG bleibt unberührt, wenn der gebilligte Wertpapierprospekt oder Nachtrag, unter Verstoß gegen die Bestimmungen in § 14 bzw. § 16 Abs. 1 Satz 4 WpPG, lediglich fehlerhaft veröffentlicht wurde2. b) Verkaufsprospekte

19

Verkaufsprospekte, die Gegenstand einer Haftung nach § 13 Abs. 1 VerkProspG sein können, sind Prospekte, die beim Angebot von Vermögensanlagen iS von § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG zu veröffentlichen sind. Erfasst werden mithin Prospekte für das inländische öffentliche Angebot von nicht wertpapiermäßig verbrieften Anteilen, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, von Anteilen an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet (Treuhandvermögen), von Anteilen an sonstigen geschlossenen Fonds und (gemäß der Klarstellung in § 8f Abs. 1 Satz 2 VerkProspG) jedenfalls auch von Namensschuldverschreibungen.

20

Nicht anders als von der BaFin gebilligte Wertpapierprospekte unterliegen der Haftung aus § 13 Abs. 1 VerkProspG nur gebilligte Verkaufsprospekte, dh. Verkaufsprospekte, deren Veröffentlichung die BaFin nach § 8i Abs. 2 VerkProspG gestattet hat. Das schließt ein, dass § 13 Abs. 1 VerkProspG auf freiwillig erstellte Prospekte keine Anwendung findet3. Wird für das prospektpflichtige Angebot von Vermögensanlagen ein nicht gebilligter Verkaufsprospekt verwandt, so unterliegt dieser – der Verwendung eines nicht gebilligten Wertpapierprospekts entsprechend (siehe oben Rz. 15) – weder der Haftung nach § 13 VerkProspG noch nach den Grundsätzen der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung. Vielmehr greift in diesem Falle abschließend die Haftung bei fehlendem Prospekt nach § 13a VerkProspG ein (siehe § 13a VerkProspG Rz. 14 und Rz. 31 f.).

21

Prospekte iS des § 13 Abs. 1 VerkProspG sind auch Nachträge zu einem gebilligten Verkaufsprospekt, die gemäß § 11 Satz 1 VerkProspG erstellt und

1 Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 26, 55. Ebenso zu § 13 VerkProspG aF, jeweils mwN, Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 9; Gebauer in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Nr. 100, S. 66; Hamann in Schäfer, § 13 VerkProspG Rz. 13; Heidelbach in Schwark, § 13 VerkProspG Rz. 9; Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 17. 2 Siehe schon, in Bezug auf § 13 VerkProspG aF, Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 10. 3 Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 265. Anderer, aber nicht haltbarer Ansicht Benecke, BB 2006, 2597 (2598); Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 12.

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Assmann

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

§ 13 VerkProspG

veröffentlicht wurden1. Die Veröffentlichung solcher Nachträge bedarf auf Grund der Bestimmung in § 11 Satz 2 VerkProspG nicht der Gestattung durch die BaFin. Deshalb sind Nachträge auch ohne Billigung durch die BaFin als Prospekte anzusehen, solange sie nur zu einem gebilligten und veröffentlichten Verkaufsprospekt erstellt und veröffentlicht wurden. Wie beim Wertpapierprospekt (siehe oben Rz. 17) bleibt die Haftung aus § 13 Abs. 1 VerkProspG unberührt, wenn der gebilligte Verkaufsprospekt bzw. der Nachtrag zu demselben, unter Verstoß gegen Bestimmungen der §§ 9 ff. bzw. 11 Satz 1 VerkProspG lediglich fehlerhaft veröffentlicht wurde.

22

2. Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts (§ 13 Abs. 1 VerkProspG, § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG) a) Allgemeines und Übersicht Die Haftung aus § 13 Abs. 1 VerkProspG setzt – in Übereinstimmung mit 23 § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG, auf den die Vorschrift im Übrigen verweist – voraus, dass in einem Wertpapierprospekt oder in einem Verkaufsprospekt wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig sind (Einzelheiten unten Rz. 40 ff. bzw. 43 ff.). Schon im Hinblick auf die Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen wesentliche Angaben eines Wertpapierprospekts oder eines Verkaufsprospekts unrichtig oder unvollständig sind, kann – nicht zuletzt wegen der Übereinstimmung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG – auf die Regeln zurückgegriffen werden, die sich diesbezüglich im Hinblick auf die unmittelbar von § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG erfassten Börsenzulassungsprospekte herausgebildet haben und in denen sich wiederum die Grundsätze zur Beurteilung der Richtigkeit und Vollständigkeit von Prospektangaben spiegeln2. Im Kern sind diese Grundsätze der Prospektrichtigkeit und -vollständigkeit auch in die allgemeinen Prospektinhaltsbestimmungen des WpPG und des VerkProspG eingegangen. So verlangt § 5 Abs. 1 Satz 1 WpPG, der Wertpapierprospekt müsse „sämtliche Angaben enthalten, die im Hinblick auf den Emittenten und die öffentlich angebotenen oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Wertpapiere notwendig sind, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste, die Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers sowie über die mit diesen Wertpapieren verbundenen Rechte zu ermöglichen“. Entsprechend heißt es in § 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG, der Verkaufsprospekt müsse „alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, die notwendig“ seien, „um dem

1 Vgl. Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 17; Mülbert/Steup in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 26. 2 Zur Einheitlichkeit der Grundsätze für die Beurteilung eines Prospektmangels siehe Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 81 f.

Assmann

1277

24

§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlagen“ zu ermöglichen (ähnlich § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV). 25

Der Prospektmangel kann auf der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit wesentlicher Angaben beruhen, obwohl im Falle unvollständiger Angaben die Prospektangaben in ihrer Gesamtheit immer zugleich auch unrichtig sind und es sich bei dem Kriterium der Unvollständigkeit nur um einen Sonderfall der Unrichtigkeit handelt1. Wenn das Gesetz Unrichtigkeit und Unvollständigkeit gleichwohl nebeneinander als Prospektmängel anführt, so hat dies, neben einer klarstellenden Funktion, auch historische Gründe, da § 45 BörsG aF Unrichtigkeit und Unvollständigkeit im Hinblick auf den für eine Haftung erforderlichen Verschuldensmaßstab unterschiedlich behandelte und eine entsprechende Differenzierung damit geboten war. Weiter ist zu beachten, dass nur solche Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten zu einer Prospekthaftung nach § 13 Abs. 1 VerkProspG führen können, die wesentliche Angaben betreffen (siehe unten Rz. 37 ff.). Darüber hinaus hat die Rechtsprechung einen Prospekt aber nicht nur dann als unrichtig oder unvollständig angesehen, wenn einzelne seiner Angaben fehlerhaft oder lückenhaft sind, sondern hat einen Prospektmangel auch für den Fall angenommen, dass der Prospekt im Hinblick auf die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage des Unternehmens einen unzutreffenden Gesamteindruck erzeugt (siehe unten Rz. 47 f.). Unrichtigkeit, Unvollständigkeit und fehlerhafter Gesamteindruck sind im Wege einer ex-ante-Betrachtungsweise (siehe unten Rz. 32) aus der Sicht eines durchschnittlichen Anlegers zu beurteilen (siehe unten Rz. 27).

26

Dass die BaFin einen Wertpapierprospekt gebilligt oder die Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts gestattet hat, vermag die Beurteilung eines Prospekts als unrichtig oder unvollständig weder zu beeinflussen noch steht sie ihr entgegen2. Das ist schon deshalb der Fall, weil die BaFin keine Prüfung des Prospekts auf seine inhaltliche („materielle“) Richtigkeit und Vollständigkeit vornimmt (siehe § 13 WpPG Rz. 7 ff. und § 8i VerkProspG Rz. 32 ff.) und die Vorschriften, die bestimmte Prospektangaben verlangen, lediglich Mindestangaben benennen (§ 7 WpPG; §§ 8g Abs. 2 und 3 VerkProspG iVm. § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV). Deshalb kann auch ein

1 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 76, 80. Unstr. 2 So für den Börsenzulassungsprospekt OLG Frankfurt/M. v. 1.2.1994 – 5 U 213/92, WM 1994, 291 (297 mwN); LG Frankfurt/M. v. 6.10.1992 – 3/10 O 173/91, WM 1992, 1768 (1770 f.). RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 76. Das entspricht auch einhelliger Meinung im Schrifttum. Siehe etwa Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG Rz. 20; Bosch in Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 10/128; Ellenberger in FS Schimansky, 1999, S. 591 (595); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.299 ff.; Schwark in Schwark, §§ 45, 46 BörsG Rz. 24; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 39; Groß, AG 1999, 199 (202); Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 31. Für den Verkaufsprospekt Hamann in Schäfer, § 13 VerkProspG a.F. Rz. 5; Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 142 f.

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Prospekt, der alle nach dem VerkProspG bzw. der VermVerkProspV erforderlichen Angaben enthält, unvollständig sein (siehe auch unten Rz. 43)1. b) Maßstab zur Beurteilung der Richtigkeit und Unvollständigkeit eines Prospekts Die Beantwortung der Frage, ob Angaben richtig oder unvollständig sind 27 und es sich bei diesen jeweils um wesentliche Angaben handelt, verlangt einen Maßstab, der sich am Verständnishorizont des Adressatenkreises der Prospektpublizität ausrichten muss (siehe hierzu und zum Folgenden auch die Erläuterungen zu § 2 VermVerkProspV Rz. 16 ff.). Zur Bestimmung des Adressatenkreises der Prospektpublizität finden sich im Schrifttum höchst unterschiedliche Vorschläge: Diese reichen vom „Fachmann“2 über den „verständigen Anleger“3 bis zum „unbewanderten Laien“4 als dem maßgeblichen Adressaten zur Bestimmung des notwendigen Prospektinhalts sowie zur Beurteilung der Richtigkeit des Prospekts, welche die Verständlichkeit desselben einschließt. In einer zu einem Börsenzulassungsprospekt ergangenen Entscheidung stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung auf die Verständnismöglichkeiten eines „durchschnittlichen„Anlegers ab, der mit der gebräuchlichen Schlüsselsprache nicht vertraut ist5. Dass sie an dem dictum der Ausgangsentscheidung festhält, dieser „durchschnittliche Anleger“ sei in der Lage, eine Bilanz zu lesen6, darf heute mit einiger Sicherheit

1 Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG Rz. 21; Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 VerkProspG Rz. 11, §§ 45, 45 BörsG Rz. 45 ff.; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 19; Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 22; Mülbert/Steup in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 34; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 33. 2 Etwa LG Düsseldorf v. 24.10.1980 – 1 O 148/80, WM 1981, 102 (106); Wittmann, DB 1980, 1579 (1583). 3 Fleischer, Gutachten, S. F 44; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 15; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 39. 4 Etwa Wunderlich, DStR 1975, 688 (690). 5 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (863); anders noch die Vorinstanz: OLG Düsseldorf v. 14.7.1981 – 6 U 2597/80, WM 1981, 960 (964 f.) („aufmerksamer und kundiger Prospektleser“); BGH v. 14.6.2007 – III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993 (Rz. 10); OLG Frankfurt/M. v. 6.7.2004 – 5 U 122/03, AG 2004, 510; OLG Frankfurt/M. v. 19.7.2005 – 5 U 182/03, AG 2005, 851 („Sicht eines aufmerksamen Lesers und durchschnittlichen Anlegers“). In Anlehnung an § 265b StGB soll nach den Darlegungen im RegE 2. WiKG (BT-Drucks. 10/318, S. 24) in Bezug auf § 264a StGB vom „verständigen, durchschnittlich vorsichtigen“ Anleger auszugehen sein. BGH v. 22.2.2005 – XI ZR 359/03, WM 2005, 782 (784): Angaben müssen „einem durchschnittlichen Anleger, nicht einem flüchtigen Leser“ verständlich sein. 6 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (863). Ausdrücklich folgend (die nicht rechtskräftig gewordene Entscheidung des) OLG Frankfurt/M. v. 6.7.2004 – 5 U 122/03, ZIP 2004, 1411 (1414). Kritisch hierzu Schwark, ZGR 1983, 162 (168); Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 19; Schwark, WuB I G 9. – 2.94 (Anm. zu OLG Frankfurt/M. v. 1.2.1994 – 5 U 213/92, WM 1994, 291) zu 2.; Assmann,

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verneint werden, denn diese Einschränkung liegt weder in der Linie des von ihr später verfolgten Anlegerschutzes noch in derjenigen des zumindest für Wertpapierprospekte maßgeblichen EG-Richtlinien1. 28

Keineswegs überholt ist dagegen die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu findende Annahme, ein durchschnittlicher Anleger lese den Prospekt und diesem gegebenenfalls beigefügte Anlagen „sorgfältig und eingehend“2. In allerdings nur begrenzter Weise ist dem auch der Gesetzgeber gefolgt, wenn er in § 2 Abs. 5 VermVerkProspV anordnet, dass Angaben, die nach der VermVerkProspV vorgeschrieben sind, im Verkaufsprospekt nicht wiederholt zu werden brauchen, wenn sie einem nach § 10 Abs. 1 VermVerkProspV in den Verkaufsprospekt aufgenommenen Jahresabschluss unmittelbar zu entnehmen sind (siehe auch die Erläuterungen zu § 2 VermVerkProspV Rz. 178 ff., insbes. 182). Die Vorstellung der Rechtsprechung vom durchschnittlichen Anleger als einem Anleger, der den Prospekt „sorgfältig und eingehend“ liest, hat das Schrifttum weitgehend übernommen3. Weder vom WpPG und der ProspektVO noch vom Verkaufsprospekt und dem VermVerkProspV vorgesehen, als „Vertrauensverwahrung“ mit dem Sinn und Zweck dieser Bestimmungen eher unvereinbar und auch in der Sache nicht weiterführend ist der Vorschlag, den Bewertungsmaßstab zur Beurteilung der Richtigkeit und Unvollständigkeit eines Prospekts dadurch zu bestimmen, dass der Prospekt den Adressatenkreis benennt, an den sich das prospektierte Angebot wendet4: Einerseits lässt sich ein die Prospektpflicht auslösendes öffentliches Angebot von Kapitalanlagen nicht verlässlich auf bestimmte Adressaten begrenzen und andererseits lassen sich Spezifizierungen des Adressatenkreises („erfahrene“ oder „spekulativ eingestellte Anle-

1 2

3

4

Prospekthaftung, S. 317; Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG Rz. 18; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 191 f. Ähnlich Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2279; Brondics/Mark, AG 1989, 339 (341). Namentlich der Prospektrichtlinie 2003/71/EG v. 4.11.2003 v. 22.6.2005, BGBl. I 2005, 1698, die ausweislich der Ausführungen in Erwägungsgrund 41 den Schutz des Vertrauens des Kleinanlegers einfordert. BGH v. 31.3.1992 – XI ZR 70/91, WM 1992, 901 (904); BGH v. 14.6.2007 – III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993 (Rz. 9). Vgl. auch den Beschluss BGH v. 12.1.2006 – III ZR 407/04, WM 2006, 522 (523), in welchem der BGH es nicht als Prospektmangel erachtet, wenn dem Anleger kein „schneller Überblick“ über die Risiken der Anlage geboten wird und er statt dessen auf die Lektüre „umfangreiche(r) Ausführungen zu den Einzelinvestitionen“ angewiesen ist. Etwa Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2294; Ehricke, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 220 f.; Ellenberger, Börsenprospekthaftung, S. 34. Kritisch etwa Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 191 f.; Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 16; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 18 (nur auf den ersten Blick tragfähiger Kompromiss). Anders Fleischer, BKR 2004, 339 (343), der sich am „typischerweise angesprochenen Anlegerkreis und dessen zu erwartenden Informations- und Wissensstand“ orientieren will; Siol in Bankrechts-Handbuch, § 45 Rz. 52, der auf einen „aufmerksamen“, aber „nicht besonders fachkundigen“ Leser abstellt. Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 14; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 191; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 39.

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ger“) nicht zwangsläufig mit bestimmten Fähigkeiten im Hinblick auf das Verständnis von Prospektinformationen koppeln. Der Umstand, dass der nach den Vorschriften des WpPG zu erstellende Prospekt eine Zusammenfassung enthalten muss, die nach § 5 Abs. 2 Satz 2 WpPG kurz und allgemein verständlich die wesentlichen, den Emittenten und die Wertpapiere betreffenden Merkmale und Risiken sowie Warnhinweise aufzuführen hat, gibt keinen Anlass, den Prospektadressaten auf denjenigen eines aufmerksamen Lesers lediglich der Zusammenfassung zu reduzieren. Dagegen spricht zum einen, dass die Zusammenfassung lediglich die Funktion einer Einleitung in den Prospekt haben soll (siehe § 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 WpPG) und zum anderen die Regelung des § 45 Abs. 2 Nr. 5 BörsG, demzufolge ein Anspruch wegen eines Prospektmangels nach § 44 BörsG ausscheidet, wenn „er sich ausschließlich auf Grund von Angaben in der Zusammenfassung“ und nicht daraus ergibt, dass die Zusammenfassung, wenn sie zusammen mit den anderen Teilen des Prospekts gelesen wird, irreführend, unrichtig oder widersprüchlich ist. Im Falle von Verkaufsprospekten ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 VermVerkProspV eine Zusammenfassung darüber hinaus ohnehin nur für den Fall vorgesehen, dass es die BaFin einem Emittenten mit Sitz im Ausland nach § 2 Abs. 1 Satz 4 VermVerkProspV gestattet hat, den Prospekt ganz oder teilweise in einer anderen in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache zufassen. Zur Richtigkeits- und Vollständigkeitskontrolle von Zusammenfassungen siehe im Übrigen unten Rz. 49.

29

Nachdem selbst bei Beurteilung von geschäftlichen Handlungen – dazu ge- 30 hört die Werbung – als „irreführend“ iS von § 5 UWG nicht mehr – wie früher – auf den „flüchtigen Zeitungsleser“, sondern auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abgestellt wird1, sind auch alle Versuche zurückzuweisen, den „flüchtigen“ Leser von Prospekten zum Prospektadressaten zu erheben2. Darüber hinaus besteht kein Anlass, einzelne Prospektteile unterschiedlichen Adressatenkreisen zuzuordnen und nach deren jeweiligen Verständnismöglichkeiten auf die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben zu überprüfen3. Weder die Prospektrichtlinie noch das WpPG haben sich vom Gedanken der Einheitlichkeit des Prospekts verabschiedet. Das kommt etwa auch darin zum Ausdruck, dass die Zusammenfassung nach § 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 WpPG den Hinweis enthalten muss, sie sei als Einführung zum Prospekt zu verstehen. Dementsprechend kann die Zusammenfassung gemäß dem direkt oder über § 13 Abs. 1 VerkProspG für Wert-

1 Vgl. Helm in Gloy/Loschelder/Erdmann, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl. 2010, § 59 Rz. 70 ff., mit umfangreichen Nachweisen der Rechtsprechung. 2 Zur Sondersituation bei dem Vertrieb von (ausländischen) Warenterminoptionsgeschäften siehe Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 94. 3 So aber Wieneke, NZG 2005, 198 (111). Ablehnend auch Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 190.

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papierprospekte anwendbaren1 § 45 Abs. 2 Nr. 5 BörsG nur mit Blick auf die anderen Teile des Prospekts unrichtig sein und eine Prospekthaftung nach § 44 BörsG auslösen. 31

Völlig aus der Luft gegriffen ist die Behauptung eines angesichts der Entwicklung der Rechtsprechung bevorstehenden letzten „Quantensprungs“, demzufolge Prospekte „anlegergerecht“ in dem Sinne auszugestalten seien, dass sie auch vom „typischen Kunden“ in Gestalt eines „unerfahrene(n) Kapitalanleger(s) nach schneller Durchsicht“ des Prospekts verstanden werden könnten2. Selbst als rechtspolitische Forderung macht dies keinen Sinn, weil damit praktisch Unmögliches verlangt und dem Prospekt Aufgaben der Anlageberatung aufgebürdet würden, welche er nicht zu erfüllen imstande sein kann3. c) Beurteilungszeitpunkt und Aktualisierungspflichten

32

Die Beurteilung der Richtigkeit und Vollständigkeit eines Prospekts sowie insbesondere der Wesentlichkeit der unrichtigen oder der nicht in den Prospekt aufgenommenen Angaben hat aus einer so genannten ex-ante-Betrachtung heraus zu erfolgen4. Sie muss sich folglich auf den Zeitpunkt der Billigung des Wertpapierprospekts (arg. e § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG) bzw. der Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts (arg. e § 11 Satz 1 VerkProspG) durch die BaFin beziehen5 und von Erkenntnissen abstrahieren, die erst später, etwa im Zusammenhang mit den Erfahrungen aus dem Schadensfall, gewonnen wurden. Gleiches gilt für die Beantwortung der Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt eine Pflicht zur Aktualisierung eines (unrichtig oder unvollständig gewordenen) Prospekts eingetreten ist.

33

Der nach Billigung des Wertpapierprospekts oder nach Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts veröffentlichte Prospekt muss mithin alle Informationen widerspiegeln, die zum Zeitpunkt seiner Billigung bzw. Gestattung zur Veröffentlichung den Prospektverantwortlichen vorlagen

1 § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. c VerkProspG erklärt § 45 Abs. 2 BörsG lediglich für Angaben in einem Verkaufsprospekt für Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG für nicht anwendbar, was den Umkehrschluss der Anwendbarkeit der Vorschrift im Übrigen rechtfertigt. Ebenso Schäfer, ZGR 2006, 40 (55). 2 Direkter Anlegerschutz, herausgegeben und dokumentiert von Heinz Gerlach in Zusammenarbeit mit Sylvia Hotz und Maria Lattka, 16. Jg., Nr. 8–9/1995 v. 31.12.1995, S. 224. 3 Assmann in Freundesgabe Kübler, 1997, S. 345 ff. Ablehnend im Hinblick auf die Forderung „anlegergerechter“ Prospekte wie hier auch Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 191. 4 Ausführlich hierzu Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 108 ff.; Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 24. Siehe auch Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG Rz. 243; Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 69. 5 Auch Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 23; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 40.

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oder im Wege der gebotenen (zumutbaren) Nachforschungen hätten ermittelt werden können. Nach dem maßgeblichen Zeitpunkt eingetretene Veränderungen sind – entsprechend den sich aus WpPG bzw. VerkProspG ergebenden Aktualisierungspflichten – jeweils in einem (gegebenenfalls mit dem Prospekt zu publizierenden) Nachtrag zu veröffentlichen: Im Falle von Wertpapierprospekten müssen „jeder wichtige neue Umstand 34 oder jede wesentliche Unrichtigkeit in Bezug auf die im Prospekt enthaltenen Angaben, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen könnten und die nach der Billigung des Prospekts und vor dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder der Einführung oder Einbeziehung in den Handel auftreten oder festgestellt werden“, in einem Nachtrag zum Prospekt genannt werden (§ 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG); die Zusammenfassung, welche Bestandteil des Prospekts ist, ist um die im Nachtrag enthaltenen Informationen zu ergänzen (§ 16 Abs. 2 WpPG). Der Nachtrag ist zur Billigung bei der BaFin einzureichen und nach der Billigung unverzüglich in derselben Art und Weise wie der ursprüngliche Prospekt nach § 14 WpPG zu veröffentlichen (§ 16 Abs. 1 Sätze 2–4 WpPG). Die Nachtragspflicht endet mit dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots (§ 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG), doch ist zu beachten, dass die Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Wertpapierprospekts nach § 13 Abs. 1 VerkProspG gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG iVm. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG nur dann eingreift, wenn das Erwerbsgeschäft innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot im Inland abgeschlossen wurde. Der Nachtrag unterliegt der Haftung aus § 13 Abs. 1 VerkProspG (siehe oben Rz. 17). Für fehlende Nachträge wird nicht nach § 13a VerkProspG gehaftet (§ 13a VerkProspG Rz. 5). Sind seit der Gestattung der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts Ver- 35 änderungen eingetreten, die für die Beurteilung des Emittenten oder der Vermögensanlagen von wesentlicher Bedeutung sind, so hat nach § 11 Satz 1 VerkProspG der Anbieter die Veränderungen während der Dauer des öffentlichen Angebots unverzüglich in einem Nachtrag zum Verkaufsprospekt gemäß § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VerkProspG zu veröffentlichen. Ausdrücklich bestimmt § 11 Satz 2 VerkProspG, dass auf diesen Nachtrag die Vorschriften über den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung mit Ausnahme des § 8i Abs. 2 VerkProspG entsprechend anzuwenden sind. Der Nachtrag darf auf Grund der Regelung in § 11 Satz 2 VerkProspG auch ohne vorhergehende Gestattung der Veröffentlichung durch die BaFin veröffentlicht werden und unterliegt seinerseits der Haftung aus § 13 Abs. 1 VerkProspG (siehe oben Rz. 21). § 11 VerkProspG enthält keine Regelung des Endes der Nachtragspflicht. Aber auch hier gilt (wie schon zur Nachtragspflicht für Wertpapierprospekte, vorstehend Rz. 34): Da die Haftung nach § 13 Abs. 1 VerkProspG für den Nachtrag gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG iVm. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG nur dann eingreift, wenn das Erwerbsgeschäft innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot im Inland abgeschlossen wurde, entfällt mit diesem Zeitpunkt auch eine haftungsbewehr-

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te Nachtragspflicht. Für fehlende Nachträge wird nicht nach § 13a VerkProspG gehaftet (§ 13a VerkProspG Rz. 5). 36

Der Umstand, dass die Nichterfüllung einer Nachtragspflicht keine Haftung für einen fehlenden Prospekt nach § 13a VerkProspG auslöst (§ 13a VerkProspG Rz. 5), wirft die Frage auf, ob nachträgliche Veränderungen dazu führen können, dass ein Prospekt, der bei seiner Billigung bzw. bei der Gestattung seiner Veröffentlichung durch die BaFin zutreffend war, nachträglich unrichtig oder unvollständig wird. Das ist von einer Mindermeinung – entgegen der hM1 – im Interesse des Anlegerschutzes und im Hinblick auf das „Gesamtkonzept der Börsenprospekthaftung“2 sowie zur Herbeiführung eines stimmigen Systems der Prospekthaftung3 bejaht worden. Die Rechtsprechung wollte sich dieser Ansicht bislang nicht anschließen, weil sie sich zu weit von der Haftungsnorm entferne; die Einführung einer derartigen Regelung müsse dem Gesetzgeber überlassen bleiben4. Wenn für die Richtigkeit von Nachträgen iS des WpPG (siehe oben Rz. 34) und des VerkProspG (siehe oben Rz. 34) als gesetzlich vorgesehene Instrumente der Aktualisierung von Wertpapierprospekten und Verkaufsprospekten nach § 13 Abs. 1 VerkProspG gehaftet wird (siehe oben Rz. 17 und 21), wäre es allerdings nur konsequent, im Falle von fehlenden Nachträgen eine Haftung nach § 13a VerkProspG für fehlende Prospekte für begründet anzusehen. Dem steht allerdings der Wortlaut des § 13a VerkProspG entgegen, der voraussetzt, dass ein Prospekt entgegen § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG oder entgegen § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG nicht veröffentlicht wurde, obschon es als unstimmig erscheint, Nachträge als Prospekte iS des § 13 Abs. 1 VerkProspG, nicht aber als solche iS des § 13a VerkProspG zu betrachten. d) Wesentliche Angaben

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Eine Haftung nach § 13 Abs. 1 VerkProspG setzt unrichtige oder unvollständige Angaben in einem Wertpapierprospekt oder einem Verkaufsprospekt voraus. Angaben iS des § 13 Abs. 1 VerkProspG sind fraglos alle im Prospekt enthaltenen oder fehlenden Informationen über Tatsachen, dh. alle der äußeren Wahrnehmung und damit des Beweises zugängliche Geschehnisse oder Zustände5 der Außenwelt (so genannte äußere Tatsachen) und des 1 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 59 ff.; Habersack in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 24; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 200; Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 79; Hopt, Verantwortlichkeit, Rz. 209 ff.; Kort, AG 1999, 9 (15 f.); Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 41; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 29. 2 Ellenberger, Prospekthaftung, S. 17 ff.; Ellenberger in FS Schimansky, 1999, S. 591 (597). IE auch Grundmann in Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 112 Rz. 41. 3 Assmann in FS Ulmer, 2003, S. 757 (768 ff., 772) (unter Hinweis auf die Regelungsbedürftigkeit dieser de lege lata umstrittenen Frage). 4 OLG Frankfurt/M. v. 6.7.2004 – 5 U 122/03, AG 2004, 510 (511); OLG Frankfurt/M. v. 10.5.2005 – 5 U 133/01, AG 2006, 162 (165). 5 HessVGH v. 4.6.1998 – 8 TG 4000/97, AG 1998, 436, mit Anm. Assmann.

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menschlichen Innenlebens (so genannte innere Tatsachen)1. Zu den der Prospekthaftung unterfallenden Angaben gehören darüber hinaus aber auch Meinungen, Werturteile und zukunftsbezogene Informationen (Prognosen). Obschon keine Tatsachen und damit nicht dem Beweise zugänglich, sind auch sie einer Kontrolle im Hinblick auf ihre Richtigkeit in Gestalt ihrer Vertretbarkeit zugänglich (siehe unten Rz. 40). Darüber hinaus verlangen oder gestatten die gesetzlichen Bestimmungen über Wertpapierprospekte oder Verkaufsprospekte an verschiedenen Stellen zukunftsbezogene Informationen, etwa in Gestalt von Angaben über die Entwicklungsaussichten des Emittenten oder von Gewinnprognosen. Nicht jede fehlerhafte oder fehlende Angabe in einem Wertpapierprospekt 38 oder Verkaufsprospekt führt zu einer Haftung nach § 13 Abs. 1 VerkProspG. Diese setzt vielmehr voraus, dass es sich bei den fehlerhaften oder unterlassenen Angaben um solche handelt, die für die Beurteilung der Wertpapiere oder Vermögensanlagen wesentlich sind. Unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Prospekthaftung, dem Anleger durch die Mitteilung aller für seinen Anlageentschluss möglicherweise bedeutsamen Umstände die Risiken der angebotenen Anlage transparent zu machen, lassen sich solche Angaben als wesentlich bezeichnen, die Umstände betreffen, welche objektiv zu den wertbildenden Faktoren einer Anlage gehören und die ein durchschnittlicher, verständiger Anleger „eher als nicht“ bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde2. Dazu gehören auch Umstände, die – wie etwa die auf Grund hoher „weicher Kosten“ nur begrenzte Weiterleitung der aufgebrachten Mittel in das Anlageobjekt (siehe dazu unten Rz. 45) – den Vertragszweck vereiteln können3 oder geeignet sind, potentielle Anle1 In Bezug auf den insiderrechtlichen Tatsachenbegriff Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 12; Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 27; Burgard, ZHR 162 (1998), 51 (63); Pananis, WM 1997, 460 (461 f.) mwN insbes. zu dem auf die Rechtsprechung des RG zurückgehenden strafrechtlichen Tatsachenbegriff. 2 Assmann, Prospekthaftung, S. 319, Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 25. Ebenso etwa Baur, Investmentgesetze, 2. Aufl. 1997, § 20 KAGG Rz. 8; Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 70; Ellenberger, Prospekthaftung, S. 33; Förster, Prospekthaftung, S. 55; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 68; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 148; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 42; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 28 („möglicherweise … berücksichtigen wurde“); Pfüller in Brinkhaus/Scherer, 2003, § 12 AuslInvestmG Rz. 10; Schödermeier/Baltzer in Brinkhaus/Scherer, 2003, § 20 KAGG Rz. 5. 3 BGH v. 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 (344); BGH v. 21.10.1991 – II ZR 204/90, BGHZ 116, 7 (12); BGH v. 10.10.1994 – II ZR 95/93, WM 1994, 2192 (2193); BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225 (231); BGH v. 29.5.2000 – II ZR 280/98, WM 2000, 1503 (1504); BGH v. 1.3.2004 – II ZR 88/02, WM 2004, 928 (930) (Erzielbarkeit der angesetzten Mieterlöse); BGH v. 1.3.2004 – II ZR 88/02, NJW 2004, 2228 (2229 f.); BGH v. 14.6.2007 – III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993. Dazu gehören auch Umstände, von denen zwar noch nicht sicher, jedoch schon mit einiger Wahrscheinlichkeit gesagt werden kann, dass sie den von dem Anleger verfolgten Zweck gefährden werden: BGH v. 16.11.1978 – II ZR 94/77,

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ger von dem Erwerb der Anlage abzuhalten1. Gleiches gilt für Umstände, von denen zwar noch nicht sicher, jedoch schon mit einiger Wahrscheinlichkeit gesagt werden kann, dass sie den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden werden. 39

Allein der Umstand, dass der Prospekt einzelne gesetzlich verlangte Angaben nicht enthält, macht ihn deshalb noch nicht unrichtig oder unvollständig iS des § 13 Abs. 1 VerkProspG, denn nicht alle Pflichtangaben sind Angaben, die für die Beurteilung der jeweils angebotenen Wertpapiere oder der Vermögensanlage und ihrer Emittenten stets von wesentlicher Bedeutung sind2. Ob fehlerhafte oder fehlende Angaben für die Beurteilung der Kapitalanlage von wesentlicher Bedeutung sind, ist deshalb eine Frage des Einzelfalls. e) Unrichtigkeit

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Im Prospekt mitgeteilte Tatsachen (siehe oben Rz. 37) sind unrichtig, wenn sie zum Zeitpunkt der Prospekterstellung mit den wirklichen Verhältnissen nicht übereinstimmen3. Prognosen sowie Meinungen und Werturteile sind dann als unrichtig zu betrachten, wenn sie nicht ausreichend durch Tatsachen gestützt und kaufmännisch nicht vertretbar sind4.

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BGHZ 72, 382 (388); BGH v. 30.10.1987 – V ZR 144/86, WM 1988, 48 (50); BGH v. 26.9.1991 – VII ZR 376/89, WM 1991, 2092 (2094) (insoweit nicht in BGHZ 115, 214 abgedruckt). BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225 (231). So ausdrücklich auch RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 76, zu § 45 Abs. 1 BörsG. Entscheidend sei vielmehr, „ob sich im konkreten Fall bei einer ordnungsgemäßen Angabe die für die Beurteilung der Wertpapiere relevanten maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse verändern würden“. Aus dem Schrifttum Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 104; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 68; Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 64; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 28; Stephan, AG 2002, 3 (7). Etwa Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 29; Ellenberger, Prospekthaftung, S. 33; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 44; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 149; Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 18; Schödermeier/Baltzer in Brinkhaus/Scherer, 2003, § 20 KAGG Rz. 6. BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81,WM 1982, 862 (863); OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82, WM 1984, 586 (592); OLG Frankfurt/M. v. 1.2.1994 – 5 U 213/92, WM 1994, 291 (295). Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 28, 40 ff.; Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG Rz. 22; Ellenberger, Prospekthaftung, S. 31 f.; Eyles bzw. Hauptmann in Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, 2000, § 2 Rz. 73 bzw. § 3 Rz. 65; Gerber, Prospekthaftung, S. 119; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 44, 52; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 149; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 18; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 30; Pfüller in Brinkhaus/Scherer, 2003, § 12 AuslInvestmG Rz. 15; Schödermeier/Baltzer in Brinkhaus/Scherer, 2003, § 20 KAGG Rz. 6.

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Die Unrichtigkeit eines Prospekts hat die Rechtsprechung zum Beispiel in 41 folgenden Fällen angenommen: Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs als „gekauft“, obwohl kein wirksamer Kaufvertrag vorlag1, oder als bereits erworben, obwohl der Eigentumserwerb nicht einmal grundbuchmäßig gesichert war2; Angabe, der Absatz einer herzustellenden Ware sei gesichert, ohne dass hinreichende Abnahmeverpflichtungen Dritter vorlagen3; Erweckung des Eindrucks, das Vorhaben sei planerisch und rechnerisch gesichert, obwohl Umstände vorlagen, die geeignet waren, die Erreichung des Vertragszwecks zu gefährden4; Darstellungen, welche die Vorstellung hervorriefen, durch Einzahlung der Einlagen auf ein Rechtsanwalt-Anderkonto sei deren vertragsgemäße Verwendung gesichert, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall war5; Mittelverwendungsangaben ohne den Hinweis, dass das von den Anlegern aufgebrachte Kapital zu wesentlichen Teilen an den Initiator der Publikumsgesellschaft zurückfließt und für die beworbene Investition nicht zur Verfügung steht6 sowie irreführende Angaben über die Höhe der Innenprovisionen7 (siehe dazu auch unten Rz. 45); die Erklärung, die baurechtliche Zulässigkeit eines Projekts sei gesichert, obwohl die Stadtverwaltung nicht mehr als Sympathie für die „Projektierungsarbeiten“ gezeigt hatte8. Sowohl für Wertpapierprospekte wie für Verkaufsprospekte finden sich zahlreiche gesetzliche Bestimmungen über die Gliederung und die Gestaltung sowie die sprachliche Darstellung des Prospekts. Werden sie nicht eingehalten, wird dies regelmäßig dazu führen, dass der Prospekt nicht gebilligt bzw. seine Veröffentlichung nicht gestattet wird. Geschieht dies gleichwohl, so ist der Prospekt dadurch weder der Kontrolle auf die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben entzogen noch bereits deswegen unrichtig, weil er gegen die besagten gesetzlichen Gestaltungsanforderungen verstößt9. Unrichtig wird ein formale und stilistische10 Mängel aufweisender Prospekt vielmehr erst dann, wenn sich aus diesem Defizit ein für den durchschnittlichen Anleger unzutreffender Gesamteindruck (siehe unten Rz. 47 f.) er-

1 BGH v. 24.4.1978 – II ZR 172/76, BGHZ 71, 284 (289); BGH v. 16.11.1978 – II ZR 94/77, BGHZ 72, 382 (388); BGH v. 22.3.1982 – II ZR 114/81, BGHZ 83, 222 2 BGH v. 28.9.1992 – II ZR 224/91, WM 1992, 1892. 3 BGH v. 22.3.1990 – VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103 (110). 4 BGH v. 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 (344). 5 BGH v. 21.11.1983 – II ZR 27/83, WM 1984, 19 (20). 6 BGH v. 29.5.2000 – II ZR 280/98, WM 2000, 1503. 7 BGH v. 12.2.2004 – III ZR 359/02, BGHZ 158, 110 (118). 8 BGH v. 7.4.2003 – II ZR 160/02, WM 2003, 1086 (1087 f.). 9 Ebenso Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG Rz. 24; Ellenberger, Prospekthaftung, S. 37; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 67; Groß, AG 1999, 199 (204); Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 189; Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 25. 10 So verlangt § 5 Abs. 1 Satz 1 WpPG eine Darstellung „in leicht analysierbarer und verständlicher Form“. Ähnlich heißt es in § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV, der Verkaufsprospekt sei in einer Form abzufassen, die sein Verständnis und seine Auswertung erleichtere.

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gibt1. Das wird in der Regel nur dann der Fall sein, wenn die Gestaltungsmängel den gesamten Prospekt durchziehen oder einzelne Prospektbestandteile so unter stilistisch-sprachlichen Mängeln leiden, dass wesentliche Teile des Prospekts für einen durchschnittlichen Anleger nicht mehr durchgängig analysierbar und verständlich sind2 oder insgesamt ein solches Gewicht annehmen, dass ein im Ganzen unrichtiger Prospekt vorliegt3. Schon von jeher befremden musste deshalb die Ansicht des BGH, es sei nicht zu beanstanden, dass eine für die Beurteilung der Anlage erhebliche Tatsache nur in einer dem Prospekt beigefügten „Dokumentationsmappe“, nicht aber im eigentlichen Prospekt enthalten sei4, doch dürfte ein Prospekt unter dem Prospektierungsregime des WpPG und des VerkProspG mit einer solchen Gestaltung und einem solchen Mangel nur schwerlich die Prospektkontrolle passieren. f) Unvollständigkeit 43

Unvollständig ist ein Prospekt, wenn Angaben fehlen, die für einen Anlageentschluss von wesentlicher Bedeutung (siehe oben Rz. 38) sind oder sein können5. Dabei handelt es sich um Angaben über Umstände, die objektiv zu den wertbildenden Faktoren einer Anlage gehören und die ein durchschnittlicher, verständiger Anleger „eher als nicht“ bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde (siehe oben Rz. 38). Dass die BaFin einen Wertpapierprospekt gebilligt oder die Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts gestattet hat, weil sie ihn als vollständig betrachtete, vermag der Annahme der Unvollständigkeit eines Prospekts ebenso wenig entgegenzustehen wie der Umstand, dass der Prospekt tatsächlich alle nach der ProspektVO bzw. der VermVerkProspV erforderlichen Angaben enthält (siehe oben Rz. 26). Enthält der Prospekt alle Pflichtangaben, spricht dies allerdings regelmäßig dafür, dass er auch vollständig iS von § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG ist6.

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Zu den Umständen, deren fehlende Offenbarung im Prospekt die Rechtsprechung zur Annahme der Unvollständigkeit des Prospekts in einem wesentlichen Punkt veranlasste, gehören vor allem bedeutende kapitalmäßige und personelle Verflechtungen7. Hierzu werden auch Angaben über die Ver1 Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 91. Ebenso Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 22; Kind in Arndt/ Voß, § 13 VerkProspG Rz. 25; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 36, 51. 2 Ebenso etwa Förster, Prospekthaftung, S. 59; Siol, DRiZ 2003, 204 (206). 3 Ähnlich Hopt, Verantwortlichkeit, Rz. 153; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 67; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 194. 4 BGH v. 31.3.1992 – XI ZR 70/91, WM 1992, 901 (904). Kritisch auch Förster, Prospekthaftung, S. 59. 5 BGH v. 21.10.1991 – II ZR 204/90, BGHZ 116, 7 (12); BGH v. 29.5.2000 – II ZR 280/98, WM 2000, 1503 (1504). 6 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 45. 7 BGH v. 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 (345); BGH v. 4.3.1987 – IVa 122/85, WM 1987, 495; BGH v. 10.10.1994 – II ZR 95/93, WM 1994, 2192 (2193);

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hältnisse derjenigen Gesellschaft gezählt, die bei wirtschaftlicher Betrachtung über den Emittenten hinaus als Anlageobjekt anzusehen ist1, oder über die den Gründungsgesellschaftern gewährten Sondervorteile2. Auch geplante Kurspflegemaßnahmen3 oder die Anhängigkeit einer Anfechtungsklage4 hält die Rechtsprechung für berichtspflichtig. Beruht der wirtschaftliche Anlageerfolg eines geschlossenen Immobilienfonds allein auf der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus Vermietung oder Verpachtung des Anlageobjekts, so muss der Anlageprospekt deutlich auf mögliche, der Erreichbarkeit dieser Einnahmen entgegenstehende – also den Vertragszweck gefährdende (siehe oben Rz. 38) – Umstände und die sich hieraus für die Anleger ergebenden Risiken hinweisen5. Wird in einem Prospekt ein Gutachten über zu erzielende Erträge des Anlageprojekts (im konkreten Fall drei Gutachten über „Winderträge“ im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einer Windertrags-Beteiligungsgesellschaft) wiedergegeben, wird aber verschwiegen, dass der Gutachter Sicherheitsabschläge empfohlen hat (im konkreten Fall waren es sogar alle drei Gutachter), so stellt dies einen Prospektfehler dar: Bei dem Anleger wird in einem für die Rentabilität der Anlage maßgeblichen Punkt der fehlerhafte Eindruck erweckt, die Ertragsangaben im Gutachten seien vom Gutachter „abschließend als prognostizierte Erträge“ dargestellt werden6. Wenn bei einem Anlagemodell in nicht unerheblicher Höhe so genannte weiche Kosten anfallen, so muss nach der Rechtsprechung ein Anleger dem Prospekt „ohne weiteres“ entnehmen können, in welchem Umfang die von ihm einzuzahlenden Einlagemittel nicht in das Anlageobjekt fließen, sondern für Aufwendungen außerhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet werden7. Das gilt namentlich für Innenprovisionen, dh. für Vergütungen, die der Veräußerer an von ihm mit dem Vertrieb der Anlage betraute Dritte zahlt. Sie sind ab einer Höhe von 15 % des Preises, den der Anleger für den Erwerb der Anlage zahlt, als wesentlich anzusehen und da-

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BGH v. 7.4.2003 – II ZR 160/02, WM 2003, 1086 (1088); KG v. 21.3.2005 – 8 U 185/04, WM 2005, 1748. BGH v. 25.11.1981 – IVa 286/80, WM 1982, 90 (91). BGH v. 14.1.1985 – II ZR 41/84, WM 1985, 533 (534); BGH v. 10.10.1994 – II ZR 95/93, WM 1994, 2192 (2193); BGH v. 7.4.2003 – II ZR 160/02, WM 2003, 1086 (1088) (auch dann, wenn sie bereits vor dem Beitritt eines Anlegers gewährt wurden, aber im Zusammenhang mit dem Anlageprojekt stehen). BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92, BGHZ 123, 106 (115 f.). BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225 (231). BGH v. 1.3.2004 – II ZR 88/02, WM 2004, 928 (930). BGH v. 14.1.2008 – II ZR 85/07, WM 2008, 1116. BGH v. 6.2.2006 – II ZR 329/04, ZIP 2006, 893 (894). Siehe auch BGH 29.5.2000 – II ZR 280/98, ZIP 2000, 1296 (Ls., 1298) (die irreführende und verharmlosende Informationen über den Umstand, dass das vom Anleger aufgebrachte Kapital zu wesentlichen Teilen an den Initiator zurückfließt und für die beworbene Investition nicht zur Verfügung steht, stellt einen Prospektmangel dar); BGH v. 1.3.2004 – II ZR 88/02, NJW 2004, 2228 (2229 f.); BGH v. 12.2.2004 – III ZR 359/02, BGHZ 158, 110 (118); BGH v. 12.2.2009 – III ZR 90/08, WM 2009, 593 (Rz. 23).

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mit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Prospekt auszuweisen1. Davon abgesehen ist nach § 4 Satz 1 Nr. 12 VermVerkProspV in Prospekten für Vermögensanlagen iS von § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG stets anzugeben, in welcher Gesamthöhe Provisionen, insbesondere Vermittlungsprovisionen oder verleichbare Vergütungen, geleistet werden (siehe dazu die Erläuterungen zu § 4 VermVerkProspV Rz. 116 ff.). Was die Darstellung der „weichen“ Kosten im Prospekt angeht, lässt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung (neben einem allgemeinen Irreführungsverbot, siehe oben Rz. 41) zumindest entnehmen, dass es nicht ausreicht, wenn sich die fraglichen Aufwendungen erst durch „den Abgleich verschiedener Prospektangaben … und anschließend eine Reihe von Rechengängen“ ermitteln lassen2. Da eine Aufschlüsselung der einzelnen Posten „weicher“ Kosten durchaus Schlüsse auf das Anlageprojekt und eine Identifizierung derjenigen erlaubt, die von der Platzierung der Anlage profitieren, kommt es nicht entscheidend auf deren Zusammenfassung in einer Kennziffer an, doch muss sich diese ohne größere Recherche- und Rechenvorgänge bilden lassen. Dabei ist es nicht zu beanstanden, wenn, was schon aus steuerlichen Gründen sinnvoll ist, zwischen dem Agio als dem „Erwerbspreis“ einer Anlage und einem von vornherein nicht zur Investition gelangenden Betrag einerseits und den aus den von den Anlegern zu erbringenden Anlagemitteln zu begleichenden Emissionskosten (im Sinne von Aufwendungen, die keine Investitionen im Sinne des Anlagekonzepts darstellen) andererseits differenziert wird. Auch wenn diese Kosten nicht zu einer Kennziffer kumuliert werden, ist dem durchschnittlichen Anleger doch erkennbar, dass es sich bei den jeweiligen Beträgen um Summen handelt, die – aus welchem Grunde auch immer – nicht zur Anlage im Sinne des jeweiligen Anlagemodells gelangen. 46

Die Frage, ob auch Negativratings oder Downratings zu recherchieren und in Prospekte aufzunehmen sind, stellt sich zwar im Hinblick auf Prospekte, die der Haftung nach § 13 VerkProspG unterliegen, weniger als bei solchen, die zum Handel an einer Börse zugelassene Wertpapiere zum Gegenstand haben, doch ist sie, zusammen mit einer Nachforschungs- und Berichtspflicht im Hinblick auf Negativberichterstattung, zu verneinen3. Weder der 1 BGH v. 12.2.2004 – III ZR 359/02, BGHZ 158, 110 (118 bzw. 121). Auch BGH v. 23.3.2004 – XI ZR 194/02, ZIP 2004, 1188 (Ls., 1192); BGH v. 28.7.2005 – III ZR 290/04, ZIP 2005, 1599 (1602); BGH v. 22.3.2007 – III ZR 218/06, ZIP 2007, 871 (872 Rz. 9); BGH v. 5.6.2007 – XI ZR 348/05, ZIP 2007, 1401 (1403 Rz. 18); BGH v. 25.09.2007 – XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 (200 Rz. 14). Siehe dazu, im Zusammenhang von Aufklärungspflichten von Anlageberatern und Anlagevermittlern über Innenprovisionen, Assmann, ZIP 2009, 2125 (2127 f. mwN). 2 BGH v. 6.2.2006 – II ZR 329/04, NJW 2006, 2042 (2043). 3 OLG Frankfurt/M. v. 1.2.1994 – 5 U 213/92, WM 1994, 291 (297). Näher hierzu, jeweils mwN, Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 97 f.; Assmann, ZIP 2002, 637 ff. Ebenso Ellenberger, Prospekthaftung, S. 36; Fleischer, Gutachten, S. F 50 f.; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 51; Habersack in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 21; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 145 ff.; Hauptmann, Prospekthaftung,

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höchstrichterlichen Rechtsprechung noch der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte1 lassen sich einschlägige Anforderungen entnehmen. Soweit sich diese Gerichte mit Recherche- und Informationspflichten über Downratings oder Negativkritik zu befassen hatten, waren nicht Prospektierungs-, sondern Aufklärungspflichten von Anlageberatern und Anlagevermittlern Entscheidungsgegenstand2. g) Gesamteindruck Bei der Kontrolle eines Wertpapierprospekts oder eines Verkaufsprospekts 47 auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit ist darüber hinaus aber auch der vom Prospekt erzeugte Gesamteindruck (synonym: das erzeugte Gesamtbild)3, insbesondere im Hinblick auf den vom ihm hervorgerufenen Ein§ 3 Rz. 75; Hopt in Baumbach/Hopt, § 44 BörsG Rz. 7; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 39; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 50; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 33. Teilweise einschränkend: Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 75 („Einstufung durch Rating-Agenturen, soweit sich dies unmittelbar auf die wirtschaftlichen Verhältnisse … des Emittenten“ auswirkten). AA LG Frankfurt/M. v. 6.10.1992 – 3/10 O 173/91, WM 1992, 1768 (1770); Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG Rz. 40. Zu Nachforschungs- und Aufklärungspflichten des Anlageberaters zuletzt BGH v. 6.11.2009 – III ZR 302/03, WM 2009, 2360 (2362 Rz. 16). 1 Das OLG Frankfurt/M. v. 1.2.1994 – 5 U 213/92, WM 1994, 291 (297), kontrolliert die Vollständigkeit des Prospekts, ohne eine Prospektierungspflicht von Negativkritiken oder Downratings zu begründen, allein unter dem Gesichtspunkt des erzeugten Gesamteindrucks, wobei Negativkritiken oder Downratings nur zur Beurteilung des Verschuldens der Anspruchsgegner, dh. der Beantwortung der Frage herangezogen werden sollen, ob die jeweiligen Prospektverantwortlichen einzelne Unrichtigkeiten, eventuelle Unvollständigkeiten oder den unzutreffenden Gesamteindruck des Prospekts durch das Vorhandensein solcher Kritik und der hierfür angegebenen Gründe hätten erkennen können. Zustimmend insoweit Schwark WuB I G 9. – 2.94 zu 1. (aE); Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 51. 2 Siehe dazu ausführlich und mit umfassenden Nachweisen zur Rechtsprechung Assmann, ZIP 2002, 637 ff.; Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 97; Buhk, Die Haftung eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens bei der Anlagevermittlung und der Anlageberatung, 1999, S. 121 ff.; Edelmann, BKR 2003, 438 ff., Loritz, NZG 2002, 889 ff.; Klaus-R. Wagner, WM 2003, 1158; Klaus-R. Wagner, WM 2002, 1037; Klaus-R. Wagner, BKR 2005, 436 ff. AA Arendts, DStR 1997, 1649 ff. (mit allerdings eklatanten Fehlern bei der Wiedergabe der einschlägigen Rechtsprechung, S. 1651 f.); Renner, DStR 2001, 1706 ff. 3 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (863); OLG Frankfurt/M. v. 1.2.1994 – 5 U 213/92, WM 1994, 291 (295); OLG Frankfurt/M. v. 17.3.1999 – 21 U 260/97, ZIP 1999, 1005 (1007); LG Frankfurt/M. v. 7.10.1997 – 3/11 O 44/96, WM 1998, 1181 (1184); BGH v. 14.6.2007 – III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993 (Rz. 9). Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 106; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 40, 44; Groß, AG 1999, 199 (202); Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 66 f.; Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 138 ff.; Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 19; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 37; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 8.88; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 36. Kritisch Kirchner, Prospektpublizität, S. 307 ff.

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druck über die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage des Emittenten1, zu berücksichtigen. Danach ist ein Prospekt auch dann unrichtig oder unvollständig, wenn er unter Betrachtung aller seiner Angaben bei den maßgeblichen Prospektadressaten (siehe oben Rz. 27 ff.) Vorstellungen über die Chancen und Risiken der angebotenen Anlage erweckt, die deren tatsächlichen Chancen und Risiken nicht entsprechen. Das kann etwa auf Grund einer Anhäufung positiver, je für sich noch vertretbarer, in ihrer Gesamtheit aber Fehlvorstellungen weckenden Werturteile der Fall sein. Denkbar ist aber auch, dass im Prospekt Angaben unrichtig sind oder fehlen, welche je für sich keine wesentlichen Umstände betreffen, zusammengenommen aber das Anlagerisiko verzerrt darstellen. 48

Die Richtigkeitskontrolle des Prospekts unter dem Gesichtspunkt des Gesamteindrucks verlangt nicht nur die Offenlegung aller gesetzlich angeordneten Angaben, sondern erfordert darüber hinaus auch eine für den Durchschnittsanleger verständliche und nachvollziehbare Erläuterung derselben bis hin zu (zwischenzeitlich auch gesetzlich erforderlichen) Schlussfolgerungen über die zu erwartende zukünftige Entwicklung des Emittenten und gegebenenfalls des speziellen Anlageobjekts. Über die Erfüllung der gesetzlichen Prospektanforderungen hinaus sind die diesbezüglichen Angaben eines Prospekts danach einer Endkontrolle im Hinblick auf die Frage zu unterziehen, ob sie dem maßgeblichen Adressatenkreis (siehe oben Rz. 27 ff.) ein realistisches Bild von den mit dem Erwerb der angebotenen Wertpapiere verbundenen Chancen und Risiken zeichnen2. h) Besondere Fälle der Unrichtigkeit und Unvollständigkeit von Prospekten aa) Zusammenfassungen im Prospekt

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Nach § 5 Abs. 2 WpPG muss der Wertpapierprospekt eine Zusammenfassung enthalten. Eine entsprechende Bestimmung ist dem VerkProspG und der VermVerkProspV unbekannt. § 2 Abs. 1 Satz 5 VermVerkProspV verlangt lediglich für den Fall, dass die BaFin gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 VermVerkProspV einem Emittenten mit Sitz im Ausland gestattet hat, den Verkaufsprospekt ganz oder zum Teil in einer anderen in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache abzufassen, eine Zusammenfassung in Deutsch. Für Zusammenfassungen in Wertpapierprospekten ordnet § 45 Abs. 2 Nr. 5 BörsG eine beschränkte Richtigkeitskontrolle an. Dieser Bestimmung zufolge scheidet ein Anspruch wegen eines Prospektmangels nach § 44 BörsG aus, wenn der Mangel sich ausschließlich auf Grund von Angaben in der Zusammenfassung und nicht daraus ergibt, dass die Zusammenfassung, wenn sie zusammen mit den anderen Teilen des Prospekts gelesen wird, irreführend, unrichtig oder widersprüchlich ist. Dieser Grundsatz gilt auch für Zusammenfassungen, die ohne eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung in einen Verkaufsprospekt aufgenommen werden. Die Vorschrift ist gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. c VerkProspG auf Verkaufspro1 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (863). 2 Vgl. dazu Schwark, ZGR 1983, 162 (176).

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spekte nicht anwendbar, erfasst also nicht die vorstehend angeführte Zusammenfassung in Deutsch nach § 2 Abs. 1 Satz 5 VermVerkProspV. bb) Risikohinweise Von jeher muss ein Prospekt richtig und vollständig über die Umstände in- 50 formieren, die für die Beurteilung der Chancen und Risiken einer Anlage erheblich sind. Auch die Frage, ob es ausreicht, wenn sich die mit einer Anlage verbundenen Risiken aus der Gesamtheit der diesbezüglichen Angaben ermitteln lassen, oder ob es spezieller Risikohinweise in einer entsprechend bezeichneten selbstständigen Rubrik bedarf, hat zumindest die Rechtsprechung eher in die erste Richtung entschieden1. Nunmehr verlangen WpPG iVm. der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 (ProspektVO; siehe Einl. WpPG Rz. 1) und VerkProspG iVm. der VermVerkProspV nicht nur Risikohinweise im Zusammenhang mit den jeweils verlangten Angaben zum Emittenten und den Kapitalanlagen, sondern auch in Form einer zusammenfassenden Darstellung (vgl. im Einzelnen die Erläuterungen zu § 2 VermVerkProspV Rz. 34 ff.). In Wertpapierprospekten sind nach § 5 Abs. 2 Satz 2 WpPG in der Zusam- 51 menfassung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 WpPG kurz und allgemein verständlich die wesentlichen Merkmale und Risiken zu nennen, die auf den Emittenten, jeden Garantiegeber und die Wertpapiere zutreffen. Darüber hinaus verlangen Art. 25 Abs. 1 Nr. 3 ProspektVO (für den Fall, dass der Prospekt als einziges Dokument erstellt wird), Art. 25 Abs. 2 Nr. 2 ProspektVO (für den Fall, dass der Prospekt in Form mehrerer Einzeldokumente erstellt wird) und Art. 26 Abs. 1 ProspektVO (für den Fall eines Prospekts als Basisprospekt) weitgehend wortgleich die Angabe der Risikofaktoren, die mit dem Emittenten und der Art von Wertpapier, welches Bestandteil der Emission ist, verbunden sind. Dabei definiert Art. 2 Nr. 3 ProspektVO „Risikofaktoren“ als eine Liste von Risiken, die für die jeweilige Situation des Emittenten und/oder der Wertpapiere spezifisch und für die Anlageentscheidungen wesentlich sind. Dabei sind nach den meisten der Anhänge zur ProspektVO spezielle Risikohinweise erforderlich, die jeweils in einer speziellen Rubrik „Risikofaktoren“ anzuführen sind2. So gebietet etwa Nr. 2 des 1 Vgl. BGH v. 31.3.1992 – XI ZR 70/91, WM 1992, 901 (904) (hier wurde nicht beanstandet, dass die für die Beurteilung der Risiken erheblichen Tatsache nur in einer dem Prospekt beigefügten „Dokumentationsmappe“ enthalten waren); BGH v. 12.1.2006 – III ZR 407/04, WM 2006, 522 (523) (hier wurde es nicht als Verschleierung der Risiken der Anlage betrachtet, dass die Darstellung der Risiken einer Anlage in dem Prospektabschnitt „Chancen und Risiken“ mit einer umfassenden Schilderung der zahlreichen Einzelinvestitionen eines Fonds einhergeht und nicht in eine zusammenfassende überblicksartige Risikodarstellung mündete). Siehe dazu Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 99 f. 2 Im Einzelnen ist dies der Fall in Anhang I Nr. 4 betreffend Mindestangaben für das Registrierungsformular für Aktien (Modul), Anhang III Nr. 2 betreffend die Wertpapierbeschreibung für Aktien (Schema), Anhang IV Nr. 4 betreffend Mindestangaben für das Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere (Schema), Anhang V Nr. 2 betreffend Mindestangaben für die Wert-

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die „Wertpapierbeschreibung für Aktien (Schema)“ betreffenden Anhangs III der ProspektVO die „klare Offenlegung der Risikofaktoren, die für die anzubietenden und/oder zum Handel zuzulassenden Wertpapiere von wesentlicher Bedeutung sind, wenn es darum geht, das Marktrisiko zu bewerten, mit dem diese Wertpapiere behaftet sind“ und weist ausdrücklich darauf hin, dass die Offenlegung unter der Rubrik „Risikofaktoren“ zu erfolgen hat. 52

Für Verkaufsprospekte sind nach § 2 Abs. 2 Satz 3 VermVerkProspV die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit den angebotenen Vermögensanlagen einschließlich der mit einer Fremdfinanzierung einhergehenden Risiken in einem gesonderten Abschnitt, der nur diese Angaben enthält, darzustellen. Dabei ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 VermVerkProspV das den Anleger treffende maximale Risiko in seiner Größenordnung zu beschreiben. Siehe im Einzelnen die Erläuterungen zu § 2 VermVerkProspV Rz. 34 ff.

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Für die Darstellung der Risiken ist insbesondere zu beachten, dass der Prospekt für den Fall, dass die Beteiligung dem Risiko eines Totalverlustes und nicht lediglich eines begrenzten Verlustes unterliegt, deutlich auf diesen Umstand hinweisen muss. Das gilt v.a. im Zusammenhang mit Angaben zu einem „Worst-case-Szenario“ oder zu einer „Restrisiko-Betrachtung“1. cc) Zukunftsbezogene Information (Vorhaben, Prognosen)

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(1) Freiwillige Angaben. Auch wenn WpPG und ProspektVO sowie VerkProspG und VermVerkProspV spezielle Regelungen über zukunftsbezogene Informationen enthalten (dazu unten Rz. 56 ff.), beschränken sie die Möglichkeiten, Vorhaben und Prognosen in die Prospektberichterstattung aufzunehmen, nicht auf die gesetzlich angeführten Fälle. So verlangt etwa § 5 papierbeschreibung für Schuldtitel (Schema), Anhang VII Nr. 2 betreffend Mindestangaben für das Registrierungsformular für durch Vermögenswerte unterlegte Wertpapiere („Asset Backed Securities“/ABS) (Schema), Anhang IX Nr. 3 betreffend Mindestangaben für das Registrierungsformular für Schuldtitel und derivative Wertpapiere (Schema), Anhang X Nr. 4 und Nr. 31.3 betreffend Mindestangaben für Zertifikate, die Aktien vertreten (Schema), Anhang XI Nr. 3 betreffend Mindestangaben für das Registrierungsformular für Banken (Schema), Anhang XII Nr. 2 betreffend Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für derivative Wertpapiere (Schema), Anhang XIII Nr. 2 betreffend Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 t (Schema), Anhang XVI Nr. 2 betreffend Mindestangaben für das Registrierungsformular für Wertpapiere, die von Mitgliedstaaten, Drittstaaten und ihren regionalen und lokalen Gebietskörperschaften ausgegeben werden (Schema), sowie Anhang XVII Nr. 2 betreffend Mindestangaben für das Registrierungsformular für Wertpapiere, die von internationalen öffentlichen Organismen ausgegeben werden, und für Schuldtitel, deren Garantiegeber ein OECD-Mitgliedstaat ist (Schema). 1 BGH v. 14.6.2007 – III ZR 300/05, WM 2007, 1507 (Rz. 13 f.); BGH v. 14.6.2007 – III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993 (Rz. 14 f.); BGH v. 29.1.2009 – III ZR 74/08, ZIP 2009, 1577 (Rz. 5); BGH v. 29.1.2009 – III ZR 99/08, NZG 2009, 432 (Rz. 5).

