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German Pages 168 [164] Year 2005
Zita Küng Was wird hier eigentlich gespielt? Strategien im professionellen Umfeld verstehen und entwickeln
Zita Küng
Was wird hier eigentlich gespielt? Strategien im professionellen Umfeld verstehen und entwickeln Mit 11 Abbildungen und 3 Tabellen
123
Zita Küng EQuality, Agentur für Gender Mainstreaming Stauffacherstraße 149, CH 8004 Zürich
ISBN 10: 3-540-23775-5 ISBN 13: 978-3-540-23775-4
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2126 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort Wann haben Sie sich in Ihrer Organisation zum letzten Mal gefragt: »Was wird hier eigentlich gespielt?« Oder hören Sie sich eher fassungslos feststellen: »Ich glaube, ich bin im falschen Film«? Beides drückt aus, dass Sie sich auf eine bestimmte Situation vorbereitet und dazu Überlegungen für eine erfolgreiche Aktion angestellt und diese umgesetzt haben – ohne Erfolg. Die anderen waren nicht mehr im Spiel – oder nicht im gleichen Film. Dies kann ganz verschiedene Ursachen haben. Oft setzen wir mit der Analyse bei uns selbst und unserer Unzulänglichkeit an. In diesem Buch wird der individuelle Aspekt erst in der zweiten Hälfte behandelt, wenn es darum geht, die eigenen Strategien bewusst zu entwickeln. Die erste Hälfte des Buches widmet sich der Analyse der Situation. Die Organisationsanalyse, wie sie Michel Crozier entwickelt hat, befasst sich mit den folgenden vier Elementen: Macht, Strategie, Spiel und Umwelt der Organisation. Als Organisation bezeichnet er mehrere Personen, die einen gemeinsamen Zweck mit einer mehr oder weniger großen Konstanz verfolgen. Als Ensemble zeigen diese Elemente auf, dass es sehr viel aufschlussreicher ist zu verstehen, was eine Organisation zusammenhalten kann, als was die Organisationsroutine stört. Sie werden deshalb herausfinden, wie Sie die Organisation als Ganzes (mit)steuern können und wo Ihre (Mit-)Gestaltungsmöglichkeiten sind. Eine zentrale Erkenntnis ist dabei, dass die Organisation wesentlich durch Spiele zusammengehalten wird. Spiele im eigentlichen Sinn, wie wir sie als Kinder gelernt und geübt, geliebt und gehasst haben. Es ist deshalb sowohl erhellend als auch zielführend, sich mit den Spielen und den Spielenden zu beschäftigen. Dies wurde mir in meiner Tätigkeit als Seminarleiterin und Coach deutlich: Die vielfältigen und unterschiedlichen Fragestellungen, die zur Debatte standen, sind als Praxisbeispiele ausgearbeitet und zeigen auf, wie mit dieser Methode erfolgreich gearbeitet wird. Als Leserin und Leser werden Sie sich in den einen oder anderen Beispielen gern oder ungern wieder finden. Lassen Sie sich keinesfalls entmutigen, wenn Sie keine begeisterte Spielerin oder kein geübter Spieler sind oder waren. Sie werden in der Folge unterstützt, Ihre eigene Situation zu untersuchen. Dabei können Sie eine ausführliche Zusammenstellung von Spielen als Inspiration beiziehen. Erwarten Sie nicht, dass jemand anders »es besser weiß« – Sie sind die Expertin bzw. der Experte. Erwarten Sie auch keine Ratschläge, wie Sie mit Bestimmtheit das Richtige tun. Sicher werden Sie aber angeregt, Ihre Situation mit einem neuen, geschärften Blick zu sehen und zu durchschauen. Damit schaffen Sie selbst die Voraussetzung dafür, dass Sie bewusst, virtuos und erfolgreich eingreifen können. Zita Küng
Zürich, Februar 2005
VI
Dank Den Anstoß, mich mit den Forschungsergebnissen von Michel Crozier zu beschäftigen, verdanke ich meiner Schwester Cécile Küng. Die Seminarteilnehmenden haben mich mit einer Fülle von Beispielen beschenkt. Ihre Nachfrage und das Insistieren v. a. von Anne Heintze, Konstanz, haben mich motiviert, an dieses Buchprojekt zu glauben. Die Cassinelli-Vogel-Stiftung, Zürich, und Athos M. Staub, Zürich, haben mich mit namhaften Werkbeiträgen unterstützt. Die tollen Cartoons von Sylvia Vananderoye wurden finanziell durch die Familien-VontobelStiftung, Zürich, Klaus Küng, Arni, Ursula Knecht-Kaiser, Wallisellen, Benni und Walter Beckmann, Uster, Ursula Mattmann Alberto, Schwerzenbach, Ariane Willemsen, Bern, die Frauengruppe der Gewerkschaft Bau & Industrie, Zürich und das Wahlkomitee Ursula Mattmann Alberto, Schwerzenbach, ermöglicht. Der Austausch mit Michel und Silvio Doblhofer, Salzburg, über Computer-Spiele war sehr aufschlussreich. Mit ihren substantiellen Rückmeldungen haben mich Cécile Küng, Heidi Hahn, Athos M. Staub, Brigitte Pérez-Frei und Nina Kramer Brunner bereichert. Die Zusammenarbeit mit der Lektorin Monica Caviezel, letras, Zürich, und Svenja Wahl, Springer-Verlag, Heidelberg, hat mich während der Dauer des ganzen Prozesses zuversichtlich bleiben lassen. Ich bedanke mich bei allen. Zita Küng
Zürich, Februar 2005
VII
Inhaltsverzeichnis 1
Wie bekommen Sie den Durchblick? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.2 1.2.1
1.4 1.5 1.6 1.7
Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fachkenntnisse und Sachwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beherrschen von Informations-und Kommunikationskanälen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrolle über Beziehungen der Organisation zu ihrer Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technische Fertigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzen der organisationellen Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die offensive Strategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chinesische Strategeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die defensive Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unsicherheitszonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionen der Spiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis der Organisation zur Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Macht und Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategie und Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategische Organisationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
Das Spiel als wesentliches Orientierungselement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.5.1
Wie können wir feststellen, dass gespielt wird? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spielen hat Laborcharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Im Spiel werden nicht ausschließlich hohe menschliche Werte gefordert . . . . . . . . . . . . . Neues Spiel – neues Glück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwei Spezialfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teamspiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Computerspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was das Spielen attraktiv macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was das Spiel verdirbt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie stehen Spiele und Spielchen zueinander?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verhältnis von Spiel und Ernst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wann verhindert ein Konflikt das Spiel?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 23 28 28 30 30 30 31 31 33 36 39 40 42
Was wird hier eigentlich gespielt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie können Sie Ihr Spiel identifizieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Faktor 1: Wo wird das Spiel gespielt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Faktor 2: Wie ist die Spielatmosphäre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Faktor 3: Wer spielt mit?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Faktor 4: Wer ist aktiv? Wer ist passiv? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Faktor 5: Was ist verabredet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel A: Dabei sein ohne Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel B: Chronische Überlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel C: Die rechte Hand des Chefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel D: Die inneren Zirkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47 48 48 49 49 49 49 50 50 53 55 59
1.2.2 1.2.3 1.3
2.5.2 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10
3 3.1
3.2
1 3 4 4 5 6 6 7 7 8 9 10 11 12 13 14 16 18
VIII
Inhaltsverzeichnis
Beispiel E: Zustimmung des Finanzamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel F: Die entscheidende Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel G: Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel H: Konzept top-down installieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel I: Aufsteigen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel J: Unklare Spitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel K: Unter GL-Kollegen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel L: Einfluss erweitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel M: Arbeitszuteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel N: Die Dissertation wird nicht fertig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel O: Einsame Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel P: Personalklüngel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel Q: Ideenklau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel R: Gemeinsam, aber nicht fifity-fifty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel S: Projekt mit lauter wichtigen Personen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel T: Eine Aushilfe ist bitter nötig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel U: Reorganisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61 65 68 72 76 79 80 83 85 88 91 95 98 101 104 106 108
4
Jetzt sind Sie dran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4
Finden Sie das angesagte Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschreiben Sie eine konkrete Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezeichnen Sie die Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschreiben Sie die Spielatmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orientieren Sie sich an den Irritationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie läuft das Spiel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ist gerade ein Spiel im Gang oder ist Pause?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welche Regeln gelten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wer hält die Regeln (nicht) ein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . So kommen Sie zu Ihrer Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ihre Ziele in der aktuellen Situation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sie formulieren Ihre strategischen Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sie entwickeln konkrete Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was setzen Sie ein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
114 114 114 115 116 117 117 118 118 119 119 119 120 123
5
Wie bringen Sie sich ins Spiel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welches Spiel wird ausgewählt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welches Spiel schlagen Sie vor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was für eine Spielnatur sind Sie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was ist Ihr Impuls zum Mitspielen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie erkennen Sie Ihre Trümpfe im Spiel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie verhalten Sie sich im Spiel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzen Sie Ihre Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125 126 129 130 130 132 133 137
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5
6 6.1 6.2
Auf in die nächste Runde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Lassen Sie sich inspirieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Spielbeschreibungen in alphabetischer Reihenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Über die Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
1 Wie bekommen Sie den Durchblick? Organisationsanalyse nach M. Crozier 1.1
Macht
–3
1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5
Fachkenntnisse und Sachwissen – 4 Beherrschen von Informations-und Kommunikationskanälen – 4 Kontrolle über Beziehungen der Organisation zu ihrer Umwelt – 5 Technische Fertigkeiten – 6 Nutzen der organisationellen Regeln – 6
1.2
Strategie
–7
1.2.1 Die offensive Strategie – 7 Chinesische Strategeme – 8 1.2.2 Die defensive Strategie – 9 1.2.3 Unsicherheitszonen – 10
1.3
Spiel
– 11
Funktionen der Spiele
– 12
1.4
Verhältnis der Organisation zur Umwelt
1.5
Macht und Spiel
1.6
Strategie und Spiel
1.7
Strategische Organisationsanalyse
– 14 – 16 – 18
– 13
2
1
Kapitel 1 · Wie bekommen Sie den Durchblick?
Bilder für Organisation
Die Organisation als Maschine
Die Organisation als lebendiger Organismus
Wenn Sie sich an Ihrem Arbeitsplatz umsehen, wenn Sie das Vereinsleben beobachten oder die Familiensituation erfassen, geschieht das oft mit dem Bedürfnis, die Verhältnisse zu verstehen. Begreifen, was andere tun und mit welchem Ziel; begreifen, was Ihre eigenen Absichten und Möglichkeiten sind. Orientierungspunkte helfen uns zu verstehen: Worauf schauen Sie, wenn Sie die Situation beobachten? Was sind Anhaltspunkte, die Sie sich merken können? Michel Crozier, ein französischer Organisationssoziologe, der in den 60er- und 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts geforscht hat, stellte sich die Frage, wie Organisationen funktionieren. Eine wesentliche, gängige Theorie sagt, eine Organisation, eine Familie, ein Betrieb, sei eine Maschine. Alle Teilchen sind am richtigen Platz, alle Rädchen funktionieren wie geschmiert – das ist die ideale Organisation. Gut ölen, sachgerecht behandeln und ein regelmäßiger, professioneller Service halten die Maschine in Schwung. Wenn eine Störung auftritt, muss sie lokalisiert werden. Es wird analysiert, welches Rädchen nicht funktioniert und warum. Anschließend wird entschieden, ob das Rädchen repariert oder ausgewechselt werden muss, damit die ganze Maschine wieder rund läuft. Mitarbeitende werden damit zu Rädchen, und das Organigramm bildet den Bauplan der Organisation. Eine andere Vorstellung von Organisation versteht sie als lebendigen Organismus, als ein Wesen. Dieses Wesen hat einen Ursprung, eine Geschichte, ein Wachstum, eine Entwicklung. In dieser Entwicklung durchläuft die Organisation verschiedene Stufen: von der Kindheit über die Jugend ins Erwachsenenalter, ins Alter zum Tod. Die Organisation keimt, kommt in die Blüte, überschreitet den Zenit, gibt langsam ab und stirbt. Dieses Bild gibt eine völlig andere Orientierung als der Vergleich mit der Maschine. Wenn wir von dieser Vorstellung ausgehen und in der Organisation unzufrieden sind, suchen wir nicht nach schadhaften Teilchen, sondern überlegen uns, in welcher Phase sich die Organisation befindet und welches die nächsten Entwicklungsschritte sein werden. Verschiedene Phänomene tauchen typischerweise in bestimmten Phasen auf. In der Kindheit, die von einer unbedingten Lebenslust geprägt ist, kann in der Organisation z. B. eine große Unbekümmertheit festgestellt werden. Die Jugend kann geprägt sein von Entdeckungslust. Für die Organisation könnte dies heißen, sie ist innovativ. Als junge Erwachsene wächst das Selbstbewusstsein und es wird eine erste Reife entwickelt. Analog könnte man für die Organisation sagen, dass sie eine erste Konsolidierungsphase erreicht. Unser Rechtsverständnis hat diese Vorstellung umgesetzt: Wir kennen z. B. die Aktiengesellschaft oder den Verein als juristische Person mit Rechten und Pflichten, die durch die Organe einzuhalten sind. Einzelne Menschen nehmen Organstellung ein und handeln für die juristische Person. Beide Vorstellungen – die Organisation als Maschine oder als Organismus – gehen davon aus, dass es so etwas wie ein »richtiges« Funktionieren der Organisation gibt. Man muss alles dafür tun, damit dieses »richtige« Funktionieren stattfinden kann. Abweichungen muss man in den Griff bekommen, Störungen müssen behoben, unangemessenes Funktionieren muss klargestellt werden.
3 1.1 · Macht
Crozier ist mit seinen Forschungen im Gegensatz zum Maschinen- oder Organismus-Bild zu einem außergewöhnlichen Schluss gekommen. Er nennt jedes Ensemble von Akteurinnen und Akteuren, das auf eine mittlere Frist gemeinsam etwas unternehmen will – unabhängig von seinen offiziellen Strukturen – »Organisation«. Dies hat nichts mit einer Maschine oder mit der Natur zu tun. Organisation ist 100% Kultur, es entspricht ausschließlich dem Willen der beteiligten Personen. Die Organisation ist eine Konstruktion: etwas gemeinsam Erbautes, Gebildetes. Dafür braucht es den Willen der Beteiligten. Fehlt dieser Wille, entsteht keine Organisation oder aber eine bestehende Organisation löst sich unmittelbar auf. Die Menschen entziehen der Organisation ihre Aufmerksamkeit und ihre Energie, drehen ihr den Rücken zu, und die Organisation hört auf zu existieren. Es ist nicht nötig, irgendetwas zu zerstören. Mit dem Weggehen der Menschen ist die Organisation aufgelöst. Crozier spricht aus diesen Gründen auch gern von organisiertem Handeln statt von Organisation, um klar zu stellen, dass es ihm um die Akteurinnen und die Akteure geht. Aus diesen Überlegungen lässt sich folgern, dass bei einer Organisation nicht in erster Linie die Störfälle interessieren, sondern die Gründe, weshalb die Beteiligten diese Organisation aufrechterhalten. Die Tatsache, dass die Akteurinnen und Akteure die Organisation kon-struieren, hat etwas durchaus Beunruhigendes: Menschen sind nie ganz berechenbar, sie handeln auch nicht immer rational (nicht einmal notwendigerweise im eigenen Interesse), und sie haben jederzeit die Möglichkeit, sich wieder anders zu entscheiden. Wir müssen also die Gründe finden, warum dieses Ensemble weiterhin ein Ensemble sein will. Die Gründe, weshalb das Ensemble nicht gut zusammenspielt, sind zweitrangig. Was hält das Ganze zusammen – das ist die interessante Frage. Zu dieser Frage haben Crozier und Friedberg geforscht. Sie haben vier wesentliche Elemente zu Tage gefördert: Macht, Strategie, Spiel und Umwelt der Organisation.
1.1
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Organisationsanalyse nach Crozier
Der Wille der Beteiligten ist ausschlaggebend
Was hält die Beteiligten zusammen?
Macht
Es existieren mittlerweile viele Ansätze, wie Macht beschrieben werden kann. Crozier beschreibt Macht als Verhältnis zwischen den Menschen. Alle Verhältnisse zwischen Menschen sind immer auch Machtverhältnisse. Macht ist quasi einer der Rohstoffe, aus dem die menschlichen Verhältnisse bestehen. Macht erlaubt es den Menschen, kollektive Vorhaben zu realisieren. Aus diesen Konstrukten können wir wieder Macht schöpfen. Crozier und Friedberg beschreiben die Macht als kontingent, d. h. als situationsabhängig. Nicht immer kippt die Macht auf die gleiche Seite: Zwischen zwei Menschen kann sie in der einen Frage auf die eine und in einer anderen Frage auf die andere Seite kippen. Machtverhältnisse sind dynamisch und deshalb für die Organisation von großer Wichtigkeit. Crozier geht davon aus, dass alle menschlichen Beziehungen immer auch Machtbeziehungen sind. Er verbindet Macht nicht mit einem »Etwas«, das eine Person besitzt oder nicht besitzt, sondern mit einer Beziehung, die sich dynamisch darstellt. Er
Macht steckt in allen menschlichen Verhältnissen
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Kapitel 1 · Wie bekommen Sie den Durchblick?
1 Unausgewogenheit in den Machtverhältnissen bringt Bewegung
widmet sich auch nicht zentral der Gefahr des Machtmissbrauchs und der drohenden Gewaltanwendung, die der Machtausübung folgen kann. Er geht umgekehrt davon aus, dass diese Unausgewogenheit im Verhältnis quasi ein Lebenselixier ist, das Bewegung bringt. Ein definitiv ausgeglichenes Verhältnis, in dem sich nichts mehr bewegt, bedeutet den Tod. Solange wir aber lebendig sind, gestalten wir unsere Beziehungen. Es ist deshalb von Bedeutung, wie machtvoll oder wie machtlos wir einer anderen Person gegenüber sind oder sein können, im Bewusstsein, dass die Beziehung nie fix ist, sondern sich immer bewegt. Werfen wir also einen Blick auf die Machtbeziehungen und finden wir heraus, welches die Quellen sind, die uns mächtig machen. Woher beziehen wir die Möglichkeit, mächtiger zu werden?
1.1.1 Fachkenntnisse und Sachwissen Fachkenntnisse und Sachwissen sind Machtquellen
Einsatz und Wirkung dieser Machtquelle
Dass Fachkenntnisse und Sachwissen Machtquellen darstellen, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wichtig ist aber zu verstehen, dass Fachkenntnisse und Sachwissen nicht automatisch zu einem bestimmten Status oder zu Einfluss führen. Dies zeigt sich in unserer Verblüffung, wenn wir einer Person begegnen, die nicht über die notwendigen Fachkenntnisse und das nötige Sachwissen verfügt, aber trotzdem mächtig ist. Diese Person schöpft ihre Macht offensichtlich aus anderen Quellen. Verfügen wir aber über Fachkenntnisse und Sachwissen, können wir die Quelle von Macht nutzen: Wir können nämlich entscheiden, wem wir diese Kenntnisse und dieses Wissen zur Verfügung stellen. Es geht also um den Einsatz und die Wirkung der Fachkenntnisse und des Sachwissens. Wir überlegen, wo wir darstellen, dass unsere Kenntnisse Verwendung finden oder wo unser Wissen nützlich war. Vor allem Frauen vertrauen stark darauf, dass Fachkenntnisse und Sachwissen als objektiv notwendige Machtquellen verstanden werden und entsprechend gradlinig auch zu mächtigen Positionen führen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil diese Machtquellen viel mit den konkreten Ergebnissen in der Arbeit zu tun haben: Produkte und Dienstleistungen gewinnen an Qualität, wenn Fachkenntnisse und Sachwissen klug angewendet werden. Durch Weiterbildung entwickeln sie ihr Sachwissen und halten ihre Fachkenntnisse auf dem aktuellen Stand. Viele bestens ausgebildete Frauen vertrauen darauf, damit an eine mächtige Position zu gelangen. Diese Machtquelle zu haben, reicht aber nicht automatisch aus, um tatsächlich mächtig zu werden.
1.1.2 Beherrschen von Informations-
und Kommunikationskanälen Wer Informations- und Kommunikationskanäle beherrscht, verfügt über eine Machtquelle. Um diese Kanäle zu beherrschen, gilt es aber zunächst, innerhalb einer Organisation herauszufinden, wo die Informationskanäle sind. Als Erstes denken wir an alle offiziellen Medien und Mittel: das Intranet, die Hauszeitung, die offiziellen Sitzungen usw. In diese Kanäle werden Infor-
5 1.1 · Macht
mationen eingespeist. Der Zugang zu diesen Kanälen ist geregelt. Wer die Informationen nutzt, kann damit auch die eigene Macht stärken. Wer aber entscheiden kann, welche Informationen in die Kanäle gelangen oder wer Zugang zu den Kanälen hat, beherrscht diese Kanäle und verfügt über diese zweite Machtquelle. Sehr oft – aber nicht ausschließlich – sind dies Personen, die in einer Organisation auch an der Spitze stehen. Denken wir an alle weiteren Möglichkeiten, an Informationen heranzukommen, bei denen die Kanäle nicht formell, sondern informell angelegt sind. Wer an informellen Informationskanälen teilhat, kann Macht aufbauen. Wir kommen schneller an wichtige Informationen und können entscheiden, wem wir diese Information weitergeben. Wir sind an einer wichtigen Schaltstelle, was Wissen und Information angeht. Kommunikationskanäle haben im Unterschied zu den Informationskanälen klar einen zweiseitigen Charakter; da findet Austausch statt, es besteht ein wechselseitiges Verhältnis: auch Kommunikationskanäle können offiziell oder inoffiziell sein. Die offiziellen sind v. a. Sitzungen und formelle Treffen, die inoffiziellen gehen von gezielten, einzelnen Ansprachen bis regelmäßigen oder gar rituellen Treffen in Lokalen, auf Sportplätzen usw. aus. Wer Kommunikationskanäle als Machtquelle nutzen kann, bestimmt z. B. ob und zu welchen Themen Sitzungen stattfinden, wann und wo diese abgehalten werden und wer daran teilnehmen wird. Bei den informellen Treffen wird noch viel deutlicher, welche wichtige Rolle das Ausschöpfen dieser Machtquelle bedeutet, weil diese Treffen nicht transparent sind.
Kommunikations- und Informationskanäle nutzen
1.1.3 Kontrolle über Beziehungen der Organisation
zu ihrer Umwelt Die Beziehungen einer Organisation zu ihrer Umwelt können von größter Bedeutung sein. Zum Beispiel hören Sie, dass in der Nachbarschaft der Organisation Liegenschaften verkauft werden. Wenn Ihre Organisation sich erweitern will, ist diese Information sehr wichtig. Sie hören, dass in der Regierung Pläne für Gesetzesänderungen diskutiert werden. Wenn diese Gesetze für Ihre Organisation die Rahmenbedingungen ändern können, müssen Sie sich unbedingt frühzeitig damit auseinander setzen. Solche Informationen müssen für die Zukunft der Organisation rechtzeitig und klug abgewogen werden. Wenn sich Ihre Organisation Gehör verschaffen will, ist es von Bedeutung, dass Kontakte zur Presse, zur Konkurrenz, zum Stadtteil oder zum Landkreis, zu Fachleuten, zu Politikerinnen und Politikern bestehen. Wenn Sie über Kontakte zu entsprechenden Personen verfügen und diese auch nutzen können und wollen, kontrollieren Sie in die eine oder andere Richtung die Beziehungen Ihrer Organisation zur Umwelt. Damit können Sie eine mächtige Position einnehmen. Wenn Sie in der einen oder anderen Situation um Ihre Meinung oder Ihre Dienste gefragt werden, so spielen Sie bereits eine wichtige Rolle. Frauen unterschätzen oft ihre Möglichkeiten in diesem Bereich. Die vorhandenen Beziehungen sind ihnen manchmal nicht bewusst. Damit schätzen
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Kontakte sind wichtig
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Kapitel 1 · Wie bekommen Sie den Durchblick?
sie die Bedeutung dieser Beziehungen für ihre Organisation auch gar nicht richtig ein. Sie verfügen zwar über eine Machtquelle, können sie aber nicht nutzen.
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1.1.4 Technische Fertigkeiten
Technische Fertigkeiten können mehr
Technische Fertigkeiten sind dann eine Machtquelle, wenn sie nicht ausschließlich dazu dienen, die eigene Aufgabe zu lösen. Wenn sie eine Querschnittfunktion bekommen, heißt dies: Alle brauchen dieses technische Know-how punktuell, egal wo sie hierarchisch stehen oder was für ein Thema sie bearbeiten. Wir denken dabei an Hausdienste – vom Schlüssel bis zur Ausstattung –, an Know-how im Bereich Budget und Rechnung oder an PCSupport. Wenn aus diesen Bereichen die Unterstützung fehlt, sind alle in ihrer Arbeit blockiert. Dies weist darauf hin, dass – wer über diese technischen Fertigkeiten verfügt, – eine Machtquelle besitzt. Diese Fachleute können entscheiden, wem sie wann und in welcher Qualität ihren Support liefern, denn die Kapazitäten sind notorisch zu knapp bemessen. Es ist interessant zu beobachten, dass Personen mit technischen Fertigkeiten sehr oft in den betrieblichen Hierarchien nicht sehr weit oben stehen. Da sie aber über eine Machtquelle verfügen, spielen sie eine eminent wichtige Rolle.
1.1.5 Nutzen der organisationellen Regeln
Spiele erkennen ist wichtig
Macht ist keine Konstante
Diese Machtquelle bezieht sich zentral auf die Spiele, die eine Organisation zusammenhalten. Wenn Sie wissen, welche Spiele im Gang sind, können Sie überlegen, wie Sie die Möglichkeiten in diesem Spiel aus Ihrer Position heraus optimal nutzen können. Sie können darauf bestehen, dass sich alle an die Regeln halten, oder Sie können versuchen, die Regeln für sich großzügig auszulegen. Auf jeden Fall haben Sie eine Vorstellung davon, was ablaufen kann. Dadurch ersparen Sie sich die eine oder andere Überraschung und es ist Ihnen möglich, eigene Schritte bewusst zu planen. In der Zwischenzeit hat sich der Machtdiskurs entwickelt, und es wurden auch weitere Machtquellen identifiziert. Es ist für jede Person wichtig zu überlegen, welche Machtquellen sie für sich erschließen kann. Entscheidend wird aber sein, ob Sie in der Lage sind, diese Machtquellen auch tatsächlich so weit zu nutzen, dass Sie Ihre Interessen gezielt wahrnehmen können. Denn: Macht haben Sie nicht; Macht ist Teil von Beziehungen und ist immer wieder neu herzustellen.
7 1.2 · Strategie
1.2
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Strategie
Eine Organisation hat einen Zweck. Damit dieser erfüllt wird, sind Aktivitäten der Beteiligten erforderlich. Dazu sind diese offensichtlich bereit, zumindest hier und jetzt. Gleichzeitig verfolgt jede Person in diesem Ensemble auch eigene Ziele. Alle haben einen eigenen Grund, dabei zu sein und mitzutun. Deshalb ist es Teil der Strategie für jede Akteurin, jeden Akteur, genau in dieser Organisation dabei zu sein. Mit dem Dabeisein können sie ein persönliches Ziel erreichen. Sie haben im gegebenen Moment einen guten Grund, dabei zu sein. Materielle, ideelle, soziale und andere Gründe stehen dabei gleichwertig nebeneinander. Wenn dieser gute Grund wegfällt, werden Sie auf jeden Fall einen Weg finden, dem Ensemble den Rücken zu kehren. Sie werden einen neuen Ort finden, wo Sie Ihre Ziele weiter verfolgen können. Das heißt, Ihr Dabeisein ist ein strategisches. Sie wissen, weshalb Sie dabei sind. Strategie heißt, den Weg entwerfen und gehen, der – hoffentlich – zu Ihrem Ziel führen wird. Ich hatte lange Zeit zum Begriff »Strategie« ein gebrochenes Verhältnis, weil ich ihn mit militärischem Vorgehen gleichsetzte. Dabei ging es nach meinen Beobachtungen immer darum, einen Teil der Menschen als Gegner oder Gegnerinnen zu identifizieren, diese möglichst schlecht zu machen und zu entmenschlichen, was den Grund dazu lieferte, sie zu schlagen, zu unterwerfen oder zu zerstören. Diese Zerstörmanöver, die solche Ziele hatten, setzte ich gleich mit »Strategien entwerfen«. Mein (Kurz)schluss daraus war, dass ich selber militärisch, d. h. zerstörerisch vorgehen würde, wenn ich eine Strategie entwerfen würde. Mittlerweile hat sich diese Einschätzung wesentlich geändert. Die aufgelisteten chinesischen Strategeme sind Grundsätze, die besagen, was erfolgreiche Strategien sein könnten; sie sind für militärische Ziele entwickelt worden. Die wunderbare bildhafte Ausdrucksweise lädt dazu ein, diese Strategeme auch in anderen – nicht kriegerischen – Lebensgebieten erfolgreich umzusetzen. Mittlerweile gehe ich davon aus, dass alle immer eine Strategie haben. Die Frage ist nur: Sind Sie sich bewusst, nach welcher Strategie Sie vorgehen? Wir haben immer eine Einschätzung darüber, welches Verhalten für uns von Vorteil ist. Die Frage ist nur, haben Sie die Gründe dafür wirklich klar vor Augen? Crozier und Friedberg sehen im Wesentlichen zwei Richtungen für eine Strategie – eine offensive und eine defensive. Zusätzlich führen sie Unsicherheitszonen ein.
Eine Organisation hat einen Zweck
Mit dem Dabeisein werden auch eigene Ziele verfolgt
Bewusst oder unbewusst – alle haben eine Strategie
1.2.1 Die offensive Strategie Wenn wir das Ziel, das wir in und mit dieser Organisation erreichen wollen, offensiv verfolgen, versuchen wir, andere dazu zu bringen, sich in den Dienst dieses Ziels zu stellen. Dazu muss als Erstes aber klar werden, dass wir ein Ziel haben und wie es genau aussieht. Weiter ist auch wichtig zu erkennen, dass wir dieses Ziel nicht immer allein erreichen können: Wir brauchen die ande-
Andere für unsere Ziele einspannen
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1
Kapitel 1 · Wie bekommen Sie den Durchblick?
Chinesische Strategeme (Harro von Senger 1992) 1. Den Kaiser täuschen und das Meer überqueren (Den Kaiser dazu bringen, das Meer zu überqueren, indem man ihn in ein Haus am Meeresstrand einlädt, das in Wirklichkeit ein verkleidetes Schiff ist.) 2. Wie belagern, um Zhao zu retten 3. Mit dem Messer eines anderen töten 4. Ausgeruht den erschöpften Feind erwarten 5. Eine Feuersbrunst für einen Raub ausnützen 6. Im Osten lärmen, im Westen angreifen 7. Aus einem Nichts etwas erzeugen 8. Sichtbar die Holzstege wieder instand setzen, heimlich nach Chengcang marschieren 9. Das Feuer am gegenüberliegenden Ufer beobachten 10. Hinter dem Lächeln den Dolch verbergen 11. Der Pflaumenbaum verdorrt anstelle des Pfirsichbaums 12. Mit leichter Hand das Schaf wegführen 13. Auf das Gras schlagen, um die Schlange aufzuscheuchen 14. Für die Rückkehr der Seele einen Leichnam ausleihen 15. Den Tiger vom Berg in die Ebene locken 16. Will man etwas fangen, muss man es zunächst loslassen 17. Einen Backstein hinwerfen, um einen Jadestein zu erlangen 18. Will man eine Räuberbande unschädlich machen, muss man zuerst ihren Anführer fangen 19. Das Brennholz heimlich unter dem Kessel eines anderen wegnehmen 20. Das Wasser trüben, um die Fische zu ergreifen 21. Die Zikade wirft ihre goldglänzende Haut ab 22. Die Türe schließen und den Dieb fangen 23. Sich mit dem fernen Feind verbünden, um zunächst den nahen Feind anzugreifen 24. Vorgeben, dass man durch den Staat Guo nur hindurchmarschieren wolle, und ihn dann doch besetzen 25. Die Balken stehlen und gegen morsche Stützen austauschen 26. Die Akazie schelten, dabei aber auf den Maulbeerbaum zeigen 27. Verrücktheit mimen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren 28. Auf das Dach locken, um dann die Leiter wegzuziehen 29. Dürre Bäume mit künstlichen Blüten schmücken 30. Die Rolle des Gastes in die des Gastgebers umkehren 31. Das Strategem der schönen Frau 32. Das Strategem der offenen Stadttore 33. Das Strategem des Zwietrachtsäens 34. Das Strategem der Selbstverstümmelung 35. Die Strategemverkettung 36. Weglaufen ist (bei völliger Aussichtslosigkeit) das beste (der 36 Strategeme) Aus Neuberger 1995, S. 164/165
9 1.2 · Strategie
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ren dazu. Daraus ergibt sich die logische Frage: Welche Möglichkeiten gibt es, die anderen dazu zu bringen, für unsere Zielerreichung auch eine Rolle zu spielen? Das klingt ziemlich eigennützig. Dazu gibt es zwei Bemerkungen: Einerseits sind Sie mit diesen Überlegungen nicht allein – alle, die eine offensive Strategie erwägen, handeln so. Andererseits bleibt es immer Ihre Entscheidung, wie Sie sich konkret mit einer offensiven Strategie verhalten. Sie sind nicht gezwungen, sich bösartig oder gemein zu benehmen. Für Ihr Verhalten tragen Sie immer die Verantwortung. Wenn Sie beim Mühle-Spiel beginnen dürfen, versuchen Sie, den Vorteil dieser Tatsache offensiv zu nutzen: Sie platzieren Ihre Steine der Reihe nach so, dass Sie möglichst als erste Person eine Dreierkonstellation (=Mühle) zu Stande bringen und damit Ihrer Gegnerin/Ihrem Gegner einen Stein wegnehmen dürfen. Die zweite Person – umgekehrt – versucht, Ihre Pläne zu durchkreuzen, solange noch nicht alle Steine gesetzt sind. Wer hier die offensiven Möglichkeiten verspielt, hat große Nachteile.
1.2.2 Die defensive Strategie Da wir davon ausgehen, dass alle anderen auch dabei sind, ihre eigenen Ziele zu verfolgen, und deshalb auch versuchen, Sie in ihr Spiel einzubinden, ist Ihr eigener Handlungsspielraum in Diskussion. Sie müssen aktiv dafür sorgen, dass Sie dem einen oder anderen Zwang entgehen können. Sie selber müssen handlungsfähig bleiben. Es ist Ihre Aufgabe, systematisch Ihren Handlungsspielraum zu schützen. Sie haben das Interesse, sich nicht hundertprozentig in die Spiele der anderen einspannen zu lassen, ohne an irgendeiner Ecke selbst auf ihre Kosten zu kommen – wenigstens hin und wieder. Es ist wichtig zu wissen, dass wir einen Spielraum, einen Handlungsspielraum brauchen – alle brauchen diesen. Das bedeutet, dass ein permanentes Ringen um jeden Handlungsspielraum stattfindet. Wir müssen deshalb beobachten, was mit dem eigenen Handlungsspielraum geschieht. Sie müssen nachvollziehen können, ob Sie offensiv auf Ihr Ziel zusteuern oder ob Sie Teil des Spiels von Mitspielenden sind. Wenn diese Orientierung gelingt, können Sie immer wieder entscheiden: Bleiben Sie bei Ihrer Strategie oder wollen Sie sie ändern? Versuchen Sie Ihr eigenes Spiel zu spielen oder spielen Sie in einem anderen Spiel mit? Sie beurteilen, ob Ihr Handlungsspielraum richtig und angemessen ist oder ob Sie zu viel abgegeben haben und wieder ein Stück zurückbekommen wollen. Im Backgammon versucht jeweils die/der Spielende mit den weißen Steinen als Erste/r den Parcours durch die schwarzen Steine zu finden und die weißen Steine auszuspielen, und umgekehrt die/der Spielende mit den schwarzen Steinen. Zwei Würfel geben an, wie viele Felder gespielt werden dürfen. In Richtung »Ausspielen« zu gehen, ist die offensive Strategie. Bei der defensiven Strategie ist dafür zu sorgen, dass möglichst wenige Steine einzeln auf einem Feld stehen und von der Gegenseite aus dem Spiel genommen werden können. Diese Strategie ist außerordentlich wichtig, geht es doch darum, sämtliche Steine hinauszuspielen. Es reicht also nicht, als Erste/r
Defensiv heißt: den eigenen Spielraum schützen bzw. erhalten
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Kapitel 1 · Wie bekommen Sie den Durchblick?
1 Defensive und offensive Strategien – es sind immer beide erforderlich
einen Stein im Ziel zu haben. Mit klugem Defensivspiel kann das Würfelglück der Gegenseite nicht alle unsere Positionen umwerfen. In allen Spielen sind immer beide Strategien nötig. Wer ausschließlich defensiv spielt, gewinnt nur mit einer großen Portion Glück und mit unerfahrenen oder unklugen Mitspielenden. Wichtig ist aber, dass Personen, die nur offensiv spielen, in den überwiegenden Fällen nicht erfolgreicher sind als diejenigen, die beide Strategien einsetzen. Diese Erkenntnis wird durch die Spieltheorie unterstützt. Nur offensiv zu spielen, kann dazu führen, dass Sie – je nach Glück und Spieltaktik der anderen – rasch einen großen Teil Ihres Handlungsspielraums eingebüßt haben, weil Sie es versäumt haben, Ihre Freiheiten zu schützen. Wer nur offensiv spielt, lässt sein/ihr »Hinterland« ungeschützt. Wer ausschließlich defensiv spielt, setzt nur die eigenen Möglichkeiten ein. Es entstehen aber in allen Spielen immer wieder Situationen, in denen die Mitspielenden so agieren, dass auch für Ihre eigene Position eine Verbesserung eintritt. Wenn Sie diese Möglichkeiten nicht nutzen oder forcieren, vergeben Sie sich aufgelegte Chancen. Erfolg versprechend ist also, immer wieder in beide Richtungen zu blicken und situationsabhängig die offensive und/oder die defensive Strategie anzuwenden.
1.2.3 Unsicherheitszonen Mit Unsicherheitszonen Handlungsspielraum schaffen und erhalten
Interessant ist, dass Crozier und Friedberg feststellen, dass es absolut zentral ist, Unsicherheitszonen zu schaffen. Das bedeutet, dass Sie für die anderen nicht total transparent sind. Wenn Sie sich irgendwo ein ganz kleines Stückchen offen lassen, müssen die anderen rätseln, wie Sie sich verhalten werden. Das verschafft Ihnen bereits ein Stück Handlungsspielraum. Mit der vollen Transparenz vergeben Sie sich alle Optionen, weil klar ist, was Sie tun werden. Denn: Je klarer die anderen Sie berechnen können, desto leichter sind Sie in die Spiele der anderen zu integrieren. Wenn die anderen schon wissen, was Sie tun werden, können sie ihre Ziele so setzen, dass Ihr Verhalten zum Erreichen dieser Ziele beiträgt. Umgekehrt ist es, wenn Sie Unsicherheitszonen schaffen. Mit Unsicherheitszonen schaffen Sie überhaupt erst die Voraussetzung dazu, dass die anderen mit Ihnen verhandeln müssen. Wer eine offensive Strategie fahren will und bei Ihnen eine Unsicherheitszone antrifft, muss fragen oder verhandeln, um von Ihnen Klarheit zu bekommen. Man kann sich nicht zu hundert Prozent auf ein routinemäßiges Verhalten verlassen. Wer von Ihnen ein bestimmtes Verhalten wünscht, kann dies anmelden. Wie sieht es heute aus? Vielleicht vertrösten Sie die andere Person auf einen Entscheid bis 13 Uhr oder geben eine Tendenz an. Damit entsteht Verhandlungsspielraum: Sie deuten an, unter welchen Bedingungen Sie eventuell bereit sind, einen Teil Ihrer Freiheit in den Dienst anderer zu stellen. Vielleicht haben Sie ja auch Ziele, zu denen andere beitragen können – da wäre vielleicht ein Tausch angesagt. Unsicherheitszonen zu schaffen, zu erhalten und zu bewirtschaften ist also eine notwendige Strategie, um sowohl defensiv als auch offensiv erfolg-
11 1.3 · Spiel
reich sein zu können. Wir müssen uns deshalb überlegen, in welchen Situationen wir wem gegenüber tatsächlich nicht die volle Transparenz als Handlungsprinzip anwenden. Wo halten wir etwas zurück und lassen Punkte offen? Es geht dabei nicht darum, Lügen zu verbreiten. Vielmehr soll nicht immer alles ganz vorn auf der Zunge getragen, sondern bestimmte Elemente sollen bewusst gewissen Leuten gegenüber zurückgehalten werden. Damit halten Sie Ihre Optionen für Verhandlungen offen. Auch das ist selbstverständlich etwas, was Ihre Entscheidungsmöglichkeiten und Ihre Macht stärkt. Wenn die anderen merken, dass es klüger ist, mit Ihnen zu verhandeln und etwas Verbindliches abzumachen, bedeutet dies eine Stärkung Ihrer Position. In Spielen werden Unsicherheitszonen oft genau vorgeschrieben. Zum Beispiel ist es bei den meisten Kartenspielen wichtig, den Mitspielenden die eigenen Karten nicht zu zeigen. Zusätzlich ist es verboten anzukündigen, welche Karte man spielen möchte. Der Reiz des Spiels wäre völlig zerstört, wenn man sich nicht daran halten würde. Nach meinen Beobachtungen sind Frauen im Durchschnitt sehr transparent im Vorgehen. Frauen glauben daran, dass ihre Sachkompetenz geschätzt wird, ihre Leistung zählt usw. Sie machen alles richtig und sind zum Schluss völlig überrascht, dass nicht sie, sondern meist ein Mann den Pokal bekommt. Dies hat nicht zuletzt etwas mit diesen Unsicherheitszonen zu tun. Wer alle Pläne ständig offen legt, ist gut einzuschätzen. Andere können ihre Spielzüge entsprechend – verdeckt – auf Sieg einstellen. Falls Sie eine Person sind, die Transparenz sehr schätzt, können Sie mit Unsicherheitszonen in einen Gewissenskonflikt geraten. Machen Sie sich klar, dass es notwendig ist, solche zu schaffen. Nicht, weil Sie etwas zu verbergen haben oder anderen gegenüber unfair sein wollen, sondern weil es notwendigerweise zum Spiel gehört. Wenn Sie als Mitspielende/r ernst genommen werden wollen, rechnen alle mit Unsicherheitszonen. Sobald Sie sich Klarheit über die Bedeutung von Unsicherheitszonen verschafft haben, werden Sie auch bewusst damit umgehen können.
1.3
Unsicherheitszonen können die eigene Position stärken
Spiel
Wenn Menschen durch Machtverhältnisse miteinander verbunden sind und alle ein persönliches Ziel verfolgen, stellt sich immer noch die Frage, wie die Konstanz zu Stande kommt, die wir ja auch in verschiedenen Organisationen beobachten. Organisationen haben Strukturen, eine Ordnung. Es macht nicht den Eindruck, als würden sich jeden Morgen Millionen von Menschen spontan dafür entscheiden, ausgerechnet diese Organisation zum Leben zu bringen. Deshalb stellt sich die Frage, wie diese Regelmäßigkeit geschaffen wird. Crozier und Friedberg haben als Lösung das Spiel gefunden. Richtige Spiele. Spiele, von denen wir die Regeln kennen, von denen wir wissen, wie wir gewinnen können, wie wir uns darin bewegen müssen, welches die Trümpfe sind und wie wir erfolgreich sein können. Damit das Ganze zusammenhält, sind also in jeder Organisation immer Spiele in Gang. Es werden offiziell Spiele gespielt, und meist ist mehr als eines in Gang. Zusätzlich werden auch
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Spiele halten Organisationen zusammen
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Kapitel 1 · Wie bekommen Sie den Durchblick?
inoffizielle und verdeckte Spiele gespielt. Diese Spiele bilden das, was wir unter dem Stichwort »Betriebskultur« kennen. Es ist ein Unterschied, ob Sie sich in einer mechanischen Werkstatt oder in einem Dienstleistungszentrum, in einer Verwaltung oder in einem Selbsthilfeprojekt bewegen. Gemeinsam ist aber allen Organisationen, dass das Zusammengehen der Beteiligten durch eine mehr oder weniger stabile Gesamtheit von Spielen konzeptualisiert wird.
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! Es sind immer Spiele im Gang, mehrere, offizielle und inoffizielle.
Spiele sind soziale Konstrukte und bringen Menschen in einem bestimmten Rahmen zusammen.
Funktionen der Spiele Spiele differenzieren und integrieren Spiele haben die Kraft, die Spielenden voneinander zu differenzieren. Alle sind dabei, aber immer wieder unterschiedlich. Zusätzlich helfen Spiele auch, unterschiedliche Personen, die nicht leicht einen Weg finden, zu integrieren. Sicherheit durch Spiele Wenn klar ist, welches Spiel gespielt wird und welche Regeln gelten, erfahren die Beteiligten als Teile des Spiels voneinander soziale Bestätigung. Bei Teamspielen ist dies besonders ausgeprägt. Spielen ist Aktivität Im Spiel sind alle – jeweils auf ihrer Position – aktiv und nehmen teil. Sie kommen immer wieder zum Zug und überwinden damit ein rein reaktives Verhalten. Spielen ist Gestalten Im Unterschied zu Situationen, in denen wir uns durch die Verhältnisse dominiert sehen, ist im Spiel auch Raum für die Initiative der Spielenden vorgesehen. Jede Person erfährt sich selbst und die anderen als gestaltende Personen. Spielen schafft Zwänge Im Spiel erleben wir, dass nicht alles optimal nach unserem Wunsch läuft. Trotzdem geht das Spiel aber weiter. Es entstehen Zwänge zu handeln, auf eine vorgeschriebene Art zu handeln oder auszusetzen. Gewünscht hätten wir uns etwas anderes. Wir bleiben aber dabei, weil wir uns dem Spiel mit seinen Regeln angeschlossen haben.
Spielen hat vielfältige Eigenschaften
Spielen hat sehr viele verschiedene Eigenschaften und ist deshalb interessant: Es gibt Spiele mit nur einer beteiligten Person und Spiele, an denen viele Personen teilnehmen können. Wir kennen Spiele, die in unseren Breitengraden schon seit Generationen immer weitergegeben werden, und Spiele, die neu erfunden werden. In gewissen Spielen sind Geschwindigkeit, Wendigkeit, Sportlichkeit oder Genauigkeit von entscheidender Bedeutung; bei anderen Spielen sind Schläue, Taktik, Bündnisfähigkeit, Berechnung, Gedächtnis usw. wichtig. Die meisten Spiele haben ein Ziel und einen Endpunkt:
13 1.4 · Verhältnis der Organisation zur Umwelt
Wir wissen, wann das Spiel beginnt und wann es – oder zumindest eine Runde davon – zu Ende ist. Ebenso ist bekannt, was die Teilnehmenden einsetzen müssen und was sie gewinnen können. Zentral ist auch das Wissen darüber, wie gespielt werden soll und wie die Regeln lauten, an die sich die Spielenden zu halten haben. Jedes einzelne Element, das hier aufgezählt wurde, kommt auch in anderen Zusammenhängen des Lebens vor. Damit wir identifizieren, dass es sich um ein Spiel handelt, brauchen wir über bestimmte Elemente eine gewisse Klarheit (Kap. 2). Wenn wir davon ausgehen, dass es die Spiele sind, die die Organisation zusammenhalten, dann wird schnell klar, dass es von großer Bedeutung ist, welches Spiel gespielt wird: In einer Kultur der Brettspiele, wo gewürfelt wird, ist es klar, dass alle der Reihe nach drankommen. In einem Brettspiel nützt mir der Einsatz der Ellbogen nichts, ich muss abwarten. Die Reihenfolge ist bereits geklärt. Zu Beginn legt man fest, ob es im Uhrzeiger- oder im Gegenuhrzeigersinn herum geht. Von da an wird immer in derselben Richtung (es sei denn, ein Richtungswechsel ist abgemacht) und der Reihe nach gespielt – das ist geklärt. Alle würfeln und haben dieses Zufallsmoment zu tragen. Der Zufall betrifft alle, außer es zinkt jemand den Würfel. Das wäre eine wesentliche Regelverletzung und gehört nicht zum Spiel. Wenn wir in einer Kultur der Hartballspiele sind (Fußball, Handball, Rugby…) ist es wesentlich, zum Ball zu kommen. Da können wir nicht warten, bis wir an der Reihe sind; niemand übergibt uns den Ball! Unsere Aktivität – innerhalb der Fairplay-Regeln – ist gefragt und macht einen wesentlichen Teil des Erfolgs aus. Sehr unterschiedlich sind auch die Ziele im Spiel. In einer Gruppe von Spielen sollen Sie möglichst viele Punkte machen, in einer anderen Gruppe von Spielen möglichst schnell alle Karten, Punkte usw. loswerden. In vielen Spielen ist der Zeitfaktor wichtig: Von Beginn an ist die Zeit beschränkt, in der die Chance offen ist, das Spielziel zu erreichen. Vor allem bei sportlichen Anlässen ist der absolut koordinierte Start mit Startschuss von zentraler Bedeutung: Alle müssen gleichzeitig starten, damit die Leistung genau gemessen werden kann. Interessant am Spiel ist seine Regelmäßigkeit, seine Regelhaftigkeit und seine Wiederholbarkeit. Wenn sich nur ein Faktor ändert, verändert sich auch die Spielanlage: Dieselben Mitspielenden, das gleiche Spiel, ein anderer Zeitpunkt – und alles ist wieder offen.
1.4
Verhältnis der Organisation zur Umwelt
Keine Organisation steht in einem luftleeren Raum, sondern hat immer ein spezifisches Umfeld. Zu dieser Umwelt gehören die verschiedensten Elemente wie Geografie und Topografie, technische Entwicklung, Angebundensein an Energiequellen, Erschließung durch Kanalisation und Verkehrswege, politische Verhältnisse, Konkurrenz und Kooperationen usw. Das Verhältnis, in dem eine Organisation zur Umwelt steht, ist ein wesentliches Element für ihr Funktionieren. Und auch dieses Verhältnis zur Umwelt wird gestaltet durch
Die Spielkultur ist unterschiedlich
Regelmäßigkeit, Regelhaftigkeit und Wiederholbarkeit sind wichtig
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Kapitel 1 · Wie bekommen Sie den Durchblick?
1 Alle Beteiligten stehen auch für die Organisation
die Akteurinnen und Akteure. Offiziell und inoffiziell kommunizieren sie nach außen, was die Organisation vertritt. Offizielle und inoffizielle Pläne, Befürchtungen und Selbsteinschätzungen der Organisation werden durch Menschen dargestellt. Dafür sorgen die Führungskräfte und Kommunikationsbeauftragten. Aber alle weiteren Beteiligten sind ebenfalls Träger/innen der Informationen – auch ohne Auftrag. Deshalb muss sich die Organisation fragen, wie sie von der Umwelt wahrgenommen wird, und dies so bewusst wie möglich steuern. Andererseits muss sie wissen, wie sie die nötigen Informationen über die Umwelt in die Organisation hereinholt. Damit können bestimmte Leute betraut werden. Wiederum sind auch alle anderen Beteiligten Träger/innen von Informationen. Sie bestimmen den inneren Reichtum der Organisation. Sehr oft wird dieser innere Reichtum nicht wahrgenommen und nicht abgefragt, was zu erheblichen Nachteilen oder sogar Schäden führen kann. Wer sich der Möglichkeiten bewusst ist, wie die Organisation mit der Umwelt verbunden werden kann oder wie wichtige Informationen in die Organisation einzubringen sind, kann dies als Machtquelle einsetzen.
1.5 Es gibt keine vollständig geregelten sozialen Systeme
Organisation als Struktur von Spielen
Organisationen sind heikle Konstrukte
Macht und Spiel
Für die Kombination von Macht und Spiel greifen wir noch einmal auf den Organisationsbegriff von Crozier und Friedberg zurück: Sie warnen vor pseudowissenschaftlichen und technokratischen Illusionen und bestehen darauf, dass es keine völlig geregelten und kontrollierten sozialen Systeme gibt. Das gilt auch für alle Organisationen und Betriebe. Die beteiligten Akteurinnen und Akteure sind weder abstrakt noch fleischlos: Sie agieren eigenständig und können nicht auf Funktionen reduziert werden. Jede Person bewegt sich einerseits im Rahmen der ihr »vom System« auferlegten, oft sehr starken Zwänge, andererseits verfügt sie immer auch über einen Freiraum, den sie auf strategische Weise in ihren Interaktionen mit den anderen verwendet. Eine vollständige Kontrolle wird verhindert und viele ausgeklügelte Pläne werden unterlaufen, weil dieser Freiraum besteht und nicht auf Null reduziert werden kann. Es stellt sich deshalb die Frage, was zwischen den widersprüchlichen Strategien vermitteln kann. Die Forscher identifizieren dazu die Macht, »die zum zentralen und unausweichlichen Regulierungsmechanismus der Gesamtheit wird« (Crozier u. Friedberg, 1993). Crozier und Friedberg bestehen also darauf, dass die Akteurinnen und Akteure mit ihrem jeweiligen Handlungsspielraum die Organisation prägen. Die Organisation selbst wird als eine Struktur von Spielen betrachtet. Die formalen und informellen Regeln der Spiele kanalisieren und regeln gleichzeitig die Machtstrategien der Beteiligten. Die Regeln der Spiele selbst sind Einsatz und Gewinn dieser Machtstrategien. Was uns als Organisation begegnet und womit wir in der Regel mit großer Sicherheit umgehen, sind heikle Konstrukte. Aber sie verhelfen uns dazu, dass wir gemeinsam handeln können. Die Organisation ist also eine notwendige Konstruktion. Damit die Konstruktion funktioniert, müssen verschiedene Probleme gelöst werden. Als Erstes handelt es sich dabei v. a. um das Problem
15 1.5 · Macht und Spiel
der Zusammenarbeit. Von Zusammenarbeit können wir erst sprechen, wenn Individuen und Gruppen, die etwas Gemeinsames erreichen wollen, ihre Verhaltensweisen minimal anpassen, obwohl sie alle für sich unterschiedliche oder sogar widersprüchliche Ziele verfolgen. Crozier und Friedberg identifizieren sehr schematisch zwei Möglichkeiten, wie diese Integration erreicht werden kann: Zwang und Unterwerfung auf der einen oder Vertrag auf der anderen Seite. Der Zwang kann direkt sein oder als sein Begleiter, die affektive und/oder ideologische Manipulation, auftreten. Die Beteiligten können ihre »Einzelinteressen« zu Gunsten des Willens und der Ziele des Ganzen freiwillig zurückstellen oder diese Unterwerfung kann ihnen auferlegt sein. Die Alternative zum Zwang wären vertragliche Regelungen. Verträge können zu Stande kommen durch explizites Aushandeln und Verhandeln oder dadurch, dass die Beteiligten unausgesprochen von gemeinsamen Regelungen ausgehen, d. h. die Herstellung des Vertrags war implizit. Dies ist ein schwieriger Prozess, weil sich die Beteiligten nur zögerlich darauf einlassen, und zwar aus verständlichen Gründen: Die Situation hat durchaus auch etwas Bedrohliches. Wer sich auf Verhandlungen einlässt, erkennt Macht- und Abhängigkeitsbeziehungen an, die immer Zwänge mit sich bringen. Die Verhandlungen selbst können eine Dynamik entwickeln, die für alle Beteiligten nachteilig sein kann. Schon das Installieren einer guten Aushandlungssituation hat deshalb eine wichtige Bedeutung. Unsere Erfahrungen zeigen aber, dass wir die meisten Situationen gut meistern. Der Grund dafür ist, dass wir ein Repertoire von Möglichkeiten mitbringen, wie wir eine gemeinsame Situation einrichten. In diesem Repertoire befinden sich Erfahrungen und Konstrukte, auf die wir zurückgreifen können. Diese Konstrukte kollektiven Handelns wirken indirekt. Wir übernehmen sie nicht eins zu eins, und sie bestimmen nicht direkt unser Verhalten. Wir richten mehr oder weniger lose, formalisierte oder bewusst strukturierte Spiele ein. Spiele haben bekanntlich eine erkennbare Form, definierte Regeln und zeigen eine Reihe von möglichen Gewinnstrategien auf (Crozier u. Friedberg, 1993). Jede Struktur, die geeignet erscheint, um mit ihr anstehende Probleme zu lösen, wird als Spiel installiert. Das Spiel ist ein Machtsystem, in dem geregelt ist, wer was darf und wie die Erfolge erzielt werden können. Das Spiel ist ein Machtphänomen: Mit diesem System bekommen die Beteiligten Auswirkungen von angewendeter Macht zu spüren, und gleichzeitig hält ihnen dieses System die Möglichkeiten zur Ausübung von Macht bereit. Die Spielstruktur ist ein menschliches Konstrukt. Sie ordnet, reguliert, »zähmt« und schafft die Macht, um Menschen ihre Zusammenarbeit in kollektiven Vorhaben zu ermöglichen. Crozier und Friedberg gehen davon aus, dass jede ernst zu nehmende Analyse kollektiven Handelns Macht ins Zentrum ihrer Überlegungen stellen muss, »denn kollektives Handeln ist im Grunde nichts anderes als tagtägliche Politik. Macht ist ihr ›Rohstoff‹« (Crozier u. Friedberg, 1993).« Die Akteurinnen und Akteure, die alle über unterschiedliche Machtquellen verfügen, sind Teile in den verschiedenen Spielen, die gespielt werden.
Zwang und Unterwerfung versus Vertrag und Verhandlungen
Konstrukte basieren auf unseren Erfahrungen
Wer über Machtquellen verfügt, kann freier mit Regeln umgehen
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Kapitel 1 · Wie bekommen Sie den Durchblick?
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Wir entscheiden selbst, ob wir mit von der Partie sind
Wer wenig Machtquellen hat, muss sich am meisten an die herrschenden Regeln halten. Wer es sich ab und zu leisten kann, eine Regel zu dehnen, baut ihre/seine Machtposition schon ein wenig aus. Wer bei Nichteinhalten von Regeln nicht getadelt oder bestraft wird, hat bereits viel Macht. Am mächtigsten ist die- oder derjenige, die/der für ein laufendes Spiel eine neue Regel einführen oder gar ein neues Spiel installieren und durchsetzen kann. Je nach Spiel sind die einen Machtquellen wirkungsvoller als andere. Im Spiel tauchen sie als »Trümpfe« auf. Da Machtquellen-Besitzen nicht automatisch und in jedem Fall auch Mächtig-Sein bedeutet, ist zu beobachten, wie die Beteiligten ihre Möglichkeiten nutzen. Möglichkeiten nutzen, heißt im Spiel Trümpfe einzusetzen. Das Wissen um die Chancen und die Einschätzung des konkreten Verhaltens der Akteurinnen und Akteure ist deshalb ebenfalls eine wichtige Information und damit eine eigene Machtquelle. Diese Überlegungen können Sie auch dazu führen, bei irritierenden Situationen nachzuschauen, ob andere glauben, dass Sie über einen Trumpf verfügen. Es ist interessant zu überlegen, was andere glauben, was Sie könnten, oder was andere Ihnen zutrauen. Was erwarten andere, was Sie als Nächstes tun? Das kann Ihnen helfen zu identifizieren, welches Spiel im Gang ist. Sie müssen entscheiden, ob Ihnen dieses Spiel gefällt oder nicht. Nicht alle wollen alle Spiele spielen. Letztlich entscheiden Sie, bei welchen Spielen Sie mitspielen. Manche Spiele spielen Sie nicht gern und manche spielen Sie nicht gut. Einige Spiele sind Ihnen sogar zutiefst unsympathisch. Wenn Sie auf zweifelhafte Situationen treffen, müssen Sie abschätzen, was passiert, wenn Sie nicht mit Begeisterung mitspielen. In einem Fall können Sie problemlos aussteigen, ohne dass sich etwas Wesentliches ändert. Bei anderen haben Sie den Eindruck, dass Sie sich ausschließen, wenn Sie nicht mitspielen. In diesem Fall suchen Sie nach Mitspielmöglichkeiten, mit denen Sie sich einigermaßen wohl fühlen und die Ihre Wertvorstellungen nicht verletzen. Wenn die Widersprüche groß werden und Ihnen die Machtquellen fehlen, ein neues Spiel zu installieren, stehen Sie vor der Situation: Mitspielen oder Aussteigen – beides hat einen hohen Preis. Sie werden entscheiden, welchen Preis Sie zu bezahlen haben.
1.6 Persönliche Ziele und Spielziele
Strategie und Spiel
Die Beteiligten können und müssen zwischen den Gewinnstrategien, die das laufende Spiel bietet, wählen. Für den Fall, dass sie über genügend Ressourcen verfügen, können sie auch gegen das Spiel spielen, d. h. eine Strategie annehmen, die zumindest kurzfristig Verluste bringt. Dies in der Hoffnung oder mit dem Ziel, dass sich das Blatt zu ihren Gunsten wenden wird. Diese Spiele bleiben immer wieder offen, und der Zwang, den sie auf die Mitspielenden ausüben, wirkt indirekt: Der Zwang ist das Ergebnis der Tatsache, dass Mitspielende eine der vorgesehenen Gewinnstrategien annehmen müssen, solange sie das Spiel fortsetzen wollen. Mit ihrer Entscheidung weiterzuspielen, wollen sie gleichzeitig sicherstellen, dass ihre Teilnahme am Spiel ihnen als Einzelperson auch Vorteile bringt. Damit sind sie aktive Mitspielende und tragen – nolens volens – zur Erreichung der Gesamtziele bei.
