Warum Hits Hits werden: Erfolgsfaktoren der Popmusik. Eine Untersuchung erfolgreicher Songs und exemplarischer Eigenproduktionen [1. Aufl.] 9783839427231

An investigation of successful songs and exemplary own productions. Hits can be planned: For the first time, Volkmar Kra

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German Pages 390 [394] Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
1. Popmusik und Erfolg
2. Kategorien und Parameter der Analyse
3. Parameter-Auswertungen erfolgreicher Songs
4. Eigene Experimente und Untersuchungen
5. Fazit und Diskussion
Literaturverzeichnis
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Warum Hits Hits werden: Erfolgsfaktoren der Popmusik. Eine Untersuchung erfolgreicher Songs und exemplarischer Eigenproduktionen [1. Aufl.]
 9783839427231

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Volkmar Kramarz Warum Hits Hits werden

Studien zur Popularmusik

Volkmar Kramarz (Dr. phil.) lehrt Musikwissenschaft an der Universität Bonn mit den Forschungsschwerpunkten Popularmusik und Audioproduktion. Er ist Radiomoderator, aktiver Rockgitarrist und Autor von Songbooks sowie Lehrund Sachbüchern.

Volkmar Kramarz

Warum Hits Hits werden Erfolgsfaktoren der Popmusik. Eine Untersuchung erfolgreicher Songs und exemplarischer Eigenproduktionen

Alle Songs und Beispielstücke zu hören auf: www.kramarz-bonn.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2014 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Donata – live at the Bitterzoet/Amsterdam Foto: Maarten van der Kamp Lektorat & Satz: Volkmar Kramarz Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-2723-7 PDF-ISBN 978-3-8394-2723-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt 1. Popmusik und Erfolg

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1.1 Der geplante Erfolg

7

1.2 Erfolg in der Popmusik

24

1.3 Bewertung des Erfolgs in der Popmusik 1.4 Das Streben nach Erfolg

42

1.5 Produktion und Sound

52

2. Kategorien und Parameter der Analyse 2.1 Die Struktur

72

2.2 Die Harmonik

84

2.3 Die Melodik

106

2.4 Die Rhythmik

115

2.5 Das Arrangement

69

124

2.6 Die non-musikalischen Elemente 2.7 Die Texte

34

136

147

3. Parameter-Auswertungen erfolgreicher Songs 3.1 Die Struktur

160

3.2 Die Harmonik

184

3.3 Die Melodik

213

3.4 Die Rhythmik

239

3.5 Das Arrangement

245

3.6 Die non-musikalischen Elemente 3.7 Die Texte

255

264

4. Eigene Experimente und Untersuchungen

271

4.1 Musiktheoretische Voraussetzungen 271 4.2 Die Beispiel-Stücke

279

4.3 Experiment I: Befragungen und Messungen 4.4 Experiment II: MRT

298

4.5 Die Befragung der MRT-Probanden 302

292

157

5. Fazit und Diskussion

317

5.1 Diskussion und Bewertung der Analysen 5.2 Die Aussagekraft der Parameter

317

328

5.3 Die Bewertung der Harmonie-Formeln

346

5.4 Das Erkennen einer Erfolgswahrscheinlichkeit 350 5.5 Die Erfolgsauswirkung von durchgehenden Harmonieformeln 5.6 Zusammenfassung und Fazit Literaturverzeichnis Onlineverzeichnis

380

Notenverzeichnis

387

367

361

356

1. Popmusik und Erfolg 2014 – sechzig Jahre nach Bill Haley´s Schlachtruf Rock Around The Clock scheint die Botschaft angekommen zu sein: Popmusik ist jederzeit und überall in großer Vielfalt verfügbar. Millionenfach sind mittlerweile die Stücke aus diesem Musikgenre weltweit verbreitet, wobei jede Zeit nochmals betont ihre ausgeprägten Favoriten und aktuellen Lieblingssongs, ihre jeweiligen Hits hat. Im Vordergrund dieser Untersuchung soll nun die Frage stehen, welche Eigenschaften und welche Faktoren dafür sorgen, dass ein Song es schafft, ein global bekannter Millionenseller zu werden. Dazu soll eine Betrachtung der Entwicklungen innerhalb der frühen Musique Concrete ebenso dienen wie ein Blick auf die audio-technologischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte. Vor allem aber soll ein eingehender Blick auf die Musik selbst helfen: Dazu wurden hier einige der großen Hits untersucht und aufgeschlüsselt, die in den Jahren zwischen 2007 und 2014 in den maßgeblichen Absatzmärkten wie den USA oder Großbritannien und Deutschland extreme Verkaufsraten erzielten oder mit hoch renommierten Kritikerpreisen wie einem Grammy oder einem Echo ausgezeichnet wurden. Auch die Gewinner-Lieder, die bei einem internationalen Großwettbewerb wie dem Eurovision Song Contest ESC auf den ersten Platz gelangten, gehören hier mit zu dem Kreis der Untersuchungsobjekte. Darüber hinaus werden aber auch die Rezipienten von Popmusik mit ihre Vorlieben, Bewertungen und Präferenzen beleuchtet. Denn offenkundig wollen die Hörer der Popmusik zwar einerseits mit immer neuen, frisch erstellten Produkten beliefert werden, gleichzeitig sind sie aber nicht unbedingt bereit, beliebig musikalischen Innovation zu folgen und jedes musikalische Experiment zu akzeptieren. Daher soll herausgearbeitet werden, wann und wo sich bei Popmusik-Rezipienten übereinstimmend positive Bewertungen finden lassen und welche Merkmale eines Songs eher für Ablehnung sorgen. Dies alles könnte letztendlich mit dazu beitragen, einer nachvollziehbaren Erklärung des Phänomens näher zu rücken, warum Popmusik generell so ungemein erfolgreich ist – und dann nochmals bestimmte Stücke mehr als andere.

1.1 Der geplante Erfolg Wie aber kann Popmusik bezüglich Erfolg und kommerzielle Durchsetzungskraft zerlegt und aufgeschlüsselt werden? Und speziell welche musiktheoretischen Elemente könnten und sollten bei moderner Popmusik untersucht werden, um zu verdeutlichen, warum diese Musik in solch einem Siegeszug „zur bestimmenden Spar-

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Warum Hits Hits werden

te der populären Kultur und zur lukrativen Branche der internationalen Unterhaltungsmusik geworden ist“? Oder muss diese global erfolgreiche Musik nicht vielmehr speziell als ein „soziales Problem ernstgenommen werden“, auch wenn man sich dabei „trotz Millionen von Wörtern, die über Rock und Pop geschrieben wurden“ letztendlich in einem „Wust von Legenden, Wunschdenken und Werbesprüchen“ verliert? Ist für eine Beantwortung solcher Überlegungen im Zusammenhang mit einer Popmusik, die ja mittlerweile meist nicht beim unmittelbaren Musizieren, sondern viel häufiger in Form eines fixierten Medien-Produkts auf ihre Zuhörer trifft, dann nicht die Verbindung beider Pole notwendig, wo doch „bei konservierter Musik eine komplexe Industrie als Bindeglied die beiden Seiten miteinander verbindet“ (Frith 1981: Rückseite)? Offensichtlich ist zumindest, dass als Ziel der (Mehr-)Verkauf und die (gewinnbringende) Verwertung praktisch bei allen Phasen der industrialisierten Popmusik-Produktion immer im Hinter- bzw. Vordergrund steht. Diese dann oftmals kaum trennbare Symbiose von Musik-Machen und Präsentation, von Musik-Erstellung und Absatz, hat längst in Form von strikten Vorgaben und nahezu unumstößlichen Standards seine Spuren in den heutigen Produktionen hinterlassen, die alle möglichst jeweils genau so oder noch erfolgreicher sein wollen als ihre Vorgänger und ihre aktuellen Konkurrenten. Und der Erfolg soll sich möglichst schnell und reibungslos einstellen – und nicht nur als Zufalls-Produkt: Popstar in 100 Tagen zu werden, ist ein gern propagierter Traum, den unzählige Musiker über Jahre und Jahrzehnte hinweg wieder und wieder neu angehen, inspiriert von den Erfahrungen und Berichten der bereits erfolgreichen Kollegen, denen sie meist nur zu gerne bereit sind zu folgen (Henschel 2003: 114).

1.1.1 Die kreativen Drahtzieher des Erfolgs in der Popmusik Vermutlich macht es aber Sinn, einleitend einen Blick darauf zu werfen, wer denn eigentlich die Entscheidung trifft bzw. was ausschlaggebend ist, ob ein PopmusikTitel in den Hitparaden ein Erfolg oder ein Misserfolg, Top oder Flop wird. Vordergründig scheint es so zu sein, dass vor allem die heranwachsenden Kids, also die jugendlichen Hörer mit ihren rein gefühlsbetonten Reaktionen und spontanen Urteilen hinsichtlich eines bestimmten Stückes den Erfolg der einzelnen Pop-Stars maßgeblich in die Wege leiten: Sind es doch erst einmal sie, die den Auf- und Abstieg der ungezählten Songs, die sich Woche für Woche neu in den diversen Charts tummeln, nachhaltig und stärker als alle anderen Altersschichten initiieren und beeinflussen: • mit ihren Geschmacksurteilen, die nur in den seltensten Fällen durch musiktheoretische Argumentationen gestützt sind, • durch den entsprechenden Kauf von Tonträgern oder Download-Berechtigungen,

Popmusik und Erfolg

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• durch die Teilnahme an Internet-Foren und dortigen Netzwerk-Aktionen • oder durch gezielte Aktivitäten wie beispielsweise den Erwerb von PopmusikPrintmedien, die unablässig über die angesagten Idole und erfolgreichen Interpreten zu berichten wissen und wiederum aus der Resonanz ihrer Artikel Rückschlüsse und Konsequenzen ziehen. Doch wer erstellt denn die vielen Stücke der Popmusik, die in den Hitparaden und Download- oder Verkaufslisten auf den Spitzenplätzen zu finden sind? Haben wir es hier ausschließlich mit ebenfalls jungen, bislang unbekannten Musikern zu tun, die mit viel Idealismus und Talent für ihre Altersgefährten komponieren und mit einem gelungenen Lied plötzlich und ohne besonderen – erkennbaren – Grund den großen Erfolg feiern können? Singt hier die Jugend für die Jugend und ab und zu wird eben ein Lied ganz besonders erfolgreich? Wäre das der Fall, dann bildeten Glück, Zufall und das Können, bereits auch ohne große Lebenserfahrung nachvollziehbare Gefühle aller Art unmittelbar in Musik umsetzen zu können, die Hauptkomponenten, die zu einem Durchbruch im Pop-Business führen und neue Stars entstehen lassen. Ein geschäftsmäßiger geprägtes und damit vermutlich erheblich realeres Bild ergibt sich aber, wenn man angesichts der erzielten gigantischen Gewinne (Connolly 2013: 717) davon ausgeht, dass erfolgreiche Popmusik für ihre Produzenten ein konsequent rational durchgeplantes Produkt darstellt und entsprechend überwiegend von erfahrenen und damit oft schon älteren Experten konzipiert und gemacht wird. Dies ist auch die gängige und höchst nüchterne Meinung gerade innerhalb der Macherszene der Popmusik selbst. Auf die Frage, wer denn eigentlich für einen Hit verantwortlich zeichnet, fasste beispielsweise ein langjährig erfahrener Konzert- und Event-Veranstalter spontan zusammen: „Bestimmte Produzenten in Kooperation mit bestimmten Managern werfen regelmäßig erfolgsgarantierte Bands auf den Markt. Deren Songs entstehen aus geballter Routine kombiniert mit dem Wissen um den Zeitgeschmack“ (Nötzel, 2012: Interview). Solch eine Aussage, konsequent umgesetzt, würde bedeuten, dass ein erfolgreicher Popmusik-Song • als Teil einer endlosen Produktionsschleife von konzipierter Massenware souverän-routiniert angefertigt wird, • gleichermaßen mit höchst sachlichem Kalkül und großem Aufwand produziert und dabei jeweils so geschickt aufbereitet und angepasst wird an die aktuellen Erwartungen und Vorlieben der Kundschaft, dass jeder Einzelsong für sich optional auf Erfolg programmiert ist. • Und dies geschieht dabei nicht auf gut Glück: Bei jedem einzelnen Titel ist der Blick auf den lukrativen Umsatz allein schon zur Erhaltung der geschäftlichen Existenz und als Garant für Folgeaufträge notwendig und daher konsequent als permanente Richtlinie gegenwärtig. Dann wäre also keine Rede von dem spontanen Schicksalswink eines zufälligen

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Warum Hits Hits werden

Lotteriegewinns, bei dem sich ein Hit aus einer unkontrollierten und damit überhaupt nicht geplanten Vermengung unterschiedlichster Faktoren irgendwo und irgendwann ergeben hat. Die Produktion von Popmusik-Hits wäre vielmehr ein in hochtechnisierten Musiklabors kühl geplanter und unternehmerisch straff organisierter Herstellungsprozess, ausgeführt von zielgerichtet auf Erfolg orientierten Einzel-Produzenten oder Produktions-Manufakturen in Zusammenarbeit mit diversen kompetenten Teammitgliedern. Die Herstellung, die Produktion eines neuen Popmusik-Werkes würde für den Produzenten dann in keiner Weise ein aus-dem-Bauch-heraus-Arbeiten bilden, ein blindes Tappen im Dunkeln, sondern hinter dem Erfolg eines Popmusik-Songs stände das nüchtern kalkulierte Agieren von Leuten, die offenkundig verstanden haben, wie die Produktion eines Verkaufsschlagers anzugehen ist und wie die maßgeblichen Regeln des Erfolgs lauten. Letztendlich müsste sich solch ein Herstellungsprozess auch in seinen Produkten nachvollziehbar niederschlagen. Und wäre dem so, dann sollten in signifikanter Weise immer wieder auftretende charakteristische Auffälligkeiten in den Popmusik-Songs feststellbar sein, die besonders gut bei einem großen Publikum ankommen – so gut, dass sehr viele der Hörer weltweit ganz konkret auch mit ihrem persönlichen Geld dafür bezahlen wollen. Eventuell könnte es sogar möglich sein, bei neuen Stücken bereits vorab die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg oder auch auf Misserfolg aufgrund bestimmter Werte von spezifischen Parametern zu erkennen und festzulegen. Und anhand der aktuellen großen Hits liessen sich referenzartige Muster und Prinzipien für kommende PopmusikKompositionen erkennen, die als standardisierte Baumuster für immer weitere Charts-Erfolge eingesetzt werden. Damit würde es sich bei einem neuen Song überwiegend schlichtweg um ein abgeklopftes, aber schablonenhaftes und nur leicht variiertes Wiederholen bewährter Muster handeln, die immer wieder aufgefrischt ihr breites Publikum finden. Bei einer entsprechend tief gehenden Untersuchung von erfolgreicher Popmusik könnte gleichzeitig auch die oberflächlich scheinbar rein gefühlsmäßige Entscheidung der Rezipienten für oder gegen ein Stück nachvollziehbar und verständlich gemacht werden. Es gälte dort, bestimmte Elemente in einem Stück herauszustellen, auf die die Hörer geradezu positiv reagieren müssen – und andere, die sie als Mehrheit auf jeden Fall ablehnen werden. Der Erfolg, aber auch der Misserfolg eines einzelnen Popmusik-Stückes wäre damit nicht zuletzt geprägt und bedingt durch das eingefahrene Rezeptionsverhalten und eine letztendlich einschätzbare Urteilsbildung der Popmusik-Hörer. Erfahrenen Produzenten erfolgreicher Stücke werden die Eigenschaften bestimmter Song-Bausteine also sensibel spüren, wenn sie nicht sogar bewusst davon wissen. Entsprechend würde bei jeder Hit-Produktion bis in das kleinste Detail hinein in zeitraubender Arbeit akribisch darauf geachtet, jeweils alles regelgerecht und angepasst an die Hörererwartungen zu machen. Damit wäre allerdings, ange-

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sichts der Fülle der möglichen Elemente, ein über Jahre und Jahrzehnte erworbenes und souverän abgeklärtes Expertenwissen auf der Produzentenseite eine geradezu unumgängliche Voraussetzung für das entsprechend positive Kaufverhalten auf der Konsumentenseite. Womit sich gleichzeitig erklären liesse, warum erfahrene AltProduzenten so zielsicher vorgehen und unerfahrene Neulinge daneben in diesem Geschäft nahezu keine Chancen auf einen spontanen Erfolg zu haben scheinen. Dabei verbleibt aber die Frage, ob es denn überhaupt die vielfältigen musiktheoretischen Kniffs und Tricks sind, die für die Popmusik-Konsumenten bei ihrer jeweiligen Wertefindung ausschlaggebend sind. Oder sind es nicht doch eher die non-musikalischen Aspekte wie aufwändige Präsentationen und glamouröse Marketingmaßnahmen von Seiten der kapitalgewaltigen Pop-Industrie, die letztendlich als ausschlaggebende Faktoren für den Erfolg eines jeweiligen Stückes anzusehen sind? Oder gibt es so etwas wie eine Hierarchie der einzelnen Elemente und Bausteine eines Chartsongs – und bilden die rein musikalischen Bestandteile in der Popmusik dabei den entscheidenden Anteil am Erfolg eines jeweiligen Hits?

1.1.2 Popmusik – die selbstverständliche Musik der Jugend Zur Klärung dieser Punkte soll dazu zuerst die Jugend-Vorliebe für die PopmusikSongs und anschließend die Begrifflichkeit von Popmusik in Verbindung mit kommerziellem Erfolg und ihren Produktionsverhältnissen diskutiert werden, um damit den Blick auf die ausführlichen Untersuchungen bezüglich der Erfolgsmuster innerhalb anerkannter Hits vorzubereiten. Als Anfang der siebziger Jahre das Alter von Rockkonzertbesucher ermittelt wurde, ergab sich damals unter der Zusammenfassung „18 Jahre, männlich, Schüler“ eine klare Präferenz von Jugendlichen in diesem Gebiet: Jugendliche im Alter von 15 bis 21 Jahren stellten hier mit großem Abstand die Majorität der Hörer dar (Dollase 1974: 33). Die Favorisierung von Popmusik speziell bei der Jugend hielt kurz darauf Mitte der achtziger Jahre auch Pape mithilfe einer umfangreichen Befragung fest und sah hinsichtlich dieser musikalischen Vorlieben von jungen Menschen bei seinen Untersuchungen ein bekanntes und gewohntes Bild, „die eindeutig dominierende Stellung der populären Musik und Abhängigkeiten der Musikpräferenzen von alters-, geschlechts- und bildungsbzw. schichtspezifischen Einflussgrößen“ (Pape 1987: 21). Solch ein weithin unwidersprochenes Statement lässt sich nach über fünfzig Jahren Rolling Stones allerdings kaum noch überzeugend aufrecht erhalten.. Und allein, dass sich die jungen Hörer in sich, zum immer wieder aus dem Radiobereich formulierten Leidwesen, bereits bei einer ersten Inaugenscheinnahme überwiegend als "entwicklungsbedingt äußerst inhomogen" und damit als oftmals "sehr unduldsam und intolerant" innerhalb des breiten Feldes der Popmusik erweisen, zeigt die Schwierigkeit von zu allgemein gefassten Aussagen. Denn speziell bei

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den Heranwachsenden findet sich das Phänomen, dass die Einen eine bestimmte Musik „heiß und innig lieben und gleichzeitig Andere genau diese als zutiefst grässlich empfinden“ (Heinemann 1992: 255). Doch was ist es, das die jugendlichen Hörer insgesamt zur Popmusik bringt, was ihnen jeweils die Kategorisierung dieses Stils und seiner einzelnen Richtungen so einfach macht und ihnen solch ein wohliges Gefühl vermittelt, dass sie keine Mühe und Aufwand scheuen, ihre jeweiligen Stars zu unterstützen – und andere heftig zu verschmähen? Was macht den einen Song beliebter und erfolgreicher als einen anderen? Heißt einen Song zu mögen ihn auch kaufen zu wollen? Und ist dies alles wirklich nur ein Phänomen, das ausschließlich für die – jeweils – junge Generation gültig ist? Wie ist dieses breite Feld der Popmusik überhaupt genau zu definieren?

1.1.3 Unterhaltungsmusik und Popmusik – Begriffsbestimmungen Wie notwendig bei der Organisation des Rundfunks die Zuordnung eines speziellen musikalischen Werkes allein zu den großen Blöcken Ernste und Unterhaltende Musik, unabhängig von jeglichem theoretischen Nomenklatur-Streit und präzisen Differenzierungen, in der Praxis der großen öffentlichen Sender der Bundesrepublik ist, verdeutlichte Heinemann, Leiter der Abteilung Unterhaltende Musik des WDRRadios in den neunziger Jahren, mit dem Hinweis auf die generelle Wichtigkeit der Musik in einem Programm. Ausdrücklich betonte er dabei mit Blick auf die junge Hörerschaft: „Ausschließlich durch Musik ist die Jugend an den Hörfunk zu binden. Sie lässt Akzeptanz und Reichweite sinken oder steigen, sie ist der maßgebliche Sympathieträger, sie gibt in 80 Prozent der Fälle den Ausschlag bei der Entscheidung für ein bestimmtes Radioprogramm“. Und dezidiert verwies er dabei auf den rein quantitativen Umstand, dass der Zuhörer-Anteil der Unterhaltenden Musik insgesamt den der renommierten Opus-Musik längst massiv überflügelt habe. Von der Nicht-Unterhaltenden Musik ließe sich schon seit Jahren nur noch maximal drei bis vier Prozent der Hörer eines Sendegebiets an das Radio binden (ebenda: 249). Damit hatte er eine bereits eher gestraffte Aufteilung des Musikangebots vorgenommen, wo doch Jahre zuvor noch das musikalische Programmangebot eines solchen Senders sehr viel ausdifferenzierter strukturiert war. So hatte noch 1969 der norddeutsche NDR seine Hauptabteilung Unterhaltung im Bereich Musik aufgeteilt in die Abteilungen Schallplatte, Tanz- und Unterhaltungsmusik, Schlagerparaden und Übernahmen, Tanz- und Unterhaltungsorchester und Jazz. Die einzelnen Sendungen dort waren wiederum aufgefächert in Deutsche Volksmusik, Ausländische Volksmusik, Leichte Unterhaltungsmusik, Evergreens, Deutsche Schlager, Ausländische Schlager und Beat, Tanzmusik, Jazz und Chansons (Breckoff 1971: 13 f.). In einer derartig verschachtelt aufgebauten Sendeanstalt mit ihren vielen Redaktionen einen speziellen Titel in der richtigen Abteilung unterzubringen, war

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für die Musikpromoter und ihre Plattenfirmen kein leichtes Unterfangen, sondern nur zu oft mit großem Organisationsaufwand, viel Überredungskunst und ausgiebigen und nicht zuletzt anstrengenden Senderreisen verbunden (Jahnke 1998: 43). Bei einer Befragung von Studenten, die als Studienanfänger der Musikwissenschaft gebeten wurden zu definieren, was sie unter Populärer Musik verstehen, zeigte sich andererseits, dass bei den Teilnehmern dieser Gruppe einige gemeinsame charakteristische Merkmale recht schnell gefunden waren. Als wichtigster Punkt stellte sich gleich als erstes der quantitative Aspekt heraus, an dem sich verdeutliche, dass es sich um eine Musik für viele handelt und dass sie entsprechend einen hohen Bekanntheitsgrad und weitreichenden Erfolg bei einem großen Publikum hat. Danach folgten weitere Punkte wie die musikalische Struktur, die mit Attributen in der Form von eingängig, einfach und bekannte Formen beschrieben wurde. Als weitere klassifizierende Merkmale der Populären Musik folgen schließlich noch die diversen Stilistiken, aber auch Medienabhängigkeit und Kommerzialität. Bei der umgekehrten Frage, was denn auf keinen Fall Populäre Musik sei, verschoben sich diese Aspekte deutlich: Jetzt rückte die Ansicht in den Vordergrund, dass vor allem bestimmte Stile wie Klassische Musik, Experimentelle Musik oder bestimmte Jazzrichtungen keinesfalls zu dem Bereich Populäre Musik gezählt werden könnten. Und als ähnlich wichtiger Gesichtspunkt wurde genannt, dass bei den nicht populären Musikrichtungen die Verständlichkeit ohne explizites Hintergrundwissen erschwert, sie damit einhörbedürftig und nur kleinen elitären Gruppen zugänglich sei (Rösing 1996: 104 f.). Doch dabei muss die Überlegung in Betrachtung gezogen werden, ob denn mit dem Begriff Populäre Musik wirklich all das erfasst ist, was allgemeingültig und verbindlich unter Popmusik verstanden werden kann und soll – und umgekehrt. Vor allem, ob und wieweit eine Übereinstimmung besteht zu den Bezeichnungen popular und popular music aus dem angloamerikanischen Raum. Immerhin tut sich der übersetzte Begriff populär oder die zugehörige Popularmusik mit seinem oftmals eher abfälligen oder gar anrüchigen kommerziellen Beigeschmack im deutschen Sprachraum in den Augen vieler erheblich schwerer, wenn es bewusst um eine gewissermaßen freundlich neutrale Gesamtbetrachtung gehen soll. Terhag beschreibt in diesem Zusammenhang „dreißig lange Jahren mit ebenso mühseligen wie überflüssigen Scharmützeln oberhalb und unterhalb der Gürtellinie“. Er bezeichnet Populäre Musik daher generell als „schwammigen Sammelbegriff“ und schlägt als fassbaren Definitionsansatz die Überlegung vor, dass diese Musik sich von anderen Musikarten ja vor allem durch die hier auftretenden Vermittlungsformen unterscheide. Es gehe doch vor allem um das, „was in Noten nicht fixierbar“ sei. Ausdrücklich betont er aber dann doch mit Bezug auf die zumindest grob notierte Darstellung von Rhythmik und Akkordabläufen innerhalb einer Stücke-Partitur, die beispielsweise für eine Probe angefertigt werden sollte, dass ohne diese

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festgelegten Angaben der Song-Grundlagen „musikalisch sonst überhaupt nichts laufen würde“ (Terhag 1994: 9). Gerade in der Musikwissenschaft wurde daher bei der Betrachtung von Popmusik auf der Suche nach einem allgemein gültigen Oberbegriff mit einer Vielzahl von möglichen Begriffe für diese zwar augenscheinlich populäre, aber doch eben in sich auch sehr unterschiedliche Musik – von Popularmusik über Pop Musik und popular music bis hin zu Pop oder sogar zur Unpopulären Popularmusik – oftmals vehement gerungen (Rösing 1996: 94 ff.). Als Teil der Diskussion fand sich dabei auch immer wieder der Versuch, zumindest in bestimmten ausführenden Sparten wie dem pädagogisch ausgerichteten Bereich eine gewisse endgültige Verbindlichkeit innerhalb der vielen Benennungs-Möglichkeiten zu schaffen. Dies scheint auch dann unumgänglich zu sein, wenn sich die musizierende Szenerie selber offenkundig ebenfalls von vornherein in der Abwehr gegen verbindliche Überschriften und Titulierungen befindet: „Nach reiflicher Überlegung haben wir den in der Musikwissenschaft und Szene unüblichen Begriff Populäre Musik durchgängig verwendet. Auch wenn diese Bezeichnung im deutschen Sprachgebrauch ursprünglich zur Stigmatisierung benutzt wurde [...], ist sie pädagogisch und sprachlich wesentlich sinnvoller als die in der Regel an ihrer Stelle benutzten Hilfskonstruktionen wie Pop/Rock-Musik, die falsche und im Deutschen sprachlich sinnlose Übersetzung Popularmusik oder die Vereinnahmung des Gesamtgebietes unter Teilbegriffen wie Rockmusik, Pop oder afro-amerikanische Musik. Natürlich sind Sammelbegriffe an ihren Rändern stets ungenau und befriedigen kaum die Spezialist/innen in Szene und Musikwissenschaft, aus diesem Grund sind selbstverständlich zur genauen Kennzeichnung von Teilgebieten eingrenzende Vokabeln angebracht wie Heavy Metal (was natürlich dem Heavy-Gitarristen immer noch nicht genau genug wäre!) oder Blues (was wiederum der Bluesforscherin noch viel zu ungenau wäre!). Sage mal einem Punk, er mache Punk...“ (Terhag 1994: 6).

Hinzu kommt, dass über und neben den Begriffen Popmusik oder popular music noch andere Oberbegriffe wie Leichte Musik und vor allem Unterhaltungsmusik, meist abgekürzt als U-Musik bezeichnet, zu finden sind. Mit dem Begriff Unterhaltungsmusik verbinden sich dabei wiederum unterschiedliche Auslegungs-Möglichkeiten: • Er stellte lange Zeit einen umfassenden Oberbegriff für alle tanzbaren und populären Musikstile dar. Damit wird die U-Musik generell als Gegenpol zur Ernsten Musik, der E-Musik gesehen. Diese dann als Gesamtbegriff genutzte Bezeichnung Unterhaltungsmusik umfasst damit auch all die üblichen Spielarten und Stilistiken der Popmusik, die dort entsprechend integriert sind. • Fraglich aber ist gleichzeitig, wie weit zurückblickend dieser Begriff Unterhaltungsmusik angewendet werden kann. Mehrfach wird das Repertoire begrenzt auf den Zeitraum des letzten Jahrhunderts, noch frühere Tanzmusik wird bei-

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spielsweise ausgeschlossen. Flender und Raue sprechen diesbezüglich bei der Entwicklung der musikalischen Kulturen von Zeitspannen, die rund 500 Jahre umfassen. Dabei steht die ihrer Ansicht nach kaum 100 Jahre alte Unterhaltungsmusik – als Teil davon wiederum die industriegefertigte anglo-amerikanische Popmusik – im Gegensatz zur traditionellen und bürgerlichen Ernsten Musik gerade erst am Beginn ihrer Entwicklungsmöglichkeiten. Sie befände sich bestenfalls in einem Anfangsstadium. Vor allem die anspruchsvollen Stil-Nischen wie Avantgarde-Jazz und Jazz-Rock würde in Zukunft neue künstlerische Höhepunkte erleben. Die populäre und in großem Maßstab produzierte Musik könnte sich dann, nach dem Auffangen ihrer Schattenseiten wie Entfremdung, emotionale Verarmung, Entpersonalisierung und allgemeine Nivellierung, zu einer neuen kulturellen Blüte entwickeln: „Wir befinden uns also zur Zeit in einer Überlappungssituation zweier kultureller Phasen, von denen eine nach mehreren Jahrhunderten des Wachstums und der Produktivität an Einfluss verliert, während die andere noch in den Kinderschuhen steckt. Beide sind aber [...] noch völlig voneinander getrennt. Die bürgerliche Musikkultur ist nach 1945 weitgehend erstarrt, während die industrielle Musikkultur sich in einer Gärungsphase befindet, deren weiteren Verlauf man noch gar nicht voraussehen kann. Aus dieser kulturellen Phasenverschiebung ist zu erklären, dass sich in den fünfziger und sechziger Jahren bürgerliche und und industrielle Musikkultur gegenseitig abstoßen“ (Flender 1989: 16 f.)

• Meist gilt Unterhaltungsmusik ausdrücklich als leicht verständlich und einfach strukturiert, damit als nicht komplex, innovativ oder sperrig und entsprechend besonders gut tanzbar. Diese unmittelbare Nähe zur gut tanzbaren Musik verdeutlicht der Titel einer gängigen Musiktheorie-Anleitung für den Unterhaltungs- bzw. eben Tanzmusiker, die Ziegenrücker mit der Überschrift versah „Die Tanzmusikwerkstatt: Eine die Spezifika der Tanz- und Unterhaltungsmusik berücksichtigende allgemeine Musiklehre“ (Ziegenrücker 1972). • Unterhaltungsmusik kann aber auch spezifisch als eine selbständige Stilrichtung mit einem eigenen Repertoire verstanden werden, die dann explizit zu unterscheiden ist von Pop- und Rockmusik und deren stilistischen Unterteilungen (Wölfer 2000: 4). Dass sich damit nochmals neue Diskussionen um Abgrenzungen und genaue Definitionen ergeben, liegt auf der Hand. So wurden in der Untersuchung „Jugend und Medien“ vier Dimensionen angeführt, die dort als die Bereiche Leichte Unterhaltung, Popmusik, Anspruchsvolle Moderne Musik und Traditionelle E-Musik vorgestellt werden (Bonfadelli 1986: 156). Schon kurz darauf wird diese Unterteilung allerdings von Pape in Frage gestellt und als sachlich nicht stringente und doch zu unpräzise Obergriffe bezeichnet. Ausdrücklich heißt es bei ihm in Bezug auf mögliche Ein- und Unterteilungen der von ihm gesondert gesehenen Popmusik:

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„Neben dem offensichtlich bei Jugendlichen hohen Beliebtheitsgrad der populären Musik wird gleichzeitig auch hier wieder die Problematik deutlich, Musikpräferenzen allgemein und populärmusikalische Präferenzen im Besonderen mit Hilfe vorgegebener Stil- und Gattunsgspräferenzen tatsächlich differenzierend zu eruieren“ (Pape 1987: 22).

Eine scharfe Abgrenzung von Unterhaltungsmusik zu anderen Stilistiken wird immer wieder als Problem gesehen. Einerseits stellt sie eine Sammelbezeichnung für zahlreiche Erscheinungsformen populärer Musik dar, andererseits gibt es fließende Übergänge hin zu den großen benachbarten Bereichen wie ursprüngliche Volksmusik und traditionelle Kunstmusik, aus denen sich die Unterhaltungsmusik einst entfaltet habe (Hotz 2001: XXX). Bei einer entsprechend eher vage abgegrenzten Begrifflichkeit von Unterhaltungsmusik lässt sich dann auch eine musikalische Richtung wie etwa Volksmusik oder die wiederum daraus abgeleitete Volkstümliche Musik nicht immer leicht trennen oder korrekt einordnen. Bröcker versteht beispielsweise diese Volkstümliche Musik zwar als eine moderne Spielart der Volksmusik, sieht sie aber gleichzeitig wiederum im „Zwischenbereich zwischen zwei Musikrichtungen“ verortet. Sie verweist daher an diesem Beispiel auf die Problematik einer exakten Differenzierung solcher Unterordnungen und stilistischer Abgrenzungen und sieht bei vielen die synonyme Verwendung von Volkstümlicher Musik und Volksmusik, „andere trennen die beiden Bereiche strikt voneinander, manche gebrauchen einen oder beide Bezeichnungen als Synonyma für Folklore, andere wieder halten die volkstümliche Musik für eine Richtung der Unterhaltungsmusik“ (Bröcker 1986: 61). Eher aus einer Dozenten- und Kreativen-Warte betrachtet der Leiter der Pop-Akademie in Mannheim Udo Dahmen das sich verästelnde Geschehen der internen stilistischen Kategorien und definiert Popmusik kurzerhand als den „gesamten Bereich Musik, der sich aus dem Konglomerat von afro-amerikanischer Musik im 20. Jahrhundert mit europäischen und außereuropäischen Musikstilen entwickelt hat“. Damit setzt auch er die Stilrichtung Unterhaltungsmusik praktisch gleich mit Popmusik und grenzt von ihr nur noch einen großen Rest ab, gebildet von Werken der Ernsten Musik. Weil sich dann aber in der so definierten Popmusik erstaunlich viel und auch sehr komplexes Material finden lässt, fasst er mit Blick auf die sich teilweise erneut verwischenden Abgrenzungen der übergeordneten Musikrichtungen zusammen: „Die Grenzziehung zwischen E- und U-Musik fällt schwer angesichts eines Künstlers wie Frank Zappa oder Brian Eno“. Ausdrücklich auf die Popmusik bezogen spricht er von einem „Phänomen, in dem die unterschiedliche künstlerischen Bereiche von Musik, Theater und bildender Kunst verschmelzen und die Grenzen fließend werden“. Sie hat für ihn entsprechend „das kulturelle Bewusstsein der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mitbestimmt wie wohl kaum eine andere Kunstrichtung (Dahmen 2001: Dossier).

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1.1.4 Die Geringschätzung der kommerziellen Popmusik Solch eine anerkennende Einschätzung steht im schroffen Gegensatz zu der meist üblichen kritisch-intellektuellen Rezension von Popmusik, bei der über lange Zeiträume hinweg – oft bis heute – generell eine tiefe Distanziertheit, wenn nicht gar eine deutliche und entschiedene Ablehnung dieser Klänge insgesamt zu konstatieren ist. Im Jahr 1966, also in der Zeit der großen Erfolge der damals weltweit angesagten Beatmusik, findet sich in einer etablierten und weithin allgemein anerkannten Enzyklopädie der Musik bereits am Beginn des Artikels Unterhaltungsmusik eine Ansammlung von Attributen und Beschreibungen höchst abfälliger Art. Die dort in Betracht genommenen Stücke werden gleich einleitend bezeichnet als "Musik, die in gefälliger Aussage- und Klangform dem Hörvergnügen dient und sich an einen breiteren Kreis von Menschen wendet als etwa die große Sinfonik oder die ernste Kammermusik" (Würz 1966: 1138). Von "einfach, leicht fassbar, ohne Mühe in ihrer Entwicklung durchschaubar" ist dann ebenso die Rede wie von "Primitivelaboraten, die im Grunde mit Musik als Kunst nichts zu tun" hätten. Aber nicht nur von Liebhabern der E-Musik, sondern auch von Anhängern der – aus ihrer Sicht – zumindest hochwertigeren Unterhaltungsmusik wurde die Popmusik aus den Hitparaden oftmals mit harscher Kritik angegangen: So hat der SWF-Redakteur Joachim-Ernst Berendt schon früh nie verhehlt, dass ihm der künstlerische Gehalt der Popmusik beispielsweise im direkten Vergleich mit Werken aus dem von ihm favorisierten Jazz-Bereich doch äußerst gering zu sein scheint: „Alles, was im Jazz leicht und gelöst, geistvoll und ausdrucksstark ist, wird im Rock aufdringlich und laut, vulgär und banal“. Von „primitivem Stampfen“ und „sinn-entleerten Phrasen“ ist bei ihm die Rede (Berendt 1959: 96), und erst Jahre später schlug Berendt etwas differenziertere Töne an. Was wohl auch dem Umstand geschuldet war, dass er selber nicht länger unbestritten als der meinungsbildende Mr. Jazz galt. In der Zwischenzeit hatte sich eine alternative Fraktion von Experten mit eigener Meinung und auch positiver Affinität zum aktuellen Rock gebildet, die die Person Berendt mit all ihren recht polarisierenden Ansichten ihrerseits kritisch sahen (Gruntz 2002: 90). Die gröbsten und teilweise fast platten Diffamierungen des betont kommerziellen, von Weißen gemachten Rock´Roll waren daher in den folgenden Auflagen des viel verkauften Jazzbuch von Berendt verschwunden, aber noch immer war es seiner Ansicht nach der ursprüngliche „schwarze“ Blues, der mit seinem Ausdruck und seinen typischen Blue-Notes zumindest für eine deutliche Verbesserung der bisherigen Popmusik gesorgt hatte: „Wenn die heutige populäre Musik realistischer, klarer, ehrlicher und gleichzeitig poetischer, musikalisch und gefühlsmäßig reicher ist als die populäre Musik bis zur Mitte der fünfziger Jahre: Dann ist dies dem Einbruch des Blues in die weiße Popmusik zuzuschreiben“ (Berendt 1973: 141). Immer wieder wurde auch sonst bei der Beschreibung von

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Popmusik auf die "ungeheurere Ausbreitung" und auf den "bedeutenden Platz im wirtschaftlichen Leben" und damit "eine Realität, die sich nicht ignorieren lässt" hingewiesen (Würz 1966: 1138). Ein Umstand, der offenkundig für die Macher und Ausführenden und nicht zuletzt speziell für die Komponisten der Unterhaltungsmusik als Ausgleich zur fehlenden künstlerischen Anerkennung und den damit verbundenen Würdigungen dienen sollte. Gleichzeitig ließ sich hier eine durchgehend vorhandene und angestrebte Präferenz und Bevorzugung der als anspruchsvoll und künstlerisch wertvoll apostrophierten E-Musik und ihrer Vertreter ausmachen. Dies auch ganz handfest, wenn beispielsweise damals in Bezug auf die finanzielle Abrechnung der deutschen Autoren-Verwertungsgesellschaft GEMA konkrete Zahlen genannt wurden: Ein U-Musik-Stück wird seinen Urhebern in den sechziger Jahren generell mit 12 sogenannten Vergütungspunkten, eine wichtige Größe im jährlichen Vergütungsverfahren der Radio- und TV-Gelder, abgegolten, und nur Komponisten von ausgewiesenen Ouvertüren und Ballet-Musiken erhalten bei gleicher Zeitdauer 36 Punkte. Um darüber hinaus auf 96 Punkte zu kommen, mussten Unterhaltungsmusiker explizit eine überdurchschnittliche künstlerische Bedeutung nachweisen. Ganz anders aber geht es zeitgleich bei der Bewertung von Solisten oder Duos aus dem Bereich der durchweg als Kunst anerkannten E-Musik zu: Hier waren bereits für kurze Kompositionen 180 Punkte, bei einstündiger Dauer 1200 Punkte und bei einem Oratorium gar 2400 Punkte vorgesehen. Obwohl sich damit also augenscheinlich gravierende Unterschiede bei den zu verteilenden Punkten ergaben, schließt der entsprechende lexikalische Artikel eher lapidar mit der abmildernden Bemerkung: "Trotz solcher Bevorzugung der E-Musik bedeuten die Verzichtleistungen der U-Komponisten keine untragbaren Verluste, da diese, wenn sie erfolgreich sind, durch hohe Zahlen von Aufführungen reichlich entschädigt werden" (ebenda: 1151). Rund fünfzig Jahre später weist der gültige Verteilungsplan der GEMA verblüffenderweise immer noch ganz ähnliche Verrechnungsschlüssel auf. Die vorherigen beispielhaften Zahlen, die sich in ihrer generellen Aussage bis heute praktisch unverändert erhalten haben, verdeutlichen damit, dass zwar offensichtlich immer wieder diverse Stücke der Popmusik – im Falle eines Hits – eine sehr erfolgreiche Verbreitung finden können, dass aber auch überhaupt erst durch solch einen enormen und weitreichenden Erfolg in Verbindung mit einem damit verbundenen massenhaften Absatz ein Gewinn erzielt und die Grundlage einer beruflichen Existenz gebildet werden kann. Zu beachten ist dabei, dass es sich bei der Anwendungspraxis der GEMA um eine Regelsammlung in Form eines faktisch kaum veränderbaren finanziellen Gesetzeswerk in der Hand eines monopolartigen Urhebervertreters handelt. Dieses sowohl das Urheberrechts-Gesetz als auch das Urheberrechtswahrnehmungs-Gesetz ausführende Regelwerk erscheint regelmäßig als überarbeitete Ausgabe, und ist längst so umfangreich geworden und verklausuliert ausformuliert, dass es, gerade in den wichtigen und für das Einkommen

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eines Musiker entscheidenden Punkten, nur schwer verständlich ist und einem juristischen Laien kaum noch einen Zugang bietet. Auf der entsprechenden Hilfe-Seite der GEMA-Internetseite werden insgesamt nur zehn allgemein gehaltene Fragen in knapper Form beantwortet, ansonsten heißt es lapidar: „Und wer es juristisch mag, kann Gesetzestexte und Urteile nachlesen“ (GEMA Recht & Politik 2010: online). Selbst im Zeichen der aktuellen Internet-Download-Absätze hat sich die kommerzielle Daumenschraube des unbedingt notwendigen Erfolgs für PopmusikAutoren – ohne höchste Besucherzahlen und extrem vielen Aufrufen keine nennenswerte Einnahmen – nicht nur nicht gelockert, sondern paradoxerweise eher noch verstärkt: Mittlerweile schwärmen einzelne Produzenten im Nachhinein schon von den verhältnismäßig guten Tagen, in denen ausschließlich oder zumindest überwiegend haptisch greifbare Tonträger über den Ladentisch wanderten. Ein Zeit, in der noch nicht neu ausgebildete Medien-Giganten wie iTunes oder Spotify ihre digitalen und damit überwiegend nur noch virtuellen Klangdateien verwalteten. Entsprechend überschrieb ein SPIEGEL-Bericht 2010 einen Artikel über die zunehmende globale Internet-Präsenz von Popmusik und die gleichzeitig kargen Online-Einnahmen mit Das Internet, ein Armenhaus für Musiker und konstatierte: "Für Bands sah das Netz zunächst wie ein Gottesgeschenk aus. Es eröffnete neue Vertriebskanäle, über die auch unbekannte Künstler Zugang zum globalen Musikmarkt bekommen. Man hoffte auf die Demokratisierung der Kunst, auf einen Putsch gegen die großen Plattenlabels – und auf sprudelnde Gewinne". Das Fazit aber, das in dem Artikel gezogen wird, verdeutlicht, wie unumgänglich wichtig und für eine Karriere absolut notwendig weiterhin ein wahrhaft gewaltiger Erfolg für einen Komponisten oder Texter ist. Vor allem dann, wenn er ernsthaft mithilfe seiner künstlerischen Arbeit seinen Lebensunterhalt bestreiten will: "Viele Musiker hofften dank des Internets auf einen Geldsegen – doch laut einer neuen Studie sind die Einnahmen aus dem Online-Vertrieb lächerlich. Bei Plattformen wie Last.fm muss ein Song 1.546.667-mal gespielt werden, damit ein Künstler gerade mal den monatlichen US-Mindestlohn von 1.160,-$ erhält". Von den als Zielgruppe und Publikum angesprochenen Konsumenten und den unterschiedlichen Rezipienten ist dabei nicht unbedingt große Unterstützung oder Solidarität für die einzelnen hoffnungsvollen und nur zu oft regelrecht bedürftigen Musik-Macher zu erwarten. In der nachfolgenden Leser-Diskussion der besagten Abhandlung zur Online-Verwertung finden sich dementsprechend eine Reihe von Kommentaren wie: "Was für ein Unsinn. Dann sollen die Künstler ihre Musik selber zum Download anbieten. Oder sich einen richtigen Job suchen". Oder aber es kommt ein Verweis auf das persönliche Konzertieren, wo immer das auch stattfinden sollte: "Seit wann besteht ein Anspruch von digitaler Musik leben zu können? Von Konzerten kann man prima leben. Wer als Musiker keine Konzerte spielen kann, der ist auch keiner" (Schultz 2010: online). Wenn die Musiker aber solch

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einer Forderung – konsequent durchgedacht – nachgäben, wären sie wieder zurückgeworfen auf die pre-Tonträger-Zeit der vorherigen Jahrhunderte, als noch die zur Unterhaltung bestellten Musiker völlig eigenständig ihr Einkommen durch das Vorführen von Sauf- und Tanzliedern, mit der "Stimulation von Sinneslust, Vergnügen, Spaß und Geselligkeit" erzielten (Wicke 1998: 8). Diese unmittelbare Vor-OrtGeldgenerierung ist in der mittlerweile durch und durch mediendominierten Realität unserer Tage allerdings längst nur noch ein Teilaspekt des kommerziellen Geschehens, da die heutige Popmusik ein komplexes Konglomerat darstellt aus einer Mischung von sich unmittelbar nebeneinander präsentierenden und untrennbar verbundenen Elementen. Und zu den dortigen weltweiten Geschäftsbemühungen gehören eben auch die intensiv im Tonstudio betriebene Suche nach neuen, angesagten Sounds – verbunden mit professioneller Tontechnik und Audio-Editierung nebst der Erstellung von perfekt klanglich ausgewogenen Tonträgern und einer anschließenden aufwändigen, visuellen Präsentation. Wobei alles geschieht in einem die Popmusik weithin überlagernden Bemühen, ein möglichst großes Publikum mit allen greifbaren und jeweils zu instrumentalisierenden medialen Formen als Konsument in den Bann zu ziehen (Connolly 2013: 668). Wicke sieht diese wirtschaftlich-mediale Verbindung schon am Beispiel der Beatles vollzogen, deren Musik für ihn eine Verkörperung darstellt "von verschiedenartigen und widerstreitenden Faktoren. Sie war ein kulturelles Ausdrucksmedium Jugendlicher und zugleich das clever kalkulierte Investitionsobjekt von nüchtern rechnenden Marktstrategen auf den Chefetagen der Plattenfirmen. [... ] Sie war Produkt einer breiten Amateurmusikbewegung und gleichzeitig Resultat eines hoch entwickelten Mediensystems mit dem Fernsehen in seinem Zentrum" (Wicke 1998: 238).

1.1.5 Popmusik und das in ihr angelegte Erfolgsstreben Mittlerweile aber erhält die Verbindung von Erfolg und Musik innerhalb der heutigen Popmusik nochmals eine zunehmende Verschärfung. Herrschte noch vor Jahren die übereinstimmende Ansicht in Bezug auf das Verdienen von Geld mit Popmusik, jeder Erfolg bringe automatisch auch Gewinn, muss diese Aussage heute deutlich mehr geschärft und pointiert werden – in eine Richtung wie: Nur wer auf allen Absatzmärkten eines möglichst großen Gebietes mit seiner Musik einen enormen und weit über das übliche Maß hinausreichenden Verkaufserfolg erzielt, wird im finanziellen und damit existenziellen Sinne überhaupt erst zu den beruflich Beteiligten im Musikbusiness zählen. Und selbst von dieser Handvoll Glücklichen erreichen wiederum nur einige wenige jemals den illustren und so oft in den Massenmedien propagierten Millionär-Superstar-Status. Eine vorzeigbare Gewinnmarge wird heute schließlich erst erreicht, wenn ein Musik-Titel größte Massen an Rezipienten wahr-

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lich überwältigt und damit auf breitester, überregionaler Ebene kommerziell messbare und möglichst andauernde Erfolge erzielt. Diese weithin gesehene Verbindung von – großem – Erfolg und der erst dann folgenden Anerkennung innerhalb des Popmusik-Geschehens verdeutlicht, warum hier oftmals andere Wertmaßstäbe angelegt werden als bei einem andersartigen musikalischen Schaffen, das nicht ganz so erbarmungslos unter dem Diktat des Erfolgreich-Sein-Müssens steht. Wenn finanzielle Gewinne, wirtschaftspolitische Interessen und die Eroberung von möglichst großen Käuferschichten derartig, wie es bei der heutigen Popmusik überwiegend der Fall ist, in den Vordergrund rücken, ist es nicht verwunderlich, dass aus der Sicht der Cultural Studies sich hier die Bedingungen der Möglichkeiten von Werturteilen längst von einer ästhetischen auf eine politische Ebene verlagert haben: „Die Kritik an einem kulturellen Phänomen richtet sich daher nicht an dessen gestaltspezifische Beschaffenheit als künstlerische Umsetzung eines geistigen Gehalts, sondern widmet sich vielmehr den dahinter liegenden Machtdiskursen mit ihren sozialen und politischen Implikationen“ (Fuhr 2007: 99). Damit würde das Aufdecken und die Würdigung von kulturellen, medialen und industriellen Zusammenhänge mehr in den Vordergrund gerückt als die Betrachtung der wie auch immer kunstvollen Beschaffenheit des eigentlichen musikalischen Materials. Doch es gibt schon eine Reihe von Abhandlungen, die Popmusik und die Grundlage ihres Erfolgs fokussiert ausdrücklich auf die musikalischen Elemente betrachten. So stellt Schütze beispielsweise bei der Rock 'n' Roll-Periode aus der Mitte des letzten Jahrhunderts die Begutachtung der dort musikalisch charakteristischen Elemente wie die einleitenden Intro-Riffs auf der Gitarre oder die songprägenden Signature-Licks in den Mittelpunkt seiner Untersuchungen. Dies, obwohl er sieht, dass von einigen Seiten behauptet wird, die Mechanismen Populärmusik unterlägen in besonderem Maße den marktwirtschaftlichen Prinzipien der kommerziellen Vermarktung. Explizit daran anknüpfend führt er dann aus, dass zwar einige Phänomene diese These zu unterstützen scheinen wie es z.B. der Payola-Skandal aufzeigte, dennoch „werden im Folgenden die werkimmanenten Faktoren einer näheren Betrachtung unterzogen, die Rock 'n' Roll-Songs einen hohen oder auch geringen musikalischen Wiedererkennungswert verleihen“ (Schütze 2012: 25). Andere Autoren lenken ebenso bei der Nachforschung der Erfolgsgründe einer bestimmten Stilistik das Augenmerk auf das Wirken besonders erfolgreich agierender Komponisten. So wie auf die Aktivitäten des Teams Jerry Leiber und Mike Stoller, die oftmals nicht nur als die wichtigsten Songwriter der fünfziger Jahre und des damaligen Rock 'n' Roll, sondern auch als maßgebliche Pioniere aller nachfolgenden Entwicklungsstufen, etwa der progressiven Rockmusik, gesehen werden. Dabei wird ausdrücklich betont, Leiber und Stoller hätten schon damals demonstriert, dass die angesagten Hits dieser Tage eben nicht nur als kurzfristige, rein auf Gewinn ausgerichtete Wegwerf-Musik gesehen werden dürften. Und bei

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der Begründung dieser Aussage wird bewusst weniger auf die politischen und kulturellen Bedingungen und Situationen dieser Zeit eingegangen, sondern vielmehr auf die rein musikalischen Komponenten und Konstruktionen der dort musikalisch Kreativen. Etwa mit einer klaren Betonung auf die damals häufig vorzufindende „dramatische AABA-Struktur“, womit eine formale und höchst musikinterne Betrachtungen in den zentralen Raum der Betrachtung rückt. Vor allem darauf konzentriert sich die Untersuchung, wenn die Antwort gesucht wird für die alles entscheidende Frage „What is the secret of your success?“ (Spicer 2010: 3).

1.1.6 Musikalische Elemente als Grundlage für eine Erfolgsanalyse Die besonders in der europäischen, soziologisch motivierten Popularmusik-Forschung lange Zeit vorhandene Ansicht, dass Popmusik vorrangig als nicht transzendendierende, eher funktional-nützliche Musik zu untersuchen sei und sie daher überwiegend als ein politisches und soziologisches, weniger als ein kulturell-musikalisches Phänomen gesehen werden müsse, rückte zuletzt, im Zuge einer nach und nach einsetzenden Emanzipation der musikalischen Elemente, in ein zumindest ungefähres Gleichgewicht und Nebeneinander: „Der Soziologe steht bei der zeitgenössischen Popmusik einem Korpus an Songs, Schallplatten, Stars und Stilen gegenüber, die aufgrund einer Kette von Entscheidungen seitens der Produzenten als auch der Konsumenten dieser Musik existieren. Von den Musikern werden Songs geschrieben und Soli gespielt; Produzenten wählen unter verschiedenen Soundmöglichkeiten aus; Plattenfirmen und Rundfunkredakteure entscheiden, was veröffentlicht und gespielt werden soll; Konsumenten kaufen eher die eine Platte als eine andere und konzentrieren sich auf bestimmte Genres. Im Ergebnis all dieser offensichtlich individuellen Entscheidungen findet sich dann ein Erfolgs-, Geschmacks- und Stilmuster, das soziologisch erklärbar ist“ (Frith 1992: 1 f.).

Einer darüber hinaus gehenden Betonung bzw. sogar einer bewussten Fokussierung auf musikinterne Elemente innerhalb einer Analyse stehen aber die – meist üblichen – methodischen Vorgehensweisen entgegen, die Popmusik eben nicht nur als ein reines Musik-Geschehen, sondern als eine weit über die eigentlichen musikalischen Konstruktionsbausteine hinausgehende Gesamtheit auffassen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sie nicht nur von Seiten der Ausführenden betrachtet, sondern auch durch die Sicht der Hörer geprägt wird. Eine Popmusik-Analyse würde dann eine Lesart bilden, bei der das wissenschaftliches Ethos darin besteht, ihre Prämissen und Verfahren aufzudecken: „Die Synthese verschiedener Bedeutungsschichten im Akt der Rezeption wird zum Anlass genommen, eine Analysemethode zu entwickeln, die nicht einen Teilaspekt der Kunstform, etwa die Musik oder den Musikkonsum, privilegiert, sondern zumindest potentiell alle bedeutungstragenden Ele-

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mente untersucht und in ein Modell überführt“ (Petras 2011: 38). Damit ergäben sich umfangreiche Listen oder Kataloge von zu untersuchenden Charakteristiken und Merkmalen, die eine Analyse zu einem aufwändigen, aber auch umfassenden Unterfangen machen. Von Komposition über Produktion und Illustration, Distribution, Akquisition und bis hin zu Rezeption bilden sich dann große Themenbereiche mit exponentiell ausgeweiteter Komplexität, so dass bei solch einer weit angelegten Untersuchung „der Zeitrahmen sehr sorgfältig angepasst werden muss“. Zumindest könnte aber dadurch eine erläuternde Abbildung ermöglicht werden, die über „die Heterogenität der eingeholten Daten eine grundlegende Multiplizität der Bildungsregeln signalisiert sowie notwendig die Pluralität der Produzentenschaft“ (ebenda: 283 f). Eine bewusst starke Betonung der musikimmanenten Elemente innerhalb einer Popmusik-Betrachtung scheint schon per se eine gewisse Problemstellung mit sich zu bringen. Dass beispielsweise eine umfassende Analyse nur anhand notierter Symbole und den dort enthaltenen Informationen bezüglich des musikalischen Materials daher kaum machbar sei, heben Helms und Phleps hervor: „Erklingende Musik – und nicht nur die, die man populäre nennt – stellt der Wissenschaft viel mehr Fragen, als anhand des Notenbildes beantwortet werden können“ (Helms 2012: 8). Gleichzeitig wird dort aber die zunehmende Präferenz des musikalischen Materials als die maßgeblich zu untersuchende Materie klar erkannt und herausgestellt: „Nach zwei Jahrzehnten eines überwiegend kulturwissenschaftlichen Blicks auf den Gegenstand besinnt sich die Popularmusik-Forschung wieder auf ihre Kernkompetenz: auf die Beschreibung von Musik als akustisches Phänomen“. Dabei bleibt aber offen, wie das genau erfolgen soll, denn „die etablierten Techniken der Untersuchung von Kunstmusik erweisen sich hier jedoch nur als bedingt transferierbar“ (ebenda: Rück-Covertext). Welche Elemente lassen sich aber bei der Betrachtung dieser alltäglich gewordenen Popmusik als die, die für den Erfolg eines einzelnen Stückes verantwortlich sind, herausfiltern und freistellen? Besteht nicht die Möglichkeit, dass es immer ein Rätsel und ein unwägbarer Zufall bleiben wird, warum ein spezielles Stück ein globaler Hit geworden ist, ein anderes sich dagegen als ein kläglicher Flop erwiesen hat? Dies vor dem Hintergrund, dass selbst eine aktuelle rechnergestützte Software, in den Medien als Hit-Vorhersage vorgestellt, nur eine Wahrscheinlichkeit von 60% für sich beansprucht (De Bie 2011: online). Was damit nur „einen kleinen Deut besser ist als die Prognose, die man durch einen Münzwurf erhält“, wie ein Kommentar des zugehörigen Artikels kritisch feststellt (Blawat 2011: online).

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1.2 Erfolg in der Popmusik Angesichts der vielfachen lexikalisch oder auch psychologisch orientierten Definitionsversuche ist die Frage berechtigt, was denn überhaupt unter Erfolg zu verstehen ist. Daher soll dieser Begriff einleitend einer genaueren Betrachtung unterzogen werden, um die damit verbundenen unterschiedlichen Aspekte herauszustellen.