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Abs. 1 Satz 1 WpPG in Bezug auf den Wertpapierprospekt expressis verbis, der Prospekt müsse Angaben enthalten, die im Hinblick auf die angebotenen Wertpapiere notwendig seien, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil ua. über die Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers zu ermöglichen. Ähnlich bestimmt § 13 VermVerkProspV, der Verkaufsprospekt müsse – neben anderen Angaben – auch Angaben über die Geschäftsaussichten des Emittenten mindestens für das laufende Geschäftsjahr enthalten. Angaben im vorstehenden Sinne über die Zukunftsaussichten bzw. die Ge- 55 schäftsaussichten des Emittenten oder Informationen über die „voraussichtliche künftige Entwicklung“ oder „künftige Lage des Unternehmens“ beziehen sich auf Umstände, die „den inneren Wert einer Beteiligung“ wesentlich mitbestimmen und sind deshalb für den Anlageentschluss des Investors von Bedeutung1. Ebenso darf davon ausgegangen werden, dass die Prospektverantwortlichen für die Richtigkeit solcher Angaben zwar keine Gewähr leisten müssen, wohl aber dafür einzustehen haben, dass die Voraussagen, nicht anders als Werturteile (siehe oben Rz. 56 ff.), „ausreichend durch Tatsachen gestützt und kaufmännisch vertretbar sind“2. Wenn die Rechtsprechung über diesen Kontrollmaßstab hinaus hinsichtlich zukunftsbezogener Aussagen im Allgemeinen „Zurückhaltung“ verlangt und im Besonderen Hinweise auf Risiken für erforderlich hält, die dem Eintritt des prognostizierten Umstandes oder der vorhergesagten Entwicklung entgegenstehen können3, so entspricht dies nicht mehr der zwischenzeitlich auch in die Gesetzgebung eingezogenen Ansicht über die Bedeutung zukunftsbezogener Informationen für eine informierte Anlegerentscheidung und darf deshalb heute als überholt gelten4. Gleiches gilt für den noch in der „BuM“-Entscheidung von 1982 in einem obiter dictum geäußerten Rat, anstelle der ansonsten aufzunehmenden Vorbehalte sei „besser von einer wirtschaftlichen Voraussage überhaupt“ abzusehen, wenn bestimmte Risiken den Eintritt des prognostizierten Zustandes in Frage stellen können5. Nicht anders als bei einer Anlageempfehlung darf auch – per argumentum a maiore ad minus – Prospektangaben „eine optimistische Erwartung der Entwicklung“ der angebotenen Anlage zu Grunde gelegt werden, „wenn die diese Erwartung stützenden Tatsachen sorgfältig ermittelt sind und die darauf gestützte Prognose der künftigen Entwicklung aus damaliger Sicht [d.h. bezogen auf den Prospekt bei Billigung desselben durch die BaFin] vertretbar ist“; darüber hinausgehende Risikoabschläge, die der einer Prognose inne-

1 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (865). 2 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (865). Aus dem Schrifttum insbes. Siebel/Gebauer, WM 2001, 173 (175). 3 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (865). 4 Ebenso Fleischer, Gutachten, S. F 48. Ablehnend auch Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 143; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 23; Siebel/ Gebauer, WM 2001, 173 (175). 5 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (865).

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wohnenden Unsicherheit Rechnung tragen sollen, seien für eine angemessene Darstellung des Risikos der Anlage nicht erforderlich1. 56

(2) Rechtlich gebotene Angaben. Fraglich ist jedoch, inwieweit die Aufnahme zukunftsbezogener Aussagen erforderlich ist, um den Prospekt nicht unrichtig und unvollständig werden zu lassen.

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Diesbezüglich sind zunächst die gesetzlichen Vorgaben für Wertpapierprospekte und Verkaufsprospekte zu beachten.

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– Für Wertpapierprospekte gilt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 WpPG allgemein, dass der Prospekt Angaben enthalten muss, die im Hinblick auf die angebotenen Wertpapiere notwendig seien, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil ua. über die Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers zu ermöglichen. Darüber hinaus verlangen verschiedene Anhänge zur ProspektVO im Hinblick auf Wertpapierprospekte bestimmte „Trendinformationen“2: Anhang I der ProspektVO etwa, der Mindestangaben für das Registrierungsformular für Aktien formuliert, verlangt in Nr. 12 die „Angabe der wichtigsten Trends in jüngster Zeit in Bezug auf Produktion, Umsatz und Vorräte sowie Kosten und Ausgabepreise seit dem Ende des letzten Geschäftsjahres bis zum Datum des Registrierungsformulars“ sowie „Angaben über bekannte Trends, Unsicherheiten, Nachfrage, Verpflichtungen oder Vorfälle, die voraussichtlich die Aussichten des Emittenten zumindest im laufenden Geschäftsjahr wesentlich beeinflussen dürften“. Weitere Anhänge regeln die Aufnahme einer Gewinnprognose oder -schätzung in den Prospekt3, doch in keinem Falle wird eine solche verlangt. Entscheidet sich ein Emittent freiwillig dazu, eine Gewinnprognose oder Gewinnschätzung aufzunehmen, dann hat der Prospekt die im jeweils einschlägigen Anhang enthaltenen diesbezüglichen Bestimmungen zu beachten. In den Prospekt etwa, der das Angebot von Aktien betrifft, ist nach Anhang I Nr. 13.1 ProspektVO eine „Erklärung“ aufzunehmen, „die die wichtigsten Annahmen erläutert, auf die der Emittent seine Prognose oder Schätzung gestützt hat“ und nach Anhang I Nr. 13.2 ProspektVO ein Bericht anzufertigen und wiederzugeben, „der von unabhängigen Buchprüfern oder Abschlussprüfern erstellt wurde und in dem festgestellt wird, dass die Prognose oder die Schätzung nach Meinung der unabhängigen Buchprüfer oder Abschlussprüfer auf der angegebenen Grundlage ordnungsgemäß erstellt wurde und dass die Rechnungslegungsgrundlage, die für die Gewinnprognose oder -schätzung verwendet wurde, mit den Rechnungslegungsstrategien des Emittenten konsistent ist.“ 1 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 337/08, ZIP 2009, 2377. 2 Neben dem nachfolgend wiedergegebenen Anhang I Nr. 12 ProspektVO sind dies die Anhänge IV Nr. 8, IX Nr. 7, X Nr. 12 und XI Nr. 7. Die Begriffe „Gewinnprognose“ und „Gewinnschätzung“ sind in Art. 2 Nr. 10 bzw. Nr. 11 ProspektVO definiert. 3 Neben dem im Folgenden näher behandelten Anhang I Nr. 13 ProspektVO sind dies die Anhänge IV Nr. 9, IX Nr. 8, X Nr. 13 und XI Nr. 8.

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– Nach § 13 VermVerkProspV muss der Verkaufsprospekt ua. auch Anga- 59 ben über die Geschäftsaussichten des Emittenten mindestens für das laufende Geschäftsjahr enthalten. Davon abgesehen verlangen das VerkProspG und die VermVerkProspV keine zukunftsbezogenen Informationen im Prospekt. Allerdings bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 5 VermVerkProspV, dass die nach dieser Verordnung geforderten oder tatsächlich in den Prospekt aufgenommenen Angaben, die eine Prognose beinhalten, „deutlich als Prognosen kenntlich zu machen“ sind (siehe im Einzelnen die Erläuterungen zu § 2 VermVerkProspV Rz. 138 ff.). Über die vorstehend angeführten Regelungen hinaus ist auch eine allgemei- 60 ne Pflicht zur Aufnahme zukunftsbezogener Informationen in den jeweiligen Prospekt anzunehmen. Hierzu ist auf das Anwachsen gesetzlicher Verpflichtungen zur Prognosepublizität und den Umstand zu verweisen, dass schon das Kontrollkriterium des vom Prospekt erzeugten „Gesamteindrucks“ auch eine zukunftsbezogene Komponente enthält, weil er Erwartungen über die zukünftige Entwicklung des Unternehmens ausdrückt, etwa – am Beispiel BuM1 – indem er die Hoffnung weckt, in der Vergangenheit aufgetretene Schwierigkeiten seien in einer Weise behoben, dass in naher Zukunft wieder mit einer ertragreichen Unternehmensentwicklung zu rechnen sei. Darüber hinaus enthielte ein Prospekt immer nur die halbe Wahrheit, würde er sich auf vergangenheitsbezogene Daten beschränken, obwohl Umstände absehbar und wahrscheinlich sind, welche die Fortsetzung der bisherigen Entwicklung gefährden könnten. Auf welchen Prognosezeitraum sich eine nicht gesetzlich geforderte zukunftsbezogene Information zu erstrecken hat, ist nicht ein für allemal verbindlich zu bestimmen. Allgemein lässt sich sagen, dass er nicht willkürlich gewählt werden darf, sondern so zu wählen ist, wie er einerseits in Bezug auf die Verhältnisse des konkreten Emittenten für die angemessene Beurteilung der Anlage erforderlich ist und zum anderen auf Grund der verfügbaren Erkenntnisse zur Ableitung vertretbarer Aussagen überhaupt möglich ist. Als Leitlinie kann im Anschluss an § 13 VermVerkProspV und die zur Auslegung des § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB betreffend den Lagebericht vertretenen Auffassungen von einem Zeitraum zwischen einem und zwei Jahren ausgegangen werden2.

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Unklarheiten herrschen hinsichtlich der Veröffentlichungspflicht so ge- 62 nannter Unternehmensplandaten, etwa in Gestalt einer Ertrags- und Liquiditätsvorschau oder eines Geschäftsplans. Sie sind zwar keine beschlossenen Investitionsvorhaben, stellen aber wie diese die Leitung und die Mitarbeiter des Unternehmens beeinflussende Tatsachen dar. In gleicher Weise können sie zwar nicht als Prognose über die zukünftige Entwicklung betrachtet werden, weisen aber unzweifelhaft einen zukunftsbezogenen Cha1 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862. 2 Zum Lagebericht Merkt in Baumbach/Hopt, § 298 HGB Rz. 1 (idR zwei Jahre), zu § 289 Abs. 2 Nr. 2 HGB aF Claussen/Korth in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1991, § 289 HGB Rz. 26 (ein bis zwei Jahre).

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rakter auf und vermögen auf jeden Fall Auskunft über die Vorstellungen der Unternehmensleitung über deren Planungen und die Zukunft des Unternehmens zu geben. Da es sich bei Unternehmensplandaten mithin um tatsächliche, in die Zukunft gerichtete und das zukünftige Handeln der Unternehmensleitung beeinflussende Daten handelt, wird sie, sofern sie vorhanden sind, ein durchschnittlicher Anleger durchaus für erheblich ansehen. Da Prospekte eine andere Funktion erfüllen und andere Adressaten ansprechen als Lageberichte, steht es diesem Standpunkt nicht entgegen, wenn die ganz hM eine Pflicht zur Veröffentlichung von Planbilanzen, Planerfolgsrechnungen oder Finanzplanungen im Rahmen eines Lageberichts verneint. Es spricht in dieser unsicheren Rechtslage deshalb mehr dafür als dagegen, dass Prospekte Informationen über tatsächlich aufgestellte Unternehmensplandaten enthalten sollten, solange nicht wiederum schutzwürdige Belange ihre Geheimhaltung insgesamt, in Teilen oder im Hinblick auf bestimmte Aufschlüsselungen rechtfertigen und ihre Offenlegung dem Unternehmen gewichtigen Schaden zufügen würde1. Aber auch in einem solchen Fall ist dafür Sorge zu tragen, dass der Prospekt im Lichte der Unternehmensplanung keinen falschen Gesamteindruck über die Lage und das Entwicklungspotential des Unternehmens hervorruft. Unternehmensplandaten finden ihren Niederschlag in idR umfangreichen und nicht leicht zu lesenden Dokumenten: Schon im Interesse der Prospektadressaten sind sie deshalb nicht als Originaldokumente, sondern nur in ihren wesentlichen Daten wiederzugeben und zu erläutern. Die Regelungen des WpPG und der ProspektVO sowie des VerkProspG und VermVerkProspV stehen dem nicht entgegen, sondern lassen zukunftsbezogenen Informationen wie Unternehmensplandaten Raum. i) Geheimhaltungsinteressen 63

Interessen an der Unterbringung der Emission entbinden nicht von der Pflicht, im Prospekt richtig, vollständig und realistisch über alle entscheidungsrelevanten Umstände zu informieren. Das Risiko des Absatzes von Kapitalanlagen darf nicht dadurch auf den Anleger abgewälzt werden, dass in ihm Erwartungen geweckt werden, die sachlich nicht genügend fundiert sind2. Fraglich ist dagegen, ob von der Verpflichtung zur Veröffentlichung erheblicher oder auf Grund gesetzlicher Bestimmungen mitteilungspflichtiger Tatsachen nicht zumindest für den Fall abzusehen ist, dass sie dem Bankgeheimnis unterfallen oder als Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse anzusehen sind. Das wurde im Schrifttum unter Hinweis auf das Informationsinteresse der Beteiligungsinteressenten sowie der Bedenklichkeit eines Verfahrens, in dem die Informationspflichtigen selbst entscheiden, ob die Geheimhaltung einer erheblichen publizitätspflichtigen Tatsache durch ein berechtigtes Interesse an derselben gedeckt ist, überwiegend gänzlich abge1 Zu § 289 Abs. 2 Nr. 2 HGB aF, dem § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB in der Sache entspricht, siehe Claussen/Korth in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1991, § 289 HGB Rz. 25. 2 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (865).

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lehnt1. In der Rechtsprechung deutete sich hingegen bereits an, dass Geheimhaltungsinteressen auch im Hinblick auf Prospektierungspflichten nicht generell unbeachtlich seien2. Für Wertpapierprospekte und Verkaufsprospekte braucht indes nicht weiter 64 auf diese allgemeinen Grundsätze zum Geheimnisschutz zurückgegriffen zu werden, da sich in § 8 Abs. 2 WpPG bzw. § 15 Abs. 2 VermVerkProspV diesbezügliche Sonderregelungen finden. Nach § 8 Abs. 2 WpPG kann die BaFin gestatten, dass bestimmte Angaben in Wertpapierprospekten, die nach diesem Gesetz oder der ProspektVO vorgeschrieben sind, ua. dann nicht aufgenommen werden müssen, wenn die Verbreitung dieser Angaben dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) oder die Verbreitung dieser Angaben dem Emittenten erheblichen Schaden zufügt, sofern die Nichtveröffentlichung das Publikum nicht über die für eine fundierte Beurteilung des Emittenten, des Anbieters, des Garantiegebers und der Wertpapiere, auf die sich der Prospekt bezieht, wesentlichen Tatsachen und Umstände täuscht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 WpPG). Letztere Ausnahme gilt, auch ohne Gestattung durch die BaFin3, gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 2 VermVerkProspV auch für Verkaufsprospekte. Diese Regelungen müssen für die jeweils betroffenen Prospekte als abschlie- 65 ßend betrachtet werden. Das gilt namentlich für das Erfordernis, dass von den für einen Wertpapierprospekt erforderlichen Angaben nur dann abgesehen werden darf, wenn dies von der BaFin gestattet wurde, so dass es sich bei der in § 8 Abs. 2 WpPG geregelten Ausnahme nicht um eine Legalausnahme handelt, die auch ohne Genehmigung durch die BaFin zur Anwendung kommt und die Geheimhaltung von Informationen zu rechtfertigen vermag. Wenn es – für den umgekehrten Fall, dass die BaFin es gestattet hat, von der Aufnahme bestimmter Informationen in den Wertpapierprospekt absehen zu dürfen – im Regierungsentwurf des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes heißt, die Gestattung der Nichtveröffentlichung bestimmter Angaben nach § 8 Abs. 2 WpPG schließe Prospekthaftungsansprüche nicht aus4, so ist allerdings davon auszugehen, dass bei Gestattung der Nichtveröffentlichung ein Verschulden der Prospekthaftungsadressaten am Prospektmangel regelmäßig ausscheidet. Auch für den Fall, dass einzelne Angaben entsprechend § 8 Abs. 2 WpPG 66 bzw. § 15 Abs. 2 VermVerkProspV nicht veröffentlicht werden müssen, darf der jeweilige Prospekt keinen Eindruck hervorrufen, der sich in Ansehung 1 Assmann, Prospekthaftung, S. 324; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2279; Ehricke, DB 1982, 2429 (2431 f.). 2 Anklingend in BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (864); OLG Düsseldorf v. 14.7.1981 – 6 U 2597/80, WM 1981, 960 (965). 3 Deshalb entfällt in diesem Falle auch die in § 8 Abs. 2 Nr. 1 WpPG aufgeführte Ausnahme, der zufolge von der Veröffentlichung von Angaben abgesehen werden kann, wenn die Verbreitung derselben dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft. 4 RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 8.3.2005, S. 1, 33.

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und im Lichte der zurückgehaltenen Informationen als unrichtig oder irreführend darstellt1. j) Berichtigung eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts (§ 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG) 67

Die Haftung aus § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. §§ 44–47 BörsG für einen unrichtigen oder unvollständigen Prospekt scheidet nach § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG aus, wenn vor dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts im Rahmen des Jahresabschlusses oder Zwischenberichts des Emittenten, einer Veröffentlichung nach § 15 WpHG (dh. einer „Werbung“ im Sinne dieser Bestimmung) oder einer vergleichbaren Bekanntmachung eine deutlich gestaltete Berichtigung der unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Inland veröffentlicht wurde. Die Berichtigung ist damit als nachträgliche Herstellung eines richtigen Prospekts anzusehen2. Wollte man den Ausschluss der Haftung gegenüber Anlegern, die erst nach der Berichtigung des Prospekts Wertpapiere erworben haben, dagegen – wie die Kenntnis des Anlegers vom Prospektmangel3 – als eine gesetzliche Sonderregelung des Mitverschuldens des Erwerbers sehen, so würde dies zu keinen anderen Ergebnissen führen.

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Erwerbsvorgänge vor der ordnungsgemäßen Berichtigung werden von der Regelung des § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG nicht erfasst4, dh. die Berichtigung hat keine Rückwirkung und lässt bereits dem Grunde nach entstandene, auf die frühere Fehlerhaftigkeit des Prospekts zurückgehende Ansprüche aus § 44 Abs. 1 BörsG unberührt. Dagegen ist Anlegern, welche die betroffenen Wertpapiere erst nach der Berichtigung des Prospekts gekauft haben, die Geltendmachung eines Prospekthaftungsanspruchs auch dann verwehrt, wenn sie die Berichtigung nicht gekannt haben5.

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Auf die Berichtigung können sich die für einen fehlerhaften Prospekt Verantwortlichen nur dann berufen, wenn sie nach Inhalt und Form deutlich 1 Vgl. Assmann, AG 1994, 237 (251); Hopt, Verantwortlichkeit, S. 84. 2 Sittmann, NZG 1998, 490 (493) (Anleger, die nach der Berichtigung Wertpapiere erworben haben, werden so gestellt, „als habe der Prospekt niemals Fehler oder Unrichtigkeiten aufgewiesen“). 3 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 80. 4 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 80. Vgl. auch Ellenberger in FS Schimansky, 1999, S. 591 (602); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.359. 5 Zur Rechtfertigung dieser Regelung werden im RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 80 f., drei Gründe angeführt: Erstens wird geltend gemacht, der Verzicht des Nachweises der Kenntnis des Erwerbers von der Berichtigung entspreche dem Verzicht des Nachweises der Kenntnis des Erwerbers vom Prospekt; zweitens wird argumentiert, die Berichtigung eines anlageerheblichen Sachverhalts löse eine Marktreaktion in Form einer Preisanpassung aus, die denjenigen, der nach diesem Zeitpunkt erwerbe, so stelle, als ob der Prospekt von vornherein nicht fehlerhaft gewesen sei; und drittens soll dem Emittenten eine rechtssichere Möglichkeit gegeben werden die Gefahr einer Haftung wegen eines fehlerhaften Prospekts begrenzen zu können. Vgl. auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.360.

1300

Assmann

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

§ 13 VerkProspG

erfolgt. Das soll dann der Fall sein, wenn sich „einem verständigen Leser, dem sowohl der fehlerhafte Prospekt als auch die Berichtigung vorliegt, ohne aufwendige Nachforschung erschließ(t), dass die Berichtigung von dem Prospekt abweichende Angaben enthält“1. Ein ausdrücklicher Hinweis auf einen Prospektfehler ist nicht erforderlich, da eine solche Verpflichtung in der Praxis einer Aufforderung aller bisherigen Erwerber zur Geltendmachung von Prospekthaftungsansprüchen gleichkäme und einen Anreiz böte, keine schlafenden Hunde zu wecken und von einer Berichtigung des Prospekts abzusehen2. Im Falle der Korrektur eines unrichtigen Jahresabschlusses soll jedoch auf die Abweichungen vom testierten Jahresschluss hinzuweisen und die fehlerhaften Passagen des Abschlusses zu kennzeichnen sein: Wenn schon keine neuerliche Prüfung des korrigierten Abschlusses durch einen Wirtschaftsprüfer verlangt werde, so müsse der Anleger doch fehlerhafte Angaben sofort als solche erkennen können3. Von der Möglichkeit, die Haftung für Prospektmängel durch Berichtigung 70 derselben abwenden zu können, sind Nachträge zu einem Prospekt (siehe oben Rz. 34 und 35) zu unterscheiden: Während Berichtigungen einen fehlerhaften Prospekt zum Gegenstand haben und freiwillig erfolgen, um nicht weitere Prospekthaftungsansprüche wegen eines fehlerhaften Prospekts entstehen zu lassen, sollen Nachträge und entsprechende Nachtragspflichten vermeiden helfen, dass ein Prospekt fehlerhaft wird. Zu den prospektrechtlichen Aspekten der Nachtragspflicht siehe im Übrigen § 16 WpPG Rz. 23. 3. Wer haftet? Die Adressaten der Prospekthaftung (§ 13 Abs. 1 VerkProspG, § 44 Abs. 1 BörsG) a) Der Adressatenkreis nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BörsG Die Adressaten der Prospekthaftung aus § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 BörsG sind im Zusammenhang mit den Voraussetzungen des Anspruchs in § 44 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BörsG abschließend aufgezählt:

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Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG haftet für fehlerhafte Prospekte, wer für den Prospekt die Verantwortung übernommen hat. Das ist jeder, der nach außen erkennbar4 zu denen gehört, die den Prospekt – im Sinne und

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1 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 81. 2 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 81. Vgl. auch Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 95; Hopt in FS Drobnig, 1998, S. 525 (531); Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 26; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.361. Mit Bedenken Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 57. AA Ellenberger, Prospekthaftung, S. 70. 3 OLG Frankfurt/M. v. 17.3.1999 – 21 U 260/97, ZIP 1999, 1005 (1006). Kort, AG 1999, 9 (17); Krämer/Baudisch, WM 1998, 1161 (1172). AA Groß, AG 1999, 199 (203 f.); Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 70. 4 Vgl. Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG Rz. 53; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 26; Hopt in Baumbach/Hopt, § 44 BörsG Rz. 3; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33

Assmann

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§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

Wortlaut der alten, durch das 3. FFG (siehe oben Rz. 3) geänderten Gesetzesfassung1 – erlassen haben. Das sind auf jeden Fall jene, die den Prospekt unterzeichnet und damit erklärt haben, für seinen Inhalt verantwortlich zu sein2. Zu unterzeichnen sind Wertpapierprospekte und Verkaufsprospekte vom Anbieter (§ 5 Abs. 3 Satz 1 WpPG bzw. § 2 Abs. 4 VermVerkProspV). Anbieter und Emittent können und werden in der Regel identisch sein, doch ist dies nicht zwingend der Fall3. Über diejenigen, die den Prospekt als Anbieter zu unterzeichnen haben, können aber auch Dritte – dh. Personen, die nicht als Anbieter der betreffenden Anlage anzusehen sind – gemäß § 5 Abs. 4 WpPG bzw. § 3 VermVerkProspV durch entsprechende Prospekterklärung die Verantwortung für den Wertpapierprospekt oder Verkaufsprospekt übernehmen und so in den Kreis derer gelangen, die nach § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 BörsG für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts haften. 73

Vertriebshelfer haften nach § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 BörsG nur kraft eines entsprechenden Kundgebungstatbestands im Prospekt, sei es indem sie diesen als Anbieter unterzeichnet haben oder sei es durch eine entsprechende Erklärung der Übernahme der Verantwortung für den Prospekt4. In Betracht kommt etwa die Übernahme der Prospektverantwortung durch ein Emissions- oder Vertriebskonsortium. Sofern nur der Konsortialführer eines solchen Konsortiums den Prospekt unterzeichnet oder die Verantwortung für diesen übernimmt, vermag allein dieser Umstand nicht die Haftung des Konsortiums und der übrigen Konsortialführer zu begründen5, es sei denn, durch entsprechende (zusätzliche) Prospekterklärungen wird den Konsorten zurechenbar der Eindruck hervorgerufen, auch die übrigen

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2 3

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Rz. 58; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 19, 20; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 8; Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 34. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 BörsG aF hafteten ua. diejenigen, die den Prospekt erlassen haben. Die Änderung, welche die Haftung derjenigen vorsieht, welche die Verantwortung übernommen haben, soll lediglich eine Klarstellung und keine materiellrechtliche Änderung darstellen; vgl. RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 78. Vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, § 44 BörsG Rz. 3. Auch Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 35; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 59 f. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42; RegE ProspektrichtlinieUmsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 8.3.2005, S. 29. Näher hierzu und zur Unterscheidung von Emittenten und Anbieter siehe § 13a VerkProspG Rz. 11 ff., v.a. 15 ff. Siehe auch Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 60. Vgl. Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 21. Etwa Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 33; Habersack in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 28; Mülbert/ Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 63 f.

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Assmann

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

§ 13 VerkProspG

Konsortialmitglieder seien für den Prospekt (mit)verantwortlich oder übernähmen zumindest die Verantwortung für denselben1. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG haften des Weiteren diejenigen, von de- 74 nen der Erlass des Prospekts ausgeht. Damit sollen die hinter dem Prospekt Stehenden, dh. diejenigen erfasst werden, welche nicht durch ihre Unterschrift die Verantwortung übernommen haben, aber als dessen tatsächliche Urheber zu betrachten sind (so genannte Hintermänner2 oder Mitglieder der Leitungsgruppe3 oder Prospektveranlasser4), auch wenn sie nicht nach außen in Erscheinung getreten sind5. Wie bei der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung6 sind hier diejenigen, die lediglich an der Prospekterstellung beteiligt waren7, nur in Teilbereichen Einfluss ausübten8, nur Material zur Erstellung des Prospekts geliefert haben9, oder, ohne tatsächlichen Einfluss auf die Prospekterstellung auszuüben, nur eine wesentliche Beteiligung an dem Emittenten innehaben, von der Verantwortlichkeit auszunehmen. Allgemein formuliert trifft die Haftung deshalb nur jene, die „ein eigenes geschäftliches Interesse an der Emission“ haben und „darauf hinwirkten“, dass ein unrichtiger oder unvollständiger Prospekt erstellt und veröffentlicht wurde10.

1 So wohl auch Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG Rz. 256; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 10 (S. 483); Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 40. IE auch Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 33 f. 2 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 54, 78. Ferner, jeweils mwN, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 35; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 91; Hopt in Baumbach/Hopt, § 44 BörsG Rz. 4; Mülbert/ Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 67; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 9; Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 42. Zur Rspr., namentlich zur Haftung von Hintermännern, grundlegend BGH v. 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 (341). Siehe auch BGH v. 26.9.1991 – VII ZR 376/89, BGHZ 115, 213 (217 f.); BGH v. 1.12.1994 – III ZR 93/93, NJW 1995, 1025; BGH v. 27.1.2004 – XI ZR 37/03, NJW 2004, 1376 (1379); BGH v. 12.2.2004 – III ZR 359/02, BGHZ 158, 110 (115); BGH v. 14.6.2007 – III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993 (1995 Rz. 19); BGH v. 14.6.2007 – III ZR 185/05, NJW-RR 2007, 1479 (Rz. 11). 3 BGH v. 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 (341). 4 Fleischer, AG 2008, 265 (272). 5 BGH v. 16.11.1978 – II ZR 94/77, BGHZ 72, 382 (387); BGH v. 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 (340). 6 Siehe Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 154 mwN. 7 BGH v. 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 (348 f.). 8 BGH v. 31.3.1992 – XI ZR 70/91, WM 1992, 901 (907). 9 Ebenso Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 93; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 12. 10 Zurückgehend auf Schwark, BörsG, 1. Aufl. 1976, §§ 45, 46 Rz. 3; auch Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 9. Ebenso Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 35; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 92; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 68; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 22.

Assmann

1303

§ 13 VerkProspG 75

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

Im Einzelnen kommen als in diesem Sinn Verantwortliche vor allem Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter in Betracht, sofern sie die Geschicke etwa der Initiatorengesellschaft1 bestimmen, aber auch ein Generalbevollmächtigter2 oder der Leiter einer für die Baubetreuung zuständigen „Planungsgemeinschaft“3. Die gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung der wahrgenommenen Funktion ist nicht ausschlaggebend, sondern den Hintermännern und der Leitungsgruppe (siehe oben Rz. 74) sind alle Personen zuzurechnen, denen ähnliche Schlüsselfunktionen zukommen. Das im jeweiligen Fall festzustellen, ist eine im Wesentlichen tatrichterliche Aufgabe4. Weder zu den Personen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben, noch zu denjenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, gehören Prominente, die sich im Prospekt selbst oder in Begleitbroschüren als Referenz für die Seriosität des Anlagekonzepts und der Beteiligten benennen lassen und sich gegebenenfalls gar in Interviews aktiv an der Werbung für die Anlage beteiligen5. Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn man die Betreffenden im Einzelfall als „berufliche Sachkenner“ betrachten wollte (siehe unten Rz. 76). b) Berufliche Sachkenner

76

Die börsengesetzliche Prospekthaftung kennt ihrem eindeutigen Wortlaut nach nur die Haftung derjenigen, die für den Prospekt bzw. die Angebotsunterlage die Verantwortung übernommen haben oder von denen der Erlass des Prospekts ausgeht. Zwar ist verschiedentlich die Ansicht vertreten worden, berufliche Sachkenner („Experten“) im Allgemeinen und Wirtschaftsprüfer, die mit einem Testat im Prospekt nach außen in Erscheinung treten, im Besonderen seien in den Adressatenkreis der börsengesetzlichen Prospekthaftung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG einbezogen6, doch ist diese – mit unterschiedlichen Begründungen vorgetragene – Auffassung mit dem geltenden Recht nicht vereinbar7. Nur so lässt sich auch der im 1 2 3 4

BGH v. 31.5.1990 – VII ZR 340/88, BGHZ 111, 314 (318 f.). BGH v. 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 (343). BGH v. 13.3.1980 – II ZR 258/78, BGHZ 76, 231 (233 f.). BGH v. 14.6.2007 – III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993 (Rz. 19); BGH v. 14.6.2007 – III ZR 185/05, NJW-RR 2007, 1479 (Rz. 11). 5 Anders für den der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung unterliegenden Prospekt LG Mosbach v. 15.8.2007 – 1 O 135/06, ZIP 2008, 745. Aber selbst hiergegen zu Recht Haertlein, ZIP 2008, 726 ff. 6 Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 45, 46 BörsG Rz. 21 (zurückhaltender schon 3. Aufl. 2006, §§ 44, 45 BörsG Rz. 36, und dieser entsprechend 4. Aufl. 2009 Rz. 36); Groß, AG 1999, 199 (200 f.); Bosch, ZHR 163 (1999), 274 (279 ff.); auch Hopt in Baumbach/Hopt, § 44 BörsG Rz. 3. 7 Ausführlich hierzu Assmann, AG 2004, 435 (436 f.); Assmann in Assmann/Lenz/ Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 50 mit Fn. 113. Ablehnend auch Benecke, BB 2006, 2597 (2599); Ehricke, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 228 f.; Ellenberger, Prospekthaftung, S. 28; Fleischer, Gutachten, S. F 67 mit Änderungsvorschlägen S. F 67 f.; Förster, Prospekthaftung, S. 133; Gerber, Prospekthaftung, S. 128; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 30; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44,

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Assmann

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

§ 13 VerkProspG

Diskussionsentwurf eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes (KapInHaG)1 unternommene, aber zumindest vorläufig gescheiterte Versuch erklären, in dem vorgeschlagenen neuen § 44a BörsG eine Prospekthaftung für Experten zu etablieren2. Die Haftung von Experten für einzelne Erklärungen, mit denen sie mit ih- 77 rem Wissen und Wollen im Prospekt erscheinen und denen sich nicht entnehmen lässt, sie wollten für den gesamten Prospekt die Verantwortung übernehmen, kann sich demnach nur aus den allgemeinen Haftungsbestimmungen ergeben. Dabei scheidet jedenfalls – unabhängig davon, worin die vertragliche Grundlage dafür bestehen mag, dass der Experte mit einer eigenen Erklärung im Prospekt erscheint – eine Haftung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aus, weil es eine schiere Fiktion wäre anzunehmen, der Experte wolle durch seine Zustimmung zur Wiedergabe seiner Erklärung im Prospekt gegenüber einer unbestimmten Zahl von Wertpapiererwerbern (auch für bloße Fahrlässigkeit) haften3. Die Entscheidung des BGH, über seine Haftung nach den Grundsätzen der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung hinaus müsse der Wirtschaftsprüfer, der eine in dem Prospekt wiedergegebene Prospektprüfung vorgenommen habe oder dessen Prospektprüfungsbericht auf Grund entsprechender Angaben im Prospekt angefordert werden könne, auch mit seiner Inanspruchnahme nach Maßgabe der Regeln des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter rechnen4, steht dem nicht entgegen, denn die daraus folgende Haftung bezieht sich nur auf Prospektprüfungserklärungen, und nicht

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45 BörsG Rz. 93, 101; Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 54, 55; Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 33 aE; Köndgen, AG 1983, 120 (125); Kunz, Börsenprospekthaftung, S. 129; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 8.95; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 30; Meyer, WM 2003, 1301 (1306 ff., 1311: „Haftungslücke“); Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 74; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 23 f.; Schanz, Börseneinführung, 2. Aufl. 2002, § 13 Rz. 37; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 12; Sittmann, NZG 1998, 490 (493); Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 51. Zur Einführung einer börsengesetzlichen Prospekthaftung für Experten de lege ferenda Assmann, AG 2004, 435 (436); Fleischer, Gutachten, S. F 66 ff.; Hopt/Voigt, WM 2004, 1801 (1803); Meyer, WM 2003, 1301 (1312 f.); Diskussionsentwurf KapInHaG v. 7.10.2004 (abgedruckt in NZG 2004, 1042 ff.), der in einem vorgeschlagenen § 44a BörsG die Haftung von Dritten, die bei der Erstellung der Prospektangaben mitgewirkt und hierfür ausdrücklich die Verantwortung übernommen haben, einführen wollte. Kritisch dazu Zimmer/Binder, WM 2005, 577 ff.; DAV-Stellungnahme, ZIP 2004, 2348 (2352). Diskussionsentwurf v. 7.10.2004, abgedruckt in NZG 2004, 1042 ff. Vorbereitend Baums/Fischer in FS Drukarczyk, 2003, S. 39 ff. Für eine Ausweitung der börsengesetzlichen Prospekthaftung auf die in den Prospekt aufgenommenen Erklärungen beruflicher Sachkenner Assmann, AG 2004, 435 (445 ff.). Zu diesem Versuch kritisch Zimmer/Binder, WM 2005, 577 ff. Ablehnend auch Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 12; iE auch Meyer, WM 2003, 1301 (1309 f.). BGH v. 20.4.2004 – X ZR 250/02, ZIP 2004, 1814 (1816 f.).

Assmann

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§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

auf sonstige Erklärungen, mit denen der Wirtschaftsprüfer im Prospekt hervortritt. Ebenso wenig kommt eine Haftung nach den Grundsätzen der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung in Betracht1, denn die Regelungen der §§ 44 ff. BörsG sind hinsichtlich des Börsenzulassungsprospekts als abschließende Prospekthaftungsbestimmungen zu betrachten. c) Gesamtschuldnerische Haftung 78

Sind die übrigen Voraussetzungen der Prospekthaftung in der Person eines jeden Prospektverantwortlichen gegeben2, so haften diese als Gesamtschuldner nach Maßgabe von §§ 421 ff. BGB (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG). Abweichende Vereinbarungen unter denselben sind im Innenverhältnis, nicht aber gegenüber den Anspruchsberechtigten beachtlich. 4. Ersatzberechtigte (§ 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BörsG)

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Einen Prospekthaftungsanspruch nach § 13 Abs. 1 VerkProspG, § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG kann nur geltend machen, wer nach Veröffentlichung des Wertpapierprospekts bzw. Verkaufsprospekts und innerhalb von sechs Monaten nach deren ersten öffentlichen Angebot im Inland (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG) Wertpapiere bzw. Vermögensanlagen (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a VerkProspG) erworben hat, auf die sich der jeweilige Prospekt bezog. a) Erwerbszeitraum (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG)

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Nach der bis zum 3. FFG v. 24.3.1998 (siehe oben Rz. 3) geltenden Fassung der §§ 45 Abs. 1, 46 Abs. 1 BörsG (aF) war der Besitz von Wertpapieren, die auf Grund des fehlerhaften Prospekts zum Börsenhandel zugelassen wurden, Voraussetzung eines Prospekthaftungsanspruchs3. Heute genügt nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 lit. a VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG der bloße Nachweis des Erwerbs von Wertpapieren bzw. Vermögensanlagen in einem Zeitkorridor von der Veröffentlichung des Prospekts an bis zu sechs Monaten nach deren erstem öffentlichen Angebot im Inland (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG).

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Die in dem Erfordernis des Wertpapiererwerbs nach Prospektveröffentlichung und innerhalb der Sechs-Monats-Frist zum Ausdruck kommende Einschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten ist eine Folge des Umstandes, dass die mit dem 3. FFG verbundene Neuregelung demjenigen, 1 Ebenso Meyer, WM 2003, 1301 (1309); Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 77. AA Ellenberger, Prospekthaftung, S. 29 f.; wohl auch (aber unklar) Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 101 aE. 2 Das gilt namentlich im Hinblick auf das Verschulden eines jeden Prospektverantwortlichen. Vgl. Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 69. 3 Siehe Assmann in Assmann/Schütze, 2. Aufl. 1997, § 7 Rz. 206 f.

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Assmann

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

§ 13 VerkProspG

der einen Prospekthaftungsanspruch geltend macht, den Nachweis der Ursächlichkeit der fehlerhaften Prospektangaben für seine Erwerbsentscheidung erspart (siehe unten Rz. 87 f.). Für die Ursächlichkeit zwischen Prospektmangel und Wertpapiererwerb hatte die Rechtsprechung schon zuvor eine Vermutung sprechen lassen, welche davon ausging, dass nach Veröffentlichung des Prospekts eine Anlagestimmung erzeugt werde, die auch auf diejenigen einwirke, die den fehlerhaften Prospekt nicht gelesen hätten1. Die als tatbestandliche Anspruchsvoraussetzung eingeführte zeitliche Erwerbsgrenze von sechs Monaten stellt damit gleichsam das Äquivalent für den Zeitraum dar, nach dessen Ablauf angenommen werden musste, die von einem Prospekt erzeugte Anlagestimmung sei entfallen und die Vermutung der Ursächlichkeit zwischen Prospektmangel und Erwerb der Papiere habe ihre tatsächliche Basis verloren. Ungeachtet der Schwierigkeit, das Ende einer Anlagestimmung zu begrenzen, wurde angenommen, dieses sei jedenfalls mit der Vorlage eines neuen Jahresabschlusses und spätestens nach dem Ablauf von zwölf Monaten gekommen2. Diese Unsicherheiten hat der Gesetzgeber mit teils rechtspolitischen (Rechtssicherheit, Überschaubarkeit des Haftungszeitraums), teils rechtlichen (sechsmonatige Rechtswirkungen eines Börsenzulassungsprospekts nach § 39 Abs. 4 Satz 1 BörsG aF) Gründen3 auf sechs Monate begrenzt4. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Erwerb der Wertpapiere oder Vermögensanlagen innerhalb der Frist von sechs Monaten nach deren erstem öffentlichen Angebot im Inland erfolgte, ist auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts abzustellen5. Liegt der Erwerb inner-

1 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 172/81, WM 1982, 867; BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225 (233); OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82, WM 1984, 586 (596); OLG Frankfurt/M. v. 1.2.1994 – 5 U 213/92, WM 1994, 291 (292). Vgl. Assmann in Assmann/Schütze, 2. Aufl. 1997, § 7 Rz. 213 mwN. 2 BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225 (232). Vgl. Assmann, Prospekthaftung, S. 388; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 70; Schwark, Börsengesetz, 2. Aufl. 1994, §§ 45, 46 Rz. 35. 3 Siehe im Einzelnen RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 76 f. 4 Zur Deutung der Einführung des Sechs-Monats-Frist als Gegengewicht zur Erhöhung des Schadensersatzrisikos der Prospektverantwortlichen auf Grund der Liberalisierung der Tatbestandsvoraussetzungen der Prospekthaftung siehe auch Sittmann, NZG 1998, 490 (492); Weisgerber, Die Bank 1998, 200 (204). Kritisch im Hinblick auf die Folgen für den Anspruch aus § 13 VerkProspG Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 28. 5 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 77, mit dem Hinweis, zu diesem Zeitpunkt habe sich die durch den fehlerhaften Prospekt beeinflusste Kaufentscheidung bereits manifestiert. Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG Rz. 48; Ellenberger, Prospekthaftung, S. 41; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 71; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 125; Heidelbach in Schwark, § 13 VerkProspG Rz. 7; Kind in Arndt/ Voß, § 13 VerkProspG Rz. 27; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.374; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 88; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 5; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 35.

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§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

halb der Sechs-Monats-Frist, so setzt ein Prospekthaftungsanspruch gleichwohl noch einen Ursachenzusammenhang zwischen fehlerhaftem Prospekt und Anlageerwerb voraus (siehe unten Rz. 88). An diesem kann es etwa fehlen, wenn die durch den Prospekt erzeugte Anlagestimmung im Zeitpunkt des Erwerbs entfallen war, wofür allerdings die Anspruchsgegner die Beweislast tragen1 (siehe unten Rz. 88). b) Erwerb und Erwerbsgegenstand (§ 44 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3, Abs. 2 BörsG) 83

Als Erwerb kommt dagegen nur der entgeltliche Erwerb in Betracht, weil der Erwerbspreis eine der Größen ist, auf welcher die Regelungen der Rechtsfolgen in § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG (Übernahme der Wertpapiere bzw. Vermögensanlagen gegen Erstattung des Erwerbspreises) und in § 44 Abs. 2 BörsG (Erstattung des Differenzbetrags zwischen Erwerbs- und Veräußerungspreis)2 sowie, im Falle des Erwerbs von Vermögensanlagen, die Deckelung des ersatzfähigen Erwerbspreises durch den ersten Erwerbspreis in § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BörsG iVm. § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b VerkProspG, aufbauen. Der Erbe oder Vermächtnisnehmer sollte dadurch von der Möglichkeit, einen Prospekthaftungsanspruch geltend zu machen, nicht ausgeschlossen sein, da hier der vom Erblasser gezahlte Erwerbspreis zu Grunde gelegt werden3 und eine Vervielfachung der Anspruchsberechtigten nicht eintreten kann. Im Übrigen kommt als Erwerb jedes entgeltliche Geschäft in Betracht, durch das der Besitzer der Papiere Verfügungsmacht über dieselben erlangt4. Anders verhält es sich bei einer Schenkung5, die aber vielfach – jedoch ohne Auseinandersetzung mit der Frage, ob hier überhaupt ein prospekthaftungsrechtliches Schutzbedürfnis des Beschenkten besteht – als Erwerbsgeschäft iS des § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG angesehen wird6.

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Unbeachtlich ist, ob es sich bei demjenigen, der in diesem Zeitkorridor die angebotenen Wertpapiere oder Vermögensanlagen erwirbt, um einen Erst-

1 Begr. RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 77. Zur Beseitigung der Anlagestimmung insbes. Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 70. AA Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 83. 2 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 76. Habersack in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 34; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 122; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.370; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 87; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 7. Kritisch Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 37; auch Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 122. 3 Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG Rz. 49; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 122; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 37; Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 57. 4 Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 121. 5 Ebenso Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 57. 6 Hamann in Schäfer, §§ 44, 45 BörsG Rz. 122; Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 94; Hopt in Baumbach/Hopt, 34. Aufl. 2010, § 44 BörsG Rz. 8.

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Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

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erwerber oder Zweiterwerber handelt1. Ein Prospekthaftungsanspruch wird im Übrigen auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anleger die Wertpapiere vom Anbieter selbst oder von einem Dritten erwirbt2. Weiter steht außer Frage, dass der Erwerber nicht mehr Inhaber der Wertpapiere bzw. der Vermögensanlagen sein muss (§ 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 2 BörsG)3. Gegenstand des Erwerbs müssen Wertpapiere bzw. Vermögensanlagen sein, 85 auf die sich der fehlerhafte Wertpapierprospekt bzw. Verkaufsprospekt bezieht. Jedoch erstreckt sich der Prospekthaftungsanspruch aus § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG gemäß § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 Satz 3 BörsG auch auf den Erwerb solcher Wertpapiere oder Vermögensanlagen des fraglichen Emittenten, die nach ihren Ausstattungsmerkmalen oder in sonstiger Weise nicht von denjenigen unterschieden werden können, die Gegenstand des fehlerhaften Prospekts sind, sofern sie nur innerhalb der Sechs-Monats-Frist erworben wurden. c) Erwerb von Anlagen eines Emittenten mit Sitz im Ausland (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 lit. a VerkProspG iVm. § 44 Abs. 3 BörsG) Im Hinblick auf Prospekthaftungsansprüche gegen einen Emittenten mit 86 Sitz im Ausland ist § 44 Abs. 3 BörsG zu beachten. Dieser ist nach Maßgabe von § 13 Abs. 1 Nr. 2 VerkProspG sowie unter Berücksichtigung von § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a VerkProspG anzuwenden und damit wie folgt zu lesen: „Werden Wertpapiere oder Vermögensanlagen eines Emittenten mit Sitz im Ausland auch im Ausland öffentlich angeboten, besteht ein Anspruch nach [§ 44] Absatz 1 oder 2 nur, sofern die Wertpapiere oder Vermögensanlagen auf Grund eines im Inland abgeschlossenen Geschäfts oder einer ganz oder teilweise im Inland erbrachten Wertpapierdienstleistung erworben wurden“4. Der Prospekthaftungsanspruch gegen einen Emittenten mit Sitz im Ausland setzt mithin einen Inlandsbezug in Gestalt eines Erwerbsgeschäfts oder, im Falle des Angebots von Wertpapieren, in Gestalt eines Wertpapierdienstleistungsgeschäfts iS von § 2 Abs. 3 WpHG voraus, das zumindest teilweise im Inland vorgenommen wurde. Ausreichend dafür ist, dass ein Akt der Anbahnung, des Zustandekommens oder der Erfüllung des Erwerbs-

1 Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG Rz. 48; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 70; Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 123; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 34; Heidelbach in Schwark, § 13 VerkProspG Rz. 6; Hopt in Baumbach/Hopt, § 44 BörsG Rz. 8; Kort AG 1999, 9 (12 f.); Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 27; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.381; Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 56. 2 Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 53. 3 Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 34; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 86. 4 Die Hervorhebung betrifft die durch § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 lit. a VerkProspG veranlassten Modifikationen des § 44 Abs. 3 BörsG.

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§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

geschäfts bzw. des Wertpapierdienstleistungsgeschäfts im bzw. in das Inland hinein erfolgte. 5. Kausalität a) Haftungsbegründende Kausalität (§ 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 45 Abs. 2 Nr. 1 BörsG) 87

Nach § 45 Abs. 1 BörsG aF, welche durch das 3. FFG v. 24.3.1998 (siehe oben Rz. 3) geändert wurde, musste derjenige, der einen Prospekthaftungsanspruch geltend machen wollte, nachweisen, dass ihn der fehlerhafte Verkaufsprospekt zum Erwerb der Wertpapiere veranlasst hat1. Half die Rechtsprechung den diesbezüglichen Beweisschwierigkeiten des Anlegers bereits dadurch ab, dass sie für den Fall des Wertpapierkaufs nach Prospektveröffentlichung, wegen der von diesem erzeugten Anlagestimmung, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Prospekt und Wertpapiererwerb als zu vermuten annahm2, so verschiebt die auf das 3. FFG zurückgehende und gemäß § 13 Abs. 1 VerkProspG zur Anwendung gelangende Neuregelung der börsengesetzlichen Prospekthaftung die Beweislast für die Ursächlichkeit des Prospekts für den Erwerb von Wertpapieren oder Vermögensanlagen (haftungsausfüllende Kausalität) von vornherein auf den Prospektverantwortlichen und Anspruchsgegner3: Hat der Anleger die Wertpapiere oder Vermögensanlagen nach Veröffentlichung des Wertpapierprospekts bzw. Verkaufsprospekts und innerhalb von sechs Monaten nach deren ersten öffentlichen Angebot im Inland erworben (siehe oben Rz. 79 ff.), so spricht eine widerlegliche Vermutung dafür, dass der Prospektmangel für den Anlageerwerb ursächlich war4. Die Ursächlichkeit des Prospektmangels für den Anlageerwerb ist jedoch gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 1 BörsG durch den Nachweis zu widerlegen, dass die Wertpapiere oder Vermögensanlagen nicht auf Grund des fehlerhaften Prospekts erworben wurden, etwa weil der Anleger den Prospekt gar nicht kannte5. Auf den Ursächlichkeitsnachweis im Prozess ist § 286 ZPO anzuwenden.

1 Siehe Assmann in Assmann/Schütze, 2. Aufl. 1997, § 7 Rz. 212. 2 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 172/81, WM 1982, 867; BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225 (233); OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82, WM 1984, 586 (596); OLG Frankfurt/M. v. 1.2.1994 – 5 U 213/92, WM 1994, 291 (292). Siehe schon oben Rz. 82. 3 Vgl. RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 80. Vgl. auch Holzborn/Foelsch, NJW 2003, 932 (934); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.383; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 43. 4 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 76; Hopt in Baumbach/Hopt, § 44 BörsG Rz. 8; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 88; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 52. 5 Schon RG v. 11.10.1912 – Rep. II. 106/12, RGZ 80, 196 (204 f.); OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82, WM 1984, 586 (596); OLG Frankfurt/M. v. 27.3.1996 – 21 U 92/95, WM 1996, 1216 (1219).

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Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

§ 13 VerkProspG

Eine haftungsbegründende Ursächlichkeit zwischen dem fehlerhaften Pro- 88 spekt und dem Erwerb der Wertpapiere entfällt aber auch dann, wenn der Anspruchsgegner beweisen kann, dass beim Erwerb der Wertpapiere bzw. Vermögensanlagen, selbst wenn er in der Sechs-Monats-Frist des § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG erfolgte, die Anlagestimmung bereits weggefallen war (siehe oben Rz. 81)1. In Betracht kommen etwa die Überlagerung der von einem Prospekt ausgehenden Anlagestimmung durch einen Insolvenzantrag2, einen neuen (negativen) Jahresabschluss3, einen (negativen) Zwischenbericht4, andere negative Mitteilungen des Emittenten von einigem Gewicht5 oder durch eine veränderte „Konjunktureinschätzung“6 und nicht zuletzt die Veröffentlichung einer Prospektberichtigung iS von § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG oder eines Nachtrags iS von § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG. Ein Downrating des Emittenten ist, da Ratings Tatsachen verwerten, grundsätzlich beachtlich, vermag aber nur bei drastischer Herabstufung des Emittenten die Anlagestimmung zu beenden. Die Beseitigung einer durch die Prospektveröffentlichung erzeugten Anlagestimmung durch eine emissionsbegleitende oder nachfolgende Negativberichterstattung in der Wirtschaftspresse hat das OLG Düsseldorf mit dem Argument ausgeschlossen, solchen Pressebe-

1 Auch im RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 77, wird deutlich auf den Zusammenhang der Sechs-Monats-Frist mit dem Gedanken der Anlagestimmung hingewiesen. Umgekehrt ist der Begründung des RegE nicht zu entnehmen, dass mit der Statuierung der Sechs-Monats-Frist die unwiderlegliche Vermutung aufgestellt werden sollte, innerhalb dieser Zeitspanne sei bei einem fehlerhaften Prospekt jeder Wertpapiererwerb ursächlich auf diesen zurückzuführen. Wie hier Ellenberger, Prospekthaftung, S. 40; Groß, AG 1999, 199 (205); Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 37; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 256; Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 123; Hopt in Baumbach/Hopt, § 45 BörsG Rz. 2; Kort, AG 1999, 9 (13) (Erhalt der positiven Anlagestimmung ist ein objektives Zurechnungskriterium der Prospekthaftung; die neue Sechs-Monats-Frist ist nur als Höchstgrenze aufzufassen); Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 90; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 43. AA allein Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 83. 2 OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82, WM 1984, 586 (596). 3 BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225 (234); OLG Frankfurt/M. v. 27.3.1996 – 21 U 92/95, WM 1996, 1216 (1219). Assmann, Prospekthaftung, S. 388; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 70; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 37; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 257; Kort, AG 1999, 9 (13); Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 91; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 44. 4 Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 91; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 44. 5 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 70; Schäfer, ZGR 2006, 40 (52); Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 44. Ähnlich BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225 (234) („neuere Unternehmensdaten wie etwa ein Jahresabschluss“). 6 BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225 (234). Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 37; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 44.

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§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

richten werde vom durchschnittlichen Anleger regelmäßig weniger Glaube geschenkt als – in diesem Falle – dem Börsenzulassungsprospekt1. Das ist in der Weise generalisierbar, dass nicht in erster Linie auf die Glaubwürdigkeit oder die Dichte der Negativberichterstattung, sondern auf deren Gewicht und ihren Gegenstand abzustellen ist2; in der Regel kommen hier nur Tatsachen, wie etwa die Stellung eines Vergleichs- oder Insolvenzantrags3, in Betracht. Die Meldung negativer Tatsachen, die hier in Frage kommt, dürfte aber bereits durch entsprechende Meldungen des Emittenten in der Welt sein, so dass nicht auf die Berichterstattung abgestellt werden muss. b) Haftungsausfüllende Kausalität (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. d VerkProspG iVm. § 45 Abs. 2 Nr. 2 BörsG) 89

Gegenstand der regelmäßig im Rahmen der Schadensermittlung zu prüfenden haftungsausfüllenden Kausalität ist die von einem Verschulden des Anspruchsgegners unabhängige Zurechnung eines bestimmten Schadens zum Normverstoß. Nachzuweisen ist, dass die Pflichtverletzung in Gestalt der Veröffentlichung eines fehlerhaften Prospekts zu dem geltend gemachten Schaden geführt hat. Im Bereich der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung wirft dies regelmäßig keine besonderen Probleme auf, weil der Schaden bereits im Erwerb der auf einen fehlerhaften Prospekt zurückgehenden Anlage gesehen wird und es mithin nicht auf weitere Glieder in einer Kette der für den Vermögensverlust maßgeblichen Ursachen ankommt4. Liegt der Schaden im Erwerb der Anlage, so kommt der Wertentwicklung der Anlage für den Ersatz des Schadens in Gestalt des Erwerbspreises der Anlage keine Bedeutung zu5. Dementsprechend kann es bei der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung auch nicht darauf ankommen, ob ein Wertverlust gerade auf falsch oder gar nicht prospektierten Angaben oder auf anderen Umständen beruht6. Anders verhält es sich dagegen bei der gesetzlichen Prospekthaftung für Wertpapierprospekte und Verkaufsprospekte nach § 13 Abs. 1 VerkProspG7: Durch den in dieser Vorschrift vorgenommenen und nach Maßgabe von § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. d VerkProspG modifizierten Verweis auf § 45 Abs. 2 Nr. 2 BörsG wird dem Anspruchsgegner die den An1 OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82, WM 1984, 586 (596). Zustimmend auch Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 70; Kort, AG 1999, 9 (13); Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 91; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 44. 2 Das dürfte den Zweifeln gerecht werden, mit denen Schäfer, ZGR 2006, 40 (52), der Annahme einer Beseitigung einer Anlagestimmung durch „Negativberichte Dritter“ begegnet. Ähnlich Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 37 („massive negative Presseberichterstattung“); Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 91 (Umfang und Intensität). 3 OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82,WM 1984, 586 (596). 4 Siehe Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 178 mwN. 5 BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92, WM 1993, 1787 (1788 f.), mit zustimmenden Anmerkungen von Assmann, WuB I G 9. – 1.94 und Jasper, WiB 1994, 79 (80). 6 Siehe Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 181 mwN. 7 Ebenso Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 37.

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Assmann

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

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spruch zu Fall bringende „rechtsvernichtende Einwendung“1 gewährt, der Sachverhalt, der im Prospekt unrichtig oder unvollständig dargestellt sei, habe nicht zu einer Minderung des Erwerbspreises der Wertpapiere beigetragen. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der durch § 45 Abs. 2 Nr. 2 BörsG eröffneten „Einwendung“ liegt beim Anspruchsgegner2. Er muss nachweisen, dass allein nachträglich eingetretene Ereignisse und nicht die im Prospekt fehlerhaft dargestellten oder nicht angegebenen Umstände die Minderung des Erwerbspreises herbeigeführt haben. Dabei wird ihm der Umstand zugute kommen, dass es sich bei der Regelung des § 45 Abs. 2 Nr. 2 BörsG um eine solche der haftungsausfüllenden Kausalität3 handelt und deshalb auf den zu erbringenden Nachweis § 287 Abs. 1 ZPO anzuwenden ist4.

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6. Verschulden (§ 45 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 BörsG) a) Überblick Weist der Anspruchsgegner nach, dass er die Unrichtigkeit oder die Unvoll- 91 ständigkeit des Prospekts nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht, so kann er gemäß § 45 Abs. 1 BörsG nicht aus § 44 BörsG in Anspruch genommen werden5. Das heißt mit anderen Worten: Zum einen wird nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VerkProspG iVm. § 44 BörsG nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gehaftet6 und zum anderen begründet § 45 Abs. 1 BörsG eine Verschuldensvermutung, dh. der Prospektverantwortliche muss nachweisen, dass ihn kein Verschulden an dem Prospektmangel trifft. Die Verschuldensvermutung und die mit ihr einhergehende Beweislastumkehr wird mit der Überlegung begründet, die für die Beurteilung der Verschuldensfrage maßgeblichen Umstände lägen ausschließlich in der Sphäre der Prospektverantwortlichen und seien für den Anspruchstel-

1 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 80. 2 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 80. Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 37; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 95. 3 Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 259; Hopt in Baumbach/Hopt, § 44 BörsG Rz. 8; Hopt/Voigt in Hopt/Voigt, S. 98; Kind in Arndt/Voß, § 13 VerkProspG Rz. 37; Schäfer, ZGR 2006, 40 (53); Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 55. 4 Zur Anwendung dieser Bestimmung auf den Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität BGH v. 15.6.1993 – XI ZR 111/92, NJW 1993, 3073 (3076). 5 Die Beweislast liegt mithin beim Prospektverantwortlichen. Siehe etwa Ellenberger in FS Schimansky, 1999, S. 591 (607). 6 Kritisch zur Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit Grundmann/Selbherr, WM 1996, 985 (986 ff.); Hopt in FS Drobnig, 1998, S. 525 (530). Verteidigend und zustimmend Ehricke, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005. S. 234 f.; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 74; Kort, AG 1999, 9 (20); wohl auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.363.

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§ 13 VerkProspG

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt

ler praktisch nicht nachweisbar1. Durchaus mit den Grundsätzen der Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen vereinbar, stellt die Beweislastumkehr in der Sache gleichsam den Ausgleich dafür dar, dass sich der Gesetzgeber nicht zu einer Verschärfung des Haftungsmaßstabs auf einfache Fahrlässigkeit entschließen konnte. Dafür wiederum war die Überlegung ausschlaggebend, einerseits mangele es für einen solchen Schritt an einem rechtsgeschäftlichen Kontakt zwischen Anlegern und Prospektverantwortlichen und andererseits würde eine Haftungsverschärfung namentlich die Bereitschaft der Emissionsbegleiter mindern, die Emittenten bei der Aufnahme von Risikokapital zu unterstützen, und so eines der Ziele der Reform gefährden2. 92

§ 45 Abs. 2 Nr. 3 BörsG enthält eine Sonderregelung im Hinblick auf die Berücksichtigung des Mitverschuldens des Anlegers bei Schadensersatzansprüchen aus Prospekthaftung. Nach dieser Bestimmung scheidet ein Anspruch aus § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 BörsG aus, wenn der Erwerber die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts bei dem Erwerb kannte. b) Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit

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Gehaftet wird für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (siehe oben Rz. 91). Unter Heranziehung der auch hier einschlägigen allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze ist grobe Fahrlässigkeit der Unkenntnis eines Prospektmangels dann anzunehmen, wenn die erforderliche Sorgfalt bei der Erstellung eines Prospekts bzw. der Mitwirkung bei der Erstellung desselben in besonders schwerem Maße verletzt wurde, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt wurden und unbeachtet blieb, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen3. Die Anwendung vorstehender Grundsätze auf die Prospekthaftung hat v.a. die unterschiedliche fachliche und sachliche Kenntnis, die unterschiedliche Sachnähe, die unterschiedlichen Nachforschungsmöglichkeiten eines jeden der zum Kreis der Prospektverantwortlichen Gehörenden zu berücksichtigen4. Bloß fahrlässige Unkenntnis der 1 Begr. RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 80. 2 Begr. RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 80. 3 Grundlegend BGH v. 11.5.1953 – IV ZR 170/52, BGHZ 10, 14 (17); BGH v. 5.12.1983 – II ZR 252/82, BGHZ 89, 153 (161); BGH v. 8.5.1984 – VI ZR 296/82, VersR 1984, 775 (776); BGH v. 12.1.1988 – VI ZR 158/87, NJW 1988, 1265; BGH v. 18.10.1988 – VI ZR 15/88, VersR 1989, 109; BGH v. 30.1.2001 – VI ZR 49/00, NJW 2001, 2092; BGH v. 12.7.2005 – VI ZR 83/04, BGHZ 163, 351 (353); BGH v. 10.2.2009 – VI ZR 28/08, VersR 2009, 558 (561); BGH v. 17.2.2009 – VI ZR 86/08, VersR 2009, 839; BGH v. 10.11.2009 – VI ZR 247/08, VersR 2010, 214. Für den prospekthaftungsrechtlichen Zusammenhang etwa Assmann in Assmann/Lenz/ Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 58; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 75; Groß, AG 1999, 199 (206); Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 213; Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 104; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 45. 4 Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 58; Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rz. 5; Groß, Kapital-

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Prospektmängel führt nicht etwa zu einer anteilsmäßigen Minderung des Prospekthaftungsanspruchs, sondern ist unbeachtlich1. Grobe Fahrlässigkeit in vorstehendem Sinne ist etwa anzunehmen, wenn 94 ein Prospektverantwortlicher konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit von Prospektangaben hat oder Informationen vorliegen2, die Zweifel an der Richtigkeit der Angaben wecken müssen3, ohne dass er diesen nachgeht. An einem grob fahrlässigen Verhalten fehlt es dagegen, wenn die Prospektverantwortlichen nachweisen können4, dass sie im Hinblick auf die fehlerhaften Prospektangaben, inhaltlich unbeeinflussten Gutachten oder Auskünften von Sachverständigen, etwa namhaften Anwaltskanzleien oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, folgten5. Den Prospektverantwortlichen ist das Verschulden der Sachverständigen nicht nach § 278 BGB zuzurechnen, da diese nicht Erfüllungsgehilfen der Ersteren sind6. Dessen ungeachtet sind aber im Rahmen des Zumutbaren Plausibilitätskontrollen von Gutachten, Expertisen und Auskünften geboten7, es sei denn, es handelt sich um solche, die sich auf technische oder naturwissenschaftliche Fragen beziehen8. Bei der Auswahl der Personen, auf deren diesbezügliche Expertise sich der Prospektverantwortliche stützt, kann ihn ein Auswahlverschulden tref-

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marktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 75 und im Einzelnen Rz. 76 ff.; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 38; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 213; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 97; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 45; Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 91. Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 59; Kort, AG 1999, 9 (14). Schon RG v. 11.10.1912 – Rep. II. 106/12, RGZ 80, 196 (199). So für den vergleichbaren Fall der bürgerlichrechtlichen Prospekthaftung BGH v. 4.3.1987 – IVa 122/85, WM 1987, 495 (497). Wie hier auch Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 80; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 224, 226, 234, 237; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 45. BGH v. 16.6.1977 – III ZR 179/75, BGHZ 69, 128 (143). OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82, WM 1984, 586 (595). Ebenso Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rz. 10; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 82; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 45. Zurückhaltender Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 233. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2280a; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 233; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 46. BGH v. 4.3.1987 – IVa 122/85, WM 1987, 495 (497); OLG Frankfurt/M. v. 17.3.1999 – 21 U 260/97, ZIP 1999, 1005 (1007). Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 81; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 42; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 108; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 46. Hier ist keine Kontrolle geboten. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2280a; Köndgen, AG 1983, 120 (127); Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 49. Erstreckend auf Informationen durch Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare und Steuerfachleute, es sei denn „Gründe bzw. Zweifel“ drängten eine Prüfung nahezu auf, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 82.