17 1.6 · Strategie und Spiel
Wenn aber die Spiele nicht automatisch oder natürlicherweise entstehen, brauchen die Mitspielenden einen Grund, sie zu installieren. Sie brauchen die Einsicht, dass sie eine bestimmte Situation nicht allein lösen können, sondern eine Zusammenarbeit dafür nötig ist. Crozier und Friedberg gehen davon aus, dass sich es dabei »immer um ein Bündnis von Menschen gegen die Natur handelt, mit dem Ziel, materielle Probleme zu lösen« (Crozier u. Friedberg, 1993). Die zu diesem Zweck erfundenen Konstrukte, d. h. die Spiele, die dafür installiert werden, definieren und strukturieren diese Probleme um. Sie können aber von den materiellen Problemen nicht völlig abstrahiert werden. Ebenfalls stets präsent bleibt die Ungewissheit in der gesamten Situation, weil alle Mitspielenden immer einen Handlungsspielraum haben, den sie jederzeit neu gestalten können. Ebenso wichtig wie der bewusste Umgang mit dem »Rohstoff« Macht ist, ist der bewusste Umgang mit den Strategien. Alle Spiele haben bestimmte Gewinnchancen. Diese zeigen sich in unterschiedlichen Phasen sehr verschieden. Es ist deshalb wichtig, die Mitspielenden zu beobachten, ihren Einsatz und ihre Ressourcen einzuschätzen und für sich selbst auch Klarheit über die Möglichkeiten zu verschaffen. Aufgrund dieser Einschätzungen kann z. B. in einer Partie Eishockey entschieden werden, ob auf das Tor geschossen werden soll oder ob ein Rückpass nötig ist. Nicht immer ist der Torschuss – die offensive Strategie – die Erfolg versprechende Handlung. Vielleicht sind Sie aber in der Situation, dass Sie dem gegnerischen Team zuerst den Puck wegschnappen müssen, d. h. Ihre defensive Strategie muss Vorrang haben. Alle Arten von Unsicherheitszonen, die wir schaffen, sind auch auf ihren Energieverschleiß hin zu prüfen: Wir dürfen uns nicht darin erschöpfen, Verwirrung zu stiften, abzulenken und Finten zu legen – irgendwann einmal kommt der Moment, in dem ein Abschluss gesucht werden muss; Die Zeit läuft sonst ab und wir müssen die Würfel weitergeben oder werden auf der Ziellinie abgefangen. Gutes Timing ist ebenfalls ein Element für eine erfolgreiche Strategie. Zusätzlich gilt es auch, das Potenzial der Regeln im Spiel strategisch zu nutzen. Spielregeln dienen nämlich nicht einzig und allein den Interessen der Mächtigen, die sie aufgestellt haben. Spielregeln sind auch ein Instrument aller an dem Spiel Beteiligten. Es ist deshalb klug, hin und wieder die geltenden Regeln genau zu studieren und mit den eigenen strategischen Möglichkeiten abzutasten. Mittlerweile gibt es in den Sozialwissenschaften einen Zweig, der sich mit strategischem Entscheiden befasst, die Spieltheorie. Die Spieltheorie geht – sehr vereinfacht – davon aus, dass sich im Wesentlichen zwei gegenüber stehen und beide entscheiden, was sie als Nächstes tun, um ihr Konzept umzusetzen oder um die Person gegenüber aus dem Spiel zu werfen. Dafür muss das Spiel in seiner Art erkannt sein. Es werden Nullsummenspiele und Spiele mit sequenziellen oder simultanen Zügen unterschieden. Daraus ergeben sich verschiedene Varianten von Strategien: dominante und dominierte Strategien. Es ist jeweils zu überlegen und zu berechnen, mit welcher Strategie die Gewinnchancen höher sind. Diese Art des Vorgehens wird in diesem Buch nicht weiter ausgeführt (weiterführende Literatur dazu Literaturverzeichnis). Eine Überlegung hilft zum Verständnis aus folgendem Grund: Die Spiel-
Bewusster Umgang mit Strategien
Spieltheorie
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Kapitel 1 · Wie bekommen Sie den Durchblick?
theorie kämpft verständlicherweise damit, dass das Verhalten der Menschen nicht zu einhundert Prozent berechenbar ist. Sie versucht deshalb, die Unberechenbarkeit nicht einfach zu verdrängen, was Resultate weit ab von der Realität erbrächte, sondern sucht nach einem jeweils »richtigen Grad der Unberechenbarkeit«. Auch dies erscheint in unserem Zusammenhang nicht zielführend, ist doch die Bearbeitung der eigenen Unsicherheitszonen und das Erkennen der anderen eine wesentliche strategische Komponente, die immer kontingent, nämlich situationsbezogen, beurteilt werden muss.
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1.7 Welche Spiele werden gespielt und nach welchen Regeln?
Irritierender Umgang mit Trümpfen
Wer Trümpfe nicht ausspielt …
Strategische Organisationsanalyse
Wenn Sie eine strategische Analyse machen, fragen Sie sich, was für Spiele aktuell gespielt werden. Denken Sie immer zuerst an die offiziellen Spiele, die den Charakter der Organisation auch offiziell prägen. Erweitern Sie den Blick auf die inoffiziellen Spiele, die vielleicht nicht in der gesamten Organisation, aber in Teilen davon gespielt werden. Anschließend machen Sie sich Gedanken darüber, nach welchen Spielregeln – offiziell und inoffiziell – gespielt wird. Um herauszufinden, welche Gewinnmöglichkeiten Sie im Spiel bekommen können, beobachten Sie, wer von den Mitspielenden sich in diesen Spielen gut bewegen kann; diese Personen haben Trümpfe in der Hand. Oft haben gerade Frauen die tollsten Torchancen, aber sie schießen ihre Tore nicht. Alle Mitspielenden erwarten jederzeit, dass der Torschuss kommt. Die Frau war sich nicht im Klaren, dass Fußball angesagt war. Sie befand sich in einem anderen Spiel. Sie realisierte nicht, dass hier für sie ein Elfmeter aufgelegt war. Sie hatte den Trumpf, aber sie spielte ihn nicht aus. Diese Situation verunsichert v. a. Männer außerordentlich. Sie identifizieren meist schneller, wo die Trümpfe sind, und setzen diese auch gezielt für sich ein. Trümpfe, die im Ärmel warten, wirken wie eine permanente Drohung im Raum: Sie könnten jederzeit aus dem Ärmel gezogen werden. Wer den Ärmel voller Trümpfe hat, davon aber nicht ab und an einen einsetzt, ist für die Mitspielenden nicht interpretierbar. Niemand versteht, weshalb diese Trümpfe nicht ins Spiel gebracht werden. Alle erwarten, dass nach den Regeln gespielt wird und Interesse besteht, ab und zu eine Runde zu gewinnen. Dazu verhelfen die Trümpfe. Wenn diese nicht zum Einsatz gebracht werden, kommen Zweifel auf, ob Sie wissen, welches Spiel läuft. Wenn Sie diese Zweifel nicht ausräumen können und ein/e überzeugende/r Mitspieler/in sind, werden sie über kurz oder lang aus dem Spiel gedrängt. Wer nicht weiß, was gespielt wird, ist für seine/ihre Mitspielenden ein absoluter Unsicherheitsfaktor, weil sein/ihr Verhalten auf keine Art und Weise eingeschätzt werden kann: Sie kreieren auf diese Weise nicht nur Unsicherheitszonen, Sie sind als Ganzes eine Unsicherheitszone. Wenn eine Frau einen Trumpf hat und den bewusst nicht ausspielt, meint sie dies vielleicht als Friedensangebot. Sie kann damit z. B. zeigen, dass sie nicht unter allen Umständen einen Erfolg verbuchen und damit Verlierende schaffen will. Sie sagt sich vielleicht, dass sie schon die drei letzten Runden gewonnen hat und sich jetzt zurückhält, bis jemand anders auch wieder auf
19 1.7 · Strategische Organisationsanalyse
der Siegesstraße ist. Wenn allen gleichzeitig klar ist, dass sie dies tut, mit dem Ärmel voller Trümpfe, produziert sie zumindest eine Glaubenskrise: Glauben die Mitspielenden, dass sie sich zurückhalten wird? Hätten sie die Möglichkeit, sie auf diese Zurückhaltung festzunageln oder müssen sie ihrer Aussage trauen – auf die Gefahr hin, dass sie sich doch nicht an die gemachte Ansage hält? Je nachdem, wie sie sich entscheidet, liegt sie mit einem derartigen »Friedensangebot« quer in der Spiellandschaft. Wenn Sie einen Trumpf nicht für sich selbst einsetzen, könnte ja auch die Frage auftauchen, für wen dann? Vielleicht drücken sich damit Allianz-Angebote oder bestehende Allianzen aus. Wenn Sie gezielt andere von Ihren Trümpfen profitieren lassen, schaffen Sie sich eine spezielle Position im Spiel: Sie streben nicht eindeutig und jederzeit selbst das Spielziel an, sondern unterstützen andere dabei. Das lässt darauf schließen, dass Sie so mächtig sind, dass Sie auch hin und wieder auf einen Teilsieg verzichten können. Sofort taucht dann aber die Frage auf, was für einen Preis die so Unterstützten im Spiel zu zahlen haben. Darüber dürften ein paar weitere Spielrunden Aufschluss geben. Wer hat welche Trümpfe in welchen Spielen? Das ist nicht immer auf Anhieb klar. Machtquellen sind ungleich verteilt. Nicht jede Machtquelle ist in allen Spielen gleich wirksam. Das »Nutzen der organisationellen Regeln« setzt voraus, dass Sie das Spiel erkannt haben und nun beobachten können, wer wie mit den Regeln umgeht. Wer hält sie immer ein? Wer bewegt sich mit den Regeln wie ein Fisch im Wasser? Wer kann es sich leisten, ab und zu eine Regel zu seinen/ihren eigenen Gunsten zu dehnen? Wer bricht Regeln, ohne dass etwas passiert? Wer ignoriert das ganze Spiel und bringt ein neues Spiel, auf das die anderen einschwenken? Erkenntnisse aus diesen Beobachtungen zeigen, wie mächtig die Mitspielenden sind. Um einschätzen zu können, wie die Organisation z. Z. läuft, sind zusätzliche Beobachtungen darüber hilfreich, wer welchen Nutzen aus dem jeweiligen Verhalten zieht. Wer strebt einen Solosieg an? Wer opfert sich für eine/n Mitspielende/n? Wer versucht, sich eine gute Ausgangslage für später aufzubauen? Wer hat einen schnellen Sieg im Kopf? Wer hat nicht den eigenen Vorteil, sondern den Nachteil anderer im Sinn? Wer will sich lediglich fit halten? Wer spielt gelangweilt mit? Solche Beobachtungen helfen, Vorgänge zu erklären. Sie führen auch dazu, dass Sie Ihre eigene Position und Ihre eigenen Möglichkeiten in den Blick bekommen. Beispiele für strategische Organisationsanalysen und Ideen für konkrete Umsetzungen finden sich in Kap. 3. Zunächst wird aber das Thema Spiel ausführlicher dargelegt, weil es das zentrale Element in dieser Organisationsanalyse darstellt.
Umgang mit Regeln
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2 Das Spiel als wesentliches Orientierungselement 2.1
Wie können wir feststellen, dass gespielt wird?
– 23
2.2
Spielen hat Laborcharakter
2.3
Im Spiel werden nicht ausschließlich hohe menschliche Werte gefordert – 28
2.4
Neues Spiel – neues Glück
2.5
Zwei Spezialfälle
– 28
– 30
– 30
2.5.1 Sport – 30 Teamspiele – 31 2.5.2 Computerspiele – 31
2.6
Was das Spielen attraktiv macht
– 33
2.7
Was das Spiel verdirbt
2.8
Wie stehen Spiele und Spielchen zueinander?
2.9
Das Verhältnis von Spiel und Ernst
– 36
– 40
2.10 Wann verhindert ein Konflikt das Spiel?
– 42
– 39
22
Kapitel 2 · Das Spiel als wesentliches Orientierungselement
2 Mit Spielen strukturieren und regulieren Menschen ihre Machtbeziehungen
Dass Macht, Strategie und das Verhältnis zur Umwelt unsere Bewegungsmöglichkeiten stark beeinflussen, ist schon vielfach besprochen worden. Dass aber das Spiel eine zentrale Rolle spielt, ist noch wenig bekannt. Dabei ist klar, dass die Spielenden selbst und ihre Verhältnisse untereinander ins Blickfeld geholt und verstanden werden sollen. Crozier und Friedberg werden an dieser Stelle mit der folgenden zentralen Aussage zitiert: Die neue Problemstellung, die wir vorschlagen, beruht auf dem Spielbegriff. Es handelt sich dabei nicht um einen Wechsel des Vokabulars, sondern der Logik. Anstatt uns an eine Reihe wohl bestimmter Begriffe wie Struktur, Rolle, Person, zu halten, die die von uns als wesentlich erachteten Phänomene der Beziehungen und Verhandlungen, der Macht und gegenseitigen Abhängigkeit, nicht zu erfassen erlauben, konzentrieren wir uns auf die Integrationsmechanismen eben dieser Phänomene. Das Spiel ist für uns viel mehr als ein Bild, es ist ein konkreter Mechanismus, mit dessen Hilfe die Menschen ihre Machtbeziehungen strukturieren und regulieren und sich doch dabei Freiheit lassen (Crozier u. Friedberg, 1993, S. 68).
Spielen ist universell
Im Spiel, aber in welchem?
Auf der ganzen Welt wird gespielt, alle Kinder wachsen mit Spielen auf. Spielen ist eine universelle Angelegenheit. Nicht alle Spiele sind universell, aber die Tatsache, dass gespielt wird, finden wir überall auf der Welt. Spiele entstehen, indem die Beteiligten ausmachen, dass sie etwas spielen möchten. Anschließend kommt die Frage, was gespielt werden soll. Dies ist ein Aushandlungsprozess. Die verschiedenen Vorlieben und Wünsche werden gegeneinander abgewogen und es kommt eine Einigung zustande. Wenn klar ist, was gespielt werden soll, folgt ein weiterer Aushandlungsprozess, nämlich zur Frage, nach welchen Regeln gespielt wird – was gilt. Erinnern Sie sich an Ihre letzte Begegnung mit einem dreijährigen Kind? Wenn Sie dem Kind sympathisch sind und Sie beide Zeit haben, bekommen Sie vielleicht eine Einladung zum Spiel. Stimmen Sie zu, erhalten Sie sofort die ersten Anweisungen: Stell dich dort drüben hin, nimm diesen Stock. Vielleicht verstehen Sie noch nicht ganz, worauf das Spiel abzielt (das Kind möglicherweise auch noch nicht). Da Sie aber gesagt haben, dass Sie mitspielen, werden Sie diese Anweisungen ausführen. Als nächstes wird das Kind überlegen, was es selbst tun wird. Kommentierend wird es auch einen Platz einnehmen und sich in ein Verhältnis zu Ihnen stellen. Dann wird in irgendeiner Art und Weise ein Austausch organisiert: Sie machen etwas, während das Kind das Gleiche oder etwas anderes tut. Oder das Kind macht etwas und anschließend sind Sie eingeladen, eine weitere Handlung vorzuschlagen. Vielleicht ist Ihnen zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht ganz klar, wie das Spiel genau geht. Das Wesentliche ist aber schon im Gang: Sie bewegen sich nach den Plänen einer anderen Person. Das Kind testet aus, was Sie alles mitmachen. Sie können auch versuchen, sich nicht plangemäß zu verhalten. Je nachdem wird dann Ihre Änderung aufgenommen oder Ihr »Fehlverhalten« kritisiert und die Einhaltung der Vorgabe gefordert. Das Kind beobachtet, was sich abspielt und ist dabei, bis das Interesse nachlässt oder sich eine
23 2.1 · Wie können wir feststellen, dass gespielt wird?
andere Priorität ergibt. Auch Sie haben die Möglichkeit, sich aus diesem Arrangement wieder zurückzuziehen. Vielleicht ist das Spiel zu Ende und Sie wissen immer noch nicht, was genau gespielt wurde. Sie haben aber klar den Eindruck, dass Sie im Spiel dieses Kindes mit von der Partie waren. Dieses Gefühl, mit von der Partie zu sein, aber nicht zu wissen, was gespielt wird, taucht im Erwachsenenleben immer wieder auf. Kinder gestalten ihr Zusammensein sehr schnell als Spiel. Sie sind auch erfinderisch. Sie stellen Regeln auf, wer was wie zu tun hat, und geben diesem Regelgebäude einen Namen. Vielleicht ist es auch eine Aufgabe, die ihnen von Mutter oder Vater gestellt wurde, die sie in einen regelhaften Ablauf bringen. Wenn die Regeln eines Spiels ausgehandelt sind, geht es darum, diese umzusetzen. Alle wollen selber im Spiel sein und gleichzeitig darauf achten, dass die anderen sich auch in diesem Rahmen bewegen. Dabei orientieren sie sich daran, was ihnen von den Erwachsenen vorgelebt wird. Inspiration beziehen sie aus der sie umgebenden Natur und Kultur. Wenn ein solches Regelgebäude nur einmal gespielt wird, bleibt es einzigartig. Wird es von anderen angenommen, entstehen Spiele, die nachgespielt und damit allgemein bekannt werden. In unseren Breitengraden gibt es eine Reihe von Spielen, die einigermaßen bekannt sind. Dies geht von Kinder- und Singspielen über traditionelle Karten- und Brettspiele bis hin zu Computerspielen. Jedes Jahr kommen neue Spiele dazu. Wenn sich diese bewähren, etablieren sie sich; wenn nicht, geraten sie schnell in Vergessenheit.
2.1
Wie können wir feststellen, dass gespielt wird?
Ein Spiel spielen ist etwas Besonderes im gewöhnlichen Tagesablauf. Entweder Sie schlagen selbst vor, dass gespielt werden soll, oder Sie werden zu einem Spiel eingeladen. Sie haben tausend Gründe um mitzumachen und tausend Gründe, um genau zu diesem Zeitpunkt, mit diesen Leuten, nicht dieses Spiel zu spielen. Es ist auch klar, dass das Spiel ein Ende hat. Dieses Ende kann im Voraus bestimmt sein oder durch einen übereinstimmenden oder einseitigen Entscheid herbeigeführt werden. Im Unterschied dazu haben Sie nicht die Wahl, das Leben kurzfristig auszusetzen, um es irgendwann wieder weiterzuleben. Das Leben ist ein Kontinuum. Der Beschluss zu spielen muss auch beinhalten zu entscheiden, welches Spiel gespielt werden soll. Spielen wir Fangen, Verstecken oder Federball? Mit der Wahl des Spiels sind die Grundregeln klar: Beim Federball hat jede Person einen Schläger und alle gemeinsam einen Federball. Wie sportlich präzise das Ganze wird, ist Gegenstand von Abmachungen. Wenn wir unter Nachbarinnen und Nachbarn spielen, könnten die Regeln lauten: Wir zählen je einen Punkt, wenn der Federball zu Boden fällt. Wir zählen, wie viele Male wir den Federball hin- und her schlagen können. Es schlägt auf, wer dem Federball am nächsten ist. Wir spielen, so lange wir Lust haben. Wir haben (k)ein Netz. Auf beiden Seiten stehen so viele Mitspielende, wie wir im Moment gewinnen können usw. Wichtig ist, dass die Regeln bekannt sind und die Spielenden sich grundsätzlich daran halten wollen. Tauchen während des Spiels Unklarheiten auf, führt dies zu Diskussionen, die auch zu Aus-
Grundsätzlich ist die Teilnahme an einem Spiel freiwillig und begrenzt
Spiele haben Regeln
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Kapitel 2 · Das Spiel als wesentliches Orientierungselement
2
Das Spielsetting
Wer ist mit von der Partie?
einandersetzungen führen können. Die Regeln klären, wie das Spiel verlaufen wird. Zusätzlich ist es von Vorteil, wenn die Beteiligten sich darüber einigen, was für eine Spielhaltung eingenommen werden soll. Sind alle dafür, das Spiel locker zu sehen oder soll akribisch exakt nach den Regeln gespielt werden? Wird ernsthaft gespielt oder ist schlaues Schummeln erwünscht? Spielen wir um Geld oder zum Vergnügen? Es ist klug, sich zu Beginn des Spiels darüber zu einigen. Stellt sich während des Spiels heraus, dass unterschiedliche Auffassungen bestehen, kann dies zu Unstimmigkeiten führen. Jedes Spiel hat ein bestimmtes Setting. So kann z. B. Wasserball nur im Wasser gespielt werden, Tennis wird auf Sand-, Rasen- oder einem Hartplatz gespielt und Ski läuft man meistens auf Schnee. Bei einigen Spielen benötigt man bestimmte Geräte. In vielen Sportarten sind Bälle in unterschiedlichen Größen, aus unterschiedlichen Materialien und von unterschiedlichem Gewicht gefragt. Weiter werden bestimmte Utensilien wie Uhren, Startpflöcke usw. gebraucht. In anderen Spielen sind Spielkarten, Bretter, Würfel, etwas zum Aufschreiben usw. nötig. Je ernsthafter das Spiel gespielt wird, desto genauer wird das Spielsetting eingehalten. Wenn wir zu sechst in einer Silvesternacht zu unserem Vergnügen das Schokoladenspiel spielen, brauchen wir dazu eine Tafel Schokolade, Messer und Gabel, einen Würfel und ein paar Ausstattungsstücke. Das können eine Mütze, ein Schal, eine Krawatte, Handschuhe, Stiefel, nur ein Teil davon oder noch andere Stücke sein. Wer eine sechs würfelt, zieht sich so schnell es geht alle vorgeschriebenen Kleidungsstücke an und beginnt mit Messer und Gabel die Schokolade auszupacken und zu essen, so lange bis eine andere Person eine sechs würfelt. Gehen wir aber zu sechst zu einer Jodelkonkurrenz, wird – neben der Qualität unserer musikalischen Darbietung – auch die Korrektheit unserer Trachtenkleidung (von den Schuhen bis zum Kopfschmuck) bewertet. Das Spielsetting grenzt sich in der einen oder anderen Art immer von der Alltagssituation ab. Da Spielen eine universelles menschliches Verhalten ist, können grundsätzlich alle an einem Spiel teilnehmen. Es spielen aber nicht immer alle mit allen alle Spiele. Was können die Hintergründe dafür sein? Der erste ist sicher der Wille einer Spielerin oder eines Spielers, nicht mitspielen zu wollen. Sie schlagen ein Spielangebot aus, weil Ihnen das Spiel nicht gefällt oder weil Ihnen die Mitspielenden nicht passen. Es kann auch sein, dass Sie im Moment nicht in Spiellaune sind oder Ihnen ein spezifisches Können für das Spiel fehlt. Bei diesem Können kann es sich um Kenntnisse des Spiels und seiner Regeln handeln oder auch um Fähigkeiten gehen, die es Ihnen erlauben, gut mitzuspielen. Wenn Sie eingeladen werden, an einem Fußballmatch in einem Team mitzuspielen werden Sie, wenn Sie einen verstauchten Fuß haben, – wohl oder übel – besser absagen. Ein weiterer Grund nicht mitzuspielen könnte sein, dass die anderen Mitspielenden Sie nicht mit dabei haben wollen. Sind Sie z. B. Anfängerin oder Anfänger und werden nicht wirklich erwünscht, liegt es vermutlich daran, dass ein gewisses Spielniveau vorausgesetzt wird. Wird von den anderen festgestellt, dass Ihre Voraussetzungen nicht genügen, wird auf Ihr Mitspielen
25 2.1 · Wie können wir feststellen, dass gespielt wird?
verzichtet. Der Wille der anderen zählt ebenso stark wie Ihr eigener. Man schätzt gegenseitig ein, wer wie gut im Spiel ist. Wie angenehm ist Ihre Präsenz für die Runde? Was handeln wir uns mit Ihnen als Mitspieler oder Mitspielerin ein? Wir laden Leute aufgrund unserer Einschätzung zum Mitspielen ein oder sagen Einladungen zum Mitspielen ab. Oft besteht bereits in einem anderen Zusammenhang ein Team (Familie, Nachbarschaft, Arbeitsplatz, Verein usw.), das sich die Frage stellt, ob gespielt werden soll. Wer mit von der Partie sein wird, ist grundsätzlich bereits definiert. Um nicht ins Spiel mit einbezogen zu werden, muss eine Einzelperson aktiv aussteigen. In bestimmten Situationen werden klare Bedingungen zum Mitmachen vorausgesetzt: ein bestimmtes Mindest- oder Höchstalter, das eine oder andere Geschlecht, eine Mindestleistung, die Teilnahme an Ausscheidungsverfahren usw. Diese Faktoren werden als Zulassungs- bzw. Ausschlussgründe definiert. Sie wirken, ob sie offiziell ausgesprochen oder nur informell angewendet werden. Die Spieldauer kann sehr unterschiedlich sein. Bei einer Gruppe von Spielen, z. B. vielen sportlichen Teamspielen, ist die Spieldauer genau angegeben. Fußball kennt zwei Spielhälften zu je 45 Minuten. Eishockey wird dreimal 20 Minuten gespielt, wobei die Zeit nur läuft, wenn der Puck im Spiel ist. Das Eishockey-Beispiel zeigt, dass »Zeit« genau definiert werden muss. Ist die Zeit abgelaufen, wird das Spiel beendet. Der Spielstand am Schluss ist auch das Endresultat. Der Blick auf die Uhr ist in diesen Spielen wichtig, weil er anzeigt, wie nah bzw. fern der entscheidende Schlusspunkt – schon oder noch – ist. Andere Spiele gehen so lange, bis ein bestimmtes Ergebnis erreicht ist: Es kann verabredet werden, dass gespielt wird, bis alle Teams die Aufgabe gelöst haben. Damit ist das Spiel beendet und es wird bilanziert. Viele Spiele enden, weil z. B. alle Karten aufgebraucht sind. Bei Domino, Scrabble oder Carcaçonne kann es vorkommen, dass keine weiteren Steine oder Spielkarten mehr vorhanden sind. Bei Mühle oder Schach ist es möglich, dass ein/e Spieler/in keinen Zug mehr machen kann. Eine weitere Variante besteht darin, dass eine bestimmte Anzahl an Runden ausgemacht wird. Das ist z. B. oft bei Jass-Kartenspielen der Fall. Wer die meisten Runden gewonnen hat, ist Gesamtsieger/in. Es ist auch möglich, dass open end verabredet wird und gespielt wird, bis die Energie, die Kraft oder die Lust ausgeht. Viele Spiele dauern so lange, bis ein/e Mitspieler/in das Spiel mit einem bestimmten Spielzug beenden kann. Oft ist dieser Spielzug auch gleichbedeutend mit dem Gewinn der Runde. Bei UNO heißt dies z. B., als Erste/r der Runde die letzte Karte auf den Stapel zu legen. Bei Rommé wird, wenn das ganze Blatt zusammen passt, die überzählige Karte umgedreht auf den Stapel gelegt. Bei der Versteck-Variante Schiitli Verbannis wird die Suchrunde dann beendet, wenn es einer Person gelingt, aus dem Versteck heraus zu kommen und am Ziel die Pyramide aus drei Holzscheiten mit einem Tritt zu zerstören. Beim Wort erraten wird der Schlusspunkt gesetzt, wenn die fragende Person durch die Person, die errät, mit einem Ball getroffen wird. Die-
Spieldauer
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Kapitel 2 · Das Spiel als wesentliches Orientierungselement
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Positionen im Spiel, Rollen im Zusammenhang mit dem Spiel
Spielziel
se Schlusspunkte haben für die Gewinnerin oder den Gewinner einen durchaus triumphalen Aspekt – oft ist dies auch hörbar. Weniger spektakulär ist das Spielende, wenn das Spielziel ( weiter unten) erreicht ist, aber das Ende nicht mit einer einzelnen Handlung verbunden ist, die auch den Sieg darstellt. Zu Beginn eines Spiels kann folglich nicht geplant werden, wie lange das Spiel dauert bzw. wie lange insgesamt gespielt wird. Je nach Spiel sind auch unterschiedliche Positionen zu besetzen. Gleichwertig sind z. B. beim Versteckspiel die Personen, die suchen, und diejenigen, die sich verstecken; beim Fangen, die fangende und die fliehende Person. Beim Monopoly gibt es die Mitspielenden, und falls eine Person nicht spielen will, kann diese die Bank betreuen. In vielen Sportarten gibt es neben den Spielenden eine/n Schiedsrichter/in, die/der unparteiisch dafür sorgt, dass alle die Regeln gleichermaßen einhalten. Oft bildet sich rund um ein Spiel eine ganze Entourage. Beim Poker sind dies zusätzlich zu den Spielenden, die Kartenbank, die Zuschauenden und die Whiskey-Servierenden. Je nach Situation können (wollen) Sie sich in eine bestimmte Position bringen, weil diese Ihnen am besten dazu verhilft, Ihre Ziele anzupeilen. Vielleicht möchten Sie auch eine bestimmte Rolle meiden, weil sie Ihnen gar nicht behagt. Sie werden immer wieder die Gelegenheit finden, über Positionen und Rollen zu verhandeln, weil es den anderen Beteiligten ebenso ergeht. Zu Beginn des Spiels verständigen sich die Beteiligten über das Spielziel. Es wird dabei genau definiert, was Siegen heißt. Es gewinnt z. B., wer der oder die Erste ist. Im 100m-Rennen kann das heißen, als Erste/r über die Ziellinie zu rennen, oder bei Mensch ärgere dich nicht als Erste/r alle vier Figürchen im eigenen Haus zu haben. Bei einer anderen Gruppe von Spielen wird der Sieg gemessen. Beim Fußball gewinnt, wer die meisten Tore schießt. Bei Fang den Hut gewinnt, wer die meisten fremde Hüte ins eigene Haus bringen kann. Beim Diskuswerfen siegt, wer den weitesten Wurf schafft. Umgekehrt gibt es Spiele, bei denen die/der Spieler/in gewinnt, die/der möglichst wenig hat. Bei Ligretto, Rommé, UNO werden Strafpunkte verteilt – wer am wenigsten hat, gewinnt. Es gibt Spiele, bei denen beurteilt wird, wie gut die Leistung ist: Die/der Spieler/in mit der besten Beurteilung gewinnt. So werden Jodelkonkurrenzen oder Eiskunstlaufen entschieden. Bei einer weiteren Gruppe von Spielen ist es das Ziel, die Rolle zu wechseln. Wer bei Fangen am Anfang die/der Fangende ist, versucht eine andere Person zu berühren und wird damit frei, selber wegzurennen, weil die andere Person nun fangen muss. Wer beim Spiel Blinde Kuh als »blinde Kuh« startet, versucht, mit verbundenen Augen eine Person zu packen und zu identifizieren. Gelingt dies, wird die Augenbinde weitergegeben und die erste Person wird sich ebenso wie die anderen Mitspielenden möglichst dem Zugriff der »blinden Kuh« entziehen. Bei Dreh dich nicht um, der Plumpsack geht um1 sitzen die Mitspielenden im Kreis und eine Person, der »Plump1
In der deutschsprachigen Schweiz wird dieses Spiel »Lueged nöd ume, de Fuchs gaht ume« genannt.
27 2.1 · Wie können wir feststellen, dass gespielt wird?
sack«, umkreist sie hinter ihrem Rücken. Sie/er hat einen Fetzen Stoff in der Hand und legt diesen – möglichst unauffällig – jemandem hinter den Rücken, während alle das Lied singen. Wird der Fetzen erspürt, springt diese Person auf und versucht, den »Plumpsack« rennend einzuholen. Gelingt dies, bleibt die Rolle des »Plumpsacks« bei der gleichen Person, wenn nicht, wechselt die Rolle. Wird das kleine Tuch nicht erspürt und der »Plumpsack« kann unbehelligt eine Runde drehen, wird diese Person zum »faulen Ei« und muss sich in den Kreis setzen. Je nach Absprache lösen sich die »faulen Eier« ab, so dass nur eine Person im Kreis sitzt. Bei der zweiten Variante wird das Spiel gespielt, bis nur noch zwei Personen übrig bleiben. Am Ende des Spiels geben alle »faulen Eier« ein Pfand ab, das mit großem Gaudi ausgelöst wird. Das »Plumpsack«-Spiel weist sehr unterschiedliche Positionen auf und ermöglicht diverse Positionswechsel. Ist das Spiel entschieden, wird es beendet. Das kann formlos geschehen, indem das Ergebnis festgestellt wird und die Runde sich auflöst. Es können aber auch feierlich Medaillen, Pokale oder Urkunden verteilt werden. Vielleicht wird die Gelegenheit genutzt, um vor vollen Tribünen eine Ehrenrunde zu machen. Bei Spielen mit Einsatz kann der Verlust eingezogen und der Gewinn ausbezahlt werden. Wer Schwarzer Peter wird, bekommt einen schwarzen Schnurrbart geschminkt oder wer ein Pfand abgeben musste, wird es auslösen. Spielergebnisse müssen aber nicht logisch aus dem Charakter des Spiels hervorgehen. So kann bestimmt werden, dass wer gewonnen (verloren) hat, mit der nächsten Runde beginnen dürfe (müsse). Es können auch weitere Vereinbarungen mit dem Spielausgang verknüpft sein. Es kann verabredet werden, dass wer gewinnt, zuerst unter die Dusche gehen darf, während die Verliererin oder der Verlierer aufräumen muss. Bekannt sind auch Abmachungen, wie »Wer verliert, spendiert eine Runde« oder »Wer gewinnt, lädt die nächste Spielrunde zu sich ein«. Werden solche Spielergebnisse vereinbart, gilt für die Mitspielenden, dass sie sich auch daran halten sollen. Sie gehören mit in den Regelkanon des Spiels. Wer sich darüber hinwegsetzt, verletzt die Regeln. Nichts ist langweiliger als ein Spiel, bei dem praktisch alles festgelegt ist. Im Leiterspiel wird reihum gewürfelt und das eigene Figürchen in einer Richtung gemäß Augenzahl vorwärts geschoben. Alle Unregelmäßigkeiten ergeben sich aus den Bildern auf dem Brett, die Spielenden haben keine Wahl. Sie dürfen keine Runde auslassen, nicht die Richtung wechseln usw. Deshalb gewinnt mit Sicherheit, wer Würfelglück hat. Spiele werden dann interessant, wenn zwar der Rahmen und das Ziel klar sind, aber die Wege, dieses Ziel zu erreichen, von den Überlegungen der Mitspielenden bestimmt werden. So wählt jede/r Mitspielende, ob sie/er offensiv oder defensiv spielt. Im Weiteren halten alle ihre Überlegungen geheim und schaffen damit Unsicherheitszonen. Neben den eigenen Spielzügen sind deshalb auch die Spielzüge der anderen zu beobachten und in die Überlegungen einzubeziehen.
Spielergebnis
Spielzüge
2
28
Kapitel 2 · Das Spiel als wesentliches Orientierungselement
2.2
2
Während des Spiels sind die Abläufe verdichtet
Verdichtete Abläufe ermöglichen einen großen Lerneffekt
Wenn wir spielen, ist klar, was die Mitspielenden zu tun haben. Es ist auch klar, wann sie dies zu tun haben. Allzu viel Verzögerung ist nicht möglich, da sonst der Spielrahmen auseinander fällt. Auf diese Weise bekommt das Spiel einen gewissen Laborcharakter für Ihre Überlegungen zu den Spielzügen. Wenn Sie eine bestimmte Strategie anwenden, erfahren Sie in absehbarer Zeit – oft sogar umgehend –, was die Strategie für eine Wirkung entfalten kann. Damit berechenbar wird, wann das Spiel endet, gibt es auch Bestimmungen, dass Spielzüge bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gemacht werden müssen. Weil sich zum Beispiel im Schach die beiden Spielenden gern viel Zeit für den nächsten Zug nehmen, wird eine Uhr eingesetzt. Zu Beginn wird vereinbart, wie viel Zeit zum Nachdenken eingesetzt wird. Während des Nachdenkens läuft eine Uhr, die mit dem eigenen Schachzug auf die/den Gegner/in umgestellt wird. Wird die Zeit insgesamt von einer Person überschritten, hat sie die Partie verloren. Bei den meisten Brettspielen kommen die Spielenden reihum zum Würfeln, Stein ziehen, Karte nehmen usw. Das muss so rasch gehen, dass das Spiel im Fluss bleibt, sonst verliert es seine Spannung. Im gewöhnlichen Leben entwickeln sich die Verhältnisse nicht immer so zügig, weil der Rahmen des Lebens sehr viel weiter ist und das Leben viel mehr Unwägbarkeiten enthält. Die verdichtete Situation im Spiel ergibt einen großen Lerneffekt: Sie erlaubt, dass Sie die Wirkung einer Strategie testen, die Sie lange und konsequent anwenden. Sie können auch beobachten, welche Reaktionen auf wechselnde Strategien erfolgen. Spiele haben sehr oft so kurze Sequenzen, dass dieses Ausprobieren ständig geschehen kann. Im Jass2 wird zum Beispiel beim Schieber auf 1500 Punkte gespielt. Die 36 Karten werden so oft an die vier Mitspielenden verteilt und ausgespielt, bis die Schlusspunktzahl erreicht ist. In jeder Runde versuchen alle, von den 157 möglichen Punkten, mit den aktuellen Karten eine maximale Punktzahl zu erreichen. Eine Runde dauert zwischen 2 und max. 5 Minuten.
2.3
Tugenden sind im Spiel oft nicht gefragt…
Spielen hat Laborcharakter
Im Spiel werden nicht ausschließlich hohe menschliche Werte gefordert
Im täglichen Leben hat jede Person eine klare Vorstellung davon, was für ein Verhalten sie für wünschenswert und tolerabel hält. Diese Vorstellungen sind sowohl historisch gewachsen als auch regional, schicht- und geschlechtsspezifisch. Wenn ein Verhalten von Ihnen verlangt wird, das nicht in dieses Bild passt, kommen Sie in eine moralische Zwickmühle: Sie müssen sich entscheiden, was Sie in diesem Dilemma tun. Im Spiel sind viele menschliche Tugenden unnütz. Oft ist gemeines Verhalten nicht nur nützlich, sondern sogar als Spielregel vorgeschrieben. Zum Beispiel ist die Tugend der Rücksicht in den meisten Spielen völlig fehl am 2
Jass heißt in Deutschland Doppelkopf
29 2.3 · Im Spiel werden nicht ausschließlich hohe menschliche Werte gefordert
Platz: Wer die Möglichkeit hat, der gegnerischen Seite im Schach die Dame ohne eigene Gefahr zu schlagen und sie nicht nutzt, vergibt sich klar Gewinnchancen. Wer die Mühle mit drei Steinen schließt, muss nach der Regel der anderen Person einen Stein aus dem Spiel entfernen. Wer das nicht tut, spielt nicht nach der Regel. Natürlich freut sich niemand, wenn die Dame geschlagen oder ein Stein aus dem Spiel genommen wird, im Gegenteil: Bedauern und Ärger werden zum Ausdruck gebracht. Trotzdem wird niemand erwarten, dass in einer solchen Spielsituation Rücksicht genommen wird. Das Spielziel ist von allen Mitspielenden anerkannt und der Weg dorthin klar. Auch Treue und Verlässlichkeit werden in vielen Spielen systematisch verraten: Bei Malefiz versuchen die Mitspielenden, eines der Figürchen ihrer Farbe als Erstes ins Zielfeld zu bringen. Mobile Barrieren werden durch exaktes Erwürfeln frei verfügbar. Rot überlegt sich, wer dem Sieg bereits am nächsten ist und setzt die Barriere entsprechend. Wenn dies bisher Grün war und Rot mit Blau und Gelb zusammen gegen Grün gespielt hat, die beste Stellung aber zu Blau wechselt, wird Rot entsprechend die Barriere vor Blau legen. Damit wird von einem zum anderen Moment die Allianz gewechselt, um die eigenen Gewinnaussichten intakt zu halten. Handelt Rot nicht so, opfert sich Rot für Blau auf, was im Spiel nicht eingeplant ist. Wenn Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann gespielt wird, startet eine einzelne Person als »schwarzer Mann« gegen alle anderen. Fängt er jemanden, wechselt diese Person sofort die Position und unterstützt den »schwarzen Mann« beim Fangen. Dieser Wechsel findet ohne Zeitverzögerung statt. Niemand wirft dieser positionswechselnden Person Wankelmütigkeit vor, niemand erwartet von ihr Beständigkeit. In manchen Spielen wird das Bedürfnis nach Wahrhaftigkeit sehr strapaziert. Wenn das Kartenspiel Lügen gespielt wird, gelten die folgenden Regeln: Alle Teilnehmenden haben einen Stapel Karten mit dem Rücken nach oben vor sich liegen und legen reihum – unbesehen – die nächste Karte verdeckt auf die offen daliegende Farbe mit der Behauptung, es sei ebenfalls die vorgegebene. Wer nicht glaubt, dass die vorangehende Person die richtige Farbe gelegt hat, deckt sie auf. Hat die Person »gelogen«, muss sie den Stapel zu sich nehmen; war die Ansage richtig, geht der Stapel an die misstrauende Person. Ziel des Spiels ist, als erste Person alle Karten los zu bekommen. Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert Mäxchen: 5 Pokerwürfel werden in einem Becher verdeckt geworfen. Die werfende Person darf sich die Würfel anschauen und der nächsten Person in der Runde den Becher vorsichtig mit einer Ansage weiterreichen. Glaubt diese die Ansage, hat sie ebenfalls die Möglichkeit, mit jedem Würfel einmal zu werfen, muss aber der nächsten Person eine höhere Ansage machen, sonst hat sie die Runde verloren. Glaubt sie die Ansage nicht, hebt sie den Becher hoch und kontrolliert: Bei richtiger Ansage verliert sie die Runde, bei falscher Ansage geht der negative Punkt an die Person mit falscher Ansage. Wer Bescheidenheit und Mäßigkeit als Werte hoch hält, kommt mit der Anwendung dieser Werte in vielen Spielen nicht weit. Wer großzügig Punkte verschenkt, wenn es das Ziel ist, möglichst viele Punkte zu machen, handelt gegen das Spielziel und wird von den Mitspielenden nicht verstanden.
… sie sind oft sogar kontraproduktiv
2
30
Kapitel 2 · Das Spiel als wesentliches Orientierungselement
Im Spiel werden also manche Tugenden nicht nur nicht gefördert, sondern tugendhaftes Verhalten kann sogar sehr hinderlich sein. Da Spiele ein Ziel haben, das mit bestimmten Spielzügen erreicht werden kann, ist es nicht nur erlaubt, sondern vorgeschrieben gegen die eine oder andere Tugend zu verstoßen. Trotzdem kommen keine grundsätzlichen Zweifel am Charakter der Spielenden auf.
2
2.4 Revanche!
Neues Spiel – neues Glück
Spiele und ihre Regeln sind für die Mitspielenden ausgehandelt und klar. Alle können beschreiben, wie ihr Spiel geht. Deshalb kann es – wenn nötig – unterbrochen und wieder aufgenommen werden. Das Spiel kann auch neu begonnen werden. Nicht wiederholt – aber neu aufgelegt. Diese Tatsache unterscheidet sich auch stark vom Gang des Lebens, in dem vieles einmalig ist. Dies bedeutet z. B. beim Kartenspielen, dass nicht die erste Runde schon die ausschlaggebende sein muss. Die Karten werden für eine zweite Runde neu gemischt und wieder verteilt. Alle haben wieder eine neue Chance. Irgendwann tritt natürlich jedes Spiel in die entscheidende Phase, in der über Sieg und Niederlage im ganzen Spiel entschieden wird. Wir befinden uns aber nicht permanent in dieser Entscheidungsphase. Und selbst wenn wir diese Partie verloren haben, besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Neuauflage. Wir können eine Revanche verlangen und versuchen, diesmal zu gewinnen. Dies hat etwas sehr Tröstliches. Neues Spiel – neues Glück.
2.5
Zwei Spezialfälle
2.5.1 Sport Olympisch spielen
Es gibt sehr viele unterschiedliche Sportarten. Eine Auswahl davon wird alle vier Jahre als Olympische Spiele ausgetragen. Die Wortgebung weist darauf hin, dass es sich um Spiele handelt. Vor allem Teamsportarten, in denen ein Ball gebraucht wird, werden »gespielt«: Fußball, Handball, Volleyball, Basketball, Eishockey, Rugby usw. Wenn trotzdem ein gewisser Zweifel aufkommt, ob es sich beim Sport um Spiele handelt, gilt es, die verschiedenen Komponenten der Spiele zu untersuchen und dann zu entscheiden. Sportarten kennen genaue Regeln. Soll z. B. eine Sportart olympisch werden, müssen diese Regeln sogar weltweit festgelegt und überall gleich gehandhabt werden. So werden Spielfeldgrößen, Beschaffenheit, Material und Gewicht von Geräten, Länge von Schwimmbecken oder Laufstrecken usw. vorgeschrieben. Weiter werden Qualifikationsregeln aufgestellt, mit denen ermittelt wird, wer an einem bestimmten Wettkampf teilnehmen darf: Damit wird auch klar, wer mit von der Partie ist. Dies gilt für die Olympischen Spiele, aber auch bei Wettkämpfen in viel kleinerem Rahmen sind jeweils die Vorgaben einzuhalten. Dass dies geschieht, dafür sorgt jeweils ein anerkanntes Team, das die Spiele leitet, und ein
31 2.5 · Zwei Spezialfälle
Komitee, das für die Organisation zuständig ist. Unter den Beteiligten gilt der Konsens, dass sie die Vorschriften anerkennen. Damit sind weitere Elemente, die ein Spiel charakterisieren, erfüllt. Zweifel kann aufkommen, wenn wir die Professionalität und den Kommerz betrachten, die einen Teil des Sports charakterisieren. Dadurch fällt auch das spielerische Element fast vollständig weg; da so viel Geld im Spiel, dass es wirklich bitterernst wird. Trotzdem geht es auch dann noch darum zu gewinnen. Mit offensiven und defensiven Strategien bemühen sich alle Beteiligten, den Wettbewerb für sich zu entscheiden. Dass dazu teilweise tägliches Training notwendig ist, das von professionellen Teams gestaltet und überwacht wird, kann anzeigen, in welcher Liga gespielt wird. Spontaneität ist oft auch ein Element, das uns an Spielen gefällt. Wenn aber die Vorbereitung und der Aufwand, einen Sportanlass durchzuführen, so enorm hoch sind, dann kommt bestimmt das Element der Spontaneität nicht in erster Linie zum Tragen. An der grundsätzlichen Spielanlage ändern alle diese kritischen Überlegungen nichts. Wir haben es also beim Sport immer auch mit Spielen zu tun.
2
Spiel und Kommerz
Teamspiele Wenn von Teamspielen die Rede ist, stellt sich oft die Frage: Was ist das Spiel? Welches Team gewinnt oder wie funktioniert das Team selbst? Die Antwort ist: eigentlich beides. Meiner Meinung nach ist das Hauptspiel dasjenige, bei welchem es um den Turniersieg geht. Zusätzlich kann das Team selbst wieder als Organisation verstanden werden. Das Team wird also ebenfalls durch Spiele zusammengehalten. Und diese Spiele brauchen nicht identisch mit dem Hauptspiel zu sein. Es ist also offen, was z. B ein Rugby-Team untereinander spielt. Jedes Spiel, das genügend Mitspielende zulässt, kann hier im Gang sein. Es ist also für Rugby-Spielende wichtig, auch andere Spiele zu kennen und zu spielen.
Teamspiel – Spiel innerhalb des Teams
2.5.2 Computerspiele Computer sind in unseren Breitengraden mittlerweile Bestandteil vieler Haushalte. Vor allem Kinder und Jugendliche nutzen sie für Computer-Spiele. Da aus ihnen die Erwachsenen von morgen werden, werden diese Computerspiel-Erfahrungen zum Fundus, aus dem sie schöpfen werden, wenn es um das Zusammenspiel in Organisationen gehen wird. Wenn wir die verschiedenen Angebote charakterisieren, können wir verschiedene Arten von Spielen unterscheiden. Bei einem Typ von Spielen schreibt das Programm der/dem Benutzer/in vor, was zu tun ist. Die/der Benutzer/in lernt die Aufgaben, und schlägt, wenn er/sie geschickt und schnell genug ist, irgendwann einmal den Computer. Häufig besteht die Aufgabe darin, Gegenstände, Figuren, Ziele zu treffen, bevor sie verschwinden bzw. bevor die Spielfigur, welche die/den Spieler/in darstellt, getroffen wird. Ist die/der Spieler/in erfolgreich, erhöht sich der Schwierigkeitsgrad und die zu erzielende Punktezahl; wird sie/er getroffen, heißt es meistens »zurück zum Ausgangspunkt«.
Spielsozialisation am Computer
Spiel gegen den Computer
32
Kapitel 2 · Das Spiel als wesentliches Orientierungselement
2
Rollenspiele
Strategiespiele
Kommunikation in Computerspielen
Da das Computermedium diese Spielart auf vielfältigste Art und Weise darstellt, gibt es immer wieder neue Variationen davon. Viele Spieler/innen sind mit diesen Spielen zufrieden und spielen sie zur Unterhaltung. Da der Computer nicht dazulernt, wird er berechenbar. Vielspieler/innen können so mit wenig Einsatz von Intelligenz das Spiel rasch steuern. Gelegenheitsspieler/innen kommen dagegen nicht sehr weit. Anspruchsvolle Spieler/innen werden sich mit dieser Art von Spielen nicht zufrieden geben. Charakteristikum dieser Spiele ist, dass jeweils nur eine Person gegen den Computer spielt. Es ist keine Kommunikation mit einer weiteren Person nötig. Spielen mehrere Spieler/innen das gleiche Spiel, treten sie meist getrennt voneinander abwechselnd gegen den Computer an. Eine zweite Art von Computerspielen sind Rollenspiele. Diese weisen meist eine hohe Komplexität auf und funktionieren wie ein interaktives Buch. Die/der Spieler/in tritt mit der angebotenen Computergeschichte in einen Dialog und gestaltet damit die Geschichte mit. Die Handlungsmöglichkeiten sind so groß, wie der Computer sie möglich macht. Das bedeutet, dass bei großer Komplexität eines Spiels sehr häufig so lange gespielt wird, bis die Dialogangebote ausgeschöpft sind. Denn die Angebote sind immer begrenzt. Der Computer kann nicht dazulernen. Hat er für eine bestimmte Handlung keine Reaktion gespeichert, bleibt diese aus, auch wenn die/der Spieler/in neugierig wäre zu erfahren, wie die Geschichte weitergehen würde. Diese Spiele werden von einzelnen Personen gespielt. Ziel ist nicht zu gewinnen, sondern eine interessante Geschichte zu erleben. Eine dritte Art von Computer-Spielen sind Spiele, bei denen es darum geht, die eigene Position zu verteidigen und die feindliche einzunehmen. Diese Spiele haben kriegerischen Charakter. Dabei werden zerstörerische Mittel eingesetzt und die Gegner/innen sollen geschlagen werden. Ähnlich wie bei vielen Spielen, die auf dem Brett gespielt werden, in denen die eigenen Positionen mit Karten, Figürchen und Geld oder anderen Wertsymbolen dargestellt werden, um die gekämpft wird, ist das Spiel am Computer angelegt. Der Unterschied liegt darin, dass alles sehr viel komplexer und komplizierter sein kann, weil der Computer mit seinen Speichermöglichkeiten eine riesige Anzahl von Ebenen bewältigen kann. Ist es möglich mit Karten, Würfeln, Figuren, Wertsymbolen usw. möglich, 4 bis 7 Variablen herzustellen, kann der Computer ohne Weiteres ein Vielfaches davon erzeugen. Das hat zur Folge, dass ein/e Einzelspieler/in, die/der gegen den Computer antritt, nicht nur schnell und geschickt sein muss, wie bei der ersten Spielart, sondern auch strategisch vorgehen muss, weil sich der Computer als Gegner ebenfalls auf allen Ebenen bewegen kann. Auch von diesen Spielarten gibt es immer wieder neue Varianten und Versionen. Sie erfüllen aber alle die notwendigen Kriterien, die ein Spiel ausmachen. Was Computerspiele wesentlich von herkömmlichen Spielen unterscheidet, ist die Kommunikation. Einerseits kann eine Person spielen, ohne dass überhaupt eine weitere Person vorhanden ist, weil der Computer als Gegner bereit steht und zu schlagen ist. Da der Computer die Regeln vorgibt, kann es auch eine Herausforderung sein, ins Regelwerk des Computers einzubrechen und im Programm diese Regeln leicht zu verletzen. Das hat selbstverständlich einen völlig anderen Charakter, als wenn sich jemand im Spiel nicht ganz
33 2.6 · Was das Spielen attraktiv macht
korrekt verhält und versucht, solange niemand aufbegehrt, sich mit nicht ganz lauteren Mitteln einen Vorteil zu verschaffen. Bei den Rollenspielen wird gar keine Kommunikation angestrebt. Ein/e Spieler/in begibt sich in die Computerspiel-Welt, wie wenn sie/er sich mit einem Buch zurückziehen würde. In diesem Sinn erfüllen diese Spiele die Anforderung an ein Spiel nicht. Im Spiel »Ich gegen den Computer« findet zunächst keine menschliche Kommunikation statt. Am Computer sichtbar sind nur die Aktionen im Spiel. Die Abstraktion von den Spielenden bildet quasi eine zusätzliche Schwierigkeit. Vielleicht kann sie auch eine Vereinfachung sein, wenn die Kommunikation unter den Mitspielenden als ablenkend empfunden wird. Allen Computerspielen gemeinsam ist die Tatsache, die wir auch von herkömmlichen Spielen kennen: Sie können zwar sehr komplex sein, bleiben aber immer beschränkter, als es die Fantasie der Mitspielenden zulassen würde, weil die Spielregeln die Grenzen setzen. Das Spielen am und mit dem Computer muss nicht Einzelaktion bleiben. Nehmen mehrere Spieler/innen teil, die alle gegen den Computer spielen, spielt die Kommunikation eine Rolle. Diese Spielenden sind nicht miteinander im gleichen Spiel. Sie können sich aber über ihre Leistungen unterhalten und sich vergleichen. Sie können sich unterstützen, einander ablenken und sich gegenseitig Tipps geben, aber eine wirkliche Gemeinsamkeit im Spiel stellt sich nicht her. Am ehesten ist die Situation mit einem sportlichen Wettkampf in der gleichen Disziplin zu vergleichen. Die Strategiespiele hingegen können sehr wohl eine intensive Spielatmosphäre schaffen. Die Mitspielenden sind über ihre Aktionen am Bildschirm verbunden. Es ist möglich, dass sie auch über Mikrofone miteinander sprechen können, häufig können sie zumindest schriftlich kommunizieren. Das bedeutet, dass wir Hinweise von Mitspielenden durch ihre Kommentare und ihr Verhalten bekommen. Mittlerweile können praktisch alle Spiele auch online gegen andere Spieler/innen gespielt werden. Nach Absprache oder an so genannten LAN-Parties schalten sie sich zusammen und entscheiden, welches Spiel gespielt wird. Zusätzlich ist wichtig, ob konsekutiv oder in Echtzeit gespielt wird. Konsekutiv spielen heißt, dass reihum agiert wird. Wer nicht selber am Zug ist, beobachtet, was sich tut. Wird in Echtzeit gespielt, können alle jederzeit alle Arten von Entscheidungen fällen. Dabei wird es hektisch, Schnelligkeit und Geschicklichkeit spielen eine wichtigere Rolle, als wenn eine/r nach der/dem anderen ins Spiel eingreift.
2.6
Online spielen
Was das Spielen attraktiv macht
Die Möglichkeit, im Lauf des Spiels oder gar am Ende erfolgreich zu sein, ist eine der fast selbstverständlichen positiven Seiten des Spiels. Die Aussicht auf einen Gewinn oder einen Sieg ist für viele eine wichtige Motivation, ins Spiel einzusteigen. Dass wir es dabei auch genießen, besser zu sein als andere, mag zwar nicht sehr edel sein, spornt aber trotzdem an.
Gewinnaussichten
2
34
Kapitel 2 · Das Spiel als wesentliches Orientierungselement
2 Spannung – Entspannung
Herausforderung
Freude an Spiel und Unterhaltung
Gefühle zeigen
Gemeinschaft
Die Diskussionen, ob es nicht auch Spiele geben könnte, die populär werden könnten und nicht mit Siegenden und Besiegten enden müssen, sind noch nicht zu Ende geführt. Bisher haben sich noch keine Spiele dieser Art wirklich durchgesetzt. Wahrscheinlich liegt das auch am nächsten Thema: Spannung. Ein Spiel kann nicht in einer entspannten Atmosphäre starten und in einen ununterbrochenen Spannungsaufbau übergehen, bis es auf dem Höhepunkt zur Explosion kommt – das wäre nicht auszuhalten. Ein Spiel pendelt zwischen Spannungssuche und Entspannung, was wir als lustvoll erleben. Die Spannung baut sich bis zu einem angenehmen Punkt auf und fällt wieder ab. Auch dieser Spannungsabfall ist angenehm und anregend, weil wir damit rechnen können, dass sich die Spannung wieder aufbauen wird. Die Spannung geht dabei nicht über eine tolerierbare Schwelle hinaus. Wenn Leute gebeten werden, »Glück« zu beschreiben, kommen die Beschreibungen diesem Aktivierungszirkel nahe. Das Spiel mit seinem offenen Ausgang baut Spannung auf. Wer spielt heute gut? Wer hat heute Glück? Wer überwindet Schwierigkeiten und Hindernisse? Wer gibt frühzeitig auf? Wer sucht/vermeidet ein Kräftemessen? In diese offene Situation einzusteigen ist immer wieder eine Herausforderung, weil niemand sicher sein kann, wie das Spiel verläuft und wie es ausgeht. Spielen bietet auch immer wieder eine Gelegenheit, am Rande der vorgeschriebenen Regeln zu handeln. Auszutesten, wie weit wir gehen können, ohne sanktioniert zu werden, kann ein Nervenkitzel sein, der uns entscheiden lässt, mitzuspielen. Die Herausforderung ist ein wesentliches Element des Spiels und belebt die Spielenden. Spielen soll sich vom Alltag abheben, zum Beispiel dadurch, dass sich die Mitspielenden am Spiel freuen. Es soll Leichtigkeit aufkommen. Wenn gemeinsames Vergnügen im Spiel angestrebt wird und dieses Vergnügen eintritt, dann befriedigt das auch das Bedürfnis, miteinander Spaß zu haben. Dies könnte auch eine Beschreibung für »Unterhaltung« sein. Wir verbringen Zeit miteinander, die wir nicht gezielt für ein bestimmtes Ergebnis nutzen müssen(wollen), sondern können sie mit einem Spiel füllen. Ist das spielerische Element im Vordergrund, wird das Spiel ein unterhaltsamer Zeitvertreib. Genauso gut wie wir uns über das Spiel, seine Zwischenergebnisse und den Abschluss riesig freuen können, so intensiv können wir uns ärgern: Über eine Chance, die wir nicht gesehen haben, oder über einen Spielzug des Gegenüber, der unsere Möglichkeiten zunichte macht usw. Das kann sich auch bis zu Wut steigern. Je nach Spielkultur, in der wir uns bewegen, ist es legitim, auch solche Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Das ist eine der seltenen Gelegenheiten, die wir uns nicht entgehen lassen sollten. Spielen bietet also die Gelegenheit, Gefühle auszudrücken. Klassische Spiele für eine Person sind Patience, Solitaire und Puzzle. Die meisten Spiele werden aber mit mindestens zwei Mitspielenden gespielt und leben von der Interaktion. Wir wissen, dass wir ein Teil des Spiels sind und spüren damit, dass wir in dieser Gemeinschaft akzeptiert sind. Auch wenn diese Spielgemeinschaft nur temporär ist, ist doch dieses Zugehörigkeitsgefühl wesentlich. Das Spiel bietet für alle Mitspielenden einen Rahmen: Alle
35 2.6 · Was das Spielen attraktiv macht
sind mit dem Spiel beschäftigt. Jedes Spiel hat seine spezifischen Kommunikationsformen und Kommunikationsmöglichkeiten, die auch unterschiedliche Stimmungen erzeugen. Es kann durchaus möglich sein, dass wir in einem solchen Rahmen Themen ansprechen können, die im Alltag schwieriger anzusprechen sind. Spielen setzt voraus, dass Sie sich einsetzen. Je nach Spiel sind unterschiedliche Talente und Fähigkeiten gefragt. Aber es ist deutlich, dass wir Konzentration und Denken einbringen müssen. Je nach Spiel nützen uns auch Kreativität und Geschicklichkeit. Dass wir uns im Spiel als konzentrationsfähige, talentierte Person erfahren, bringt uns große Befriedigung. Spiele haben ein Ziel und Regeln und bieten damit eine klare Orientierung, was hier und jetzt im Spiel gefragt ist. Diese Verbindlichkeit macht es überflüssig, dass wir immer wieder neu mit den Beteiligten um die Klarheit ringen müssen. Solange das Spiel läuft, ist für alle klar, was die Ziele sind und wie wir sie anstreben. Diese klaren Verhältnisse können auch die Basis für eine Leichtigkeit im Umgang miteinander bilden. Viele Spiele haben mehrere – kürzere oder längere – Runden. Oft wird das gleiche Spiel immer wieder gespielt. Das erlaubt uns, dass wir uns selbst erproben können. Wir können verschiedene Strategien austesten und nach den Grenzen unserer Möglichkeiten suchen. Weiter können wir uns selbst als Einzelkämpfer/in oder als Teamspieler/in bewegen und herausfinden, was wir gut und gerne tun. Im Spiel können wir nicht nur uns und unsere Möglichkeiten erproben. Mindestens ebenso interessant ist es, die Mitspielenden zu beobachten. Wir können so die Mitspielenden als Menschen oder einzelne ihrer Charakterzüge näher kennen lernen. Es eröffnen sich aber auch Lernchancen: Wir beobachten Reaktionen, nehmen Strategien wahr und überprüfen, ob diese geeignet sind, in unser eigenes Repertoire aufgenommen zu werden. Jean Piaget hat Überlegungen zum Spielen in seine Entwicklungstheorie der Intelligenz einbezogen. Er geht davon aus, dass Intelligenz sich entwickelt, wenn einerseits Eindrücke der Umwelt das Bestehende bereichern und andererseits die Anpassungsfähigkeit an die Gegebenheiten der Umwelt gesteigert wird. Das Zusammenspiel von Akkomodation und Assimilation ist die Entwicklung der Intelligenz. Damit Kinder ihr affektives und intellektuelles Gleichgewicht erhalten und gleichzeitig lernen können, brauchen sie ein Klima, das sie motiviert, die Eindrücke der Umwelt aufzunehmen und sich selbst an der Umwelt zu reiben. Dies muss ohne Zwang und ohne Sanktion geschehen. Piaget identifiziert solche Situationen als Spiele. Im Spiel werden zusätzlich zu den Spielzielen oft auch persönliche Ziele angestrebt: Sie möchten als faire Person wahrgenommen werden; diesmal möchten Sie unbedingt besser abschneiden als eine bestimmte andere Person; heute möchten Sie mit möglichst wenig Energie einfach dabei sein; Sie möchten Ihren Ruf als Teamspieler/in festigen usw. Dass ein Spiel dafür einen Rahmen schafft, ist sehr angenehm. Es leuchtet vielleicht nicht auf Anhieb ein, dass es attraktiv sein kann, Niederlagen zu akzeptieren. Auch Verlieren löst ein bestimmtes Gefühl aus. Es lohnt sich, dass wir auch dafür einen adäquaten Ausdruck finden. Da Siegen sehr viel besser akzeptiert wird als Verlieren, es aber immer bei-
Fähigkeiten
Klare Verhältnisse
Ausprobieren
Lernen
Eigene Ziele verfolgen
Verlieren können
2
36
Kapitel 2 · Das Spiel als wesentliches Orientierungselement
des gibt, wäre es erstrebenswert, auch mit einer Niederlage gut umgehen zu können. Sicher empfinden Sie nicht alle diese Elemente als gleich attraktiv. Vielleicht würden Sie ein Element gar nicht unter attraktiv einordnen – vielleicht fällt Ihnen noch ein zusätzliches ein. Interessant sind die vielfältigen Aspekte, die Spielen attraktiv machen können. Jede Person sieht diese Frage aus ihrer eigenen Perspektive und ergänzt, streicht und setzt persönliche Schwerpunkte.
2
2.7 Ständiges Verlieren
Regeln brechen
Unkenntnis der Regeln
Was das Spiel verdirbt
Es macht wenig Freude, wenn Sie ein Spiel, das Sie gewinnen können und wollen, immer verlieren. Wenn Sie einmal, zweimal verlieren, können Sie die Frustration darüber wahrscheinlich wegstecken. Schwieriger wird es, wenn sich herausstellt, dass heute nicht Ihr Tag ist und Sie mit absoluter Regelmäßigkeit auf der negativen Seite sind. Es sieht aus, als hätten Sie Verlieren abonniert. Ihre Laune, die sich nicht mehr hebt, überträgt sich auf das Spiel. Dort wo es Regeln gibt, gibt es auch Regelverstöße. Das ist auch im Spiel so. Je nach Übereinkunft werden Schummelversuche als interessante Bereicherung des Spiels verstanden oder bereits als Grobheit gewertet, die negative Folgen haben werden. Wenn ständig das geduldete Maß an Schummeln überschritten und systematisch mit unlauteren Mitteln das Ziel anvisiert wird, dann wird es ernst. Denn jetzt werden die Regeln bewusst gebrochen. Gezinkte Karten lassen darauf schließen, dass sich eine Person nur zum Schein den Regeln unterworfen hat, gleichzeitig aber den Regelverstoß sorgfältig geplant hat. Eine weitere Variante kann eine intrigante Absprache sein, die regelwidrige Vorteile bringt. Je nach Abmachung drohen dann Verwarnungen, Bußen, Ausschluss, Verstoß der Person usw. Auf jeden Fall sind die Spielenden mit einem völlig anderen Thema beschäftigt als mit dem Spiel und entsprechend irritiert. Ist ein Spiel einmal im Gang, streben alle danach, es für sich erfolgreich abzuschließen und hecken die erfolgversprechendsten Strategien aus. Diese Dynamik wird unterbrochen, wenn – von einem Moment zum anderen – eine neue Regel behauptet oder eine bestehende Regel anders ausgelegt wird. Dieser Eingriff ist ein Regelverstoß mit anhaltender Wirkung und damit eine wesentliche Störung des Spiels. Wenn ein Spiel angesagt und das Setting vorbereitet ist, die Verständigung über die geltenden Regeln gesucht wird und sich herausstellt, dass Neulinge mit von der Partie sind, erklären wir geduldig, wie das Ganze funktioniert. Vielleicht machen wir auch eine Proberunde, die noch nicht zählt. Aber dann sollte das Spiel in Schwung kommen. Überlegt sich die neue Person bei jedem Spielzug gründlich, was sie tun wird, fragt sie jedes Mal wieder nach und ist keine Entwicklung spürbar, droht, das Spielinteresse der anderen abzuflauen. Eine eigenartige Situation tritt ein, wenn zwar die Regeln bekannt sind, aber eine mitspielende Person sie einfach nicht richtig anwenden kann. Auch in diesem Fall wird ihr mit größter Wahrscheinlichkeit einige Runden Verständnis entgegen gebracht und sie bekommt Nachhilfe. Wenn’s dann nicht klappt, keimt Unmut auf.