1.2.1 Begriffsbestimmung des Erfolgs Zuerst einmal findet sich als Beispiel eines gängigen Lexikon-Artikels die sehr allgemein gehaltene Beschreibung „Positives Ergebnis einer Bemühung; Eintreten einer beabsichtigten, erstrebten Wirkung“ (Duden 2013: online), während der Eintrag Erfolg in einem ausgewiesenen Wirtschaftslexikon schon deutlich konkreter beschrieben wird als „das i.d.R. in monetären Größen erfasste bzw. ausgedrückte Ergebnis des Wirtschaftens, ermittelt durch Erfolgsrechnung“ (Gabler Wirtschaftslexikon 2013: online). In psychologisch angelegten Lebens-Ratgebern wird diese messbare, rein monetäre Ausrichtung nicht völlig abgelehnt, aber doch ausdrücklich relativiert und nur als eine von vielen anderen ebenfalls möglichen Wunscherfüllungen gesehen: „Mit Erfolg meine ich aber nicht: Einen Ferrari zu fahren, Millionär zu sein und in jeder Zeitung zu stehen! Mit Erfolg meine ich: Das Leben zu leben wie man es möchte!! Das ist in meinen Augen Erfolg, es ist aber nichts dagegen einzuwenden, wenn Du Millionär werden willst oder es sogar schon bist, nein, im Gegenteil, wenn das für Dich Erfolg ist, dann ist das völlig OK. Es muss auch kein Erfolg im finanziellen Bereich sein! Es könnte auch Erfolg in einer Beziehung, im Beruf oder im Bereich Gesundheit, Wohlbefinden sein. Wie Du siehst, gibt es genügend Bereiche im Leben um den persönlichen Erfolg zu erreichen!“.

Die eigentlichen Hinweise, wie denn eine wie auch immer geartete erfolgreiche Realisierung von bestimmten Wunschvorstellungen zu erreichen sei, klingen dann gerne wie eine locker aufbereitete Mischung aus therapeutischen und geradezu hypnotisch-beschwörenden Erfolgsformeln. Wobei der Autor sich für einen eventuellen Nicht-Erfolgsfall aber auch abzusichern weiß: „Bedenke jedoch eins: Einen Garantieschein für den Erfolg gibt es nicht!“ (Maiwald 2013: online). Ähnlich breit gefächert formuliert ein anderer Wirtschafts-Coach unter der Überschrift „Erfolgreich. Außergewöhnlich. Leben“ die Vielfalt der zu wünschenden Dinge und Umstände und nennt denjenigen erfolgreich, der sich ein attraktives, wertvolles Ziel setzen und dieses dann schrittweise erreichen kann: “Dabei ist es unwichtig, um welche Art von Ziel es sich handelt. Wichtig ist, dass wir uns die Verwirklichung dieses Zieles wünschen, weil es attraktiv und wertvoll für uns ist“. Und als Belohnung für ein entsprechend motiviertes und beherztes Herangehen an die eigenen

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Wünsche wird dort in Aussicht gestellt: „Herzlich willkommen in Ihrer erfolgreichen Zukunft!“ (Hohmann 2010: online). Doch nur zu oft hat Erfolg auch etwas mit dem Erreichen sehr konkreter Ziele zu tun. Als beispielsweise die ARD unter dem Druck der Rundfunk-Privatisierung zu Beginn der Neunziger Jahre mit ihren RadioProgrammen große Hörer-Erfolge erzielen, also möglichst viele und dabei vor allem junge Hörer ansprechen wollte, mussten schon handfeste Rezepte her, wenn man in diesem schwierigen Erfolgswettstreit um mediale Anteile bestehen wollte. So wurde bei den ersten Sitzungen des Gründungsteams von E1ns Live, dem 1995 installierten Jugendradio des WDR, den damaligen, frisch rekrutierten Redakteuren ein imaginäres Hörer-Bild wieder und wieder vor Augen geführt: Eine Zahnspangen tragende 15-Jährige Auszubildende des Friseur-Handwerks und ihr 18jähriger Berufsschul-Freund, die in ihrem Auto Radio hören – für diese Klientel sollte das neue, auf hohe Hörer-Quote ausgerichtete Programm mit ausschließlich jugendorientierter Musik konzipiert werden. Und diese Musikauswahl hatte weitestgehend aus Titeln zu bestehen, die bei diesem virtuellen Hörer-Pärchen eine hohe Attraktivität haben, eine nachhaltige Anerkennung erzielen und darüber hinaus bei möglichst vielen weiteren jungen Leuten eine ganz ähnliche Wirkung hervorrufen würden. Als Erfolg sollte dann bewertet werden, wenn möglichst viele Hörer möglichst lange zuhörten. Diese Forderung stellte eine dramatische und schon fast revolutionäre Änderung innerhalb der etablierten Rundfunkwelt dar, da der Bruch zu den Ansprüchen der bisherigen, meist traditionell-musikwissenschaftlich ausgebildeten Programm-Machern kaum hätte größer sein können. Denn dort hatte bisher eher ein elitärer Bildungsanspruch die tägliche Programmzusammenstellung dominiert, der sogar bewusst darauf aus war, nicht einfach nur zu gefallen, sondern einen bewussten Gegenentwurf zu den Verkaufslisten der Schallplattenfirmen und den wöchentlichen Hitparaden zu bilden. Popmusik galt hier in seiner Gesamtheit durchweg als schlicht, anspruchslos und kulturell minderwertig, eben als primitiv (Rumpf 2005: 6). Doch seit den neunziger Jahren war es nun auch innerhalb der Öffentlichen Rundfunkanstalten vorrangig die kommerzielle Durchsetzung auf dem Markt, die als alles entscheidender Faktor zur Aufnahme bestimmter Songs in das Programm herangezogen wurde – und nicht länger beispielsweise die kreative Ungewöhnlichkeit oder auffällige innovative Kraft eines vielleicht noch unbekannten Künstlers. Alle beteiligten Programmgestalter wurden zusätzlich darauf hingewiesen, mit welch leichter Hand die besagten durchschnittlichen Teenager solch kommerziell interessante Titel innerhalb einer großen Anzahl gleichartiger Produkte erkennen würden, und wie leicht es ihnen falle, den kommenden Erfolg neuer Künstler und ihrer Songs einzuschätzen. Mit welch unglaublichem Feingespür sie hier die Spreu vom Weizen, die Hits von den Flops trennen könnten. Kein Wunder, dass sich die neue Generation der Programmgestalter kaum noch auf ihr Bauchgefühl und ihren persönlichen Musikgeschmack verließ, sondern sich lieber der Mei-

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nung von bunt zusammengewürfelten Research-Gruppen anschloss und deren rigidem Ja-Nein-Urteil unterwarf. Beim NDR entstand in dieser Zeit N-Joy, in Berlin bzw. Brandenburg Radio Fritz als Teil vom SFB und beim MDR der Jugend-Kanal Sputnik, wobei alle nach diesem gleichen Prinzip arbeiteten. Damit war das in Amerika bereits seit Jahrzehnten praktizierte Programmauswahlverfahren mit seinen expliziten Hörer-Forschungsbefunden endgültig auch in der bundesdeutschen Rundfunkwelt angekommen. Jeder einzelne Titel wird dabei – überwiegend – auf seine Akzeptanz beim jeweiligen Publikum überprüft. Nicht länger entscheidet damit ein einzelner Musikredakteur ausschließlich nach seinen eigenen, individuellen Kriterien, welcher Titel in seiner individuellen Sendung ins Programm genommen und gesendet werden soll, sondern von nun ab zählen vorrangig die Mehrheitsergebnisse der Hörerbefragungen. Der Einsatz, das Airplay, und die Häufigkeit, die Rotation, sowie das spätere Herausnehmen aus dem Programm, das Burn Out, wird seitdem sowohl beim öffentlich-rechtlichen als auch beim Privaten Radio praktisch ausschließlich mithilfe von recherchierten Gefallensäußerungen großer Gruppen festgelegt (Goldhammer 2005: 117). In den USA hatte man auf diesem Wege beispielsweise schon Ende der 30er Jahre eruiert, dass die überwiegende Mehrheit der Hörer eher weniger Wort-Sendungen, sondern lieber Musik konsumieren wollte. Und „populäre Musik wie Jazz und Leichte Unterhaltungskonzerte fanden dabei die größte Akzeptanz, vor allem bei den unter 30jährigen Hörern“ (Milenski 2011: 7). Schon bald bildete sich entsprechend das auf hohe Hörer-Quote, ein auf Erfolg im Programmwettbewerb ausgerichtetes Formatradio aus, dessen Vorgabe es war und ist, sich zielgruppenorientiert auf einzelne Hörerschichten zu konzentrieren. Vor allem einem eher jugendlichen Publikum soll damit eine direkt auf sie zugeschnittene Programmauswahl angeboten werden (Friederichs 2005: 22). Eine mediale Entwicklung, die ihre ganz eigenen Konsequenzen zur Folge hat: Die wenigen bereits erfolgreichen Songs der obersten Hitparaden-Plätze haben von nun ab noch größere Erfolge, weil sich alles noch stärker auf sie konzentriert. Sie tauchen betont häufig im typischen Rotationsprogramm der Rund-Um-die-UhrFormat-Sender auf, die selber gleichzeitig mit anderen, sehr ähnlich konzipierten Medienanstalten um dieselben Hörer kämpfen. Die Kennzeichen von Attraktivität sind damit weniger an qualitativ-innovative, sondern mehr an quantitative Erfolgsmerkmale gekoppelt: Hoher Absatz von Tonträgern, viele positive Stimmen bei Befragungen und Höreraktionen und starker Zulauf zu den Live-Konzerten – das ebnet einem Song den Weg ins Tages-Programm eines solchen, vor allem auf Reichweite bedachten Senders. Daran ändern auch Aufrufe zum Mit-Bestimmen der Musiktitel nur wenig: In der Regel werden dort in flotter Szenensprache einige wenige – von der Musikredaktion vorab selektierte – Titel sehr bekannter Interpreten vorgestellt, aus denen dann die Hörer per – nicht kontrollierbarem – Mehrheitsbe-

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schluss bestimmte Titel auswählen sollen. Auf seiner Web-Seite stellt beispielsweise der hessische Radio-Anbieter FFH unter dem Motto Lust auf Musik regelmäßig acht Titel unter der Überschrift Aktuelle Hits und daneben weitere acht Stücke unter Brandneu vor: „Das FFH-Programm soll noch abwechslungsreicher klingen. Und ihr könnt mitgestalten. Ihr seid unsere »Musik-Jury«! Hier findet ihr jede Woche neue Song-Vorschläge und ihr entscheidet: »Coole Nummer« oder »Geht mal gar nicht«. Sagt es uns. Klickt dazu einfach auf »Daumen rauf« oder »Daumen runter«. Klicken, hören, Meinung sagen und ab dafür" (FFH-

Musikjury 2014: online). Eine echte Auswahl aus der Gesamtheit der neu veröffentlichten Titel stellt diese Methode allerdings sicher nicht dar, bestenfalls eine letzte Gewichtung innerhalb einer Gruppe von eh als erfolgreich eingestuften Songs.

1.2.2 Die Wege zum Erfolg Angesichts solch einer Bedeutung von kommerziellem Durchsetzungskraft zeigen sich auch viele Beiträge und Kolumnen, die typischerweise auf den letzten Seiten von Szene-Fachblättern zu finden sind und sich ausdrücklich mit dem Weg hin zum Erfolg befassen, recht praxisnah und eindeutig zielorientiert. In einer Ausgabe des Tontechnik-Magazins Sound & Recording betont beispielsweise die Autorin eines regelmäßigen Workshops zur Thematik Erfolg durch Musik, wie wichtig es in ihren Augen ist, auf dem Weg hin zum großen Durchbruch nicht locker zu lassen. Unter der Überschrift „Nicht aufgeben!“ wird dort entsprechend in Bezug auf bandinterne Marketingbemühungen aufgefordert, sich durchzusetzen und möglichst kreativ zu sein: „Googlen, recherchieren, mailen, fragen, anrufen. Die meisten eurer Anfragen werden im Sande verlaufen, oder ihr bekommt erst gar keine Antwort. Nehmt das nicht persönlich. Es gibt 100 subjektive Gründe, einen Act abzulehnen. Gründe, die nichts mit euch oder der Qualität eurer Musik zu tun haben“ (Werker 2012: 81). Losgelöst von nur allgemein gültigen und praxisfremden Betrachtungen und mit Verweis auf die unmittelbar den Ausschlag gebenden Ursachen des Erfolgs sprechen der Unternehmensberater Brandmeyer und seine Mitarbeiter in ihrem Plädoyer für „lebensnahe Markentechnik“ betont von eigenständigen Merkmalen und expliziten Konstruktionsbesonderheiten. Beispielsweise von einem unscheinbaren Ventil bei einer Kaffeeverpackung, das einer Weltfirma wie Starbucks entscheidend zum globalen Erfolg verholfen habe. Das Fazit dort ist: „Der erfolgreiche Markenmacher weiss, dass es die sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften eines Markensystems sind, die im Publikum die nachhaltigsten Wirkungen erzielen“. Und ausdrücklich heißt es abschließend: „Für jede Marke finden sich konkrete Erfolgsursachen in den verschiedensten Handlungsfeldern einer Firma“ (Brandmeyer 2008: 7). Dass

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ein nachweislicher Erfolg nicht nur das Ziel einer von Massenproduktion geprägten industriellen Handlung darstellt, sondern eben auch bei der künstlerisch individuellen Produktion von Musik als maßgeblicher Faktor mit im Spiel ist, wird heute weithin auch im pädagogischen Bereich und dabei besonders bei der unterstützenden Nachwuchsförderungen für junge Popmusiker gesehen. Niemand, der sich in diesem Bereich beruflich betätigt, scheint demnach diesem Druck entkommen zu können: „Wenn also heute sämtliche populären Musikformen das Resultat eines industriellen Verwertungsprozesses sind, dann ist jeder Fluchtversuch der Musiker und ihrer Fans daraus zum Scheitern verurteilt“. Dann orientiert sich Pop nur an der Verwertbarkeit, und die Musikindustrie umfasst schließlich sämtliche Sparten und Ausdrucksformen: „Die Kommerzialisierung wird ständig noch etwas totaler“ (Stark 1995: 19). Fast rührend wirkt da die Aufforderung einer Songwriter-Schule, doch bei allem Druck nicht die schlichte „Freude am Schreiben von Liedern“ zu vergessen (Schmidt/Terhag 2010: 6). Allerdings findet sich auf der Rückseite im Begleittext ein vorsichtiger Hinweis auf den vermutlich angestrebten großen Erfolg, zu dem dieses Buch auf immerhin vierzig unterschiedlichen Arten verhelfen will: „Die meisten dieser Wege sind voraussetzungslos umsetzbar. Am Ende steht nicht nur der eigene Hit, sondern auch ein fundiertes Wissen“ (ebenda: Rückseite). Dabei wird gleichzeitig schon deutlich hervorgehoben, dass dieser Weg nicht ganz einfach ist, da er nicht zuletzt oftmals viele Jahre intensiver Arbeit kostet und noch lange nicht jeden an das begehrte Ziel – Hit, Erfolg und Gewinn – führt. Als Voraussetzung wird gerne ein unbedingt notwendiger Hunger auf Erfolg eingefordert, der notwendig sei, um die vielfältigen Probleme und Schwierigkeiten der Anfangsphase zu überwinden. Dazu gehört das Ertragen von Absagen, denen weitere Absagen und wieder Absagen folgen, ebenso wie endlose Verbesserungsvorschläge und schließlich wieder neue Ablehnungen. Aber aus all diesen frustrierenden und oftmals förmlich vernichtenden Kritiken kann letztlich doch eine konstruktive Lehre gezogen werden, da sich schließlich, – nicht zuletzt angeregt durch all die negativen Erfahrungen – darüber der eigene Weg für den Erfolg entwickelt. Diese unerbittliche Suche, dieser unerbittlich treibende Wunsch nach Erfolg mag hart und noch dazu von Rückschlägen durchsetzt sein, dennoch kann diese Phase der Rückschläge und der harten Arbeit auch ihre schönen Seiten haben, wo doch der Weg selbst hin zum Ziel schon seine ganz eigenen Erfahrungen bietet: “In some ways, following a dream is just as important as having one come true – and I thank the hunger for keeping me on the path“ (Blume 2003: 13 f.). Und der Erfolg wird trotz all der Schwierigkeiten und lästigen Problemstellungen manchmal auch angestrebt, weil erfolgreiche Musik viel mehr bewirken kann als nur allein das Geld der Kunden zu generieren. Immerhin wird dem Fan oftmals noch viel mehr abverlangt: „Regen prasselt auf das Dach, das Wasser spritzt zwischen den Autos, die Scheibenwischer

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kommen kaum nach, (...) es ist kalt, selbst die sprichwörtlichen Hunde wollte man jetzt nicht auf die Straße jagen. (...) Parkplatz suchen, Karte kaufen (hoffentlich gibt´s noch welche), eine Stunde ´rumstehen (...). Die zwei Stunden des Konzerts werden für alles entschädigen, hoffentlich!“ (von Appen 2007: 11).

Welcher junge Musiker träumt nicht davon, so erfolgreich zu sein, dass seine Anhänger diese Energie aufbringen und vielfältige Mühen auf sich nehmen, nur um ihn und seine Musik zu hören – und dafür auch noch bezahlen…

1.2.3 Die Unterstützung auf dem Weg zum Erfolg Ein Musiker, der einen so auf Popularität ausgerichteten Beruf wie Popmusiker ausübt, wird mit dem Thema Erfolg an vielen Punkten konfrontiert: Die Zahl der Auftritte, die Höhe der Gage und des Absatzes von Tonträgern, die Einkommen durch Lizenzhonorare – alles ist ausschlaggebend für sein Einkommen. Insofern wird bei Musikern der Wille nach Erfolg und einer breiten Hörerschar diskussionslos vorausgesetzt: „Jeder Musiker wünscht sich Öffentlichkeit für seine Musiker“, sagt Jahnke, die unmittelbar aus dem Dunstkreis großer Plattenkonzerne stammt und dementsprechend Erfolg völlig selbstverständlich in diese Richtung interpretiert. Für sie ist beispielsweise klar, dass der „wichtigste Gradmesser über Erfolg und Misserfolg“ die wöchentlichen Media-Control-Charts sind, denn für sie sind diese Hitparaden-Notierungen ein „hart umkämpftes Leistungsbarometer, das vielfältige und langfristige Auswirkungen hat“ (Jahnke 1998: 144). Popmusik stellt damit seit Jahren und Jahrzehnten auch einen gewaltigen Wirtschaftszweig dar, der weltweit enorme Umsätze und Gewinne generiert. 2001 listete die große US-amerikanische National Music Publishers' Association NMPA die global erzielten Einnahmen auf, die in den Geschäftsbereichen Notenverkauf, Tonträger-Absatz und Konzertvergütungen innerhalb der zehn wichtigsten Industrienationen erwirtschaftet wurden, abgerundet auf Millionen US-Dollar (NMPA Survey 2014: online):

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Doch auf dem Wege hin zum kommerziellen Gewinn können sich für den einzelnen Musiker beträchtliche Hindernisse auftun. So wird die offensichtliche Tendenz beim Publikum verzeichnet, das sowohl die im Tonstudio produzierten als auch die im Konzert auf der Bühne präsentierten Stücke nur noch in höchster tontechnischer Qualität akzeptiert werden (Seelenmeyer in Musiker Jahrbuch 1995: 43). Das setzt, gerade für Amateure oder Einsteiger-Bands, steigende Investitionskosten in diesen Bereichen bei anfangs nur wenig oder gar keinen Einnahmemöglichkeiten voraus. Gleichzeitig ist ein deutlicher Verdrängungseffekt nicht nur beim Tonträger-Verkauf, sondern beispielsweise auch im Konzert-Bereich zu erkennen: Die erfolgreichen und damit finanzstarken Bands, allen voran die aktuellen Hitparaden-Spitzenreiter, ziehen immer mehr Publikum an, während die unbekannten Bands sich mit dem unaufhörlich kleiner werdenden Rest begnügen müssen (Connolly 2013: 71):

Oft wurde und wird daher in den verschiedensten Bereichen der Ruf nach einer entsprechenden Nachwuchsförderung und spürbarer musikwirtschaftlicher Unterstützung laut. Außerhalb der originären Pop-Mutterländer USA und England, nicht zuletzt speziell in Deutschland, wird dabei der weltweit ungebrochene größte Anteil am geschäftlichen Ertrag durch die angloamerikanische Musikindustrie oftmals mit harten Bandagen und rüden Kommentaren angegangen. Dies geschieht meist im Bestreben, der eigenen Szene bessere Absatz- und Auftrittsmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Bereichen zu ermöglichen. Konkret auf das Medium Hörfunk bezogen wurden daher beispielsweise innerhalb der BRD-Medienszene immer wieder Forderungen nach Sendezeitanteilen laut, die unter der Bezeichnung Deutschquote im Radio schon zu heftigen Diskussionen führten (Friedrichsen 2005: 11). Als ein Höhepunkt dieser Bemühungen verlangten 600 prominente bundesdeutsche

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Pop-Größen 2004 in einer wahrhaft kämpferischen Petition und unter großer Medienbeteiligung eine verbindliche Quotenregelung für deutschsprachige Popmusik. Damit verbanden sie auch die Forderungen nach verbesserter Nachwuchsförderung, nach mehr Abwechslung in der deutschen Radiolandschaft und nicht zuletzt nach wirkungsvollerer Promotion für deutschsprachige Popmusik-Stücke (Mühl-Benninghaus 2005: 29). Die bundesdeutschen Musiker werden beispielsweise vom Deutschen Musiker Verband DMV bereits seit Jahren zu solch einem solidarischem Kampf gegen die Dominanz der internationalen, US-orientierten Musikindustrie aufgerufen. Obwohl die german musicians ihre englischsprachigen Kollegen traditionell immer hochschätzten und deren Berufstätigkeit als äußerst prestigeträchtig einordneten (Dollase 1974: 224), werden sie dennoch dort vehement agitatorisch aufgerufen: „Musiker! Vereinigt euch!“ heißt es da, im Kampf gegen den „für einheimische Musiker immer stärker werdenden Konkurrenzdruck auf dem Veranstaltungs-, Medien und Plattenmarkt durch angloamerikanische Rockstars, verursacht durch den fast ungehinderten Zugang anglo-amerikanischer Musiker auf allen Ebenen der Musik in der Bundesrepublik“. Und weiter wird der Schluss gezogen, dass gerade die Dominanz der anglo-amerikanischen Programminhalte im Bereich der Rock- und Popmusik wesentlich dazu beigetragen habe, „dass die Masse der Rock- und Popmusiker in der Bundesrepublik Deutschland bis heute keine eigenständige Identität in diesem Kulturbereich entwickelt hat“ (Seelenmeyer 1995: 25). In diesem Zusammenhang wird, neben einer Chancengleichheit für deutsche Rock- und Popmusiker im Wettkampf mit den internationalen Konkurrenten vor allem aus dem englischsprachigen Raum, auch noch die gleichwertige Behandlung im Verhältnis zur üblicherweise stärker geförderten Klassik gefordert, also eine würdigende Anerkennung als kulturell-künstlerische Leistung. In diesen Punkten sieht sich der Verband als Sprecher von einer großen Zahl Menschen, in deren Leben die Rock- und Popmusik „eine herausragende Rolle spielt und von hunderttausenden jungen und älteren Musikern in der Bundesrepublik begeistert gespielt wird“. Insgesamt wird dann die Bilanz gezogen, es müsse deutlich mehr für die hiesige Popmusik getan werden: „Diese idealistisch-kulturellen Zielsetzungen zeigen, wo nach unserer Meinung den Rock- und Popmusikern in Deutschland der Schuh drückt“ (ebenda: 27 f.). Doch eine konsequente und durchgreifende kämpferische Solidarisierung aller Popmusiker in Deutschland ist letztendlich bislang ausgeblieben, die Aufrufe verhallten im geschäftlich eh meist höchst anstrengenden Alltag der professionellen Popmusiker. Außerdem ist das Verhältnis zwischen Export und Import in Bezug auf deutsche Popmusik sicherlich nicht ausgewogen, aber ein Exportüberschuss von knapp zehn Prozent in 2002 und einem Höchststand von rund siebzehn Prozent in 2003 lässt sich nur schwer als völlige Abschottung des eigenen Marktes nach außen und eine extreme US-Dominanz

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fremder Märkte interpretieren (Connolly 2006: 85). Von Experten und Politikerseite sind insofern eher Ansichten wie „Die Musikwirtschaft und die Quote: Vom Spiel auf´s falsche Tor!“ (Jánszky 2005: 189) oder „Quotenregelungen sind immer das letzte Mittel!“ (Oettinger 2005: 181) zu hören, was gerne in einer Feststellung wie „Das falsche Mittel – die Quote“ (van Damm 2005: 219) endet. Selbst andere bundesdeutsche Musikervertretungen wie etwa die BaRock-Gemeinschaft und ihr Leiter, der bayerische Rockintendant Schweinar, führten in einigen Punkten über Jahre hinweg heftige Positionskämpfe mit dem DMV – nicht ohne gelegentliche selbstironische Untertöne, denn die Sache „grenzt schon fast an Satire und kann einen faden Abend erlebnisreicher machen!“ (Schweinar 2002: online). Nach 2012 scheinen sich die Fronten beruhigt zu haben, da im TonträgerAbsatz nach langer und drastischer Talfahrt nicht mehr nur erschreckend rote Zahlen dominieren, sondern mittlerweile auch wieder eine „schwarze Null“ geschrieben wird. Im entsprechenden Jahreswirtschaftsbericht des Bundesverbandes der Musikindustrie IFPI ist die Rede von einem langsam erfolgenden Paradigmenwechsel in der Musiknutzung, der jetzt sogar als Grund für Optimismus, Dynamik und kräftige Wachstumsimpulse gesehen wird. Und vorneweg sind es dabei bundesdeutsche Künstler, die von dem Aufwind profitieren: „Deutsche Künstler erzielten 2012 Charts-Platzierungen, die nicht einmal zu Zeiten der Neuen Deutschen Welle denkbar waren. Die Musikfirmen unterstützen dieses neue Selbstbewusstsein einer Szene, die unverkrampft mit der deutschen Sprache umgeht und neue Stile prägt: Bereits vor Jahren wurde begonnen, verstärkt in den Aufbau neuer deutscher Künstler zu investieren“ (Gorny IFPI 2012: online).

Wie immer man diesen in den Medien oftmals lautstark geführten, aber eben auch nicht unumstrittenen Kampf für bessere Erfolgsbedingungen hiesiger Pop- und Rockmusiker einordnen mag, es wird damit deutlich vor Augen geführt, dass Erfolg und die Erlangung von Gewinnen von dem eigentlichen Musizieren kaum zu trennen sind. Daher kommt es sowohl in großstädtischen Ballungszentren als auch initiiert von regionalen Musikergruppen in regelmäßigen Abständen zu heftigen Diskussionen über die Notwendigkeit von kultureller Unterstützung jeglicher Art, die sich in Form von lokal- und kulturpolitischen Konsequenzen wie Anhebung eines Förderetats niederschlagen. So wurden 2009 im Freistatt Bayern die dortigen Fördermittel im Bereich Pop und Rock immerhin um rund zehn Prozent auf knapp drei Millionen Euro erhöht. Die Begründung dafür ging ausdrücklich auf den ökonomischen Aspekt dieser Musik ein. Mit der Erhöhung der Mittel im Bereich Ausgaben für künstlerische Musikpflege erkannte der dortige Landtag sogar ausdrücklich den steigenden wirtschaftlichen Stellenwert von Pop- und Rockmusik insgesamt an und „wird dem Anspruch an finanzielle Förderung der Pop- und Rockmusik in Bayern gerecht“ (Bayerischer Landtag 2009: online).

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Allerdings wird auch außerhalb der deutschen Grenzen in Popmusiker-Kreisen viel Handlungsbedarf gesehen, da dort ebenfalls nicht immer nur eine heile bzw. Gewinne hervorbringende Welt vorhanden ist. Gerade innerhalb der so attackierten anglo-amerikanischen Szenerie gibt es – trotz weltweiter Pop-Business-Dominanz und dem größten Popmusik-Markt der Welt – reichlich regional und kulturhistorisch begründete Verteilungskämpfe. Ein Beispiel dafür sind die Bemühungen der unterschiedlichen musikalischen Brennpunkte um Loslösung von den nahezu alles bestimmenden Zentren wie London oder den pulsierenden US-Metropolen New York und Los Angeles. Immerhin weisen andere Städte oder Ballungsräume wie Belfast und Dublin, Manchester, Birmingham und Liverpool bzw. Nashville, Detroit und San Francisco auch jeweils markant ausgeprägte interne Musiker-Szenen auf, die auf eine entsprechende eigenständige Würdigung pochen. Dort haben sich ausgehend von lokalbezogenen Eigenheiten oftmals schon früh eigene Strömungen ausgebildet, die dann nachfolgend über die regionalen Grenzen hinaus als internationaler Trend ihre Spuren in den Zentren der Popmusik-Industrie hinterliessen. Phänomene wie Mersey Sound in den sechziger, Coventry Sound in den siebziger, Manchester Sound in den achtziger oder Seattle-Grunge der neunziger Jahren werden hier oftmals als typische Beispiele gesehen. Eine unterschiedliche Behandlung von internationalen bzw. US-Produkten und eher lokal bezogenen Acts zeigt sich dabei beispielsweise auch innerhalb von Groß-Britannien. Dort positionieren sich sogar auflagenstarke Musik-Magazine mit ihren jeweiligen Berichterstattungen oftmals betont ausdifferenziert: „Whilst a British magazine like Smash Hits is likely to emphasize the global star appeal of Kylie Minogue or Michael Jackson, music papers such as New Musical Express are more likely to focus upon ’local scenes’ because of their concerns with notions of authenticity. The linking of particular artists with particular places identifies them with roots and presents them as real people embodying artistic integrity and honesty, rather than glitzy stars representing an unreal world of glamour, commerce and marketing strategies“ (Cohen 1994: 118).

Dass die Durchsetzung eines regional geprägten musikalischen Eigenlebens innerhalb des global gesehenen Phänomens Rock- und Popmusik viel mehr als nur eine sture Abwehrhaltung gegen die grundsätzliche Vorherrschaft der Mega-Metropolen und den dortigen Szenerien bedeuten und auch eine eigene Identifikationsmöglichkeit innerhalb eines oft schwierigen Umfeldes darstellen kann, verdeutlichen Beispiele wie der Balkan-Rock. Die Klänge, die unter dieser dort Überschrift subsumiert werden, lassen sich musikalisch nicht „unbedingt auf einen gemeinsamen Nenner bringen“, können aber alle im Zusammenhang mit eigenständigen „gravierenden Veränderungen im politischen Umfeld gesehen werden“. Und interessanterweise haben die Songs der einstigen Yugo-Rocker heute außerhalb der Landesgrenzen, etwa im westlichen Europa, für die dortigen Rezipienten eine völlig andere

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Bedeutung, fernab jeglicher einstiger Bezüge. Sie schwärmen bei der Charakterisierung des Balkan-Rocks allgemein von „tanzbarer Party-Musik mit einer gewissen eskapistischen Funktion“. Wild und aufregend, aber sicherlich nicht belastet von einstigen regionalen Hintergründen und kleinstaatlichen Wirren. Bei ihnen präsentiert sich diese Musik nur noch als ausgelassene Popmusik mit einigen exotischen Beiklängen und Begleiterscheinungen. Oder, wie es ein Fan ausdrückte: „For Germans, it´s an adventure!“ (Barber-Kersovan 2006: 90 ff.).

1.3 Bewertung des Erfolgs in der Popmusik Bei den Musikern selbst kann der Drang nach Erfolg und wirtschaftlichem Profit unterschiedlich nivelliert auftreten. Der eine möchte unbedingt mehrfacher Millionär werden, andere sind schon zufrieden, wenn sie mithilfe ihrer Musik zumindest irgendetwas Angenehmes damit erleben können. Nur ein völliger Verzicht auf Erfolgsauswirkungen findet sich selten. So sagte die Sängerin einer Nachwuchsband in einem Fernseh-Interview: „Wir investieren Zeit und viel Herzblut in eine Sache, und freuen uns natürlich, wenn Feedback und damit etwas zurückkommt. [...] Es ist aber schon mal wirklich gut, dass man mit dem, was man eigentlich am liebsten macht, seinen Unterhalt verdienen und seine Miete zahlen kann, das ist schon mal sehr gut. [...] Man kann aber auch schon viele Dinge mit dieser Musik erleben, ohne dass man davon Geld verdient. Es geht nicht nur um das Verdienen, na klar, man braucht so einen Lebensunterhalt, aber man kann ja auch schöne Dinge trotzdem erleben“ (Scobel 2009: online).

1.3.1 Förderung von Popmusik Das Bemühen, junge Musiker auf ihrem Weg hin zum Erfolg kann entsprechend zu unterschiedlichsten Konsequenzen und Überlegungen führen. Meist herrscht allgemein Einigkeit darüber, dass die Musiker für ihre Berufsausübung besser geschult werden sollten und unbedingt eine praxisgerechtere Ausbildung benötigen. An diesem Punkt setzt beispielsweise eine Fülle von entsprechenden Ratgeber-Büchern an: Überlebenskunst – Tips&Tricks für Musiker lautet der Titel einer solchen weit verbreiteten Veröffentlichung, wo als Untertitel hinzugefügt ist: Insider geben Rat, von Rock 'n' Roll bis Techno (Stark 1995). Und Udo Dahmen, Vize-Präsident des Deutschen Musikrats und Künstlerischer Direktor sowie Geschäftsführer der Popakademie Mannheim, wies Anfang 2000 darauf hin, dass einige Initiativen wie etwa die LAG Rock Niedersachsen, ABMI und die VW Sound Foundation ausdrücklich Popmusik-Newcomer fördern, was von ihm mit „BIG TIME!!!“ kommentiert wurde (Dahmen, Dossier 2001). Einige Zeit später meldete sich aber Udo Zimmermann, Direktor der Abteilung Musik innerhalb der Akademie der Künste, zu Wort

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und ließ als Pressemitteilung bekanntgeben, dass die Akademie der Künste (Abteilung Musik) und der Deutsche Musikrat zeitgenössische Musik stärker als bisher fördern wollten. Vertreter des Deutschen Musikrates und der Abteilung Musik der Akademie der Künste hätten sich diesbezüglich auf einer ihrer Mitgliederversammlungen über Fragen des Stellenwerts der Neuen Musik in der Programmpolitik des Deutschen Musikrates geeinigt. Vorausgegangen waren die besagten Ankündigungen des Deutschen Musikrates zur herausgehobenen Rolle der U-Musik, worauf die Komponisten der Ernsten Musik als Mitglieder der Akademie der Künste mit einer öffentlichen Stellungnahme reagierten (Zimmermann 06/2004: online). Diese Verlautbarung wurde veröffentlicht, nachdem kurz zuvor ein heftiger Streit ausgebrochen war, ob denn Popmusik überhaupt förderungswürdig sei und ob solch ein Bemühen nicht viel eher in Bezug auf die moderne Zeitgenössische Musik stattzufinden habe. Entsprechend hatte es vorab in einer Presseerklärung, ebenfalls herausgegeben von Zimmermann, geheißen: „Es geht hier nicht um das gegeneinander Ausspielen von zwei verschiedenen musikalischen Bereichen. Worauf wir nachdrücklich verweisen wollen, ist die unter dem Fähnlein demokratischer Erfordernisse sich derzeit auf vielen gesellschaftlichen Ebenen vollziehende Reduktion des kulturellen Anspruchs auf das leicht Konsumierbare, das Gängige und Klischeehafte, das millionenfach Bewährte und Kommerzielle. Wenn von verantwortlichen Persönlichkeiten derzeit wieder und in alarmierend neuer Qualität das Populäre auf den Schild gehoben wird, andererseits aber ebenso dringend und mit großem Aufwand Innovation, Eliten und Wertebewusstsein politisch eingefordert werden, so stehen damit zwei nicht miteinander vereinbare Strategien gegenüber. Unterhaltung wird einzig mit leicht und Spaß gleichgesetzt. Inzwischen dürfte sich aber die Erkenntnis verbreitet haben, dass von einer Zerstreuungskultur keine neuen, schöpferischen Impulse für die Gesellschaft zu erwarten sind. U nach unserem Verständnis schließt Seriosität und E, sprich: Ernsthaftigkeit – und zwar in allen Genres! – ein. Kunst muss existentiell sein. Wir denken, dass die so genannte E-Musik den Kern unserer westlichen Kultur, ihre differenzierte geistige Substanz, ihre ethischen Werte wesentlich mit bewahrt. Es ist eine überlebensnotwendige Funktion der Kunst als geistiges Gegengewicht zu den alltäglichen Praktiken des globalen Materialismus, die alternative Bewegung in allen subtilen und offenkundigen Varianten zu fordern und zu fördern. Das Unbequeme ist es, was den Menschen weiterbringt, und die E-Musik wagte dieses Unbequeme zu allen Zeiten immer wieder“ (Zimmermann 01/2004: online).

1.3.2 Popmusik als Teil einer gesellschaftlichen Bewegung Gleichzeitig zeigt sich daneben, dass oftmals Musiker gar nicht unbedingt in einem zu ihrer Zeit herrschenden System erfolgreich sein wollten – und doch mit ihren Liedern eine große Wirkung erzielten. Denn nicht immer waren die gesellschaftlichen Voraussetzungen für einen breiten Erfolg für jeden gegeben. In den später

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noch so viele andere Künstler ungemein inspirierenden Blues-Songs eines Robert Johnson wie etwa Dust My Broom drückte sich beispielsweise vornehmlich eine tiefe Verbitterung über das eigene individuelle Scheitern in der durch und durch leistungsorientierten US-Gesellschaft aus: „In diesem Versagen verbirgt sich ein völlig anderes Amerika; es ist ein Amerika der Trostlosigkeit, trostlos deshalb, weil es sich fehl am Platz fühlt“ (Marcus 1981: 32). Und in dem weithin bekannten Folk-Song This Land Is My Land eines politisch engagierten Sängers wie Woody Guthrie stand zweifelsohne eine innere kämpferische Haltung im Vordergrund, sicherlich aber nicht der unmittelbar-vordergründige Gewinn oder Ruhm für ihn als individuell Agierenden. Es sollte noch nicht einmal ein offizieller, lautstarker Protest gegen etwas sein, sondern eher eine „simple und doch wirkungsvolle Beschreibung von Arbeitslosigkeit, sozialer Not und Ausbeutung“ (Woody Guthrie 2011: online). Entsprechend lassen sich, etwa bei der sogenannten Protestmusik speziell in den sechziger Jahren, die Songs dieser Ära als Widerspiegelung von einschneidenden historischen Ereignissen wie beispielsweise den Vietnamkrieg und den ihn damals begleitenden gesellschaftlichen Umbrüchen sehen. Solche Geschehnisse können daher in einer gewissen Weise auch anhand von bestimmten Songs und den dort zu findenden Aussagen nachverfolgt werden: „Mit Joan Baez, P. F. Sloan, Pete Seeger ging die Protest-Ära ins Land. Rauschgift, Verbrechen, Vietnamkrieg, Atombombe, Ostermarsch — das politisch' Lied, das garstig' Lied, lief der Politisierung der Jugend — ausgehend von den Universitäten — parallel“ (Leitner 1971: 2). Ergänzend dazu gibt es eine Komponente von Erfolg, die sich in einem inneren ideologischen und damit politisch gefärbten Aspekt einer globalen Massenbewegung darstellt. Etwa in Form eines von der großen Menge getragenen Gemeinschaftsgefühls, das nicht zuletzt mitverantwortlich für die Durchschlagskraft einer wie auch immer gearteten Bewegung – mit all ihren Songs – sein kann. Ohne den inneren Zusammenhalt hätte es sonst nur vereinzelte Leistungen und Bemühungen gegeben, aber nicht eine, zumindest zeitweise solidarische und gegenseitig respektierende Bewegung, die weltweit ganze Generationen in ihren Bann zog und sich in gigantischen Massenveranstaltungen und tagelangen Musikfestivals symbolisierte: „Woodstock war mehr als eine bloße Momentaufnahme, ein situatives Kollektiverlebnis im Sommer 1969, mehr als ein Tagtraum von nahezu einer halben Million Aussteiger. In ihm aufgehoben waren mit der Beat- wie der Hippiebewegung die beiden entscheidenden Generationen der in San Francisco angesiedelten Subkultur. Der Beat war der Schlag, der Puls und der Impuls. [...] Die Musik war der Strom, die Strömung, in der sich die Vergemeinschaftung vollzog und die Subkultur sich konstituierte. Diese Tendenz, dass es um ein Lebensgefühl ging, war bereits im Beat zum Ausdruck gekommen. So wie der Beat im Jazz eine bestimmte Haltung ausdrückte, so war der Beat in der literarischen Bewegung eine Metapher für die Musik“ (Kraushaar 2008: 38 f.).

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In den einzelnen Ländern innerhalb von Europa, gerade im Vergleich zum PopMutterland England, verlief die Entwicklung hin zu einem gemeinsamen Szene-Gefühl nicht immer gleichmäßig und oftmals stark abweichend vom amerikanischen Kontinent, auch wenn es durchgehend einen oftmals intensiven Austausch gab. In den Nachkriegsgesellschaften der jeweiligen europäischen Nationen waren aber insgesamt gänzlich andere wirtschaftliche Hintergründe ausschlaggebend, so dass sich z.B. in den Großstädten von Großbritannien eigene Moderichtungen und Verhaltensmuster bei den Jugendlichen entwickelten: „Die britische Hippie-Szene hatte ganz andere Ausgangspunkte und Ursachen als jene in den USA. Während die amerikanische Hippie-Kultur eine Reaktion auf die reichste Konsumgesellschaft der Welt war, hatten junge Briten in den sechziger Jahren zum ersten mal überhaupt eigenes Geld in der Tasche. In der Underground-Szene liefen verschieden Strömungen von Jugendkulturen zusammen: Mods, Rocker, die Backfische aus Swinging London, die Aktivisten der Kampagne für atomare Entwaffnung, linksradikale Studenten und eine neue Generation von Art-School-Absolventen, von denen die meisten Rockmusiker waren. Die Öffentlichkeit bekam von diesen Aktivitäten nicht viel mit, weil sich die Medien kaum dafür interessierten“ (Miles 2007: 76).

Und auch in Deutschland und auf dem übrigen europäischen Kontinent entwickelte sich mit Beginn der Popmusik und dem Rock 'n' Roll in den fünfziger, spätestens aber seit Beginn der Beat-Musik und endgültig mit dem Aufkommen einer progressiven und bluesgeprägten Rockmusik Ende der sechziger Jahre, zwischen Hamburg, Berlin und München unter den Jugendlichen eine neuartige Lebensansicht und eine entsprechend eigene Lebensform. Ob sie nun Hippies, Gammler oder Beatfreunde genannt wurden, immer war für sie die Musik ein zentrales Element, das für Bindung, Verständnis und gemeinsame Grundlagen sorgte. Beat-Musik als die damalige Form der Popmusik wurde dabei als Ausdruck einer bestimmten Lebenshaltung verstanden und stellte damit weit mehr als nur ein musikalisches Phänomen dar. In ihr bildetet sich ein Kristallisationspunkt für Diskussionen und Proteste, gleichberechtigt neben einem politischen Engagement (Hoffmann 1972: 3). Unabhängig von Landesgrenzen und Herkunft präsentierten sich Musiker von da ab mit einem neuen Selbstbewusstsein. Nicht länger waren sie ausschließlich Ausführende innerhalb eines von oben diktierten Produktionsprozesses, sondern nun wollten sie, entsprechend den aktuellen gesellschaftlichen Forderungen nach Freiheit und Selbstbestimmung, auch in künstlerischen Belangen ein Mitspracherecht haben. Die Band Sparrows beispielsweise verhielt sich derartig renitent selbst gegenüber einer wirtschaftlich mächtigen Plattenfirma, dass sie lieber die Mühen auf sich nahmen, nach anderen Partnern Ausschau zu halten als von ihren bandinternen Ansichten und musikalischen Plänen abzurücken. Sie änderten ihren Namen in Steppenwolf und

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sollten damit schon sehr bald große Erfolge erzielen. Eine Kooperation mit den etablierten Major-Companies schien manchmal gar nicht mehr denkbar, da die Einstellungen bei den Mitarbeitern der Plattenfirmen zu altertümlich wirkten. Sänger John Kay sagte später: „Die versuchten, uns in so ´ne Masche reinzudrücken und uns vorzuschreiben, was wir zu machen hätten. Das ließen wir uns nicht gefallen, deshalb kam es zu keiner Zusammenarbeit mit CBS“ (ebenda: 107). Als Ergebnis solcher das bürgerliche Establishment ablehnenden Gedanken und Handlungen war schließlich sogar eine ausgeprägte politische Paranoia bis hinauf ins Weiße Haus zu spüren. Die größte dort gehegte Befürchtung aber, der Ausbruch einer umfassenden gesellschaftlichen Revolte, nicht zuletzt getragen von der Popmusik, sollte sich dann niemals erfüllen. Im Gegenteil wehrten sich prominente Figuren der Rockszene wie etwa ein John Lennon mit seiner Ehefrau Yoko Ono Anfang der siebziger Jahre heftig dagegen, als Frontfiguren einer gewaltsam agieren wollenden Bewegung, die auf einen realen Bürgerkrieg und Umsturz hin arbeitete, vereinnahmt zu werden. Beide betonten mehrfach, das ihnen diese Ideen immer äußerst missfallen würden, und dass sie nicht nur gefährlich, sondern ihrer Ansicht nach auch sehr kurzsichtig seien. Yoko Ono führte später in ihren Erinnerungen aus, wie sehr John und sie sich von ihrer Umgebung isoliert gefühlt hätten „as our friends were trying to lash out, wanting to bomb the White House, something violent like that. I insisted that we should keep doing things in a peaceful way, because violence breeds violence“ (Dogget 2007: 470).

1.3.3 Die gesellschaftliche Kraft erfolgreicher Popmusik Dass die Bewegung um und mit Popmusik niemals ernsthaft eine Keimzelle von zielgerichteten politischen Bewegungen mit konkret ausformulierten politischen oder gar militärischen Forderungen wurde, liegt wohl auch an der zu keinem Zeitpunkt beendeten und daher immer ungemein intensiven Verflechtung mit den kapitalistischen Praktiken und Ansichten, eingebracht durch die Hersteller und Vertreiber der Tonträger, die Plattenfirmen und ihre Marketing-Büros. Selbst, wenn auf der Bühne oder im Studio lautstark Revolution und Aufstand verkündet wurde, wurden doch die Songs auf den schwarzen Scheiben unverändert in der gleichen Art und Weise wie zuvor in den Handel gebracht und dort zu den marktüblichen Preisen abgesetzt. Damit ergab sich nur zu oft eine Art paradoxe Koexistenz von aufrührerischen Gedanken in Verbindung mit kommerzkompatiblen Praktiken: „Das erste große Festival der Rockgeschichte 1967 in Monterey führte denn auch nicht mehr nur jugendfreies Massen-Entertainement im Schilde, sondern wurde zu einer Demonstration von neugewonnener geistiger, physischer und musikalischer Freiheit. Sinnbild für dieses neue Selbstverständnis ist vielleicht der legendäre Auftritt von Jimi Hendrix mit Federboa und

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angezündeter Gitarre, der das Publikum regelrecht paralysierte. Der Event löste ein Umdenken auch bei den großen Plattenfirmen aus, denn zu dieser Zeit erhielten Hippie-Bands wie Jefferson Airplane, Grateful Dead, Big Brother & The Holding Company und andere MajorVerträge. Da störte es die Plattenbosse wenig, dass ihre Schützlinge vom Umsturz sangen, solange nur die Kasse stimmte. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts bewiesen einige der langhaarigen Rocker Gespür für publikumswirksame Songs und schafften es mit ihren Platten bis weit hinauf in die Charts“ (Hofacker 2012: 368).

Und mehrere Jahrzehnte später? Ein breiter Kampf um politisches oder finanzielles Mitspracherecht ist bei dem Gros der Popmusiker nicht angesagt, eher ist allgemein der Versuch festzustellen, eine gesellschaftliche Anerkennung und das Streben nach Gewinn und materiellem Reichtum mit der Suche nach einer authentischen und persönlichkeitsfördernden Lebensform in Übereinstimmung zu bringen. Dies kann und darf für die meisten Popmusiker der jungen Generationen auch innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Strukturen stattfinden. Daher lässt sich im Umkreis des Populären ein Vermischungsprozess nachvollziehen, der als eine Art der Diffusion von massenkompatiblem Mainstream und und innovatorischer Pop-Avantgarde verstanden werden kann. Entsprechend greifen hier übergreifend weniger die kämpferischen Attribute wie revolutionär und umstürzlerisch, sondern innerhalb der bestehenden System-Realität rückt nun ein „Authentisch-Sein“ und ein „NichtMarktkonform-Sein“ in den Vordergrund (Hügel 2003: 69). Auf einen jungen musikalischen Berufseinsteiger kommt damit die Aufgabe zu, sich zwischen strikten Alltags-Anforderungen und seiner persönlichen Ausdrucksform einen Platz zu suchen und sich gleichzeitig damit irgendwie im globalen Konkurrenzdruck zu behaupten. Popmusik ohne ein Mitwirken im Erfolgsgeschäft ist halt gar nicht mehr denkbar, ein Aufruf zu einer radikalen Kehrtwende weg von diesen Anforderungen gilt in den Augen der meisten Akteure daher als schlichtweg unpassend. Es verbleibt als Einziges ein letzter, persönlich abzuwägender Spielraum zwischen dem eigenen Schaffensanspruch, dem persönlichen Spaß-Haben und der noch verbleibenden Anforderung, irgendwann Gewinne erzielen zu müssen. Das alles ergibt letztendlich ein immer wieder neues Ausbalancieren von eigenen künstlerischen Ideen und den umfangreichen Vorgaben einer etablierten Massenproduktion, die vorwiegend im gewinnorientierten Arbeiten den Sinn der Tätigkeiten zu erkennen glaubt. Immer wieder zeigt sich eine Verniedlichung oder auch Leugnung dieser oft schwer in Übereinstimmung zu bringenden Positionen in Form eines Realitäts-Eskapismus – in vielfältigster Ausgestaltung. Dazu gehört wohl auch der tröstende Ratschlag, Musikmachen solle doch vor allem Spaß machen und bräuchte nicht unbedingt nachweisbare Umsätze und versteuerbare Gewinne einbringen. Dieser Leitsatz klang bereits bei vielen Akteuren der Neuen Deutschen Welle an, da zu Beginn der achtziger Jahre die politischen Umstände nicht nur schwer veränderbar

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schienen, sondern so hoffnungslos in eine Endzeit-Apokalypse zu münden drohten, dass ein spaßbetontes Agieren im Hier und Heute viel wichtiger schien als das langfristige Planen für eine eh kaum noch zu erwartende Zukunft: „Steinzeit, Bronzezeit, Atomzeit – zeitlos, das Zeitalter der Abschreckung. Der Planet als Ei, das abgeschreckt wird. Es wird zu eng, um noch einmal gemütlich die Beine auszustrecken; die Luft ist zu dick, um tief durchzuatmen; und wie lange, glaubst du, ist die Erde noch bewohnbarer als der Mond? [...] Für nichts ist Zeit außer für die Angst. Menschen laufen mit Kopfhörern auf den Ohren durch die Straßen. Köpfe werden rasiert, Sicherheitsnadeln bohren sich durch die Wangen und Ohrläppchen. Frühwarnsysteme werden installiert, doch niemand ist gewarnt. Man ist sich einig: Der Wald darf nicht sterben“ (Skolud 1984: 14 f.)

1.3.4 Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit des Erfolgs Bei einer Beschreibung von Popmusik als ein Phänomen mit augenscheinlich fester Verbindung von Musik und wirtschaftlichem Erfolg muss ausdrücklich festgehalten werden, dass letztendlich aber „nur etwa zehn bis zwanzig Prozent aller veröffentlichten CDs so erfolgreich sind, dass sie dem Hersteller Gewinne einbringen“ (Dahmen 2001: Dossier). Und auf diese erfolgreichen Produktionen kommt damit noch ein zusätzlicher enormer Druck hinzu, wo sie doch gezwungenermaßen auch viele Fehlschläge mittragen müssen, denn die „Flops müssen mittelfristig durch die Deckungsbeiträge der erfolgreichen Produkte abgedeckt werden“ (Seibold 1994: 1). Bei der Unterscheidung von Hit oder Flop zählen also nahezu nur die betriebswirtschaftlichen Zahlen. So gesehen machen allein die Konsumenten durch den Kauf einer Musikveröffentlichung eine Produktion zu einem Erfolg. Zu einem an sich rein ökonomischen Gewinn, denn interne künstlerische Aspekte und deren Würdigung brauchen dabei keinerlei Rolle zu spielen. Zumindest bleibt es offen, welche Bedürfnisse der Käufer von der Musik eigentlich befriedigt werden sollen, welchen Gebrauchswert der Musik sie für sich jeweils erwerben wollen (Friedrichsen 2005: 16). Durch die üblichen Eigenpräsentation von Popmusik und ihren Stars mit der massiven Betonung auf deren Hits und lang anhaltende Chartserfolge erhalten Gewinn und Erfolg eine besonders intensive Betonung. Andererseits sprechen die betriebswirtschaftlichen Zahlen und Statistiken eben durchweg auch eine ernüchternde und nahezu abschreckende Sprache. Denn nur einige wenige Musiker von all denen, die sich intensiv mit Popmusik befassen, können danach jemals darauf hoffen, aus ihrer Musik einen Gewinn zu ziehen: „Den wenigen vorliegenden Studien jüngeren Datums zufolge, die allerdings alle auf den Bereich der Rock und Popmusik fokussiert sind, umfasst das Altersspektrum dieser Gruppe von Akteuren eine Bandbreite von 14 bis hin zu 58 Jahren, wobei der Kernbereich im Alters-

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segment der 21- bis 30-Jährigen liegt. Für etwa 85 Prozent von ihnen verbinden sich, ungeachtet ihrer Intentionen, mit dem Musikmachen keine realen Erwerbsmöglichkeiten. Auch wenn diese Verhältnisse ungeprüft auf die im Umfeld liegenden Genres und Gattungen der populären Musik nicht übertragbar sind, der hohe Anteil von Freizeitmusikern und -musikerinnen ist insgesamt kennzeichnend“ (Wicke 2004: 2).

Die Frage, die dabei anklingt, ist, inwieweit bei den besagten Freizeitmusikern bewusst und freiwillig auf Gewinn und Erfolg verzichtet wird, um vielleicht damit das Freizeit-Hobby nicht über Gebühren zu strapazieren, oder ob bei vielen doch der große Traum von Ruhm und Erfolg im Hintergrund zumindest als zeitweiliges Motiv für die musikalischen Unternehmungen zu finden ist. Dies versuchte eine eine Hamburger Studie von 1999 zu ergründen und erbrachte als Ergebnis, dass ein Mitwirken als Musiker in einer Band vor allem den Wunsch nach gemeinsamen Erlebnissen und Erfahrungen entspringt, während das Streben nach finanziellem Gewinn weit dahinter rangiere. Gleichzeitig wird aber bei gezielter Nachfrage dann doch, trotz der Bevorzugung des kommunikativen und sozialen Faktors, bei der Mehrheit der Befragten eine gewisse Hoffnung erkennbar – auf Erfolg, Anerkennung und der Möglichkeit einer hauptberuflichen Musikausübung. Dies scheinen die letztlich ausschlaggebenden Gründe etwa für die ungemein zeitraubende und konzentrierte Probearbeit vieler Amateurbands zu sein (Schneider 2001: 194). Will ich als Musiker den Erfolg? So unbedingt, dass ich dafür bereit bin, in Bezug auf meine Musik und meine Lebensgestaltung weitreichende Zugeständnisse und schmerzhafte Kompromisse einzugehen? Meist werden, bei einer positiven Entscheidung für ein Musiker-Leben, als Konsequenz der dann entstehenden Alltagsprobleme alle irgendwie vorhandenen Reserven und Einsparmöglichkeiten aktiviert, um sich möglichst täglich und ohne die Verpflichtungen eines anderen Jobs ausschließlich der eigenen Musik widmen zu können: „Ich will ja nicht berühmt werden, ich will ja nur von meiner Musik leben können“. Ein Satz, den man auch augenzwinkernd den vermutlich meist gehörten Satz innerhalb von Pop-Nachwuchstreffen nennen könnte (Hentschel 2003: 13). Zu wenig Geld und zu wenig freie Zeit für kreatives Schaffen bilden schon seit Jahrzehnten die dringlichsten Problemen des weitaus größten Teils aller Popmusiker – dies nicht zuletzt auch von denen, die diese Tätigkeit ausschließlich beruflich ausüben (Dollase 1974: 243). Die finanziellen Belastungen haben sich im Laufe der Jahre sogar eher verschärft, und viele Musiker schätzen sich schon glücklich, wenn sie zumindest bei ihren Auftritten eine annähernde Kostendeckung erreichen können, von den Investitionskosten für die Instrumente und den sonstigen Zeitaufwand etwa für die Probearbeit ganz abgesehen (Schneider 2001: 220). Und genau an diese Klientel, die ohne übermäßige Reichtümer anzuhäufen, zumindest irgendwie von ihrer Musik leben will und diesen Vorsatz oftmals als wichtigste Aufgabe in ihrem weiteren weitere Vorgehen

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sieht, wendet sich entsprechend auch der Großteil der typischen Ratgeber-Literatur. Überschriften wie „...und dann raus! CDs und Downloads selber vermarkten“ (Werker, 2012: 76) oder auch „Wie kommt die Musik in die Ohren?“ verweisen auf entsprechende Hilfestellungen und Vorschläge. Hier wird in betont kleinen Schritten der lange Weg zum großen Erfolg begleitet, und immer wieder wird aufmunternd und motivierend bekräftigt: „Nicht aufgeben! Denn manchmal habt ihr einfach das nötige Quäntchen Glück, seid zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ (Werker 2013: 81).