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fen1. Die Gestattung der Prospektveröffentlichung durch die BaFin kann nach ganz einhelliger Meinung nicht als Entschuldigungsgrund angeführt werden2. Im Übrigen ist das Verschulden eines jeden Prospektverantwortlichen für den Prospektmangel individuell3 und unter Beachtung der Möglichkeiten zu bestimmen, die sich ihm zur Vermeidung des Prospektmangels zumutbar eröffnet hätten (siehe oben Rz. 93). 95

Inwieweit Kontroll- und Nachforschungspflichten der neben dem Anbieter für den Prospekt Verantwortlichen zu bejahen sind, wird unterschiedlich beantwortet. Einigkeit besteht im Hinblick auf den Ausgangspunkt, die Prospektverantwortlichen dürften sich nicht generell, ohne eigene Kontrollen vorzunehmen, darauf verlassen, die von anderen stammenden und in den Prospekt aufgenommenen Angaben seien zutreffend4. Übereinstimmend verneinen Rechtsprechung und hM dagegen eine Verpflichtung derjenigen, die der Haftung für den Prospekt unterliegen, die Buchführung des betroffenen Unternehmens kontrollieren zu müssen5. Auch wird eine allgemeine Pflicht zur Kontrolle des Jahresabschlusses abgelehnt6, es sei denn, es sind Umstände bekannt, die Zweifel an dessen ordnungsgemäßer Erstellung 1 Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rz. 10; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 82; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 233; Hopt, Verantwortlichkeit, S. 101 f.; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 109; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 46. 2 OLG Frankfurt/M. v. 1.2.1994 – 5 U 213/92, WM 1994, 291 (297), in einem obiter dictum. Aus dem Schrifttum Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 85; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 45 BörsG Rz. 9; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 46. 3 Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 58; Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rz. 5; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 75; Groß, AG 1999, 199 (206); Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 220; Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 104; Hopt, Verantwortlichkeit, Rz. 56; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 97; Pankoke in Just/Voß/ Ritz/Zeising, § 45 BörsG Rz. 20; Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 91. 4 RG v. 11.10.1912 – Rep. II. 106/12, RGZ 80, 196 (198 ff.); BGH v. 22.3.1990 – VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103 (111). Assmann, WM 1983, 138 (141); Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rz. 7 f.; Erman, AG 1964, 327 (328 f.) („verantwortliche Nachprüfung“); Frohne, Prospektpflicht, S. 62 ff.; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 224; Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 105; Hopt, Verantwortlichkeit, S. 98 ff.; Köndgen, AG 1983, 120 (127); Schwark, ZGR 1983, 162 (173); Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 45. Dafür, Angaben des Emittenten ohne eigene Prüfung übernehmen zu können, es sei denn es liegen „Anhaltspunkte für Zweifel“ an der Richtigkeit derselben vor, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 82. Eine „sorgfältige Prüfung“ solcher Angaben für „unerlässlich“ hält dagegen Fleischer, Gutachten, S. F 65. 5 RG v. 11.10.1912 – Rep. II. 106/12, RGZ 80, 196 (198 f.); Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 81; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 47. 6 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (864). Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rz. 11; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 81; Schwark, ZGR 1983, 162 (173).

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rechtfertigen1. Darüber hinaus verlangt das Erfordernis, der Prospekt dürfe keinen unzutreffenden Gesamteindruck von der Lage und den Zukunftsaussichten der Gesellschaft geben, von jedem Prospektverantwortlichen zumindest eine gewisse Kontrolle der Schlüssigkeit der aus dem Datenmaterial gezogenen Folgerungen2. Auch auf Prospektangaben, die auf Vorarbeiten und Informationen unabhängiger und unbeeinflusster Sachverständiger – wie etwa Rechtsanwälte, Notare, Steuerfachleute – beruhen, sollte sich ein Prospektverantwortlicher regelmäßig verlassen dürfen3. Für die Mitglieder eines Anbieterkonsortiums gilt, dass sie sich nach außen 96 nicht generell entschuldigend auf die Delegation ihrer Pflichten auf den Konsortialführer berufen können4. Auch können sie sich ihrer Verantwortlichkeit für den Prospektinhalt nicht dadurch entledigen, dass sie im Prospekt darauf hinweisen, dieser sei von der Konsortialführerin oder dem Emittenten erstellt worden (§ 45 Abs. 2 BörsG aF)5. Andererseits macht es keinen Sinn, jedem Konsortialmitglied die gleichen Prospektkontrollpflichten aufzuerlegen, insbesondere die Nachprüfung der Prospektangaben beim Emittenten zu verlangen6, und so jeden Vorteil arbeitsteiligen Zusammenwirkens zu vereiteln und den Umstand zu ignorieren, dass nicht alle den gleichen Zugang zum Emittenten und zu den fraglichen Informationen haben. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Kontrollpflichten der einzelnen Konsortialmitglieder über eine bloße Plausibilitätskontrolle des Prospekts hinausgehen und eine Überwachung der Pflichterfüllung durch den Konsortialführer mit einschließen7. Im Hinblick auf die Beurteilung der Er1 Siehe BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (864). 2 Vgl. Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 49. 3 Vgl. BGH v. 17.1.1985 – III ZR 135/83, BGHZ 93, 264 (266). Wie hier Hopt, Verantwortlichkeit, S. 100 f. 4 Siehe etwa Hamann in Schäfer, §§ 44, 45 BörsG Rz. 90, 220; Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 108; Hopt, Verantwortlichkeit, S. 57; Köndgen, AG 1983, 120 (127); Kunz, Börsenprospekthaftung, S. 128; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 11. 5 Hamann in Schäfer, §§ 45, 46 BörsG aF Rz. 41, 106; Kunz, Börsenprospekthaftung, S. 128. 6 Ablehnend zu Recht etwa Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 83; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 43; Hopt, Verantwortlichkeit, Rz. 118; Mülbert/Steup in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 110. 7 Assmann, Prospekthaftung, S. 391; Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 18; Groß, AG 1999, 199 (207); Grundmann in BankrechtsHandbuch, § 112 Rz. 57; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 43; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 120 (Plausibilitätskontrolle und Kontrolle einer ausreichenden Due diligence-Prüfung durch den Konsortialführer); Hopt, Verantwortlichkeit, Rz. 119; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 11; Mülbert/Steup in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 110; Sittmann, NZG 1998, 490 (494). Im Ergebnis nicht anders, dh. eine Plausibilitätskontrolle und Überwachung der Einhaltung der Pflichten des Konsortialführers verlangend, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 83 f.; auch Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 108.

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füllung dieser Pflichten ist den einzelnen Konsorten das Verhalten der anderen Konsorten (in Betracht kommt insoweit § 278 BGB) oder der konsortialführenden Bank (in Betracht kommt insoweit § 831 BGB direkt oder analog) nicht zuzurechnen1. c) Mitverschulden (§ 45 Abs. 2 Nr. 3 BörsG, § 254 BGB) 97

Eine gesetzliche Sonderregelung der Frage der Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Anspruchstellers enthält § 45 Abs. 2 Nr. 3 BörsG: Nach dieser Bestimmung entfällt ein Prospekthaftungsanspruch aus § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 BörsG, wenn der Erwerber die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts bei dem Erwerb kannte2. Bloß fahrlässige Unkenntnis der Prospektmängel führt dementsprechend nicht etwa zu einer anteilsmäßigen Minderung des Prospekthaftungsanspruchs, sondern ist gänzlich unbeachtlich. Der Gesetzgeber betrachtet § 45 Abs. 2 Nr. 3 BörsG darüber hinaus als eine abschließende Regelung der Berücksichtigung eines Anlegermitverschuldens, mit der Folge, dass ein diesbezüglicher Einwand „außerhalb des Anwendungsbereichs“ dieser Vorschrift ausgeschlossen sein soll3. Das gilt jedenfalls im Hinblick auf ein Mitverschulden im Rahmen der Haftungsbegründung4.

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Im Bereich der Schadensermittlung und der haftungsausfüllenden Kausalität ist ein Mitverschulden des Anlegers nach § 254 BGB grundsätzlich zu berücksichtigen5. Das gilt vor allem im Hinblick auf eine Schadensminderungspflicht des Anspruchstellers (§ 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB). Diese umfasst aber nicht die Pflicht des Anlegers, den Markt zu beobachten und im Falle eines Wertverfalls (etwa infolge des Durchsickerns der Prospektmängel) die erworbenen Wertpapiere oder Vermögensanlagen zu veräußern6. Bei den hier in Frage stehenden Anlagen sind solche Überlegungen 1 Assmann, Prospekthaftung, S. 391; Bosch in Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 10/145; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 83; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 43; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 220; Hopt, Verantwortlichkeit, Rz. 116; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 110; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 11. 2 Die Regelung folgte derjenigen der investmentrechtlichen Prospekthaftungsbestimmungen in § 20 Abs. 3 Satz 2 KAGG aF und § 12 Abs. 3 Satz 2 AuslInvestmG aF, welche sich heute in § 127 Abs. 3 Satz 2 InvG findet. 3 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 80. Assmann in Assmann/ Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 59. 4 Ellenberger, Prospekthaftung, S. 66; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 298; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 68; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 56, 67. 5 Ellenberger, Prospekthaftung, S. 66; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 298; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 69; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 67. 6 Ein solcher Versuch findet sich bei Sittmann, NZG 1998, 490 (495). Ablehnend etwa Ehricke, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 243; Ellenberger, Prospekthaftung, S. 67 f.; Fleischer, Gutachten, S. F 70 f.; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 304 f.; Hauptmann, Prospekthaftung, § 3

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schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil für sie kein Sekundärmarkt existiert, wie ihn die Börse für börsengehandelte Wertpapiere darstellt. Dagegen ist nach der Änderung der börsengesetzlichen Prospekthaftungsbestimmungen durch das 3. FFG (siehe oben Rz. 3) jeglicher Sinn entfallen, weshalb ein Anleger verpflichtet sein sollte, den Prospektverantwortlichen einen Prospektmangel unverzüglich anzuzeigen1. 7. Schadensersatz a) Übersicht: Prospekthaftungsspezifische Regelung Die bis zu ihrer Änderung durch das 3. FFG v. 24.3.1998 (siehe oben Rz. 3) 99 geltende Prospekthaftungsregelung enthielt keine anspruchsspezifische Regelung des zu ersetzenden Schadens. § 45 Abs. 1 Satz 1 BörsG aF bestimmte allgemein, es sei derjenige Schaden zu ersetzen, der dem Anleger aus der von den Prospektangaben abweichenden Sachlage erwachse, was zur Folge hatte, dass sich die Schadensbemessung nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB richtete. § 46 Abs. 2 BörsG aF räumte jedoch den Ersatzpflichtigen die Möglichkeit ein, ihre Schadensersatzpflicht dadurch zu ersetzen, dass sie die vom Anleger erworbenen Papiere gegen Erstattung des Erwerbspreises oder des Preises, den die Wertpapiere zur Zeit der Einführung hatten, übernehmen. Demgegenüber werden in der neuen, heute geltenden Fassung des § 44 BörsG die Rechtsfolgen des Prospekthaftungsanspruchs in Gestalt des von den Anspruchsgegnern zu ersetzenden Schadens eindeutig und prospekthaftungsspezifisch festgelegt. Das schließt eine einzelfallbezogene Berechnung des Anlegerschadens zugunsten einer standardisierten Schadensermittlung aus. Auch die Neuregelung hat Vor- und Nachteile: Wird auf der einen Seite die 100 individuelle Schadensermittlung ausgeschlossen, so werden auf der anderen Seite die damit fraglos stets verbundenen Komplikationen vermieden, die Haftungsdrohung ihrem Umfang nach für alle Beteiligten berechenbarer und damit die Bereitschaft zur Aufnahme von Risikokapital eher gefördert. Zugleich ist die Typisierung der Schadensberechnung aber auch eine Folge der dem Anleger an anderen Stellen gewährten Erleichterungen bei der Geltendmachung eines Prospekthaftungsanspruchs.

Rz. 119; Fleischer/Kalss, AG 2002, 329 (334 f.); Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 72; Rothenhöfer, WM 2003, 2021 (2033 f.). 1 Wie hier Ellenberger, Prospekthaftung, S. 67; Fleischer/Kalss, AG 2002, 329 (335 f.); Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 45; Rothenhöfer, WM 2003, 2021 (2036); Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 67; Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 112. Differenzierungsversuche bei Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 71. AA Hauptmann, Prospekthaftung, § 3 Rz. 119; Mülbert/ Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 124 (ohne Begründung).

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101 Im Einzelnen ist danach zu unterscheiden, ob der Erwerber noch Inhaber der Wertpapiere bzw. der Vermögensanlagen ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BörsG) oder nicht (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a VerkProspG iVm. § 44 Abs. 2 BörsG). b) Erwerber ist noch Inhaber der Wertpapiere bzw. der Vermögensanlagen (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a und b VerkProspG, § 44 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BörsG) 102 Ist der Anspruchsberechtigte noch Inhaber der Wertpapiere bzw. der Vermögensanlage, so kann er nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG von den Prospektverantwortlichen als Gesamtschuldner die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises (siehe unten Rz. 103) verlangen, der allerdings der Höhe nach auf den ersten Ausgabepreis (siehe unten Rz. 104) bzw. – im Falle von Vermögensanlagen und Verkaufsprospekten (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b VerkProspG) – den ersten Erwerbspreis (siehe unten Rz. 105) begrenzt ist. Darüber hinaus sind gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG die mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten (siehe unten Rz. 103) zu erstatten. Die Beschränkung des Erwerbspreises auf den Ausgabepreis bzw. ersten Erwerbspreis geht auf die Erwägung zurück, die Veränderung des Preises der dem Prospekthaftungsanspruch unterliegenden Wertpapiere bzw. Vermögensanlagen sei von einer Vielzahl anderer Faktoren – ua. von der Marktentwicklung und den Marktdaten – abhängig, über die der Prospekt teils keine Angaben enthalte, teils keine Aussagen treffen könne1. 103 Der Erwerbspreis ist der vom Erwerber der Wertpapiere bzw. der Vermögensanlagen und Anspruchsteller tatsächlich gezahlte Preis. Zu den üblichen Kosten für den Erwerb der der Prospekthaftung unterfallenden Wertpapiere bzw. Vermögensanlage gehören v.a. die im Zusammenhang mit dem jeweiligen Geschäft zu zahlenden Provisionen und Transaktionskosten. Wurden die fraglichen Wertpapiere kraft Ausübung eines Bezugsrechts erworben, gehören zu den erstattungsfähigen Erwerbskosten auch die Aufwendungen für den Erwerb der Bezugsrechte2. 104 Der das Angebot von Wertpapieren und Wertpapierprospekte betreffende Ausgabepreis ist gleichbedeutend mit dem im WpPG verwandten Begriff des Emissionspreises (§ 8 Abs. 1 Satz 1 WpPG) und dem in der ProspektVO verwandten Begriff des Angebotspreises (Anhang III und V jeweils Nr. 5.3.1, Anhang IX Nr. 29.3.1 und Anhang XII Nr. 5.3 ProspektVO). Bei ihm handelt es sich in der Sache um den bei der Emission von Wertpapieren regelmäßig nach den Prospektangaben bei Zuteilung der Wertpapiere zu zahlenden Preis. Für den Fall, dass der Ausgabepreis der Wertpapiere (Emissionspreis) und die Gesamtzahl der öffentlich angebotenen Wertpapiere (Emissionsvolumen) im Prospekt nicht genannt werden können, ist Ausgabepreis der Preis, zu dem der Emittent die Wertpapiere veräußert. Der endgültige Emissions-

1 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 78. 2 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 78.

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preis und das Emissionsvolumen sind zudem stets am Tag der Veröffentlichung bei der BaFin zu hinterlegen (§ 8 Abs. 1 Satz 9 WpPG) und so unschwer zu ermitteln. Entsprechend gilt für so genannte Sekundär- oder Reemissionen zunächst nicht prospektpflichtig platzierter Wertpapiere als Ausgabepreis der im Prospekt angegebene oder vom Veräußerer im Zuge der Platzierung verlangte Preis. Für die der Prospekthaftung nach § 13 Abs. 1 VerkProspG unterfallenden Wertpapiere – selbst im Falle des öffentlichen Angebots bereits börsenzugelassener Wertpapiere – praktisch gegenstandslos ist die in § 44 Abs. 1 Satz 2 BörsG enthaltene Regelung: Fehlt es an der Festlegung eines Ausgabepreises, gilt gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 (Alt. 1) BörsG als Ausgabepreis der erste nach Einführung der Wertpapiere festgestellte oder gebildete Börsenpreis; werden die Papiere an mehreren inländischen Börsen eingeführt und weichen die an diesen gleichzeitig als erste Börsenpreise festgestellten oder gebildeten Preise voneinander ab, so ist gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 (Alt. 2) BörsG Ausgabepreis der höchste dieser Preise. Der erste Erwerbspreis ist der vom Ersterwerber der angebotenen Vermögensanlagen gezahlte Preis. Hat ein Anleger die Vermögensanlage, auf die sich der Prospekt bezieht, in der sechsmonatigen Angebotszeit (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG) von einem Dritten gekauft, so kann er von dem Anspruchsgegner keinen höheren Preis verlangen als den, den der Vorerwerber als erster Erwerber gezahlt hat.

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Dem Anspruch des Anlegers auf Erstattung des auf den Ausgabepreis begrenzten Erwerbspreises steht dessen Verpflichtung gegenüber, den Anspruchsgegnern die erworbenen, der Prospekthaftung unterliegenden Wertpapiere bzw. Vermögensanlagen herauszugeben. Die Erstattung des Erwerbspreises und die Übergabe der Wertpapiere bzw. der Vermögensanlagen sind Leistungen, die, was im Klageantrag zu berücksichtigen ist, Zug um Zug zu erfolgen haben1.

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Wurden Wertpapiere erworben und wohnt diesen keinerlei wirtschaftlicher 107 Wert mehr inne, etwa weil das in ihnen verbriefte Bezugs- oder Optionsrecht erloschen ist, so verliert das Übernahmerecht der Anspruchsgegner seinen Sinn; seine Geltendmachung ist unter den geschilderten Umständen als rechtsmissbräuchlich anzusehen2. Wurden indes Wertpapiere erworben, 1 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 78. Habersack in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 45; Mülbert/ Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 114, 119; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 44 BörsG, § 13 VerkProspG Rz. 64. 2 Hierzu und zum Folgenden RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 78. Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 44 BörsG Rz. 71; Wackerbarth in Holzborn, §§ 44, 45 BörsG Rz. 108. IE ebenso (Anspruch auf Rückgabe ausgeschlossen) Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 61; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 119. AA Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 45, der aber zumindest die Rückgabepflicht bei Erlöschen eines Optionsrechts als das im Wertpapier verbriefte Recht ablehnt.

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die gesondert und trennbar unterschiedliche Rechte verbriefen und ist nur eines der Rechte erloschen, so bleibt der Herausgabeanspruch hinsichtlich des Wertpapiers, welches das fortbestehende Recht verbrieft, bestehen. Wurde eines der trennbaren Rechte veräußert, ist das Wertpapier herauszugeben, welches das verbliebene Recht verbrieft; in diesem Falle ist der Erwerbspreis, der für das Wertpapier mit den trennbaren Rechten gezahlt wurde, um den Veräußerungspreis für das abgetrennte Recht zu mindern. Hat der Anleger Wertpapiere erworben, die ein Erwerbsrecht (etwa in Bezug auf ein anderes Wertpapier) zum Gegenstand haben, so ist die Ausübung des Rechts wie die Veräußerung des fraglichen Papiers zu behandeln und unterliegt den diesbezüglichen Regeln des § 44 Abs. 2 BörsG (siehe unten Rz. 108). c) Erwerber ist nicht mehr Inhaber der Wertpapiere bzw. der Vermögensanlagen (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a und b VerkProspG, § 44 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BörsG) 108 Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 BörsG kann der Erwerber, der nicht mehr Inhaber (dh. Besitzer) der Wertpapiere bzw. der Vermögensanlage (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a VerkProspG) ist, die Zahlung des Unterschiedsbetrags zwischen dem Erwerbspreis und dem Veräußerungspreis der Wertpapiere bzw. der Vermögensanlagen sowie die Erstattung der mit dem Erwerb und der Veräußerung verbundenen üblichen Kosten verlangen. Übersteigt der Veräußerungspreis den Erwerbspreis, so scheidet ein Schadensersatzanspruch auf Grund der Sonderregelung des § 44 Abs. 2 BörsG aus1. 109 Erwerbspreis ist der vom Erwerber der Wertpapiere bzw. der Vermögensanlagen und Anspruchsteller tatsächlich gezahlte Preis (siehe oben Rz. 103); Veräußerungspreis ist der bei dem Weiterverkauf der Wertpapiere bzw. der Vermögensanlagen tatsächlich erzielte Gegenwert einschließlich aller nichtpekuniären Gegenleistungen2, dh. in der Regel der erlangte Kaufpreis (siehe auch noch unten Rz. 110). Wiederum (siehe oben Rz. 102) kann als Erwerbspreis nur ein Preis bis zur Höhe des ersten Ausgabepreises bzw. des ersten Erwerbspreises (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b VerkProspG) geltend gemacht werden. Wurde ein Ausgabepreis nicht festgelegt, gilt nach § 44 Abs. 2 Satz 2 BörsG die Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 2 BGB (siehe oben Rz. 104) entsprechend. Im Übrigen sind die Begriffe des Erwerbs- und Ausgabepreises sowie der üblichen Kosten so auszulegen wie im Zusammenhang mit der Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG (siehe oben Rz. 103) dargelegt. 110 Wurden Wertpapiere erworben, die das Recht zum Erwerb eines anderen Wertpapiers (oder sonstigen Gegenstands) einräumen (wie etwa Optionsscheine oder Wandelschuldverschreibungen), so ist die Ausübung des Rechts wie eine Veräußerung des Wertpapiers zu behandeln3. Bei der Be1 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 79. 2 Vgl. Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 64. 3 Im RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 79, wird dies damit begründet, dass sich der Anleger mit der Ausübung des Rechts, wie bei der Veräußerung des Wertpapiers, der Verfügungsgewalt über das Papier begeben und dafür ein

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messung des Ersatzanspruchs des Anlegers ist dementsprechend als Veräußerungspreis der Wert des durch die Ausübung des Erwerbsrechts erlangten Wertpapiers oder sonstigen Gegenstands anzusetzen. Bei Optionsscheinen ist Veräußerungspreis der Unterschiedsbetrag zwischen dem zum Zeitpunkt der Rechtsausübung geltenden Markt- oder Börsenpreis des durch Ausübung des Rechts erworbenen Optionsgegenstands und dem Preis, zu dem das Recht zum Bezug desselben ausgeübt wurde; bei Wandelschuldverschreibungen ist Veräußerungspreis der im Zeitpunkt der Wandelung geltende Markt- oder Börsenpreis der durch diese erworbenen Wertpapiere1. 8. Verjährung (§ 46 BörsG) Der Anspruch nach § 13 VerkProspG iVm. § 44 BörsG verjährt gemäß § 46 BörsG in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Prospekts.

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Diese Vorschrift ist Folge einer zweifachen Änderung der Verjährungsrege- 112 lung der börsengesetzlichen Prospekthaftung: Nach § 47 BörsG in der bis zum 3. FFG v. 24.3.1998 (siehe oben Rz. 3) geltenden Fassung unterlag der Prospekthaftungsanspruch einer fünfjährigen Verjährungsfrist, beginnend mit dem Zeitpunkt der Zulassung der Wertpapiere. Die vielfach geforderte Verkürzung dieser Verjährungsfrist und ihre Anpassung an die entsprechenden seinerzeitigen investmentrechtlichen Verjährungsregeln (in § 20 Abs. 5 KAGG aF und § 12 Abs. 5 AuslInvestmG aF) hat der Gesetzgeber mit dem 3. FFG eingeführt. Danach verjährte der Prospekthaftungsanspruch in sechs Monaten seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Prospekts. An dieser Neuregelung wurde im Vorfeld der Gesetzesberatung vor allem gerügt, die Sechs-Monats-Frist stelle für den Anleger einen unzumutbar kurzen Zeitraum zur Prüfung eventueller Prospekthaftungsansprüche dar. Diese Argumentation hat sich der Gesetzgeber im 4. FFG v. 21.6.2002 (siehe oben Rz. 11) zu Eigen gemacht2 und die Sechs-Monats-Frist auf ein Jahr verlängert, nachdem noch der Bundesrat die börsengesetzliche Prospekthaftung der (mit der Schuldrechtsreform 2002 eingeführten) dreijährigen Regelverjährung nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB unterwerfen wollte3. Mit der Neuregewirtschaftliches Äquivalent erhalten habe, das dem Veräußerungspreis beim Verkauf des Papiers entspreche. 1 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 79. 2 RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017 v. 18.1.2002, S. 81 (zu § 45 des Entwurfs): „Um hier zu vermeiden, dass Anspruchsberechtigte gezwungen werden, vor einer umfassenden Klärung des Sachverhalts Klage zur Unterbrechung der Verjährung zu erheben, ist es daher angezeigt, die Frist auf ein Jahr zu verlängern.“ 3 Stellungnahme des Bundesrates zum RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (Beschluss) v. 20.12.2001, S. 24 (zu Art. 1 § 45 des RegE): „Auf den Anspruch … fin-

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lung der Verjährung des börsengesetzlichen Prospekthaftungsanspruchs wurde zugleich diejenige der seinerzeitigen investmentrechtlichen Prospekthaftungsansprüche – § 20 Abs. 5 aF, § 12 Abs. 5 AuslInvestmG aF – entsprechend geändert; dem entspricht die heutige Regelung in § 127 Abs. 5 InvG. 113 Die Verjährung beginnt nach § 46 BörsG in dem Zeitpunkt, in dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt. Wie allgemein im Zivilrecht bedeutet auch „Kenntnis“ im Sinne dieser Vorschrift tatsächliche (oder auch „positive“) Kenntnis; „Kennenmüssen“, dh Unkenntnis infolge von Fahrlässigkeit (§ 122 Abs. 2 BGB), reicht dazu nicht aus1. Die Kenntnis muss sich auf die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Prospektangaben und nicht auf die übrigen Voraussetzungen des Prospekthaftungsanspruchs beziehen. Dabei ist – schon wegen des deliktischen Charakters auch der börsengesetzlichen Prospekthaftungsbestimmung kann insoweit auf die Rechtsprechung zu § 852 BGB aF2 zurückgegriffen werden – der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Erwerber auf Grund der ihm bekannt gewordenen Tatsachen3 im Hinblick auf die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts eine Prospekthaftungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg erheben kann4. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung zu § 852 BGB aF es der Kenntnis gleichgestellt, wenn der Geschädigte „die Augen verschließt“, dh. sich die aufdrängende Kenntnis hätte in zumutbarer Weise ohne große Mühe verschaffen können5. 114 Die Voraussetzungen der Verjährung, also auch die Kenntnis der Unrichtigkeit oder der Unvollständigkeit von Prospektangaben, sind von demjenigen zu beweisen, der sich auf die Verjährung beruft, dh. vom Anspruchsgegner6. Im Übrigen finden die Vorschriften der §§ 203 ff. BGB über Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung Anwendung.

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den die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung entsprechende Anwendung.“ Hamann in Schäfer/Hamann, § 46 BörsG Rz. 4; Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 46 BörsG Rz. 3; Schwark in Schwark, § 46 BörsG Rz. 2. Heute entsprechend § 199 Abs. 1 bis 4 BGB. Vgl. BGH v. 2.4.1998 – III ZR 309/96, BGHZ 138, 247 (252). BGH v. 15.10.1992 – IX ZR 43/92, NJW 1993, 648 (653). BGH v. 17.11.1998 – VI ZR 32/97, NJW 1999, 423 (425). Ferner BGH v. 8.10.2002 – VI ZR 182/01, ZIP 2002, 2318 (2319), für den Fall, dass der Geschädigte es verabsäumt hat, eine gleichsam auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen und deshalb die Berufung auf Unkenntnis als Förmelei erscheint. Für die Übernahme dieser Grundsätze zur Auslegung von § 46 BörsG etwa Hamann in Schäfer/Hamann, § 46 BörsG Rz. 4. Hamann in Schäfer/Hamann, § 46 BörsG Rz. 4; Mülbert/Steup in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 138; Schwark in Schwark, § 46 BörsG Rz. 2.

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9. Haftungsbeschränkung (§ 47 Abs. 1 BörsG) Nach § 47 Abs. 1 BörsG ist eine Vereinbarung, durch die der Anspruch nach 115 § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG im Voraus ermäßigt oder erlassen wird, unwirksam. Schon der dieser Bestimmung entsprechende, durch das 3. FFG v. 24.3.1998 (siehe oben Rz. 3) neu gefasste § 48 Abs. 1 BörsG aF wurde dahingehend gedeutet, dass Vereinbarungen über die Beschränkung der Prospekthaftung vor dem Entstehen des Anspruchs unwirksam sind1. Der neue § 47 Abs. 1 BörsG stellt dies lediglich klar und bringt damit gleichzeitig deutlich zum Ausdruck, dass nachträgliche Vereinbarungen, wie etwa ein Vergleich, von der Bestimmung nicht erfasst werden. Steht außer Frage, dass die Beteiligten nach der Entstehung eines Anspruchs 116 aus § 44 BörsG beliebig über diesen disponieren dürfen, so ist doch unklar, ob dies die Kenntnis des Anspruchsberechtigten von der Entstehung eines Anspruchs verlangt. Der mit der Unwirksamkeitsanordnung einer Vorausvereinbarung über die Ermäßigung oder den Erlass eines Anspruchs aus § 44 BörsG verbundene Schutzzweck spricht dafür, denn eine im Voraus eingegangene generelle Ermäßigungs- oder Erlassvereinbarung ist nicht anders zu beurteilen als eine Verpflichtung, die in Unkenntnis eines dem Grunde nach entstandenen Anspruchs eingegangen wurde2. Soweit dies im Schrifttum anders beurteilt wird, wird behauptet, der „eindeutige Wortlaut und der Wille des Gesetzgebers“ sprächen gegen eine solche Auslegung und den mit ihr verbundenen „weitergehenden Schutz“ des Anlegers3. Die „für den eindeutigen Willen“ angeführte Begründung im RegE eines 3. FFG4 ist indes alles andere als eindeutig, denn sie besagt lediglich, was unbestritten ist (nämlich: „Ist der Anspruch entstanden, können die Beteiligten dagegen über diesen beliebig … verfügen“), lässt aber nicht erkennen, dass es für eine wirksame Ermäßigungs- oder Erlassvereinbarung allein auf das objektive Merkmal des Zeitpunkts der Entstehung des Anspruchs ankommen soll. Im Übrigen ist den schutzwürdigen Interessen des Anspruchsberechtigten und dem Erfordernis der Kenntnis von der Entstehung des Anspruchs aber auch nach der hier vertretenen Ansicht genügt, wenn die Möglichkeit eines Prospekthaftungsanspruchs im Raume stand und zumindest auf Grund der objektiven Umstände (wie etwa Pressemeldungen) davon auszugehen war, ein Anspruch aus § 44 BörsG könnte entstanden sein5. Schon wer sich bei Kenntnis der geringsten Möglichkeit eines Anspruchs aus § 44 BörsG auf eine Vereinbarung iS von § 47 Abs. 1 BörsG einlässt, ist nicht mehr schutzbedürftig.

1 Vgl. Assmann in Assmann/Schütze, 2. Aufl. 1997, § 7 Rz. 232. 2 IE wie hier Hamann in Schäfer/Hamann, § 47 BörsG Rz. 2. 3 So Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 47 BörsG Rz. 1. In der Sache ebenso Schwark in Schwark § 47 BörsG Rz. 1. 4 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 81. 5 Enger Hamann in Schäfer/Hamann, § 47 BörsG Rz. 2 (unter unzutreffender Berufung auf Assmann in Assmann/Schütze, 2. Aufl. 1997, § 7 Rz. 176, in welcher der Beginn der Verjährung behandelt wird).

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117 Darüber hinaus sind andere, gemäß § 47 Abs. 2 BörsG mit dem börsengesetzlichen Prospekthaftungsanspruch konkurrierende Ansprüche von dieser Regelung nicht betroffen. § 47 Abs. 1 BörsG betrifft darüber hinaus nur das Verhältnis der gesamtschuldnerisch Haftenden gegenüber dem Anspruchsteller und steht der Wirksamkeit interner Vereinbarungen der Haftenden über den Umfang der Haftung nicht entgegen1. 10. Konkurrenzen (§ 47 Abs. 2 BörsG) 118 Nach § 47 Abs. 2 BörsG schließt § 44 BörsG weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf Grund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen erhoben werden, nicht aus. Dagegen werden alle anderen Ansprüche wegen eines fehlerhaften Prospekts durch §§ 44 ff. BörsG verdrängt2. 119 Über die durch das 3. FFG v. 24.3.1998 (siehe oben Rz. 3) geänderte bisherige Regelung (in § 48 Abs. 2 BörsG aF3) hinausgehend, eröffnet § 47 Abs. 2 BörsG damit auch die Geltendmachung eines Anspruchs wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung. Da sich der auf mangelhaften Prospekten beruhende Anlegerschaden kaum anders denn als Vermögensschaden darstellen wird, kommen insoweit nur Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. einem Schutzgesetz (namentlich § 264a StGB4) und § 826 BGB5 in Betracht. Dabei ist unbestritten, dass weder § 13 VerkProspG noch §§ 44 ff. BörsG Schutzgesetze iS des § 823 Abs. 2 BGB sind6. 120 Des Weiteren soll mit der Neuregelung aber auch deutlich gemacht werden, dass Ansprüche aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung neben oder anstelle derjenigen aus § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG nicht erhoben werden können7. Da § 47 Abs. 2 BörsG Ansprüche auf Grund schuldrechtlicher Sonderverbindungen nicht ausschließen will, kann neben einem Anspruch aus 1 Groß, AG 1999, 199 (208), zugleich unter Zurückweisung möglicher Bedenken hiergegen unter dem Gesichtspunkt der Einlagenrückgewähr (§§ 57, 71 ff. AktG). 2 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 81 begründet dies mit der Überlegung, dass andernfalls die unter anderem mit der Neuregelung beabsichtigte Begrenzung des Haftungsrisikos für die Prospektverantwortlichen unterlaufen würde. 3 Vgl. Assmann in Assmann/Schütze, 2. Aufl. 1997, § 7 Rz. 236. 4 Vgl. BVerfG v. 29.2.1008 – 1 BvR 371/07, ZIP 2008, 1078 (Behandlung richtiger, aber schwer verständlicher Darstellungen von Tatsachen im Anlageprospekt als Kapitalanlagebetrug als Voraussetzung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 264a StGB). 5 Zur Prospekthaftung nach § 826 BGB siehe etwa BGH v. 28.2.2005 – II ZR 13/03, WM 2005, 736 f. Weiter die „ComROAD“-Fälle, zuletzt BGH v. 3.3.2008 – II ZR 310/06, WM 2008, 790 (Rz. 10 ff. mwN). 6 Bergdolt in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 47 BörsG Rz. 4; Groß, Kapitalmarktrecht, § 47 BörsG Rz. 2; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 28 Rz. 58; Kort, AG 1999, 9 (18); Pankoke in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 47 BörsG 11. 7 RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 81.

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§ 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG auch aus einem Anspruch aus c.i.c. (§ 311 Abs. 2 und 3 BGB) wegen persönlich in Anspruch genommenen Vertrauens vorgegangen werden1. 11. Gerichtliche Zuständigkeit § 48 BörsG aF erklärte für die Entscheidung über die Ansprüche nach § 44 121 BörsG sowie diejenigen, die nach § 47 Abs. 2 BörsG neben der Prospekthaftung geltend gemacht werden konnten und mit einem fehlerhaften Prospekt in Zusammenhang standen, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes das Landgericht ausschließlich für zuständig, in dessen Bezirk die Börse ihren Sitz hatte, deren Zulassungsstelle den Prospekt gebilligt oder im Falle des § 44 Abs. 4 BörsG den Emittenten von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts befreit hatte. Die Vorschrift ist durch Art. 8 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren v. 16.8.20052 gestrichen worden. An ihre Stelle ist der ebenfalls durch das vorgenannte Gesetz eingeführte § 32b ZPO getreten, der eine Regelung des ausschließlichen Gerichtsstands bei falscher oder irreführender öffentlicher Kapitalmarktinformation enthält. Nach § 32b Abs. 1 ZPO ist ua. für Klagen, mit denen der Ersatz eines auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursachten Schadens geltend gemacht wird, das Gericht ausschließlich am Sitz des betroffenen Emittenten zuständig, sofern sich der Sitz des Emittenten oder der Zielgesellschaft nicht im Ausland befindet. Zu den öffentlichen Kapitalmarktinformationen iS des § 32b Abs. 1 ZPO gehören auch die der börsengesetzlichen Prospekthaftung unterliegenden Prospekte (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KapMuG)3.

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Nach § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG, der wie die anderen vorgenannten Neuregelungen durch das Kapitalanleger-Musterverfahren eingeführt wurde, sind für Schadensersatzansprüche auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes die Landgerichte zuständig.

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1 So schon zu § 48 Abs. 2 BörsG aF Hamann in Schäfer, § 48 BörsG nF Rz. 3; Kort, AG 1999, 9 (18 f.). 2 BGBl. I 2005, 2437. 3 Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 KapMuG sind öffentliche Kapitalmarktinformationen „für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmte Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die einen Emittenten von Wertpapieren oder Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen“, wobei § 1 Abs. 1 Satz 4 Nrn. 1 und 2 KapMuG dazu insbesondere Angaben in Prospekten nach dem Wertpapierprospektgesetz und in Verkaufsprospekten nach dem Verkaufsprospektgesetz sowie dem Investmentgesetz zählt.

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Haftung bei fehlendem Prospekt

12. Rechtsschutz 124 Die Geltendmachung eines börsengesetzlichen Prospekthaftungsanspruchs ist diejenige eines Schadensersatzanspruchs auf Grund einer gesetzlichen Haftpflichtbestimmung. Eine Versicherungsgesellschaft kann deshalb ihrem Kunden, der bei ihr eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, nicht entgegenhalten, die Geltendmachung eines Anspruchs nach § 44 Abs. 1 BörsG stelle die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des „Rechts der Handelsgesellschaften“ dar, für die ein Rechtsschutz nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherungsgesellschaft ausgeschlossen sei1.

§ 13a Haftung bei fehlendem Prospekt (1) Der Erwerber von Wertpapieren, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, oder von Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 kann, wenn ein Prospekt entgegen § 3 Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierprospektgesetzes oder entgegen § 8f Abs. 1 Satz 1 nicht veröffentlicht wurde, von dem Emittenten und dem Anbieter als Gesamtschuldner die Übernahme der Wertpapiere oder Vermögensanlagen gegen Erstattung des Erwerbspreises, soweit dieser den ersten Erwerbspreis nicht überschreitet, und der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen, sofern das Erwerbsgeschäft vor Veröffentlichung eines Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot im Inland abgeschlossen wurde. Auf den Erwerb von Wertpapieren desselben Emittenten, die von den in Satz 1 genannten Wertpapieren nicht nach Ausstattungsmerkmalen oder in sonstiger Weise unterschieden werden können, ist Satz 1 entsprechend anzuwenden. (2) Ist der Erwerber nicht mehr Inhaber der Wertpapiere oder Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1, so kann er die Zahlung des Unterschiedsbetrags zwischen dem Erwerbspreis und dem Veräußerungspreis der Wertpapiere oder Vermögensanlagen sowie der mit dem Erwerb und der Veräußerung verbundenen üblichen Kosten verlangen. Absatz 1 Satz 1 gilt entsprechend. (3) Werden Wertpapiere oder Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 eines Emittenten mit Sitz im Ausland auch im Ausland öffentlich angeboten, besteht ein Anspruch nach Absatz 1 oder Absatz 2 nur, sofern die Wertpapiere oder Vermögensanlagen auf Grund eines im Inland abgeschlossenen

1 BGH 21.5.2003 – IV ZR 327/02, NJW 2003, 2384.

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§ 13a VerkProspG

Haftung bei fehlendem Prospekt

Geschäfts oder einer ganz oder teilweise im Inland erbrachten Wertpapierdienstleistung erworben wurden. (4) Der Anspruch nach den Absätzen 1 bis 3 besteht nicht, sofern der Erwerber die Pflicht, einen Prospekt oder Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, beim Erwerb kannte. (5) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 verjähren in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber Kenntnis von der Pflicht, einen Prospekt oder Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts. (6) Eine Vereinbarung, durch die ein Anspruch nach den Absätzen 1 bis 3 im Voraus ermäßigt oder erlassen wird, ist unwirksam. Weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes auf Grund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen erhoben werden können, bleiben unberührt. (7) Für Entscheidungen über Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gilt § 32b der Zivilprozessordnung entsprechend. In das am 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701) bekannt gemachte Gesetz eingefügt durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630). Schrifttum: Fleischer, Zur Haftung bei fehlendem Verkaufsprospekt im deutschen und US-amerikanischen Kapitalmarktrecht, WM 2004, 1897. Siehe auch das Schrifttum zu § 13 VerkProspG.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung und Regelungsgegenstand . . . . . . . . . II. Haftung bei fehlendem Prospekt: Die Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 1. Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts (§ 13a Abs. 1 Satz 1 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . 2. Anspruchsberechtigte: Erwerber und Erwerbsgeschäft (§ 13a Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2, Abs. 3 VerkProspG) . . 3. Wer haftet? Die Anspruchsgegner (§ 13a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 VerkProspG) . .

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4. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . 5. Verschulden . . . . . . . . . . . . 6. Mitverschulden (§ 13a Abs. 4 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . 7. Rechtsfolge (§ 13a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verjährung (§ 13a Abs. 5 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . 9. Haftungsbeschränkung (§ 13a Abs. 6 VerkProspG) . . 10. Gerichtliche Zuständigkeit (§ 13a Abs. 7 VerkProspG) . . 11. Konkurrenzen . . . . . . . . . . .

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§ 13a VerkProspG

Haftung bei fehlendem Prospekt

I. Normentwicklung und Regelungsgegenstand 1

Die Haftung bei fehlendem Prospekt nach § 13a VerkProspG ist durch Art. 2 Nr. 6 AnSVG v. 28.10.20041 in das VerkProspG eingeführt worden, mit dem AnSVG zum 1.7.2005 in Kraft getreten2 und seither nicht geändert worden.

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Mit der Einführung dieser Bestimmung reagierte der Gesetzgeber auf den Umstand, dass das öffentliche Angebot von Kapitalanlagen unter Verletzung der Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts zwar aufsichtsrechtliche und ordnungswidrigkeitsrechtliche Folgen nach sich ziehen konnte, ein Schadensersatzanspruch der Anleger, welche gleichwohl die angebotenen Anlagen erwarben, aber nicht leicht zu begründen und durchzusetzen war: Wer es als Anbieter pflichtwidrig unterließ, einen Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, handelte (nach der bis heute unveränderten Vorschrift) des § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG ordnungswidrig und musste mit der Untersagung des öffentlichen Angebots der Kapitalanlagen durch die Aufsichtsbehörde nach § 8b VerkProspG aF (heute § 8i Abs. 4 VerkProspG) rechnen, aber einem gesetzlichen Prospekthaftungsanspruch war er nicht ausgesetzt, denn die Haftung nach § 13 VerkProspG kam nur in Betracht, wenn ein Prospekt iS des VerkProspG fehlerhaft war3. Lediglich für den Fall, dass bei dem öffentlichen Angebot ein nicht gebilligter Prospekt zur Verwendung gelangte, wurde im Schrifttum teils eine analoge Anwendung der verkaufsprospektgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, teils die Heranziehung der Grundsätze der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung in Erwägung gezogen4. Beide Fälle sind nunmehr von § 13a VerkProspG erfasst5.

3

Die in § 13a VerkProspG formulierten Anspruchsvoraussetzungen und -ausschlüsse sind denen des Anspruchs wegen eines fehlerhaften Prospekts nach § 13 VerkProspG nachgebildet6. Dementsprechend – dh. dem Umstand geschuldet, dass die in § 13 VerkProspG geregelte Prospekthaftung auch Prospekte für das inländische Angebot von Wertpapieren betrifft, die nicht an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen7 – erfasst die Haftung bei fehlendem Prospekt nicht nur das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen iS von § 8f Abs. 1 VerkProspG, sondern auch das eine Prospektpflicht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG auslösende Angebot von Wert-

1 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BGBl. I 2004, 2630. 2 Art. 6 AnSVG, BGBl. I 2004, 2630. 3 Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 12 mwN. Vgl. auch RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 44. Zur Haftung bei fehlenden Verkaufsprospekten vor Einführung des § 13a VerkProspG Fleischer, WM 2004, 1897 ff. 4 Siehe Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 58 mwN. 5 Siehe unten Rz. 6 und Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 62. 6 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 44. 7 Im Falle der Börsenzulassung der angebotenen Wertpapiere richtet sich die Prospekthaftung unmittelbar nach §§ 44–47 BörsG (siehe Einl. WpPG Rz. 47).

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§ 13a VerkProspG

papieren, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind1.

II. Haftung bei fehlendem Prospekt: Die Anspruchsvoraussetzungen Gegenstand der Vorschrift ist die Haftung im Falle der pflichtwidrigen 4 Nichterstellung eines Verkaufsprospekts iS des VerkProspG bzw. eines Prospekts betreffend das Angebot von nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassenen Wertpapieren iS des WpPG (im Folgenden auch: Wertpapierprospekt). In den einzelnen Absätzen der Bestimmungen werden die Anspruchsvoraussetzungen, der Inhalt des Anspruchs, die Anspruchsberechtigten, die Anspruchsgegner, die Anspruchsverjährung, die Grenzen von Vereinbarungen über einen Anspruch und die gerichtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über Ansprüche aus § 13a VerkProspG geregelt. Die nachfolgenden Erläuterungen folgen einer systematischen Darstellung der in den einzelnen Absätzen der Vorschrift enthaltenen Regelungen zur Haftung bei fehlendem Prospekt. 1. Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts (§ 13a Abs. 1 Satz 1 VerkProspG) Die Haftung bei fehlendem Prospekt nach § 13a Abs. 1 VerkProspG setzt 5 voraus, dass entgegen § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG ein Wertpapierprospekt oder entgegen § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG ein Verkaufsprospekt nicht veröffentlicht wurde. Soweit es um die Haftung für einen fehlenden Wertpapierprospekt geht, kommen indes nur solche Wertpapierprospekte in Betracht, die das inländische öffentliche Angebot von Wertpapieren betreffen, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind. Das ergibt sich indirekt aus der Regelung in § 13a Abs. 1 Satz 1 VerkProspG, wonach Ansprüche wegen eines fehlenden Wertpapierprospekts nur von dem „Erwerber von Wertpapieren, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind“, geltend gemacht werden können. Weiter sieht die Vorschrift nur eine Haftung für entgegen § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG oder § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG nicht veröffentlichte Prospekte vor, weshalb für fehlende Nachträge iS von § 16 WpPG bzw. §§ 10, 11 VerkProspG nicht nach § 13a Abs. 1 VerkProspG gehaftet wird. Auch die fehlerhafte Veröffentlichung des gebilligten Verkaufsprospekts löst keine Haftung nach Abs. 1 aus2. Dass unterlassene Nachträge keine Haftung nach § 13a VerkProspG 1 Einer Regelung der Haftung für fehlende Prospekte bei Börsenzulassung der angebotenen Wertpapiere im BörsG bedarf es nicht, weil die Börsenzulassung der Wertpapiere einen nach den Vorschriften des WpPG erstellten und von der Aufsichtsbehörde geprüften Prospekt voraussetzt (§ 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG, § 48 Abs. 2 Satz 1 VermVerkProspV; siehe auch Einl. WpPG Rz. 47). 2 Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 53.

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Haftung bei fehlendem Prospekt

auslösen, hat zur Konsequenz, dass die fehlende Aktualisierung eines bei seiner Billigung durch die BaFin noch fehlerfreien, aber durch nachträgliche Veränderungen wesentlicher Umstände in der Sache unrichtig gewordenen Prospekts keine haftungsrechtlichen Konsequenzen nach sich zieht, da für einen nach seiner Billigung unrichtig gewordenen Prospekt nicht nach § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 BörsG gehaftet wird. Eine nahe liegende Korrektur dieses Umstands bestünde darin, § 13a VerkProspG auf pflichtwidrig unterlassene Nachträge auszudehnen; siehe dazu § 13 VerkProspG Rz. 36. 6

Zu den Voraussetzungen, unter denen nach dem WpPG bzw. dem VerkProspG eine Pflicht zur Prospekterstellung und -veröffentlichung besteht, ist auf die Erläuterungen zu § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG (Rz. 6 ff.) und § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG (Rz. 4 ff.) zu verweisen. Keinesfalls ist die Haftung deshalb ausgeschlossen, weil zwar kein nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpPG oder nach § 8i Abs. 1 VerkProspG von der BaFin gebilligter Prospekt veröffentlicht, das Angebot aber gleichwohl von einem Prospekt begleitet wurde, der möglicherweise sogar den Anforderungen des WpPG und des VerkProspG an den Inhalt und die Veröffentlichung eines Prospekts entsprach1. Umgekehrt schließt die Veröffentlichung eines gebilligten Prospekts, ungeachtet der Mängel, die dieser aufweisen mag, eine Haftung nach § 13a Abs. 1 VerkProspG aus2. Eine spätere Veröffentlichung eines gebilligten Prospekts beseitigt nicht den Anspruch derer aus Abs. 1, die vor Veröffentlichung eines Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot Wertpapiere oder Vermögensanlagen erworben haben, auf die sich der Prospekt bezieht3. Wurde im Hinblick auf eine Ausnahme von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts nach § 4 WpPG oder § 8f Abs. 2 VerkProspG von der Veröffentlichung eines Prospekts abgesehen, ohne dass die Voraussetzungen der Ausnahme gegeben waren, so ist die Voraussetzung einer Haftung nach § 13a Abs. 1 VerkProspG in Gestalt eines fehlenden Prospekts gegeben4. 2. Anspruchsberechtigte: Erwerber und Erwerbsgeschäft (§ 13a Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2, Abs. 3 VerkProspG)

7

Ein Anspruch aus § 13a Abs. 1 VerkProspG kann nach Abs. 1 Satz 1 nur vom Erwerber von Wertpapieren oder Vermögensanlagen geltend gemacht

1 Schon Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 58, 62. Ebenso Barta, NZG 2005, 305 (308); Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13a VerkProspG Rz. 6; Groß, Kapitalmarktrecht, § 13a VerkProspG Rz. 4; Kind in Arndt/ Voß, § 13a VerkProspG Rz. 5. AA wohl Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 52. 2 Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 58; Barta, NZG 2005, 305 (308); Mülbert/ Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 52. 3 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 44. 4 Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 25.

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werden, für die entgegen § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG oder § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG kein Prospekt veröffentlicht wurde. Das gilt ohne Einschränkung für den Erwerber, der noch Inhaber der Wertpapiere oder Vermögensanlagen ist. Ist der Erwerber dagegen nicht mehr Inhaber der Wertpapiere oder Vermögensanlagen, so steht dies einem Anspruch wegen fehlenden Prospekts nicht entgegen, vielmehr ändert sich in diesem Fall lediglich der Inhalt des Anspruchs (§ 13a Abs. 2 Satz 1 VerkProspG)1. Gleich ob der Erwerber noch Inhaber der Wertpapiere oder Vermögensanla- 8 gen ist, muss das Erwerbsgeschäft in Bezug auf die fraglichen Anlagen auf jeden Fall innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot im Inland abgeschlossen worden sein (§ 13a Abs. 1 Satz 1 VerkProspG)2. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem das Verpflichtungsgeschäft, dh. die obligatorische Seite des Erwerbsgeschäfts, vorgenommen wurde. Eine Ausdehnung der Haftung auf Erwerbsgeschäfte, die nach dem Ablauf des SechsMonats-Zeitraums erfolgten, ist de lege lata nicht begründbar. Insbesondere ist für eine teleologische Reduktion3 kein Raum, da sich keine Anhaltspunkte dafür finden, der Wortlaut der Bestimmung enge den Anwendungsspielraum planwidrig ein. Eine andere Frage ist, ob der Versuch, das Haftungsrisiko aus § 13a VerkProspG zu beschränken, durch die zeitliche Limitierung einerseits und die Wahl einer Frist von sechs Monaten andererseits rechtspolitisch korrekturbedürftig ist4. Darüber hinaus muss das Erwerbsgeschäft vor Veröffentlichung eines Prospekts erfolgt sein. Zu diesem Erfordernis, mit dem die Ursächlichkeit der unterlassenen Prospektveröffentlichung für den Anlegerschaden formuliert wird, siehe unten Rz. 19. Auf den Erwerb von Wertpapieren desselben Emittenten, die von den in § 13a Abs. 1 Satz 1 VerkProspG genannten Wertpapieren nicht nach Ausstattungsmerkmalen oder in sonstiger Weise unterschieden werden können, ist nach § 13a Abs. 1 Satz 2 VerkProspG die Regelung in § 13a Abs. 1 Satz 1 VerkProspG entsprechend anzuwenden.

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Werden Wertpapiere oder Vermögensanlagen eines Emittenten mit Sitz im Ausland auch im Ausland öffentlich angeboten, besteht ein Anspruch des Erwerbers wegen fehlenden Prospekts nach § 13a Abs. 3 VerkProspG nur für den Fall, dass die Wertpapiere oder Vermögensanlagen auf Grund eines im Inland abgeschlossenen Geschäfts oder einer ganz oder teilweise im Inland erbrachten Wertpapierdienstleistung erworben wurden5. Im Umkehrschluss heißt dies, dass es des Nachweises eines Inlandsgeschäfts oder einer

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1 Das entspricht der Regelung, die auf Grund von § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 2 BörsG für die Haftung wegen eines fehlerhaften Prospekts gilt. 2 Das entspricht der Regelung, die auf Grund von § 13 Abs. 1 iVm. § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG für die Haftung wegen eines fehlerhaften Prospekts gilt. 3 So aber Kind in Arndt/Voß, § 13a VerkProspG Rz. 7. 4 Gegen jede zeitliche Beschränkung Schäfer, ZGR 2006, 40 (48 f.). 5 Das entspricht der Regelung, die auf Grund von § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 3 BörsG für die Haftung wegen eines fehlerhaften Prospekts gilt.

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im Inland erbrachten Wertpapierdienstleistung auch dann nicht bedarf, wenn die Anlagen auch im Ausland öffentlich angeboten werden, der Emittent seinen Sitz jedoch im Inland hat. 3. Wer haftet? Die Anspruchsgegner (§ 13a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 VerkProspG) 11

Der Anspruch wegen fehlenden Prospekts richtet sich – gleich ob der Erwerber noch Inhaber der Wertpapiere oder Vermögensanlagen ist oder nicht – gegen den Emittenten und den Anbieter der erfassten Anlagen als Gesamtschuldner (§ 13a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 VerkProspG).

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Wer haftet, wenn der Emittent nicht der Anbieter der Wertpapiere oder Vermögensanlagen war und damit keiner Prospektpflicht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG oder § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG unterlag? Der Wortlaut des § 13a Abs. 1 Satz 1 VerkProspG legt die Annahme nahe, der Emittent hafte auch in solchen Fällen für das Fehlen eines Prospekts. Dieser Auslegung der Vorschrift kann indes nicht gefolgt werden, denn die Haftung nach § 13a VerkProspG ist eine Haftung für die pflichtwidrige Nichterstellung eines Prospekts und kann deshalb nur den treffen, dem das Gesetz eine solche Pflicht auferlegt1. Auch die Haftung für fehlerhafte Prospekte trifft den Emittenten nicht per se als Emittenten, sondern gemäß § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BörsG nur dann, wenn er für den Prospekt die Verantwortung übernommen hat, was nur im Falle seiner Prospektpflicht als Anbieter nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG oder § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG zwangsläufig der Fall ist, oder wenn der Erlass des Prospekts von ihm ausgeht. Deshalb kann es nur dann zu einer gesamtschuldnerischen Haftung von Emittent und Anbieter kommen, wenn der Emittent auch prospektpflichtiger Anbieter ist und neben ihm andere Anbieter auftreten2. Das mag angesichts des vorherrschenden Anlagevertriebs die Regel sein, ist aber nicht zwingend, was insbesondere der Fall einer nicht prospektpflichtigen Erstplatzierung und einer (ohne jedes Zutun des Emittenten) durch öffentliches Angebot an das Publikum vorgenommenen und damit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG prospektpflichtigen Zweitplatzierung durch den Ersterwerber belegt3. Eine andere Auslegung käme einer systemwidrigen Gefährdungshaftung des Emittenten gleich.

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Im wertpapierrechtlichen Sinne ist Emittent eines Wertpapiers, wer dieses als Aussteller desselben in den Verkehr bringt oder – in der Umschreibung von § 2 Nr. 9 WpPG, die auch im verkaufsprospekthaftungsrechtlichen Kon-

1 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 44. 2 Ebenso Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 71; Schäfer ZGR 2006, 40 (59); Wackerbarth in Holzborn, §§ 13, 13a VerkProspG Rz. 7 (S. 1028). 3 Für eine „teleologische Reduktion“ des § 13a Abs. 1 Satz 1 VerkProspG für diesen Fall Schäfer, ZGR 2006, 40 (60).

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text in Bezug auf Emittenten von Wertpapieren anzuwenden ist1 – jede Person oder Gesellschaft, die Wertpapiere begibt oder zu begeben beabsichtigt. Emittent einer Vermögensanlage ist dagegen, „in Erweiterung des wertpapierrechtlichen Emittentenbegriffs, im Sinne der Prospektrichtlinie, derjenige, der die Vermögensanlage erstmalig auf den Markt bringt und für seine Rechnung unmittelbar oder durch Dritte öffentlich zum Erwerb anbietet“2. Als Anbieter von Wertpapieren gilt nach § 2 Nr. 10 WpPG eine Person oder 14 Gesellschaft, die Wertpapiere öffentlich anbietet. Diese im verkaufsprospektgesetzlichen Kontext (vor seiner Änderung durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, siehe Einl. VerkProspG Rz. 1, 11) entstandene und deshalb auch in diesen übertragbare Umschreibung3 entspricht dem Verständnis des Anbieters von Vermögensanlagen im VerkProspG und namentlich in § 8f VerkProspG4. Zu diesem heißt es im RegE AnSVG, Anbieter von Vermögensanlagen sei derjenige, „der für das öffentliche Angebot der Vermögensanlage verantwortlich“ sei und „den Anlegern gegenüber nach außen erkennbar als Anbieter“ auftrete5. Soll danach nur der als Anbieter gelten, der den Anlegern als solcher erkennbar war, so schließt dies eine Erstreckung auf die im Verborgenen gebliebenen Hintermänner6 des Angebots aus7. Diese vermeintliche Lücke lässt sich auch nicht im Wege der Anwendung der Grundsätze der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung schließen (siehe dazu unten Rz. 31 f.).

1 Vgl. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29 zu § 2 Nr. 9 WpPG („Diese Begrifflichkeit findet sich auch im Verkaufsprospektgesetz“). 2 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42 zu § 8f Abs. 1 VerkProspG. 3 Vgl. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29 zu § 2 Nr. 10 WpPG („Das Begriffsverständnis entspricht dem des Verkaufsprospektgesetzes“). 4 Dies vernachlässigend spricht sich Schäfer, ZGR 2006, 40 (58 f.) für eine Orientierung an § 127 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 InvG aus, gelangt dabei aber im Wesentlichen zu keinen anderen Erkenntnissen. 5 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42 zu § 8f Abs. 1 VerkProspG. Ähnlich schon BAWe, Bekanntmachung des BAWe vom 6.9.1999 zum Verkaufsprospektgesetz und zur Verkaufsprospektverordnung, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180, Ziff. I. 3. 6 Das sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Personen, die – ohne Prospektverantwortliche („Prospektherausgeber“), Gründungsgesellschafter, Organmitglieder, Geschäftsführer oder Treuhänder zu sein – hinter dem Emittenten („Anlagegesellschaft“) stehen, besonderen Einfluss in der Gesellschaft oder auf die Konzeption des Anlagemodells ausüben und Mitverantwortung tragen, und zwar unabhängig davon, ob sie nach außen in Erscheinung getreten sind oder nicht. Zu Nachweisen und Einzelheiten siehe § 12 VermVerkProspV Rz. 30. 7 AA Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 72, die für eine extensive Auslegung des Begriffs des Anbieters plädieren.

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Emittent und der Anbieter von Wertpapieren oder Vermögensanlagen können und werden in der Regel identisch sein, doch ist dies nicht zwingend erforderlich1.