37 2.7 · Was das Spiel verdirbt
Viele Spiele leben davon, dass der Ausgang offen ist und es drauf ankommt, was die Teilnehmenden tun, um zu gewinnen. Wenn sich herausstellt, dass der Gewinn und das Ergebnis nicht wirklich verlocken, dass unsere Erwartungen in dieser Beziehung gar nicht erfüllt werden, sinkt die Motivation vieler Spielenden. Die Spannung kann aber auch durch andere Faktoren sinken: beispielsweise durch unerschütterliche Allianzen. Wenn die eine Seite der Allianz bis zur Selbstaufopferung geht, verteilt sich das Spielrisiko als Folge völlig einseitig. Wer nicht von dieser Allianz profitieren kann, hat ihr auch fast nichts Wirksames mehr entgegenzusetzen. Das kann völlig hilflos machen. Diese Hilflosigkeit führt zu Spannungslosigkeit. Damit das Spiel in Fluss kommt, müssen sich die Teilnehmenden auf das Spiel einlassen. Sind sie mit dem Kopf immer noch bei einer anderen Sache und ist die Konzentration deshalb nicht genügend groß, dümpelt das Spiel vor sich hin. Das Spiel kann auch vor sich hin »dümpeln«, weil nicht das nötige Mindestmaß an Ehrgeiz aufgebracht wird: Sie betonen ständig, dass es für Sie keine Rolle spielt, ob Sie gewinnen oder verlieren. Umgekehrt: Ist ein Freundschaftsspiel angekündigt, bei dem der Spaß im Vordergrund stehen soll, ist implizit klar, dass Sieg oder Niederlage nicht entscheidend sind. Damit ist deutlich, dass zwar nach den Regeln gespielt wird, aber die Leichtigkeit im Spiel von zentraler Bedeutung ist. Kämpfen dann einige verbissen, als ginge es um einen Olympiasieg, verletzen sie damit die Vereinbarung zur Spielanlage. Diese unerwünschte Ernsthaftigkeit wirkt wie eine Kampfansage und macht ein lockeres Weiterspielen unmöglich, weil zwei Personen mit sich widersprechenden Motivationen gleichzeitig auf dem Platz sind. Während ein Spiel läuft, kann die Stimmung kippen. Grundsätzlich tragen alle Beteiligten stumm oder mit Gesprächen dazu bei, dass alle bis zum Schluss dabei sind, auch wenn nicht alle siegen können. Selbstverständlich gehört dieses Verhalten mit zur Taktik, die eigenen Gewinnaussichten zu optimieren, indem wir anderen ihr Pech unter die Nase reiben und uns sichtlich über einen eigenen klugen Zug freuen usw. Die Grenze ist dann erreicht, wenn ein so genannter Miesepeter mitmacht, der/die hauptsächlich mit Stöhnen, Jammern, Vorwerfen, Killerphrasen usw. beschäftigt ist. Verläßt jemand willkürlich die Runde, werden damit das Spiel und seine Voraussetzungen sehr stark verändert. Nicht alle Spiele können weitergespielt werden, wenn eine Person weniger mitspielt. Wird trotzdem mit einer Person weniger weitergespielt, ist die Kontinuität unterbrochen: Die Runden zuvor können nun nicht mehr genau mit dem Weiterspiel verglichen werden und es ist unklar, ob immer noch die gleichen Spielziele gelten. Ist das Spiel abgeschlossen, steht fest, wer gewonnen und wer verloren hat. Dies ist einfach für die Siegenden und schwieriger für die Verlierenden. Je nachdem, wie persönlich sie eine Niederlage nehmen (müssen) oder wie unerträglich ihnen die Niederlage erscheint, fallen die Reaktionen aus. Das Spektrum kann vom beleidigten Schweigen über wortreiche Begründungen, weshalb sie es eigentlich hätten schaffen müssen, und dem Anklagen, wie leicht es für die Gegner/innen gewesen sei, bis zu Beschimpfungen und Ausfälligkeiten reichen. Jede Person hat für diese Situation ein bestimmtes Maß. Wird es überschritten, nährt dies den Entschluss, nicht mehr
Spannung fehlt
Konzentration – Ehrgeiz
»Miesepeter«
Ausstieg
Hadern mit dem Spielergebnis
2
38
2
Kapitel 2 · Das Spiel als wesentliches Orientierungselement
Nach dem Buchstaben spielen
Aus der Spiellogik treten
Dominanz einer Person
Erwartungen – Realitäten
Eingriffe von außen
weiter zu spielen oder auf jeden Fall bestimmte Mitspielende künftig zu meiden. Je nach Spiel sind Spielfluss und Tempo wesentliche Elemente. Wenn eine mitspielende Person bei jeder Kleinigkeit sofort zum Regelbuch greift und laut vorliest, was genau zu tun ist, kann das vielleicht sogar seine Richtigkeit haben. Trotzdem geht dadurch die Dynamik des Spiels verloren. Wenn es vorkommt, dass einzelne Spielende einen Teil des Spiels übertrieben genau nehmen, entsteht folgende Situation: Beim Verstecken spielen versteckt sich jemand so gut, dass sie/er nicht mehr gefunden wird. Den Teil »zum Ziel kommen« ignoriert sie/er. Sind alle außer dieser letzten Person gefunden, kann das Spiel nicht mehr weiter gehen. Entweder es wird ohne sie weiter gespielt oder die Suche nach der versteckten Person wird abendfüllend. Im Fall der absoluten Buchstabentreue, wie auch beim einseitigen Erfüllen eines Teilelements, wird der Sinn des Spiels völlig verkannt. Eine weitere Fehlinterpretation kann die Stimmung verderben: Jemand nimmt plötzlich das Spiel wörtlich und wirft beim Monopoly-Spielen den Teilnehmenden vor, sie seien üble Kapitalisten, die mit ihren Hotels auf dem teuren Grund Profit scheffeln möchten. Da dies genau dem Spielziel entspricht, geht der Vorwurf eigentlich ins Leere. Ist er aber ernst gemeint, wird er aus dem Spiel herausgelöst und ins Alltagsleben verpflanzt. Je nach Einstellung kann dies ein Kompliment oder eine Beschimpfung sein. Die Ausgangslage in vielen Spielen weist den Teilnehmenden eine klare Position und klare Aufgaben zu. Oft ist die Ausgangsposition aber für alle identisch. Manchmal werden die Positionen differenziert mit dem Ziel, diese (nicht) zu tauschen – je nachdem auf welcher Seite eine Person steht. Reißt eine einzelne Person die Kommunikation im Spiel an sich und dominiert die ganze Runde, entsteht der Eindruck, als hätte sie auch im Spiel eine zentrale Aufgabe, was gar nicht der Fall ist. Damit stimmen das Spielziel und die Spielatmosphäre nicht mehr überein und ein Weiterspielen ist in Frage gestellt. Wenn wir uns auf ein Spiel einlassen, machen wir uns Vorstellungen, wie es sein wird. Wir schätzen die Mitspielenden und unsere Spiel- und Gewinnchancen ein. Manchmal entpuppt sich aber das Spiel als anspruchsvoller oder anstrengender als gedacht. Wenn dies nicht als Herausforderung aufgefasst werden kann, findet ein akuter Abfall der Motivation statt. Unklare Vorstellungen und mangelnde Erfahrung können die Ursache dafür sein, dass wir uns im Spiel nicht mehr orientieren können. So wird das Spiel unberechenbar und löst damit Frustration aus. Es geht darum, dass die anfänglichen Vorstellungen bei einzelnen Mitspielenden nicht mehr mit den entstandenen Unklarheiten übereinstimmen. Manchmal schaffen nicht die Spielenden, sondern ihre Umgebung ein Problem. So können Zuschauende durch ständige, »sachkundige« Kommentare den Spielenden lästig werden. Auch gut gemeinte Unterstützung, z. B. wenn Versorgung mit Essen und Trinken in einen ungünstigen Moment eintrifft, kann das Spiel empfindlich stören. Definitiv unmöglich wird das Spiel, wenn die Spielanlage den Anforderungen des Spiels nicht mehr genügt, z. B. wenn der Raum zu klein oder der
39 2.8 · Wie stehen Spiele und Spielchen zueinander?
Lärmpegel zu hoch ist. Das kann ungewollte Ursachen haben. Wenn aber jemand absichtlich Karten, Figuren oder Spielgeräte entfernt oder zerstört, ist kein Weiterspielen mehr möglich und das Spiel muss abgebrochen werden.
2.8
Wie stehen Spiele und Spielchen zueinander?
»Machen wir doch ein Spielchen!« kann die Einladung zu einem schnellen, kurzen Spiel sein, wenn nur wenig Zeit zur Verfügung steht. Wenn aber allgemein von Spielchen die Rede ist, werden die Adjektive »fies«, »dreckig«, »gemein« damit assoziiert. Deshalb ist hier eine wichtige Unterscheidung zu machen: Spielchen sind nicht mit Spielen zu verwechseln. Spielchen klingen zwar – aufgrund der Verkleinerungsform – harmlos und klein, sie können aber sehr weit tragende Wirkungen erzielen. Als Spielchen können wir verschiedene Vorgehensweisen benennen, die uns auffallen. Sie werden von einzelnen Personen oder Personen-Gruppen betrieben zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil für bestimmte Personen. Manchmal hören sie auf, wenn die/der Drahtzieher/in das Ziel erreicht hat; wenn nicht, entsteht sukzessive eine feindselige Stimmung. »Spielchen treiben« bedeutet, dass kein bekanntes Spiel mit bekannten Regeln und bekanntem Ziel gespielt wird. Fairness und Transparenz – zentrale Eckpunkte im Spiel – fehlen vollständig. Wer Spielchen treibt, profitiert davon, dass nur sie/er diesen außergewöhnlichen Spielplan im Kopf hat. Deshalb macht sie/er auch die Regeln selbst. Ob der Zweck und das Vorgehen irgendwann einmal klar werden, bleibt offen. Darauf zu bestehen, dass Spielchen fair gespielt würden, wäre paradox. Die Intrige wird systematisch angewendet und funktioniert über gestreute Gerüchte und Verwirrungen. Spielchen lenken vom Wesentlichen ab und vereiteln ein Spiel. Wenn beim Spielen Spaß, Heiterkeit und Leichtigkeit – zumindest phasenweise – die Stimmung bestimmen können, so sehen wir dort lauter lange Gesichter, wo Spielchen getrieben werden. Wer miteinbezogen wird, weiß nicht wozu; wer Zielscheibe wird, hat nichts Gutes zu erwarten. Die Lage ist ernst und die Stimmung wird negativ. Spiele sind mit verschiedenen Elementen beschrieben. An diesen können wir uns orientieren und es ist uns klar, ob wir uns im Spiel richtig bewegen. Werden Spielchen getrieben, wissen wir nicht, was wir für eine Rolle spielen. Es ist auch unklar, zu welchem Ziel wir beitragen. Wir wurden ja nicht dazu befragt. Wer aktiv Spielchen treibt, beteiligt sich an einem Spiel und spinnt gleichzeitig eine Intrige. Sie/er nützt die Spielanlagen und -aktivitäten aus und hat genügend Macht, Spiele zu verdrehen. Mitspielende werden so zu Marionetten. Spielende haben in einem Spiel oft ähnliche oder gleiche Positionen. Das verspricht einen interessanten Wettbewerb. Beim »Spielchen treiben« besteht immer ein Gefälle: Sie/er will mit einer Person oder einer Personengruppe ein Spielchen treiben und die Betroffenen werden sich noch lange an die Folgen erinnern. Es wird also keine Möglichkeit zum gleichberechtigten Mitspielen geschaffen, sondern den einen von anderen übel mitgespielt.
Intrige
Negative Stimmung
Unechte Spiele
Gefälle zwischen den Beteiligten
2
40
Kapitel 2 · Das Spiel als wesentliches Orientierungselement
Kein gemeinsames Ziel
2
Unfreiwillige Beteiligung
Verdeckte Haltung
Im Spiel verfolgen alle ein gemeinsames, im Voraus bestimmtes Ziel. Genau dies ist beim Spielchen nicht der Fall: Hier dominieren die egoistischen Motive. Sehr oft sind sie auch zum Schaden von anderen Personen angelegt, was bei der Mehrzahl von Spielen geradezu spielwidrig wäre. Steigen »Spielchentreibende« in ein Spiel ein, bleiben sie so lange, wie es ihnen nützt, und verlassen es erst wieder, wenn es ihnen nichts mehr bringt – sie verfolgen eben nur das eigene Ziel, selbst auf die Gefahr hin, dass sie damit das Spiel verderben. Während wir planen und entscheiden können, ob wir uns an einem bestimmten Spiel mit bestimmten Personen (nicht) beteiligen, können wir uns plötzlich als Teil eines Spielchens wieder finden. Vorhandene Beziehungen und Abläufe wurden zu einem Spielchen zusammengesetzt, ohne dass wir uns aktiv eingeschrieben hätten. Wird uns erst einmal klar, dass ein Spielchen getrieben wird und welche Rolle wir darin spielen, können wir auch aktiv versuchen, aus diesem Spielchen wieder herauszukommen. Das ist oft alles andere als einfach, weil die Drahtziehenden sich meist sofort verstecken oder versuchen, von sich abzulenken. Die Haltung, die uns zum Spielen bringt, hat eine große Spannweite, die vom Siegenwollen oder Überlegen sein bis zum Fähigkeiten kreativ und wirkungsvoll zum Ausdruck bringen gehen kann. Vielleicht lockt uns ein Teamplay oder schlicht der erwartete Spaß. Beim »Spielchentreiben« ist die Haltung verdeckt, sie ist dem Wortsinn nach hinterhältig. In eher harmlosen Fällen kann es darum gehen, jemanden zu irritieren, leicht zu kränken oder ein bisschen lächerlich zu machen. Wenn die »Spielchentreiberei« systematisch betrieben und nichts dagegen unternommen wird, können die Wirkungen bis zu krankmachendem Mobbing gehen.
2.9
Das Verhältnis von Spiel und Ernst
Oft wird mit Spielen die Vorstellung eines spontanen, fröhlichen, fantasievollen Umgangs ohne tiefer gehende Absichten verbunden. Rollenspiele, Theaterspiele usw. können den spielerischen Umgang mit einem Thema zeigen. Manchmal tauchen auch Bilder von genussvollen, selbstvergessenen zwischenmenschlichen Momenten auf, die sich in Liebesspielen, Puppenspielen, Sand-, Wind- und Wasserspielen usw. widerspiegeln. Es gibt außerordentlich vielfältige Möglichkeiten, Wörter mit dem Begriff »Spiel« zu kombinieren. Inhaltlich sind fast keine Grenzen gesetzt: Vom Vorspiel, dem Zusammenspiel und dem Freispiel über das Kinderspiel, das Machtspiel und das Schauspiel zum Wortspiel, dem Trauer- oder Lustspiel und dem Nachspiel; es können sehr unterschiedliche Lebensbereiche mit einbezogen sein. Wenn wir Spielwiese, Spielregeln, Spielgruppe, Spielball, Spielfreude oder Spielsachen hören, assoziieren wir damit ganz unterschiedliche Bilder. Regelmäßig verbinden wir aber spezifische, nicht ganz alltägliche Situationen damit. Einige dieser Situationen sind bewusste Inszenierungen. Wie spielerisch oder wie bindend-ernst die Zusammenhänge sind, ist aber nicht einheitlich zu verstehen. Wenn ein Missverständnis zwischen Spiel und Ernst entsteht, ist dies schmerzlich. Wir gehen deshalb den Quellen dafür ein wenig auf den Grund.
41 2.9 · Das Verhältnis von Spiel und Ernst
Wenn Sie zum Beispiel bei der Arbeit sind und vermuten, dass in Ihrem Betrieb (mindestens) ein Spiel gespielt wird, dann ist die Spielumgebung eine sehr ernsthafte. Denn was Sie dort tun, ist keine Spielerei; Sie haben eine Aufgabe und tragen dafür die Verantwortung. Sie sind daran interessiert, dass diese Sache richtig gemacht wird. Ganz anders präsentiert sich die Situation in einer fröhlichen Runde, die sich zum Spielen zusammengefunden hat. Dann ist das Spielen selbst die Hauptsache und nicht die Arbeit. Spiele haben ganz unterschiedliche Charaktere. Schach wird in völliger Ruhe und Konzentriertheit gespielt. Bei Tabu, bei dem Begriffe umschrieben und möglichst schnell von anderen erraten werden sollen, wird hektisch durcheineinander geschrien. Bei vielen Ballspielen wird – mit und ohne Ball – von einer Seite zur anderen gerannt, weil der Ball hinter die gegnerische Linie gebracht werden soll usw. Der Charakter des Spiels soll ersichtlich sein, der Kern der Spielidee soll eingehalten werden. Das ist eine der wichtigen Grundregeln im Spiel. Wer laut gestikulierend herumrennt und behauptet, in eine Schachpartie vertieft zu sein, wird kaum verstanden. Umgekehrt: Wer fünf Minuten konzentriert überlegt, wie bei Tabu ein Begriff noch umschrieben werden könnte, ist längst aus dem Spiel, weil die anderen laut geschrien haben, die Zeit für ein Team bereits abgelaufen ist oder der Stapel mit den Begriffen schon an das nächste Team weitergegeben worden ist. Ernsthaftigkeit im Spiel kann sich sehr unterschiedlich ausdrücken. Sind Ernsthaftigkeit und intellektuelle Herausforderung Teile des Spielcharakters, stimmt das Bild der Ernsthaftigkeit auch mit dem Ernst im Spiel überein. Sind dagegen Kreativität, Lebhaftigkeit und Beweglichkeit im Zentrum der Spielidee, drückt sich das Ernsthafte eben in der Einhaltung dieses Spielcharakters aus und zeigt sich auf eine – äußerlich – sehr unernsthafte Weise. Spielen kann also einen Doppelcharakter haben: Die formale oder spielerische Spielidee zu erfüllen, ist die ernsthafte Seite. Sich selbst und die Grenzen des Spiels auszuloten, das beschreibt die spielerische Seite. Wenn es uns im Leben ernst ist und es um etwas Wichtiges geht, können wir auch den Eindruck bekommen, dass eine andere als eine ernsthafte Auffassung uns und den Ernst der Lage in Frage stellt. In einer solchen Situation scheint es keinen Platz für Spiele zu geben – für Spiele, in denen es immer auch Spielraum zum Handeln geben muss. »Ernst« wäre dann ein Zustand, in dem der Zwang so groß erscheint, dass nicht mehr über unterschiedliche Optionen nachgedacht wird. Zuzulassen, dass Ernsthaftigkeit Bestandteil eines Spiels sein kann, trägt vielleicht zur Entspannung bei, sofern diese erwünscht ist. Nicht alles an ernsten Geschichten ist auch tatsächlich ernst. Es gibt immer Anteile, die sich bewegen, ausgehandelt werden oder dem Zufall entspringen. Diese können den Blick auf andere Optionen wieder öffnen, obwohl die Sache selbst ernst bleibt. Es kann durchaus paradox klingen, aber auch im allergrößten Ernst kann ein Spiel im Gang sein. Auch die ernsthaftesten (humorlosesten) Personen sind in Spiele integriert und Teil davon. Eigentlich kann sich niemand vollständig außerhalb von Spielen bewegen, es sei denn, sie/er geht allein auf eine Insel (wenn diese Aktion nicht auch Teil eines Spiels ist). Das Spiel hält eben ein Ensemble zusammen, deshalb ist es unausweichlich. »Zusammenhalten« ist eine zentrale Funktion. Diese Funktion kann
Spielumgebung
Ernst im Spiel
Der absolute Ernst
Spiel trotz Ernst
2
42
Kapitel 2 · Das Spiel als wesentliches Orientierungselement
nicht nur auf eine einzige Art und Weise erfüllt werden. Wenn das Spiel das Ensemble zusammenhält und wir sehen, wie viele unterschiedliche Spiele wir antreffen können, wird deutlich, wie verschieden dies sein kann. Die absolut notwendige Funktion »Zusammenhalten« wird damit zu einem kreativen Element, das den Beteiligten viele Möglichkeiten eröffnet. Wie virtuos und auf welchem Niveau gespielt wird, hängt selbstverständlich von den Spielenden ab.
2
2.10
1. Stufe: Verhärtung
2. Stufe: Debatte
⊡ Abb. 2.1. Konflikteskalationsstufen (Glasl 2000, S. 114/115)
Wann verhindert ein Konflikt das Spiel?
Wer kennt sie nicht, die Diskussionen darüber, ob jemand geschummelt hat. Wer hat nicht schon miterlebt, dass jemand wutentbrannt aufsteht, die Karten hinschmeißt, jemanden beschimpft und den Raum verlässt? Das Spiel droht auseinander zu brechen oder wird gänzlich gestört. Selbstverständlich liegen die Ursachen dafür bei den Mitspielenden. Wenn es zum Abbruch des Spiels kommt, ist die Spiellust auf den Nullpunkt gesunken und kein Vertrauen mehr unter den Spielenden vorhanden. Der Konflikt zwischen den Spielenden macht ein Weiterspielen unmöglich. Wir müssen uns zuerst dem Konflikt widmen. Diese Situation zu untersuchen und festzustellen, wo wir uns in Bezug auf einen Konflikt befinden, ist anhand der von Friedrich Glasl entwickelten neun Konflikteskalationsstufen möglich. Sie werden hier kurz dargestellt und können für die Beurteilung von Spielsituationen herangezogen werden. In den meisten Spielen wird der Spielverlauf und das Verhalten der Beteiligten ständig kommentiert. Dabei fallen auch wenig schmeichelhafte Worte. Wir befinden uns auf der ersten Konfliktstufe, wenn sich Standpunkte hin und wieder verhärten und aufeinander prallen. Die Kritik rutscht ab und zu aus und wird bewertend. Solche Ausrutscher führen dazu, dass sich Betroffene verkrampfen. Die Spannung kommt also nicht mehr nur aus dem Spiel, sondern auch aus der Kommunikation zwischen den Spielenden. Es gibt aber noch keine starren Lager, Fronten oder Parteien, und alle sind der Überzeugung, dass sich die Spannungen durch weitere Gespräche wieder lösen. Der Weiterführung des Spiels steht – nach einer gewissen Trübung – nichts im Weg. Werden die wertenden Kritiken auf der ersten Konfliktstufe nicht nachhaltig ausgeräumt, sondern in ihrer negativen Dynamik weiterverfolgt, verfestigt sich bei den Beteiligten ein klares Bild: »Die anderen haben schon immer in diesem Spiel Zusatzpunkte eingestrichen, obwohl dies gar nicht
43 2.10 · Wann verhindert ein Konflikt das Spiel?
vorgesehen ist.« »Die haben nie gewartet, bis sie das offizielle Startzeichen bekommen haben. Das muss einfach einmal gesagt sein. Wir würden so etwas nie tun. Schaut her, wir sind die Guten, wir sind korrekt.« Mit demonstrativ »korrektem« Spiel und pauschalisierenden Reden werden Standpunkte gebildet, um die sich zeitweise Untergruppen bilden, die den Standpunkt teilen. Die Rede geht immer noch über das Verhalten der anderen, hat aber bereits einen gewissen scharfen Unterton. Die Situation lässt sich wieder entkrampfen, wenn beide Seiten sich über die erste Konfliktstufe wieder bei einem ironischen Ton finden können. Auf der dritten Stufe eines Konflikts macht sich die Überzeugung breit, dass reden nicht mehr hilft. Deshalb folgen Taten. Die einen nehmen den anderen z. B. das Punkteblatt aus der Hand und beginnen selbst zu addieren. Damit schaffen sie vollendete Tatsachen, um ihrem Standpunkt zum Durchbruch zu verhelfen. Es wird nicht mehr das Verhalten von Personen kommentiert oder kritisiert, sondern die handelnde Person selbst. Es wird z. B. psychologisch gedeutet, woher es wohl kommt, dass die anderen immer zu früh loslaufen. Natürlich ist die Gefahr von Fehlinterpretationen in einer solchen Situation sehr groß. Die Handelnden steigern sich in die Situation hinein und brauchen für die Fakten, die sie neu schaffen auch verbale Begründungen. Sie bringen auch Elemente der Stufen eins und zwei zum Ausdruck, indem sie misstrauisch vermuten, die anderen würden sich – ohne ihr Eingreifen – nie korrekt verhalten im Spiel usw. Der Konflikt beschleunigt sich, die losen Gruppen beginnen sich zu festigen. Aber nicht nur die Gruppen verfestigen sich, sondern auch die Rollen, die die Einzelnen darin spielen. Die Empathie füreinander geht verloren, beide Seiten sind nun in erster Linie mit dem Konflikt beschäftigt und das Spiel droht aus dem Ruder zu laufen. Verschärft sich der Konflikt weiter und erreicht die vierte Stufe, wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei den einen um krankhafte Ordnungsfanatiker und bei den anderen um ebenso notorische Kleptomaninnen handeln müsse, dass sie das jeweilige Verhalten an den Tag legen. Alle verfügbaren Klischees und Stereotypen werden aufgerufen, um den jeweiligen Standpunkt zu untermauern. Es werden Situationen geschaffen, die genau zeigen, wie die anderen sind, damit sie in dieser negativen Rolle mit gutem Grund bekämpft werden können. Der Konflikt wird von den direkt Beteiligten hinausgetragen, indem beide Konfliktparteien Parteigänger/innen suchen, die den eigenen Standpunkt ebenfalls bestätigen. Durch diese Anti-Image-Kampagnen wird regelmäßig der Zustand hergestellt, der eigentlich kritisiert wird. Da aber das Verhalten der jeweils anderen Seite als pathologisch eingestuft wird, wird an keine Besserung gedacht und diese auch nicht erwartet; ja sie würde wahrscheinlich nicht einmal gesehen. Die fünfte Stufe stellt einen wichtigen Wendepunkt in der Konflikteskalation dar: Den handelnden Personen wird eine schlechte Absicht und ein schlechter Wille unterstellt. Dies bedeutet, dass öffentlich und direkt so genannte Gesichtsangriffe gestartet werden. Diese werden von der aktiven Seite als »Demaskierungsaktion« inszeniert: »Da seht, was das für Leute sind
2
3. Stufe: Taten
4. Stufe: Images, Koalitionen
5. Stufe: Gesichtsverlust
44
Kapitel 2 · Das Spiel als wesentliches Orientierungselement
2
6. Stufe: Drohstrategien
7. Stufe: Begrenzte Vernichtungsschläge
8. Stufe: Zersplitterung
in diesem Spiel. Die wollten immer schon mit falschen Zahlen den Sieg auf ihre Fahne heften.« Von den auf diese Weise »Demaskierten« wird große »Enttäuschung« zelebriert: »Wir hätten nicht geglaubt, dass unsere Mitspielenden solche miesen Tricks anwenden. Aber wir nehmen das jetzt zur Kenntnis – die wollen einfach nichts anderes.« Dann werden akribisch Erinnerungen aufgefrischt, die unter der aktuellen Situation wie Vorboten wirken. »Als die in der dritten Runde …, da war es schon genau so.« Nun haben wir »Gute« und »Böse« vor uns, die eigentlich ganz in sich zurückgezogen sind, aber völlig gebannt auf die kleinste Bewegung der anderen lauern. Und was sie sehen, bestätigt sie, dass die anderen es nicht wert sind, dass man mit ihnen spielt. Ein Weiterspielen wird unmöglich: Werte und Prinzipien, die auf den jeweiligen Seiten hoch gehalten werden, lassen es nicht mehr zu. Alles andere wäre Verrat an den eigenen Ideen. Das Spiel ist abgebrochen. Damit überhaupt wieder eine Chance entsteht, dass die – vormals – Spielenden wieder ins Spiel zurückkehren, ist eine Rehabilitierung auf beiden Seiten erforderlich! Es muss wieder so viel Vertrauen entstehen, dass die Überzeugung, dass ein guter Wille besteht, solide begründet ist. Dazu sind verschiedene, vertrauensbildende Maßnahmen nötig, die erlauben, aus Gegner/innen wieder Mitspielende zu machen. Falls der Konflikt nach der fünften Stufe noch weiter voranschreitet, ist das Spiel bereits abgebrochen. Für unsere Überlegungen können deshalb die jetzt noch folgenden Stufen kürzer dargestellt werden. Wenn die anderen zu Gegnerinnen und Gegnern mit bösen Absichten geworden sind, dann folgt auf der sechsten Stufe der Konflikteskalation der Versuch, sie mit Androhung von negativen Folgen wieder auf den einzig richtigen Weg zu bringen. Die Gegenseite wendet die gleiche Methode an und droht ihrerseits mit negativen Folgen, wenn nicht eine bestimmte Forderung erfüllt wird. Je eher die Gegenseite jeweils annehmen muss, dass die angedrohte Sanktion tatsächlich umgesetzt wird, desto glaubwürdiger ist die Drohung. Die Glaubwürdigkeit kann noch erhöht werden, wenn die – selbst gesetzten – Termine strikt eingehalten werden, z. B. soll innerhalb einer Woche etwas Bestimmtes abgeliefert werden; während dieser Zeit passiert tatsächlich nichts von der androhenden Seite her. Der Stress steigt aber weiter, die gegenseitige Wahrnehmung verengt sich immer mehr, die Wirklichkeiten werden zunehmend reduziert. Um Entscheidungen herbeizuführen werden verschiedene Ultimata gestellt, die unumgängliche Folgen auf die eine oder andere Art haben werden. Wird ein Ultimatum ignoriert, wird die angedrohte Sanktion realisiert, der Gegenseite wird begrenzter Schaden zugefügt. Als Voraussetzung dafür muss den Beteiligten auf der Gegenseite die menschlichen Qualitäten abgesprochen werden, weshalb dieser begrenzte Vernichtungsschlag die »passende Antwort« darstellt. Da mit einer Reaktion gerechnet wird, wird ein relativ kleinerer eigener Schaden als Gewinn interpretiert. Diese Umkehrung der Wahrnehmung bekommt eine fürchterliche Logik. Nützen Drohungen und Sanktionen nichts mehr, folgt der Versuch, das Gegenüber total zu vernichten und damit aus der Welt zu schaffen. Das Vokabular aus der Militärstrategie nimmt Überhand: das feindliche System läh-
45 2.10 · Wann verhindert ein Konflikt das Spiel?
men und stören, Exponenten von ihrem Hinterland abschnüren. Es wird versucht, zentrale Aufgaben des Systems zu zerstören, damit es unsteuerbar wird und ganz zerfällt. Führen die Zerstörungsaktivitäten der achten Stufe nicht zu einem Ende des Konflikts, gibt es keinen Weg mehr zurück. Die totale Konfrontation wird gesucht, selbst zum Preis der eigenen Zerstörung. Wenn die eigene Vernichtung nötig ist, damit auch der Feind zugrunde geht, dann muss dieser Preis bezahlt werden! Kehren wir noch einmal zu einer Spielsituation zurück. Nicht jede Spannung, jede Reibung, jede Differenz, die währenddessen auftritt, ist bereits ein Konflikt. Wir müssen umgekehrt davon ausgehen, dass Differenzen auch zu interessanten Spannungen führen, die wir im Zusammenspiel suchen. Glasl geht davon aus, dass erst dann von einem Konflikt gesprochen werden kann, wenn sich mindestens eine beteiligte Person von einer anderen beeinträchtigt sieht. Dies geschieht meistens auf der ersten Stufe der Konflikteskalation. Der Einstieg in den Konflikt ist aber offen. Damit die Beteiligten die Qualität von Mitspielenden haben, müssen sie ein Mindestmaß an Empathie füreinander aufbringen. Die Empathie, d. h das Einfühlungsvermögen und der Wille zu verstehen schwindet im Übergang von Stufe drei, »Taten«, auf Stufe vier, »Images, Koalitionen«. Vielleicht erinnern einzelne Elemente aus dem Unterkapitel »Spielchen« an Verhaltensweisen, die in Konflikte münden können, wenn sie während eines Spiels stattfinden. Auch damit ist das Spiel ernstlich bedroht. Vorbei ist es in der Stufe fünf: Da dürften entweder die Spielutensilien durch die Gegend fliegen oder sich die Mitspielenden innerlich zurückziehen. Ohne Auflösung des Konflikts ist in dieser Situation eine Rückkehr ins Spiel nicht mehr möglich.
9. Stufe: Gemeinsam in den Abgrund
2
3 Was wird hier eigentlich gespielt? 3.1
Wie können Sie Ihr Spiel identifizieren?
– 48
Faktor 1: Wo wird das Spiel gespielt? – 48 Faktor 2: Wie ist die Spielatmosphäre? – 49 Faktor 3: Wer spielt mit? – 49 Faktor 4: Wer ist aktiv? Wer ist passiv? – 49 Faktor 5: Was ist verabredet? – 49
3.2
Beispiele aus der Praxis
– 50
Beispiel A: Dabei sein ohne Wirkung – 50 Beispiel B: Chronische Überlastung – 53 Beispiel C: Die rechte Hand des Chefs – 55 Beispiel D: Die inneren Zirkel – 59 Beispiel E: Zustimmung des Finanzamtes – 61 Beispiel F: Die entscheidende Sitzung – 65 Beispiel G: Fusion – 68 Beispiel H: Konzept top-down installieren – 72 Beispiel I: Aufsteigen? – 76 Beispiel J: Unklare Spitze – 79 Beispiel K: Unter GL-Kollegen – 80 Beispiel L: Einfluss erweitern – 83 Beispiel M: Arbeitszuteilung – 85 Beispiel N: Die Dissertation wird nicht fertig – 88 Beispiel O: Einsame Entscheidung – 91 Beispiel P: Personalklüngel – 95 Beispiel Q: Ideenklau – 98 Beispiel R: Gemeinsam, aber nicht fifty-fifty – 101 Beispiel S: Projekt mit lauter wichtigen Personen – 104 Beispiel T: Eine Aushilfe ist bitter nötig – 106 Beispiel U: Reorganisation – 108
48
Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
Wie geht man mit konkreten Spielsituationen um?
Nachdem deutlich gemacht wurde, dass Spiele in Gang sind, wenden wir uns jetzt der Frage zu, wie Sie mit einer konkreten Situation umgehen und von den vorausgegangenen Überlegungen profitieren können. Dazu ist es wichtig, ▬ dass Sie feststellen können, welche Spiele bei Ihnen aktuell in Gang sind; ▬ dass Sie die Handlungsmöglichkeiten, die diese Spiele bieten, ausloten; ▬ dass Sie konkrete Schritte für Ihre eigene Situation entwickeln.
Simulationen und Planspiele
Aus Weiterbildung und Strategieentwicklung wissen wir, dass Erfahrungen aus dem Spiel einen hohen konkreten Nutzen bringen. In Simulationen und Planspielen werden gezielt Situationen bearbeitet, die ein wesentliches Element des Spiels enthalten: Sie verdichten die Zeit und zeigen unmittelbar Ergebnisse. Es wird dabei eine spielerische Atmosphäre geschaffen, die von den Beteiligten Ganzheitlichkeit, Offenheit, Dynamik, Kreativität, Kooperation und Aktion voraussetzt. Die Erkenntnisse aus einer solchen Situation haben sehr gute Transfererfolge, d. h. die so gewonnenen Erkenntnisse bleiben einerseits gut in Erinnerung und lassen sich andererseits für die konkreten Problemstellungen nutzen. Zuerst soll herausgefunden werden, welches Spiel gespielt wird. Anhand der Beschreibung von fünf Elementen wird dargelegt, welche Überlegungen gemacht werden können, um das Spiel zu identifizieren. Ist das Spiel bekannt, müssen wir uns Gedanken über die Möglichkeiten machen, die dieses Spiel bietet. Abschließend beginnt die Suche nach Ideen: Wie können die verschiedenen Spielmöglichkeiten in konkrete eigene Schritte transponiert werden?
3
5 Elemente für die Identifikation des Spieles
3.1
Wie können Sie Ihr Spiel identifizieren?
Dies herauszufinden, ist eine der Kernaufgaben, mit denen Sie sich beschäftigen müssen. Es lohnt sich deshalb, diese Aufgabe systematisch anzugehen, indem Sie verschiedene Faktoren, die ein Spiel charakterisieren, prüfen und Unterschiede, Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen mit Ihrer eigenen Situation herausarbeiten. Dafür ist es wichtig, nicht eine »Situation im Allgemeinen« oder ein abstrakte Situation zu untersuchen, sondern eine konkrete Situation. Die bisherigen Überlegungen wurden in einer gewissen Allgemeinheit angestellt. In diesem Kapitel nähern wir uns der Realität.
Faktor 1: Wo wird das Spiel gespielt? Jedes Spiel fordert eine eigene Umgebung
Es gibt Spiele, die brauchen eine ganz bestimmte Umgebung: Orientierungsläufe müssen z. B. im Freien abgehalten werden, weil das unbekannte Waldgelände eine Hauptkomponente für den Wettbewerb darstellt. Praktisch alle Sportarten werden in einer bestimmten Umgebung ausgeführt entweder an der freien Luft oder in einer Halle. Eine Poker-Runde findet typischerweise in einem rauchigen Hinterzimmer statt, zu dem nicht alle Leute Zugang haben. Sie kann auch weniger theatralisch abgehalten werden, aber doch eher in Räumen als unter freiem Himmel. Wer Verstecken spielen will, wird sich eine Umgebung aussuchen, in der es einerseits vielfältige Möglichkeiten gibt, sich zu verstecken, und diese Umgebung eingrenzen, andererseits soll deut-
49 3.1 · Wie können Sie Ihr Spiel identifizieren?
lich werden, wo das Ziel zum »An- bzw. Abschlagen« ist. Für alle Arten von Brettspielen ist eine Fläche nötig, auf der das Brett liegen kann, und Raum, damit die Mitspielenden darum herumsitzen, -stehen oder -liegen können. Weiter ist es angenehm, wenn der Wind nicht Karten oder andere Spielteile weg wehen kann. Überlegen Sie sich, wo Ihr Spiel stattfindet: ▬ Bei Ihnen im Büro? ▬ Am Arbeitsplatz in einem umfassenderen Sinn? ▬ In der Kantine? ▬ Im Sitzungszimmer? ▬ In den Gängen? ▬ Im WC? ▬ An Orten außerhalb des Arbeitsplatzes?
Faktor 2: Wie ist die Spielatmosphäre? Ist es beim Spiel still oder wird viel geredet oder geschrien? Herrscht wenig oder viel Bewegung vor? Ist es eher ruhig oder stellen Sie Hektik oder Nervosität fest? Sind die Bewegungen koordiniert oder eher unkoordiniert?
Stimmungen spielen eine Rolle!
Faktor 3: Wer spielt mit? Dort wo gespielt wird, treffen Menschen aufeinander. Nicht alle haben die gleiche Funktion. Die einen regen das Spiel an, andere spielen mit, andere schauen einfach nur zu und andere entfernen sich, wenn klar wird, dass »wieder eine Runde Skat gespielt werden soll«. Nicht alle Mitspielenden sind mit der gleichen Begeisterung bei der Sache. Die einen sind aktiv, andere verhalten sich eher passiv. Zudem gibt es Leute, die eigentlich gern mit von der Partie wären, aber nicht mitspielen dürfen.
Welche Rollen haben Mitspielende und Publikum?
Faktor 4: Wer ist aktiv? Wer ist passiv? Machen Sie sich Gedanken über die Personen in Ihrer Organisation. Wie sind sie in das Spiel involviert? ▬ Wer schlägt Spielrunden vor? ▬ Wer spielt mit? ▬ Wer schaut zu? ▬ Wer wendet sich ab? ▬ Wer darf nicht mitspielen?
Der Beitrag der Mitspielenden ist entscheidend
Beobachten Sie, wer im Spiel aktiv eigene Ziele verfolgt und gewinnen will. Stellen Sie fest, wer sich eher passiv verhält oder wer das Spiel bremst. Es ist auch möglich, dass Einzelne zwar mitspielen, obwohl sie selbst das gar nicht wollen. Tradition, Höflichkeit oder Zwang können zum Beispiel die Motivation zum Mitspielen darstellen.
Faktor 5: Was ist verabredet? Spiele brauchen ein Setting, Mitspielende und Regeln. Wenn ein eingespieltes Team am Werk ist, kann eine (weitere) Spielrunde losgehen, ohne dass noch viel erklärt werden muss – die Teilnehmenden bewegen sich traumwandlerisch sicher und die Regeln sind klar. Wenn es sich aber um ein neues Spiel
Sind die Spielregeln klar und allen bekannt?
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50
Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
handelt oder nicht alle Teilnehmenden bereits geübt sind, ist es von Bedeutung, dass abgemacht wird, ob z. B. das Figürchen bei Mensch ärgere dich nicht!1 nach Hause geschickt wird, wenn es überholt wird, oder wenn man auf dem gleichen Feld landet. Auch Vereinbarungen in Bezug auf Beginn und Ende des Spiels müssen getroffen werden. In der Folge sollen konkrete Beispiele die Theorie veranschaulichen. Diese Beispiele schildern die Situation aus der Sicht einer Person, die hier mit einem Großbuchstaben in alphabetischer Reihenfolge benannt wird. Weitere Akteure und Akteurinnen werden in allen Beispielen X, Y und Z genannt; So sind XG und YG die beiden wichtigsten Mitspielenden im Beispiel von G, während XK Gegenspieler von K ist.
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3.2
Beispiele aus der Praxis
Beispiel A: Dabei sein ohne Wirkung Die Situation A
Identifikation des Spiels
Der Oberbürgermeister einer Stadt (höchste gewählte Person) will eine Projektgruppe für Stadtentwicklung einsetzen, damit Zukunftsfragen kompetent besprochen und bearbeitet werden können. Von seiner ihm direkt unterstellten Frauenbeauftragten A wünscht er, dass sie Mitglied dieser Projektgruppe wird und ihr spezifisches Gender-Wissen aktiv einbringt. Die Projektgruppe trifft sich und legt ein Vorgehen fest. A nimmt interessiert teil und bemüht sich, ihren Part aktiv zu spielen. Sie findet aber keine Möglichkeit. Es ist unklar, wie sie vorgehen soll, es ist unklar, was von ihr erwartet wird, und es ist auch unklar, an wen sie sich wenden müsste. Von verschiedenen Seiten wird sie daraufhin kritisiert. Die einen fragen sie, warum sie denn nichts unternehme. Andere zweifeln daran, ob sie ihre schmalen Ressourcen wirklich sinnvoll in dieser Projektgruppe investiert. A fragt sich, ob sie aussteigen soll oder ob es Möglichkeiten gäbe, ihr Wissen konkret einzubringen. Als Mitspielende sieht A die verschiedenen Mitglieder der Projektgruppe und als Spezialfall den Oberbürgermeister, der einerseits in der Projektgruppe ist und andererseits ihr Auftraggeber und direkter Vorgesetzter. Passiv sind Parteien und Frauengruppen beteiligt, die A’s mangelhafte Effizienz in der Projektgruppe rügen. Die Atmosphäre im Spiel ist durch Bewegung und Aktivität geprägt: Es ist einiges in Gang, nur erkennt A das System dahinter nicht. Die anderen scheinen aber zu wissen, warum sie sich jeweils wie und wohin bewegen. A möchte auch aktiv sein. Wir suchen also ein Spiel mit einer größeren Anzahl von Spielenden, die sich alle bewegen; die Überprüfung von Teamspielen bietet sich somit an. Dies kommt hier eher nicht in Frage, weil A unter den Spielenden keine – mehr oder weniger – deutlichen Teams ausmachen kann. Es ist eher so, dass alle Beteiligten ihr eigenes Konzept haben. Deshalb brauchen wir ein Spiel, das Eigeninitiative zulässt. Es kann also kein Spiel sein, das eine regelmäßige Ordnung in der Reihenfolge der Aktivität vorsieht. Würde die etwa 1
In der deutschsprachigen Schweiz heißt dieses Spiel »Eile mit Weile«, hat aber etwas andere Regeln und Möglichkeiten.
51 3.2 · Beispiele aus der Praxis
reihum gehen, wäre A irgendwann an der Reihe. Aber genau diesen Impuls vermisst sie. Gibt es Spiele, die unregelmäßige Impulse setzen, die jeweils zu Handlungen auffordern? Ja, sie finden sich vor allem in Spielen, die wir als Kinder auf dem Schulhof oder am Ende von Turnstunden gespielt haben. Für die einen braucht es ein Spielgerät (Ball, Fetzen Stoff usw.), andere kommen ohne aus. Ein weiteres Merkmal ist, dass es ein Spiel sein soll, bei dem niemand ausscheidet und keine harten »Strafen« vorgesehen sind, wenn irgendetwas nicht klappt, denn die Mitglieder der Projektgruppe sind alle mit von der Partie und eigentlich bei guter Laune. Zuzwinkern2 ist die Lösung. Bei diesem Spiel stehen die Beteiligten im Kreis mit dem Gesicht zur Mitte, immer zwei Personen hintereinander. Die hinten stehende Person hält die Hände auf dem Rücken und berührt die vordere nicht. Eine Person steht alleine da und zwinkert den jeweils näher stehenden Personen möglichst unauffällig zu. Wird das Zwinkern erkannt, rennt die Person sofort los, während die hinter ihr stehende versucht, sie fest zu halten. Gelingt der Fluchtversuch, stellt sich die/der Geflohene hinter die 2
In der deutschsprachigen Schweiz brauchen wir den Ausdruck »Blinzeln«.
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52
Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
Person, die ihr/ihm zugezwinkert hat, und hält die Hände auf den Rücken. Damit hat die Initiative gewechselt; eine andere Person zwinkert nun unauffällig in die Runde. Wird der Fluchtversuch vereitelt, setzt die erste Person das Zwinkern fort. Damit das Spiel in Fluss kommt, muss einerseits das Zwinkern möglichst unauffällig sein, damit die hinten stehenden Personen wenig mitbekommen und die Fluchtversuche nicht in den ersten Ansätzen vereiteln können. Andererseits müssen die Angezwinkerten schnell reagieren. Auch das Ende des Spiels ist offen: Es wird so lange gespielt, wie die Beteiligten Freude am Spiel oder Zeit haben. Es gibt nichts zu gewinnen und nichts zu verlieren. Dabei sein und mitmachen ist alles.
3
Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Möglichkeiten im Spiel
Gedanken für die konkrete Umsetzung
Im Spiel gibt es unterschiedliche Phasen. Ist die Runde ganz ruhig, ist das erste »Rennen« schwierig, weil sich alle – auch die Personen, die hinten stehen – voll aufs Zuzwinkern konzentrieren können. Ist der Bann einmal gebrochen, wird es turbulent, wobei ein fröhliches Rufen und Kommentieren die Atmosphäre prägen. Die zwinkernde Person und die Richtung, in die die Konzentration geht wechseln; die Chancen zu entkommen steigen. Es gibt weder eine Garantie dafür, dass man an die Reihe kommt, noch dafür, dass man nicht fast ständig am Laufen ist. Ob und wie oft man an der Reihe ist, ist für alle Mitspielenden offen. Wenn jemand, der gern rennen würde ständig gehalten wird, kann man z. B. nachschauen, ob die hinten stehende Person wirklich die Hände auf dem Rücken hält. Weiter könnte man – in großzügiger Auslegung der Regeln – rennen und behaupten, man sei angezwinkert worden. Der Nachweis des Gegenteils ist praktisch unmöglich. Laufen während hektischen Phasen wird kaum in Frage gestellt, weil alle und alles in Bewegung ist und die Begeisterung und Freude am Spiel wachsen. In der realen Situation überlegt sich A zuerst, wer hinter ihr steht und versucht, sie fest zu halten. Ihrer Meinung nach ist es der Oberbürgermeister selbst, der sie in diese Projektgruppe geschickt hat. Das ist eine erste Überraschung. A wird künftig darauf achten, dass er auf jeden Fall die Hände hinter den Rücken hält. Sie wird konkrete Aktivitäten planen und dafür sorgen, dass der Oberbürgermeister sie nicht schon im Vornherein von diesen Vorhaben abzuhalten versucht, sondern seine konkrete Unterstützung dafür einfordern. Sie wird mit ihm diskutieren, wie er entweder seinen Platz wechseln und damit jemand anders halten kann oder wie er sie laufen lassen kann, ohne dass er damit das Spiel verdirbt. Zudem kann A fortan beobachten, wer überhaupt mit Zwinkern an der Reihe ist. Wenn das eine Person ist, die A kennt, kann sie vielleicht auf sich aufmerksam machen. A überlegt sich auch, ob sie diese Person nicht bereits vorher darüber informieren soll, dass sie sich über ein Zwinkern freuen würde. Die Grenzsituation »loslaufen ohne zwinkern« inspiriert sie eigentlich auch. Sie schließt ein solches Vorhaben nicht aus. Zusätzlich erwägt sie, ob nicht ein kurzes, aber lautes Beklagen, sie käme nie an die Reihe, vielleicht auch Wirkung haben könnte. Bezogen auf die Machtquellen (Kap. 1, Abschn. 1.1) bedeutet dies, dass A mit dieser Analyse einen großen Schritt gemacht hat, vor allem was die Frage nach den institutionellen Regeln angeht. Sie wird prüfen, ob Informations-
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und Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen, um sich in dieser Projektgruppe besser einbringen zu können. Ihre Beziehungen zu außenstehenden Personen, die sie bis anhin in dieser Sache vor allem kritisiert haben, will A nutzen, um ihre Position innerhalb der Projektgruppe zu stärken. A entwickelt durch diese Analyse sowohl offensiv (laufen) als auch defensiv (zurückgehalten werden) strategische Ideen, die sie erproben kann (Kap.1, Abschnitt 1.2). Das aktive Nutzen von Unsicherheitszonen bietet bestimmt noch ein weiteres Potenzial, ihr Vorgehen zu planen. A wird auf keinen Fall im jetzigen Zeitpunkt aussteigen, sondern die neu gewonnenen Erkenntnisse ausprobieren.
Beispiel B: Chronische Überlastung B ist erfahrene erste Verkäuferin in einem Fachgeschäft. Sie arbeitet viel, ist erfolgreich und im Team beliebt. Alle staunen über ihr Leistungsvermögen, aber B ist an ihren Grenzen. Von allen Seiten werden Wünsche an sie herangetragen – B kann einfach nicht »nein« sagen. Einerseits sind diese Wünsche, sowohl von Kolleginnen als auch von Kundinnen, durchaus berechtigt, und andererseits ist sie stolz darauf, dass in ihrer Abteilung »nichts liegen bleibt«. Damit kann sie unter anderem auch ihre Tüchtigkeit unter Beweis stellen. Gleichzeitig ist ihr bewusst, dass sie in dieser Intensität nicht weiterarbeiten kann. Das Risiko zu versagen oder krank zu werden ist für sie spürbar. B fragt sich, was sie tun kann, damit sie ihr Arbeitsvolumen besser ausbalancieren kann. In dieser Situation sind einerseits B und die Kolleginnen, andererseits auch die Kundinnen beteiligt. Diese Beteiligten sind aber in ganz unterschiedlichem Maße aktiv. Es macht den Eindruck, als würden die Kolleginnen und Kundinnen nicht viel tun, außer B zu aktivieren. Wir suchen deshalb ein Spiel mit einer sehr aktiven Spielerin und vielen Mitspielenden, welche die Aktivität der Spielerin auslösen, definieren, motivieren und inspirieren. B hebt sich also durch eine Sonderleistung von den anderen Mitspielenden ab. Das könnte auf Fußball hindeuten, mit B in der Position des »Libero«. Ihre Aufgabe wäre es dann, dafür zu sorgen, dass möglichst keine Bälle in Richtung auf das Tor gespielt werden. Natürlich gehört zum Spiel auch eine Torhüterin, die letztlich die Schüsse halten sollte. Die Torhüterin selbst ist B eher nicht, dafür rennt sie viel zu viel und macht die unterschiedlichsten Aufgaben. B experimentiert auch mit Tabu. In diesem Spiel werden Teams gebildet und eine Sanduhr sowie die Schachtel mit den Begriffen bereitgestellt. Eines der Teammitglieder nimmt eine Karte aus der Schachtel und sobald die Sanduhr umgedreht ist beginnt die Zeit zu laufen. Auf der Karte steht ein Begriff, der umschrieben und von den Teammitgliedern erraten werden soll. Es stehen aber gleichzeitig auch weitere, ähnliche Begriffe auf der Karte, die für die Umschreibung nicht benutzt werden dürfen – sie sind tabu. Die übrigen Mitglieder des Teams versuchen, den Begriff zu erraten und schreien ihre Vorschläge in die Runde. Sobald der Begriff getroffen ist, wird ein Punkt gutgeschrieben und die/der Aktive nimmt die nächste Karte. Das Rateteam darf so lange raten, bis die Sanduhr abgelaufen ist. Dann kommt das nächste Team an die Reihe. In der nächsten Runde übernimmt ein anderes Teammit-
Die Situation B
Identifikation des Spiels
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
glied die aktive Rolle. Wer die meisten Punkte macht, ist das siegreiche Team. B sähe ich in der Rolle der Aktiven, die versucht, möglichst viele Begriffe gut zu erklären und damit ihrem Team zu vielen Punkten zu verhelfen. Nicht ganz zutreffend ist aber, dass die Rollen wechseln und in der nächsten Runde andere Teammitglieder in die Rolle der Aktiven gehen. B hat eher den Eindruck, dass sie auf Zuruf aktiv wird. Dies erfüllt z. B. das Spiel Wort erraten. Wer den Ball zugeworfen bekommt, darf raten, wie das Wort, beginnend mit einem bestimmten Buchstaben, heißen könnte. Die Lösung ist eine ganz andere: B sucht nicht das Spiel, das in Gang ist, sondern ein Spiel, das ihr Problem der Überlastung lösen könnte. Sie bräuchte ein Spiel, bei dem sie auswählen kann, ob sie eine Aufgabe übernimmt oder nicht. Sie würde damit der Situation entgehen, auf Zuruf aktiv werden zu müssen. Bieter wird gespielt. »Bieter« ist eine Variante des Jasskartenspiels, das mit drei Mitspielenden gespielt werden kann. Es ist in jeder Runde offen, ob ein Angebot zustande kommt und die Runde gespielt wird oder nicht. Es wird eine unterstes Punkte-Limit für den Einstieg festgelegt. Alle betrachten ihr Blatt und schätzen ein, wie viele Punkte sie machen könnten, wenn sie den Trumpf ansagen und ausspielen würden. Dann wird geboten. Steigt jemand mit einem Angebot ein, hat die nächste Person die Möglichkeit zu steigern, bis nicht mehr weiter geboten wird. Die meistbietende Person gibt den Trumpf an, spielt aus und versucht, die gebotene Anzahl Punkte in dieser Runde nach Hause zu spielen. Die beiden Überbotenen versuchen gemeinsam, dies zu verhindern. Wird das Angebot eingespielt, bekommt die Bieterin zwei Punkte, gelingt dies nicht, erhalten die anderen beiden je einen Punkt. Die nächste Runde beginnt wieder mit Bieten. Niemand muss ein Angebot machen oder ein Angebot überbieten. Man kann die Abmachung treffen, dass – falls dreimal oder fünfmal hintereinander kein Spiel zustande kommt – die nächste Person die Mindestpunktzahl bieten muss oder sonst alles offen bleibt. Obwohl dieses Spiel die stressige Atmosphäre, die für B entsteht, weil quasi alle Arbeit bei ihr landet, nicht wiedergibt, ist es das Spiel, das hier in Gang ist, bzw. in Gang wäre.
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Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Möglichkeiten im Spiel
Zu Beginn des Spiels wird ausgemacht, wie viele Punkte zu einem Sieg nötig sind. Jede/r der drei Mitspielenden spielt auf einen persönlichen Sieg. Nach Betrachtung des Blattes ist es wichtig, eine Einschätzung der eigenen Chancen vorzunehmen und zu beobachten, wie die Mitspielenden reagieren. Beginnt ein Mitspielender zu strahlen oder runzelt eine Mitspielerin die Stirn? Je nach dem aktuellen Blatt wird vielleicht eine Ansage vermieden, ein Gebot gemacht oder ein bestehendes Gebot erhöht. Von allen Mitspielenden wird dies in jeder Runde wieder erwartet. Meistens kommt ein Spiel zu Stande, manchmal müssen die Karten zusammengeworfen und neu verteilt werden. Alle Beteiligten haben das Recht, auf ein Angebot zu verzichten oder nicht mitzusteigern, wenn sie glauben, dass sie die Runde nicht für sich entscheiden können. Je nach Punktestand wird auch das Risiko eingeschätzt: die Runde übernehmen und zwei Punkte ansteuern oder den fast sicheren einen Punkt nach Hause bringen?
55 3.2 · Beispiele aus der Praxis
B hat sich bereits sichtlich entspannt. Als erste Verkäuferin hat sie selbstverständlich das Recht und die Pflicht zu entscheiden, wie die Arbeiten verteilt werden. Niemand kann sie zwingen, alle Arbeiten selbst zu erledigen. Den größten Teil des Drucks hatte sie sich selbst auferlegt. Natürlich haben sich die anderen an diesen Zustand gewöhnt. Für B ist es wichtig zu erkennen, dass sie selbst für eine Veränderung sorgen kann, ohne einen vollständigen Umsturz einzuleiten. Sie braucht nur klar zu machen, welches Spiel gespielt wird – nämlich »Bieter« – und sich selbst an die Spielregeln zu halten. Damit würde sich die Lage für sie wesentlich ändern. Sie könnte in jeder Runde wieder neu entscheiden, ob sie aktiv mit bietet und auf zwei Punkte spielt oder ob sie sich zurückhält. Auf Zuruf ein Angebot zu machen, wenn sie schlechte Karten hat, wäre in diesem Spiel außerordentlich fahrlässig. Solange B dies aber macht, freuen sich die Mitspielenden darüber, wie leicht sie zu den einzelnen Punkten kommen, obwohl sie vielleicht die Möglichkeiten gehabt hätten, mehr zu bieten und die Runde selbst auszuspielen. B nimmt sich vor, von ihrem automatischen Reagieren schrittweise Abstand zu nehmen. Die Vorstellung, dass mit jeder Anfrage jeweils eine neue Runde beginnt, inspiriert sie. Sie nimmt sich vor, zuerst zu überlegen und nachzuschauen, wer aktuell gute Karten, d. h. freie Kapazitäten hat. Dieser Person wird sie die entsprechende Aufgabe zuweisen. Sie rechnet durchaus mit der Überraschung oder dem Erstaunen in ihrem Team, wenn sie so verfährt. Die Möglichkeit, dass sie damit aber auch den Gewinn von zwei Punkten versprechen kann, könnte die Motivation der Beteiligten erhöhen. Alle können mitverfolgen, wer jeweils aktiv ist. B ist zuversichtlich, dass sie eine tragbare Arbeitsverteilung findet. In der Zukunft könnte sie sich auch vorstellen, dass die Teammitglieder selber »mitbieten«. Das würde B daran erkennen, dass sie ihr jeweils mitteilen, ob sie an Aufgaben interessiert sind, einen bestimmten Auftrag übernehmen möchten oder ob sie gerade mit Arbeit eingedeckt sind. B kann das Spiel und die Spielregeln neu definieren. Ihre Position erlaubt ihr, Vorgaben zu machen. Sie ist von den Qualitäten ihrer Teammitglieder überzeugt und wird durch kluge Information und Kommunikation die Zustimmung im Team anstreben. Dadurch, dass B nicht mehr automatisch alle Aufgaben selbst ausführt, ist offen, wer sie zu übernehmen hat. Diese Unsicherheitszone will B bewusst gestalten und damit den Teammitgliedern auch einen gewissen Raum verschaffen. B will nicht nur neue Arbeiten anordnen, sondern bei den verschiedenen Teammitgliedern ein Mitdenken fördern: Wer hat freie Kapazitäten, wer ist besonders gut in bestimmten Aufgaben, wer hat schon lange nicht mehr... usw.
Gedanken für die konkrete Umsetzung
Beispiel C: Die rechte Hand des Chefs In einer großen Verwaltung sind viele verschiedene Reformprojekte im Gang. Die politische Führung und das Parlament haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt. C leitet eine Abteilung und ist sowohl in diesem Reformprojekt als auch auf einer nächst höheren Steuerungsebene aktiv. Die Arbeiten in der Abteilung gehen gut voran, die Mitarbeitenden sind motiviert und kreativ. C sieht u. a. seine Aufgabe darin, für diese Mitarbeitenden, die zusätzlich zu ihrer Normalarbeit die Arbeit in der Projektgruppe leisten, möglichst optimale
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Die Situation C
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
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Rahmenbedingungen zu schaffen und zu erhalten. Dazu informiert er über den laufenden Stand und muss auf der Steuerungsebene jeweils Anträge einbringen und die Zustimmung für seine nächsten Schritte und die dazu gehörenden Ressourcen bekommen. Dabei bekommt er von XC, der rechten Hand des Regierungschefs, immer mal wieder merkwürdige Aktionen zu sehen: Er nimmt einen Antrag von der Tagesordnung oder setzt ihn unangekündigt darauf, er unterschreibt Berichte oder Antworten usw. Dies macht er nicht nur, wenn es um C geht. C beobachtet, dass XC dies offenbar mit allen Abteilungsleitenden macht und damit den Eindruck erweckt, er wäre eine zu-
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sätzliche Entscheidungs- und Gestaltungsebene. In Wirklichkeit sei aber die Reform u. a. deshalb interessant, weil Hierarchien abgeflacht würden. C ist verärgert und findet gleichzeitig das Verhalten von XC lächerlich. C fragt sich, wie er diese Situation verbessern kann. An diesem Spiel sind C, die anderen Abteilungsleitenden und XC beteiligt; die Mitglieder der Regierung sind nur in einer sehr passiven Art und Weise mit von der Partie, mit einem sehr großen Abstand – eigentlich eher als Publikum. Das Spiel ist sehr ruhig und kommt eigentlich ohne Worte aus. Es wird da gespielt, wo XC ist, weil XC mit seinem Verhalten sich mit allen Abteilungsleitenden verbindet. Die Abteilungsleitenden agieren, XC reagiert usw. XC weitet sein Terrain aus, steckt sich fremde Federn an den Hut und macht sich wichtig. C möchte sich dagegen wehren, weiß aber nicht wie er dies tun soll. Die Überlegungen gehen in Richtung Karten- oder Brettspiel. Bei vielen Spielen mit Jass-Karten ist eine der Grundregeln, dass man versucht, die Karte der anderen zu stechen, weil die eigene einen höheren Wert hat. Dies kommt hier nicht in Frage. Das Tun von XC hat gar keine berechtigte Basis, er hat also nicht die besseren Karten. Bei Brettspielen wie Mensch ärgere dich nicht oder Malefiz versucht man, die Figürchen der eigenen Farbe ins Siegfeld zu bringen. Wenn die anderen einem im Wegstehen, kann man sie nach Hause schicken, indem man sie entweder überholt oder genau einholt. Auch das scheint hier nicht zuzutreffen: Die Arbeiten der Abteilungsleitenden werden nicht zurückgewiesen, sie werden annektiert. Fang den Hut trifft diese Situation. »Fang den Hut« ist ein Brettspiel, bei dem alle Mitspielenden jeweils fünf Figürchen in einer eigenen Farbe haben. Die Form des Figürchens ist ein Kegel und erinnert deshalb an einen spitzen Hut, der dem Spiel den Namen gibt. Es wird reihum gewürfelt, und die Person, die am Zug ist bewegt einen Hut entsprechend der Augenzahl, egal in welche Richtung. Ziel ist, auf ein Feld zu kommen, auf dem ein Hut anderer Farbe steht. Dort wird der eigene dem anderen Hut übergestülpt. Der fremde Hut ist »aufgefressen«. Mit dem – jetzt – zweistöckigen Hut geht das Spiel weiter. Die fremden Hüte sollen ins eigene Haus gebracht und damit endgültig aus dem Spiel genommen werden. Ist ein ganzer Turm aus Hüten unterwegs, dürfen die eigenen Hüte im eigenen Haus auch wieder befreit und wieder auf die vielen möglichen Wege los geschickt werden. Selbstverständlich schauen die anderen Mitspielenden nicht tatenlos zu. Sie haben die gleichen Möglichkeiten, die andersfarbigen Hüte einzuholen und zu »fressen«, bevor sie ihr Haus erreicht haben. Das Spiel ist zu Ende, wenn nur noch Hüte in einer Farbe auf dem Brett stehen. Gezählt werden die fremden Hüte im eigenen Haus. Spannung entsteht, wenn eine Übernahme droht oder ein mehrstöckiger Hut sich erfolgreich dem eigenen Haus nähert: Entstehen nun kurzfristige Allianzen oder muss sich die/der Betroffene allein wehren? Wie lange halten eventuell entstehende Allianzen?