1.4 Das Streben nach Erfolg Vielleicht mag man sich von einer distanzierten Warte aus fragen, was denn so kompliziert an dem Weg zum Hit und einem Star-Dasein sein soll, wo ihn doch schon eine Reihe von erfolgreichen Stars in ihren Songs beschrieben und dies in entweder recht konkreten Anleitungen weitergegeben haben: So you want to be a rock 'n' roll star? Then listen now to what I say: Just get an electric guitar, then take some time and learn how to play. And with your hair swung right and your pants too tight, it's gonna be all right. Then it's time to go downtown, where the agent man won't let you down. Sell your soul to the company, who are waiting there to sell plastic ware. And in a week or two, if you make the charts, the girls'll tear you apart. (Byrds in So You Want To Be A Rock´n ´Roll Star)

Auch für die Erstellung eines Songtextes innerhalb eines Popmusik-Stückes wurde schon so manch, wenn auch gelegentlich etwas nebulöse Rezeptur vorgestellt: ...think of a rhyme. That´s it, you´re doing fine. Now think of the good time we just had together. If you practice these instructions on the boat of song you´ll sail, I´m sure you shalln´t fail! (Nilson in How To Write A Song)

1.4.1 Anleitungen zum erfolgreichen Songwriting Doch wem diese flott hingeworfenen Insider-Ratschläge nicht reichen, der muss sich fragen: Wo ist denn ernsthaft Popmusik auf seine handwerklichen Konstruktionsmerkmale hin aufbereitet worden, wer hat sie entsprechend analysiert, und wer hat ihre Baupläne aufgedeckt? Und welche der Elemente eines Songs werden überhaupt als lernbar gehandelt, so dass sie etwa in einer Songwriter-Schule aufbereitet und dem Anfänger erläutert werden können? Nicht zuletzt bieten sich diesbezüglich die Lehrwerke aus der Unterrichts-Praxis an, wo in Form von handfesten Ratschlägen und schülernah aufbereiteten Tips auch eine Vielzahl von Anleitungen erstellt wurden, um das Songwriting innerhalb der Popmusik zu lernen oder auch unterrich-

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ten zu können. In Lehrbüchern dieser Art werden die einzelnen Bausteine und aufgesplitterten Elemente meist gesondert betrachtet und in kleinen Schritten dem Lernwilligen näher gebracht. Eine tiefer gehende Reflexion und Hinterfragung der einzelnen Parts ist dabei in der Regel allerdings nicht zu erwarten: Hier wird nach der Vorführung ein baldiges Selber- und Nachmachen erwartet, ohne dass dabei detailliert ausgeführt wird, nach welchen Vorgaben und Methodiken die zu behandelnden Musikparts denn vorab zerlegt und aufbereitet worden sind. Meist bietet solch ein Praxis-Lehrwerk in diversen Schritten Anleitungen zu allen basalen Elementen eines Songs, indem die großen Bereiche Form, Text, Melodik und Harmonik in einzelne Kapitel mit jeweils differenzierten Anleitungen und Wegen unterteilt werden (Schmidt 2010: 3). Es sind dabei aber auch abweichende Ansätze zu beobachten. Einige Lehrbücher richten sich insgesamt vorrangig auf das Erstellen von Song-Texten aus, andere eher auf das musiktheoretische Wissen. Perricone beispielsweise rückt besonders das melodische Geschehen beim Songwriting in den Vordergrund und teilt sein Unterrichtswerk ausschließlich in die beiden großen Parts Melodie und Das Verhältnis von Harmonik und Melodik auf, wobei er nicht auf irgendein Hintergrundwissen oder weiterführende Aspekte einer Popmusik-Stilistik eingeht, sondern durchweg im allgemeinen Harmonielehre-Modus verbleibt. Auf diese Weise beschreibt er, unterstützt durch diverse Notenbeispiele, auch kompliziertere melodische Geschehen. Etwa beim Blues, der hier konsequent reduziert wird auf seine zugehörigen Musik-Bausteine: „Blues melody is more tonally independent from its harmony than either traditional major or minor melody is from its harmony. [...] Most characteristic is the clash of 3rd occurring between a minor 3rd melodically and a major 3rd harmonically“ (Perricone 2000: 155). Wenn solche musiktheoretische Instruktionen im Vordergrund stehen, werden in einzelnen Büchern gelegentlich auch insiderartige Tricks und songbezogene Details vorgestellt, um nicht nur das gängige Lehrmaterial aus den üblichen Harmonielehren vorzustellen. So wird beispielsweise in einer speziellen SongwriterSchule intensiv darauf eingegangen, welcher Grundton bei einem üblichen C-DurAkkord wie wirkt: Angefangen vom eigentlichen Grundton c, dann diatonisch ansteigend über das d – „it´s undoubtedly a nice warm sound“ – geht es zum a unter C-Dur, wo die Frage diskutiert wird, ob dies ein C-Dur auf a oder ein A-MollSeptakkord mit dominantischer Fortführung hin zu D-Dur ist. Bei einem h unter CDur wird die intensive Diskussion eröffnet, ob sich hier um einen ganz besonderen Akkord handele, von dem sich sagen lässt, er ist „godlike, evoking images of towering pipe organs and scenes of awesome significance“. Oder ob dieses h nicht als Teil einer unabhängigen Melodie zu sehen ist, die, wie in For No One der Beatles oder Whiter Shade Of Pale von Procol Harum, als absteigende Basslinie eine Art Eigenleben unter einem ansonsten konstant gleich bleibenden Dreiklang führt (Webb 1998: 222 ff.).

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Sobald betont der gesamte künstlerische Komplex des Songwritings abgehandelt wird, integrieren einzelne Bücher gerne zusätzliche Tipps wie etwa zur Stimulation der eigenen Kreativität und schlagen dementsprechende Übungen vor. Beispielsweise das Experiment, mindestens 24 Stunden kein Fernsehen zu schauen und auch nicht im Internet zu surfen. Was nicht nur die kreative Leistung erstaunlich beeinflussen, sondern auch gleich die allgemeine Gelassenheit enorm steigern soll (Blume 2003: 57). Popmusik kann daneben bewusst als Verbindung aus musikalischem Handwerk und geschäftlicher Praxis verstanden werden, so dass in einigen Lehrwerken das Schreiben des eigenen Songs neben dem Vermarkten gleichberechtigt im Vordergrund steht: Ein Stück soll als lang erträumter Abschluss eines langen Weges ein Hit werden (Blume 2004: xxi). Manchmal findet sich eine derartige Vermengung von Handwerk und Geschäft schon im Titel einer Kompositions-Anleitung: The Craft and Business of Songwriting. Wobei dieses Lehrwerk in der Unterzeile gleich noch dezidierter auf das erhoffte Ziel eingeht: „A practical guide to creating and marketing artistically and commercially successful songs“ (Braheny 2007: Titelseite). Das ausschließliche Hervorheben einzelner Finessen und Details ist wiederum ein Weg, der in Inside Classic Rock Tracks bei insgesamt 100 äußerst erfolgreichen und wegweisenden Songs eingeschlagen wird. Dort deckt Rooksby spezifische Interna von ausgewählten Beispielstücken auf, die von Aspekten des Stückeschreibens bis hin zu Besonderheiten des Aufnahmeverfahrens reichen können. Auf diese Weise wird hier die Palette der angesprochenen Elemente durch einen jeweiligen Blick auf Instrumentation, Aufnahmeverfahren oder Räumlichkeit erweitert. Letztlich befassen sich damit zwar nur kurze Abschnitte mit dem rein musiktheoretischen Geschehen, der Autor kann es aber dadurch zumindest in den Gesamt-Überblick des jeweiligen Songs integrieren (Rooksby 2001: 8 f.).

1.4.2 Anleitungen in Instrumental-Lehrwerken Unabhängig von den Instruktionsbüchern zum Songwriting gibt es daneben eine Vielzahl von reinen Instrumental-Unterrichtswerken, die mit Hilfe von Popmusik das Spiel eines Instrumentes unterrichten, meist bevorzugt der Gitarre oder des Pianos. Der Grund für das jeweils favorisierte Arbeitsgerät kann dabei recht vordergründig sein: „Man kann mit dem Keyboard im Vergleich zu den meisten anderen Instrumenten ganz leicht Töne erzeugen – das schafft sogar eine Katze, die über die Tasten schleicht. Wie viel leichter ist es, eine Taste zu drücken, als einem Saxophon oder einer Flöte auch nur einen einzigen Ton zu entlocken, geschweige denn als Gitarrenanfänger einen F-Akkord als Halbbarrè zu spielen?“ (Rooksby 2006: 7).

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Und wirklich verlangt ein anderes, auf Gitarre basierendes Rock Lehr-Buch, schon einiges an Zeit und Selbstdisziplin bei seinen Übungsinstruktionen. Es geht dort in den kurzen Beispielen, im kollegial-amüsanten Stil geschrieben, um spezielle Stilistiken und Spielhilfen, die mit viel Fleiß und Einsatz bewältigt werden wollen: „Wenn ihr diese Tonleiter mit dem Slide sauber rauf und runter spielen könnt, habt ihr das Bottleneck-Spiel schon zu 50 Prozent drauf. Bis die Intonation natürlich astrein gelingt, muss man/frau aber noch ein klein wenig üben. Das heißt im Klartext, im nächsten Vierteljahr sind sämtliche Diskobesuche ersatzlos gestrichen, auch wenn das Tanzbein noch so juckt. Und Pudding, den gibt´s erst wieder, wenn Oh, When The Saints ganz sauber in der Slide-Version vom MÜV, dem Musikalischen Überwachungsverein, abgenommen wurde, klar?“ (Vincent

1993: 222). Ein klanglich vielseitiges Instrument wie die Elektro-Gitarre stellte dabei mit seinen relativ günstigen Anschaffungskosten schon früh eine große Hilfe beim Einstieg ins eigene Musizieren dar. Bis heute waren und sind über lange Jahre hinweg daher Gitarrenbands als häufigste Besetzungsform in den Großstadt-Szenerien anzutreffen (Schneider 2001: 186). Wären alle Gitarren mit ihren aufwändigen Resonanzkörpern weiterhin so teuer geblieben, wie es vor der Einführung der doch erheblich einfacher herzustellenden Brett-Gitarren mit ihren Solid Bodies der Fall war, hätte es vermutlich nicht schon vor Jahrzehnten solch eine enorme Breitenwirkung in Bezug auf das Gitarre-Spiel gegeben. Speziell die Gitarrenmodelle eines Leo Fender in Kalifornien sorgten für eine echte Fertigungs- und Preisrevolution im Instrumentenbau, die später durch eine preisgünstige Massenfertigung vor allem aus Japan, Korea oder Taiwan abgelöst wurde (Vincent 1993: 1).

1.4.3 Entwicklung der musikwissenschaftlichen Popmusik-Analyse Anders als bei dem direkten Praxisbezug etwa der Instrumentalschulen befasst sich die Musikwissenschaft mit dem Bereich Popmusik auf überwiegend theoretischer Ebene. Dabei ist allerdings gerade zu Beginn der Popmusik-Historie und ihrer wissenschaftlichen Betrachtung meist eine nicht musikbezogene Herangehensweise zu beobachten. So hatte Sandner 1977 seinen Sammelband Rockmusik betont mit der Zeile Aspekte zur Geschichte, Ästhetik und Produktion unterschrieben, um die Wichtigkeit der non-musikalischen Elemente herauszustellen (Sandner 1977: Titelseite). Kneif war ein weiterer Musikwissenschaftler, der bei der Betrachtung von Rockmusik eher ästhetische Werturteile – etwa in Form des Widerstreits zwischen Kunst und Pop und damit den Gegensatz von etabliertem Bildungsbürger und emotionalem Rockpublikum – aufgriff und thematisierte. Er versuchte auf diese Weise, die Unterschiede zwischen den beiden Welten zu verdeutlichen und in griffige Begriffe umzusetzen. Dies nicht zuletzt, um damit die damals kaum zu überbrückende

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Polarisierung aufzuzeigen. Dabei war es ihm ein Anliegen, die bisherige, praktisch diskussionslose Abwertung von Rockmusik aufzudecken, sie zu relativieren und zumindest für Verständnis zu sorgen: „Angesichts der Extravaganzen in Kleidung, Benehmen, Wortschatz, Reaktion auf die Musik usw., die man bei jedem Rockkonzert beobachten kann, erscheinen Abonnentenkonzerte der Bildungsbürger bedrückend uniformiert und steril. Beim Rock wird es sogar möglich, gleichsam vorästhetisch wahrzunehmen und die ästhetische Kontemplation selber als eine bildungsmäßig eingeübte Haltung im Stich zu lassen. Was beim Hören etwa Mozarts oder Beethovens als inadäquates Hören gilt, wird hier zum legitimen Hörverhalten“ (ebenda: 102).

Kneif bewertete aber einzelne Stücke innerhalb der Popmusik mit stark unterschiedlichen Werturteilen. Explizit positiv sah er nur die in seinen Augen wertvolle, anspruchsvolle Rockmusik. In den meisten Schriften beschränkte er sich daher auf diese eher avantgardistisch ausgerichtete und von ihm als authentisch bezeichnete Musik. Die kommerziell erfolgreiche Popmusik dagegen bezeichnete er als trivial oder ignorierte sie völlig. Entsprechend beschimpfte er regelrecht einen Großteil der zu seiner Zeit breitenwirksamen Popmusik wie etwa die damals beliebte Bubblegum-Music. Für ihn verkörperte diese „eine Rockmusik primitivster Art für Zehn- bis Vierzehnjährige, von einfachster Rhythmik und Harmonik; die melodischen Wendungen sowie die Texte sind auf das Auffassungsvermögen von Kindern zugeschnitten“ (Kneif 1978: 45). Überhaupt sah er bei der Rockmusik der siebziger Jahre es als gegeben an, „dass 90% der Gesamtinteressen wirtschaftlicher und nur 10% künstlerischer Natur sind, bei Musikern nicht minder als bei den A&R-Männern der Platten-Labels“ (ebenda: 15). Mit Meinungen wie diesen sollte er lange den allgemeinen Blick auf diese Musik prägen. Diese Aussagen stellen aus Sicht späterer Autoren dann allerdings eine gewissermaßen überheblich Kritiker-Haltung dar, die ihrerseits ganz an das selbst zu kritisierende Verhalten der bürgerlichen Musiklehrer und ihrer nicht in Frage zu stellenden höheren Warte erinnere. Insgesamt wird Kneif aufgrund dieser Art von Aussagen mittlerweile weithin in Frage gestellt, da er trotz seiner eigenen wissenschaftlichen Ansprüche Werturteile traf und in seiner Methodik nur auf Introspektion und nicht auf systematisierter Beobachtung basierte (von Appen 2007: 29). Wicke verweist später auf die chronologische Entwicklung einer Zunahme der Bemühungen um eine explizit auf die musikalischen Elemente bezogene Betrachtungsweise. Dies war – in einem größeren Ausmaß – eben nicht von Anfang an vorhanden. Erst mit den Arbeiten von Tagg in den achtziger und nachfolgend in den von ihm als pionierhaft eingestuften Veröffentlichungen Moores und diversen Artikeln in den neunziger Jahren von Frith sieht Wicke einen deutlich ansteigenden Anteil an ausdrücklich auf Musiktheorie fokussierter Literatur. Jetzt erst werde sich mit Nachdruck bemüht, innerhalb einer sich dabei langsam ausbildenden Popular

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Musicology das Thema Klanggeschehen selbst in den Mittelpunkt zu rücken. Nicht länger dominiere noch die vorrangige Fixierung auf kulturelle Zusammenhänge mit den Bereichen Produktion, Verbreitung und Aneignung, sondern jetzt endlich sei es die Musik selbst, die als zentraler Gegenstand betrachtet wird (Wicke 2003: 107).

1.4.4 Analyse-Ansätze im aktuellen musikwissenschaftlichen Umfeld Bei einem Blick auf die aktuelle musikwissenschaftlichen Situation zum Themenkomplex Analyse von Popmusik ergeben sich jedoch nach wie vor Fragestellungen, die rückführbar sind auf die Frage „Wie analysiert man eigentlich populäre Musik?“ (Helms 2012: Klappentext). Als eine Möglichkeit bei dieser Suche nach einer betont musikbezogenen Analyse schlägt Obert die Aufteilung in Text und Kontext vor, wendet aber zugleich ein: „Die nahe liegende Entscheidung, zwischen klingendem Text, der der musikalischen Analyse zugänglich ist, und nicht klingendem Kontext, der aber konstitutiv zu einer Musik gehört, weil sie innerhalb dieses Kontextes entstanden sei sowie rezipiert wurde und werde, zu unterscheiden, ist eher einer Pragmatik geschuldet, als dass sie objektive Definition wäre. Denn zum einen ist das, was klingt, ein Wahrnehmungsgegenstand und demnach vom jeweiligen Hörer abhängig. Der Hörer konstituiert seinen Hörgegenstand. Dies ist keine Frage der Metaphorik – es ist eine Frage, die einen Gegenstand, je nach Art der Wahrnehmung, tatsächlich ändern kann“ (Obert 2012: 11).

Neben der zunehmend zu beobachtenden Hinwendung auf ein musikausgerichtetes Elementsystem finden sich auch weiterhin musikwissenschaftliche Ansätze bei der Betrachtung von Popmusik, die sich weniger mit den unmittelbaren musikalischen Bausteinen wie Harmonik, Melodik und Rhythmus befassen, sondern eher eine Hervorhebung darstellen von Aktivitäten und Phänomenen, die sich außerhalb des unmittelbaren Musik-Geschehens befinden. Ein Beispiel dafür kann die Aufschlüsselung der Gesangsdarbietung in einem Song sein, die Moore vorschlägt. Die Rolle und Darbietung des Vortragenden teilt er dort auf zwischen • dem Anteil des konkret Vortragenden, des Performers mit einer alltäglichen, auf einer individuellen zugehörigen Biographie begründeten Persönlichkeit, und der • Persona, die als illusionäre, als künstlich erstellte bzw. bearbeitete Gesangsfigur an den Hörer herantritt. Tontechnik, aber auch Image und unsere eigenen Vorstellungen beeinflussen hier das Bild der realen Persönlichkeit und schaffen eine Kunstfigur, die so nur im Aufzeichnungsprozess existent ist. Zusätzlich kann der • Protagonist hinzukommen, der innerhalb eines Songs als virtuelle Figur eine Rolle spielt. Moore wählt als erläuterndes Exempel für solch eine Aufteilung den Rocksänger Robert Plant mit seiner Interpretation des Songs Hey Joe: Einerseits sieht er dabei

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die Persönlichkeit, die Persona Plant, mit ihrer intensiv erlebten Erlebnisfülle aus der Zeit mit Led Zeppelin und der späteren Solo-Karriere, und daneben die im Studio erzeugte und damit artifizierte Klangfülle seiner Performer-Stimme, die so füllig nur mit technischer Unterstützung klingen kann. Und andererseits gibt es dann noch die besungene Figur des Protagonisten Joe, die innerhalb einer fiktiven Geschichte dramatische Ereignisse durchmacht und die Flucht nach Mexiko antreten muss – all diese unterschiedlichen Standpunkte vereinigen sich damit beispielhaft im Vortrag von Robert Plant (Moore 2012: 126). Als ein weiteres Exempel für einen nicht unmittelbar musikbezogenen Aspekt und dessen Aufschlüsselung lässt sich das Feld der Hörer-Werturteile anführen, die aufgrund von Gefühlen oder aber durch analytische Erkenntnisse gewonnen werden können. Rösing teilt hier mögliche Ausprägungen in drei Gruppen ein: • Ich-Urteile mit affektiv-emotionalen Faktoren, die personenabhängig, individuell und durchweg gefühlsbetont gefällt werden. Der typische Vertreter wäre also ein sein Idol innig liebender Fan. • Sachurteile, die objektbezogen auf einer kognitiven und auch von Außenstehenden nachvollziehbaren Argumenten und Überlegungen basieren. Hier sind der Experte und neutrale Beobachter einzuordnen. • Man-Urteile, die sozial-gesellschaftlich gebildet werden und etwas mit Szeneund Fankreis-Zugehörigkeiten, aber auch mit allgemeinen Ablehnungen zu tun haben. Das kann beispielsweise mit Alterskriterien zu tun haben, etwa wenn man sich zu alt für Dance & Techno oder aber zu jung für Oldies fühlt (Rösing 2005: 200). Ein weiterer Ansatz für Betrachtungen der Popmusik aus nicht unmittelbarer musiktheoretischer Sicht ist der oftmals propagierte Zusammenhang von jeweils aktueller Popmusik mit jugendlichem Protest, der sich bereits in der Beatmusik der sechziger Jahre als agitatorischer Widerstand und in gesellschaftlichen Tabubrüchen weithin als „Sprachlose Opposition“ ausgedrückt habe (Baacke 1968: Titel). Auch den frühen Rock 'n' Roll-Stücken der fünfziger Jahre werden aggressive und teilweise rebellische Texte bescheinigt, selbst wenn sie schon bald von süßlichen Substituten angepasster Industrieprodukte verdrängt worden seien (Brand 2010: 123). Für die einige Jahrzehnte später veröffentlichten Hit-Produktionen werden dann teilweise aber nicht einmal mehr diese anfänglichen Ansätze von Aufruhr und Widerstand gesehen. Dort steht Popmusik nicht länger für das, was die großen Stars „zu ihrer Zeit einmal ausgelöst haben. Der Begriff beinhaltet nicht mehr Provokation, schon gar nicht Rebellion, er ist zur inhaltsleeren Botschaft für Party und Profit geworden“ (Büsser 2002: 87). Und so wandelt sich die einmal dem Pop zugeschriebene Widerständigkeit, Dissidenz und Subversität zu „einer abstrakten, bloß symbolischen Geste und kann derart auf alle möglichen Phänomene appliziert werden“. Jetzt endlich kann damit über mittlerweile historischen Forderungen in Bezug auf

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gesellschaftliche Veränderungen oder Kritik am Establishment gesprochen und diskutiert werden, ohne dass irgendeine Meinungsbildung oder gar eine konsequente Handlung folgen müsste: „Genau in der Phase, in der sich der Pop soweit verallgemeinert, dass er sich in Bedeutungslosigkeit und Beliebigkeit aufzulösen scheint, etabliert sich an den Universitäten ein vielfältiger und vermeintlich selbstverständlicher »Diskurs« über den Pop, aus dem in einem geradezu unheimlichen Umfang Semester für Semester immer neue und immer mehr, gleichermaßen pseudo-normative wie pseudo-deskriptive Sinnerklärungen zum Thema »Pop« produziert werden – während der Pop aus sich heraus kaum noch Sinn zu generieren vermag“ (Behrens

2010: 24). Zuletzt ergibt sich noch ein anderer, häufig aufgegriffener Aspekt der nicht musiktheoretisch bezogenen Untersuchungsmöglichkeit von Popmusik, wenn die Frage gestellt wird, ob es sich bei ihr um einen Ausdruck von Kunst handelt. Hat Popmusik, auch wenn sie nicht von ausgebildeten Spezialisten geschaffen wird, sondern von oftmals nicht akademisch gebildeten, einfachen Musikern spontan aus einer – oft angeblich kritischen – Lebenssituation in die Welt gesetzt wird, vielleicht gerade deshalb eine künstlerische Besonderheit? Büsser verneint dies mit klaren Worten: „Lange Zeit hielt sich der Mythos, dass es sich bei Pop um die »ehrlichere« und somit »authentischere« Kultur handelt, um eine Kulturform, die von der Straße kommt und vom Leben erzählt. [...] Diese Zeichen- und Bilderwelten sind nicht wirklich authentisch, sondern bewusste Inszenierungen. [...]Pop ist ein Spektakel, dass sich seiner eigenen Kunsthaftigkeit voll und ganz bewusst bleibt“ (Büsser 2002: 11).

Regev bringt dazu die Beobachtung ein, dass die gefühlsmäßigen Erregungen, die Thrills der Popmusik, bei ihrer Hörerschaft genauso mächtig seien wie die bei einem Publikum von Klassischer Musik. Zwar würden die beiden Hör-Welten auf unterschiedlichen musikalischen Sprachen basieren, aber es sei unmöglich zu entscheiden, ob Popmusik in irgendeiner Beziehung stärkere oder schwächere Erregungsschübe, eben Thrills, auslösen würde als andere Stil-Arten von Musik. Und er schlägt am Beispiel des Erfolgs von berühmten Stars vor, nicht länger müßigerweise darüber zu streiten, ob Popmusik insgesamt in das anerkannte Kunstgeschehen als gleichberechtigt zu integrieren sei oder nicht, sondern anzuerkennen, dass alle diese Künstler es verdienten, Legitimation und Anerkennung zu erhalten. Was auch bedeute, dass von den eingefleischten Pop-Fans deswegen nicht jegliche persönliche Integrität und Authentizität der Künstler, die ja längst eine breite allgemeine Anerkennung erlangt haben, automatisch in Frage gestellt werden dürfe: „The ›classic‹ status of the Beatles, the Rolling Stones, Bob Dylan and Jimi Hendrix is

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the successful result of this struggle over recognition, and not the loss of some authentic meaning“ (Regev 1992: 2 f.).

1.4.5 Popmusik und die Konsequenzen des Kommerzstrebens Die Rezeption von erfolgreicher Popmusik kann bei den einzelnen Hörern eine Wirkung haben, die von ihren Urhebern so gar nicht unbedingt geplant und auch in der Folge nicht mehr zu steuern ist. Die Bandmitglieder der Sex Pistols, die durch ihren Job als Werbefiguren für einen Londoner Sex Shop skandalöse Schlagzeilen erzeugen wollten, hatten beispielsweise keine Vorstellung davon, welche Wirkung sie letztlich mit ihrer Musik und ihrem Auftreten bei den Fans erzielen würden – und wie politisiert schließlich dadurch auch ihr eigenes Leben werden sollte. Und das, obwohl sie doch alle wussten, dass es sich hier von der Intention her nur um einen Great Rock 'n' Roll Swindle handelte (Büsser 2002: 11). Vermutlich ist diese Verbindung von nüchternem Geschäftsgebaren mit jugendlich-naivem und frischem Elan etwas, was als ein durchgehendes Merkmal der auf Erfolg ausgerichteten Popmusik gelten kann. Die Anbindung an die knallharten und höchst bürgerlich-kapitalistischen Praktiken des Popmusik-Business, die gerade die auf einen kommerziellen Durchbruch geeichten Musiker, ob sie wollen oder nicht, als alltägliche Realität kennenlernen müssen, haben sie zu trennen von einem abgehobenen und verträumten Philosophieren über die Welt und ihre Ungerechtigkeiten. Unter dem Motto Make it to the Top als maßgebliches Lebensziel einer Musikerkarriere müssen vielmehr über längere Zeit hinweg gleichermaßen ein entbehrungsreicher Alltag, umwälzende Lebensentscheidungen und die hohen handwerklichen Anforderungen der jeweiligen Zeit in Übereinstimmung gebracht werden. Dies zusammen mit der Ausformung einer eigenen menschlichen und künstlerischen Persönlichkeit – was Hartman am Beispiel des bekannten US-Studiomusiker Glen Campbell ausführlich aufzeigt. Das allabendliche Spielen in verrauchten Kaschemmen, der Umzug in eine fremde Großstadt und das andauernde Bemühen um hilfreiche Kontakte bildeten bei ihm den Hintergrund einer Entwicklung hin zu einer erfolgreichen und anerkannten Studiomusiker-Existenz, die allerdings erst spät in etabliertem Wohlstand und gesellschaftlicher Würdigung mündete (Hartman 2012: 27). Unter diesen Gesichtspunkten Kompromissbereitschaft und Anpassungsfähigkeit an die nüchternen Realitäten lassen sich auch die Begleitumstände zum weltweiten Hit Mr. Tambourine Man der Byrds verstehen. Die fünf Band-Musiker waren zwar gemeinsam ins Studio eingeladen worden, mussten aber dort miterleben, wie der die Session leitende, gerade 22jährige Produzent Terry Melcher, Sohn der bekannten Schauspielerin Doris Day, die Band praktisch vollständig durch routinierte Studiomusiker austauschte. Allein ihr Frontmann Jim McGuinn durfte sich, stellvertretend für die Gruppe, mit seiner neu erstandenen zwölfsaitigen Rickenba-

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cker Gitarre an den Aufnahmen beteiligen. Neben McGuinn stand vielmehr als Rhythmus-Gruppe die profilierte Wrecking Crew im Studio, ein routiniertes Team von langjährigen Berufsmusikern, die gelassen und souverän die – für sie – schlichten Anforderungen bewältigten. Zweifelsohne erzeugte das bei den anderen, zur Untätigkeit verdammten Byrds-Bandmitgliedern eine gespannte und mit Unmut geladene Stimmung. Doch das Ergebnis sollte Melcher Recht geben, denn die souverän eingespielte Single-Aufnahme wurde ein beeindruckender und weltweiter Hit für die Byrds. Und erst, nachdem die zugehörige Langspielplatte, bei der auf zehn von zwölf Stücken schließlich auch die anderen Musiker-Kollegen zu hören waren, ebenfalls enorme Verkaufszahlen erzielte, konnten nach und nach die übrigen Musiker immer nachdrücklicher auf ihrem persönlichen Einsatz im Studio bestehen (ebenda: 98). Wenn also ein erfolgreiches Stück im Popmusik-Segment noch nicht einmal von den eigentlichen Musikern einer Band gespielt werden muss, bleibt die Frage, was denn eigentlich nun wirklich wichtig ist bei einem erfolgreichen Popmusik-Song, der seine Hörer unterhalten, aber eben auch zum Geld Ausgeben animieren soll. Offensichtlich zählt im Endeffekt nur, ob das Publikum applaudiert – oder missbilligt. Fiske sieht dabei eine Reihe von unterschiedlichen Ebenen, auf denen ein Vergnügen zustimmend oder ablehnend beurteilt werden kann: • Ästhetische, wo hohe gegen niedrige Vergnügungsarten stehen, • politische, mit revolutionären gegen reaktionären Anstrengungen, • diskursive mit meinungsbildenden im Gegensatz zu bereits gefassten Ansichten, • physische im Unterschied von geistigen und körperlichen Vergnügen und • machtausübende Vergnügungen, die in ausübend und ausweichend unterschieden werden. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang auch der hier eingebrachte Unterschied von plaisir und jouissance, von Lust und Wollust. Im Sinne von Barthés sieht Fiske hier bei der jouissance vornehmlich das körperliche Vergnügen, etwas, was eine solch lautstarke Quelle von Vergnügungen darstellt, dass es schon wieder starke soziale Disziplinierungen als Gegenreaktion der Gesellschaft hervorruft. Denn diese wünscht eher die angepassten und regelkonformen Aktivitäten, die von den älteren Erwachsenen bevorzugt werden und schätzt nicht die ausufernden Freuden, wie sie Jugendliche gerne ausüben: „Rock and roll that is played so loud that it can be experienced only in the body, not listened to by ear, forms of dancing such as head banging, the flashing lights of discos, the use of drugs (both legal and illegal) – all are harnessed to provide physical, evasive, offensive pleasures. And consequently all attract the forces of social discipline – moral, legal, aesthetic“

(Fiske 2010: 40 ff.).

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1.5 Produktion und Sound Popmusik ist jeweils fest verbunden mit einem Produktionsvorgang. Jeder einzelne Song, der möglicherweise ein Hit werden soll, muss zuvor als Aufnahme auf eine bestimmte Art festgehalten und damit produziert worden sein. Bei der gigantischen Masse von Popmusik-Stücken erhält damit der Aspekt des routinierten, fabrikmäßigen Herstellen eine enorm hohe Wichtigkeit. Flender bezeichnet Popmusik sogar als eine Musikkultur, die explizit und ausschließlich auf der Grundlage industrieller Produktion und Distribution basiere (Flender 1989: 17).

1.5.1 Der Produzent zwischen Ton-Techniker und Klang-Kreativem Innerhalb dieses damit sehr bedeutsamen Arbeitsvorgangs wird zunehmend die Rolle des für die Produktion von Musik Verantwortlichen in den Mittelpunkt der Beobachtungen geschoben. Immerhin gab es bereits in den fünfziger und den frühen sechziger Jahren in diesem Bereich die ersten Persönlichkeiten, die sich, ähnlich wie die Interpreten vor dem Mikrophon, sogar in den Popmusik-Medien ein Star-Image aufbauen konnten. Aufnahmen von einem Studio-Zauberer wie Phil Spector bekamen schon allein durch dessen Mitwirkung einen Qualitätsbonus, der wiederum dafür sorgte, dass ein Nicht-Musiker wie Spector über lange Zeit als eine interessante und einflussreiche Größe innerhalb der Popmusik-Szene gehandelt wurde (Moorefield 2005: 9). Und von Anfang an waren ja auch in der technisch hochkomplexen, musikalisch und auch menschlich fordernden Situation wie dem Aufnahmevorgang in einem Tonstudio diverse Experten und Fachleute vonnöten. Da die komplizierten technischen Geräte nur mit dem nötigen Fachwissen in Betrieb genommen werden konnten und sie mit aufwändigen Wartungsarbeiten instand gehalten werden mussten, konnte auf oft langjährig ausgebildete und fachkundige Experten nicht verzichtet werden. Diese mussten bei einer Aufnahmesession alle notwendigen Apparate betriebsbereit und einsatzfähig halten und natürlich auch die Bedienung übernehmen. Innerhalb dieser Mitwirkenden gab es meist noch zusätzlich die Person des Produzenten, dessen Aufgabenbereich weniger unmittelbar auf die Technik, sondern auf vielfältige andere Aspekte ausgerichtet war. So hatte er fähige Begleitmusiker auszuwählen, die den eingeladenen Künstlern pünktlich zur Verfügung stehen sollten. Außerdem musste er die oftmals bis dahin nur im Konzert agierenden Musiker in das Procedere eines Tonstudio-Betriebes einführen und dort bis zum Abschluss des finalen Aufnahmeproduktes betreuen. Heraus kam ein Team an einzelnen Fachleuten, das gemeinsam mit den einzelnen Musikern an der Erstellung eines Produktes arbeitete: So konnte sich etwa bei der Produktion der Beatles ihr Produzent George Martin als Teil eines üblicherweise mehrköpfigen Studioteams auf seine Position als kreativer und verantwortlicher Ton-Meister konzentrie-

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ren und während des Aufnahmevorgangs den jeweils dafür vorgesehenen TonTechnikern das Bedienen der Regler oder das Starten der Bandmaschinen überlassen. „All you need is ears“ wurde folgerichtig später eine autographische Biographie über das Schaffen von Martin betitelt (Hornsby, 1979), während Geoff Emerick, einer der maßgeblichen Tontechniker bei der Studioarbeit der Fab Four in den EMI-Studios, seine Erinnerungen mit „Wie ich den Sound der Band neu erfand“ überschrieb (Emerick und Massey, 2007). Diese frühere strikte Aufgabenteilung ist aber in den nachfolgenden Jahrzehnten immer mehr verloren gegangen, weil sich die Anzahl der an einer Aufnahme Beteiligten deutlich verringert hat. Mittlerweile wird die gesamte Betreuung, Organisation und Durchführung einer Recording-Session in der Regel nur noch von einer Person, dem Producer, übernommen, dem sich damit eine wahrlich große Zahl an Aufgaben stellt. Insofern ist heute weder aus der Praxis noch aus der gegenwärtigen Literatur heraus eindeutig zu beantworten, ob der einen Musik-Aufnahmevorgang betreuende Produktionskoordinator in klar definierter Abgrenzung bestimmter Aufgabenfeldern unterschieden werden kann in Produzent oder Producer. In den weiteren Abhandlungen soll hier der Einfachheit halber der deutschsprachige Begriff Produzent als übergreifende Bezeichnung verwendet werden. Denn fast immer werden mittlerweile die unterschiedlichen Berufsbezeichnungen pragmatisch gleichgesetzt (Baur Medienwiki 2013: online), und es werden nicht länger die einst voneinander abweichenden Schwerpunkte der Verantwortlichkeit als maßgeblich angesehen: • Producer diente ursprünglich als Bezeichnung für einen unmittelbar den Aufnahmevorgang begleitenden Leiter bzw. Redakteur zu (Linke 1997: 109), während dagegen ein • Produzent als technisch-musikalischer Leiter galt, der das Endprodukt einer Plattenfirma oder einem Sender gegenüber zu verantworten hat (Schiffner 1995: 86). War früher ein Produzent in der Regel festangestellt bei einer Tonträger-Firma oder einem Plattenlabel, kann er heute entweder ein eigenständig arbeitender Freelancer oder aber ein Mitarbeiter mehrerer Plattenfirmen bzw. selbst Inhaber eines Labels sein. Mit Blick auf das mögliche Berufsumfeld eines solchen Produzenten lassen sich dann bestimmte mögliche Funktionen und Aktivitäten zuordnen. Die Aufteilung der Produzententätigkeit – von der Vorbereitung der ersten Session bis hin zur Auslieferung der fertig produzierten Musik, sei es auf Tonträger oder als Datei im Download-Angebot – wird dabei meist in drei Schritte vorgenommen: • Der Produzent soll bereits in der Pre-Production-Phase aktiv sein und sich um die Koordination der Musiker und des aufzunehmenden musikalischen Materials kümmern, Proben organisieren, eventuell benötigte Klangsamples bereitstellen und bereits vorhandene Tracks der Künstler auf den Produktionsserver laden. • Er soll dann die eigentliche Produktion mit ihren diversen Aufnahmeschritten betreuen und schließlich

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• die Post-Production mit Editierung, Mix und Vorbereitung für das Mastering durchführen (Blake 2009: 36). Dies kann dabei in sich variieren: Manchmal wird z.B. der vorbereitenden Pre-Production-Phase weniger Platz eingeräumt, da die Künstler bereits eingeprobt sind und sich entsprechend gründlich vorbereitet im Studio einfinden. Es kann jedoch auch zusätzlich noch der Schritt der endgültigen klanglichen Finalisierung, das sogenannte Mastering, mit integriert werden, womit sich dann drei leicht anders gewichtete Arbeitsphasen ergeben: • „Recording – the »session« when the music is played and recorded • Mixing – when all of the individual sections recorded at the session (or sessions) are blended together • Mastering – when the final sound is tweaked and polished“ (Ramone 2007: 14). Vergleichbare Phasen einer Produktion führt auch Schiffner an, wobei er zusätzlich zwei nochmals übergeordnete Abschnitte sieht, von denen der eine die erwähnten Produktionsschritte enthält, während der zweite sich auf die eigentliche Herstellung von Tonträgern bezieht, also etwa auf die Anfertigung von Vinyl-Scheiben oder CDs. Dies stellt eine Arbeit dar, die üblicherweise außerhalb des Tonstudios in einem Herstellungs- oder Presswerk durchgeführt wird und sowohl technische Kenntnisse voraussetzt als auch klar marktorientierte Management-Entscheidungen verlangt. Der Produzenten soll daher eine im Musikbusiness erfahrene Persönlichkeit darstellen, die neben technischer Kompetenz über einen emotionalen Abstand zur aufzunehmenden Musik verfügt (Schiffner 1995: 84 ff.). Unabhängig von der Arbeit im eigens dafür eingerichteten Tonstudio kann eine Produzententätigkeit auch das Abmischen der unterschiedlichen Signale bei einem Liveauftritt beinhalten. Dass die Möglichkeiten dieser Tontechniker-Tätigkeiten trotz aller technischen Mittel auch überstrapaziert werden können, wird nicht zuletzt von Produzentenseite gerne und immer wieder warnend angesprochen: „Wenn die Gruppe ohne PA nicht schon gut klingt, wird es durch die Verstärkung und durch das Hinzufügen von Hall und anderen Effekten auch nicht besser“ (Eisner 1997: 18), eine lakonische, aber dennoch immer aktuelle Ermahnung. Interessanterweise tauchen speziell in Ausbildungsgängen im Bereich Auditive Tonbearbeitung mittlerweile oft noch viel weiter ausdifferenzierte Berufsbezeichnungen mit strikt spezialisierten Berufsbildern auf. So unterteilt die Akademie der Musik- und Medienbranche Deutsche Pop den Bereich Ton in die Segmente • Recording/Mixing • Mastering • Live-Tontechnik • Beat-/Sounddesign und bietet, in unterschiedlichen Kombinationen, folgende Ausbildungsgänge an: • Audiofachkraft

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• Studio-/Live-Tontechniker/in • Mastering Engineer • Tonmeister/in • Music Designer/in • Electronic Artist • Sounddesigner/in • Audioproduzent/in. Innerhalb dieser einzelnen Studiengänge werden dann noch separate Ausbildungsmodule angeboten wie Tonassistent/in oder Technischer Tonmeister/in, die ihrerseits kreativfördernde Kurse wie Musikassistent/in enthalten können. Dort ist, ähnlich wie bei den rein technisch orientierten Kursen, ebenfalls eine umfangreiche Einführung in eine professionelle Audio-Software vorgesehen. Solch ein Lehrgang ist seinerseits auch in Kombination mit Songwriter/in aus dem benachbarten Ausbildungssegment Musik zu belegen, womit endgültig die Verbindung von Tontechnik und kreativem eigenen Musizieren gegeben ist und auch ausdrücklich empfohlen wird (Deutsche Pop 2013: online).

1.5.2 Das Tonstudio als Instrument Mit Brian Wilson, dem kreativen Kopf der in den sechziger Jahren lange Zeit gefährlichsten Beatles-Konkurrenten, den Beach Boys, gibt es ein frühes und bekanntes Beispiel für eine Personalunion von Bandmusiker, Songwriter und Produzent. Er stand damit zwar schon in der direkten Nachfolge von Studiopionieren wie Phil Spector oder Leiber und Stoller (Covach 2010: 3), andererseits war es zu seiner Zeit noch immer höchst ungewöhnlich, wenn ein aktiver Künstler gleichzeitig die Leitung des Aufnahmevorgangs übernahm. Dass die immense Belastung im Tonstudio, die aus dieser Übernahme aller Funktionen resultierte, dann bald darauf zu einem lang anhaltenden kreativen Zusammenbruch und zu den sogenannten „verlorenen Jahren“ von Wilson mit extensivem Drogenkonsum und einem radikalen Rückzug aus der Öffentlichkeit führte, gehört zu den großen Dramen der Popmusik-Geschichte, von dem sich auch die gesamte Band in ihrer Entwicklung niemals wieder erholen sollte (Granata 2007: 171). Unabhängig davon war Wilson aber zweifelsohne ein entscheidender Vorreiter einer Entwicklung, die mit und nicht zuletzt nach ihm auf breiter Front einsetzen sollte. Denn da er sowohl Musiker als auch Aufnahmeleiter in Personalunion war, sah er die technische Ausrüstung eines Studios mit ganz anderen Augen als ein konventioneller Techniker, der es gewohnt war, sich an Regeln und Vorschriften zu halten. Der Beach Boy-Musiker dagegen konnte nicht nur – als Musiker – über jede gespielte Note und deren konkrete Formung entscheiden, sondern er wagte es – als Tontechniker – die vorhandenen Gerätschaften eines Tonstudios tonmalerisch und damit bewusst musikalisch-innovativ einzu-

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setzen: Er komponierte und formte den Song inklusive der Möglichkeiten, die Bandmaschinen, Effektgeräte und Mischpult zur Verfügung stellten. Dies war mehr als nur eine Übernahme zusätzlicher Pflichten, es war die Hinzunahme des Studios als ein eigenständiges Instrument. Wilson nutzte deshalb sogar bewusst unterschiedliche Studios, da er deren jeweiligen Raum-Klang und Ausrüstung genau kannte. So gelang es ihm, die einzelnen Aufnahmeparts schließlich in ein Klang-Mosaik zu integrieren, in ein individuell zusammengesetztes Gesamtwerk (Priore 2005: 54). Der Beatles-Engineer Geoff Emerick war ein junger Tontechniker-Pionier, der sich zur gleichen Zeit wie Wilson in England auf der Suche nach neuen Klängen über feste Studiovorschriften und sogar klare Verbote hinwegsetzte – und später dafür als hoch-kreativer Tontechniker gefeiert werden sollte (Emerick 2007: 195). Auch bei ihm wurde beispielsweise die Räumlichkeit eines Tonstudios nicht länger nur als vorgeschriebener Ort der Klangfixierung und Tonaufnahme verwendet, sondern er erkannte, dass ein Raum selbst einen eigenständiger Klangkörper bilden kann (Granata 2007: 14). Wobei die Beatles die Erfahrung, dass unterschiedliche Räume den Sound spürbar anders prägen, in den Londoner EMI-Studios auf der Abbey Road mehr zufällig machten – und bei einem ihrer bekanntesten Alben davon profitieren sollten. Denn obwohl das technische Equipment praktisch identisch war, klingen zwei kurz nacheinander produzierte Alben der Fab Four im direkten Vergleich grundlegend unterschiedlich: „Revolver wurde in dem engen Studio Drei aufgenommen, Pepper dagegen in Studio Zwei. Das war geräumiger und hatte eine bessere Akustik, wodurch ein reinerer Sound zustande kam. Obwohl der Kontrollraum in Studio Drei ein angenehmerer Arbeitsplatz war, weil er Fenster hatte, wurde das Studio meist nur für Solopiano- und Streichquartettaufnahmen benutzt. Es war einfach nicht für eine laute Rockband ausgelegt“ (Emerick 2007: 300).

1.5.3 Die Rolle des Produzenten heute Mittlerweile ist ein professioneller Künstler üblicherweise längst in der Lage, alle Schritte einer Audio-Recording-Session – zumindest mehr oder weniger – selber in Eigenregie zu erledigen. Es dürfte zumindest kaum noch einen ernsthaften Musiker geben, der nicht über die Möglichkeit verfügt, eigene Aufnahmen in hoher Qualität anzufertigen. Immerhin reichen dazu bereits seit Jahren ein handelsüblicher PC, ein Mikrophon mit ein wenig Zubehör und einige basale Kenntnisse in RecordingSoftware (Seifert 1999: 19). Damit ist im Prinzip eine so große Unabhängigkeit von einer Produktionsassistenz gegeben, wie das nie zuvor der Fall war. Warum nehmen dann doch noch selbst oder gerade die bekanntesten Künstler die Dienste eines externen Produzenten in Anspruch, obwohl sie doch alles selbst erledigen könnten? Nach der Ansicht von Phil Ramone sind es vor allem sowohl die langjährigen Er-

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fahrungen als auch die unbestechliche Objektivität eines Außenstehenden, die hier gesucht werden. Mit Blick auf die Listen der Mitwirkenden bei großen Hits wird offensichtlich, dass ein erfahrener Produzent wirklich nach wie vor ein wichtiger Baustein hin auf dem Weg zum Erfolg ist. Offensichtlich benötigt Popmusik bei all der komplexen Aufnahmetechnik und der nachfolgenden akribischen Zusammenstellung der vielen Einzeltracks mehr denn je kompetente Berater und Ausführende. Und diese agieren nicht nur aus einer distanziert-höflichen Warte, sondern das Erlebnis Produktion wird nur zu oft ein tief gehendes und wahrlich hautnahes Erlebnis, gleichermaßen für den Künstler wie für den Produzenten. So betont Ramone in seinen Erinnerungen „Making Records“, dass es während einer Produktionsphase eben nicht nur berufliche Kontakte zwischen Künster und Interpreten gibt, sondern dass hier oft eine intensive Zusammenarbeit entsteht, die sehr persönliche und vertrauliche Züge annehmen kann: „A producer can be closer to the artist than anyone else in his or her life during the weeks or months they spend together making a record. The intimacy they share is largely unspoken; it touches raw nerves, and if the producer is especially good at what he does, it helps peel back the anxiety and fear that dwells within every performer“ (Ramone 2007: 15 f.).

Dies hat seine Gültigkeit, auch wenn vordergründig bei einer Produktion nur die Klänge einer musikalischen Idee und ihre Darbietung als Aufnahme festgehalten werden. Sounds verwandeln sich dort in eine elektrische Spannung, die dann über viele Kabelmeter eine Aufnahmekette durchläuft, bis sie in einem Medium gespeichert wird, wo sie – wieder als Klang – auf Knopfdruck abrufbar und präsent ist. Dieses schon rein technologisch hoch komplizierte Verfahren ist für die Beteiligten aber nicht nur ein naturwissenschaftlich nüchtern zu erfassender Vorgang, sondern es kommen eben auch musikalisch-psychologische und damit vom Messgerät nur unvollkommen zu erfassende Aspekte und Schwingungen mit ins Spiel. Doch wie ist dieser innovativ-kreative Anteil der Tontechnik und des Produzenten in seiner Auswirkung auf die Gesamtheit einer Produktion zu beschreiben, der bei Komponist, Texter, Musiker oder Arrangeur klar und deutlich erkennbar ist? Ist es nur der korrekte Umgang mit all den Gerätschaften, der hier zählt? Eben offensichtlich nicht allein: Vielleicht sollte ein Audio-Produzent, wie es ein Vorschlag des bekannten Musikers Elvis Costello ist, endlich als ein fähiger Mit-Musiker am Mischpult gesehen werden (Costello 2005: 13), der bei der jeweiligen Session seinen ganz eigenen wichtigen Anteil am klangmusikalischen Endergebnis hat. Denn immerhin formt und prägt auch er das End-Produkt mit seiner Hände Arbeit und mit seiner Persönlichkeit als allgegenwärtiges Team-Mitglied beim Ringen um das letztendliche Klanggeschehen:

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„Sound recordings are renderings of sound events and, like any rendering, they embody the attitudes, skills, habits and aesthetic stances of those who make them. Some renderings aspire to acoustic realism, others to fantasy, but whatever the case, the sound of a recording has much to do with the technical abilities and aesthetic choices of those whose hands control the signal path“ (Zak 2009: 63).

1.5.4 Sound und Wiedergabe Wird in einer Zeit, in der Musik in Form stark komprimierter Dateien auf kleinen Computer-Lautsprechern oder Kopfhörern abgespielt wird, überhaupt noch ein guter Sound gesucht und gebraucht? Geht es den heutigen Hörern nicht längst mehr um die Anzahl der Song-Dateien als um die Qualität der einzelnen Files? Wie wichtig ist, als Anteil zum Erfolg eines speziellen Titels, sein individueller Klang, sein originärer Sound? Bei der Beantwortung dieser Fragen können Gedankenmodelle helfen, die Musik als einen menschlichen Kultur-Rohstoff ansehen und sie daher in Parallele zu Grundelementen wie Luft oder Strom setzen. Leonhard, der sich selbst als „Music Futurist“ bezeichnet, spricht in diesem Zusammenhang von einem frei zugänglichen Grundstoff, zu dem den Kunden, wie vergleichsweise etwa zu Wasser, ein praktisch unbegrenzter Zugang gewährt werden sollte. Dies allerdings erst, nachdem sie vertraglich ein Abkommen über eine entsprechende Basis-Zahlung geschlossen haben. Dann erhält der einzelne Abnehmer zu einem recht günstigen Preis ein ordentlich aufbereitetes Wasser, das trinkbar und im Alltag verwendbar ist. Andererseits ist es nicht zu vergleichen mit einem Premium-Wasser: Dieses, in Flaschen abgefüllte und sehr viel teurere Edel-Nass, schmeckt deutlich besser und genügt höchsten Ansprüchen, wird aber auch nicht zum Auto-Waschen oder zum Füllen des Schwimmbads verwendet. Der Käufer, der sich für diese Qualität entscheidet, tut dies mit dem Wissen um die eindeutigen Vorteile – und akzeptiert daher einen erheblich höheren Preis. Leonhard geht davon aus, dass hier die Zukunft der Verbreitung eines kulturellen Gutes wie dem der Musik zu erkennen ist: Nach Zahlung einer vereinbarten Mindestsumme, einer monatlichen Flatrate, steht jedem der Zugriff zu Musik aller Art offen, in ordentlicher Ausfertigungsgüte und in brauchbarer Hör-Qualität. Im Unterschied dazu würde eine speziell hochwertig aufbereitete Tondatei oder ein greifbarer Tonträger mit eigens angefertigtem Booklet und aufwändiger Verpackung einen spürbaren Mehrpreis bedeuten, der sich in einem entsprechenden Mehrwert niederschlägt (Leonhard 2005: 9). Solch ein breit angelegtes File-Sharing System mit niedriger Grund-Finanzierung für ein flächendeckendes Angebot könnte eine Aussicht für alle Beteiligten bei der Entwicklung von Musik und ihrer Angebotsweise sein. Allerdings werden noch einige Paradigmen als neue Verfahrens-Mantras benötigt, die notwendig sind, um ein gegenseitig konstruktives Miteinander bei solchen Geschäftsmodellen zu ermöglichen:

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• Respekt im Sinne einer gesunden Balance zwischen den Rechten der Urheber und den Ansprüchen der Kunden, • Teilen der Musik-Dateien in einer Gemeinschaft, die über eine längere Zeit beständig bleibt und damit dauerhaft das Angebot aufrecht hält und eine • Mobilität des Musiknutzens, da das Publikum heute zunehmend Musik auch ohne Kabelanschluss und stationären Abspielgeräten konsumieren möchte. • Unkomplizierter Zugang über moderne Technologien und möglichst immer mehr drahtloser Zugang ohne zu starke und kompliziert zu bewältigende Kontrollmechanismen. • Transparenz und faire Preisgestaltung als Grundlagen für ein vertrauensvolles Miteinander, da die Wege der Geldflüsse ebenso erhalten bleiben sollten wie der langwierige Prozess der Entstehung und urheberrechtlichen Verteilung (ebenda: 129).

Diese Unterscheidung von hochwertiger, teurer Premium-Ausführung und einer kostengünstigen, leicht verfügbaren Standard-Ware spricht damit einen maßgeblichen Aspekt an: Wie hoch muss die technische Qualität der angebotenen Musik sein und wie anspruchsvoll zeigt sich die breite Masse der Kunden? In Bezug auf die technische Güte waren offenkundig immer Abstriche und Kompromisse möglich und bei den Kunden dann durchsetzbar, wenn sich für sie damit ein Vorteil wie beispielsweise ein niedriger Preis verband. So gab es schon in den sechziger Jahren neben den exklusiven und für einen Privatmann kaum bezahlbaren professionellen Band-Geräten, vorgesehen ausschließlich für die Nutzung in einem Tonstudio, immer auch diverse Heim-Geräte in allen Ausführungen und Preisklassen. Darüber hinaus existierten vereinzelt sogar detaillierte Anleitungen zum Eigenbau von Tonbandgeräten, die versprachen, den schnellen Bau eines eigenen kostengünstigen Gerätes zu ermöglichen. Es ging dabei nicht um die hochwertige Aufzeichnung in einer radiotauglichen Studioqualität, sondern mehr um die Ausübung eines Hobbys, das oft nur nebensächlich in Verbindung mit Musik stand. Gefragt war schlichtweg eine „Schallaufzeichnung mit billigen und einfachen Mitteln“. Und ausdrücklich heißt es in Tonaufnahme für Alle, einer Einführung in den praktischen Betrieb von Tonbandgeräten: „Gewisse entscheidende Verbesserungen haben dem ursprünglich nur kommerziell bedeutsamen Magnetton-Verfahren die Türen privater Haushalte geöffnet, und die Zahl begeisterter Magnetton-Anhänger wächst von Tag zu Tag. Bisher ungeahnte Möglichkeiten tun sich auf! Jeder kann heute seine eigene Stimme, die seiner Familienmitglieder und Freunde festhalten und zu beliebiger Zeit – so oft er will – ertönen lassen“ (Richter 1965: 7).

Wenn genau in dieser Zeit dann von Philips 1964 die Compact-Kassette mit dem zugehörigen Kassettenrecorder vorgestellt wird, ist der anschließende enorme kommerzielle Erfolg dieser Geräte nachvollziehbar: Trotz meist deutlich begrenzter

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Klangfülle waren diese preisgünstigen, kompakten und leicht bedienbaren Geräte in allen Käuferschichten hoch begehrt. Der Markt dafür schien fast unbegrenzt, bis schließlich Anfang der achtziger Jahre praktisch jeder Haushalt in den Industrienationen über solch einen Apparat verfügte (Sterneck 1998: 73). Und die heutige mp3-Kultur präsentiert sich in gewisser Weise ganz ähnlich: Die Klangfülle im Vergleich zu unkomprimierten Dateien mag erkennbar eingeschränkt sein, aber die Vorteile wie geringer Speicherplatz, leichte Verfügbarkeit im Netz und die damit verbundenen Kostenvorteile sind für viele Nutzer ein leicht nachvollziehbares und vor allem überzeugendes Argument. So sehr, dass es schon als üblich gilt, Musik nur noch vom Smartphone zu hören und nicht mehr über große und teure Stereoanlagen im Wohnzimmer. Dies obwohl gleichzeitig Klagen laut werden, digitale Verfahren wie MPEG-1 Audio Layer III, eben kurz mp3, töteten die Qualität und die Details der Musik und sorgten in Verbindung mit größtmöglicher Lautstärke nicht zuletzt für den Verlust jeglicher musikalischer Nuancen (Winckler 2008: online). Damit gehören anspruchsvolle HiFi-Freunde, die noch bereit sind, für einen hochwertigen Klang einen angemessenen Preis zu bezahlen, einem offenkundig immer kleiner werdenden und zunehmend betont exklusiverem Genießerkreis an. In einem ausführlichen Testbericht eines audiophilen Stereo-Vollverstärkers, auf Röhrentechnik basierend und der Preisklasse über 5.000,-€ zugehörig, finden sich Beschreibungen des Klangs von unterschiedlicher Musik, die verdeutlichen, was einen Hörer hier erwartet: „Was als allererstes beeindruckt, ist die Klangwoge, die nach dem Einschalten des Gerätes auf einen zurollt“. Und die Beschreibung des StereoAbbildes erinnert dann wirklich an eine Feinschmecker-Bewertung: “Wie eine gelungene Mousse au Chocolat bleibt es in jedem Fall locker und gut verdaulich. Stets behält es seine Glaubwürdigkeit“. Und beeindruckt stellt der Tester schließlich fest: „Schwung, Würde und Kraft: Das sind die Hauptcharakteristika des Verstärkers“ (Reeb 1997: 43). Auch auf der Ebene des Instrumentenbaus ist die Qualität des Klangs immer wieder in den Mittelpunkt der Betrachtungen gerückt worden. War der Klang beispielsweise einer üblichen Gitarre zur Mitte des letzten Jahrhunderts durch bestimmte Bauprinzipien und Ausführungen wie einen Korpus aus bestimmten Hölzern oder aber durch immer größere Resonanzkörper und besondere Bauweisen verstärkt und klanglich verändert worden, wurde nun die Electric Guitar, die elektrische oder E-Gitarre eingeführt. Durch die Hinzunahme von einem Tonabnehmer, einem PickUp, und einem zugehörigen Verstärker wurde ein Sound in dem angeschlossenen Lautsprecher erzeugt, der das Instrument deutlich lauter als jedes bisherige Gitarrenmodel erklingen lassen konnte. Darüber hinaus eröffneten sich damit zahlreiche Möglichkeiten der Beeinflussung dieses Klangs: Höhen, Mitten und Tiefen konnten in ihrem Frequenzverlauf korrigiert und beliebig manipuliert werden. Die E-Gitarre selbst benötigt zur Klangerzeugung praktisch keinen eigentlichen

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Resonanzkörper mehr, sondern kann mit einem geschlossenen Holzbrett, einem Solid Body, als Korpus angefertigt werden. Pioniere wie Paul Bigsby oder Leo Fender entdeckten bereits früh die klanglichen Möglichkeiten dieser Konstruktionen und entwickelten diverse Modelle, die sich markant abhoben von den bisherigen Vorstellungen, wie eine Gitarre aufgebaut zu sein hätte. Die erste serienreife Fender E-Gitarren Broadcaster, später umbenannt in Telecaster und dann innerhalb der Fender-Produktpalette zu finden neben Modellen wie Stratocaster, Mustang, Jazzmaster oder Jaguar, wird daher auch als ein umwälzender Schritt im Instrumentenbau gesehen: „Leo would throw out all convention with his design, and during 1949 he developed a guitar, that would revolutionize guitar building and guitar playing forever“ (Kelly 2010: 34). Aber auch andere E-Gitarren erlangten aufgrund ihres besonderen Klangausdrucks oder auch ihrer leichten Bespielbarkeit große Bekanntheit und teilweise echte Berühmtheit. Die traditionsreiche Firma Gibson etwa versuchte der Konkurrenz von Fender dadurch zu begegnen, dass auch sie eine Solid Body-Guitar entwickelte, aber in ihrem Entwurf Konstruktionsmerkmale wie eine geschwungene Decke, einen eingeleimten Hals, spezielle Saitenaufhängung am Steg und besonders kräftige Tonabnehmer integrierte. Heraus kam dann, als ein Höhepunkt der Gitarrenbau-Entwicklung dieser Zeit, ein Instrument namens Les Paul Model, das von seinem Entwickler Ted McCarty in Zusammenarbeit mit Lester William „Les Paul“ Polsfuss am 21. Januar 1953 als Stringed musical instrument of the guitar type unter der Patent-Nummer 2,714,326 angemeldet wurde (Hembree 2007: 74). Kaum ein anderes Modell, speziell der nachfolgenden Standard-Baureihen aus den Jahren 1958 bis 1960, erlangte dann jemals wieder die liebevolle Würdigung jedes einzelnen Instrumentes, schon allein in Bezug auf die individuelle Farbgebung (Iwanade 1996: 176). Diese Les-Paul-Standard Sunburst-Modelle haben mittlerweile sogar bereits das Attribut „most valuable guitar in the world“ bekommen (Bacon 2007: Titel). Immerhin werden diese Modelle in offiziellen Verkaufslisten nicht unter 100.000,-$, oftmals aber sogar auch zum drei- und mehrfachen Betrag gehandelt (Greenwood 2011: 130). Doch was zeichnet diese speziellen Gitarren aus und was sind ihre Erfolgsfaktoren? Vermutlich ist vor allem maßgeblich der Umstand, dass hier einfach alles auf höchster Qualitätsstufe angefertigt wurde: Diese Gitarren wurden in überschaubaren Stückzahlen ausschließlich und vollständig hergestellt in den USA der Nachkriegszeit, was insofern ein besonderes Merkmal darstellte, da alle Einzelteile, auch die der kleinsten Zulieferfirmen, grundsätzlich besonders belastbar und haltbar ausgelegt waren und damit den höchsten Ansprüchen genügten. Und sie wurden damals von Musikern getestet und schließlich gekauft, die selber noch höchst erwartungsvoll in Bezug auf den instrumenteneigenen Ton und das Verhalten einer Gitarre waren, weil sie – noch – üblicherweise einen natürlichen, absolut sauberen Klang

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kannten und bevorzugten, der nicht durch vielfache Verzerrung und starke Kompression im Zuge der Verstärkung verändert wurde (Bacon 2008: 266). Schon nur wenige Jahre später sollten aus den gleichen Fabriken allerdings auch Massenprodukte und diverse Modellreihen kommen, bei denen die Kunden einen deutlichen Qualitätsverlust feststellen mussten und die entsprechend kaum erfolgreich waren, geschweige denn sich später als hoch begehrte Sammlerobjekte erwiesen (Bacon 2007: 89). Interessanterweise blieben die meisten basalen Konstruktionsmerkmale der E-Gitarren seit den frühen fünfziger Jahren praktisch unverändert: Die Anfertigung der Tonabnehmer beispielsweise erfolgt noch immer mehr oder weniger entsprechend der damals gemachten Ideen und Pläne, während sich moderne Ansätze wie MIDI-Gitarre oder Synthesizer-Schnittstelle kaum haben durchsetzen können: Trotz vielfach verbessertem Tracking und exakterer Tonhöhenerkennung verbleiben explizite Gitarrensynthesizer-Modelle ausgesprochen selten verwendete musikalische Hilfsmittel (Fogg 2011: 23). Gleichzeitig aber verkauft Gibson aktuell das Modell Les Paul, handwerklich auf höchstem Niveau angefertigt, in diversen speziellen Ausführungen beispielsweise als The Collector's Choice in jeweils kleiner Serie für teilweise über 13.000,-$ – und muss sich nach dem schnellen Ausverkauf einzelner Modelle, etwa in Bezug auf die Melvyn Franks Les Paul Standard, die Nr. 1 dieser Reihe, in verzweifelt klingenden Anfragen einer vehementen Nachfrage stellen: „Is it completely stupid to believe that Gibson will add this UNIQUE Guitar to their product range again some day???“ (111Mark111 2014: online). Ganz offensichtlich finden also meisterlich gefertigte Instrumente trotz eines immensen Preises ihre Kunden, so dass Gibson innerhalb weniger Jahre bis zum Frühjahr 2014 bereits 17 limitierte Hoch-Preis-Reihen auflegen – und verkaufen konnte (Gibson Collector´s Choice 2014: online). Und auch für die Modelle der Konkurrenz wie etwa von Gretsch, Fender, Ibanez oder PRS gilt: Bis heute bleiben sie für Profis und Amateure erste Wahl, wenn es um klangstarke und vorführbare EGitarren geht, obwohl sie teilweise seit dem Entstehen der E-Gitarren in den fünfziger Jahren kaum verändert wurden (Fogg 2011: 26). Und auch dort sind aktuell jeweils nicht zuletzt exquisite Hoch-Preis-Modelle begehrt, die als Premium Instrumente verblüffend schnell ihre Abnehmer finden (Thomann 2014: online). Offenbar wurde Mitte des 20. Jahrhunderts eine äußerst erfolgreiche Konstellation verschiedener Faktoren gefunden, die es ermöglichte, qualitativ hochwertigste Instrumente zu erstellen. Bacon vergleicht dies mit einem X, wobei die beiden Balken die chronologische Entwicklung symbolisieren: In dieser – und nur in dieser – Zeit passte alles perfekt, was eine gute E-Gitarre ausmacht: Die Güte und Verarbeitungsqualität des Holzes, die neu entwickelten elektronischen Teile wie die Humbucker-Tonabnehmer und eine hochwertige Hardware in Form von Steg, Bünden und Stimm-Mechaniken – eine nur kurzfristig erreichte und sich dann bald wieder auflösende Erfolgsrezeptur (Bacon 2008: 138).