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– Vor allem im Falle der Emission von Wertpapieren in Gestalt von Aktien bedient sich der Emittent überwiegend eines Konsortiums von Banken, um die Papiere beim Publikum zu platzieren. Wie auch immer die Art der Platzierung der Wertpapiere durch das Emissionskonsortiums ausgestaltet sein mag und vom Publikum zur Kenntnis genommen werden kann, sind in solchen Fällen doch sowohl der Emittent als auch die Mitglieder des Emissionskonsortiums als Anbieter anzusehen2: Der Emittent, weil er im Sinne der vorstehend (Rz. 14) wiedergegebenen Umschreibung des Anbieters als derjenige gelten muss, „der für das öffentliche Angebot der Vermögensanlage verantwortlich“ ist und möglicherweise sogar – je nach den Umständen und den Kundgebungen an das Publikum – „den Anlegern gegenüber nach außen erkennbar als Anbieter“ erscheint; und das jeweilige Mitglied des Emissionskonsortiums, weil auch dieses idR „den Anlegern gegenüber nach außen erkennbar als Anbieter“ auftritt.

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– Bei der Emission anderer Wertpapiere als Aktien oder der Emission von Vermögensanlagen wiederum dürfte es nicht selten vorkommen, dass sich der Emittent zur Platzierung der Kapitalanlagen hierauf spezialisierter Vertriebsorganisationen bedient. Auch in diesen Fällen werden – entsprechend den vorstehenden Ausführungen (in Rz. 16) – sowohl der Emittent als auch das jeweilige Vertriebsunternehmen regelmäßig als Anbieter anzusehen sein. In diesen Fällen ist – wiederum regelmäßig neben dem Emittenten als dem für das Angebot Verantwortlichen – vor allem auch „derjenige als Anbieter anzusehen, der die Verantwortung für die Koordination der Vertriebsaktivitäten innehat. Als Indiz hierfür dienen insbesondere entsprechende Vereinbarungen mit dem Emittenten, Aufträge an Untervertriebe und Provisionsvereinbarungen“3.

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Nicht vertretbar ist nach Vorstehendem die Ansicht, in der Praxis könne es immer nur einen Anbieter geben, weshalb – da Emittent und Anbieter identisch sein könnten – die Vertriebsbanken, bspw. „die Banken als Vertriebspartner von verantwortlichen Fondsinitiatoren“, bei einer „Erstemission regelmäßig nicht selbst ‚Anbieter‘ im Sinne von § 8f VerkProspG sein“ könnten4.

1 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 42; Begr. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29. 2 So iE auch RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29 zu § 2 Nr. 10 WpPG. 3 RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 29 zu § 2 Nr. 10 WpPG. 4 So aber Manzei, WM 2006, 845 (848).

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4. Kausalität Für einen Anspruch aus § 13a Abs. 1 oder Abs. 2 VerkProspG ist es nicht er- 19 forderlich, dass der Anspruchsteller die Ursächlichkeit des pflichtwidrigen Fehlens eines Prospekts für den Erwerb der Anlage nachweist. Vielmehr wird die haftungsbegründende Kausalität der Pflichtverletzung vermutet1, sofern das Erwerbsgeschäft, dh. das Geschäft, mit dem der Anspruchsteller Wertpapiere oder Vermögensanlagen erworben hat, vor der Veröffentlichung eines Prospekts erfolgte2. Die Vermutung ist widerleglich3. Dabei ist wiederum auf die obligatorische Seite des Erwerbsgeschäfts abzustellen. Folgte dem Erwerbsgeschäft die verspätete Veröffentlichung eines Prospekts, lässt dies den Anspruch aus § 13a Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 VerkProspG unberührt4. Die Regelung des § 13a Abs. 4 VerkProspG, nach der ein Anspruch aus § 13a Abs. 1 bis Abs. 3 VerkProspG ausscheidet, wenn der Erwerber die Pflicht, einen Prospekt oder Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, beim Erwerb kannte, wird hier als eine solche des haftungsausschließenden Mitverschuldens betrachtet und (dementsprechend unten in Rz. 24) behandelt. Wendet der Anspruchsgegner ein, der Eintritt des Erfolgs in Gestalt des Er- 20 werbs der Anlage wäre auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten, weil der Anleger die fragliche Anlage auch bei ordnungsgemäßer Prospektveröffentlichung erworben hätte, so wird damit ein allgemein und im Zusammenhang mit der Prospekthaftung zu beachtender5 fehlender Pflichtwidrigkeitszusammenhang6 geltend gemacht. Der Wegfall der Haftung bei fehlendem Pflichtwidrigkeitszusammenhang hat in § 45 Abs. 2 Nr. 1 BörsG Anerkennung gefunden und ist damit schon kraft gesetzlicher Regelung auch bei der Prospekthaftung nach § 13 Abs. 1 VerkProspG zu berücksichtigen. Dass eine entsprechende gesetzliche Regelung in § 13a VerkProspG

1 Schäfer, ZGR 2006, 40 (53); auch Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 92 f. Diese dogmatische Feinsinnigkeit übersehen Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13a VerkProspG Rz. 13; Bohlken/Lange, DB 2005, 1261 („Kausalität wird nicht verlangt“); Kind in Arndt/Voß, § 13a VerkProspG Rz. 12. 2 Das entspricht der Regelung, die auf Grund von § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 45 Abs. 2 Nr. 1 BörsG für die Haftung wegen eines fehlerhaften Prospekts gilt. 3 Ebenso Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 92 f. 4 Vgl. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 44. 5 Siehe dazu Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 177 mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung. 6 Bei fehlendem Pflichtwidrigkeitszusammenhang wird der Erfolg eines tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Handelns oder Unterlassens dem Betreffenden nicht zugerechnet und kann von daher als eine Frage der Kausalität und der Zurechenbarkeit derselben angesehen werden. Vgl. zum Ganzen Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl. 2006, Vor §§ 13 ff. StGB Rz. 91 f., 99. Aus zivilrechtlicher Sicht etwa Oetker in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 249 BGB Rz. 212 ff. Im Zusammenhang mit der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung Assmann in Assmann/Schütze, § 6 Rz. 177.

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fehlt, spricht nicht gegen die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes1. Die fehlende Ursächlichkeit der Prospektveröffentlichung für den Anlageerwerb ist vom Anspruchsgegner zu beweisen2. 5. Verschulden 21

Dem Wortlaut des § 13a VerkProspG fehlt eine Formulierung, der zufolge die Haftung für einen fehlenden Prospekt ein Verschulden des Anspruchsgegners voraussetzt. Das hat zu der Ansicht geführt, die Haftung nach § 13a Abs. 1 und Abs. 2 VerkProspG sei eine verschuldenslose3, zumal sich im Referentenentwurf des AnSVG4 eine § 45 Abs. 1 BörsG entsprechende Verschuldensregelung fand, die im Regierungsentwurf des § 13 VerkProspG fehlte. Jedoch überwiegen die Zweifel, ob der Gesetzgeber damit die Haftung aus § 13a Abs. 1 und Abs. 2 VerkProspG als eine verschuldenslose Haftung ausgestalten wollte. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Haftung nach § 13a Abs. 1 und Abs. 2 VerkProspG Verschulden voraussetzt5.

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Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Haftung für einen fehlenden Prospekt eine Haftung für pflichtwidriges Handeln darstellt6, die im deutschen Rechtssystem regelmäßig als Verschuldenshaftung ausgestaltet ist7. Das gilt sowohl für die Verletzung von Pflichten aus dem Schuldverhältnis 1 Ohne auf die § 45 Abs. 2 Nr. 1 BörsG zu Grunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken einzugehen, lehnt Fleischer, BKR 2004, 339 (346 f.), diese Ansicht unter Berufung auf den Wortlaut des § 13a VerkProspG, der keine der börsengesetzlichen Regelung entsprechende Bestimmung enthalte, ab; dem zustimmend Manzei ,WM 2006, 845 (851). Die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes wäre aber selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn man in § 13a VerkProspG eine strikte, verschuldenslose Haftung sehen wollte (dazu unten Rz. 23), da in diesem Falle nachgewiesen werden müsste, dass sich das einer Gefährdungshaftung unterworfene Risiko tatsächlich nicht realisiert hat. 2 Nicht zu folgen ist der Ansicht von Bohlken/Lange, DB 2005, 1259 (1261), ein Anlageerwerb auch bei Prospektveröffentlichung ließe sich, ohne den Inhalt des nicht veröffentlichten Prospekts in die Betrachtung mit einzubeziehen, nicht beweisen und müsse von daher ausscheiden. 3 Namentlich Fleischer, BKR 2004, 339 (346), und Fleischer, WM 2004, 1897 (1901). Ebenso Barta, NZG 2005, 305 (306 f.); Benecke, BB 2006, 2597 (2600); Becker in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 13a VerkProspG Rz. 13; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2008, § 28 Rz. 66; Kind in Arndt/Voß, § 13a VerkProspG Rz. 14; Wackerbarth in Holzborn, §§ 13, 13a VerkProspG Rz. 7 (S. 1028). 4 § 13a Abs. 4 Satz 1 RefE AnSVG, abgedruckt in ZBB 2004, 168 (194). 5 Ebenso Bohlken/Lange, DB 2005, 1259 (1261); Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 111; Schäfer, ZGR 2006, 40 (52). 6 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 44 („pflichtwidrige Nichterstellung“). 7 Eine Garantiehaftung für fehlenden Prospekt wäre auch nach Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 111, ein Fremdkörper im System der Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation; auch Schäfer, ZGR 2006, 40 (52).

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Assmann

Haftung bei fehlendem Prospekt

§ 13a VerkProspG

(§§ 280 ff. BGB) als auch für die Verletzung von Verkehrspflichten und die Deliktshaftung. Qualifiziert man die Haftung für einen fehlenden Prospekt als deliktische1, so würde der mit einer verschuldenslosen Haftung begründete Gefährdungshaftungstatbestand nur schwerlich in das für die Gefährdungshaftung geltende deutsche System passen. Dieses knüpft daran an, dass jemand eine Gefahrenquelle zum eigenen Vorteil unterhält und beherrscht und deshalb die Schäden soll ersetzen müssen, die Dritten – unabhängig davon, ob sich diese Schäden durch Maßnahmen pflichtgemäßer Sorgfalt hätten vermeiden lassen – aus der Realisierung der mit dem Betrieb verbundenen Gefahren entstehen2. Doch wie auch immer man die Haftung aus § 13a VerkProspG für fehlende Prospekte einordnet, hätte der Gesetzgeber den außergewöhnlichen Fall der Einführung einer verschuldenslosen Haftung nicht unkommentiert gelassen. Entsprechende Ausführungen wären für diesen Fall umso mehr zu erwarten gewesen, als in der Regierungsbegründung mehrfach hervorgehoben wird, die Anspruchsvoraussetzungen des § 13a VerkProspG seien denjenigen der – unstreitig als Verschuldenshaftung ausgestalteten – Haftung für einen fehlerhaften Wertpapierprospekt oder Vermögensanlage-Verkaufsprospekt nachgebildet3. Auch in der Sache wäre es ein Systembruch4, die Haftung für fehlende Prospekte einer strenge1 Das entspricht dem verbreiteten Verständnis der gesetzlichen Prospekthaftungsbestimmungen – namentlich der börsengesetzlichen – als deliktische. Siehe etwa, jeweils mwN, Assmann, Prospekthaftung, S. 241 ff.; Assmann in Assmann/ Schütze, § 6 Rz. 28; von Bar, ZGR 1983, 476 (496 ff.); Bischoff, WM 2002, 489 (491); Frohne, Prospektpflicht, S. 66; Gebauer, Börsenprospekthaftung, S. 77 ff. Nach aA handelt es sich um einen Fall der kraft Gesetzes eintretenden Vertrauenshaftung. Siehe etwa, ebenfalls jeweils mwN, Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2277; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 7; Ellenberger, Prospekthaftung, S. 9; Hamann in Schäfer/Hamann, §§ 44, 45 BörsG Rz. 36. 2 Vgl. statt vieler und mwN Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 5. Aufl. 2009, § 24 Rz. 519 ff.; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II, Teilband 2, 8. Aufl. 2000, S. 129 f., 147 f.; Kötz, Gefährdungshaftung, in Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. II, 1981, S. 1781, 1786 ff.; Wagner in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, Vor § 823 BGB Rz. 17. 3 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 44 (Hervorhebung hinzugefügt): „Durch die Einführung des § 13a wird eine entsprechende Haftungsnorm geschaffen, wenn ein Wertpapier-Verkaufsprospekt oder ein Verkaufsprospekt für die Anlageformen des § 8f pflichtwidrig nicht erstellt wurde. Dabei sind die Anspruchsvoraussetzungen und -ausschlüsse denen des Anspruchs wegen eines fehlerhaften Prospekts nachgebildet.“ Darauf weist auch Schäfer, ZGR 2006, 40 (51), hin. 4 Zutreffend Schäfer, ZGR 2006, 40 (52) („systemwidrig“); ähnlich Bohlken/Lange, DB 2005, 1259 (1261), mit dem Hinweis, sonst träten „Wertungswidersprüche“ auf. Da es um das deutsche Haftungssystem geht, lässt sich dagegen nicht – etwa mit Fleischer, BKR 2004, 339 (346) – anführen, die strikte Haftung fände im USamerikanischen Recht einen Rückhalt. Nicht zwingend ist allerdings auch der Hinweis, die Nichtveröffentlichung eines Prospekts nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG stelle eine Ordnungswidrigkeit nur bei Vorsatz und Leichtfertigkeit (welche in etwa grober Fahrlässigkeit entspricht) dar, weil sich zivilrechtliche und ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktionen nicht decken müssen und Letztere stets Verschulden voraussetzen.

Assmann

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§ 13a VerkProspG

Haftung bei fehlendem Prospekt

ren Haftung zu unterwerfen als die für fehlerhafte Prospekte, nachdem der Gesetzgeber über Jahrzehnte eine zivilrechtliche Haftung für fehlende Prospekte nicht für regelungsbedürftig und bei Einführung des § 13a VerkProspG für nicht gegeben betrachtete1. 23

Ist die fehlende Verschuldensregelung deshalb als planwidrige Lücke anzusehen2, so legt das Vorhaben des Gesetzgebers, die Haftung aus § 13a VerkProspG für fehlende Prospekte derjenigen für fehlerhafte Prospekte nachzubilden, die entsprechende Anwendung von § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 45 Abs. 1 BörsG nahe3. Diese sehen im Hinblick auf den Verschuldensnachweis eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Anspruchsgegners vor, beschränken dessen Haftung aber, entgegen § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB, auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Dem damit verbundenen Nachteil des Ausschlusses der Haftung für leichte Fahrlässigkeit steht der unbestreitbare Vorteil einer rechtlich abgesicherten Beweislastumkehr gegenüber, was im Interesse des Anlegerschutzes gegen eine Heranziehung von § 276 Abs. 1 BGB zur Lückenfüllung spricht. 6. Mitverschulden (§ 13a Abs. 4 VerkProspG)

24

Eine gesetzliche Sonderregelung der Frage der Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Anspruchstellers enthält § 13a Abs. 4 VerkProspG: Nach dieser Bestimmung scheidet ein Anspruch aus § 13a Abs. 1 bis Abs. 3 VerkProspG aus, wenn der Erwerber die Pflicht, einen Prospekt oder Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, beim Erwerb kannte4. Die haftungsausschließende Kenntnis des Anlegers ist vom Anspruchsgegner nachzuweisen5. 7. Rechtsfolge (§ 13a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VerkProspG)

25

Wie bei der Haftung für fehlerhafte Prospekte6 ist auch bei derjenigen für fehlende Prospekte im Hinblick auf das Anspruchsziel danach zu differenzieren, ob der Erwerber noch Inhaber der Wertpapiere bzw. Vermögensanlage ist oder nicht:

26

– Ist der Anspruchsteller noch Inhaber der Wertpapiere oder Vermögensanlagen, so kann er nach § 13a Abs. 1 Satz 1 VerkProspG von dem Emit-

1 So die Feststellung in RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 44: „Nach der bisherigen Rechtslage besteht ein Anspruch des Anlegers nur bei fehlerhaften Prospekten“. 2 Wie hier Bohlken/Lange, DB 2005, 1259 (1261); Schäfer, ZGR 2006, 40 (53). AA namentlich Barta, NZG 2005, 305 (307) („kein Versehen“). 3 Dafür auch Schäfer, ZGR 2006, 49 (52). 4 Das entspricht der Regelung, die auf Grund von § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 45 Abs. 2 Nr. 3 BörsG für die Haftung wegen eines fehlerhaften Prospekts gilt. 5 Vgl. auch Schäfer, ZGR 2006, 40 (55). 6 Siehe § 13a Abs. 1 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 2 BörsG.

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Haftung bei fehlendem Prospekt

§ 13a VerkProspG

tenten und dem Anbieter als Gesamtschuldner die Übernahme der Wertpapiere oder Vermögensanlagen gegen Erstattung des Erwerbspreises und der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen. Allerdings besteht der Anspruch auf Erstattung des Erwerbspreises nur in dem Umfang, in dem dieser den ersten Erwerbspreis nicht überschreitet. Die Regelung entspricht derjenigen in § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG und unterscheidet sich von dieser nur in der Hinsicht, dass der § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG verwandte und auf die Zulassung der Wertpapiere zum Börsenhandel zurückgehende Maßstab des „Ausgabepreises der Wertpapiere“ durch denjenigen des ersten Erwerbspreises der nicht börsennotierten Wertpapiere oder Vermögensanalagen ersetzt wird. Deshalb kann auf die Ausführungen zur Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG im Rahmen der Erläuterungen zu § 13 VerkProspG Rz. 103 ff. verwiesen werden. – Ist der Anspruchsteller nicht mehr Inhaber der Wertpapiere oder Ver- 27 mögensanlagen, so kann er nach § 13a Abs. 2 Satz 1 VerkProspG die Zahlung des Unterschiedsbetrags zwischen dem Erwerbspreis und dem Veräußerungspreis der Wertpapiere oder Vermögensanlagen sowie der mit dem Erwerb und der Veräußerung verbundenen üblichen Kosten verlangen. Die Vorschrift entspricht derjenigen in § 44 Abs. 2 Satz 1 BörsG, mit dem einzigen Unterschied, dass sie mangels der Zulassung der von ihr erfassten Wertpapiere zum Börsenhandel der börsengesetzlichen Regelung nicht bedarf, der zufolge der Erwerbspreis den ersten Ausgabepreis der Wertpapiere nicht überschreiten darf. Mit dieser Einschränkung kann auch diesbezüglich auf die Ausführungen zur Regelung des § 44 Abs. 2 Satz 1 BörsG im Rahmen der Erläuterungen zu § 13 VerkProspG Rz. 109 ff. verwiesen werden. 8. Verjährung (§ 13a Abs. 5 VerkProspG) Gemäß § 13a Abs. 5 VerkProspG verjähren die Ansprüche nach § 13a Abs. 1 bis Abs. 3 VerkProspG in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber Kenntnis von der Pflicht, einen Prospekt oder Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts1.

28

9. Haftungsbeschränkung (§ 13a Abs. 6 VerkProspG) Nach § 13a Abs. 6 Satz 1 VerkProspG ist eine Vereinbarung, durch die ein Anspruch nach § 13a Abs. 1 bis Abs. 3 VerkProspG im Voraus ermäßigt oder erlassen wird, unwirksam. Weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf Grund von Verträgen oder vorsätzli-

1 Das entspricht der Regelung, die auf Grund von § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 46 BörsG für die Haftung wegen eines fehlerhaften Prospekts gilt.

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§ 13a VerkProspG

Haftung bei fehlendem Prospekt

chen unerlaubten Handlungen erhoben werden können, bleiben gemäß § 13a Abs. 6 Satz 2 VerkProspG unberührt1. 10. Gerichtliche Zuständigkeit (§ 13a Abs. 7 VerkProspG) 30

Für Entscheidungen über Ansprüche nach § 13a Abs. 1 bis Abs. 3 VerkProspG erklärt § 13a Abs. 7 VerkProspG § 32b ZPO für entsprechend anwendbar. Nach dieser Vorschrift, die auf Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren v. 16.8.20052 zurückgeht, ist für Klagen, mit denen der Ersatz eines auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursachten Schadens geltend gemacht wird, das Gericht ausschließlich am Sitz des betroffenen Emittenten zuständig, sofern sich der Sitz des Emittenten oder der Zielgesellschaft nicht im Ausland befindet. Nach § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG, der – parallel zu § 32b ZPO – durch Art. 3 Nr. 1 des vorerwähnten Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren eingeführt wurde, sind für Schadensersatzansprüche auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes die Landgerichte zuständig. 11. Konkurrenzen

31

Wird ein prospektpflichtiges Angebot von einem Prospekt begleitet, der nicht von der BaFin gebilligt wurde, so wird für diesen Prospekt nicht nach Maßgabe von § 13 VerkProspG gehaftet (siehe § 13 VerkProspG Rz. 16). In diesem Falle haften jedoch Emittent und Anbieter der Wertpapiere nach Maßgabe von § 13a VerkProspG. Da als Anbieter von Wertpapieren und Vermögensanlagen im Sinne dieser Bestimmung aber nur derjenige gilt, der für das öffentliche Angebot der Vermögensanlage verantwortlich ist und den Anlegern gegenüber nach außen erkennbar als Anbieter auftritt, unterliegen die im Verborgenen gebliebenen so genannten Hintermänner des Angebots nicht der Haftung für fehlende Prospekte (siehe oben Rz. 14). Wurde das nach § 3 Abs. 1 WpPG oder § 8f VerkProspG prospektpflichtige Angebot aber von einem nicht gebilligten Prospekt begleitet, stellt sich die Frage, ob auf diesen Prospekt die Grundsätze der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung anwendbar sind und somit auch die Hintermänner in die Haftung einbezogen werden können.

32

Angesichts der Beschränkung der Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG auf von der BaFin gebilligte Prospekte bestand dafür vor der Einführung des § 13a VerkProspG fraglos Bedarf, da inhaltliche Mängel des tatsächlich verwandten Prospekts, welcher den Anlegern als einzige Informationsgrund1 Die Regelung in § 13a Abs. 6 Sätze 1 und 2 VerkProspG entspricht derjenigen, die auf Grund von § 13 Abs. 1 VerkProspG iVm. § 47 Abs. 1 und Abs. 2 BörsG für die Haftung wegen eines fehlerhaften Prospekts gilt. 2 BGBl. I 2005, 2438.

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§ 13a VerkProspG

Haftung bei fehlendem Prospekt

lage für ihre Anlageentscheidung diente, keine Haftung nach sich gezogen hätten. Mit der Einführung des § 13a VerkProspG ist diese Schutzlücke jedoch geschlossen worden. Damit ist zugleich die Haftung für fehlerhafte und fehlende Prospekte eines prospektpflichtigen Angebots abschließend geregelt. Dass die Lückenschließung nicht im Wege der Haftung für die Fehlerhaftigkeit des tatsächlich verwandten Prospekts, sondern durch die Schaffung eines neuen Tatbestands der Haftung für fehlende Prospekte geschah und dabei aber eine Haftung von Hintermännern im Rahmen der Haftung nach § 13a VerkProspG ausgeschlossen wurde, rechtfertigt es nicht, diese vermeintlich verbleibende Schutzlücke weiter durch die Anwendung der Grundsätze der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung auf nicht gebilligte Prospekte zu erstrecken.

V. Abschnitt (§§ 14, 15 weggefallen)

Assmann

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§ 13a VerkProspG

Haftung bei fehlendem Prospekt

lage für ihre Anlageentscheidung diente, keine Haftung nach sich gezogen hätten. Mit der Einführung des § 13a VerkProspG ist diese Schutzlücke jedoch geschlossen worden. Damit ist zugleich die Haftung für fehlerhafte und fehlende Prospekte eines prospektpflichtigen Angebots abschließend geregelt. Dass die Lückenschließung nicht im Wege der Haftung für die Fehlerhaftigkeit des tatsächlich verwandten Prospekts, sondern durch die Schaffung eines neuen Tatbestands der Haftung für fehlende Prospekte geschah und dabei aber eine Haftung von Hintermännern im Rahmen der Haftung nach § 13a VerkProspG ausgeschlossen wurde, rechtfertigt es nicht, diese vermeintlich verbleibende Schutzlücke weiter durch die Anwendung der Grundsätze der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung auf nicht gebilligte Prospekte zu erstrecken.

V. Abschnitt (§§ 14, 15 weggefallen)

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VI. Abschnitt Gebühren; Bekanntgabe und Zustellung; Bußgeld- und Übergangsvorschriften § 16 Gebühren Die Bundesanstalt erhebt für die Amtshandlungen nach diesem Gesetz und nach den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften Gebühren. Das Bundesministerium der Finanzen bestimmt die Gebührentatbestände im Einzelnen und die Höhe der Gebühren durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. In der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701), zuletzt geändert durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. 2008; Schäfer, Stand und Entwicklungstendenzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung, ZGR 2006, 40; v. Dreising, Kommentar zum Verwaltungskostengesetz, 1971. Siehe auch Einl. VerkProspG und § 8f VerkProspG.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . .

1

II. Regelungsgehalt . . . . . . . . .

2

III. Materieller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bemessungsgrundlage . . . . . 2. Auslegung des Begriffs „Verkaufsprospekt“ . . . . . . .

3 4 9

3. Einteilung von Vermögensanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wesentliche Merkmale . . . . 5. Streitfälle . . . . . . . . . . . . . .

15 20 30

IV. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . .

44

V. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . .

45

I. Normentwicklung 1

Die zum Zwecke der Deckung der Kosten der Zulassungs- und Hinterlegungsstellen schon in der ursprünglichen Fassung des VerkProspG als seinerzeitiger § 17 VerkProspG (aF) enthaltene Vorschrift ist mehrfach geändert worden: Zunächst durch das 2. FFG1, welches ua. die Bestimmung in

1 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz – 2. FFG) v. 26.7.1994, BGBl. I 1994, 1749.

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Gebühren

§ 16 VerkProspG

§ 16 des Gesetzes änderte, dann durch das 3. FFG1, das FinDAG2 sowie das 4. FFG3. Durch Art. 2 Nr. 12 des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes4 erhielt die Bestimmung ihre derzeitige Fassung.

II. Regelungsgehalt § 16 VerkProspG erklärt allgemein die Amtshandlungen der BaFin auf 2 Grund dieses Gesetzes und der auf ihm beruhenden Rechtsvorschriften für gebührenpflichtig. Die Festlegung der gebührenpflichtigen Amtshandlungen und die Ausgestaltung der Gebührenhöhe wird der Festlegung einer nach § 16 Satz 2 und 3 VerkProspG zu erlassenen Rechtsverordnung5 überlassen.

III. Materieller Anwendungsbereich Der wichtigste Gebührentatbestand betrifft die Gebühren, die für die Hinterlegung eines Verkaufsprospekts anfallen, vgl. Nr. 1 der Anlage zu § 2 Abs. 1 VermVerkProspGebV (Gebührenverzeichnis). Durch die Inanspruchnahme der BaFin durch den Anbieter einer Vermögensanlage mit der Hinterlegung seines entsprechenden Verkaufsprospekts bei der Behörde entsteht ein Aufwand, der durch die Gebühr abgedeckt wird.

3

1. Bemessungsgrundlage Eine in der Praxis heftig umstrittene Frage betrifft die Bestimmung der Be- 4 messungsgrundlage für die Gebührenermittlung für das Hinterlegungsverfahren6. Für eine Steigerung der Attraktivität des Angebots bieten einzelne Anbieter dem Publikum Variationen im zwischen Anleger und Emittentin einzugehenden Rechtsverhältnis an, zB eröffnet der Anbieter dem Anleger die Möglichkeit, sich an der Vermögensanlage in Form einer Kommanditbeteiligung oder auch alternativ als stiller Gesellschafter zu beteiligen; oder der Anleger hat die Möglichkeit, höhere Gewinnbeteiligungen beim Eingehen längerer Mindestlaufzeiten zu erzielen. Der Grund für diese Verfahrensweise ist, dass der Anbieter sich eine Erschließung einer größeren Kunden1 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz – 3. FFG) v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, 529. 2 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) v. 22.4.2002, BGBl. I 2002, 1310. 3 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz – 4. FFG) v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, 2010. 4 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 22.6.2005, BGBl. I 2005, 1698. 5 Verordnung über die Gebühren für die Amtshandlungen betreffend Verkaufsprospekte für Vermögensanlagen nach dem Verkaufsprospektgesetz (VermVerkProspGebV) v. 29.6.2005, BGBl. I 2005, 1873. 6 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 16 VerkProspG Rz. 11 ff.

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gruppe und somit einen höheren oder auch schnelleren Vertriebserfolg erhofft. Diese Variationen in den Rechtsgrundlagen der Angebote sind grundsätzlich auch jeweils aus Vereinfachungs- und Kostengründen im gleichen zum Vertrieb bestimmten Dokument zusammengefasst. 5

Die Regelungen der Vermögensanlagen-Verkaufsprospektgebührenverordnung (VermVerkProspGebV)1 setzen als Bemessungsgrundlage im Gebührenverzeichnis (Anlage zu § 2 Abs. 1 VermVerkProspGebV) bei der Gestattung der Veröffentlichung und Aufbewahrung eines vollständigen Verkaufsprospekts2 an.

6

Die Gebührenpflicht erstreckt sich nach dem Wortlaut der Nr. 1 des Gebührenverzeichnisses auf das Hinterlegungsverfahren eines Verkaufsprospekts. Das VerkProspG enthält allerdings keine Definition des Begriffs „Verkaufsprospekt“. Das Gesetz sieht allein Vorschriften in Bezug auf den Inhalt eines Verkaufsprospekts vor. Enthält ein Dokument bestimmte Angaben, kann auf seine Eigenschaft als Verkaufsprospekt geschlussfolgert werden. Da diese Informationen in einem Dokument verkörpert werden, liegt es zunächst nahe, auf das physische Dokument als Anknüpfungspunkt abzustellen. Legt man dem Begriff „Verkaufsprospekt“ dieses bloße physische Verständnis zugrunde, ist eine Orientierung an der tatsächlich zählbaren Menge der eingereichten Verkaufsprospekte zur Bestimmung der Höhe der Gebühr zumindest nachvollziehbar.

7

Diese Sichtweise wird bei rein wörtlicher Betrachtung der Vorgängervorschrift zur Vermögensanlagen-Verkaufsprospektgebührenverordnung unterstützt. Die alte Verkaufsprospektgebühren-Verordnung3 hatte einen abweichenden Wortlaut: Nach § 2 Abs. 1 VerkProspGebV betrug die Gebühr für jede Hinterlegung eines vollständigen Verkaufsprospekts für jede Emission 200 Euro. Die Vorgängervorschrift stellte damit nicht allein auf den Verkaufsprospekt ab, sondern sah eine Verknüpfung zwischen den einzelnen im Verkaufsprospekt enthaltenen Emissionen und der Gebührenpflicht vor. Diese bestätigt sich einerseits anhand der Begründung des Regierungsentwurfs zum 3. FGG, die den Hinweis enthält, dass auch bei Hinterlegung nur eines Verkaufsprospekts mehrere Gebührentatbestände verwirklicht sein können4. Eine weitere Bestätigung erfuhr diese Verknüpfung anhand entsprechend in diesem Zusammenhang ergangener gerichtlicher Entscheidungen5.

1 Verordnung über die Gebühren für Amtshandlungen betreffend Verkaufsprospekte für Vermögensanlagen nach dem Verkaufsprospektgesetz (VermVerkProspGebV) v. 29.6.2005, BGBl. I 2005, 1873. 2 Vgl. § 8i Abs. 2 Satz 1 iVm. Abs. 3 Satz 2 VerkProspG. 3 VerkProspGebV v. 7.5.1999 (BGBl. I 1999, 874), geändert durch Gesetz v. 21.12.2000 (BGBl. I 2000, 1857). 4 Begr. RegE 3. FGG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 91. 5 VG Frankfurt/M. v. 7.8.1997 – 15 E 2135/95 (1), WM 1998, 762; VG Frankfurt/M. v. 13.6.1997 – 15 G 2848/96, NJW-RR 1997, 1477.

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Im Zuge des Erlasses der VermVerkProspGebV wurde der wörtliche Zusam- 8 menhang mit dem Begriff der Emission jedoch aufgegeben und die Erhebung der Gebühr nach § 16 VerkProspG iVm. Nr. 1 der Anlage zu § 2 Abs. 1 VermVerkProspGebV offenbar nur noch mit der Gestattung und Hinterlegung eines Verkaufsprospekts verbunden. Diese Anknüpfung erfolgt scheinbar allein auf den Verkaufsprospekt als tatsächlichen, körperlichen Gegenstand, ohne den Umstand zu berücksichtigen, dass in einem einzelnen, vom Anbieter als Verkaufsprospekt bezeichneten Dokument dann Angaben zu mehreren Vermögensanlagen zusammengefasst sein können1. 2. Auslegung des Begriffs „Verkaufsprospekt“ Eine derartig (siehe oben Rz. 8) enge Auslegung des Begriffes „Verkaufsprospekt“ berücksichtigt verschiedene Gesichtspunkte jedoch nicht ausreichend.

9

Die gesetzlichen Vorschriften unterscheiden zwischen dem Verkaufs- 10 prospekt als Gebühren auslösenden Tatbestand einerseits (§ 1 VermVerkProspGebV) und der Vermögensanlage (als Anwendungsvoraussetzung des VerkProspG in § 8f VerkProspG) andererseits. Eine Erhöhung der Gebührenpflicht auf Grund mehrerer, in einem vom Anbieter zunächst als Verkaufsprospekt bezeichneten Dokument enthaltener Vermögensanlagen ergibt sich daher vom Wortlaut aus der Anlage zu § 2 Abs. 1 VermVerkProspGebV zunächst nicht zwingend. Diesem wörtlichen Verständnis steht jedoch die Systematik des VerkProspG entgegen. Nach § 8f Abs. 1 VerkProspG muss für jede Emission einer einzelnen Vermögensanlage iS der Vorschrift ein Verkaufsprospekt vom Anbieter veröffentlicht werden. Über § 16 Satz 2 VerkProspG iVm. § 2 Abs. 1 VermVerkProspGebV erschließt sich dann der Bezug zu dem Wortlaut von Nr. 1 der Anlage zu § 2 Abs. 1 VermVerkProspGebV, der nur noch auf den Gebührentatbestand des Hinterlegungsverfahrens des einzelnen Verkaufsprospekts abstellt. Nach diesem Verständnis enthält ein Verkaufsprospekt nur eine Vermögensanlage. Der Gebührentatbestand bildet somit nur den Grundfall des Hinterlegungsverfahrens ab.

11

Es ist also zwischen einem Begriff des Verkaufsprospekts in gebührenrecht- 12 lichem Sinne und einem Begriff des Verkaufsprospekts in umgangssprachlichem Sinne als Verkaufsdokument zu unterscheiden. Diese Erkenntnis deckt sich mit der Praxis der Informationsdokumente der Kapitalanlagegesellschaften nach dem InvG, die ebenfalls Verkaufsprospekte zu verschiedenen angebotenen Sondervermögen zu Sammeldokumenten zusammenfassen. Der in der Praxis regelmäßig zu beobachtende Fall der Zusammenfassung mehrerer Verkaufsprospekte von verschiedenen Vermögensanlagen in einem einzelnen Dokument ist somit als von der VermVerkProspGebV als eigenständiger Gebührentatbestand nicht erfasst zu betrachten. Die klar1 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 16 VerkProspG Rz. 10.

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stellende Erläuterung aus der alten VerkProspGebV wurde nicht übernommen. Aus der isolierten Betrachtung der Bezeichnung des Rechtsbegriffs „Verkaufsprospekt“ der VermVerkProspGebV kann dann aber der Anbieter als Gebührenschuldner nicht allein auf das einzelne, als Verkaufsprospekt im umgangssprachlichen Sinne bezeichnete physische Dokument unter Inanspruchnahme einer gesetzlich nicht geregelten Vereinfachung des Hinterlegungsverfahrens abstellen. Dies widerspricht der gesetzlichen Systematik und ist daher abzulehnen. 13

Auch der Sinn und Zweck der Gebührenerhebung spricht für eine erweiterte Auslegung des Gebührentatbestandes1. Bei mehreren, in einem Dokument zusammengefassten Verkaufsprospekten zu verschiedenen Vermögensanlagen erhöht sich der zeitliche, intellektuelle und finanzielle Aufwand der Prüfung in nicht zu vernachlässigender Höhe. Im Extremfall kann es sich um völlig eigenständige Verkaufsprospekte zu verschiedenen Vermögensanlagen handeln, die keinerlei Gemeinsamkeiten aufweisen. ZB kann es sich um völlig verschiedene, von unterschiedlichen Gesellschaften zu verwirklichende Projekte handeln, an denen der Anleger sich in unterschiedlicher Form beteiligen kann. Beispielweise könnte der Anbieter in einem Dokument die Angaben über die kommanditistische Beteiligung an einer Gesellschaft anbieten, die ein Schiff erwerben und betreiben soll, und diese zusammenfassen mit den Angaben zu einer Genussrechtsbeteiligung an einer GmbH, die einen Solarpark aufbauen und betreiben soll. Der Prüfer müsste dann im Hinterlegungsverfahren jeden Verkaufsprospekt eigenständig mit ähnlichem Zeitaufwand auf seine Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften prüfen. Stimmen dagegen die Angaben der zusammengefügten Verkaufsprospekte in Teilen überein, ist von einer Reduzierung des Arbeitsaufwandes des jeweiligen Prüfers auszugehen. Allerdings lässt die VermVerkProspGebV bei einem erfolgreichen Durchlaufen des Hinterlegungsverfahrens für die Verkaufsprospekte keine Ermäßigung der Gebühren zu. Eine solche ist nur im Falle einer Rücknahme des Antrags vor Beendigung der Verfahren vorgesehen, § 3 Abs. 1 Satz 2 VermVerkProspGebV. Die Verknüpfung der Gebührenpflicht allein mit einem unbestimmten Begriff eines verkörperten Verkaufsprospekts, dessen Zusammensetzung frei im Ermessen des jeweiligen Anbieters steht, ist daher nicht sachgerecht. Der Rechtssicherheit wäre eine solche Verfahrensweise abträglich.

14

Eine Klärung der Frage für die VermVerkProspGebV ist auf gerichtlichen Wege bisher nicht erfolgt. Soweit Entscheidungen ergangen sind, wurde die Frage der Gebührenpflicht anhand der Anzahl der Verkaufsprospekte nicht zur Grundlage der Entscheidungen gemacht2.

1 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 16 VerkProspG Rz. 10. 2 VG Frankfurt/M. v. 6.11.2008 – 1 K 1839/08.F (unveröffentlicht) und die gleichlaufende Entscheidung zur WpPGebV: VG Frankfurt/M. v. 4.6.2009 – 1 K 1162/08.F (in den Gründen unveröffentlicht, abrufbar über juris); siehe auch EWiR 2009, 627.

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3. Einteilung von Vermögensanlagen Aus der Erkenntnis der Möglichkeit der Zusammenfassung einzelner Ver- 15 kaufsprospekte in einem Dokument lässt sich allein noch keine Aussage zur tatsächlichen Höhe der Gebühr für das Verfahren der Gestattung der Veröffentlichung des Dokuments ableiten. Dafür ist eine gebührenrechtliche Auftrennung des Gesamtdokuments in die einzelnen Verkaufsprospekte notwendig, auch wenn diese idealistisch vorgenommen wird. Ansatzpunkt für die Beantwortung dieser Frage muss, wie oben (Rz. 12 f.) bereits dargestellt, die Ermittlung der Anzahl der einzelnen Verkaufsprospekte anhand der einzeln dargestellten und zum Angebot in der Öffentlichkeit vorgesehenen Vermögensanlagen des jeweiligen Anbieters sein. Denn jede Vermögensanlage bedarf für ihr öffentliches Angebot eines von der BaFin zur Veröffentlichung gestatteten Verkaufsprospekts. Die Vorschrift des § 8f Abs. 1 VerkProspG hilft hier zum Teil weiter. Sie bietet aber anhand ihres Wortlauts nur eine allgemeine, qualitative Einteilung anhand der Art bzw. Gattung der Vermögensanlagen in Bezug auf die Beteiligungsform. Eine Unterscheidung innerhalb der Beteiligungsformen bleibt jedoch unberücksichtigt. Betrachtet man die Beteiligungsformen anhand ihrer gesetzlichen Grund- 16 lagen der jeweils zu Grunde liegenden Gesellschaftsform, so treten anhand der bestehenden gesellschaftsrechtlichen Normen bereits in bestimmten Fällen Unterscheidungen zwischen einzelnen Gesellschaftern in einer Gesellschaft hervor. Augenfällig wird dies anhand der am häufigsten gebrauchten Beteiligungsform in Gestalt der Beteiligung der Anleger als Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft gemäß §§ 161 ff., 105 ff. HGB. Hier stehen den Kommanditisten nur eingeschränkte Rechte gemäß den §§ 164 ff. HGB in Bezug auf die Geschäftsführung der Gesellschaft und der Kontrollrechte gegenüber den voll persönlich haftenden Gesellschafter zu, gleichzeitig werden dem Kommanditisten im Gegenzug Vorteile in Bezug auf die Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft eingeräumt. Auch bei anderen gesetzlich typisierten Beteiligungsformen sind Unterscheidungen zwischen den einzelnen Gesellschaftern bereits vorgesehen, vgl. etwa §§ 11, 12 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 34 Abs. 1 Satz 2 InvG. Aus diesen Ergebnissen lässt sich herleiten, dass einerseits verschiedene 17 Anlegergruppen mit innerhalb der Gruppe jeweils gleichen Rechten an einem einzelnen Beteiligungssubjekt (Vermögensmasse in Form einer Gesellschaft oder eines separaten Sondervermögens), und andererseits verschiedene Anlegergruppen mit möglicherweise gleichartig ausgestatteten Rechten an jeweils unterschiedlichen Beteiligungssubjekten rechtlich beteiligt sein können. Diese unterschiedlichen Beteiligungen der jeweiligen Anlegergruppen sind als zueinander jeweils selbständig zu bewerten. Denn sie unterscheiden sich in wesentlichen Merkmalen voneinander. Das gilt sowohl für die bereits gesetzlich definierten Unterscheidungen bestimmter Gesellschafter oder Anlegergruppen, als auch für die durch den jeweiligen Anbie-

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ter des Kapitalmarktprodukts im Wege der Vertragsfreiheit festgelegten Unterscheidungen zwischen den einzelnen Anlegergruppen. 18

Dieses Ergebnis lässt sich auch auf die öffentlichen Angebote von Vermögensanlagen gemäß § 8f Abs. 1 VerkProspG übertragen. Unterschiede in der rechtlichen Ausgestaltung der Beteiligungsverhältnisse der Gründungsgesellschafter bleiben grundsätzlich außer Betracht, da diese Beteiligung nicht Gegenstand eines öffentlichen Angebots ist.

19

In Rahmen des Hinterlegungsverfahrens der Verkaufsprospekte hat sich eine Orientierung zur Unterscheidung der Merkmale von Vermögensanlagen an den Vergabekriterien für Wertpapierkennnummern herausgebildet. Die Übernahme der Merkmale zur Vergabe der Wertpapierkennnummern in Bezug auf abzugrenzende Wertpapieremissionen zur Unterscheidung der Anzahl abzugrenzender Vermögensanlagen rechtfertigt sich daraus, dass die verwendeten Merkmale bei der Vergabe der Wertpapierkennnummern Ausprägungen der mit den Wertpapieren verbundenen Rechte darstellen und daher beim Erwerb der Anlageformen ebenfalls unterschiedliche Gruppen von Anlegern hervorbringen. 4. Wesentliche Merkmale

20

Folgende Merkmale werden als wesentlich für die Unterscheidung von Vermögensanlagen angesehen:

21

– Die Höhe der Gewinnbeteiligung: Unterschiedliche Ausgestaltung von Gewinnverteilungen unter den öffentlich angebotenen Beteiligungen führen zu einer Gruppenbildung unter den Anlegern. Diese unterschiedliche Gewinnbeteiligung in der prozentualen Höhe des angefallenen und zur Ausschüttung vorgesehenen Gewinns tritt üblicherweise bei unterschiedlichen Beteiligungssummen, bei Raten- und Einmaleinzahlungen der Einlage, bei unterschiedlichen Laufzeiten und bei verschiedenen Ausschüttungsvereinbarungen, wie Thesaurierung oder Ausschüttung, auf1.

22

– Die Kategorie der Vermögensanlage: Eine formale Unterscheidung des gesellschaftsrechtlichen Typus anhand der Bezeichnung bzw. der rechtlichen Ausgestaltung führt zur Annahme verschiedener Vermögensanlagen2. Eine Unterscheidung zwischen direkter Beteiligung als Gesellschafter des die Anteile ausgebenden Unternehmens und einer indirekten Beteiligung über einen Treuhänder bleibt dabei unberücksichtigt3.

23

– Der Ausschüttungstermin: Hat der Anleger die Wahlmöglichkeit bzgl. verschiedener Ausschüttungstermine, handelt es sich um verschiedene Vermögensanlagen4. Dies trifft sowohl in Bezug auf die einmalige Aus1 2 3 4

Bruchwitz in Arndt/Voß, § 16 VerkProspG Rz. 21. Bruchwitz in Arndt/Voß, § 16 VerkProspG Rz. 15. Bruchwitz in Arndt/Voß, § 16 VerkProspG Rz. 16, 22. Bruchwitz in Arndt/Voß, § 16 VerkProspG Rz. 21.

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schüttung zum Laufzeitende der Vermögensanlage (Thesaurierung der zwischenzeitlich möglicherweise angefallenen Gewinne) als auch hinsichtlich unterschiedlicher Ausschüttungsfrequenzen bei unterschiedlichen Anlegergruppen zu (Beispiel: Anlegergruppe A erhält jährlich Ausschüttungen, Anlegergruppe B erst nach drei Jahren). Erhält eine Anlegergruppe gegenüber einer anderen Anlegergruppe die Möglichkeit unterjähriger Ausschüttungen bzw. Entnahmen, unterscheidet sich diese Vermögensanlage von denjenigen, die erst nach Feststellung des jährlichen Gewinns eine Auszahlung erlauben. Vermögensanlagen werden nicht weiter unterschieden, wenn auch die Häufigkeit der unterjährigen Rückzahlungen vom Anleger gewählt werden kann. Fehlt es an Wahlmöglichkeiten bzgl. mehrerer Ausschüttungstermine, so verbleibt es insgesamt bei einer einzigen Vermögensanlage hinsichtlich dieses Kriteriums. – Die Mindestlaufzeit: Eine Wahlmöglichkeit des Anlegers über die Lauf- 24 zeit seines Engagements in der Vermögensanlage führt zu keiner Unterscheidung der einzelnen Vermögensanlagen, vielmehr muss der Anbieter verschiedene absolute Mindestlaufzeiten vorgeben1. Eine an eine relative Laufzeit gebundene Unterscheidung der Beteiligungen an den Vermögensanlagen wird sich zumeist trotzdem anhand anderer Merkmale der Beteiligung ergeben. ZB kann die Art der Rückzahlung in Form von Raten zu einer Verlängerung der Laufzeit der Vermögensanlage für den Anleger führen und unterscheidet sich insofern von der Vermögensanlage, die eine einmalige Rückzahlung vorsieht. – Die Kündigungsmöglichkeit: Sind die Kündigungsmöglichkeiten der Beteiligung für bestimmte Anlegergruppen bezogen auf das jeweilige Beteiligungsverhältnis unterschiedlich ausgestaltet, so werden mehrere Vermögensanlagen angenommen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Vertrag eines Direktkommanditisten gegenüber Treuhandkommanditisten unterschiedliche Rechtsfolgen an die Kündigung knüpft, zB in Form der Verwirkung einer Abgangsentschädigung2.

25

– Die Umtauschoption: Enthalten die Beteiligungsverträge eines öffent- 26 lichen Angebots bestimmter Anlegergruppen gegenüber anderen Anlegergruppen die Option zum Umtausch in Vollgesellschaftsanteile, so liegen mehrere Vermögensanlagen vor. – Stimmrechte: Die Gewährung von Stimmrechten für eine bestimmte, der Gesellschaft im Rahmen des öffentlichen Angebots der Beteiligung beitretenden Anlegergruppe führt zur Annahme einer weiteren Vermögensanlage3.

1 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 16 VerkProspG Rz. 21. 2 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 16 VerkProspG Rz. 21. 3 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 16 VerkProspG Rz. 21.

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– Informationsrechte: Die Ausführungen zu den Stimmrechten gelten auch in dieser Merkmalsgruppe1.

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Nicht zu den wesentlichen Merkmalen zählen: Mindestzeichnungssumme, Unterscheidung zwischen Raten- und Einmalzahlung beim Beitritt, Dynamisierung von Rateneinzahlungen während der Laufzeit des Beitritts, direkte Beteiligung gegenüber der indirekten Beteiligung über einen Treuhänder, relative Mindestlaufzeit und unterschiedliche Höhe des Agios, da dies lediglich Ausdruck der Beteiligungskosten selbst ist2. 5. Streitfälle

30

Die Einteilung der Vermögensanlagen durch die Verwaltungspraxis ist in einigen Punkten hinterfragbar, da bestimmte Vorgaben des Gesetzes außer Betracht bleiben. Grundlage für die Unterscheidung der einzelnen Angebote muss zunächst immer die zu Grunde liegende Beteiligungsform sein. Hierbei ist zwischen der einer gesellschaftsrechtlichen und einer schuldrechtlichen Beteiligung an der Beteiligungsgesellschaft zu unterscheiden.

31

Gesellschaftsrechtliche Formen im Rahmen des VerkProspG stellen die Beteiligung als stiller Gesellschafter iS der §§ 230 ff. HGB, die Beteiligung als Gesellschafter an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß den §§ 705 ff. BGB, als Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft iS der §§ 105 ff. HGB, als Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft iS der §§ 161 ff. HGB, als Gesellschafter einer GmbH iS der §§ 1 ff. GmbHG sowie entsprechende Beteiligungen an vergleichbaren ausländischen Rechtsformen dar.

32

Eine Beteiligung als Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien ist in Bezug auf eine für das VerkProspG relevante gesellschaftsrechtliche Beteiligung nur in Bezug auf die Komplementäre denkbar: es handelt sich im Grunde um eine Aktiengesellschaft (§ 278 Abs. 3 AktG). Eine Beteiligung als Gesellschafter einer Genossenschaft ist nicht relevant, da das Angebot einer solchen Beteiligung der Ausnahme von der Prospektpflicht gemäß § 8f Abs. 2 Nr. 1 VerkProspG unterliegt.

33

Schuldrechtliche Formen im Rahmen des VerkProspG stellen die Beteiligung an einem Treuhandvermögen oder über eine treuhändisch gehaltene Beteiligung an einer Gesellschaft, über Namensschuldverschreibungen und Genussrechte dar.

34

Diese Gruppen weisen grundsätzliche Unterschiede in der gesetzlichen Ausgestaltung bei der Teilhabe an Rechten in der jeweiligen Beteiligungsgesellschaft auf. Einem gesellschaftlich beteiligten Anleger stehen zumindest rudimentäre Rechte als Mitglied der Gesellschaft zu, während eine

1 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 16 VerkProspG Rz. 21. 2 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 16 VerkProspG Rz. 22.

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schuldrechtliche Beteiligung sich allein an den Grenzen von gesetzlichen Verboten orientieren muss. Für eine Unterscheidung der Kapitalanlageprodukte voneinander ist daher eine Unterscheidbarkeit in den materiellen Ausstattungsmerkmalen erforderlich1. Die vom Anbieter vorgegebenen Merkmale einer Beteiligung iS des VerkProspG gestalten einerseits das Verhältnis zwischen Anleger und Beteiligungsgesellschaft in seinen vertraglichen Grundzügen aus, andererseits stellen sie eine Abgrenzung zu anderen Anlegergruppen dar, deren vertragliches Verhältnis zwischen Anleger und Beteiligungsgesellschaft mit anderen Merkmalen ausgestattet ist. Das gilt nicht nur beim Auftreten von Abweichungen in einem wesentlichen Merkmal, sondern auch in der Kombination mehrerer Abweichungen bei unterschiedlichen Merkmalen. Entscheidend für die Bestimmung der Anzahl der unterschiedlichen Vermögensanlagen muss sein, inwieweit die Beteiligungsgesellschaft dem Anleger ein Wahlrecht in Bezug auf die Ausstattung der Beteiligung einräumt.

35

Für eine Unterscheidung sind wesentliche Merkmale ausschlaggebend. Als wesentlich sind solche Merkmale des Beteiligungsvertrages des Kapitalanlageprodukts anzusehen, die bei einer Veränderung ein anderes, für den Kapitalmarkt (bzw. objektiven Anleger) nicht als austauschbar bzw. nicht als identisch zu betrachtendes Kapitalanlageprodukt (aliud) ergeben. Entscheidend ist also nicht, welche Merkmale der Anleger letztlich wählt, sondern inwieweit die Ausgestaltung des öffentlichen Angebots zur Beteiligung an einem bestimmten Projekt auf der Grundlage des Beteiligungsvertrages Wahlmöglichkeiten für den Anleger in Bezug auf die rechtliche Art und Weise der Beteiligung eröffnet.

36

Wichtigstes Merkmal für eine Unterscheidung ist die Abweichung in der 37 Rechtsform der Beteiligung. Beispielsweise stellt eine Beteiligung in Form einer stillen Gesellschaft rechtlich in Hinblick auf die vermittelten Rechte und Pflichten bezogen etwas anderes dar als eine Kommanditbeteiligung. Eine wirtschaftliche Betrachtung eignet sich deshalb für eine Unterscheidung der Beteiligungsformen nicht. Denn auf Grund des zumeist abdingbaren Rechts kann eine von den wirtschaftlichen Ergebnissen ähnliche Ausgestaltung letztlich nach dem Anschein mit jeder Beteiligungsform erreicht werden. Aus diesem Grunde ist es im Rahmen des Hinterlegungsverfahrens fragwürdig, Kommanditisten und über einen Treuhänder vermittelte, wirtschaftlich dem Kommanditisten gleichgestellte Beteiligungen als gleichwertig und damit eine Beteiligungsform zu betrachten. Da es sich hier um rechtlich voneinander abweichende Beteiligungsformen handelt – der Kommanditist ist mitgliedschaftlich mit der Beteiligungsgesellschaft verbunden, der „Treuhand-Kommanditist“ ist allein schuldrechtlich mit dem Treuhänder verbunden – müssten diese auch als separate Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG angesehen werden; dies insbesondere deshalb, weil

1 Schäfer, ZGR 2006, 40 (48).

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die Vorschrift des § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG mit der Aufführung der Varianten 1 und 2 bereits eine gesetzliche Unterscheidung trifft1. 38

In Bezug auf gesellschaftliche Beteiligungen sind folgende Merkmale als wesentlich zu betrachten: die Höhe der Gewinnbeteiligung, Entnahmerechte, Kündigungsrechte, Stimmrechte, Kontroll- und Informationsrechte, gesellschaftsinterne Haftungsverteilung, Rückzahlung.

39

Ein besonderer Einzelfall stellen Formen der Beteiligung dar, die die zwangsweise gesellschaftliche Beteiligung in mehreren unterschiedlichen Gesellschaften vorsehen. Hierbei handelt es sich zumeist um Flottenfonds, bei denen jedes einzelne Schiff aus zumeist steuerlichen Gründen einer Beteiligungsgesellschaft zugeordnet wird. Der Anleger partizipiert aber in wirtschaftlicher Hinsicht am Erfolg oder Misserfolg des gesamten Pools, seine Einlage wird nach einem bestimmten Schema auf die jeweiligen Gesellschaften aufgeteilt, und er wird in diesem Verhältnis Gesellschafter. Eine rein rechtliche Betrachtung kommt nicht umhin, jede einzelne gesellschaftliche Beteiligung als selbständige Vermögensanlage anzusehen. Andererseits ist die selbständige Austauschbarkeit eines Gesellschaftsanteils nicht gegeben, da diese immer nur im Gesamtpaket vorgenommen werden kann. Es ist daher fraglich, ob nicht in solchen Konstellationen als Ausnahme das Korrektiv einer wirtschaftlichen Betrachtung vorgenommen werden muss, um zu einer sachgerechten Lösung zu gelangen.

40

In Bezug auf schuldrechtliche Beteiligungen sind folgende Merkmale als wesentlich zu betrachten: die Höhe der Gewinnbeteiligung, Gewinnausschüttungen, Kontroll- und Informationsrechte, Laufzeiten, Kündigungsmöglichkeiten und -zeitpunkte, Wandeloptionen, Ratenzahlung, Rückzahlung.

41

Gegebenenfalls können in der Praxis die dargestellten Merkmale auch bei der jeweils anderen Beteiligungsform auftauchen. Eine genaue Trennung der Terminologie wird bei der Vertragsgestaltung nicht vorgenommen.

42

In der Verwaltungspraxis wird das Merkmal der Zahlbarkeit des Anlagebetrages in Raten grundsätzlich als unwesentliches Merkmal angesehen. Grund hierfür sei, dass sowohl der Raten- als auch der Einmalanleger sich verpflichtet, eine bestimmte Zeichnungssumme zu leisten. Dem kann in Bezug auf mitgliedschaftliche Beteiligungsformen zugestimmt werden. Zwar stellt der Aufschub der Leistung der Einlage ein besonderes Recht dar. Durch das Stundungsverhältnis sind im Regelfall jedoch nicht die mitgliedschaftlichen Rechte im Geschäftsverkehr betroffen, sondern nur die Verhältnisse innerhalb der Gesellschaft. Ein so erworbener Gesellschaftsanteil unterscheidet sich damit für einen Dritten grundsätzlich nicht von einem solchen, bei dem die geschuldete Einlage in einer Summe geleistet wird. In Bezug auf rein schuldrechtlich ausgestaltete Beteiligungen verbietet sich ei-

1 AA Bruchwitz in Arndt/Voß, § 16 VerkProspG Rz. 16.

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ne solche Differenzierung, da es sich um ein einheitliches Schuldverhältnis handelt. Bei den Formen der Rückzahlung der Beteiligungseinlage handelt es sich um ein wesentliches Merkmal. Für den Anleger ist die Form der Rückzahlung nicht nur eine unwesentliche Modalität von untergeordneter Bedeutung, sondern vielmehr als wesentlicher Vertragsbestandteil aufzufassen1.

43

IV. Zeitlicher Anwendungsbereich Mit Eingang des Verkaufsprospekts bei der Hinterlegungsstelle entsteht die Gebührenschuld, vgl. § 11 Abs. 1 VwKostG.

44

V. Sonderfälle Hat der Anbieter eine Gestattung der Veröffentlichung für seinen Verkaufs- 45 prospekt der öffentlich anzubietenden Vermögensanlage erlangt, bleibt die Gebührenpflicht bestehen, unabhängig davon, ob der Anbieter im Nachgang der Gestattung seinen Verzicht auf die Gestattung der Veröffentlichung erklärt. Das Erlöschen der Rechtswirkung des Verwaltungsaktes der Gestattung durch die Verzichtserklärung des Anbieters, stellt eine Erledigung iS des § 43 Abs. 2 VwVfG dar2. Ein Verzicht des Anbieters auf die ursprüngliche Gestattung bewirkt, dass diese auch ohne ausdrückliche Aufhebungsverfügung erloschen ist. Der Verzicht hat rechtsgestaltende Wirkung. Auf einen behördlichen Bescheid, der die Gestattung entsprechend dem erklärten Verzicht aufhebt oder beschränkt, kommt es nicht an. Diesem kommt lediglich eine deklaratorische Bedeutung zu3. Auch einen eventuelle Rechtswidrigkeit der Gestattung, beispielsweise bei 46 Unvollständigkeit des Prospekts, die im Prüfverfahren unerkannt geblieben war, ist für die Gebührenpflicht ohne Belang, wenn der Gebührenbescheid vom Anbieter nicht angefochten wurde und trotzdem der Verzicht auf die Gestattung vom Anbieter erklärt wurde. Eine Anwendung von § 14 Abs. 2 VerwKostG iVm. § 1 Satz 2 VermVerkProspGebV ist nicht gegeben. Denn Kosten wären auch bei einem ordnungsgemäß abgelaufenen Verfahren zur Gestattung der Veröffentlichung angefallen, so dass eine Kausalität im engeren Sinne zwischen unrichtiger Handlung der Behörde und den entstandenen Kosten nicht besteht. Gebühren können jedoch dann nicht erhoben werden, wenn die Behörde eine fehlerhaft erteilte Gestattung der Veröffentlichung durch eine Untersagung des öffentlichen Angebots vor der Bestandskraft des Gebührenbescheids korrigiert. Denn Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache 1 BGH v. 21.3.2005 – II ZR 124/03, WM 2005, 841. 2 Kopp/Ramsauer, § 43 VwVfG Rz. 41. 3 BVerwG v. 15.12.1989 – 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209 = DÖV 1990, 479; VGH Baden-Württemberg v. 10.11.1993 – 3 S 1120/92, DVBl 1994, 707.

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Bekanntgabe und Zustellung

durch die Behörde nicht entstanden wären, werden gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG nicht erhoben. Die Vorschriften des 3. Abschnitts, zu denen § 14 VwKostG gehört, sind nach Maßgabe von § 1 VwKostG unmittelbar gültiges Recht1. Eine unrichtige Behandlung der Sache liegt vor, wenn gegen eindeutige Rechtsnormen verstoßen wird und ein Verstoß offen zu Tage tritt oder bei offensichtlichen Versehen2. Dies ist bei einer fehlerhaft erteilten Gestattung der Veröffentlichung der Fall. Denn es besteht eine Kausalität zwischen erteilter fehlerhafter Gestattung der Veröffentlichung und der Untersagung des öffentlichen Angebots auf Grund dieses Fehlers. Falls der Fehler während des Prüfverfahrens erkannt wird, wäre das Hinterlegungsverfahren in der Prüffrist des § 8i Abs. 2 Satz 2 VerkProspG möglicherweise noch erfolgreich zum Abschluss gebracht worden.

§ 16a Bekanntgabe und Zustellung (1) Verfügungen, die gegenüber einer Person mit Wohnsitz oder einem Unternehmen mit Sitz im Ausland ergehen, gibt die Bundesanstalt der Person bekannt, die als Bevollmächtigte benannt wurde. Ist kein Bevollmächtigter benannt, so erfolgt die Bekanntgabe durch öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger. (2) Ist die Verfügung zuzustellen, so erfolgt die Zustellung bei Personen mit Wohnsitz oder Unternehmen mit Sitz im Ausland an die Person, die als Bevollmächtigte benannt wurde. Ist kein Bevollmächtigter benannt, so erfolgt die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger. In der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2701), zuletzt geändert durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.6.2002 (BGBl. I 2002, 2010). Schrifttum: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, Kommentar zum WpÜG, 2003; Haarmann/Schüppen (Hrsg.), WpÜG, 3. Aufl. 2008; Ritz, Die Änderung verkaufsprospektrechtlicher Vorschriften im Jahr 2002 und die aufsichtsrechtliche Praxis, AG 2002, 662; Steinmeyer/Häger, Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl. 2007; Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008. Siehe auch Einl. VerkProspG und § 8f VerkProspG.

1 Siehe v. Dreising, § 8 VerwKostG Vorbemerkung. 2 Siehe v. Dreising, § 14 VerwKostG Gliederungspunkt 2. a).

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§ 16a VerkProspG

Bekanntgabe und Zustellung Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . .

1

II. Regelungsgehalt . . . . . . . . .

2

III. Bekanntgabe von Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

IV. Zustellung von Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

I. Normentwicklung Die Einfügung von § 16a in das VerkProspG geht auf Art. 5 Nr. 12 des 4. 1 FFG1 zurück. Die Regelung ermächtigte die und ermöglichte der BaFin die Bekanntgabe von Verfügungen gegenüber ausländischen Unternehmen und Personen im Wege der öffentlichen Bekanntgabe, sofern kein Bevollmächtigter im Inland bestellt wurde.

II. Regelungsgehalt Die Regelung des § 16a VerkProspG betrifft die Bekanntgabe bzw. Zustellung von Verfügungen, die von der BaFin an Personen mit Wohnsitz oder einem Unternehmen mit Sitz im Ausland gerichtet sind. Mit § 16a VerkProspG soll im Interesse eines zügigen Ablaufs die Wirksamkeit von Verfügungen der Aufsichtsbehörde schnellstmöglich herbeigeführt werden, da die Bekanntgabe von Verfügungen am Sitz oder Wohnort einer Person oder eines Unternehmens mit Sitz im Ausland regelmäßig mit erheblichen Verzögerungen verbunden ist2. § 16a Abs. 1 VerkProspG regelt die Bekanntgabe von Verwaltungsakten, während § 16a Abs. 2 VerkProspG Regelungen zur Bekanntgabe des Verwaltungsaktes im Wege der Zustellung enthält. Die Vorschrift stellt eine spezialgesetzliche Ermächtigung iS des § 41 Abs. 3 Satz 1 VwVfG dar. Inhaltlich entspricht die Vorschrift der Regelung des § 43 WpÜG.

2

III. Bekanntgabe von Verfügungen § 16a Abs. 1 VerkProspG ermächtigt die BaFin zur Bekanntgabe von Ver- 3 fügungen, die gegenüber einer Person mit Wohnsitz oder einem Unternehmen mit Sitz im Ausland ergehen, an eine Person, die als Bevollmächtigte gegenüber der BaFin benannt wurde. Der Wohnsitz einer natürlichen Person wird durch den räumlichen Schwerpunkt der gesamten Lebensverhältnisse einer Person bestimmt3. Der Sitz eines Unternehmens befindet sich an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung bestimmt ist; bei Fehlen einer solchen Bestimmung, ist als Sitz (entsprechend § 17 Abs. 1 1 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz – 4. FFG) v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, 2010. 2 Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017 v. 18.1.2002, S. 110. 3 Heinrichs in Palandt, § 7 BGB Rz. 1.

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Bekanntgabe und Zustellung

Satz 2 ZPO) der Ort anzunehmen, an dem die Hauptverwaltung geführt wird1. 4

Der Begriff der Verfügung umfasst allein Verwaltungsakte iS des § 35 VwVfG. Sonstige Anordnungen der BaFin, die nicht einem Verwaltungsakt entsprechen, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Norm. Grund hierfür ist eine nicht erfolgte Anpassung der Begrifflichkeiten in der Gesetzesentwicklung2. Als bekanntzugebende Verwaltungsakte kommen zum Beispiel Widerspruchsbescheide oder die Androhung von Zwangsmitteln in Betracht3.

5

Die bevollmächtigte Person muss eine im Inland ansässige Person sein. Zwar wird dies im Rahmen der Vorschrift nicht wörtlich aufgeführt. Anderseits ergibt sich die Notwendigkeit einer zustellfähigen Anschrift im Inland aus dem Gesetzeszweck. Denn nur bei einer im Inland ansässigen Person ist die vom Gesetz beabsichtigte, zügige Herbeiführung der Bekanntgabe einer von der BaFin erlassenen Verfügung gewährleistet4.

6

§ 16a Abs. 1 Satz 1 VerkProspG eröffnet der ausländischen Person oder dem ausländischen Unternehmen die Möglichkeit der Benennung eines Bevollmächtigten. Eine Pflicht, diesem nachzukommen, besteht jedoch nicht, denn § 16a Abs. 1 Satz 2 VerkProspG ermächtigt die BaFin für den Fall, dass kein Bevollmächtigter benannt wurde, die Bekanntgabe durch öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger vorzunehmen. Eine ordnungsgemäße Benennung eines Bevollmächtigten gegenüber der BaFin bindet diese, erlassene Verfügungen dem Bevollmächtigten gegenüber bekannt zu geben. Ein dem § 41 Abs. 1 Satz 2 VwVfG gleichzusetzendes Ermessen räumt die Vorschrift des § 16a Abs. 1 VerkProspG nicht ein. Wurde kein Bevollmächtigter benannt, so eröffnet § 16a Abs. 1 Satz 2 VerkProspG der BaFin den Weg, die Bekanntgabe durch öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger vorzunehmen. Zu veröffentlichen ist der verfügende Teil, verbunden mit der Angabe, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können, vgl. § 41 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwVfG. Das Zugangserfordernis der Verfügung wird durch eine öffentliche Verlautbarung mit einer nur theoretisch bestehenden Kenntnisnahmemöglichkeit des Adressaten ersetzt. Auf die öffentliche Bekanntgabe nach § 16 Abs. 1 Satz 2 VerkProspG ist die Bekanntgabefiktion nach § 41 Abs. 4 Satz 3 VwVfG nicht anwendbar. Diese Fiktion sieht ein Eintreten der Bekanntgabe der Verfügung erst mit Ablauf von zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung vor. Die Wirkung

1 Bonk/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 3 VwVfG Rz. 24. 2 Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), Nachtrag 2002, § 16a VerkProsG Rz. 4. 3 Vgl. zur gleich lautenden Vorschrift des § 43 WpÜG Begr. RegE WpÜG, BTDrucks. 14/7034, S. 64. 4 Ritz, AG 2002, 662 (666); Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 16a VerkProspG Rz. 5. Ebenso zu § 43 WpÜG Ehricke in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 43 WpÜG Rz. 7; Steinmeyer/Häger, § 43 WpÜG Rz. 4; Linke in Haarmann/Schüppen, § 43 WpÜG Rz. 10.

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der Bekanntgabe tritt demnach erst später als mit dem Tag der Veröffentlichung des Verwaltungsaktes ein. Nach richtiger Auffassung ist auf Grund der spezialgesetzlichen Regelung 7 des § 16a VerkProspG die Anwendung des § 41 Abs. 4 Satz 3 VwVfG ausgeschlossen. Der Wille des Gesetzgebers sieht vor, dass die erlassene Verfügung auch dann Geltung erlangen soll, wenn dem Betroffenen eine Ausfertigung der Verfügung zugesandt wurde; des Weiteren soll die Rechtsbehelfsfrist in jedem Fall mit der öffentlichen Bekanntgabe beginnen1. Dies ergibt sich aus der Zielsetzung der Regelung, die Bekanntgabe gegenüber Personen und Unternehmen mit Sitz im Ausland zu beschleunigen2. Das Argument, die Anwendung der Bekanntgabefiktion hätte zur Folge, dass im Falle einer beabsichtigten Untersagung der Veröffentlichung des Prospekts durch die BaFin die Gestattungsfiktion des § 8a Abs. 1 Alt. 2 VerkProspG aF vor Wirksamwerden der Untersagungsverfügung eingriffe3, lässt sich nach der Änderung des Verfahrens zur Gestattung der Veröffentlichung nicht mehr aufrecht erhalten, denn nach § 8i Abs. 2 VerkProspG ist die Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts Voraussetzung für ein öffentliches Angebot mittels eines Verkaufsprospekts. Die Gestattungsfiktion ist im Zuge der Gesetzesänderung für Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte nicht übernommen worden4. Teile des Schrifttums erheben gegen diese Auslegung der Vorschrift Bedenken. Das Argument, dass die Rechtsbehelfsfrist in jedem Falle mit der öffentlichen Bekanntgabe beginne, sei nicht ohne weiteres als Argument für die Abbedingung der Frist des § 41 Abs. 4 Satz 3 VwVfG übertragbar5. Dem Wortlaut der Begründung komme nur eine klarstellende Aufgabe in Hinblick auf die Geltung der Frist zu, denn eine erhebliche Verzögerung sei bei einer Verzögerung des Wirksamwerdens einer Verfügung bei zwei Wochen nicht zu besorgen6.

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Gegen die Anwendung der Frist des § 41 Abs. 4 Satz 3 VwVfG spricht aber insbesondere folgendes Argument: Im Falle einer auf die Untersagung eines nicht zur Veröffentlichung gestatteten Angebots durch die BaFin oder auf die Einholung von Auskünften zur Überwachung der Einhaltung der Pflichten eines Anbieters nach dem VerkProspG gerichteten Maßnahme iS des § 8i VerkProspG ist Eile geboten. Dieser besonderen Eilbedürftigkeit hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass gemäß § 8i Abs. 5 VerkProspG Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine nach § 8i Abs. 2 Satz 5 und Abs. 4, 4a, 4b VerkProspG getroffene Entscheidung der Behörde keine aufschiebende Wirkung zukommen. Dementsprechend wäre es nicht

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1 Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017 v. 18.1.2002, S. 110. 2 Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017 v. 18.1.2002, S. 110; so auch Ritz, AG 2002, 662 (664). 3 Ritz, AG 2002, 662 (665). 4 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 43. 5 Voß in Arndt/Voß, § 16a VerkProspG Rz. 54. 6 Voß in Arndt/Voß, § 16a VerkProspG Rz. 54.

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nachvollziehbar, wenn über eine nach § 41 Abs. 4 Satz 3 VwVfG notwendige Fristwahrung die Wirkung eines solchen Verwaltungsakts hinausgezögert werden könnte. In dieser Zeit könnten nicht unerhebliche Schäden bei Anlegern auftreten.

IV. Zustellung von Verfügungen 10

Zustellungshandlungen im Ausland sind aufgrund des hoheitlichen Charakters der Übergabehandlung mit der damit verbundenen Ausstellung einer Zustellungsurkunde grundsätzlich unzulässig1. Zustellungshandlungen bedürfen daher entweder zwischenstaatlicher Vereinbarungen als Grundlage oder der besonderen Verfahren der §§ 9, 10 VwZG. Nach § 16a Abs. 2 VerkProspG wird der BaFin für die Zustellung von Verfügungen eine von § 9 VwZG abweichende Möglichkeit der beschleunigten Bekanntgabe eröffnet. Die Vorschrift stellt damit klar, dass die Verfahrensweise der beschleunigten Bekanntgabe nach § 16a Abs. 1 VerkProspG auch auf die Zustellung als besondere Form der Bekanntgabe Anwendung findet2. Die BaFin ist somit für eine Zustellung einer Verfügung nicht auf Rechtshilfeersuchen an ausländische Behörden nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG angewiesen. Hinsichtlich der Geltung der Zustellungsfiktion des § 9 VwZG bestehen dieselben Unstimmigkeiten, wobei der Streit hier weiter entschärft wird, da gemäß § 9 Abs. 3 Satz 3 VwZG die Fiktion der Zustellung bereits grundsätzlich nach sieben Tagen eintritt3.

§ 17 Bußgeldvorschriften (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig 1. entgegen § 8f Abs. 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 8g Abs. 2 einen Verkaufsprospekt nicht veröffentlicht, 2. entgegen § 8h Abs. 2 einen Hinweis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise gibt, 3. entgegen § 8i Abs. 1 oder 3 Satz 1 einen Verkaufsprospekt oder eine nachzutragende Angabe nicht oder nicht rechtzeitig übermittelt, 4. entgegen § 8i Abs. 2 Satz 1 einen Verkaufsprospekt veröffentlicht, 4a. einer vollziehbaren Anordnung nach § 8i Abs. 2 Satz 5 oder Abs. 4 zuwiderhandelt,

1 Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rz. 220. 2 Voß in Arndt/Voß, § 16a VerkProspG Rz. 55. 3 Voß in Arndt/Voß, § 16a VerkProspG Rz. 55.

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5. entgegen § 9 Abs. 1, § 10 Satz 2 oder § 11 Satz 1 einen Verkaufsprospekt, eine nachzutragende Angabe oder eine Veränderung nicht, nicht richtig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht, 6. entgegen § 9 Abs. 2 Satz 3 eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig macht oder 7. entgegen § 12 einen Hinweis nicht oder nicht richtig aufnimmt. (2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 8i Abs. 4a eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt oder eine Unterlage nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vorlegt oder 2. einer vollziehbaren Anordnung nach § 8j Abs. 1 zuwiderhandelt. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 4 und 4a mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2, 5 und 7 mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro und in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. (4) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Bundesanstalt. In der Fassung des 3. Finanzmarktförderungsgesetzes vom 24.3.1998 (BGBl. I 1998, 529), zuletzt geändert durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Bohnert, Kommentar zum Ordnungswidrigkeitenrecht, 2. Aufl. 2007; Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblatt, Stand Oktober 2009; Göhler, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 15. Aufl. 2009; Senge (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, 3. Aufl. 2006. Siehe auch Einl. VerkProspG.

Inhaltsübersicht I. Übersicht 1. Normentwicklung . . . . . . . . 2. Regelungsgegenstand und Übersicht . . . . . . . . . . . . . . II. Ordnungswidrigkeiten (§ 17 Abs. 1 und 2 VerkProspG) 1. Allgemeine ordnungswidrigkeitsrechtliche Anwendungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ordnungswidrigkeiten nach § 17 Abs. 1 VerkProspG a) Begehungsformen . . . . . .

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b) Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospektgesetzes (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . 7 c) Verstoß gegen die Hinweispflicht des § 8h Abs. 2 VerkProspG (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 VerkProspG) . . . . . . . . . . 13 d) Verstoß gegen die Pflicht zur Übermittlung des Verkaufsprospekts oder einer nachzutragenden Angabe (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . . 15

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§ 17 VerkProspG e) Verstöße gegen das Verbot der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts vor seiner Billigung durch die BaFin (§ 17 Abs. 1 Nr. 4 VerkProspG) . . . . . . . . . . f) Handlung zuwider einer vollziehbaren Anordnung der BaFin (§ 17 Abs. 1 Nr. 4a VerkProspG) . . . . . g) Verstoß gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Veröffentlichung (§ 17 Abs. 1 Nr. 5 VerkProspG) . . . . . . h) Verstoß gegen die Pflicht zur Mitteilung der Prospektveröffentlichung (§ 17 Abs. 1 Nr. 6 VerkProspG) . i) Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 12 VerkProspG (§ 17 Abs. 1 Nr. 7 VerkProspG) . . . . . .

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3. Ordnungswidrigkeiten nach § 17 Abs. 2 VerkProspG a) Begehungsformen . . . . . . 28 b) Verstoß gegen die Pflicht zur Erteilung von Auskünften und zur Vorlage von Unterlagen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 VerkProspG) . . . . . . 30 c) Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung der BaFin hinsichtlich irreführender Werbung (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 VerkProspG) . . . . . . 33 III. Bußgeldrahmen (§ 17 Abs. 3 VerkProspG) . . . . . . . . . . . .

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IV. Zuständige Behörde (§ 17 Abs. 4 VerkProspG) . . . . . . .

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I. Übersicht 1. Normentwicklung 1

Bereits bei Einführung des VerkProspG im Jahre 1990 enthielt das Gesetz in seinem § 17 Bußgeldvorschriften, die sich allerdings auf drei Ordnungswidrigkeits-Blanketttatbestände (siehe § 30 WpPG Rz. 30) beschränkten. Die erstmalige Änderung der Vorschrift erfolgte durch Art. 8 Nr. 7 des 2. FFG v. 26.7.19941, bei der insbesondere der Bußgeldrahmen neu festgelegt wurde. Eine zweite Änderung brachte Art. 2 Nr. 23 des 3. FFG v. 24.3.19982: Mit ihr wurden v.a. die Ordnungswidrigkeitstatbestände, die der Bußgeldbewehrung der seinerzeit neu in das Gesetz eingefügten Pflichten aus §§ 8a–8c, 8e (aF) dienen sollten, erweitert und der Bußgeldrahmen neu bestimmt. Mit der dritten, auf Art. 5 Nr. 13 des 4. FFG v. 21.6.20023 zurückgehenden Änderung des § 17 VerkProspG wurde dieser um weitere vier Ordnungswidrigkeitstatbestände ergänzt4. Die vierte Änderung ging auf Art. 2 Nr. 8 des AnSVG5 zu-

1 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) v. 26.7.1994, BGBl. I 1994, 1749, 1779 f. 2 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, 529, 535 f. 3 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, 2010, 2045. 4 Dazu ausführlich Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), Nachtrag 2002, § 17 VerkProspG Rz. 1 ff. 5 Gesetz v. 28.10.2004, BGBl. I 2004, 2630, 2650.

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rück, welcher v.a. Verstöße gegen § 8h Abs. 2 VerkProspG aF als Ordnungswidrigkeit sanktionierte. Zuletzt hat § 17 VerkProspG im Zuge der Neuordnung des Prospektrechts durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.20051 (siehe Einl. VerkProspG Rz. 1 und 24) durch Art. 2 Nr. 13 des Umsetzungsgesetzes vorwiegend redaktionelle Folgeänderungen erfahren. 2. Regelungsgegenstand und Übersicht Wie § 30 WpPG in Bezug auf Pflichten nach dem WpPG sanktioniert auch 2 § 17 VerkProspG nicht jeden Verstoß gegen die im VerkProspG statuierten Gebote und Verbote als Ordnungswidrigkeit. Nur ausgewählte Verhaltenspflichten, deren Befolgung im Interesse des Anlegerschutzes und des Schutzes der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte – als repressive und präventive Maßnahme – besonderer Nachdruck verliehen werden soll, werden in § 17 Abs. 1 und Abs. 2 VerkProspG zur Grundlage von Ordnungswidrigkeiten gemacht und in Blanketttatbestände (siehe § 30 WpPG Rz. 2) überführt. Dabei sind Ordnungswidrigkeiten iS des § 17 Abs. 1 VerkProspG nur vorsätzliche oder leichtfertige Verstöße gegen verschiedene unmittelbar im Verkaufsprospektgesetz bestimmte Pflichten, während § 17 Abs. 2 VerkProspG vorsätzliche oder (einfach) fahrlässige Verstöße gegen die gegenüber der BaFin bestehenden Pflichten zur Erteilung von Auskünften bzw. zur Vorlage von Unterlagen (Nr. 1) und zur Befolgung von vollziehbaren Anordnungen der Aufsichtsbehörde (Nr. 2) ahndet. In der Struktur wiederum § 30 WpPG vergleichbar setzt § 17 Abs. 3 VerkProspG den abgestuften Bußgeldrahmen für Ordnungswidrigkeiten nach Maßgabe von Abs. 1 und Abs. 2 fest, während § 17 Abs. 4 VerkProspG, den Erfordernissen der §§ 35, 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG entsprechend, die sachliche Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten regelt, indem er sie der BaFin überträgt. Die einzelnen Bußgeldtatbestände nach § 17 Abs. 1 und 2 VerkProspG las- 3 sen sich nach ihrem primären Schutzzweck unterteilen. Während ein Teil (§ 17 Abs. 1 Nrn. 3, 4, 6 und Abs. 2 Nr. 1 VerkProspG) die Kontrollbefugnisse der BaFin sichern soll, zielen andere (bspw. § 17 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und Abs. 2 Nr. 2 VerkProspG) in erster Linie auf den Schutz des Anlegerpublikums2 und der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Nicht anders als im Hinblick auf die Bestimmungen des WpPG steht dem auch vorliegend nicht entgegen, dass einzelne Pflichtverletzungen – wie namentlich Verstöße gegen die Prospektpflicht (§ 8f Abs. 1 VerkProspG) und die Pflicht zu vollständigen und richtigen Prospektangaben (§ 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG) – be1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2005, 1698. 2 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 17 VerkProspG Rz. 11; Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 17 VerkProspG Rz. 3.

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sondere, zu Schadensersatz verpflichtende Haftungstatbestände – in den vorgenannten Fällen § 13a VerkProspG bzw. § 13 VerkProspG – nach sich ziehen. Vielmehr zeigen solche haftungsbegründende Sondertatbestände, dass der Gesetzgeber Pflichten, die den Individualschutz bezwecken, spezielle Haftungstatbestände zur Seite gestellt hat. Deshalb stellen die einzelnen Ordnungswidrigkeitstatbestände des § 17 Abs. 1 und 2 VerkProspG als solche keine Schutzgesetze iS des § 823 Abs. 2 BGB dar. 4

Wie bei allen Ordnungswidrigkeiten statuierenden Blanketttatbeständen zwingen auch die des § 17 Abs. 1 und 2 VerkProspG zu einer Zusammenschau der – vorliegend in § 17 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 7 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 VerkProspG enthaltenen – Sanktionsnormen einerseits und der jeweils in Bezug genommenen Verhaltenspflichten des Gesetzes andererseits. Im Hinblick auf die Ge- und Verbote, deren Verletzung in § 17 Abs. 1 und 2 VerkProspG als Ordnungswidrigkeit geahndet wird, kann jedoch auf die entsprechenden Erläuterungen in den jeweils in § 17 Abs. 1 Nrn. 1–7 und Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VerkProspG in Bezug genommenen Vorschriften verwiesen werden, deren Erläuterung zudem auf die ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung der jeweiligen Bestimmung eingeht. Bei der Behandlung der einzelnen in § 17 Abs. 1 und 2 VerkProspG erfassten Ordnungswidrigkeiten kann es deshalb bei einer knappen Beschreibung der Pflichten bleiben, deren Verletzung jeweils als Ordnungswidrigkeit geahndet wird.

II. Ordnungswidrigkeiten (§ 17 Abs. 1 und 2 VerkProspG) 1. Allgemeine ordnungswidrigkeitsrechtliche Anwendungsfragen 5

Auf die Ordnungswidrigkeiten nach § 17 Abs. 1 und 2 VerkProspG findet gemäß § 2 OWiG das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Anwendung. Darüber hinaus gelten die allgemeinen Grundsätze des Ordnungswidrigkeitenrechts. Im Hinblick auf die zu beachtenden Vorschriften des OWiG und die maßgeblichen Grundsätze des Ordnungswidrigkeitenrechts kann auf die entsprechende Darstellung im Rahmen der Erläuterungen zu § 30 WpPG – § 30 WpPG Rz. 6–22 – verwiesen werden. Hier finden sich neben Erläuterungen zum zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich ordnungswidrigkeitenrechtlicher Bestimmungen gemäß §§ 4, 5, 7 OWiG (§ 30 WpPG Rz. 7 ff.; siehe auch unten Rz. 39 f.) und zu den Begehungsformen Vorsatz, Leichtfertigkeit und Fahrlässigkeit (§ 30 WpPG Rz. 12 ff.; siehe auch unten Rz. 6 und 28) auch Ausführungen zum Versuch (§ 30 WpPG Rz. 17), zu Täterschaft und Teilnahme (§ 30 WpPG Rz. 18 ff.), darunter v.a. zum Prinzip des Einheitstäters nach § 14 Abs. 1 Satz 1 OWiG und der Überwälzung persönlicher Merkmale nach § 9 OWiG (§ 30 WpPG Rz. 18), zu Geldbußen gegen Personenvereinigungen und juristische Personen nach § 30 OWiG (§ 30 WpPG Rz. 19) sowie zu Ordnungswidrigkeiten wegen der Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen nach § 130 OWiG (§ 30 WpPG Rz. 20), zur Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung (§ 30 WpPG Rz. 21), zum Zusammentreffen von Ordnungswidrigkeit und Straftat (§ 30 WpPG Rz. 22).

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2. Ordnungswidrigkeiten nach § 17 Abs. 1 VerkProspG a) Begehungsformen Alle in § 17 Abs. 1 VerkProspG genannten Tatbestände setzen Vorsatz oder 6 Leichtfertigkeit voraus. Vorsatz setzt Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung1 voraus (siehe näher § 30 WpPG Rz. 12 ff.). Es genügt Eventualvorsatz, dh. der Erfolg wird vom Täter als möglich und nicht ganz fern liegend erkannt und billigend in Kauf genommen2. Leichtfertigkeit ist eine qualifizierte Form der Fahrlässigkeit3 (siehe näher § 30 WpPG Rz. 15) und ist anzunehmen, wenn objektiv ein besonders schwerer Sorgfaltsverstoß und subjektiv besonderer Leichtsinn oder Gleichgültigkeit festzustellen sind4. b) Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospektgesetzes (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG) Die in § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG in Bezug genommene Vorschrift des § 8f Abs. 1 VerkProspG betrifft die allgemeine verkaufsprospektgesetzliche Prospektpflichtpflicht in Gestalt der Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts für den Fall eines inländischen öffentlichen Angebots von nicht in Wertpapieren verbrieften Anteilen iS von § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG und Namensschuldverschreibungen (Vermögensanlagen). Als die in § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG iVm. § 8f Abs. 1 VerkProspG angeführte Rechtsverordnung nach § 8g Abs. 2 VerkProspG ist die VermVerkProspV v. 16.12.2004 (siehe Einl. VerkProspG Rz. VerkProspG 2) ergangen; da sie ausschließlich Fragen des Prospektinhalts betrifft, ist sie jedoch für den Anwendungsbereich der Ordnungswidrigkeit nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG ohne praktische Bedeutung (siehe unten Rz. 10). Angebote von Vermögensanlagen, die ausschließlich im Ausland erfolgen und auch nicht mittels Internet das inländische Publikum erreichen, können nicht Gegenstand eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG sein.

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Nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG handelt ordnungswidrig, wer Anteile iS des § 8f Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 VerkProspG im Inland öffentlich anbietet, ohne der vorstehend (Rz. 7) angeführten, in § 8f Abs. 1 VerkProspG statuierten Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts nachzukommen.

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1 BGH v. 25.11.1987 – 3 StR 449/87, NStZ 1988, 175; BGH v. 4.11.1988 – 1 StR 262/88 NJW 1989, 781. Näher Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, 27. Aufl. 2006, § 15 StGB Rz. 60; Gürtler in Göhler, § 10 OWiG Rz. 2; Rengier in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 10 OWiG Rz. 7 ff. bzw. Rz. 10 ff. 2 BGH v. 4.11.1988 – 1 StR 262/88, NJW 1989, 781. Vgl. Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, 27. Aufl. 2006, § 15 StGB Rz. 84; Gürtler in Göhler, § 10 OWiG Rz. 5; Rengier in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 10 OWiG Rz. 11 f. 3 Rengier in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 10 OWiG Rz. 46 (mwN): „graduell gesteigerte (grobe) Fahrlässigkeit“. 4 BGH v. 9.11.1984 – 2 StR 257/84, BGHSt 33, 66 (67); vgl. Wehowsky in Erbs/ Kohlhaas, § 30 WpPG Rz. 29.

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Normadressat der Ordnungswidrigkeit nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG ist mithin allein der Anbieter der Vermögensanlagen iS von § 8f Abs. 1 VerkProspG1. Das ist derjenige, der für das öffentliche Angebot der Vermögensanlagen verantwortlich ist. Anbieter kann sowohl der Emittent der Vermögensanlagen selbst als auch ein Dritter sein, der – auch ohne Wissen des Emittenten – die Anlagen anbietet. Bietet der Dritte die Vermögensanlagen ohne Wissen des Emittenten öffentlich an, so kommt der Emittent nicht als Täter in Betracht. Ebenso wenig kommt der Emittent als Täter in Frage, wenn er die Emission prospektfrei absetzt und die Erwerber danach die Wertpapiere planwidrig weiterveräußern. 9

Ordnungswidriges Handeln nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG setzt ein öffentliches Angebot2 von Vermögensanlagen voraus. Die bloße Information oder Berichterstattung über ein Angebot stellt selbst kein Angebot iS von § 8f Abs. 1 VerkProspG dar. Da ein prospektpflichtiges Angebot eine konkrete Möglichkeit zum Erwerb der betreffenden Wertpapiere erfordert, liegt auch bei Veröffentlichungen, in denen das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen lediglich angekündigt wird, kein tatbestandsmäßiges Handeln vor. In diesen Fällen ist aber die Hinweispflicht nach § 12 VerkProspG zu beachten, deren Verletzung ihrerseits nach § 17 Abs. 1 Nr. 7 VerkProspG eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Von § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG erfasst sind dagegen Angebote zum Abschluss von Vorverträgen oder widerruflichen Kaufverträgen über Vermögensanlagen iS von § 8f Abs. 1 VerkProspG3. Zu Einzelheiten zum Begriff des öffentlichen Angebots siehe im Übrigen § 8f VerkProspG Rz. 4 ff.

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§ 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG stellt allein auf die unterlassene Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts ab. Ohne Belang ist es deshalb, ob der Täter einen Verkaufsprospekt bei der BaFin erstellt und hinterlegt hat4. Auch eine nachträgliche Veröffentlichung des Verkaufsprospekts beseitigt die Ordnungswidrigkeit nicht. Jedoch schließt nicht jede Veröffentlichung eines als Prospekt aufgemachten Dokuments einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG aus, weil § 8f Abs. 1 VerkProspG, dessen Verletzung die Ordnungswidrigkeit nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG zum Gegenstand hat, die Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts „nach diesem Abschnitt“ (dh. dem Abschnitt IIIa VerkProspG) verlangt. Darunter ist die Veröffentlichung eines Prospekts zu verstehen, welcher der BaFin nach § 8g Abs. 1 VerkProspG übermittelt wurde und dessen Veröffentlichung die BaFin gestattet hat (§ 8g Abs. 2 VerkProspG). Da § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG an die unterlassene Veröffentlichung eines Prospekts, nicht aber an dessen Inhalt anknüpft, liegt keine Ordnungswidrigkeit nach Nr. 1 vor, wenn ein gebilligter, aber inhaltlich unrichtiger oder unvollständiger Verkaufsprospekt

1 Heidelbach in Schwark, § 17 VerkProspG Rz. 2; auch zum Folgenden Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 17 VerkProspG Rz. 21. 2 Zum Begriff des Angebots siehe § 8f VerkProspG Rz. 6 ff. 3 Siehe Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 17 VerkProspG Rz. 24 f. 4 Vgl. Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 17 VerkProspG Rz. 22.

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veröffentlicht wurde1. Dem steht auch der Umstand nicht entgegen, dass die in § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG angeführte Rechtsverordnung nach § 8g Abs. 2, als welche die VermVerkProspV v. 16.12.2004 (siehe Einl. VerkProspG Rz. 2 und oben Rz. 7) erging, lediglich Vorschriften über die Angaben enthält, die ein Prospekt enthalten muss, da § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG als Tathandlung eindeutig nur den Fall erfasst, dass der Verkaufsprospekt „nicht veröffentlicht“ wurde. Ein tatbestandliches Handeln iS von § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG scheidet aus, wenn gemäß § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG bereits nach anderen Vorschriften eine Prospektpflicht besteht oder bereits ein Prospekt nach den Vorschriften dieses Gesetzes veröffentlicht wurde. Das ist etwa dann der Fall, wenn für die öffentlich angebotenen Vermögensanlagen bereits von einem Dritten ein Verkaufsprospekt veröffentlicht wurde.

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War dem Anbieter die Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts 12 unbekannt, kommt zwar ein Verbotsirrtum nach § 11 Abs. 2 OWiG in Betracht, doch wird dieser regelmäßig nicht zum Schuldausschluss führen, weil er für ihn – nicht zuletzt auf Grund der mit seiner gewerblichen und beruflichen Tätigkeit verbundenen Kenntnisse und Erfahrungen – vermeidbar war2. Handelt der Anbieter in der irrigen Annahme, sein Angebot sei nicht prospektpflichtig, etwa weil es sich nicht um ein öffentliches Angebot iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG handele, so dürfte wiederum regelmäßig ein nach den Grundsätzen des Verbotsirrtums zu behandelnder unbeachtlicher Subsumtionsirrtum vorliegen und damit von vorsätzlichem Handeln auszugehen sein. c) Verstoß gegen die Hinweispflicht des § 8h Abs. 2 VerkProspG (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 VerkProspG) In § 17 Abs. 1 Nr. 2 VerkProspG werden Verstöße gegen die in § 8h Abs. 2 VerkProspG normierte Pflicht des Emittenten geahndet, der keinen Jahresabschluss prüfen lassen und keinen Lagebericht aufstellen und prüfen lassen muss, in dem Verkaufsprospekt ausdrücklich an herausgehobener Stelle darauf hinzuweisen, dass er keine Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts nach den in § 8h Abs. 1 VerkProspG genannten Vorschriften des HGB (es handelt sich um §§ 264–289a und §§ 317–324 HGB) durchführt. Als Normadressat kommt nur der Emittent in Betracht, der zugleich Anbieter ist, da nur diesen gemäß § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG überhaupt eine Prospektpflicht nach dem VerkProspG treffen kann und es sich bei dem Hinweis nach § 8h Abs. 2 VerkProspG nicht um eine den Emittenten als solchen treffende Erklärungspflicht handelt.

1 Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 17 VerkProspG Rz. 11. 2 Hierzu und zum Folgenden Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 17 VerkProspG Rz. 29. Ebenso Bruchwitz in Arndt/Voß, § 17 VerkProspG Rz. 54. Zu Voraussetzungen, unter denen Verbotsirrtum anzunehmen ist, Heidelbach in Schwark, § 17 VerkProspG Rz. 2.

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Im Schrifttum wird die Streichung der mit dem AnSVG (siehe oben Rz. 1) eingeführten Bußgeldvorschrift verlangt, weil sie keinen praktischen Anwendungsbereich habe1. Dies wird mit der Überlegung begründet, die BaFin kontrolliere im Rahmen der Vollständigkeitsprüfung des Verkaufsprospekts nach §§ 10, 15 VermVerkProspV, ob ein formgerechter Hinweis nach § 8h Abs. 2 VerkProspG in den Prospekt aufgenommen worden sei. Allein der Umstand, dass die BaFin Prospekte auf ihre Vollständigkeit prüft, macht es indes noch nicht hinfällig, die Erfüllung bestimmter, als besonders bedeutend erscheinender Angabepflichten unter Bußgeldrohung zu stellen, zumal Prüfungsfehler der Aufsichtsbehörde nicht auszuschließen sind. d) Verstoß gegen die Pflicht zur Übermittlung des Verkaufsprospekts oder einer nachzutragenden Angabe (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 VerkProspG)

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In dem durch das 4. FFG (siehe oben Rz. 1) eingeführten § 17 Abs. 1 Nr. 3 VerkProspG werden Verstöße gegen die in § 8i Abs. 1 VerkProspG normierte Pflicht des Anbieters zur Übermittlung des Verkaufsprospekts an die BaFin als Hinterlegungsstelle (zum Zwecke der Gestattung der Veröffentlichung des Prospekts nach §§ 8i Abs. 2, 9 Abs. 1 VerkProspG und der Hinterlegung desselben) in Gestalt der unterlassenen oder nicht rechtzeitigen Übermittlung unter Bußgelddrohung gestellt. Bei dem in § 17 Abs. 1 Nr. 3 VerkProspG mit aufgeführten Verweis auf § 8i Abs. 3 Satz 1 VerkProspG handelt es sich um ein offensichtliches Redaktionsversehen, weil ein Anbieter gegen die dort geregelte Eingangsbestätigung der BaFin schlechterdings nicht verstoßen kann2. Anzuführen wäre stattdessen § 10 Satz 3 VerkProspG, da sich die in § 17 Abs. 1 Nr. 3 VerkProspG angeführte Pflicht, „eine nachzutragende Angabe“ zu übermitteln, nicht aus § 8i Abs. 1 VerkProspG, sondern aus der erstgenannten Norm ergibt. Diese verlangt, nachzutragende Angaben spätestens zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung der BaFin zu übermitteln.

16

Mit der Einführung der Bußgeldsanktion für eine unterlassene oder nicht rechtzeitige Übermittlung des Verkaufsprospekts oder einer nachzutragenden Angabe verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, Pflichtenverstößen entgegenzutreten, wie sie in der Vergangenheit wiederholt festzustellen waren. Vor dem Hintergrund der Bußgeldbewehrung von Verstößen gegen die allgemeine Pflicht zur Veröffentlichung von Verkaufsprospekten in § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG wird man die Ordnungswidrigkeit nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VerkProspG bei einem Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG als konsumiert zu betrachten haben: Wer nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG ordnungswidrig handelt, weil er Vermögensanlagen öffentlich anbietet, ohne einen Verkaufsprospekt veröffentlicht zu haben, verstößt damit zugleich gegen seine Pflicht zur Übermittlung des Verkaufsprospekts oder einer nachzutragenden Angabe an die BaFin. Gleichwohl verbleibt § 17 Abs. 1 Nr. 3 1 Bruchwitz in Arndt/Voß, § 17 VerkProspG Rz. 55. 2 So auch Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 17 VerkProspG Rz. 13; Bruchwitz in Arndt/Voß, § 17 VerkProspG Rz. 58.

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Assmann

Bußgeldvorschriften

§ 17 VerkProspG

VerkProspG ein eigener Anwendungsbereich für den Fall, dass ein gebilligter und veröffentlichter Verkaufsprospekt oder Nachtrag der BaFin nicht rechtzeitig nach § 8i Abs. 1 VerkProspG bzw. § 10 Satz 3 VerkProspG übermittelt wurde. e) Verstöße gegen das Verbot der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts vor seiner Billigung durch die BaFin (§ 17 Abs. 1 Nr. 4 VerkProspG) § 17 Abs. 1 Nr. 4 VerkProspG soll dem sich aus § 8i Abs. 2 Satz 1 Verk- 17 ProspG ergebenden Verbot, einen Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, bevor die BaFin seine Veröffentlichung gestattet hat, durch Bußgeldbewehrung Nachdruck verleihen. Die Vorschrift entspricht § 30 Abs. 1 Nr. 5 WpPG (siehe § 30 WpPG Rz. 32 ff.). Das Publikum soll davor geschützt werden, nicht von der BaFin zumindest auf ihre Vollständigkeit geprüfte Prospekte zu erhalten1. Der Tatbestand ist auch erfüllt, wenn ein inhaltlich von der gestatteten Ver- 18 sion abweichender Verkaufsprospekt veröffentlicht wird. Dabei ist die Abweichung entscheidend, weshalb es nicht darauf ankommt, ob die abweichenden Angaben richtig oder falsch sind2. Selbst wenn die Vorgaben an die Aufmachung des Verkaufsprospekts für Vermögensanlagen hinter denen des WpPG und der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission v. 29.4.2004 (siehe Einl. WpPG Rz. 1) in Bezug auf Wertpapierverkaufsprospekte zurückbleiben, spricht doch zweierlei dafür, auch nicht bloß geringfügige und unwesentliche Veränderung der Gestaltung des genehmigten Prospekts als ordnungswidrig iS von § 17 Abs. 1 Nr. 4 VerkProspG zu betrachten3: zum einen prüft die BaFin im Zuge der Vollständigkeitsprüfung iS der Beantwortung der Frage, ob der der Prospekt alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthält, die notwendig sind, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG zu ermöglichen (§ 8g Abs. 1 Satz 1, 8i Abs. 4 VerkProspG), auch die Verständlichkeit des Prospekts nach Gestaltung und Inhalt; und zum anderen sind mit der Änderung des Verkaufsprospektrechts nach dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.2005 (siehe Rz. 1) auch die Anforderungen an die Prospektgliederung und -gestaltung gestiegen. Für die Beantwortung der Frage, wann eine vom Tatbestand des § 17 Abs. 1 Nr. 4 VerkProspG erfasste Veröffentlichung eines Prospekts vorliegt, kann auf Teile der Definition des Begriffs des öffentlichen Angebots in § 2 Nr. 4 WpPG zurückgegriffen werden, wonach ein Angebot als öffentlich gilt, wenn es auf der Grundlage einer „Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise“ erfolgt. Zu Einzelheiten hierzu ist 1 Vgl. zu § 17 Abs. 1 Nr. 2 VerkProspG aF Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 17 VerkProspG Rz. 30. 2 Heidelbach in Schwark, § 17 VerkProspG Rz. 3. 3 Anders noch zu § 17 Abs. 1 Nr. 2 VerkProspG aF Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 17 VerkProspG Rz. 34, und folgend Heidelbach in Schwark, § 17 VerkProspG Rz. 3.

Assmann

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§ 17 VerkProspG

Bußgeldvorschriften

auf die Ausführungen zu § 30 WpPG Rz. 33 und die Erläuterungen zu § 2 Nr. 4 WpPG zu verweisen. 20

Bei der Bestimmung des Verhältnisses von § 17 Abs. 1 Nr. 4 zu Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG stellen sich die gleichen Fragen wie bei der Beurteilung des § 30 Abs. 1 Nr. 5 WpPG zu § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpPG, denn in beiden Fällen geht es um das Verhältnis des Verbots der Prospektveröffentlichung vor Billigung des Prospekts zur allgemeinen Prospektveröffentlichungspflicht. Deshalb kann diesbezüglich auf die entsprechenden Ausführungen in § 30 WpPG Rz. 34 verwiesen werden. f) Handlung zuwider einer vollziehbaren Anordnung der BaFin (§ 17 Abs. 1 Nr. 4a VerkProspG)

21

Nach § 17 Abs. 1 Nr. 4a VerkProspG handelt ordnungswidrig, wer einer vollziehbaren Anordnung der BaFin nach § 8i Abs. 2 Satz 5 oder Abs. 4 VerkProspG zuwiderhandelt. Die in Betracht kommenden vollziehbaren Anordnungen der BaFin betreffen zum einen die Untersagung der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekt, wenn dieser nicht die Angaben enthält, die nach § 8g Abs. 1 VerkProspG iVm. den Vorschriften der VermVerkProspV erforderlich sind (§ 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG), und zum anderen die Untersagung des öffentlichen Angebots von Vermögensanlagen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Anbieter keinen Verkaufsprospekt veröffentlicht hat oder dieser nicht die nach vorstehend angeführten Bestimmungen erforderlichen Angaben enthält (§ 8i Abs. 4 VerkProspG).

22

Zu den verwaltungsrechtlichen Grundlagen einer vollziehbaren Anordnung siehe § 30 WpPG Rz. 47 ff. Da § 8i Abs. 5 VerkProspG die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ua. gegen Maßnahmen nach § 8i Abs. 2 Satz 5 und Abs. 4 VerkProspG ausschließt, bedarf es keiner Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit durch die BaFin. Dem Emittenten bleibt die Möglichkeit des einstweiligen Rechtschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Variante 1 VwGO.

23

Wer einer vollziehbaren Anordnung nach § 8i Abs. 2 Satz 5 oder Abs. 4 VerkProspG zuwiderhandelt, handelt ordnungswidrig nur dann, wenn diese rechtmäßig ist (siehe § 30 WpPG Rz. 48). g) Verstoß gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Veröffentlichung (§ 17 Abs. 1 Nr. 5 VerkProspG)

24

§ 17 Abs. 1 Nr. 5 VerkProspG ergänzt die Bußgeldvorschrift des § 17 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG und erfasst auch die Schlechterfüllung und die verzögerte Erfüllung der in § 9 Abs. 1 VerkProspG normierten Pflicht zur Veröffentlichung des Verkaufsprospekts nach der Billigung durch die BaFin. Parallelvorschrift für dem WpPG unterfallende Prospekte ist § 30 Abs. 1 Nr. 6 WpPG (siehe § 30 WpPG Rz. 35 ff.). Ebenfalls bußgeldbewehrt sind entsprechende Verstöße hinsichtlich nachzutragender Angaben gemäß § 10 Satz 2

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Assmann

Bußgeldvorschriften

§ 17 VerkProspG

VerkProspG und nach der Gestattung eingetretene Veränderungen iS des § 11 Satz 1 VerkProspG. Die Tatvariante „nicht richtig“ bezieht sich allein auf die nicht ordnungsgemäße Veröffentlichung. Inhaltliche Unrichtigkeiten der Angaben des Prospekts werden von § 17 Abs. 1 Nr. 5 VerkProspG nicht erfasst. Andernfalls bestünde seitens der BaFin im Bußgeldverfahren eine weiter reichende Prüfungskompetenz als im zuvor durchgeführten verwaltungsrechtlichen Verfahren der Billigung. Inhaltliche Fehler können jedoch eine Straftat iS des § 264a StGB darstellen1 und zivilrechtliche Haftungsfolgen nach § 13 VerkProspG (siehe dazu Einl. WpPG Rz. 47 ff.) nach sich ziehen. Hinsichtlich des Verhältnisses von § 17 Abs. 1 Nr. 5 zu Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG gilt das zu § 30 WpPG Rz. 34 Ausgeführte entsprechend.

25

h) Verstoß gegen die Pflicht zur Mitteilung der Prospektveröffentlichung (§ 17 Abs. 1 Nr. 6 VerkProspG) In § 17 Abs. 1 Nr. 6 VerkProspG werden seit dem 4. FFG (siehe oben Rz. 1) 26 Verstöße gegen die in § 9 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG begründete Pflicht geahndet, der BaFin Datum und Ort der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Die Bestimmung entspricht der für Wertpapierverkaufsprospekte maßgeblichen Regelung des § 30 Abs. 1 Nr. 7 WpPG: Das zu dieser Vorschrift (in § 30 WpPG Rz. 39 f.) Ausgeführte gilt entsprechend. i) Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 12 VerkProspG (§ 17 Abs. 1 Nr. 7 VerkProspG) Der durch das 4. FFG (siehe oben Rz. 1) eingeführte § 17 Abs. 1 Nr. 7 VerkProspG ahndet Verstöße gegen die in § 12 VerkProspG statuierte Pflicht, in Veröffentlichungen, in denen das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen angekündigt und auf die wesentlichen Merkmale der Vermögensanlagen hingewiesen wird, einen Hinweis auf den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung aufzunehmen.

27

3. Ordnungswidrigkeiten nach § 17 Abs. 2 VerkProspG a) Begehungsformen Die in § 17 Abs. 2 VerkProspG genannten Tatbestände setzen Vorsatz (siehe 28 oben Rz. 6 und zu Einzelheiten § 30 WpPG Rz. 12 ff.) oder – im Gegensatz zu § 17 Abs. 1 VerkProspG, der leichtfertiges Handeln verlangt – einfache Fahrlässigkeit voraus. Letztere ist nicht mehr als die schlichte Außerachtlassung der nach den Umständen zu erwartenden Sorgfalt bei Voraussehbarkeit des Taterfolgs; zu Einzelheiten siehe § 30 WpPG Rz. 16. 1 Ausführlich zur Parallelvorschrift im WpPG Voß in Just/Voß/Ritz/Zeising, § 30 WpPG Rz. 76. Ebenso wohl Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, § 17 VerkProspG Rz. 16 ff. AA Bruchwitz in Arndt/Voß, § 17 VerkProspG Rz. 75.

Assmann

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§ 17 VerkProspG 29

Bußgeldvorschriften

Zweck der Bußgeldbewehrung der Zuwiderhandlungen nach § 17 Abs. 2 VerkProspG ist die Gewährleistung der Kontroll- und Ermittlungsbefugnisse der BaFin1. b) Verstoß gegen die Pflicht zur Erteilung von Auskünften und zur Vorlage von Unterlagen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 VerkProspG)

30

§ 17 Abs. 2 Nr. 1 VerkProspG sanktioniert Verstöße gegen Anordnungen der BaFin, die auf die Erteilung von Auskünften und die Vorlage von Unterlagen gerichtet sind, welche die BaFin nach § 8i Abs. 4a VerkProspG zur Überwachung der Einhaltung der Pflichten nach § 8i Abs. 1, 2 Satz 1 VerkProspG, § 8f Abs. 1 VerkProspG und den §§ 9–12 VerkProspG oder zur Prüfung der Frage, ob der Verkaufsprospekt die rechtlich gebotenen Angaben enthält, verlangen kann.

31

Die BaFin muss zunächst ihren Anspruch auf Information in einer Anordnung konkretisieren. Erst der Verstoß hiergegen ist bußgeldbewehrt. Die Anordnung ist kraft Gesetzes gemäß § 8i Abs. 5 VerkProspG sofort vollziehbar. Des Weiteren ist – wie in § 17 Abs. 1 Nr. 4a VerkProspG – die Rechtmäßigkeit der Anordnung Voraussetzung für die Sanktionierbarkeit (siehe oben Rz. 23).

32

Bußgeldbewehrte Tathandlungen sind das Unterlassen der Erteilung von Auskünften bzw. der Vorlage von Unterlagen sowie die jeweils verspätete, unvollständige oder unrichtige Erfüllung der Auskunfts- und Vorlagepflichten. c) Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung der BaFin hinsichtlich irreführender Werbung (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 VerkProspG)

33

§ 30 Abs. 2 Nr. 1 WpPG in Bezug auf § 15 Abs. 6 Sätze 1 und 2 WpPG (siehe § 30 WpPG Rz. 50) vergleichbar erklärt § 17 Abs. 2 Nr. 2 VerkProspG einen Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung der BaFin zur Untersagung von Werbung, welche geeignet ist, über den Umfang der Prüfung nach § 8i Abs. 2 VerkProspG irrezuführen, zur Ordnungswidrigkeit. Seit der Änderung durch das 4. FFG (siehe oben Rz. 1) werden auch einfach fahrlässige Verstöße gegen die vollziehbare Anordnung sanktioniert.

34

Wie in § 17 Abs. 2 Nr. 1 VerkProspG (siehe oben Rz. 31) setzt der Bußgeldtatbestand eine vorherige, rechtmäßige und vollziehbare Anordnung der BaFin voraus. Irreführende Werbung ohne eine solche Anordnung stellt keine Ordnungswidrigkeit dar.

III. Bußgeldrahmen (§ 17 Abs. 3 VerkProspG) 35

In § 17 Abs. 3 VerkProspG werden verschiedene, nach dem Gewicht des bußgeldrechtlich bewehrten Ge- oder Verbots differenzierende Bußgeldrahmen festgelegt. 1 Lenz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 17 VerkProspG Rz. 48.

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Assmann

Bußgeldvorschriften

§ 17 VerkProspG

Der Bußgeldrahmen des § 17 Abs. 3 VerkProspG entspricht demjenigen des 36 § 30 Abs. 3 WpPG1: – Die schärfste Sanktion ist mit einer Bußgeldandrohung bis zu 500.000 Euro bei einem Verstoß gegen die allgemeine Prospektveröffentlichungspflicht (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 8f Abs. 1 VerkProspG), bei einer Veröffentlichung eines nicht gestatteten Verkaufsprospekts (§ 17 Abs. 1 Nr. 4 iVm. § 8i Abs. 2 Satz 1 VerkProspG) und bei Zuwiderhandlung gegen die vollziehbare Anordnung der BaFin (§ 17 Abs. 1 Nr. 4a iVm. § 8i Abs. 2 Satz 5 oder Abs. 4 VerkProspG) bestimmt. – Ein Bußgeldrahmen bis 100.000 Euro gilt für Verstöße gegen die Hinweispflichten des § 8h Abs. 2 VerkProspG und des § 12 VerkProspG (§ 17 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 7 VerkProspG) sowie gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts, einer nachzutragenden Angabe oder einer Veränderung (§ 17 Abs. 1 Nr. 5 iVm. § 9 Abs. 1, § 10 Satz 2 oder § 11 Satz 1 VerkProspG). – Alle anderen in § 17 Abs. 1 und 2 VerkProspG enthaltenen Ordnungswidrigkeiten werden mit Bußgeld bis zu 50.000 Euro geahndet. Untere Grenze des Bußgeldrahmens ist gemäß § 17 Abs. 1 OWiG in allen Fällen 5 Euro. Zudem gilt die differenzierende Regelung des § 17 Abs. 2 OWiG, wonach die Obergrenze des Bußgelds bei fahrlässigem Handeln – davon umfasst ist hier auch Leichtfertigkeit2 – die Hälfte des jeweils angedrohten Höchstbetrages darstellt.

37

Zur Bußgeldzumessung siehe die Erläuterungen zu § 30 WpPG Rz. 56 ff.

38

IV. Zuständige Behörde (§ 17 Abs. 4 VerkProspG) § 17 Abs. 4 VerkProspG regelt, den Erfordernissen der §§ 35, 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG entsprechend, die sachliche Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 17 Abs. 1 und 2 VerkProspG, indem er sie der BaFin überträgt.

39

Örtlich zuständig ist die BaFin für alle Vorgänge, auf die deutsches Recht – 40 und damit auch § 17 Abs. 1 und Abs. 2 VerkProspG – anwendbar ist (siehe dazu § 30 WpPG Rz. 9 f.). Die Vorschrift ist wortgleich mit § 30 Abs. 4 WpPG, weshalb im Übrigen auf die Erläuterungen zu § 30 WpPG Rz. 60 ff. verwiesen werden kann.

1 RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 40 zu § 30 WpPG. 2 Mitsch in Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, § 17 OWiG Rz. 26, wobei bei Leichtfertigkeit allerdings regelmäßig ein höheres Bußgeld als bei einfach fahrlässigem Handeln festgesetzt wird.

Assmann

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§ 18 VerkProspG

Übergangsvorschriften

§ 18 Übergangsvorschriften (1) Für Wertpapiere, die vor dem 1. April 1998 im Inland bei einem öffentlichen Umtauschangebot angeboten worden sind und für die auf Grund der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 7 in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 1996 (BGBl. I S. 1047) kein Verkaufsprospekt veröffentlicht wurde, ist § 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass als erstmaliges öffentliches Angebot das erste öffentliche Angebot nach dem 1. April 1998 gilt. (2) Auf Verkaufsprospekte, die vor dem 1. April 1998 im Inland veröffentlicht worden sind, sind § 13 in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 1996 (BGBl. I S. 1047) und die Vorschriften der §§ 45 bis 49 des Börsengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 1996 (BGBl. I S. 1030) weiterhin anzuwenden. Auf vor dem 1. Juli 2005 im Inland veröffentlichte Verkaufsprospekte für von Kreditinstituten ausgegebene Wertpapiere ist dieses Gesetz in der vor dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Auf andere als in Satz 2 genannte Verkaufsprospekte, die vor dem 1. Juli 2005 im Inland veröffentlicht worden sind, findet dieses Gesetz in der vor dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung bis 30. Juni 2006 weiterhin Anwendung. Auf die Verkaufsprospekte im Sinne des Satzes 3 sind § 13 dieses Gesetzes in der vor dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung und die Vorschriften der §§ 45 bis 47 des Börsengesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630) geändert worden ist, weiterhin anzuwenden. § 3 Abs. 1 des Wertpapierprospektgesetzes findet in den Fällen der Sätze 2 und 3 keine Anwendung. (3) § 16 Abs. 2 in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 1996 (BGBl. I S. 1047) über die Gebührenerhebung durch die Bundesanstalt ist bis zum Inkrafttreten einer Verordnung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 anzuwenden. In der Fassung des 3. Finanzmarktförderungsgesetzes vom 24.3.1998 (BGBl. I 1998, 529), zuletzt geändert durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 22.6.2005 (BGBl. I 2005, 1698). Schrifttum: Siehe Einl. VerkProspG.

Inhaltsübersicht I. Übersicht 1. Normentwicklung . . . . . . . . 2. Regelungsinhalt . . . . . . . . .

1 2

II. § 18 Abs. 1 VerkProspG . . . .

3

III. § 18 Abs. 2 VerkProspG

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Assmann

1. Übergangsvorschrift des 3. FFG (§ 18 Abs. 2 Satz 1 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . 2. Übergangsvorschrift des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (§ 18 Abs. 2 Sätze 2–5 VerkProspG)

5

§ 18 VerkProspG

Übergangsvorschriften a) Verkaufsprospekte für von Kreditinstituten ausgegebene Wertpapiere (§ 18 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG) . . . . . . b) Andere Verkaufsprospekte (§ 18 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG) . . . . . . . . . . . . . .

6 8

c) Prospekthaftung für andere Verkaufsprospekte (§ 18 Abs. 2 Satz 4 VerkProspG) . . . . . . . . . . d) Ausschluss des § 3 Abs. 1 WpPG (§ 18 Abs. 2 Satz 5 VerkProspG) . . . . . . . . . .

11

IV. § 18 Abs. 3 VerkProspG . . . .

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I. Übersicht 1. Normentwicklung § 18 VerkProspG wurde auf Grund von Art. 2 Nr. 24 des 3. FFG v. 24.3.19981 1 in das VerkProspG eingefügt und enthält verschiedene Übergangsvorschriften2. Durch Art. 2 Nr. 14 des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 22.6.20053 (siehe Einl. VerkProspG Rz. 1 und 24) wurden Abs. 2 die heutigen Sätze 2–5 angefügt. Im Übrigen blieb die Übergangsvorschrift bis auf die durch das 4. FFG v. 21.6.20024 veranlasste redaktionelle Änderung in Abs. 3 unberührt: die bisherige Bezeichnung der Aufsichtsbehörde als Bundesaufsichtsamt wurde durch die neue Bezeichnung Bundesanstalt ersetzt. Da die im Zuge des 3. FFG eingeführten Übergangsvorschriften Sachverhalte betreffen, die über zehn Jahre zurückliegen, beschränkt sich die Praxisrelevanz im Wesentlichen auf § 18 Abs. 2 Sätze 2–5 VerkProspG. 2. Regelungsinhalt § 18 Abs. 1 VerkProspG ist Folge des Wegfalls der bis zum Inkrafttreten des 2 3. FFG in § 4 Abs. 1 Nr. 7 VerkProspG aF enthaltenen Ausnahme von der Prospektveröffentlichungspflicht bei einem öffentlichem Umtauschangebot. § 18 Abs. 2 Satz 1 VerkProspG ordnet die Fortgeltung der durch das 3. FFG geänderten Prospekthaftungsregelung auf Altfälle an. Die Vorschriften in § 18 Abs. 2 Sätze 2–5 VerkProspG regeln, inwieweit vor Inkrafttreten des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes am 1.7.2005 veröffentlichte Verkaufsprospekte gültig sind. Des Weiteren finden sich in diesen Bestimmungen Übergangsregelungen hinsichtlich der Prospekthaftung. § 18 Abs. 3 1 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, 529, 535 f. 2 Ausführlich zu den inzwischen nahezu obsoleten Übergangsvorschriften des § 18 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 VerkProspG Assmann/Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 18 VerkProspG Rz. 2 ff. 3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2005, 1698. 4 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, 2010, 2045.

Assmann

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§ 18 VerkProspG

Übergangsvorschriften

VerkProspG enthält eine Übergangsregelung betreffend die von der BaFin zu erhebenden Hinterlegungsgebühren.

II. § 18 Abs. 1 VerkProspG 3

Durch das 3. FFG wurde die zuvor in § 4 Abs. 1 Nr. 7 VerkProspG aF enthaltene Ausnahme von der Prospektpflicht für Wertpapiere, die im Inland im Zusammenhang mit einem öffentlichen Umtauschangebot erstmals öffentlich angeboten werden, gestrichen, sodass für diese Fälle eine Übergangsregelung erforderlich wurde.

4

Anders als in den Abs. 2 und 3 der Vorschrift werden in § 18 Abs. 1 VerkProspG Altfälle jedoch nicht vollständig nach der alten Rechtslage beurteilt, sondern unterliegen zwei unterschiedlichen Rechtsvorschriften. Für denjenigen, der Wertpapiere im Rahmen eines öffentlichen Umtauschangebots erstmals im Inland über den 1.4.1998 hinaus öffentlich anbietet, hat dies eine Verschärfung zur Folge. Altfälle werden somit im Interesse des Anlegerschutzes1 im Vergleich zu den nach dem 1.4.1998 bei einem öffentlichen Umtauschangebot angebotenen Wertpapieren nicht privilegiert.

III. § 18 Abs. 2 VerkProspG 1. Übergangsvorschrift des 3. FFG (§ 18 Abs. 2 Satz 1 VerkProspG) 5

Mit dem Erlass des VerkProspG richtete sich die Haftung für fehlerhafte Verkaufsprospekte auf Grund des Verweises in § 13 VerkProspG aF nach den Vorschriften der §§ 45–49 BörsG aF (heute §§ 44–48 BörsG). § 18 Abs. 2 Satz 1 VerkProspG bestimmt, dass auf Verkaufsprospekte, die vor dem 1.4.1998 im Inland veröffentlicht worden sind, § 13 VerkProspG in der Fassung der Bekanntmachung v. 17.7.1996 (BGBl. I 1996, 1047) und die Vorschriften der §§ 45–49 BörsG in der Fassung der Bekanntmachung v. 17.7.1996 (BGBl. I 1996, 1030) weiterhin anzuwenden sind. Unter Berücksichtigung der Verjährungsregelung des § 47 BörsG aF bedeutet dies, dass bis zum 31.3.2003 die alten Bestimmungen anzuwenden waren, sofern der Prospekt vor dem 1.4.1998 veröffentlicht wurde2. 2. Übergangsvorschrift des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (§ 18 Abs. 2 Sätze 2–5 VerkProspG) a) Verkaufsprospekte für von Kreditinstituten ausgegebene Wertpapiere (§ 18 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG)

6

§ 18 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG erklärt sämtliche Bestimmungen des VerkProspG in der vor dem 1.7.2005 geltenden Fassung – zu diesem Stichtag trat 1 Vgl. RegE 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 85. 2 Assmann bzw. Assmann/Ritz in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 13 VerkProspG Rz. 5 bzw. § 18 VerkProspG Rz. 6.

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Assmann

Übergangsvorschriften

§ 18 VerkProspG

das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz in Kraft – für anwendbar, wenn vor diesem Datum im Inland Verkaufsprospekte für von Kreditinstituten ausgegebene Wertpapiere veröffentlicht wurden. Dies soll sicherstellen, dass auf Grund eines – vollständigen oder unvollständigen – Verkaufsprospekts von einem Kreditinstitut iS von § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG ausgegebene Wertpapiere auch über den 1.7.2005 hinaus unter Verwendung eines solchen Verkaufsprospekts öffentlich angeboten werden können1. Nicht nur die Prospekthaftungsbestimmung des § 13 VerkProspG2, sondern auch alle weiteren Bestimmungen des VerkProspG – insbesondere der ergänzende Angaben betreffende und § 16 WpPG verdrängende § 11 VerkProspG – finden Anwendung. Dies zeigt, dass § 18 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG über eine bloße Übergangsregelung für die Prospekthaftung hinausgeht3. Aus der Anwendungsbegrenzung der Übergangsregelung in § 18 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG am Ende lässt sich im Wege des Umkehrschlusses folgern, dass die in § 18 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG geregelte Fortgeltung des VerkProspG in seiner vor dem 1.7.2005 geltenden Fassung auf den in dieser Bestimmung angeführten Fall zeitlich nicht begrenzt ist4. Praxisrelevant ist bzw. war die Übergangsvorschrift insbesondere für Ange- 7 bote, die vor dem 1.7.2005 begonnen haben und über dieses Datum hinaus fortdauern sowie für nach dem 1.7.2005 vorgenommene Neuemissionen, die auf einem zuvor gebilligten unvollständigen Prospekt beruhten oder beruhen5. In diesen Fällen war oder ist kein weiterer Prospekt nach dem Wertpapierprospektgesetz erforderlich. b) Andere Verkaufsprospekte (§ 18 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG) Die Übergangsregelung in § 18 Abs. 1 Satz 2 VerkProspG betrifft Verkaufsprospekte für Wertpapiere, die von Kreditinstituten ausgegeben wurden. Auch für andere als die von § 18 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG erfassten Verkaufsprospekte, die vor Inkrafttreten des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes am 1.7.2005 im Inland veröffentlicht worden sind, gilt nach § 18 Abs. 1 Satz 3 VerkProspG das VerkProspG in der bis dahin geltenden Fassung. Diese Fortgeltung ist jedoch im Unterschied zu § 18 Abs. 1 Satz 2 VerkProspG bis zum 30.6.2006 befristet. Wenngleich die Gesetzesmaterialien nur von einer Übergangsregelung für Verkaufsprospekte „hinsichtlich der Prospekthaftung“6 sprechen, erfasst der Verweis sämtliche Bestimmungen des VerkProspG in seiner Fassung vor 1.7.2005. 1 RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 41. 2 Vgl. RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 41. 3 Vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, § 18 VerkProspG Rz. 4; Könnecke in Arndt/Voß, § 18 VerkProspG Rz. 20. 4 Könnecke in Arndt/Voß, § 18 VerkProspG Rz. 22. 5 Kullmann/Sester, Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – Zentrale Punkte des neuen Regimes für Wertpapieremissionen, WM 2005, 1068 (1076). 6 RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 41.