Identifikation des Spiels
Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Sobald gewürfelt wird, verlassen die Spielenden mit einem der Hütchen das Haus und setzen sich den anderen aus oder sind selber auf der Jagd. Alle beobachten, wohin die anderen ihre Hütchen setzen. Nun kann man offensiv werden und auf eines der Hütchen zugehen, in der Hoffnung, es »fressen« zu
Möglichkeiten im Spiel
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
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Gedanken für die konkrete Umsetzung
können. Oder man bleibt defensiv und versucht, den Abstand zu den nächsten Hütchen so groß zu halten, dass er nicht mit einem Wurf überwunden werden kann. Jede Bewegung eines anderen Hütchens verändert natürlich das Verhältnis auf dem Brett. Ist man mit einem einzelnen Hütchen beschäftigt, kann man unter Umständen die anderen Hütchen kurzfristig aus dem Blick verlieren und sie nicht genügend schützen. Vielleicht profitieren andere davon und schnappen sich eines. Dann hat die defensive Strategie Priorität: Wer ein Hütchen verloren hat, wird alles versuchen, damit die/der andere das gefressene Hütchen nicht heil in sein/ihr Haus bringen kann, wo das geschnappte Hütchen definitiv verloren wäre; die Verfolgung dieses »Doppelstöckers« wird also aufgenommen. Der »Doppelstöcker« ist auch für die anderen Mitspielenden interessant: Sie können sich mit einem Schlag gleich zwei Hütchen schnappen. Wer sich da Chancen ausrechnet, mischt sich also ebenfalls ein. Je mehr Hütchen übereinander gestapelt sind, desto attraktiver wird es, dieses Türmchen zu fangen. In solchen Situationen kann es sich lohnen, ein großes Risiko einzugehen. Wichtig ist allerdings, dass die Chance zu »fressen« immer auch ein Risiko ist: Wer sich auf ein Hütchen zu bewegt, muss auch damit rechnen, von dem Hütchen geschnappt zu werden, weil sich alle Hütchen immer in alle Richtungen bewegen dürfen. Eine wichtige Frage darf nicht vergessen werden: Spielen tatsächlich alle Beteiligten immer für die eigene Farbe oder bilden sich – zumindest zeitweilige – Allianzen? Schont da Grün Blau und frisst mit Vorliebe Gelb, obwohl ein blaues Hütchen direkt vor der Nase steht und der Würfel die passende Augenzahl gezeigt hat? Welche Schlüsse kann man daraus ziehen? Kann man von dieser Allianz profitieren oder ist es klüger, gegen sie anzutreten? Ist es geschickt, eine eigene Allianz anzubieten, die uns in eine günstigere Situation bringt? Wer könnte ein Interesse an einem gewissen Stillhalten haben? Und: In welchem Augenblick soll man die Allianz verlassen und sich gegen ehemalige Verbündete wenden? Womit hat man dann zu rechnen? Wer geht dann auf die eigenen Hütchen los? Alle oder nur die/der »Verratene«? Als Erstes ist C bewusst geworden, dass er und seine Kollegen auch aktiv werden müssen. Das heißt, solange C und seine Kollegen passiv sind, wird XC herumspazieren und alle Hütchen, die ihm begegnen, schnappen und seelenruhig in sein Haus bringen. C ist deutlich geworden, dass es eine Abwehrmöglichkeit gibt: Er wird seine Ideen, Vorschläge und Anträge mit möglichst großem Abstand zu XC einbringen, so dass XC sie nicht mit einem Wurf erreichen kann. Oder er wird so lange mit einem weiteren Vorschlag in der Nähe bleiben, dass er XC sofort »zurückschnappen« kann, sollte er einen Antrag annektieren. Somit hätte C allenfalls ein Hütchen von XC in seiner Gewalt. Er wird sich überlegen, was er mit diesem Pfand anfangen kann. Kommen andere Kollegen zu Hilfe? Eigentlich sind die ja in einer ähnlichen Situation wie C. Interessant wird die Beobachtung sein, welche Kollegen mit welchem Aufwand C oder XC zu Hilfe kommen – wie viel Risiko sie selber eingehen. Darauf ist C gespannt. Zudem ist nicht zu unterschätzen, was unter den Kollegen läuft: Wahrscheinlich wird auch da gefressen, nur ist die Aufmerksamkeit eher bei XC, weil er so deutlich agiert.
59 3.2 · Beispiele aus der Praxis
Die größte Schwierigkeit ist für C, dass er in diesem Spiel ja nicht ausschließlich abwehren kann. C hat noch keine Ideen, warum er überhaupt XC aktiv schnappen soll, ebenso wenig worin der Vorteil für sich und der Nachteil für XC bestehen würde. Es ist ihm aber klar geworden, dass er eine offensive Strategie entwickeln sollte. Das würde dazu führen, dass C und XC in eine Beziehung des Aushandelns kämen. Mit seiner Nähe zu den politisch Entscheidenden bekleidet XC eine Position, die durchaus auch für C interessant sein könnte. C wird sich also über die Kompetenzen und Möglichkeiten von XC Informationen beschaffen, um damit diese Machtquelle besser nutzen zu können. Zusätzlich wird er – immer noch in diesem Feld – aktiver werden und jeweils die Autorenschaft und Verantwortlichkeit selber aktiv kommunizieren, bevor XC dies auf seine – unerwünschte – Art tut. C geht davon aus, dass »Fang den Hut« mittelfristig für XC an Attraktivität verlieren wird. Er überlegt sich, was ein – für beide Seiten – interessanteres Spiel sein könnte, und nimmt sich vor zu beobachten, welche Regeln XC nicht befolgt oder neu einbringt. Dies könnte anzeigen, in welche Richtung sich das Spiel verändern soll.
Beispiel D: Die inneren Zirkel D ist Mitarbeiterin in einem international tätigen Unternehmen und verantwortlich für eine große Hauptabteilung. Ihre Leistungen werden geschätzt, ihr Führungsstil ist akzeptiert, das Klima in ihrer Abteilung gut. D beobachtet, dass Kollegen und Kolleginnen auf ihrer Ebene, aber v. a. die Kollegen Hauptabteilungsleiter sich mit Beratern und einem Teil der Abteilungsleiter in informellen Zirkeln treffen. Ab und zu hat sie den Eindruck, dass aus diesen Zirkeln Vorschläge kommen, die gar keine offene Diskussion mehr zulassen. Die Entscheidungen scheinen bereits gefallen. Damit ist D aus dem Meinungsbildungsprozess ausgeschlossen. D fragt sich, wie sie ihren Einfluss auf dem Niveau der Kollegen halten kann. Sie will keine Zweitklassführungskraft werden. Sie fragt sich, wie sie an den informellen Informationsprozessen teilhaben kann. Soll sie versuchen, Zugang zu diesen inneren Zirkeln zu finden? Wenn nein, welche anderen Möglichkeiten hat sie? Wenn ja, wie kann sie vorgehen und sich selbst dabei treu bleiben? Am laufenden Spiel ist eine nicht genau bestimmte Anzahl von Personen beteiligt. Diese bewegen sich, aber in einer nicht voraussehbaren Art. Manchmal scheint der innere Zirkel eher kontemplativ, manchmal ist ausgelassenes Gelächter zu hören, manchmal laufen alle durcheinander. Die Treffen scheinen auch nicht fixe Daten zu haben. Aus D’s Erinnerung entsteht auch der Eindruck, dass in diesen inneren Zirkeln nicht alle die gleiche Ausgangsposition haben, sondern jeweils eine Person temporär eine Spezialposition innehat. Sie sucht deshalb Spiele, an der eine unbestimmte Anzahl Personen teilnehmen können und bei denen für eine Person eine Sonderposition bereitgehalten wird. Sie prüft König-Kaiser ( die ausführliche Beschreibung bei der Situation E), verwirft diese Möglichkeit aber, weil sie die Sonderposition nicht als autoritär empfindet. Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann ( die ausführliche Beschreibung bei der Situation H) und Wir kommen aus dem Morgenland treffen nicht zu, weil D nicht den Eindruck hat, dass
Die Situation D
Identifikation des Spiels
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
irgendwer davon rennt bzw. gefangen werden soll. Die Sonderposition hat etwas Großzügiges. D überlegt, ob Taler, Taler ( die ausführliche Beschreibung bei der Situation E) gespielt wird. Ein Liedchen wird – nicht gerade schön – gesungen und die Beteiligten stecken ihre Köpfe zusammen. Alle beobachten, wer wohl den Taler bekommen wird, und nehmen damit wenig von ihrer Umwelt wahr. Nach D’s Empfindung bilden sie einen inneren Zirkel. Trotzdem trifft der Charakter dieses Spiels nicht auf ihre Situation zu: D sieht die Sonderposition eher als einladende/r Gastgeber/in. Eine Schnitzeljagd ist im Gang. Die/der Gastgeber/in hat in einem bestimmten Gebiet Spuren (»Schnitzel«) gelegt, denen die Mitspielenden folgen. Am Ziel wartet ein attraktiver Preis. Die Mitspielenden bilden Teams und treffen entlang den Schnitzeln immer wieder auf Aufgaben, die sie lösen müssen. Die/der Gastgeber/in hat sich diese ausgedacht und vergibt den Teams Punkte. Die Zahl der Punkte hängt davon ab, wie gut ein Team die Aufgabe gelöst hat. Je nach der Grundidee einer Schnitzeljagd, sind diese Aufgaben ernst, witzig oder eher symbolisch. Ist die Stimmung ernst, ist die Sonderposition eher eine Schiedsrichter/innenrolle, welche für die unparteiliche Abwicklung sorgt. Die Konkurrenz unter den Teams wird entsprechend ernsthaft oder spaßig sein. Dasjenige Team, welches das Ziel als Erstes erreicht, darf den Schatz heben und hat gewonnen. Damit ist die Schnitzeljagd beendet und die Spielrunde löst sich auf. Soll es eine weitere Schnitzeljagd geben, muss sich eine nächste Person als Gastgeber/in anbieten und mitteilen, wann und wo die nächste Schnitzeljagd beginnt.
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Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Möglichkeiten im Spiel
Gedanken für die konkrete Umsetzung
Als Erstes gilt es herauszufinden, wann und wo eine Schnitzeljagd angesagt ist und von wem. Diese Informationen geben die Grundlage für die Entscheidung, wer teilnimmt oder teilnehmen kann. Ort und Zeit sind dabei ein wichtiger Faktor: Wer mitspielen will, muss verfügbar sein und den Zugang haben. Der zweite wichtige Faktor ist der/die Gastgeber/in. Von dieser Person hängt es ab, ob großes oder geringes Interesse besteht: Je nachdem wer Gastgeber oder Gastgeberin ist, kann ein interessanter Parcours mit erheiternden Teamaufgaben oder eher eine langweiligere Angelegenheit erwartet werden. Ein dritter wichtiger Faktor stellt der Schatz am Schluss dar: Ist es attraktiv, diesen zu heben, kann dass eine Motivation zur Teilnahme sein. Weiter ist zu beobachten, wer sich zum Ausgangspunkt bewegt. Sind wichtige und interessante Personen dabei, kann dies ebenfalls stimulierend wirken. Als Erstes ist D darüber überrascht, dass sie mit der Vorstellung über eine Schnitzeljagd ganz andere Bilder verknüpft als die herkömmlichen Bilder von geschlossenen Männerbünden. Da bei den Schnitzeljagden die Position des Gastgebers wechselt, wird sie schauen, wer gerade als Gastgeber/in aktiv ist. Vermutet sie, dass ein interessanter Schatz wartet und unterwegs spannende Aufgaben gestellt werden, wird sie sich einem Team anschließen und an der Schnitzeljagd teilnehmen. Sie wird in diesem Fall dafür sorgen, dass sie erfährt, wann und wo die Schnitzel ausgelegt sind, und sich rechtzeitig und entsprechend gerüstet einfinden. Es ist offen, ob eine Phase im Wald oder in der Oper stattfindet – da ist Flexibilität gefragt. Da D Teil eines Teams sein wird, sucht sie sich diejenigen aus, die für den Gewinn des Schatzes am er-
61 3.2 · Beispiele aus der Praxis
folgversprechendsten scheinen. Auch in dieser Beziehung wird sie sich nicht ausschließlich auf bestehende Vertrauensverhältnisse stützen. Sie wird versuchen, die Schnitzeljagden als Testfeld zu nutzen. Wenn sie zur Einschätzung kommt, die angesagte Schnitzeljagd sei uninteressant, verzichtet sie. Da immer wieder mal eine Schnitzeljagd veranstaltet wird, muss sie sich nicht für diese entscheiden. Es geht nicht um die Aufnahme in einen inneren Zirkel, sondern um die Frage einer zeitweiligen Beteiligung. D wird richtig munter, wenn sie sich vorstellt, selber Gastgeberin einer Schnitzeljagd zu werden. Da sie selbst auch von der Schnitzeljagd profitieren will, wird sie den attraktiven Gewinn und die interessanten Zwischenaufgaben so wählen, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit Freude mit von der Partie sind und gleichzeitig ihre Ansprüche, die sie ihnen im Rahmen der obligaten Gruppenaufgaben stellen wird, erfüllen werden. Damit sie mit der Teilnahme der Kollegen rechnen kann, wird sie Überlegungen dazu anstellen, an welchen Orten sie die Schnitzel auslegen will. Sie wird auf geeignete Art und Weise ihre Schnitzeljagd bekannt geben und beobachten, wie sich die Teams zusammenfinden. Als zusätzliche neue Idee wird sie einbringen, dass nach dem Heben des Schatzes durch das siegreiche Team, ein Abschlussfest für alle gefeiert wird. Sie wird mit Überzeugung und Engagement in die Organisation dieser Schnitzeljagd einsteigen. D wird durch ihre punktuelle, aber bewusste Teilnahme an Schnitzeljagden eine neue Situation schaffen, mit der sie ihre Kollegen überraschen wird. Sie schafft eine Unsicherheitszone, was Reaktionen zur Folge haben wird. D wird sich darauf einstellen und frühzeitig beobachten, ob über Informationsund Kommunikationskanäle in dieser Hinsicht Interessantes verbreitet oder angedeutet wird. Es ist offen, ob positive und/oder negative Reaktionen erfolgen. Für die Organisation ihrer eigenen Schnitzeljagd wird sie die bereits bestehenden Informationskanäle prüfen und allenfalls neue Wege eröffnen, wenn sie noch bessere findet.
Beispiel E: Zustimmung des Finanzamtes E ist in einer Verwaltungsabteilung beschäftigt und handelt im Auftrag seiner Abteilung mit außen stehenden Institutionen Verträge aus. Diese Verträge müssen sowohl bundesgesetzlichen Anforderungen als auch den verwaltungstechnischen Budget-Vorgaben genügen. E hat die Kompetenz, diese Verträge mit den entsprechenden Zahlen abzuschließen. Die Zustimmung des Finanzamtes ist dafür grundsätzlich eine Formsache. Der zuständige Sachbearbeiter im Finanzamt, XE, prüft vor der Zustimmung nicht nur, ob der Budget-Rahmen eingehalten ist, sondern auch ob der vorliegende Vertrag seine Zustimmung verdient. Hin und wieder kommt er zu einem negativen Schluss und verweigert abgeschlossenen Verträgen seine Zustimmung, was schwer wiegende Folgen haben kann. Werden vereinbarte Subventionen nicht rechtzeitig ausbezahlt, sind beispielsweise Lohnzahlungen von Institutionen nicht gesichert oder es müssen Verpflichtungen der Institutionen gegenüber Eigentümern usw. offen bleiben. XE hat zwar keine offizielle Befugnis, die Verträge inhaltlich zu prüfen; er ist aber ein verdienter Beamter, der
Die Situation E
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
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Identifikation des Spiels
»es schon immer so machte«. An seiner formalen Zustimmung kommt tatsächlich niemand vorbei. E fragt sich, ob es einen Weg gibt, XE auf seine sachgemäße Kompetenz zu beschränken. An diesem Spiel gibt es viele Beteiligte: Alle, die für Verträge Stempel und Unterschrift von XE brauchen. Das sind nicht nur Leute wie E und seine Kolleginnen und Kollegen aus der gleichen Abteilung, sondern noch sehr viele mehr. Wir suchen also ein Spiel mit vielen Beteiligten, die ihre Einzelinteressen wahrnehmen möchten, und einer gut abgrenzbaren Sonderposi-
63 3.2 · Beispiele aus der Praxis
tion für XE. Die Stimmung ist grundsätzlich ruhig, es werden Akten verschoben, Telefonate geführt usw. Solche Spiele sind meistens Kinderspiele aus frühester Jugend. Eines heißt Taler, Taler, du musst wandern. Ein Kind hält den »Taler« (z. B. einen Ring o. ä.) möglichst unbemerkt zwischen den gefalteten Händen, die anderen stehen oder sitzen in einer Reihe und halten die gefalteten Hände mit den Fingerspitzen nach vorne gerichtet in Höhe des Bauches. Nun wird das Lied gesungen – alle müssen singen – und das Kind mit dem Taler macht bei jedem die Geste, als würde es ihn hier unauffällig zwischen die gefalteten Hände sinken lassen – oder hier, oder hier. Ist das Lied zu Ende, darf das letzte Kind raten, wo der Taler tatsächlich gelandet ist. Hat es richtig geraten, darf es in der neuen Runde selbst den Taler verteilen; wenn nicht, ist das Kind, das den Taler erhalten hat, an der Reihe. Die Willkür des Verteilens würde durchaus ins Bild passen. Den Spielraum, den die Kinder ohne Taler haben, ist aber so minimal, dass das Spiel nicht zutrifft. Die Suche geht weiter nach einem Willkürspiel mit etwas mehr Spielraum für die Abhängigeren. Wir kommen aus dem Morgenland hat ebenfalls eine Sonderposition mit dem »Meister«. Der Meister steht bereit und alle anderen Spielenden kommen in einer Reihe auf ihn zu und sprechen den folgenden Dialog3: »Wir kommen aus dem Morgenland und haben schwarze Ohren. Herr Meister gib uns Arbeit an, sonst gehen wir verloren.« »Was für eine?« »Eine sehr gute, feine.« »Machen Sie’s einmal vor.« Alle stellen den Beruf, den sie vorab gemeinsam verabredet haben, mit Mimik und Gesten dar. Der Meister versucht zu erraten, was dargestellt ist. Gelingt es ihm, rennen alle weg und der Meister versucht, möglichst viele von ihnen zu fangen. Alle Gefangenen kommen auf die Seite des Meisters; die Übriggebliebenen denken sich einen neuen Beruf aus und beginnen wieder mit dem Dialog. Sind alle Mitspielenden gefangen, wird ein neuer Meister bestimmt und das Spiel geht in eine neue Runde. In diesem Spiel ist der Meister zwar auch in einer Sonderposition, aber seine Machtmöglichkeiten sind sehr beschränkt. Erstens muss er erraten, was für einen Beruf die Anreisenden darstellen. Zweitens führt das Erraten noch nicht zum Ziel, er muss sie auch noch fangen. Weder die Machtbefugnis des Meisters noch die Atmosphäre mit dem Herumrennen entsprechen der Situation. König-Kaiser uf der Dole kommt der Situation am nächsten. Da steht oder sitzt also der »König-Kaiser« in der Mitte vorne und alle Untertaninnen und Untertanen stehen ihm gegenüber auf einer Linie. Die erste Untertanin schreit: »König-Kaiser uf der Dole, wivill Schrittli dörf i hole?«4 Der KönigKaiser teilt zu: »Ein halbes Gänsefüsschen«, »ein Gänsefüsschen«, »ein kleiner Schritt«, »ein großer Schritt«, »ein Sprung«, »ein Riesensprung« oder »eine Matratze« (eine Körperlänge am Boden ausgestreckt). Die Untertanin führt den Befehl aus und der nächste Untertane stellt die Frage. In einer Variante des Spiels darf die Untertanin sich erst bewegen, wenn sie noch einmal 3
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Von diesem Dialog sind sehr unterschiedliche Versionen bekannt. Wichtig ist, dass sie rhythmisch gesprochen werden können. Ungefähr auf hochdeutsch: »König-Kaiser auf der Dole, wie viele Schritte darf ich gehen?«
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
nachgefragt hat: »Darf ich?«, und der König-Kaiser dies bestätigt. Bewegt sie sich vorher, muss sie zurück zur Ausgangslinie. Die Untertaninnen und Untertanen bewegen sich so lange nach vorne, bis jemand den König-Kaiser berührt. Dann wir die Regentschaft ausgewechselt und alle beginnen wieder von der Ausgangslinie. Soweit die Grundregel. Wenn dies allein gelten würde, wäre die Willkür wieder ähnlich groß wie beim Taler. Hier dürfen sich aber die Untertaninnen und Untertanen noch zusätzlich ohne könig-kaiserliche Gnade nach vorne bewegen, solange der König-Kaiser die Bewegung nicht sieht. Sieht er eine Bewegung, mahnt er dies an und die Erwischten müssen sich wieder an die Grundlinie stellen. So entsteht Bewegung durch die erlaubten und die unentdeckten Schritte.
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Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Möglichkeiten im Spiel
Gedanken für die konkrete Umsetzung
Der König-Kaiser bestimmt, wie er die Länge der Schritte verteilt. Das kann nach Sympathie erfolgen oder vom Abstand abhängen, der noch zwischen ihm und dem nächsten Untertanen besteht. Je kürzer dieser wird, desto kleiner werden wohl die erlaubten Schritte sein. Der König-Kaiser hat damit allenfalls die Möglichkeit zu steuern, wer ihn ablöst. Die Untertaninnen steuern das Geschehen mit. Sie beobachten, wohin der König-Kaiser schaut und versuchen vorwärts zu kommen, wenn er es nicht sieht – mit dem Risiko, wieder an der Grundlinie anzufangen, wenn sie erwischt werden. Grundsätzlich ist der König-Kaiser mit einer Untertanin beschäftigt, indem er ein Schrittmaß anordnen und die korrekte Durchführung überprüfen muss. Je weiter jemand von dieser Person entfernt ist, desto größer ist die Chance, sich unbemerkt vorwärts zu bewegen. Auch wenn es auf Anhieb nicht unbedingt einleuchtet: Auch hier ist ein gemeinsames Vorgehen möglich. Wenn sich alle Untertanen gemeinsam bewegen, ist es für den König-Kaiser gar nicht so einfach, genau zu bestimmen, wer sich jetzt wirklich bewegt hat. Manchmal kann sich jemand auch nach vorn bewegen, weil es vor ihr oder ihm schon so viele gibt, die dem König-Kaiser gefährlich werden. Einerseits verdecken diese dem König-Kaiser die Sicht und andererseits ist seine Aufmerksamkeit gebunden. Viel einfacher ist es für den König-Kaiser, wenn alle still stehen und nur eine Person sich – außerplanmäßig – nach vorn bewegen will. Auch die Art, wie es zur Ablösung des König-Kaisers kommt, kann sich ganz unterschiedlich gestalten. Eindeutig ist es, wenn er der/dem Nächststehenden mit einer »Matratze« erlaubt, ihn zu erreichen. Wenn aber mehrere gefährlich nahe stehen und der König-Kaiser einer/einem ein »Gänsefüsschen« erlaubt, damit diese/r nicht schnell vorwärts kommt, kann es schon geschehen, dass ein/e andere/r einen Sprung aus einer Ecke wagt, die der König-Kaiser nicht im Blickfeld hat. Die Positionen, die bis zu diesem Zeitpunkt erreicht wurden, werden daraufhin aufgelöst. Alle müssen unter dem neuen König-Kaiser wieder von vorn beginnen. Niemand kann bisher Erarbeitetes übernehmen. Dieser Wechsel führt zu völlig neuen Verhältnissen: Wer weiß, wie der neue König-Kaiser einem gesinnt sein wird? XE, der König-Kaiser, billigt E nur kleine Schritte zu oder schickt ihn wieder zurück, weil er sich außerplanmäßig bewegt hat. Die Überlegung muss aber dahin gehen, was es in das Spiel übersetzt bedeuten könnte, den Stempel unter seinen Vertrag zu bekommen. E will den König-Kaiser nicht
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abzulösen. In diesem Sinn ist das Spiel mit der Situation nicht völlig konform: XE ist und bleibt der König-Kaiser. Es kann also nur das Ziel sein, vom KönigKaiser nicht schlecht behandelt zu werden. Vor allem bedeutet es, nicht zur Grundlinie zurück geschickt zu werden. XE kann sich ja nicht allen Verträgen (Untertaninnen und Untertanen) mit der gleichen Intensität widmen. E sucht also wirkungsvolle Maßnahmen, die seinen Handlungsspielraum nicht (zu stark) einschränken. Als Erstes fällt ihm ein, sich nicht zu exponieren. Wenn sein Dossier allein auf dem Schreibtisch von XE liegt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er sich intensiv damit beschäftigt. E wird sich also erkundigen, ob es in der Arbeit von XE Spitzenzeiten gibt und versuchen, sein Dossier in dieser Zeit einzureichen. Als Nächstes taucht die Frage auf, wie gegebenenfalls die anderen Dossiers genutzt werden könnten, um sich in deren Windschatten vorwärts zu bewegen. E wird in Erfahrung bringen, wer zusammen mit ihm eingereicht hat und darauf achten, dass er unter den anderen Einreichenden möglichst nicht auffällt. Er könnte sich auch überlegen, wie er von seinem Dossier ablenken könnte. Er wird beobachten, mit wem XE zur Zeit beschäftigt ist. Wenn dies den Eindruck macht, es sei intensiv, kann er wieder ein paar Schritte wagen. Im Notfall, wenn es z. B. eilt, könnte er sich auch aktiv ein Ablenkungsmanöver ausdenken. Wenn er an der Reihe ist, XE zu fragen, wie viele Schritte er gehen dürfe, sollte er dies in einem Ton tun, der XE nicht herausfordert oder den dieser als unterwürfig empfindet. Er wird beobachten, wie andere klingen, und entsprechend einen Ton finden, den er auch selbst vertreten kann. Zusätzlich wird sich E fragen, ob nicht die Variante gespielt wird, bei der nach der Zuteilung der Schrittlänge noch einmal gefragt werden muss, ob die Ausführung nun auch wirklich erlaubt sei. Das wäre noch einmal eine spezielle Referenz an den König-Kaiser und würde vielleicht dessen persönliche Wichtigkeit noch unterstreichen. Bei dieser Überlegung zeigt sich ein wissendes Lächeln auf dem Gesicht von E. Verglichen mit der Ratlosigkeit, die E zu Beginn empfunden hat, sind mit dieser Analyse Machtquellen im Bereich Information und Kommunikation aufgetaucht, die E auf diese Weise noch gar nicht gesehen hatte. Als Nächstes wird er vor allem beobachten und ausprobieren. Das macht ihn auch beweglich und holt ihn aus der Hilflosigkeit heraus. Über seine Beobachtungen und Erfahrungen wird er sich anschließend mit den Kolleginnen und Kollegen in der eigenen Abteilung unterhalten und mit ihnen diskutieren, ob daraus für alle geeignete Maßnahmen zu entwickeln sind.
Beispiel F: Die entscheidende Sitzung Bundesgesetze sind Vorgaben, die auf Landes- und Kreisebene in die Rechtsordnung integriert werden müssen. Für jedes Gesetz wird entwickelt, mit welchen konkreten Maßnahmen der Gehalt des Bundesgesetzes auf die richtige und wirkungsvolle Weise umgesetzt werden kann. In der Situation von F wurde geplant, das betreffende Bundesgesetz auf Kreisebene durch den Abschluss eines Vertrages zu realisieren. Verschiedene Vertragsparteien waren in einem komplexen Vorgehen an den Aushandlungen beteiligt. F, die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises, hatte vom zuständigen Bürgermeister
Die Situation F
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Identifikation des Spiels
den Auftrag, ebenfalls eine konkrete Frage in dieses Vertragswerk einzubringen. Durch gute inhaltliche Vorbereitungen, Unterstützung durch Sachverständige sowie verschiedene Gesprächsrunden mit den Vertragsbeteiligten konnte dem Kreistag ein konsensfähiger Vertragsentwurf zur Zustimmung vorgelegt werden, der auch das Anliegen der Gleichstellungsbeauftragten enthielt. An der entscheidenden Sitzung des Kreistages ergreift XF, ein Kreisrat, unabgesprochen als Erster das Wort und drückt Zweifel aus, ob wohl das Anliegen der Gleichstellungsbeauftragten, wie es im Vertragsentwurf konkretisiert ist, juristisch haltbar sei. Nach diesem Votum schließt sich der Bürgermeister dem Zweifel an und F hat keine Chance mehr, die inhaltlichen Gutachten zu zitieren. Ihr Anliegen wird aus dem Vertrag gestrichen. F fragt sich, was sie hätte tun können, um diese Situation zu vermeiden. In diesem Spiel sind einerseits die Mitglieder des Kreistags aktiv beteiligt, andererseits alle Vertragsparteien mit den Personen, die an den Verhandlungen teilgenommen haben – inklusive F – und einigen Sachverständigen. F beschreibt zwei Phasen: a) Die ganzen Verhandlungen im Vorfeld und b) die Kreistagssitzung. Die Phasen unterscheiden sich sehr, was die Atmosphäre betrifft. Die Aushandlungsphase ist ruhig, vertrauensvoll, geordnet. Die Kreistagssitzung gleicht einem Überraschungscoup. Auf der Suche nach einem Spiel, in dem diese beiden Phasen gut sichtbar sind, werden wir nicht fündig. Wir suchen deshalb Spiele für die eine und Spiele für die andere Phase. Beim Aushandeln des Vertrags war das Ziel, ein vollständiges Bild, eine logische Abfolge usw. zu bekommen. Dabei könnte es sich um ein Gemeinschaftswerk handeln, weil ja ein gemeinsamer Vertrag entstehen sollte. Das könnte ein Puzzle sein, da kann man gemeinsam arbeiten, bis alle Teile am richtigen Platz sind. Da aber das Bild schon zum vornherein klar ist und die Beteiligten nicht inhaltlich gestalten können, trifft »Puzzle« eher nicht zu. F experimentiert mit Rommé. In diesem Kartenspiel haben alle 12 Karten in der Hand, nehmen reihum jeweils eine Karte vom Stapel und legen eine offen auf den Haufen. Die nächste Person entscheidet, ob sie die letzte offene Karte vom Haufen oder eine vom Stapel nimmt und legt wieder eine ab. Dies geschieht so lange, bis eine Person die 13. Karte umgedreht auf den Haufen legt. Damit beendet sie das Spiel und muss ihr Blatt zeigen. Es sollen sämtliche Karten passend sein, d. h. entweder 4 gleiche Karten in 4 verschiedenen Farben oder von der gleichen Farbe mindestens 3 Karten in Reihenfolge. F schätzte ein, dass sie alle Karten zusammen hatte und quasi an der Kreistagssitzung mit der letzten Karte das Spiel beenden würde. Rommé ist aber nicht ganz zutreffend, weil ja im Laufe der Verhandlungen deutlich wurde, dass ein gemeinsames Ergebnis entstehen würde. Hier wird Domino gespielt. Alle Mitspielenden haben Steine, die Augen zwischen 0 und 9 auf zwei Halbfeldern aufgemalt haben. Sie zeigen die Steine und fügen reihum immer wieder einen Stein an den anderen, jeweils mit der gleichen Augenzahl auf (mindestens) einer Halbseite des Steins, bis ein ganzes Bild entsteht. Wenn kein passender Stein mehr im Repertoire ist, nimmt die Person, die an der Reihe ist, Steine vom Haufen, um weiter im Spiel zu bleiben. Gewonnen hat, wer zuerst alle Steine im Bild untergebracht hat. F kann ihr Anliegen – ihre Steine – jeweils nahtlos ins Bild einfügen. F war der Mei-
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nung, dass sie diese Runde des Spiels gewonnen hatte, weil ihr Anliegen von allen Vertragsparteien als Bestandteil des Vertrags akzeptiert wurde. Für die Kreistagssitzung sind nicht mehr exakt die gleichen Spielenden anwesend. Ein Teil der Vertragsverhandelnden und Sachverständigen sind nicht mehr mit von der Partie. Passiv in die Vorbereitung einbezogen waren Kreistagsabgeordnete. F ging eigentlich davon aus, dass an der Kreistagssitzung das Ergebnis des Domino-Spiels verkündet, besiegelt und beschlossen würde. Diese Haltung teilte XF nicht und eröffnete stattdessen ein neues Spiel. Im Spiel von XF können die Beteiligten mit dem Element »Überraschung« arbeiten. F wusste nichts von diesem Plan, allenfalls hatte der Bürgermeister eine leise Ahnung. Wichtig ist die Reihenfolge des Auftritts. Hätte F vor XF gesprochen, hätte sie die Situation definieren können. Wir suchen also ein Spiel, bei dem die Beteiligten spontan entscheiden können, wann sie intervenieren. Ligretto erfüllt dieses Erfordernis: Ligretto ist ein Kartenspiel, bei dem es darum geht, die Karten im Handstapel möglichst schnell los zu werden. Bevor gespielt wird, präpariert jede/r Mitspielende ihren/seinen Platz. Jede Person bekommt einen Stapel Karten mit der gleichen Rückenfarbe, damit erkennbar ist, wem die entsprechenden Punkte gutgeschrieben werden. Weiter legen alle einen Stapel von 10 Karten verdeckt sowie zusätzlich drei einzelne Karten aufgedeckt vor sich hin. Dann mischen alle ihren Handstapel, das Startsignal wird gegeben und es geht los: Die Spielenden schauen auf den Spieltisch, von welcher Farbe da schon eine Eins liegt. Ist eine der drei Einzelkarten vor einer/einem Spieler/in eine Zwei in der richtigen Farbe, legt sie/er sie sofort drauf. Dann passt die Drei usw. Die gelegte Karte wird vom eigenen 10erStapel ergänzt. Das ist besonders wichtig, da Karten, die am Spielschluss noch im 10er-Stapel liegen, Strafpunkte sind. Damit auch die Karten im Handstapel zum Einsatz kommen, werden sie »durchgezählt«: jede dritte Karte darf eingesetzt werden. Passt sie auf einen Stapel in der Mitte oder auf eine der drei offen liegenden Karten, darf sie abgelegt werden. Ist es eine Eins, mit der ein neuer Stapel eröffnet wird, wird sie sofort abgelegt. Ist der Stapel in der Hand »durchgezählt«, wird kurz gemischt und ein nächstes Mal »durchgezählt«. Alle Mitspielenden machen dies gleichzeitig. Alle haben gleich viele Karten aller vier Spielfarben in den Händen und versuchen, diese so schnell wie möglich loszuwerden. Die Spielrunde ist zu Ende, sobald jemand die letzte Karte vom Handstapel abgelegt hat und »Ligretto« ruft. Alle haben ihren eigenen Rhythmus, den Handstapel »durchzuzählen«. Das Tempo ist wichtig, weil mehrere passende Karten im Spiel sind. So wird die Stimmung meistens sehr hektisch. F experimentierte noch mit Poker. In diesem Spiel werden Karten ausgeteilt, aber es wird in einer bestimmten Reihenfolge, nämlich reihum angesagt, wie viel mit diesem Blatt geboten wird. Wenn es vorher vereinbart war, werden neue Karten dazu genommen und eine weitere Runde mit Ansagen gemacht. Wer nicht mithält, steigt aus und verliert damit den Einsatz. Wer das höchste Gebot macht, gewinnt, ohne die Karten zeigen zu müssen. Werden gleich hohe Gebote gemacht, gewinnt, wer die höheren Karten hat. Die Kreistagssitzung war die Gelegenheit, die Karten zu zeigen, XF hat überraschend ein As aus dem Ärmel gezogen und damit die Runde für sich
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
entschieden. Diese Spielanlage ist aber zu »ordentlich« und planmäßig, als dass sie zutreffen könnte. Tatsächlich war Verstecken angesagt: Die suchende Person zählt mit geschlossenen Augen bis 100, während sich die anderen Mitspielenden verstecken. Die/der Suchende entscheidet, wie weit sie/er sich vom Ziel für die Suche entfernt, und meldet die Namen der Gefundenen am Ziel an. Die Versteckten ihrerseits entscheiden, wann es für sie günstig ist, sich zu zeigen und zum Ziel zu kommen. Gelingt es ihnen vor der/dem Suchenden am Ziel zu sein, haben sie sich erlöst und können sich in der nächsten Runde wieder verstecken. Ist die/der Versteckte entdeckt und die/der Suchende schneller am Ziel, wird die/der Entdeckte in der nächsten Runde suchen gehen müssen. Wenn dieses Spiel in Gang war, so war F ihre Rolle als Suchende überhaupt nicht bewusst; sie hatte sich überhaupt nicht bewegt, obwohl sie XF hätte abfangen müssen.
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Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Möglichkeiten im Spiel
Gedanken für die konkrete Umsetzung
Die Phase des Domino-Spiels hat F erfolgreich hinter sich gebracht. Ihr Problem ist die Kreistagssitzung, in der ihr ein Strich durch die Rechnung gemacht wurde. Zentral dabei ist, dass F gar nicht mehr mit einer offenen Runde gerechnet hat; da für sie der Vertrag unter Dach und Fach war. Wie hätte sie wissen können, dass noch eine Runde Verstecken gespielt wurde? Um diese Frage zu klären, ist es wichtig, sich die Beteiligten in Erinnerung zu rufen und zu prüfen, ob bei irgendeiner Person Zweifel über ihr Verhalten auftauchen. Ist dies der Fall, lohnt es sich, genauer hinzuschauen und ggf. konkrete Nachforschungen anzustellen. F ist es nicht gelungen, ihren Sieg im Domino auch auf der nächsten Ebene anerkennen zu lassen. Sie ging davon aus, dass der Erfolg objektiv und deshalb unanfechtbar sei. Auf der Kreistagsebene war sie aber nicht direkt miteinbezogen. Es wäre deshalb notwendig gewesen, den Bürgermeister, der ihrem Ergebnis zugestimmt hatte, auch fest darauf zu verpflichten, dass er sie aktiv unterstützt. Damit wäre klar gewesen: Hätte sich XF versteckt und wäre aus seinem Versteck gesprungen, wäre er nicht mit der überrumpelten F konfrontiert gewesen, sondern mit einem vorbereiteten Bürgermeister. XF hätte seinen Überraschungscoup nicht erfolgreich überstehen können. Hätte er damit rechnen müssen, abgefangen zu werden, hätte er seinen Angriff vielleicht unterlassen. Zusätzlich zu den Überlegungen, die sich aus der Spielsituation ergeben, taucht noch die Frage auf, ob es sich hierbei um einen Konflikt handelt. Je nach Einschätzung von F stellt sich die Frage, wie bewusst XF seinen Coup platziert hat, was dem vorausgegangen ist und ob er allenfalls F gegenüber noch Weiteres plant. Dies wäre dann eine schwierige Situation, für die F sich unbedingt Unterstützung organisieren müsste.
Beispiel G: Fusion Die Situation G
G ist erfahrene Richterin (Juristin) an einem kleineren Landgericht, das mit einem anderen und vergleichbaren Landgericht fusioniert werden soll. In ihrer Funktion als stellvertretende Gerichtspräsidentin und mit ihrer Zusatzqualifikation als Organisationsentwicklerin wird stillschweigend davon ausgegan-
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gen, dass sie diese Fusion ordnungsgemäß abwickelt. Eine zentrale, aber unausgesprochene Frage dabei ist, welcher von beiden Gerichtspräsidenten denn künftig das fusionierte Gericht übernehmen soll. XG, der Präsident des Gerichts, an dem G Vizepräsidentin ist, geht davon aus, dass G dafür sorgen wird, dass er diese Position bekommt. Der Präsident des anderen Gerichts, YG, hält sich für kompetenter und erwartet deshalb von G, dass sie ihm aus diesem Grund zum Durchbruch verhilft. Die beiden Präsidenten werden in der ganzen Fusion nicht aktiv und warten ab, wie sich die Dinge entwickeln. G ist mit der Situation sehr unzufrieden. Sie fragt sich, ob sie ihre Haltung klar machen soll oder was sie für Möglichkeiten hat, ihre Zukunft zu gestalten. An diesem Spiel sind G, die beiden Gerichtspräsidenten XG und YG sowie einzelne Verantwortliche aus der Landesbehörde aktiv beteiligt. Betroffen, aber nicht aktiv im Spiel sind die Laienrichterinnen und -richter beider Gerichte sowie die Rechtsuchenden in den Gerichtsverfahren beider Gerichte. Dieses Spiel zeichnet sich dadurch aus, dass sich praktisch gar nichts bewegt,
Identifikation des Spiels
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
obwohl eine Fusion geplant ist. Es wird auch wenig gesprochen. Die Positionen von G, XG und YG im Spiel dürften sehr unterschiedlich sein, weil sich ihre Ziele deutlich voneinander unterscheiden. XG und YG streben die gleiche Position an und sind deshalb Konkurrenten. Ihnen muss aber klar sein, dass G nicht beiden gleichzeitig zum Sieg verhelfen kann. G experimentiert mit dem Spiel Schwarzer Peter. Die Mitspielenden halten Karten in der Hand und halten sie reihum verdeckt der nächsten Person hin, damit diese eine Karte zieht. Passt die Karte mit einer gleichen zusammen, dürfen beide abgelegt werden. Damit reduzieren sich die Karten im Spiel, bis nur noch eine übrig bleibt: der schwarze Peter. Dieses Spiel deckt sich im Ergebnis mit der Einschätzung von G: Sie findet, dass sie in einer ausgesprochen unangenehmen Situation ist. Das Spiel selbst deckt sich aber nicht mit den tatsächlichen Abläufen. Aufgrund der Unbeweglichkeit wird noch das Spiel Ochs am Berg getestet. Eine Person steht vorne mit dem Rücken zu den Mitspielenden, die sich weiter hinten auf einer Linie bereithalten. Ziel ist es, als erste Person den »Ochs am Berg« zu berühren. Gelingt dies, wechselt man die Rolle während die anderen wieder zum Ausgangspunkt zurückgehen. Jede/r darf sich ohne Konsequenzen bewegen, solange die vorne stehende Person die Bewegung nicht sieht. Dreht sie sich unvermittelt um und beobachtet einer oder eine der Mitspielenden, wie er oder sie den Fuß abstellt, schickt sie die ertappte Person zur Grundlinie zurück. G würde bei diesem Spiel vorne stehen und XG und YG wären diejenigen, deren Bewegungen möglichst verborgen bleiben sollten. G ist aber nicht so mächtig, dass sie einen, der sich bewegt, zur Ausgangsposition zurück schicken dürfte. Was für verdeckte Bewegungen allerdings XG und YG machen, um ihre Chancen zu optimieren, ist nicht klar. Gelacht hat G über die Möglichkeit, dass ein so genanntes »Beamtenmikado« in Gang ist. Im Mikado werden feine Stäbchen, die unterschiedlich bemalt sind, auf eine Spielfläche fallen gelassen und bilden ein Gewirr. Die Aufgabe besteht nun darin, reihum zu versuchen, möglichst viele Stäbchen von der Spielfläche zu entfernen, ohne dass sich das Bild bewegt. Bewegen sich beim Versuch, ein Stäbchen zu sich zu nehmen, auch andere Stäbchen, ist die nächste Person an der Reihe. Sind alle Stäbchen entfernt, werden die Punkte gemäß der Aufmalung ausgezählt. Wer am meisten Punkte hat, hat die Runde gewonnen. An dieses Spiel angelehnt, wird beim »Beamtenmikado« davon gesprochen, dass unter den Beamten gespielt werde, »wer sich zuerst bewegt, hat verloren«. Zustimmung findet das Kartenspiel Schieber mit Knecht. Dies ist eine Variante des Jassspiels Schieber, die aber statt zu viert, zu fünft gespielt wird. Aus dem Kartenspiel mit 36 Karten wird eine Karte herausgenommen und die verbleibenden 35 Karten werden an die fünf Mitspielenden verteilt. Es werden zwei Zweier-Teams gebildet, die sich gegenüber sitzen. Wer an der Reihe ist, sagt den Trumpf an; der Partnerin oder dem Partner darf durch »schieben« dieses Recht abgetreten werden. Der »Knecht« ist die fünfte Person und hat die Aufgabe, das jeweils trumpfangebende Team zu verstärken. In jeder Runde wechselt er also die Seite und muss sich abwechselnd dem einen oder anderen Team gegenüber loyal verhalten. Diese Position kommt G bekannt vor: Beide Seiten ziehen an ihr, ihre eigene Haltung ist nicht gefragt.
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Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Bei einem gewöhnlichen Schieber wird im Voraus vereinbart, ob nur Farben Trumpf sein können oder auch »Obenabe« und »Undenufe«5 gespielt werden kann, und, ob einfach, rote Farbe doppelt und Trumpf ohne Farbe dreifach gezählt wird; entsprechend wird bis 1000 oder 2500 gespielt. Die Karten werden verteilt und die nächstsitzende Person ist am Zug; sie bestimmt was Trumpf ist. Wenn ihr Blatt nicht eindeutig, aber gut genug zum Ausspielen ist, schiebt sie die Entscheidung darüber, was Trumpf sein soll zur Partnerin oder zum Partner weiter. Sie oder er muss dies zwar nun definitiv entscheiden, aber die erste Person spielt aus. In dieser ersten Runde werden auch etwaige »Weise« angesagt: Wer in den Karten der gleichen Farbe mindesten drei aufeinander folgende Karten oder von einer Art Karte alle vier hat, meldet dies – der höchste »Weis« darf aufgeschrieben werden. Der »Weis« des Knechts geht an das Team, das ausspielt. Nun legen alle reihum eine Karte in die Mitte. Alle müssen die ausgespielte Farbe ablegen, es sei denn, man hat keine (mehr) davon oder man setzt die Trumpffarbe ein. Die höchste Karte bzw. die höchste Trumpfkarte sticht immer alle. Sind alle sieben Karten gespielt, wird von beiden Parteien der Wert ihrer Karten gezählt und aufgeschrieben. Sobald die Karten verteilt werden, darf nicht mehr gesprochen werden, damit keine Kommentare über das eigene Blatt und Präferenzen ausgetauscht werden können. Dies ist in der Vorphase durchaus wichtig und zwar dann, wenn der Entscheid gefällt wird, ob man den Trumpf selbst wählen oder ob geschoben werden soll. Wird das Spiel verraten, darf man die Karten zusammenwerfen und die Gegenseite kann die höchste Punktezahl für eine Runde aufschreiben. Auch während des Spiels darf man keine Informationen über die Möglichkeiten oder verpassten Chancen oder eventuelle Gefahren abgeben. Man muss sich merken, ob schon alle Trümpfe gespielt sind oder ob von einer Farbe noch eine bestimmte Karte im Spiel ist usw. Dies gilt alles auch für den Knecht. Er muss bei jedem neuen Spiel die Seite wechseln, egal wie der Spielstand ist oder für wen er Sympathie empfindet. Er darf sich und das Spiel nicht verraten und sollte – soweit dies möglich ist – objektiv gut und jeweils am Trumpf günstig mitspielen. Dazu muss der Knecht nicht nur die jeweilige Partner oder den aktuellen Partner möglichst gut begreifen, er muss für alle vier Beteiligten ein so gutes Gespür entwickeln, dass er sich jeweils als verlässlicher Partner erweisen kann. Hat jemand die Vorliebe, mit relativ mittelmäßigen Karten einen dreifachen Trumpf zu machen, sollte sich dies der Knecht merken und versuchen, nach seinen Möglichkeiten dieses Risiko mit zu tragen. Oft wird der Trumpf auch mit dem Kommentar angesagt: »Unser Knecht hat schließlich auch sieben Karten.« G hat den Eindruck, dass das gefundene Spiel sich sehr gut mit der Situation deckt und die Möglichkeiten, die der »Knecht« dabei hat, sich erstaunlich gut mit den ihren decken. Von allen Seiten wird sie für ihre Kompetenz gelobt. Alle sprechen ihr das Vertrauen aus, dass sie alles einer guten Lösung zuführen wird. Aber genau dies, das »Zuführen«, kann sie aus ihrer Position heraus 5
Auf hochdeutsch: »von oben herab«, »von unten herauf«
Möglichkeiten im Spiel
Gedanken für die konkrete Umsetzung
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
nicht. Der Knecht hat keine Kompetenzen, er kann nicht den Trumpf bestimmen, er kann nur aus der jeweiligen Wahl das Beste machen. Sie überlegt sich, ob dies der Fall sein könnte: Beide Präsidenten XG und YG würden sich allenfalls einigen und G würde dann alles Nötige einleiten – juristisch, was die Organisationsentwicklung betrifft und im Management? Das ist ein denkbares Szenario. Solche Absichten wurden G gegenüber noch nicht eröffnet. Der Spielraum, den sie als »Knecht« aber tatsächlich hat, ist ihr definitiv zu klein. Sie wird nach einer Lösung suchen, bei der sie wesentlich mehr Einfluss nehmen kann. Sie erinnert sich jetzt an Aussagen von verschiedenen Seiten, die vermuten, dass G mit dieser Fusion doch auch eigene Pläne verwirklichen wolle. Bisher hat sie dies nicht ernst genommen oder verniedlicht. Sich selbst hat sie die eigenen Pläne auch noch nicht klar gemacht. Das will sie nun ändern. Sie wird einerseits ihre Wünsche für sich definieren und andererseits die Leute noch einmal ansprechen, die sie in einer führenden Rolle sehen würden. Anschließend würde sie sich Gedanken über ein Spiel machen, das sie erfolgreich spielen könnte, um ihre eigenen Pläne zu verwirklichen. G hat ihr Machtquellen in Bezug auf fast alle Facetten eigentlich unterschätzt oder vernachlässigt. Durch ihre Beziehungen zum Umfeld ist ihr klar geworden, dass sie offenbar über einige Trümpfe verfügt, die sie bisher weder erkannt noch eingesetzt hatte. Es zeigt sich, dass sie eine offensive Strategie entwickeln kann, weil dies u. a. auch von ihr erwartet wird. Ihre absolut uninteressanten Perspektiven im Status quo haben ihr diesen Blick auf die Situation ermöglicht.
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Beispiel H: Konzept top-down installieren Die Situation H
Identifikation des Spiels
Die Regierung des Landes hat beschlossen, »Gender Mainstreaming« als Strategie in der Geschlechterfrage einzuführen und hat dafür einen Lenkungsausschuss unter der Geschäftsführung der Frauenreferentin H eingesetzt. Alle Führungskräfte sind über die Strategie und den Implementierungsplan informiert. In einzelnen Abteilungen sind »Gender Mainstreaming«-Pilotprojekte im Gang. Die daran Beteiligten sind von der Strategie überzeugt und erwarten sich positive Ergebnisse davon. Die Implementierung dieser Strategie bedeutet letztlich, dass sämtliche Entscheidungen, die irgendwo innerhalb der Verwaltung getroffen werden, von den Verantwortlichen derart getroffen werden, dass sie auch zu mehr Gleichstellung zwischen Frau und Mann beitragen. Dafür haben die Führungskräfte, eine Einführung in die Strategie »Gender Mainstreaming« bekommen. In der Folge haben sie den Auftrag, für ihre Verwaltungseinheit aktiv zu werden und diese Strategie auch umzusetzen. Einzelne Pilotprojekte können ein Anfang und eine Inspiration sein, sie sind aber nicht ausreichend. Eine respektable Anzahl von Abteilungsleitenden sollten in diese Top-down-Strategie eingebunden werden. Bisher konnte sie aber dem entsprechenden Regierungsbeschluss noch nicht genügend Beachtung verschaffen. Die Abteilungsleitenden wurden nicht von sich aus aktiv und die Anfrage- und Überzeugungsarbeit gestaltete sich schwierig. H fragt sich, was sie tun kann, um mit ihren beschränkten Machtmitteln erfolgreich zu sein. H in ihrer fachlichen Spezialposition und die »Pilotinnen und Piloten« sind aktiv im Spiel. Alle Abteilungsleitenden sollten sich ebenfalls an diesem
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
Spiel beteiligen, sind aber noch nicht aktiv. Eine eher passive Rolle spielen die politisch übergeordneten Personen. Die Atmosphäre ist ganz unterschiedlich. Sie ist so lange entspannt, wie H nicht auf die Abteilungsleitenden mit ihrem Anliegen zukommt. Wenn sie das tut, bewegen sie sich hektisch von ihr fort. Das klingt nach Fangen. Eine Person muss fangen und versucht, unter den Mitspielenden innerhalb des vereinbarten Raumes eine andere zu berühren. Damit wechseln sie die Rollen: Die Erste darf davonrennen und die Zweite – die Berührte – sucht sich ein »Opfer«. Dass H den Abteilungsleitenden nachrennen muss, ist durchaus ein realistisches Bild. Was nicht passt, ist das Ziel: Das gefangene Opfer würde zum Fänger bzw. zur Fängerin und H wäre aus dieser Aufgabe entlassen. Ein anderes Spiel, in dem ebenfalls mit wenigen Aktiven gestartet wird und die Anzahl der Beteiligten im Lauf des Spiels gesteigert wird, ist der Lawinentanz. Ein Paar beginnt zu tanzen, wenn die Musik spielt. Hört die Musik auf, trennt sich das Paar und beide suchen sich eine neue Partnerin oder einen neuen Partner. Dies geht so lange, bis alle tanzen. Dieses Spiel wird gespielt, damit alle eine Chance bekommen, das Tanzbein zu schwingen. Denn beim letzten Suchversuch wird deutlich, dass nicht mehr alle jemand Neues finden: Niemand bleibt außen vor und einige Paare tanzen den Schlusstanz mit dem/der selben Partner/in wie den zweitletzten. Ziel ist es, dass alle tanzen sollen. Alle Mitspielenden sind – mit mehr oder weniger Begeisterung – damit einverstanden. Das Prinzip wäre sehr interessant für die aktuelle Situation. H könnte diejenige sein, die die Musik steuert. Aber ein gravierender Mangel herrscht: Der Wille aller Beteiligten zum Tanzen. Der Wille ist zwar bei den Personen, die eine Stufe höher sind, vorhanden, aber jene Ebene ist nicht zum Tanzen aufgefordert. Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann? ist im Gang. In diesem Spiel stellen sich die Mitspielenden am einen Ende des Spielfeldes auf eine Linie, der »schwarze Mann« stellt sich allein auf die andere Seite. Er ruft laut: »Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann?« Die anderen antworten auch laut: »Niemand. Wir nicht!« »Was macht ihr, wenn er kommt?« »Weglaufen und lachen!« Nach diesem Dialog6 bewegt sich der schwarze Mann auf die anderen Mitspielenden zu und versucht, möglichst viele zu berühren, während diese ausweichen und versuchen, das andere Ende des Spielfeldes zu erreichen. Wer gefangen wird, wechselt die Rolle und wird auch »schwarzer Mann«. Alle »schwarzen Männer« stehen nun an einer Seite, die übrig gebliebenen Mitspielenden auf der anderen Seite und wieder geht der Dialog los. Es werden so lange Mitspielende gefangen, bis die/der letzte Verbliebene aufgibt oder alle gefangen sind. Dann wird ein neuer erster »schwarzer Mann« bestimmt und ein neues Spiel beginnt. In diesem konkreten Fall sieht sich H als »schwarze Frau« und amüsiert sich durchaus am Bild der lachend durcheinander rennenden Abteilungsleitenden.
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Auf zürichdeutsch heißt er: »Fürchted er de schwarz Ma nöd?« »Nei!« »Und wäni chume?« »Furt schpringe und lache!«
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Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Bei diesem Spiel sind verschiedene äußere Faktoren wichtig. So muss bestimmt werden, wo die eine Grundlinie verläuft, von der aus der »schwarze Mann« startet, und wo die zweite Grundlinie verläuft, wo alle anderen in den Dialog einsteigen. Wird das versäumt, kann dies zur Diskussion führen, ob jemand noch erwischt wurde oder sich schon über die Grenze gerettet hatte. Dann muss es auch klar sein, dass der »schwarze Mann« (oder die »schwarzen Männer«) erst losrennen darf/dürfen, wenn der Dialog beendet ist. Erst mit »Wegrennen und lachen!« wird das Signal zum Wegrennen bzw. zum Fangen gegeben. Die erste Runde – dann, wenn der »schwarze Mann« allein gegen alle antritt – ist die schwierigste für ihn. Er wird versuchen, mindestens eine Person zu fangen und damit Verstärkung zu bekommen. Wenn er dies ohne Plan angeht, vertraut er auf seine Schnelligkeit, seine Geschicklichkeit, seine Wendigkeit und sein Glück. Als Plan kann er sich vornehmen, eine Person, die er als langsam einstuft, zu erwischen. Oder er kann sich eine Ecke aussuchen und versuchen, dort jemanden zu fangen. Oder er kann sich die/den Beste/n oder sonst eine bestimmte Person vorknöpfen und diese jagen. Erfahrungsgemäß ist (irgend)ein Plan besser als kein Plan. Umgekehrt gilt dies für die anderen ebenso. Auch für sie ist es Erfolg versprechend, sich jeweils etwas vorzunehmen. Dazu ist natürlich die Beobachtung des »schwarzen Mannes« wichtig, denn daraus ist der Plan abzuleiten. So kann man versuchen, ein Ablenkungsmanöver zu inszenieren oder abzuwarten, bis sich der »schwarze Mann« bewegt und dann auf die andere Seite auszuweichen usw. Vielleicht ist unter den Gejagten auch jemand, die/ der Erbarmen hat mit dem »schwarzen Mann«, mindestens wenn er beim dritten Durchgang immer noch alleine fängt. Sie oder er opfert sich vielleicht, damit das Spiel in Schwung kommt. Wird jemand gefangen und damit auch zu einem »schwarzen Mann«, wird sie oder er bei der nächsten Runde den Dialog auf der Seite des »schwarzen Mannes« führen und aktiv mitfangen. Dieser krasse Rollen- und Aufgabenwechsel geschieht erfahrungsgemäß ohne Zögern und ohne Bedauern. Da vorher mit Energie und Wille das Gefangenwerden verhindert wurde, ist dies zumindest ein wenig erstaunlich. Offensichtlich ist aber auch die Aufgabe, jetzt dazu beizutragen, dass die anderen erwischt werden, ebenfalls attraktiv. Je größer die Gruppe der »schwarzen Männer« wird, desto leichter wird diese Aufgabe. Manchmal wird der Punkt erreicht, an dem die Übermacht der »schwarzen Männer« so groß ist, dass die Verbleibenden es gar nicht mehr versuchen mit »Wegrennen und lachen!« – sie geben auf. H hat die Aufgabe, als »schwarzer Mann« erfolgreich zu sein. Diese Aufgabe bekommt sie von der obersten Führungsebene, die aber selbst nicht mitspielt. Sie wird zu ihrem eigenem Vorteil und zum Vorteil für die Sache, die sie vertritt, dazu beitragen, dass die Spielanlage wirklich erkannt, die Regeln geklärt und die Ziele bekannt sind. Es braucht nämlich diese Grundaufstellung, um überhaupt den Dialog und damit die Fangmöglichkeiten zu installieren. Diese Situation wird H möglichst klug auswählen. Sie fragt sich beispielsweise, ob die Anwesenheit der obersten Führungsebene dem Spiel
Möglichkeiten im Spiel
Gedanken für die konkrete Umsetzung
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
die nötige Würze geben könnte. Sie wird das Spielfeld so begrenzen, dass diejenigen, die »wegrennen und lachen« nicht von der Bildfläche verschwinden können und deshalb die Hinterausgänge schließen. Und noch eine Überlegung wird H sich im Voraus machen: Wen kann sie im ersten Durchgang fangen? Wenn das Szenario vorbereitet ist, wird sie – laut und vernehmlich – den Dialog starten und den Fangversuch machen. H vermutet, dass sich die Verantwortlichen des Pilotprojekts fangen lassen könnten. Gelingt dies, werden diese bei der nächsten Runde mitfangen. In dieser nächsten Runde wird sie sich absprechen: Sie hätte gern, dass einer der wichtigsten, aber schwierigsten Abteilungsleiter gefangen wird. Gemeinsam dürfte dies möglich sein. So legt sie für jeden Wechsel ein Minimalziel und ein Maximalziel fest und koordiniert diese mit ihren »schwarzen Männern«. So entsteht eine wachsende und etwas verschworene Truppe. Wichtig ist, dass immer wieder das Szenario hergestellt und der Dialog geführt wird, damit allen klar ist, worum es geht. Möglicherweise ist die oberste Ebene punktuell auch zu einem späteren Zeitpunkt dafür nötig. H geht davon aus, dass sich an einem kritischen Punkt die Verbleibenden, die keine Fluchtchance mehr haben, den »schwarzen Männern« anschließen werden. H nimmt sich vor, sich auch in Sachen Schnelligkeit, Wendigkeit und Beobachtung zu üben. Weiter ist sie fasziniert von der Möglichkeit, Unterstützung zu bekommen, die nicht ausschließlich und direkt von ihr »eingefangen« wird. H wird dafür v. a. die Kommunikationskanäle intensiver und die organisationellen Regeln bewusster nutzen.
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Beispiel I: Aufsteigen? Die Situation I
Identifikation des Spiels
I ist erfahrende Marketingfachfrau in einem mittleren Unternehmen. Sie leitet erfolgreich ein Team und ist mit ihrer Arbeit und dem Umfeld sehr zufrieden. Die Stelle der Marketingleitung wird frei. Vier Kollegen haben bereits ihre Bewerbung angekündigt. Mit der Bewerbung von I wird gerechnet. I ist an dieser Stelle interessiert und bringt alle formalen Voraussetzung mit, fragt sich aber, ob sie tatsächlich aufsteigen will und was sie allenfalls dafür tun muss. In diesem Spiel gibt es klar zwei verschiedene Positionen: I und die vier Kollegen ringen um einen neuen Job. Eine Stufe höher wird entschieden, wer das sein wird. Die Spielenden bewegen sich nicht stark, niemand wird laut. I und die vier Kollegen werden aktiv sein, während sie beobachtet werden und über sie entschieden wird. Das Spiel muss also die Möglichkeit bieten, dass I und die vier Kollegen miteinander/gegeneinander antreten und ihre Talente zur Geltung bringen. Will I aufsteigen, muss es ihr Ziel im Spiel sein, die Beste zu sein und dies auch bestätigt zu bekommen. Das klingt nach sportlichem Wettbewerb. I denkt an die Tour de France, ein sehr hartes Fahrradrennen durch Frankreich. Der Start ist klar sowohl was den Ort als auch was die Zeit angeht. Die Route ist im vornherein festgelegt: Alle wissen, wann eine Bergetappe und wann ein Zeitrennen angesagt ist. Die Zeitnehmung ist professionell organisiert und es wird jeden Tag ein Zwi-
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schenergebnis errechnet. Die internationale Presse ist dabei und berichtet über alle wichtigen Vorkommnisse über die sportlichen Leistungen, aber auch über alles, was rund um die Sportler zu berichten ist.
Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Wer an der Tour de France teilnehmen will, muss sich im Radsport als Profi etabliert haben. Er muss in (möglichst) allen Spezialkategorien – Bergpreis, Sprint, Zeitfahren, Mannschaftszeitfahren usw. – mithalten können. Und: Er muss ein Mann sein; bisher fahren Frauen nicht mit. Wer diese Bedingungen erfüllt, hat ein ganzes Rennteam um sich herum und einen Sponsor, der die Aufwendungen finanziert. Wer die Tour de France gewinnen will, ist Leader seines Teams und wird vom Team unterstützt. Noch bevor die Rennfahrer am Start sind, ist viel zu leisten: Die Rennfahrer trainieren hart, testen das neuste Material, verhandeln mit den Sponsoren, geben Interviews über ihre Pläne und Einschätzungen und verabschieden sich dann für drei Wochen von zu Hause, um die Tour de France zu fahren. Das Rennen wird in Etappen geführt: Jeder Tag hat sein Programm, was die Länge des Parcours, die Steigung, das Gefälle und die Art des Rennens angeht. Für jeden Tag muss eine optimale Taktik gewählt werden. Faktoren, die dabei eine Rolle spielen, sind die aktuelle sportliche Verfassung, die Position im Zwischenklassement, die Abstände zu den ernsthaftesten Gegnern, die Rennen, die noch folgen, die Wetterverhältnisse usw. Die Tour de France hält verschiedene Auszeichnungen bereit. Wer die meisten Etappensiege fährt, wer die meisten Bergpreise holt, wer die meisten Sprints gewinnt usw. Auch neben dem Rennen kann man sich Lorbeeren verdienen: Der eleganteste Fahrer, der interessanteste Interviewpartner, der netteste Teamkollege usw. Es ist deshalb wichtig, sich die eigenen Ziele klar vor Augen zu halten und sich taktisch klug zu verhalten. Wenn der Gesamtsieg angestrebt wird, sind die unterschiedlichen Auszeichnungen zwar im Auge zu behalten, aber nicht Ausschlag gebend. Vielleicht muss sogar auf die eine oder andere Auszeichnung verzichtet werden, damit die Kräfte fürs Ganze bis zum Schluss reichen. Das Verhalten des Sponsors ist auch nicht aus dem Auge zu verlieren. Er soll dazu beitragen, dass in der Öffentlichkeit das Vertrauen dahingehend wächst, dass sein Schützling in der Lage ist, als Gesamtsieger auf dem Treppchen zu stehen. Er trägt so mit zu der Stimmung bei und sorgt dafür, dass auch die Medien und das Publikum in diese Stimmung einbezogen werden. Mit der Identifikation des Spiels als Tour de France sind bei I viele kreative Ideen entstanden, was sie alles tun kann, um die beste Leistung zu erbringen; vom harten Training bis zu gezielten Entspannungsphasen. Der Ehrgeiz hat sie gepackt: Sie will zeigen, dass sie die Beste, die Geeignetste ist. Ihre Einstellung ist eine olympische – die oder der Beste soll gewinnen, und I rechnet sich realistische Chancen aus. Bei der Tour de France ist zwar die sportliche Leistung ein Hauptelement, ohne die gar nichts geht, aber sie ist nicht allein entscheidend. I ist deshalb gut beraten, die anderen Elemente zu beobachten und jeweils ihren Platz im Rennen ebenfalls zu gestalten, damit ihre Leistung zum Tragen kommt.
Möglichkeiten im Spiel
Gedanken für die konkrete Umsetzung
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
Da wäre zunächst einmal die Suche nach einem Sponsor. Wer ist die – bedeutende – Persönlichkeit, die offen zu ihrer Kandidatur steht und sie empfiehlt? Wie findet sie diese Persönlichkeit? In welchem Verhältnis steht sie zu den Auswählenden und zu den anderen Kandidaten? Was für Abmachungen trifft diese Person mit I, was sind die vereinbarten Bedingungen? Was sind die Empfehlungen, die I von ihr bekommt? I braucht ein Team, das mit ihr fährt und sie mit zum Sieg führt. Sie wird sich in ihrer – beruflichen und persönlichen – Umgebung Menschen suchen, die für den Zeitraum ihrer Kandidatur bereit sind, für sie aktiv zu werden. Das können ganz unterschiedliche Leistungen sein; wichtig ist, dass sie auf ihrem Gebiet topp sind und dass I auf sie zählen kann. Als Nächstes empfiehlt sich das Studium der Rennleitung und der Jury. Welche Sprache sprechen sie; wie direkt kann I sie ansprechen? Sind es noch die gleichen Personen oder hat ein Wechsel stattgefunden? Welche Schwierigkeiten haben sich auf der letzten Tour de France ereignet, die von der Rennleitung mit Änderungen beantwortet wurden? Wurde ein Motto für die aktuelle Tour de France ausgegeben? Haben sich Doping- und andere Vorschriften geändert, die für I von Bedeutung sind? Was für eine Strecke haben sie diesmal ausgewählt? Wenn diese Fakten klar sind, geht es an das Studium der Rennstrecke und der Zeitpläne. Wann wird wo gestartet, wann und wo werden Spezialpreise vergeben, wann und wo wird verpflegt und geschlafen, wann und wo muss der Presse Red und Antwort gestanden werden? Dies ist von großer Bedeutung, um die Kräfte richtig einzuteilen und nichts Wichtiges oder Notwendiges zu verpassen. Es ist ja der Gesamtsieg, der angestrebt wird; I muss also bis zum Schluss dabei sein. Die Vorbereitung ist außerordentlich intensiv. Und während dieser Vorbereitung wird I auch beobachten, was ihre Gegenspieler machen und dies in ihre Überlegungen einbeziehen. Da sie damit eine Vorstellung hat, wann und wo die wichtigen Rallys laufen, wird sie sich dafür besonders gut vorbereiten und im Rennen auf Sieg fahren. Ein evtl. auftretendes Zwischentief wird sie mit ihrem Team besprechen und sich eine entsprechende Antwort einfallen lassen. I ist zuversichtlich, dass sie gute Chancen hat – sie wird ihre Kandidatur für diesen neuen Posten anmelden. Eine offene Komponente bleibt aber, ob ihre Mitkonkurrenten das gleiche Spiel spielen. Die Tour de France ist ein Männer-Rennen. Wenn diese Bedingung auch hier durchgezogen wird, wird I schon gar nicht zum Start zugelassen. Oder ihre Beteiligungsmöglichkeiten werden systematisch hintertrieben. I wird sich also immer wieder vergewissern, wo ihre Mitkonkurrenten spielen, wie sie glauben, dass sie punkten und diese Beobachtungen mit ihrer Einschätzung vergleichen: Sind wir im gleichen Spiel oder nicht? Das ist die Grundvoraussetzung, sonst gibt I ein Solo ohne entsprechend positive Wirkung. I hat sich zu einem offensiven Vorgehen entschlossen. Sie wird Machtquellen vor allem im Bereich der Informations- und Kommunikationskanäle und der Beziehungen zur Umwelt aktivieren. Sie hat sich vorgenommen gezielt, gekonnt und umsichtig mit Unsicherheitszonen umzugehen.
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Beispiel J: Unklare Spitze Die Geschäftsleitung (GL) eines banknahen internationalen Dienstleistungsunternehmens besteht aus acht Männern. Das Unternehmen hat verschiedene Umbau- und Reorganisationsschübe erfolgreich hinter sich gebracht und verschiedene Krisen gemeistert. Die GL-Mitglieder, unter ihnen auch J, strengen sich an, die Vorgaben zu erfüllen. Dies scheint nicht nur aus inhaltlichen Gründen schwierig: Die Erwartungen, Ansprüche, Vorgaben, die der CEO (Chief Executive Officer; Geschäftsführer) formuliert, sind nicht leicht verständlich. Zudem machen die GL-Mitglieder die Erfahrung, dass diese Erwartungen, Ansprüche und Vorgaben fast an jeder Sitzung umformuliert oder neu interpretiert werden. Auch was die Prioritätensetzung angeht, bleibt der CEO nicht konsequent. Die Prioritäten werden immer wieder umgestoßen. Die GL-Mitglieder sind verunsichert, weil sie ihre Aktivitäten auf einigermaßen klare Voraussetzungen stützen möchten. Dies braucht J, um mit den Abteilungsleitenden in seinem Bereich klare Pläne zu erarbeiten. Den Beschäftigten in seiner Abteilung gegenüber möchte J ebenfalls klar argumentieren können. Letztlich hat er auch persönliche Leistungsziele vereinbart, die er einhalten möchte, weil daran auch seine eigene Situation hängt. Er fragt sich, wie er sich orientieren soll, damit er möglichst erfolgreich bleibt. Hier ist ein Spiel gefragt, das einem der Mitspielenden, nämlich dem CEO, ermöglicht, ständig die Optionen zu verändern, was für J und seine Kollegen ebenfalls Änderungen bedeutet. Die Atmosphäre ist zwar angespannt, aber es wird nicht laut, fröhlich oder hektisch. Als Erstes testen wir König-Kaiser ( die ausführliche Beschreibung bei der Situation E). In diesem Spiel darf der König-Kaiser allen Mitspielenden vorschreiben, wie viele und wie große Schritte sie machen dürfen, um sich ihm anzunähern und ihn zu entthronen. Das bildet einen Teil der Position des CEO ab: Er definiert immer wieder neu, was für Ziele die GL-Mitglieder zu erreichen haben. Dass die Vorgaben aber derart klar sind, spricht gegen das Spiel. Eine andere Überlegung führt zu verschiedenen, relativ modernen Brettspielen, wie Monopoly, usw. Bei all diesen Spielen gibt es jeweils einen Stapel mit Anweisungen. Diese sind entweder reihum oder wenn ein bestimmtes Feld getroffen wird zu ziehen. Diese Anweisung ist nicht berechenbar und wirft oft alle bisherigen Pläne durcheinander. Das Durcheinanderwerfen würde durchaus zutreffen. Dass der Zufall eine zentrale Rolle spielt, trifft die Situation nicht. Risiko, ein Brettspiel, in dem alle gegeneinander antreten, mit Würfeln, Karten ziehen usw. Land und Leute der anderen zu erobern, wird von J in Erwägung gezogen. Dass niemand weiß, wer gerade welche Angriffe startet oder wo Allianzen vorhanden sind, ist attraktiv. Diese jederzeitige Unsicherheit trifft die Einschätzung von J. Trotzdem ist die Sonderposition des CEO nicht berücksichtigt. J kommt zum Schluss, dass er sich in einem Roulette befindet. Bei diesem Spiel – einem Glücksspiel – setzen die Mitspielenden Geld auf ein bestimmtes Feld (rot/schwarz/Zahl), der Croupier lässt die Kugel rollen. Sobald die Kugel stehen bleibt, ist klar, ob der Einsatz an die Bank verloren geht oder ob ein Treffer gelandet worden ist. Das hohe Risiko und die permanente Unsicherheit entsprechen der Situation von J.
Die Situation J
Identifikation des Spiels
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Möglichkeiten im Spiel
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Gedanken für die konkrete Umsetzung
Für das erfolgreiche Roulette-Spielen ist es vor allem wichtig, möglichst lange im Spiel zu bleiben. Einmal viel einzusetzen und zu hoffen, dass damit der große Treffer gelandet werden kann, hieße, das Glück herausfordern. Das bedeutet, dass die Mitspielenden alles unternehmen, was das Risiko einschränkt: Einsätze klein halten, auf rot und schwarz setzen, statt auf eine Zahl oder durch systematisches Aufschreiben Regelmäßigkeiten entdecken. Vielleicht hat auch der Croupier bestimmte Vorlieben, die in die eigene Spieltaktik integriert werden können. Schließlich wäre auch zu prüfen, ob mit einer Spielgemeinschaft eine Reduktion des Risikos erreicht werden kann. J ist sich bewusst, dass er unter allen Umständen im Spiel bleiben muss. Es geht also tatsächlich darum, das eigene Risiko so weit wie möglich zu minimieren. Er wird seine Einsätze so klein wie möglich halten. Das kann z. B. heißen, dass er Pläne, wie er die Vorgaben in der eigenen Abteilung umzusetzen gedenkt, nur stufenweise präsentiert. Damit lässt er sich die Option offen, auf neue Kehrtwendungen schnell zu reagieren. Wenn der CEO der Croupier wäre, könnte auch die Beobachtung seiner Bewegungen interessant sein: Wann schließt er mit »Les jeux sont faits« die Einsatzmöglichkeit? Gibt es da Regelmäßigkeiten? Hat seine Kugel immer wieder einen ähnlichen Schwung? Damit könnte sich J ausrechnen, bis wann er Anträge stellen kann oder auf was sich möglicherweise die Aufmerksamkeit des CEO richtet. J wird sich überlegen, ob er mit anderen GL-Kollegen eine Spielgemeinschaft bilden soll. Das wäre zwar eine angenehme Option, könnte aber in den Augen des CEO einen gewissen Verschwörungscharakter annehmen. J wird prüfen, ob die Lösung vielleicht bei wechselnden Spielallianzen liegen könnte. Grundsätzlich liegt ihm aber daran, jede Chance zu nutzen, falls die Möglichkeit besteht, ein anderes Spiel in Gang zu setzen. J ist sich bewusst, dass er sich strategisch vor allem defensiv klug verhalten muss: Er wird versuchen, möglichst wenige eigene Positionen aufgeben zu müssen und die eigenen Spielräume zu erhalten. Dazu wird er vor allem Unsicherheitszonen schaffen und erhalten müssen, damit er die wenigen Einsatzmöglichkeiten, die beim Roulette für die Mitspielenden gegeben sind, optimal timen kann. Er überlegt sich aber auch, ob diese Situation – wenn nicht mittelfristig ein anderes Spiel gefunden werden kann – in einen Konflikt münden wird. Deshalb wird er sich mit seinen Kollegen über mögliche Spielveränderungen unterhalten und darüber, wie sie eingefädelt werden können.
Beispiel K: Unter GL-Kollegen Die Situation K
K ist Mitglied der Geschäftsleitung einer regionalen Einheit. Ihre »Nonprofit«-Organisation ist national tätig und hat eine lange Tradition. Ein Element dieser Tradition ist es, dass die bezahlten Profis möglichst rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, zum Wohle der zahlenden Mitglieder arbeiten. Ein anderes Merkmal ist, dass dem internen Funktionieren wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dies führt in vielen Fällen dazu, dass autoritäres Verhalten geduldet wird. In dieser GL, in der alle Mitglieder formal gleichgestellt sind, dominiert XK. Er stützt seine Autorität einerseits auf seine Erfahrung, seine Beziehungen innerhalb und außerhalb der Organisation und anderer-
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seits auf Einschüchterung. Wer sich ihm nicht anschließt oder wer sogar widerspricht, muss bei der nächsten Gelegenheit mit negativen Konsequenzen rechnen. Dies kann gehen von Abkanzeln vor der gesamten GL über Angebrüllt-Werden bis zum Verschwinden-Lassen von Dokumenten mit der Behauptung, sie hätten gar nicht existiert. K liebt ihre Aufgabe und nimmt auch die strukturelle Vorgabe der Gleichheit der GL-Mitglieder ernst. Sie bringt deshalb ihre Meinung ein und versucht, dafür Mehrheiten zu bekommen. Sie scheut sich auch nicht, XK ihre Meinung zu sagen und beharrt darauf, selbst ernst genommen zu werden. Die letzte Auseinandersetzung hat K – für alle sichtbar – für sich entschieden: Sie wies XK einen Fehler nach, was zur Folge hatte, dass ihr Antrag nicht mehr in Frage gestellt wurde. XK gab diesen Fehler ganz zerknirscht zu. K fragt sich, was sie tun kann, damit sie sich für die Mitarbeit in dieser GL motivieren kann und sich diese Mitarbeit nicht permanent so anstrengend gestaltet. In diesem Spiel gibt es im Wesentlichen zwei Aktive: K und XK. Die Atmosphäre zwischen ihnen ist streckenweise sehr angespannt. Ab und zu wird es auch laut. Die Rolle der anderen GL-Kollegen ist passiv; eigentlich verhalten sie sich wie ein Publikum, wenn das Spiel zwischen K und XK voll im Gang ist. Hier kommen alle Arten von sportlichen Zweikämpfen in Frage. Vom Fingerhakeln, Armdrücken über Ringen in verschiedenen Varianten, Schwingen (eine schweizerische Spezialität), Judo und verwandte Kampf-
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
kunstarten bis zu Boxen. K empfindet das Maß und die Art des Körperkontaktes als entscheidendes Element: Zweikämpfe, bei denen es überhaupt keinen Körperkontakt gibt wie Tennis, Parallel-Snowboarden usw. fallen deshalb weg. »Ringen« und asiatische Kampfkunstarten scheinen ihr zu intensiv im Körperkontakt. Fechten ist für K die Lösung. Auf einer klar bestimmten Bahn starten die beiden Fechtenden auf ein Signal hin jeweils eine Runde. Die Ausrüstung ist vorgegeben, Kleidung und Fechtgerät werden genau überprüft. Dies geschieht aus Fairness-, aber auch aus Sicherheitsgründen; das Gesicht ist durch ein Hightech-Visier geschützt. Die Fechtenden sind an eine elektrische Leitung angeschlossen, die reagiert, wenn das Fechtgerät beim Gegner oder bei der Gegnerin in einer erlaubten Zone trifft. Ein ganzes Gefecht bedeutet 5 Treffer innerhalb von drei Minuten oder 15 Treffer innerhalb von neun Minuten Kampfzeit. Die Zeit, in der ein Angriff vorbereitet werden darf, ist limitiert. Gefochten wird in verschiedenen Gewichtsklassen und mit unterschiedlichen Geräten. Bekannt sind das Florett, das leichte Gerät, und als schwere Waffen der Degen und der Säbel.
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Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Möglichkeiten im Spiel
Ein Gefecht wird von einem Schiedsrichter geleitet. Er überprüft, ob alles richtig eingerichtet ist und funktioniert: von der Fechtbahn über die technischen Installationen bis hin zur Ausrüstung. Er gibt jeweils auch das Signal zum Kampf und startet die Uhr. Er entscheidet, ob ein elektrisch angezeigter Treffer gültig ist oder nicht. Die Vorbereitung ist außerordentlich wichtig. Wer gut fechten will, muss fit, beweglich, reaktionsschnell, ausdauernd, kräftig usw. sein. Alle diese Fähigkeiten und Fertigkeiten müssen im Gefecht auf der möglichst höchsten Stufe eingesetzt werden können, weshalb auch Konzentrationsfähigkeit sehr wichtig ist. Ist ein Gefecht in Gang, geht es einerseits darum, die Kräfte gut einzuschätzen – die eigenen und die des Gegners oder der Gegnerin. Jede kleinste Bewegung der Gegenseite muss wahrgenommen und blitzschnell beurteilt werden. Ist eine Reaktion nötig oder handelte es sich um eine so genannte Finte? Sowohl in der Rückwärtsbewegung während eines gegnerischen Angriffs als auch während der Vorwärtsbewegung in einem eigenen Angriff sind die Sicherheit und die Balance von zentraler Bedeutung. Jede Unausgewogenheit auf der gegnerischen Seite soll möglichst umgehend ausgenutzt werden. Es geht also darum, gegnerische Angriffe erfolgreich abzuwehren und bei eigenen Angriffen zum Punkt zu kommen. So gut wie ein Angriff nur an- oder vorgetäuscht werden kann, kann auch an- oder vorgetäuscht werden, dass man in die Defensive gedrängt wird. Täuschung und ernsthafte Absicht kommen im Fechten ständig zum Einsatz. Die Dynamik in einem Gefecht ist ebenfalls zu beachten: Fühlen sich die einen von einem Vorsprung in den Punkten beflügelt, diesen Vorsprung in den Schluss zu retten, so kann dies für andere eine Gefahr sein, darauf auszuruhen und nachzulassen. Ist für die einen der Vorsprung des Gegners oder der Gegnerin der Kick und der Ansporn, verborgene Kräfte zu mobilisieren, so kann es für andere der Anlass sein zu resignieren. Die mentale Verfassung
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der Gegnerin beziehungsweise des Gegners ist deshalb von großer Bedeutung, muss beobachtet und im Kampf ausgenützt werden. XK sieht sein Verhältnis zu K bestimmt auch als Kampf, wahrscheinlich aber als Machtkampf, den er – wenn möglich – ein für alle mal für sich entscheiden möchte. Dies könnte so aussehen, dass K aus dem Spiel aussteigt, entweder durch Niederlage oder durch Resignation. Das Ziel von K ist hingegen, im Spiel zu bleiben und eine ebenbürtige Partnerin zu sein. Sie ist bereit, immer mal wieder einen Kampf auszufechten und nimmt sich vor, auch hin und wieder zu siegen. Gleichzeitig wird sie versuchen, eine faire Siegerin zu sein und nicht zu stark zu triumphieren, um XK die Gelegenheit zu geben, ein Gleiches mit ihr zu tun. Es ist ihr bewusst, dass sie auch immer wieder besiegt wird, kann dies aber – mit diesem Bild – auch eher sportlich nehmen. Sie wird z. B. versuchen, XK zu gratulieren, wenn er sie geschlagen hat oder bei einer besonders gelungenen Finte zu applaudieren. Dies um zu zeigen, dass sie sich in einem sportlichen Kampf befindet, im Vertrauen darauf, dass es auch für sie eine nächste Runde geben wird. K ist aber auch klar geworden, dass sie ständig auf der Hut sein muss, um zu merken, wann der Kampf beginnt. Sie wird also innerlich ihre Ausrüstung dabei haben und, wenn erforderlich, sofort das Visier hinunterklappen und in Stellung gehen. Bisher hatte XK sie immer wieder überrascht. Zusätzlich wird sie mit gezieltem Training beginnen, damit sie in Bezug auf Kondition und Schnelligkeit auf der Höhe ist. Das wird ihr erlauben, die Absicht hinter den Bewegungen schnell und richtig zu interpretieren, die Stöße und Schläge rechtzeitig zu parieren, die Balance zu behalten und umgehend Gegenangriffe zu starten. Sie entwickelt richtige Lust auf diese Gefechte. K ist sicher, dass sie und XK in der gleichen Kategorie kämpfen, sie fühlt sich nicht grundsätzlich unterlegen. Sie hat ja ihre Siegesqualitäten bereits unter Beweis gestellt. Offen ist, ob XK in dieser sportlichen Auseinandersetzung, d. h. im Spiel drin bleibt oder ob er – mit zunehmender Souveränität von K – auf die Ebene von schwerwiegenderen Konflikten geht. K ist sich bewusst, dass dies geschehen könnte und bereitet sich auch für diese Situation vor. Sie weiß, dass sie sich je nach Eskalationsstufe nicht mehr auf der sportlichen Ebene bewegt und nicht mehr auf Fairness zählen kann. K wird ihre Sach- und Fachkenntnisse ausbauen und vor allem ihre Informations- und Kommunikationskanäle bewusst und gezielt nutzen. Sie hatte dies bisher nicht getan, stellte aber fest, dass XK sie verdächtigt hatte, es zu tun. Dass sie damit eine Unsicherheitszone geschaffen hatte, war ihr nicht klar; sie wird sie aber künftig bewusst gestalten, z B. auch in der internen Öffentlichkeit, wenn es um die Informationen an die Mitglieder geht. Diese werden bisher fast ausschließlich durch XK bedient. Zusätzlich verfügt K über exzellente Außenbeziehungen, um die sie XK beneidet. K hatte sie bisher nicht eingesetzt und versteht nun, dass XK dies als Trumpf in ihrem Ärmel verstanden hatte und sich dadurch bedroht fühlte. K wird prüfen, wie sie diese Machtquelle zum Einsatz bringen kann.
Gedanken für die konkrete Umsetzung
Beispiel L: Einfluss erweitern L ist schon lange im Betrieb und fachlich eine allseits geschätzte Stütze. Sie hält sich durch Weiterbildungen auch auf dem aktuellen Stand. Sie ist nicht
Die Situation L
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
Identifikation des Spiels
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ganz zufrieden mit der Stellung und der Bedeutung, die ihr zugemessen ist. Sie möchte ihren Verantwortungsbereich erweitern und nicht so ausschließlich nach den Regeln der anderen spielen. Sie fragt sich, wie sie eigene Regeln einbringen kann. Mit von der Partie sind der direkte Vorgesetzte von L, der Hauptabteilungsleiter XL, und in verschiedenen Projekten auch immer wieder wechselnd freie Mitarbeitende. XL bestimmt formal, die anderen Personen bestimmen informell über die Bedeutung von L. L ist aber nicht im Fokus der Aufmerksamkeit: Alle sind damit beschäftigt, ihren eigenen Verantwortungsbereich zu erhalten bzw. zu erweitern. Alle gegen alle wäre ein Spiel, wo alle für sich selbst spielen ( die ausführliche Beschreibung bei der Situation O). Dieses Spiel passt allerdings nicht so gut, weil das Spielziel darin besteht, die Mitspielenden aus dem Spiel zu bringen. Das ist hier nicht das Ziel; die Mitspielenden sollen dabei bleiben, aber die Bedeutung der Einzelnen soll sich wandeln. Skat, bei dem die Beteiligten versuchen, als Einzelspielende am meisten Punkte zu bekommen, wäre auch eine Variante. L hat aber den Eindruck, dass es durchaus dramatischer zugeht, als sie sich eine Skat-Runde vorstellt. L entscheidet sich für Risiko; das ist das gesuchte Spiel. Das Spielziel ist, das eigene Revier im Vergleich zu den Mitspielenden am meisten zu vergrößern. Im Spiel stehen dafür Karten zur Verfügung, die strategisch eingesetzt werden können.
Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Möglichkeiten im Spiel
Gedanken für die konkrete Umsetzung
Bei Risiko kämpfen alle Mitspielenden um Terrain. Um eigenes Terrain zu verteidigen oder fremdes Terrain zu gewinnen, braucht es ein erfolgreiches taktisches Vorgehen. Es ist deshalb genau zu beobachten, was die anderen tun und wie sie sich verhalten. Aufgrund dieser Beobachtungen wird entschieden, welche Schritte möglich und nötig sind. Alles Agieren liegt also für eine ziemlich lange Zeit im Bereich der Vermutungen: Erst ziemlich spät wird deutlich, ob die eigene Einschätzung sich konkretisiert oder ob es freudige bzw. bittere Überraschungen gibt. Reihum sind aber alle Mitspielenden aktiv, alle gehen immer wieder mit einem Spielzug ein Risiko ein. Offensiv und defensiv denken ist bei »Risiko« von höchster Bedeutung. Es ist gefährlich, das eine oder andere zu vernachlässigen, weil die Mitspielenden davon profitieren können. Für L ist es in erster Linie wesentlich zu erkennen, dass bereits ein Spiel um die Verantwortungsbereiche in Gang ist. L hatte das nicht realisiert und war in diesem Spiel passiv. Sie ging ja davon aus, dass sie ein entsprechendes Spiel erst in Gang setzen sollte. Dass die anderen bereits erfolgreich um Einfluss gespielt haben, zeigt ihr, dass ihr Verantwortungsbereich zu klein ist. Offenbar hatte L diesen aber weder ausgeweitet noch genügend wirkungsvoll verteidigt. Sie geht davon aus, dass es in einem ersten Schritt darum gehen wird, klar zu machen, wie groß ihr Reich ist, wenn es schon nur um die formale Frage geht. Dafür wird sie die gegebenen Mittel erst einmal ausloten und versuchen, für sich Analogien zu den Mitteln im Spiel zu finden. Sie erwartet, dass die Mitspielenden nicht allzu erstaunt sein werden, wenn L auch spielt – eigentlich haben alle immer damit gerechnet. L wird sich aber darauf einstellen, dass ihre Versuche, Terrain zu gewinnen, nicht ohne Reaktionen bleiben werden. Sie wird deshalb ihre Schritte gut dosieren und ihre Möglichkeiten nicht alle auf einmal ausschöpfen.
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Für L war es wichtig zu erkennen, dass sie mit ausschließlich defensivem Verhalten ihre Position im besten Fall halten, aber nicht ausbauen kann. Sie wird deshalb Mut entwickeln und gezielt – nach ihrem eigenen Timing – offensiv werden. »Offensiv vorgehen« heißt für sie, ihre Trümpfe zu identifizieren und in kleinen Dosen einzusetzen. Sie wird sich erlauben auszuprobieren, wie es sich anfühlt offensiv zu sein, ein Gespräch zu verlangen usw. Wenn sie gleichzeitig ihre Defensive nicht vernachlässigt, ist sie zuversichtlich, dass sie nichts zu verlieren hat. Die Tatsache, dass sie etwas ausprobieren kann und nicht gleich beim ersten Versuch den ganzen Erfolg erringen muss oder ganz zu scheitern riskiert, beruhigt L. Sie wird ihre ersten Versuche gezielt bei Themen machen, an denen nicht ihr ganzes Herzblut hängt. Zusätzlich wird L testen, was passiert, wenn sie – ohne Ankündigung, sondern durch bloßes Tun – ihre Grenzen erweitert. Da bei »Risiko« reihum Akzente gesetzt werden, kann L davon ausgehen, dass auch ihr immer wieder die Initiative zugestanden werden muss/kann. Davon hatte sie bisher keinen Gebrauch gemacht. Sie wird auch in dieser Situation eine allmähliche Veränderung einführen und nicht gleich einen Coup versuchen. Ihr liegt viel daran, mit den Mitspielenden im Spiel zu bleiben. Sie will aber aktiver werden. Damit wird L bestimmt für einige auch eine ernst zu nehmende Konkurrentin oder Gegnerin. Darauf will sie sich einstellen und beobachten, wie sich diese Veränderung auswirkt, ohne dass sie gleich ängstlich wird. L wird die Informations- und Kommunikationskanäle, die sie aus ihrer Erfahrung sehr gut kennt, künftig auch für die eigene Position nutzen. Bisher hatte sie diese lediglich als Instrumente für die Arbeit gesehen. Sie wird ausloten, wie sie einen Nutzen aus diesen Kanälen ziehen kann und wie sich die Information und Kommunikation verändern, wenn sie selbst mit diesen Kanälen anders umgeht. Grundsätzlich ist für sie ein Strategiewechsel angesagt: War sie bisher für alle Mitspielenden völlig transparent, wird sich dies nun schrittweise verändern. L hat sich jetzt eigene Ziele gesetzt und ist entschlossen, im Spiel auch hin und wieder für sich zu punkten. Damit schafft sie für die Mitspielenden zum ersten Mal eine Unsicherheitszone und gibt damit bekannt, dass sie ernst zu nehmen sein wird.
Beispiel M: Arbeitszuteilung M ist die Erfahrenste in einem Fünfer-Spezialistinnen-Team. XM, der Disponent, teilt die Arbeit zu, die jeweils von einer Frau allein ausgeführt wird. M und fast das ganze Team sind mit der Art und Weise der Zuteilung unzufrieden. Sie wird als willkürlich und sachlich nicht verständlich eingestuft. Es geht darum, dass es spannendere und weniger spannende, lohnende und weniger lohnende, aufwändigere und weniger aufwändige Arbeiten zu verteilen gibt. XM gehe nach Sympathie und Antipathie vor, und nicht nach dem Können der Beteiligten oder nach einem fairen Rhythmus. Es sollten z. B. auch Jüngere ab und zu anspruchsvolle Arbeiten bekommnen, die ihnen eine Entwicklung ermöglichen und ihren Namen bekannt machen würden. M fragt sich, ob sie etwas tun kann, um die Willkür von XM zu mildern und damit die Stimmung im Team zu fördern. Wir suchen hier ein Spiel, das in der Anlage fünf gegen einen gespielt wird. Bewegung entsteht praktisch keine, vom Spiel ist auch nicht viel zu
Die Situation M
Identifikation des Spiels
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
hören. So kann es unmöglich Jägerball sein, bei dem die »Jäger« (hier die fünf) im Feld stehen, der »Hase« (hier XM) den Ball ins Feld spielt und versucht, durchs Feld zu rennen, ohne getroffen zu werden. Das wäre zwar fünf gegen einen, aber einerseits ist viel zu viel Bewegung vorhanden und andererseits müsste es in unserer Situation eher heißen: Einer gegen fünf. XM ist in der starken Position, nicht M und ihre Kolleginnen. Eine andere Option wird geprüft: Taler, Taler ( die ausführliche Beschreibung bei der Situation E). XM verteilt die Arbeit (= den Taler), alle fünf hoffen darauf, dass jede eine passende Aufgabe bekommt. Beim Taler-Spiel muss man erraten, wer den Taler bekommen hat. Damit dies ein bisschen schwieriger wird, müssen alle singen; das lenkt ein weinig ab. Genau diese Phase des Spiels kommt aber nicht zur Geltung. Es ist ja offensichtlich, wer welche Arbeit zugeteilt bekommt, da gibt es nichts mehr zu erraten. In diesem Sinne kann auch nie gewonnen und damit die Rolle getauscht werden. Die Spielanlage ist für die fünf absolut eingeschränkt und erlaubt keine eigenen Aktivitäten. Am ehesten kommen noch Abzählverse in Frage. Da stehen die fünf in einer Reihe und XM zählt nach einem bestimmten Vers ab. Auf wen die letzte Silbe des letzten Wortes trifft, scheidet aus oder ist auserwählt usw. Aber auch in diesem Spiel wird das Ausmaß an Entscheidungsrechten von XM nicht in vollem Umfang widergespiegelt: XM unterzieht sich ja nicht dem Ergebnis eines Verses – er kann das Ergebnis selbst festlegen. Es tauchen deshalb Zweifel auf, ob XM und das Fünfer-Team tatsächlich miteinander im gleichen Spiel sind. Eine der erwähnten Varianten könnte durchaus möglich sein. Es besteht aber XM gegenüber nicht das Mindestmaß an Empathie, das für ein gemeinsames Spiel notwendig ist. Zwischen XM und M besteht ein Konflikt, der so weit eskaliert ist, dass eigentlich davon ausgegangen wird, dass XM absichtlich die Wünsche des Teams ignoriert und auch in keiner Art und Weise mit sich reden lassen will. Es ist deshalb notwendig, dass zunächst dieser Konflikt entschärft und die Situation geklärt werden, bevor wieder ein Spiel installiert werden kann. Dies umso mehr, weil Spiele zwischen Beteiligten verschiedener Hierachiestufen immer noch eine zusätzliche Schwierigkeit in sich tragen. Im Fünferteam ist die Atmosphäre einigermaßen entspannt und ein Spiel auf jeden Fall möglich. Was wäre das für ein Spiel, wenn es um die Zuteilung der Arbeit ginge? Als Spiel im Team kann eigentlich jedes Team-Spiel in Frage kommen. Ähnlich wie beim Rugby beschrieben ( die ausführliche Beschreibung bei der Situation N) sind die unterschiedlichen Talente situationsgerecht einzusetzen.
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Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Möglichkeiten im Spiel
Wird ein Teamspiel gespielt, sind immer zwei Aspekte zu beobachten: das Ziel des Teams und das Ziel der Einzelnen. Nur wenn beide Aspekte sich in einem gewissen Zeitraum ergänzen, ist das Team erfolgreich. Dazu ist zuerst das gemeinsame Ziel zu definieren. Ist das Team schon erfahren, ist vielleicht schon klar, dass es sein Leistungsniveau halten und ausbauen möchte. Vielleicht wird in der aktuellen Saison ein Pokalsieg angestrebt. Unter Umständen sind zusätzlich zur sportlichen Leistung wesentliche Abgänge zu ersetzen oder Schwierigkeiten mit dem Coach, dem Sponsor oder
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der Öffentlichkeit zu meistern. Ist das Team noch relativ neu, gilt es, die einzelnen Talente auszuloten und zu einem Team zusammenzubringen. Allen ist dabei bewusst, dass immer Training nötig ist. Es reicht nicht aus, sich ausschließlich während der Spiele anzustrengen. Diese Trainingsbereitschaft ist eine der Grundvoraussetzungen für ein gutes Team. Die Ziele der einzelnen Teammitglieder sind ebenfalls zu ergründen. Da kann die Spannweite groß sein. Eine/r möchte sich vielleicht gern den erreichten Stammplatz im Team erhalten. Ein/e andere/r würde sich gerne steigern und in der nächsten Saison vielleicht in ein anderes Team wechseln. Wieder ein/e andere/r hat den Wunsch, sich zu verändern und innerhalb des Teams eine andere Aufgabe zu übernehmen. Ein weiteres Teammitglied denkt ans Aufhören, während sich die letzte darüber Gedanken macht, ins Trainingsfach überzuwechseln usw. M wird dem Team vorschlagen, die Zuteilungen von XM quasi kommentarlos zu schlucken, aber anschließend untereinander allenfalls intern die Projekte zu tauschen. Sie ist der Meinung, dass dies klappen könnte. Sie denkt, XM würde nicht unbedingt auf der vollständigen Einhaltung seiner Anweisungen bestehen, weil er in erster Linie an einem reibungslosen Ablauf interessiert ist. Das bedeutet aber, dass im Team dieses Vorgehen voll getragen werden muss. M wird mit ihren Kolleginnen diskutieren, wie die Modalitäten für einen Tausch eingerichtet werden können, ohne dass dies großes Aufsehen erregt. Denn tauschen ist ja nicht immer einfach: Das Team muss damit rechnen, dass es Projekte gibt, an denen niemand besonders interessiert ist, aber auch Projekte, die mehrere gleichzeitig gerne übernehmen würden. Es M klar, dass sie eine Spezialrolle übernehmen wird, wenn sie diesen Vorschlag macht. Sie positioniert sich als mächtig, wenn sie ein neues Spiel einführt. Sie ist aber gar nicht unbedingt daran interessiert, eine Art »informelle Disponentin« zu werden – ohne Auftrag und ohne Status. Sie wäre damit der Coach und hätte dafür zu sorgen, dass alle im Team einerseits auf ihre Rechnung kommen und andererseits auch ihre Leistung erbringen. M bekommt Zweifel, ob sie das will und kann. Trotzdem findet sie die Möglichkeit, die Arbeiten untereinander auf eigenen Wunsch noch einmal neu zu ordnen, bestechend. Sie fragt sich, ob vielleicht ein anderes Spiel als »Wir sind ein Team« geeigneter wäre. Ein Spiel, das untereinander die ganze Palette der Möglichkeiten im Spiel zulässt: Konkurrenz und Scheitern, Freuen und Ärgern. Ihre Idee ist, den Kolleginnen vorzuschlagen, dass der Tausch nach dem Spiel Mensch ärgere dich nicht vor sich gehen könnte. Diejenigen, die tauschen möchten und allenfalls zu einem Tausch bereit sind, spielen miteinander. Sie würfeln und spielen jede auf ihren eigenen Sieg. Ob sie unterwegs Figürchen nach Hause schicken oder schonen, entscheiden sie jeweils tagesaktuell. Natürlich erinnern sie sich, ob die andere Kollegin aus einem vorhergegangenen Spiel vielleicht noch eine Rechnung offen hat. M fände diese Variante entlastend, weil sie so nicht die informelle Verantwortung dafür hat, dass es untereinander immer klappt. Mit dem Spiel wären die Kolleginnen auch nicht auf sie konzentriert. Sie könnte im Spiel ebenfalls mitmachen und hin und wieder – regelkonform– gemein sein und nicht auf die Wünsche von Kolleginnen eingehen, sondern ihre eigenen Ziele verfolgen.
Gedanken für die konkrete Umsetzung
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
M als erfahrenste und geschätzte Kollegin dürfte über die nötigen Machtquellen verfügen, ein Spiel vorzuschlagen, in das die anderen – zu ihrem eigenen Vorteil – auch einsteigen. Es würde sie alle von XM unabhängiger machen. M war es nicht bewusst, dass sie eine so starke und unangefochtene Position hat und sie wird beobachten, ob dies so bleibt, wenn sie jetzt aktiv wird.
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Beispiel N: Die Dissertation wird nicht fertig Die Situation N
Identifikation des Spiels
N hat einen universitären Abschluss erreicht und zurzeit eine Stelle als Assistentin. Ihr Vertrag besagt, dass sie die Hälfte ihrer Arbeitszeit für universitäre Aufgaben einsetzen muss. Das bedeutet Vorlesungen vorzubereiten und abzuhalten, Studierende zu beraten, Prüfungen zu entwickeln und durchzuführen, Arbeiten zu korrigieren und zu bewerten, den vorgesetzten Professor zu vertreten und ihm für weitere Aufgaben zur Verfügung zu stehen. Die andere Hälfte ihrer Arbeitszeit nutzt sie, um ihre Dissertation zu schreiben. Die Realität stellt sich aber anders dar: N kommt einfach nicht wirklich dazu, an ihrer Dissertation zu arbeiten. Die fünfzig Prozent für die Universität reichen nicht aus. Einerseits ist das Portefeuille unrealistisch groß, die universitären Aufgaben sind praktisch nicht in dieser Zeit auf einem ansprechenden Niveau zu leisten. Andererseits halten sich die Studierenden nicht an Beratungszeiten und vom Professor kommen immer wieder Sonderwünsche. »Alle fahren mir ständig von allen Seiten in die Beine.« N fragt sich, was sie tun kann, damit auch ihre Dissertation zu einem guten Ende kommt. N suchte zunächst Spiele, die es ihr erlauben würden, den Dissertationsteil in Ruhe auszuführen. Da waren zum Beispiel die Brettspiele mit Würfel, bei denen festgelegt ist, wer wann an die Reihe kommt. Sofort wurde zweierlei deutlich: Es sind viel mehr Personen an diesem Spiel beteiligt, als an einem Brettspiel teilnehmen können, und die Spielatmosphäre ließ sich in keiner Art und Weise mit der Atmosphäre eines solchen Spieles in Übereinstimmung bringen. Was könnten Spiele sein, bei denen viele mitmachen und bei denen es hektisch zu und her geht? Da können wir an Fangen denken, in allen Varianten: Eine Person fängt, bis sie eine andere erwischt, und gibt damit ihre Fangaufgabe weiter; oder eine Person fängt, die erwischte Person hält die erste bei der Hand und sie fangen zu zweit, die dritte hängt sich an – bis alle gefangen sind und somit eine lange Kette bilden; usw. Diese Spielziele überzeugen nicht – N will ja eine Dissertation schreiben. Also weitersuchen: Alle laufen durcheinander, ihr wird von allen Seiten in die Beine gefahren. Ihre vielfältigen Versuche, dies abzuwehren, sind erfolglos. Damit sie aber ihre Dissertation schreiben kann, braucht sie einen klar bestimmten Raum, in dem sie ohne Unterbruch und konzentriert arbeiten kann. Also müssen wir die Suche umdrehen: Gesucht wird ein Spiel, bei dem es zu den markanten Regeln gehört, dass man sich gegenseitig in die Beine fährt. Rugby heißt dieses Spiel. Rugby ist ein Hartballspiel mit zwei Teams auf einem Rasenfeld, bei dem jedes Team versucht, den ovalen Hartlederball entweder hinter die hinterste Linie der Gegenseite zu legen oder zwischen zwei Stangen zu kicken. Es gewinnt das Team, das die meisten Punkte macht.
89 3.2 · Beispiele aus der Praxis
Der Ball darf mit den Händen und Füssen gepackt, geschoben, gekickt oder geworfen werden. Man darf mit dem Ball im Arm rennen, und die Gegner dürften mit allen Techniken daran gehindert werden, ungestört den Ball zu transportieren. Es ist deshalb nach den Regeln korrekt, den gegnerischen Spieler/innen in die Beine zu fahren und sie zu Fall zu bringen. Um erfolgreich zu sein, wird jeweils die Person angespielt, die am besten, am weitesten vorn usw. steht, damit möglichst viel Distanz überwunden wird und man sich der gegnerischen Linie nähern kann. Gleichzeitig versuchen die Teammitglieder mit einer Erfolg versprechenden Ballabgabe die Person mit dem Ball vor den gegnerischen Leuten abzuschirmen, in dem diese nächsten, gefährlichsten usw. vorsorglich gepackt, blockiert und zu Fall gebracht werden. N war verblüfft; der Eindruck stimmte spontan. Aber sie war sich zunächst bei der Wahl des Spiels unsicher, weil Rugby ein Teamspiel ist. Sie war der Meinung, dass eine Dissertation schreiben eine persönliche Angelegenheit sei und nicht die eines Teams. Deshalb müsste es sich auch um ein Spiel handeln, in dem sie allein die Situation erfolgreich gestalten konnte. Die Weitersuche ergab nichts mehr. N freundete sich mit der Vorstellung an, dass sie – selbstverständlich – die Dissertation schreibt, d. h. ihren Ball hinter die gegnerische Linie legt und damit punktet. Aber sich ausreichend Zeit für diese konzentrierte Phase zu erspielen, das könnte durchaus eine Aufgabe sein, die im Team erfolgreicher zu lösen ist als allein. N stellte zudem freudig
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
fest, dass es noch mehr Assistierende in einer vergleichbaren Situation gibt – sogar auf dem gleichen Stockwerk.
Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Möglichkeiten im Spiel
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Gedanken für die konkrete Umsetzung
Rugby als Teamspiel setzt darauf, dass die Mitspielenden fit sind und sich mutig einbringen. Dafür müssen die Rahmenbedingungen im Vorfeld, im Umfeld und auf dem Feld beobachtet und gestaltet werden. Es braucht klare Abmachungen über die Spielpläne und alle müssen sich gegenseitig vertrauen, dass die Abmachungen eingehalten werden. Die individuelle Leistung ist der eine Teil, der zählt, der Einsatz für das Gesamtergebnis der andere – beide Aspekte müssen zusammenpassen, sonst wird die Teammitgliedschaft aufgekündigt oder ist nicht mehr interessant. Es ist also gleichermaßen wichtig, mit dem Ball zu rennen und die Rennenden abzuschirmen. Punkten ist sicher schöner, als sich blaue Flecken einhandeln; beides ist aber notwendig. Ein zusätzlicher Erfolgsfaktor kann der Ruf eines Teams sein. Wenn bekannt ist, dass ein Team sehr ehrgeizig, sehr konsequent und erfolgreich ist, schüchtert dies alle Gegner/innen zunächst einmal ein, was einen Vorteil bringen kann. Stellt sich dann heraus, dass nicht nur der Ruf gut ist, sondern das Team tatsächlich auch gut spielt, dann sind die Gewinnchancen sehr groß. Je nach Spielstand droht die Gefahr, dass individuelle Eigenschaften der Mitspielenden sich vor dem gemeinsamen Ziel durchsetzen: Die mit dem Team getroffenen Abmachungen gelten nicht mehr; aus dem Team wird eine Gruppe aus Einzelkämpfer/innen. Darauf müssen alle vorbereitet sein, denn genau in einer Match entscheidenden Situation ist es außerordentlich wichtig, dass die Abmachungen für alle gelten. Bricht da jemand ernsthaft aus, muss sie/er mit harten Sanktionen aus dem eigenen Lager rechnen. Ein Team verfügt im Idealfall über einen Coach und ein aktives Umfeld für Fitness, Wellness und Öffentlichkeitsarbeit, d. h. dass ein Team nicht erst und ausschließlich auf dem Spielfeld als Team auftritt und als solches wahrgenommen wird. N ist klar geworden, dass sie, um ihre Dissertation zu einem guten Ende zu bringen, tatsächlich ein Team bilden muss. Sie wird deshalb die anderen Assistierenden ansprechen, die in der gleichen Situation sind. Sie wird ausloten, wie sie sich organisieren und welche Abmachungen sie treffen können, damit sie sich gegenseitig frei spielen. Es schwebt ihr vor, dass die Assistierenden Sprechstunden oder -tage für die Studierenden einrichten – ein Präsenzplan würde Klarheit über die Anwesenheitszeiten verschaffen. Zusätzlich müsste eine konkrete Zeit für die Dissertation bestimmt werden, die nachweislich nicht anderweitig belegt wird. Weitere Möglichkeiten wären, einerseits das Recht einzuführen, eine ausgewiesene Zeit vom Uni-Arbeitsplatz abwesend zu sein, und andererseits für die Studierenden Sprechstunden einzuführen. Dieses Zeitmanagement würde N gerne mit dem verantwortlichen Professor besprechen und von ihm in der Vorlesung ankündigen lassen. Die Autorität des Professors würde für die Studierenden eine hohe Verbindlichkeit darstellen und ein sehr gewichtiges Argument sein. Letztlich ist ja der Professor für die Assistierenden verantwortlich, auch für deren Arbeitsbedingungen. Er hat auch ein grundsätzliches
91 3.2 · Beispiele aus der Praxis
Interesse daran, dass bei ihm eine respektable Anzahl inhaltlich guter Dissertationen geschrieben werden. Dem Professor wird auf diese Art und Weise die Funktion eines Coach nahe gelegt, statt ebenfalls ein unberechenbares Element zu sein, das jederzeit mit Zusatzaufgaben aufwartet. N war nicht klar, dass ein Schreibtischjob sie so zurichten könnte: Sie kam oft sehr müde und mit blauen Flecken nach Hause. Sie hat sich deshalb vorgenommen, für sich eine »Pflegebank« mit Masseurin einzurichten, und sich weitere unterstützende Maßnahmen auszudenken. Sie will, dass sie fit ist und losrennen kann, wenn ihr der Ball zugespielt wird. Dafür muss sie die vielen Flecken, die sie davon trägt, wenn ihr von allen Seiten in die Beine getreten wird, jeweils rechtzeitig wieder heilen. Auch im Team wird sich das Getreten-Werden nicht auf Null reduzieren lassen, aber es wird kalkulierbarer. N wird sich auch überlegen, wie sie die Kolleginnen und Kollegen bei der Stange halten kann, wenn es eng wird. Die Ideen dazu fehlen ihr zur Zeit noch, aber sie ist zuversichtlich, dass sie dies aushandeln kann. Es muss klar sein, dass alle, die freigespielt werden wollen, auch einen Teil der Abwehrarbeit übernehmen müssen, sonst fühlen sich die Zuverlässigen geprellt. All diese Überlegungen sind Ausdruck einer wirkungsvollen defensiven Strategie, die N gesucht hat. Was kann sie tun, damit sie nicht überwiegend in die Spiele der anderen einbezogen ist, ohne ihr eigenes Spiel spielen zu können? Um ihre Konzeption umzusetzen, braucht N ziemlich viel Macht. Sie wird dazu vor allem Informations- und Kommunikationskanäle nutzen. Ihrem Professor gegenüber werden auch Argumente aus dem Bereich Organisation-Umwelt angebracht sein. Mit den Studierenden ist ein neues Spiel zu definieren, was mit Hilfe des Professors möglich sein dürfte. Ihren Kolleginnen und Kollegen gegenüber wird N das Nutzen der organisationalen Regeln wirkungsvoll einbringen können.
Beispiel O: Einsame Entscheidung O ist Schlussredakteurin eines großen Mediums und hat nicht nur die Befugnisse, sondern die Pflicht zu entscheiden, welche Beiträge letztlich in der aktuellen Ausgabe erscheinen sollen und welche abgelehnt werden. Sie ist in dieser Position unangefochten. Die Kolleginnen und Kollegen waren nur mit einigen wenigen Entscheidungen nicht einverstanden. In einer solchen Situation ist es aber schon vorgekommen, dass die Betroffenen O übersprangen und sich mit ihrem Protest direkt an den Chef gewandt haben. Dieser unterstützte jeweils die Kollegen bei ihren Klagen. O gegenüber äußerte er aber Einverständnis mit der von ihr getroffenen Entscheidung. Beide wähnten sich demnach im Recht, was die Stimmung beeinträchtige. O ist zusätzlich formal in einer außergewöhnlichen Position: Sie ist eine so genannte »Freie«. Sie gehört nicht zum fest angestellten Personal und hat deshalb zu verschiedenen Strukturen, Anlässen, Informationen usw. nicht den gleichen, selbstverständlichen Zugang. Das bedeutet, dass sie zwar eine sehr zentrale Aufgabe ausübt, dies aber aus einer maximal unsicheren Position heraus. O fragt sich wie sich in dieser zwiespältigen Situation optimal bewegen kann. In diesem Spiel spielen alle Redakteurinnen und Redakteure inklusive O aktiv mit. Das Spiel hat bestimmte Phasen: Vorbereiten – arbeiten – abschließen.
Die Situation O
Identifikation des Spiels
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
In dieser Schlussphase entsteht Unsicherheit, weil O entscheidet, ob ein Artikel gedruckt werden soll oder nicht. Danach folgt quasi eine nächste Runde. Alle Spiele, bei denen eine stufenweise Verstärkung, Verschärfung oder Reduktion zur Anlage gehören, sind in die Überlegungen einzubeziehen. Der Sesseltanz ( die ausführliche Beschreibung bei der Situation U) gehört z. B. dazu, kommt aber hier nicht in Frage, weil die übrig bleibende Person die Siegerin ist. O hat nicht den Eindruck, dass sie die Siegerin ist. Quartett, ein Kartenspiel mit jeweils vier zusammenpassenden Themenkarten, reduziert jeweils die Möglichkeiten, von der vorangehenden Person eine Karte zu ziehen, die zu den eigenen passt, weil jedes vollständige Quartett abgelegt und damit aus dem Spiel genommen wird. Hier ist das Ziel, möglichst viele vollständige Quartette zu haben. Auch dieses Spielziel trifft unsere Situation nicht. Wenn mit einem Ball Alle gegen alle gespielt wird, muss sich setzen, wer getroffen wird; es bleiben immer weniger übrig. Ziel ist es, letzte/r aufrechte/r Spieler/in zu sein. Das Spiel kann noch beschleunigt werden, und zwar dann, wenn erlaubt wird, dass das Berühren bzw. Fangen des Balles das Mitspielen wieder neu zulässt, aber nach einem bestimmten Zeitabstand ein zweiter und dritter Ball ins Spiel kommen. Doch auch bei diesem Spiel ist das Ziel nicht adäquat. Schwarzer Peter wird hier gespielt. Alle sind am Spiel beteiligt und haben Karten in der Hand, die sie gern – jeweils zwei zusammenpassend – ablegen. Am Anfang ist die Stimmung locker. Je weniger Karten noch im Spiel sind, desto höher die Chancen, den »schwarzen Peter« zu ziehen, wodurch auch die Spannung steigt. Denn am Schluss bleibt nur der »schwarze Peter« übrig, den niemand haben will. Mit dieser Karte bekommt man auch noch einen schwarzen Schnauzbart ins Gesicht geschminkt. Alle sehen es, alle werden schadenfroh.
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Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Möglichkeiten im Spiel
Die Karten werden gemischt und verteilt. Alle nehmen die Karten auf und stellen sie als Blatt in einer Hand zusammen. Das ist schon eine sehr wichtige Spielphase: Unweigerlich wird ein/e Spieler/in den »schwarzer Peter« aufnehmen; die Karte, mit der man verliert. Diese unangenehme Tatsache soll möglichst unbemerkt geschehen. Wer sich in dieser Phase verrät, bringt sich in eine unvorteilhafte Position. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, die Mimik und die Gespräche bzw. die Unterbrechung der Gespräche beim Aufnehmen der Karten zu beobachten und sich selbst möglichst zu kontrollieren. Schon bevor es losgeht, werden jeweils zwei zusammenpassende Karten abgelegt. Es wird ausgemacht, wer zuerst ziehen darf. »Ziehen« heißt, dass die Person links der beginnenden ihr die Karten so – verdeckt – hinhält, dass sie eine davon aus dem Fächer zupfen kann. Damit sie auch eine Karte dazu bekommt, zieht die Person, der eine Karte genommen wurde, von der Person links – unbesehen – eine Karte. Das ist für alle ohne »schwarzer Peter« problemlos. Wer aber diese Karte hat, versucht sie so zu arrangieren, dass sie möglichst gezogen wird. Da wird die Karte mal an den Rand gesteckt oder eben gerade nicht. Bei jedem Ziehen schätzen die Mitspielenden ein, ob der »schwarze Peter« die Hand gewechselt hat. Wenn dies der Fall ist, lassen
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sich die beiden Beteiligten am besten nichts anmerken. Aber sehr oft wird gejubelt oder aufgejault, was verrät, wo der »schwarze Peter« aktuell anzutreffen ist. Da immer mehr Karten aus dem Spiel abgelegt werden, wird es immer enger. Der eine oder die andere gehört nicht mehr zum Spiel, weil alle Karten in passenden Paaren abgelegt werden konnten. Zum Schluss bleiben drei Karten übrig: ein zusammenpassendes Paar in zwei verschiedenen Händen und der »schwarze Peter«. Es ist klar: Die Person mit den zwei Karten hat ihn. Deshalb ist es für sie angezeigt, die beiden Karten z. B. unter dem Tisch zu arrangieren, damit niemand nachvollziehen kann, welche von beiden der »schwarze Peter« ist. Erwischt die andere Person den »schwarzen Peter«, macht sie es genauso. Erst wenn die neutrale Karte gezogen ist, ist das Spiel fertig und der »schwarze Peter« steht fest. Damit ist das Spiel zwar entschieden, aber noch lange nicht zu Ende. Wer »schwarzer Peter« wird, der/dem wird eine Schnurrbart geschminkt. Meistens versucht sich der »schwarze Peter« gegen die Schminke zu wehren. Der Fantasie ist da keine Grenze gesetzt, wie sie oder er die anderen davon überzeugen kann, dass sie das Schminken unterlassen. Die einen gehen unterdessen geeignete Schminke suchen, andere reden auf den »schwarzen Peter« ein, dass er es doch über sich ergehen lassen soll, wieder andere versuchen ihn zu trösten. Unter großem Hallo wird geschminkt; der »schwarze Peter« ist Zielscheibe für Spott und Ironie. Und wenn sich die Wogen wieder geglättet haben, geht es in die nächste Runde. Die Karte »schwarzer Peter« ist eine Spezialkarte und harten Bedingungen ausgesetzt. Deshalb bekommt diese Karte schneller Eselsohren oder andere Zeichen, die sie von den anderen Karten unterscheidet. Das kann dem Spiel ein wenig die Spannung nehmen, aber auch anspruchsvoll machen, da die Karte so gut getarnt werden muss, dass sie trotzdem nicht erkannt wird. Vor allem in der letzten Runde – mit nur noch zwei Karten – ist dies besonders schwierig und besonders folgenschwer. O ist sich bewusst, dass ihr Job, in dem sie einsame Entscheidungen fällt und diese auch unmittelbar durchsetzt, für die betroffenen Kolleginnen oder Kollegen sehr unangenehme Folgen haben kann. Insofern ist ihr klar, dass sie – quasi im Aufgabenheft integriert – die Rolle des »schwarzen Peters« spielt. Sie ist auch bereit, hin und wieder den »schwarzen Peter« zu übernehmen, aber nicht ausschließlich und nicht regelmäßig. Sie wird deshalb dafür sorgen, dass beim »schwarzen Peter«-Spiel Karten ohne Eselohren verwendet werden. Weiter wird O versuchen, jeweils die Karten wieder zu mischen und klar zu machen, dass eine neue Runde in Gang ist, bei der wieder offen ist, wer am Schluss den »schwarzen Peter« in der Hand hält. Dieser Hinweis ist nötig, bevor die Endphase der Runde erreicht ist, in der die meisten Mitspielenden ihre Karten schon glücklich losgeworden sind und gespannt schauen, an wem von den letzten beiden wohl der »schwarze Peter« hängen bleibt. O kann diesen Hinweis machen: Alle Redakteurinnen und Redakteure sehen jeweils auf dem Plan nach, wer an diesem Tag die Endredaktion verantwortet. Sie kann ohne Weiteres anmerken, dass damit eine Runde gespielt wird, und dass immer offen ist, wer »schwarzer Peter« wird. Damit gibt sie bekannt, dass sie zwar mit von der Partie ist und dass es auch sie treffen könnte, aber dass die Entscheidung noch offen ist.
Gedanken für die konkrete Umsetzung
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
Eine offene Frage bezieht sich auf den Chef von O. Er spielt zwar nicht mit und kann deshalb nicht »schwarzer Peter« werden, aber er beurteilt nach der Entscheidung die Lage. Wenn O einen Beitrag definitiv abgelehnt hat, bleibt der »schwarze Peter« bei der/dem entsprechenden Redakteur/in hängen. Beklagt sie oder er sich aber beim Chef über den Entscheid und bekommt von ihm Recht, wird die Kompetenz von O stark in Zweifel gezogen. Das Produkt ist zwar raus, die Runde ist beendet, aber die Entscheidung von O wird kritisiert, als hätte sie falsch gespielt. O wird versuchen ihrem Chef klarzumachen, dass er sich zurückhalten muss mit dem Umstoßen von Spielergebnissen, weil sonst das Spiel als Ganzes in Gefahr ist: Die Redakteurinnen und Redakteure werden nur in einem Spiel mitspielen, dass einen offenen Ausgang hat, sonst werden sie ein Spiel unter sich – also ohne O – kreieren, um festzustellen, welche Beiträge angenommen werden und welche nicht. Wenn O also ihre Aufgabe erfüllen will/soll, braucht sie die Rückendeckung ihres Chefs. Wenn der Chef die Funktion einer Tagesredaktion aufrechterhalten will, dann wird er ihr den Rücken decken oder sie auswechseln müssen. O wird sich überlegen, ob sie nicht unter den Redaktionskolleginnen und -kollegen wichtige Personen findet, die sie dabei unterstützen können, dass das Spiel, ohne Rückgriff auf den Chef, ganz zu Ende gespielt wird. Das könnte bedeuten, dass diejenigen, die ihre Karten schon abgelegt haben, nicht vom Tisch aufstehen, ohne den Ausgang abzuwarten, sondern dabei bleiben und auch das Endergebnis festhalten. Damit würden sie bestätigen, wie die aktuelle Runde ausgegangen ist. Ob dann noch ein Schnurrbart geschminkt wird oder nicht, kann offen gelassen werden. Falls viele und nicht immer die gleichen hin und wieder von der Ablehnung eines Beitrags betroffen sind, könnte sogar das Schminken und das Aufhängen eines Polaroid-Fotos dazu beitragen, dass sich der persönliche – verständliche – Unmut nicht allzu breit macht. Die Tage, an denen alle Beiträge berücksichtigt werden, müssten ebenfalls gut gekennzeichnet werden. Damit wird die Lage überschaubar und die Interventionen von O bekommen einen realistischen Rahmen. O ist nicht ganz sicher, ob die Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Chef und zwei Kollegen bereits Konfliktintensität haben, und wenn ja, auf welcher Stufe der Eskalation sie sich befinden. Sie wird sich die letzten Diskussionen und die Gruppenbildung im Redaktionsteam noch einmal in Erinnerung rufen und dann entscheiden, ob sie zuerst eine Konfliktbewältigung anstreben muss oder ob sie direkt ins Spiel einsteigen kann. Sie wird aber auf jeden Fall ihre Machtquellen im Bereich der Informations- und Kommunikationskanäle bewusster einsetzen. Damit sie ihren Entscheidungsspielraum nutzen und auch erhalten kann, braucht sie eine gewisse Unsicherheitszone. Den Redakteurinnen und Redakteuren gegenüber ist aber genau diese Unsicherheitszone ein großes Problem: Je länger O die Entscheidung, einen Beitrag abzulehnen hinausschiebt, desto schwieriger wird es für eine/n Redakteur/in, die Entscheidung zu akzeptieren. Sie will deshalb genau auf diesem Gebiet noch größere Vorsicht und Umsicht entwickeln.