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Zusätzlich wurden durch Verstärker-Übersteuerung oder den Einsatz von Effektgeräten bestimmte Verzerrungsanteile eingebracht, die eine hohe klangprägende Wirkung für die Rockmusik-Stücke mit ihrer jeweils eigenen Klangästhetik hatten (Einbrodt 1988: 98). So wird, nach ersten vorsichtigen Experimenten, bereits am 18. Oktober 1964 die zwischen Verstärker und Gitarre entstehende und lange Zeit an sich unerwünschte Rückkopplung, das Feedback, als Teil eines Popmusik-Hits präsentiert. Es war damals John Lennon, der bei der Produktion des Beatles-Songs I Feel Fine voranging – mit einem Klang, der bewusst eingebracht wurde, um die Grenzen des bisherigen Musizierens zu überschreiten (Emerick 2007: 154). Diese schrille Klangerzeugung wird dann von Musikern wie Pete Townshend und Jimi Hendrix aufgegriffen und weiter ausgebaut. Von da ab wird das Feedback in vielfältiger Form – und oftmals beeindruckend virtuos gelenkt – als Sound-Mittel eingesetzt (Trampert 1991: 112). Dass damit zusammenhängend neben den eigentlichen Gitarren dann auch ein besonderes Augenmerk auf qualitativ hochwertige Verstärker-Modelle gelegt wurde, beweist die euphorische Aussage des E-Gitarristen Jimi Hendrix. 1967 befand er sich auf dem Zenit seiner Karriere und vertraute bei der Soundgestaltung seines charakteristischen Gitarrenklangs vollständig auf die frühen Gerätschaften der von Jim Marshall begründeten Firma: „I really like my old Marshall tube amps, because when they´re working properly there´s nothing can beat them, nothing in the whole world“ (Doyle 1993: 10). Alle Klangbeeinflussungen dieser Art sind aber innerhalb einer Song-Notation meist nicht aufgeführt, und auch in Workshops oder Anleitungen wird nur selten beispielsweise auf das Phänomen der musikalisch gezielt eingesetzten Rückkoppelung überhaupt eingegangen (Sieghard 2014: online). Dies, obwohl die zugehörige Instrumentenbautechnik doch einen enorme Einfluss auf das gesamte Klanggeschehen hatte und damit letztendlich auch auf das Gesamtbild der Popmusik.

1.5.5 Einflüsse der Musique Concrete auf die Popmusik Zu Beginn des letzten Jahrhunderts galt es als ein Zeichen von prosperierendem Wohlstand und gesellschaftlichem Aufstieg, wenn sich jemand ein eigenes Grammophon leisten konnte. Selbst für den glücklichen Gewinner einer Lotterie war der Kauf eines solchen Abspielgerätes eine der ersten Anschaffungen. Und in einer Solididaritäts-Gemeinschaft legten die Nachbarn dann sogar Woche um Woche etwas Geld beiseite, um gemeinsam immer wieder neue Platten für den Plattenspieler kaufen zu können Dass sich dann allerdings die immer öfters nicht erwünschte Präsenz von vorgefertigter Musik auch als ein unangenehmes und störendes Element im gesellschaftlichen Leben erwies, zeigt Bijsterveld auf, die aus den Ordnungsmaßnahmen der Stadt Rotterdam zu Beginn der zwanziger Jahre berichtet. Dort wurden angesichts der Zunahme der mechanischen Musikinstrumente und

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Geräte wie das Grammophon oder Radio schon bald per Ratsbeschluss häufig drastische Einschränkungen bis hin zu konsequenten Verboten angeordnet. Dies wurde notwendig, da immer mehr Leute einen solch maßlosen Gebrauch etwa von ihren Plattenspielern machten, dass die Anlieger, die gezwungen waren, der abgespielten Musik über Stunden zuzuhören, diese Klänge als eine Plage empfanden, die sie nicht mehr bereit waren zu ertragen (Bijsterveld 2008: 165). Nach Ende des zweiten Weltkriegs gab es dann, neben dem reinem Reproduzieren von erstellten Aufnahmen, auch die ersten intensiven Versuche, die auf Platten aufgezeichneten AudioEreignisse nicht nur möglichst originalgetreu wiederzugeben, sondern diese in sich abgeschlossenen konkreten Klänge als eigenständige Ton-Angebote in sich zu begreifen und in eine neue musikalische Gesamtheit einzupassen. Musique ConcretePioniere wie Pierre Schaeffer nutzten im Paris der Nachkriegszeit schließlich die vorhandenen Gerätschaften zu einer Umkehrung des traditionellen Kompositionsverfahrens: Bereits auf Schallplatten und später auf Tonbändern aufgezeichnete Klänge wurden in einem Studio abgespielt und zu einer neuen Gesamtaufnahme weiter verarbeitet. Damit konnten also nicht nur die Klänge üblicher Instrumente, sondern alle nur denkbaren Geräusche von vorhandenen Aufnahmen eingesetzt und beliebig editiert werden. Zur Vorbereitung und Planung solcher Werke dienten nur noch spontane Experimenten und einige wenige Skizzen, bis schließlich eine finale und von da ab nicht mehr zu ändernde Schluss-Aufnahme vorlag. Wie anders dagegen war der bisherige – jetzt traditionelle – Kompositionsprozess verlaufen, bei dem der Weg über eine detailliert erstellte, abstrakte Partitur und eine erst dann nachfolgende instrumentale Ausführung verlief, die bei jeder weiteren Aufführung jeweils – mehr oder weniger – unterschiedlich intoniert wurde (Frisius 1996: 3.20). Im Rahmen der Musique-Concrete-Produktionen wurden erstmalig Klangcollagen geschaffen, deren finale Ausführung ausschließlich in Form einer bandfixierten Aufzeichnung existierte und die nur unverändert originalgetreu aufgeführt bzw. abgespielt werden konnten. Eine vorab notierte und verbindliche Abschrift lag selten vor, so dass solch ein Werk kaum nochmals neu in seinen Einzelstimmen exakt nachgestellt und aufgeführt werden konnte. Vor allem aber waren diese Aufnahmen nicht mehr veränderbar durch die Interpretationen eines einzelnen individuellen Performers (Moorefield 2005: 79). Es musste also ein Werk nicht mehr vorab bis in das letzte Detail hinein erstellt und auskomponiert werden, sondern oftmals reichte schon ein einzelnes Motiv oder ein spezieller Klang, um dann in einer Studiosession zum finalen Endprodukt zu werden. Damit kommt dort der Schaffensprozess, ausgehend von einer nur vagen Kompositionsidee, im Zuge der Produktionsabwicklung zum Abschluss. Entsprechend regt Ungeheuer an, diese Art des musikalischen Schaffens als ein Gesamtkomplex unterschiedlichster Arbeitsstränge zu verstehen, die erst am Ende in ein abgeschlossenes Werk münden:

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„Man könnte darüber nachdenken, die künstlerische Intention in dem flexibleren Konzept des ästhetischen Zusammenhangs aufgehen zu lassen. Damit entfernt man sich von der Vorstellung eines klar konstruierbaren kunstschaffenden Willens des Autoren und schaut vielmehr auf eine perspektivenreiche Werkstatt, die die Autorität eines Künstlers lediglich als Name, als Label erkennen lässt. So gesehen stellt die künstlerische Intention eine Instanz des Zulassens und des Verbietens dar“ (Ungeheur 2010: 205 f.).

Nachdem dann speziell in den sechziger Jahren ein Zusammentreffen von Musique Concrete und Popmusik zu beobachten ist (Frisius 1997: 3.16), sind rückblickend daraus mehrere nachhaltige Auswirkungen abzuleiten: • Von nun ab gibt es, anders als bei einer abstrakten Kompositions-Partitur, die immer wieder neu aufgeführt werden kann und muss, eine bestimmte, einmal vom Komponisten erstellte und für alle Zeiten bandfixierte Aufnahme als Mischergebnis vieler, unterschiedlich bearbeiteter Einzel-Klänge. Und nur diese eine, zu diesem bestimmten Zeitpunkt erstellte Produktion bildet das einzigartige Original. Entsprechend verlangen die Hörer auch nur nach dieser einen ursprünglichen Aufnahme, da eine Neueinspielung sofort diverse, meist nicht gewünschte Veränderungen zur Folge hätte. War dies anfangs noch eine schier unglaubliche Forderung, ist dies heute eine popmusikalische Normalität: Mittlerweile würde es ein Popmusik-Hörer sogar entschieden ablehnen, eine immer wieder neu gespielte und entsprechend unterschiedlich interpretierte Vorführung seines Lieblingsstückes vorgeführt zu bekommen. Er besteht auf der einmal, im Studio final fixierten Endfassung, die bei jeder erneuten Aufführung jeweils absolut unverändert abläuft. Eine bearbeitete Einspielung müsste sich erst als bewusste Cover-Version beim Hörer durchsetzen – und würde auch als solche von ihm sofort erkannt werden. • Es können jetzt auch vorproduzierte Geräusche und Klänge aller Art in populärer Musik auftauchen, von rein künstlich erzeugten synthetischen Sinus-Klängen bis hin beispielsweise zu diversen Umgebungsgeräuschen und zufällig eingespielten Radiosequenzen. Alles ist möglich, alles ist denkbar – und alles wird vom Hörer innerhalb des abgeschlossenen Endprodukts akzeptiert. • Außerdem dürfen nun typische, bisher nur einem experimentellen Tonstudio vorbehaltene Manipulationen des Klangmaterials auch in populären Aufnahmen eingebracht werden und als deutlich zu hörender Effekt vorgestellt werden: Künstlich erschaffene Vielstimmigkeiten durch einen mehrfach aufgenommenen Sänger, rückwärts eingespielte Passagen, radikal veränderte Instrumental-Klänge, unterschiedliche Bandgeschwindigkeiten oder durch Bandschleifen geschaffene Wiederholungen gehören von nun ab zum alltäglichen Produktionsrepertoire der angesagten Popmusik-Bands.

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• Letztendlich führten die bei der Musique Concrete aufgestellten Prinzipien mit zur rein elektronischen Lautsprechermusik der Gegenwart, wo ein umjubelter DJ sein begeistertes Publikum entweder ausschließlich mit vorgefertigten oder aber mit variabel editierten, immer wieder neu abgemischten und frei zusammengesetzten Klangsamples bedient. Sicherlich ahnten die damaligen Klangschöpfer der Avantgarde dabei nicht, dass sie es waren, die mit ihrer Arbeit die basalen Grundlagen für House, Techno und Electro Dance schaffen sollten. Angefangen hatte solch eine Musikausrichtung, die durchweg auf elektronisch erzeugten Klangbildern beruht, damit zwar in den mit viel Aufwand neu geschaffenen Experimental-Pionier-Studios der Neuen Musik, doch relativ bald schon zogen sich die Tonschöpfer aus dieser Produktionsumgebung wieder weitgehend zurück: „Bis dahin waren die Experimente auf das Gebiet der E-Musik beschränkt geblieben. Während die E-Musiker jedoch immer mehr das Interesse an elektronischer Musik verloren, zeigten sich die Pop- und Rockkomponisten und -interpreten zunehmend von den Möglichkeiten der elektronischen Musikproduktion begeistert, wenn auch nicht – von Ausnahmen abgesehen – aus den gleichen Gründen wie bei den E-Musikern der fünfziger und sechziger Jahre“

(Riedl 1998: 14). Als frühe und trendsetzende typische Vertreter für die in der Popmusik eingesetzten elektronischen Studiomanipulationen im Sinne einer Musique Concrete-Ausrichtung können beispielsweise die LP Sgt. Pepper´s Lonely Hearts Club Band der Beatles (Vock 2009: 2) oder auch das betont bewusstseinserweiternd-psychedelisch angelegte Doppelalbum Umma Gumma von Pink Floyd angesehen werden (Holbein 2006: 393), während etwa Künstler wie Lou Reed & Velvet Underground als markante Vorreiter eines an den Pop angepassten Minimalismus gelten: „Schönberg ersann die Zwölftonreihe; Webern fand in ihren Strukturen eine verborgene Stille; Cage und Feldman ignorierten die Reihe und betonten die Stille; Young verlangsamte die Reihe und machte sie hypnotisch; Riley schob die langen Töne in Richtung Tonalität; Reich systematisierte den Prozess und gab ihm Breite und Tiefe; Glass verlieh ihr motorisierte Energie. Doch damit war die Kette nicht zu Ende: Gegen Ende der Sechziger begann eine ganze Schar von Popmusikern [...] das minimalistische Gedankengut in das Mainstream-Publikum hineinzutragen“ (Ross 2009: 559).

Und dies, obwohl es noch kurz zuvor, etwa im Rock 'n' Roll der fünfziger Jahre, kaum vergleichbare Ansätze oder gar bewusste Anknüpfungen an die Musique Concrete gegeben hatte. Aber immerhin wurden schon damals dort bisherige musikalische Verfahrensweisen durch Reduzierungen und Wiederholungen ersetzt und freigeräumt von traditionell etablierten Ansprüchen und Vorgaben, die noch Vielfalt und Abwechslung für unbedingt notwendig hielten. Allerdings geschah dies zwei-

Popmusik und Erfolg

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felsohne auf eine ganz andere Art und mit völlig anderen Motiven als in den unterschiedlichen Experimental-Projekten, die damals unabhängig voneinander in den diversen Tape-Music-Laboratorien realisiert wurden (Hegarty 2007: 59). Und während dabei die Studien und Etüden der Elektronischen Musik aus Paris, Köln und New York als die Neue Musik der Zukunft bezeichnet wurden, die mit ihren ästhetischen Ansätzen die Musik insgesamt konstruktiv prägten (Chagas 2009: 54), wird den vielen Stücken des Rock 'n' Roll mit seiner „auffallend simplen Harmonik“ in der Fachliteratur bescheinigt, er habe einen „Tiefstand aller verwendeten musikalischen Mittel“ erreicht (Villinger 2006: 30). Doch schon in den nachfolgenden sechziger Jahren werden die Grundlagen dafür gelegt werden, die damalige E- und UMusik zumindest in einigen Teilgebieten zu neuen Kombinationen und Verbindungen anzuregen (Frisius 1997: 3.16). Beispielsweise wird Jimi Hendrix in dieser Zeit sein „psychedelisches“ und in den Augen vieler Kritiker „legendäres“ Album Electric Ladyland (Winthrop-Young 2011: 102) mit dem Track And The Gods Made Love einleiten, das praktisch ausschließlich aus nicht tonalen Geräuschen und Klängen besteht. Es bildet damit eine so bisher noch nicht aufzufindende Mixtur von Editier-Techniken aus der erwachsen-rational geprägten Welt der seriösen Musique Concrete mit der spontanen Gefühls-Intensität des jugendgeprägten Popmusik-Kosmos. Und der gesungene Text von Hendrix, der gleich nach dieser einleitenden Sound-Collage folgt, artikulierte die für viele Zuhörer anfangs kaum nachvollziehbare Kombination unterschiedlichster Elemente blumig-romantisch und pop-poetisch aus: Have you ever been (have you ever been) to Electric Ladyland? The magic carpet waits for you so don't you be late. Oh, (I wanna show you) the different emotions (I wanna run to) the sounds and motions, while we fly right over the love filled sea. Look up ahead, I see the loveland, soon you'll understand.

(Hendrix Have You Ever Been (To Electric Ladyland) 1968).

2. Kategorien und Parameter der Analyse Wenn bis heute der traditionelle Genie-Gedanke des 19. Jahrhunderts gepflegt würde, müsste die unerbittliche Vorgabe gelten: „Das Erfinden bedeutender musikalischer Ideen kann nicht gelehrt werden: dieselben sind eine Gabe des Himmels und fallen dem Genie ohne Arbeit und Mühe zu, während der minderbegabte vergebens nach ihnen ringt“ (Riemann 1897: 2). Nur einige wenige Hinweise auf die Ergebnisse, die in den Werken der Meister enthalten sind, wären dann möglich. Allerdings räumte man dann schon damals den engagierten und talentierten Schülern gelegentlich auch eine gewisse Möglichkeit ein, sich an der musikalischen Kunst „schöne Melodien, schöne Akkordfolgen und originelle, kräftig-rhythmische Formen zu erfinden“ zumindest zu üben. Dies allerdings nicht, ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen, wie viele Mühen und Energien hier aufgebracht werden müssten, denn: „Viel Zeit ist nötig, um die Weltenmeere der Musik aufzufinden, noch viel mehr aber, sie befahren zu lernen“ (Berlioz 1955: 2). Heute präsentiert sich das Heranführen an Musik gänzlich anders. Über den reinen Hörgenuss hinaus gibt es überall Bemühungen, musikalische Klänge verständlich und nachvollziehbar aufzubereiten. Musik wird dabei in einzelne Bausteine zerlegt, um dann mit Hilfe bestimmter Anleitungen oder Hinweise vom lernwilligen Schüler erneut in eine klingende Form gebracht zu werden. Entsprechend existieren in jeglicher musikalischer Richtung vielfältige Ansätze, solche im Grunde analytische Aufteilungen durchzuführen und daraus Instruktionen für Lernende, aber eben auch Grundlagen für Vergleiche und Werturteile abzuleiten. Solche Vorgehensweisen finden sich dabei nicht nur im Bereich der traditionellen Ernsten Musik, sondern auch in den unterschiedlichsten Formen der Popmusik. Die Rückführung und Reduzierung einer klingenden Gesamtheit, eines musikalischen Werkes oder eines Songs, auf ein wie auch immer geartetes Regelsystem erfolgt dabei entweder in Form • von allgemeinen Erläuterungen und Beschreibungen bestimmter Stilrichtungen oder • in Form von konkreten Anleitungen und Hinweisen zu bestimmten Techniken und Besonderheiten. Entsprechend finden sich die Musiklehren, Harmonielehren oder Songwriter-Schulen mit Ausrichtung auf • Musiktheorie, allgemein oder auf bestimmte Gattungsbereiche konzentriert, • dem Erlernen einer bestimmten instrumentalen Fähigkeit bzw. Gesangsausbildung oder

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• einer Mixtur beider Ansätze • mit jeweils wiederum einer möglichen Fokussierung auf einen bestimmten stilistischen Bereich. Im Bereich Allgemeine Musiktheorie wird in der Regel eine Art Basis-Wissen angeboten, das mehr oder weniger allgemeingültig und wertfrei über allem musikalischen Agieren steht. Von Noten und Notenschlüssel über Rhythmus, Metrum und Taktarten hin zu modalen Skalen, Akkorden und Kadenzen reicht das Spektrum von typischen Musik-Basis-Lehren, dann entsprechend offeriert unter schlichten Überschriften wie beispielsweise Musiklehre (Kessler 1997: 3 ff.). Die vermutete Wichtigkeit eines oftmals kompakten Lehrheftes dieser dort dargebotenen Informationen drückt sich dann in einem Titel wie Was man über Musik wissen muss aus. Gelegentlich gehen die Autoren neben den basalen musikalischen Grundlagen aber auch auch auf komplexere Kompositionstechniken wie das Generalbaß-Spiel oder auf Akustik-Phänomene wie Obertonreihe und Schallgeschwindigkeit ein. Themen wie diese werden dabei aber meist nur mit nur wenigen Sätzen angerissen und betont knapp behandelt (Schneider 1954: 28 f.). Auf eine erheblich mehr in die Tiefe gehende Betrachtung von ausgewählten Teilgebieten zielen dagegen Lehrbücher ab, bei denen beispielsweise unter einer Überschrift wie Formenlehre bereits spezifizierte Inhalte aufbereitet werden: Wenn hier der Autor Themenbereiche wie Motiv, Thema und Periode abhandelt, wird eine deutlich höhere Intensität erreicht und ein größeres Detailwissen angesprochen als in den üblichen Allgemein-Wissen-Büchern, wo dies nur jeweils eher beiläufig auftaucht (Stockmeier 1973: 5). Immer wieder wurde und wird aber auch Kritik laut am Aufbereiten von Musik in Lehrbüchern, an der allgemein verbindlichen Zerlegung von klingenden Tönen und dem Hineinpressen von kreativen Ideen in standardisierte Regelwerke. Im Vorwort seiner Harmonielehre betont De la Motte, dass für ihn – als Teil des Fortschreitens der musikalischen Entwicklung – Klänge weniger ein allgemein zur Verfügung stehendes Material bilden, sondern immer mehr zu einem Gegenstand individueller Formgebung werden. Entsprechend zieht er daraus das Fazit: „Bisherige Harmonielehren, um systematische Zusammenfassung aller Klangmittel bemüht, konnten diesen Aspekt zwangsläufig kaum berücksichtigen. Harmonielehre hieß Harmonisieren und dies meinte Material richtig verwenden. Der verbreitete Irrglaube, dass Melodien erfunden werden und Tonsatz gemacht wird, wurde so, wenn nicht genährt, so doch auch nicht hinreichend bekämpft. Verständnis zu fördern, Gespür zu entwickeln für Individualität der harmonischen Erfindung scheint mir aber eine der wichtigsten Aufgaben eines kunstnahen Harmonielehre-Unterrichts zu sein“ (de la Motte 1976: 11).

Dass in der heutigen Praxis, auch bei der so viel Individualität offerierenden Popmusik, die Zerlegung eines Stückes gemäß nachvollziehbarer Regeln immer

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wieder notwendig wird, verdeutlicht eine Übungsanleitung, die Porchert zusammengestellt hat. Wenn es bei ihm an das Erstellen und Einproben eines Stückes mit Jugendlichen ohne größere Vorkenntnisse geht, sollte seiner Meinung nach der Musiklehrer möglichst einen Song eines schon bekannten Interpreten auswählen, der schlicht strukturiert und insgesamt zügig einzuproben ist. In Bezug auf seine basalen Elemente könnte solch ein Stück dann so beschrieben werden: „Ein sparsam arrangiertes, gut abgehendes Akkordschema mit drei Akkorden, minimalistisches Gitarrensolo und ein Text mit erweiterter Aussagekraft“. Dass dann dennoch auch bei solch einem übersichtlich angelegten Stück kreative Eigenleistungen von den Schülern eingebracht werden können, betont er ausdrücklich: „Aus wenig viel zu machen, ist pädagogisch mindestens ebenso spannend und anspruchsvoll, wie mit ausgefuchsten Noten einen Titel aus dem Real Book nachzuspielen“ (Porchert 1994: 150). Wenn das Ziel aber ist, einen eigenen Song zu erstellen, rücken präzise und nachvollziehbare Instruktionen in den Vordergrund. Pochert hält als Weg hin zum eigenen Popmusik-Song folgende Schritte für sinnvoll: • Je nach gewünschter Stimmung die Stilistik (von Heavy bis Reggae), Tempo und Tongeschlecht auswählen. • Strukturelle Standard-Muster, sogenannte Patterns, wie Intro, Strophe und Refrain zu einem Song zusammenstellen. • Texte entwickeln, möglichst aus der unmittelbaren Lebenswelt der Bandmitglieder, wobei von den Leitern auch Stichwörter angeboten werden können. • Abschließend sollen die Jugendlichen ermuntert werden, sich die einzelnen Parts ihres Songs als schriftliche Skizze aufzuschreiben. • Und nicht zuletzt gilt: „Hilfreich und ungemein disziplinierend ist es auf jeden Fall, die Songs am Schluss mitzuschneiden“ (ebenda: 153).

Es scheint also möglich zu sein, in einer Mischung aus Anwendung von gelernten oder bekannten Vorgaben und eigenem individuellem Kreativ-Output, relativ zügig selber ansehnliche Popmusik-Kompositionen erstellen zu können. Wenn übersichtliche Konstruktionspläne mit nur wenigen Basis-Punkten wie diese bereits ausreichend für erste Songs sind, sollte es denkbar sein, auch weitergehende und detailliertere Schritte in Vorgaben und Parameter zu fassen. Bleibt die Frage, welche Einteilungen es denn genau sein sollen, mit denen Popmusik abgebildet werden kann bei all der Vielfalt, die im Bereich Popmusik zu finden ist. Welche sind wichtig, welche sind eher nebensächlich und welche völlig irrelevant? Ein Ergebnis könnte dann sein, die Unterschiede zu den großen Vorbildern und den bekannten Songs damit aufzudecken. Auf diese Weise sollte es aber auch möglich sein, die üblicherweise verwendeten Vorgehensweisen, die die den gängigen Standards entsprechen, von den individuellen, eigenständig kreativen Eigenleistungen zu trennen und als solche erkennbar zu machen. Damit ergibt sich die Über-

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legung, ob sich die Unterschiede zu den expliziten Hit-Songs anhand von verständlichen Parametern und Kompositionsanleitungen herausstellen lassen. Gibt es eine Antwort auf die Frage, warum denn eigentlich das selbstgebastelte Stück, so viel Spaß es auch im Moment des Zusammenstellens gemacht haben mag, nicht die Attraktion und Geschlossenheit des professionellen Vorbildes erreicht? Ist es möglich, die Ursache für dessen Erfolg anhand bestimmter Merkmale und Parameterwerte nachvollziehbar zu machen? Ausgehend von solchen Fragestellungen sollen daher eine Reihe von Kategorien vorgestellt werden, die üblicherweise in Songwriter-Schulen und Lehrbüchern im Bereich Popmusik zu finden sind. Sobald dann eine Reihe solcher Beschreibungen gebildet ist, soll eine nachfolgende Anwendung dieser Parameter auf eine exemplarische Stichprobe aus diversen Hit-Songs verifizieren, inwieweit denn diese Merkmale und Beschreibungsformen eine Rückschluss auf den Erfolg und die Durchsetzungskraft eines Stückes in Konkurrenz zu anderen Stücken zulassen. Sind Hits einerseits anhand ihrer Bauweise zu erkennen und tauchen bestimmte Elemente besonders häufig auf? Und lassen sich andererseits zukünftige Hits entsprechend dieser Vorgaben und Bauanleitungen erkennen und aufspüren?

2.1 Die Struktur Vieles von dem, was gängige Schulen und Lehrbücher als typisch und charakteristisch für ein Stück aus dem Bereich der Popmusik ansprechen, hat mit der strukturellen Aufteilung eines Songs zu tun. Praktisch immer wird die analytische Zerlegung eines Songs in spezifische Teile durchgeführt, wobei sich wiederum die Fragen stellen, ob wirklich in jedem Stück alle Teile auftreten und ob diese StrukturParts dann auch jeweils üblicherweise in einem erfolgreichen Song gefunden werden. Lässt sich schon hier eine charakteristische Bauanleitung oder Erklärung für eine Erfolgs-Produktion finden – oder ist die Aufteilung in entsprechende SongSegmente derartig selbstverständlich, dass sie damit nicht relevant oder sogar weitgehend unerheblich ist?

2.1.1 Die einzelnen Parts eines Popmusik-Stückes Um hier einen entsprechenden Überblick zu erhalten, soll nach folgenden Song-Teilen in einem Stück gesucht werden: • Intro: Die sogenannte Introduktion leitet ein Stück ein; sie kann sehr kurz sein, gelegentlich beginnen Songs aber auch mit weit ausholenden und umfangreichen Einleitungen (Ziegenrücker 1972: 120). In der Regel ist dieser einleitende Part instrumental, gänzlich ohne Gesang oder zumindest nur mit vereinzelten Vokalisierungen ohne Text gehalten. Das Intro etabliert in der Regel das Tempo, Tonart, Stil und meist schon die Stimmung eines Stückes (Schmidt 2010: 99).

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• Strophe: Dieser Teil, in der englischsprachigen Literatur meist abweichend als Verse bezeichnet, wird oftmals als Grundbaustein bei Gedichten und Liedformen gesehen. Dort bestehen viele Stücke sogar nur aus Strophen, in denen sich mit Hilfe des sich jeweils ändernden Textes der Song entwickelt und den Faden der Geschichte weiterspinnt. Wenn ein Refrain folgt, bereitet die Strophe ihn vor und bildet damit die Einführung in die eigentliche Geschichte, die der Song erzählen soll (ebenda: 100). Die Strophen bilden damit den Teil des Stückes, in dem der Musikanteil mit Melodik und Harmonik zwar weitestgehend von Strophe zu Strophe unverändert bleibt, aber ein Großteil des Textes eingebracht wird (Frederick 2008: 43). • Refrain: Mit dieser Bezeichnung eines Songparts wird meist ein sich im Stück wiederholender Kernteil, ein Kehrvers, angesprochen. Allerdings wird genau dieser Teil verwirrenderweise oftmals auch als Chorus bezeichnet. Ausdrücklich wird daher in Songwriter-Schulen immer wieder auf diese definitorische Problematik eingegangen, auf die nicht einheitliche Verwendung der Begriffe Refrain und Chorus. Nicht zuletzt ist es ein Problem, das sich als ein Unterschied zwischen europäischer und angloamerikanischer Nomenklatur präsentiert: Perricone beispielsweise, als Vertreter der amerikanisch beeinflussten Schule, sieht einen Refrain nicht als einen Kehrvers an, sondern trennt scharf zwischen • dem Refrain als einer zentralen Idee, in der entweder der Titel explizit vorkommt oder zumindest eine entscheidende Zeile, die sich bei jeder Strophe wiederholt. Ausdrücklich betont er, der Refrain sei nicht ein eigenständiger Teil des Songs, sondern immer nur Bestandteil einer Strophe. Im Gegensatz zu solch einer Strophe mit Refrain-Anteil sieht er explizit den • Chorus als einen Song-Teil mit einem sich wiederholenden Kehrvers, in dem sowohl Musik als auch Text wiederholt werden, wobei hier die zentrale Aussage des gesamten Stücks zu finden ist. Dabei wird die Problematik gesehen, dass „the term refrain was and still is used in some published music to mean what we all call chorus.“ Aber er sagt ausdrücklich: „All songwriting courses at the Berklee College of Music and most contemporary music publishers use the term as we have defined it“ (Perricone 2000: 87). Von dieser Definitions-Unsicherheit wissen auch Schmidt und Terhag und lassen hier ihrem Leser eine entsprechende Freiheit der Benennung und sehen anders als in der angelsächsischen Terminologie im Deutschen keine eindeutige Unterscheidung zwischen Refrain und Chorus: „Häufig werden die beiden Begriffe synonym verwendet. Es bleibt Ihnen überlassen, wie genau Sie die Namen voneinander abgrenzen wollen“ (Schmidt 2010: 12). Dies ist wichtig, da der Refrain – ein Chorus im Sinne von Perricone – als immer wieder auftretender Höhepunkt eines Songs, als „Leidenschaft, Pathos, Verspieltheit, Tränendrüse, Wermutstropfen und Herzstück“ eines Stückes (Rooksby 2003: 69) für viele Autoren zu unterscheiden ist von einem

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Chorus, der als essentielles Konstruktionselement etwa eines Blues-Songs und seinen instrumentalen Improvisationen betrachtet und behandelt wird. In vielen Lehrbüchern wird entsprechend das Üben mit der Blues-Tonleiter grundsätzlich in Verbindung mit einem durchlaufenden 12-Takt-Chorus gebracht, der dann, konstant wiederholt, mit seinem standardisierten Harmonieschema als Song-Grundlage dient. Bei solch einem konsequenten Chorus-Aufbau findet sich in der Regel kein anderer, wie auch immer gearteter Strukturteil, sondern ausschließlich dieser gleichbleibende, stetig wiederholter Formteil (Fogg 2011: 164). Nur bei bewussten Abwandlungen dieser rigiden Struktur, beispielsweise im bluesähnlichen Schlager, wird ein vier- oder achttaktiger Mittelteil (B) eingefügt, dem dann aber wieder eine Wiederholung eines üblicherweise 12-taktigen Chorus (A) folgt: A (12 Takte) B (4 bzw. 8 Takte) A (12 Takte). Spätestens jedoch bei expliziten Instrumental-Improvisationen wird auch hier wieder gerne ein konsequenter, nicht unterbrochener Chorus-Ablauf präferiert (Ziegenrücker 1972: 119). Zusätzlich gilt es noch die Hook oder Hook-Line zu unterscheiden: Diese einzelne Melodielinie mit explizitem Ohrwurmcharakter (Hemming 2010: online) soll die Aufmerksamkeit des Hörers auf sich lenken und ihn endgültig in den Song hineinziehen. In der Regel enthält eine solche Hook-Line in ihrem durchgehend gleichbleibenden Text auch den Titel des Stücks. Theoretisch kann sie in jedem Songpart auftreten, allerdings sollte sie laut den Anweisungen vieler Lehrbücher dann doch typischerweise innerhalb des Refrains zu finden sein (Frederick 2008: 43). • Bridge: Ein Zwischenteil oder Bridge bildet einen Teil im Songablauf, der betont kontrastär zu den Strophen angelegt ist, also als ein B-Part im Gegensatz zu den bisherigen A-Teilen. Oftmals tritt die Bridge aber auch als ein dritter Teil auf, wo sie als ein C-Part nicht nur zu den Strophen, sondern auch zu dem Refrain eine Abwechslung einbringen soll. In der Regel findet dies nach dem zweiten Refrain statt in einer Abfolge wie etwa A A B A B C B… (Schmidt 2010: 98). Wichtig ist, dass sich hier – und nur hier – eine Abwendung von den bisher präsentierten und meist schon mehrfach wiederholten Parts abspielt. Entsprechend findet sich innerhalb des Songverlaufs eine Bridge in der Regel etwa nach Ablauf von rund zwei Drittel des Songs oder frühestens etwa in der Mitte. Meist ist sie dabei in sich recht kompakt und übersichtlich gehalten und wird – bei einer bevorzugten Länge von meist nur acht Takten – daher auch Middle Eight genannt (Frederick 2008: 44). • PreChorus: Ein weiteres Beispiel für einen, ebenfalls nicht überall einheitlich bezeichneten, strukturellen Songteil ist ein unmittelbar vor dem Refrain eingeschobener Part. Er hat in der Regel einen gleichbleibenden Text, ist aber noch kein fester Bestandteil des zu erwartenden Refrains (im Sinne von Kehrvers), beinhaltet aber ein zum Refrain „stark hinführendes Element“ (Rooksby 2003: 69). Dieser Part, meist folgerichtig PreChorus genannt, wird entsprechend seiner

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Positionierung zwischen Strophe und Refrain daher auch als transitional bridge bezeichnet. Perricone weist daneben zusätzlich noch auf die Bezeichnungen climb und pre-hook hin (Perricone 2000: 87). Alle diese Benennungen verdeutlichen den Anspruch dieses Teils, eine Intensitäts-Steigerung von der Strophe hin zum Refrain zu bilden, um damit in einer Art von Vorwegnahme die emotionale Stimmung des kommenden Teils schon anzudeuten (Frederick 2008: 44). • Outro: Von der Benennung her meist eindeutig, aber in unterschiedlichen Ausführungen vorzufinden ist die Ausleitung oder das Outro. Es bildet üblicherweise das gestaltete Ende eines Songs und kann zusammen mit dem – gelegentlich identischen – Intro eine den Song umfassende Klammer darstellen. In Songwriter-Anleitungen werden unterschiedliche Optionen für die Konstruktion eines Outro angeführt: Ein Refrain kann am Schluss eines Songs beispielsweise mehrfach wiederholt werden. Wird er dann schließlich langsam ausgeblendet, handelt es sich dabei um ein Outro mit einem Fade Out. Solch eine technisch erzeugte Ausblendung wird durch das Zurückziehens eines entsprechenden Reglers, eines Faders, am Mischpult erzeugt (Popbüro Stuttgart 2013: online). Kneif erklärt die Entstehung dieser Aus-Blende von der Tanzmusik her und sieht den – damals wie heute häufigen – Einsatz mit Blick auf die musikalische Anforderung recht kritisch: „Die tanzenden Paare sollen in ihrer »Stimmung« nicht plötzlich unterbrochen, vielmehr auf das bevorstehende Ende vorbereitet werden. Obwohl die Rockmusik der einstigen Aufgabe, zum Tanz aufzuwarten, längst entwachsen ist, enden mehr als 90% der Stücke weiterhin durch Fading. Das technisch bequeme Verfahren verhindert dabei, dass die Musiker besondere Schlussqualitäten am Ende einer Komposition ausarbeiten, Strategien von Spannung und Entspannung, die künstlerisch überzeugend den Eindruck eines Ankommens am Ziel erwecken könnten“ (Kneif 1978: 27).

Fraglich ist dabei noch, ob sich der Song vom Hörer entfernt, oder ob der Hörer „durch das Fade Out geradezu langsam aus dem Song entfernt“ wird (Halbscheffel Roxikon 2013: online). Außerdem kann ein Fade Out auch als instrumentaler Part erfolgen: Der Gesang wird beendet, doch die Begleitung (des Refrains) wird weiter ausgeführt und nun erst langsam ausgeblendet. In einer anderen Form des Outros wird meist der Refrain als letzter Songpart durch eine Rückung vollständig angehoben und einen Halbton- oder Ganztonschritt höher mehrfach wiederholt (Kraus 2012: 119). Ein Song kann aber auch durch einen markanten Schlusspunkt oder in Form von bewährten Schlussformeln abrupt auf einer klar fixierten Zeit eines Metrums, meist auf einem Taktbeginn, beendet werden. Besonders gern geschieht dies etwa in Form von pointierten Trommelabschlägen oder ausgehaltenen Bläserakkorden (Kneif 1978: 27). Ein Beispiel für einen extrem lang nachklingenden und nur langsam vergehenden Ausklang stellt der E-Dur-Schlussakkord des Beatles-Album Sgt. Pep-

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per´s Lonely Hearts Club Band dar, der dort mit seinem grandios inszenierten Klangbild und aufgrund seiner Länge und Prägnanz allerdings nahezu schon wieder einen eigenen Formteil bildet (Halbscheffel 2012: 358). Vorgabe: Häufig vorzufindende strukturelle Elemente innerhalb von erfolgreichen Stücken lassen eventuell erkennen, ob diese einzelnen Parts wichtig oder gar unerlässlich sind und damit einen essentiellen Teil eines Hit-Songs darstellen – oder an sich gar nicht so maßgeblich sind. Wie oft lassen sich welche Songteile bei einem sehr erfolgreichen Song feststellen? enthält Intro enthält Strophe enthält Refrain enthält Zwischenteil/Bridge enthält PreChorus enthält Outro enthält keines dieser Elemente?

2.1.2 Der strukturelle Gesamtablauf Üblicherweise wird bei einem Song die jeweilige Kombination der vorab genannten Teile als die Gesamt-Struktur eines Songs angesehen. Solch eine fixierte Form eines Songablaufs bildet das konstruktive Rückgrat einer Komposition – und ist entsprechend bei praktisch allen Songs vorzufinden. Da der Vorrat an möglichen Songteilen äußerst begrenzt ist, müssen einige Parts mehrfach aufgegriffen werden, was damit nicht zuletzt ein generelles Charakteristikum der Popmusik darstellt. Schmidt und Terhag gehen sogar davon aus, dass ein Publikum gerade in Bezug auf Form und Struktur „bestimmte Erwartungen an ein Lied hat“ und leiten daraus die schlichte und klare Forderung ab: „Es sollten sich bestimmte Abschnitte wiederholen“ (Schmidt 2010: 8). Dazu zählen dann die Autoren in ihren „Vierzig Wegen zum eigenen Song“ gleich im ersten Kapitel eine Reihe von Formmodellen auf, die den Aufbau eines Popmusik-Songs bilden können: • Die einfache, konstant ablaufende Strophenform A A ... • die Strophen/Refrain-Form A B A B ... • Strophen/Refrain-Form mit zusätzlichem PreChorus A PC B / A PC B… A B A B C B ... • oder mit eingeschobenem Zwischenteil bzw. Bridge • die Blues-Form mit ihrem zwölftaktigen, konstant verbleibendem Chorusablauf • die durchkomponierte Form in freier Teile-Kombination (ebenda 10 ff.).

Auch Rooksby greift auf die gleichen Elemente wie Strophe, Refrain und Bridge als grundlegende Bausteine zurück und stellt sie in diversen Kombinationen vor. Dabei hebt er aber zusätzlich noch die Wichtigkeit des einleitenden Intros hervor. Als eine Besonderheit bringt er die Möglichkeit ein, dass gleich zu Beginn – nach solch einem Intro – der Refrain auftritt, also nicht wie sonst üblich zuerst ein Strophen-

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teil. Diesen Ablauf hält er sogar für besonders radiofreundlich und führt als Beispiel Mr. Tambourine der Byrds an, wo als Intro ein charakteristischer Gitarren-Riff zu finden ist, mit dem der Song auch als Outro in einem Fade-Out wieder ausleitet: Intro B A … A B Outro (Rooksby 2003: 73). Sehr ausführlich auf die Entwicklung eines speziellen Form-Modells, das unter der Bezeichnung A A B A bekannt wurde, geht von Appen ein. Hier sind aber mit A und B nicht jeweils ein Strophe- und Refrain-Part gemeint, sondern die Abfolge wird in ihrer Grundform wie folgt definiert: „Dieses Formmodell basiert auf einem meist achttaktigen A-Teil, der zu Beginn oder am Ende oft die Titelzeile enthält und der unmittelbar nach seinem ersten Auftreten mit variiertem Text wiederholt wird. Es folgt ein kontrastierender, meist ebenfalls achttaktiger B-Teil, bevor die 32-taktige Einheit mit einer weiteren Wiederholung des (variierten) A-Teils schließt. Mitunter steht vor diesem AABA-Durchgang ein einleitender, oft rezitativischer Verse, der nicht wiederholt wird. In einigen Fällen folgt auf den ersten ein weiterer vollständiger AABA-Durchlauf, häufiger werden nur die letzten 16 Takte (BA) wiederholt, bevor der Song mit einer Coda schließt.“ (von Appen 2012: 59).

Über viele Jahrzehnte wurde speziell dieser Ablauf gerade bei besonders erfolgreichen Stücken nahezu standardmäßig verwendet. Heute sieht von Appen die Herrschaft und Dominanz dieses Formmodells allerdings gebrochen und konstatiert mit Blick auf die Stücke der aktuellen Produktionen: „Verses und Choruses in variabler Anzahl, Länge und Reihenfolge bilden nun das Rückgrat der meisten Songs. Bei sporadisch zu findenden vokalen Intros stellt sich die Frage, inwiefern hier der alte Tin-Pan-Alley-Verse noch fortwirkt; Gospelintonationen oder die textierten Vamps des Doo Wop kommen als weitere Vorbilder in Betracht. Andere Parts wie PreChoruses, Bridges – die nun auch instrumental sein können – und Soli stehen optional zur Verfügung, ohne dass sie zwingend an die Position eingesetzt werden müssten, für die sie ursprünglich intendiert waren.“ (ebenda: 118 f.).

Interessant ist dabei auch die speziell in letzter Zeit verstärkt vorzufindende Strukturierung über konstant gleich bleibenden Harmonieabfolgen hinweg. Hier wird über eine, meist viertaktige und unverändert den gesamten Song über beibehaltene Akkordformel die Aufteilung in Parts wie Strophe und Refrain allein durch wechselnden bzw. beibehaltenen Text und bestimmte Arrangement-Anwendungen erreicht, aber eben nicht durch die sonst üblicherweise veränderten Harmonien. Laut Aussage eines erfolgreichen Produzenten findet sich hier eine wichtige Vorgabe des modernen Produzierens: „Alle Songwriter, mit denen ich arbeite, sagen auch immer: Hey, let´s stay on the same chords!“ (Reuter 2013: Interview).

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Vorgabe: Festzustellen ist, in welchen strukturellen Kombinationen die üblichen Formteile eines Stückes eingebunden sind. Bei einer Untersuchung von Hit-Songs könnten dort die häufig verwendete Strukturmodelle gesucht werden, um damit einen Überblick über die speziell in erfolgreichen Songs verwendeten formalen Abläufe zu erhalten. Gibt es einen typischen aktuellen Hit-Songablauf? Chorus-Ablauf/ Strophenform Blues-Schema Einzelne Blues-Elemente wie I - IV ... Strophe / Refrain-Form Strophe / PreChorus / Refrain – evtl. später mit Bridge A B A B C A... Strophe – Refrain – Strophe – Refrain – Bridge – Refrain... durchkomponiert, keine Wiederholungen konstant wiederholte Takt-Formel mit Strophe und Refrain-Ausbildung

2.1.3 Der strukturelle Prägestempel Praktisch durchgehend findet sich in allen Lehrbüchern der Hinweis, dass Formteile eines Popmusik-Songs üblicherweise Längen von vier, acht oder sechzehn Takt haben, auch wenn dies eigentlich nicht immer zwingend der Fall sein müsste. Wie sehr aber diese Standard-Längen mit einem Vielfachen von vier Takten bei der breiten Masse von Popmusik-Stücken üblicherweise anzutreffen sind und geradezu vorausgesetzt werden, zeigen auch die vielen entsprechenden Anweisungen, die sich eine andere Maßeinheit offensichtlich gar nicht vorstellen können. Eine solche Forderung nach konsequenter Einhaltung dieser Abschnittslängen in Vierer-Potenzen erhebt z.B. Blume, wenn er in seiner Song Structure Checklist („fotokopieren und dort aufbewahren, wo du normalerweise schreibst!“) ausdrücklich fordert, dass • jede Strophe vier oder acht Textzeilen haben soll, aufgeteilt auf acht oder sechzehn Takten, und dass sich auch • jeder Refrain/Chorus nur über vier oder acht Textzeilen erstrecken soll, aufgeteilt wiederum auf acht oder sechzehn Takten, während ein • Zwischenteil oder Bridge die Länge von zwei oder vier Textzeilen mit je vier oder acht Takten haben sollte.

Entsprechend sollen auch Parts wie ein • Intro vier oder acht Takte lang sein, was auch für das • Instrumental-Solo gilt, das nicht länger als acht Takte zu sein hat (Blume 2004: 23).

Nur selten findet sich in dem Zusammenhang mit Strukturbildung ein – dann meist eher beiläufiger – Tipp, der in Richtung Abwechslung und Vielfältigkeit bei der Wahl der Takteinheiten zielt. Versteckt in einer als Aufgabe formulierten Randbemerkung eines Songwriter-Buchs findet sich beispielsweise eine Anregung wie: „Für diejenigen, die ihre Musik aufschreiben: Experimentieren Sie mit ungeraden

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Formteilen – wie wäre es mit einem dreitaktigen Pre-Chorus zwischen viertaktiger Strophe und achttaktigem Chorus? Oder einer neuntaktigen Bridge?“ (Schmidt 2010: 17). Allerdings wird praktisch nirgendwo in der Literatur der Einsatz solcher kleiner struktureller Unregelmäßigkeiten beleuchtet oder ausführlich vorgestellt. Gemeint ist der verblüffende Umstand, dass nämlich auch – oder vielleicht gerade – in an sich sehr konventionell wirkenden und sehr erfolgreichen Songs mit vereinzelten kurzen Strukturmanipulationen gearbeitet wird. Dieses Vorgehen findet angesichts des ansonsten meist konsequent durchgeführten Ablaufs von vier-, acht- und sechzehntaktigen Einheiten meist eher diskret im Hintergrund statt. Nur die wenigsten Zuhörer, noch nicht einmal trainierte Musiker werden dessen sofort gewahr, solange sie die Stücke nicht genauer untersuchen oder selber spielen. Selbst in Stücken, bei denen man sicherlich keine komplexen Strukturbearbeitungen erwarten würde und die eher von Feten, Disco-Besuchen und rheinischen Karnevalssitzungen bekannt sind, lassen sich solche Abweichungen vom strikten Vierer-Maß aufzeigen. Bei dem Stimmungssong Halleluja von Brings beispielsweise wird in unregelmäßigem Abstand die monoton durchlaufende (2x4) Acht-Takt-Folge unterbrochen. Dabei wird vor allem der Refrain mit seiner markanten Hook-Line und dem dort mehrfach wiederholten Wort „Halleluja“ gelegentlich auf die Länge von nur noch sechs Takten reduziert, da die letzten beiden Harmonien dort jeweils entfallen (Brings official Single 2010: online): • • • • • • • • • • • • • • • •

Intro: 4 T Instrumental Strophe 8 T Strophe 8 T Refrain 6 T Instrumental 8 T Strophe 8 T Strophe 8 T Refrain 8 T Refrain 8 T Zwischenteil 8 T Strophe 8 T (Chor) Strophe 8 T (Chor + Gesang) Refrain 8 T Refrain 6 T Refrain 8 T Outro/Fade Out

Bei Liveauftritten (Brings live 2011: online) wird gerne der erste Teil des Intros erheblich ausgeweitet, wobei dann auch hier sechstaktige Abschnitte auftauchen: • Intro: 8 T Instrumental plus 8 T mit Publikum plus 6 T mit Publikum plus 8 T Instrumental = 30 T / 2x • 1. Strophe 8 T • Refrain 6 T • Instrumental 8 T • Strophe 8 T • Strophe 8 T ...

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Diese Arrangement-Änderungen werden jeweils so unauffällig vorgenommen, dass diese Varianten nur den wenigsten Hörern überhaupt auffallen dürften. Auch in den Konzerten, wo Brings gerne mit diesen unterschiedlichen Längen im wahrsten Sinne spielen, werden diese Manipulationen so geschickt eingebaut und kaschiert, dass sie entweder schlichtweg toleriert oder einfach nur ignoriert werden und nirgendwo – weder negativ noch positiv – herausgehoben oder gar kritisiert werden. Da es sich hier um kaum wahrgenommene Eingriffe der Produzenten handelt, die nur bei sehr genauem, analytischen Hören in ihrer Machart erkennbar werden, soll hier von einem Prägestempel der Produzenten gesprochen werden. Wie genreübergreifend dieser Einsatz eines Prägestempels sein kann, mag als weiteres Beispiel aus der Stimmungs-Feten-Welt ein Pop-Schlager von Klaus und Klaus verdeutlichen. Diese beiden Stimmungs-Künstler, die von Grabowsky und Lücke in 100 Schlager des Jahrhunderts unmittelbar neben Klaus Lage vorgestellt werden, bilden ein Duo, das auf einen immensen Erfolg speziell in der Mitte der achtziger Jahre verweisen kann. Aus dieser Zeit stammt auch das Stück Da Steht Ein Pferd Auf´m Flur, von dem das Original Er Staat Een Paard Op De Gang von André van Duin 1981 als holländisches Karnevalslied erschien (Grabowsky 2008: 53). In diesem Stück findet sich ebenfalls eine – vermutlich wiederum nur von wenigen Rezipienten registrierte – Abweichung von der sonst strikt eingehaltenen vier-Takt-Längen Konvention. Immer nach dem Doppelrefrain wird bei diesem Stück jeweils ein halber zusätzlicher Takt eingeschoben, der den Sängern ganz pragmatisch etwas Luft gibt, den Übergang zur textintensive(re)n Strophe vorzubereiten – und die straffe vier-Takt-Abfolge unauffällig etwas auflockert. Wenn solche Prägestempel ein grundsätzliches Phänomen von Popmusik darstellen, bleibt die Frage, warum so wenig, ja nahezu praktisch nichts in den üblichen Lehrbüchern über den Einsatz solcher Strukturvarianten vermerkt ist. Sollte es so sein, dass dieser Einsatz von strukturellen Prägestempeln eher ein Zeichen von einer gewissen Meisterschaft im Komponieren von Popmusik-Songs darstellt, ist anzunehmen, dass dieses Phänomen überwiegend bei erfolgreichen Produktionen zu finden ist. Eine echte Störung innerhalb eines Songverlaufs wird ein Publikum sicherlich weder bei tanzanimierend angelegten Stücken noch im Feten & Spaß-Bereich akzeptieren – und doch finden sich Prägestempel in einer ganzen Reihe von solchen Songs. Die Kunsthandfertigkeit scheint darin zu bestehen, Einschübe oder Änderungen dieser Art möglichst unauffällig in den Songverlauf zu integrieren. Vorgabe: Ein ausgeprägter und gut eingebetteter, weitgehend kaschierter Prägestempel ist immer wieder zu finden. Insofern soll bei den zu untersuchenden HitSongs das Phänomen Prägestempel als Kategorie genauer betrachtet werden, obwohl es in der Literatur so kaum aufgegriffen wird. Bilden Prägestempel ein besonderes Qualitäts-Merkmal speziell von professionellen Produktionen auf betont hohem Level?

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Einschub von einzelnen Takten Einschub von halben Takten oder anderen Einheiten Verkürzungen von Formteilen unterschiedliche Strophenlänge andere als Prägestempel zu bewertende Strukturelemente

Dass die Formteile von Songs weitgehend in ungeraden Einheiten aufgeteilt werden könnten und nicht nur durchgehend in Vier-Takt-Einheiten strukturiert sein müssen, zeigt als ein frühes Beispiel aus dem Jahr 1967 bereits der Song I Am The Walrus der Beatles. Vermutlich ist es allein deshalb nicht verwunderlich, dass dieses Stück später auch als „eigenartigster Protestsong aller Zeiten“ mit einem „überragendem Niveau“ bezeichnet wird (MacDonald 2000: 281). Und Ziegenrücker dürfte an einen Titel wie diesen gedacht haben, als er unter der Überschrift Zum dramaturgischen Aufbau der Beatmusik betonte, dass im Wesentlichen die üblichen Liedformen mit ihren Vierer-Einheiten den Songaufbau bestimmten, andererseits jedoch auch immer wieder Titel und Aufnahmen entstanden seien, die das Herkömmliche sprengten (Ziegenrücker 1972: 119). I Am The Walrus mit seinen vielfältigen Klangexperimenten und einer Gesangslinie in der Strophe, die von einem vorbeifahrenden Polizeiauto inspiriert wurde, ist zu finden auf dem Beatles-Album The Magical Mystery Tour. Dieses Stück ist so eng mit dem Songwriter John Lennon verbunden, dass eine aktuelle Lennon-Biographie sogar explizit I Met The Walrus betitelt wurde. Der Autor bezeichnet den Song als Stück Musik, das zum Soundtrack seines eigenen Lebens wurde: „John´s powerful epic poem that hovered around a constant wailing siren made my heart beat fast and furious. Every word and thought, every enunciation overwhelmed me. Still does“ (Levitan 2009: 33). Neben diversen Studiotricks wie eine spontane Radioeinspielung ins laufende Stück oder eine unkonventionell verzerrte Gesangsstimme wird eine betont Sinn-befreite Text-Collage präsentiert. Gleichzeitig wird aber auch oft auf die höchst ungewöhnlichen Fortführungen im melodischen und harmonischen Verlauf verwiesen (Reising 2009: 106). In einer strukturellen Übersicht ist gut zu erkennen, wie sehr solch ein – unkonventionelles – Stück dann auch auffällige Merkmalen im strukturellen Bereich aufweist. Es wird dabei deutlich, dass die üblichen vier und acht Takt-Einheitslängen der einzelnen Strukturelemente bei diesem Stück praktisch gar nicht auftreten. Dafür zeigen sich diverse spezifische Besonderheiten: Gleich nach der zweiten Strophe findet sich, einmalig und an betonter Stelle, beispielsweise noch ein eingeschobener Teil von der Länge nur eines Taktes. Dieser Part ist ausschließlich mit Geräuschen aus Bandmanipulationen angefüllt. Er wirkt damit ansatzweise wie frei von tonaler oder rhythmischer Bindung, losgelöst von den anderen SongParts (bei ca. 2:00).