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Fraglich ist, ob die auf Grund der Übergangsregelung in § 18 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG anwendbare Gerichtsstandsregelung des § 13 Abs. 2 VerkProspG aF von der zum 1.11.2005 eingeführten1 Bestimmung des § 32b ZPO nach der Lex posterior-Regel verdrängt wird. Beide Normen sehen ausschließliche Gerichtsstände vor, so dass sich ein Konkurrenzproblem ergibt. Jedoch ist vom Vorrang der spezielleren Regelung des § 13 Abs. 2 VerkProspG aF auszugehen, weil keine Gründe ersichtlich sind, weshalb die Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG im Hinblick auf die Bestimmung des § 32b ZPO verdrängt werden sollte2. Insbesondere hat der Gesetzgeber bei Einführung des § 32b ZPO keine Anpassung des § 18 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG vorgenommen. Aus der weiten Auslegung des § 32b ZPO durch den BGH, der die Vorschrift auch auf Streitigkeiten über Vermögensanlagen anwendet3, lässt sich für das hier streitige Konkurrenzverhältnis zu § 18 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG iVm. § 13 Abs. 2 VerkProspG aF keine Aussage entnehmen.

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Ebenfalls umstritten ist, ob auch Verkaufsprospekte, die keine Wertpapiere, sondern nicht wertpapiermäßig verbriefte Anlagen (Vermögensanlagen) zum Gegenstand haben, als „andere als in Satz 2 genannte Verkaufsprospekte“ iS des § 18 Abs. 1 Satz 3 VerkProspG anzusehen sind4. Ursprünglich beschränkte sich der Anwendungsbereich des VerkProspG auf Verkaufsprospekte für Wertpapiere (§ 1 VerkProspG aF). Durch das AnSVG v. 28.10.2004 (Einl. VerkProspG Rz. 1) wurde der Anwendungsbereich auf Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG erweitert (siehe Einl. VerkProspG Rz. 6). Diese Erweiterung trat jedoch erst am 1.7.2005, zeitgleich mit dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, in Kraft. Es ist somit davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Übergangsvorschrift, die die Anwendung des alten Rechts anordnet, nicht auf die Verkaufsprospekte für Vermögensanlagen erstrecken wollte, die zur Zeit der Entstehung des Gesetzes noch nicht dem Anwendungsbereich des VerkProspG unterfielen. Gegen eine Einbeziehung sprechen auch Gesichtspunkte des Anlegerschutzes, da ansonsten – entgegen den Vorgaben des AnSVG – die Verkaufsprospekte für Vermögensanlagen in der einjährigen Übergangsfrist ohne spezialgesetzliche Regulierung hätten vertrieben werden können5.

1 Gesetz v. 16.8.2005, BGBl. I 2005, 2437. 2 So auch OLG Dresden v. 13.8.2007 – 1 AR 45/07, juris Rz. 29 ff. Wohl aA Könnecke in Arndt/Voß, § 18 VerkProspG Rz. 27. 3 BGH v. 7.2.2007 – X ARZ 423/06, NJW 2007, 1365. 4 Für eine Einbeziehung: LG Düsseldorf v. 10.10.2005 – 6 O 138/05 (unveröffentlicht), nicht beanstandet von OLG Düsseldorf v. 8.5.2006 – I-5 Sa 38/06, juris Rz. 18. Dagegen VG Frankfurt a.M. v. 1.9.2005 – 1 G 2484/05 (unveröffentlicht). Näher Könnecke in Arndt/Voß, § 18 VerkProspG Rz. 31 ff. 5 Könnecke in Arndt/Voß, § 18 VerkProspG Rz. 34 und 37.

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c) Prospekthaftung für andere Verkaufsprospekte (§ 18 Abs. 2 Satz 4 VerkProspG) In § 18 Abs. 2 Satz 4 VerkProspG, der im Hinblick auf Satz 3 als redundant 11 erscheint1, werden hinsichtlich der „anderen“ (keine Wertpapiere von Kreditinstituten) betreffende Verkaufsprospekte iS des Satzes 3 (siehe oben Rz. 8) ausdrücklich die Prospekthaftungsbestimmungen des § 13 VerkProspG aF und der §§ 45 bis 47 BörsG aF für anwendbar erklärt. Dass sich die missglückte Bestimmung nicht auch auf den in § 13 VerkProspG enthaltenen Verweis auf die Anspruchsgrundlage des § 44 BörsG bezieht, stellt ein Redaktionsversehen dar2. Unklar ist, ob § 18 Abs. 2 Satz 4 VerkProspG ein eigener Regelungsgehalt 12 zukommt. Zum einen sind die dort genannten Vorschriften schon über § 18 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG erfasst. Zum anderen stellt sich die Frage, aus welchem Grund sich die Vorschrift nur auf § 18 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG und nicht auch auf § 18 Abs. 2 Satz 2 VerkProspG bezieht. Als Erklärungsmöglichkeit kommt in Betracht, dass Satz 4 für die dort genannten Vorschriften – anders als in Satz 3 – keine zeitliche Begrenzung bis zum 30.6.2006 vorsieht3. Doch sprechen hierfür keine sachlichen Gründe. Deshalb ist davon auszugehen, dass diese Konsequenz nicht intendiert ist und auch diesbezüglich ein Redaktionsversehen vorliegt. d) Ausschluss des § 3 Abs. 1 WpPG (§ 18 Abs. 2 Satz 5 VerkProspG) § 18 Abs. 2 Satz 5 VerkProspG stellt klar, dass das Wertpapierprospektgesetz 13 in den Fällen der Sätze 2 und 3 keine Anwendung findet4. Das bedeutet, dass sich das Prospektpflichtregime für Wertpapierprospekte allein nach dem VerkProspG aF richtet. Mit dem Verweis auf § 18 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG schließt die Vorschrift die Anwendung des WpPG nur für den in Satz 3 genannten Zeitraum bis 30.6.2006 aus. Daher gelten für die in § 18 Abs. 2 Satz 3 VerkProspG genannten „anderen Verkaufsprospekte“ in der Folgezeit die Vorschriften des WpPG5.

IV. § 18 Abs. 3 VerkProspG Durch Art. 2 Nr. 22 des 3. FFG wurde statt der zuvor in § 16 Abs. 2 VerkProspG aF enthaltenen detaillierten Regelung eine Verordnungsermächti1 Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 18 VerkProspG Rz. 6. 2 Vgl. Krämer in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 18 VerkProspG Rz. 6; Könnecke in Arndt/Voß, § 18 VerkProspG Rz. 46. 3 Vgl. Könnecke in Arndt/Voß, § 18 VerkProspG Rz. 48. 4 RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999 v. 3.3.2005, S. 41. 5 Anders für den Fall, dass nach den Bestimmungen des VerkProspG aF ein Verkaufsprospekt veröffentlicht wurde, die Wertpapiere jedoch über den Stichtag hinaus öffentlich angeboten werden, Könnecke in Arndt/Voß, § 18 VerkProspG Rz. 51.

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gung für das damalige BAWe – heute die BaFin – zum Erlass einer Gebührenverordnung aufgenommen. Die alten Bestimmungen galten bis zum Inkrafttreten der VerkProspGebVO am 1.4.1999. In § 4 VerkProspGebVO fand sich eine entsprechende Bestimmung, die § 16 Abs. 3 VerkProspG aF wiederholte und konkretisierte. An die Stelle der VerkProspGebVO ist nach den Änderungen des VerkProspG durch das AnSVG v. 28.10.2004 (siehe Einl. VerkProspG Rz. 2 und 22) auf der Grundlage von § 8g Abs. 2 und 3 VerkProspG die VermVerkProspV v. 16.12.2004 getreten.

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B. Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung (VermVerkProspV) Verordnung über Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte (Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung – VermVerkProspV) vom 16. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3464) Eingangsformel. Auf Grund des § 8g Abs. 2 und 3 des Verkaufsprospektgesetzes, der durch Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630) eingefügt worden ist, verordnet die Bundesregierung: § 1 Anwendungsbereich. Diese Verordnung ist auf den Verkaufsprospekt für Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 des Verkaufsprospektgesetzes anzuwenden. § 2 Allgemeine Grundsätze. (1) 1Der Verkaufsprospekt muss über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Beurteilung der angebotenen Vermögensanlagen notwendig sind, Auskunft geben und richtig und vollständig sein. 2Er muss mindestens die nach dieser Verordnung vorgeschriebenen Angaben enthalten. 3Er ist in deutscher Sprache und in einer Form abzufassen, die sein Verständnis und seine Auswertung erleichtert. 4 Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) kann gestatten, dass der Verkaufsprospekt von Emittenten mit Sitz im Ausland ganz oder zum Teil in einer anderen in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache abgefasst wird. 5In diesem Fall ist dem Prospekt eine deutsche Zusammenfassung voranzustellen, die Teil des Prospekts ist und die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Angaben zu dem Emittenten, der Vermögensanlage und dem Anlageobjekt enthält. (2) 1Der Verkaufsprospekt muss ein Inhaltsverzeichnis enthalten. 2Anschließend an das Inhaltsverzeichnis ist ein hervorgehobener Hinweis aufzunehmen, dass die inhaltliche Richtigkeit der im Prospekt gemachten Angaben nicht Gegenstand der Prüfung des Prospekts durch die Bundesanstalt ist. 3 Die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit den angebotenen Vermögensanlagen einschließlich der mit einer Fremdfinanzierung einhergehenden Risiken sind in einem gesonderten Abschnitt, der nur diese Angaben enthält, darzustellen. 4Dabei ist das den Anleger treffende maximale Risiko in seiner Größenordnung zu beschreiben. 5 Nach dieser Verordnung geforderte und darüber hinausgehende in den Prospekt aufgenommene Angaben, die eine Prognose beinhalten, sind deutlich als Prognosen kenntlich zu machen. (3) 1Der Verkaufsprospekt soll die nach dieser Verordnung erforderlichen Mindestangaben in der Reihenfolge ihrer Nennung in der Verordnung enthalten. 2Stimmt die Reihenfolge der Angaben in dem Prospekt nicht mit der dieser Verordnung überein, kann die Hinterlegungsstelle vor Gestattung der

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Veröffentlichung des Verkaufsprospekts von dem Anbieter eine Aufstellung verlangen, aus der hervorgeht, an welcher Stelle des Prospekts sich die verlangten Mindestangaben befinden. (4) Der Verkaufsprospekt ist mit dem Datum seiner Aufstellung zu versehen und vom Anbieter zu unterzeichnen. (5) Sind vorgeschriebene Angaben dem nach § 10 Abs. 1 in den Verkaufsprospekt aufgenommenen Jahresabschluss unmittelbar zu entnehmen, so brauchen sie im Verkaufsprospekt nicht wiederholt zu werden. § 3 Angaben über Personen oder Gesellschaften, die für den Inhalt des Verkaufsprospekts die Verantwortung übernehmen. Der Verkaufsprospekt muss Namen, Geschäftsanschrift und Funktionen, bei juristischen Personen oder Gesellschaften die Firma und den Sitz der Personen oder Gesellschaften angeben, die für seinen Inhalt insgesamt oder für bestimmte Angaben die Verantwortung übernehmen; er muss eine Erklärung dieser Personen oder Gesellschaften enthalten, dass ihres Wissens die Angaben richtig und keine wesentlichen Umstände ausgelassen sind. § 4 Angaben über die Vermögensanlagen. 1Der Verkaufsprospekt muss über die Vermögensanlagen angeben: 1. Art, Anzahl und Gesamtbetrag der angebotenen Vermögensanlagen sowie die mit den Vermögensanlagen verbundenen Rechte. Steht die Anzahl oder der Gesamtbetrag bei Hinterlegung des Verkaufsprospekts noch nicht fest, ist ein hervorgehobener Hinweis aufzunehmen, der eine Mindestanzahl und einen Mindestbetrag angibt; 2. die wesentlichen Grundlagen der steuerlichen Konzeption der Vermögensanlage. Übernimmt der Anbieter die Zahlung von Steuern, so ist dies anzugeben; 3. wie die Vermögensanlagen übertragen werden können und in welcher Weise ihre freie Handelbarkeit eingeschränkt ist; 4. die Zahlstellen oder andere Stellen, die bestimmungsgemäß Zahlungen an den Anleger ausführen; 5. die Einzelheiten der Zahlung des Zeichnungs- oder Erwerbspreises, insbesondere die Kontoverbindung; 6. die Stellen, die Zeichnungen oder auf den Erwerb von Anteilen oder Beteiligungen gerichtete Willenserklärungen des Publikums entgegennehmen; 7. eine für die Zeichnung oder den Erwerb der Vermögensanlagen vorgesehene Frist und die Möglichkeiten, diese vorzeitig zu schließen oder Zeichnungen, Anteile oder Beteiligungen zu kürzen; 8. die einzelnen Teilbeträge, falls das Angebot gleichzeitig in verschiedenen Staaten mit bestimmten Teilbeträgen erfolgt. Sind die Teilbeträge zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prospekts noch nicht bekannt, ist anzugeben, in welchen Staaten das Angebot erfolgt;

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9. den Erwerbspreis für die Vermögensanlagen oder, sofern er noch nicht bekannt ist, die Einzelheiten und den Zeitplan für seine Festsetzung; 10. die mit dem Erwerb, der Verwaltung und der Veräußerung der Vermögensanlage verbundenen weiteren Kosten; 11. unter welchen Umständen der Erwerber der Vermögensanlagen verpflichtet ist, weitere Leistungen zu erbringen, insbesondere weitere Zahlungen zu leisten; 12. in welcher Gesamthöhe Provisionen, insbesondere Vermittlungsprovisionen oder vergleichbare Vergütungen, geleistet werden. 2 Unbeschadet der Angaben zu den rechtlichen Verhältnissen sind bei Unternehmensbeteiligungen im Sinne des § 8f Abs. 1 Satz 1 des Verkaufsprospektgesetzes der Gesellschaftsvertrag und bei Treuhandvermögen im Sinne des § 8f Abs. 1 Satz 1 des Verkaufsprospektgesetzes der Treuhandvertrag als Teil des Prospekts beizufügen. § 5 Angaben über den Emittenten. Der Verkaufsprospekt muss über den Emittenten angeben: 1. die Firma, den Sitz und die Geschäftsanschrift; 2. das Datum der Gründung und, wenn er für eine bestimmte Zeit gegründet ist, die Gesamtdauer seines Bestehens; 3. die für den Emittenten maßgebliche Rechtsordnung und die Rechtsform; soweit der Emittent eine Kommanditgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien ist, sind zusätzlich Angaben über die Struktur des persönlich haftenden Gesellschafters und die von der gesetzlichen Regelung abweichenden Bestimmungen der Satzung oder des Gesellschaftsvertrags aufzunehmen; 4. den in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag bestimmten Gegenstand des Unternehmens; 5. das für den Emittenten zuständige Registergericht und die Nummer, unter der er in das Register eingetragen ist; 6. eine kurze Beschreibung des Konzerns und der Einordnung des Emittenten in ihn, falls der Emittent ein Konzernunternehmen ist. § 6 Angaben über das Kapital des Emittenten. 1Der Verkaufsprospekt muss über das Kapital des Emittenten angeben: 1. die Höhe des gezeichneten Kapitals oder der Kapitalanteile und die Art der Anteile, in die das Kapital zerlegt ist, unter Angabe ihrer Hauptmerkmale und der Höhe der ausstehenden Einlagen auf das Kapital; 2. eine Übersicht der bisher ausgegebenen Wertpapiere oder Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 des Verkaufsprospektgesetzes. 2 Ist der Emittent eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien, muss der Verkaufsprospekt über das Kapital des Emittenten zusätzlich den Nennbetrag der umlaufenden Wertpapiere, die den Gläubigern ein Umtauschoder Bezugsrecht auf Aktien einräumen, angeben. 3Daneben

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muss er die Bedingungen und das Verfahren für den Umtausch oder den Bezug nennen. § 7 Angaben über Gründungsgesellschafter des Emittenten. (1) 1Der Verkaufsprospekt muss über die Gründungsgesellschafter des Emittenten angeben: 1. Namen und Geschäftsanschrift, bei juristischen Personen Firma und Sitz; 2. Art und Gesamtbetrag der von den Gründungsgesellschaftern insgesamt gezeichneten und der eingezahlten Einlagen; 3. Gewinnbeteiligungen, Entnahmerechte und den Jahresbetrag der sonstigen Gesamtbezüge, insbesondere der Gehälter, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art, die den Gründungsgesellschaftern außerhalb des Gesellschaftsvertrages insgesamt zustehen. 2 Die Angaben nach Satz 1 können entfallen, wenn der Emittent mehr als fünf Jahre vor Aufstellung des Verkaufsprospekts gegründet wurde. (2) Der Verkaufsprospekt muss auch Angaben enthalten über den Umfang der unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen der Gründungsgesellschafter an 1. Unternehmen, die mit dem Vertrieb der emittierten Vermögensanlagen beauftragt sind; 2. Unternehmen, die dem Emittenten Fremdkapital zur Verfügung stellen, sowie 3. Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Herstellung des Anlageobjekts nicht nur geringfügige Lieferungen oder Leistungen erbringen. § 8 Angaben über die Geschäftstätigkeit des Emittenten. (1) Der Verkaufsprospekt muss über die Geschäftstätigkeit des Emittenten folgende Angaben enthalten: 1. die wichtigsten Tätigkeitsbereiche; 2. Angaben über die Abhängigkeit des Emittenten von Patenten, Lizenzen, Verträgen oder neuen Herstellungsverfahren, wenn sie von wesentlicher Bedeutung für die Geschäftstätigkeit oder Ertragslage des Emittenten sind; 3. Gerichts- oder Schiedsverfahren, die einen wesentlichen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage des Emittenten haben können; 4. Angaben über die wichtigsten laufenden Investitionen mit Ausnahme der Finanzanlagen. (2) Ist die Tätigkeit des Emittenten durch außergewöhnliche Ereignisse beeinflusst worden, so ist darauf hinzuweisen. § 9 Angaben über die Anlageziele und Anlagepolitik der Vermögensanlagen. (1) Der Verkaufsprospekt muss über die Anlageziele und Anlagepolitik der Vermögensanlagen angeben, für welche konkreten Projekte die Netto-

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einnahmen aus dem Angebot genutzt werden sollen, welchen Realisierungsgrad diese Projekte bereits erreicht haben, ob die Nettoeinnahmen hierfür alleine ausreichen und für welche sonstigen Zwecke die Nettoeinnahmen genutzt werden. (2) Der Verkaufsprospekt muss über Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, über Anteile an einem Treuhandvermögen und über Anteile an einem sonstigen geschlossenen Fonds zusätzlich über die Anlageziele und Anlagepolitik angeben: 1. eine Beschreibung des Anlageobjekts. Anlageobjekt sind die Gegenstände, zu deren voller oder teilweiser Finanzierung die von den Erwerbern der Vermögensanlagen aufzubringenden Mittel bestimmt sind. Bei einem Treuhandvermögen, das ganz oder teilweise aus einem Anteil besteht, der eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewährt, treten an die Stelle dieses Anteils die Vermögensgegenstände des Unternehmens; 2. ob den nach den §§ 3, 7 oder 12 zu nennenden Personen das Eigentum am Anlageobjekt oder wesentlichen Teilen desselben zustand oder zusteht oder diesen Personen aus anderen Gründen eine dingliche Berechtigung am Anlageobjekt zusteht; 3. nicht nur unerhebliche dingliche Belastungen des Anlageobjekts; 4. rechtliche oder tatsächliche Beschränkungen der Verwendungsmöglichkeiten des Anlageobjekts, insbesondere im Hinblick auf das Anlageziel; 5. ob die erforderlichen behördlichen Genehmigungen vorliegen; 6. welche Verträge der Emittent über die Anschaffung oder Herstellung des Anlageobjekts oder wesentlicher Teile davon geschlossen hat; 7. den Namen der Person oder Gesellschaft, die ein Bewertungsgutachten für das Anlageobjekt erstellt hat, das Datum des Bewertungsgutachtens und dessen Ergebnis; 8. in welchem Umfang nicht nur geringfügige Leistungen und Lieferungen durch Personen erbracht werden, die nach den §§ 3, 7 oder 12 zu nennen sind; 9. die voraussichtlichen Gesamtkosten des Anlageobjekts in einer Aufgliederung, die insbesondere Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie sonstige Kosten ausweist und die geplante Finanzierung in einer Gliederung, die Eigen- und Fremdmittel, untergliedert nach Zwischenfinanzierungs- und Endfinanzierungsmitteln, gesondert ausweist. Zu den Eigen- und Fremdmitteln sind die Fälligkeiten anzugeben und in welchem Umfang und von wem diese bereits verbindlich zugesagt sind. § 10 Angaben über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten. (1) 1Der Verkaufsprospekt muss über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten enthalten: 1. den letzten nach anderen Vorschriften jeweils geprüften Jahresabschluss und Lagebericht oder,

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2. soweit eine Prüfung des Jahresabschlusses und eine Aufstellung und Prüfung des Lageberichts, jeweils nach der Nummer 1, nach den anderen Vorschriften nicht zwingend vorgeschrieben ist, a) einen nach § 8h Abs. 1 des Verkaufsprospektgesetzes aufgestellten und jeweils geprüften Jahresabschluss und Lagebericht oder b) einen deutlich gestalteten Hinweis nach § 8h Abs. 2 des Verkaufsprospektgesetzes und 3. eine zwischenzeitlich veröffentlichte Zwischenübersicht. 2 Der Stichtag der in Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Abschlüsse darf höchstens 18 Monate vor der Aufstellung des Verkaufsprospekts liegen. (2) 1Ist der Emittent nur zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet, so ist dieser in den Verkaufsprospekt aufzunehmen; ist er auch zur Aufstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet, so sind beide Arten von Abschlüssen aufzunehmen. 2Die Aufnahme nur des Abschlusses der einen Art ist ausreichend, wenn der Abschluss der anderen Art keine wesentlichen zusätzlichen Aussagen enthält. 3Ein Konzernabschluss kann auch im Wege eines Verweises in den Verkaufsprospekt aufgenommen werden, wenn der Konzernabschluss auf Grund anderweitiger gesetzlicher Bestimmungen veröffentlicht worden ist. 4Der Verweis muss angeben, wo der Konzernabschluss veröffentlicht ist. 5In diesem Fall muss der bei der Bundesanstalt hinterlegte Prospekt auch ein gedrucktes Exemplar des Konzernabschlusses enthalten. (3) Jede wesentliche Änderung der Angaben nach Absatz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 oder der Zwischenübersicht, die nach dem Stichtag eingetreten ist, muss im Verkaufsprospekt erläutert werden. § 11 Angaben über die Prüfung des Jahresabschlusses des Emittenten. 1Der Verkaufsprospekt muss den Namen, die Anschrift und die Berufsbezeichnung des Abschlussprüfers, der den Jahresabschluss des Emittenten nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften geprüft hat, enthalten. 2Ferner ist der Bestätigungsvermerk einschließlich zusätzlicher Bemerkungen aufzunehmen; wurde die Bestätigung des Jahresabschlusses eingeschränkt oder versagt, so müssen der volle Wortlaut der Einschränkungen oder der Versagung und deren Begründung wiedergegeben werden. § 12 Angaben über Mitglieder der Geschäftsführung oder des Vorstands, Aufsichtsgremien und Beiräte des Emittenten, den Treuhänder und sonstige Personen. (1) Der Verkaufsprospekt muss über die Mitglieder der Geschäftsführung oder des Vorstands, Aufsichtsgremien und Beiräte des Emittenten angeben: 1. den Namen und die Geschäftsanschrift der Mitglieder und ihre Funktion beim Emittenten; 2. die den Mitgliedern insgesamt für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr gewährten Gesamtbezüge, insbesondere Gehälter, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und

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Nebenleistungen jeder Art, getrennt nach Geschäftsführung oder Vorstand, Aufsichtsgremien und Beiräten. (2) Der Verkaufsprospekt muss angeben, in welcher Art und Weise die nach Absatz 1 zu nennenden Personen auch tätig sind für 1. Unternehmen, die mit dem Vertrieb der angebotenen Vermögensanlagen betraut sind; 2. Unternehmen, die dem Emittenten Fremdkapital geben; 3. Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Herstellung des Anlageobjekts nicht nur geringfügige Lieferungen oder Leistungen erbringen. (3) Der Verkaufsprospekt muss über den Treuhänder angeben: 1. Name und Anschrift, bei juristischen Personen Firma und Sitz; 2. Aufgaben und Rechtsgrundlage der Tätigkeit; 3. seine wesentlichen Rechte und Pflichten; 4. den Gesamtbetrag der für die Wahrnehmung der Aufgaben vereinbarten Vergütung; 5. Umstände oder Beziehungen, die Interessenkonflikte begründen können. (4) Der Verkaufsprospekt muss die Angaben nach den Absätzen 1 und 2 auch für solche Personen enthalten, die nicht in den Kreis der nach dieser Verordnung angabepflichtigen Personen fallen, die Herausgabe oder den Inhalt des Prospekts oder die Abgabe oder den Inhalt des Angebots der Vermögensanlage aber wesentlich beeinflusst haben. § 13 Angaben über den jüngsten Geschäftsgang und die Geschäftsaussichten des Emittenten. Der Verkaufsprospekt muss allgemeine Ausführungen über die Geschäftsentwicklung des Emittenten nach dem Schluss des Geschäftsjahres, auf das sich der letzte offen gelegte Jahresabschluss bezieht, sowie Angaben über die Geschäftsaussichten des Emittenten mindestens für das laufende Geschäftsjahr enthalten. § 14 Gewährleistete Vermögensanlagen. Für das Angebot von Vermögensanlagen, für deren Verzinsung oder Rückzahlung eine juristische Person oder Gesellschaft die Gewährleistung übernommen hat, sind die Angaben nach den §§ 5 bis 13 auch über die Person oder Gesellschaft, welche die Gewährleistung übernommen hat, aufzunehmen. § 15 Verringerte Prospektanforderungen. (1) 1Für den Fall, dass der Emittent vor weniger als 18 Monaten gegründet worden ist und noch keinen Jahresabschluss im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 erstellt hat, muss der Verkaufsprospekt abweichend von den Anforderungen nach den §§ 10, 11 und 13 folgende Angaben enthalten: 1. die Eröffnungsbilanz; 2. eine Zwischenübersicht, deren Stichtag nicht länger als zwei Monate zurückliegt;

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3. die voraussichtliche Vermögens-, Finanz- und Ertragslage mindestens für das laufende und das folgende Geschäftsjahr; 4. Planzahlen des Emittenten, insbesondere zu Investitionen, Produktion, Umsatz und Ergebnis, mindestens für die folgenden drei Geschäftsjahre. 2 Zu den Angaben nach den Nummern 3 und 4 sind die zugrunde liegenden wesentlichen Annahmen und Wirkungszusammenhänge in geeigneter Form zu erläutern. (2) Von der Aufnahme einzelner Angaben in den Verkaufsprospekt kann abgesehen werden, wenn 1. diese Angaben nur von geringer Bedeutung und nicht geeignet sind, die Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und der Entwicklungsaussichten des Emittenten zu beeinflussen, oder 2. die Verbreitung dieser Angaben dem Emittenten erheblichen Schaden zufügt, sofern die Nichtveröffentlichung das Publikum nicht über die für die Beurteilung der Vermögensanlagen wesentlichen Tatsachen und Umstände täuscht. § 16 Inkrafttreten. Diese Verordnung tritt am 1. Juli 2005 in Kraft.

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§1 Anwendungsbereich Diese Verordnung ist auf den Verkaufsprospekt für Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 des Verkaufsprospektgesetzes anzuwenden. In der Fassung vom 16.12.2004 (BGBl. I 2004, 3464). Schrifttum: Moritz/Grimm, Die Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung: Inhaltliche Anforderungen an Verkaufsprospekte geschlossener Fonds, BB 2005, 337. Siehe auch Einl. VerkProspG.

Inhaltsübersicht I. Die VermVerkProspV . . . . .

1

II. Regelungsgehalt der Vorschrift

3

I. Die VermVerkProspV Die Vorschrift bestimmt den Anwendungsbereich der VermVerkProspV. Diese ersetzte – nach der auf das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 22.6.20051 zurückgehenden Herausnahme der erst kurz zuvor auf Grund des AnSVG v. 28.10.20042 in das VerkProspG gelangten (siehe Einl. VerkProspG Rz. 1, 6, 21) Vorschriften über das öffentliche Angebot von Wertpapieren, die nicht zum Handeln an einer inländischen Börse zugelassen waren, und der Überführung dieser Bestimmungen in das WpPG (siehe Einl. VerkProspG Rz. 1, 11) – die bisherige VerkProspVO v. 17.12.1990 (BGBl. I 1990, 2869) idF der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2853), geändert durch Art. 21 des 4. FFG v. 21.6.20023.

1

Die VerkProspVO war auf Grund der in § 7 Abs. 2 und 3 VerkProspG aF ent- 2 haltenen Ermächtigung ergangen. Sie ist durch Art. 9 des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes aufgehoben worden, war aber übergangsweise neben der VermVerkProspV anwendbar (siehe Einl. VerkProspG Rz. 22, 24).

1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2005, 1698. Zur Gesetzgebungsentwicklung siehe die Nachweise zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz in Einl. WpPG Rz. 1. 2 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BGBl. I 2004, 2630. 3 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 2002, 2010.

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§ 2 VermVerkProspV

Allgemeine Grundsätze

II. Regelungsgehalt der Vorschrift 3

Der von der Vorschrift umrissene Anwendungsbereich der VermVerkProspV ist durch die in § 8g Abs. 2 und 3 VerkProspG enthaltene Ermächtigung zum Erlass der VermVerkProspV (siehe dazu näher Einl. VerkProspG Rz. 2, 22) und damit durch die dieser zu Grunde liegenden Bestimmungen des § 8g Abs. 1 VerkProspG und hinsichtlich des Anwendungsbereichs des VerkProspG auch derjenigen des § 8f Abs. 1 VerkProspG vorgegeben. Aufgabe der VermVerkProspV ist es dementsprechend, die sich aus § 8g VerkProspG ergebenden Anforderungen an den Prospekt, wie er im Falle des öffentlichen Angebots einer nicht wertpapiermäßig verbrieften Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens zu veröffentlichen ist, zu konkretisieren.

4

Die Bestimmungen der VermVerkProspV sind nur auf Verkaufsprospekte anzuwenden, die nach § 8f Abs. 1 VerkProspG für Vermögensanlagen iS dieser Vorschrift zu erstellen und nach Maßgabe von § 9 VerkProspG zu veröffentlichen sind. Zu Einzelheiten hierzu kann auf die Erläuterungen zu den angeführten Bestimmungen verwiesen werden.

§2 Allgemeine Grundsätze (1) Der Verkaufsprospekt muss über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Beurteilung der angebotenen Vermögensanlagen notwendig sind, Auskunft geben und richtig und vollständig sein. Er muss mindestens die nach dieser Verordnung vorgeschriebenen Angaben enthalten. Er ist in deutscher Sprache und in einer Form abzufassen, die sein Verständnis und seine Auswertung erleichtert. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) kann gestatten, dass der Verkaufsprospekt von Emittenten mit Sitz im Ausland ganz oder zum Teil in einer anderen in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache abgefasst wird. In diesem Fall ist dem Prospekt eine deutsche Zusammenfassung voranzustellen, die Teil des Prospekts ist und die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Angaben zu dem Emittenten, der Vermögensanlage und dem Anlageobjekt enthält. (2) Der Verkaufsprospekt muss ein Inhaltsverzeichnis enthalten. Anschließend an das Inhaltsverzeichnis ist ein hervorgehobener Hinweis aufzunehmen, dass die inhaltliche Richtigkeit der im Prospekt gemachten Angaben nicht Gegenstand der Prüfung des Prospekts durch die Bundesanstalt ist. Die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit den angebotenen Vermögensanlagen einschließlich der mit einer Fremdfinanzierung einhergehenden Risiken sind in einem gesonderten Abschnitt, der nur diese Angaben enthält, darzustellen. Dabei ist das den Anleger treffende maximale Risiko in seiner Größenordnung zu beschreiben.

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Allgemeine Grundsätze

§ 2 VermVerkProspV

Nach dieser Verordnung geforderte und darüber hinausgehende in den Prospekt aufgenommene Angaben, die eine Prognose beinhalten, sind deutlich als Prognosen kenntlich zu machen. (3) Der Verkaufsprospekt soll die nach dieser Verordnung erforderlichen Mindestangaben in der Reihenfolge ihrer Nennung in der Verordnung enthalten. Stimmt die Reihenfolge der Angaben in dem Prospekt nicht mit der dieser Verordnung überein, kann die Hinterlegungsstelle vor Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts von dem Anbieter eine Aufstellung verlangen, aus der hervorgeht, an welcher Stelle des Prospekts sich die verlangten Mindestangaben befinden. (4) Der Verkaufsprospekt ist mit dem Datum seiner Aufstellung zu versehen und vom Anbieter zu unterzeichnen. (5) Sind vorgeschriebene Angaben dem nach § 10 Abs. 1 in den Verkaufsprospekt aufgenommenen Jahresabschluss unmittelbar zu entnehmen, so brauchen sie im Verkaufsprospekt nicht wiederholt zu werden. In der Fassung vom 16.12.2004 (BGBl. I 2004, 3464). Schrifttum: Askar/zu Knyphausen-Aufseß, Neue Branchen-Standards zur Bewertung von Venture Capital-Beteiligungen, FB 2008, 106; Beck/Klar, Asset Deal versus Share Deal – Eine Gesamtbetrachtung unter expliziter Berücksichtigung des Risikoaspekts, DB 2007, 2819; Beckmann/Scholtz/Vollmer (Hrsg.), Investment – Handbuch für das gesamte Investmentwesen, Loseblatt, Stand März 2010; Böh, Die Aufklärungspflicht einer Bank bei der Finanzierung einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds, 2007; Elsen/Jäger, Die Nachtragspflicht gemäß § 11 Verkaufsprospektgesetz unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt, BKR 2009, 190; Feldhaus/Veith, Frankfurter Kommentar zu Private Equity, 2010; Gondring, Risiko Immobilie – Methoden und Techniken der Risikomessung bei Immobilieninvestitionen, 2007; Gräfer/Schiller/Rösner, Finanzierung – Grundlagen, Institutionen, Instrumente und Kapitalmarkttheorie, 6. Aufl. 2008; Jäger/ Voß, Prospektpflicht und -prüfung bei geschlossenen Schiffsfonds, in Winter/Hennig/Gerhard (Hrsg.), Grundlagen der Schiffsfinanzierung, 2007, S. 893; Klöhn, Optimistische Prognosen in der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung – zugleich Besprechung von BGH WM 2009, 2303 –, WM 2010, 289; Lamsa, BB-Kommentar zu BGH, Urt. v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, BB 2009, 17; Loritz, Ausschüttungen in den Verlustjahren bei geschlossenen Fonds, NZG 2008, 887; Lüdicke/Arndt (Hrsg.), Geschlossene Fonds, 5. Aufl. 2009; Memento Rechtshandbücher, Bilanzrecht für die Praxis, 3. Aufl. 2009; Moritz/Grimm, Die Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung: Inhaltliche Anforderungen an Verkaufsprospekte geschlossener Fonds, BB 2005, 337; Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf – Unternehmensverkauf, 2003; Schneller, Beschleunigter Ausbau des Stromnetzes – Chancen und Defizite des „Infrastrukturbeschleunigungsgesetzes“, DVBl 2007, 529; Schröder, Integration von Risikoabhängigkeiten in den Risikomanagementprozess, DB 2008, 1981; Verfürth/Grünenberg, Pflichtangaben für geschlossene Fonds nach der Vermögensanlagen-Verkaufprospektverordnung, DB 2005, 1043; von Heymann/ Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, 17. Aufl. 2008; Zimmer/Naendrup, For Whom the Bells Tolls – Folgen einer Nichtbeachtung englischer Publizitätsgebote durch in Deutschland aktive Limited Companies, ZGR 2007, 789. Siehe auch Einl. VerkProspG.

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Allgemeine Grundsätze Inhaltsübersicht

I. Normentwicklung . . . . . . . . II. Inhaltliche Grundsätze und Sprachregelung (§ 2 Abs. 1 VermVerkProspV) . . . . . . . . 1. Begriff der Angabe . . . . . . . . 2. Kategorisierung von Angaben 3. Verständlichkeitsgebot . . . . 4. Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . III. Formvorschriften (§ 2 Abs. 2 VermVerkProspV) 1. Inhaltsverzeichnis (§ 2 Abs. 2 Satz 1 VermVerkProspV) . . . 2. Hinweis auf den Prüfungsumfang (§ 2 Abs. 2 Satz 2 VermVerkProspV) . . . . . . . . 3. Risiken (§ 2 Abs. 2 Satz 3 VermVerkProspV) a) Entwicklung . . . . . . . . . . b) Inhaltliche Anforderungen c) Risikokategorien . . . . . . . d) Begriff des Risikos . . . . . . e) Umfang der Darstellung von Risiken . . . . . . . . . . . aa) Marktbezogene Risiken bb) Anlagebezogene Risiken . . . . . . . . . . . (1) Risiken im Vorfeld des Projekts . . . . . . . . . . . (2) Auswahl der Geschäftspartner . . . . . . . . . . . . (3) Währungsbezug . . . . . (4) Anlegerbezug . . . . . . . (5) Projektbezug . . . . . . . (6) Risiken auf Grund des Anlageziels . . . . . . . . (7) Risiken in Bezug auf das Sicherungskonzept . . .

1

2 4 5 14 23

32 33 34 37 40 41 43 48 49 50 53 54 55 59 64 66

cc) Risiken der laufenden Geschäftstätigkeit . . . dd) Spezifische Risiken bestimmter Marktbereiche . . . . . . . . . . . (1) Immobilien . . . . . . . . (2) Transportgewerbe . . . . (3) Unternehmensbeteiligungen (Private Equity) (4) Medienfonds . . . . . . . f) Formelle Anforderungen . . g) Risikomindernde Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . h) Nachträge . . . . . . . . . . . . 4. Maximales Risiko (§ 2 Abs. 2 Satz 4 VermVerkProspV) . . . . a) Inhaltliche Anforderungen b) Formelle Anforderungen . . 5. Darstellung von Prognosen (§ 2 Abs. 2 Satz 5 VermVerkProspV) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . b) Regelungsgehalt . . . . . . . . c) Aktualitätsgebot . . . . . . . d) Haftungsausschlüsse . . . . e) Kenntlichmachung . . . . .

67 70 72 93 100 111 112 124 125 127 128 135 136 137 138 141 145 148

IV. Reihenfolge der Prospektangaben (§ 2 Abs. 3 VermVerkProspV) . . . . . . . . . . . . . . . . 155 V. Datum und Unterschrift (§ 2 Abs. 4 VermVerkProspV) 1. Datum der Aufstellung des Verkaufsprospekts . . . . . . . . 164 2. Unterschrift des Anbieters . . 170 VI. Verweis auf Angaben (§ 2 Abs. 5 VermVerkProspV) . . . 176

I. Normentwicklung 1

Die Vorschrift geht auf die Vorgängernorm des § 2 VerkProspVO zurück. Im Zuge der Neufassung des VerkProspG wurde für die Anforderungen des durch das AnSVG hinzugefügten III. Abschnitts des VerkProspG eine starke Erweiterung der formellen Grundsätze für einen Verkaufsprospekt vorgenommen. § 2 Abs. 1 VermVerkProspV wurde sprachlich an die Vermögensanlagen nach § 8f Abs. 1 VerkProspG angepasst und inhaltlich leicht erweitert. Die bisherigen Absätze 2 und 3 von § 2 VermVerkProspV wurden zu den Absätze 4 und 5 der Vorschrift. Nach § 2 Abs. 1 VermVerkProspV wurden in die neuen Absätze 2 und 3 der Bestimmung zahlreiche Regelun-

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Allgemeine Grundsätze

§ 2 VermVerkProspV

gen zur formellen Gestaltung von Vermögensanlagen-Verkaufsprospekten aufgenommen. Die Neuregelungen stellen weitergehende Ansätze zu einer Standardisierung von Verkaufsprospekten dar, als diese in den alten Regelungen der VerkProspVO zu den Wertpapierprospekten enthalten waren. Die Regelungen dieser Grundsätze betonen die Anlegerorientierung des Verkaufsprospekts als angesprochene Zielgruppe der Vermögensanlage1.

II. Inhaltliche Grundsätze und Sprachregelung (§ 2 Abs. 1 VermVerkProspV) Inhalt und Zweck des Verkaufsprospekts werden in § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV auf der Grundlage der Generalklausel des § 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG konkretisiert. Danach sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Beurteilung der Vermögensanlage für das Publikum notwendig sind, richtig und vollständig in den Verkaufsprospekt aufzunehmen. Dieser Verkaufsprospekt einer Vermögensanlage soll das Publikum in die Lage versetzen, seine Anlageentscheidung auf der Grundlage einer umfassenden Information zu treffen2.

2

Die Regelung greift den Inhalt des § 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG mit ande- 3 ren Worten auf3. Sofern § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV gegenüber § 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG nicht nochmals ausdrücklich die Verhältnisse zur Beurteilung des Emittenten erwähnt, handelt es sich um keine Einschränkung der gesetzlichen Generalklausel, sondern um ein Redaktionsversehen4. 1. Begriff der Angabe Der Begriff der „Angabe“ stellt einen Oberbegriff für jegliche Art von Pro- 4 spektaussagen dar5. Die Angaben beinhalten Aussagen zum tatsächlichen und rechtlichen Geschehen der Vermögensanlage (tatsachenbezogene Angabe) sowie wertende Aussagen. Wertende Aussagen betreffen zum einen abgeschlossene Sachverhalte und zum anderen prognostische Elemente, die die Entwicklung der Vermögensanlage in der Zukunft abbilden. Der Begriff der Angabe schließt auch dazugehörende Umstände mit ein. Umstände dienen der Erklärung oder Erläuterung von Angaben und fördern dadurch die Darstellung und das Verständnis einer vorgeschriebenen Angabe.

1 Bereits Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 90. 2 Begr. zur VermVerkProspV, S. 2, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de / nn_4328 / DE / BMF__Startseite / Service / Downloads / Downloads__6/ 30200,templateId=raw,property=publicationFile.pdf. 3 Moritz/Grimm, BB 2005, 337. 4 Moritz/Grimm, BB 2005, 337; Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 4. 5 Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 87 ff.

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§ 2 VermVerkProspV

Allgemeine Grundsätze

2. Kategorisierung von Angaben 5

Die nach der VermVerkProspV in den Verkaufsprospekt aufzunehmenden Angaben lassen sich in Gruppen kategorisieren1. Eine Festlegung der Darstellung sieht das Gesetz nur in bestimmten Fällen vor, bei denen eine Hervorhebung der Angabe gefordert ist, wie bspw. in § 2 Abs. 2 Satz 2 und Satz 5, § 4 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 und § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b VermVerkProspV. Die Angaben können daher sowohl in Textform als auch in bildlicher oder grafischer Form erbracht werden, wenn ein Bild oder eine Grafik die gleiche Aussage transportieren kann.

6

Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VermVerkProspV sind die im Angabenkatalog der Verordnung enthaltenen Angaben als Mindestangaben definiert. Diese Angaben stellen das Mindestmaß für einen vollständigen Verkaufsprospekt dar. Dieser Umfang an Angaben wird für die Schaffung eines zutreffenden Gesamteindrucks beim Anlageinteressenten vom Gesetzgeber grundsätzlich als ausreichend erachtet. Sie sind aber auch notwendig. Das heißt, dass die Beantwortung einer Mindestangabe mit „Schweigen“ den Verkaufsprospekt unvollständig werden lässt2. Liegen in der Konstellation der Vermögensanlage bestimmte Umstände nicht oder bei Aufzählungen keine weiteren vor, so ist das in einer Erklärung im Verkaufsprospekt festzuhalten (sog. Negativtestat)3. Solche Negativtestate können sowohl in den Fließtext eingebettet werden oder, falls sie den Lesefluss und damit die Auswertbarkeit des Verkaufsprospekts stören, am Ende des Verkaufsprospekts zusammengefasst werden.

7

Der Einhaltung dieses Mindestmaßes an Angaben stehen zB die Ausnahmeregelungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 und § 15 Abs. 2 VermVerkProspV nicht entgegen. Sofern der Anbieter diese für sich in Anspruch nimmt, hat er weiter das Gebot der Vollständigkeit der Mindestangaben zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass er verpflichtet ist, im Verkaufsprospekt Auskunft darüber zu geben, warum er bestimmte Angaben nicht in den Verkaufsprospekt aufnimmt. Einer solchen Erläuterung bedarf es nur dann nicht, wenn die Angaben alternative Abhängigkeiten aufweisen, wie zB §§ 10, 11 und 13 zu § 15 Abs. 1 oder § 5 Nr. 3 Halbsatz 2 VermVerkProspV.

8

Diesen Mindestanforderungen übergeordnet ist der in § 8g Abs. 1 VerkProspG und erweitert umschrieben in § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspG festgelegte allgemeine Grundsatz, dass dem Anleger alle für eine Beurteilung der Vermögensanlage und des Emittenten notwendigen tatsächlichen und rechtlichen Angaben im Verkaufsprospekt mitgeteilt werden müssen. Die Regelung schafft einen Ausgleich zwischen der Rechtssicherheit des den Verkaufsprospekt aufstellenden Anbieters sowie den Informationsinte1 Vgl. Bruchwitz in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 117; Jäger/Voß in Winter/Hennig/Gerhard, Grundlagen der Schiffsfinanzierung, S. 904 f. 2 Jäger/Voß in Winter/Hennig/Gerhard, Grundlagen der Schiffsfinanzierung, S. 913. 3 Vgl. Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 7.

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Allgemeine Grundsätze

§ 2 VermVerkProspV

ressen der Anlageinteressenten, wenn das zutreffende Gesamtbild der Vermögensanlage durch den Verordnungskatalog nicht mehr sichergestellt werden kann. Dieses Vollständigkeitsgebot zur Beschreibung der öffentlich angebotenen 9 Vermögensanlage verpflichtet den Anbieter, Angaben in den Verkaufsprospekt aufzunehmen, die auf Grund der besonderen Gestaltung der Vermögensanlage vom Mindestkatalog der Verordnung nicht umfasst werden. Ohne Vorliegen dieser konzeptionsbedingten, spezifischen Angaben kann der Verkaufsprospekt nicht als vollständig iS der Verordnung angesehen werden1. Raum für zusätzliche in den Verkaufsprospekt aufzunehmende Angaben verbleibt daher nur dann, wenn die Vermögensanlage sich von den vorgesehenen Grundtypen entfernt und diese atypische Situation in der Beschreibung der Katalogangaben allein einen fehlerhaften, irreführenden Gesamteindruck beim Anlageinteressenten vermittelt2. Der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV kommt daher die Funktion einer „prospektrechtlichen Generalklausel“ zu3. In den Verkaufsprospekt können auch über den Inhaltskatalog nach der VermVerkProspV hinausgehende freiwillige Angaben aufgenommen werden. Ein direktes Verbot solcher zusätzlicher Informationen sieht die Verordnung nicht vor. Allerdings muss der Anbieter immer berücksichtigen, ob die zusätzlichen Angaben den Gesamteindruck, den der Verkaufsprospekt von der Vermögensanlage vermittelt, verfälschen.

10

Der Verständlichkeit einzelner Angaben dienende Zusätze oder die Ver- 11 ständlichkeit des Verkaufsprospekts hebende Angaben sind als unkritisch zu bewerten. So erleichtern Erläuterungen zu einzelnen Angaben die Verständlichkeit, wenn von der Verordnung lediglich eine Nennung vorgesehen ist. Auch Bilder können zur Verständlichkeit beitragen, wenn sie die Angabe näher erläutern. Eine freiwillige vorangestellte Kurzdarstellung kann die Verständlichkeit der nachfolgenden Angaben erhöhen4. Kritisch sind hingegen zusätzliche Angaben zu bewerten, die ein zu güns- 12 tiges Gesamtbild zeichnen, also werbenden Charakter haben. Auch sachfremde Angaben, die mit der Vermögensanlage keine oder nur entfernte Zusammenhänge aufweisen, können den Gesamteindruck des Verkaufsprospekts verzerren und seine Verständlichkeit herabsetzen. Insoweit sind auch die teilweise in die Verkaufsprospekte aufgenommenen Leistungsbilanzen als zumindest mehrdeutig und daher problematisch anzusehen. Denn der Erfolg bei anderen Unternehmungen spricht zwar für den Sachverstand und die Seriosität des Initiators der Projekte, bietet aber keine Garantie für den Erfolg des laufenden, öffentlich anzubietenden Projekts.

1 2 3 4

Kind in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 137 f. Schon Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 96 ff. Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 7. Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 9.

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§ 2 VermVerkProspV 13

Allgemeine Grundsätze

Die BaFin bezieht die über die Mindestangaben hinausgehend in den Verkaufsprospekt aufgenommenen Angaben nicht in die Vollständigkeitskontrolle ein. Die Ermächtigungsgrundlage der BaFin erstreckt sich allein auf die Prüfung der Vollständigkeit der Katalogangaben. Angaben auf Einlegeblättern, Werbeflyern etc., die nicht Bestandteil des Verkaufsprospekts sind, im eigentlichen Verkaufsprospekt jedoch nicht enthalten sind, begründen eine Unvollständigkeit des Verkaufsprospekt1. Handelt es sich um physisch verbundene, feste Bestandteile des Verkaufsprospekts, können entsprechende Mindestangaben auch hier angebracht werden. Dies gilt insbesondere für den Zeichnungsschein, wenn dieser die Einzelheiten der Zahlung des Zeichnungs- oder Erwerbspreises beinhaltet2. 3. Verständlichkeitsgebot

14

Der Verkaufsprospekt ist einer Form abzufassen, die seine Auswertung und sein Verständnis erleichtert. Dieses Erfordernis fließt im Hinterlegungsverfahren in den an den Verkaufsprospekt zu stellenden Prüfungsmaßstab ein3.

15

Auf Grund der Tiefe der Darstellung, die wegen der einzelnen, von der Verordnung vorgegebenen Angaben notwendig ist, wird deutlich, dass ein Verständnis des Verkaufsprospekts nicht ohne weiteres für Jedermann möglich ist.

16

Die Regelung spricht zwei unterschiedliche Adressatenkreise an. In der Verpflichtung zur Erstellung eines Verkaufsprospekts und damit zur verständlichen Darstellung seines Inhalts steht zunächst der Anbieter der Vermögensanlage. Die Wahrnehmung des Inhalts ist jedoch für den einzelnen angesprochenen Anleger vorgesehen. Die erleichterte Verständlichkeit und Auswertbarkeit des Verkaufsprospekts muss daher an diesem Anleger orientiert sein.

17

Die Regelung von Grundsätzen zur Darstellung von Verkaufsprospekten spricht für eine Orientierung des Verkaufsprospekts am Niveau des angesprochenen Anlegers4. Der mit dem Verkaufsprospekt vorgesehene Ausgleich von Informationsdefiziten beim Anleger beim öffentlichen Angebot einer Vermögensanlage schließt eine allein am Kenntnisstand von Fachleuten orientierte Darstellungsweise aus. Der Maßstab des durchschnittlichen Anlegers kann aber auch nicht zu niedrig angesetzt werden. Denn zum einen geben normative Vorgaben der VermVerkProspV ein bestimmtes Verständnisgrundniveau vor. Die Regelung des § 2 Abs. 5 VermVerkProspV, die ein grundsätzliches Verständnis eines Jahresabschlusses voraussetzt, ermöglicht sogar, insgesamt ein höheres Verständnisniveau der angesprochenen Anlegergruppe voraus zu setzen. 1 2 3 4

Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 16. Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 16. Bereits Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspVO Rz. 14. Vgl. Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 89.

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Allgemeine Grundsätze

§ 2 VermVerkProspV

Das Niveau der Aussagefähigkeit und Verständlichkeit von Verkaufsprospekten trifft deshalb in der Praxis und Literatur auf verschiedene Auffassungen. So sehen die Ansätze eine Differenzierung anhand der an das Publikum zu stellenden Anforderungen ebenso vor wie eine Differenzierung anhand des Typs der Angabe1.

18

So wird vom durchschnittlichen Anleger teilweise ein Verständnis in Bezug 19 auf die Lektüre einer Bilanz verlangt, ohne jedoch mit der Schlüsselsprache eingeweihter Kreise vertraut zu sein2. Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, dass der Verkaufsprospekt für Laien in Sachen Kapitalanlage verständlich abgefasst werden müsse3. Des Weiteren finden Differenzierungen zwischen den einzelnen Angabetypen nach Zahlenwerken und sonstigen Tatsachen und Werturteilen statt4. Das Niveau der Verständlichkeit des Verkaufsprospekts wird durch den Anbieter durch die Wahl der Beteiligungsmöglichkeiten an der Vermögensanlage bestimmt. Je geringer die Höhe der Mindestbeteiligungssummen angesetzt werden oder eine Zulassung von Beteiligungen erfolgt, deren Einlagen in Ratenzahlungen vorgenommen werden kann, desto niedriger muss der Kenntnisstand des Anlageinteressenten in Bezug auf Anlagen in geschlossenen Fondsmodellen vermutet werden. Denn die geringen Anlagesummen sprechen objektiv dafür, dass Personen geworben werden sollen, denen auch ansonsten in der Vergangenheit kaum Mittel für Anlagen in diesen oder anderen Finanzprodukten zur Verfügung standen. Die Verständlichkeit der einzelnen Angaben muss sich daher an dieser angesprochenen Zielgruppe ausrichten. Für die Abfassung des Verkaufsprospekts ist daher ein Grad der Verständlichkeit zu wählen, dass die angesprochene Zielgruppe die notwendigen Informationen in einer klaren und deutlichen Aufmachung präsentiert bekommt und alles vermieden wird, was diesen Anlageinteressenten verwirren könnte oder die Offenlegung der wesentlichen Tatsachen vereitelt. Dies kann dazu führen, dass einzelne Darstellungen oder ganze Prospektteile einer tieferen Erläuterung bedürfen, während andere bei dieser Zielgruppe vorausgesetzt werden können. In diesem Zusammenhang ist auch § 2 Abs. 5 VermVerkProspV zu lesen. Diese Bestimmung zwingt den Anbieter nicht zur Wiederholung von Angaben, die dem Zahlenwerk des Jahresabschluss entnommen werden können, lässt aber eine Anpassung an weniger verständige Anlegerkreise zu, indem Erläuterungen in den Verkaufsprospekt auch zu diesem Zahlenwerk in den Verkaufsprospekt aufgenommen werden. 1 Siehe bereits die Darstellung bei Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 88. 2 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 682 (683); OLG Frankfurt/M. v. 1.2.1994 – 5 U 213/92, WM 1994, 291 (295). 3 Vgl. zu Verkaufsprospekten zum KAGG Beckmann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment – Handbuch für das gesamte Investmentwesen, § 19 KAGG Rz. 11. 4 Siehe bereits die ausführliche Darstellung bei Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 89.

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§ 2 VermVerkProspV

Allgemeine Grundsätze

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In diesem Kontext ist das Verständlichkeitsgebot auf jeden Fall dann nicht erfüllt, wenn es einem durchschnittlichen Anleger der angesprochenen Zielgruppe schlechterdings unmöglich gemacht wird, den Verkaufsprospekt zu verstehen oder in Hinblick auf eine Anlageentscheidung auswerten zu können1.

22

Eine Untersagung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts auf Grund einer fehlerhaften Form durch die BaFin wird sich allein auf diese schwerwiegenden Fälle mangelnder Verständlichkeit beschränken. 4. Sprache

23

Der Verkaufsprospekt ist in deutscher Sprache zu fertigen.

24

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 VermVerkProspV kann die BaFin für Emittenten mit Sitz im Ausland die teilweise oder vollständige Abfassung des Verkaufsprospekts in einer anderen, in internationalen Finanzkreisen üblichen Sprache gestatten.

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Eine Berechtigung der Inanspruchnahme der Sprachenregelung besitzen allein Emittenten, deren Sitz außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets im Ausland liegt. Der Sitz des Anbieters der Vermögensanlage ist für die Sprachregelung angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift irrelevant. Der maßgebliche Sitz ergibt sich aus der gewählten Gesellschaftsform des Emittenten. Handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, ist der in der Satzung bezeichnete Sitz entscheidend, vgl. § 5, 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG). Bei einer Personengesellschaft richtet sich der Sitz der Gesellschaft nach dem tatsächlichen Verwaltungsitz der Geschäftsführung2.

26

Die Einreichung eines Verkaufsprospekts in einer Fremdsprache mit dem Ziel der Gestattung der Veröffentlichung desselben in dieser Sprache setzt ein formloses Antragsverfahren voraus. In der Verwaltungspraxis hat sich herausgebildet, dass ein solcher Antrag bereits konkludent in der Einreichung eines fremdsprachigen Verkaufsprospekts zu erblicken ist3. Vermieden wird dadurch eine zu hohe Formalisierung des Verfahrens, da auf die Nachholung des Antrags bzw. dem Ausspruch einer Untersagung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts verzichtet werden kann.

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Das Verfahren ist immer auf das konkrete Hinterlegungsverfahren gerichtet. Eine pauschale Gestattung, sämtliche weitere Verkaufsprospekte in einer anderen Sprache abzufassen, ist unstatthaft. Dies ergibt die systematische Stellung des § 2 Abs. 1 Satz 4 VermVerkProspV.

1 Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspVO Rz. 14. 2 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, § 106 HGB Rz. 8. 3 Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspVO Rz. 7.

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Allgemeine Grundsätze

§ 2 VermVerkProspV

Eröffnet wird das Hinterlegungsverfahren mit der entsprechenden auf zwanzig Werktage angelegten Prüfungsfrist nach § 8i Abs. 2 Satz 2 VerkProspG erst mit der Gestattung der Erstellung des Verkaufsprospekts in der Fremdsprache. Beide Verfahren sind voneinander getrennt zu betrachten1.

28

Die Gestattung der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts in einer Fremdsprache ist nicht Bestandteil des Prospektprüfungsverfahrens, sondern dessen vorgelagertes Erfordernis. Die Veröffentlichung eines nicht in deutscher Sprache aufgestellten Verkaufsprospekts wäre daher ohne einen entsprechenden Antrag auf Abfassung des Verkaufsprospekts in der Fremdsprache zu untersagen. Gemäß § 8i Abs. 2 Satz 5 VerkProspG richtet sich die Untersagungsmöglichkeit der BaFin auch auf die Sprachgestaltung des Verkaufsprospekts nach § 8g Abs. 2 Satz 1 VerkProspG iVm. § 2 Abs. 1 Satz 3 VermVerkProspV. Ein Standpunkt, der der BaFin ein nur auf die inhaltliche Vollständigkeit gerichtetes Eingriffsrecht zugesteht, ist daher nicht haltbar. Die nicht vertretbare Konsequenz wäre, dass die BaFin jeden in einer anderen Sprache abgefassten Verkaufsprospekt zur Veröffentlichung gestatten müsste, solange nur die Vollständigkeit der Angaben gewahrt wäre2. Eine solche Kontrolle wäre bereits vom Ansatz nicht zu gewährleisten. Sprachgestaltungen des Verkaufsprospekts für bestimmte ethnische Zielgruppen in Deutschland sind daher nicht möglich. Als übliche Fremdsprache ist derzeit Englisch zu benennen3.

29

Ein Gebührentatbestand wird im Falle der Untersagung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts in der Fremdsprache nicht verwirklicht.

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Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 5 VermVerkProspV ist im Falle der Gestattung der Abfassung des Verkaufsprospekts in einer Fremdsprache diesem eine Zusammenfassung in deutscher Sprache voranzustellen. Diese ist ein Teil des Prospekts und enthält die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Angaben zu dem Emittenten, der Vermögensanlage und dem Anlageobjekt. Dies gewährleistet, dass sich das Publikum über bedeutende tatsächliche und rechtliche Angaben in deutscher Sprache informieren kann4. Diese Zusammenfassung stellt eine Mindestangabe dar.

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III. Formvorschriften (§ 2 Abs. 2 VermVerkProspV) 1. Inhaltsverzeichnis (§ 2 Abs. 2 Satz 1 VermVerkProspV) Der Verkaufsprospekt muss ein Inhaltsverzeichnis enthalten. Zweck des Inhaltsverzeichnisses ist es, dem Anleger eine einfache Orientierung in dem 1 Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspVO Rz. 8 f. 2 Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspVO § 2 VerkProspVO Rz. 5. 3 Bereits Begr. RegE 3. FGG, BT-Drucks. 13/8933 v. 6.11.1997, S. 74. 4 Begr. zur VermVerkProspV, S. 2, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de / nn_4328 / DE / BMF__Startseite / Service / Downloads / Downloads__6/ 30200,templateId=raw,property=publicationFile.pdf.

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§ 2 VermVerkProspV

Allgemeine Grundsätze

Schriftwerk zu ermöglichen. Der Anleger kann dadurch ihn besonders interessierende Angaben leichter auffinden. Eine Erleichterung zum Auffinden von Angaben ist für den Anleger nur dann gewährleistet, wenn der Zugang zu den in dem Verkaufsprospekt enthaltenen Angaben über ein (auf eine durchgehende Nummerierung der Seiten des Prospekts aufbauendes) Inhaltsverzeichnis gewährleistet wird1. Diese Angabe dient damit der Erleichterung der formellen Auswertung und des Verständnisses des Verkaufsprospekts iS des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermVerkProspV. Abgesehen von der Unsicherheit des Anlegers in Hinblick auf die Verständlichkeit von Angaben des Verkaufsprospekts ist diese Angabe in § 2 Abs. 2 VermVerkProspV als systemfremd zu bewerten und eher § 2 Abs. 1 VermVerkProspV zuzuordnen. 2. Hinweis auf den Prüfungsumfang (§ 2 Abs. 2 Satz 2 VermVerkProspV) 33

Der Hinweis auf den Prüfungsumfang der BaFin ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 VermVerkProspV unmittelbar, dh. ohne jede Einfügungen gleich welchen Umfangs, im Anschluss an das Inhaltsverzeichnis einzufügen. Er verdeutlicht dem angesprochenen Anleger unmittelbar ein bestimmtes Risiko der im Verkaufsprospekt dargestellten Vermögensanlage. Die im Verkaufsprospekt beschriebene Vermögensanlage unterliegt in Bezug auf die inhaltliche Richtigkeit der Angaben keiner Prüfung durch die BaFin. Die durch die Aufsichtsbehörde vorgenommene Prüfung beschränkt sich auf die formelle, allein anhand der Darstellung des zur Prüfung vorliegenden Verkaufsprospekts vorzunehmende Prüfung der Angaben in Hinblick auf ihre Vollständigkeit iS des § 2 Abs. 1 VermVerkProspV. Die Gestattung der Veröffentlichung der Vermögensanlage durch die BaFin im Rahmen des Hinterlegungsprozesses des Verkaufsprospekts der Vermögensanlage stellt damit kein Qualitätssiegel über die materielle Güte der Vermögensanlage dar. Dem Anleger wird durch den Hinweis darauf aufmerksam gemacht, dass er allein die tatsächlichen Unsicherheiten des wirtschaftlichen Erfolgs der Vermögensanlage tragen muss. Der reale zukünftige wirtschaftliche Erfolg der projektierten und im Verkaufsprospekt dargestellten Unternehmung für den Anleger ist nicht Gegenstand des Prüfverfahrens. 3. Risiken (§ 2 Abs. 2 Satz 3 VermVerkProspV) a) Entwicklung

34

Die Verpflichtung des Anbieters zur Angabe der Risiken der angebotenen Beteiligung hat keinen Vorläufer in der VerkProspVO. Eine Normierung von Grundsätzen in Bezug auf Verkaufsprospekte bei öffentlich angebotenen Vermögensanlagen erfolgte lediglich in Hinblick auf die Beurteilung der Verkaufsprospekte durch einen Wirtschaftsprüfer gemäß Standard IDW S 4 1 Begr. zur VermVerkProspV, S. 2, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de / nn_4328 / DE / BMF__Startseite / Service / Downloads / Downloads__6/ 30200,templateId=raw,property=publicationFile.pdf.