95 3.2 · Beispiele aus der Praxis
Beispiel P: Personalklüngel In einer größeren Verwaltung wurde die Situation der Mitarbeitenden analysiert und festgestellt, dass Männer ungleich bessere Karrierechancen haben als Frauen. Obwohl die gesetzlichen Vorgaben vorschreiben, dass für Beförderungen ein diskriminierungsresistentes, transparentes Verfahren angewendet werden soll, wird am gängigen Vorgehen nicht gerüttelt. Die Frauenbeauftragte P hat den Auftrag, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen und hat aus diesem Grund als Initiatorin fünf Frauen aus vier Ämtern zu einem »Stufenplan-Team« zusammengerufen. Die Haltung der Verantwortlichen in der Personalabteilung und der politisch Zuständigen schwankt zwischen ablehnend und unberechenbar. Gleichzeitig wären genau diese Personen sehr dankbar, wenn das Thema so weit bearbeitet werden könnte, dass nicht jederzeit Kritik laut werden kann. Aus dem Kreis der Mitarbeiterinnen bekommt P offene oder unausgesprochene Unterstützung. Der Personalrat zeigt wenig Interesse an diesem Thema, ob aus Überforderung oder aus mangelnder sachlicher Überzeugung ist nicht deutlich. P fragt sich, wie sie ihren Stufenplan erfolgreich umsetzen kann. Im ganzen Spiel der Beförderungen gibt es eine große Anzahl Beteiligte. Aktiv ist, wer befördert und wer befördert werden will/soll sowie die Frauenbeauftragte P und das Stufenplan-Team, die das Beförderungs-Verfahren grundsätzlich im Auge haben. Eher passiv oder nur von Fall zu Fall beteiligen sich die Verantwortlichen der Politik und des Personals. Die Aktiven sind voll bei der Sache und verbreiten eine intensive Spielstimmung, die für die Außenstehenden gut wahrnehmbar ist. Für die Spielenden selbst dürfte es ab und zu schwierig sein, den Überblick zu behalten bzw. zu erkennen, was die anderen tun oder zu tun beabsichtigen. P experimentiert zuerst mit Poker ( genauere Spielbeschreibung bei Situation F). Interessant ist dabei, dass offen ist, welche Karten die Beteiligten in der Hand haben und was sie bereit sind einzusetzen. Auch das Publikum, das gebannt auf den Ausgang wartet, könnte auf dieses Spiel hinweisen. P empfindet aber, dass in ihrer Situation das Zufallsmoment größer ist als bei Poker und gelangt schließlich zum Schluss, UNO sei das Spiel, das im Gang ist. UNO ist ein Kartenspiel, das mit relativ vielen Beteiligten gespielt werden kann. Alle starten mit einer bestimmten Anzahl Karten, in der Mitte liegt verdeckt der Stapel und eine aufgedeckte Karte, die anzeigt, was offen oben drauf gelegt werden muss: die gleiche Farbe, die gleiche Zahl oder eine Sonderkarte, mit der man sich was wünschen kann. Neben dieser Sonderkarte winken oder drohen noch andere Karten, die verschiedene Bedeutungen haben können: Richtungswechsel, nimm zwei Karten, nimm 4 Karten, Nächste/n überspringen, ganzes Blatt mit einer ausgesuchten Person austauschen usw. Das Spiel soll schnell gespielt werden, damit Stimmung aufkommt. Wer einen Fehler macht oder keine passende Karte hat, nimmt zur Strafe eine Karte vom Stapel. Beim Ablegen der vorletzten Karte muss gut vernehmlich »UNO« angekündigt werden. Wer die letzte Karte ablegen kann, hat die Runde gewonnen; die anderen zählen ihre Strafpunkte.
Die Situation P
Identifikation des Spiels
Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Bevor die gemischten Karten verteilt werden, wird vereinbart, wer beginnt und in welche Richtung gespielt wird. Oft werden auch noch andere Spezia-
Möglichkeiten im Spiel
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
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litäten vereinbart. Dann nehmen alle Mitspielenden die sechs Karten in die Hand und die startende Person legt ab. Passt zumindest eine Karte, legt sie diese offen auf die aufgedeckte Karte in der Mitte. Die Spezialkarten geben UNO den eigenen Charakter. Zwei verschiedene Karten erlauben, die nächstfolgende Farbe zu wünschen, ohne dass man selbst die »richtige« Farbe legen müsste. Dies Karten sind sehr beliebt, weil man mit ihnen weiterspielen kann, ohne eine Karte ziehen zu müssen. Eine dieser Karten weist zudem die nachfolgende Person an, vier Karten vom Stapel zu nehmen. Wichtig ist zu beobachten, wer wie viele Karten in der Hand hat oder wer schon nahe dran ist, »UNO« zu verkünden. Die Spezialkarte »Wählen/Nimm 4« ist vor allem dann sehr wirkungsvoll, wenn die nächste Person nur noch sehr wenige Karten hat: Wenn man herausgefunden hat, dass die letzte Karte, die diese Person in der Hand hält, blau ist, wählt man mit Sicherheit eine andere Farbe und hat die Schadenfreude, dass sie oder er nicht nur nicht
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»fertig machen« kann, sondern auch noch 4 Karten aufnehmen muss. Je nach Abmachung kann »Nimm 4« abgewendet werden, in dem die »bestrafte« Person eine gleiche Karte drauflegen kann. Das bedeutet dann für die nächste Person: Sie muss 8 Karten aufnehmen! Die Sonderkarte »Nimm 2« kann auf jeden Fall abgewendet und damit für die nächste Person kumuliert werden und dies, solange wie nahtlos »Nimm 2«-Karten aufeinander gelegt werden. Die Möglichkeit zu kumulieren führt aber dazu, dass diese Sonderkarten nicht immer hundertprozentig gezielt eingesetzt werden können: Es kann letztlich auch jemanden treffen, die/der gar nicht beabsichtigt war – unter Umständen sogar den Auslöser oder die Auslöserin selbst. Die Sonderkarte »Überspringen« eignet sich, wenn die nächstfolgende Person nur noch wenige Karten in der Hand hat. Sie muss dann diese Runde auslassen. Die gleiche Wirkung hat die Sonderkarte »Richtung ändern«. Das Spieltempo erhöht sich mit der Zeit, einige müssen viele Karten aufnehmen, andere legen regelmäßig wieder eine ab. Es wird viel kommentiert, gejubelt und gestöhnt, aber die Aufmerksamkeit darf nicht nachlassen. Es gibt auch die Möglichkeit, außerhalb der Reihe eine Karte zu legen: Jede gewöhnliche Karte kommt im Spiel zweimal vor. Wenn eine gelegt wird, darf die andere unmittelbar draufgelegt werden. Das muss aber geschehen, bevor die Person, die ordentlich an der Reihe ist, ihre Karte legt. Hier entstehen immer wieder Diskussionen darüber, wer schneller war. Manchmal werden auch nicht passende Karten gelegt oder es legt jemand eine Karte, die/der nicht an der Reihe war. Wird dies entdeckt, muss die entdeckte Person als Strafe eine zusätzliche Karte aufnehmen. In der Begeisterung kann es vorkommen, dass jemand vergisst, mit dem Ablegen der zweitletzten Karte vernehmlich »UNO« zu sagen. In diesem Fall kann mit der letzten Karte nicht etwa das Spiel beendet, sondern es muss zur Strafe eine Karte vom Stapel genommen werden. Eine Sonderkarte wird oft für die Schlussphase aufgehoben: die UNOKarte. Wer diese legt, darf das gesamte Blatt mit der Person ihrer/seiner Wahl austauschen. Das wird vorzugsweise jemand tun, die/der viele Karten in der Hand hat, mit jemandem, die/der eben »UNO« angekündigt hatte. Damit ist es möglich, die Gewinnaussichten sehr kurzfristig drastisch zu ändern. Für die einen zum Positiven und für die anderen zum Negativen. Wer »UNO« angekündigt hatte und die letzte Karte ablegen kann, hat die Runde gewonnen und schreibt eine Null. Alle anderen Zählen die Punkte der Karten, die sie noch in der Hand haben. Dabei zählen die Sonderkarten sehr viel. So gern diese gesehen werden wegen den Möglichkeiten, die sie eröffnen, so teuer kommen sie diejenigen zu stehen, die sie nicht gespielt, sondern aufgehoben haben. Es ist nun klar geworden, dass es wohl eine Illusion ist zu denken, P und das Stufenplan-Team würden – mit irgendeiner Maßnahme – ein für alle Mal das Thema implementieren können. Weiter wird es P bewusst, dass es nie ruhig und Schritt für Schritt vorwärts geht – Bewegungen in allen Richtungen müssen ständig erwartet und in Kauf genommen werden. Sie realisiert, dass es für sie und das Stufenplan-Team von Vorteil ist, wenn möglichst oft in den unterschiedlichsten Zusammensetzungen UNO gespielt wird. Sie wird deshalb immer wieder für das Spiel Werbung machen und selbst wann immer möglich mitspielen. P richtet sich darauf ein, hin und wieder eine Runde mit
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
Null abzuschließen und damit ihre Chancen für einen Gesamtsieg zu nähren. Diese einzelnen Runden können ganz unterschiedlich verlaufen. Sie wird deshalb genau beobachten, wer wie viele Karten in der Hand hat wer wen schont und wer wen aussetzen lässt. Auf diesen Beobachtungen kann sie ihre eigenen Spielzüge aufbauen. Ihr Stufenplan-Team wird – so weit dies die individuellen Interessen zulassen – mit ihr spielen. Auch das Einhalten der Regeln wird sie einfordern; wenn es nötig wird, auch lautstark. Vielleicht wird sie auch einmal versuchsweise behaupten, eine bestimmte Person hätte eine falsche Karte gelegt. Dies nicht zuletzt deshalb, damit klar wird, dass sie genau hinschaut und die Konfrontation nicht scheut. Gleichzeitig wird P sich mit Triumphgeheul eher zurückhalten. Ihr Thema ist zu unpopulär, als dass sie sich dies leisten könnte, ohne sich zusätzliche Feindinnen und Feinde zu machen. P ist sich dessen bewusst, dass in diesem ganzen Spiel vieles weder zu planen noch vorherzusehen ist. Das ist ihr zwar unangenehm, nimmt aber auch einen gewissen Druck von ihr: Ob sie gewinnt, liegt zu einem großen Teil beim Zufall, und die anderen Mitspielenden können dies auch verhindern. Es sind nicht nur Fehler oder unkluge Spielzüge ihrerseits, die einen Sieg vereiteln. Und selbst wenn sie ein ganzes Spiel nicht gewinnt, sie wird auf jeden Fall dazu beitragen, dass wieder eine neue Runde zusammenkommt. Entscheidend ist also für P, dass das Spiel in Gang ist und sie sich beteiligen kann. Während das Spiel läuft, wird sie alles dafür tun, damit sie nicht auf Spezialkarten sitzen bleibt: Das ist die teuerste Variante. Sie wird deshalb die angenehmen und unangenehmen Spezialkarten ins Spiel bringen. Sie wird sich nicht scheuen, »Nimm 4«-Karten zu legen, selbst auf die Gefahr hin, dass Personen getroffen werden, die sie selbst nicht treffen wollte. Dazu wird sie sich während des Spiels eine Art der Kommunikation erarbeiten, wie sie den Groll der Person ein wenig dämpfen kann. P wird die Machtquelle der Informations- und Kommunikationskanäle systematisch untersuchen und nutzen. Ihre Position als Frauenbeauftragte verschafft ihr grundsätzlich den Zugang zu vielen Informationen. Auch einige Kommunikationskanäle stehen ihr offen. Es ist für P deutlich, dass ein offensives Vorgehen nötig ist, damit sie überhaupt mit ihrem Anliegen wahrgenommen wird. Über den defensiven Anteil in ihrer Strategie ist sie sich noch nicht im Klaren. P wird noch herausfinden, was sie allenfalls zu verlieren hat bzw. was eine Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten genau bedeuten könnte und wer daran ein Interesse hätte, dass sie verliert. Sie selbst ist mit unkalkulierbaren Unsicherheitszonen der Mitspielenden konfrontiert. P muss deshalb ihr Konzept, wie sie mit ihren eigenen Unsicherheitszonen umgeht, zuerst für sich selbst entwickeln.
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Beispiel Q: Ideenklau Die Situation Q
Q führt in einem Unternehmen als einzige Frau eine von sieben Abteilungen. Kürzlich ist von dem Kollegen XQ anlässlich einer ordentlichen Sitzung stolz eine Idee präsentiert worden, die Q vor einem Dreivierteljahr ihm gegenüber bereits einmal entwickelt hatte. XQ legt schlüssig dar, wie interessant und Ziel führend die Idee ist, und erhält viel Zustimmung von den Kollegen. Q wartet vergeblich darauf, dass XQ die Quelle bekannt gibt. Q
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fragt sich, ob sie noch etwas dafür tun kann, damit klargestellt wird, wer die ursprüngliche Autorin der Idee ist. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass sie in die Prozesse eingebunden ist und alle Beteiligten Mitverantwortung tragen (können). In dieser Situation wird klar ein Spiel mit zwei Personen gesucht, in dem es darum geht, dass Wichtiges »geklaut« wird. Es muss also möglich sein, jemandem etwas wegzunehmen. Q möchte aber ihre Idee wieder zurück haben, sie sucht deshalb ein Spiel, wo der »Klau« wieder rückgängig gemacht werden kann. Das ist möglich bei Fang den Hut ( die ausführliche Beschreibung bei der Situation C). Stülpt Blau seinen Hut über Gelb und macht sich schnell auf den Nachhauseweg, kann Gelb mit einem zweiten Hut Blau wieder einfangen und den Turm aus mehreren Hüten ins eigene Haus bringen. Damit wird der erste gelbe Hut wieder befreit und kann wieder ins Spiel gebracht werden. Q ist aber unsicher und sucht weiter. In Alle gegen alle versuchen alle, mit einem Ball die anderen zu treffen. Die Getroffenen sind »tot«, müssen sich setzen und sind damit aus dem Spiel. Wer als Letzte oder als Letzter übrig bleibt, hat gewonnen. Von diesem Spiel gibt es noch eine weitere Variante: Ein »Toter« oder eine »Tote«, die/der einen Ball erwischt, bekommt einen Wurfversuch. Wenn sie jemanden treffen bekommen sie wieder ein Leben. Treffen sie hingegen nicht, muss müssen sie sich wieder setzen. Dieses Spiel – vor allem in dieser Variante – ist interessant. Im Unterschied zur Situation von Q sind allerdings viele daran beteiligt; es ist kein Spiel, das zu zweit gespielt wird. Q fällt aber kein Spiel für zwei Personen ein, bei dem etwas Geklautes zurückgegeben wird. Ihr Verdacht, dass sie das Geklaute nicht mehr zurückbekommen kann, verstärkt sich. Die Überzeugung wächst, dass Mühle gespielt wird. Ziel dieses Spieles ist es, die eigenen Steine so zu setzen oder zu bewegen, dass eine Mühle entsteht (drei Steine in einer Reihe). Wer das schafft, hat das Recht, der Gegnerin bzw. dem Gegner einen beliebigen Stein unwiderruflich aus dem Spiel zu nehmen. Genauso sieht Q die Situation. Sie hat den Eindruck, dass sie keine Möglichkeit hat, die geklaute Idee wieder zurückzubekommen. Für die Zukunft, das wird ihr klar, muss ein anderes Spiel gespielt werden, sonst droht sich diese Situation zu wiederholen. Damit das vermieden werden kann, müssen sich vor allem mehr Personen am Spiel beteiligen; Q will aus diesem Spiel gegen XQ heraus kommen und den Kreis öffnen. Ein neues Spiel könnte Skat sein; dieses Spiel bietet die Möglichkeit, dass alle für sich allein versuchen, am meisten Punkte zu machen. Interessant sind aber die folgenden Elemente: Zuerst sind alle Karten verdeckt in den Händen der Spielenden. Reihum wird jeweils eine Karte auf den Tisch gelegt. Der Wert der Karten entscheidet, an wen der ganze Stich geht. Auch wenn der Stich an eine andere Person geht, ist allen klar, wer welche Karte ausgespielt hat.
Identifikation des Spiels
Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Solange Q gegen XQ Mühle spielt, muss sie im Spiel bleiben. Das bedeutet, dass sie einerseits ihre Steine so gut wie möglich setzen und bewegen wird, um zu verhindern, dass XQ eine Mühle schließen kann. Andererseits wird sie selber versuchen, zu einer Mühle zu kommen und XQ einen Stein zu
Möglichkeiten im Spiel
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
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Gedanken für die konkrete Umsetzung
klauen. Sie wird sich also so aktiv wie möglich dagegen wehren, dass XQ ihr Steine wegnehmen kann. Wird hingegen Skat gespielt, was Q viel lieber ist, wird sie aktiv werden, indem sie laut von den Regeln spricht, die hier abgemacht sind. Sie ist zuversichtlich, dass schon die Transparenz, die vom Spiel vorgegeben ist, genügt, damit sie ihre Ideen kenntlich machen kann. Sie wird zusätzlich die verschiedenen Spielzüge kommentieren und damit jeweils die Absender/innen der verschiedenen Karten extra erwähnen. Damit entsteht die Übereinkunft, nicht nur das Richtige zu tun und einen gewonnenen Stich zu sich zu nehmen, sondern auch davon zu sprechen. Das kann die Transparenz noch erhöhen und Q aus dem Status erlösen, dass sie als einzige vom Spiel spricht. Diese Spezialposition sucht sie nicht, weil sie keinen Sinn macht. Da für Q Mühle das falsche Spiel ist, müsste Q die Spielidee so weit verraten, dass sie mit irgendeinem Argument ihren Stein wieder zurückbekommt. Sie könnte behaupten, XQ hätte ihr zu Unrecht einen Stein geschnappt. Dieser Fall würde eintreten, wenn XQ willkürlich einen Stein nimmt, obwohl er gar keine Mühle schließt, oder dass er eine Mühle schließt, weil er verbotenerweise zwei Züge hintereinander macht und dabei Q auslässt. Q müsste ihn also des Falschspielens überführen. Das wird alle anderen in die Zwickmühle bringen: Wem sollen sie glauben? Weil XQ der Chef ist, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich andere gegen XQ und auf die Seite von Q stellen: Es wird sich kaum jemand die eigene Position gegenüber XQ verderben wollen. Q würde damit aus dem Spiel heraustreten, weil XQ einen Konflikt zu Q sehen würde – und zwar schon auf einer ziemlich hohen Eskalationsstufe. Von da aus wieder in die Spielatmosphäre zurückzukommen, wäre ein ziemlich schwieriger Prozess. Ob Q diesen unbeschadet überstehen würde, scheint zumindest zweifelhaft. Q hakt die Vergangenheit mit Zähneknirschen ab. Die annektierten Ideen bleiben annektiert; Q als Urheberin bleibt ungenannt. Künftig wird sie die Angebote, »Mühle« zu spielen, möglichst ausschlagen. Sie wird deshalb darauf achten, dass sie Zukunftsideen nie in der Zweierkonstellation mit XQ zur Sprache bringt. Dafür braucht sie den Rahmen eines anderen Spiels. Sie wird deshalb ihre Energien vor allem dahingehend einsetzen, dass ein Spiel mit mehr Beteiligten und der Möglichkeit, über die einzelnen Spielzüge und Spieleinsätze zu reden, installiert wird. Dafür wird Q aktiv werden müssen. Q überlegt sich, was es für Folgen haben kann, wenn sie Skat-Karten mit in die Sitzung nimmt, diese verteilt und ein Spiel beginnt. Sie schätzt, dass die Spielfreude einige zum Mitspielen bringen wird. Im Spiel wird sie die »Kultur des Spiel-Kommentierens« pflegen und damit die Urheberinnen und Urheber benennen. Selbst wenn XQ sich nicht aktiv an der Skat-Runde beteiligt, bekommt Q damit die Möglichkeit, ihre Ideen so weit öffentlich zu machen, dass er sie nicht mehr so einfach als seine eigenen ausgeben kann. Q hat dann eine Reihe von Zeuginnen und Zeugen, die sich vielleicht daran erinnern, falls XQ spontan eine ihrer Ideen begeistert als kreative Eigenleistung präsentiert. Sie wird sich noch überlegen, was sie tun wird, wenn XQ ihre Einfälle nicht mehr nutzen kann. Q geht davon aus, dass er sich ein anderes »Opfer« zum Mühle-Spielen aussuchen wird. Sie wird beobachten, ob sich ihre Vermutungen als richtig herausstellen und XQ die neue Situation herstellt.
101 3.2 · Beispiele aus der Praxis
Q wird ihre langjährige Erfahrung einsetzen. Sie kann Informations- und Kommunikationskanäle nutzen. Sie sitzt auch an einer technischen Schaltquelle, die geeignet ist um zu steuern, welche Themen wie eingebracht und festgehalten werden.
Beispiel R: Gemeinsam, aber nicht fifty-fifty Im Rahmen eines umfassenden Schulprojektes werden Geschlechter-Aspekte systematisch in die Qualitätsentwicklung integriert. Dazu werden Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen auf der Ebene der Schulleitungen, der Lehrkräfte, der Schülerinnen und Schüler und der Eltern konzipiert und durchgeführt. R hat zusammen mit ihrem Kollegen XR den Auftrag, die Elternweiterbildungsveranstaltungen durchzuführen. Sie bilden bereits ein eingeübtes Gender-Team, kennen sich beide mit dem Geschlechterthema gut aus, arbeiten gerne zusammen und haben diese Veranstaltung gemeinsam konzipiert. Da es darum geht, Müttern und Vätern zu ermöglichen, in einer angenehmen Atmosphäre einen neuen, fremden, erhellenden Blick auf die Geschlechtersituation zu werfen, sind sie sich bewusst, dass sie als Ansprechpersonen und Verantwortliche eine wichtige Rolle spielen. Ein Element, auf das sie sich geeinigt haben, ist, dass R und XR zwar nicht zum gleichen Thema sprechen, aber mit ihren Ausführungen jeweils gleich viel Zeit in Anspruch nehmen. Dies um klarzumachen, dass Frau und Mann gleich viel Raum einnehmen, beide wichtig sind, partnerschaftlich arbeiten. Diese Abmachung wir regelmäßig nicht eingehalten: R nutzt die vereinbarte Zeit, XR braucht immer länger. Obwohl R jeweils im Anschluss an die Veranstaltung auf diese Situation aufmerksam macht und XR auffordert, sich ebenfalls an die Abmachung zu halten, stellt sich an der nächsten Veranstaltung wieder die gleiche Situation ein. XR bedauert diesen Umstand wortreich, R ärgert sich. Sie fragt sich, wie es ihr gelingen kann, die Praxis tatsächlich fifty-fifty zu gestalten. In diesem Spiel gibt es klar zwei Beteiligte: R und XR. Die Atmosphäre während des Spiels ist ruhig. Erst das Spielende löst bei R Ärger aus. Das Spiel findet aber nur vor Publikum statt. Während der Entwicklung des Konzepts und in der Vorbereitung, wenn R und XR allein sind, läuft dieses Spiel nicht. Geplant ist ein Spiel mit klar verteilten Rollen: R und XR haben ihre Auftritte vor dem Publikum. R sieht die Herausforderung darin, Text und Zeit einzuhalten, XR hält sich nicht an die Regeln. Die Orientierung am außerordentlichen und ärgerlichen Element – das Nicht-Einhalten der vereinbarten Redezeit – deutet darauf hin, dass ein Spiel gesucht werden soll, bei dem es korrekt ist, die Vorgaben zu missachten. Das Kartenspiel Lügen funktioniert so. In diesem Spiel geben die Beteiligten reihum von ihrem verdeckt liegenden Kartenstapel die oberste Karte auf die in der Mitte offen liegende Karte, die z. B. die Farbe Pik hat, und behaupten – unbesehen – ihre Karte sei auch Pik. Dies so lange, bis jemand der vorangehenden Person nicht »glaubt« und die Karte aufdeckt. Stimmt die Farbe, geht der Stapel an die aufdeckende, stimmt sie nicht, an die »lügende« Person. Dieses Spiel trifft nur teilweise die Situation, weil unklar ist, ob sich XR bewusst ist, dass er die Regel verletzt. Ein weiteres wichtiges Element wird ebenfalls nicht angewendet: Es wird nicht aufgedeckt – das Publikum erfährt nicht, dass es eine Abmachung gibt und wer sich (nicht) daran hält.
Die Situation R
Identifikation des Spiels
3
102
Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
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Mäxchen7 trifft hier zu. Da werden fünf Pokerwürfel in einem Becher verdeckt gewürfelt. Die/der Würfelnde hebt eine Seite des Bechers, schaut sich den Wurf an und macht eine Ansage – 1 Paar, zwei Paare, ein Trio, Full house (3 und 2-mal die gleiche Zahl), eine kleine Straße, vier gleiche Zahlen, eine große Strasse, Poker (5 gleiche Zahlen) – und schiebt den verdeckten Wurf im Becher zur/zum nächsten Mitspielenden. Die oder der Nächste hat nun die Aufgabe – man darf höchstens dreimal mit allen Würfeln werfen – der nachfolgenden Person eine höhere Ansage zu machen. Sie oder er schätzt ein, ob die angebotene Ansage stimmen könnte (oder wie weit sie wohl von der Realität entfernt ist). Nimmt sie/er das Angebot an, geht das Ganze mit einem höheren Angebot an die/den Nächste/n. Deckt sie/er auf, weil sie/er 7
»Meiere« wird dieses Spiel in der Deutsch sprechenden Schweiz genannt.
103 3.2 · Beispiele aus der Praxis
der Meinung ist, dass der Wurf schlechter sei als die Ansage, entscheidet sich, wer den Punkt dieser Runde macht: Stimmt die Ansage, gewinnt die anbietende Seite; stimmt die Ansage nicht, geht der Punkt an die ablehnende Seite.
Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Bei Mäxchen wird beobachtet und eingeschätzt: Die Würfel und die Mitspielenden; beides ist sehr wichtig. Alle sind potenziell verdächtig, eine höhere Ansage zu machen, als die Würfel tatsächlich aufzeigen. Da dreimal werfen erlaubt ist, muss man nicht mit dem ersten Wurf bereits eine Ansage machen. Wenn z. B. nicht ein einziges Paar im ersten Wurf dabei ist, kann gleich noch einmal gewürfelt werden, denn mindestens ein Paar muss ja angesagt werden. Man kann schon im ersten Wurf höher ansagen. Übernimmt die/der Nächste die Ansage und damit den Wurf, muss sie/er eine höhere Ansage machen – natürlich am besten mit einem höherwertigen Wurf! Dafür kann man auch einzelne Würfel aus dem Becher nehmen und sie offen werfen. Diese Würfel bleiben dann offen, für alle sichtbar auf den Tisch und kommen nicht wieder in den Becher. Damit wird die Spannung, ob Wurf und Ansage übereinstimmen, natürlich kleiner. Nimmt die nachfolgende Person den Wurf an, kann sie das auch, indem sie den Becher, ohne selbst zu würfeln, mit einem höheren Angebot weiter schiebt, weil das Angebot niedriger war als der tatsächliche Wurf und damit eine Marge im Angebot enthalten war oder weil sie blufft. Übernimmt die/der Nächste das Angebot, wird es vor allem dann schwierig, wenn ein Bluff dahinter war. Die Mimik und das Verhalten der Würfelnden müssen da mit einberechnet werden. Vielleicht gibt jemand alle Würfel wieder in den Becher und wirft ganz neu, weil das Angebot derart viel höher war als die Würfel tatsächlich aufzeigen. Im ersten Spiel kennen sich die Leute noch nicht. Mit der Zeit und den Beobachtungen entwickeln alle ein Gespür für das Verhalten der Mitspielenden. Um nicht allzu schnell durchschaut zu werden, muss also das Verhalten immer komplexer werden. Es braucht immer wieder Varianten im Unter- und Übertreiben, damit das Spiel interessant bleibt. Wichtig ist, nicht nur darauf zu achten, den Wurf zu verbessern, sondern auf den Moment, in dem aufgedeckt wird. Das ist im Spiel um den Sieg auf jeden Fall wirkungsvoll. R erläutert, dass sie jeweils mit ihrem Wurf (korrekte Zeit) auch eine korrekte Ansage weitergibt, XR aber seine Zeit überschreitet und ihr die Ansage macht, die Zeit sei eingehalten. Im Spiel ist dies eine völlig korrekte Möglichkeit. XR macht nicht nur keinen Fehler, XR nützt einfach die Möglichkeiten des Spiels aus – R dagegen nicht. Sie ist für XR hundertprozentig durchschaubar und er kann sicher sein, dass sie ihre Zeit immer einhalten wird. R ist für ihn überhaupt kein Risiko. Im Spiel hat R nun zwei Möglichkeiten: Entweder sie überschreitet als Erste die Zeit, gibt die Ansage weiter, die Zeit sei eingehalten, und beobachtet, ob XR die Ansage annimmt. Oder sie deckt die überschrittene Zeit von XR auf. Das macht R jeweils im Bilanzgespräch mit XR, aber würde sie dies vor dem Publikum machen? Was hätte dies für eine Wirkung? R vermutet, dass damit das Spiel beendet und ein Konflikt eintreten würde, was gar nicht ihre Absicht
Möglichkeiten im Spiel
Gedanken für die konkrete Umsetzung
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104
Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
sei. Sie möchte mit XR im Spiel sein und trotzdem XR dazu bringen, seine Zeit ebenfalls einzuhalten. Die offensive Variante mit eigenem Zeitüberschreiten empfindet sie eher als Rache und kindisch. R will also mit XR ein anderes Spiel als Mäxchen spielen. R möchte, dass olympisch gespielt wird. Die Teilnehmenden messen sich an den Vorgaben, die für alle gleich sind. Hier würde das heißen: R macht einen Input in einer bestimmten Zeit, XR macht das auch. Wenn beide dieses Ziel erreicht haben, bekommen sie eine Medaille. Dazu braucht es aber eine Instanz, die wahrnimmt, dass beide ihre Aufgabe (nicht) erfüllt haben. Dafür eigenen sich die teilnehmenden Eltern ausgezeichnet. Da das Geschlechterthema Hauptgegenstand des Abends ist, kann dargestellt werden, dass »Raum und Zeit einnehmen« im Geschlechterthema ein wichtiges Element darstellt und dass die Moderatorin und der Moderator selbst auch dieses Element mittransportieren. Die Forschung und die Erfahrung zeigen übereinstimmend, dass Frauen die Zeit und den Raum, den sie beanspruchen, überschätzen, Männer hingegen unterschätzen ihre Zeit und ihren Raum. Auf der anderen Seite würden Frauen den Raum, den Männer einnehmen, unterschätzen und Männer denjenigen, den Frauen einnehmen, überschätzen. Um die eigene Wahrnehmung zu diesem Thema zu schärfen, würde für die Zeit, die für die thematischen Einführungen von R und XR gebraucht werden, eine Uhr laufen. Dem Publikum gegenüber würde offen gelegt, dass für beide gleich viel Zeit eingeplant sei. Damit wird die Selbstverpflichtung von XR öffentlich, was R entlasten kann. Über die Erfahrungen des Publikums zu reden, wird das Thema bereichern. R fragt sich, ob XR diesen Vorschlag nicht als Kampfansage verstehen wird. Sie ist gespannt, weil die Vorgabe fifty-fifty in der Zeitbeanspruchung nicht von ihr kommt, sondern eine unbestrittene gemeinsame Ansage ist. R kann die Machtquelle, die Sach- und Fachwissen im Thema Geschlechterkommunikation vermittelt, einbringen und ihre Stärken in der Kommunikation.
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Beispiel S: Projekt mit lauter wichtigen Personen Die Situation S
Identifikation des Spiels
S ist Projektleiter und hat die Aufgabe, termingerecht Projekte zu realisieren, an denen viele Personen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen beteiligt sind. Als Ergebnis muss ein Produkt vorliegen, zu dem alle einen unverwechselbaren Beitrag auf hohem Niveau leisten (müssen). S stellt sich die Aufgabe, zu Beginn eines Projekts möglichst sofort eine Zusammenarbeit hinzubekommen, die rasch und problemlos funktioniert. Jede Verzögerung ist sehr teuer und produziert allseitigen Ärger. S fragt sich, wie er schnell erkennen kann, was für Spiele die verschiedenen Beteiligten spielen und wo ihre speziellen Ambitionen und Empfindlichkeiten liegen. Er möchte damit so rasch wie möglich den Eingang in die entsprechenden Logiken finden. In den Projekten sind 7 bis 10 Fachpersonen direkt engagiert. Zusätzlich sind weitere Personen präsent, aber nicht aktiv im Spiel. Wenn S davon ausgeht, dass er – mit Projektstart – die 7 bis 10 Spiele der Aktiven kennen muss, um sich optimal zu verhalten, ist die Überforderung greifbar. Die Vorbereitungsphase ist kurz. S müsste diese Analyse quasi mit einem Blick machen können. Dazu fällt S keine gangbare Methode ein. S erkennt aber: Nicht er
105 3.2 · Beispiele aus der Praxis
selbst muss die Spiele der 7 bis 10 Projektbeteiligten mitspielen – die 7 bis 10 Aktiven müssen durch S zusammen in ein neues Spiel finden. Damit dreht S die Perspektive um. Er sucht deshalb nach dem Spiel, mit dem er die 7 bis 10 Betroffenen möglichst schnell und nachhaltig ins Projekt einbinden kann. Die Startsituation ist so, dass er allein als Projektleiter den Auftrag bekommt. In der schriftlichen Ausfertigung des Auftrags sind die Beteiligten genannt, die er zusammenrufen muss. Diese Beteiligten wissen auch von ihrem Einsatz. Meistens sind sie aber immer schon mit wichtigen Aufgaben beschäftigt. S muss also eine Situation schaffen, bei der er klar machen kann, dass sein Projekt startet. Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann? eignet sich dafür optimal ( ausführliche Beschreibung bei der Situation H): S hat als »schwarzer Mann« die Aufgabe, die Aufstellung der Mitspielenden zu organisieren; dort steht er allen Beteiligten gegenüber. Dann bringt er den Dialog in Gang und weiß, dass er schon im ersten Versuch möglichst viele fangen oder berühren will. Er wird sich darauf einstellen, dass er schnell und klug sein muss, damit er keine Null-Runde riskiert. Er weiß, dass er mit der Unterstützung der Gefangenen oder Berührten am Ende alle auf seiner Seite hat. Dieses Ende möchte er natürlich so schnell wie möglich herbeiführen.
Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Die Vorbereitung vor dem ersten Dialog wird wichtig sein. Damit wird ein Rahmen für ein neues Spiel geschaffen und S wird sich in der exponierten Position des »schwarzen Mannes« präsentieren. Damit die erste Runde schon erfolgreich ist, wird er sich überlegen, auf wen er abzielt. Er hat mehrere Möglichkeiten: Die einfachste ist, die langsamste oder unaufmerksamste Person zu fangen. Diese Variante bringt aber nicht unbedingt die potenteste Verstärkung auf seiner Seite, wenn die Langsamkeit und Unaufmerksamkeit der Gefangenen anhalten. S wird sich überlegen, wer wohl am meisten Interesse an einem erfolgreichen Projekt haben könnte. Diese Person lässt sich möglicherweise leicht fassen, weil sie nicht ernsthaft wegrennt. Damit hätte S eine Person mit sich, die motiviert weitere Personen fängt. Eine weitere Idee ist, die bedeutendste Person anzupeilen. Selbst wenn es nicht gelingt, sie beim ersten Versuch zu fangen, wird deutlich, dass S als »schwarzer Mann« ernst zu nehmen ist. Für den Start muss S wirklich alle Beteiligten zusammenbekommen – es sollte möglichst keine Ausnahmen geben. Um das zu erreichen, muss S dafür sorgen, dass alle darüber informiert sind, wo und wann diese Startveranstaltung stattfinden wird. Nehmen alle Aufstellung, ist schon ersichtlich, wer für die Dauer des Projekts eigentlich ins gleiche Boot gehören wird. S wird sich als »schwarzer Mann« in Szene setzen und das Spiel mit dem Dialog beginnen. Er wird sich nicht ablenken lassen, wenn viele »wegrennen und lachen«. Seine Konzentration liegt auf denjenigen, die er fangen oder berühren kann. Je nach Person wird fangen oder berühren passender sein. Er wird die Gefangenen und Berührten sofort auf ihre neue Rolle einschwören und die Aufstellung für den nächsten Dialog organisieren. Dafür wird er sich von den neuen »schwarzen Männern« beraten lassen. Vielleicht haben diese zusätzlich gute Ideen, wo und wann die beste Gelegenheit ist, die übrigen Beteiligten zu schnappen. Von der Einbeziehung seiner neuen Verbündeten verspricht sich S hohe Motivation beim Fangen.
Möglichkeiten im Spiel
Gedanken für die konkrete Umsetzung
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
S wird aktiv werden und offensiv kommunizieren. Gestützt auf seine bisherigen Erfahrungen wird er vor allem mit persönlichem Kontakt arbeiten. Er sieht die Notwendigkeit, die Beteiligten im wörtlichen Sinn zu »berühren«, damit klar ist, was im laufenden Projekt gilt. Als »schwarzer Mann« wird von ihm erwartet, dass er Prioritäten setzt. Er wird diese Position ausfüllen und damit Klarheiten herstellen. Unsicherheitszonen auf seiner Seite wird er in einer ersten Phase auf jeden Fall vermeiden. Es wird eher seine Aufgabe sein, die Unsicherheitszonen der 7 bis 10 Personen so weit wie nötig einzuschränken. In dieser Hinsicht wird er offensiv vorgehen.
3
Beispiel T: Eine Aushilfe ist bitter nötig Die Situation
Identifikation des Spiels
T leitet eine kleinere Gruppe, in der eine Person ernsthaft erkrankt ist. Es ist nicht absehbar, wann diese wieder gesund und einsatzfähig ist. In der Gruppe macht sich diese Lücke mittlerweile als permanente Überlastung der Aktiven bemerkbar. T ist überzeugt, dass eine Aushilfe für die Überbrückung der Ausfallzeit nötig ist. Solche Aushilfen werden aber mit dem Hinweis auf Personalstopp und Sparvorgaben grundsätzlich nicht bewilligt. Der Abteilungsleiter XT hat die Kompetenz, allenfalls eine Aushilfe zu bewilligen. T wird ihn von der Notwendigkeit einer Aushilfe überzeugen müssen. Er fragt sich, wie er das schaffen kann, ohne bei XT den Eindruck zu erwecken, T sei als Gruppenleiter nicht genügend tüchtig. Wir suchen hier ein Spiel für zwei Personen: T und XT. T will von XT etwas bekommen; XT hat die Macht, darauf einzugehen oder nicht. Die Spielsituation ist übersichtlich und ordentlich, es geht nicht hektisch zu. T kann selbst bestimmen, ob und wann das Spiel beginnt; die Initiative liegt ganz bei ihm. Er sucht ein Spiel, bei dem XT auf das Ansinnen von T eingehen kann, ohne damit das Spiel zu verlieren. Es kommt ein Spiel in Frage, bei denen Tauschaktionen stattfinden, die ausgehandelt werden. Bei Monopoly können bspw. die Mitspielenden sich gegenseitig Grundstücke, die in ihrem jeweiligen Besitz sind, abkaufen oder austauschen. Sie bestimmen, ob ein Geschäft zustande kommt oder nicht. Diese Aktion ist aber nur ein so kleiner Ausschnitt aus dem ganzen Spiel, dass Monopoly als Gesamtspiel nicht in Frage kommt. T geht davon aus, dass Poker gespielt wird ( die ausführliche Beschreibung bei der Situation F). T und XT sitzen sich gegenüber und haben beide Karten in der Hand. Beide schätzen ein, wie gut das Blatt des Gegenspielers ist und was sie jeweils selbst einzusetzen gedenken. Wird von einer Seite der Einsatz ausgeglichen, werden beide ihre Karten zeigen – wer die höherwertigen Karten hat, gewinnt die Runde und damit den gesamten Einsatz. Beide Seiten versuchen möglichst nicht durchschaubar zu sein oder sogar den Gegenspieler irrezuführen, während Angebote gemacht werden. In dieser Situation sprechen wir von bluffen.
Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Möglichkeiten im Spiel
T überprüft seine Karten und seinen Einsatz und schätzt ein, was XT für Karten hat und was er einsetzen wird. Das erscheint ihm auf den ersten Blick ziemlich eindeutig und nicht sehr Erfolg versprechend für sein Anliegen. Er macht sich deshalb noch Gedanken zur Umgebung und zum Zeitpunkt, wo und wann diese Runde am besten stattfindet. Es gibt Situationen, in denen es
107 3.2 · Beispiele aus der Praxis
vorteilhaft ist, ein Publikum zu haben – T befindet sich T nicht in einer solchen. Er wird dafür sorgen, dass nicht an die große Glocke gehängt wird, dass er mit seinem Vorgesetzten XT eine Runde Poker spielen wird. Umgekehrt wird er dafür sorgen, dass die Umgebung und die Stimmung für XT angenehm sind. T wird ihn nicht in ein verrauchtes Hinterzimmer einladen, sondern eher vorschlagen, dass XT bestimmen kann, wo die Besprechung stattfinden wird. Ein weiterer wichtiger Gedanke fällt T ein: Wenn es ihm gelingt, XT davon zu überzeugen, dass dieses Spiel durchaus ernst ist, aber auf beiden Seiten nicht die gesamte Position zum Einsatz gebracht werden muss, fällt es XT vielleicht leichter, auf seine Spieleinladung einzugehen. T wird den Rahmen für eine Spielrunde gut auswählen. Auf keinen Fall wird er das Thema an einer allgemeinen Sitzung anschneiden, wo XT vor Publikum darlegen müsste, ob er auf das Ansinnen von T einzugehen gedenkt oder nicht. T wird ihn am Rand einer Sitzung um einen Termin bitten und das Thema so umreißen, dass XT sich nicht allzu stark herausgefordert fühlt. Weiter wird T sich überlegen, wie wertvoll sein Kartenblatt ist und was er zum Einsatz bringen kann. Als Karten sieht er die Situation in seiner Gruppe: Die Leute sind motiviert und gut, aber sie können unter den gegebenen Bedingungen nicht mehr weiter arbeiten, wenn nicht Ausfälle oder Fehlleistungen in Kauf genommen werden sollen. Die Karten von XT bestehen in den Vorgaben, die er zu erfüllen hat: Vorgaben in Bezug auf das Budget, aber auch in Bezug auf die zu erbringenden Leistungen. T ist bereit, als Einsatz eine gewisse Schwäche zu zeigen: Er gibt Informationen über die Perspektiven in der Gruppe preis. T wird sich darauf vorbereiten, was XT einsetzen kann und wird. Er wird diese Situation vorher für sich durchspielen und die Reaktion von XT Stück für Stück gedanklich vorfühlen und testen. Wird XT seine Informationen als Unvermögen einstufen oder als verantwortungsbewusstes, vorausschauendes Verhalten? Wird XT auf ein Offenlegen von Schwierigkeiten die Bereitschaft zeigen, eine flexible Lösung zu prüfen, oder wird er T Unfähigkeit vorwerfen? Wird XT mit Härte bluffen und als nächsten Schritt eine großzügige Geste vorbereiten? Oder macht er es umgekehrt: Ist das entgegengebrachte Verständnis nur ein Bluff und muss sich T auf eine knallharte Absage einstellen? T wird sich die Argumente von XT selbst zurechtlegen. Er überlegt sich, wie er sie entkräften kann. Er ist sich bewusst, dass er mit einem solchen Vorgehen versucht XT zu zwingen, seine Karten aufzudecken. Ob wohl allenfalls auch ein Bluff von T drinliegt: Soll T versteckt drohen, und falls ja, womit? Was könnte er tun, falls XT ablehnt? Zusätzlich zu diesen Überlegungen kommt noch eine wichtige Erkenntnis: Poker wird in mehreren Runden gespielt, und die Karten können auch nach einem verlorenen Spiel noch einmal neu verteilt werden. T wird also in der ersten Runde nicht alles auf eine Karte setzen und von XT eine definitive Entscheidung verlangen, es sei denn, alle Zeichen stehen positiv. Er wird XT Zeit lassen und beobachten, was sich allenfalls tut. Das entspannt T wesentlich: Selbst wenn im ersten Anlauf nicht alles positiv entschieden ist, ist das Spiel noch längst nicht gelaufen. T stellt sich deshalb auf mehrere Termine ein.
Gedanken für die konkrete Umsetzung
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
T ist klar, dass er nur eine Aushilfe bekommt, wenn er offensiv vorgeht und dies vom zuständigen XT verlangt. Dieses offensive Vorgehen hat durchaus Risiken für seine Position. Er wird deshalb rechtzeitig auch Schutzmöglichkeiten einrichten, um die Risiken zu minimieren. Indem T ein Pokerspiel vorschlägt, geht er von der üblichen Taktik des Forderns ab und lässt XT auch einen eigenen Spielraum. T wird sich Informationen über Budget und Leistungszahlen beschaffen, um sich auf die Argumente von XT einstellen zu können. Er wird auf jeden Fall eine Person im Auge haben, die bereit und in der Lage ist, als Aushilfe sofort einzuspringen, damit bei einem positiven Entscheid auch sofort eine positive Wirkung eintreten kann.
3
Beispiel U: Reorganisation Die Situation U
Identifikation des Spiels
In einer großen Bank jagen sich die Reorganisationen. U leitet eine Organisationseinheit und hat sich – nach ihrer Einschätzung – mit ihrer Einheit erfolgreich produktiv halten können. Die guten Mitarbeitenden sind ihr bisher nicht abgesprungen. Eine nächste Veränderung für das ganze Haus, das heißt für alle Einheiten, ist angekündigt. U schätzt ein, dass sie ihre Arbeit dann am besten weiterführen kann, wenn ihre Organisationseinheit dem obersten Chef direkt unterstellt würde. Es gibt aber durchaus auch andere Pläne, die für sie nicht so plausibel sind. Diese Pläne werden von einer Delegation, die für die Reorganisation zuständig ist, entwickelt. Da werden auch wesentliche Weichen gestellt. Alle Mitglieder der Delegation versuchen, ihre Ausgangsposition möglichst zu optimieren. U fragt sich, was sie tun kann, damit die Delegation ihre Vorstellungen aufnimmt. Alle Mitglieder der Delegation sind Mitspielende und jeder hat ein individuelles Ziel. In diesem Spiel sind unkoordinierte Bewegungen ein Hauptelement: Alle bewegen sich so, wie es ihnen am meisten nützt. Überhaupt scheint die örtliche Situation wichtig zu sein: Es wird eine günstige Ausgangsposition gesucht und es findet ein Gerangel statt. Gerangel finden wir zum Beispiel im Basketball unter einem Korb, wenn der Ball nicht im Korb landet, sondern wieder zurück ins Spiel kommt. Da stellt sich die Frage, wer sich den Ball angeln kann. Bei Rugby ( die ausführliche Beschreibung bei der Situation N) sind Gerangel häufig und sogar arrangiert. Auch da geht es darum, den Ball zu angeln. U empfindet zwar einzelne Spielszenen als durchaus treffend, aber die Spiele als Ganzes überzeugen nicht. Vor allem die Tatsache, dass es um Teamspiele geht, widerspricht der Situation. Hier spielten jede und jeder absolut für sich. Das gesuchte Spiel heißt Sesseltanz8. Es werden Stühle in einem Kreis angeordnet, die Sitzfläche gegen außen. Dabei muss es immer einen Stuhl weniger geben als Mitspielende. Die Spielenden bewegen sich um die Stühle herum, dürfen diese nicht berühren und dürfen aber auch nicht stehen bleiben. Eine Musik spielt. Sobald die Musik aussetzt, setzt sich jede/r sofort auf einen Stuhl; es entsteht ein großes Gerangel: Jemand wird keine Sitzgelegenheit finden – diese Person scheidet aus. Für die nächste Runde wird ein Stuhl weggestellt. So wird der Stuhlkreis etwas enger. Die Musik setzt wieder ein. Die Mitspielenden müssen sich wieder bewegen. Das Spiel geht so lange, bis 8
In Deutschland wird dieses Spiel »Die Reise nach Jerusalem« genannt.
109 3.2 · Beispiele aus der Praxis
entschieden ist, wer von den letzten zwei Verbleibenden auf dem letzten Stuhl sitzt. Diese Person gewinnt. Die Knappheit der Ressourcen (= Stühle) ist schon in der Spielanlage gegeben. Die Musik wird von einer Person, die nicht mitspielt, gelenkt. Ob sie das objektiv genug tut, zeigen die Reaktionen der Mitspielenden.
Ideen für eine erfolgreiche Anwendung Sesseltanz kann auf verschiedenen Böden gespielt werden. Je nach dem, ob wir uns auf Teppich- oder Holzboden bewegen, ist unterschiedliches Schuhwerk günstig. Denn: sobald die Musik aufhört, muss man schnell sein. Alle müssen schnell erkennen, dass man von »bewegen« auf »sofort auf einen Stuhl sitzen« umstellen muss. Dazu muss möglichst rasch ein freier Stuhl
Möglichkeiten im Spiel
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Kapitel 3 · Was wird hier eigentlich gespielt?
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Gedanken für die konkrete Umsetzung
identifiziert und angepeilt werden. Wer in dieser Situation auf dem Boden rutscht, verschlechtert die Gewinnchancen beträchtlich. Läuft die Musik, müssen sich alle bewegen. Man beobachtet sich gegenseitig und hält ich gegenseitig an, auf jeden Fall in Bewegung zu bleiben. Wer stehen bleibt, wird gemahnt, weil dies die Erfolgschancen beeinflusst. Die Stühle werden umkreist. Die Abstände zwischen den Spielenden sind zwar nicht vorgegeben, können aber durchaus bereits zur Taktik einzelner gehören. Wer bei einer anderen Person aufschließt, kann zum Beispiel damit andeuten: »Der Stuhl in unserer Nähe ist meiner. Ich bin schneller als du.« Das kann einschüchternd oder demoralisierend wirken. Selbstverständlich haben alle die Absicht, in dem Moment, da die Musik aufhört, schon möglichst nahe an einem Stuhl zu sein. Das Timing spielt eine zentrale Rolle. Die Tendenz ist deshalb, dass sich der Abstand zu den Stühlen verringert, je länger die Musik spielt. Man kann auch versuchen, diesen Automatismus taktisch zu nutzen. Nimmt in einer schon späteren Phase jemand bewusst mehr Abstand von den Stühlen, kann dies ablenken, was vielleicht eine zusätzliche Chance darstellt. Vielleicht ist aber dieses Ablenkungsmanöver auch nicht erfolgreich. Um den Moment, in dem die Musik aussetzt, möglichst schnell zu erfassen, kann es auch helfen, die Person an der Musikanlage zu beobachten. Stoppt die Musik, stürzen sich alle auf den nächst besten Stuhl. In dieser Situation muss auch Gerangel und Körperkontakt ausgehalten werden. Wer sich scheut, bis zu einem gewissen Maß auch die Ellbogen einzusetzen, hat wenig Chancen sich durchzusetzen. Trotz Gerangel darf der Überblick nicht verloren werden. Es kann auch einmal vorkommen, dass sich drei Personen gleichzeitig auf einen Stuhl setzen wollen. Das bedeutet, dass auf jeden Fall noch ein Stuhl frei ist. Wer von den dreien dies zuerst realisiert, hat einen Stuhl sicher. Je länger das Spiel dauert, desto mehr Ausgeschiedene gibt es, die dem Ausgang der Runde zuschauen. Sie werden quasi zusätzliche SchiedsrichterInnen, was den korrekten Ablauf angeht. Vielleicht spielt das Image einer Person auch noch mit, wenn beurteilt wird, ob alles mit rechten Dingen zu und her gegangen ist, und nicht ausschließlich objektive Maßstäbe. Als Erstes nimmt sich U vor, sehr aufmerksam auf die Musik zu lauschen, um festzustellen, wo sie spielt – dort würde jeweils wieder eine Runde Sesseltanz gespielt. Sobald sie also Musik hört, wird sie sich sofort zum Spiel begeben, damit sie möglichst keine Runde verpasst. Es könnte auch sein, dass ihre Projektkollegen ihr einen Hinweis darauf geben, dass gespielt wird; auch diese Bewegungen wird sie im Blick behalten. Sie ist fest davon überzeugt, dass es wesentlich drauf ankommt, dabei zu sein, wenn die Musik spielt. Das ist eine häufige Aufgabe, die v. a. Frauen aus historischen Gründen und aus Gründen der Vernetzung meistens sehr viel schwerer gemacht wird. U hat aber den Eindruck, dass sie den Zugang zum Spiel auf jeden Fall findet. U möchte ein weiteres organisatorisches Element in Erfahrung bringen: Wer ist am Schalthebel der Musik und bestimmt, wann sie ausgesetzt wird? Ist sie dieser Person eher sympathisch, dann wird U eher auf Risiko gehen, im umgekehrten Fall eher auf Sicherheit.
111 3.1 · Wie können Sie Ihr Spiel identifizieren?
Während des Spiels wird sie versuchen, sich in eine gute Position zu bringen, also möglichst nicht die schnellsten und ehrgeizigsten Kollegen links und rechts neben sich zu haben. Oder vielleicht Kollegen, die ihr Anliegen bereits unter Dach und Fach haben. Sie wird sich auch nicht scheuen, ihre Ellbogen einzusetzen, sobald die Musik aufhört. Sie spürt die Unterstützung aus ihrer Abteilung und weiß, dass für diese Leute viel davon abhängt, dass sie ihren Stuhl findet. Das motiviert und legitimiert sie. U weiß, dass jede Runde eine K.O.-Runde ist, in der sie ausscheiden kann. Sie ist deshalb sehr konzentriert. U hatte bis anhin auf ihre Fachkompetenz allein gebaut und ist offensichtlich auf den anderen Ebenen – quasi blind – gut mitgekommen. Sie wird nun systematisch die anderen Machtquellen überprüfen, ausbauen und einsetzen, wenn sich eine Gelegenheit bietet. Sie wird mit Spannung beobachten, wie die Veränderungen, die sie in ihrem Verhalten an den Tag legt, von den Kollegen wahrgenommen werden und was die Reaktionen sein werden. Sie ist aufmerksam auf Veränderungen in den Spielregeln und bereit, auch ein anderes Spiel zu identifizieren und die eigenen Möglichkeiten darin wieder zu entwickeln.
3
4 Jetzt sind Sie dran 4.1
Finden Sie das angesagte Spiel
– 114
4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4
Beschreiben Sie eine konkrete Situation – 114 Bezeichnen Sie die Beteiligten – 114 Beschreiben Sie die Spielatmosphäre – 115 Orientieren Sie sich an den Irritationen – 116
4.2
Wie läuft das Spiel?
– 117
4.2.1 Ist gerade ein Spiel im Gang oder ist Pause? 4.2.2 Welche Regeln gelten? – 118 4.2.3 Wer hält die Regeln (nicht) ein? – 118
– 117
4.3
So kommen Sie zu Ihrer Strategie
– 119
4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4
Ihre Ziele in der aktuellen Situation – 119 Sie formulieren Ihre strategischen Überlegungen – 119 Sie entwickeln konkrete Schritte – 120 Was setzen Sie ein? – 123
114
Kapitel 4 · Jetzt sind Sie dran
Keine Situation ist wie die andere
4
Es gibt keine allgemein gültigen Rezepte
Von der allgemeinen zur eigenen Situation
Diese Beispiele aus meiner Beratungs- und Seminarpraxis zeigen, dass es gelingen kann, eine bestimmte Situation mit Hilfe von Spielen besser zu begreifen. Die Parallelen, die sich zu einem Spiel aufzeigen lassen, können eine wertvolle Unterstützung sein, um Strategien zu entwerfen. Wahrscheinlich leuchten Ihnen diese Beispiele ebenfalls ein. Aber Sie sind sicher, keines der beschriebenen Beispiele ist mit Ihrer Situation identisch. Es gibt keine allgemein gültigen Rezepte, die in allen Situationen helfen. Vor vereinfachenden Schlüssen warne ich. So trifft die Beobachtung, dass in vielen Unternehmen Hartball gespielt wird, bestimmt in vielen Fällen zu. Ein Buch, das viele Varianten aufzeigt, wie Sie in diesem Spiel erfolgreich sein können, kann Sie unterstützen, wenn Sie in Hartballspielen aktiv sind. Das genügt aber nicht. Wir müssen uns bewusst machen, dass eben nicht ausschließlich und nicht immer Hartball gespielt wird. Die Vielfalt der Spiele, die in Gang sind, ist ein Teil der komplexen Situation, in der wir stecken. Sie fragen sich nun, wie Sie ihre eigene Situation verstehen können? Ihre Situation mag einzelne Elemente aus den Beispielen enthalten, aber sie ist doch anders. Der folgende Abschnitt wird Sie dabei unterstützen, der Komplexität Ihrer Situation so weit mit möglich gerecht zu werden. Dazu ist es wesentlich, Ihre spezielle Situation mit den beteiligten Personen zu erfassen. Sie werden dabei nun Schritt für Schritt angeleitet.
4.1
Finden Sie das angesagte Spiel
4.1.1 Beschreiben Sie eine konkrete Situation Steigen Sie ein, in dem Sie sich eine konkrete Situation vornehmen. Am besten ist es, wenn Sie sich Ort, Zeit, Beteiligte und Anlass plastisch vorstellen können. Zu allgemeine Situationen und Feststellungen sind nicht sehr ergiebig. Als Nächstes überlegen Sie sich, weshalb Sie diese Situation untersuchen möchten. Wissen Sie nicht genau, was gemeint war oder was erreicht werden sollte? Hat Sie etwas gestört? Möchten Sie für die Zukunft etwas ändern? Ist etwas besonders gut gelaufen und Sie möchten wissen, was dazu geführt hat? Vielleicht haben Sie noch eine weitere Motivation.
4.1.2 Bezeichnen Sie die Beteiligten Wer spielt mit und was haben sie für eine Rolle?
Wenn Sie sich eine konkrete Situation vornehmen, tauchen dazu Personen auf. Merken Sie sich in einer ersten Runde alle, am besten schreiben Sie sie auf. Diese Personen haben zum Geschehen eine unterschiedlich große Distanz. Entscheiden Sie: ▬ Wer sind die aktiven Mitspielenden? ▬ Wer ist im Spiel, aber passiv? ▬ Wer ist im Umfeld des Spiels das Publikum und kommentiert das Spiel? ▬ Wer ist nur präsent, hat aber aktiv mit dem Spiel nichts zu tun?
115 4.1 · Finden Sie das angesagte Spiel
Möglicherweise ist eine Person eigentlich ganz wichtig im Spiel, aber in Ihrer Situation nicht anwesend. Rechnen Sie trotzdem mit dieser Person, als wäre sie dabei (vielleicht bekommt sie eine Spezialaufgabe). Die Anzahl der beteiligten Personen ist ein wichtiges Element, um die Art der in Frage kommenden Spiele einzuschränken. Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Spielen: Bei den einen Spielen kennen Sie alle Mitspielenden mit Name und Vorname; sie haben den genauen Überblick, wer spielt. In diese Kategorie von Spielen gehören Brettspiele, alle Arten von Gesellschaftsspielen, Kartenspiele usw., aber auch alle Teamspiele. Bei der zweiten Art von Spielen sind so viele Personen beteiligt, dass es auf eine mehr oder weniger nicht ankommt. Meistens beteiligen sich ganze Gruppen an einem Spiel (Schulklassen, Gruppen in einer Wohnsiedlung, alle Sekretärinnen, eine Abteilung usw.). In dieser Kategorie von Spielen finden wir die Kinderspiele.
Brett-, Gesellschaftsund Teamspiele versus Kinderspiele
4.1.3 Beschreiben Sie die Spielatmosphäre Wenn Außenstehende wahrnehmen, dass gespielt wird, spüren sie das auf jeden Fall an der Spielatmosphäre. Wenn Sie sich auf die akustischen Eindrücke konzentrieren, merken Sie z. B., dass die Beteiligten sehr ruhig und konzentriert der Reihe nach vorgehen. Sie nehmen ein leises Geplauder und Kommentieren zwischen den Beteiligten wahr, das diese von ihrer Umwelt klar unterscheidet. Sie hören freundliches Necken, Auffordern und Bestätigen zwischen den Mitspielenden. Hier könnten z. B. Scrabble, Domino oder einfachere Karten- oder Brettspiele gespielt werden. Vielleicht begleiten auch wellenartiges Gelächter oder wütende Tiraden die Entwicklung im Spiel. Dabei könnte es sich um UNO, Ligretto, Mensch ärgere dich nicht usw. handeln. In diesen Spielen gibt es Situationen, die Wendepunkte markieren, in denen der Sieg plötzlich feststeht, eine Figur nach Hause geschickt wird oder eine Gewinn- oder Verlustkarte gelegt bzw. gezogen wird. Diese Wendepunkte werden von den Mitspielenden auch hörbar zum Ausdruck gebracht. Eine Spezialität stellen in dieser Hinsicht Spiele dar, die mit Geräuschen und Tönen operieren. Das Spiel Tabu, bei dem ein Begriff umschrieben und von anderen erraten werden soll, ist von weitem hörbar, weil die Versuche, den richtigen Begriff zu erraten, natürlich nicht einfach gesprochen, sondern eher geschrien werden. Der zweite und dritte Versuch erfolgen entsprechend in gesteigerter Lautstärke, weil sich die Zeit, die einer Gruppe zur Verfügung steht, um den Begriff zu erraten, dem Ende zuneigt. Eine andere Art, Spiele zu charakterisieren, kann über den optischen Eindruck gehen. So können Sie beschreiben, wie sich die Spielenden bewegen. Sie sitzen z. B. um einen Tisch herum. Ab und zu nehmen sie einen Würfel, eine Karte, ein Figürchen und machen damit eine kleine Bewegung. Es kann auch sein, dass sie heftig auf den Tisch schlagen, mit einer Bewegung alles abräumen usw. Hier handelt es sich wieder um Karten-, Würfel-, Brett- und Gesellschaftsspiele. Sind die Bewegungen größer, haben Sie vielleicht nicht immer alle Mitspielenden gleichzeitig im Blick. Dann gehen, laufen, springen, ducken sich
Die Spielatmosphäre sagt viel über das Spiel aus
Identifikation des Spieles über Geräusche…
…über den optischen Eindruck…
…oder über die Art der Bewegungen
4
116
Kapitel 4 · Jetzt sind Sie dran
die Beteiligten und die Atmosphäre ist bewegter. In diesen Bereich fallen viele Kinderspiele und die sportlichen Wettbewerbe. Ob diese Bewegungen auch Hektik ausstrahlen, ist spiel- und situationsabhängig. Meistens ist bei diesen Spielen ein Szenario geplant und Sie können einordnen, ob die Bewegungen zum Spiel gehören oder aus dem Rahmen fallen. Wenn z. B. Familie/Puppen gespielt wird, sind alle Bewegungen, die zur Versorgung der Puppen und zum Darstellen der Geschichten gehören, eingeplant. Beim Wort erraten stehen die Beteiligten oder lehnen sich an eine kleine Mauer. Eine Person hat den Ball und denkt sich ein schwieriges Wort aus. Mit der Erklärung, aus welchem Bereich das Wort stammt und dem Anfangsbuchstaben, wirft sie den Ball der ersten Person zu. Diese wirft den Ball zurück und gibt dazu eine Antwort oder passt. Wird das Wort erraten, prellt die fragende Person den Ball so stark wie möglich auf den Boden und rennt davon. Die erfolgreich ratende Person fängt den Ball und die davongerannte muss sofort stehen bleiben. Jetzt folgt ein Versuch, diese mit dem Ball zu treffen. Gelingt dies, darf sie sich ein Wort ausdenken, trifft sie nicht, kann sich die erste Person ein zweites Wort ausdenken. In diesem Spiel wechseln sich ruhigere und hektische Phasen ab.