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Die Gesamt-Übersicht zeigt die ungewöhnlichen Takteinteilungen dieses Songs: Song-Part Intro: 1. Strophe Part 1: 1. Strophe Part 2: 2. Strophe Part 1 Zwischenteil: 2. Strophe Part 2 (Geräusche) VII. Mittel-Part (ähnlich wie Intro) plus (aus Strophe Part 2) : VIII. 3. Strophe Part 1 IX. 3. Strophe Part 2 X. Outro:

Takt-Längen 1 1/2 + ( 4 + 2 = ) 6 (3+2+1=)6 (2 + 1 + 3 + 3 =) 9 6 5 9 1 (2 + 1 =) 3 (5 + 1 =) 6 6 (9 + 3 =) 12 3 x 7 :// (Fade Out)

Auch für die heutigen Stücke der Popmusik gilt, dass strukturelle Besonderheiten dieser Art meist nur in sehr detaillierten und genauen Betrachtungen von Songs ausdrücklich erwähnt werden. Dies ist beispielsweise der Fall beim Songlexikon des Deutschen Volksliedarchivs, wo bei mehreren Songs ausdrücklich herausgearbeitet wird, dass gerade einige sehr erfolgreiche Stücke von zum Teil ungewöhnlichen und komplexen Aufbauten profitieren. Beim Song Rosanna von Toto verweist die zugehörige Analyse auf die unkonventionellen Taktzusammenstellungen innerhalb der einzelnen Teile: Die zweiteilige Strophe beispielsweise ist aufteilbar in einen siebentaktigen und einen fünftaktigen Part. Danach folgt ein sechstaktiger Pre-Chorus, an den sich ein neuntaktiger Chorus anschließt. Diese formalen Auffälligkeiten sind gleichzeitig verbunden mit immerhin drei Tonartwechseln und einem virtuosen Einsatz der Instrumente, was zu der abschließenden Folgerung führt: „Somit wird ersichtlich, dass die Abstimmung von Arrangement, Produktion und dem hohen spieltechnischen Niveau der Musiker eine dichte, sich wandelnde Struktur entstehen lässt, welche die Wirkung des Songs ausmacht“ (Herbst Songlexikon 2012: online). Vorgabe: Offenkundig ist eine konsequente Vier-Takt-Bildung von Formeinheiten üblich. Sie könnte aber auch durch andersartige Einteilungen substituiert oder gar nicht eingebracht werden: Lässt sich dies bei den ausgewiesenen Hit-Songs beobachten? konsequente Vier-Takt-Einheiten konsequent, aber durch Prägestempel unterbrochen nur gelegentliche Vier-Takt-Einheiten keine Vier-Takt-Einheiten

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2.1.4 Der zeitliche Einsatz von Refrain und Gesang Als eine nicht zu diskutierende Gesetzmäßigkeit wird in vielen Produktionsstudios und unter Musikern die Regel gehandelt, dass der Refrain, meist in Verbindung mit seiner prägnanten Hook-Line, spätestens nach sechzig Sekunden aufzutreten hat: „Der erste Refrain sollte ungefähr nach einer Minute kommen, der zweite Refrain spätestens nach zwei Minuten und der letzte allerspätestens nach drei Minuten. Man sollte sich einfach mal ganz bewusst und analytisch die Songs im Radio anhören, egal ob Oldies von Bryan Adams oder aktuelle Songs von zum Beispiel 3 Doors Down, fast alle halten sich an das hier aufgeführte Muster und die Längen“ (Zumbroich 2009: 14).

Diese äußerst verbindlich wirkenden Anleitungen finden sich auch in Workshops oder in Fachmagazinen, wo diese Art von Ratschlägen in entsprechenden Kolumnen Anfängern nahe gebracht werden und den schon routinierteren Musikern und Produzenten als Bestätigung dienen. Bekräftigt werden solche Regeln in einer Reihe von Interviews mit erfolgreichen und anerkannten Produzenten, die dabei gerne auch nach ihrer individuellen Rezeptur von Erfolg befragt werden. Wird dann beispielsweise nach dem idealen und damit erfolgsträchtigen Songaufbau geforscht, finden sich typischerweise Antworten wie die des Hit-Produzenten Greg Manning: „Viele Songs verzichten auf ein Intro und gehen direkt in die erste Strophe, aber beim perfekten Hitsong machen wir zehn Sekunden Intro. Dann vierzig Sekunden die erste Strophe, dann Pre-Chorus, das ist der Aufgang zum Refrain, damit die Leute merken: Achtung, jetzt geht’s los. Und nach einer Minute der Refrain. Das ist klassisch: Bei Popsongs beginnt der Refrain nach einer Minute!“ (Weber 2004: 10).

Vorgabe: Diese Songwriter-Regel genauer zu untersuchen scheint auf den ersten Blick kaum notwendig zu sein. Dennoch gilt es exakt zu überprüfen, ob sich ernsthaft alle Songs an diese angeblich so festen Zeit-Vorschriften halten: Gibt es bei den erfolgreichen Hits wirklich keine größere Bandbreite von Zeitspannen, innerhalb derer der Refrain eines Songs einsetzt? innerhalb von 10´ 11´ - 30´ 31´- 45´ 46´ - 1:00 später als 1:01

Ganz ähnlich werden die Tipps und Vorgaben speziell aus der Praxis des SongSchreibens gehandelt, wenn es darum geht, wann in einem Stück der Gesang zum ersten Mal einsetzen soll. Offenkundig herrscht hier weitgehende Einigkeit, dass gerade bei einem auf Erfolg hin produzierten Stück hier nicht allzu viel Spielraum

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oder Beliebigkeit herrscht. In den gängigen Lehrbüchern und Songwriter-Schulen finden sich entsprechende Vorgaben meist im Zusammenhang mit den Kommentaren, die das Intro betreffen, also dem Abschnitt, der vor dem Einsatz des Gesangs und damit in der Regel vor der ersten Strophe als instrumentale Einleitung am Anfang des Songs zu finden ist. In dieser Eröffnung wird der gesamte Song vorgestellt und dem Hörer der berühmte Erste Eindruck vermittelt, wodurch sich recht viele Anforderungen an den Intro-Part ergeben: „Das Intro hat mehrere Funktionen. Seine Beschaffenheit hängt stark von der gewünschten Zielgruppe des Songs ab. Schreiben Sie beispielsweise ein Stück, das als Single ausgekoppelt werden soll, ist es elementar wichtig, das Intro nach kommerziellen Vorgaben zu gestalten. Es sollte kurz gehalten sein – nicht mehr als ein paar Sekunden – und muss im Zuhörer Interesse wecken. Ist das Lied nicht als Single vorgesehen, können Sie sich etwas länger Zeit lassen“

(Rooksby 2003: 64). Insofern ist es interessant zu beobachten: Halten sich viele oder gar alle erfolgreichen Songs an diese Vorgabe, das Intro möglichst knapp und kompakt zu halten und sich nur wenig Zeit zu lassen bis zum ersten Gesangs-Einsatz? innerhalb von 5´ innerhalb von 5´- 10´ innerhalb von 10´- 20´ später als 20´

2.2 Die Harmonik Schon 1968 stellte Baacke fest, dass die damalige Beatmusik als eine ihrer musikalischen Besonderheiten die „Dominanz der Harmonik vor der Melodik“ aufweise. Ausdrücklich bezeichnete er den Beat – hier als rhythmisch ostinate Komponente angesehen – und dessen Harmonik als feststehende, charakteristische Bestandteile, die anderen mehr freien Merkmalen gegenüber ständen (Baacke 1968: 65). Dass diese Harmonien dann schlicht, konventionell und althergebracht seien, sieht Baacke in Verbindung damit, dass Popmusik generell – als eine unumstößliche Bedingung – nur von Jugendlichen gemacht werden kann: „Eine Beatnummer, die im fachlichen Sinne auf ihre »musikalische Substanz« befragt wird, verwandelt sich zu einem Artefakt. Auch seriöse Herren, die eine Beatnummer spielen, wirken nicht nur komisch oder gar peinlich; sie haben auch den Beat dem Medium entfremdet, in das er gehört. Dieses: Dass hier eine Musik entstanden ist, die einen Grenzübertritt einer Generation zur andern in ihren Bereich nicht duldet, ist das ungewohnt »Neue« am Beat, der keinerlei Beteiligung der Älteren, und sei es in Form einer musikalischen Theorie, erlaubt. Adornos Vorwurf gegenüber Jazz und Beat, sie überschritten »den Umkreis des Festgelegten«

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in keiner Weise gilt höchstens für das, was man eben »musikalische Substanz« nennt. Tatsächlich bleibt der Beat – abgesehen von später zu erörternden avantgardistischen Versuchen – innerhalb der traditionellen Tonalität und Harmonik“ (ebenda: 66).

In ähnlicher Weise spricht Schulz-Koehn bereits 1963 von der „simpler Harmonik“ beim überwiegenden Teil des Jazz, wobei er allerdings bei der Begründung der Simplizität eher die Herkunft aus einfachen Bevölkerungsschichten und die praktische Nutzung überschaubarer Harmoniekonstrukte als den Bezug zur Jugend und deren Umfeld sieht: „Jahrzehntelang hat sich der Jazz einfachster Harmonien bedient, was viele interessierte Fachleute von der »seriösen Konzertmusik« ihm zum Vorwurf gemacht haben. [...] Da der Jazz als Volksmusik entstanden ist, bedient er sich, wie die simple Musik des Volkes im Tanz, Walzer, Marsch oder Lied zeigt, auch simpler Harmonien. Zum andern muss das harmonische Gerüst eines Themas einfach sein und im Gedächtnis zu behalten sein, wenn man eine Vorlage für die Improvisation sucht“ (Schulz-Koehn 1963: 26).

2.2.1 Die Vielfalt der Harmonik Diese üblicherweise in Bezug auf Popmusik angeführte Konventionalität und Schlichtheit im Bereich der Harmonik ist auch gut anhand der typischen Lehrbüchern zu erkennen, bei denen sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte entsprechend kaum eine Veränderung vollzogen hat. Im Bereich Jazz und Pop erfolgt die Aufteilung von Akkorden, dem gleichzeitigen Zusammenklang von mehreren Tönen unterschiedlicher Tonhöhe, meist in zwei Gruppen. In der ersten Gruppierung finden sich betont die Dreiklänge, die aufgeteilt werden können in: • • • •

Dur-Dreiklang Moll-Dreiklang übermäßiger Dreiklang verminderter Dreiklang.

Hier sieht – als eines von wenigen – das Lehrbuch von Kemper-Moll einen fünften Typus von Dreiklängen, da dort noch sogenannte Quartenakkorde eingeführt werden. Diese Harmonien haben als einzige nicht zwei Terzabstände, sondern eine Sekunde und eine Quarte, denen eher eine Vorhaltewirkung zugesprochen wird. Dies gibt ihnen eine besondere Position innerhalb der Dreiklänge: „Daher werden Quartenakkorde in der klassischen Harmonielehre nicht als eigenständige Akkorde zu den Dreiklangsgrundtypen gezählt. Sie sind nicht wie die anderen Dreiklangsgrundtypen durch Terzschichtung entstanden. In der Popmusik und im Jazz allerdings werden Quartenakkorde sehr eigenständig und auch unaufgelöst verwendet. Es ist deshalb absolut sinnvoll, sie zu den Dreiklangsgrundtypen zu zählen“ (Kemper-Moll 1999: 12).

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Anders als bei den Dreiklängen der ersten Harmonie-Gruppe sind dann in der zweiten Gruppierung auch vier- und weitere mehrtönige Harmonien zu finden: • Septakkorde mit kleiner und großer Septime sowie alterierten Akkordtönen innerhalb der Akkordtöne, • Sext-Akkorde und • Nonen-, Undezimen- und Tredezimenakkorde (Ziegenrücker 1972: 36 ff.). In der Harmonik der gängigen Popmusik überwiegt aber deutlich der Einsatz von Dreiklängen, wobei es meist ausdrücklich heißt: “Von diesen vier Dreiklangsarten sind Dur- und Moll-Akkorde die meistverwendeten“ (Fogg 2011: 102). Der Unterschied von Dur und Moll wird dabei in den gängigen Lehrbüchern meist standardmäßig abgehandelt: „Dur-Akkorde klingen hell und kräftig, während Moll-Akkorde einen eher dunklen und traurigen Charakter haben“ (ebenda: 101). Und immer erst, nachdem diese Gruppe mit den diversen Dreiklängen abgehandelt wurde, werden – wenn überhaupt – Vier- und Mehrklänge erwähnt. Von dieser zweiten Gruppe treten in vielen Schulen sogar nur noch die Septakkorde in Erscheinung. Damit also betont die Dur- oder Moll-Dreiklänge, die noch durch ein drittes Terz-Intervall erweitert werden: „Man kann jeden beliebigen Dreiklang um eine kleine oder große Septime ergänzen, dabei entstehen einige großartig klingende – und ein paar merkwürdig klingende – Akkorde“. Gerne wird auch die Klangfarbe der durch eine Septime erweiterten Harmonien gelobt, die in speziellen Stilistiken besonders zur Wirkung komme: „Septakkorde klingen im Blues und verwandten Musikstilen fantastisch. Tatsächlich klingen sie besser als Dur-Akkorde und die meisten Blues-Gitarristen würden instinktiv Septakkorde anstelle von Dur-Akkorden verwenden“ (ebenda: 116). Die Septimen können bei einem Einsatz als kontrastierende Melodiktöne die Funktion einer Blue-Note (z.B. es als Septime der Subdominante in C-Dur) übernehmen, die dann über der Tonika gegen die große Terz der Harmonie steht (e in CDur) und eine entsprechende Reibung verursacht. Dass eine Blue-Note, als eine Erklärung neben anderen Theorien, auch durch Ableitungen aus dem Obertonspektrum erklärbar und dergestalt im Tonnetz nach Riemann aufzeigbar ist, wurde auf der Grundlage von Vogel und seiner Lehre von den Tonbeziehungen (Vogel 1975: 157) schon ausführlich begründet (Kramarz 1983: 66 f.). Der gängigen Einordnung in eine Dur- und Moll-Tonalität widersprechend oder zumindest sie außer Kraft setzend sind die sogenannten Power-Akkorde. Dabei handelt es sich um zweitönige Gebilde, die ohne eine dazwischen liegende Terz aus den Intervallen Quinte und evtl. Oktave des Grundtons gebildet werden. Sie sind Tongebilde ohne Terz und damit von sich aus nicht als Dur- oder Mollakkorde zu identifizieren, sondern nur im Zusammenhang der Song-Akkordstruktur als Duroder Moll-substituierende Harmonien zu erklären. Speziell viele Rock-GitarrenSchulen konzentrieren sich auf diese Zwei- oder Quintklänge, die dort oftmals im

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Textteil gleich nach den Basis-Akkorden als bevorzugt eingesetztes Akkordmaterial vorgestellt werden (Bursch 1998: 28). Auch auf entsprechenden Web-Sides wird der Powerchord als einerseits recht einfach zu spielender Akkord, andererseits aber auch wegen seiner klanglichen Eigenschaften oftmals ausdrücklich positiv hervorgehoben: „Wenn du schon einmal versucht hast, »normale«, offene Akkorde mit einem verzerrten Sound über deinen Gitarrenverstärker zu spielen, wirst du mit dem Ergebnis sicherlich nicht besonders zufrieden gewesen sein. Je nach Grad und Stärke der Verzerrung klingen diese Akkorde immer ziemlich matschig, »breiig« und nicht besonders differenziert. Irgendwie stellt man sich den E-Gitarrensound anders vor. Die üblichen Akkorde beinhalten einfach zu viele unterschiedliche Töne, als dass sie bei einem verzerrten Sound sauber klingen können. Man muss es also irgendwie schaffen, die Akkorde mit weniger Tönen zu spielen, um einen vernünftigen Klang zu erhalten. Und genau zu diesem Zweck kommt in der Rockmusik seit jeher der Powerchord zum Einsatz“ (Jensch 2013: online).

Vorgabe: Auf welche Akkord-Vorräte und harmonische Konstruktionen greift ein erfolgreicher Song zurück? enthält Dur-Akkord enthält Moll-Akkord enthält Blues-Harmonik enthält verminderte oder übermäßige Akkorde enthält Powerchords, die nicht eindeutig als Dur oder Moll zuordbar sind enthält keine Harmonik

2.2.2 Der Wechsel der Harmonien innerhalb des Songverlaufs Bei Popmusik scheint es für viele eine offenkundige Selbstverständlichkeit zu sein, dass die Taktstriche nicht nur Anfang und Ende eines Taktes markieren, sondern dass sie gleichzeitig auch die Position eines Harmoniewechsels verdeutlichen. Es muss zwar nicht bei jedem Taktstrich ein Akkordwechsel vorhanden sein, aber wenn, dann kommt dieser in der Regel nur dort vor – auf der Zählzeit Eins. Wenn beispielsweise ein standardisierter Formablauf wie das Bluesschema erläutert wird, finden sich in diesem Fall regelgerecht in jedem Chorus zwölf Takte. Von ihnen sind einige mit einer jeweils neu auftretenden Harmonie verbunden. Und wie selbstverständlich findet der Wechsel der Harmonien dabei praktisch immer auf der ersten Zählzeit des betreffenden Taktes statt (Schmidt 2010: 25). Insofern zeigt sich auch oft bei der Beschreibung eines Taktes meist die Ansicht, der „Takt ist die Maßeinheit des rhythmischen und zeitlichen Ablaufes eines Musik-Stückes. Er ist metrisches Ordnungsprinzip“ (Kessler 1997: 13). Erst bei weitergehenden Ausfüh-

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rungen kommt auch ein Wechsel der begleitenden Harmonien ins Spiel, der bei genauerem Hinsehen doch nicht immer nur bei einem Taktwechsel zu finden ist: „Seit seiner Durchsetzung in der Musik wird der Takt durch Taktstriche kenntlich gemacht. Dem Musiker ist bewusst, dass am Taktstrich prinzipiell ein Harmoniewechsel stattfindet. Daraus den Schluss zu ziehen, dass das Zusammenklingen der Bestandteile einer Harmonie gewöhnlich mit ihrer Koexistenz im Takt zusammenfällt, ist mehr eine Sache für Theoretiker. Tatsächlich notiert man ja auch nicht den Harmoniewechsel, sondern den Takt. Und im Begriff des Taktes ist nicht nur die prinzipielle Einheit von Takt und Harmonie enthalten, sondern auch deren sporadische Trennung. Der rhythmische Effekt eines Harmoniewechsels im Takt wird also ganz sachgerecht notiert, wenn mehrere Harmonien zwischen zwei Taktstrichen stehen“ (Sauter 2005: online).

Es gibt eben sehr wohl auch komplexere Abfolgen, bei denen in schneller Folge mehrere Harmonien in wenigen Takten auftreten, ohne dass es sich dabei gleich um dezidiert komplizierte bzw. unkonventionelle Stücke handeln müsste. Die Quintfallkadenz ist solch ein Konstrukt und ist auch in der Popmusik häufig aufzufinden. Im Gegensatz etwa zum Blues mit seiner Beschränkung auf nur drei Kadenz-Akkorde und der Verweildauer einer einzelnen Harmonie über vier und mehr Takten, erklingen schon bei einer üblichen Quintfallkadenz, verteilt auf nur vier Takte, immerhin gleich sieben Harmonien. In erklärenden Beschreibungen solch einer durchgehend auf Quintverwandschaft beruhenden Progression mit mehreren Harmonien heißt es aber ausdrücklich: „Die Quintfallkadenz ist besonders schlüssig; ein Akkord »gibt dem anderen die Hand«, und obwohl schon »tausendmal gehört«, werden doch immer wieder Lieder mit einer solchen Akkordfortschreitung geschrieben“ (Kemper-Moll 1994: 65). Der jeweils zweite Wechsel innerhalb eines Taktes findet dabei vorrangig auf der Zählzeit Drei statt. Damit sind die Metrumszeiten Eins und Drei die maßgeblichen Wechselpunkte, während andere Zählzeiten nur sehr viel seltener in Betracht kommen. Bei welchen Takten innerhalb eines Stückes die Wechsel der Harmoniken auftreten, ist allerdings nicht in dieser Verbindlichkeit festzulegen. Es gibt achttaktige und noch längere Einheiten ohne Änderung der Harmonie, aber auch einzelne aufeinanderfolgende Takte mit jeweils einem, zwei oder sogar mehreren Akkordwechseln. Dass in der Gesamtheit gesehen sich dennoch eine ziemlich präzise Übereinstimmung von Takt- und Harmoniezahlen ergibt, wies Johansson bei den Songs der Beatles nach: Er führte eine entsprechende Zählung durch und stellte fest, dass die Fab Four insgesamt 5058 Takte – auf diverse Songs verteilt – geschrieben haben, in denen wiederum 5112 Harmonien auftreten. Daraus könnte fast genau auf das Verhältnis von einer Harmonie pro Takt geschlossen werden, aber ausdrücklich wird betont, dass es sich dabei zuerst einmal nur um eine statistische Größe handelt: „However, the harmonic rhythm is very varied, from songs totally

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without chord changes (»Within You, Without You« with its C drone) to songs with two chords per bar“. Und ausdrücklich wird festgehalten: „In a few cases there are more than two chords per bar“ (Johansson 1999: 3). Interessanterweise finden sich, abgesehen von einigen Rock-Klassikern wie Communication Breakdown vom ersten Led Zeppelin-Album mit Harmoniewechseln auf den Zählzeiten Eins, Drei und Vier, auch bei aktuellen Produktionen gelegentlich ungewöhnliche Akkordwechsel-Positionen. Dort findet der Wechsel der Harmonien nicht nur in Verbindung mit den Zählzeiten Eins oder Drei statt, sondern auch markant vorgezogen auf gänzlich andere Zählzeiten. Ein Beispiel dafür stellt Rolling In The Deep von Adele dar, bei dem gleich zu Beginn eine Reihe von Harmonien um den kurzen Wert eines Achtel versetzt werden. Dennoch führt diese mehrfache Verschiebung des Harmoniewechsels zu keiner erkennbaren rhythmischen Irritation, da sie sich nicht auf die in ostinaten Achteln durchlaufenden Gitarrenschläge in der Begleitung auswirkt (Krieger 2012, 195):

Vorgabe: Die Majorität der Popmusik-Songs präferiert offenbar klar die Eins und daneben, in geringerem Maße, auch die Drei als Wechsel-Zählzeit für ihre Harmonien. Wechseln die großen Pop-Hits ebenso vor allem auf der Eins eines Taktes oder welche anderen Zählzeiten werden daneben noch genutzt? Wechsel auf Zählzeit Eins eines Taktes Wechsel (auch) auf Zählzeit Drei eines Taktes Versetzter Harmonikeinsatz (wie z.B. in Rolling In The Deep) Wechsel auf anderer Zeit

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2.2.3 Standardisierte Harmonieformeln Wenn die Großzahl der Songs aus dem Bereich Popmusik überwiegend auf Durund Moll-Akkorden basiert, wird der nächste Schritt der Untersuchung sein, ob es erkennbare und wiederkehrende Akkord-Kombinationen – mit Wechsel der Harmonie überwiegend auf den Zählzeiten Eins oder Drei – gibt, die sich standardmäßig als Harmonieformeln bei Popmusik-Songs aufzeigen lassen. Basieren sogar alle Songs der Popmusik auf einheitlichen Akkordgerüsten, die sich nur marginal voneinander unterscheiden? Solch eine Vermutung äußerte bereits Adorno vorwurfsvoll, als er sich über die vereinheitlichten Konstruktionsmuster der gängigen Unterhaltungsmusik ausließ. Für ihn schien die Standardisierung speziell bei den repetierenden, harmonischen Fortschreitungen ein fundamentales Charakteristikum etwa der Swing-Musik zu sein. Dieses Merkmal sah er als eines der wichtigen Punkte bei der Überlegung, warum sich die Unterhaltende Musik so deutlich von der Welt der Ernsten Musik mit ihrem innovatorisch-künstlerischen Anspruch unterschied: „ A clear judgment concerning the relation of serious music to popular music can be arrived at only by strict attention to the fundamental characteristic of popular music: standardization. The whole structure of popular music is standardized, even where the attempt is made to circumvent standardization. Standardization extends from the most general features to the most specific ones. Best known is the rule that the chorus consists of thirty two bars and that the range is limited to one octave and one note. [...] Most important of all, the harmonic cornerstones of each hit – the beginning and the end of each part – must beat out the standard scheme. This scheme emphasizes the most primitive harmonic facts no matter what has harmonically intervened. Complications have no consequences. This inexorable device guarantees that regardless of what aberrations occur, the hit will lead back to the same familiar experience, and nothing fundamentally novel will be introduced“ (Adorno 1941: 17 f.).

Für die kurz darauf nachfolgenden Songs aus der Rock 'n' Roll-Zeit der fünfziger Jahre hat Burns eine Untersuchung vorgelegt, in der er die Harmoniemuster der damaligen Hits genauer aufschlüsselte. Bei ihm werden die Ergebnisse wertungsfrei vorgelegt und nüchtern in statistischen Übersichten vorgestellt. Dabei hebt er vornehmlich zwei häufig zu erkennende Akkord-Progressionen hervor: • Neben der zwölftaktigen Blues-Standard-Folge mit Wechsel von der I. zur IV. Stufe verweist er auf eine • zweite Harmonieformel mit den Funktionsfolgen T / Tp / S / D ://

In C-Dur ist damit also die Akkordabfolge beschrieben C / Am / F / G

://

bzw. in Stufen ausgedrückt I / VI / IV / V.

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Diese spezielle Akkordwendung, auch Turn Around oder Radio Smash Hit-Formel genannt und bis heute oft verwendet (Kramarz 2006: 14), tritt dann im Laufe der fünfziger Jahre als Grundlage der erfolgreichsten Songs dieser Zeit immer häufiger in Erscheinung (Burns 2003: 4). Gelegentlich wird sie auch als Heart and Soul bezeichnet, und Webb geht davon aus, dass in Amerika bereits jedes Kind diese Abfolge kennen und spielen würde (Webb 1998: 190). Es sei für ihn auch nicht überraschend, dass viele der bekanntesten Melodien den gleichen Harmonie-Hintergrund hätten. Dies sei schon deshalb nicht verwunderlich, da ja ein Harmoniemuster wie der Turn Around nicht urheberrechtlich geschützt sei: „The point is that chord progressions are not actually subject to copyright“ (ebenda: 182). Burns wiederum weist nun darauf hin, dass in den von ihm untersuchten fünfziger Jahren die Begleitung einer auffällig großen Anzahl von Songs daneben der Akkordfolge entspreche, die, abstammend von dem zwölftaktigen Blues-Schema (Schmidt: 2010: 24), mit der einleitenden Fortführung I ==> IV die großen Erfolgssongs in den Hitparaden dominiert habe: „Two basic chordal patterns dominated the sample […]. The music of early rock and roll is almost formula employing familiar structures across all five years, yet these similar structures create familiarity rather than tedium“. Betrachtet man daraufhin die erfolgreichsten Stücke dieser Rock 'n' Roll-Periode, wird deutlich, dass diese beiden formelartigen Modelle damals dort alle weiteren möglichen Harmonie-Progressionen wie etwa die eher konventionell-dominantisch angelegte I ==> V-Abfolge in den Hintergrund drängten: Jahr 1955 1956 1957 1958 1959 Gesamt

I ==> IV 6 15 11 14 13 59

I ==> V 1 1 3 2 2 9

I ==> VI 1 3 3 7 8 22

(aus Burns 2003: 6). Villinger sieht seinerseits das Blues-Akkord-Modell als den quantitativ wichtigsten Harmonieablauf dieser Zeit und hält fest: „Der größte Teil der Rock 'n' Roll-Stücke – darunter fällt auch ein Teil der Rock 'n' Roll-Songs der Beatles – basiert auf dem 12-taktigen Blues-Schema“ (Villinger 2006: 11). Für die nachfolgenden sechziger Jahre und speziell die Musik der Beatles kann daneben die Untersuchung der harmonischen Muster stehen, die Johansson vorlegte. Er betrachtete eingehend die Harmonik, die von den Fab Four in ihren Songs verwendet wurde und stellte dabei fest, dass von den insgesamt 210 auf Tonträgern veröffentlichten Stücken nur ein Stück, Revolution No. 9, als eine harmonisch völlig freie Tape-Collage keine aus Dur- oder Moll-Akkorden bestehende Begleitung enthält. Damit verbleibt für ihn die Musik der Beatles praktisch vollständig einer an sich traditionellen Harmonie-

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ordnung verpflichtet. Allerdings weist er darauf hin, dass im Verlauf der BeatlesKarriere von ihnen die Grenzen des Üblichen – innerhalb der traditionellen Möglichkeiten – zumindest langsam ausgedehnt wurden (Johansson 1999: 11). Wie sehr bis heute dann standardisierte Fortführungsmöglichkeiten die unterschiedlichen Möglichkeiten innerhalb des Songwritings dominieren, zeigt eine statistische Auszählung, bei der rund 1.300 Songs auf einen nachfolgenden Akkord hin untersucht wurden. Dort ist zu erkennen, dass im Prinzip immer nur äußerst wenige Möglichkeiten genutzt werden, neben denen alle anderen theoretisch denkbaren Entwicklungen und Fortführungen nahezu in den Hintergrund treten. Bei der erwähnten Untersuchung wurde innerhalb einer C-Dur-Tonalität die Harmonie EMoll beobachtet und ausgezählt, welche Harmonie ihr üblicherweise nachfolgt. Es gibt danach für einen Songwriter nur äußerst wenige praktikable harmonische Fortschreitungen, wenn er einen Song in C-Dur schreibt und dort einen E-Moll-Akkord vorkommt lässt: „You should probably think very hard if you want to put a chord that is anything other than an A minor chord or an F major chord. For the songs in the database, 93% of the time one of these two chords came next“. Nachfolge auf E-Moll in C-Dur 100% 80% 59%

60%

34%

40% 20% 1%

3%

C

Dm

2%

1%

0% F

G

Am

andere

(Carlton 2013: online). Diese starke Limitiertheit und offensichtliche Beschränkung von innovatorischen Möglichkeiten führte oftmals zu der Ansicht, dass Popmusik für einen erfahrenen und intellektuell wachen Hörer von keinerlei Interesse sein könne. Zumindest nicht in Bezug auf die harmonischen Finessen, da ja die Songwriter ihre Songs wie nach festen Vorgaben erstellen würden, unabhängig von dem Inhalt, der in dem musikalischen Werk transportiert werden soll (Moore 1992: 73). Diesem Vorwurf der Eingeschränktheit wird in Internet-Foren und damit auf Seiten der Rezipienten allerdings oft vehement widersprochen. Hier wird der Einsatz solch einer Harmonieformel nicht generell als ideenlos angesehen. Viel eher wird eine Reihenfolge der beliebtesten und meist gebrauchten Akkordformeln erstellt, wobei aktuell vor allem die sogenannte Four Chord-Formel

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als favorisierter Spitzenreiter in der Beliebtheit gesehen wird. Diese Harmoniefolge weist eine spezifische Abfolge von vier Harmonien auf: T / D / Tp / S :// in C-Dur: C / G / Am / F :// in Stufen ausgedrückt: I / V / VI / IV.

Eine Folge, die an sich eine Verschiebung der Akkorde der vorhin angeführten Turn Around-Formel darstellt: T / Tp / S / D :// in C-Dur: C / Am / F / G :// in Stufen ausgedrückt: I / VI / IV / V.

Die Four Chord-Formel ist auch die harmonische Grundlage eines erfolgreichen Bühnenprogramms der australischen Comedy-Rock-Truppe Axis Of Awesome, die in einem Medley in schneller Abfolge diverse Songs mit dieser Harmonieabfolge hintereinander setzt und dadurch den immer wieder neu verblüfften Zuhörern demonstriert, wie sehr diese Abfolge heute das allgemeine popmusikalische Geschehen dominiert. Die Klick-Zahlen bei Youtube sprechen hier eine eindeutige Sprache und zeigen auf, von wie viel Interesse solch eine verständliche musiktheoretische Betrachtung für ein breites Publikum ist. Während die Studiodarbietung (Stand 02.2014) bereits über 12 Millionen Mal aufgerufen wurde (Axis official 2011: online), erfolgte dies bei einem Mitschnitt einer Live-Aufführung sogar bereits über 26 Millionen mal (Axis live 2009: online). Bei einem Auftritt dieser Band wird, in gelegentlich auch veränderter Abfolge, jeder Song meist nur mit den vier Akkorden und der zugehörigen Titelzeile angespielt: Journey – Don’t Stop Believing James Blunt – You’re Beautiful Alphaville – Forever Young Jason Mraz – I’m Yours Mika – Happy Ending Alex Lloyd – Amazing The Calling – Wherever You Will Go Elton John – Can You Feel The Love Tonight Maroon 5 – She Will Be Loved The Last Goodnight – Pictures Of You U2 – With Or Without You Crowded House – Fall At Your Feet Kasey Chambers – Not Pretty Enough The Beatles – Let it Be Red Hot Chili Peppers – Under the Bridge Daryl Braithwaite – The Horses Bob Marley – No Woman No Cry Marcy Playground – Sex and Candy Men At Work – Land Down Under Banjo Patterson’s Waltzing – Matilda A Ha – Take On Me

94

Warum Hits Hits werden

Green Day – When I Come Around Eagle Eye Cherry – Save Tonight Toto – Africa Beyonce – If I Were A Boy The Offspring – Self Esteem The Offspring – You’re Gonna Go Far Kid Pink – You And Your Hand Lady Gaga – Poker Face Aqua – Barbie Girl The Fray – You Found Me 30h!3 – Don’t Trust Me MGMT – Kids Tim Minchin – Canvas Bags Natalie Imbruglia – Torn Five For Fighting – Superman Axis Of Awesome – Birdplane Missy Higgins – Scar

Dass die Häufung von Songs, basierend auf einer Akkordformel, keine Ausnahme und vor allem kein jeweils aktuelles Phänomen ist, zeigt sich auch bei einer bunt gemischten Auflistung von Stücken mit der Turn Around-Formel, der in der Regel viertaktigen Funktions-Abfolge T

/

Tp

/

S

/

D

Es finden sich dort, neben Hits aus den fünfziger und sechziger Jahren, auch eine Vielzahl von aktuellen und sehr erfolgreichen Songs mit dieser Akkordfolge: Sounds incorporated – Rinky Dink ( Beatclub, erste Erkennungsmelodie) T Tp / S D Yankees – Halbstark T / Tp/ S / D The Marvelettes – Please Mr. Postman T / Tp / S / D The Shirelles – Soldier Boy T/ T / Tp/ /Tp / S / D The Chords – ShBoom T Tp / S D Zodiacs Stay – Just A Little Bit Longer T Tp / S D The Five Satins – Still Of The Night T / Tp / S / D Led Zeppelin – D´yer Maker T / Tp / S / D Annett Louisan – Das Spiel T / Tp / S / D Avril Lavigne – Complicated T / Tp / S / D Nena – Liebe ist T / Tp / S / D Yvonne Catterfield – Für dich T / Tp / S / D Hoobastank – The Reason T / Tp / S / D Pink – Just Like A Pill T / Tp / S / D

Kategorien und Parameter als Hilfsmittel zur Analyse

95

Es gibt in ganz ähnlicher Manier eine Reihe anderer Songs, die ihrerseits auf einer weiteren standardisierten Harmoniefolge, der sogenannten Pachelbel-Abfolge beruhen. Diese leitet sich aus den kontinuierlich wiederholten Bass-Tönen des Kanon in D-Dur von Johann Pachelbel ab, die durch zugeordnete Harmonien in eine ebenfalls häufig verwendete formelartige Akkordfolge gebracht wurden. Auch dafür hat sich mittlerweile eine längere Liste von sehr erfolgreichen Stücken ergeben, die alle auf solch einer Abfolge als Basis beruhen. Auf einer Beispiel-CD mit dem Titel Pachelbel&Co-Versionen heißt es dazu erläuternd: „Pachelbels Kanon in D-Dur bildete mit seiner ostinaten Akkordfolge bewusst oder unbewusst die Vorlage für die Harmonik zahlreicher Lieder unterschiedlichster Musikrichtungen“ (Lugert Audio CD: 2011). Überwiegend handelt es sich hier um die gleichen Akkorde wie beim Turn Around oder der Four Chord-Formel, allerdings ist dieses Modell erweitert durch zwei weitere Moll-Parallelen, so dass hier insgesamt acht bzw. sechs verschiedene Harmonien, verteilt auf vier Takte, auftreten. Ein typischer Ablauf sieht dann wie folgt aus: T D / Tp Dp / S T / Sp D :// in C-Dur: C G / Am Em / F C / Dm G :// bzw. in Stufen ausgedrückt: I V / VI III / IV I / II V ://.

Besonders in diesem Fall lässt sich zeigen, dass solch eine Progression nicht nur stur in dieser einmal vorgegebenen Gesamtheit aufgeführt wird, sondern dass sich immer wieder Varianten, Ausweitungen und Reduktionen aller Art als Grundlage für Songs finden lassen. Beispielsweise ist die abschließende Harmoniefolge II

V /

(I)

eine auch für sich allein genommen äußerst beliebte Wendung, die in einer Vielzahl von Popmusik-Songs genau so als II – V – I Folge zu finden ist. Und auch die vollständige Pachelbel-Abfolge mit üblicherweise insgesamt acht Akkorden präsentiert sich in immer wieder unterschiedlichen Varianten. In der folgenden Auflistung finden sich eine Reihe bekannter Stücke, die nahezu wortgetreu durchgehend auf den Tönen der Cello-Melodie beruhen. Meist werden aber die einzelnen Töne jeweils über einen Takt lang ausgehalten, und speziell in den letzten Takten des zweiten Abschnitts treten dann im Verlauf der Harmonie-Formel oftmals einige Varianten auf (Original-Tonart in Klammern / Schrägstrich markiert Taktwechsel): Pachelbel – Kanon in D-Dur (Töne der Cello-Bass-Melodie) d

a

h

Die Firma – Die Eine D / A / Hm /

fis

Fism

/

/

g

d

g

G /

D /

G

a

/

(D) A

96

Warum Hits Hits werden

Coolio – C U When U Get There D / A / Hm / Fism / G United Superstars – We Have A Dream D / A / Hm / Fism / G Pet Shop Boys – Go west D / A / Hm / Fism / G Scatman John – Scatman D / A / Hm / Fism / G Russische National-Hymne – Das Patriotische Lied D / A / Hm / Fism / G The Farm – All Together Now D / A / Hm / Fism / G Everly Brothers – Let It Be Me D / A / Hm / Fism / G Fools Garden – Lemon Tree D / A / Hm / Fism / G Zlatko & Jürgen – Großer Bruder D / A / Hm / Fism / G Green Day – Basket Case D / A / Hm / Fism / G Aerosmith Cryin´ D / A / Hm / Fism / G BeeGees Spicks And Specks D / A / Hm / Fis (!) / G

/

D /

G /

/

D /

A4 /

/

D /

Em /

/

D /

Em /

/

D /

Em /

/

D /

G /

/

D /

Em A /

/

A /

D /

/

A /

D /

/

D /

A /

/

D /

A /

/

D /

A /

(Es) A (B) A (D) A (D) A (C ) A (D) A (G) D (As) (A) (C ) A (Es) A (A) A (A) D A

Daneben gibt es viele Stücke, bei denen die Pachelbel-Formel, entlehnt von einer Melodielinie des Originalwerkes, zusätzlich mit einer absteigenden Basslinie d

cis

h

a /

g

fis

e(g)

a

versehen ist. Als melodische Hinzufügung zu den üblichen Harmonien verleiht sie den entsprechenden Songs besonders zu Beginn eine charakteristische Note: Ralph McTell – Streets Of London D / A/cis / Hm / Fism/a / OMD – Walking On The Milky Way D / A/cis / Hm / Fism/a / Billy Joel Piano Man D / A/cis / Hm / Fism/a / The Three Degrees – When Will I See You Again D / A/cis / Hm / Fism/a / Harald Juhnke – Barfuss Oder Lackschuh D / A/cis / Hm / Fism/a / Aphrodite´s Child – Rain And Tears D / A/cis / Hm / Fism/a / Bläck Fööss Drink Doch Ene Mit D / A/cis / Hm / Fism / Percy Sledge – When A Man Loves A Woman D / A/cis / Hm / Fism/a / Oasis – Whatever D / A/cis / Hm / Fis / The Flowerpotmen – Let´s Go To San Francisco D / A/cis / Hm / Fism/a / Jackson 5 – I´ll Be There D / A/cis / Hm Hm/a / Fism / Oasis – Don´t Look Back In Anger D / A/cis / Hm / Fism/a /

G /

D/fis /

Em /

G /

D/fis /

Em /

G /

D/fis /

E

G /

D/fis /

A/e /

G /

D/fis /

E

G /

D/fis /

G /

G /

D

A /

G /

A /

D /

G /

A /

D /

G /

A /

D /

G /

D /

D /

G /

A /

D /

/

/

/

(Es) A (D) A (C ) A (G) A (C ) A (B) A (C ) A (Cis) A (G ) A (B) A (F) D (C) A

Kategorien und Parameter als Hilfsmittel zur Analyse

97

Außerdem kann die Pachelbel-Formel mit reduzierter Taktzahl auftreten, so dass nur noch einzelne, aber typische Wendungen von ihr zu erkennen sind: Britney Spears – Everytime D / A / Hm / Ultravox – Hymn - / - / Hm / The Beatles – Let it be D / A / Hm /

Fism Fism

/

G

/

A

/

G

/

D

G

/

D

(Es) / (G) / ... (A) / …

Bei diesem Song der Beatles ist damit bereits eine Verbindung zur Four ChordFormel geschaffen. Bei all diesen Harmonie-Fortschreitungen wie der Four ChordFormel, dem Turn Around oder der Pachelbel-Abfolge stehen zumindest am Beginn als tonale Ausgangsbasis immer Dur-Akkorde. Bei der sogenannten Rap-Formel dagegen findet sich, unter Fortfall der eigentlichen Dur-Tonika, als tonaler Einstieg der entsprechende parallele Mollakkord der Kadenz: Tp /

D /

S

/

D ://

G

F

/

G

in C-Dur: Am /

/

://

Diese Folge ist so häufig in der HipHop Welt, speziell in erfolgreichen Tracks deutschsprachiger Künstler zu finden, dass sie auch HipHop-Smash-Formel (Kramarz 2008: 30) genannt wurde. Wird innerhalb diesen viertaktigen Formel-Ablauf dann doch wieder die Dur-Tonika eingebracht, ergibt sich dadurch eine Abfolge, die beispielsweise das Produzenten-Team Beatlefield häufig einsetzte. Dieses in Berlin ansässige kreative Duo um DJ Stickle und Chakuza war lange Zeit maßgeblich verantwortlich für erfolgreiche Tracks speziell des deutschsprachigen RapKünstlers Bushido. Daher wird diese Variante der Rap-Formel gelegentlich auch als Bushido-Formel oder Moll Pop-Formel bezeichnet (ebenda: 114). Es sind dort die gleichen Akkorde wie bei der Turn Around-Formel oder der Four Chord-Formel zu finden sind, nur eben in einer veränderten Reihenfolge: Tp / S / T / D :// in C-Dur: Am / F / C / G

://

So geringfügig diese Verschiebungen der vier Harmonien im Vergleich zu den anderen Formeln auch auf den ersten Blick sein mögen, so dramatisch kann der dadurch verursachte Stimmungswechsel sein. Die Betonung des jetzt auf Start-Position befindlichen Moll-Akkordes gegenüber den nachfolgenden Dur-Akkorden innerhalb des ansonsten unveränderten Akkordvorrats ist ein Umstand, der bei vielen Produzenten als ein für sie sehr geschätztes Kennzeichen ihrer Tracks gilt (ebenda: 117).

98

Warum Hits Hits werden

Eine vergleichsweise eher komplexe Abfolge weist daneben auch die historische La Folia-Formel auf, auch bezeichnet als „the most lasting and famous tune in western music“ (La Folia – a musical cathedral 2013: online). Diese ebenfalls recht häufig verwendete, meist achttaktige Harmonie-Folge startet betont auf einer • Moll-Tonika (A-Moll) und hat eine zugehörige Dur-Dominante (E-Dur). • Innerhalb der Akkordfolge findet ein Wechsel von der A-Moll Tonalität hin zur parallelen Dur-Harmonik (C-Dur) statt, da die Dur-Parallele (G-Dur) der MollDominante (E-Moll) verwechselt wird mit der Dominante (G-Dur) in C-Dur: t /

D

/

t

/

dP

(= D)

/

T

/ D

/

S / dP (= D)

Damit ergibt sich in A-Moll bzw. C-Dur folgende Harmonieabfolge: Am /

E / Am

/

G

/ C

/ G

/ F

/

E

//.

In gleicher Weise mit einem Moll-Akkord beginnt auch die Folge, auf der ein FolkSong wie House Of The Rising Sun basiert. Dort verbleibt das Stück im Mollbereich, dafür findet sich zusätzlich neben der hier vorhandenen Dur-Dominante noch die Dur-Subdominante. Dies verbunden mit den Dur-Parallelen ergibt die Abfolge: t

/ tP

/ S

/

sP

/

Tp

/ D /

Tp /

D ://

Am / E /

Am /

E ://.

bzw. in A-Moll die Akkordprogression: Am

/

C

/ D

/

F

/

Interessant ist nun der Umstand, dass die meisten Musiker beim erstmaligen Hören und Kennenlernen eines für sie neuen Stücks in der Regel intensiv nach solchen Harmonie-Formeln suchen, die sie bereits gut kennen und oftmals gehört bzw. gespielt haben. Offensichtlich schätzen sie das Wohlbekannte, auch ohne die einzelnen Formeln und ihre Abfolgen sofort bis in das letzte Detail exakt beschreiben zu können. Vielleicht ist ein Erkennen einer Harmonie-Formel mit dem Kosten und Schmecken einer angenehmen Speise mit ihrer gut vertrauten Rezeptur vergleichbar, auch wenn es schwer zu beschreiben ist, woran man die Akkordformel erkennt: „Explaining how a well-familiar chord progression is recognised can be compared to describing the taste of a certain type of food; we know it very well and always recognise it, but the taste is still hard to put into words“ (Johansson 2004: 97). Nicht immer aber sind Popmusik-Songs, auch wenn sie sich in ihrer Mehrheit an standardisierten Harmonieprogressionen orientieren, deswegen auch bis in die letzte Wendung hinein auf diese gleichförmigen Abfolgen limitiert. Einige Künstler versuchen gleichzeitig eine gewisse Abwechslung in Form von gelegentlichen Umstellungen, tonalen Varianten und zumindest strukturellen Abänderungen einzubringen. So betont Tillekens in seiner Studie der Beatles-Harmonien, dass sich in jedem der Fab Four-Songs zumindest eine unkonventionelle Akkordfortschreitung beobachten lasse. Dies geschehe bei ihnen in einem ausgeprägten Umfeld vielfacher Formel-Verwendung, was aber eben nicht jegliche Abwandlung oder Ausge-

Kategorien und Parameter als Hilfsmittel zur Analyse

99

staltung verbiete (Tillekens 2000: 1). Doch der Vorrat der bei bekannten und erfolgreichen Stücken verwendeten Harmonien ist generell stark eingegrenzt. Eindeutig sind es die in den einzelnen Formeln erwähnten Grundakkorde aus dem Bereich der Dur-Kadenz, die als tragende Harmonien dort am häufigsten auftreten. Eine Übersicht, bezogen auf C-Dur und abgeleitet aus den Akkordvorräten von 1.300 bekannten Songs, verdeutlicht, dass die Basis-Harmonien einer Kadenz quantitativ klar im Vordergrund stehen. Interessanterweise braucht das tonale Zentrum – hier entsprechend C-Dur – noch nicht einmal die am meisten eingesetzte Harmonie zu bilden: Häufigkeit der vorkommenden Akkorde 80%

73%

73% 68%

70%

56%

60% 50% 40%

26%

30%

17%

20%

10%

10%

6%

2%

2%

Bb

A

0% G

F

C

Am

Dm

Em

E

D

(Carlton 2013: online) Eine ganz ähnliches Ergebnis, allerdings mit dann doch deutlich stärkerer Betonung der eigentlichen Dur-Tonika, ergibt sich bei Johansson und seiner statistischen Auswertung aller bei den Beatles vorkommenden Akkorde – ebenfalls wieder alles auf C-Dur ausgerichtet. Die beispielsweise in den Blues-Rock und Progressiven Rock hinein zielenden Doppel-Subdominant-Verbindungen mit B-Dur, Es-Dur oder As-Dur sind auch hier deutlich seltener zu finden: Akkorde in Beatles-Songs 1800

1611

1600 1400 1200 894 852

1000 800 600

342 302

400 200

213 188 136 92

91

84

66

54

32

Bb Em Fm Eb

A

Ab

E

Gm

0 C

F

G

Am Dm

D

(Johansson 1999: 4)

100

Warum Hits Hits werden

Vorgabe: Finden sich in den großen Hits standardisierte Harmonie-Formeln? Welche Abfolge spielt dabei eine dominante Rolle, welche Formeln werden kaum eingesetzt? Und gibt es Songs, die auf einen Formeleinsatz völlig verzichten? Four Chord-Formel Turn Around-Formel House Of The Rising Sun-Formel Pachelbel-Formel La Folia Rap-Formel bzw. "HipHop-Smash Formel" Am / F / G / ....bzw. Am/ G / F/ ... Moll Pop-Formel Am / F / C / G // Blues-Schema Moll-Blues Blues-Parts Doppelsubdominante doppelsubdominantische Ketten Dur-Kadenz durchgehaltener Grundton keinerlei Formel-Elemente

2.2.4 Die Tonarten Wenn Popmusik überschaubar und leicht nachvollziehbar sein soll, dürfte davon auszugehen sein, dass bei allen Stücken eine in die Dur- und Moll-Kategorie einzuordnende Tonalität zu finden ist. Dies würde auch dem standardisierten Aufbau mithilfe der diversen Harmonie-Formeln entsprechen, da ja alle einzelnen Akkorde dort zugehörig sind. Bei der Frage, ob auch jede einzelne Tonalität jeweils eine eigene Aussage besitzt und ob beispielsweise die Verschiebung einer kompletten Melodie in eine andere Tonart auch eine Veränderung im Musikempfinden bedeutet, verweist Bruhn auf ihre Gestalt und ihre zugehörige Wesensqualität. Diese würde auch bei einem Tonartwechsel erhalten bleiben, da eine musikalische Gestalt in ihrer Gesamtheit transponierbar sei (Bruhn 1993: 446). Demgegenüber vertrat im 18. Jahrhundert Schubart die Ansicht, „daß es Pflicht für jeden Componisten sey, den Charakter seiner Töne genau zu studieren; und nur die simpathischen in seinen Lichtkreis aufzunehmen. Ein guter Gesellschafter ladet niehmals bizarre Charaktere, die den Cirkel seiner Vertrauten stören, zu sich“ (Schubart 1806: 381). Im zugehörigen Eintrag bei Wikipedia werden unter Tonartencharakter die unterschiedlichen Ansichten einer Reihe von Komponisten aufgezählt, die jeweils recht widersprüchlich sind: Während David Johann Heinichen ausschließlich den Einfallsreichtum der Komponisten für maßgeblich hielt, zählten Künstler wie Char-

Kategorien und Parameter als Hilfsmittel zur Analyse

101

pentier und Mattheson recht akribisch bis zu 18 einzelne spezifische Tonarten mit ihren jeweiligen Wirkungen auf. Auch andere großen Meister der Klassiker haben einzelne Tonarten mit bestimmten Aussagen zu beschreiben versucht: Tonart

Haydn

D-Dur

Lobpreis, Majestätisches, Kriegerisches

E-Dur

Todesgedanken

Mozart

Beethoven

Schubert

Kräftig, Marsch, Sehnsucht, Schmerz Überirdisch, besonders erhaben, weihevoll

Feierlich, religiös, innerlich

Gottestonart, Liebe

(Tonartencharakter 2013: online). Bei dem Bemühen, Popmusik mit entsprechenden Aufzählungen auszuwerten, kommt der Aspekt ins Spiel, welche Tonalität oder Grundtonart Songs aus dem Bereich Popmusik üblicherweise bevorzugen. Villinger hat diesbezüglich insgesamt 154 Songs der Beatles untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass vor allem CDur und daneben G-Dur und D-Dur bzw. A-Dur und E-Dur als Lieblingstonarten dieser Formation zu bezeichnen sind. Für ihn hat das einen überwiegend pragmatischen Grund: „Die absolute Dominanz der Kreuz-Tonarten ist dabei – neben eventuellen Vorteilen in Bezug auf die Stimmlagen der Beatles – größtenteils auf technische Vorteile bei der Gitarre zurückzuführen“ (Villinger 2006: 174). Dass heute die Wahl einer Tonart dank einfachster Transponiermöglichkeit mit Hilfe eines MausKlicks bei Tonschaffenden eher beliebig gehandhabt wird, verdeutlichte der Produzent STI im Gespräch über seine Arbeitsmethoden bei neuen Produktionen, bei der ein Basis-Griff an die Erfordernisse des jeweiligen Stückes angepasst wird: „Das Keyboard ist mein Hauptinstrument. Und da habe ich mir über die Jahre angewöhnt, dass ich gewisse Griffe habe, die ich gerne mache. Einer besteht zum Beispiel aus zwei weißen und einer schwarzen Taste irgendwo dazwischen. Das ist meine Grundkralle, die ich immer so greife. Im Nachhinein, wenn ich eine Melodie habe, verschiebe ich die auch schon mal im ganzen hoch und runter. Dann liegt die vielleicht ganz anders und der erste Ton oder der erste Finger liegt nicht auf einer weißen, sondern auf einer schwarzen Taste.“ (Kramarz,

2008: 162). Dies würde einer schon lange zu beobachtenden Haltung entsprechen, die das Thema unterschiedliche Charaktere bei den einzelnen Tonarten eher indifferent betrachtet und darauf verweist, dass es zwar für einige Musikliebhaber eine große Bedeutung habe, es aber andere rundherum ablehnen (Pahlen 1972: 81). Interessanterweise hatte es gerade im vorherigen Jahrhundert radikale Ansätze gegeben, sich möglichst vollständig aus den vorgegebenen, fixierten Tonarten und ihrer Dur und MollZugehörigkeit zu lösen. Gab es zuvor im besten Fall die Diskussion um einen gültigen Stimmton und seine exakte Frequenz, hatte Helmholtz immerhin bereits Überlegungen zu einer Unterscheidung von „eigentlich musikalischen Klängen“ zu

102

Warum Hits Hits werden

„Klängen mit unharmonischen Obertönen“ (Helmholtz 1863: 121ff.) eingebracht. Spätestens aber ab den Gedanken, die ein Futurist wie Busoni zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Entwurf einer neuen Ästhetik vorstellte, wurde das ausschließliche Einhalten von diatonischen Tonsystemen nicht mehr als einzige musikalische Ausdrucksmöglichkeit gesehen. Busoni forderte mit Blick auf die starren Harmonielehren und ihre traditionellen Gesetzgebung gleich eine vollständige Befreiung der Tonkunst, die für ihn gar nicht tiefgreifend und umfassend genug sein konnte. Mit poetischen Worten ging er gegen bisherige musiktheoretische Regeln und instrumententechnische Einschränkungen an: „Die Musik als Kunst, die sogenannte abendländische Musik, ist kaum vierhundert Jahre alt, sie lebt im Zustande der Entwicklung; vielleicht im allerersten Stadium einer noch unabsehbaren Entwicklung [...]. So jung es ist, dieses Kind, eine strahlende Eigenschaft ist an ihm schon erkennbar, die es vor allen seinen älteren Gefährten auszeichnet. Und diese wundersame Eigenschaft wollen die Gesetzgeber nicht sehen, weil ihre Gesetze sonst über den Haufen geworfen würden. Das Kind – es schwebt! Es berührt nicht die Erde mit seinen Füßen. Es ist nicht der Schwere unterworfen. Es ist fast unkörperlich. Seine Materie ist durchsichtig. Es ist tönende Luft. Es ist fast die Natur selbst. Es ist frei“ (Busoni 1907: 5).

Von nun ab und dann speziell nach 1945 wurde im Zuge der Entwicklung von Musique Concrete und Elektronischer Musik die Loslösung der tonalen Welt von den bisherigen strikten Vorgaben und Anbindungen ein wichtiger Aspekt. Töne wurden nicht länger nur im funktionalen allgemeinen Zusammenhang gesehen: „Die Zwölftonmusik kennt das Verhältnis von Ton und Reihe nur als Prinzip der fixen Konstellation. Elektronisch-seriell dagegen dringt die Reihenpermutation bis ins letzte Element des Einzelklangs – das ist eine völlig neue Art des Machens von Klang, der »Poetik«von Klang, wie die musikalische Handwerkersprache des Spätmittelalters gesagt hätte. Der den Tonstoff durchdringende Geist stösst unabweisbar auf die seriell formierte Klangkomposition, er hat keine andere Wahl, als die Sinustöne im Klang zu ordnen, und er kann sie nur ordnen, wenn er jeden Ton in seiner dreifachen, dreieinigen Bestimmtheit erkannt hat“ (Eimert

1955: 63). Solch ein moderner Ansatz stand im Gegensatz zu den Lehren eines Berlioz, wo noch neben klaren tonalen Vorgaben das Studium des Charakters eines Instrumenten-Klanges, seiner entsprechenden Ausdrucksfähigkeit und seiner besten Zusammenstellung etwa im Orchester als vorrangig gesehen worden war. Daran hatte sich ein Anfänger und auch ein ausübender Musik zuerst einmal zu halten, denn: „Wollte man darüber hinausgehen, so müsste man den Fuß auf das Gebiet schöpferischer Eingebung setzen, ein Gebiet, auf welchem nur das Genie Entdeckungen machen kann, dem allein es vergönnt ist, dasselbe zu durchstreifen“ (Berlioz 1955: 3).