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des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. mit dem Jahr 20001. Daneben gab es vor der Einführung der VermVerkProspV noch vereinzelt Urteile, die ausdrücklich auf die Pflicht zur Darstellung von Risiken hinwiesen2. Vor Inkraftreten der VermVerkProspV bestand die Praxis, am Anfang des Verkaufsprospekts eine Gegenüberstellung von Chancen und Risiken zu platzieren. Der Verordnungsgeber hat mit der Neufassung der Vermögensanlagen-Ver- 35 kaufsprospektverordnung den Anbietern von Beteiligungen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG aufgegeben, den Anlegern im Verkaufsprospekt die Risiken der Beteiligung an der angebotenen Vermögensanlage darzutun. Dies ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass die Anleger in solchen Beteiligungen die vollen unternehmerischen Risiken zu tragen haben. Auf der Kehrseite verfügen die Anleger aber in vielen Fällen außer aus dem Verkaufsprospekt über keinen tieferen Einblick in das Geschäftsmodell. Hinzu kommt, dass dies für einen Anleger, der lediglich eine Rendite auf sein eingesetztes Kapital erwartet, auch eine zumeist nachrangige Bedeutung hat. Des Weiteren sind die Anleger in vielen Beteiligungsmodellen konzeptionsbedingt im Wesentlichen von der Geschäftsführung ausgeschlossen (zB als Kommanditisten). Als Spiegelbild dieses Informations- und Handlungsdefizits sind den Anlegern daher die Folgen ihrer möglichen Beteiligung in Gestalt aller damit verbundenen wesentlichen Risiken darzutun. Der Hintergrund der gesetzgeberischen Verpflichtung zur Offenbarung von Risiken ist in der unternehmerischen Entscheidungsfindung zu suchen. Diese beruhen zunächst auf den Kriterien Rentabilität, Risiko und Liquidität3. In einem Risiko drückt sich daher die Unsicherheit des zukünftigen Eintritts von Ergebnissen aus, die auf Grund der gefällten unternehmerischen Entscheidungen erwartet werden4. Als besonderer Umstand ist bei Beteiligungen an Vermögensanlagen hervorzuheben, dass die wirtschaftliche Sicherheit wegen eines grundsätzlich homogen ausgerichteten Anlageobjekts gering ist. Es findet grundsätzlich keine Streuung von Bonitätsrisiken auf der Ebene der Emittentin statt5. Erweist sich die Marktstrategie des Emittenten mit dem durch die Anlegergelder geschaffenen Wirtschaftsgut als fehlerhaft, ist die Unsicherheit über den Eintritt des wirtschaftlichen Er-

1 Der Standard wurde im Zuge des Inkrafttretens der §§ 8f ff. VerkProspG und der entsprechenden Verordnung (VermVerkProspV) überarbeitet und befindet sich auf dem Stand 18.5.2006. 2 BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92, ZIP 1993, 1467; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706; OLG Braunschweig v. 8.9.2004 – 3 U 118/03, NJW-RR 2005, 341. 3 Gondring, Risiko Immobilie, S. 20 f.; Gräfer/Schiller/Rösner, Finanzierung, S. 17 ff. 4 Gräfer/Schiller/Rösner, Finanzierung, S. 17 ff. 5 Hier zeigt sich die unterschiedliche Konzeption von WpPG, VerkProspG und InvG. Während der Anleger bei Zeichnung einer Anlage nach dem WpPG oder VerkProspG dem Bonitätsrisiko des Emittenten direkt ausgesetzt ist, wird im InvG das investierte Vermögen von der KAG getrennt und nach dem Grundsatz der Risikomischung gestreut.

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folges stark erhöht. Ein wirtschaftliches Scheitern des Projekts erweist sich dann als wahrscheinlich. b) Inhaltliche Anforderungen 37

Den Anbieter einer Vermögensanlage trifft demnach die Pflicht, dem Anleger bestimmte Sachverhalte zu verdeutlichen. Darzustellen ist die vom Anleger mit der Beteiligung erkaufte Abhängigkeit von bestimmten Einflussfaktoren, die den Erfolg des beworbenen Projekts der Emittentin beeinflussen kann. Als Ergebnis muss der Anbieter dem Anleger unmissverständlich offenbaren, dass zum Zeitpunkt des Verkaufs seiner Beteiligung bzw. bei der Auseinandersetzung zum vorgesehenen Auslaufen des Projekts der Anleger unter Umständen sein investiertes Geld nicht vollständig oder gar nicht mehr zurückerhält. Die Darstellung der Risiken auf jene zu beschränken, welche sich unmittelbar wirtschaftlich beim Anleger auswirken können, greift indes zu kurz. Aus der zumeist begründeten Stellung als Mitunternehmer erwachsen dem Anleger auch zahlreiche rechtliche Pflichten, die sich zumindest mittelbar ebenso wirtschaftlich negativ auf sein Vermögen auswirken können1. Auch hierüber hat der Anbieter in seinem Verkaufsprospekt zu berichten. Unterlässt der Anbieter dies, setzt er sich der Gefahr der Haftung auf Grund eines fehlerhaften Verkaufsprospekts gemäß § 13 VerkProspG aus.

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Ansatzpunkt für die Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der Darstellung von Risiken im Verkaufsprospekt ist daher das Geschäftsmodell in seiner gesamten Ausprägung. Die Konzeption der Vermögensanlage bestimmt die ihr innewohnenden Risiken und damit einhergehend die Angabeverpflichtung des Anbieters an den Anleger. Eine pauschale Aussage zu Risiken, die in jedem Fall einer Angabe im Verkaufsprospekt bedürfen, ist daher kaum zu treffen.

39

Die VermVerkProspV gibt jedoch bereits anhand der Auswahl der im Verkaufsprospekt zu tätigenden Mindestangaben einen Mindestkatalog in Bezug auf die mit der Durchführung eines Projekts möglicherweise verbundenen Risiken vor, die nach Einschätzung des Anbieters Eingang in den Verkaufsprospekt finden können. c) Risikokategorien

40

Die Risiken lassen sich auf Grund ihres Bezugs zu den Mindestangaben in bestimmte übergeordnete Kategorien einteilen. Dazu gehören für den Anleger die Risiken, die mit der Eingehung der Beteiligung selbst verbunden sind (§ 4 VermVerkProspV), die Risiken, die mit der Errichtung und Durchführung des konkreten Projekts verbunden sind, also auf Grund der zukünftigen Entwicklung auftreten können (§§ 9, 13 und 15 Abs. 1 VermVerkProspV) und jene Risiken, die konzeptionsbedingt auf Grund des Verhaltens 1 Beispielweise Steuerzahlung auf fiktive Gewinne, evtl. Nachschussverpflichtungen, etc. Vgl. Loritz, NZG 2008, 887 (888 ff.).

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der beteiligten natürlichen als auch juristischen Personen und Gesellschaften auftreten (Schlüsselpersonen, §§ 2 Abs. 4, 3, 5, 6, 7, 8, 10, 11, 12, 14, 15 Abs. 2 VermVerkProspV). Diese Risiken stellen die mögliche Verwirklichung von Ereignissen dar, die mit der im Projekt getroffenen Entscheidung quasi als Eintrittsalternativen zur jeweiligen Angabe verbunden sind. d) Begriff des Risikos Der Begriff des Risikos bezeichnet bei einer Unternehmung die Möglich- 41 keit, dass das Ergebnis von getroffenen unternehmerischen Entscheidungen von den ursprünglich zu diesem Zeitpunkt erwarteten Zielen des umgesetzten oder noch umzusetzenden Projekts nachteilig abweicht1. Solche Zielverfehlungen werden durch potentiell eintretende Ereignisse ausgelöst, die Abweichungen vom erwarteten Ereignisverlauf verursachen. Ein Risiko setzt sich daher aus einer ursachenbezogenen – das risikoinduzierende Ereignis – und einer wirkungsbezogenen Komponente – die folgende negative Zielabweichung – zusammen2. Die Auswirkungen eines Risikos für die Unternehmung und in der Folge auch für die Beteiligungen der Anleger über ihre Vermögensanlage unterliegen damit einer zukunftsorientierten Sichtweise des Anbieters zum Zeitpunkt der Erstellung des Verkaufsprospekts. Zu beachten sind die Abhängigkeiten der Risiken untereinander. Zwei Risiken können über die sie verursachenden Ereignisse und/oder über die durch Letztere in ihrer Erfüllung beeinflussten Ziele verbunden sein3. Die Wirkung des Gesamtrisikos kann daher bei einem gemeinsamen Auftreten insgesamt höher sein, als die einzelnen Risiken zusammen suggerieren4. Das Merkmal der Wesentlichkeit des Risikos setzt sich aus ebenfalls zwei 42 Komponenten zusammen. Danach ist einmal die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung eines Risikos zu betrachten. Als wesentlich ist ein Risiko dann zu bewerten, wenn die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des sich negativ auswirkenden Ereignisses signifikant über der Wahrscheinlichkeit liegt, bei der üblicherweise und allgemein auf die Situation bezogen nach der allgemeinen Lebenserfahrung mit dem Eintritt dieses Ereignisses gerechnet werden muss. Dies ist unter anderem der Fall, wenn die Unternehmung unter Bezug auf den angesprochenen Anlegerkreis oder die Art und Weise der Ausführung der Projekte der Unternehmung die Gefahr des Eintritts der Risiken erhöht. So ist zB die Wahl einer neuen, noch nicht eingeführten und daher hinsichtlich ihrer Effektivität noch nicht bewährten Technologie vom Risikopotential anders zu bewerten und zu beschreiben als eine seit Jahren etablierte und bewährte Technologie. Daneben ist die Auswirkung des Eintritts des Risikos auf das Projekt zu betrachten. Stiftet es einen Nachteil, der sich negativ auf die Höhe der geplanten und erwarteten Rendi-

1 Gondring, Risiko Immobilie, S. 20 f.; Gräfer/Schiller/Rösner, Finanzierung, S. 17 ff. 2 Schröder, DB 2008, 1981. 3 Schröder, DB 2008, 1981 (1982). 4 Schröder, DB 2008, 1981 (1982).

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te des Anlegers auswirkt, ist auch dieses Risiko als wesentlich zu betrachten. In der zusammenfassenden Betrachtung beider Komponenten ergibt sich dann die Wesentlichkeit des Risikos für das Projekt. Betrifft das Risiko die im Verkaufsprospekt dargestellte Renditeerwartung des Anlegers und wirkt sich sein Eintritt negativ auf diese Rendite aus, so ist das Risiko als wesentlich zu betrachten. e) Umfang der Darstellung von Risiken 43

Darzustellen sind nach dem Wortlaut des Gesetzes alle wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Risiken, die im Zusammenhang mit der angebotenen Vermögensanlage stehen. Der Anleger ist über die Gefahren aufzuklären, die ihm mit der Zeichnung der Vermögensanlage typischerweise drohen.

44

Die Qualität der Darstellung der Risiken einer Vermögensanlage im Verkaufsprospekt beruht allein auf den subjektiven Einschätzungen des Anbieters. Die Wesentlichkeit eines Risikos bestimmt sich daher nach Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung von einzelnen oder zusammen auftretenden Ereignissen auf die Unternehmung aus der Wahrnehmung des Anbieters.

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Um dem Anleger eine nachvollziehbare Bewertung der Risiken zu ermöglichen, sollte der Anbieter daher die Grundlagen seiner Einschätzung offen legen, insbesondere ob die Beurteilung auf Prognosemodellen, auf objektiven Gegebenheiten der Vermögensanlage oder subjektiven eigenen Erfahrungen beruht. Der Anleger ist dann angehalten, selbständig eine Risikobewertung anhand seines eigenen Erfahrungsschatzes vornehmen. Die Risikobeschreibungen sind damit ein notwendiges Hilfsmittel der Erläuterung der eigentlichen Anlage. Maßstab für den Umfang der Risikoaufklärung ist, was die Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben im konkreten Fall erwarten durfte1. Die allgemeine Bewertung eines Risikos zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung als geringfügig in seinen Auswirkungen im Falle seiner Verwirklichung findet seine Entsprechung in den geringeren Anforderungen an die Risikoaufklärung für dieses Risiko2. Die Haftung im Prospektrecht sanktioniert ausschließlich die unterlassene oder irreführende Darstellung zweckdienlicher Informationen und begründet kein nachträgliches Reurecht im Falle der Nichterfüllung der wirtschaftlichen Erwartungen3.

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Das Gesamtkonzept der Darstellung von Risiken nach der Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung beinhaltet einen ganzheitlichen, allerdings auf die Darstellung wesentlicher Risiken beschränkten Ansatz. Erfasst werden systematisch alle Risiken sowie deren Wechselwirkungen. Demzufolge muss dem Gesamtkonzept der Vermögensanlage selbst eine 1 OLG Braunschweig v. 8.9.2004 – 3 U 118/03, NJW-RR 2005, 341. 2 OLG München v. 11.1.2006 – 7 U 3183/05, ZfIR 2006, 419. 3 OLG Celle v. 16.7.2004 – 9 U 15/04, WM 2005, 737.

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umfassende Risikoidentifikation und -analyse des gesamten Geschäftsmodells der Vermögensanlage vorausgehen, um die erkannten Risiken vollständig und adäquat darstellen zu können. Die Tätigkeitsbereiche der Emittentin sind daher systematisch auf potentielle Risiken zu untersuchen. In den darzustellenden Risiken müssen sich insbesondere die auf die Unternehmensziele auswirkenden, bestehenden und latenten Risiken wiederfinden. Maßstab der Aufklärungstiefe ist dabei, was die Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erwarten darf1. Eine systematische Herausarbeitung der typischen Risiken kann anhand 47 der Arten von Risiken erfolgen. So sind Risiken, die das Anlageobjekt strategisch, also marktbezogen, betreffen, von denen zu unterscheiden, die die Investitionsobjekte auf Grund der Konzeption betreffen, als auch von denen zu trennen, die sich aus der eigentlichen Geschäftstätigkeit des Emittenten (operationelle Risiken) ergeben. aa) Marktbezogene Risiken Das marktbezogene Risiko beinhaltet allgemein zwei Komponenten. Der 48 Erfolg der Unternehmung ist von einem bestehenden oder im Vorfeld zu schaffenden Absatzmarkt abhängig, auf dem eine für die Durchführung der Unternehmung ausreichende Nachfrage nach dem anzubietenden Objekten, Waren oder Dienstleistungen besteht. Des Weiteren ist zu betrachten, inwieweit der Markt bereits durch Mitbewerber ausgefüllt wird. Erfolgt in der Planungsphase der Durchführung des Projekts keine entsprechende Marktanalyse, ist ein Erfolg des geplanten Projekts bereits fraglich. Es besteht hier das Risiko, dass der Markt das Projekt überhaupt nicht oder nicht in der zur Erreichung der geplanten Ziele ausreichenden Weise annimmt. Dem Anleger sind daher diese allgemeinen Risiken darzustellen. Dazu gehören die Fehleinschätzungen bezüglich des bestehenden Marktes, die Unwägbarkeiten der Marktentwicklung, die Fehleranfälligkeiten der entsprechend durchgeführten Marktanalyse hinsichtlich der gewählten Methode und der durchführenden Personen, die Unterschätzung der Stellung der zukünftigen Mitbewerber, die Kosten zur Erzeugung einer entsprechenden Nachfrage nach den Objekten, Waren bzw. den Dienstleistungen2. bb) Anlagebezogene Risiken Allgemeine Risiken der Unternehmungen beziehen sich hauptsächlich auf 49 die Finanzierung des Projekts selbst, im Besonderen in Hinblick auf das eigentliche Anlageobjekt. Zu unterscheiden sind hier Risiken im Vorfeld der Errichtung des Anlageobjekts, also der Investitions- bzw. Finanzierungsphase. Die sich anschließende Betriebsphase ist wiederum durch andere Risi1 OLG Braunschweig v. 8.9.2004 – 3 U 118/03, NJW-RR 2005, 341; BGH v. 22.3.2010 – II ZR 66/08, PM Nr. 58 des BGH v. 22.3.2010. 2 Saarländisches Oberlandesgericht v. 3.4.2002 – 1 U 577/01, OLGR Saarbrücken 2002, 282 (auch über juris); BGH v. 29.5.2000 – II ZR 280/98, ZIP 2000, 1296.

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Allgemeine Grundsätze

ken geprägt, als auch die Veräußerungsphase, die wiederum andere Risiken beinhaltet. (1) Risiken im Vorfeld des Projekts 50

Die Wahl der Initiatoren der Vermögensanlage in Hinblick auf die Art der Beteiligung hat weitreichende Auswirkungen auf den Risikogehalt der angebotenen Vermögensanlage. Bei einer unternehmerischen Beteiligung des Anlegers in Gestalt einer Gesellschafterstellung müssen die einzelnen Risiken der jeweiligen Gesellschaftsform dargestellt werden. So beinhaltet die Wahl der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für die Beteiligungsgesellschaft höhere Risiken für den Anleger auf Grund der bestehenden unbegrenzten Nachschussverpflichtungen gemäß § 735 BGB, während eine Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft als Kommanditist grundsätzlich nur die begrenzte Haftung in Höhe der Einlage auslöst, §§ 171 ff. HGB. Diese Rechtsrisiken auf Grund der jeweiligen Beteiligungsverträge für den Anleger müssen daher besonders deutlich und hervorgehoben dargestellt werden.

51

Weitere Rechtsrisiken ergeben sich aus der Wahl des Sitzes der Beteiligungsgesellschaft bzw. deren Rechtsform auf Grund des Gesellschaftsstatuts im Inland. Auf Grund der Niederlassungsfreiheit gemäß Artt. 49 und 54 (ex-Artt. 43 und 48 EG) für Gesellschaften finden Unternehmensgründungen verstärkt im Ausland statt. Zu beachten ist, dass für die Gesellschaft in der ausländischen Rechtsform sowohl die Publizitätspflichten im In- als auch Ausland zu beachten sind. Erfüllt die Gesellschaft ihre bestehenden Publizitätsvorschriften im Ausland nicht, kann dies zur Löschung der Gesellschaft im Ausland und zum dortigen Vermögensverfall führen, während die in Deutschland verbleibende Restgesellschaft ihren Status in eine GbR oder OHG ändert1. Eine Schweizer Aktiengesellschaft, die nur über einen Sitz in Deutschland verfügt, wird im Rechtsverkehr ebenfalls nur als Personengesellschaft angesehen2. Versuche der Umgehung von Gewerbeverboten von geschäftsführenden Personen der ausländischen Gesellschaft in Deutschland durch Eintragung einer Zweigstelle der ausländischen Gesellschaft in Deutschland können vom Registergericht verweigert werden3. Die Umqualifizierung einer ausländischen Kapitalgesellschaft zu einer deutschen Personengesellschaft führt zu zahlreichen Problemen. Diese bestehen zum einen im Prozess- und Zwangsvollstreckungsrecht, zum anderen werden die Gesellschafter den Risiken einer unbeschränkt persönlichen Haftung gemäß § 128 HGB in Hinblick auf die Schulden der Gesellschaft ausgesetzt4.

52

Entscheidenden Einfluss auf das beinhaltende Risikopotential der angebotenen Vermögensanlage hat die Struktur der Finanzierung des Projekts. Fonds 1 2 3 4

Vgl. Zimmer/Naendrup, ZGR 2007, 789 (804 ff.). BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 = ZIP 2008, 2411. BGH v. 7.5.2007 – II ZB 7/06, BGHZ 172, 200 = ZIP 2007, 1306. Lamsa, BB 2009, 17.

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iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG lassen sich als reine Eigenkapitalfonds oder auch gemischt mit Fremdkapital konzipieren. Eigenkapitalfonds nutzen als Geldmittel allein die eingezahlten Einlagen der Anleger. Gemischt finanzierte Fonds bringen nur einen Teil des zur Projektfinanzierung benötigten Kapitals aus den Einlagen der Anleger auf. Die weiteren benötigten Mittel finanziert die Fondsgesellschaft selbst aus Fremdmitteln. Diese Außenfinanzierung birgt weitaus schwerer wiegende Probleme bei einem Substanzverzehr1. Die Sanierung von Altbauten wird zB auf Grund der steuerlichen Begünstigung zumeist im Wege der Finanzierung mit hohem Fremdfinanzierungsanteil mit sich daraus ergebendem, darzustellenden Risikopotential vorgenommen. (2) Auswahl der Geschäftspartner Die Risiken auf Grund von eventuellen Verflechtungen der einzelnen an 53 der Konzeption beteiligten Personen sowie personelle Verflechtungen mit Vertragspartnern sind aufzudecken. Interessenkollisionen sind offen zu legen. Ein allgemeiner Hinweis auf Interessenkonflikte reicht nicht aus, wenn die Interessenkollision auf die Geschäftsgrundlage der Publikumsgesellschaft durchschlägt2. Einzugehen ist auch auf die Risiken der Möglichkeit zur Einflussnahme von Personen auf die Geschäftstätigkeit der Publikumsgesellschaft3. (3) Währungsbezug Die Aufnahme von Krediten in Fremdwährungen oder laufende Kosten in einer Fremdwährung knüpft das Schicksal einer tragfähigen Finanzierung des Projekts in der Errichtungs- und Betriebsphase an die Entwicklung anderer Marktregionen. Das Risikopotential für verringerte Erträge aus der Anlage wird daher für einen deutschen Anleger stark erhöht, da eine Abschätzung der Entwicklung mehrerer Märkte schwieriger und mit höheren Unsicherheitsfaktoren belastet ist.

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(4) Anlegerbezug Der Erwerb oder die Errichtung des Projekts ist grundsätzlich vom Vermarktungserfolg beim Anleger abhängig. Daneben stellt die gewählte Konzeption der Finanzierung des geschlossenen Fonds in Hinblick auf die Liquidität und Bonität des Anlegers eine erhebliche Weichenstellung für das Risikopotential bei der Umsetzung des Projekts dar. Erfolgt die Umsetzung des Projekts erst nach Einwerbung der benötigten Finanzmittel, ist die Bonität der Anleger für die nachfolgende Betriebs- und Veräußerungsphase unerheb-

1 Böh, Die Aufklärungspflicht einer Bank bei der Finanzierung einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds, S. 4. 2 BGH v. 16.11.1978 – II ZR 94/77, NJW 1979, 718; KG Berlin, 25.9.2006 – 23 U 107/05, ZIP 2007, 32. 3 BGH v. 16.11.1978 – II ZR 94/77, NJW 1979, 718; BGH v. 21.5.1984 – II ZR 83/84, NJW 1984, 2523.

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lich. Verzögerungen oder sogar eine Rückabwicklung des Projekts sind in dieser Hinsicht nur bei einem grundsätzlich mangelnden Nachfragemarkt beim Anleger zu besorgen. Sieht hingegen die Konzeption der Finanzierung eine Ansparphase der Fondsgesellschafter im Wege einer Innenfinanzierung der Gesellschaft über einen längeren Zeitraum vor, hängt der Fortschritt oder gar der Beginn des Projekts von der Gewährleistung der Bonität der einzelnen Fondsgesellschafter ab1. Das Risikopotential erhöht sich gegenüber der anderen Konzeption stark, da der Ausgleich der Finanzierung nur über einen Austausch von Gesellschaftern oder die Aufnahme einer Fremdfinanzierung erfolgen kann. 56

Dem Anleger muss vergegenwärtigt werden, dass die Beteiligung über die Vermögensanlage eine auf die vom Anbieter vorgesehene Laufzeit festgelegte Kapitalbindung bedeutet, da eine freie Handelbarkeit für Anteile an Vermögensanlagen grundsätzlich nicht ohne weiteres besteht2.

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Die Frage der steuerlichen Anerkennungsfähigkeit der Vermögensanlage für den Anlageinteressenten ist offen zu legen3. Insbesondere ist auf bereits angekündigte oder erwartete Änderungen von Steuerreglungen (zB Einführung von § 15b EStG) mit ihrer nachteiligen Relevanz in Bezug auf die zu erwartenden Ergebnisse der Publikumsgesellschaft einzugehen, ebenso auf die Risiken, die bei der Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen entstehen, falls diese im Verlauf der Beteiligung geändert werden können.

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Als besonderes, in der Person des Anlegers auftretendes Risiko muss bei geschlossenen Auslandsfonds die steuerliche Anzeigepflicht genannt werden (§ 138 Abs. 2 AO). Anleger müssen gegenüber dem Finanzamt innerhalb eines Monats die Beteiligung an einem ausländischen geschlossenen Fonds deklarieren (§ 138 Abs. 3 AO). Dies gilt auch im Fall der Veränderung der Beteiligungsquote oder dem Verkauf der Anteile über einen Zweitmarkt. Die Deklarationspflicht trifft vor allem auf Immobilienfonds oder Lebensversicherungspolicenfonds zu. Die Finanzverwaltung einiger Bundesländer hat festgestellt, dass den Anzeigepflichten nicht im ausreichenden Maße nachgekommen wird, und wird dies in Zukunft verstärkt überprüfen4. (5) Projektbezug

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Die Neuerrichtung einer wettbewerbsfähigen Gesellschaft verursacht Anlaufverluste5. Diese müssen zunächst durch Einnahmen aus dem Projekt erlöst werden. Entsprechende Risiken sind offen zu legen.

1 Böh, Die Aufklärungspflicht einer Bank bei der Finanzierung einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds, S. 6. 2 BGH v. 18.1.2007 – III ZR 44/06, BB 2007, 465. 3 BGH v. 14.7.2003 – II ZR 202/02, NJW-RR 2003, 1393. 4 FAZ.Net, „Steuertipps zum Jahreswechsel 2008/09, Für Kapitalanleger“; siehe auch: Schreiben der OFD Hannover v. 4.1.2008 – S 0320-46-StO 142. 5 Vgl. Loritz, NZG 2008, 887.

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Auf Grund der Gestaltung des Fondsprojekts wird von der Geschäftsfüh- 60 rung der Fondsgesellschaft eine Investition erst nach der Einwerbung der notwendigen Finanzmittel vorgenommen. Dem Anleger werden im Verkaufsprospekt nur bestimmte Auswahlkriterien für das Projekt kundgetan, etwa nach Art, Anzahl, Größe, Finanzierungsvolumina und Nutzung der Anlageobjekte und eventuell weiterer Kriterien. Bei diesen Blind-Pool-Konzepten ist das Risikopotential für den Anleger stark erhöht, da er über den Inhalt seiner einzugehenden Beteiligungen keine klare Information erhält. Die Risikodarstellung muss daher in ihrer Detailtiefe mit dem Unsicherheitsgrad der einzelnen Anlageobjekte übereinstimmen und kann sich nicht in pauschalen Hinweisen erschöpfen. Dem Anleger sind die angewendeten Bewertungsmethoden, die zur Bewertung von zu erwerbenden Anlageobjekten eingesetzt werden, mit ihren jeweiligen Risiken offen zu legen1.

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Das Projekt kann für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten spezielle Ge- 62 nehmigungen erforderlich machen. So ist die Tätigkeit der Vermögensverwaltung über die Gesellschafterbeiträge des Geschäftsführers eines Investmentclubs ab einer bestimmten Größenordnung als Finanzportfolioverwaltung gemäß § 1 Abs. 1a Nr. 3 KWG zu bewerten2. Liegt eine entsprechende Genehmigung nicht vor, so kann eine Abwicklung des gesamten Projekts drohen. Dagegen stellt die Investition von Geldern geschlossener Fondsgesellschaften in Finanzinstrumente kein erlaubnispflichtiges Finanzkommissionsgeschäft dar, wenn das Eigentum der angeschafften Finanzinstrumente nicht auf den Anleger übertragen wird3. Des Weiteren ist der Anleger auf die Gefahren aufmerksam zu machen, 63 wenn die Investitionen in mehrere gleichartige Anlageobjekte fließt. Auf Grund der fehlenden Diversifikation der Anlageobjekte kann es zu einem Klumpenrisiko kommen. (6) Risiken auf Grund des Anlageziels Die Gestaltung der vertraglichen Konstruktion einer Fondsgesellschaft kann sich in Bezug auf die dadurch anfallende Steuerlast zwischen verschiedenen Vermögensanlagen unterscheiden. Die zur Auswahl stehende Vermögensanlage lässt sich daher bei der Verfolgung ihres Anlageziels in die Rubriken der steuerorientierten und ausschüttungsorientierten Fonds einteilen. Die Unterscheidung ist für den Anleger unter dem Aspekt der Bereitschaft von ihm einzugehender Risiken beachtlich.

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Eine Orientierung der Fondskonstruktion auf Ausschüttungen birgt eine Anfälligkeit für nachfragebedingte Schwankungen des Marktes in sich, die

65

1 Siehe bspw. die neuen Branchenstandards in Bezug auf die Bewertung von Venture Capital-Beteiligungen: Askar/zu Knyphausen-Aufseß, FB 2008, 106 ff. 2 BVerwG v. 22.9.2004 – 6 C 29/03, BVerwGE 122, 29 = ZIP 2005, 385. 3 BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 12/07, BVerwGE 130, 262 = ZIP 2008, 911.

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sich in Krisenzeiten zu einer Verminderung oder Ausfall der Ausschüttungen beim Anleger steigern kann1. Die Eignung der Vermögensanlage für eine Altersvorsorge richtet sich nach den privaten Voraussetzungen des Anlegers und ist bei den unternehmerischen Beteiligungen im Bereich der Vermögensanlagen iS der geschlossenen Fonds nach § 8f Abs. 1 VerkProspG zweifelhaft2. Entsprechende Risiken der unternehmerischen Bindung sind daher darzustellen. Eine steuerliche Orientierung birgt die Gefahren einer Nichtanerkennung der steuerlichen Vorteile bzw. eine drohende Steuernachzahlung für die Anleger, wenn die Finanzbehörden ihre Einschätzung ändern3. (7) Risiken in Bezug auf das Sicherungskonzept 66

Sicherungsmaßnahmen erfolgen zumeist in Form von Versicherungen. Hier muss darauf geachtet werden, dass beim Anleger kein irreführender Eindruck über die Möglichkeit der Erlangung der Absicherung, den Grad der Absicherung und die Bonität des Versicherers entsteht. Der Anleger muss darüber aufgeklärt werden, dass eine Absicherung für bestimmte Risiken nicht erlangt werden kann oder noch nicht vorliegt4. Des Weiteren muss auf Risiken hingewiesen werden, die nicht durch eine Versicherung abgedeckt werden können, denen das Anlageobjekt jedoch trotzdem ausgesetzt ist. Desgleichen ist auch auf das Risiko hinzuweisen, dass der Versicherer seiner Verpflichtung nicht nachkommen kann, wenn dafür entsprechende Anhaltspunkte bestehen5. cc) Risiken der laufenden Geschäftstätigkeit

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Des Weiteren bestehen unabhängig von der Ausgestaltung des Projekts als solches Risiken, die die laufende Geschäftstätigkeit des Emittenten oder operationelle Risiken betreffen. Sie lassen sich in die zwei Bereiche der Betriebsrisiken und der Rechtsrisiken unterteilen.

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Als Betriebsrisiken sind solche Risiken zu verstehen, die die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäftstätigkeit der Emittentin gefährden können. Gefährdungen des wirtschaftlichen Erfolgs des Projekts können sich auf Grund der Kompetenzen der Geschäftsführung sowohl hinsichtlich ihrer fachlichen als auch praktischen Erfahrung ergeben, des Weiteren in der Betrachtung, ob sie ihre ganze Arbeitskraft dem Projekt zur Verfügung stellen kann. Dieser Umstand ist insbesondere beachtlich, wenn die Geschäftsführung mehrere Projekte gleichzeitig verantwortet. Sofern relevant, können sich auch Gefährdungen aus der persönlichen Eignung der Geschäftsführung ergeben. Risiken für den Erfolg des Anlegers ergeben sich eventuell bei 1 Böh, Die Aufklärungspflicht einer Bank bei der Finanzierung einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds, S. 5. 2 OLG München v. 30.5.2006 – 19 U 5914/05, unveröffentlicht, abrufbar über juris. 3 Vgl. Presseberichterstattung zu den VIP-Medienfonds, Der Spiegel 49/2006, S. 87. 4 BGH v. 14.6.2007 – III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993. 5 LG Frankfurt/M. v. 28.11.2008 – 2-19 O 62/08, ZIP 2009, 184.

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Allgemeine Grundsätze

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vorhandenen personellen Verflechtungen zu Drittfirmen, die Objekte, Waren oder Dienstleistungen an die Emittentin veräußern, oder in Bezug auf die persönliche Integrität, wenn diese Personen bereits strafrechtlich auffällig geworden sind. Dazu gehören zB unangemessene Geschäftsführervergütungen, die nicht durch eine angemessene Kapitalverzinsung gerechtfertigt sind1, oder sonstige Rückflüsse an die Gründungsgesellschafter in einer Höhe, dass die Wertschätzung der Initiatoren für die Vermögensanlage in Zweifel zu ziehen ist2. Des Weiteren ergeben sich Risiken auf Grund von Nutzungsausfall und Endverwertung der Anlageobjekte, wenn die Geschäftsführung nicht entsprechende Abnehmer für die Anlageobjekte vertraglich binden kann. Auf technische oder prozessbedingte Risiken, wie mangelnde Technikausstattung der Büros oder fehlerhafte Beratungs- und Verkaufspraktiken, ist nur dann einzugehen, wenn diese auf Grund von Besonderheiten als wesentlich erkannt werden3. Rechtsrisiken sind im Rahmen der Geschäftstätigkeit der Emittentin zu be- 69 sorgen, wenn diese möglicherweise gegen gesetzliche oder vertragliche Regelungen verstößt4. dd) Spezifische Risiken bestimmter Marktbereiche In diese grobe Strukturierung lassen sich jeweils noch spezifische Untertei- 70 lungen der Risiken bestimmen. Diese weitere Aufschlüsselung bzw. Darstellung von Risiken hängt jedoch stark von den Umständen des Einzelfalls ab. Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG werden bei verschiedenen Unternehmungen konzipiert, die verschiedenste Marktbereiche umfassen. Diese sind typischerweise in den Bereichen der Immobilien inklusive der alternativen bzw. regenerativen Energieerzeugung, des Transportgewerbes und der Beteiligungen an anderen Unternehmungen angesiedelt. Diese typischen Marktbereiche sind im Regelfall auch den gleichen Risiken ausgesetzt, sofern die Konzeption der Unternehmung nicht noch weitere spezifische Risiken beinhaltet. Spezifische Risiken bestimmter Marktbereiche, denen dort angesiedelte Unternehmungen typischerweise ausgesetzt sein können, werden im Folgenden kurz angerissen und erheben auf Grund der Vielzahl der spezifisch möglichen Fallgestaltungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

1 FG Berlin-Brandenburg v. 16.1.2008 – 12 K 8312/04, BB 2008, 1489. 2 BGH v. 29.5.2000 – II ZR 280/98, NJW 2000, 3346; BGH v. 7.3.2006 – 1 StR 379/05, NJW 2006, 1679. 3 Bspw. nicht ausreichende oder nicht vorhandene Sicherungslösungen gegen Softoder Hardwarefehler oder bestimmte Form des Direktmarketings. 4 BGH v. 3.12.2007 – II ZR 21/06, ZIP 2008, 412, in Bezug auf die Bedenken der Aufsichtsbehörde gegenüber einer ratierlichen Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens an den Anleger.

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Allgemeine Grundsätze

(1) Immobilien 72

Die Beurteilung einer Immobilie richtet sich nach ihrem Standort, der durchgeführten Planung, den Kosten, der Finanzierung sowie der Wirtschaftlichkeit ihres Betriebs und Unterhaltung1.

73

Die Lage und der Zuschnitt des Grundstücks müssen den Erfordernissen der beabsichtigten Nutzung nachkommen. Darin enthalten ist die Betrachtung der baurechtlichen Situation, die Interessenlage von Nachbarn und die Beachtung eventueller Altlasten. Entsprechen diese Bedingungen nicht den Planungen, ist eine entsprechend vorausgesagte Wirtschaftlichkeit des Geschäftsbetriebs gefährdet. Die dem Anleger in Aussicht gestellte Renditeerwartung wäre bereits gemindert oder vollständig gefährdet.

74

Wurde die Bebaubarkeit und die Nutzung des Grundstücks nicht vor Projektbeginn baubehördlich abgeklärt, droht hier bereits das Scheitern des geplanten Projekts. Liegt weder eine bestandskräftige Genehmigung für das Bauvorhaben vor noch ein Bauvorbescheid, ist das Projekt mit den Unwägbarkeiten eines Genehmigungsverfahrens belastet, deren Ausgang entweder eine Neuausrichtung des gesamten Projekts oder eine Reduzierung der Renditeerwartung bedeuten kann. Die Nutzbarkeit eines Grundstücks richtet sich nach dem Baugesetzbuch (BauGB) und dem jeweiligen landesspezifischen Baurecht.

75

Die Zulässigkeit von Bauvorhaben bestimmt sich im BauGB grundsätzlich nach der Lage des Grundstücks, die sich in drei Grundfälle unterteilen lässt. Wird das Grundstück von einem Bebauungsplan erfasst, richtet sich die Art und das Maß der Bebaubarkeit nach seinen Festsetzungen und der Erschließung des Grundstücks (§ 30 BauGB). Befindet sich die Lage außerhalb eines Bebauungsplans, ist die örtliche Lage entscheidend. Innerhalb eines geschlossenen bebauten Ortsteils richtet sich die Bebaubarkeit gemäß § 34 BauGB in Art und Maß nach der Eigenart der näheren Umgebung. Im Außenbereich nach § 35 BauGB sind grundsätzlich nur bestimmte, abschließend aufgeführte Bauvorhaben zulässig.

76

Eine Beeinträchtigung des Erfolgs des Immobilienfonds kann sich aus im Boden befindlichen Verunreinigungen ergeben. Für die Sanierung ist grundsätzlich der Eigentümer haftbar. Auch eventuelle Altlastengutachten sind in ihrer Aussagekraft von der Intensität der Untersuchung des Bodens abhängig. Erfassen daher beim Erwerb des Grundstücks die vertraglichen Regelungen nicht genau die Haftung für Altlasten, drohen Kosten, die den Wert des Grundstücks übersteigen können, bedingt durch die Verzögerungen des Projekts selbst für die Sanierung und die eigentliche Sanierung2.

77

Dingliche Lasten bestimmen ebenfalls den Wert eines Grundstücks. Bestehen solche oder sind auf Grund von dritter Seite geplanter Bauvorhaben (lei-

1 Siehe von Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, S. 8. 2 Arndt/Fischer in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 202 ff.

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Allgemeine Grundsätze

§ 2 VermVerkProspV

tungsgebundene Wirtschaftsbereiche) solche zu erwarten, gefährdet eine fehlerhafte Bewertung dieser Lasten ebenfalls die Wirtschaftlichkeit des Projekts. Beim Erwerb von bereits auf dem Grundstück befindlichen Bauten ist der technische Zustand zu bewerten. Ist der Instandhaltungsrückstau höher als vermutet, drücken die zur Beseitigung der Mängel erforderlichen Ausgaben auf das Ergebnis des Fonds und somit die Renditeerwartung des Anlegers.

78

(a) Wohn- und Gewerbeimmobilien. Die Verwertbarkeit des Gebäudes nach 79 Ablauf der geplanten Nutzungsdauer durch die Fondsgesellschaft erfordert eine genaue Bewertung der Marktsituation zum Zeitpunkt der Veräußerung. Mehrfach nutzbare, qualitativ hochwertige Gebäude lassen sich im Zweifel einfacher veräußern als bestimmte, konkret auf die Nutzung durch den Mieter zugeschnittene Spezial-Immobilien1. Die Sicherheit der Erzielung der geplanten Einnahmen ist an den Vermie- 80 tungserfolg gebunden. Entscheidende Kriterien sind hier die Bonität des Mieters und die Dauer der Mietzinsvereinbarung. Bei nicht bonitätsstarken Mietern oder nach Ablauf der Mietvereinbarung besteht die Gefahr, dass kein für die Erreichung der Ergebnisprognosen notwendiger solventer Mieter gefunden wird und ein Leerstand oder eine Vermietung zu geringeren Mieten zu Ergebnisausfällen führt. Diese schlagen bei zu knapper Kalkulation unmittelbar auf die zu erwartende Rendite des Anlegers durch. Sieht die Konstruktion des Fonds eine Poolung der Einnahmen mit anderen Objektgesellschaften vor, ist die zu erwartende Rendite für den Anleger an den Erfolg dieser anderen Objekte gebunden. Eine schlechte Entwicklung der Einnahmen dieser anderen Gesellschaften wirkt sich daher negativ auf das Ergebnis des Anlegers aus oder gefährdet es ganz, wenn die verbundenen Gesellschaften gegenüber der Gesellschaft, an der der Anleger beteiligt ist, keinen gleichwertigen Vermarktungserfolg erzielen.

81

Die laufenden Betriebskosten stellen einen weiteren Risikofaktor beim Er- 82 folg des Immobilienprojekts dar. Dazu gehören ua. Wasserversorgung, Abfallentsorgung, Elektrizität und Wärmeversorgung. Sind die Kosten in der Konzeption nicht entsprechend großzügig kalkuliert (zB Einplanung steigender Energiepreise), ist die Wirtschaftlichkeit des Objekts unmittelbar betroffen. (b) Erneuerbare Energien. Im Bereich der erneuerbaren Energien lässt sich 83 insbesondere auf das technische Risiko der Energieerzeugungsanlagen verweisen. Hier kann es auf Grund der technisch noch nicht erreichten dauerhaften Anpassung der technischen Anlagen an die am Standort vorherrschenden Witterungsverhältnisse zu betrieblichen Störungen in der Energieerzeugung kommen, die einen Ersatz durch Verschleiß oder Totaldefekt, eine technische Neukonstruktion, eine aufwendige Wartung inklusive des 1 Arndt/Fischer in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 205.

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§ 2 VermVerkProspV

Allgemeine Grundsätze

Austausches von Bauteilen oder sonstige Störungsbeseitigungen notwendig machen und sich somit schmälernd auf die Gewinne der Unternehmung auswirken. Ein zweiter Problemkreis betrifft im Bereich der erneuerbaren Energien die derzeit noch nicht mögliche Erzeugung der Energie zu marktfähigen Preisen. Betreibergesellschaften von Energieparks sind daher von Fördermaßnahmen auf Grund gesetzlicher Regelungen abhängig. Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen führen daher je nach Kalkulation der Anlage zur Unwirtschaftlichkeit des Betriebs der Anlagen1. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Konzeption der Anlage auf Grund der technischen Ausführung durch Aufteilung in mehrere Kleinanlagen einer Degression des Vergütungssatzes zuvorkommen will, im Nachhinein aber nur der Vergütungssatz als Gesamtanlage Anwendung findet (vgl. § 19 EEG [2009])2. Des Weiteren steht die Verwertung der Energieerzeugungsanlagen nicht grundsätzlich im Vordergrund. Durch den technischen Fortschritt bedingt, wird der Anlagenpark nach einer bestimmten Laufzeit im Regelfall erneuert, so dass den Altanlagen, ua. auch durch die technische Beanspruchung zumeist nur noch Schrottwert zukommt. Insoweit kommen auf die Betreibergesellschaft im Regelfall noch Rückbaukosten zu. 84

(aa) Windkraft. Der gewählte Standort muss auf Grund der vorherrschenden Windverhältnisse und der sonstigen Verhältnisse für eine Windkraftanlage des zu errichtenden Typs geeignet sein. Die Stetigkeit des Windes ist für den wirtschaftlichen Betrieb genauso zu berücksichtigen wie die maximale oder minimale Windstärke. Für die Ermittlung dieser Größen muss auf meteorologische Daten zurückgegriffen werden. Werden ein oder mehrere Gutachten angefertigt, sind die qualitativen Standards für die Anfertigung zu berücksichtigen. Sämtliche Betriebsrisiken in technischer Hinsicht, wie Wartung und Ersatz abgenutzter Anlagen, müssen beachtet werden.

85

Des Weiteren müssen alle behördlichen Genehmigungen für die Nutzung des Standorts vorliegen. Dazu zählen die Genehmigungen für die Anlage selbst als auch für Umwelteinwirkungen3. Des Weiteren sind in Hinblick auf das Risiko der Errichtung der Anlage mögliche Nachbarschaftsstreitigkeiten zu beachten, wenn das Projekt in der Nähe von Ansiedlungen errichtet wird. Auf Grund des laufenden Betriebs bedingte Abschattungen und Geräusche können zu rechtlich erzwungenen Stilllegungen führen. So sind in Brandenburg derzeit Abstände von mindestens 1.000 Metern zu Siedlungen empfohlen4. Ein weiteres Risiko ergibt sich aus der Nutzung des Luftraumes, die ebenfalls an diesem Standort zulässig sein muss.

1 Bost in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 345 (beispielhaft für Windenergiefonds). 2 Financial Times Deutschland v. 21.4.2009: „Biogas – Einst gepriesen, jetzt verdammt“. 3 Bost in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 340 ff. 4 Vgl. für weitere Anforderungen Amtsblatt für Brandenburg Nr. 8 v. 2.3.2005 und Amtsblatt für Brandenburg Nr. 25 v. 1.7.2009.

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Allgemeine Grundsätze

§ 2 VermVerkProspV

Weitere Risiken ergeben sich aus dem Anschluss der Energieanlagen an das allgemeine Stromnetz. Stehen die notwendigen Kapazitäten noch nicht zur Verfügung, muss ein kurzfristiger Ausbau ermöglicht werden können. Trotz der Privilegierung des Transports aus erneuerbaren Energien gemäß §§ 5 Abs. 4, 9, 11 Abs. 1 Nr. 2 EEG (2009), der von den Netzbetreibern einen unverzüglichen Ausbau der Netzkapazitäten fordert, können sich langwierige Verzögerungen des Projekts ergeben. Denn die Erwartungen des Gesetzgebers an die Netzbetreiber, für eine bedarfs- und zeitgerechte Bereitstellung von Netzkapazitäten zu sorgen, stehen im Gegensatz zu der teilweise mehrjährigen Dauer von Genehmigungsverfahren1. Für dringliche Leitungsbauvorhaben sind zwar Planungsbeschleunigungen durch die Nutzung von Verfahrensbefreiungen möglich (vgl. §§ 43 ff. EnWG), diese müssen jedoch von den Ländern auch umgesetzt werden2.

86

Des Weiteren kann ein Abnahmerisiko entstehen, wenn die Windkraftanlage auf Grund der begrenzten Anschlusskapazität teilweise stillgelegt werden muss (§ 11 EEG [2009]).

87

Die Rentabilität der Anlage ist an die Vergütungsregelungen des EEG ge- 88 knüpft (§§ 16 ff. EEG [2009]). Bei eventuellen Rechtsänderungen in Bezug auf den Abbau von Fördermaßnahmen regenerativer Energieerzeugung bestehenden Gefährdungen in Hinsicht auf die Erreichung eines wirtschaftlichen Betriebs der Anlage. (bb) Photovoltaik/Solarthermie. Der Standort muss durch eine hohe Sonneneinstrahlung gekennzeichnet und auch sonst für die Errichtung von Solaranlagen geeignet sein. Auf Grund des geringen Wirkungsgrades von Solarzellen müssen große Flächen in Anspruch genommen werden. Ferner kann die Verwendung von mit Produktionsfehlern behafteten Modulen, die Wirtschaftlichkeit der Anlage gefährden3. Es gelten die zu den Windkraftanlagen gemachten Aussagen entsprechend4.

89

(cc) Biogasanlagen. Es sind Wirtschaftlichkeitsrisiken anzugeben, die sich 90 auf Grund einer ungesicherten Auslegung von Gesetzen ergeben, zB in Hinblick auf die Regelung in § 19 EEG (2009), wenn das Projekt zur Vermeidung einer Vergütungsdegression im Rahmen der Einspeisevergütung in zunächst begünstigte Kleinanlagen aufgeteilt errichtet wurde, diese im Nachhinein jedoch auf Grund der äußeren Umstände als Gesamtanlage mit entsprechenden niedrigeren Vergütungssätzen angesehen werden muss5. Bei der Wahl des Standorts und der projektierten Kapazität ist die Konkur- 91 renzsituation ähnlicher Anlagen zu berücksichtigen. Können die zum Betrieb erforderlichen Stoffe nicht direkt vor Ort gedeckt werden, ist die Wirt1 2 3 4 5

Schneller, DVBl 2007, 529 ff. Schneller, DVBl 2007, 529 (537). Financial Times Deutschland v. 2.7.2009: „Feuer auf dem Dach“. Ausführlich: Haag in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 326 ff. Financial Times Deutschland v. 21.4.2009: „Biogas – Einst gepriesen, jetzt verdammt“.

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§ 2 VermVerkProspV

Allgemeine Grundsätze

schaftlichkeit der Anlage durch hohe Beschaffungs- und Transportkosten gefährdet1. 92

(dd) Geothermie. Steht für das Projekt nicht bereits ein im Rahmen der Konzeption entdeckter, geeigneter Standort fest, sind die Gefahren des Scheiterns des Projekts auf Grund einer erfolglosen Beprobung immens. Zudem können seismische Aktivitäten durch bestimmte Bohrverfahren verstärkt oder ausgelöst werden, die dann Schäden an umliegender Bebauung bewirken2. (2) Transportgewerbe

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Es besteht das allgemeine Risiko, dass die vom geschlossenen Fonds auf dem Markt bereitgestellten Transportkapazitäten nicht angenommen werden. Dem entsprechen besteht eine konjunkturelle Abhängigkeit. Des Weiteren bestehen bei Transportmitteln immer die Gefahren, die auf Grund der Auswahl der Routen entstehen. Diese können durch meteorologische, politische oder geographische Instabilitäten gekennzeichnet sein.

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(a) Schiffe. Erwirbt der geschlossene Fonds keine bereits fertig gestellten oder betriebenen Schiffe, treffen ihn Herstellungsrisiken. Schiffbauverträge sehen häufig eine ratenweise Vorauszahlung des Baupreises vor. Kommt die Werft ihren Lieferpflichten nicht nach, müssen Prozess- und Ausfallrisiken zur Wiedererlangung der geleisteten Anzahlungen hingenommen werden.

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Die wirtschaftliche Nutzung des Schiffes erfolgt typischerweise in Form der Überlassung an einen Charterer auf eine bestimmte Zeit. Interessenkonflikte ergeben sich aus den widerstreitenden wirtschaftlichen Interessen des Charterers an einer möglichst gewinnbringenden Einsatz des Schiffes gegenüber den Interessen der Fondsgesellschaft an der Erhaltung des wirtschaftlichen Werts des Schiffes. Oft sind das Ablieferungsrisiko des Schiffes und ein Überführungsrisiko zum Ort der Übergabe an den Charterer von der Fondsgesellschaft zu tragen3.

96

Das Betriebskostenrisiko liegt grundsätzlich bei der Schiffsfondsgesellschaft. Dazu gehören die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft des Schiffes durch Personal ebenso wie in technischer Hinsicht. Kann diese nicht gewährleistet werden, trifft den Fonds das Off-Hire-Risiko mit der Verweigerung der Leistung der Charterrate durch den Charterer. Ebenfalls können Fracht oder Schiff Haftungsrisiken auf Grund davon ausgehender Umweltgefährdungen auslösen. Daneben treten Bonitätsrisiken des Charterers, die Beschlagnahmungen des Schiffes in den Zielhäfen auslösen können. Läuft der Chartervertrag ohne Verlängerung aus, muss die Fondsgesellschaft für die Aufrechterhaltung von Einnahmen für eine Anschlussbeschäf1 Ausführlich: Lohmann in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 374 ff. 2 Vgl. zur Einstellung von Geothermieprojekten auf Grund seismischer Aktivitäten http://www.heise.de/newsticker/meldung/Geothermie-unter-Druck-886312. html; ausführlich: Lohmann in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 355 ff. 3 Arndt/Baldauf in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 248 f.

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Allgemeine Grundsätze

§ 2 VermVerkProspV

tigung oder für einen Käufer des Schiffes sorgen. Die Fondsgesellschaft kann durch Wahl der Tonnagebesteuerung nach § 5a EStG einer vom tatsächlichen erzielten operativen Gewinnen unabhängigen Steuerbelastung unterliegen1. Bei Schiffen besteht das Risiko des Verlustes von Schiff, Ladung und Besat- 97 zung durch Piraterie oder Kriegseinwirkungen. Neben dem vollständigen Verlust ist teilweise der Einsatz einer Lösegeldzahlung zur Wiedererlangung notwendig, die das Ergebnis schmälert. (b) Lastkraftwagen. Bei Lastkaftwagen ist der Verlust der Ladung durch Diebstahl unabhängig von der gewählten Route zu besorgen. Hohes allgemeines Verkehrsaufkommen im Straßenverkehr erhöhen die Gefahr der Einschränkung der Wirtschaftlichkeit durch Unfall, Verschleiß, Betriebskosten und Verlust von Anschlussaufträgen.

98

(c) Flugzeuge. Entsprechen die Sicherungs- bzw. Leiteinrichtungen auf den 99 Routen nicht dem allgemeinen Standard, besteht eine erhöhte Gefahr, dass Ereignisse eintreten, die zum Verlust des Flugzeugs führen. ZB ist der Zusammenstoß des Flugzeugs mit anderen Flugzeugen auf afrikanischen Routen auf Grund der mangelhaften Leittechnik zu besorgen. Verfügt der angeflogene Flughafen nicht über ausreichende Einrichtungen zur Gewährleistung einer Landung bei allen Wetterbedingungen, erhöht sich auch hier die Gefahr des Verlustes des Flugzeugs2. (3) Unternehmensbeteiligungen (Private Equity) Das Geschäftsfeld der Unternehmensbeteiligungen beinhaltet je nach Aus- 100 gestaltung des Geschäftsmodells verschiedene spezifische Risiken3. Die Wahl der Bewertungsmethode für die Ermittlung der Kaufpreise der Zielgesellschaften ist besonders hervorzuheben. Die jeweils genutzten Bewertungsverfahren beinhalten je nach Modell verschiedene Unwägbarkeiten. Stehen die zum Ansatz kommenden Bewertungsverfahren zur Erstellung des Verkaufsprospekts fest, sollten die Auswirkungen der jeweiligen Nachteile der Bewertungsverfahren dem Anleger anschaulich dargestellt werden. Des Weiteren besteht eine Abhängigkeit von der Konjunktur. Abschwünge erschweren sowohl die Erhöhung des Fondsvolumens für Firmenübernahmen als auch den Verkauf vom im Portfolio gehaltenen Gesellschaften. Im Zusammenhang dazu hat auch die Wahl der Art des Erwerbs- oder Beteiligungsvorgangs an den Zielunternehmen Auswirkungen auf die Höhe des Risikos des Portfolios des geschlossenen Fonds. Der Unternehmenskauf 1 Arndt/Baldauf in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 259 ff. 2 Ausführlich zu weiteren Risiken: Halfpap in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 285 ff. 3 Ausführlich: Kind in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 403 ff.; vgl.: zwingend notwendige Einhaltung der Kriterien zur Erreichung der steuerlichen Transparenz bei angestrebter Anerkennung des Fonds als private Vermögensverwalgung gemäß Fondserlass: BMF-Schreiben v. 16.12.2003 – IV A6-S 2240-153/03, BStBl. I 2004, 40.

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§ 2 VermVerkProspV

Allgemeine Grundsätze

kann in Form des Erwerbs von Anteilen an dem jeweiligen Unternehmen (Share Deal) vollzogen werden oder durch den Kauf einzelner oder aller Vermögensgegenstände des Unternehmens im Wege der Einzelübertragung (Asset Deal). 101 Eine Unterscheidung zwischen Share Deal und Asset Deal ergibt sich auf Grund der beteiligten Vertragspartner. Während beim Share Deal der Eigentümer der Gesellschaft als Verkäufer auftritt, so ist dies beim Asset Deal die veräußernde Gesellschaft selbst1. 102 Im Bezug auf die Haftungsregelungen besteht eine Angleichung der Risiken zwischen Share Deal und Asset Deal. Mit der Neuordnung des Schuldrechts zum 1.1.2002 gelten die Regelungen des Sachkaufs gemäß § 453 BGB entsprechend für den Rechtskauf. Beim Share Deal bleibt die Gesellschaft als solche bestehen und geht als Gesamtpaket an den erwerbenden Fonds über. Beim Asset Deal werden die Vermögensgegenstände des veräußernden Unternehmens einzeln auf den Erwerber im Wege des Sachkaufs gemäß § 433 Abs. 1 BGB übertragen. Die Zielgesellschaft bleibt als Mantelgesellschaft zurück. 103 Werden im Wege des Share Deals Anteile erworben, so kann es sich je nach Zielgesellschaft um solche von Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften handeln. Die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften ist nur juristisch und handelsbilanziell als Share Deal zu betrachten2. Steuerrechtlich wird diese Übertragung als Asset Deal gewertet. Zu beachten ist bei einer unmittelbaren Beteiligung an einer gewerblichen Personengesellschaft die Gefahr einer gewerblichen „Infektion“ des Private Equity-Fonds3. 104 Bei der Unternehmensbeteiligung steht die Bewertung des zu erwerbenden Unternehmens im Vordergrund der Risikobetrachtung. Die bewertete oder erwartete Risikolage des Zielunternehmens sollte sich in der Kaufpreisfindung niederschlagen4. Die gewünschte Zielstruktur erfordert unter Umständen die Eingehung weiterer Unwägbarkeiten, wenn die Zielstruktur entsprechend der Vorstellungen des erwerbenden Fonds über zusätzliche gesellschaftsrechtliche bzw. anderweitige Maßnahmen angepasst werden muss. 105 Der grundsätzlich freien Vereinbarung der Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien stehen in bestimmten Fällen unabdingbare gesetzliche Regelungen in den Bereichen der Haftung für den Bestand und Wert des übergehenden Unternehmens und für Altverbindlichkeiten der Zielgesellschaft5. 1 Beck/Klar, DB 2007, 2819; Mueller-Thuns in Rödder/Hötzel/Meuller-Thuns, Unternehmenskauf – Unternehmensverkauf, § 1 Rz. 6 ff. 2 Beck/Klar, DB 2007, 2819. 3 Veith in Feldhaus/Veith, Kap. 1 Rz. 73. 4 Beck/Klar, DB 2007, 2819 (2821); Feldhaus in Feldhaus/Veith, Kap. 1 Rz.180 ff. und Rz. 195 ff. 5 Beck/Klar, DB 2007, 2819 (2821).

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Allgemeine Grundsätze

§ 2 VermVerkProspV

Bei Altverbindlichkeiten treten bei einer Transaktion in Form des Asset Deals in bestimmten Fällen Unterschiede in der Haftung gegenüber der Transaktionsform des Share Deals auf, die auf den fehlenden Übergang der Gesellschaftsanteile zurückzuführen sind.

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Durch die Wahl der Transaktionsform des Asset Deal verringert sich das Ri- 107 siko der Übernahme steuerlicher Verbindlichkeiten der Altgesellschaft. Diese körperschaft- und gewerbesteuerlichen Risiken verbleiben auf Grund der Bindung an den steuerpflichtigen Rechtsträger unter den Einschränkungen des § 25 HGB und § 75 AO bei der zurückbleibenden (Mantel-)Gesellschaft1. Steuerliche Nachbelastungen entstehen nicht. Bei einer Transaktion im Wege des Share Deals hingegen übernimmt der erwerbende Fonds mit der Gesellschaft auch die Steuerpflicht und kann diese nur bei Vereinbarung (Steuerklausel) im Wege des Innenausgleichs vom Veräußerer zurück erlangen2. Dieser Innenausgleich ist selbst jedoch mit dem Bonitätsrisiko des Veräußerers sowie den damit einhergehenden rechtlichen Risiken der Durchsetzung verbunden. Für die Problematik von Pensionsverpflichtungen gilt Entsprechendes3.

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Die Wahl der Form des Transaktionsvorgangs hat weitere Auswirkungen, 109 die unter Risikoaspekten zu berücksichtigen sind. Wirken sich diese Risiken auf den Anleger des geschlossenen Fonds wesentlich aus, sind diese Aspekte im Risikokapitel darzustellen. Bei der bilanziellen Erfassung des Transaktionsvorgangs können die Ebenen des handelsrechtlichen Jahresbzw. Einzelabschlusses, die Steuerbilanz und – soweit relevant – der Konzernabschluss betroffen sein4. Erzielte Ergebnisse des erworbenen Betriebs können im Rahmen des Asset Deals faktisch durch die Übertragung liquider Mittel auf den Erwerber übergehen; einer Gewinnausschüttung bedarf es hier nicht5. Der Asset Deal ist gut dazu geeignet, den Überkaufpreis beim Erwerber in steuerliches Abschreibungspotenzial zu verwandeln, des Weiteren sind die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb abzugsfähig6. Demgegenüber fallen bei Übertragungen von Grund und Boden Grunderwerbssteuern an, auch können steuerliche Verlustvorträge der veräußernden Gesellschaft nicht genutzt werden7. Die Finanzierung des Unternehmenserwerbs über Kredite eröffnet bei der Beschreitung der Transaktion im Wege des Asset Deals die Möglichkeit, die erworbenen Vermögensgegenstände als Sicherheit für den Kredit zu nutzen bzw. laufende Erträge zur Bedienung der Kredite einzusetzen. Mit dem wesentlichen Einsatz von Krediten zur Beteiligungsfinanzierung geht grund-

1 2 3 4 5 6 7

Beck/Klar, DB 2007, 2819 (2822). Beck/Klar, DB 2007, 2819 (2822). Beck/Klar, DB 2007, 2819 (2822). Beck/Klar, DB 2007, 2819 (2822). Beck/Klar, DB 2007, 2819 (2823). Beck/Klar, DB 2007, 2819 (2824 f.). Beck/Klar, DB 2007, 2819 (2824 f.).