4
4.1.4 Orientieren Sie sich an den Irritationen
Irritationen und Empörungen sind wichtige Wegweiser
Das Spiel muss sich nicht immer 1:1 mit der Situation decken
Wenn Sie die Art des Spiels herausgefunden haben und wissen, ob es sich um ein Spiel zu zweit oder eines mit vielen Beteiligten handelt, oder wenn Ihnen klar ist, dass die Spielatmosphäre hektisch oder ruhig ist, haben Sie die Spielmöglichkeiten bereits etwas eingekreist. Nun geht es darum herauszuarbeiten, welches der Spiele auf Ihre Situation passt. Ist es ein Kartenspiel? Dann haben Sie viele Möglichkeiten zur Auswahl; wenn es ein Bewegungsspiel ist, ebenfalls. Irritationen und Empörungen, die Sie in bestimmten Situationen empfinden, können Ihnen weiter helfen: Gibt es Aktionen und Reaktionen von Beteiligten, die Sie außerordentlich stören und die Sie schon lange – erfolglos – bekämpfen? Finden Sie ein gewisses Verhalten von Beteiligten sehr ärgerlich? Dann ist genau dieses Verhalten ein Wegweiser für Sie. Suchen Sie sich ein Spiel, in dem genau dieses störende, ärgerliche Verhalten zu den Regeln des Spiels gehört. Im Beispiel N leidet N darunter, dass alle ihr von allen Seiten in die Beine fahren. Bei Rugby ist dies eine anerkannte Methode, um Gegner/innen zu stoppen. Im Beispiel C ärgert sich C darüber, dass XC ständig die Arbeiten anderer annektiert und dafür auf fremde Hüte aus ist. Bei Fang den Hut ist genau dies der Kern der Spielidee und alle tun es. Im Beispiel K fühlt sich K von XK getroffen und verletzt. Seine Stiche tun ihr weh. Beim Fechten ist das Ziel, die Gegnerin oder den Gegner zu treffen bzw. den Attacken erfolgreich auszuweichen. Auf diese Art nähern Sie sich dem Kern der Spielidee. Im Spiel können eben auch ganz ungewöhnliche Verhaltensweisen zum ordentlichen Regelwerk gehören. An diesem Punkt werden Sie die verschiedenen Möglichkeiten gegeneinander abwägen. Vielleicht denken Sie an ein bestimmtes Spiel, aber nicht alle Elemente sind darin genau eingehalten. Das ist nicht so wichtig: Ihr Ein-
117 4.2 · Wie läuft das Spiel?
druck zählt. V, die Frauenbeauftragte einer Universität, die zwar ein enormes Pflichtenheft hatte, aber über praktisch keine Entscheidungsbefugnisse und Budgetkompetenzen verfügte, entschied, dass sie Blinde Kuh spielen möchte. Bei diesem Spiel geht es darum, dass eine Person – die »blinde Kuh« – mit verbundenen Augen im Kreis der Mitspielenden mehrfach um sich selbst gedreht wird, damit sie die Orientierung verliert. In diesem Zustand versucht sie, eine andere Person zu fassen und durch Abtasten herauszufinden, wer es ist. Die Mitspielenden geben möglichst keine Töne von sich, die sie verraten könnten. Wird die Person identifiziert, werden ihr die Augen verbunden und sie ist nun an der Reihe mit Suchen. Die »blinde Kuh« als Position im Spiel hat gewechselt. V hatte den Eindruck, dass sie nur agieren konnte, wenn sie jemanden zu ihrem direkten Komplizen machte. Als »blinde Kuh« hatte sie die Aufgabe, jemanden zu packen und zu identifizieren. Diese Person war dann jeweils diejenige, die für ein bestimmtes Projekt in der Zusammenarbeit mit V stand. V wandelte aber das Spiel in dem Sinne ab, dass sie nach dem Identifizieren der gefassten Person, nicht wie vorgesehen, die Augenbinde abgab. Im Gegenteil: sie nahm sie freiwillig wieder an sich und organisierte eine nächste Spielrunde. Damit verschaffte sie sich die Möglichkeit, wieder eine Person zu »schnappen«. Ihre Erfahrung war, dass sich unter den Mitspielenden – alles einflussreiche Personen in Ämtern und Funktionen an der Universität – sogar ein gewisser Spaß darüber ausbreitete, wer wohl als nächster von V geschnappt und identifiziert würde. Das Vertrauen darin, dass ihnen diese Prozedur nur ab und zu, aber nicht häufig oder regelmäßig geschehen würde, machte sie zu fröhlichen Mitspielenden. Sie konnten sogar mir (Schaden-)Freude beobachten, was mit demjenigen passierte, der gerade an der Reihe war. V selbst hatte mit dieser Erkenntnis einen Teil ihres Ärgers über die sehr unvorteilhafte organisatorische Einordnung für eine gewisse Zeit überbrücken können. Dieses Beispiel zeigt, dass Spiele auch in abgewandelter Form oder mit Spezialregeln gespielt werden können. Sie selbst identifizieren das Spiel, welches in Ihrer Situation tatsächlich gespielt wird.
4.2
Wie läuft das Spiel?
4.2.1 Ist gerade ein Spiel im Gang oder ist Pause? Haben Sie das Spiel identifiziert, gilt es, die konkreten Spielumstände zu beschreiben und die geltenden Regeln herauszuarbeiten: Sie beobachten, wann jeweils wieder eine Spielrunde stattfindet. Sie merken dies daran, dass sich die Beteiligten entsprechend aufstellen oder gruppieren oder eine – für das Spiel – typische Handlung machen. Denken Sie an das Beispiel H: Wenn Sie jemanden rufen hören: »Wer hat Angst vor dem Schwarzen Mann?« oder wenn andere rufen: »Wegrennen und lachen!«, sind dies Indizien dafür, dass hier wieder eine Spielrunde läuft. Je nachdem, ob Sie an einem Spiel teilnehmen oder das Spiel selber organisieren, werden Sie das Spielfeld sehen oder selber die Grenzen festlegen. Sie werden die Geräte testen oder verteilen. Sie werden herausfinden oder be-
4
Situation V: Komplizen nötig
118
Kapitel 4 · Jetzt sind Sie dran
kannt geben, wann und wo der Start der nächsten Runde ist. Das könnte im Beispiel I sehr wichtig sein: I muss unbedingt herausfinden, wann und wo jeweils die Etappen beginnen und welche Spezialpreise im Laufe ihrer Tour de France vergeben werden. Wenn sie diese Informationen nicht kennt, sind alle ihre Trainingsanstrengungen vergeblich.
4.2.2 Welche Regeln gelten?
4 Regeln, Sonderregeln und Abmachungen
Wenn eine Runde des Spiels läuft, ist es interessant zu beobachten, welche Regeln gelten. Wird ein Spiel komplett und korrekt gespielt oder wird eine bestimmte Regel weggelassen? Wird eine Spezialität angewendet, die eigentlich üblicherweise nicht in dieses Spiel gehört? Im Beispiel O wird Schwarzer Peter gespielt. Als Besonderheit dieses Spiels darf der »schwarze Peter« zum Chef gehen, um nachzufragen, ob er denn wirklich der »schwarze Peter« sei oder ob nicht O in dieser Runde »schwarzer Peter« sein müsse. Dies geschieht, obwohl der Ausgang der Spielrunde klar ist. Eine solche Spezialität ist im Spiel eigentlich nicht vorgesehen, wird aber im Beispiel O dennoch angewendet.
4.2.3 Wer hält die Regeln (nicht) ein? Nicht immer werden Regeln eingehalten –
– mit unterschiedlichen Folgen
Wenn Sie sich klar gemacht haben, welche Regeln in Ihrem Spiel gelten, fragen Sie sich als nächstes, wer diese Regeln tatsächlich einhält bzw. wer sie gelegentlich oder sogar regelmäßig verletzt. Wird nach den Regeln gespielt, wird die entstehende Hektik vom Charakter des Spiels abhängen. Bei eher ruhigen Spielen kann eine gewisse Nervosität entstehen, wenn viele Unregelmäßigkeiten vorkommen und toleriert werden. Beobachten Sie, was bei Regelverstößen passiert – oder was nicht passiert. Sehen Sie Unterschiede zwischen Personen, die das gleiche Verhalten an den Tag legen? Wird jemand kritisiert und bei einem anderen Stillschweigen bewahrt? Kann sich eine Person damit brüsten, dass sie sich nicht an gewisse Regeln halten muss? Wie geht es Ihnen? Müssen Sie sich an die Regeln halten oder können sie gelegentlich eine Regel auslegen, wie Sie wollen? Mit Hilfe solcher Beobachtungen können Sie überlegen, wie viel Gestaltungsmacht Sie und andere haben. Dies ist sehr bedeutend für die Entwicklung von Strategien: Haben Sie viel Spielraum oder ist er eher eingeschränkt? Das (Nicht)Einhalten der Regeln kann auch darüber Auskunft geben, wer das Spiel konstruktiv mit trägt und wer nicht. Wer hauptsächlich damit beschäftigt ist, die Regeln zu dehnen oder darüber zu streiten, ob sie eingehalten wurden oder nicht, ist mit ihrer/seiner Aufmerksamkeit überwiegend bei sich selbst und nicht beim Spiel. Sie/er zwingt die Mitspielenden sich mit ihrer/seiner Aktivität auseinander zu setzen, da es sonst nicht weiter gehen kann. Es muss entschieden werden, ob ein Regelverstoß vorliegt und ob dies Folgen hat. Erst dann kann z. B. die nächste Person die Würfel nehmen und einen Zug machen. Sobald nämlich ein nächster Zug gemacht wird, ist alles, was zuvor passiert ist, bereits bestraft und kann nur noch Gegenstand von anschließenden Spielbeurteilungen sein. Rückgängig zu machen ist nichts mehr!
119 4.3 · So kommen Sie zu Ihrer Strategie
Umgekehrt sind diejenigen, die sich mehr oder weniger ordentlich an die Regeln halten, meist die Stützen im Spiel. Sie sorgen dafür, dass die Würfel in die richtigen Hände kommen oder machen darauf aufmerksam, dass die Karten noch zu mischen sind usw. Nutzen Sie diese Beobachtungen für Ihre eigenen Strategien. Sie werden auch lokalisieren, wer vom konstruktiven Verhalten anderer profitiert. Auch diese Feststellungen sind für Ihre strategischen Überlegungen wichtig.
4.3
So kommen Sie zu Ihrer Strategie
4.3.1 Ihre Ziele in der aktuellen Situation Bevor Sie sich strategische Überlegungen machen, finden Sie heraus, was Ihre Ziele in der aktuellen Situation sind. Möchten Sie im Juni in den Urlaub fahren und brauchen dazu eine entsprechende Entscheidung von einer bestimmten Stelle? Haben Sie eine Idee, von der Sie andere überzeugen möchten? Sind Sie überlastet und möchten lieber in Ruhe gelassen werden? Brauchen Sie für die erfolgreiche Umsetzung Ihres Projektes eine verlässliche Kooperation mit X? Finden Sie, Y werde laufend gelobt und gefördert, aber jetzt wären Sie als Nächste/r an der Reihe? Machen Sie sich klar, in welche Richtung ein erwünschtes Ergebnis gehen kann.
Ziele erkennen ist ein wichtiger Schritt
4.3.2 Sie formulieren Ihre strategischen Überlegungen Behalten Sie die Orientierung auf Ihr Ziel hin und die Beobachtungen über das Verhalten der Mitspielenden im Hinterkopf und gehen Sie an die strategischen Überlegungen. Nehmen Sie sich Zeit, die Möglichkeiten, die Ihr Spiel bietet, auszuloten. Machen Sie sich zunächst bewusst, welche Spielzüge Sie offensiv in Richtung Spielgewinn bringen. Offensiv bedeutet, dass Sie versuchen, die Mitspielenden in Ihre Spiellogik hineinzuzwingen. Sie möchten, dass Sie diejenige oder derjenige sind, die/der die nächste Runde gewinnt. Die Initiative kann allein bei Ihnen liegen, wenn Sie z. B. in einem Kartenspiel entscheiden, eine Gewinnkarte vorläufig noch zurückzuhalten oder auszuspielen. Bedeutet ein offensives Vorgehen im Spiel automatisch, dass Sie damit die Spielmöglichkeiten der Mitspielenden sofort einschränken? Müssen Sie dazu Karten stechen, Figuren schlagen, Personen treffen und damit «töten» oder Figürchen überholen und damit nach Hause schicken? Als zweite Ausrichtung machen Sie sich Gedanken darüber, wie sie Ihre Gewinnchancen erhalten oder verteidigen können: die defensiven Strategien. Dazu ist es nötig, dass Sie die Spielbewegungen Ihrer Mitspielenden erfassen und darüber spekulieren, was diese Spielbewegungen für Ihre Position bedeuten könnten. Was haben die anderen vor? Auf welche Ihrer Figuren haben die es abgesehen? Welche Ihrer Karten ist akut bedroht? Wer ist am Ball? Wer hat Sie im Visier? Prüfen Sie, was Sie für Möglichkeiten
Offensive Spielzüge in Richtung Spielgewinn
Defensive Strategien erhalten die Gewinnaussichten
4
120
Kapitel 4 · Jetzt sind Sie dran
Offensiv oder defensiv?
4
Wo sind die Unsicherheitszonen?
haben, Ihre Position zu schützen, oder zu verhindern, dass Ihre Position geschwächt wird. Die Entscheidung, ob Sie offensiv oder defensiv vorgehen wollen, hängt davon ab, wie nahe Sie Ihrem Ziel schon sind. Ist es abschätzbar, dass Sie die Runde gewinnen können, überlegen Sie sich vielleicht noch, ob Sie die Maximalpunktzahl erreichen möchten oder ob Sie lieber das Spiel schnell beenden und dafür eine kleine Einbusse in Kauf nehmen. Je nachdem wie Sie sich entscheiden, gehen Sie offensiv vor oder verhindern zunächst noch, dass Ihnen ein Figürchen geschnappt wird, bevor Sie den Gewinnstein setzen. Ist die Situation nicht eindeutig, wägen Sie ab, ob die Gefahr für Ihre Position so groß ist, dass Sie sich um Ihre Verteidigung kümmern müssen oder ob es nicht am effektivsten ist, wenn Sie offensiv werden. Seien Sie sich bewusst, dass immer beide Richtungen für die Entwicklung der eigenen Position bedacht werden müssen. Zusätzlich gilt es zu beobachten, was ein Spielzug für die Mitspielenden bedeutet. Sind Sie mit einem offensiven Zug erfolgreich, müssen andere darüber nachdenken, wie sie ihrerseits ihre Positionen verteidigen können und selbst wieder eine Gewinnchance haben. Sie versuchen zu überlegen, was für Möglichkeiten die Mitspielenden haben. Sind noch Gewinnkarten im Umlauf? Liegt ein weiteres Figürchen direkt hinter Ihnen, das Sie demnächst einholen kann? Zusätzlich zu den Fragen nach offensivem und/oder defensivem Vorgehen gilt es die Frage nach den Unsicherheitszonen zu stellen. Wie sind Sie bisher vorgegangen? War Ihr Vorgehen für die Mitspielenden gut zu berechnen oder waren Sie eher undurchschaubar? Gehen Sie davon aus, dass Ihre Gewinnmöglichkeiten dann steigen, wenn Sie wenig(er) berechenbar sind. Gibt es etwas, was Sie tun oder lassen können, damit die Erwartungen Ihrer Mitspielenden nicht erfüllt werden und Sie die Vorteile davon für Ihre Spielposition nutzen können? Sehen Sie Ihr Verhalten so umfassend, dass Sie nicht nur die direkten Spielzüge in Ihre Überlegungen einbeziehen, sondern auch Ihr Verhalten im Spiel?
4.3.3 Sie entwickeln konkrete Schritte
Soll der nächste Schritt defensiv oder offensiv sein?
Wenn Sie die verschiedenen Strategien im Spiel ausgelotet haben, geht es nun darum, diese auf Ihre Situation zu übertragen. Die Spielanlage in Ihrem Spiel erlaubt Ihnen, gedanklich zu experimentieren. Die Erfahrung zeigt, dass die Spielanlage Inspiration für die eigene Strategie bietet, ohne Sie gleich einzuengen. Schätzen Sie die Situation ein: Soll der nächste Schritt offensiv oder defensiv sein? Dazu ist es vorteilhaft, entlang der Optionen der Spielzüge zu überlegen: Spekulieren Sie, was es in Ihrer Situation bedeuten könnte, defensiv vorzugehen. Bei Backgammon würden Sie mit einem defensiven Spielzug dafür sorgen, dass keiner Ihrer Steine alleine liegt und damit aus dem Spiel geworfen werden kann. Sie werden also die Zahlen ihrer beiden Würfel so einsetzen, dass Sie nur Steine bewegen, die alleine oder mindestens zu zweit liegen. Sie werden diese auf einen einzelnen oder auf mehrere bereits liegende, eigene Steine setzen. Auf Ihre Situation übertragen könnte das bedeuten,
121 4.3 · So kommen Sie zu Ihrer Strategie
dass Sie Stellen suchen, wo z. B. »ein Stein allein« liegt: Wenn ein Stein des Gegenüber Sie mit einem Würfelwurf erreichen kann, ist das eine akute Schwachstelle, die Sie verstärken sollten. Sie überlegen sich, was der Verstärkung dienen kann. Vielleicht informieren Sie eine zweite wichtige Person über Ihre Projektidee. Damit machen Sie deutlich, dass Sie die Autorin sind, wenn genau diese Idee auftaucht. Bei Verstecken handeln Sie dann defensiv, wenn sie dafür sorgen, dass man Sie in Ihrem Versteck nicht sieht und Sie unbeweglich solange warten, bis die/der Suchende ziemlich weit weg gegangen ist. Wenn Sie selbst nicht ein/e Spitzensprinter/in sind, haben Sie so bessere Chancen, vor dem oder der Suchenden am Ziel zu sein. In Ihrer Organisation wirbt X für ihre/seine Projektidee und versucht möglichst viele dafür zu gewinnen, d.h. zu entdecken und am Ziel »dingfest« zu machen. Sie selbst möchten aber nicht in dieses Projekt einbezogen werden. Falls Sie wissen, dass Y auch nicht begeistert ist und X in der Richtung sucht, in der Y versteckt ist, werden Sie ruhig abwarten. Sie setzen darauf, dass auch Y sich lange nicht bewegt. Würden Sie sich selbst schneller zeigen – die offensive Strategie –, würde X sofort versuchen, Sie vor dem Ziel abzufangen. Sie hätten X von Y abgelenkt und zu einem Sprintduell mit Ihnen aufgefordert. Das wäre ein Vorteil für Y, die/der damit immer noch unentdeckt im Versteck sitzen kann. Anderenfalls zeigen Sie sich erst, wenn X schon nahe am Versteck von Y ist und sie/ihn gerade entdeckt hat. Damit kommt das Sprintduell zwischen X und Y in Gang, aber Sie haben den kürzeren Weg und X konzentriert sich auf Y. Kommen Sie als Erste/r am Ziel an, haben Sie in dieser Runde einen direkten Schlagabtausch mit X elegant umgangen. Sie werden also inhaltlich keine Stellung beziehen; vielleicht werden Sie nicht einmal gefragt. Wenn Sie sich für einen offensiven Schritt entschieden haben, schätzen Sie z. B. bei Ligretto ein, wie schnell bzw. langsam Ihre Mitspielenden sind, was für Zahlen und Farben schon offen daliegen und ob eine Ihrer offen liegenden Karten bald auf einen Stapel passen wird. Und dann machen Sie sich innerlich bereit, selbst schneller zu sein als die anderen. Das könnte heißen, dass Sie mit Ihrer Projektidee die Erste sein müssen, wenn angezeigt ist, dass Ideen geäußert werden. Schneller sein könnte tatsächlich bedeuten, zu sprechen, bevor jemand anderes das Thema angesprochen hat. Überprüfen Sie, ob Sie nicht vielleicht sogar zwei passende Karten hintereinander legen können. Wenn Sie diese Möglichkeit haben, packen Sie sie: Präsentieren Sie zwei Projektideen. Damit ziehen Sie viel Aufmerksamkeit auf sich. Die Mitspielenden werden sofort nachschauen, wie viele Karten Sie noch auf Ihrem 10erStapel haben und damit einschätzen, ob Sie in dieser Runde auf der Gewinnstraße sind oder ob man Ihnen den Sieg noch streitig machen kann. Mit diesem Blick auf Ihren 10er-Stapel haben Sie vielleicht sogar noch Zeit, eine dritte passende Karte zu legen! Sie können möglicherweise schon bekannt geben, dass Sie, die absolute Spitzenfachperson im Thema, gerne bereit sind, zur Verfügung zu stehen. Als drittes Element in der Frage des strategischen Vorgehens machen Sie sich Gedanken darüber, wie es mit Unsicherheitszonen steht. Denken Sie dabei an die Unsicherheitszonen, die Sie für die Mitspielenden schaffen, aber auch an die Unsicherheitszonen der Mitspielenden, mit denen Sie zu kämpfen
Defensiver Schritt
Offensiver Schritt
Unsicherheitszonen gestalten
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4
Kapitel 4 · Jetzt sind Sie dran
haben. Auch dies können Sie offensiv und defensiv tun. Bei einem offensiven Vorgehen sorgen Sie dafür, dass die Richtigen im Spiel Ihre Pläne kennen, die andern aber nicht. Defensiv könnte heißen, dass Sie versuchen, die Unsicherheitszone einer/eines Mitspielenden auszuleuchten und damit für Sie zu einer Zone der Klarheit zu machen. Das bedeutet natürlich nicht, dass Sie passiv bleiben. Auch defensives Vorgehen bedeutet, dass Sie aktiv etwas tun! Ist Ihr Spiel das Fechten und Sie wissen nicht, wann und wo Ihr/e Gegner/in angreifen wird, sind Sie in der Defensive. Ihr Handlungsspielraum, selber zu punkten, wird eingeschränkt, weil Sie damit rechnen müssen, dass Ihr/e Gegner/in den Schlag für einen Punkt irgendwann führen wird. Dies umso mehr, weil Sie nach Punkten vorne liegen und Ihr/e Gegner/in unbedingt Punkte braucht. Sie können diese Unsicherheit eine gewisse Zeit aushalten. Früher oder später wird aber Ihre Aufmerksamkeit nachlassen, weil Sie nicht permanent auf alle Möglichkeiten eingestellt sein können. Diese Unsicherheitszone bindet Ihre Kräfte, eigene Spielzüge zu entwickeln. Sie werden jetzt als Erstes versuchen, aktiv die Unsicherheitszone Ihres Gegenübers aufzuheben und im Anschluss daran sofort entscheiden, ob sie offensiv auf einen eigenen Punkt losgehen. Das könnten Sie z. B. so machen, dass Sie sich einen Ort aussuchen und dort der/dem Gegner/in vortäuschen, dass Sie unaufmerksam werden. Wären Sie tatsächlich unaufmerksam, wäre dies eine Einladung zu versuchen, bei Ihnen einen Treffer zu landen. Da es sich aber auf Ihrer Seite um eine Finte handelt, sind Sie darauf eingestellt, dass ein ernsthafter Angriff kommt. Je nachdem können Sie den Angriff parieren oder Sie werden getroffen. Gelingt die Parade, entscheiden Sie sofort, ob Sie zu einem eigenen Treffer ansetzen oder ob es Ihnen reicht, diesen Angriff abzubrechen und wieder in die Ausgangsposition zu gehen. Sie könnten sich überlegen, auf welchem Terrain Sie so gut sind, dass Sie einen Angriff parieren können. Wählen Sie kein Gebiet bei dem allgemein bekannt ist, dass Sie Spitze sind, weil das auch Ihr/e Gegner/in weiß und Ihre Finte sofort durchschauen würde. Nehmen Sie sich also ein Thema und eine Gelegenheit vor, wo Sie nicht von Beginn an als Sieger/in feststehen, die aber einladend genug sind, Ihre/n Gegner/in zu einem Angriff zu verleiten. Geben Sie z. B. bekannt, dass Sie nicht genügend Kenntnis und wenig Interesse haben, ein bestimmtes Projekt zu übernehmen. Bereiten Sie sich unbemerkt gut vor, damit Sie auf jeden Fall mitkonkurrieren können, und seien Sie bereit und in der Lage, das Projekt allenfalls auch zu übernehmen! Geht Ihr/e Gegenspieler/in auf Ihre Finte ein und will zeigen, dass Sie einerseits Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben aber andererseits das Projekt unbedingt an sie/ihn gehen muss, parieren Sie alle Argumente. Erstes Ziel ist: Sie stehen auf jeden Fall als inhaltlich kompetent da. Zweites Ziel ist: Sie bekommen das Projekt. Wird bei Ihnen Carcaçonne gespielt, ist es schwierig, Unsicherheitszonen zu schaffen: Alles liegt offen da. Alle wissen, wie weit der aktuelle Bau ist und wem die bisherigen Städte gehören. Alle sehen, welche Bodenzonen schon in Eigenbesitz sind. Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob sie/er mit den eigenen Investitionen zum Schluss gut fährt. Unsicherheitszonen zu schaffen muss also damit erreicht werden, dass die Mitspielenden sich möglichst wenig ausrechnen können, wo Sie als Nächstes anbauen und investieren werden. Das werden sie im Moment ihrer Wahl offenbaren. Sehr oft geben Sie aber
123 4.3 · So kommen Sie zu Ihrer Strategie
Hinweise, wenn andere ihren Spielzug machen. Sie reagieren darauf, in dem Sie z. B. bedauern, dass nun das Grün schon belegt ist. Oder Sie begrüßen, dass ein Element an Ihre Stadt angebaut wurde. Vielleicht glauben die Mitspielenden an Ihre Pläne. Ganz sicher können sie aber nicht sein: Sie schaffen also eine Unsicherheitszone, weil niemand mit Sicherheit von Ihrem Kommentar auf Ihren nächsten Zug schließen kann. Ihr Verhalten während des Spiels kann hier eine wesentliche Rolle spielen, nicht der Spielzug selbst. Das könnte heißen, dass Sie sich darauf einstellen, dass alle Ihre Aktivitäten transparent sind: Alle haben offene Bücher und zeigen auf, was sie getan haben, mit welchen Informationen sie arbeiten oder was für Kontakte bestehen. Über die Pläne hingegen wird geschwiegen. Nur Kommentare zum Stand der Projekte geben Andeutungen, ob ein Projekt in eine Krise kommt, ob noch Unterstützung gebraucht wird, ob bald ein Abschluss ansteht oder ob der Zeitplan eine Veränderung brauchen wird. Diese Kommentare müssen eingeschätzt werden: Stimmen sie eins zu eins überein oder dienen sie der Schaffung von Unsicherheitszonen? In einem solchen Spiel ist allen klar, dass die Berichte über den Stand eines Projektes korrekt sein müssen. Ebenso klar ist es, dass über die Zukunftsabsichten nicht immer allen gegenüber die ganze Wahrheit erzählt wird. Machen Sie es ebenso, sonst geraten Sie in eine unvorteilhafte Position. Überlegen Sie sich, wo Sie punkten möchten. Dann verhalten Sie sich in der Kommunikation entsprechend undeutlich, aber glaubwürdig. Damit versuchen Sie, die Mitspielenden auf eine falsche Fährte oder auf eine Fährte zu setzen, die Ihre Pläne unterstützt. Wenn Sie wieder an der Reihe sind, nehmen Sie das passende Teil oder das Figürchen, das eine bestimmte Investition symbolisiert, und machen die Situation fix. Sie beobachten deshalb auch die Reihenfolge und bereiten sich innerlich darauf vor. Starren Sie nicht auf die Karte oder die Figur, die für Sie am besten passt! Die Mitspielenden werden schließlich auch versuchen, Ihre Pläne zu durchschauen. Mit jedem Zug werden wieder feste Fakten geschaffen. Planen Sie also weiter, ohne dass die anderen genau erkennen, in welche Richtung es für Sie gehen wird.
4
Bleiben Sie unberechenbar
Wo möchten Sie punkten?
4.3.4 Was setzen Sie ein? Sobald Ihr nächster Schritt klar ist, müssen Sie ausloten, was Sie dazu brauchen. Dazu ist eine Betrachtung Ihrer Machtquellen interessant. Eine zentrale Machtquelle haben Sie sich mit der Identifikation des Spiels bereits erschlossen: Sie sind sich bewusst, wie die organisationellen Regeln funktionieren. Sie können sich vorstellen, wie das Spiel läuft und wie sich die Mitspielenden im Spiel verhalten. Wenn ein Doppelkopf-Spiel (in der Schweiz ist »Jassen« diesem Spiel verwandt) in Gang ist, schauen Sie, wie der Punktestand generell ist. Für das aktuelle Spiel ist es wichtig zu wissen, ob Sie an der Reihe sind, den Trumpf anzusagen. Wenn das die Gegenseite tun kann, schauen Sie – möglichst für die Gegenseite nicht nachvollziehbar – in Ihrem Blatt nach, ob Sie Trumpfkarten in der Hand haben. Wird Fang den Hut gespielt und Sie sehen, dass einer Ihrer Hüte in Gefahr ist, prüfen Sie, ob vielleicht eine/r der Spielenden in eine Allianz mit Ihnen tritt. Möglicher-
Welche Trümpfe haben Sie?
124
Kapitel 4 · Jetzt sind Sie dran
Informations- und Kommunikationskanäle sind wichtige Machtquellen
4
Spiel und reale Situation vergleichen
weise haben Sie bei ihr/ihm noch etwas gut – dann wäre vielleicht jetzt der passende Zeitpunkt, das einzufordern?! Diese Überlegungen und Abklärungen machen Sie im Bewusstsein, dass das Beherrschen von Informations- und Kommunikationskanälen wesentliche Machtquellen sind, wenn Sie diese für sich nutzen können. Es ist klar, dass Information und Kommunikation in allen Spielen wesentlich sind. Es drängt sich deshalb auf zu untersuchen, wo die Kanäle durchlaufen und wie Sie bereits daran beteiligt sind bzw. wie Sie Ihre Beteiligung mitgestalten können. Selbstverständlich entscheiden Sie selbst, ob und wie Sie diese Machtquelle nutzen werden. Testen Sie, ob die weiteren Machtquellen »technische Fertigkeiten« und »Beziehungen zur Umwelt« im laufenden Spiel von Bedeutung sein könnten. Die Chance, die Sie sich schaffen, das laufende Spiel zu identifizieren, besteht darin, dass Sie mit einem klaren Bild vor Augen an die Situation herangehen und beobachten, was übereinstimmt und wo Differenzen auftauchen. Sie sind gleichzeitig Teil der Situation und haben eine angenehme Distanz dazu. Sie haben Erwartungen an das Verhalten der Mitspielenden. Wenn Ihre Erwartungen erfüllt werden, können Sie davon ausgehen, dass Ihre Überlegungen zutreffen. In diesem Fall führen Sie Ihre Pläne weiter aus. Werden Ihre Erwartungen nicht erfüllt, sind Sie erst einmal irritiert: Sie werden überlegen, ob jemand geschummelt hat oder ob ein anderes Spiel in Gang ist. Je nach Situation, werden Sie sich mit der Einhaltung der Regeln beschäftigen oder das andere Spiel identifizieren, damit Sie sich für Ihre eigene Strategie wieder Orientierung verschaffen können. Zusätzlich ist es jederzeit möglich, ein noch zutreffenderes Spiel zu finden oder im gefundenen Spiel die Strategie zu ändern. Diese Offenheit ist eine der großen Stärken dieser Organisationsanalysen und kommt deshalb der Realität sehr nahe. Und ein Letztes: Rechnen Sie damit, dass alle Beteiligten – auch Sie – über die Fähigkeit verfügen sich zu entscheiden; alle können bekanntlich jederzeit eine unerwartete Entscheidung treffen. Jede Situation ist also auch ständig in Bewegung, und uns bleibt nichts anderes übrig, als damit umzugehen. Dies ist natürlich nicht nur lästig und schwierig, sondern zeigt uns auch, dass wir es mit Menschen zu tun haben und nicht mit schablonenhaften Modellen.
5 Wie bringen Sie sich ins Spiel? 5.1
Welches Spiel wird ausgewählt? Welches Spiel schlagen Sie vor?
5.2
– 126
– 129
Was für eine Spielnatur sind Sie? Was ist Ihr Impuls zum Mitspielen?
– 130
– 130
5.3
Wie erkennen Sie Ihre Trümpfe im Spiel?
5.4
Wie verhalten Sie sich im Spiel?
5.5
Nutzen Sie Ihre Ressourcen
– 133
– 137
– 132
126
Kapitel 5 · Wie bringen Sie sich ins Spiel?
5.1
5
Überlegungen zur eigenen Spielnatur
Welches Spiel wird ausgewählt?
Wenn wir uns selbst und unsere Umgebung betrachten und davon ausgehen, dass dort, wo »Organisation« stattfindet, sich dieses organisierte Handeln durch Spiele strukturiert, sehen wir ganz unterschiedliche Spiele. Nicht überall wird Hartball gespielt, aber erfahrungsgemäß oft in wirtschaftlichen Zusammenhängen. Es sind ganz unterschiedliche Spiele in Gang. Wir selbst schlagen Spiele vor und entscheiden, bei welchen Spielen wir, wenn wir können, mitspielen. Nicht alle lieben die gleichen Spiele. Wie kommt die Auswahl zustande? Nicht alle spielen aus der gleichen Motivation heraus. In diesem Kapitel stellen Sie Überlegungen zur Ihrer Spielnatur an. Sie werden entdecken, was für Spiele Ihnen im Blut liegen und welche Spiele Sie meiden. Sie werden spüren, wie Sie sich in den Spielen bewegen, aber auch welche Möglichkeiten Sie bis heute noch nicht wahrgenommen haben. Vielleicht erhalten Sie hier auch Anregungen, in welche Richtung Sie Ihr Repertoire erweitern können.
Gelernt ist gelernt Kultur beeinflusst die Wahl des Spiels
Mädchen und Jungen haben unterschiedliche Spielgewohnheiten
Die freie Wahl des Spiels ist zwar persönlich, wir stellen aber wesentliche kulturelle Einflüsse auf die Auswahl der Spiele fest. Eine Komponente ist das Geschlecht. Heim et al. beschreiben in »Warum gerade die?« Forschungsergebnisse, die aufzeigen, wie Kleinkinder mit Spielsachen umgehen und welche Verhaltensweisen von Erwachsenen unterstützt bzw. kritisiert werden. Die traditionelle Aufteilung zwischen Mädchen und Jungen ist dabei vorherrschend: den Mädchen die Puppen, den Jungen die Traktoren. In einem Experiment wurden den Jungen Barbies und den Mädchen Lastwagen zum Spielen gegeben. Was haben sie gespielt? Ganz Unterschiedliches; aber einige Jungen spielten mit den Barbies »Krieg«, einige Mädchen mit den Lastwagen »Mutter, Vater, Kind«. Diese Prägungen sind wesentlich, auch wenn klar ist, dass sie nicht angeboren sind. Nicht alle Jungen verhalten sich traditionell männlich, nicht alle Mädchen verhalten sich traditionell weiblich, aber die Wahrscheinlichkeit, dass wir stereotypem Verhalten begegnen, ist höher als 50%. Damit sind diese Prägungen auch Orientierung; wir brauchen sie inhaltlich gar nicht zu teilen. Sogar wenn wir zur Aufhebung von stereotypem Verhalten beitragen wollen, um den persönlichen Spielraum für alle zu erweitern, ist es wichtig, einerseits die Stereotype zu kennen und andererseits stereotypes Verhalten zu erkennen. Wenn Kinder zwischen zwei und vier Jahren miteinander spielen dürfen, wählen sie meistens Mitspielende des gleichen Geschlechts. In diesen geschlechtshomogenen Gruppen bildet sich das heraus, was wir später Geschlechterrollen nennen. Zwar verbringen Mädchen und Jungen gleich viel Zeit mit Spielen, aber Jungen spielen sehr viel häufiger im Freien als Mädchen. Die Lieblingsspiele der Jungen sind Hartballspiele, Cowboy und Indianer, Räuber und Gendarm sowie Kriegspiele, die viel Platz brauchen, draußen und in größeren Gruppen gespielt werden müssen. Mädchen hingegen machen Puppen- und Brettspiele, die vorwiegend zu zweit und im Haus gespielt werden. Wenn überhaupt eine Mischung zwischen Mädchen und Jungen stattfindet, dann in der Form, dass sich Mädchen an den Spielen der Jungen
127 5.1 · Welches Spiel wird ausgewählt?
5
beteiligen; Jungen dagegen würden bei den Spielen der Mädchen in der Regel nur mitmachen, um zu stören. Im Schulalter bleiben die Gruppen, die zusammen spielen, meist geschlechtshomogen. Wesentlich ist, dass ein einzelnes Spiel für die Jungen über eine Stunde dauert. Nicht einmal die Hälfte der Spiele der Mädchen dauern so lange. Das heißt, dass die vorbereiteten Unterschiede im Verhalten sich zunehmend vertiefen. In »Frauen lernen fighten« fassen Heim und Golant zusammen, was Mädchen und Jungen im Spiel für stereotype Lektionen lernen.
Die Lektionen der Jungen Jungen spielen immer gegeneinander. Sie lernen, diese Gegnerschaft zu suchen, weil sie anregt, ja sogar Spaß macht. Sie lernen auch, dass mit Beendigung des Spiels das gewöhnliche Leben weiterläuft. Die härtesten Gegner im Spiel gehen anschließend miteinander Hausaufgaben machen, Videogames spielen usw. Für ihre Beziehung zueinander hat die Gegnerschaft im Spiel praktisch keine Bedeutung. In den Hartball-Spielen haben erwachsene Spieler immer einen Trainer. Jungen lernen, dass es von Vorteil ist, einen Spitzentrainer zu haben, wenn sie erfolgreich sein wollen. Sie lernen und trainieren, dass es Unterschiede in der Hierarchie gibt und dass sie immer unten einsteigen. Der Aufstieg ist klar vorgegeben: Tun, was der Trainer sagt und gut sein. Jungen lernen, dass sie – wenn sie einmal Star, Mannschaftskapitän oder Trainer werden wollen – sich zuerst als Teamspieler etablieren müssen. Sie müssen zeigen, dass sie andere unterstützen und die Pläne der anderen umsetzen können, damit das Team als Ganzes erfolgreich ist. Wenn ihr Team dank diesem loyalen Einsatz gewinnt, ist das die Belohnung dafür, dass sie den Anweisungen gefolgt sind und nicht eigenmächtig gehandelt haben. Das Team ist zudem nicht aus lauter Freunden zusammengestellt; man spielt am liebsten mit den Härtesten und Besten, auch wenn man denen sonst nicht gern über den Weg laufen würde. Im Spiel unterstützt man sie trotzdem mit hundertprozentiger Loyalität. In allen Mannschaften gibt es einen Kapitän; manchmal kommt es vor, dass der Trainer (noch) nicht anwesend ist. In dieser Situation üben einige, wie es ist, Führung zu übernehmen, zu sagen, was zu tun ist und darauf zu achten, dass es auch geschieht. Um in diesen Mannschaftsspielen erfolgreich zu sein, müssen Jungen lernen auszuteilen und einzustecken. Manchmal ist es nötig, sich zumindest so aufzuführen, als wäre man hart und aggressiv, auch wenn dies mit dem inneren Zustand nicht übereinstimmt. Dieses »Tun als ob« kann auch dazu dienen, die Gegner von allzu harten Angriffen abzuhalten. Um damit erfolgreich zu sein, lernen die Knaben, wie sie diese Aggressivität ausdrücken können: Körperausdruck, Mimik, verbale Attacken usw. Wer hört sie nicht, die ständigen Kritiken von der Trainerbank und von den anderen Spielern? Berühmt sind die Bilder der jubelnden Mannschaft, die sich begeistert auf den Torschützen wirft. Jungen lernen dabei, dass Lob und Kritik eine Rückmeldung auf ihre Leistung sind, die sie immer noch verbessern sollen. Sie üben auch, dass die Kritik ihrer Leistung und nicht ihrem in-
Worum gespielt wird: Konkurrenz
Immer tun, was der Trainer sagt
Ein guter Teamspieler sein
Ein Führer sein
Aggressiv sein oder sich aggressiv gebärden
Mit Kritik und Lob umgehen
128
Kapitel 5 · Wie bringen Sie sich ins Spiel?
Zielorientiert bleiben
Gewinnen ist alles
5
nersten Wesen gilt. Ihre Selbstachtung und ihr Selbstwertgefühl kann – auch wenn sie hart oder ungerecht kritisiert werden – unangetastet bleiben. Wenn es das Ziel ist, Tore zu schießen, lernen Jungen, dass sie alles dafür einsetzen müssen. Ein schönes »Dribbling« oder eine elegante Flanke sind o. k., aber noch besser ist es, ein Tor zu erzielen, auch wenn der Weg dorthin nicht so schön ist und ein Gegner vielleicht am Boden liegt. Jungen lernen, dass nicht die Perfektion zählt, sondern das Ergebnis. Obwohl immer wieder der olympische Gedanke, »mitmachen ist wichtiger als siegen« beschworen wird, lernen Jungen, dass es darum geht, zu gewinnen. Ohne Siegeswillen wird gar nicht gespielt. Um zu siegen, sind Jungen auch bereit, sich einzusetzen und auszusetzen. Wer nur defensiv spielt, hat keine Chance.
Die Lektionen der Mädchen Zu zweit spielen
Sich vertragen
Zu allen fair sein
Das Spiel als Prozess erleben
Über Differenzen verhandeln
Die Macht gleichmäßig verteilen
Mädchen spielen mehrheitlich mit einer weiteren Person; meistens mit ihrer besten Freundin. Sie ist also alles andere als eine Gegnerin, die geschlagen werden muss. Mädchen lernen hier vor allem Empathie: Wie geht es meiner Freundin, was kann ich für sie tun? Mädchen, die aggressiv sind oder versuchen, sich aggressiv zu gebärden, würden ziemlich rasch zurecht gewiesen. Von ihnen wird erwartet, dass sie ruhig, nett, sanft usw. sind. In ihren Spielen geht es denn auch nicht um Konfrontation und Selbstbehauptung – im Gegenteil: Solche Situationen sind tunlichst zu vermeiden. Da es aber trotzdem Reibung und Uneinigkeit gibt, üben Mädchen eher indirekte Lösungsmethoden: Sie schalten eine dritte Person ein, sie machen Andeutungen oder versuchen, das Problem zu ignorieren oder zu umgehen. Von zentraler Bedeutung ist, die Beziehung zueinander nicht zu stören. Mädchen nehmen den olympischen Gedanken wörtlich: Dabei sein, fair sein ist alles – gewinnen ist nebensächlich. Ein Spiel ist dann gelungen, wenn Konflikte mit Kompromissen gelöst werden können und alle mit dem Abschluss des Spiels zufrieden sind. Viele Spiele der Mädchen haben kein ausgesprochenes Ziel; sie sind oft angelehnt an Szenen in der Familie, der Umgebung und der Schule. Meistens kann man keine Punkte machen und es gibt auch nichts zu Gewinnen. Zweck des Spiels ist es, zusammen zu sein und fantasievolle Ideen miteinander zu teilen. Entscheidungen sollen in einen Konsens münden, das ist das Bedürfnis der Mädchen. Treten Differenzen darüber auf, was wo wie lange gespielt werden soll, gibt nicht ein Mädchen die Richtung vor, sondern alle lernen, sich miteinander zu besprechen und eine gemeinsame Lösung zu finden, die den verschiedenen Ansprüchen gerecht wird. Sie verhandeln miteinander und schaffen die berühmte »Win-win«-Situation. Die Spiele der Mädchen haben keinen Platz für einen Trainer oder eine Anführerin; sie sind flach organisiert. Die Mädchen lernen deshalb, eigenständig zu überlegen, Vorschläge zu entwickeln und einzubringen und in diesem Beziehungsnetz zu kooperieren. Wichtig ist es, die Freundschaften zu erhalten. Versucht ein Mädchen, sich in eine hierarchisch höhere Position zu bringen, von wo aus sie bestimmen kann, was und wie gespielt wird, leiden sofort ihre Beziehungen: Es wird gemieden, weil es die Notwendigkeit, die Macht untereinander gleichmäßig zu verteilen, nicht verstanden hat.
129 5.1 · Welches Spiel wird ausgewählt?
Rufen wir uns in Erinnerung: Diese Lektionen, die Mädchen und Jungen lernen, sind die Stereotype. Nicht sämtliche Mädchen halten sich vollständig daran, nicht alle Jungen übernehmen alle Regeln. Selbstverständlich finden wir immer Abweichungen auf beiden Seiten. Aber die Wahrscheinlichkeit, auf ein stereotypes Verhalten zu treffen, ist höher als 50%.
Sie wählen, was Sie gut können Wenn nun verschiedene Spiele zur Auswahl stehen, so wird Ihre Wahl spontan auf ein Spiel fallen, das Sie kennen und das Sie schon oft gespielt haben. Es leuchtet ein, dass in den überwiegenden Fällen Frauen und Männer verschiedene Spiele auswählen. Die Frage, wer letztlich bestimmen kann, was gespielt wird – also wer die Macht hat, die Regeln aufzustellen und durchzusetzen –, wird damit zentral. Wenn wir uns die aktuelle Situation an der Spitze der Wirtschaft, der Verwaltungen, der Politik und der Verbände in Erinnerung rufen, müssen wir davon ausgehen, dass in neun von zehn Fällen Männer das Spiel aussuchen. Damit kommen Frauen und Männer in eine Situation, die bei beiden sehr unterschiedlich ist: Wählt ein Mann das Spiel aus, ist es in der Regel ein Spiel, das sich auch viele andere Männer ausgesucht hätten, wenn ihnen die Wahl überlassen worden wäre. Es wählen also längst nicht alle Männer das Spiel aus, aber die überwiegende Anzahl spielt im »eigenen« Spiel mit. Ganz anders die Frauen: Die überwiegende Anzahl Frauen spielt in Spielen mit, die sie selbst nicht auswählen würden. Und nur eine Hand voll Frauen ist überhaupt in der Situation, das Spiel zu wählen. In diesen Spielen gibt es allenfalls noch eine gewisse Anzahl Frauen, die das Spiel zwar nicht selbst ausgewählt haben, aber in einem Spiel mitspielen, das ihrer Wahl durchaus entspricht. Die Voraussetzungen für Frauen und Männer sind also markant verschieden.
Welches Spiel schlagen Sie vor? Wenn wir die vielen unterschiedlichen Elemente betrachten, die ein Spiel charakterisieren, wird deutlich, dass sich für jeden Geschmack und jede Präferenz etwas finden lässt: Spiele: mit Körperkontakt in der Natur mit körperlicher Bewegung mit großem stimmlichem Einsatz mit Einzelzielen mit zentraler Glücks-, Zufallskomponente mit Spielleitung viele Beteiligte intellektuell herausfordernd mit materiellem Einsatz mit humoristischem Einschlag vor Publikum im Rahmen einer Spielorganisation
ohne Körperkontakt in Räumen im Sitzen praktisch ohne Laut mit Teamzielen Können/Leistung sind im Vordergrund in Eigenregie wenige Beteiligte motorisch herausfordernd ohne materiellen Einsatz mit ernstem Charakter ausschließlich unter den Spielenden als abgeschlossenes Einzelspiel
Wer hat die Macht, Regeln aufzustellen?
5
130
Kapitel 5 · Wie bringen Sie sich ins Spiel?
Versuchen Sie herauszuspüren, was für Spielsituationen Sie aktiv schaffen, wenn Sie Gelegenheit dazu haben, und welche Spielsituationen Sie entweder meiden oder Sie eben zum Mitmachen animieren.
5.2
Was für eine Spielnatur sind Sie?
Ist einmal ein Spiel angesagt, beobachten wir, dass verschiedene Personen sich sehr unterschiedlich daran beteiligen.
5
Was ist Ihr Impuls zum Mitspielen? In dieser Tabelle sind Impulse dargestellt, warum Sie in ein Spiel einsteigen können. 1. »Ich will gewinnen« Ich zeige allen, wie gut ich bin.
2. »Euch zeig ich’s« Ich bin besser, ich messe die Kräfte mit allen; ich kämpfe gern.
3. »Das wird ein Spaß« Ich probiere aus und setze mich ein.
4. »Ich bin auch dabei« Ich bin gern mit euch; wir könnten auch etwas anderes machen, aber spielen ist auch o. k.
5. »So geht die Zeit um« Ich habe im Moment nichts Wichtigeres zu tun und gerade noch Zeit für ein Spiel.
6. »Mal sehen« Ich bin neugierig, wie die Mitspielenden sind und wie das Spiel geht.
7. »Weil eine Person fehlt« Ich fülle die Lücke, damit überhaupt ein Spiel stattfinden kann.
8. »Ich kann nicht nein sagen« Ich lasse mich überreden, obwohl ich weder Zeit noch Lust habe.
9. »Nur dieses eine Spiel« Ich habe zwar klare Pläne, was ich tun müsste, aber spiele – nur eine Runde! –zur Ablenkung.
1–3: Das Spiel lockt
4–6: Das Spiel bietet etwas
Die Möglichkeiten, die das Spiel bietet, haben eine so starke Anziehung, dass Sie auf jeden Fall mit dabei sein möchten. Vielleicht sind Sie sogar diejenige oder derjenige, die/der zum Spiel einlädt oder andere herausfordert. Siegen, sich messen und Spaß haben sind mögliche Triebfedern, einzusteigen. Die Mitspielenden sind voll Begeisterung mit von der Partie und versuchen, im Spiel für sich das Maximum herauszuholen. Bei diesen Beispielen ist es nicht unbedingt oder ausschließlich das Spiel selbst, das Sie überzeugt, mitzuspielen. Es ist eher ein Bedürfnis, das Sie durch Mitspielen besser befriedigen können als mit Abseitsstehen. Dieses mäßige Interesse kann auch unterschiedliche Motivationen haben. Die Beziehung zu den Mitspielenden ist im Zentrum – mit ihnen möchten Sie auf jeden Fall gemeinsam etwas tun. Wenn spielen vorgeschlagen ist, spielen Sie mit. Für Sie ist es zentral, dass Sie nicht ausgeschlossen sind. Wenn Ihnen selbst aktiv nichts einfällt, sind Sie zuweilen froh, wenn andere einen Vorschlag machen. Bis Sie wieder eine klare Verpflichtung haben, reicht es, dass Sie zusammen ein Spiel spielen. Damit wird spielen zum Zeitvertreib. Das Inter-
131 5.2 · Was für eine Spielnatur sind Sie?
esse kann auch nach außen gerichtet sein: Sie können Ihre Neugier stillen; sei es die Neugier, Leute in Aktion zu beobachten oder ein neues Spiel auszutesten. Sie sind eigentlich nicht sehr motiviert, mitzuspielen, aber Sie spielen, weil die Alternativen außerordentlich unangenehm sind oder Ihnen sogar Nachteile bringen. Die Gründe dafür können in Ihrer Person oder im Umfeld liegen; beides kann die gleiche starke Wirkung entfalten. Da wäre die klassische Funktion der Lückenbüßerin oder des Lückenbüßers zu nennen: Wenn eine Person fehlt, kann gar nicht gespielt werden. So werden Sie dringend gebeten einzuspringen. Wenn Sie nicht mitspielen, werden Sie quasi zur Spielverderberin oder zum Spielverderber. Ein bisschen anders gelagert ist die Situation, wenn Sie zwar mitspielen, aber eigentlich klar nicht wollen. Sie können nicht aus Ihrer Haut heraus und sagen – »contre coeur« – zu. Dass Sie so entscheiden, kann in Ihrer Person liegen, weil Sie ungern Nein sagen. Sie können aber auch Nachteile vermuten, wenn Sie nicht mitmachen und deshalb glauben, dass Sie sich kein Nein leisten können. Ein wenig anders liegt der Fall, wenn Sie zwar etwas zu erledigen hätten, sich aber durch eine Einladung zum Spiel von Ihrer Aufgabe ablenken lassen. Sie bleiben dann »nur noch dieses eine Spiel«, bevor Sie Ihre geplante Aktivität aufnehmen. Das Mitspielen wird innerlich zur Rechtfertigung, die Aufgabe nicht anzupacken.
5
7–9: Wenn’s denn nicht anders geht
»Ich spiele nicht gern« In Seminaren sind mir einige Personen begegnet, die von sich sagen, dass sie nicht gern spielen. Das ist eine schwierige Feststellung, wenn wir davon ausgehen, dass immer gespielt wird – ob wir nun wollen oder nicht. Wer nicht gern spielt, ist nur ein/e mäßig interessante/r Mitspieler/in. Von dieser Person wird etwas verlangt oder vorausgesetzt, was sie nur schwer liefern kann. Niemand wird von einem Tag auf den anderen eine Spielnatur, die begeistert mitmacht. Wenn Sie an sich diesen Charakterzug entdecken, versuchen Sie herauszufinden, was Sie tun können. Ihre Überlegungen gehen dabei in zwei Richtungen – für sich selbst und gegenüber den Mitspielenden: Finden Sie für sich heraus, wie Sie strategisch Ihre Ziele trotz mittlerer Spielbegeisterung erreichen können. Dabei suchen Sie sich Spielzüge aus, die Ihren Möglichkeiten entgegenkommen. Gegenüber den Mitspielenden geht es in erster Linie darum zu signalisieren, dass Sie das Spiel nicht verderben wollen. Sie suchen den Dreh, wie Sie mit Ihrer beschränkten Begeisterung ein/e akzeptierte/r Mitspieler/in werden. Die Spielunlust oder Abneigung gegen das Spiel – v. a. auch in professionellen Zusammenhängen – kann daher kommen, dass Sie die Situation als ernst einstufen. Vielleicht assoziieren Sie mit dem Begriff Spiele v. a. die spielerischen Elemente. Sie haben klar den Eindruck, dass die herrschende Atmosphäre nichts mit spielerischen Elementen gemeinsam hat. Sie geben mit der Ablehnung des Spiel zu erkennen, dass Sie eine ernsthafte Person sind. Durch die bisherigen Ausführungen wurde aufgezeigt, dass spielen nicht eindeutig zu definieren ist. Der Charakter des Spiels oder die Spielatmosphäre werden immer wieder neu durch die Spielenden bestimmt. Meistens macht ein und dasselbe Spiel unterschiedliche Phasen durch: ernste und heitere.
Weshalb spielen Sie nicht gern?
Ernst schafft Unlust im Spiel
132
Kapitel 5 · Wie bringen Sie sich ins Spiel?
Meine Beobachtung ist, dass vor allem Frauen mit großem Ernst bei der Sache sind. Den meisten Frauen ist es sehr ernst, wenn sie sich einsetzen. Es ist vielen Frauen klar, dass sie nicht weit kommen, wenn sie nur locker und spielerisch vorgehen. Sehr oft gibt es Spielsituationen, bei denen nicht alle Züge strikt vorgegeben sind; diese laden dazu ein, ausgelotet und ausgereizt zu werden. Dies zu nutzen, setzt eine gewisse Spielfreude und Lockerheit voraus oder die Bereitschaft, etwas auszuprobieren. Zu verstehen, dass die Ernsthaftigkeit und die Spielfreude durchaus zwei Seiten derselben Medaille sein können, ist möglicherweise der Schlüssel für das Verständnis der Situation. Wer beide Seiten einsetzen kann, zeigt, dass sie/er ihre/seine Handlungsspielräume nutzt. Da heute nach wie vor eher wenige Frauen über diese Möglichkeiten verfügen, wird es interessant sein zu beobachten, was für Spiele sie installieren, wenn sie das Sagen haben. Wen können Sie in Ihre Spiele integrieren? Wie können Sie Regeln installieren und wie durchsetzen, dass diese eingehalten werden? Wie ist die Spielatmosphäre? Das wird sich zeigen, wenn mehr Frauen Gestaltungsmöglichkeiten bekommen werden.
5
5.3
Situationen nach Trümpfen absuchen
Wie erkennen Sie Ihre Trümpfe im Spiel?
In den meisten Spielen sind die erlaubten Spielzüge genau beschrieben. Es ist von vornherein klar, womit sich Ihre Siegeschancen erhöhen können. In verschiedenen Kartenspielen (Skat, Doppelkopf, Jass) gibt es bestimmte Karten, die Trümpfe genannt werden. Wenn Sie eine solche Trumpfkarte ausspielen, stechen Sie damit die anderen. Niemand kann Ihre Trumpfkarte unwirksam machen. In anderen Spielen sind es nicht so sehr einzelne Karten, sondern eher Situationen, die Sie praktisch zwingend zu Ihren eigenen Gunsten nutzen können. Wenn solche Situationen entstehen oder wenn Sie solche Situationen herbeiführen können, haben Sie ebenfalls Trümpfe in der Hand. Je nach Spiel helfen Ihnen dabei weitsichtiges Vorausschauen, Beobachten des Verhaltens der Mitspielenden oder der erfolgreiche Einsatz von offensiven und defensiven Strategien. Was nicht vergessen werden darf: In den meisten Spielen ist auch ein Zufallsfaktor eingebaut. Das Glück beim Würfeln oder beim Ziehen einer Karte aus einem gemischten Stapel usw. bestimmt mit, ob Ihnen Trümpfe zufallen oder nicht. Wesentlich ist aber, dass Sie üben wahrzunehmen und abzuschätzen, ob Sie Trümpfe haben oder nicht. Trümpfe in dem Sinn, dass niemand Ihren Spielzug wirkungsvoll unterbrechen kann. Manchmal ist ein solcher Trumpf nur kurzfristig vorhanden, dann ist er in dieser kurzen Zeit unbedingt zu verwerten. Ein anderes Mal können Sie ihn eine ganze Runde halten; dann gilt es, den günstigsten Zeitpunkt für den Einsatz zu finden. Machen Sie sich aber klar, dass Sie ihn einsetzen, sonst bleiben Sie am Ende darauf sitzen und bekommen auch noch Strafpunkte, wie z. B. bei UNO.
133 5.4 · Wie verhalten Sie sich im Spiel?
5.4
5
Wie verhalten Sie sich im Spiel?
Wenn Sie sich an einem Spiel beteiligen, wählen Sie bewusst oder unbewusst immer eine Strategie, um zum erwünschten Ergebnis zu kommen. Die Schritte oder Spielzüge, die Sie auswählen, sind innerhalb eines Spiels beschränkt. Trotzdem ist es interessant zu sehen, dass identische Spielzüge sich unterschiedlich auswirken können, wenn sie von verschiedenen Menschen ausgeführt werden. Das kann damit zusammenhängen, dass das Verhalten der Spielenden – es wird von Angesicht zu Angesicht gespielt – ebenfalls eine Komponente darstellt, die Sie in Ihre Überlegungen einbeziehen. Erkenntnisse aus der Forschung zeigen, dass wir bei Menschen verschiedene Kommunikationsstile vorfinden, die ihr Verhalten prägen. Umgekehrt prägen die ausgedrückten Kommunikationsstile auch die Art, wie wir das Verhalten anderer Personen interpretieren. Diese Einschätzungen anderer Menschen und das Eingeschätzt werden durch andere bilden die Basis für die Entscheidung, was wir als Nächstes unternehmen werden, d. h. ob wir die Kommunikation fortsetzen oder uns abwenden. Deborah Tannen, eine Sprachwissenschaftlerin, hat mit Analysen von Gesprächsstilen aufgezeigt, wie Kommunikation funktioniert – oder nicht:
Spielen ist Kommunizieren
Indirektheit, bestimmte Formen von Fragestellung oder von höflichen Absagen, sind Aspekte des Gesprächsstils. Auch durch unser Sprechtempo, durch Lautstärke, Tonfall und Wortwahl, wie auch durch das, was wir tatsächlich sagen und wann wir es sagen, senden wir Signale aus. Zwischen diesen sprachlichen Gängen schalten wir dauernd hin und her und steuern damit unsere Gespräche, aber wir sind uns dessen nicht bewusst, weil für uns die Intention (unverschämt, höflich, interessiert) und der Charakter (sie ist nett, er nicht) im Vordergrund stehen (D. Tannen, 1999, S. 28, Das hab’ ich nicht gesagt!). Anhand dieser Erkenntnisse ist auch unser Verhalten und unsere Einschätzung der Mitspielenden zu beobachten und zu untersuchen. Wir begegnen oft unerklärlichem Verhalten, obwohl wir den Beteiligten gute Absichten und einen feinen Charakter attestieren. Es stellt sich deshalb die Frage, welche Aspekte – Zeichen der Annäherung oder Distanzierung – dazu führen, dass andere auf unsere Sprechweise auf eine Weise reagieren und Schlüsse daraus ziehen, die wir nie für möglich halten würden. Deborah Tannen entwickelt das Konzept »Gesprächsstil« und erklärt, was Gesprächsstil bedeutet und wie er funktioniert. Informationen, die wir durch Wörter und ihren Bedeutungen vermitteln, nennen wir Mitteilung. Was sich über unsere Haltung in einer Situation mitteilt, ist die Metamitteilung. Auf die Metamitteilungen reagieren wir stark. Wer im Spiel ruft, dass es ihr/ihm überhaupt nichts ausmache, eine Runde zu verlieren, dabei aber einen hochroten Kopf hat, wirkt auf uns unglaubwürdig. Wir nehmen die Metamitteilung ernst und gehen davon aus, dass sie/er ziemlich getroffen, verärgert, enttäuscht ist. Obwohl wir auf die Metamitteilung reagieren, machen wir selten eine Bemerkung darüber, dass das Gesagte nicht mit unserer Interpretation, also die Mitteilung mit der Metamitteilung über-
Die Metamitteilung
134
Kapitel 5 · Wie bringen Sie sich ins Spiel?
5 Verbundenheit und Unabhängigkeit und ihre Bewertung
Information und Höflichkeit im Gespräch
einstimme. Wir reagieren auf die Metamitteilungen und alles geht seinen gewohnten Gang. Linguistische Begriffe und Konzepte können für das Verständnis der Kommunikation und damit für das Verständnis von Beziehungen einen wichtigen Beitrag leisten. Die allgemeinen menschlichen Bedürfnisse, die uns zur Kommunikation antreiben – das Bedürfnis, mit anderen verbunden zu sein, und das Bedürfnis, unabhängig zu sein –, sind durchaus widersteitend. Das Bestreben, beide Bedürfnisse zu erfüllen, bringt uns in einen Zwiespalt, der in der Linguistik »double bind« genannt wird. Das linguistische Konzept, mit dem wir beide Bedürfnisse befriedigen können, wird »Höflichkeit« genannt. Auf »Double bind«-Situationen reagieren wir durch Metamitteilungen. Dass wir Nähe zu anderen Menschen brauchen, damit wir das Gefühl der Gemeinschaft haben und auch das Gefühl, nicht allein auf der Welt zu sein, wird uns bestimmt von allen Seiten bestätigt. Wir brauchen aber auch Distanz zu anderen, damit wir unsere Unabhängigkeit bewahren können. Zwischen diesen beiden Polen bewegen wir uns ständig. Wir sind gleichzeitig Individuen und soziale Wesen. Je nach Situation schmerzt es uns, dass wir Distanz brauchen oder genau davon zuviel haben. Mit dem Bedürfnis nach Verbundenheit geht es uns ebenso. In diesem Zwiespalt leben wir alle mehr oder weniger gut. Schwierig wird es aber zusätzlich, wenn wir in einer Kultur leben, die das eine oder das andere als eindeutig besser bewertet. Wenn Unabhängigkeit der oberste Maßstab der Beziehungen ist, äußert sich das in der Kommunikation darin, dass die Informationsebene die allein entscheidende und einzig wichtige ist. Personen, für die Unabhängigkeit so wichtig ist, wirken eher wortkarg und reagieren eher genervt, wenn sie glauben, es werde »nicht zur Sache« gesprochen oder gar »geplaudert«. Auch während der Spiele können in dieser Beziehung sehr unterschiedliche Stile beobachtet werden. Ein anderer Aspekt des Verhältnisses zwischen Verbundenheit und Unabhängigkeit drückt das Feilschen und Verhandeln aus: Mindestens so wichtig, wenn nicht gar wichtiger als das Ergebnis ist das Verhandeln selbst. Damit wird dem Aspekt des Verbundenseins eine hohe Bedeutung zugeordnet. Wer eher dem Ideal der Unabhängigkeit folgt, wird das Feilschen und Verhandeln als lästig empfinden und nach Möglichkeit meiden. In Spielen, in denen Verhandeln eine wesentliche Komponente darstellt, kann die Bewertung von Verbundenheit und Unabhängigkeit, wie sie von den Mitspielenden vorgenommen wird, durchaus wesentlich sein. Das Verständnis über bestimmte Reaktionen von Mitspielenden ebenso. Wenn wir von der abstrakten Möglichkeit ausgehen, dass wir objektive Informationen ohne störende Faktoren vermitteln könnten und dass dies erwünscht ist, ist immer noch offen, ob es in einer konkreten Situation angebracht ist, auf diese Weise zu kommunizieren. Da wir immer zwischen dem Bedürfnis nach Verbundenheit und Unabhängigkeit pendeln, werden wir nicht in jedem Fall mit »objektiven Tatsachen« herausplatzen, weil dies einen negativen Effekt auf die Verbundenheit haben könnte. Wir möchten deshalb gern abschätzen können, was die anderen denken und wollen. So könnten wir unsere Pläne ggf. einordnen oder sogar anpassen. Dieses Verhalten wird als »Höflichkeit« in einem umfassenden Sinn bezeichnet.