Kategorien und Parameter als Hilfsmittel zur Analyse

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Vorgabe: Sind bei modernen Stücken Präferenzen und Häufungen von bestimmten Tonarten zu erkennen? Und gibt es Stücke, die nicht auf einer Dur- oder Moll-Tonalität beruhen und sich eventuell völlig aus diesen Tonsystemen lösen? Dur: C Cis/Des D Dis/ Es E F Fis/Ges G Gis/As A B H

Moll: Am Aism/Bm Hm Cm Cism/Desm Dm Dism/Esm Em Fm Fism/Gesm Gm Gism/Asm

Eine vorsichtige Art der Befreiung von vorgegebenen Normen ist das bewusste Verlassen der Fixiertheit auf einen festgelegten Stimmton, beispielsweise auf ein a mit 440 Hz. Dies kann sowohl für die einzelnen Instrumente gelten als auch kann es in Bezug auf eine komplette Aufnahme gesehen werden. Am Beispiel der Beatmusik der sechziger Jahre lässt sich gut erkennen, dass gerade in dieser Zeit die Veränderung von Stimmhöhen ein ganz entscheidendes Stilmittel war, das mit all seinen klanglichen Konsequenzen zielgerichtet eingesetzt wurde. In einem damaligen Studio mit seinen Bandmaschinen liessen sich mithilfe unterschiedlicher Bandgeschwindigkeiten sowohl subtile als auch recht dramatische Klangmanipulationen erzielen. Ein Abspielen einer Aufnahme nach dem Wechsel der standardisierten Geschwindigkeiten etwa von 19,5cm/s auf 38cm/s bzw. von 7,5 auf 15 IpS erzielte

104

Warum Hits Hits werden

durch die Erhöhung um eine Oktave einen sehr deutlich hörbaren Micky-Mouse-Effekt, der das gesamte Klangbild geradezu bizarr veränderte. Schon bald stellten die Techniker fest, dass über eine Veränderung der Strom-Frequenz auch feinfühligere, vorsichtige Abweichungen möglich waren, die sehr viel differenziertere Klangeingriffe zur Folge hatten. Wurde eine Aufnahme mit 47Hz statt mit 50Hz durchgeführt und dann wieder auf normaler Geschwindigkeit wiedergegeben, resultierte daraus eine eher dezente Anhebung des zu hörenden Tones um ziemlich genau einen Halbton. Kehew und Ryan haben diesbezüglich akribisch aufgelistet, bei welchen Stücken beispielsweise der Beatles mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit Varispeed, gearbeitet wurde. Dabei weisen sie darauf hin, dass es für den Beatles-Produzenten George Martin ein oft genutztes Werkzeug war, mit dem er subtil auf das Klanggeschehen einwirken konnte. Gerade ein Anheben der Geschwindigkeit um nur einen kleinen Prozentsatz konnte nachfolgend recht entscheidende Auswirkungen haben. Meistens bevorzugten die Beatles dabei das Vorgehen, mit einer etwas abgesenkten Geschwindigkeit aufzunehmen, um dann die Aufnahme etwas beschleunigt abzuspielen. Ihnen waren die einzelnen klanglichen Konsequenzen solcher Schritte dabei schon sehr bewusst, denn die Verlangsamung einer Bandaufnahme reduzierte den unmittelbaren Ansatz von Tönen und verschliff auf diese Weise einzelne Klanggebilde. Im Gegensatz dazu aber stellte sich heraus, dass „speeding up a recording not only preserves the attack, but, in fact, sharpens it. Clarity is maintained and percussive sounds become even more percussive“ (Kehew 2006: 292). Einige wenige Stücke wurden sogar betont erst oder auch nochmals im finalen Mix-Ablauf in der Geschwindigkeit verändert. Von When I´m Sixty-Four weiß man, dass es nachträglich um einen Halbton angehoben wurde. Und bei She´s Leaving Home ist noch heute die Veränderung, bewirkt durch die Manipulation der Geschwindigkeit, gut zu erkennen: Im Mono-Mix wurde nämlich die gesamte Aufnahme durch die Oszillator-Veränderung der Stromspannung um einen Halbton auf die Tonart F-Dur angehoben, während der entsprechende Eingriff innerhalb des Stereo-Mix-Verfahrens bei diesem Stück nicht glückte. Daher ist es als Stereo-Fassung unverändert in E-Dur zu hören – zusammen mit all den andersartigen Klangeindrücken, die sich bei einer Unterschiedlichkeit von immerhin einem Halb-Ton ergeben (ebenda: 294). Nicht zuletzt mündet es in einer unterschiedlichen Länge von 3:35 bei der original belassenen Aufnahme und nur 3:25 bei der Fassung mit angehobener Geschwindigkeit, wie ein Blick auf die unterschiedlichen Angaben bei den jeweiligen Plattenhüllen zeigt. Da aber nicht nur exakte Halbtonschritte durch Varispeed-Aufnahmen erzielt wurden, gibt es eine Reihe von Aufnahmen, die – ausgehend von einem geeichten Referenz-Stimmton – regelrecht verstimmt wirken, wobei ein markantes Beispiel der Song Lucy In The Sky With Diamonds ist. Bei ihm wurde in unterschiedlichen Tape-Settings während der einzelnen Aufnahmeschritte gearbeitet und

Kategorien und Parameter als Hilfsmittel zur Analyse

105

dann der abschließende Mix nochmals etwas abgesenkt (ebenda: 293). Das Ergebnis ist eine deutlich hörbare Verschiebung weg vom üblichen Tonvorrat etwa eines akkurat gestimmten Flügel, da der Gesamtklang erkennbar tiefer ist als das in den üblichen Song-Books notierte A-Dur in der Strophe bzw. G-Dur im Refrain (Fujita 1989: 646). Vorgabe: In der heutigen Rechner-gestützten PC-Welt digitaler Produktions-Szenarien ist der an Tonbandmaschinen gekoppelte Arbeitsvorgang Varispeed längst weitgehend durch die mächtigen Fähigkeiten von MIDI und Audio-Stretching ersetzt oder verdrängt worden. Doch es bleibt die Frage, ob große Hits auch wirklich ein – wie auch immer starkes – De-Tuning in ihre Klanganmutung integrieren. Deutliche Verstimmung, abweichend von Referenzton A= +- 440Hz

2.2.5 Modulation und Rückung Bei der eher schlichten harmonischen Konstruktion üblicher Popmusik-Songs ist es gut nachvollziehbar, dass in Lehrbüchern meist nur selten auch auf komplexere Song-Konstruktionen hingewiesen wird, die einen bewusst angelegten TonartWechsel innerhalb des Songs mit einbringen. Rooksby erwähnt zumindest, dass in der Popmusik solch eine Reise durch die Landschaft der Töne „einen sehr subtilen Effekt haben kann, der Unsicherheit oder einen gewissen emotionalen Abstand suggeriert“ (Rooksyby 2003 125). Damit wird explizit eine Modulation angesprochen, in der „eine Melodie in eine andere Tonart geführt“ (Schneider 1954: 40) wird und die „nichts anderes ist als ein Harmoniewechsel im großen“ (Riemann 1897: 83). Eine meist über mehrere harmonische Schritte ausgeführte Modulation ist aber zu unterscheiden von einer Rückung, die oftmals ohne jegliche Vorbereitung auftritt. Sie kann abrupt und unerwartet als Tonartsprung zur Betonung der letzten Wiederholungen etwa eines Refrains am Ende eines Liedes genutzt werden (Rooksby 2003: 125). Solch eine Rückung eines Song-Parts ist allerdings wiederum klar abzugrenzen von einer Akkord-Rückung, bei der nur einzelne Harmonien innerhalb eines Stückes „mit entsprechenden Zusatztönen halb- oder ganztönig auf- oder abwärts gerückt werden“. Dies geschieht auf der Grundlage einer Dur-, aber auch einer Ganzton- oder chromatischen Tonleiter, ohne dass dabei die Grundtonart verlassen wird (Ziegenrücker 1972: 69). Im Gegensatz dazu geschieht eine GesamtRückung meist im Umfang von einem Halb- oder Ganzton nach oben, wobei der neue Tonraum – im Gegensatz zur einer vermittelnden und vorbereitenden Modulation – plötzlich und völlig unvermittelt auf den bisherigen prallt: „Ausgangs- und Zieltonart werden nicht kadenzierend miteinander verbunden, sondern übergangslos nebeneinander gestellt“ (Köhn 2009: online). Diese harmonische Rückung wird oftmals auch als Charakteristikum speziell von Stücken des Eurovision Song Contest ESC bezeichnet. Immerhin haben seit 1957 allein aus Deutschland 23 der SongBeiträge diesen „simplen und klischeehaften Effekt zur Steigerung der Wirkung“

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eingesetzt (Dreyer 2011: 89). Ansonsten gilt dort angeblich: „Wer gewinnen will, muss nicht über eine exzeptionelle Komposition verfügen“ (Feddersen 2010: 131). Vorgabe: Ist ein harmonisch aufwändiges Konstrukt wie eine Modulation überhaupt in heutigen Popmusik-Stücken zu finden? Und wie oft sind Rückungen in erfolgreichen Songs anzutreffen: So häufig, dass sie als ein typisches Merkmal für ein erfolgreiches Lied verstanden werden können? Rückung: keine Rückung oder Modulation Rückung um Halbton Rückung um Ganzton und mehr mehrfache Rückung

Modulation: Modulation ohne Rückführung Modulation und Rückführung zu Ausgangstonart mehrfache Modulation

2.3 Die Melodik In Songwriter-Schulen wird meist davon ausgegangen, dass ein Song üblicherweise vier Elemente hat, wobei es neben Rhythmik, Harmonik und Lied-Text die dazu gesungene Melodie ist, die als eines dieser Basis-Elemente angeführt wird (Rooksby 2006: 8). Bei einer genaueren Betrachtung der Melodik in einem Popmusik-Song soll nun die jeweilige vokale Hauptlinie eines Stückes im Mittelpunkt stehen. Denn gerade eine markante Gesangsmelodie bleibt beim Hörer vorrangig im Gedächtnis (Frederick 2008: 4), über sie kann ein Künstler gezielt und direkt seine Gefühle ausdrücken und mit dem Hörer austauschen (Leikin 2008: 13), um damit beim Hörer eine unmittelbare emotionale Reaktion hervorzurufen (Blume 2004: 126). Und wie im Falle der Harmonik wird auch in Bezug auf die Melodiebildung bei der Durchsicht großer Hit-Songs gefragt werden: Gibt es typische Merkmale oder charakteristische Wendungen bei einer Melodie in einem erfolgreichen Stück? Lassen sich hier bestimmte Erfolgsfaktoren oder typische Muster erkennen?

2.3.1 Die Stimmenzahl eines Popmusik-Songs Ein paar Akkorde zusammenstellen und dann darüber singen – dies ist die einfachste Art und Weise, ein Popmusik-Stück zu schreiben (Rooksby 2006: 5). Immerhin ist es schlichtweg nur ein Song, ein Lied, bei dem entsprechend meist genau eine begleitete Gesangs-Melodie die Grundlage für jede weitere Ausarbeitung darstellt. Doch es finden sich daneben auch diverse Songs mit mehr als nur einem Sänger:

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Zweitstimmen können hinzukommen und Chöre können ganze Melodieparts verstärken oder eigenständig übernehmen. Außerdem sollte es eine Betrachtung wert sein, inwieweit sich die Melodie in einem erfolgreichen Stück an der begleitenden Harmonik orientiert oder ob sie sich auch einmal völlig von ihr lösen kann. Vorgabe: Ist bei großen Erfolgstiteln durchgehend nur eine gesungene Hauptmelodie als tragendes Element vorzufinden? Welche anderen oder zusätzlichen Besetzungen innerhalb eines Gesangs-Arrangements sind noch vorhanden? Single-Melodik-Aufbau tonal ausschmückende Stimmen zusätzlich zur Lead-Stimme (z.B. Terzabstand) unabhängige Gegen- und Zusatzstimmen (Chor, Gegenstimme) Melodik (kurz) unabhängig von Harmonik

2.3.2 Die Bewegungen der Melodik Da die Melodie eines Erfolgssongs in der Regel kein Zufallsprodukt darstellt, sondern eher das Ergebnis harter und langanhaltender Songwriter-Arbeit bildet (Webb 1998: 2), zeigt sich beispielsweise in der Melodieführung des Refrains ein wichtiges Kennzeichen erfolgreicher Stücke. Immerhin wird gerade dort von ihnen als Teil der Erfolgsrezeptur verlangt, dass sie sowohl leicht einprägsam als auch zündend und ansprechend sein sollen (Breckoff 1971: 55). In Bezug auf die Untersuchung der den Song tragenden Gesangs-Melodien lassen sich vorab generell unterschiedliche Vorgehensweisen feststellen: • Der dynamisch-fortschreitende Erklärungsansatz versucht verständlich zu machen, weshalb verschiedene Töne sich in einer Aufwärts- oder Abwärts-Bewegungsrichtung befinden, während andere offenkundig stabil liegen bleiben können und keine Veränderungstendenzen aufzeigen. Perricone glaubt, dies vornehmlich auf die Beziehungen zum jeweiligen Grundton zurückführen zu können und unterscheidet, entsprechend der Obertonreihe, konsonante – ruhende – von dissonanten – unruhigen – Intervallen. Und in der gelungenen Verbindung solch unterschiedlicher Töne vermutet er die Ursache für eine Melodie, mit der die Aufmerksamkeit der Hörer erregt werden kann: „The interesting aspect of our diatonic system, traditional major or minor, is that some of these tones are quite dissonant to the tonic (such as the major 7th and perfect 4th of the major scale), creating a system, that has a »built in« kineticism. If we think of the tonic note in a diatonic system as acting like the fundamental of the overtone series, we begin to grasp the discrepancies between the two systems (the former–man-made; the latter-of nature). The various discrepancies between culture and nature within the diatonic system are what create interest and make it a wondrous symbolic reflection of man“ (Perricone 2000: 9).

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• In einem anderen Ansatz wird dagegen versucht, weniger die Logik und den Bewegungsdrang jedes Einzeltones herauszuarbeiten, sondern die Melodielinien mehr als eine homogene Einheit von Tönen und damit in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Für solch eine Untersuchung der Melodiegebilde gibt es diverse Möglichkeiten, Verläufe festhalten und veranschaulichen zu können. Meist wird dabei mit visuellen Symbolen und grafischen Abbildungen gearbeitet, die eine Übertragung der musikalischen Melodielinie in eine optische Figur bilden. Vor allem diese so dargestellten Abläufe sind es dann, die in vielen Lehrbüchern als charakteristischer Melodieverlauf aufgegriffen und beschrieben werden. Sie können eingeteilt werden in Kategorien wie • • • • •

steigend fallend bogenförmig umgekehrt bogenförmig oder linear.

Nicht leicht wird es dann, wenn es gilt, solche Bewegungsabfolgen in einem Song wieder zu entdecken. Denn oftmals sind die einzelnen Bewegungen auf kleinste Motive und Sequenzen verteilt, und wenn das Lied aus unterschiedlichen Songteilen besteht, kann es sein, dass sich die Bewegungsrichtung von Part zu Part ändert. Daher gilt es die Melodie in die kleinstmöglichen Phrasen zu unterteilen: „Diese orientieren sich in der Regel am Text. Wahrscheinlich wechseln sie ihre Bewegungsmuster, damit keine Monotonie entsteht. Viele Melodien entwickeln sich aus kurzen fallenden Phrasen, die allmählich steigen“ (Schmidt 2010: 54 f.). Die melodischen Entwicklungsrichtungen lassen sich aber auch mit Beschreibungen wie von oben, von unten oder als Sprünge auffassen. Gerade für Stimmpädagogen können dann noch zusätzliche Aspekte mit ins Spiel kommen: „Tonbewegungen, die von oben nach unten führen, bewirken in den Muskulaturen, die beim Singen benutzt werden, eine kontinuierliche Abnahme der Kontraktionsspannung. Dies trifft sowohl auf die Muskeln um Kehlkopf und Stimmlippen zu, als auch auf die des Atemsystems. Diese Spannungsabnahme vollzieht sich umso heftiger, je schneller die Melodie absteigt – in Sprüngen abwärts stärker als stufen-weise Ton für Ton abwärts strebend. Diese physiologische Tatsache kann schlankes, weiches und randschwingungsbetontes Singen fördern, kann jedoch bei zu starkem Nachlassen der Muskelspannungen auch zu haltloser Tonproduktion mit zu tiefen Tönen und verluftetem Singen führen“ (Mohr 2004: online).

Vorgabe: Lassen sich bei erfolgreichen Stücken bestimmte Muster in der Melodiebildung der Gesangslinien aufzeigen? Ist dabei eine signifikante Häufigkeit festzustellen – sind fallende Phrasen etwa eher anzutreffen als steigende? Oder gibt es überwiegend einen bunt gemischten Melodieverlauf, wo sich einzelne Richtungen

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unmittelbar miteinander abwechseln? Und welche Häufigkeiten ergeben sich, wenn die Melodieverläufe im Refrain und innerhalb der Strophen getrennt voneinander gesehen werden? 2.3.2_1 Melodiebewegungen im Refrain ansteigender Melodieverlauf fallender Melodieverlauf bogenförmiger Melodieverlauf linearer Melodieverlauf gemischter Melodieverlauf

2.3.2_2 Melodiebewegungen in der Strophe ansteigender Melodieverlauf fallender Melodieverlauf bogenförmiger Melodieverlauf linearer Melodieverlauf gemischter Melodieverlauf

2.3.3 Wiederholung von Melodiephrasen im Gesang In vielen Stücken der Popmusik finden sich Wiederholungen von einzelnen Segmenten des Gesangs, die mehrfach aufgegriffen und unmittelbar hintereinander gesetzt werden. Ganz strikt und sogar als charakteristisches Song-Element ist solch ein Vorgang beispielsweise beim Blues-Standardschema zu beobachten, wo ein erster Melodiebogen A über der Tonika vorgestellt wird, um dann nachfolgend als – leicht veränderte – Melodiephrase A´ über Sub-Dominante und Tonika wiederholt zu werden (Kramarz 1983: 103 f.). Solch eine Repetition wird schon seit Jahrzehnten auch in Schulbüchern präsentiert, wo es meist zur Verdeutlichung typischer Blues-Improvisationen dient (siehe z.B. Breckoff 1971: 237). Doch auch in den aktuellen Popmusik-Stücken finden sich Wiederholungen – in unterschiedlichen Ausführungen. Einige Möglichkeiten beschreibt Riedemann und schlägt dafür drei Kategorien vor, die er kompositorische Strukturprinzipien (KSP) nennt: • Melidents – identische Wiederholung einer Melodiephrase über einem veränderten harmonischen Hintergrund, • Sequenzierung – Wiederholung einer Tonfolge auf einem anderen Tonhöhenniveau (es wird nicht zwischen realer und tonaler Sequenz unterschieden) und • Intchanges – Wiederholung einer Melodiephrase bei gleichzeitiger Anpassung des Zeiltonbereichs auf einem der Taktschwerpunkte an den veränderten Akkordhintergrund (Hybridform aus Melident und Sequenz) (Riedemann 2012: 49).

Die Repetition einer Melodiephrase ist in der Popmusik offensichtlich ein beliebtes

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Stilmittel, das auch Rooksby ausdrücklich hervorhebt. Gleichzeit weist er darauf hin, dass andererseits Variationen oder Anpassungen an die Akkordik innerhalb der Wiederholungen Monotonie vermeiden und den Song beleben können: „Die Melodien eines Songs bestehen aus kürzeren Einzelphrasen. Sie könnten eine Grundphrase haben, die die Strophe dominiert und viermal gesungen wird. Trifft dies zu, dann versuchen Sie, subtile kleine Variationen einzubauen, damit Sie nicht jedes mal exakt dasselbe singen. Dadurch machen Sie das Ganze reizvoller. Manchmal ist das sowieso unausweichlich, weil die Textzeilen nicht genau gleich lang sind. Versuchen Sie auch, die gleiche Phrase über vier verschiedene Akkorde zu singen, und achten Sie darauf, inwiefern Sie die Melodie den einzelnen Akkorden anpassen müssen“ (Rooksby 2006: 221).

Dass dabei dieses bewusst eingesetzte Wiederaufgreifen von kurzen Phrasen und ihre mehrfache Wiederholung offensichtlich etwas mit Erfolgsaussicht zu tun hat, unterstreicht Blume: „While you will not want to use short phrases and repeating rhythms exclusively, incorporating short phrases that repeat into sections of your song will make your melodies easier to remember and sing. It may take some practice to get comfortable with composing this way, but this is a skill that can be acquired. As you master this technique, you´ll be amazed at how much catchier and more memorable your melodies become“ (Blume 2004: 111).

Riedemann verweist darauf, wie oft sich Wiederholungen von einzelnen Phrasen speziell bei erfolgreichen Songs finden lassen. Für ihn stellt dieser Vorgang damit schon geradezu eine Bedingung für einen Hit dar. Denn nach seiner Erkenntnis lassen sich bei fast allen erfolgreichen Single-Stücken speziell im Refrain solche deutlichen Repetitionen von Phrasen finden, während dies bei einem typischen Non-Hit-Titel eines Albums eben nicht der Fall sei. Wenn er auch vor einer zu losgelösten Abstraktion seiner repetitiven Melodiekonstrukte warnt, hält er dennoch fest: „Betrachtet man allein die Abdeckung von 91% innerhalb der Hit-Songs bei dieser Variablen, so kann den drei vorgestellten KSPs jedoch eine hohe Prominenz in dieser Gruppe zugesprochen werden“ (Riedemann 2012: 50). Vorgabe: Offenbar sind Wiederholungen in Popmusik-Songs üblich und entsprechend häufig zu finden. Fraglich ist, wie viele Repetitionen denn üblicherweise zu finden sind und ob zumindest die Melodien einiger Hits auch völlig ohne Wiederholungen gebildet werden. Nur unabhängig gesetzte Melodikphrasen Melodikphrasen wiederholend Melodikphrasen dreimal wiederholend, evtl. auch 3 + 1-Abfolge mehr als drei wiederholende Phrasen

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2.3.4 Der Ambitus des Hauptgesangs Bei der Qualität eines Sängers im Spiegel der Kritiken spielt oft der Aspekt Stimmumfang oder Ambitus eine maßgebliche Rolle. So schwärmt eine begeisterte Maja auf einer Fan-Internetseite von Michael Jackson, dass dieser Künstler einen Ambitus von rund vier Oktaven gehabt hätte. Damit sei er neben Freddie Mercury, dem Lead-Sänger von Queen, eines der großen Stimmtalente des Pop gewesen: „Michael und Freddy Mercury werden oft als die meist talentiertesten und geschicktesten Sänger der heutigen Zeit zitiert. Obwohl Michaels Reichweite größer ist als Freddys, zeigt er nicht all zu oft seine gesamte Reichweite. Wenn er gewollt hätte, habe ich keinen Zweifel, dass Michael fähig gewesen wäre I Will Always Love You von Whitney Houston mit Leichtigkeit zu singen. Freddy Mercury rutschte gerne – mit großen Effekt – über seinen gesamten Tonumfang von oben nach unten, während Michael sich absichtlich auf einen bestimmten Bereich beschränkte, immer abhängig vom Song“ (maja5809 2013: online).

Die nüchterne Betrachtung der rein technischen Gesangsfähigkeiten könnte allerdings insofern irrelevant sein, da ja immer wieder die Meinung geäußert wird, übliche und konventionelle Wertmaßstäbe, wie sie aus der abendländischen Kunstmusik bekannt sind, spielten bei der Bewertung des Gesangs in der Popmusik nur eine untergeordnete Rolle. Die Erwartungen an die Stimme sei von Seiten der Rezipienten in Bezug auf selten gemeisterte Tonhöhe eher gering. Viel wichtiger seien dagegen der emotionale Ausdruck der Stimme wie etwa Lässigkeit und Coolness (von Appen 2007: 107). Vorgabe: Lässt sich am – umfangreichen – Ambitus der Gesangsstimme ablesen, ob sich hier ein besonders gelungenes Werk verbirgt? Ist hier ein weiter Tonraum besonders attraktiv, oder ist eher die bewusste Reduzierung auf ein dem Sänger besonders gut liegendes tonales Zentrum ein charakteristisches Merkmal für eine erfolgreiche Produktion? bis Quinte bis Oktave mehr als eine Oktave

2.3.5 Das erste Melodik-Intervall Ein wichtiger erster Eindruck in Bezug auf einen Song bildet der Schritt zwischen den ersten beiden Tönen des Gesangs. Allzu große oder gar nicht-tonleitereigene Intervallsprünge könnten hier eine gefühlsbetonte Rezeption empfindlich stören. Insofern ist es interessant zu sehen, welche Assoziation in Verbindung mit bestimmten Tonabständen gesehen wird. Unabhängig von der Einteilung in

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• große und kleine Intervalle (Sekunde, Sexte, Septime u.a.) • reine Intervalle (Prime, Quarte, Quinte u.a.) • verminderte und übermäßige Intervalle (Verkleinerung oder Vergrößerung eines reinen Intervalls um einen Halbton) (Kemper-Moll 1999: 5). wird den einzelnen Intervallen nämlich auch eine bestimmte Aussage und eine individuell expressive Kraft zugeschrieben, wobei dies von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann. Üblicherweise gelten • Prime, Oktave, Quart, Terzen und Sexten als konsonant, • während Sekunden, Septimen, übermäßige Quart und verminderte Quint als dissonant geführt werden (Hölscher 1975, 27). Im Internet werden dagegen oftmals gänzlich andere Bewertungen angeführt: • „Kleine Sekunde Der Tonabstand zwischen 1 und b2 ist sehr gering, daher klingt die kleine Sekunde als Intervall sehr schrill oder beißend. Es ist ein sehr dissonantes Intervall, das viel Spannung erzeugt. • Große Sekunde Auch noch dissonant, aber nicht ganz so. Aber auch noch ein spannungsgeladenes Intervall. • Die kleine Terz Ist einfach nur traurig. • Die Große Terz Klingt so richtig lieb und fast schon ein wenig schleimig. Nicht umsonst ist sie der Angelpunkt der Dur-Leiter, auf der so viele Kinderlieder und der ganze Volksmusik-Kitsch aufbauen. Und noch mehr. • Die Quarte Nicht so neutral wie die Quinte, aber auch ein recht harmonisches Intervall. • Die verminderte Quinte Der unangefochtene Liebling aller Metal- und Heavy-Musiker. Sie klingt sowas von schräg und brutal, man muss sie einfach liebhaben. Die enorme Spannung dieses Intervalls resultiert aus seiner Lage, denn die verminderte Quinte liegt genau in der Mitte der Tonleiter, wo man nicht mehr weiss, wohin. Und dieses Intervall hat noch einen eigenen Namen: Tritonus. Sollte man sich merken. • Die Quinte ist sehr neutral und sachlich. Und sehr harmonisch. • Die übermäßige Quinte Fast so schräg wie zwei Halbtöne drunter. • Die Sexte Nicht Fisch, nicht Fleisch. Die Sexte ist ein sehr wabbeliges Intervall und hat etwas von einer Orientierungs-Losigkeit. Sie ist aber mehr Dur- als Moll-orientiert. • Septimen Auch spannend, aber nicht so schräg. Aufgrund ihrer Position am Ende der Tonleiter tragen sie die Spannung zur Auflösung zum nächsten Grundton. Haben Jazzer diese Spannung in sich und lieben deshalb die Septimen so sehr?“ (Böttchers 2013: online)

Vorgabe: Gibt es bei der Betrachtung des Tonschrittes zwischen den ersten beiden Gesangstönen eines sehr erfolgreichen Songs bestimmte Intervalle, die besonders präferiert werden oder findet sich hier eine gleichmäßige, freie Verteilung auf alle möglichen Intervalle?

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Prime kleine Sekunde große Sekunde kleine Terz große Terz Quarte Quinte kleine Sexte große Sexte kleine Septime große Septime Oktave > Oktave übermäßiges oder vermindertes Intervall

2.3.6 Dur-, Moll- und andere Tonleitern Eine gut beschreibbare Größe für die Melodikbildung der Gesangslinien in einem Song bildet das tonale Grundlagenmaterial, das in Lehrbüchern in Form von Tonleitern angeboten wird. Neben den Dur- und Moll-Leitern finden sich noch – gerade bei einem Jazz-Hintergrund – zusätzlich die sogenannten Modalen Skalen oder Kirchentonarten (Kemper-Moll 1999: 75). Damit kann der Skalenvorrat entsprechend unterteilt werden in • Moderne Skalen mit Dur und diversen Moll-Tonleitern und • Klassische Modi mit den modalen Kirchentonart-Bezeichnungen von Dorisch bis Ionisch (Webb 1998: 163 f.). In Rock- und Pop-betonten Schulen wird dagegen meist – neben Dur und Moll – eher auf die pentatonische und durch Zusatztöne erweiterte Bluesskala verwiesen (Kraus 2012: 82 f.). Auch andere Songwriting-Schulen verzichten mittlerweile völlig auf die Besprechung der modalen Tonfolgen und konzentrieren sich vielmehr auf die • Dur - Skala, • unterschiedliche Moll-Skalen mit Betonung auf die Natürliche Moll-Tonleiter (mit dem gleichem Tonvorrat wie die zugehörige Dur-Tonleiter) und zumindest einer Erwähnung der „anderen wichtigen“ Moll-Tonleitern wie Harmonisch-Moll und Melodisch-Moll und die • fünftönige pentatonische Tonleiter. Als markantes und spezifisches Merkmal gilt bei ihr: „Es kommen keine Halbtonschritte vor“ (Schmidt 2010: 66 ff.). Als Besonderheit finden sich bevorzugt im Rap, aber auch im Rock und R&B, eine Reihe von Stücken, die betont die sechste Tonstufe, also die Sexte, NICHT als Ton ihrer Melodien einbringen. Ein Erklärungsansatz für diesen Umstand kann das angestrebte Verwischen der exakten Tonalitäts-Zugehörigkeit sein:

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„Bei der Natürlichen Moll-Skala ist die zweite Stufe genau wie bei der Dur-Skala besetzt, die dritte und siebte Stufe entsprechen der Blues-Skala. Bei allen Skalen gleich sind der Grundton, die vierte und die fünfte Stufe, also Quart und Quinte. 1. Verwenden wir die kleine Sexte, entscheiden wir uns eindeutig für eine Moll-Stimmung. Der Song wird sofort eher »europäisch« und eher etwas konventionell-passend. 2. Nehmen wir dagegen eine große Sexte, wird eine etwas rauere, »schwarze« und Blues-gefärbte Dur-Stimmung hergestellt. Ein sehr beliebter Trick der großen Hip-Hop-Produzenten ist daher: Verzichte innerhalb deiner Melodien auf die sechste Stufe!“ (Kramarz 2008: 59).

Vorgabe: Der Tonvorrat der Gesangsmelodien wird in der Regel aus dem Material bestimmter Skalen gebildet. Es gilt daher festzustellen, um welche Tonleitern es sich dabei handelt. Entsprechend sollen die vorgestellten Songs daraufhin untersucht und eingeteilt werden. Dur-Skala darin Ausnahmen wie Blue-Notes Natürliche Moll-Skala Harmonische/Melodische Moll-Skala andere Skala Dur- oder Moll-Skala ohne Sexte

2.3.7 Die Anhebung der Tonhöhe des Gesangs beim Refrain Wenn ein Song aus dem Pop-Bereich den Refrain erreicht, wird oftmals auch der Höhepunkt und die den Hörer packende Hook-Line erreicht. Genau an dieser Stelle findet sich häufig als Besonderheit, dass eine Anhebung des Tonhöhenverlaufs bei der Gesangsmelodik stattfindet: Riedemann spricht von fast der Hälfte aller bei ihm untersuchten Hitsongs, bei dem sich diese Steigerung feststellen lässt. Dagegen haben die Songs, die sich zwar auf einem erfolgreichen Album befinden, aber nicht selber explizit eine Hit-Single darstellen, diese Steigerung nicht aufzuweisen: „So weist nur ein Non-Hit, Breathe On Me von Britney Spears, eine deutliche Anhebung des Tonhöhen-Niveaus zum Chorus auf – im Gegensatz zu Hitsongs, bei denen in 45% aller Fälle eine solche Anhebung zu registrieren ist“ (Riedemann 2012: 51). Einige Autoren schlagen innerhalb eines Songs eher andere Akzentuierungen speziell der Titelzeilen vor, etwa im Gegensatz zu den Gesangslinien in der Strophe. Dazu gehört beispielsweise ein deutlich veränderter Wort- und SilbenRhythmus oder der bewusste Einsatz eine Pause, positioniert genau vor Beginn der herauszuhebenden Refrainzeile. In diesem Zusammenhang wird aber ebenfalls meist auch auf ein verändertes Tonhöhenlevel im Vergleich zu den bisherigen Strophen-Parts verwiesen. Dabei muss es sich aber nicht immer nur um eine Erhöhung

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handeln, sondern gelegentlich wird auch ein dezidiertes Einsetzen von tieferen als bis dahin aufgetretenen Tönen vorgeschlagen (Blume, 2004: 105). Vorgabe: Ist eine deutliche Veränderung, speziell eine Erhöhung des Tonmaterials vom Gesang hin zum Refrain vorhanden? Ist dies als ein maßgebliches Merkmal eines erfolgreichen Hit-Songs anzusehen? keine Erhöhung Erhöhung um Sekunde oder Terz Erhöhung um mehr als eine Terz

2.4 Die Rhythmik Bei der Beschreibung von Popmusik wird oft auf die musikethnologischen Hintergründe dieser Musik verwiesen, wobei vor allem die einstigen afrikanischen Wurzeln angesprochen werden: „Die Aufhellung des musikethnologischen Hintergrundes in der Popularmusik ist von entscheidender Bedeutung für die Erklärung einer der einschneidendsten Veränderungen in der Geschichte der Popularmusik: der Rock-Revolution. Die Emanzipation der afroamerikanischen Musik in der amerikanischen Musikwelt, ihre Adaption und Kommerzialisierung durch weiße Interpreten und Medienkonzerne, ihr Erfolg bei den Jugendlichen in Amerika, dann England, Nordeuropa bis zu einem Siegeszug rund um den Erdball implizieren ein völlig neues soziokulturelles Verhalten, welches die ältere Generation in Angst und Schrecken versetzte“ (Flender 1989: 82).

Ganz im Vordergrund der Betrachtungen stehen dabei die durchgehenden, konstant durchgehaltenen rhythmische Figuren. Die habe es bis dahin innerhalb der westlichen Tanz- und Unterhaltungsmusik, in einer solchen Konsequenz der monotonostinaten Ausführung und mit entsprechend explosiven und wild zum Tanz stimulierenden Wirkung speziell auf Jugendliche, so nicht gegeben: „Rockmusik wird nicht zum Zuhören gemacht und auch nicht zum Träumen, sondern zur Bewußtseinsveränderung ekstatischer Prägung. Deshalb sind seither die Maßstäbe von schöner und hässlicher Musik aufgehoben. An ihrer Stelle tritt die Frage nach der Effizienz von Musik: »Kann sie mich in einen ekstatischen Zustand versetzen oder nicht?«“ (ebenda: 83).

Entsprechend gemachte Popmusik kann also leicht und problemlos von einem Hörer in das eigene alltägliche Geschehen eingegliedert werden, da er aktiv und produktiv mit ihr umgeht. Und dies umso mehr, umso populärer sie für ihn ist. Und gerade der Rhythmus spiele bei diesem aktiven musikalischen Aneignungsprozess eine besonders entscheidende Rolle (Pfleiderer 2006: 22).

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2.4.1 Das Metrum Wie sehr ein konstanter Rhythmus mit seiner stoischen Beharrlichkeit das Bild der frühen Popmusik geprägt hat, lässt sich allein schon an den Bezeichnungen wie Rhythm&Blues, Rock 'n' Roll oder auch Beat-Musik erkennen, mit denen dadurch vorrangig das durchgehende rhythmische Geschehen dieser Musik angesprochen wurde. So beschreibt Sandner Stücke aus dem frühen Blues der 40er Jahre, wo die meisten Instrumente wie Bass und Gitarre noch unverstärkt waren, als eine Stilistik, bei der das Schlagzeug kaum Breaks einwerfe und vor allem auf die Einhaltung des durchgehenden Rhythmus konzentriert sei: „Größere Popularität um den Preis stilistischer Nonchalance ist das Signum dieser Musik“ (Sandner 1977: 27). Und Wicke beschreibt den Wechsel vom US-Rock 'n' Roll der fünfziger Jahre hin zur britischen Beatmusik der sechziger Jahre ebenfalls mit deutlicher Fokussierung auf den durchgeschlagenen Grund-Rhythmus: „In den Kopien mit drei Gitarren und Schlagzeug blieb von seinen ursprünglichen musikalischen Qualitäten so sehr viel nicht übrig. Es reduzierte sich mehr oder weniger auf ein lautstarkes Musizieren über dem Beat, den durchgeschlagenen metrischen Grundeinheiten – daher auch der Namenswechsel in Beatmusik“ (Wicke 1987: 97).

Bei der vorherigen traditionellen Kunstmusik und damit bei der üblichen musikalischen Kompostionsweise war der Rhythmus generell nicht so vordergründig gewesen, er spielte im Verhältnis zur Harmonik und Melodikbildung eine vergleichsweise eher untergeordnete Rolle. Zurückblickend diente die durch lautstarke Rhythmik auffällige Popmusik daher als Zielscheibe von herben Kritiken, die solch eine deutliche Dominanz des perkussiven Elementes als Grund für Beschimpfungen und rassistischen Herabsetzungen nahmen: „Wir hatten über Jahrhunderte ein Defizit an Rhythmus. Mit Melodien war das Abendland reich gesegnet, aber der Rhythmus, er war unterentwickelt, bis er endlich über den Umweg des Jazz, Blues, Rhythm&Blues und der Rockmusik in unseren Breiten vordrang. Ein langer Weg aus Afrika über Amerika nach Europa. Die Aufforderung, diese »Hottentottenmusik« leise zu stellen, war zwar noch milde, aber wie sollte etwas leise gestellt werden, wenn irgend etwas tief in uns so sehr danach schrie? Rockmusik, Musiker und Fans wurden denunziert. Da wurde kaum eine noch so dumpfe, ausfällige Unterstellung ausgelassen“ (Skolud 1984: 11).

Selbst in den USA, wo rhythmus-betonte Musik in breiten Bevölkerungskreisen sehr viel selbstverständlicher als in Europa war, gab es in den fünfziger Jahren eine vehemente Ablehnung der neuen ekstatischen Rock 'n' Roll-Musik. Von Seiten der Erwachsenen und Erziehungsberechtigten wurde ein Verfall der Sitten und eine Verwahrlosung der Jugend befürchtet. Dass dieser Konflikt als ein typisches Merkmal der Popmusik und all ihrer Richtungen gesehen werden kann, betont Hofacker:

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„Die Eltern der neuen Zielgruppe waren entsetzt. Elvis´Erfolg verkörperte zum ersten Mal ein für die folgenden Jahrzehnte ehernes Gesetz: Willst du die Kids gewinnen, lass die Eltern auf die Barrikaden steigen! Prompt nannte ein Geistlicher den Sänger einen »wirbelnden Derwisch des Sex«, ein Staatsanwalt sah einen »Albtraum an Rhythmus« gekommen und hielt die dazugehörige Musik für Sprengstoff bzw. für »TNT auf dem Plattenteller« (Hofacker

2012: 358). Immer wieder wird die unüberhörbare Rhythmus-Favorisierung in vielen Stücken als der wichtigste Grund überhaupt für den weltweiten Siegeszug der Popmusik gesehen. Dabei wird vor allem auf die monotonen und kontinuierlichen Muster hingewiesen. Mit deren Hilfe könnten auch Stücke anderer Stilistiken zu einer Popausgerichteten Darbietungsweise verändert werden: „Der Hauptgrund, warum Popularmusik die Massen im wörtlichen Sinne »bewegt«, ist nicht die oft behauptete einfache Machart. Auch Rock und Techno können komplex sein. Ein gemeinsames Merkmal fast aller Popularmusik ist das durchgehende Schlagzeugfundament, der Beat, der das Metrum hervorhebt. Popmusik ist pulsbetonte Musik. Wir wissen, dass eine der Säulen unserer Musikalität darin besteht, dass wir uns zu einem Metrum motorisch (und emotional) synchronisieren können, und dass prägnante Rhythmen einen starken Bewegungsanreiz darstellen. Das Rezept, andere Musikstile zu »verpoppen«, um sie noch marktfähiger zu machen, besteht daher vor allem darin, sie mit Perkussion zu unterlegen – was man sowohl an sogenannter volkstümlicher Musik als auch an den Hits des Pianisten Richard Clayderman oder der im »barocken« Stil präsentierten Gruppe Rondo Veneziano erkennen kann“

(Lehmann 2010: 219). Auf die aus afroamerikanischen Traditionen stammenden Wurzeln wird dabei bevorzugt dann verwiesen, wenn im gleichen Atemzug auf die Vereinfachung, auf die Simplifizierung hingewiesen wird, die bei der Übernahme in die weiße Popmusik und all ihre Spielarten stattgefunden habe: „Schon im Rock 'n' Roll ist die ursprüngliche rhythmische Komplexität des afroamerikanischen Musizierens stark vereinfacht worden. An die Stelle der flexiblen, swingenden Rhythmik ist ein durchgehämmerter, starrer Basisrhythmus getreten. Die klangliche Subtilität wich einer lärmenden und aggressiv-aufdringlichen Spielweise. Das Schwergewicht lag auf der sinnlichen Präsenz von Rhythmus und Klang, durch Lautheit oft bis zur körperlichen Berührungssuggestion gesteigert“ (Wicke 1987: 41).

Dass aber die Musik insgesamt und speziell die Rhythmik in Wirklichkeit gar nicht immer so gleichförmig ostinat, völlig uniform und eintönig im simplen 4/4-Metrum daherkommen muss, ist immer wieder thematisiert und zurechtgerückt worden. So werden beim Rückblick auf die einfachen Beat-Songs der frühen sechziger Jahre,

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die Tony Sheridan als Kollege und Freund der Beatles in endlosen Stunden in diversen Hamburger Nachtclubs präsentierte, entsprechende Details erwähnt. Sie verdeutlichen, dass sich die Musiker zwar der jeweils fest vorgegebenen Abläufe und der an sich simplen Rhythmen und Standards bewusst waren, diese aber auch gelegentlich spontan abänderten und in ganz eigenen Interpretationsvarianten präsentierten – was das freie improvisatorisch-künstlerische Moment dieser Musik hervorhebt: „Wenn du Blue Suede Shoes 2000-mal gespielt hast, musst du es irgendwie anders spielen, und so entsteht was Neues – du baust Siebtel-, Neuntel- und Elftelnoten ein“ (Leigh 2011: 34). Bei der Betrachtung des ansonsten konstant durchgehaltenen Perkussionsverlaufs sollte auch beachtet werden, dass sich oft deutliche Struktur-Brüche oder Songpart-Aufteilungen im rhythmischen Ablauf, sogenannte Breaks, im Stückverlauf ausmachen lassen. Der Begriff Break wird dabei in der Literatur nicht unbedingt einheitlich definiert: Ebenso wie im Jazz-Bereich für einen Break die Erklärung „Zwischensolo mit entgegengesetztem Rhythmus“, also einen expliziten Song-Part (Wahrig 2006: 250) zu finden ist, spricht Webb in speziellen Fällen von einem break-down. Damit bezeichnet er einen kurzen Einschub vor dem als Fade ausklingenden letzten Refrain. Dieser nur vier oder noch weniger Takte umfassende Teil ist betont einfach und ausgedünnt instrumentiert und bildet damit einen kurzen Moment einer – fälschlicherweise vermutbaren – Ruhe, bevor erst dann in einem grandiosen Ausklang der Song kurz darauf wirklich zu Ende geht (Webb 1998: 133). Meist aber wird in der Popmusik unter Break ein punktuelles Schweigen speziell der Rhythmusgruppe verstanden, das prinzipiell vor oder nach jedem Formteil innerhalb eines Songs auftreten kann. Dabei können auch kurze solistische Einwürfe vom Gesang oder einem Instrument hinzukommen. Auf dieses rhythmisch strukturierende Mittel verzichtet daher kaum ein Schlagzeuger, etwa in einer BluesImprovisation jeweils zum Abschluss eines zwölftaktigen Durchlaufs. Auch bei den heutigen am Rechner und Bildschirm konzipierten Songs hat sich diese akustische Aufteilungs-Methode bis heute bewährt. Ein Break verdeutlicht dem Rezipienten nach wie vor recht deutlich, dass Musiker gemeinsam die Struktur durchlaufen und dass sich ein andersartiger Teil anschließt, selbst wenn nur ein einfacher Wiederholungsablauf erfolgt. Damit wäre die einfache Unterscheidung gängiger Schulbücher von geraden und ungeraden Taktarten (Hölscher 1975: 14) als meist einzige Betrachtung von rhythmischen Abläufen auch um solche diffizilen Varianten zu erweitern. Es sind aber Veränderungen, die nicht eine grundlegende Abkehr von den pulsierenden Rhythmen etwa innerhalb eines durchgehenden Vierer-Metrums bedeuten, sondern die als Unterbrechungen und Variationen auf einem internen Mikro-Level anzusehen sind – und damit auch wieder als Inspiration für andere, neue Songs mit einem ansonsten weitgehend gleichen Metrum und Basis-Pattern dienen können. Diesen

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Entwicklungsgang spricht Fiske an, wenn er Prozesse der populären Kultur eher in kleinen Schritten denn in revolutionären Bewegungen fortschreiten sieht: „The politics of popular culture is that of everyday life. That means that it works on the micropolitical level, not the macro level, and that it is progressive, not radical. [...] The politics of popular culture is micropolitics, for that is where it can play the greater parts in the tactics of everyday life“ (Fiske 2011: 46).

Wirklich dramatische und radikale rhythmische Umbrüche sind dagegen eher bei der Elektronischen Musik speziell nach 1945 zu finden. Dort hatten Klangpioniere wie Meyer-Eppler die Produktionsweise in die drei Abschnitte Produktion, Transformation und Synchronisation der Klänge gegliedert und erreichten innerhalb der Transformation eine Rhythmisierung des Tonmaterials mittels Bandschnitts oder elektrischen Zerhackers (Gurlitt 1972: 256). Dabei wurde allerdings keine konventionell durchgehaltene Rhythmik mit einem geraden Metrum eingebracht, sondern dies wurde im Gegenteil bewusst vermieden. Für eine Produktionsweise dieser Art, also Klangcollagen frei von einem konstant pulsierendem Metrum, finden sich innerhalb der Popmusik nur vereinzelte Beispiele, wie etwa And The Gods Made Love von Jimi Hendrix. Für Kittler symbolisiert speziell dieses kurze Intro-Segment mit einer Länge von gerade einmal 1:23 alles das, was Rockmusik – als ein „Missbrauch von Heeresgerät“ – ausmacht: „Sie maximiert alle elektroakustischen Möglichkeiten, sie besetzt Tonstudios und FM-Sender, um mit Tonbandmontagen die klassische, nämlich schriftbedingte Spaltung von Komponisten und Textern, Arrangeuren und Interpreten zu unterlaufen“ (Kittler 1986: 169 f.). Für ihn bildet solch ein konsequent rhythmusfreies Stück „Tonbandtechnik um der Tonbandtechnik willen: Beckenschläge, Jet-Lärm, Pistolenschüsse. Davon kann Schrift nichts mehr schreiben“ (ebenda: 172). Ähnlich schwärmerisch beschreibt der HipHop-Experte Eshun noch Jahre später dieses kurze Fragment von Hendrix und sagt von ihm, es „psychedelisiert die Kybernetik, indem sie die Gitarre zu einem Partikelstrahlprojektor macht: Ein 90-Sekunden-Soundgemälde des Himmels, ein Tongenerator von Soundgeistern“ (Eshun 1999: 12). Jourdain geht allerdings davon aus, dass gerade westliche Zuhörer mit erweiterten Metren oder gar völliger rhythmischer Aufgelöstheit schlichtweg große Schwierigkeiten haben. Durch sie werde der unkomplizierte Konsum gestört und ein schnelles Verständnis unterbunden. Nur ein Rhythmus bestehend aus ZweierGruppen, meist zusammengefasst in Vierer-Takteinheiten und im besten Fall noch das auf der nächsten Primzahl beruhende Dreier-Taktmaß, könne vom Gehirn ohne größere Schwierigkeiten verarbeitet werden. Eine Fünfer-Einheit wird dagegen schon nicht mehr als durchgehende Einheit verstanden, sondern als ein Wechsel von zwei und drei Schlägen. Das Verstehen solch einer Kombination dauere aber länger als bei einer Zweier oder Dreier-Einheit und verursache daher beim Rezipienten

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Probleme (Jourdain 2001: 166). Und Levitin vermutet, dass in Bezug auf die weit verbreiteten Metren 4/4, 2/4 und 3/4 bzw. 6/8 und auch bei den weiteren rhythmischen Gruppierungen wie 5/4, 7/4 und 9/4 sogar „mit ziemlicher Sicherheit“ jeweils unterschiedliche neuronale Schaltkreise existieren, die die jeweiligen musikalischen Metren erfassen und verfolgen: „Es gehört zu den grundlegenden Erkenntnissen der kognitiven Neurowissenschaft, dass das Gehirn die biologische Grundlage für unser gesamtes Verhalten und Denken bildet; daher muss überall, wo eine Differenzierung im Verhalten zu beobachten ist, auf irgendeiner Ebene auch eine neuronale Differenzierung vorliegen“ (Levitin 2009: 73). Vorgabe: Bei dem theoretisch großen Rhythmus-Spektrum von geraden über ungeraden Rhythmen bis hin zu rhythmisch völlig losgelösten Parts wäre eine entsprechende Vielfalt auch bei Popmusik-Stücken durchaus denkbar. Doch wie viele Stücke begrenzen sich auf einen 4/4-Takt, wie viele Stücke stellen ein Dreier-Metrum vor oder erweitern ihre Rhythmik zu einer 5/4 oder 7/4-Takt-Konstellation? Im Song auftretende Breaks verdeutlichen darüber hinaus als kurzes Einhalten im rhythmischen Fluss die strukturellen Parts und setzen entsprechende Zäsuren. Kann darauf ein erfolgreicher Song verzichten, oder ist zumindest ein solch ein Bruch innerhalb eines Stückes aufzufinden? durchgehendes 4/4-Metrum 3/4 oder 6/8 o.ä. Break(s) im Song enthalten konstant ungerader Takt wie z.B. 7/4 (jedoch kein einmaliger struktureller Prägestempel) unter rhythmusfreien Geräuschen Rhythmus unterlegt (teilweise) puls- und metrumfrei

2.4.2 Das Tempo Kaum ein anderer Parameter scheint vordergründig so eindeutig festgelegt zu sein wie das Tempo eines erfolgreichen Songs: Dieses kann nur, so die oft zu vernehmende einheitliche Meinung, 120 Schläge pro Minute sein. Dabei wird gerne der Bezug zum Herzschlag angeführt, der mit der – verdoppelten – Geschwindigkeit ideal übereinstimmen würde. Aber wer genau hat eigentlich einen stabilen RuhePuls von 60 Schlägen in der Minute – und warum wird dieser Beat dann einfach verdoppelt? Gelegentlich wird daher auch abweichend vom Pulsschlag auf die typischen Bewegungsmöglichkeiten der menschlichen Körper verwiesen, die hüpfend, springend und nicht zuletzt tanzend leicht rund 120 Bewegungen in der Minute machen könnten. Dann wäre Popmusik für Kinder sogar eher weniger geeignet, da sie noch viel mehr Bewegungen ausführen: „Wenn ein erwachsener Mensch rhythmisch hüpft, dann macht er je nach Größe und Körper-

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gewicht etwa 110 bis 135 Sprünge pro Minute. Hierfür ist Tanzmusik mit einem Beat von etwa 120 Schlägen je Minute geradezu konstruiert. Wenn demgegenüber ein sechsjähriges Kind hüpft, dann bringt es leicht 160 bis 180 Sprünge je Minute zustande. Entsprechend ist die Tanzmusik der Erwachsenen für Kinder denkbar ungeeignet“ (Spitzer 2002: 214 f.).

In praxisnahen Musiker-Anleitungen jedoch wird die Beziehung zum Herzschlag, dem inneren Metronom, als praktisch unumstößliche Tatsache für übliche Popsongs gehandelt. Frederick sieht sogar eine direkte und beeinflussende Beziehung zwischen der Herzschlag-Aktivität und einer langsamen und damit sehr beruhigenden Ambient Chill Music oder aber einer energiegeladenen schnellen Dance-PopNummer mit hohem Tempo: „The track makes you feel energized, it gets your heart moving, and soon the rest of your body feels like dancing along“ (Frederick 2008: 234). Hart ins Gericht mit der Herzschlag-bezogenen Begründung eines menschlichen Grundschlags von 120 BpM (Beats per Minute, Schläge pro Minute) geht dagegen Jourdain, der diesen möglichen Zusammenhang als „kompletten Unsinn“ bezeichnet. Ausgehend von einer rein neurologisch-psychologisch orientierten Warte führt er ausdrücklich aus: „In der Renaissance glaubte man, dass die kürzesten Noten (die trotzdem viel länger sind als unsere heutigen) in der Musik durch den Herzschlag diktiert werden. Tatsächlich korrespondiert das »normale Tempo« (tempo giusto) mit 76 bis 80 Schlägen pro Minute, in dem ein Großteil der Barockmusik geschrieben wurde, relativ gut mit dem durchschnittlichen Herzrhythmus. Die Forschung legt allerdings eine rein zufällige Übereinstimmung nahe. Musiker mit höherem durchschnittlichen Pulsschlag neigen nicht dazu, in schnellerem Tempo zu spielen. Außerdem zeigen die beachtlichen Schwankungen im Pulsschlag eines Spielers keinen Zusammenhang mit den Tempowechseln während einer Aufführung“ (Jourdain 2001: 188).

Andererseits vermuten wiederum andere Neurologen, dass es zumindest eine Verbindung von komplexen repetitiven Bewegungen wie Gehen und Tanzen zu einer entsprechenden Musik gibt. Dies könnte bei einer Störung oder bei einer Genesung nach einem Unfall helfen, komplizierte Bewegungssequenzen neu zu organisieren und wieder einzuüben (Sacks 2008: 261). Auf jeden Fall scheint das Metrum eines Stückes das auslösende Moment zu sein, mit den Füßen mit zu klopfen oder mit den Fingern zu schnipsen. Das Tempo, oft auch als Beat oder Grundschlag bezeichnet, eines Stückes wirkt dann wie unmittelbar verbunden mit der Schnelligkeit dieser Bewegungen: „Wenn sie sich ein Lied als lebendiges, atmendes Wesen vorstellen, so ist das Tempo gewissermaßen seine Gangart – die Geschwindigkeit, in der es vorbeigeht – oder sein Puls, die Geschwindigkeit, mit der das Herz des Liedes schlägt“ (Levitin 2006: 62). Vorgabe: Welche Tempo-Daten sind bei erfolgreichen Songs in welcher Häufung vorzufinden? Gibt es eine klare Dominanz von ca. 120 BpM pro Minute?

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Warum Hits Hits werden

weniger als 80 BpM 80-110 BpM 110- 125 BpM 125- 145 BpM mehr als 145 BpM

2.4.3 Die Tanzbarkeit oder Danceability Auch die Frage nach der Tanzbarkeit, nach dem Grad der Stimulation zur tänzerischen Bewegung bei einem Stück, soll ausdrücklich gestellt werden. Liegt ein Bezug von Rhythmus zu tänzerischen Bewegungen automatisch bei jedem PopmusikStück vor? Und wenn ja, welche Voraussetzungen müssen dafür bei der Produktion erfüllt worden sein? Und ist der Rhythmus von Musik wirklich eine betont auf den ganzen Körper zielende Angelegenheit? Dies verneint wieder Jourdain ausdrücklich und sieht das Gehirn als Ausgangspunkt des Rhythmus, der damit eben nicht von Herzschlag und Körperbewegungen abzuleiten sei. Die Erklärung, die er dafür anbietet, liegt für ihn im Zwiespalt der harmonischen und der rhythmischen Entwicklung begründet: „Als sich im 18. Jahrhundert die temperierte Tonleiter durchzusetzen begann, stürzten sich die Komponisten voller Enthusiasmus auf dieses neue Gebiet. Zum ersten Mal konnten sie sich mit ihrer Musik durch entfernte Tonarten bewegen und dabei harmonische Ideen entfalten. Sie fanden Gefallen daran, immer größere harmonische Konstruktionen zu entwerfen, die zum Teil mehrere Minuten dauerten. Überall wurden Abhandlungen über die Theorie der Harmonik geschrieben, kaum etwas über Rhythmik“ (Jourdain 2001: 195).

Daher fehlt seiner Ansicht nach heute der europäischen Kunstmusik eine ganze Dimension von musikalischer Ausdrucksweise, nämlich der musikalische Entwicklungsmöglichkeit in metrischen Verläufen. Andererseits sieht er die aktuelle Popmusik als ein Gebiet, wo die „Besessenheit vom Rhythmus alles trivialisiert, was es berührt, und unsere niederen Instinkte anspricht wie Fastfood.“ Und weiter heißt es: „Seitdem die Popmusik mit Rhythmuscomputern und riesigen Lautsprechern im Schlepptau ihren Siegeszug über die ganze Welt angetreten hat, liegen nun die Anhänger des Metrums vorn“ (ebenda: 197). Unabhängig von diesen Erklärungsversuchen herrscht aber weitgehend Einigkeit darüber, dass nicht allein nur ein durchgehendes Metrum, etwa ein simpler Metronom-Schlag mit 120 BpM, die rhythmische Grundlage für einen Hit bilden kann. Neben dem reinen Tempo kommen noch weitere, interne rhythmische Betonungen hinzu, da die Musik ja „zu langweilig wäre, wenn es nur diese einfach strukturierten, fortlaufenden Schläge gäbe“ (Levitin 2006: 65). In der Regel werden daher zur Bildung eines schwingenden Schlagzeugmusters, eines Grooves, die Unterteilungen des durchgehenden

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Viertel-Schlags in Achteln, Sechzehnteln oder zugehörige Triolen benötigt, die für die notwendige Feineinteilungen sorgen. Die damit erreichten rhythmischen Stimulationen könnten dann wiederum verwendet werden, um der Melodie eine entsprechende Belebung zu vermitteln (Frederick 2008: 237 f.). Andererseits darf offensichtlich die populäre Musik auch in ihren internen rhythmischen Feinheiten nicht völlig überraschend und ungewohnt aufgebaut sein, da sie den üblichen Gebrauchsweisen sonst nicht entspricht oder zu wenig entgegen kommt. Pfleiderer zählt die für ihn typischen Arten der Verwendung auf: • • •

„Musik dient der Synchronisation von körperlichen Bewegungen unterschiedlicher Individuen und muss daher für diesen Zweck vorhersehbare Strukturen bereit stellen. Daneben kann eine rhythmisch klar strukturierte Musik direkt Energie erzeugen und damit als Antrieb für unterschiedlichste Aktivitäten dienen, und jegliche Form von geistig vermittelten Gebrauchsweisen vermitteln, die sich an theoretisch jeden denkbaren Aspekt – und damit auch an die zeitlich gestaltende Rhythmik – von gehörter Musik anbinden lassen können“ (Pfleiderer 2006: 20).

Eine dezidierte Motivation zum Tanzen, eine unmittelbare Stimulation zur tänzerischen Bewegung, nennt das Team des Projektes Score-a-Hit Danceability. Sie haben die Wichtigkeit dieses speziellen Faktors, bezogen auf die Popmusik der vergangenen letzten Jahrzehnte, versucht grafisch darzustellen. Dabei wird dort gezeigt, dass Mitte der achtziger Jahre und dann wieder fünfzehn Jahre später die Wichtigkeit der Tanzbarkeit wohl ein ausschlaggebender Faktoren war, der nachfolgend aber wieder an Wichtigkeit einbüsste. Heute ist offenbar ein intensiver Groove und damit eine hohe Danceability etwas, was nicht unbedingt alle aktuellen Hits maßgeblich beeinflusst, dafür aber wiederum bei weniger erfolgreichen Produktionen auffallend häufig zu finden ist:

(de Bie 2012: online)

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Vorgabe: Wie viele der erfolgreichen Songs sind betont tanzbar bzw. zum Tanz stimulierend angelegt und verfügen damit über eine hohe Danceability? hohe durchschnittliche ansatzweise keine

2.5 Das Arrangement Schon früh wird bei Popmusik davon gesprochen, dass der Klang einer Aufführung oder Tonaufnahme, der Sound, wichtiger sei als die Komposition oder das Songwriting, also das eigentliche musikalische Handwerk: „Die Rangordnung heißt Technik, Interpretation, Komposition. Nicht was gemacht wird, auch nicht wie es gemacht wird, sondern womit es gemacht wird, bestimmt die Qualität einer Musik, deren Progressivität nicht in der Erneuerung musikalischer Dimensionen, sondern in der Umwertung einzelner Parameter besteht. Das Wechselspiel zwischen Technik und Musik beginnt bei den Instrumenten und Apparaten, die zur Manipulation des Instrumentenklangs dienen, schließt das System der Verstärker, Mikrophone und Lautsprecher mit ein und endet schließlich bei den Aufnahmeverfahren in den Studios und bei den Herstellungsprozessen der Schallplattenindustrie“ (Sandner 1977: 83).

2.5.1 Die Besetzung Damit rückt aber auch die Frage nach der Besetzung in den Vordergrund, sind doch neben der Stimme spezielle Instrumente die eigentlichen vordergründigen Klangerzeuger in der Popmusik: „Heute sind es vor allem zwei Instrumente, die den aktuellen Sound der Rockmusik bestimmen und von der Technik mit besonderem Aufwand weiterentwickelt werden: Gitarre und Synthesizer“ (ebenda: 84). Gut zwanzig Jahre vorher, in den fünfziger Jahren, war es noch ein anderes bevorzugtes Instrumentarium gewesen, das im Rock 'n' Roll und Rhythm&Blues die amerikanische Jugend elektrisierte: „Die elektrische Gitarre war vergleichsweise neu. Aber das heisere und rauhe Tenorsax war wiederum der Swing-Musik entlehnt. Bei den Auftritten war es der Tenor-Mann, der den Laden einheizte“ (Shaw 1978: 97). Für den Rock der siebziger Jahre sah Kneif die Prioritäten und Gewichtungen wiederum anders verteilt: Für ihn sind dort zwar eindeutig weiterhin die Zupfund Schlaginstrumente wie Gitarre und Bassgitarre die maßgeblichsten Klangerzeuger, neben ihnen sei aber auch die elektrische Orgel in den sechziger Jahren hinzugekommen, wobei er dort als wichtigsten Vertreter die Hammond-Orgel nennt. Daneben erwähnt er die neu ins Rock-Instrumentarium aufgenommenen Instrumente wie die indische Sitar und die große Familie der Latin Percussion.

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Ausdrücklich verweist er aber auch auf Elektronische Musik, die eben nur noch aus elektronisch erzeugten Klängen besteht. Diese grenzt er scharf von der – teilweise oder nur – mit elektrisch verstärkten Gitarren erzeugten Musik ab: „Instrumente, deren Schwingungen mechanisch entstehen, jedoch elektrisch übertragen werden, nennt man zweckmäßigerweise elektrische oder elektroakustische Instrumente. Diese und elektronische Musik zusammen ergeben eine halbelektronische Musik“ (Kneif 1978: 99 f.). Heute werden gerade bei den aktuellen Produktionen vorrangig Drum-Computer und Sampler verwendet, also komplett neu erfundene und erst ab den achtziger Jahren für eine breite Interessentenschar erschwingliche Geräte. Dies betrifft weithin und in großer Vielfalt speziell die aktuellen Stilrichtungen von Rap über Reggae-Funk bis hin zu modernem Dance-Pop, wo mittlerweile die einzelnen Geräte oft nur noch als emulierte Software-Versionen auf den Rechner-Bildschirmen vorhanden sind. Dabei wurde die Entwicklung der elektronischen SchlagzeugMaschinen, deren erste Vorläufer – in Form etwa des Rhythmate, gebaut vom Amerikaner Harry Chamberlin – bis in das Jahr 1949 zurückdatieren, anfangs getragen von meist recht praktischen Gründen: „Rhythm has always been a problem for any musicians playing in a reasonably confined space. Drummers are loud, they annoy the neighbors, and their drum kits take up a lot of room. They also often play out of time. Yet most music, particularly pop music, needs rhythm. What a joy it would be to have drummers and drum kits that were completely reliable, space efficient, and with volume controls. This was the dream that consumed the rhythm machine pioneers“ (Brend 2006: 60).