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Allgemeine Grundsätze

sätzlich die Möglichkeit der steuerlichen Qualifikation der Tätigkeit des Fonds als private Vermögensverwaltung verloren1. Die in Form des Share Deals abgewickelte Transaktion weist in diesen Punkten Nachteile auf, die im Rahmen der Risikodarstellung offen gelegt werden müssen. So ist die Akzeptanz von Gesellschaftsanteilen für eine Besicherung im Geschäftsverkehr nicht in gleicher Weise anzutreffen; zudem muss der erwerbende Fonds für eine Bedienung der aufgenommenen Kredite auf die Gewinnausschüttungen der erworbenen Beteiligung warten2. (4) Medienfonds 111 Der wirtschaftliche Erfolg bei Medienfonds ist unmittelbar mit Verwertungsrisiko des hergestellten oder angeschafften immateriellen Wirtschaftsguts verbunden. Risiken entstehen daher insbesondere im Zusammenhang mit der Entstehung des Leistungsschutzrechtes des Filmherstellers beim Fonds, dem Erwerb der Verfilmungsrechte und der damit zusammenhängenden korrekten Wahrung der Schutzrechte von Urhebern, Künstlern und des Titels3. f) Formelle Anforderungen 112 Die Darstellung der Risiken muss nach dem Willen des Gesetzgebers in einem gesonderten Abschnitt erfolgen. Sinn und Zweck dieser Zusammenfassung in diesem gesonderten Abschnitt ist die Gewährleistung einer konzentrierten Information des Anlegers über die der Vermögensanlage innewohnenden Risiken. Diese Zusammenfassung dient damit der erleichterten Auswertung und Verständnis des Verkaufsprospekts und greift damit die Grundsätze der Rechtsprechung im Rahmen der Prospekthaftung auf, dass Angaben nicht innerhalb des Prospektes versteckt werden dürfen4. 113 Die Platzierung des Risikoabschnitts in der Gesamtdarstellung des Verkaufsprospekts ist vom Wortlaut der Regelung nicht bestimmt. Vorgesehen ist nur ein gesonderter Abschnitt. Die Entwicklung der Norm von ihrem Entwurf her zeigt auf, dass ursprünglich ein unmittelbarer Anschluss des Risikoabschnitts an das Inhaltsverzeichnis vorgesehen war5. Eingebettet in den Kontext der Entwicklung des AnSVG wird offensichtlich, dass eine unzureichende Aufklärung für die massiven Verluste der Anleger in dieser Anlageklasse verantwortlich gemacht wurde6. Die Platzierung des Risikoabschnitts muss daher, um seiner Aufklärungsfunktion gerecht zu werden, an prominenter Stelle erfolgen. Greift man auf die Grundregel des § 2 Abs. 3 Satz 1 VermVerkProspV zurück, dass die Angaben im Verkaufsprospekt in der Reihenfolge ihrer Nennung in der Verordnung erfolgen sollen, gebietet 1 2 3 4 5 6

Veith in Feldhaus/Veith, Kap. 1 Rz. 75. Beck/Klar, DB 2007, 2819 (2825). Lüdicke in Lüdicke/Arndt, Geschlossenen Fonds, 4. Aufl. 2007, S. 206 ff. BGH v. 14.1.2002 – II ZR 40/00, NJW 2002, 1711. Moritz/Grimm, BB 2005, 337 (338), mit Verweis auf die Fundstelle des Entwurfs. Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 41 f.

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§ 2 VermVerkProspV

diese Regelung eine frühzeitige Darstellung der Risiken. Bei der Hinterlegung der Verkaufsprospekte bei der BaFin hat sich im Prüfungsverfahren eine Verwaltungspraxis herausgebildet, dass der Risikoabschnitt im ersten Drittel der textlichen Darstellung des Verkaufsprospekts ohne Berücksichtigung von Anhängen und Vertragswerken beginnen muss1. Nach der Begründung zur VermVerkProspV ist es unerheblich, ob die in den 114 Risikoabschnitt aufgenommene Angabe bereits als notwendige Mindestangabe an anderer Stelle im Verkaufsprospekt erwähnt ist. Die Darstellung in einem gesonderten Abschnitt soll es dem Publikum ermöglichen, sich an einer Stelle umfassend und ausschließlich über die wesentlichen Risiken zu informieren2. Zur Verwirklichung dieses Anspruchs sind Darstellungen von Risiken außerhalb des Risikoabschnitts unzulässig. Dies gilt auch für zusammenfassende Risikodarstellungen an anderer Stelle des Verkaufsprospekts3. Die Darstellung der Risiken folgt dem Grundsatz der Eindeutigkeit. Sie 115 stellt das Spiegelbild zu den anderen Prospektangaben dar, die den Anleger für seine Anlageentscheidung in eine positive Grundstimmung versetzen sollen. Darstellungen, die den Charakter eines Risikos in seiner spezifischen Eigenart vermindern oder verschleiern sollen, sind im Zusammenhang mit der Darstellung des Risikos unzulässig4. Eine unübersichtliche oder vom Schriftbild nur schwer erfassbare Darstellung der Risiken auf Grund kleiner Schrifttypen und einer gedrängten Schreibweise ist unzulässig5. Der große Umfang einer Risikodarstellung allein ist noch kein Kriterium für die Verschleierung von Risiken; vielmehr kann dieser bei den Erfordernissen der Darstellung des Projekts erforderlich sein6. Die Verordnung gibt nicht ausdrücklich vor, welche Risiken als wesentlich zu bewerten und daher konkret im Verkaufsprospekt darzustellen sind. Die Formulierung der Vorschrift „der wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Risiken“ in Hinblick auf ihre Darstellung im Verkaufsprospekt stellt aber einen direkten Bezug zur Verpflichtung der Darstellung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse aus § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV her. Die Darstellung der Risiken legt dem Anleger sich möglicherweise auswirkende Ereignisse und Zusammenhänge im Rahmen der Konzeption der Vermögensanlage offen. Die Risiken stellen praktisch die Kehrseite der Konzeption der Vermögensanlage dar und sind für die Beurteilung der Vermögensanlage in Hinblick auf eine Anlageentscheidung des Anlegers unter dem Aspekt des Ausgleichs der Informationsasymmetrien notwendig. Dies 1 Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 122. 2 Begr. zur VermVerkProspV, S. 3, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de / nn_4328 / DE / BMF__Startseite / Service / Downloads / Downloads__6/ 30200,templateId=raw,property=publicationFile.pdf. 3 AA Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, Rz. 593 f. 4 BGH v. 14.6.2007 – III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993. 5 OLG Celle v. 15.8.2002 – 11 U 341/01, DB 2002, 2211. 6 BGH v. 12.1.2006 – III ZR 407/04, WM 2006, 522.

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§ 2 VermVerkProspV

Allgemeine Grundsätze

folgt auch aus dem Begriff des maximalen Risikos aus § 2 Abs. 2 Satz 4 VermVerkProspV. Der gesetzgeberische Wille zur Einführung der Prospektpflicht für Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG beinhaltete, dem Anleger die Möglichkeit des Totalverlusts seiner Einlage und noch weitergehender Verluste auf Grund eines Scheiterns der Unternehmung vor Augen zu führen1. 117 Eine Darstellung eines Risikos muss als Tatsache an sich, als Bruttorisiko erfolgen. Diese Auffassung bezüglich der Darstellung von Risiken findet seine Entsprechung auch in der aktuellen zivilrechtlichen Rechtsprechung2. 118 Dem Anbieter obliegt nur die subjektive Einschätzung der Wesentlichkeit eines Risikos, die er über die Aufnahme des Risikos in den Verkaufsprospekt zum Ausdruck bringt. Diese Wesentlichkeit ist umfänglich unter Berücksichtigung eventuell bestehender Wechselwirkungen mit anderen Risiken zu erörtern3. Die subjektive Einschätzung des Eintritts und der Auswirkungen des dargestellten Risikos auf die Vermögensanlage verbleibt dagegen dem Anleger im Rahmen seiner Anlageentscheidung. Der Anbieter darf diese nicht durch seine eigene Einschätzung ersetzen. Die Darstellung eines Risikos im Risikoabschnitt darf daher nicht durch eine von der Konzeption des Projekts vorgesehene Gegenmaßnahme zur Absicherung verharmlost werden4. Dabei ist das Gesamtbild der Darstellung der Risiken zu betrachten. Beispielrechnungen, die ein begrenztes Risiko für den Anleger suggerieren, sind zu unterlassen. Genauso wenig ist im Risikoabschnitt Raum für eine Vermischung mit den Erfolgschancen des Projekts5. Gegenüberstellungen von Risiken und Chancen im Rahmen einer Synopse sind damit unzulässig6. Dabei ist auf den Gesamteindruck der Aussage abzustellen, nicht auf die reinen Begriffe der Wortwahl. So ist die Darstellung geminderter Gewinnerwartungen im Risikokapitel nicht etwa eine synoptische Gegenüberstellung, sondern die Darstellung eines tatsächlichen Risikos, dass die tatsächlichen Gewinne hinter den prognostizierten zurückbleiben7. Ebenso wenig stellt die Angabe eines Risikoprofils in der Form eine synoptische Gegenüberstellung dar, dass die Vermögensanlage nur für Anleger geeignet ist, die die Bereitschaft aufweisen, gegenüber den Gewinnerwartungen ein gesteigertes Risiko zu tragen. Denn es handelt sich nur um eine Bestimmung der Anlegergruppe, die der Anbieter für die Zeichnung der Vermögensanlage für geeignet hält. Ein Risiko der Anlage selbst wird dadurch nicht beschrieben. Im Übrigen ist diese Angabe in Verkaufsprospekten von Investmentfondsgesellschaften typisch und nicht den Risikodarstellungen zugeordnet (vgl. § 42 InvG). 1 2 3 4 5 6

Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 41 f. Vgl. auch BGH v. 14.6.2007 – III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993. OLG Celle v. 15.08.2002 – 11 U 341/01, DB 2002, 2211. Vgl. BGH v. 14.6.2007 – III ZR 125/06, ZIP 2007, 1993. Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, Rz. 593. Jäger/Voß in Winter/Hennig/Gerhard, Grundlagen der Schiffsfinanzierung, S. 906. 7 BGH v. 22.11.2005 – XI ZR 69/05, ZIP 2006, 171.

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Die BaFin nimmt im Rahmen des Prüfungsverfahrens keine Bewertung hin- 119 sichtlich der tatsächlichen Vollständigkeit der für das Projekt als wesentlich aufgeführten Risiken vor, da dies auf eine inhaltliche Prüfung hinauslaufen würde. Für die Vollständigkeit der Angabe über die Risiken ist daher entscheidend, dass der Anbieter diese im Verkaufsprospekt mit der Aussage abschließt, es seien keine weiteren wesentlichen Risiken vorhanden. Daher sind Formulierungen (Disclaimer) zu beanstanden, die zum Ausdruck bringen, dass nicht alle wesentlichen Risiken dargestellt wurden (zB anhand von Formulierungen wie: „werden einige Risiken dargestellt“ oder „keine abschließende Auflistung der Risiken“). Auch Darstellungen, die ein Risiko relativieren, in der Form, dass eine subjektive Einschätzung des Anbieters in Bezug auf den Eintritt des Risikos erfolgt (zB „unwahrscheinlich“, „lediglich“, „nicht auszuschließen“, „üblicherweise“) gehören nicht in den Risikoabschnitt. Der Anbieter hat subjektiv allein zu entscheiden, ob ein Risiko wesentlich ist, womit er eine Gewichtung der Risiken bereits anhand der Aufnahme in den Risikoabschnitt vorgenommen hat. Ob sich der Anleger dieser Gefährdung aussetzen will, verbleibt seiner zu treffenden Anlageentscheidung.

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Aus der Zusammenfassung der Darstellung und Beschreibung von Risiken 121 in einem gesonderten Abschnitt ergibt sich, dass Risiken außerhalb des Risikokapitels bei der Beschreibung oder Erläuterung anderer Angaben nur genannt werden dürfen1. Diese Nennung ist aus Gründen der Verständlichkeit des Verkaufsprospekts und des damit einhergehenden Gesamtbilds nicht zu beanstanden. Erfolgt eine Nennung des Risikos, gebietet das Erfordernis der Verständlichkeit, an dieser Stelle auf die entsprechende Erläuterung im Risikoabschnitt zu verweisen. Verweise aus dem Risikoabschnitt heraus auf Passagen, die zur Erläuterung des Risikos dienen sollen, sind unzulässig2. Risikodarstellungen außerhalb des Risikokapitels sind nur dann zulässig, 122 wenn die Mindestangabe selbst eine Darstellung voraussetzt. Dies ist zB bei der Angabe über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gemäß § 10 VermVerkProspV der Fall, die einen Lagebericht mit Risikodarstellungen zum Jahresabschluss nach § 289 Abs. 1 HGB enthalten kann. Eine gesonderte Darstellung des Risikoabschnitts ist nur dann anzunehmen, wenn er von den Nachbarabschnitten eindeutig optisch getrennt ist. In diesem Zusammenhang muss auch gewährleistet sein, dass keine tatsächliche „Gegenüberstellung“ von Risiken und Chancen durch zwei aufeinander folgende Seiten hervortritt3.

1 Enger Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 110 ff. 2 Bruchwitz in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 119. 3 Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 118.

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Allgemeine Grundsätze

g) Risikomindernde Maßnahmen 124 Die Darstellung von Sicherungsmaßnahmen ist Teil der Konzeption der Vermögensanlage. Sie sind daher außerhalb des Risikokapitels darzustellen. Im Regelfall bietet sich eine Erörterung bei den anlageobjektspezifischen Angaben an. Hier kann an den entsprechenden Passagen auch immer ein Verweis auf die bestehenden Risiken mit einbezogen werden. h) Nachträge 125 Bei der Darstellung von Risiken handelt es sich um Angaben im Verkaufsprospekt, die wie alle anderen Mindestangaben auch, im Verlauf des öffentlichen Angebots einer tatsächlichen Veränderung unterliegen können. Änderungen in der weltökonomischen oder weltpolitischen Situation oder sonstiger Marktumstände erfordern eine Neubewertung der tatsächlichen Risiken für das begonnene oder bereits in der Betriebsphase befindliche Anlageprojekt. So können zuvor als unwesentlich erkannte Risiken nunmehr auf Grund der geänderten Rahmenbedingungen Wesentlichkeit erlangen oder wesentliche Risiken anders beschrieben werden müssen. Dies gilt insbesondere für die angestrebte Kapitalstruktur des Anlageprojekts. Der bestehende Bedarf an Fremd- oder Zwischenfinanzierungen, die auf Grund der Finanzmarktkrise eventuell nur noch zu schlechteren Konditionen oder überhaupt nicht mehr zu erlangen sind, sowie eine zurückhaltende Nachfrage der Anleger auf die konkrete Vermögensanlage können zu einer Verstärkung des finanzwirtschaftlichen Leverage-Risikos führen1. Auch die Bonität einer finanzierenden Bank kann sich im Verlauf der Anlage verändern, also sich von einem theoretischen Ausfallrisiko zu einem konkreten entwickeln2. Weitere schwerwiegende Veränderungen können sich unter Risikoaspekten in Bezug auf die Bonität der Geschäftspartner ergeben. Ausfälle von Vertragspartnern wirken sich auf das operative Geschäft des geschlossenen Fonds mit Verzögerungen in Hinblick auf die Akquise neuer Geschäftspartner aus, können aber auch massive Umsatz- und Ertragseinbußen mit sich bringen, wenn dies nicht gelingt3. 126 Des Weiteren kann eine im Verlauf des öffentlichen Angebots erfolgende Verflechtung mit einem anderen Unternehmen zu einem höheren Risiko führen, wenn das Schicksal der Emissionsgesellschaft nun mit dem Wohlergehen des anderen Unternehmens verknüpft ist4.

1 Elsen/Jäger, BKR 2009, 190 (192). 2 Vgl. LG Frankfurt/M. v. 28.11.2008 – 2-19 O 62/08, ZIP 2009, 184. 3 Elsen/Jäger, BKR 2009, 190 (192) mit Beispiel zum Einbruch der Charterraten repräsentiert durch den Baltic Dry Index mit einem Verlust von 93 %, betrachtet auf den Zeitraum 20.5.2008 bis 5.1.2009. 4 Vgl. BGH v. 3.12.2007 – II ZR 21/06, ZIP 2008, 412; OLG Stuttgart v. 5.8.2004 – 19 U 30/04, ZIP 2005, 909 (red. Leitsatz), Volltext über juris.

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4. Maximales Risiko (§ 2 Abs. 2 Satz 4 VermVerkProspV) Das maximale Risiko hat sich in seiner Beschreibung der Größenordnung 127 an den Auswirkungen beim Anleger zu orientieren. Der Gesetzeswortlaut umschreibt mit der gewählten Formulierung, wie hoch das tatsächliche Verlustpotential beim Anleger beim Scheitern des Anlageprojekts auf Grund der eingegangenen Anlageentscheidung anfällt. a) Inhaltliche Anforderungen Dieses Verlustpotential setzt sich entsprechend der tatsächlichen Umstände aus mehreren Komponenten zusammen. Potentielle Risiken ergeben sich aus der gesellschaftsrechtlichen Vertragsgestaltung, der zivilrechtlich gestalteten Finanzierung der Kapitalbeteiligung durch den Anleger sowie der steuerrechtlichen Verantwortlichkeit auf Grund der eingegangenen Mitunternehmerschaft. Alle Komponenten zusammen lassen sich als maximales Risiko bezeichnen und in der Höhe beschreiben.

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Gesellschaftsrechtlich ist zu unterscheiden zwischen dem direkt mit der 129 Beteiligung eingesetzten Vermögen und dem aus der unternehmerischen Beteiligung zusätzlich ableitbaren Verpflichtungen. Direkte Auswirkungen ergeben sich zunächst auf Grund der in das Unter- 130 nehmen eingezahlten Einlage. Zehren Verluste aus dem Geschäftsbetrieb die Einlagen auf, stellt sich dies für den Anleger in seiner Eigenschaft als Mitunternehmer als direkter Verlust dar, da sein Anteil teilweise oder vollständig seine Werthaltigkeit verliert. In diese Kategorie kann bei Kommanditgesellschaften auch die Rückzahlung von für den Geschäftsbetrieb noch nicht erforderlicher Liquidität aus den Einlagen der Kommanditisten an diese gezählt werden. Denn gemäß § 172 Abs. 4 HGB sind sie im Bedarfsfall zur Auffüllung ihres Kapitalanteils auf die vereinbarte Höhe verpflichtet, verfügen aber eventuell nicht mehr über diese Mittel1. Das Agio fällt eventuell bei von der Gesellschaft vorgenommenen Ausschüttungen ebenfalls unter diese Rückzahlpflicht der Einlage2. Daneben treten noch die Nebenkosten zur Erlangung der Mitunternehmerschaft, wie zB Notarkosten. Ist der Wert der Einlage verbraucht, kann es auf Grund der Abfassung des 131 Gesellschaftsvertrages in bestimmten Fällen zu Nachschussverpflichtungen des Anlegers kommen3. Die Vertragsgestaltung kann jedoch auch laufende Beitragspflichten vorsehen. Diese Nachschusspflichten müssen ausreichend bestimmt sein, dh. die neben der Einlageverpflichtung bestehenden weiteren Beiträge aus dem Gesellschaftsvertrag müssen zahlenmäßig oder in 1 Siehe auch LG Stuttgart v. 11.5.2007 – 8 O 170/06, unveröffentlicht, Volltext über juris. Das Gericht sieht allerdings einen Hinweis auf den Totalverlust einer Einlage trotz einer bestehenden, auf diese Einlage begrenzten Nachschusspflicht für ausreichend an, da ein höherer Verlust als derjenige der eingesetzten Einlage nicht auftreten könne. 2 BGH v. 5.5.2008 – II ZR 105/07, ZIP 2008, 1175. 3 BGH v. 5.3.2007 – II ZR 282/05, ZIP 2007, 766.

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Allgemeine Grundsätze

objektiv bestimmbarer Weise aus dem Gesellschaftsvertag hervorgehen1. Diese Nachschussverpflichtungen wirken sich bereits auf das private Vermögen des Anlegers aus. Sie sind der Gesamthöhe des maximalen Risikos hinzuzurechnen. Je nach finanzieller Situation des Anlegers kann hier im schlimmsten Fall bereits eine Privatinsolvenz drohen. 132 Zivilrechtlich können den Anleger Ansprüche insbesondere auf Grund der Art und Weise der Finanzierung der Beteiligung treffen, zu deren Erfüllung er trotz Scheitern des Projekts weiterhin verpflichtet sein kann. Dies trifft insbesondere im Fall der Aufnahme von Darlehen zur Finanzierung der Beteiligung an der Vermögensanlage zu. Handelt es sich nicht um ein verbundenes Geschäft oder besteht von dritter Seite eine Garantie auf das zur Finanzierung verwendete Darlehen, wird das Risiko für das Privatvermögen des Anlegers stark erhöht. 133 Steuerrechtlich können sich ebenfalls erhebliche Risiken für das Vermögen des Anlegers ergeben. So können dem Anleger Steuernachzahlungen drohen, wenn die steuerrechtliche Bewertung des Anlagekonzepts durch die Finanzbehörden sich ändert. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Anlegergelder der geschlossenen Fonds anders als prospektiert und vorgesehen in die steuerbegünstigten Projekte investiert und so eine Anerkennung der Steuerbegünstigung nicht mehr erfolgen kann2. Gleiches gilt, wenn eine Außenprüfung der Finanzbehörden noch nicht stattgefunden hat, eine finanzbehördliche Bewertung des Anlageprojekts also noch aussteht. Müssen die Anleger zur Begleichung der Steuernachzahlung ein entsprechendes Darlehen aufnehmen, erhöht sich auch hier das maximale Risiko des Anlegers über die vorgenommene Einlage hinaus. 134 Die über den Verlust der vorgenommenen Einlage hinaus auftretenden Verpflichtungen können dann letztlich für den Anleger die Konsequenz der Privatinsolvenz aufweisen, wenn er sie nicht aus seinen noch vorhandenen Vermögenswerten bestreiten kann. b) Formelle Anforderungen 135 Das maximale Risiko ist in seiner maximalen Höhe zu beschreiben. Die Angabe ist daher nicht erfüllt, wenn der Anbieter pauschal auf den Totalverlust der Einlage verweist und sich tatsächlich noch weitere Zahlungsverpflichtungen des Anlegers ergeben können. Das maximale Risiko ist daher stets als solches zu bezeichnen. Die Größenordnungen der auf den Anleger eventuell zukommenden Verpflichtungen sind in objektiv bestimmbarer Weise darzustellen, wenn möglich anhand eines Beispiels sogar in Zahlen zu fassen.

1 BGH v. 19.3.2007 – II ZR 73/06, ZIP 2007, 812; BGH v. 3.12.2007 – II ZR 304/06, ZIP 2008, 695. 2 Vgl. die Presseberichterstattung zu den VIP-Medienfonds, Der Spiegel 49/2006, S. 87.

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5. Darstellung von Prognosen (§ 2 Abs. 2 Satz 5 VermVerkProspV) Die VermVerkProspV verlangt eine deutliche Hervorhebung von Prospekt- 136 angaben, die prognostische Inhalte aufweisen. Trotz dieser deutlichen Vorgabe in den allgemeinen Grundsätzen der VermVerkProspV bietet der sonstige Wortlaut der Verordnung keinerlei Festlegung, welche Angabe als Prognose aufzufassen ist. Es bleibt daher der Praxis überlassen, diese Angaben zuzuordnen und zu kennzeichnen. Für den Anleger ist dies eine unbefriedigende Lösung. Denn bei der Beteiligung an einer Vermögensanlage muss der Anleger bei einer Entscheidung für oder gegen die Anlage auch auf solche prognostischen Aussagen im Verkaufsprospekt zurückgreifen. Die Darstellung der Prognosen und die Darstellung der Risiken gehen damit Hand in Hand. Alle prognostischen Angaben stellen ein unmittelbares Risiko für den Anleger dar. Es handelt sich um das wirtschaftliche Risiko einer Investition, dass den Anleger allgemein mit seiner Entscheidung für eine Beteiligung an der Vermögensanlage trifft. Die Erwartung auf einen Gewinn mit Hilfe der getätigten Investition ist auf Grund mangelnder Information mit Unsicherheiten behaftet. Dieses wirtschaftliche Risiko hat dem Anleger auch zu verbleiben1. a) Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich für die Kennzeichnung von Prognosen wurde vom Gesetzgeber weit gefasst. So sind nicht nur nach der Verordnung geforderte Mindestangaben zu kennzeichnen, sondern auch weitere Angaben mit prognostischen Inhalten, die in den Verkaufsprospekt aufgenommen werden.

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b) Regelungsgehalt Um eine Festlegung der besonders zu kennzeichnenden Angaben zu ermög- 138 lichen, ist zunächst der Begriff der „Prognose“ zu bestimmen. Als Prognose werden Aussagen in der Gegenwart oder Vergangenheit über Ereignisse, Zustände und Entwicklungen der Zukunft bezeichnet2. Anhand dieser Definition können die im Verkaufsprospekt enthaltenen Angaben in zukunftbezogene (prognostische) und vergangenheitsbezogene, also bereits feststehende, nachprüfbare Angaben unterteilt werden. Als zukunftsbezogenen lassen sich folgende Mindestangaben einordnen: 139 § 13 aE und § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 VermVerkProspV. Diese umfassen Angaben über die erwartete Geschäftsentwicklung. Vergangenheitsbezogen sind alle anderen Angaben. Allerdings stellen sie die Basis der zukünftigen Entwicklung dar, so dass ein Einfluss auf die zukunftsbezogenen Angaben besteht. So sehen die Regelungen für bestimmte Angaben als Mindestangabe die Festlegung einer Untergrenze vor. § 4 Satz 1 Nr. Satz 2 VermVerkProspV verlangt beispielsweise die Angabe einer Min1 BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92, BGHZ 123, 106 = ZIP 1993, 1467. 2 Vgl. Memento Rechtshandbücher, Bilanzrecht 2009, Ausführungen zum Prognosebericht zu § 289 Abs. 2 Nr. 2 HGB Rz. 25.220 ff.

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destanzahl und eines Mindestbetrages, ohne dass damit eine Festlegung der tatsächlichen Anzahl oder geplant einzunehmenden Betrages erfolgt. Dieser kann also tatsächlich jeweils weit nach oben abweichen. c) Aktualitätsgebot 141 Die BaFin unterwirft im Rahmen des Hinterlegungsverfahrens bestimmte prognostische Angaben dem Gebot der Aktualität. Dies dient der Hebung des Aussagewertes der im Verkaufsprospekt aufgeführten Prognosen. Betroffen sind die oben genannten zukunftsbezogenen Mindestangaben der Verordnung, § 13 aE und § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 VermVerkProspV. Auch weitere in einem direktem Zusammenhang mit der Unternehmung stehende Prognosen sind hier zu nennen. 142 Diese Prognosen müssen innerhalb der letzten vier Wochen vor Eingang des Verkaufsprospekts bei der BaFin, also vor Eröffnung des Hinterlegungsverfahrens, erstellt worden sein. Diese Aktualitätsgrenze ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, hat sich jedoch in der Praxis etabliert. Eine zwingende Notwendigkeit für eine Vier-Wochen-Frist ist allerdings nicht ersichtlich. Andererseits zeigt sie eine gewisse Orientierung an der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VermVerkProspV, der die Angabe einer Zwischenübersicht mit einem nicht länger als zwei Monate zurückliegenden Stichtag fordert. Da die Prognoseangaben zu den § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 VermVerkProspV die der Zwischenübersicht zugrunde liegenden Daten berücksichtigen sollten, ist zumindest eine gewisse Aktualität der Prognose unmittelbare Folge. 143 Das Gebot der Aktualität richtet sich allein auf die vom Anbieter erstellte Prognose. Eine Aktualität der der Prognose zugrundeliegenden Daten wird nicht gefordert1. Der Erkenntniswert einer solchen Prognose darf allerdings bezweifelt werden, wenn neuere geschäftliche Entwicklungen in der Erstellung der Prognose nicht berücksichtigt werden. Gibt es hingegen keine neuen Erkenntnisse, ist auch das Festhalten an dem Gebot der Aktualität in den oben genannten Fällen ein Formalismus. 144 Auf sonstige in den Verkaufsprospekt aufgenommene Prognosen allgemeiner wirtschaftliche Natur findet das Gebot hingegen keine Anwendung. d) Haftungsausschlüsse 145 Die Übernahme einer Haftung für mit Unsicherheiten belastete Ereignisse liegt allgemein nicht im Interesse des Anbieters. Aus diesem Grunde fügen diese oft Klauseln in den Verkaufsprospekt ein, die eine Freizeichnung des Anbieters in Bezug auf eine Prognose beinhalten. Diese Freizeichnung ist dem Anbieter nicht zu verwehren, sofern der Ausschluss sich lediglich auf den Eintritt der Prognose bezieht. Die eine Prognose beinhaltende Angabe ist durch die Unsicherheit hinsichtlich des Eintretens dieser Annahme in 1 Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 131.

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der unternehmerischen Planung gekennzeichnet. Im Besonderen muss jedoch beachtet werden, dass eine Freizeichnung in Form von Haftungsausschlüssen für leichte Fahrlässigkeit grundsätzlich der Aufgabe des Verkaufsprospekts als Aufklärungsmittel widerspricht und daher unwirksam ist1. Der Zukunftsbezug der Prognose erfordert für das Erreichen eines verwendbaren Aussagewertes eine methodische Vorgehensweise bei ihrer Erstellung. Eine Prognose sollte daher bestimmten Kriterien genügen. Die Erfüllung der Kriterien der Nichttrivialität, der Objektivität und der Validität bestimmen die Qualität einer Prognose. Hierfür ist ein Rückgriff auf qualitative oder auch quantitative Verfahren möglich. Zweck der Verfahren ist die Schaffung einer Datenbasis, die als Grundlage für die Vorhersage des Eintritts bestimmter Ereignisse mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit dienen kann.

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Eine Vorgabe, welche Methode für die Aufstellung der prognostischen Anga- 147 ben zu verwenden ist, gibt die VermVerkProspV nicht. Diese Wahl obliegt allein dem Anbieter2. e) Kenntlichmachung Die Verordnung schreibt eine deutliche Kennzeichnung im Verkaufspro- 148 spekt enthaltener prognostischer Angaben vor. Die Art und Weise der Kennzeichnung ist vom Wortlaut der Vorschrift nicht vorgegeben. Eine deutliche Kennzeichnung ist mit einer entsprechenden Bezeichnung der entsprechenden Angaben als prognostisch verbunden. Damit wird eine einfache Unterscheidbarkeit der Angaben für den Anleger gewährleistet. Eine alleinige Hervorhebung mittels drucktechnischer Hervorhebung reicht nicht aus, da die Verordnung für verschiedene andere Angaben ohne prognostische Inhalte ebenfalls Hervorhebungen fordert, zB § 2 Abs. 2 Satz 2, § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b VermVerkProspV. In der Praxis der Prüfungsverfahren bei der BaFin wird für diese Kennzeich- 149 nung der entsprechenden Angaben nur der Begriff „Prognose“ zugelassen. Synonyme, die eine zukünftige Entwicklung ebenfalls kennzeichnen können, werden zurückgewiesen. Damit wird die Auswertung des Verkaufsprospekts für den Anleger erleichtert. Eine unterschiedliche Kennzeichnung über einen Verkaufsprospekt mit verschiedenen Begrifflichkeiten für zukunftsgerichtete Angaben widerspricht dem Grundsatz der Verständlichkeit iS von § 2 Abs. 1 Satz 3 VermVerkProspV. Aus Gründen der Verständlichkeit für den Anleger ist die eindeutige Zuordnung des Begriffs „Prognose“ zu einer Angabe erforderlich. Gewöhnlich erfolgt diese Bezeichnung in der Überschrift der Angabe.

1 OLG Stuttgart v. 5.8.2004 – 19 U 30/04, ZIP 2005, 909 (red. Leitsatz), Volltext über juris. 2 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 337/08, WM 2009, 2303 in Bezug auf die Verwendung einer optimistischen Prognose, kritisch dazu: Klöhn, WM 2010, 289 ff.

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151 Eine drucktechnische Hervorhebung kann mit beliebigen Mitteln erfolgen, solange die gewählte Form nicht die Auswertung und das Verständnis des Verkaufsprospekts beeinträchtigt. Geeignet sind Fett- oder Kursivdruck, Rahmung, größere Schrifttypen, farbliche Kontraste. Passagen mit mehreren prognostischen Inhalten können auf verschiedene Weise hervorgehoben werden. In der Praxis wird entweder die Kennzeichnung über die Überschrift des entsprechenden Absatzes des Verkaufsprospekts oder eine jeweilige Kennzeichnung der einzelnen Angaben gewählt. Beide Verfahren sind nicht zu beanstanden. 152 Angaben nach § 15 Abs. 3 und Abs. 4 VermVerkProspV werden mit einem deutlich hervorgehobenen Zusatz zu dem entsprechenden Fachbegriff gekennzeichnet. 153 Gleiches gilt für die Sensitivitätsanalyse. Diese stellt ein Verfahren zur Quantifizierung von verteilungsorientierten Risiken dar1. Sie zeigt die Auswirkungen der Veränderung von Einflussgrößen auf das jeweilige Ergebnis. Im Verkaufsprospekt kann diese als zusätzliche Angabe aufgenommen werden. Im Grunde handelt es sich ebenfalls um die Darstellung einer Prognose. Für den Anleger bietet sie die Veranschaulichung der Abweichung seines Ertrags aus der Beteiligung unter dem Einfluss der Verwirklichung eines Risikos, dessen Eintreten bei der ursprünglichen unternehmerischen Konzeption der Vermögensanlage durch den Anbieter nicht als wahrscheinlich betrachtet wurde. Zumeist wird eine Bandbreite des unternehmerischen Erfolgs für den Anleger hinsichtlich seiner eingegangenen Beteiligung mit Abweichungen nach oben und unten dargestellt. Auf Grund des Ursprungs der Sensitivitätsanalyse aus einer prognostischen Betrachtung wird im Alltag für diese Angabe der deutlich hervorgehobene Zusatz „Abweichung von einer Prognose“ verwendet. Um die Verständlichkeit der Angabe zu gewährleisten, ist der Bezug zur ursprünglichen Prognoseangabe herzustellen. 154 Eine Kennzeichnung über eine Fußnote ist nicht statthaft. Eine drucktechnische Hervorhebung vermag hieran nichts zu ändern. Heranzuziehen ist hier die Begründung zur Verordnung, die im Zusammenhang mit der Erläuterung zur drucktechnischen Hervorhebung eines Hinweises nach § 8h Abs. 1 VerkProspG eine Platzierung an einer versteckten Stelle, zB in einer Fußnote, in den Prospekt ausschließt2.

IV. Reihenfolge der Prospektangaben (§ 2 Abs. 3 VermVerkProspV) 155 § 2 Abs. 3 VermVerkProspV stellt eine Regelung zur Abfassung des Verkaufsprospekts dar. Nach Satz 1 der Bestimmung sollen die Mindestangaben

1 Memento Rechtshandbücher, Bilanzrecht 2009, Rz. 39.097. 2 Begr. zur VermVerkProspV, S. 7, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de / nn_4328 / DE / BMF__Startseite / Service / Downloads / Downloads__6/ 30200,templateId=raw,property=publicationFile.pdf.

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im Verkaufsprospekt in der Reihenfolge ihrer Nennung erscheinen. Satz 2 der Vorschrift stellt eine Verfahrensregelung im Rahmen des Hinterlegungsprozess auf. § 2 Abs. 3 Satz 1 VermVerkProspV dient einer formellen Standardisierung 156 der Verkaufsprospekte. Die für die angebotenen Vermögensanlagen iS des § 8f Abs. 1 VerkProspG vom Anbieter aufgestellten Verkaufsprospekte werden bei einer entsprechenden Einhaltung der Reihenfolge der Angaben durch die Anbieter einfacher miteinander vergleichbarer und ganz im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermVerkProspV in einer Form abgefasst, die ihre Auswertung vereinfacht. Dieses Ziel war auch das vom Verordnungsgeber angestrebte Ziel1. Unberücksichtigt bleibt jedoch der Umgang mit zusätzlichen Angaben. Da diese auf Grund ihrer Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung der Vermögensanlagen nicht durch die Vorschrift geregelt werden konnten, ist die Absicht einer Standardisierung von vornherein nur lückenhaft zu gewährleisten. Des Weiteren ist die durch die Verordnung vorgegebene Reihenfolge für eine verständliche Darstellung des Projekts nicht zwingend zielführend. Die eigentliche Darstellung des Projekts ist mit dem § 9 VermVerkProspV in der Darstellungsreihenfolge weit hinten angesiedelt, während Risiken, § 2 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 VermVerkProspV, und Beteiligung an der Vermögensanlage, § 4 VermVerkProspV, die ohne Bezugnahmen auf das eigentliche Projekt nur schwer verständlich beschrieben werden können, weit vorher abgehandelt werden müssten. Die Abweichung von der Angabenreihenfolge der Verordnung ist daher in der Praxis Alltag. Die meisten Anbieter verwenden eine ihren Ansprüchen gerechter werdende Reihenfolge. Die Verordnung lässt als „Soll-Vorschrift“ Abweichungen von der durch sie aufgestellten Regelung zu. Sie stellt aber mit der geforderten Einhaltung der Reihenfolge der Verordnung den Grundfall dar, während die Abweichung von der Reihenfolge eher den Ausnahmefall darstellen soll.

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Das Inhaltsverzeichnis muss die Auffindbarkeit der Mindestangaben gewährleisten2. Dh., das Inhaltsverzeichnis muss auf alle Mindestangaben mit ihrem jeweiligen Seitenfundort verweisen.

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Die Reihenfolge der Angaben im Verkaufsprospekt beginnt im Sinne der 159 Verordnung grundsätzlich mit § 2 Abs. 2 Satz 1 VermVerkProspV3. Nur die Abfassung des Verkaufsprospekts in einer Fremdsprache erfordert die Voranstellung einer Zusammenfassung nach § 2 Abs. 1 Satz 5 VermVerkProspV. Ein am Beginn des Verkaufsprospekts eingefügtes Inhaltsverzeichnis dient der Orientierung der Anleger im Auffinden der einzelnen Angaben und

1 Begr. zur VermVerkProspV, S. 3, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de / nn_4328 / DE / BMF__Startseite / Service / Downloads / Downloads__6/ 30200,templateId=raw,property=publicationFile.pdf. 2 Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 138. 3 Verfürth/Grunenberg, DB 2005, 1043 (1044).

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Allgemeine Grundsätze

erleichtert somit die Auswertung des Verkaufsprospekts. Die §§ 1 und 2 Abs. 1 VermVerkProspV beschreiben allgemeine Grundsätze, denen allein keine Angabenqualität zukommt1. 160 Unmittelbar im Anschluss an das Inhaltsverzeichnis muss sich der Hinweis auf den beschränkten Prüfungsumfang der BaFin befinden2. Die Regelung ist die einzige zwingende Vorschrift in der Verordnung über die Reihenfolge von Angaben. Unmittelbar ist im Sinne der örtlichen Zuordnung der Textteile des Verkaufsprospekts zu verstehen. Der Hinweis muss dem Inhaltsverzeichnis nachgeordnet sein. Voranstellungen lässt der Wortlaut der Verordnung nicht zu. Des Weiteren dürfen auch keine Textteile zwischen die beiden Angaben eingefügt werden3. Gleiches gilt auch für eine optische Trennung der Angaben durch Bilder oder Ähnliches, die den Zusammenhang zwischen den beiden Angaben aufheben. 161 Als zu weitgehenden Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Anbieter bei der Prospektaufstellung muss die Forderung verstanden werden, das Inhaltsverzeichnis sei immer zu Beginn des Verkaufsprospekts zu platzieren4. Der Informations- und Orientierungswert eines Inhaltsverzeichnisses am Ende eines Schriftwerks wird durch diese Lage nicht entwertet. Gelingt dem Verfasser des Verkaufsprospekts eine eingehende Formulierung seines Werks, ist der Verkaufsprospekt von diesem Hilfsmittel der Orientierung unabhängig. Das Inhaltsverzeichnis dient lediglich der Vermittlung eines schnellen Zugriffs auf einzelne Informationen, nicht jedoch selbst als Informationsgrundlage der Entscheidungsfindung zur Bestimmung der Werthaltigkeit der Vermögensanlage für den Anleger. Allein der anschließende Hinweis auf den beschränkten Prüfungsumfang der BaFin dient der tatsächlichen Information des Anlegers, so dass eine Verlegung des Inhaltsverzeichnisses ans Ende des Verkaufsprospekts auch eine Verlagerung des Hinweises nach hinten bedeuten würde. Um dem Eindruck eines Versteckens dieses Hinweises entgegen zu wirken, müsste einerseits der Hinweis besonders deutlich hervorgehoben werden und andererseits der Anlageinteressent zu Beginn des Verkaufsprospekts darauf aufmerksam gemacht werden, dass an der entsprechenden Stelle im Prospekt noch wichtige Hinweise erfolgen5. Damit würde auch das Gebot der herausgehobenen Darstellung aus § 8g Abs. 1 Satz 3 VerkProspG erfüllt. 162 Bei Abweichungen in der Reihenfolge der Mindestangaben im Verkaufsprospekt ist die BaFin im Hinterlegungsverfahren berechtigt, eine Aufstellung vom Anbieter zu verlangen, die über die Aufführung der einzelnen Mindestangaben im Verkaufsprospekt Auskunft gibt. Diese so genannte Überkreuz-

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Verfürth/Grunenberg, DB 2005, 1043 (1044). AA Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, Rz. 597. Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 136. AA Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 137. BGH v. 14.1.2002 – II ZR 40/00, NJW 2002, 1711.

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§ 2 VermVerkProspV

Checkliste wird auf der Internetseite der BaFin als Muster bereitgehalten1. Die Formulierung der Vorschrift („kann“) weist darauf hin, dass die BaFin auch ohne Checkliste in das Hinterlegungsverfahren eintreten kann. Diese Aufstellung stellt keine Mindestangabe im Sinne der Verordnung dar. Sie ist nicht Teil des Prospektes und wird als gesondertes Dokument der BaFin übersandt. Des Weiteren stellt die Aufstellung (Überkreuz-Checkliste) keine Unterlage 163 iS des § 8i Abs. 2 Satz 3 VerkProspG dar2. Die Beurteilung der Vollständigkeit der Mindestangaben im Hinterlegungsverfahren wird durch die Aufstellung selbst nicht berührt. Denn Unterlagen stellen nur solche Dokumente dar, die die Beurteilung einer Angabe als vollständig ermöglichen (siehe Erläuterungen und Nachweise zu § 8i VerkProspG Rz. 38 ff.). Die Aufstellung dient damit allein einer Beschleunigung des Hinterlegungsverfahrens. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass dem Anleger diese Aufstellung nicht zur Verfügung gestellt wird und er zur Auswertung des Verkaufsprospekts ohne Hilfsmittel gezwungen ist. Die Anforderung einer ÜberkreuzCheckliste ist daher nicht geeignet, die Prüfungsfrist nach § 8i Abs. 2 Satz 3 zu unterbrechen.

V. Datum und Unterschrift (§ 2 Abs. 4 VermVerkProspV) 1. Datum der Aufstellung des Verkaufsprospekts Die Vorschrift des § 2 Abs. 4 VermVerkProspV verlangt die Aufnahme eines Datums der Aufstellung des Verkaufsprospekt und die Unterschrift des Anbieters in den Verkaufsprospekt.

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Die Aufnahme eines Datums in den Verkaufsprospekt, das den Tag seiner 165 Aufstellung anzeigt, dient der erleichterten Auswertung des Verkaufsprospekts. Es signalisiert den Abschluss der redaktionellen Bearbeitung des Verkaufsprospekts. Damit wird dem Anlageinteressenten eine wichtige Information über die Qualität der Angaben im Verkaufsprospekt über die Vermögensanlage übermittelt, lässt das Datum doch unmittelbare Rückschlüsse auf die Aktualität der im Verkaufsprospekt vorhandenen Angaben zu. Das Datum der Aufstellung des Verkaufsprospekts hat daher unmittelbare Auswirkungen auf das Verfahren der Hinterlegung. Ist der vorgelegte Verkaufsprospekt betagt, wird dieser von der BaFin als nicht hinreichend aktuell zurückgewiesen. Obwohl diese Zurückweisung weder das VerkProspG noch die VermVerkProspV ausdrücklich vorsieht, ist ein Verkaufsprospekt als veraltet zu betrachten, wenn das Datum seiner Aufstellung länger als vier Wochen zu seiner Einreichung zur Hinterlegung zurückliegt. Diese

1 Siehe http://www.bafin.de/cln_115/nn_724462/DE/Unternehmen/Allgemeine Pflichten/ProspekteVermoegensanlagen/Verfahren/verfahren__node.html?__nnn =true. 2 Zutreffend Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 133 f.; Bruchwitz in Arndt/Voß, § 8i VerkProspG Rz. 39.

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Allgemeine Grundsätze

vierwöchige Frist lässt sich aus dem Grundsatz der Richtigkeit der dargestellten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV ableiten, die diesen Erfordernissen nur bei einer gewissen Zeitnähe der Angaben zur Hinterlegung genügen. Diese Praxis hat sich bereits zu Zeiten der VerkProspVO etabliert1. 166 Das Datum der Aufstellung des Verkaufsprospekts stellt eine echte Mindestangabe dar. Obwohl in die Vorschrift des § 2 VermVerkProspV unter dem Titel „Allgemeine Grundsätze“ eingeordnet, enthält diese Vorschrift nicht nur Formvorschriften, sondern auch zur Darstellung der Vermögensanlage gehörende Angaben, die zum Mindestangabenkatalog gehören2. 167 Das Fehlen des Datums der Prospektaufstellung stellt einen Grund zur Verweigerung der Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts im Hinterlegungsverfahren bei der BaFin dar. Der Verkaufsprospekt ist unvollständig, da es sich um eine vom Gesetzgeber durch die Aufnahme in den Mindestangabenkatalog als wesentlich bewertete Angabe handelt3. 168 Ein fehlendes Datum der Prospektaufstellung stellt dagegen allein noch keine zur Haftung führende Unvollständigkeit nach § 13 VerkProspG dar4. Grund hierfür ist, dass das Datum für sich keine die Vermögensanlage selbst beschreibende Angabe ist und daher für sich keinen Einfluss auf die Richtigkeit der sie beschreibenden Angaben hat, die allein Grundlage für eine Entscheidungsfindung des Anlegers für oder gegen die Anlage sein können. Das Datum gibt dem Anleger nur ein Hinweis auf die Verlässlichkeit der Angaben in Bezug auf die zeitliche Nähe zu seiner Anlageentscheidung. Für die Prospekthaftung entscheidend ist die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie ihre verständliche Präsentation, nicht ihre eventuelle Betagtheit. Anknüpfungspunkt für eine Prospekthaftung ist daher die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben im Verkaufsprospekt zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe an das Anlegerpublikum, also mit Veröffentlichung des Verkaufsprospekts5. Die Frage der Vollständigkeit im verwaltungsrechtlichen Hinterlegungsverfahren und der Vollständigkeit im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung sind daher zu trennen6. 169 Formell ist zur Erleichterung der Auffindbarkeit des Datums der Aufstellung des Verkaufsprospekts eine Standardisierung der Bezeichnung des Datums im Verkaufsprospekt nach dem Gesetzeswortlaut vorzunehmen. Eine Anpassung des Datums im laufenden Hinterlegungsverfahren ist notwendig, wenn der Anbieter tatsächlich neue Angaben nachschiebt. Dies kann

1 Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspVO Rz. 16. 2 Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 139. 3 Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspVO Rz. 16, Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 139; Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, S. 108 ff. 4 Bereits Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspVO Rz. 16. 5 Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspVO Rz. 16. 6 AA Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 140.

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zB bei einer notwendig gewordenen, nach Aufstellungsdatum vorgenommenen Anpassung der Finanzangaben vorkommen, wenn die Bilanz dann nach dem Aufstellungsdatum datiert. Änderungen erfordern keine Änderung des Aufstellungsdatums, wenn die auf die im Hinterlegungsverfahren vorgenommen Anhörung zu Angaben innerhalb des Verkaufsprospekts zurückzuführen sind und bereits in dieser Form als Tatsache oder Umstand vor dem Aufstellungsdatum vorlagen1. 2. Unterschrift des Anbieters Der Verkaufsprospekt ist vom Anbieter zu unterzeichnen. Die Eigenschaft einer Person oder Gesellschaft als Anbieter einer Vermögensanlage bestimmt sich aus den Regelungen des § 8f Abs. 1 VerkProspG. Derjenige, der den Verkaufsprospekt tatsächlich unterzeichnet ist, gilt als Anbieter. Dieser haftet dann unabhängig von der Übernahme der Verantwortung nach § 3 VermVerkProspV stets für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Verkaufsprospekts nach § 13 VerkProspG2.

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Treten mehrere Personen oder Gesellschaften als Anbieter der Vermögens- 171 anlage auf, muss die aus § 8f Abs. 1 VerkProspG folgende Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts trotzdem nur einmal erfüllt werden. Die Pflicht zur Aufstellung und Hinterlegung eines Verkaufsprospekts entfällt, wenn bereits ein Verkaufsprospekt nach den Vorschriften des VerkProspG veröffentlicht wurde. Für Informationen, die durch einen Verkaufsprospekt der Öffentlichkeit kundgetan werden, gilt nach der Konzeption des VerkProspG der Grundsatz, dass diese nur einmal veröffentlicht werden müssen. Sie gelten dann am Markt als bekannt. Kommt daher einer der Anbieter dieser Pflicht nach, ist eine Unterzeichnung des Verkaufsprospekts durch die dann nach Veröffentlichung hinzutretenden weiteren Anbieter der Vermögensanlage nicht notwendig (so genannte gesamtschuldnerische Lösung). Diese Sichtweise wurde bereits unter dem Regime des VerkProspG aF entwickelt und unter dem VerkProspG in der aktuellen Fassung fortgeführt3. Mehreren Anbietern der Vermögensanlage bleibt es trotzdem unbenommen, im Hinterlegungsverfahren gemeinsam als Anbieter aufzutreten und den Verkaufsprospekt zu unterzeichnen. Sie sind neben den anderen Verpflichtungen eines Anbieters ua. Gesamtschuldner der Gebühren im Hinterlegungsverfahren. Tritt eine Gesellschaft als Anbieter auf, muss ein nach den gesellschafts- 172 rechtlichen Regelungen allein vertretungsberechtigtes Mitglied der Geschäftsführung oder die vertretungsberechtigten Geschäftsführer zusam1 Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 141. 2 Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspVO Rz. 17. 3 Vgl. Ziff. 3 des Auslegungsschreibens für Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte, abrufbar unter: http://www.bafin.de/nn_724536/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Unternehmen/AllgemeinePflichten/ProspekteFuerVermoegensanlagen/ FunktionenUndVerfahren/auslegungsschreiben.html.

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Allgemeine Grundsätze

men die Unterzeichnung vornehmen. Geschieht dies nicht, gilt die Mindestangabe nach § 2 Abs. 4 VermVerkProspV als nicht vorhanden, der Verkaufsprospekt wäre daher unvollständig. Eine Unterzeichnung einer nur mit Gesamtprokura ausgestatteten Person oder eines nur mit anderen Geschäftsführern vertretungsberechtigten Geschäftsführers erfüllt die Anforderungen der Vorschrift daher nicht1. Repräsentiert die Gesellschaft einen Gesellschaftstyp, die auf Grund der gesetzlichen Vertretungsregelungen Zweifel an der tatsächlichen oder der alleinigen Vertretungsberechtigung des oder der Unterzeichnenden aufkommen lassen oder ergeben sich aus den Darstellungen des Verkaufsprospekts selbst Zweifel daran, sollte die Gesellschaft in Erwägung ziehen, einen Nachweis der Vertretungsberechtigung mit Beginn des Hinterlegungsverfahrens beizubringen. Dies vermeidet eventuelle Verzögerungen in der Prüfung der Vollständigkeit der Angabe. Denn im Zweifel müsste die BaFin zur Bewertung der Vollständigkeit einen Handelsregisterauszug als Unterlage iS des § 8i Abs. 2 Satz 3 VerkProspG beim Anbieter nachfordern. Diese Nachforderung würde den Beginn der Entscheidungsfrist auf den Eingang der Unterlage bei der BaFin verschieben. 173 Das zur Hinterlegung bei der BaFin eingereichte Exemplar ist im Original zu unterzeichnen. Die Vertriebsexemplare müssen ebenfalls mit einer Unterschrift versehen sein, andernfalls droht wegen der Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts eine Versagung des öffentlichen Angebots gemäß § 8i Abs. 4 VerkProspG. Ausreichend ist für die Vertriebsexemplare eine faksimilierte Unterschrift des Anbieters2. 174 Die Unterschrift des Anbieters ist in geeigneter Weise eindeutig zu kennzeichnen. Es muss erkennbar werden, dass der Unterzeichnende als Anbieter unterzeichnet. Die Unterschrift ist mit einer Namens- und gegebenenfalls Firmen- und Funktionsbezeichnung zu versehen. Unterschriften unter Gruß- oder Vorworten zum Verkaufsprospekt erfüllen daher im Zweifel die Anforderungen des § 2 Abs. 4 VermVerkProspV nicht. 175 Die Unterschrift stellt üblicherweise den Abschluss eines Dokumentes dar. Für die Gestaltung des Verkaufsprospekts als Informationsdokument ist dies jedoch nicht zwingend. Der im Rahmen des § 2247 BGB entwickelte Grundsatz, dass eine Unterschrift nur das Schriftwerk über ihr erfasst, findet im Rahmen der VermVerkProspV keine Anwendung3. Formell kann man dies aus der Sollvorschrift zur Einhaltung der Reihenfolge der Mindestangaben gemäß § 2 Abs. 3 VermVerkProspV herleiten.

VI. Verweis auf Angaben (§ 2 Abs. 5 VermVerkProspV) 176 Die Regelung des § 2 Abs. 5 VermVerkProspV übernimmt den Wortlaut des § 2 Abs. 3 VerkProspVO. Sie eröffnet für den Anbieter die Möglichkeit, be1 Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 145. 2 Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 148. 3 Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 149.

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stimmte Angaben dem Verkaufsprospekt im Wege eines Anhangs beizufügen. Eine weitere Beschreibung im Text des Verkaufsprospekts ist damit nicht notwendig. Der Grundsatz der Vollständigkeit des Verkaufsprospekts wird durch diese Regelung zugunsten des Grundsatzes der leichteren Auswertbarkeit modifiziert. Die Vollständigkeit des Informationsdokuments für den Anleger bleibt gewahrt. Für die Einhaltung des Gebots der erleichterten Auswertbarkeit des Verkaufsprospekts können aber Wiederholungen der Angaben im Kontext der Beschreibungen im Verkaufsprospekt notwendig werden. Denn der Gesamteindruck des Verkaufsprospekts darf durch die Inanspruchnahme der Regelung nicht unzutreffend werden1. Mit der Aufnahme des Jahresabschlusses in den Verkaufsprospekt ergibt sich für den Anbieter für die dort enthaltenen Mindestangaben kein zwingendes Gebot, aus dem Beschreibungsteil des Verkaufsprospekts auf diese zu verweisen2. Im Zweifel wird aber das Gebot der vereinfachten Auswertbarkeit gemäß § 2 Abs. 3 VermVerkProspV einen solchen Verweis erfordern.

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Die Ausnahme erfasst nur den nach § 10 Abs. 1 VermVerkProspV aufzuneh- 178 menden Jahresabschluss. Andere in den Verkaufsprospekt aufgenommene Dokumente umfasst der Regelungsbereich der Vorschrift nicht. Auf Angaben, die einem eventuell in den Verkaufsprospekt aufgenommenen Lagebericht entnommen werden können, trifft die Regelung nicht zu. Gemäß § 242 Abs. 3 HGB ist der Lagebericht kein Bestandteil des Jahresabschlusses. Die Angaben müssen dem Jahresabschluss unmittelbar zu entnehmen sein. Das setzt zunächst voraus, dass sie tatsächlich im Jahresabschluss niedergelegt sind und nicht über einen Verweis in den Jahresabschluss übernommen werden3. Die Unmittelbarkeit knüpft aber auch an die Verständlichkeit der Angabe an. Müssen zB erst Rechenschritte für die Ermittlung einer Angabe durch den Anleger vorgenommen werden, so muss diese mangels Möglichkeit der unmittelbaren Entnahme im Verkaufsprospekt beschrieben werden.

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Der Vorschrift stellt auf einen bestimmten Anlegertyp als Prospektadressat ab. Sie übernimmt den vom BGH entwickelten Standpunkt des Typus eines Anlegers, der zum Lesen einer Bilanz befähigt ist4. Des Weiteren unterstellt sie einen Anlegertypus, der eine sorgfältige und eingehende Lektüre des Prospekts vornimmt5.

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1 2 3 4 5

Bereits Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspVO Rz. 19. AA wohl Voß in Arndt/Voß, § 2 VermVerkProspV Rz. 157. Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 2 VerkProspVO Rz. 19. BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 (863). BGH v. 31.3.1992 – XI ZR 70/91, ZIP 1992, 912.

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Angaben über Verantwortliche

§3 Angaben über Personen oder Gesellschaften, die für den Inhalt des Verkaufsprospekts die Verantwortung übernehmen Der Verkaufsprospekt muss Namen, Geschäftsanschrift und Funktionen, bei juristischen Personen oder Gesellschaften die Firma und den Sitz der Personen oder Gesellschaften angeben, die für seinen Inhalt insgesamt oder für bestimmte Angaben die Verantwortung übernehmen; er muss eine Erklärung dieser Personen oder Gesellschaften enthalten, dass ihres Wissens die Angaben richtig und keine wesentlichen Umstände ausgelassen sind. In der Fassung vom 16.12.2004 (BGBl. I 2004, 3464). Schrifttum: Lüdicke/Arndt (Hrsg.), Geschlossene Fonds, 5. Aufl. 2009; Nussbaum, Kommentar zum Börsengesetz, 1910; Schwark, Das neue Kapitalmarktrecht, NJW 1987, 2041; Schwark, Kommentar zum Börsengesetz, 2. Aufl. 1994. Siehe auch Einl. VerkProspG.

Inhaltsübersicht I. Normentwicklung . . . . . . . .

1

II. Regelungsgehalt . . . . . . . . . 1. Umfang der Erklärung . . . . . 2. Einschränkbarkeit der Erklärung . . . . . . . . . . . . . .

2 3

III. Formelle Anforderungen . . . 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterschrift . . . . . . . . . . . .

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I. Normentwicklung 1

Die Norm greift im Wesentlichen den Wortlaut des § 3 VerkProspVO1 auf. Diese Vorgängervorschrift gründete auf den Bestimmungen des Art. 11 Abs. 2 lit. a der Emissionsprospektrichtlinie2 (Einl. VerkProspG Rz. 4). Erweitert wurde die Vorschrift dahingehend, dass eine Person oder Gesellschaft auch nur für bestimmte Angaben die Verantwortlichkeit erklären kann.

1 Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung – VerkProspVO) in der Fassung der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2853). 2 Richtlinie 89/298/EWG vom 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospektes, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989.

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Angaben über Verantwortliche

§ 3 VermVerkProspV

II. Regelungsgehalt Zweck der Vorschrift ist es, dem Publikum einen Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen der Prospektverantwortlichen zu den anderen Personen und Gesellschaften, die in das konkrete, angebotene Beteiligungsprojekt einbezogen sind, zu verdeutlichen. Aufgrund des bloßen Informationscharakters für das Publikum stellt die Norm für sich selbst genommen keine materielle Haftungsnorm dar1. Die haftungsrechtlichen Folgen aus dieser Angabe ergeben sich jedoch im Zusammenhang mit der Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG iVm. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG. Für Fehler bzw. Unvollständigkeiten des Verkaufsprospekts wird der die Verantwortlichkeitserklärung Abgebende gesamtschuldnerisch mit denjenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, einstehen müssen. Als Verantwortlicher nach § 3 VermVerkProspV ist also als der Prospektverantwortliche iS von § 13 VerkProspG anzusehen2.

2

1. Umfang der Erklärung Die Verantwortlichkeitserklärung kann insgesamt für alle Angaben des Ver- 3 kaufsprospekts von einer oder mehreren Personen oder Gesellschaften erklärt werden. Es können aber auch Personen oder Gesellschaften die Verantwortung nur für bestimmte Angaben oder Umstände des Verkaufprospekts erklären. Es ist also eine Teilung der Verantwortlichkeitserklärung möglich. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn der Erklärende nur bestimmte Angaben für den Verkaufsprospekt beigesteuert hat. Das ist beispielsweise der Fall, wenn das Beteiligungsprojekt von einer Vielzahl von Personen mit klar abgegrenzten Zuständigkeitsbereichen entwickelt wurde, die je für sich keinen Einblick in andere Bereiche hatten. Bedeutung erfährt dies in der Praxis bei konzerneingebundenen Initiatoren von Vermögensanlagen, bei denen die Aufbereitung der Angaben für das Beteiligungsobjekt von einer eigenständigen Gesellschaft innerhalb des Verbunds vorgenommen und die Angaben zur Ausgestaltung der Vermögensanlage von einer anderen eigenständigen Gesellschaft innerhalb des Verbundes beigesteuert werden. Wer die Erklärung abzugeben hat, gibt das Gesetz nicht vor. Die Erklärung umfasst vom Wortlaut nicht die Vollständigkeit der Angaben 4 im Verkaufsprospekt. Vielmehr erfolgt die Erklärung dahin, dass die Angaben richtig sind, während sich das Erfordernis der Erklärung einer Vollständigkeit zunächst nur aus der Erklärung, dass keine wesentlichen Umstände ausgelassen sind, ergibt.

1 Begr. zur VermVerkProspV, S. 3, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de / nn_1940/DE/BMF__Startseite / Aktuelles/Aktuelle__Gesetze/Gesetze __Verordnungen/23945.html. 2 Bereits Assmann in Assmann/Lenz/Ritz (Voraufl.), § 3 VerkProspVO Rz. 4. Ebenfalls Voß in Arndt/Voß, § 3 VermVerkProspV Rz. 2; Bruchwitz in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, S. 120.

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§ 3 VermVerkProspV 5

Angaben über Verantwortliche

Es stellt sich damit die Frage, ob im Sinne des Inhalts eines Verkaufsprospekts Angaben und Umstände gleichzusetzen sind oder sich voneinander unterscheiden. Die im Verkaufsprospekt aufzunehmenden Informationen werden im Wortlaut der Vorschriften der VermVerkProspV im unterschiedlichen Sinne beschrieben. So ist unter dem Begriff der „Angabe“ eine punktuelle Information zu verstehen, während sich der Begriff des „Umstands“ auf im Verkaufsprospekt aufzunehmende Erläuterungen zu einzelnen punktuellen Informationen bezieht. Anschaulich zeigt sich dies in § 15 Abs. 1 Satz 2 VermVerkProspV, der eine Erläuterung von wirtschaftlichen Angaben in Gestalt der den Angaben zugrunde liegenden Annahmen und Wirkungszusammenhänge (= „Umstände“) verlangt. Andererseits fasst § 2 Abs. 1 Satz 2 VermVerkProspV den Mindestinhalt eines Verkaufsprospekts unter den Sammelbegriff der „Angabe“. Bezieht man die historischen Grundlagen der Norm in die Auslegung