135 5.4 · Wie verhalten Sie sich im Spiel?
Höflichkeit kann je nach Situation genau geregelt sein oder sehr frei interpretiert werden. Die Mehrdeutigkeit, die mit der Höflichkeit erzeugt wird, gibt immer wieder zu Missverständnissen Anlass. Auch im Spiel ist diese Zwickmühle anzutreffen. Höflichkeit ist durchaus ein zweischneidiges Schwert: Jedes Verhalten kann – je nach Situation – als Höflichkeit gemeint und aufgefasst oder als Taktlosigkeit gemeint und verstanden werden. Etwas Bestimmtes zu sagen oder genau das zu verschweigen, kann als freundlich oder aber auch als ignorant verstanden werden. Wenn Sie im Spiel Ihr Gegenüber darüber informieren, dass Sie einem Sieg sehr nahe sind, wird wohl Ihr Minenspiel anzeigen, mit welchem Kommunikationsziel Sie dies machen: Suchen Sie Verbundenheit durch die Einladung an die Mitspielenden, Punkte aufzuholen und im Spiel zu bleiben, oder zeigen Sie eher die Distanz der angehenden Siegerin oder des angehenden Siegers, die/der gefeiert werden will? In jeder Kommunikation steckt auch das Risiko von Missverständnissen. Eine klassische Situation wird so beschrieben, dass die eine Seite davon ausgeht, dass gilt, was sie gemeint hat, während die andere sich darauf stützt, was sie verstanden hat. Das kommt daher, dass die Zuhörenden in die Haut des Gegenübers schlüpfen: Was hätten Sie gemeint, wenn Sie selbst das Gleiche gesagt hätten? Und zwar, ohne Rückfrage, ob diese Interpretation tatsächlich stimmt. Wir gehen dann davon aus, dass es so war, wie wir es interpretieren. Solche Situationen können noch zusätzlich erschwert werden, wenn die Beteiligten aus verschiedenen Kulturen stammen. Alles, was einer Person als »normal« oder »selbstverständlich« erscheint, kann bei einer anderen Person große Irritationen auslösen. Informationen und Metamitteilungen werden interpretiert und beide können Missverständnisse auslösen. Tempo und Pausen strukturieren ein Gespräch. Es ist klar, dass nicht nur eine Person spricht, sondern dass abgewechselt wird – aber wann? Je nach Gepflogenheit warten Sie ab, bis Ihr Gegenüber nicht mehr spricht oder sich mit einer Frage an Sie wendet. Vielleicht ist es bei Ihnen normal, dass Sie sprechen, wenn Ihnen etwas einfällt, egal, ob die andere Person noch spricht oder nicht. Beide Verhalten drücken lediglich einen Stil aus – keines ist besser als das andere. Wichtig ist, den eigenen Stil zu identifizieren und den des Gegenübers zuzuordnen. Damit kann das eine oder andere Missverständnis ausgeräumt werden. Die Lautstärke gibt uns auch Hinweise auf der Metaebene: Wer leise spricht, gilt als eher zurückhaltend; wer laut spricht, wird potenziell als bestimmt eingestuft. Da jede Äußerung auch eine Lautstärke hat, sind wir geübt, dieser Lautstärke eine Metamitteilung zuzuordnen. Welche Lautstärke wir bei den Mitspielenden schätzen, ist uns meistens bewusst. Es lohnt sich aber während des Spiels auch hinzuhören, wie laut oder leise wir selber sprechen und wie die anderen auf uns reagieren. Manche werden mit der Spannung und Aufregung leiser, manche lauter. Mit der Tonhöhe und der Intonation verbinden wir ebenfalls bestimmte Metamitteilungen, die wir in unserer Kultur, in unserer Schicht oder mit unserer Geschlechtszugehörigkeit erlernt haben. Was die einen als höflich empfinden, klingt für andere bereits grob. Auch hier kann es sich um unterschiedliche Gesprächsstile handeln.
Gemischte Metamittelungen
Gesprächssignale
5
136
Kapitel 5 · Wie bringen Sie sich ins Spiel?
Gesprächsmittel
Ausdrucksstarke Reaktion
5 Fragen stellen
Die Kunst der rituellen Klage
Mit gutem Beispiel vorangehen
Wir fügen die Gesprächssignale zu Mustern zusammen und kreieren unseren Gesprächsstil; andere Leute können uns oft anhand dieses Gesprächsstils identifizieren. Tannen identifiziert vier Muster: ausdrucksstarke Reaktion, Fragestellung, Klage und Entschuldigung. Wenn eine Person spricht, können andere still zuhören oder aber intensiv kommentieren, ohne wirklich einzugreifen. »Super!«, »Nein, so was!« – alles immer mit Ausrufezeichen. Damit ergeben sich ganz unterschiedliche Atmosphären. Sie haben bestimmt eine Vorliebe und/oder eine Abneigung gegen die eine oder andere Verhaltensweise. Im Spiel ist das Kommentieren von Spielsituationen oder das Ignorieren von neuen Situationen ein wichtiges Mittel, sich im Spiel zu platzieren. Wer eine Frage stellt, bittet damit auf der Ebene der Mitteilung um eine Information. Ob damit auch die Botschaft einer versteckten Andeutung oder einer Unverschämtheit transportiert wird, interpretieren wir auf der Ebene der Metamitteilung. Fragen können auch das Interesse und Wohlwollen gegenüber der sprechenden Person zeigen – Fragen halten oft das Gespräch in Gang. Im Spiel wird viel gefragt, manchmal zur Information, oft auch nur rhetorisch und hin und wieder auch zur Verwirrung. Achten Sie also auf Fragen und platzieren Sie selbst Fragen möglichst bewusst. Hören Sie die ständigen Klagen über schlechte Karten oder über die einen schlechten Würfelwurf? Das wird von den Teilnehmenden sehr unterschiedlich aufgefasst. Die einen weisen die Klagenden zu Recht und darauf hin, dass sie in Führung liegen. Andere stimmen in die Klagen ein und klagen mit. Je nach dem reagieren die Klagenden amüsiert, »verschnupft«, beleidigt, befriedigt oder verärgert. Denn: Rituelles Klagen ist auf der Metaebene zu verstehen und kann einfach stehen gelassen werden. Wer sich entschuldigt oder eigene Schwächen offenbart, muss damit rechnen, dass das Gegenüber interpretiert, ob die Mitteilung oder die Metamitteilung ankommt. Je nachdem können schwere Missverständnisse und Missstimmungen entstehen: Wer eine Entschuldigung nur pro forma meint, wenn ein echtes Bedauern erwartet wird, muss mit Störungen in der Kommunikation rechnen. Ebenso ergeht es einer Person, die nach einer Selbstenthüllung von Schwächen damit rechnet, dass das Gegenüber ebenfalls eigene Schwächen offenbart. An Stelle von Schwachstellen bekommt sie »gute Ratschläge« zu hören und wird sich missverstanden fühlen. Auch dieses Gesprächsmittel kommt in Spielen sehr häufig zum Einsatz. Spiele müssen auch in Gang gehalten werden, genauso wie Gespräche. Es ist deshalb interessant, die Anregungen aus der Kommunikation fürs Spielen zu nutzen. Im Allgemeinen nehmen wir die Gesprächssignale und -muster gar nicht im Einzelnen wahr. Erst wenn wir irritiert sind, fragen wir uns, was wohl nicht ganz stimmt. Wir erkundigen uns, was gemeint sei oder ob die/der andere verärgert ist, dabei fragen wir uns nicht technisch, in welcher Tonhöhe gesprochen wurde oder ob wohl ein Klageritual zu interpretieren wäre. Trotzdem ist es hilfreich, für sich selbst die verschiedenen Elemente hin und wieder zu beobachten und in einer ausgewählten Situation oder bestimmten Personen gegenüber bewusst etwas zu ändern. Wenn es gelingt, das eine oder
137 5.5 · Nutzen Sie Ihre Ressourcen
andere Element zu variieren, kann der Effekt spontan überraschen; mittelfristig ist die Wirkung aber meist sehr überzeugend.
5.5
Nutzen Sie Ihre Ressourcen
In jeder Situation haben wir immer einen Entscheidungsspielraum – mal einen größeren, mal einen kleineren. Diesen Entscheidungsspielraum gilt es zu nutzen. Wenn Sie eine strategische Organisationsanalyse gemacht und ein Bild davon haben, wie Ihre Organisation grundsätzlich funktioniert, werden Sie herausfinden, mit welchen Personen Sie mit Spielen verbunden sind. Sie finden heraus, was gerade gespielt wird. Damit kommen Sie auf die persönliche Ebene und es fallen weitere Entscheidungen an: Bleiben Sie in allen Spielen drin? Steigen Sie aus einem Spiel aus? Spielen Sie mit in einem Spiel in einer entscheidenden Phase, lassen Sie in einem anderen Spiel ein bisschen die Zügel schleifen? Damit Sie solche Entscheidungen fällen können, ist es hilfreich, wenn Sie sich über Ihre Spielnatur und Ihren Kommunikationsstil Gedanken gemacht haben. Daraus erhalten Sie Ideen, welche Spiele Sie eher meiden bzw. suchen sollten. Sie spüren schneller, wann Sie sich auf dünnes Eis begeben oder ob Sie sich in einem Heimspiel befinden. Auch die Beobachtung der Mitspielenden ist eine Grundlage für Entscheidungen, die das eigene Handeln betreffen. Schätzen Sie ein, wie sicher sich die eine oder der andere in den Spielen bewegt und welchen Kommunikationsstil sie pflegen. Sie können sich entsprechend darauf einstellen und damit Ihre eigenen Pläne bewusst verfolgen. Gehen Sie davon aus, dass Sie und alle anderen jederzeit neue Entscheidungen treffen können. Alle Beobachtungen dienen zur Orientierung, sie bieten aber nie eine hundertprozentige Sicherheit: Planen Sie Ihr Vorgehen – ab und zu werden Sie trotzdem positive und negative Überraschungen erleben. Wir haben es mit Menschen und nicht mit Maschinen zu tun und nehmen für uns alle das Recht der Entscheidungsfreiheit in Anspruch.
Entscheidungsspielraum ausloten
Rechnen Sie mit der Dynamik im Spiel
5
6 Auf in die nächste Runde 6.1
Lassen Sie sich inspirieren
– 141
6.2
Spielbeschreibungen in alphabetischer Reihenfolge
– 142
140
Kapitel 6 · Auf in die nächste Runde
Finden Sie Ihr Spiel!
6
Sie haben nun einen theoretisch-analytischen Hintergrund, um eine Situation genauer zu betrachten. Die Praxisbeispiele haben Ihnen aufgezeigt, wie vorgegangen werden kann und was für Lösungsansätze gefunden wurden. Für Ihre spezifische Situation ist es noch einmal anders. Sie werden die zutreffende Erklärung selbst erarbeiten. Da erfahrungsgemäß die Suche nach dem passenden Spiel die zentrale Aufgabe darstellt, finden Sie in diesem Kapitel eine Zusammenstellung von Spielen mit sehr kurzen Erläuterungen dazu. Diese Zusammenstellung kann nicht umfassend sein; sämtliche Unexaktheiten gehen auf das Konto der Autorin. In der Tabelle ( rechts) sind die nachstehend erklärten Spiele nach verschiedenen Kriterien geordnet. Ihre Inspiration kann also den Ausgangspunkt bei der Spielanordnung und bei der Anzahl der Beteiligten haben. Damit finden Sie in der Tabelle Spiele, die für Ihre Spielanordnung zutreffen könnten. Testen Sie bei der Spielbeschreibung, welches am ehesten zutrifft. Sie können sich auch durch die Spielbeschreibungen tasten und anhand der Spielziele und Spielzüge Rückschlüsse auf Ihre eigene Situation ziehen.
141 6.1 · Lassen Sie sich inspirieren
6.1
Lassen Sie sich inspirieren
Allein
Zu zweit
Zwei bis fünf
Beliebig viele
Eiskunstlaufen
Armdrücken
Carcaçonne
Abzählvers
Jodelkonkurrenz
Backgammon
Domino
Alle gegen alle
Boxen
Doppelkopf
Orientierungslauf
Eiskunstlaufen
Fang den Hut
Fechten
Jass
Dreh dich nicht um, der Plumpsack geht um
Patience Puzzle Solitaire
JodelJodelkonkurrenz konkurrenz Leiterspiel Judo Fingerhakeln
Mühle
Ligretto
Puzzle
Lügen
Ringen
Malefiz
Schach
Mäxchen
Schwingen
Mensch ärgere dich nicht! (Eile mit Weile)
Tennis
Jägerball Jodelkonkurrenz König-Kaiser Ochs am Berg Puzzle Roulette Fangen Schokoladenspiel Schnitzeljagd
Mikado
Verstecken
Monopoly
Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann?
Puzzle Poker Quartett Risiko Rommé Schwarzer Peter Tabu UNO
Wir kommen aus dem Morgenland Wort erraten
6
142
Kapitel 6 · Auf in die nächste Runde
Mit Würfeln
Mit Karten
Backgammon Doppelkopf Fang den Hut Jass
6
Mit Brett
Mit Rennen
Als Team
Backgammon Dreh dich nicht um, Carcaçonne der Plumpsack geht um Eile mit Weile Fangen
Eishockey
Fang den Hut Jägerball Leiterspiel Verstecken
Schnitzeljagd
Leiterspiel
Ligretto
Malefiz
Lügen
Mäxchen
Poker
Mensch ärgere dich nicht (Eile mit Weile)
Rommé
Monopoly
Quartett
Mensch ärgere dich nicht
UNO
Monopoly
Schwarzer Peter
Malefiz
Schach
Orientierungslauf Rugby
Wasserball
Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann? Wir kommen aus dem Morgenland Wort erraten
6.2
Spielbeschreibungen in alphabetischer Reihenfolge
Abzählvers
Die Mitspielenden stehen oder sitzen in einer Reihe und eine Person zählt nach einem bestimmten Vers ab. Auf jede Person kommt immer eine Silbe. Die- oder derjenigen, auf die oder den die letzte Silbe des letzten Wortes trifft, ist ausgeschieden, auserwählt usw.
Alle gegen alle
Wer den Ball in der Hand hat, versucht eine/n Mitspielende/n zu treffen. Wer getroffen wird, muss sich setzen; es bleiben immer weniger übrig. Als Variante kann erlaubt werden, dass das Berühren des Balles ein »neues Leben« gibt. Das Spiel kann beschleunigt werden, wenn nach einer gewissen Zeit ein zweiter und dritter Ball ins Spiel kommt. Wer als letzte/r Spieler/in steht, hat gewonnen.
Armdrücken
Das ist ein Kräftemessen zwischen zwei Personen, die sich an einem Tisch gegenüber sitzen. Eine Hand haben sie auf dem Rücken; der Ellbogen des anderen Arms ist auf die Tischplatte aufgestellt, die Gegner/innen fassen sich an der Hand. Nach einem Signal drücken beide Seiten so lange, bis ein Handrücken die Tischplatte berührt. Die/derjenige hat den Zweikampf verloren.
Backgammon
Bei diesem Spiel werden je 12 schwarze und weiße Steine in bestimmter Anzahl auf bestimmte Felder des Brettes gelegt. Der Wurf mit zwei Würfeln gibt abwechselnd die Angabe, wie viele Felder gegangen werden dürfen. Weiß spielt sich durch das Feld, um die weißen Steine am Eingang von Schwarz hinauszuspielen, Schwarz macht es umgekehrt. Liegt ein gegnerischer Stein allein und wird genau darauf gespielt, wird er aus dem Spiel genommen und
143 6.2 · Spielbeschreibungen in alphabetischer Reihenfolge
muss am Eingang wieder hineingewürfelt werden. Wer zuerst alle eigenen Steine aus dem Feld gespielt hat, hat gewonnen. Vergleiche Federball.
Badminton
Dies ist eine Variante des Jasskarten-Spiels, das mit drei Personen gespielt wird. In jeder Runde wir nur gespielt, wenn ein Angebot zustande kommt. Es wird geboten: Wie viele Punkte macht die bietende Person gegen die beiden anderen? Die Person mit dem höchsten Angebot gibt den Trumpf an, spielt aus und versucht, die gebotene Anzahl Punkte in dieser Runde zu erreichen. Die beiden Überbotenen versuchen gemeinsam, dies zu verhindern. Wird das Angebot eingespielt, bekommt die/der Bieter/in zwei Punkte; gelingt dies nicht, erhalten die anderen beiden je einen Punkt. Die nächste Runde beginnt wieder mit Bieten. Kommt kein Angebot zustande, werden die Karten neu verteilt. Wer die meisten Punkte macht oder als Erste/r die vereinbarte Punktzahl erreicht, hat gewonnen.
Bieter
Einer Person werden die Augen verbunden. Sie wird von den Mitspielenden mehrfach im Kreis gedreht, damit sie die Orientierung verliert. Dann versucht sie, eine Person zu fassen und zu identifizieren. Die Mitspielenden stehen stumm in einem Kreis um die »blinde Kuh« herum. Wird die Person identifiziert, werden ihr die Augen verbunden. Damit hat die »blinde Kuh«als Position im Spiel gewechselt. Es gibt keine Gewinnerinnen und Gewinner in diesem Spiel.
Blinde Kuh
Boxen ist ein Zweikampf. In einem mit Seilen begrenzten Rechteck versuchen die Beteiligten – mit gepolsterten Handschuhen ausgerüstet – sich gegenseitig so harte Schläge von der Taille an aufwärts zu versetzen, bis eine Person kampfunfähig (»knocked out«, k. o.) ist oder die vereinbarte Dauer des Kampfes abgelaufen ist. Im zweiten Fall gewinnt, wer mehr wirkungsvolle Treffer landen konnte.
Boxen
Bei diesem Brettspiel werden Burgen gebaut und Eigentum an Wiesen und weiteren Ressourcen erspielt. Reihum wird aus den offen daliegenden Bausteinen einer ausgesucht und angebaut. Je nach Situation kann damit Eigentum begründet oder fremdes Eigentum erweitert werden. Das Spiel ist beendet, wenn alle Bausteine im Bild sind. Gewonnen hat, wer am Reichsten ist.
Carcaçonne
Steine, die Augen zwischen 0 und 9 auf zwei Halbfeldern aufgemalt haben, werden an die Mitspielenden verteilt und – für die anderen nicht einsehbar – aufgestellt. Reihum wird immer wieder ein passender Stein ans Bild angefügt. Wer keinen passenden Stein mehr hat, nimmt einen vom Stock. Gewonnen hat, wer zuerst alle Steine im Bild hat.
Domino
Das ist ein Kartenspiel (verwandt mit Skat und Jass), bei dem alle vier Beteiligten auf einen Einzelsieg spielen. In jeder Runde wird angesagt, wie viele Punkte wohl erreicht werden. Die Spezialität ist, dass – obwohl ein Einzelspiel – immer auch im Duo gespielt wird: Die beiden, die jeweils eine »Kreuz-
Doppelkopf-Spiel
6
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Kapitel 6 · Auf in die nächste Runde
dame« in der Hand halten, bilden für diese eine Runde ein Duo. Das stellt sich aber meist erst im Laufe des Ausspielens heraus. Gewonnen hat, wer zuerst die verabredete Punktezahl erreicht hat. Dreh dich nicht um, der Plumpsack geht um
Die Mitspielenden sitzen im Kreis und der »Plumpsack« umkreist sie und legt unauffällig ein kleines Tuch hinter jemandem ab, währenddessen alle das Plumpsack-Lied singen. Wird das kleine Tuch erspürt, springt diese Person auf und versucht, den »Pumpsack« rennend einzuholen. Gelingt dies, bleibt die gleiche Person der »Plumpsack«, wenn nicht, wechselt die Rolle. Wird das kleine Tuch nicht erspürt und der »Plumpsack« kann unbehelligt eine Runde drehen, wird diese Person zum »faulen Ei« und muss sich in den Kreis setzen. Dazu gibt es zwei Varianten. Bei der ersten wird so lange gespielt, bis alle außer zwei Personen »faule Eier« sind. Alle »faulen Eier« müssen ein Pfand abgeben, das mit großem Gaudi ausgelöst wird. Bei der zweiten Variante lösen sich jeweils die »faulen Eier« ab, so dass nur eine Person im Kreis sitzt. Das Spiel wird so lange gespielt, wie die Mitspielenden Lust dazu haben. In diesem Spiel gibt es keine Siegerinnen und Sieger.
Eile mit Weile
Dies ist ein ähnliches Brettspiel wie Mensch ärgere dich nicht. Die Variation besteht einerseits darin, dass ein andersfarbiges Figürchen erst durch Über-, und nicht schon durch Aufholen nach Hause geschickt wird, und andererseits, dass auf dem Weg bestimmte Felder als kleine Ruhebänke gekennzeichnet sind. Figürchen, die darauf stehen, können nicht nach Hause geschickt werden.
Eishockey
Bei diesem Teamspiel tragen die Spielenden Schuhe mit geschliffenen Eisenkufen und versuchen, auf einem Eisfeld mit einem Stock einen HartgummiPuck ins gegnerische Tor zu schießen. Pro Team spielen 5 Personen auf dem Feld und ein Torhüter . Es werden dreimal zwanzig Minuten gespielt, wobei die Zeit während einer Spielunterbrechung angehalten wird. Gewonnen hat das Team, das nach Ablauf der Spielzeit die meisten Tore geschossen hat.
Eiskunstlaufen
Personen in Stiefeletten mit geschliffenen Eisenkufen zeigen auf einem Eisfeld – meist zu Musik – Figuren und Sprünge, die von einer Fachjury im Hinblick auf die technischen Schwierigkeiten und den künstlerischen Eindruck benotet werden. Es treten Einzelpersonen oder Paare an. Bei der Präsentation werden immer wieder verschiedene Pflichtelemente vorgeschrieben. Dagegen kann die so genannte Kür von den Teilnehmenden frei gestaltet werden. Wer bei einem Wettbewerb die höchsten Noten bekommt, hat gewonnen.
Fang den Hut
Dies ist ein Brettspiel, bei dem alle Mitspielenden fünf Figürchen in einer je eigenen Farbe haben. Es wird reihum gewürfelt und die Farbe, die an der Reihe ist, bewegt einen Hut nach der Augenzahl, egal in welche Richtung. Ziel ist es, auf das Feld eines andersfarbigen Hutes zu kommen. Der eigene Hut wird über den andersfarbigen gestülpt und ins eigene Haus gelenkt. Fremde Hüte werden dort definitiv deponiert und damit aus dem Spiel genommen. Das Spiel ist beendet, wenn nur noch Hüte in einer Farbe auf dem Brett sind. Gewonnen hat, wer die meisten andersfarbigen Hüte im eigenen Haus hat.
6
145 6.2 · Spielbeschreibungen in alphabetischer Reihenfolge
Eine Person rennt, bis sie eine andere fängt. Ist eine Person gefangen worden, muss diese als nächste selbst fangen. Damit wird die ehemals fangende Person selbst zur gejagten. Dieses Spiel wird so lange gespielt, wie die Mitspielenden Lust dazu haben, und es gibt keine Siegerinnen und Sieger. Es gibt viele Varianten, z. B.: 1) Wer auf einer Erhöhung steht, kann nicht gefangen werden. 2) Eine Person fängt, die erwischte Person hält die erste bei der Hand und sie fangen zu zweit, a) die nächste fängt allein und die beiden ersten fangen als Paar weiter, bis alle erwischt sind, b) die dritte hängt sich an – bis alle gefangen sind und eine lange Kette bilden.
Fangen
Das ist ein Zweikampf mit dem Florett, dem Säbel oder dem Degen, der auf einer Bahn ausgetragen wird. Die Ausrüstung inkl. Schutzmaske ist genau vorgegeben. Ein ganzes Gefecht besteht aus 5 Treffern innerhalb von drei Minuten oder 15 Treffern innerhalb von neun Minuten Kampfzeit. Eine elektrische Anlage zeigt an, ob ein gültiger Treffer erzielt wurde. Die endgültige Entscheidung fällt der Gefechtsleiter. Es gewinnt, wer innerhalb der gesetzten Zeit die meisten Treffer erzielt oder vor der Zeit das Maximum bereits erreicht.
Fechten
Mit einem Schläger, dessen Kopf mit Saiten bespannt ist, wird der Federball über ein Netz hin und her gespielt. Ziel ist es, dass er innerhalb des gegnerischen oder außerhalb des eigenen Feldes zu Boden fällt. Wird nur zum Vergnügen gespielt; dabei wird abgemacht, ob und wie eventuell Punkte gezählt werden. Wird nach offiziellen Regeln gespielt, heißt das Spiel Badminton.
Federball
Dies ist ein Kräftemessen zwischen zwei Personen, die sich an einem Tisch gegenüber sitzen. Eine Hand haben sie auf dem Rücken; die Mittelfinger der anderen Hand verschränken sie ineinander und halten sie in die Tischmitte. Auf ein Signal ziehen beide Seiten so lange, bis eine Hand an der anderen Tischkante ankommt. Wem es gelingt, die Gegnerin oder den Gegner auf die eigene Seite zu ziehen, hat gewonnen.
Fingerhakeln
Dieses Spiel wird mit zwei Teams zu elf Personen auf einem großen Rasenfeld gespielt. Beide Teams versuchen, den Ball mit dem Fuß oder mit dem Kopf ins gegnerische Tor zu spielen und haben dafür zweimal 45 Minuten Zeit. Ein/e unabhängige/r Schiedsrichter/in leitet das Spiel. Gewonnen hat, wer die meisten Tore geschossen hat.
Fußball
Zwei gleichgroße Teams spielen gegeneinander – »Jäger« und »Hasen«. Das Jägerteam steht im Feld. Die Hasen spielen hintereinander den Ball ins Feld und versuchen, die gegenüberliegende Seite zu erreichen und dabei möglichst wenige Treffer hinnehmen zu müssen. Sind alle Hasen auf der anderen Seite, werden die Rollen gewechselt. Das Team, das weniger Treffer kassiert hat, hat gewonnen.
Jägerball
Das Kartenspiel besteht aus 36 Karten in vier Sujets, manchmal in zwei roten und zwei schwarzen Farben. »Schieber« ist eine klassische Spielvariante: Dabei spielen zwei Personen, die über Kreuz sitzen, zusammen. In jeder Runde
Jass
6
146
Kapitel 6 · Auf in die nächste Runde
wird die Trumpffarbe angesagt. Dieses Recht geht reihum. Möchte die Person mit dem Trumpfrecht die Farbe nicht selbst ansagen, kann sie das Recht der/ dem Partner/in »zuschieben« und nach Ansage ausspielen. Die Karten werden so oft an die vier Mitspielenden verteilt und gespielt, bis ein Team die Schlusspunktzahl erreicht hat.
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Jodelkonkurrenz
Die Regeln dieses Spiels sind ähnlich wie die beim Eiskunstlaufen. Es wird benotet, wie gesungen und gejodelt wird, wie korrekt die traditionelle Kleidung ist und wie der Gesamteindruck ist. Es treten Solistinnen und Solisten, Duos oder Ensembles in den jeweiligen Kategorien gegeneinander an. Gewonnen hat, wer die besten Noten erhält.
Judo
Judo ist ein Zweikampf, der auf einer Matte ausgetragen wird. Frauen haben vier, Männer fünf Minuten effektive Kampfzeit. Ziel ist es, die andere Person auf dem Boden zu fixieren und damit kampfunfähig zu machen. Haken, Würfe und Haltegriffe werden benotet. Gewonnen hat, wem es gelingt, die/ den Gegner/in kampfunfähig zu machen, oder wer die besseren Kampfnoten erhält.
König-Kaiser uf der Dole
Der »König-Kaiser« sitzt oder steht an der Stirnseite des Spielfeldes und alle anderen Mitspielenden stehen ihm gegenüber auf einer Linie. Die erste Untertanin schreit: »König-Kaiser uf der Dole, wivill Schrittli dörf i hole?« Der König-Kaiser teilt zu: »ein halbes Gänsefüßchen«, »ein Gänsefüßchen«, »einen kleinen Schritt«, »einen großen Schritt«, »einen Sprung«, »einen Riesensprung« oder »eine Matratze« (eine Körperlänge am Boden ausgestreckt). Die Untertanin führt den Befehl aus und der nächste Untertan stellt die Frage. Die UntertanInnen bewegen sich so lange nach vorne, bis jemand den KönigKaiser berührt. Dann wir die Regentschaft ausgewechselt und die UntertanInnen beginnen wieder von vorne. Die UntertanInnen dürfen sich auch zusätzlich bewegen, solange der König-Kaiser die Bewegung nicht sieht. Ist dies der Fall, mahnt er dies an und die/der Erwischte muss sich wieder an die Grundlinie stellen. Das Spiel wird so lange gespielt, wie die Mitspielenden Lust dazu haben. Es gibt keine Siegerinnen und Sieger.
Lawinentanz
Ein Paar beginnt zu tanzen, wenn die Musik spielt. Bricht die Musik ab, trennt sich das Paar und beide suchen sich eine/n neue/n Partner/in. Dies geht so lange, bis alle tanzen. Dieses Spiel wird gespielt, damit alle eine Chance bekommen, das Tanzbein zu schwingen. Es gibt keine Siegerinnen und Sieger.
Leiterspiel
Dies ist ein Brettspiel. Es wird reihum gewürfelt und das eigene Figürchen in einer Richtung gemäß Augenzahl vorwärts geschoben. Auf dem Weg gibt es Sonderfelder, die zusätzlich eine Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung ermöglichen bzw. anordnen. Es gewinnt, wer als Erste/r genau auf das Schlussfeld kommt.
Ligretto
Bei diesem Kartenspiel geht es darum, den eigenen Handkartenstapel möglichst schnell loszuwerden, in dem die Karten jeweils einer Farbe in der Reihenfolge 1 bis 10 auf den Spieltisch gelegt werden. Alle legen einen Stapel von
147 6.2 · Spielbeschreibungen in alphabetischer Reihenfolge
10 Karten sowie zusätzlich drei einzelne Karten offen vor sich hin. Auf ein Startsignal hin geht es los: Die Spielenden legen auf eine ausgespielte Eins in der gleichen Farbe eine Zwei usw. Ob die passende Zwei vorhanden ist, ist herauszufinden, in dem alle möglichst schnell ihren Handstapel »durchzählen« und jede dritte Karte prüfen. Von den drei offenen Karten und vom 10er-Stapel darf jeweils die oberste Karte verwendet werden. Ist der Handstapel »durchgezählt«, wird er kurz gemischt und ein nächstes Mal »durchgezählt«. Alle Mitspielenden machen dies gleichzeitig. Alle haben gleich viele Karten aller vier Spielfarben in den Händen und versuchen, diese so schnell wie möglich loszuwerden. Die Spielrunde ist zu Ende, sobald jemand »Ligretto« ruft, weil sie/er die letzte Karte vom großen Stapel abgelegt hat. Gewonnen hat, wer als Erste/r 100 Punkte erreicht hat. Hier wird mit Jasskarten gespielt. Alle haben einen verdeckt liegenden Kartenstapel vor sich. In der Mitte liegt eine Karte offen. Reihum wird jeweils die oberste Karte unbesehen und verdeckt auf die offen liegende Karte z. B. der Farbe Pik gelegt, mit der Behauptung es sei »Pik«. Alle haben jederzeit die Möglichkeit zu prüfen, ob diese Ansage wahr ist oder eine Lüge. Stimmt die Farbe, geht der Stapel an die aufdeckende, stimmt sie nicht, an die »lügende« Person. Gewonnen hat, wer zuerst keine Karten mehr hat.
Lügen
Bei diesem Brettspiel hat jede/r Mitspielende fünf Figürchen einer Farbe. Durch Würfeln werden die Figürchen in beliebige Richtungen bewegt. Wer genau auf ein andersfarbiges Figürchen trifft, schickt dieses damit nach Hause. Spezialität sind die Barrieren, die zu Beginn auf fixen Plätzen stehen. Durch Einholen werden sie verfügbar und können beliebig platziert werden. Gewonnen hat, wer als Erste/r ein Figürchen in das ganz oben liegende Siegfeld setzt.
Malefiz
Fünf Pokerwürfel werden in einen Becher gegeben und gewürfelt. Der Becher und die Würfel gehen reihum und die Ansage muss jedes Mal erhöht werden. Alle haben die Möglichkeit, mit jedem Würfel – offen oder verdeckt – dreimal zu würfeln. Die jeweilige Ansage kann angenommen oder abgelehnt werden. Bei Annahme muss das Angebot erhöht werden. Bei Ablehnung wird aufgedeckt, ob sich die Ansage mit dem tatsächlichen Wert der Würfel deckt. Stimmt der Wert mit der Ansage überein, gewinnt die/der Ansagende die Punkte, stimmt sie nicht überein, gewinnt die/der Aufdeckende. Gewonnen hat, wer nach einer bestimmten Anzahl Runden die meisten Punkte aufweist.
Mäxchen
Auch das ist ein Brettspiel. Jede/r Mitspielende hat vier Figürchen einer Farbe. Durch Würfeln werden die Figürchen immer in dieselbe Richtung bewegt. Durch Einholen werden andersfarbige Figürchen nach Hause geschickt. Gewonnen hat, wer als Erste/r alle vier Figürchen nach einer ganzen Runde im eigenen Turm hat.
Mensch ärgere dich nicht
In diesem Spiel wird auf einer ebenen Oberfläche gespielt. Ein Set aus 31 festen, an den Enden farbig abgesetzten Holzstäben wird von einer Person in der Hand gehalten und dann auseinander fallen gelassen. Nun wird versucht,
Mikado
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Kapitel 6 · Auf in die nächste Runde
mit den Händen oder mit Hilfe von Stäben, die schon aus dem Spiel sind, die noch verbleibenden Stäbchen aus dem Spiel zu nehmen. Eine Person darf so lange spielen, bis sich ein Stab bewegt. Dann kommt die nächste Person an die Reihe. Gewonnen hat, wer die höchste Punktezahl erreicht, wenn die farbigen Stäbchen mit der jeweiligen Punktzahl gezählt werden. Monopoly
Hierbei handelt es sich um Brettspiel, bei dem alle Beteiligten – ausgestattet mit einem Grundkapital – immer in einer Richtung alle Felder durchgehen, jeweils in den Schritten, die der Würfel anzeigt. Es ist möglich, Grundstücke zu kaufen oder Karten mit Anweisungen zu ziehen. Sind Grundstücke schon im Privatbesitz oder gar schon bebaut, muss den Eigentümer(inne)n Strafe gezahlt werden. Es wird gespielt, bis Mitspielende Bankrott gehen. Gewonnen hat, wer das meiste Kapital in Form von Grundstücken und Geld aufweisen kann.
Mühle
Das ist ein Brettspiel, das zu zweit gespielt wird. Schwarz und Weiß haben je 9 Steine und platzieren sie der Reihe nach auf dem vorgezeichneten Feld so, dass möglichst eine Reihe von drei eigenen Steinen entsteht. Diese Reihe wird »Mühle« genannt und berechtigt dazu, der/dem Gegner/in einen Stein der Wahl (außer aus einer 3er-Kombination) aus dem Spiel zu nehmen. Sind alle neun Steine im Spiel, wird abwechselnd ein Stein bewegt, immer mit dem Ziel, »Mühlen« zu bilden und gegnerische Steine zu entfernen. Gewonnen hat, wer entweder alle gegnerischen Steine entfernt hat oder die Steine der Gegnerin/des Gegners so »eingeschlossen« hat, dass sie nicht mehr bewegt werden können.
Ochs am Berg
Eine Person steht vorne mit dem Rücken zu den Mitspielenden, die sich hinten auf einer Linie bereithalten. Ziel des Spieles ist es, als erste Person die vorne stehende zu berühren. Alle dürfen sich bewegen, solange die Bewegung nicht entdeckt wird. Durch unvermitteltes Umdrehen kann der »Ochs« Bewegungen entdecken und diejenigen, die sich bewegen, an die Grundlinie zurückschicken. Wer den »Ochs« berührt, löst ihn in dieser Funktion ab und es beginnt eine neue Runde. Das Spiel wird so lange gespielt, wie die Mitspielenden Lust dazu haben. Es gibt keine Siegerinnen und Sieger.
Orientierungslauf
Die Läuferinnen und Läufer suchen mit Hilfe von Karte und Kompass markierte Punkte in einem bestimmten Gelände auf. Wer danach als Erste/r am Ziel eintrifft, hat gewonnen.
Patience
Eine Patience legen heißt, ein Set von kleinformatigen Karten nach einem bestimmten Muster zu legen und dabei möglichst viele der Karten ins Bild zu bekommen. Eine Einzelperson spielt Patience und spielt gegen die eigene Leistungsgrenze.
Poker
Hier wird mit Karten oder Würfeln gespielt. Die Karten werden vom Spielleitenden ausgeteilt und es werden reihum Ansagen gemacht und ein Einsatz in die Mitte gelegt. Je nach Abmachung werden noch neue Karten dazu genommen und eine weitere Runde mit Ansagen gemacht. Wer nicht mithält, steigt
6
149 6.2 · Spielbeschreibungen in alphabetischer Reihenfolge
aus und verliert damit den Einsatz. Wer allein das höchste Gebot hat, gewinnt, ohne die Karten zeigen zu müssen. Bei einem Gleichstand im Gebot gewinnt, wer die höheren Karten hat. Das ist ein Teamspiel. Die Beteiligten handeln ihre Funktionen und ihre Rollen aus und entwickeln eine Geschichte, die gespielt wird. Das Spiel wird so lange gespielt, wie die Mitspielenden Freude daran haben. Es gibt keine Siegerinnen und Sieger.
Puppenspielen
Beim Puzzeln geht es darum, ein Bild, das in Teile geschnitten ist, vollständig zusammenzusetzen. Das kann allein oder mit beliebig vielen Beteiligten gespielt werden. Das Spiel ist beendet, wenn das Bild komplett ist und alle Teile an der richtigen Stelle liegen. Das Spiel wird so lange gespielt, wie die Mitspielenden Lust dazu haben. Es gibt keine Siegerinnen und Sieger.
Puzzle
Dies ist ein Kartenspiel mit jeweils vier zusammenpassenden Themenkarten. Die gemischten Karten werden verteilt. Reihum wird von der vorangehenden Person eine Karte gezogen. Wer ein vollständiges Quartett in die Hand bekommt, legt es ab. Sind alle Quartette abgelegt, ist die Runde beendet. Gewonnen hat, wer die meisten Quartette ablegen kann.
Quartett
Das Ringen wird auf der Matte als Zweikampf gekämpft; das Ziel ist, während zweimal zwei Minuten beide Schultern der Gegnerin/des Gegners auf den Boden zu bringen. Je nach Variante darf der ganze Körper der Gegnerin oder des Gegners oder nur von der Taille an aufwärts angefasst werden. Gewonnen hat, wer die meisten Wertungspunkte für die Kampfaktionen bekommt oder einen Schultersieg feiern kann.
Ringen
Hierbei handelt es sich um ein Strategiespiel, bei dem Länder oder Kontinente durch clevere Platzierung und Bewegung der Armeen besetzt und befreit werden. Infanterie, Artillerie und Kavallerie kommen auf der Weltkarte zum Einsatz. Gewinner/in ist, wer entweder die ganze Welt befreit hat oder eine der Missionskarten erfüllt (z. B. Befreie Afrika und Asien!).
Risiko
In diesem Kartenspiel erhalten alle Beteiligten jeweils 12 Karten. Reihum wird jeweils eine Karte vom Stapel genommen und eine Karte offen auf den Haufen abgelegt. Dies geht so lange, bis eine Person mit der 13. Karte das Spiel stoppt. Sie hat ein Blatt, bei dem sämtliche Karten passend sind: entweder 4 Gleiche von 4 Farben oder von der gleichen Farbe in der Reihenfolge mindestens 3 Karten. Die anderen Mitspielenden zählen den Wert der Karten in ihrer Hand. Gewonnen hat, wer nach einer Anzahl Runden die wenigsten Punkte aufweist.
Rommé
Das ist ein so genanntes Ein-Parteien-Glücksspiel. Mit Hilfe einer Kugel und des Roulettekessels wird eine Zahl aus der Zahlenreihe 0 bis 36 ausgelost. Die Mitspielenden wetten vor dem Spiel, auf welche Zahl innerhalb des Roulettekessels die Kugel fallen wird. Die Wette wird platziert, indem die Jetons (Stücke) auf der Spielfläche (dem Tableau) auf Teilmengen der Zahlenreihe von 0
Roulette
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Kapitel 6 · Auf in die nächste Runde
bis 36 gesetzt werden. Fällt die Kugel auf die gewettete Zahl, ist der Gewinn ein Vielfaches des gesetzten Einsatzes. War die Voraussage falsch, geht der gesamte Einsatz verloren. Rugby
Hier wird mit zwei Teams, jeweils bestehend aus fünfzehn Personen, auf einem großen Rasenfeld gespielt. Beide Teams versuchen, den ovalen Ball hinter die gegnerische Linie zu legen oder zwischen die gegnerischen Pfosten zu kicken. Der Ball darf mit Händen und Füßen gepackt, geschoben, gekickt, geworfen werden, man darf mit dem Ball im Arm rennen und die Gegner/innen dürfen mit – fast – allen Techniken daran gehindert werden, den Ball zu transportieren. Dafür haben sie zweimal 40 Minuten Zeit. Ein/e unabhängige/r Schiedsrichter/in leitet das Spiel. Gewonnen hat, wer die meisten Punkte erzielt.
Schach
Bei diesem Brettspiel, stehen sich Schwarz und Weiß mit je 16 Figuren gegenüber. Alle Figuren haben unterschiedliche Möglichkeiten, sich zu bewegen. Abwechselnd machen Weiß oder Schwarz einen Zug und nehmen Figuren, die »geschlagen« werden, aus dem Spiel. Gewonnen hat, wer den König der Gegenseite schlagen kann – die Gegenseite ist dann »matt gesetzt«.
Schieber mit Knecht
Das ist eine Variante des Jassspiels, die wie Schieber zu fünft gespielt werden kann. Aus dem Kartenspiel wird eine Karte herausgenommen und die nunmehr 35 Karten an die fünf Spielenden verteilt. Vier Spielende gruppieren sich als zwei Teams über Kreuz und spielen zusammen. Die fünfte Person ist der »Knecht« und dient jeweils dem trumpfangebenden Team als Verstärkung. Er wechselt damit jede Runde die Seite und spielt loyal mit der Seite, die dran ist. Es gewinnt das Team, das als Erstes die vereinbarte Punktezahl einspielt.
Schiitli-Verbannis
Dieses Spiel ist ein Spezialfall von »Verstecken«. Das Ziel besteht aus drei Holzscheiten, die in Pyramidenform aneinander gelehnt werden. Wer am Ziel an- bzw. davon abschlagen will, kickt die Scheite auseinander. Damit ist die Runde beendet.
Schnitzeljagd
Dieses Teamspiel bereiten eine Gastgeberin oder ein Gastgeber vor: Er/sie versteckt einen Schatz für den Schlusspunkt, denkt sich Aufgaben für unterwegs aus und legt für den Weg »Schnitzel« aus. Die Teams machen sich auf, lösen die Aufgaben und bekommen dafür eine Bewertung. Sie versuchen, möglichst rasch zum Ziel zu kommen und als erstes Team den Schatz zu heben. Gewonnen hat, wer die beste Leistung in Bezug auf Schnelligkeit und Aufgabenerfüllung erbringt.
Schokoladenspiel
Für dieses Gesellschaftsspiel werden folgende Utensilien benötigt: eine Tafel Schokolade, Messer und Gabel, ein paar Ausstattungsstücke wie Mütze, Schal, Krawatte, Handschuhe, Stiefel sowie ein Würfel. Reihum wird gewürfelt. Wer eine Sechs würfelt, zieht sich möglichst schnell alle vorgeschriebenen Stücke an und beginnt mit Messer und Gabel die Schokolade auszupacken und zu essen, bis eine andere Person eine Sechs würfelt. Die Person, die vorher die
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Sechs gewürfelt hatte, muss nun sofort alles wieder ausziehen, damit die andere Person die Kleidungsstücke anziehen kann. Währenddessen versuchen die anderen Mitspieler fieberhaft, reihum eine Sechs zu würfeln usw. Das Spiel ist beendet, wenn die Schokolade aufgegessen ist. Bei diesem Kartenspiel passen immer jeweils zwei Karten zusammen. Nur »der schwarze Peter« hat keine Zwillingskarte. Die Mitspielenden halten ihre Karten reihum verdeckt der nächsten Person hin, damit diese eine Karte daraus zieht. Ist es eine Zwillingskarte, dürfen beide abgelegt werden. Damit reduzieren sich die Karten im Spiel, bis nur noch eine übrig bleibt: »der schwarze Peter«. Wer diese Karte am Schluss in der Hand hält, hat das Spiel verloren.
Schwarzer Peter
Das ist eine schweizerische Spezialität zum Ringen. Es wird in SägemehlRunden geschwungen und die Kämpfenden müssen versuchen, den Gegner oder die Gegnerin mit beiden Schultern auf den Boden zu bringen, indem sie sich an extra angefertigten Schwinger-Hosen anpacken.
Schwingen
Bei diesem Brettspiel sollen aus Buchstaben Wörter gebildet werden. Von den anfänglich gezogenen Buchstaben kann ein Wort auf das Brett gelegt werden. Die Mitspielenden ergänzen dieses mit waag- oder senkrecht angelegten Buchstabensteinen. Auf dem Brett sind Multiplikationsfaktoren angegeben und jeder Buchstabe hat einen Wert. So wird ermittelt, wer mit ihren/seinen Wörtern auf die höchste Punktzahl kommt. Diese Person hat gewonnen.
Scrabble
Es werden Stühle in einem Kreis angeordnet, ein Stuhl weniger als Mitspielende, wobei die Sitzfläche nach außen zeigt. Während die Musik spielt, bewegen sich die Spielenden um die Stühle herum. Sobald die Musik aussetzt, setzen sich alle sofort auf einen Stuhl. Wer keinen Stuhl findet, scheidet aus. Dann wird ein Stuhl aus dem Spiel genommen, und die Musik setzt wieder ein. Wer als Letzte/r übrig bleibt, hat gewonnen.
Sesseltanz
Das ist ein Brettspiel, das oft auch dreidimensional angefertigt ist. In jedem Loch steckt ein Stift, außer im Zentrum. Je ein Stift darf den vor ihm steckenden überspringen. Der übersprungene Stift wird aus dem Spiel genommen. Ziel ist es, nur noch einen Stift auf dem Feld zu haben. Solitaire wird von einer Einzelperson gespielt, die gegen die eigene Leistungsgrenze spielt.
Solitaire
Dieses Spiel kann als Teamspiel gespielt werden. In einer Schachtel liegen Karten bereit, auf denen je ein Begriff steht, der zu erraten ist. Wer diesen Begriff zieht, hat eine bestimmte Zeit zur Verfügung, um ihn so zu umschreiben, dass er erraten wird. Selbstverständlich darf der zu suchende Begriff nicht verwendet werden, aber auch einige weiteren Begriffe, die auf der Karte stehen, nicht – sie sind tabu. Das Team, das die meisten Begriffe errät, hat gewonnen.
Tabu
Ein Kind hat den »Taler« (z. B. einen Ring o. Ä.) zwischen den gefalteten Händen, die anderen stehen oder sitzen in einer Reihe und halten die gefal-
Taler, Taler, du musst wandern
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Kapitel 6 · Auf in die nächste Runde
teten Hände mit den Fingerspitzen nach vorne auf Bauchhöhe. Nun wird das Lied gesungen – alle müssen singen – und das Kind mit dem »Taler« macht bei jedem die Geste, als würde es ihn hier unauffällig zwischen die gefalteten Hände sinken lassen. Ist das Lied zu Ende, darf das letzte Kind erraten, wo sich der Taler befindet. Hat es richtig geraten, darf es in der neuen Runde verteilen; wenn nicht, ist das Kind mit dem Taler an der Reihe. Es wird so lange gespielt, wie die Spielenden Freude am Spiel haben. Es gibt keine Siegerinnen und Sieger. Tennis
Dieses Spiel ist ähnlich wie Badminton. Es wird mit einem Ball übers Netz gespielt, weshalb der Schläger etwas fester ist. Der Bodenbelag kann Rasen, Sand oder ein Hartplatz sein. Tennis kann als Einzel (eine Person gegen eine andere) oder als Doppel (zwei gegen zwei) gespielt werden. Gewonnen hat, wer zuerst die vereinbarte Anzahl Gewinnsätze erspielt hat.
Tour de France
Das ist ein sehr hartes Rennen von Fahrradprofiteams durch Frankreich, das einmal jährlich durchgeführt wird. Gewonnen hat, wer die meisten Punkte aus Etappensiegen, Bergpreisen, Sprintwertungen, Zeitfahren usw. aufweisen kann.
UNO
Dieses Kartenspiel kann mit relativ vielen Beteiligten gespielt werden. Alle starten mit einer bestimmten Anzahl Karten, in der Mitte liegt verdeckt der Stapel, daneben eine aufgedeckte Karte, die anzeigt, was offen drauf gelegt werden muss: die gleiche Farbe, die gleiche Zahl oder eine Sonderkarte, mit der etwas gewünscht werden kann. Neben dieser Sonderkarte winken oder drohen noch andere: Richtungswechsel, nimm zwei Karten, nimm 4 Karten, Nächste/n überspringen, ganzes Blatt mit einer ausgesuchten Person austauschen usw. Das Spiel soll schnell gespielt werden, damit Stimmung aufkommen kann. Wer einen Fehler macht oder keine passende Karte hat, nimmt eine Karte vom Stapel. Mit dem Ablegen der vorletzten Karte, muss gut vernehmlich »UNO« angekündigt werden. Wer die letzte Karte ablegen kann, hat die Runde gewonnen; die anderen zählen ihre Strafpunkte.
Verstecken
Eine Person zählt am Ziel mit geschlossenen Augen bis 100, während sich die anderen verstecken. Die suchende Person versucht, die Versteckten zu entdecken und schlägt sie am Ziel an bzw. ab. Die Versteckten versuchen ihrerseits, unerkannt ans Ziel zu kommen und sich selbst an- bzw. abzuschlagen und sich damit zu erlösen. Sind alle am Ziel, übernimmt die erste erwischte Person die Rolle der/des Suchenden. Es wird so lange gespielt, wie die Beteiligten Freude am Spiel haben. Es gibt keine Siegerinnen und Sieger.
Wasserball
Das ist ein Hartball-Spiel und wird im Wasser gespielt. Gleichzeitig sind jeweils sechs Spieler/innen plus die/der Torhüter/in im Wasser. Das Spiel dauert viermal sieben Minuten effektive Spielzeit analog zu Eishockey. Gewonnen hat das Team, das die meisten Tore erzielt hat.
Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann?
Eine Person, »der schwarze Mann« stellt sich auf eine Seite, alle anderen Mitspielenden stellen sich ans Ende der anderen Seite des Spielfeldes. Der
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153 6.2 · Spielbeschreibungen in alphabetischer Reihenfolge
»schwarze Mann« ruft laut: »Wer hat Angst vor dem ›schwarzen Mann‹?« Die anderen antworten auch laut: »Niemand. Wir nicht!« – »Was macht Ihr, wenn er kommt?« – »Weglaufen und lachen!« Nach diesem Dialog versucht der »schwarze Mann«, möglichst viele zu fangen, während diese ausweichen und versuchen, das andere Ende des Spielfelds zu erreichen. Wer gefangen wird, wechselt die Rolle und wird auch »schwarzer Mann«. Alle »schwarzen Männer« stehen nun an einer Seite, die übrig gebliebenen Mitspielenden auf der anderen Seite und wieder geht der Dialog los. Es werden so lange Mitspielende gefangen, bis die/der letzte Verbliebene aufgibt oder alle gefangen sind. Dann wird ein neuer erster »schwarzer Mann« bestimmt, und eine neue Runde beginnt. Es wird so lange gespielt, wie die Beteiligten Freude am Spiel haben. Es gibt keine Siegerinnen und Sieger. Ein »Meister« steht vorne allein. Die restlichen Mitspielenden beraten sich im Geheimen, welchen Beruf sie darstellen werden, und ziehen mit einem Vers ein. »Wir kommen aus dem Morgenland und haben schwarze Ohren. Herr Meister, gib uns Arbeit an, wir haben sie verloren.« Der Meister sagt: »Was für eine?« Berufsleute: »Eine sehr gute feine.« Meister: »Machen Sie’s einmal vor.« Die Berufsleute stellen pantomimisch den vereinbarten Beruf dar und der Meister versucht, das Metier zu erraten. Gelingt ihm dies, rennen die Berufsleute weg und der Meister versucht sie zu fangen. Fängt er jemanden, wird diese/r Meister und die neue Berufsgruppe denkt sich wieder einen Beruf aus. Der Dialog kann nun wieder von vorn beginnen. Es wird so lange gespielt, wie die Spielenden Freude am Spiel haben. Es gibt keine Siegerinnen und Sieger.
Wir kommen aus dem Morgenland
Die Beteiligten stehen in einer Reihe. Eine Person hat den Ball und denkt sich ein schwieriges Wort aus. Mit der Erklärung, aus welchem Bereich das Wort stammt und dem Anfangsbuchstaben, wirft sie den Ball der ersten Person zu. Diese wirft den Ball zurück und gibt dazu eine Antwort oder passt. Wird das Wort erraten, prellt die fragende Person den Ball so stark wie möglich auf den Boden und rennt davon. Die erfolgreich ratende Person fängt den Ball auf, worauf die fragende sofort stehen bleiben muss. Nun versucht die antwortende, die andere mit dem Ball zu treffen. Trifft sie, wechseln die Rollen. Trifft sie nicht, fragt die erste Person nach einem zweiten Wort. Es wird so lange gespielt, wie die Beteiligten Freude am Spiel haben. Es gibt keine Siegerinnen und Sieger.
Wort erraten
Die Beteiligten stehen im Kreis mit dem Gesicht zur Mitte, immer zwei Personen voreinander. Die Person, die hinten steht, hält die Hände auf dem Rücken und berührt die vordere nicht. Jemand steht allein und hat die Aufgabe, durch möglichst unauffälliges Zwinkern jemand dazu zu bringen, loszurennen. Schafft es diese Person wegzurennen, ohne festgehalten zu werden, stellt sie sich hinter die zwinkernde Person. Damit hat die Initiative gewechselt; eine andere Person zwinkert unauffällig in die Runde. Wird der Fluchtversuch vereitelt, setzt die erste Person das Zwinkern fort. Es wird so lange gespielt, wie die Beteiligten Freude am Spiel haben. Es gibt keine Siegerinnen und Sieger.
Zuzwinkern
6
Literatur
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Literatur
Crozier M, Friedberg E (1993) Die Zwänge kollektiven Handelns. Über Macht und Organisation. Hain, Frankfurt/Main Dixit AK, Nalebuff BJ (1997) Spieltheorie für Einsteiger. Strategisches Know-how für Gewinner. Schäffer-Poeschel, Stuttgart Friedberg E (1995) Ordnung und Macht. Dynamiken organisierten Handelns. Europäisches Zentrum Wien, Campus, Frankfurt, New York Glasl F (2000) Selbsthilfe in Konflikten. Konzepte, Übungen, Praktische Methoden. Freies Geistesleben, Stuttgart Heim P, Golant SK (1995) Frauen lernen FIGHTEN. Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München Heim P, Murphy S, Golant SK (2003) »Warum gerade die?« So überwinden Frauen Neid und Missgunst im Beruf. Wilhelm Goldmann, München Neuberger O (Hrsg.) (1995) Mikropolitik. Der alltägliche Aufbau und Einsatz von Macht in Organisationen. Ferdinand Enke, Stuttgart Nitzsche I (2003) Spielregeln im Job. Wie Frauen sie durchschauen und für sich nutzen. Kösel, München Tannen D (1999) Das hab’ ich nicht gesagt!, Kommunikationsprobleme im Alltag. Wilhelm Goldmann, München
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Über die Autorin Lic.iur. Zita Küng studierte an der Universität Zürich Jura, nachdem sie sich als Pädagogin und Sängerin ausgebildet hatte. Sie baute das Gleichstellungsbüro der Stadt Zürich auf, gründete 1999 EQuality – die Agentur für Gender Mainstreaming und ist seit 2004 Geschäftsführerin der GeM-EWIV (Europäische Wirtschafts- und Interessenvereinigung). Sie berät Betriebe und Verwaltungen bei der Implementierung der aktuellen Gleichstellungsstrategie und entwickelt dafür selbst geeignete Instrumente. Sie verfügt über langjährige Trainings- und Coach-Erfahrung und hat Seminare zu den Themen Networking, Kommunikation und Strategien entwickelt, die sie mit Erfolg durchführt. Sie ist europaweit tätig. www.gendermainstreaming.com
Sachverzeichnis
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Sachverzeichnis
A Abzählverse 86 Akkomodation 35 Alle gegen alle 84, 92, 99, 142 Allianzen 37 Armdrücken 142 Assimilation 35 Aushandlungsprozess 22
B Backgammon 9, 120, 142 Basketball 108 Beteiligte 114 Bieter 54, 143 Blinde Kuh 117, 143 Boxen 143 Brettspiele 13, 115
C Carcaçonne 122, 143 Chinesische Strategeme 8 Computerspiele 31f Computerspiele, Rollenspiele 32 Crozier, Michel 2f, 7, 11, 14f, 17, 22
E Eile mit Weile 144 Eishockey 17, 25, 144 Eiskunstlaufen 144 Empathie 128 Endpunkt 12f Entscheidungsspielraum Ernsthaftigkeit 132 Erwartungen 38
Dominanz 38 Domino 66, 115, 143 Doppelkopf-Spiel 123, 143 Double bind 134 Dreh dich nicht um, der Plumpsack geht um 26, 144
Handball 13 Handlungsspielraum 9f, 14 Hartballspiele 13 Heim 126f Herausforderung 34 137
F Fachkenntnisse und Sachwissen 4 Fähigkeiten 35 Familie/ Puppen 116 Fang den Hut 57, 99, 116, 123, 144 Fangen 74, 88, 145 Fechten 82, 116, 122, 145 Federball 145 Fingerhakeln 145 Friedberg, Erhard 3, 7, 11, 14f, 17, 22 Führung 127 Funktionen der Spiele 12 Fußball 13, 53, 145
G D
H
Gefühle 34 Gesellschaftsspiele 115 Gesprächssignale 135 Gesprächsstil 133 Gewinnaussichten 33 Gewinnstrategien 16 Glasl, Friedrich 42, 45 Golant 127
I Identifikation des Spieles 48 Informations- und Kommunikationskanäle 4f, 124 Interaktion 34 Intrige 39 Irritationen 116
J Jägerball 86, 145 Jass 145 Jodelkonkurrenz 146 Judo 146
K Kartenspiele 30, 115 Kommerz 31 Kommunikationsstile 133 Konflikt 42, 45 Konflikteskalation 45 Konflikteskalationsstufen 42 König-Kaiser uf der Dole 63, 79, 146 Konkurrenz 127 Konstrukte 17 Kontrolle über Beziehungen 5 Kritik 127
161 Sachverzeichnis
L
Organisationelle Regeln Organisationsanalyse, strategische 18 Orientierungslauf 148
Lawinentanz 74, 146 Leiterspiel 27, 146 Lernchancen 35 Ligretto 67, 115, 121, 146 Lob 127 Lügen 29, 101, 147
M Macht 3, 14 Machtbeziehungen 3 Machtquellen 4, 14f, 19, 123f Machtstrategien 14 Machtverhältnisse 3, 11 Malefiz 29, 57, 147 Manipulation 15 Manipulation, affektive 15 Manipulation, ideologische 15 Mäxchen 29, 102, 104, 147 Mensch ärgere dich nicht 57, 87, 115, 147 Metamitteilung 133ff Miesepeter 37 Mikado 70, 147 Mitspielende 49 Mobbing 40 Monopoly 106, 148 Mühle 9, 99, 148
6
P Patience 148 Piaget, Jean 35 Poker 67, 95, 106, 148 Positionen 26, 38 Prägungen 126 Puppenspielen 149 Puzzle 66, 149
Q Quartett
92, 149
R Regelhaftigkeit 13 Regeln 118 Regelverstöße 36, 118 Ringen 149 Risiko 79, 84, 149 Rollenspiele 32 Rommé 66, 149 Roulette 79, 149 Rugby 13, 86, 88, 108, 116, 150
N Niederlagen
35
O Ochs am Berg 70, 148 Online spielen 33 Organisation 3, 11, 13f, 18
S Schach 28, 150 Schieber 70 Schieber mit Knecht 70, 150 Schiitli-Verbannis 150 Schnitzeljagd 60, 150 Schokoladenspiel 24, 150 Schwarzer Peter 70, 92, 151
A–T
Schwingen 151 Scrabble 115, 151 Sesseltanz 92, 108, 151 Setting 24 Siegen 128 Skat 99 Solitaire 151 Spannung 34, 37 Spiel 11f, 14, 39 Spielanlage 13 Spielanordnung 140 Spielatmosphäre 49, 115, 131 Spielbeschreibung 140 Spielchen 39 Spielergebnis 27 Spielfluss 38 Spielfreude 132 Spielgewohnheiten 126 Spielnatur 126, 130f Spielregeln 17, 49 Spielstruktur 15 Spieltheorie 17 Spielumgebung 41 Spielunlust 131 Spielziel 12f, 26, 140 Spielzüge 27, 119, 140 Sport 30 Stereotype 129 Strategie 7, 16, 119 Strategie, defensive 9f, 119 Strategie, offensive 7ff, 119 Strategiespiele 32
T Tabu 53, 115, 151 Talente 35 Taler, Taler, du musst wandern 63, 86, 151 Tannen, Deborah 133 Team 127 Teamspiele 25, 31 Teamspieler 127 Teamsportarten 30 Technische Fertigkeiten 6 Tennis 152
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Sachverzeichnis
Tour de France 76, 152 Trainer 127f Transparenz 10 Trümpfe 11, 16, 18, 123, 132 Tugenden 28
U Umwelt 13 Uno 95, 115, 152 Unsicherheitszonen 27, 120f, 123 Unterwerfung 15
7, 10, 17f,
V Verdeckte Haltung 40 Verhalten, stereotypes 126 Verhandeln 134 Verhandlungen 15 Verstecken 38, 68, 121, 152 Vertrag 15
W Wasserball 152 Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann 29, 74, 105, 152 Wiederholbarkeit 13 Win-win-Situation 128 Wir kommen aus dem Morgenland 63, 153 Wort erraten 54, 116, 153 Würfelspiele 115
Z Zuzwinkern 51, 153 Zwang 15 Ziele 12f, 26, 117