Wie sehr die – anfangs enorm hohen – Erwerbskosten gerade dieser elektronischen Instrumente dann immer weiter sanken und zuletzt wahrlich erschwinglich wurden, lässt sich gut an der Entwicklung der Synthesizer aufzeigen. Neben den ersten Vorläufertypen von Robert Moogs Synthesizern und dem nachfolgenden Minimoog war es vor allem das von Jon Appleton entwickelte Synclavier der Firma New England Digital Corp., das als die erste Ausführung eines Computer-basierten elektronischen Instrumentes gilt – 1974 erhältlich für einen Preis von 200.000,- bis 300.000,-$, je nach gewünschter Ausführung und mitgeliefertem Zubehör. Das ab 1978 nachfolgende Fairlight CMI mit integrierter Sample-Funktion konnte dagegen bereits ab 25.000,-$ erworben werden. Aber schon 1980 führte Casio mit seinem VL-1 vor, dass es schlichte und doch nutzbare elektronische Instrumente auch zum Preis eines Spielzeuges geben konnte. Immerhin kostete das kompakte Gerät mit Soundgenerator, Sequenzer und integriertem Taschenrechner gerade einmal 70,-$, bzw. in Deutschland um die 150,- DM. Von nun ab waren damit elektronische Tasteninstrumente durchwegs massenkompatibel und trotz enorm schnell zunehmender Leistungsfähigkeit praktisch für jeden Interessierten problemlos erschwinglich. Selbst eine mächtige Komplett-Lösung mit vielfältigen, erstklassigen Sounds und

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vollständiger Piano-Tastatur, integriertem Drum-Computer und eigenem MehrspurSequenzer wie die Workstation M1 von Korg waren schon bald darauf für relativ wenig Geld erhältlich. Mit dem Ergebnis, dass bis 1994 über 250.000 Einheiten dieses Gerätes verkauft wurden, was rückblickend den wohl endgültigen Durchbruch der elektronischen und auch Rechner-basierten Klangerzeuger auf dem kommerziellen Markt verdeutlichen dürfte (Holmes 2008: 265 ff.). Heute findet sich bei einem Nebeneinander von traditionellen und elektronischen Instrumenten eine dementsprechend breite Palette an Besetzungen innerhalb der Popmusik: Abgesehen von den solistischen Interpreten mit Begleitung nur auf dem Klavier, der Gitarre oder gelegentlich sogar auf exotischen Saiteninstrumenten wie der Ukulele, gibt es nach wie vor die traditionelle Band-Formation der sechziger Jahre mit E-Gitarren und Schlagzeug. Daneben haben sich aber mittlerweile auch die teilweise oder vollständig mit elektronischen Klangerzeugern ausgestatteten Besetzungen etabliert. Oftmals hat sich damit auch eine Produktionsvorgehensweise durchgesetzt, bei der ausschließlich synthetische oder emulierte Sounds – mit Ausnahme des Gesangs – zur Verwendung kommen. Dazu konträr oder auch ergänzend kann noch immer der Einsatz von üblichen Instrumenten erfolgen. Gerade die traditionellen Streichinstrumente werden oftmals als bewusste Klangfarbe oder als markantes Stilmittel eingesetzt, das beispielsweise mit seinen akkordischen Flächen einer Produktion den entscheidenden Flair verleihen kann. Der Arrangeur Henry Mancini hielt bereits früher in seinem Instrumentations-Lehrbuch dazu fest: „Commercial writing demands a working knowledge of the string section. The arranger must be able to handle a string group of any size. The violin, the viola, and the cello are extremely versatile instruments. Dynamically, they go instantly from a double pianissimo to a double forte. Dramatically, their range is practically endless. The light, airy passages or the broad, somber ones are played with equal ease. Technically, just about anything is possible“ (Man-

cini 1973: 213). Dass genau zu dem Zeitpunk, wo eine hoch entwickelte Elektronik und ehrwürdige traditionelle (Streich-)Instrumente eigentlich die markantesten Unterschiede aufweisen, sie immer noch und wieder aufeinandertreffen, ist einer der vielen Merkwürdigkeiten in der Entwicklung von instrumentalen Klängen. Denn unterschiedlicher kann die Erzeugung von Klängen nicht sein – da die schwingende Saite mit ihrem kunstvollen Analog-Resonanzkörper, dort der digitale Elektronik-Kasten mit seinen Chips, Transistoren und vielfältigen Schaltern. Lange Zeit schienen viele Konstrukteure von Synthesizern die synthetischen Nachahmung der traditionellen Klänge sogar als wichtigste Aufgabe in den Vordergrund zu stellen. Nicht zuletzt getrieben von den Wünschen ihrer Kunden, die darin eine besonders attraktive Funktion der neuartigen Geräte sahen. Und so pendelten Pioniere der ersten Elekt-

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ronik-Generation wie Mathews und Pierce in einem Aufsatz über den Computer als Musikinstrument noch in den späten achtziger Jahren hin und her zwischen den so unterschiedlichen Anforderungen. Sie wussten vom Wunsch nach Imitation altbekannter Instrumente, auf der anderen Seite spürten sie aber den Drang, auch völlig andere, ja möglichst noch nie gehörte Klänge zu generieren: „Die Methoden der Klangsynthese, die wir beschrieben haben, dienen zwar vorläufig zur Nachahmung traditioneller Instrumente. Die digitale Elektronik kann aber ebenso leicht ganz neue Klangräume erschließen. Vor allem lässt die als Zahlenfolge dargestellte Wellenform – ob sie nun die Digitalaufnahme eines wirklichen Instrumentes ist oder im Computer selbst erzeugt wurde – sich ganz leicht manipulieren. Mit Hilfe der digitalen Klangbearbeitung kann jeder Klang auf der Stelle in einen ganz anderen verwandelt werden; zum Beispiel ist es ein leichtes, die menschliche Stimme wie Löwengebrüll klingen zu lassen. Die weitere Erforschung des musikalischen Klangs mit Computern wird sicherlich immer genauere Imitationen der traditionellen Instrumente und die schnelle Feinsteuerung der Klangqualität erlauben; dies ist für das Musizieren sehr wichtig. Der Computer spielt aber auch eine Schlüsselrolle bei der Untersuchung von subjektiven Empfindungen, die von Klängen ausgelöst werden. Das interessiert vor allem den modernen Komponisten, da er oder sie nicht mehr auf das Arrangieren herkömmlicher Instrumentalklänge beschränkt ist; es ist jetzt möglich, jeden Klang zu erzeugen, der überhaupt vorstellbar ist – ja sogar Klänge, die unser Vorstellungsvermögen übersteigen“ (Mathews 1988: 177).

Vorgabe: Welche Besetzungsformen sind heute im Bereich der expliziten Hit-Produktionen zu finden? Wie häufig verwenden weltweite Hits traditionellen StreicherInstrumente? Ansonsten: Da es sich bei Popmusik meist um Songs, um gesungene Lieder handelt, sind praktisch immer Gesangs-Stimmen zu hören. Reine Instrumental-Produktionen finden sich dagegen vermutlich seltener, eher dürften sie als genre-spezifische Tracks im Elektronik-Bereich anzutreffen sein. Solist, nur Gesang mit Gitarre/ Ukulele/ Klavier o.ä., kein Schlagzeug, keine Elektronik Band-Instrumentarium 1 Gitarre/ Bass/ Schlagzeug, keine Elektronik Band-Instrumentarium 2 Gitarre/ Bass/ Schlagzeug/ evtl. Keyboards Instrumental-Produktion ohne Gesang elektronische Studio-Produktion mit Gesang elektronische Studio-Produktion ohne Gesang Orchester bzw. Gruppen-Orchester-Instrumente im Vordergrund enthalten

2.5.2 Die Länge eines Songs Als eine weitere oftmals eherne Regel wird die Vorgabe gehandelt, dass ein üblicher Popmusik-Song eine Länge rund um die drei Minuten haben sollte – nicht weniger als zwei, aber auf keinen Fall mehr als fünf Minuten. So eindeutig und diskussions-

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los legen auch die meisten Praxis-Anleitungen ihren Lesern solch eine normierte Länge nahe. „Im allgemeinen solltet ihr darauf achten, zu Beginn nicht gleich Mammutsongs mit sieben oder acht Minuten Länge ins Programm zu nehmen. Falls ihr solche Titel schon spielt, so nehmt sie doch noch einmal genauer unter die Lupe“ heißt es etwa in einem Handbuch für Rockmusiker (Enkmann 1988: 68). Das bedeutet andererseits, dass ein längeres Stück mit über fünf Minuten Länge schon prinzipiell möglich ist. Eine Rock-Mini-Oper wie Stairway To Heaven von Led Zeppelin mit einer Länge von über acht Minuten oder ein Werk wie Echoes von Pink Floyd mit einer Ausdehnung von über 23 Minuten demonstrieren, welche zeitlichen Formate bei Popmusik-Werken denkbar sind. Doch offenkundig gilt es längst eindeutig als kontraproduktiv, wenn heute noch, mit Blick auf den breiten kommerziellen Erfolg, ein einzelner Song mit solch einer Über-Länge vorgestellt wird. Meist werden bei der Frage, woher denn diese Einschränkungen kommen, diverse Begrenzungen technischer Art angeführt: Beispielsweise gilt als eine wichtige Ursache die limitierte Länge von Tonträgern und die damit verbundene Eingrenzung auf nur wenige Minuten. Doch die Zeiten dieser rein technischen Vorgaben, bedingt durch die Länge einstiger Walzen oder historischer Grammophon-Platten bzw. durch die eingeschränkte Spieldauer von Singles, Langspielplatten oder auch von Kassetten und CDs ist mittlerweile ein vollständig überwundenes Relikt der Vergangenheit. Eingrenzungen dieser Art könnten in Zeiten von schier unbegrenzten Speicherkapazitäten längst als historisch betrachtet und bestenfalls nur noch als eine theoretische Limitierung verstanden werden. Warner vermutet daher, dass ausgehend von der einstigen technischen Begrenzung, heute andere Faktoren mitspielen: „Most pop songs last less than five minutes. Before the introduction of the long-playing record, it made sense for one pop song to fit on one side of a 78 rpm record: there was a technological reason why pop songs were short. Nowadays there are no such technological constraints but pop albums continue to be collections of five-minute songs. This suggests that single songs of short duration are a fundamental musical characteristic of pop. Inevitably, listening to a four-minute pop single is quite different from listening to a recording of a whole opera by Wagner, for instance. The pop listener has to be drawn into the music quickly, and no ambiguity is really possible (unless, of course, the fundamental character of the piece is ambiguity). It is perhaps for this reason that pop music has generated so many qualifying classifications: a pop recording tends to state its classification within the first 20 seconds or so, enabling the listener to decide whether to carry on listening or not“ (Warner 2003: 6).

Koltan wiederum geht davon aus, dass die Unterhaltungsmusik – völlig okkupiert von der Kulturindustrie – mit den kurzen, immer gleichartigen Stücken aus dem Bereich der üblichen Popmusik den musikalischen Analphabetismus der Massen fördern will. Konsequent beschimpft er daher diese Massenware als einen Triumph

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des musikalischen Effekts über die musikalische Substanz und bescheinigt den Stücken ausgelutschte Formen, abgedroschene Akkordverbindungen und die oft gehörte Penetranz des Vier-Viertel-Takts zu beinhalten und damit musikalischer Plunder in immer neuer Verpackung zu sein. Ein Ausbruch aus üblichen Konventionen ist so natürlich nicht möglich, eine autonome musikalische Entwicklung wird daher seiner Ansicht nach nicht stattfinden können (Koltan 2001: 6). Unumstösslich sind schließlich die Reglement-Vorschriften großer Wettbewerbe wie die des Eurovision Song Contest ESC, wo eine Länge der einzelnen Beiträge von maximal drei Minuten seit 1958 verbindlich vorgeschrieben ist. Bei Beschreibungen dieses internationalen Wettbewerbs wird aber auch immer wieder die Frage nach dem Sinn dieser zeitlichen Vorgabe gestellt – und hier mit einem neurologisch-fundierten Argument beantwortet: „Der Grund hierfür liegt wohl in einem Feld, das den Gründern des ESC und den Vätern der Popmusik noch unbekannt gewesen sein dürfte. Denn in den fünfziger Jahren gab es noch nicht all die hübschen Bilder von Gehirnen mit eingefärbten Arealen, die uns anzeigen, was wir denken und tun. Heute wissen wir: Die durchschnittliche Kapazität des Arbeitsgedächtnisses entspricht ziemlich genau dem, was man in drei Minuten aufnehmen kann. Nach etwa drei Minuten benötigt das Gehirn immer wieder eine kurze Pause. Hirnforscher empfehlen deshalb, Informationseinheiten in Schule und Universität in Drei-Minuten-Abschnitte einzuteilen“ (Dreyer 2011: 71).

Dem Bild vom klar definierbaren Sitz bestimmter Gedächtnisareale im Gehirn widersprechen allerdings andere neurologische Studien: „Das Bild vom lokalisierbaren Langzeit- und Kurzzeitspeicher ist also eher metaphorischer Natur“ (Gruhn 2008: 184). Wie sehr aber die Rezipienten heute schon selber darauf eingestellt sind, dass ein Popmusik-Song sich üblicherweise um die magische drei-MinutenLänge bewegt, zeigt eine Befragung im Internet, bei der nach der Dauer des perfekten Popmusik-Songs gefragt wurde:

(Shadowcast 2009: online)

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Vorgabe: Auch wenn theoretisch unterschiedlichste Längen bei einem PopmusikStück denkbar sind, gilt doch meist eine Drei-Minuten-Länge als das übliche Maß. Wie ist das nun bei den erfolgreichen Songs aus modernen Produktionen – welche Längen sind hier vorzufinden? weniger als zwei Minuten 2:00 - 2:30 2:31 - 3:30 3:31 - 4:30 über 4:31

2.5.3 Der Standard der Produktionstechnik Nicht zuletzt die Geschichte der Beatles ist ein gutes Beispiel für eine Entwicklung der Aufnahmetechnik: Sie beginnt dort mit den ersten einfachen Studio-Sessions, wo ein paar wie live dargebotene Songs auf Tonband festgehalten wurden, und reicht – nur wenige Jahre später – hin zu Produktionen, die als Folge von diversen aufwändig gestalteten Recording-Einheiten entstanden war. Moore spricht daher davon, dass zunehmend solch eine vielfältige Ton-Collage, ein Track, als eine komplexe auditive Einheit die reine Song-Komposition ersetzt hat. Daher sei es – gerade für eine musikwissenschaftliche Untersuchung – unerlässlich, zusätzliche Parameter wie Textur und Klangfarbe stärker in eine Analyse und Bewertung einzubringen, als dies üblicherweise bisher geschehen sei. Dafür bringt er das Bild einer Sound Box ein, in der er die Kategorien Weite, Höhe, Tiefe und zeitliche Änderungen aufnimmt, die er von anderen Autoren als Stereo-Panorama, spezifisches Frequenzbild, Vordergründigkeit im Mix und erzählenden Charakter im Songverlauf interpretiert sieht (Moore 2010: 258). Diese Entwicklung vom live vorgetragenen Lied zur akribisch konstruierten Studio-Produktion sieht Moore als einen generellen Trend der letzten Jahrzehnte. Ausdrücklich betont er dabei, dass der Umstand einer ausgefeilten Studio-Produktion beim Hörer keine Einschränkung der Phantasie bewirke, sondern sie sogar im Gegenteil eher anrege: „Over the period of the last forty years, then, a change of focus from »song« to »track« can be traced, whether or not the individual thing to which we listen has words or not, and is sung or not. This process thus marks a change from the abstract to the concrete – from the »song« which requires a performance in order to be realized, to the »track« which is already its own performance. It may be thought that a consequence for listeners is that there is now less reason for them to use their aural imagination, because the gaps are, so to speak, »filled in«. However, it would appear that this is less the case than that, in the aural richness of material which now surrounds us, listeners´mental lives are themselves augmented, and the impetus for the use of the imagination is increased“ (ebenda: 264).

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Tatsächlich wird bei – erfolgreicher – Popmusik auf auf eine hochwertige Studioproduktion großer Wert gelegt und ein entsprechender Aufwand betrieben. Das, was man vor sich bzw. den Mikrophonen hat, betont nochmals durch den Aufnahmeprozess zu verbessern, ist dementsprechend längst auch Teil der Aufnahme-Philosophie geworden. Eine Ansicht, die auch der bekannte Produzent Eddie Kramer vertritt, der Pop-Größen wie die Rolling Stones, Kinks, Jimi Hendrix und Led Zeppelin betreut hat. Er begann seine Karriere in einer Zeit, in der die technischen Möglichkeiten noch recht eingeschränkt waren. Beispielsweise standen nicht annähernd so viele Spuren bei den Aufnahmen zur Verfügung, wie das heute der Fall ist. Dennoch gilt es zu berücksichtigen, dass in den damaligen Top-Studios hochwertigste Mikrophone, Röhren-Mischpulte und analoge Bandmaschinen als basale Grundausstattung vorhanden waren, so dass rückblickend ein guter Klang allein durch diese Aufnahme-Werkzeuge – kombiniert mit dem Wissen, wie sie einzusetzen waren – sehr wohl möglich war. Und es gab gewisse Entwicklungen, die auf technische Unzulänglichkeiten zurückzuführen waren, sich aber in den Händen wagemutiger Tontechniker doch als sehr wegweisend herausstellen sollten. Beispielsweise konnten bei einer damaligen Aufnahme, angesichts der wenigen Spuren auf den damaligen Zwei- und Vier-Kanalgeräten, nicht alle Signale der Instrumente einzeln aufgenommen und damit sauber voneinander getrennt werden. Die jeweiligen Mikros erfassten vielmehr auch Schallwellen von benachbarten Klangquellen und erzeugten auf ihrer Spur ein zusätzliches Hineinklingen, eine sogenannte Übersprechung oder Leakage. Dies wird heute mit Hilfe vieler separater Einzelaufnahmen möglichst ausgeschlossen, aber Kramer preist in Bezug auf seine Produktionen den satten Klang, den er durch das gleichzeitige Spiel der Musiker, dann eben verbunden mit genau mit dem Bleeding In, dem Hineinbluten von an sich unerwünschten Nebengeräuschen, erreichte: „I don´t care if it´s classical or rock or country, you´ve got to capture that performance and the hell with the bloody leakage“ (Owsinski 2005: 324). In modernen Produktionen wird dagegen überwiegend konsequent mit Rechner-unterstützter digitaler Peripherie gearbeitet, wodurch viele der früheren technisch bedingten Limitierungen völlig entfallen sind. Entsprechend werden in der Regel eine große Anzahl einzelner Spuren und Klang-Dateien erzeugt und erst nachfolgend im Mix zu einer Gesamtheit zusammengefügt. Daher hat dieser spätere Mix-Prozess als Teil des Produktionsvorgangs eine zunehmende Wichtigkeit bekommen. Demgemäß nimmt diese Thema bei Interviews mit erfolgreichen Produzenten und Tontechnikern gerne einem großen Platz ein: Ob zuerst mit den Rhythmus-Instrumenten oder dem Gesang begonnen wird, wie viele einzelne Spuren zur Abbildung eines Instrumentensounds benötigt werden, und wie die Reihenfolge und die genauen Einstellungen bei Kompression und Klangbearbeitung mit den auf-

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wändigen EQ-Geräten vorgenommen wird – alles das wird ausführlich und detailliert hinterfragt, wobei die Antworten, etwa auf die Frage nach dem »richtigen« Aufnahmeverfahren für einen angenehm rund und warm klingenden Bass, für technische Laien wie Informationen aus einer anderen Welt klingen können: „With Nate I use the solid stuff – an 1176 or an LA-4A. I´ll use a compression ratio of 4:1, knock off 3 or 4 dB. Even though I´m almost always recording to digital multitrack [Sony 3348], in my head, I´m still thinking analog tape at +9. So I very rarely want to go over 0 VU; I´ll hit it occasionally, dance around it“ (Massey 2000: 292).

Die Rolle des Ton-Technikers und des ausführenden Produzenten hat sich damit in den letzten Jahren dramatisch geändert: Längst ist er nicht nur technischer Betreuer, sondern auch ein kreativer Mit-Arbeiter geworden, der gerade im Bereich Popmusik eine äußerst wichtige Rolle einnimmt. Nicht nur muss er ein ausgewiesener Fachmann in allen technischen Belangen sein, sondern er sollte gleichzeitig auch die klanglichen Vorstellungen umsetzen können, mit denen Künstler heute ins Studio kommen. Der Produzent spielt damit heute eine maßgebliche Rolle im kreativen Ablauf bei der Erstellung einer Pop-Aufnahme: „The creative involvement of the producer in the shaping of a record´s sound also reflects how technology and artistic creation are increasingly interdependent in our culture. Just as the sound of the symphony orchestra which powered the works of the great symphonists reflects the mechanical technology of the seventeenth through nineteenth centuries, so modern pop recording has embraced the analog and digital technologies which characterize our cultural epoch. As recordings which utilize advanced technologies in new ways set trends and turn a profit, there is greater demand for new equipment, which in turn pushes the envelope of what is possible in the studio“ (Moorefield 2005: XVII).

Gleichzeitig wird immer wieder noch von der Priorität des Songs über seiner Aufnahmequalität gesprochen – muss dann ein Demonstrations-Band, das eine junge Gruppe präsentieren und erstmalig vorstellen soll, wirklich bereits hochklassigen Studioansprüchen genügen? Reicht nicht eine hingeworfene Aufnahme auf einem schlichten Recorder aus, um die Qualität der Künstler ausreichend zu präsentieren? Nein, sagen die Ratgeber für Nachwuchs-Bands und betonen, dass man den Produktionsstandard schon beim ersten Einstieg in das Business besser nicht vernachlässigen sollte: „Auf keinen Fall sollte der Musiker seine eigene Produktion mit den Worten »Eigentlich klingen wir viel besser als auf dem Demo« anbieten. Das törnt den A&R nur ab, überhaupt reinzuhören. Also entweder hinter dem Angebot stehen oder es ganz sein lassen! Im Zweifelsfall ist es immer besser, einen guten Titel zu produzieren als mehrere mittelmäßige“ ( Jahnke

1998: 62f.).

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Vorgabe: Es soll die Rolle der tontechnischen Qualität bei erfolgreichen Stücken hinterfragt werden: Muss es unbedingt ein hochwertiger Sound unter Hinzunahme aller nur denkbaren hochwertigen Gerätschaften sein, oder darf eine Produktion auch mit nur wenigen einfachen Mitteln erstellt werden – und kann trotzdem ein Hit werden? erkennbar amateurhaft/Demo mittlerer Qualität, einfache Studio-Produktion erstklassige Qualität in tontechnischer Sicht

2.5.4 Die stilistische Geschlossenheit Ist es statthaft oder für einen Hit sogar sinnvoll, möglichst auch unterschiedliche Klangelemente in einen Song einzubinden? Wie geschlossen, wie homogen und wie stilistisch zugehörig müssen die einzelnen Elemente in einem Stück sein, damit daraus ein Hit werden kann? Offenkundig bewegt sich der Macher eines neuen Stückes konstant zwischen den Polen Innovation auf der einen Seite und drohender Langeweile auf der anderen. Sind stilistische Mixturen hier eine Lösung? Doch wie weit geht ein Publikum mit, bei Country-Sounds in einem Heavy-Metal Song oder bei Punk-Allüren in einer schmusigen Pop-Ballade? Wie weit können die Grenzen einer stilistischen Formateingrenzung überschritten werden? Was macht eine Band wie Hayseed, wenn sie Titel von AC/DC mit Banjo und Dobro-Gitarre interpretiert – etwas Neues, etwas Innovatives oder nur einen jeweils karikaturhaften Stil-Mix? An diesem Punkt wird erkennbar, wie sehr sich die Avantgarde-Bewegung von der Popmusik abgrenzt. Zwar wird kaum ein Wort im Umfeld von Popmusik so oft verwendet wie der Begriff neu – doch genau dieses angeblich Neuartige ist es, was in den Augen der Avantgarde-Vertreter so gar nicht neu ist. Bürger führt dazu in seiner Theorie der Avantgarde aus, dass beispielsweise schon beim Minnesänger in jedem seiner angeblich neuen Lieder innerhalb enger Grenzen nicht nur die Thematik, sondern auch eine Vielzahl von Motiven bereits fest vorgegeben waren. Und im Gegensatz zu dem Bestreben der Moderne geht es seiner Ansicht nach auch in der Popmusik nur um eine Fortentwicklung, nicht aber um das „Durchbrechen einer Tradition. Was die Kategorie des Neuen in der Moderne von früheren, durchaus legitimen Anwendungen derselben Kategorie unterscheidet, ist die Radikalität des Bruchs mit dem bisher Geltenden“ (Bürger 1974: 82). Es wäre zu fragen, ob in der Popmusik radikale Brüche überhaupt auftreten können, oder ob nicht immer nur sattsam Bekanntes und Althergebrachtes – in leicht verändertem Arrangement-Gewand – als neu angeboten wird. Diese Ansicht vertritt Koltan, der damit die Unterhaltungs-Musik pauschal angreift: „Die Kulturindustrie bedient nicht nur den musikalischen Analphabetismus der Massen, sondern fördert ihn auch noch gezielt durch den Schund, den sie unter's Volk bringt. Wenn der

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kulturindustrielle Ramsch überhaupt eine Entwicklung kennt, dann nur die Pseudoentwicklung der Mode. Mode ist das Gegenteil von Geschichte: Das Immergleiche im permanenten Gewande des Neuen“ (Koltan 2001: 5).

Können große Hits überhaupt anerkennungswürdige Pionierwerke sein, die in ihrem Aufbau und ihrer Gestaltung, im Klanggewand oder ihrer Textur radikal Neues anbieten und damit die übliche stilistische Geschlossenheit verlassen? Und sind dann solche radikalen Veränderungen im Notenbild überhaupt greifbar und nachvollziehbar? Es ist Wicke, der daher immer wieder darauf hinweist, dass eine Reduzierung auf eine notierte Partitur gerade der klanglichen Aussage eines Stückes nicht gerecht werden kann: „Wenn Musik tatsächlich auf eine abstrakte Struktur reduzierbar wäre, die sich beliebig »verklanglichen« ließe, dann würde ihre sinnliche Wirklichkeit zur auswechselbaren Äußerlichkeit, und eine solche Annahme ist nun gerade im Kontext der populären Musikformen, der Rockmusik zumal, geradezu absurd zu nennen. Eigentlich geht es hierbei auch gar nicht um Frage, ob die Übertragung melodisch-rhythmischer Parameter aus einem klanglichen Medium in ein anderes möglich ist, sondern vielmehr darum, ob die europäische Notenschrift des 19. Jahrhunderts – die zeitgenössischen Varianten sind durchweg ignoriert, obwohl sie eine Auseinandersetzung mit der gleichen Problematik darstellen – das Klanggeschehen in Musik tatsächlich universell zu repräsentieren vermag“ (Wicke 2003: 120).

Vorgabe: Kann das Neue in der Popmusik sich darin äußern, dass bestimmte Stücke die üblichen musikbezogenen Grenzen überschreiten? Kann trotz des Außergewöhnlichen ein breites Publikum folgen und diesen Song damit zu einem Hit machen? Sind es nicht eher Klang- und Arrangement-Innovationen, die eine Entwicklung innerhalb der Popmusik vorantreiben – und die ihrerseits in einer Noten-Partitur gar nicht greifbar sind? konsequent stilistisch geschlossen, genre- und zeittypisch, ohne Ausreißer explizite (Sound-)Auffälligkeiten oder Ungewöhnlichkeiten

2.5.5 Der Einsatz von auditiven Logo-Parts Bei einer Musik, die auf gleichbleibenden ostinaten Rhythmus-Pattern, auf gleichartig angelegten Struktur-Konstruktionen und auf wenigen, formelartigen Harmonie-Wiederholungen beruht, ist es nicht verwunderlich, dass gelegentlich selbst kleine und kleinste Elemente herangezogen werden, um doch eine gewisse Individualität bei den einzelnen Stücken auszumachen. Diederichsen verweist diesbezüglich auf oftmals kaum sekundenlange akustische Logos und Trademarks, auf die „kleinsten und einfachsten Einheiten auf der untersten Stufe des Vokabulars der

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Kulturindustrie“. Diese einzelnen akustischen Elemente können sehr viel schneller Eigenarten einer kompletten Stilistik kommunizieren, da sie in Bruchteilen von Sekunden, etwa mit einem Kiekser oder Jodler in der Gesangsstimme, bereits eine stilistische Gesamtheit verkörpern und repräsentieren. Am Beispiel des frühen Rock 'n' Roll verdeutlicht er diese Idee: „Während von allen Seiten Rhythmik, sexualisierte Stimmen und Performances oder die Begegnung weißer Hillbilly- mit schwarzer Rhythm&Blues-Kultur als entscheidende Elemente des Rock 'n' Roll benannt wurden, war es doch das kleine fungible Logo-Geräusch, das zu einem der hartnäckigsten Kennzeichen von Popmusik werden sollte, weil es die größte strukturelle Neuerung darstellte“ (Diederichsen 2008: 110).

Der Begriff Logo wird heute üblicherweise im Bereich Werbung und beim sogenannten Audio-Branding verwendet. Dort bezeichnet er – als Audio-Logo – kurze markante und damit wiedererkennbare Motive, die beispielsweise als einleitendes Intro oder abschließendes Outro eines Werbejingles eingesetzt werden. Nur gelegentlich werden sie in der Literatur auch in ihrer musikalischen Machart beschrieben, etwa dass bei ihnen oft aufsteigende, akzentuierte Klangfolgen oder auch immer wieder Betonungen und Verlängerungen speziell des letzten Tones zu finden sind (Lagler 2008: 51). Um dann innerhalb eines Audio-Logos nochmals bestimmte Elemente herauszugreifen und gesondert betrachten zu können, wird bei Bronner das Sound Icon eingeführt. Dies bildet als ein besonders auffälliger Part einer klanglichen Gestalt einen Teil des Audio-Logos, das in sich eine eindeutige akustische Aussage hat mit wiederum einem eigenen Wiedererkennungseffekt. Als Beispiele dient hier das Zischen oder Ploppen einer Flasche, das sofort eindeutige Assoziationen etwa bei einer Getränkewerbung hervorrufen kann (Bronner 2007: 88). Bei der Suche nach solchen auffälligen Kennzeichen innerhalb eines PopmusikSongs ist es nicht immer leicht, beispielsweise beim Gesang ein funktionsbezogenes Logo mit Aufforderungscharakter von einer individuellen persönlichen Färbung oder Abwandlung zu unterscheiden. Oder wie kann die – für deutsche Ohren – auffällig britische Aussprache der Sängerin Lena eingeordnet werden? Diederichsen sieht drei Gruppen von Logo-Zeichen, die seiner Ansicht für typischerweise in Popmusik-Songs auftauchen: • Zuerst den Typus des kurzem Einwurfs, den die Musiker selbst geschaffen haben: Vom Schluckauf der Rock 'n' Roll-Sänger bis zum Slap-Bass des Funks können hier bestimmte Symbole als sofort erkennbares Merkmal, aber auch als Begrüßung oder gar Beschimpfung dienen. • In eine zweite Gruppe von Logos werden konkrete Geräusche aus der realen Umwelt eingeordnet, von militanten Schieß- und Explosivgeräuschen bis hin zu Glockengeläut, Eisenbahnen, Autoverkehr und Motorräder. • Und schließlich sind in einer dritten Gruppe die typischen Sounds neuartiger

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Instrumente zusammengefasst. Klänge, die nicht zuzuordnen sind zu einer konventionellen Quelle; die zwischen konkretem Geräusch und dem, was man als Keyboard oder Gitarre kannte, nicht eindeutig unterzubringen sind und damit die Bedingungen eines ganz besonderen Faszinosums bilden: „Der Klang ohne Ursache, der seine indexikale Spur verlässt und von überall her zu kommen scheint“ (Diederichsen 2008: 111). Vorgabe: In wie vielen Songs tauchen solche knappen und charakteristischen Logo-Phrasen auf, die dabei einen Song stilistisch oder individuell deutlich prägen? Logo aus Ruf oder Stimme (Lena und „Daii“) Logo aus Geräuschwelt (Auto, Technik, Umwelt) Logo aus Instrumentensound (Keyboard, E-Gitarre usw.)

2.6 Die non-musikalischen Elemente Popmusik zu analysieren kann, im Gegensatz zu einer rein musikbezogenen Betrachtung, auch die Integration anderer Perspektiven bedeuten. Dann ist das Outfit und das authentische Image genauso wie die Haartracht des Künstlers gleichermaßen von Bedeutung wie die Mechanik eines Instrumentes, die Thematik eines Textes oder das Cover eines Albums. Und während in einem alltäglichen Thematisieren sich Popmusik als ein leicht zu fassender Gegenstand präsentieren mag, ist bei solch einem Ansatz Popmusik in einem wissenschaftlich forschendem Umfeld schon bald „eine hybride Kunstform, die einer substantiellen Trennung von »primärem« Text und »sekundärem« Kontext widersteht“ (Petras 2011: 15). Bei einer Betrachtung der non-musikalischen bzw. der nicht explizit primären Aspekte von Popmusik käme auch bald die Frage auf, inwieweit sich denn hier dezidierte Regeln und Normen finden lassen. Und ob sich diese als unbedingt zu erfüllende Vorgaben erweisen, oder ob hier nicht sinnvoller von eventuell einzuhaltenden Tendenzen gesprochen werden sollte. Moore befürchtet, dass ein Song, der alle Regeln klischeehaft erfüllt, daraufhin schlichtweg nur gähnend langweilig wäre (Moore 2013: online). Kann ein Song alle Vorgaben erfüllen und dann dennoch, trotz einer – langweiligen – Üblichkeit, eine hohe Attraktivität erreichen? Vielleicht sogar gerade deswegen?

2.6.1 Die Anzahl der Gesangs-Interpreten Popmusik ist ein Stil, bei dem neben Harmonik und Rhythmik meist der Gesang als das hervorstechendste Element angesehen wird. Singen wird als die direkteste Art bezeichnet, sich musikalisch mitzuteilen und Emotionen beim Hörer zu wecken (Beuth 2013: online). In der Regel wird dabei in dem jeweiligen Lied mithilfe des Gesangs ein wie auch immer gearteter Text vorgetragen, der entsprechend seinen Anteil an der Wirkung beim Rezipienten hat. Da üblicherweise markant eine ein-

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zelne Gesangslinie vorhanden ist, lässt sich dementsprechend davon ausgehen, dass in den meisten Songs ein Sänger bzw. eine Sängerin im Vordergrund steht. Die Gesangsstimme kann dabei im Sinne einer verstärkenden Unterstützung auch von einem Chor oder chorartig gesetzten Stimmen aufgegriffen und verstärkt werden. Meist geschieht dies im herausgehobenen Refrain-Teil, im Chorus. Inwieweit allerdings deswegen eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Songpart Chorus und einem dort agierenden Chor besteht, ist fraglich und wird eher abgelehnt bzw. als eine Sichtweise früherer Jahre aufgefasst (von Appen 2012: 70). Eine zwingend vorgegebene Verbindung von Refrain bzw. Chorus und mehreren Stimmen ist also nicht unbedingt vorauszusetzen. Ob es daneben – statistisch gesehen – innerhalb der aktuellen Popmusik insgesamt mehr männliche als weibliche Performer in Bezug auf die großen Hits gibt oder ob hier eine ungefähre Aktivitäts-Gleichheit herrscht, ist interessanterweise eine Frage, die in praktisch keiner aktuellen Songwriter-Anleitung gestellt oder überhaupt thematisiert wird. Die Überlegung, ob Sänger oder Sängerin, scheint in den heutigen emanzipierten Zeiten eher eine generelle Frage der Stilistik zu sein, die entsprechend sachlich in Internet-Foren abgehandelt wird und meist dabei endet, dass es wohl gleich viel Sänger und Sängerinnen gibt: „Kommt eben auf das Genre an. Frauen können meist nicht so laut singen und man findet sie eben weniger im Rock oder noch seltener im Metal. Sie singen öfter melodischer, daher eher Folk und Pop“ (user1192 2010: online). Vorgabe: Da Popmusik überwiegend als eine Gattung mit Stücken in Liedform und meist monothematisch mit einer Hauptgesangslinie angelegt ist, ist zu erwarten, dass in der Regel ein Gesangsinterpret im Vordergrund eines Songs steht. Sind dies dann eher männliche oder weibliche Interpreten? Und sind darüber hinaus auch Songs mit mehreren Sängern oder einem – zusätzlichen – Chor vorhanden? Solist männlich Solist weiblich Duo männlich/männlich Duo weiblich/weiblich Duo männlich/weiblich Solist plus Chor Chor bzw. Gruppe (durchgehend mehr als zwei Gesangsstimmen)

2.6.2 Die Qualität der Gesangsdarbietung Während bei der Besetzung des einzelnen Gesangsinterpreten eine gewisse Vielfalt herrschen kann, stellt sich dagegen die Überlegung, ob nicht auch ein paar ausgesprochen schiefe Töne in einer Gesangsdarbietung auftauchen dürfen, völlig anders dar. Auch wenn für viele Popmusik-Hörer eine überzeugende emotionale Aussage wohl wichtiger ist als die Einhaltung konventioneller Wertmaßstäbe aus der euro-

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päischen Kunstmusik (von Appen 2007: 107), wird doch auch bei gut gemeinten Gesangspräsentationen jede kleine Abweichung vom harmonisch korrekten Ton mit Gesicht-Verziehen und herben Kritiken quittiert, wie es entsprechende Reaktionen bei den großen Casting-Shows und auch bei privaten Karaoke-Partys eindringlich belegen. Dies unbenommen davon, dass Singen an sich glücklich macht und gesund hält, wie es wiederum diverse Untersuchungen belegen (Köhler 2010: online). Doch die richtigen Töne müssen es wohl sein. Und dies, obwohl verschliffene Töne beim Gesang für viele Menschen von Natur aus unvermeidbar sind: Im Alter von 7 Jahren singen beispielsweise rund 27% aller Jungs bei Vorgabe bestimmter Klänge falsche Töne nach, bei den erwachsenen Männern sind es dann immer noch bis zu 8%. Ausdrücklich heißt es aber bei der Kommentierung dieser Werte, dass damit ein Rückschluss auf fehlende Musikalität in keiner Weise gerechtfertigt sei, man täte dann den Kindern und entsprechend auch den Erwachsenen mit solch einem Urteil ein großes Unrecht (Spitzer 2008: 284). Speziell in der Popmusik wird daneben gerne versucht, die Stimmlagen der Sänger, ob weiblich oder männlich, aneinander anzupassen, so dass sich fast schon eine eigene Pop-Expressivität entwickelt hat. Was allerdings zur Folge hat, dass speziell die männlichen Stimmen überwiegend in sehr hohe Stimmlagen gezwungen werden: „Während nun der klassische Gesang die angelegten Geschlechtsunterschiede der Stimme nutzt, weil jede Stimme in ihrer physiologischen Heimatlage akustisch am meisten »hergibt«, singen Frauen und Männer im Pop- und Rockgesang etwa in der gleichen Tonlage, also sozusagen geschlechtsneutral. Popsängerinnen bewegen sich meist in ihrem tiefen Brustregister, und männliche Popsänger nutzen in aller Regel einen sehr hohen Bereich ihres Stimmumfangs, oft vorwiegend das Falsett“ (Lehmann 2010: 218).

Dessen ungeachtet stehen bei den großen publikumswirksamen Wettbewerben wie etwa Voice of Germany die unmittelbar nachvollziehbaren Kriterien des Gesangs bei allen Kandidaten – männlich oder weiblich – gnadenlos im Vordergrund. Zwanzig Prozent der Kritiken, damit der größte Anteil innerhalb der Bewertungseinteilungen, zielen auf dieses rein handwerklich-technische Können der Gesangskandidaten, dagegen nur noch fünfzehn Prozent auf die gefühlsmäßige Wirkung des Gesangs. Darüber hinaus befassten sich bei den Jury-Auswertungen kaum sieben Prozent mit der Fähigkeit, Spaß und Souveränität zu vermitteln, und gerade noch zwei Prozent nahmen die Individualität und die Persönlichkeit der Kandidaten ins Visier (von Appen 2005: 191). So musste sich selbst ein Gewinner wie Daniel Küblböck vernichtende Kritiken speziell in Bezug auf seine Stimme gefallen lassen: Es war dort von „null Gesangstalent“ und „Schwierigkeiten, die Töne zu treffen“ die Rede – damit nutzten die Gegner Küblböcks die Kritik an dessen Gesang als wichtigstes Mittel, um ihre Antipathie auszudrücken (Stavenhagen 2005: 158).

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Vorgabe: Kann ein Gesang in einem Popmusik-Song auch Fehler aufweisen oder muss er tonal-korrekt und routiniert-ausdrucksstark sein? Ist dies damit eine unbedingte Voraussetzung für eine erfolgreiche Popmusik-Produktion? Gesang ist amateurhaft und erkennbar fehlerhaft amateurhaft, fehlerhaft, aber charismatisch individuell bzw. authentisch tonal korrekt ausdrucksstark, tonal korrekt und professionell routiniert

2.6.3 Die Stilistiken der Hits Welche Stil-Richtungen, welche Stilistiken innerhalb von Popmusik sind überhaupt erfolgsversprechend? Welche Art von musikalischer Stilistik ist – überwiegend – in den aktuellen Hit-Paraden zu finden? Dabei ist es sicherlich fraglich, ob wirklich jeder Hörer exakt mit klaren und präzisen Worten eine jeweilige Stil-Richtung auch zu beschreiben und zu definieren weiß. Vielleicht ist das letztlich auch gar nicht unbedingt vonnöten, denn in entsprechenden Experimenten ist nachgewiesen worden, dass übergeordnete Begriffe mit den konkreten Details auch ohne bewusst ausformulierte Gedankenleistung in Verbindung gebracht werden können. In einem Getränkeladen wurde beispielsweise deutscher Wein besser verkauft als französischer, wenn gleichzeitig deutsche Musik dazu abgespielt wurde. Der vergleichbare Effekt setzte ein, sobald französische Musik im Laden ertönte. Nun wurden die französischen Weine stärker umgesetzt. Einzelnen genaue Merkmale muss der Kunde also gar nicht genau benennen können, das Wissen um einen ungefähren Oberbegriff ist bereits ausreichend. Das ist vergleichsweise mit den großen StilRichtungen der Popmusik – auch hier wissen die Rezipienten sicherlich nicht jedes Merkmal und jedes einzelne Detail exakt in Worte zu fassen, den großen Stil-Oberbegriff können sie aber oftmals mit hoher Sicherheit erkennen. Dies kann diskursiv und auch mit unterschiedlicher Meinungsgewichtung erfolgen, aber jeder MusikHörer will auch in der Regel gerne etwas über die Musik sagen, die er gehört hat. Musik und ihre Einordnung ist ein grundsätzlich vorhandenes und favorisiertes Gesprächsthema (Brown 2006: 91 f.). In Bezug auf die stilistischen Präferenzen gibt es eine Reihe weiterer Untersuchungen. Dort wurden beispielsweise Schüler im Alter von elf bis siebzehn Jahren nach ihren beliebtesten musikalischen Stil-Richtungen befragt, wobei gleichzeitig festgehalten wurde, dass 56 Prozent eine musikbezogene Tätigkeit als favorisierte Freizeitaktivität angaben und 40 Prozent selber Musik machten. Die Ergebnisse bei der Frage nach den musikalischen Präferenzen ließen zumindest keinen Zweifel an der generellen Bevorzugung von Popmusik vor anderen musikalischen Stilen: „Die musikalischen Präferenzen verteilten sich eindeutig auf die populären Stile Pop, Rock, HipHop (Black Music) und Dance, und über 95 Prozent gaben an, re-

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gelmäßig Musikprogramme im Fernsehen zu sehen, inkl. MTV, VIVA, Top of the Pops etc.“ (Müllensiefen 2005: 168). Wie vielfältig allerdings mittlerweile auch die interne Aufteilung von musikalischen Genres innerhalb des breiten Feldes von Popmusik sein kann, zeigt ein Blick auf die Liste der zu Music Stiles gehörige Wikipedia-Seite, wo eine Fülle von Stilistiken aufgeführt ist. Viele von ihnen sind dann nochmals aufgeschlüsselt und spezifiziert, so dass sich beispielsweise allein unter Rockmusic über dreißig weitere Kategorien ergeben, die, wiederum aufgeteilt in chronologische Abteilungen, von Britpop über Glam Metal bis Surf Rock reichen (List popular genres 2013: online). Ähnlich detailliert lassen sich Kategorien wie Jazz, HipHop oder Electronic aufschlüsseln, wodurch sich schnell ungemein vielfältige Einordnungsmöglichkeiten der einzelnen Interpreten und ihrer Produkte in die so oft zitierten Schubladen ergeben (Werdelis 2006: online). Vorgabe: Welche Stilistiken kommen innerhalb von Popmusik besonders häufig vor? Gibt es hier Häufungen oder sind die Zugehörigkeiten gleichmäßig verteilt? modern Pop Rap/ HipHop Vintage/Oldie-Style/Blues Alternative/Independent Metal/Hard Rock Folk/Country Klassik-orientiert Musical/Chanson/Theater nicht stilistisch eindeutig zuordbar

2.6.4 Authentizität und überzeugende stilistische Vertretung In der Popmusik wird eine authentische, sich konsequent auf die Musik einlassende Persönlichkeit mit entsprechendem klanglichen „ehrlichen“ Ausdrucksvermögen verlangt – verbunden mit einer richtig dosierten Lässigkeit und Unbekümmertheit: „Ein unvollkommener, spontan oder willkürlich erscheinender Sound wird als höchst authentisch, ausdrucksstark, ungekünstelt, ehrlich gedeutet: hier geht es, so die weit verbreitete romantisierende Rezeption, nicht um Technik, nicht um ein bewusst und rational konzipiertes Produkt, das hohe Verkaufserlöse erzielen soll. Es geht um das Leben, das man während der Aufnahme nicht dem Arbeitsprozess unterwirft, sondern ungebrochen in Musik abbildet, um Ursprünglichkeit, wie man sie bei den afroamerikanischen Vorbildern bewundert, und um Gemeinsamkeit. Wer so lebt, wie man sich Rockstars vorstellt, der kann keine »sauberen« Platten produzieren, denn dazu bräuchte es Disziplin. Stattdessen prägen Lässigkeit und eine »don’t give-a-shit-Aura« das Klangbild“ (von Appen 2003: 111).

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Dies gilt es mit dem Umstand zu verbinden, dass eine Koryphäe auf einem bestimmten Gebiet wie etwa der Musik, so die Forschungsergebnisse z.B. von Levitin, offensichtlich hierzu viel Zeit und Kraft zum Üben aufwenden muss. Und das ist etwas, was abends nach Feierabend nur schwer zu bewältigen ist, da zu diesem Zeitpunkt bereits ein großes Kontingent an Arbeitsenergie aufgebraucht worden ist. Damit bleibt dann nur noch wenig Kraft beispielsweise für einen ernsthaften Einstieg ins Musizieren übrig: „Die betreffenden Studien haben erbracht, dass man zehntausend Stunden üben muss, um zu einem Könner von Weltklasse zu werden – egal auf welchem Gebiet. In unzähligen Untersuchungen über Komponisten, Basketballspieler, Romanautoren, Eiskunstläufer, Konzertpianisten, Schachspieler, Meisterdiebe und was sonst noch alles taucht immer wieder diese Zahl auf. Zehntausend Stunden entsprechen ungefähr drei Stunden Üben am Tag oder 20 Stunden in der Woche über einen Zeitraum von zehn Jahren. Das sagt natürlich nichts darüber aus, warum manche Menschen offenbar trotz Üben erfolglos bleiben und manche von ihren Übungsstunden mehr profitieren als andere. Bisher hat jedoch keiner einen Fall entdeckt, bei dem es jemand mit weniger Zeit zu echter Weltklasse gebracht hat“ (Levitin 2009: 248).

Vorgabe: Liegt bei den erfolgreichen Songs eine von vielen Rezipienten spontan empfundene, »natürliche« und »ehrliche« Authentizität des Künstlers bzw. der Band vor? Dies, obwohl gleichzeitig eine hohe Könnerschaft erkennbar ist? stark durchschnittlich wenig

2.6.5 Imagebildung und Unkonventionalität Cohrdes und Borgstedt untersuchten innerhalb eines größeren Projektes, ob und inwieweit ein bestimmtes Image die Bewertung von Rezipienten ändern kann. Image wird dabei vor allem als eine Gesamtheit von Vorstellungs- und Bewertungsurteilen gesehen, das stereotyp eine schematisierte Vorstellung oder das vereinfachte Bild einer Person verkörpert. Zusammengesetzt wird solch ein kommunikatives Konstrukt aus • primären Texten wie CDs, Bilder und audiovisuelle Darstellungen oder performativ-interaktive Angebote wie Autogrammstunde oder Live Konzerte, • sekundären Texten in Form von Kritiken und Zeitungsartikel, die über Printmedien zur Verfügung gestellt werden, und • tertiären Texten, die aus Meinungen und Bedeutungszuschreibungen der Rezipienten gebildet werden (Borgstedt 2008: 135 f.).

Dazu wurden drei Gruppen mit Probanden untersucht, die jeweils dasselbe Musikstück hörten, allerdings unterschiedliche Image-Informationen dazu erhielten. Dies reichte von einem unkonventionellen (UK) über einen konventionellen Imagetext

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(KV) bis hin zur Präsentation ohne jeglichen Imagetext (KI). Der konventionelle Imagetext war insgesamt betont sachlich-deskriptiv gehalten: Die Band besteht aus fünf Mitgliedern im Alter von 18 bis 21 Jahren und die einzelnen Mitglieder kommen aus fünf verschiedenen Nationen: Malaysia, Kenia, Japan, Frankreich und Makedonien. Aus den jeweiligen Sprachen haben sie eine eigene Mischform – eine Symbolsprache entwickelt, um ihre Friedensbotschaften zu verbreiten. In den letzten zwei Monaten haben sie um die 40 öffentliche Konzerte gegeben. Sie gelten als ein „weltoffenes Multi-Kulti-Projekt” und als Vorbilder einer neuen Generation, die tolerant und respektvoll miteinander umgehen und zusammenleben kann. Es heißt, dass die Fans während ihrer Konzerte jegliche Vorurteile ablegen und eine ausgelassene Gemeinschaft bilden.

Die unkonventionelle Imagegeschichte dagegen verschleierte eher die nüchternen Fakten und ließ viel Raum für eigene Vorstellungen und Phantasien: Die Mitglieder der Band sind unbekannt. Angeblich handelt es sich um fünf Mitglieder aus verschiedenen Nationen. Aus den jeweiligen Sprachen haben sie eine eigene Mischform – eine Symbolsprache entwickelt, um ihre mythischen Botschaften zu verbreiten. In den letzten zwei Monaten haben sie um die 40 geheime Konzerte gegeben, die sie kurzfristig und verschlüsselt im Internet bekannt gegeben haben. Sie gelten als „hypnotisierendes Trance-Projekt” und als Vorreiter einer neuen Generation, die ihre musikalischen Events mit alten afrikanischen Kulten verbindet (Cohrdes 2011: 99). Das bemerkenswerte Ergebnisse in Bezug auf die erfolgten Wertungen, bezogen auf das immer gleiche Stück und aufgeteilt auf männliche (m) und weibliche (w) Rezipienten, war dabei: Unterschiedliche Imagegeschichten beeinflussen das musikalische Urteil über dasselbe Musikstück und zwar in der Art, dass • •

die Vorführungen mit irgendeinem Imagetext im Gegensatz zur Präsentation ohne begleitenden Imagetext zu einer positiveren Musikbewertung führten, und dass innerhalb der Beispiele mit Imagegeschichten die Urteile im Gegensatz zu den konventionellen nochmals zugunsten der unkonventionellen stiegen.

(ebenda: 93).

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Vorgabe: Lässt sich davon ausgehen, dass für jeden erfolgreichen Künstler eine erfolgreiche Image-Bildung stattgefunden hat? Wie hoch ist dabei die erkennbare Größe des Images bei den jeweiligen Interpreten? stark durchschnittlich gering

2.6.6 Vorherige Berühmtheit der Künstler und/oder ihrer Produzenten Wenn man sich ansieht, welche Komponisten und Produzenten die Hits letztendlich schreiben und daraufhin die internationalen Hitparaden durchgeht, erweist sich die Zahl der zugehörigen Kreativen als verblüffend überschaubar. So fällt auf, dass beispielsweise in den ab 1999 einsetzenden Jahren vor allem zwei Hit-Schreiber mit internationalen Preisen ausgezeichnet und durch eine Vielzahl an Top-Platzierungen in ihrer Arbeit bestätigt wurden. Die Liste ihrer Hits ist entsprechend beeindruckend, und 2011 wurden sie auf dem jährlichen Treffen der US-Urheberrechtsorganisation ASCAP erneut als Songwriter des Jahres ausgezeichnet: „Lukasz Dr. Luke Gottwald and Max Martin were named songwriters of the Year at the American Society of Composers, Authors and Publishers' 28th annual Pop Music Awards on Wednesday night. The duo tied for writing five of the most performed songs of 2010, including California Gurls (Katy Perry with Snoop Dogg), Dynamite (Taio Cruz) and Teenage Dream (Katy Perry). Dr. Luke also won for Miley Cyrus' Party in the USA and TiK ToK by Ke$ha, who presented his award. Martin also won for DJ Got Us Fallin' In Love by Usher with Pitbull and Whataya Want From Me by Adam Lambert. Lambert presented to Martin, who made a rare appearance to accept the award. Dr. Luke has had 20 No. 1 songs in the past five years and has received 17 ASCAP Awards, including songwriter of the year last year, while Martin won the award in 1999, 2000 and 2001“ (THR Staff 2011: online).

Der Versuch einer Begründung, warum denn beispielsweise ein Produzent wie Max Martin für diesen Zeitraum als der aktuelle „King of the songwriter“ gilt, führten schon zu einer Reihe von Erklärungsversuchen der Experten. In einem InternetBlog The realities of beeing a professional songwriter gibt der mit der Plattenfirma BMG assoziierte Songwriter Leo “Freakchild” Chantzaras diverse Gründe in seiner Antwort an. Als Ausgangs-Basis sieht er schlichtweg ein überragendes Talent, wobei er dieses nur als Ausgangspunkt betrachtet, über den auch viele andere verfügen. Doch hinzu komme bei Max Martin die Energie zu harter Arbeit und daneben eine ganz speziell eigene Produktionshandschrift beispielsweise in Bezug auf den Gesang. Es gelinge Max Martin immer wieder, packende Melodien zu schreiben, und ganz unabhängig vom brillanten Gesamt-Sound einer Produktion lasse er sich nicht davon abbringen, sich auf die Erstellung von großartigen Melodien zu kon-

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zentrieren. Denn die bleiben zeitlos in ihrer Qualität, im Gegensatz zum Klang einer Produktion: „As Max knows all too well, while a production style can go out of date or not work in certain markets, a good melody will always sound good“. Schließlich fällt das das Fazit, das Chantzaras in Hinblick auf Max Martin und sein Schaffen für alle Interessierte zieht, knapp und deutlich aus: „So if you wanna learn how to create a great pop song, study Max“. Dies wiederum ist ein Ratschlag, den in gewisser Weise Martin selbst vorher schon bereits berücksichtigt hat. Er beherzigte nämlich zu Beginn seiner Karriere den Hinweis, unbedingt auf Ratschläge von erfahrenen Kollegen zu hören. Er tat dies bei Denniz Pop von Cheiron Records – und sollte damit das Geschäft mit der Popmusik in allen Facetten und in aller Gründlichkeit kennenlernen (Chantzaras 2011: online). Erfolgreiche Produzenten geben also ihr Know-how an dann wieder erfolgreiche Kreative weiter – ist das ein Procedere, das auch für die Künstler selbst seine Gültigkeit hat? Oder kann ein Interpret aus dem Stand heraus erfolgreiche Hits haben? Und dies, ohne von einem bereits vorab enorm erfolgreichen Produzenten betreut zu werden und ohne selbst bereits erfolgreich Erfahrungen im Pop-Business gesammelt zu haben? Vorgabe: Der Werdegang etwa eines Max Martin deutet darauf hin, dass offenkundig – nur? – routinierte und langjährig erfahrene Erfolgs-Produzenten und Hitschreiber ihrerseits junge Leute in diese Produktions-Welt der großen Erfolge einführen können. Und sie alle arbeiten bevorzugt – nur? – mit erfahrenen und bereits möglichst vorab schon erfolgreichen Künstlern. Oder gibt es ernsthafte Beispiele innerhalb der Stichprobe der großen Hits dafür, dass auch unerfahrene Produzenten und noch nicht erfahrene Künstler mit ihren Produkten den Sprung in die obersten Ränge der Hitparade schaffen konnten? bereits sehr bekannt durchschnittlich bekannt wenig bekannt

2.6.7 Sexuelle Reize bei der Darbietung von Popmusik Wie entsteht die Verbindung von Popmusik und Sex, was macht Popmusik im Klang erotisch – ist es der virtuose Gitarrist mit seinen schreienden Soli, der Saxophonist mit seinen stöhnenden Licks, die gesamte Band mit ihrem anrüchigen Sound, der zweideutig/eindeutige Text des Liedes oder allein schon die Stimme des Sängers oder der Sängerin? Helms sagte hierzu einem Interview auf die Frage nach den Mitteln zur Erzeugung von Erotik in Musik:

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„Die Ansichten dessen, was als erotisch empfunden wird, sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich, so dass es dafür leider kein Patentrezept gibt. Aber oft entsteht Erotik durch eine Tonstudiotechnik, die Nähe suggeriert – am besten mit einer leisen, rauchigen Stimme und starken Atemgeräuschen. In der Popmusik kommt es vor allem auf einen hohen Wiedererkennungswert in der Stimme an, und eine Stimme verweist immer auf einen Körper. Demnach ist der Text oder die Instrumentierung eher zweitrangig, wenn es um erotische Musik geht? Genau. Ein Mickie Krause singt hat zwar explizite Inhalte, vermittelt mit seiner Stimme aber keinerlei Erotik“ (Schieferdecker 2011: online).

Eine Losgelöstheit von objektiv nachvollziehbaren Elementen bei der Einschätzung durch jeden einzelnen Rezipienten wird auch von Ergebnissen bestätigt, die Ahlers und Jacke in ihrer Untersuchung zu Sex – Popmusik – Medien gewonnen haben. Dort gab mehr als die Hälfte der Befragten an, dass in ihrer Sicht ein spezielles Lied vor allem dadurch erotisierend wirke, weil es in einer für sie erotischen Situation wahrgenommen wurde. Bei der Frage nach den dezidiert sexualisierenden Faktoren wurden hier neben Tempo mit 45,1 Prozent, Rhythmus mit 49,5 Prozent, nicht-zu-lauter-Lautstärke mit 68,2 Prozent und vor allem die Stimme der Künstlerin bzw. des Künstlers mit 87,6 Prozent von den Probanden auf einer entsprechenden Rangliste oben angesetzt. Damit stehen diese Betrachtungspunkte vor einer erotischen Stimmungsfärbung durch die Musikstilistik eines Stückes. Nur bei Soul mit 16 Prozent, Lounge mit 13,9 Prozent und Jazz mit 10,8 Prozent bildete sich eine erkennbar mehrheitsbildende Tendenz mit dieser Ansicht (Ahlers 2010: 21). Dass sich an bestimmten Musik-Richtungen – jenseits von individuell-formalen Strukturen – aber eindeutige Stimmungsbilder festmachen lassen, die als solche bei den Rezipienten auch entsprechend verstanden werden, versucht Rösing mit seinen vier musikalischen Ausdrucksmodellen zu verdeutlichen. Neben resignativer Passivität und betonter Aktivität steht dort im Gegensatz zum Imponiergehabe die Zärtlichkeitsbekundung, die behutsam, leise und einfach und damit weniger ein Sich-Groß-Machen verkörpern bzw. übermächtig und intensitätsgeladen sein will. Unabhängig von der Tatsache, dass dazu als Beispiele durchwegs Stücke aus der traditionellen Kunstmusik angeführt werden (Rösing 2005: 84), zielt hier die Kritik anderer Autoren auf das doch recht grobe Raster mit seinen sehr offen gehaltenen Beschreibungen, die „prinzipiell manch unterschiedlichen semantischen Gehalt zulassen“. Gleichzeitig können aber allgemein als erotisch eingestufte PopmusikSongs wie Je t’aime ... moi non plus von Serge Gainsbourg und Jane Birkin zweifelsohne hier etwa zu der Gattung Zärtlichkeitsbekundung hinzugezählt werden. Immerhin erfüllen sie die dort vorgeschriebenen Eigenschaften wie „einfache Melodik, umgrenzte Motivskala mit überschaubaren Motiven in Bogenform, gleichmäßig pulsierender Rhythmus, gemäßigtes Tempo, einfache Harmonik mit Bevorzugung von Dreiklängen, Klangfarbe von geringer Intensität“ ( Erwe 2011: 129).

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Und anwendbar wären diese Vorgaben sicherlich auch auf weitere Songs, selbst wenn in aktuellen Online-Beschreibungen unter der Überschrift Musik für Liebhaber – Die 25 heißesten Sex-Songs weniger musiktheoretische, sondern eher malerische Stimmungsbeschreibungen und Umfeld-Beschreibungen des Hörers ins Spiel kommen: „Wenn Sade Adu mit ihrer hypnotisierenden Stimme davon singt, das süßeste Tabu zu brechen, werden Küsse leidenschaftlicher, Bewegungen sinnlicher, der Höhepunkt intensiver. Kommt besonders gut, wenn es draußen stürmt und der Regen gegen die Fensterscheiben prasselt“ (Bild.de 2011: online). Es gilt also, auch das Verhältnis von Interpret und seinem Rezipienten bei der Beurteilung von erotischer Ausstrahlung im Blick zu behalten. So sieht Burns bei ihrer lang aufgeschlüsselten Kommunikationskette zwischen Real Author und Real Reader eine Reihe von interagierenden Zwischenstufen, wozu für sie auch maßgeblich die Stimme des Erzählers, the voice, dazu gehört (Burns 2010: 161). Die endgültige Charakterisierung und Kategorisierung dieser singenden Stimme versucht sie durch eine jeweilige Zuordnung zu insgesamt fünf Elementgruppen zu erreichen: •Vocal Quality mit den rein körperlich vorgegebenen Ausdrucksmöglichkeiten und Fähigkeiten wie Stimmumfang, Resonanz und Vibrato und den performativen Aspekten wie Volumen und Intensität. •Vocal Space mit melodischen Phrasierungen und Ornamenten. •Vocal Articulation mit rhythmisch-metrischen Aspekten und der stimmlichen Artikulation. •Texture mit dem Zusammenklang von Instrumente und Stimme und deren Einbindung in das gesamte musikalische Geschehen. •Recording Techniques und die Überlegungen, wie die Stimme aufgenommen, gemischt und letztendlich präsentiert wird (ebenda: 166).

Wo genau schließlich im gesamten Stimmen-Produktionsprozess eine den Hörer erotisierende Wirkung der Vocals innerhalb eines bestimmten Songs eintritt, bleibt dabei ebenso unbestimmt wie die Frage, ob und wie weit eine Erotik von vornherein intendiert ist oder inwiefern sie erst beim rezipierenden Gegenüber entsteht. Dass ein Autonomiebegriff der musikalischen Kunst hierbei kaum noch in einem althergebrachten Sinne länger greifen kann, diskutiert Fuhr ausführlich und hält als Fazit fest: „Der Wandel hin zu einer Ästhetik der populären Musik ist zugleich einer der Ästhetisierung. Dass populäre Musik nunmehr als ästhetisch betrachtet werden kann, verdankt sich in entscheidendem Maße einem Bedeutungswandel, dem beide Begriffe unterliegen“ (Fuhr 2006: 132). Vorgabe: Wie weit lassen sich in den erfolgreichen Songs erotische Merkmale in der – auditiven – Performance als Faktoren für den Hit-Charakter ausmachen? stark durchschnittlich gering

Kategorien und Parameter als Hilfsmittel zur Analyse

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2.7 Die Texte Da Popmusik sich überwiegend in Form von gesungenen Liedern präsentiert, muss entsprechend auch eine vielfältige Textbildung für die Gesangsmelodien vorhanden sein. Und dabei zählt angesichts der Kürze der Songs, wie es die Songwriter-Schulen auch immer wieder ausdrücklich betonen, jedes einzelne Wort (Webb 1998, 37).

2.7.1 Die Sprache der Texte Deutsch als Text-Sprache steht für viele noch immer – gemeinsam mit anderen Nationen – polarisierend zu anglo-amerikanisch. Es ist damit in einer Gemeinschaft zu sehen mit französisch, italienisch, spanisch oder russisch, gekoppelt mit dem entsprechenden Bezug zu jeweils anderen Regionen. Wenn Deutsch oder eine andere Sprache, aber eben nicht Englisch als Grundlage für die Texte genommen wurde, bedeutete das – von diversen lokalen Anpassungs-Versuchen bei Cover-Versionen abgesehen – in den früheren Jahren der Popmusik oder konkret des Deutsch-Rocks lange Zeit zumindest kommerziell eine entsprechende automatische Zuordnung zu einer Minderheiten-Nische. Deutsch als Text-Sprache stellte nur bei den Folk&Rock-Liedermachern wie Hannes Wader, Degenhardt oder dem frühen Udo Lindenberg eine anerkannte Domäne dar und war daneben im besten Fall noch eine gängige Basis für die Lieder der eindeutig politisch orientierten Bands. Ton Steine Scherben aus Berlin oder Floh de Cologne aus Köln zeigten sie sich damals nicht länger bereit, einerseits wegen langer Improvisationen und ausgefeilten Arrangements auf Texte generell und aufgrund der Bevorzugung von Englisch als TextSprache auf die konkrete Verständlichkeit der Inhalte zu verzichten. Allerdings galt anfangs noch die musikalische Qualität gerade dieser an Polit-Rock und zeitkritischem Kabarett orientierten Formationen als schlichtweg nicht gut – und sorgte damit für Schwierigkeiten bei der kommerziellen Durchsetzung der deutschen Sprache. Vehement negativ bewertet wurde zu ihrer Zeit beispielsweise die deutschsprachige Formationen Ihre Kinder aus Nürnberg, die nicht nur als eine Band mit erhobenem Zeigefinger angesehen wurde, sondern deren Gesangstimmen von der Szene einfach nicht angenommen wurden. Noch in Bezug auf ihr bereits drittes Album 2375004 wurden harte Kritiken laut: „Die Stimmen der Sänger Henning und Ernst klangen leidend, sauertöpfisch und moralisch, und niemand, der zuhörte, mochte sich so recht damit identifizieren. Auf ähnliche Weise im Hals stecken blieb auch die Musik, die meist technisch sauber und gekonnt gespielt wurde (mit Ausnahme der Gitarrenparts), aber keine Spur von groove, drive & feeling und all den anderen lebenswichtigen Elementen, die bluesgeschwängerter Rockmusik sonst besaß“ (Ha-

ring 1984: 66).

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Warum Hits Hits werden

Ähnliches vermerkte Hoffmann Anfang der siebziger Jahre über die der studentischen APO-Bewegung nahestehende Kölner Theater-Rock Gruppe Floh de Cologne und ihre aus Rock-Opern wie Profit-Geier stammenden Songs: „Allerdings sind ihre musikalisch-technischen Qualitäten noch beschränkt, so dass ihr Ziel, politische Themen durch Musik an Lehrlinge, junge Arbeiter und Schüler heranzutragen, nur unbefriedigend gelöst wird. Die Mischung aus Pop und Politik hört sich trotz ihrer präzisen Aussagen und Analysen ziemlich hölzern an, weil ihre Musik eben laienhaft wirkt“

(Hoffmann 1972: 210 f.). Dieses qualitative Gefälle hin zur gängigen Musik aus den Hitparaden sollte sich in einem größeren Maßstab erst einige Jahre später, mit dem Aufkommen der Neuen Deutschen Welle, ändern. Und hier war nun ab 1980, eingebettet in professionell produzierter Sound-Umgebung, die deutsche Sprache nicht nur geduldet, sondern stand sogar im Vordergrund als ein essentieller Teil der neuen NDW-Bewegung. Deutsch als Songsprache erreichte hier plötzlich eine emanzipierte Anerkennung, mit der auch viele Experten längst nicht mehr gerechnet hatten: „Die Überraschung des Jahres: Der Erfolg deutscher Gruppen. Erstaunlich, wer da so alles in die Hitparaden hineinspaziert. Neu auch, dass hierzulande nun doch auch in der Sprache gesungen werden kann, die wir sprechen. Kein Versteckspiel mehr hinter englischen Allgemeinplätzen. Die Abnabelung aus der Pop-Nato hat stattgefunden“ (Skolud 1984: 17).

Dass erst damit ein schon länger bestehendes Gefälle innerhalb von Deutschland zwischen West und Ost ausgeglichen wurde, beruht auf den damaligen politischen Umständen. In der DDR war der Beat nur unter der Bedingung zugelassen worden, dass die Lieder überwiegend mit deutschen Texten dargeboten wurden. Entsprechend wurden daher schon früh junge Poeten, Lyriker und bewährte Kräfte aus der Singebewegung dazu herangezogen. Damit wurde der Grundstein zu dem liedhaften Rock der DDR – mit durchgehend deutschsprachigen Texten – gelegt, so dass generell eine Textdiskussion und die Arbeit mit deutschsprachigen Texten insgesamt sehr viel intensiver betrieben wurde als in der BRD (Leitner 1983: 97). Jahrzehnte später aber spricht das renommierte Goethe-Institut völlig unaufgeregt unter der Überschrift Die Macht der Sprache von einer „Pop-Sprache Deutsch“ und hielt zuletzt in einem offiziellen Wirtschaftsbericht fest: „Für das Jahr 2005 ermittelte der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft mit 35,3 Prozent einen neuen Rekordanteil deutschsprachiger Musik in den offiziellen Albumcharts. Im traditionellen Segment von Schlager und Volksmusik findet sich längst der Indie-Pop von Klee, Wir sind Helden oder die harten Reime der Aggro-Rapper. Die verschiedenen Musikstile sprechen zwar weiterhin unterschiedliche Hörergruppen an, die sich klar voneinander abgrenzen. Doch die frühere Grundsatzdebatte über die irgendwie uncoole

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eigene Sprache scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Deutsch jedenfalls bedeutet im Popund Rock-Segment keine Einstiegshürde mehr. Der englische Gesang wiederum, früher eine Frage der künstlerischen Ehre, ist zur Marketing-Entscheidung geworden. Wer eine internationale Formatkarriere anstrebt, wie etwa die so genannten Euro Dance Acts, schmettert weiterhin Move Your Body über die Beats“ (Niemczyk 2006: online).

Vorgabe: Gilt Englisch nach wie vor bei den großen internationalen Hits als die führende Sprache oder sind auch anderssprachige Texte möglich? Wie häufig sind die jeweiligen Sprachen bei den erfolgreichen Hits vorzufinden? englisch deutsch andere

2.7.2 Reime in den Texten Ist der Text in einem erfolgreichen Song üblicherweise teilweise oder vollständig in Reimen gesetzt – oder kann ein Stück darauf auch vollständig verzichten? Und welche Art von Reimen werden verwendet? Diese so einfach klingenden Fragen sind allerdings nicht schnell zu beantworten. Immerhin zeigt ein Blick in Anleitungen und Übungen zum Thema Reime, welch große Vielfalt und Variationsmöglichkeiten hier denkbar und praktisch einsetzbar sind. Dies beginnend mit einem völlig – zumindest in Bezug auf die Endsilben – ungereimten Text, so wie bei Deichkind in Leider Geil, wo es sogar ausdrücklich im Songverlauf heißt: In diesem Lied hat sich gar nichts gereimt, hat niemand gemerkt! Leider geil.

und endet bei konsequent ausgeführten Paar-Endreimen, wie es die Ärzte in Männer Sind Schweine vorführen: Hallo, mein Schatz, ich liebe dich. Du bist die Einzige für mich. Die anderen find ich alle doof, deswegen mach ich dir den Hof. Du bist so anders, ganz speziell, ich merke so was immer schnell. Jetzt zieh dich aus und leg dich hin, weil ich so verliebt in dich bin. Gleich wird es dunkel, bald ist es Nacht, da ist ein Wort der Warnung angebracht.

Zwischen diesen beiden Extremen sind dann auch bei erfolgreichen Stücken vielfältige Ansätze, Ausführungen und Abstufungen möglich. Wobei die Reimmöglichkeiten aus der Welt der poetischen Gedichte, wie sie in einem Deutschbuch der gymnasialen Oberstufe zusammengefasst und aufgeführt werden, üblicherweise in folgende Formarten aufgeteilt sind:

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Endreim: Der genaue Gleichklang der Vers-Enden vom letzten betonten Vokal an. Binnenreim: Zwei oder mehrere gleich klingende Wörter in ein und demselben Vers. Anfangsreim: Die ersten Wörter zweier Verse bilden einen Reim. Schlagreim: Zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Worte reimen sich. Unreiner Reim (Assonanz): Nur die Vokale, nicht die Konsonanten stimmen überein (Sagen und Raben). • Stabreim (Alteration): Mehrere Wörter beginnen mit demselben Buchstaben. • Verswaise: Ein reimloser Vers innerhalb einer gereimten Strophe. • Kadenz, die in weiblich (Vers endet mit Hebung und Senkung) und männlich (Vers endet mit Hebung) unterschieden werden kann (Schurf 2008: 193 f.). • • • • •

Doch was ist von dieser Vielfalt letztendlich bei den gesungenen Texten innerhalb erfolgreicher Songs aus der Popmusik wieder anzutreffen? Treten überhaupt Reime auf – und wenn welche? Bei der Einleitung eines ausführlichen Kapitels zur Thematik Reime führt Braheny dazu als erstes unmissverständlich aus: „I´d guess more than 99 percent of all commercially successful songs use rhyme“. Und die Frage, warum Reime so wichtig sind, beantwortet er mit dem Hinweis auf die gängigen Kindheitslieder, die wir alle schon von früh auf gehört hätten. Die Mischung aus klarem Reim und zugehörigem konstanten Metrum schaffe eine Erwartungshaltung auf einen entsprechenden Zeilenabschluss, die dann einer späteren schnellen Erinnerung deutlich zugute kommen. Sein Fazit für die Schreiber von Texten zu Popmusik-Songs ist dementsprechend: „Rhyme is a tool you can´t afford to ignore“ (Braheny 2007: 66). Aber es gibt auch diverse Einschränkungen, die beachtet werden wollen. Beispielsweise widerspricht eine zu markante und offensichtliche Reimbildung bei Textzeilen dem Anspruch eines Songwriters, mit seinen Worten eine sowohl verständliche als auch ungezwungen formulierte Aussage zu treffen. Dies bekräftigt Leikin, die zwar möglichst immer nach Reimen in ihren Texten strebt, aber auch einräumt: „Rhyming can make a good song better. But obviously it´s more important to write lyrics that mean something and say something in a new, imaginative way than merely to make the words rhyme“ (Leikin 2008: 31). Diese dadurch verlangte Balance zwischen hörerfreundlicher Ansprache und doch handwerklich sauber gemachter Reimbildung ist, so Frederick in seinem Lehrbuchkapitel Make sense even when you´re making rhymes, damit die wahre und große Herausforderung an einen Songschreiber (Frederick 2008: 135). Bei zu offensichtlicher Reimbildung nur um des Reimes willen können sich sonst zwei typische Reim-Fallen ergeben: • Wenn das sich reimende Wort nur ein Reim-Erfüller ist, bildet es für den Hörer kaum noch einen Bedeutungsträger. • Wenn der kommende Reim zu offensichtlich ist, wird die Zeile schon in Gedanken abgeschlossen, bevor sie noch ausformuliert worden ist (Schmidt 2010: 43). Insofern gilt es auch bei den gesungenen Liedern den Vorrat der denkbaren Reimbildungsformen zu kennen und ihn möglichst sensibel zu differenzieren. So gibt es, selbst beschränkt auf die Endreime, immer noch die Unterscheidung zwischen

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• reinen oder perfekten (z.B.: action/fraction oder variety/society) Reimen mit gleichen Schlusslauten oder • imperfekten bzw. unreinen Reimen mit nur ähnlichen Ausklängen (z.B.: time/ mine oder around/ down), die auch dort als Halbreime oder Assonanzen bezeichnet werden (Braheny 2007: 67). Und bei der Arbeit mit solchen Endreimen kommen wiederum unterschiedliche Möglichkeiten auf den Songwriter zu, wobei sich die jeweiligen Kombinationsmöglichkeiten mit jeder hinzukommenden Textzeile immer weiter erhöhen: • • • • • •

Paarreim a a Kreuzreim abab umarmender Reim abba Schweifreim aabccb dreifache Reimreihe abcabc Haufenreim aaa...

Bei den konkreten Ausführungen innerhalb einer beispielsweise vierzeiligen Strophe können • Paarreime, also unmittelbar aufeinander folgende Reimpaare a a b b auftreten, oder aber • über Kreuz gestellte Reime in der Abfolge a b a b. • Weitere Varianten können mehrfache Wiederholung in einem Viererblock sein wie a a b a oder auch • umrahmende Reime in der Form von a b b a. • Es kann aber auch eine übergeordnete Abfolge gebildet werden wie a a b b c c a a, die eine melodische häufige Wiederholung etwa in einem Refrain auflockern kann (Perri-

cone 2000: 45). Daneben finden sich hier bei einer genaueren Betrachtung von Reimformen noch die Unterscheidungen in • Reimen mit einer, zwei oder drei Endsilben und vor allem in • offenem, auf einem Vokal endenden und einem • geschlossenen, auf Konsonanten endenden Reim (Braheny 2007: 67).

Bei internen Reim-Konstruktionen gibt es auch • Assonanzen als gleichartige Klänge bei zwei oder mehr Worten (z.B.: You say no way oder This time you´ll find you´re mine) oder • Alliterationen, wo zwei oder mehr Worte gleiche konsonantische Anfänge verwenden (z.B.: I´m falling forever oder the way we were).

Diese auffälligen Reim-Bildungen können die Texte, zusätzlich zu ihrer eigentlichen Aussage, in ihrer Wirksamkeit erhöhen: „Since lyrics are intended to be sung, their sound is sometimes just as important as their meaning“ (Blume 2004: 66). Und es sollte auch ausdrücklich festgehalten werden, dass sich in einem Songkontext die einmal vorgegebene Reimform in aller Regel wiederholt, so dass sie auch in den nachfolgenden Teilen gleichermaßen verwendet wird. Ein Hinweis für Songwriter, der ausdrücklich als wichtig angesehen wird (ebenda: 62).

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Vorgabe: Kommen in jedem erfolgreichen Song Reime vor? Und wenn ja, welche? Lassen sich damit übergreifende Aussagen in Bezug auf Popmusik-Songs und deren Attraktivität bilden? keine oder kaum Reimbildung gelegentliche Reime durchgehend gereimt Paarreim Kreuzreim andere Reimformen

2.7.3 Titel als Textzeile im Refrains Bei der Beratung von hoffnungsvollen Nachwuchs-Bands wird oft empfohlen, bei der Einreichung von Demos höchstens vier Titel anzubieten, wobei der stärkste Song gleich als erster platziert werden sollte. Und alle Stücke müssen unbedingt über eine tolle Hook verfügen – „oh, welch gehasstes Wort“ (Jahnke 1998: 63). Als die herausstechenden Merkmale einer solchen zentralen Phrase wird eine • sich im Stück mehrfach wiederholende Melodie und dabei ein • packender lyrischer Ausdruck gesehen, die dann zusammen wie ein Haken, ein Hook, die Aufmerksamkeit des Hörers an sich reißen: „Es ist oft der interessanteste Teil des Songs, an den der Hörer sich am ehesten erinnert. Diese Wörter bilden gewöhnlich den Titel des Songs“ (Seelenmeyer 1995: 112). Dass eine solch gestaltete Hook-Zeile damit selbst bereits einen wichtigen Erfolgs-Faktor darstellen kann, zeigt die Dringlichkeit der Ratschläge, diese Titelzeilen möglichst kreativ und einzigartig und nicht einfallslos oder alltäglich zu gestalten. Blume schlägt dazu eine Reihe von unterschiedlichen Möglichkeiten vor: • Aufmerksamkeit anziehend durch eher reißerische oder anzügliche Begriffe wie in Like A Virgin oder Magic Stick. • Das Auslösen von starken Emotionen durch Titel wie Tears In Heaven oder How I´m Supposed To Live Without You. • Eher ungewöhnliche Aussagen wie Soak Up The Sun oder Miss Independent. • Faszinierende und neugierig machende Formulierungen wie Concrete Angel oder Kiss From A Rose. • Pfiffige Wortspiele wie in Sk8er Boi oder Brokenheaville (Blume 2004: 32).

Webb legt dagegen den Augenmerk eher auf die Reim-Fähigkeit einer Titel-Zeile und formuliert in seiner Songwriter-Schule die für ihn allgemein gültige Regel: „When deciding on a title or a hook line for a proposed song try to include a key word that offers the greatest numbers of rhyming possibilities“ (Webb 1998: 54). Als Konsequenz wird dann gerne zusammengefasst, dass eben speziell der Song-Titel der Alles-entscheidende-Faktor bei einem Stück darstellen kann: „The title of the

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song is crucial to its success“. Erklärt wird diese Wichtigkeit durch den Umstand, dass gerade die entscheidenden Macher und Entscheider innerhalb der geschäftlichen Szenerie dadurch beeindruckt werden müssen: „The best shot you have at hooking their interest and making them listen to your hard work is by using a provocative, fresh title“ (Leikin 2008: 35). Frederick fordert, dass dieser Titel eines Songs dann wie die Spitze einer Pyramide wirken soll, auf die alles hinausläuft und der getragen wird von einer mächtigen Basis. Er schlägt daher vor, die Arbeit an einem erfolgreichen Song möglichst immer mit einem attraktiven Titel zu beginnen: „Once you have your title, you know what you are building and every word and every note can be fitted in so that it leads toward and supports the pinnacle, the single peak at the top of the structure“ (Frederick 2008: 84). Wobei die Künstler selbst dann auch wieder die Grenzen von plakativen Aussagen sehen und wissen, wann von einer Titel-Zeile einfach zu viel verlangt wird. So war es Mick Jagger, der später zu dem von ihm mitgeschriebenen Song Street Fighting Man sagte: „They told me Street Fighting Man was subversive. It´s stupid to think you can start a revolution with a record. I wish you could“ (Rooksby 2001: 47). Vorgabe: Ist bei erfolgreichen Songs im Refrain bzw. in der Hook-Line auch gleichzeitig die wichtige Aussage des Songs enthalten? Dient diese Zeile oder ein Teil von ihr darüber hinaus auch als offizielle Bezeichnung des Stückes? Titel im Refrain enthalten teilweise enthalten nicht enthalten

2.7.4 Die thematische Aussage des Song-Textes Insgesamt soll oftmals allein schon der Song-Titel in einer Art Kompakt-Aussage dafür sorgen, dass durch ihn die Grundaussage des Songs, evtl. auch die Zusammenfassung der vorliegenden Situation oder zumindest eine deutliche Verstärkung der Aussage des Stückes mitgeteilt wird (Frederick 2008: 107). Doch welche Thematik steht bei einem erfolgreichen Stück in der Regel im Vordergrund? Meistens herrscht Einigkeit, dass hier die Liebe mit all ihren Irrungen und Wirrungen das zentrale Thema bilde. Dies kann daran liegen, dass Musik oft in soziale Aktivitäten eingebettet ist – und Liebe führt zu vielseitigsten Aktionen aller Art. Die dann auch sehr schön oder besonders berührend sein können, so dass die meisten Menschen Liebeslieder als Lieblingslieder haben (Levitin 2006: 315). Dies wird auch damit begründet, dass ein Bedürfnis, geliebt zu werden und selber Liebe zu geben, bei jedem vorhanden ist: „The joy of finding love, the pain of losing love, looking for the right love, complaining about the wrong love, missing a past love, hoping for a future love, the fear of losing love, the

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fear of finding love, cheating on a lover, cheated on by a lover, wanting to be loved, wanting to be loved differently, and wanting to be loved by someone other than the one who loves you are all prevalent themes in popular songs. It´s no wonder that »love« is the most commonly used word in songs even more than »baby«“ (Blume 2004: 27).

Dabei wird in Bezug auf die Texte oft auch auf einen betont persönlichen Standpunkt verwiesen, der als persönliche Verbundenheit eingefordert wird: „Eine Darbietung wird gelobt, wenn sie den Eindruck eines authentischen Gefühls vermittelt, und je deutlicher und intensiver dieses Gefühl ist, desto höher wird die Qualität der Musik eingeschätzt“. Ein Text würde demnach danach beurteilt werden, ob er eine individuelle Sensibilität verkörpert oder sich in sinnentleerten Formel-Mustern der Traumfabrik-Welt verliert (Frith 1981: 72 f.). Der schmale Grat zwischen der Verwendung von oft gehörten und standardmäßig eingesetzten Wendungen einerseits und dem persönlichen authentischen Ausdruck eines Künstlers andererseits kann aber zur Folge haben, dass eine bestimmte Phrase in einem Text nicht verwendet werden sollte, weil dies jemand anderes entsprechend schon gemacht hat. Besser, es klingt so, als würde etwas völlig Neues gesagt werden, wobei dies noch dazu möglichst in der entspannten Manier einer direkten Unterhaltung mit einem Gegenüber erfolgen sollte (Leikin 2008: 9). Und explizit wird ein Unterschied gesehen zwischen Dichtung und (Song-) Text, zwischen poetry und lyrics. Dichtung ist dann etwas Geschriebenes, das auf (gedruckten) Seiten zu finden ist und insofern weit ausholend angelegt sein kann. Ein Song-Text dagegen bildet (nur) die eine Seite eines (gesungenen) Liedes und muss daher von vornherein viel sparsamer angelegt sein. Es muss noch Platz verbleiben für vielfältige musikalische Elemente und für die Interpretation des Sängers – etwas, worauf der Schreiber beispielsweise eines Gedichtes nicht so zu achten braucht (Braheny 2007: 43). Welch andere Thematik kann, neben dem breiten Feld der Liebe und ihren vielen Unter-Themen, dann noch als besonders geeignet in Betracht kommen? Interessanterweise bietet sich hier schon noch so manch inhaltsreiche Motiv-Welt an: • Eine Möglichkeit wird in Menschen- oder auch in Ortsbeschreibungen gesehen, wobei dazu Schmidt und Terhag Beispiele wie New York New York, Innsbruck Ich Muss Dich Lassen und auch Ein Bett Im Kornfeld oder My Hometown anführen (Schmidt 2010: 32). Ausdrücklich wird aber auch dort darauf hingewiesen, dass in einem knapp bemessenen Pop-Song eben nicht viel Raum für unterschiedliche Aussagen ist. Besser sei es daher, sich möglichst nur auf eine und nicht auf mehrere Gefühlsebenen zu konzentrieren. Die konsequente Fokussierung auf einen Gedankengang in eventuell sogar nur einem Wort (Braheny 2007: 61) sei daher einer weit ausholenden Ideensammlung in vielen Sätzen vorzuziehen. Es gilt, ein Gefühl im Hörer anzustoßen – aber eben nicht eine Vielzahl davon: „No matter

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what you feel when you write a song, if that feeling is not awakened in your listener, you have not successfully communicated. To clearly convey the desired emotion, your entire song should express the same emotion“ (Blume 2004: 42). • Neben rein emotional angelegten Texten könnten auch Wünsche im Mittelpunkt der Song-Thematik stehen – kleine, große und selbst solche, die an sich nicht erfüllbar sind. • Außerdem bieten gesungene Zeilen die Möglichkeit, balladenartig angelegte Geschichten vorzutragen, wobei hier Ballade eher weniger als Synonym für einen sanften Kuschel-Rock-Song, sondern eher in seiner traditionellen Form als ausführliche Ereigniserzählung mit entsprechend strukturiertem Ablauf gesehen wird (Schmidt 2010: 40). Vorgabe: Offensichtlich sind eine Reihe von thematischen Aspekten innerhalb der Song-Lyrics denkbar: Doch welche Thematik ist bei erfolgreichen Songs ganz besonders häufig vorzufinden – und welche tritt eher selten bzw. überhaupt nicht auf? politische Aussage Bezug zu Liebe und ihrem Umfeld mit Herz und Schmerz Ortsbeschreibung Menschenbeschreibung balladenartiger Erzählcharakter Aufforderungscharakter (unerfüllbarer) Wunsch andere Thematik

3. Parameter-Auswertungen erfolgreicher Songs Die einzelnen Bausteine und Elemente der vorgestellten Einteilungen sollen nun nicht nur theoretische Kategoriemuster verbleiben, sondern mit Hilfe ausgewählter Stücke einer praktischen Anwendung und Auswertung unterzogen werden. Dies unter der vorrangigen Fragestellung, ob sich daraus Muster und Konstruktionsanleitungen für erfolgreiche Songs ableiten lassen. Als Objekte dieses UntersuchungsPools wurden die jeweils weltweit erfolgreichsten Popmusik-Songs aus den Jahren 2007 bis 2012 herangezogen, die in weiteren Schritten durch einige zusätzliche HitBeispiele aus 2013 und 2014 ergänzt werden. Erfolgreicher Song wird hier pragmatisch dadurch festgelegt, dass dieses bestimmte Lied entweder in einer bedeutenden Hitparade oder einem internationalen Wettbewerb bzw. einem der jährlichen renommierten Musik-Preise auf dem Spitzenplatz Eins zu finden war. Dabei stehen vor allem die maßgeblichen und trendsetzenden Märkte wie USA und United Kingdom im Vordergrund, neben denen dann auch die bundesdeutschen Popmusik-Aktivitäten berücksichtigt werden. Als Preisverleihungs-Instanzen wurden sowohl die internationalen GrammyAuszeichnungen als auch der Preis der deutschen Musikwirtschaft ECHO berücksichtigt, während stellvertretend für die unterschiedlichen internationalen Wettbewerbe der Eurovision Song Contest ESC ausgewertet wurde. Hier gelangte jeweils der Sieger bzw. der Gewinner eines Awards mit in den Kanon der zu untersuchenden Stücke. Auf diese Weise kamen, zusammen mit den Top-One-Singles aus den USA, aus UK und aus Deutschland, insgesamt dreißig Spitzenplätze zusammen. Da zwei Stücke zweimal, eins sogar dreimal in diesem Zusammenhang als Siegertitel erschienen, ergeben sich entsprechend auch Mehrfachnennungen. Weil dies auch als ein Zeichen der jeweils besonderen Hochschätzung eines Titels zu sehen ist, wird eine derartige Doppel- bzw. Mehrfachnominierung auch als solche übernommen. Es bildet sich damit ein buntes Bild an Songs, die als typisch und charakteristisch für den Zeitgeschmack angesehen werden können. Folgende Stücke gelangten auf diese Weise in den Untersuchungskanon der erfolgreichen Top-Hits: Grammy-Winner 1. Not Ready To Make Nice von den Dixie Chicks Bekanntgegeben 2007 als Grammy-Winner der beiden Kategorien Song & Record of the year des Jahres 2006. 2. Rehab von Amy Winehouse Bekanntgegeben 2008 als Grammy-Winner der beiden Kategorien Song & Record of the year des Jahres 2007.

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3. Please Read The Letter von Robert Plant und Alison Krauss Bekanntgegeben 2009 als Grammy-Winner der Kategorie Record of the year des Jahres 2008. 4. Viva La Vida von Coldplay Bekanntgegeben 2009 als Grammy-Winner der Kategorie Song of the year des Jahres 2008. 5. Use Somebody von Kings of Leon Bekanntgegeben 2010 als Grammy-Winner der Kategorie Record of the year des Jahres 2009. 6. Single Ladies (Put a Ring on It) von Beyoncé Bekanntgegeben 2010 als Grammy-Winner der Kategorie Song of the year des Jahres 2009. 7. Need You Now von Lady Antebellum Bekanntgegeben 2011 als Grammy-Winner der beiden Kategorien Song & Record of the year des Jahres 2010. 8. Rolling In The Deep von Adele Bekanntgegeben 2012 als Grammy-Winner der beiden Kategorien Song & Record of the year des Jahres 2011 (alle Infos bezüglich Grammy-Verleihungen aus grammy 2013: online) Echo-Preisgewinner 9. Das Beste von Silbermond ECHO-Preisträger 2007 in der Kategorie Hit des Jahres (national und international) 10. (auch 20) Ein Stern (...Der Deinen Namen Trägt) von DJ Ötzi/ Nik P. ECHO-Preisträger 2008 in der Kategorie Hit des Jahres (national und international) 11. All Summer Long von Kid Rock ECHO-Preisträger 2009 in der Kategorie Hit des Jahres (national und international) 12. (auch 17 und 22) Poker Face von Lady Gaga ECHO-Preisträger 2010 in der Kategorie Hit des Jahres (national und international) 13. ( auch 23) Over The Rainbow/What A Wonderful World von Israel Kamakawiwoʻole ECHO-Preisträger 2011 in der Kategorie Hit des Jahres (national und international) 14. Somebody That I Used To Know von Gotye ft. Kimbra ECHO-Preisträger 2012 in der Kategorie Hit des Jahres (national und international) (alle Infos bezüglich ECHO-Verleihungen aus echo 2013: online) United Kingdom-Top-Single des Jahres 15. Bleeding Love von Leona Lewis Top-UK-Single in 2007 16. Hallelujah von Alexandra Burke TOP-UK-Single in 2008 17. (auch 13 und 22) Poker Face von Lady Gaga TOP-UK-Single in 2009 18. Love The Way You Lie von Eminem feat. Rihanna TOP-UK-Single in 2010 19. Someone Like You von Adele TOP-UK-Single in 2011 (alle Infos bezüglich Top-UK-Singles aus official charts 2013: online) Deutsche Top-Single, Media Control 20. (auch 10) Ein Stern (…Der Deinen Namen Trägt) von DJ Ötzi/ Nik P. Platz 1 der Single-Jahrescharts Media Control 2007 21. Apologize von Timbaland presents OneRepublic Platz 1 der Single-Jahrescharts Media Control 2008 22. (auch 12 und 17) Poker Face von Lady Gaga

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

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Platz 1 der Single-Jahrescharts Media Control 2009 23. (auch 13) Over The Rainbow/What A Wonderful World von Israel Kamakawiwoʻole Platz 1 der Single-Jahrescharts Media Control 2010 24. On the Floor von Jennifer Lopez feat. Pitbull Platz 1 der Single-Jahrescharts Media Control 2011 (alle Infos bezüglich Single-Charts aus: Media-Control 2013: online) Jahressieger des Eurovision Song Contest ESC 25. Molitva von Marija Šerifovic Gewinner des ESC 2007 26. Believe von Dima Bilan Gewinner des ESC 2008 27. Fairytale von Alexander Rybak Gewinner des ESC 2009 28. Satellite von Lena Meyer-Landrut Gewinner des ESC 2010 29. Running scared von Eli & Nikki Gewinner des ESC 2011 30. Euphoria von Loreen Gewinner des ESC 2012 (alle Infos bezüglich ESC aus Stelte 2013: online).

Anhand dieser hier vorgestellten Stichprobe mit ihren – inklusive der Mehrfachnennungen – dreißig Elementen soll eine Häufigkeit im Auftreten bestimmter Merkmale aufgezeigt und festgehalten werden. Mithilfe dieser quantitativen Auszählungen wird dabei jeweils eine Hypothese aufgestellt. Der daraus gezogene Rückschluss soll in Form einer dreifachen Einteilung verdeutlicht werden: • Wenn eine breite Verteilung und eine ausgewogene Mehrheitenverteilung festzustellen ist, gilt der Parameter als variabel. Es werden dann keine verbindlichen oder fordernden Ableitungen daraus gezogen. Im Gegenteil zeigt sich hier eher offenkundig ein Spielraum für individuelle Gestaltungsfreiheit. • Wenn dagegen eindeutige und praktisch ausnahmslose Ausrichtungen innerhalb eines fest umrissenen Merkmals zu finden sind, wird dieser Parameter mit dem entsprechenden Wert als invariabel bezeichnet. Dies scheint dann eine klare Vorgabe für eine typische Hit-Komposition zu sein. • Ist einerseits eine deutliche und nahezu zwingende Ausrichtung hin zu einem Parameter-Wert zu finden, wobei aber andererseits auch Ausnahmen vorhanden und möglich sind, wird dies entsprechend als halbvariabel eingestuft. • Eine Mixtur dieser Ausrichtungs-Möglichkeiten liegt dann vor, wenn ein übergeordneter Parameter als invariabel einzuordnen ist, bei dem aber gleichzeitig untergeordnet wiederum variable Details zu erkennen sind. Mit der Einteilung in diese Verbindlichkeiten bei den einzelnen Merkmalen wird dann jeweils auch eine Hypothesenerstellung verbunden. Diese soll verdeutlichen, welcher Schluss aus den Ableitungen gewonnen werden kann. Können aus den

160

Warum Hits Hits werden

Songs dieser Stichprobe evtl. nachvollziehbare Hinweise und Charakteristika auch für andere erfolgreiche Songs gewonnen werden? Und kann ein Nicht-Erfolg bestimmter Stücke über die Nicht-Einhaltung dieser Vorgaben erklärt werden?

3.1 Die Struktur Entsprechend der Parametererstellung im vorherigen Kapitel sollen als erstes die Struktur eines Songs und die damit verbundenen typischen Kennzeichen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Da es sich bei den einzelnen Stücken um extrem erfolgreiche und von einem breiten Publikum anerkannte Hits handelt, steht hier, wie auch bei den später nachfolgenden Parametern, immer die Frage mit im Raum, ob sich darüber Ansätze für eine Erklärung des Erfolgs von Popmusik-Titeln insgesamt finden lassen. Die Frage bei diesem speziellen Punkt ist, ob sich – und wenn welche – strukturelle Teile im Songaufbau der großen Hits finden lassen. Bei der Durchsicht ergibt sich dann ein Bild, das zwar oftmals strikte Verbindlichkeit, daneben aber auch eine kreative Abwechslungsfreiheit erkennen lässt.

3.1.1 Die Elemente des Strukturaufbaus • Augenscheinlich will praktisch kein Song auf ein einleitendes Intro verzichten, das in der Regel meist instrumental und insofern ohne Text konzipiert ist. Die einzige Ausnahme bei dieser Songauswahl bildet diesbezüglich das Stück Rehab, das damit auf die generelle Möglichkeit verweist, auch ohne ein Intro auszukommen. In diesem Fall steigt der Song unmittelbar mit dem Strophen-Gesang in das Geschehen ein, wobei die Stimme sogar einen unbegleiteten Auftakt hat:

Bei allen anderen Stücken des Song-Pools findet sich aber ein vom jeweiligen Bandinstrumentarium gebildeter Anfang, der individuell recht unterschiedlich ausfallen kann. Da dieser Stücke-Part für den Nutzer eines Songbooks gerne als nebensächlich und damit als nicht unbedingt vollständig erwähnenswert behandelt wird, findet sich selbst in ansonsten bemüht exakten Transkriptionen hier oftmals nur ein der groben Übersicht dienendes Notenabbild, das nicht wirklich alle im Original auftretenden Melodielinien wiedergibt. So ist bei dem Song von Lady Antebellum Need You Now nur ein kurzer Ausschnitt mit vier Takten des in Wirklichkeit viermal vier Takte langen Intros transkribiert:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

A / A / Cism / Cism /

A / A / Cism / Cism /

A / A / Cism / Cism /

A / A / Cism / Cism //

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Und auch dies geschieht nur mit wenigen angedeuteten Instrumental-Melodielinien und nicht zuletzt ohne jeglichen Hinweis etwa auf die im Hintergrund gesprochenen Sätze, die wie in einem knappen Hörspiel die Kommunikation mit einem Anrufbeantworter und die damit verbundene nächtliche Einsamkeit versinnbildlichen sollen:

Nur selten werden in den Songtranskriptionen die im Intro vorkommenden melodischen Ereignisse annähernd vollständig abgebildet:

Ansonsten reduzieren die Noten-Editoren komplex angelegte Intros meist radikal. So wie bei Poker Face von Lady Gaga, wo zwar die Taktzahl stimmt und die wichtigsten Themen grob skizziert werden, aber der sich dramatisch steigernde Aufbau zusammen mit dem differenzierten Einsatz von Instrumenten und gesampelter Stimme nicht annähernd im Notenbild wiedergegeben wird:

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Warum Hits Hits werden

Deutlich präziser wird in den Songbooks oder den entsprechenden InternetSongsheets dagegen der Strukturteil Strophe behandelt: Hier stimmen die Taktzahlen und die jeweiligen Melodie-Abläufe der Hauptstimme in der Regel sehr genau und werden auch mit entsprechender Übersichtlichkeit dargestellt, wie in dem Beispiel Euphoria:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

163

Die Wichtigkeit dieses Songteils Strophe belegt dann die schlichte Tatsache, dass ausnahmslos jedes Stück auf dieses Stilmittel zurückgreift. Üblicherweise findet sich immer solch ein mehrfach auftretender Part, bei dem die Melodie und der Harmonieverlauf jeweils praktisch gleich bleiben, der Text aber meist komplett ausgetauscht wird. Die Verwendung von Strophen-Parts stellt damit eine häufig zu beobachtende und nahezu selbstverständliche Normalität dar. Dass gelegentlich innerhalb eines gesamten Songverlaufs ein Textauszug aus solch einem Part auch außerhalb einer Strophe nochmals aufgegriffen werden kann, zeigt wiederum Euphoria, wo in einem gesonderten Zwischenteil zwei (von vier) Textzeilen der vorherigen Strophe – etwas gestrafft – erneut aufgegriffen werden: We are here, we're all alone in our own universe. We are free, where everything's allowed and love comes first. Forever and ever together, we sail into infinity. We're higher and higher and higher, we're reaching for divinity. Euphoria, forever ... (Zwischenteil:) Forever we sail into infinity. We're higher, we're reaching for divinity ...

• Ebenfalls alle Songs nutzen einen Part mit immer gleichbleibendem Text und besonders ausgearbeiteter Melodielinie, der damit als Refrain dem Song sein markantes Gepräge gibt. Oft werden genau in diesem Part auch Zweit- und Chorstimmen eingesetzt, um die Zeilen dieses wichtigen Teils besonders zu betonen und auszuschmücken. Derartige Arrangement-Feinheiten finden sich in der Regel in solch einem Songteil dann auch bei einer in Bezug auf die begleitenden Instrumente ansonsten eher oberflächlich angelegten Transkription exakt ausnotiert, wie z.B. bei Please Read The Letter:

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Warum Hits Hits werden

Hier gibt es bei den untersuchten Stücken erneut nur eine Ausnahme: Rehab ist mit seinem Blues-Hintergrund eher als ein durchlaufender Chorus-Song zu verstehen und stellt daher weniger eine explizite Trennung von Strophe und Refrain in den Vordergrund. Der Text zeigt zwar, dass ein sich wiederholender Part immer zu Beginn der einzelnen Chorus-Parts zu finden ist, dennoch sollte hier eher doch nur von einem „Refrain-Charakter“ (Kramarz 2006: 76) gesprochen werden und weniger von einem eigenständigen Songteil Refrain: Chorus 1: They tried to make me go to rehab, I said no, no, no. Yes I've been black but when I come back you'll know, know, know. I ain't got the time. And if my daddy thinks I'm fine, just try to make me go to rehab, I won't go, go, go. I'd rather be at home with Ray, I ain't got seventy days. 'Cause there's nothing, there's nothing you can teach me, that I can't learn from Mr. Hathaway. I didn't get a lot in class, but I know it don't come in a shot glass.

Chorus 2: They tried to make me go to rehab, I said no, no, no. Yes I've been black but when I come back you'll know, know, know. I ain't got the time. And if my daddy thinks I'm fine, ... The man said "Why you think you here?" I said "I got no idea". I'm gonna, I'm gonna lose my baby So I always keep a bottle near. He said "I just think you're depressed". This me, yeah baby, and the rest.

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

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Chorus 3: They tried to make me go to rehab, I said no, no, no. Yes I've been black but when I come back you'll know, know, know. I don't ever wanna drink again, I just, ooh, I just need a friend. I'm not gonna spend ten weeks, have everyone think I'm on the mend. And it's not just my pride, it's just 'til these tears have dried.

Chorus 3: They tried to make me go to rehab, I said no, no, no. Yes I've been black but when I come back you'll know, know, know...

Eine Reihe der Songs kommen als Struktur-Grundlage mit den Teilen Intro / Strophe / Refrain bereits hinreichend aus und bringen keinen anderen strukturellen Songpart mehr ein – wie bei Apologize, wo eine durchgehaltene Akkordformel mit den Harmonien Cm /

AbMaj7 /

Es /

Gm7/d

://

die Grundlage für alle dort auftretenden Teile bildet. Durch den Einsatz des sich wiederholenden Textes It´s too late to ´pologize und einer markanten Melodiewendung mit auffällig hohem Spitzenton wird der Hook-Charakter im Refrain dennoch deutlich betont, während die Strophe einen wechselnden Text verarbeitet:

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Warum Hits Hits werden

• Neben einem Intro und den beiden vorgestellten Teilen mit Gesang, Strophe und Refrain, kommt in einigen Stücken noch ein betont andersartiger Teil ins Spiel, der meist nach dem zweiten Refrain-Auftritt als Brücke in einen anderen Songabschnitt und damit gleichzeitig als auflockernde Unterbrechung dient. Entsprechend ist hier entweder von einer Bridge oder einem Zwischenteil die Rede. Solch ein einmaliger und damit schon auffallender zusätzlicher Part ist beispielsweise bei Use Somebody zu finden, wo nach einem mehrmaligen Einsatz von Strophe und angehängtem Refrain erst nochmals der Intro-Part gespielt wird, der dann aber unmittelbar in einen auch harmonisch gänzlich andersartig konstruierten Zwischenteil führt. Danach wird über die Akkorde des erneut aufgegriffenen Intros ein Solo gespielt. Eine Strophe oder ein expliziter Refrain folgen nicht mehr, sondern der Song schließt mit einem Outro ab: Intro Strophe/Refrain Strophe/Refrain Intro Strophe/Refrain Intro Bridge Intro=Solo Outro

• Daneben können aber auch weitere strukturelle Songparts innerhalb einer LiedStruktur vorkommen. Anders als ein Zwischenteil oder eine Bridge findet sich öfters beispielsweise ein PreChorus – wie an seiner Bezeichnung schon zu erkennen immer unmittelbar vor einem Refrain bzw. einem Chorus mit wiederholendem Text und markanter Hook-Zeile. Im Gegensatz zur Strophe hat dabei solch ein PreChorus zwar auch meist einen sich immer jeweils wiederholenden Text, beinhaltet aber anders als der Refrain nicht die prägnante Titelzeile. Bei Bleeding Love sind die unterschiedlichen Parts schon anhand des Textes entsprechend gut zu erkennen: 1. Strophe: Closed off from love, I didn't need the pain. Once or twice was enough and it was all in vain. Time starts to pass, before you know it you're frozen. But something happened for the very first time with you. My heart melted to the ground, found something true. And everyone's looking 'round, thinking I'm going crazy PreChorus: But I don't care what they say, I'm in love with you. They try to pull me away, but they don't know the truth.

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

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My heart's crippled by the vein that I keep on closing. You cut me open and I Refrain: Keep bleeding, keep, keep bleeding love. I keep bleeding, I keep, keep bleeding love. Keep bleeding, keep, keep bleeding love. You cut me open. 2. Strophe: Trying hard not to hear, but they talk so loud. Their piercing sounds fill my ears, try to fill me with doubt. Yet I know that their goal is to keep me from falling. But nothing's greater than the risk that comes with your embrace. And in this world of loneliness, I see your face. Yet everyone around me thinks that I'm going crazy. Maybe, maybe. PreChorus: But I don't care what they say, I'm in love with you ... Refrain: Keep bleeding, keep, keep bleeding love ...

Ganz ähnlich ist auch bei Rolling In The Deep ein PreChorus mit gleichbleibendem Text vor jedem Refrain positioniert. Dieser Teil findet sich jeweils anschließend an die Strophe und vor dem Chorus mit Titelzeile, wobei nur im Schlussteil auf den PreChorus verzichtet wird, da er dort durch einen zusätzlichen, acapella gesungenen Refrain ersetzt wird: Intro Strophe PreChorus Refrain Strophe PreChorus Refrain Strophe Refrain (acapella) Refrain Outro =Refrain

Einen vergleichbar strukturierten Aufbau verwendet Adele bei Someone Like You, wo allerdings nach dem zweiten Durchgang von Strophe, PreChorus und Refrain ein Zwischenteil, eine explizite Bridge auftritt, die dann wieder unmittelbar in einen Refrain-Block mündet:

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Warum Hits Hits werden

Intro Strophe PreChorus Refrain Strophe PreChorus Refrain Bridge Refrain Refrain Outro

• So wie sehr viele Songs als Einleitung eine Introduktion, ein Intro haben, verwendet auch eine Vielzahl an Stücken zum Ausklingen ein Outro. Dies ist eine mehrtaktige Wendung, die, angelehnt an Strophen oder eher noch Refrain-Parts, als Ausklang des Stückes dient. Oftmals entspricht das Outro einem Durchgang eines nochmals wiederholten Refrains (z.b. in Running Scared), bei dem auch ein Ritardando des Tempos (z.B. in Das Beste) oder eine deutliche Reduzierung bei der Textaussage stattfinden kann. Manchmal handelt es sich gelegentlich um einen der Strophe entlehnten Teil (z.B. in Molitva), kann aber auch ohne Gesang als rein instrumentaler Part präsentiert werden (z.B. in Fairytale). Damit ist das Outro ein recht unterschiedlich angelegter Part, der bei einigen Songs allerdings schlichtweg gar nicht vorhanden ist, sondern wie beispielsweise in Rehab durch einen harten Schlussakkord substituiert wird. Insgesamt ergibt sich, mit Berücksichtigung aller Songs der Hit-Auswahl, folgender Überblick in Bezug auf die Häufigkeit der Verwendung einzelner Song-Teile:

100%

97% 63%

kein Element

Outro

27%

Prechorus

Zwischent/Bridge

Refrain

33%

Strophe

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

Intro

Prozente

Die Elemente des Strukturaufbaus 97%

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

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Gut zu erkennen ist, dass kein Song auf strukturierende Unterteilungen verzichtet. Deutlich wird ebenfalls, dass alle Songs textverarbeitende Strophen und daneben nahezu alle auch ein Intro und Refrains verwenden. Jedoch haben nur zwei von drei Stücken ein Outro, und eher wenige Songs weisen einen expliziten Zwischenteil oder einen dem Refrain vorgelagerten PreChorus auf. Hypothese: Der Einsatz von differenzierten Songteilen zeigt sich damit übergeordnet invariabel, sie kommen grundsätzlich in jedem der erfolgreichen Stücke vor. Gleichzeitig aber zeigt sich im Detail der Einsatz der jeweiligen Teile variabel: In den einzelnen Stück kommen zwar praktisch immer Parts wie Strophe, Refrain und meist auch Intro vor, das Auftreten bestimmter Formteile wie Outro, Bridge oder PreChorus ist dagegen nicht jedes Mal zwingend vorgegeben. Es ist damit der individuellen Ausgestaltung des jeweiligen Lied-Schreibers überlassen.

3.1.2 Der strukturelle Gesamtablauf Wenn damit eine Übersicht geschaffen wurde, welche strukturellen Parts in erfolgreichen Popmusik-Stücken auftreten, soll als nächster Schritt die Reihenfolge der einzelnen Teile betrachtet werden. Viele Songs verwenden – unabhängig vom Auftreten eines Intro oder eines Outro – Strophe und Refrain als einzige Strukturelemente. Dies findet dort im steten Wechsel statt, ohne durch einen PreChorus oder einen expliziten Zwischenteil unterbrochen zu werden. Ein typisches Beispiel stellt Ein Stern (...Der Deinen Namen Trägt) dar, dessen Struktur auf diese Art und Weise auch beliebig verlängert werden könnte: Intro Strophe Refrain Strophe Refrain Outro

Bei anderen Stücken wird zusätzlich, bevorzugt nach dem Refrain, ein Part in den Ablauf eingeschoben, der wie das Intro den jeweiligen Song-Abschnitt immer wieder neu einleitet. In der Regel ist er instrumental angelegt und ermöglicht der SoloStimme eine kurze Pause, wie es der Fall in dem virtuos gesungenen Hallelujah ist: Intro Strophe Refrain Instru (wie Intro) Strophe Refrain Instru (wie 2x Intro) Strophe Refrain

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Warum Hits Hits werden

Refrain Instru (wie Intro) Refrain Outro

Solch ein Instrumental-Part kann auch gelegentlich zwischen zwei Strophen eingeschoben werden, wie es bei All Summer Long der Fall ist: Intro Strophe Instru (= 1/2 Intro) Strophe Refrain Instru (= 1/2 Intro) Strophe Refrain Instru (= 1/2 Intro) Strophe (SOLO) Refrain (SOLO) Instru (= 1/2 Intro) Strophe Refrain Refrain Outro

Während vor Jahren das Blues-Schema mit seiner standardisierten 12-Takt-Abfolge speziell in den fünfziger Jahren häufig zu finden war (Burns 2003: 5), sind explizite Blues-Struktur-Elemente in dieser Song-Mischung heute nicht anzutreffen. Keiner der Songs hat ein standardisiertes Bluesschema als Grundlage, und selbst ein Chorus-Ablauf im Sinne von einer festgelegten und konstant wiederholten Strukturabfolge ist wie bereits gezeigt nur ansatzweise in der ganz auf Vintage-Feeling ausgerichteten Produktion Rehab zu hören. Ebenso in der aktuellen Popmusik praktisch nicht vorhanden sind Songs, die als durchkomponierte Einheiten konzertant immer wieder neue Teile vorstellen, ohne dabei einen expliziten Strophen- oder Refrain-Charakter zu bilden. Überhaupt ist die Abwechslung, die durch einen PreChorus oder eine Bridge, also einen dezidierten Zwischenteil, eingebracht werden kann, bei weitem nicht mehr so häufig vorzufinden, wie das noch in früheren Jahren der Fall gewesen ist (von Appen 2012: 68). Insofern ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass gerade ein auf RockClassic hin produzierter Song wie Please Read The Letter gleich zweimal solch einen Zwischenteil aufweist, wohingegen die Macher bei anderen, moderner angelegte Produktionen, etwa mit hohem Rap-Anteil wie Love The Way You Lie, sich mit solchen Zwischenteilen die monotone Abfolge augenscheinlich nicht zerstören lassen wollen:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

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Intro Rap-Part male Refrain/ Hook Rap Part female 1x RapPart male 4x Refrain/Hook Rap Part female 1x RapPart male 4x Refrain/Hook Rap Part female 1x

Dennoch findet sich gelegentlich auch bei einer modernen, mit viel Elektronik angereicherten Aufnahme wie Single Ladies (Put A Ring On It) ein anspruchsvoll strukturierter Zwischenteil, der dort sogar deutliche Jazz-Anleihen erkennen lässt. Angefügt sind die Taktzahlen der jeweiligen Teile, die den strukturell komplexen Aufbau dieses Stückes verdeutlichen: Intro 1. Strophe 4 +4x2 + 2x4 Refrain 2x2 2. Strophe 4x2 + 2x4 Refrain 2x2 3. Strophe 4x Zwischenteil 12 (4+3+4+1) 4. Strophe 2x4 Refrain 4x2

Während sich in diesem Song innerhalb der einzelnen Teile immer wieder unterschiedliche Harmonien finden, sind andere Produktionen auf konstante Repetitionen von Harmonie-Formeln angelegt. Typische Beispiele dafür sind Bleeding Love (mit einem Wechsel zu einer leicht variierten Vier-Takt-Abfolge nach dem zweiten Song-Drittel), Running scared oder auch Love The Way You Lie, wo eine einmal vorgestellte Akkordfolge den gesamten Song über konsequent beibehalten wird. Im Notenbild lässt sich solch ein stoischer Ablauf der immer gleichen vier Harmonien gut erkennen. Üblicherweise ändert sich dabei die Melodie und mit ihr auch der vorgetragene Text, aber im Refrain können dort auch teilweise oder vollständige Wiederholungen auftreten:

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Warum Hits Hits werden

Damit zeigt sich, dass alle Songs eine bestimmte Gliederung ihrer Songteile aufweisen, die überwiegend häufig verwendeten Mustern entsprechen. Vor allem ist auffällig, dass es kein Stück gibt, dass nicht – mehrfach – bestimmte Teile wie den Refrain nahezu wortgetreu wiederholt.

Der strukturelle Gesamtablauf

Prozente

53 30

konstant wiederholte Formel

ohne Wiederholungen

A B A B (A) C A

Strophe/PreChorus/ Refrain

Blues-Elemente

3

Blues-Schema

Chorus-Ablauf

3

27

13

Strophe-Refrain

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

173

Hypothese: In jedem der erfolgreichen Popmusik-Songs findet sich invariabel ein spezifischer vorgegebener Formablauf. Ein sich völlig frei entwickelnder Aufbau ohne ordnende Gliederungsteile kommt nicht vor. In welcher speziellen Form dann aber der jeweilige Song gegliedert wird, kann von Stück zu Stück durchaus unterschiedlich und damit variabel sein.

3.1.3 Strukturelle Besonderheiten und Prägestempel Mit Prägestempel sollen Phänome wie ungewöhnliche, sich nicht regelmäßig wiederholende Varianten, Änderungen oder einmalige Weglassungen bezeichnet werden, die sich gelegentlich im harmonischen, meist aber im strukturellen Ablauf finden lassen. Ein Prägestempel ist wie eine versteckte Signatur, die ein Produzent oder Songwriter seinem Werk als individuelle Markierung einprägt, ohne dass diese vordergründig gleich beim ersten Hören wahrgenommen werden und für eine unmittelbare Aufmerksamkeit sorgen soll. Im Gegensatz zur üblichen Strukturaufteilung in Songteile mit beispielsweise Strophe, PreChorus und Refrain handelt es sich bei einem strukturbezogenen Prägestempel typischerweise um einen oder mehrere Eingriffe auf einer sehr viel kleinräumigeren Ebene. So wird in einem Song wie All Summer Long, ungeachtet der ansonsten durchlaufenden übergeordneten Aufteilung des Stückes, gelegentlich und fast sporadisch während des Songverlaufs hier und da ein Takt zusätzlich eingeschoben. Dieser einzelne Takt ist jeweils zwar möglicherweise einem Part zuzuordnen, erfüllt aber von sich aus keinerlei eigene Funktion. Vielleicht ist solch ein Takteinschub als eine Beruhigung, eine Herauszögerung anzusehen, die dem Lied an einigen Stellen etwas kompositorische Luft geben soll. Dies allerdings, ohne wirklich dem Hörer als ein eigenständiger Part aufzufallen: Im Gegenteil registrieren die meisten Rezipienten solche zusätzlichen Takte gar nicht, die damit eher eine kompositorische Finesse im Hintergrund bleiben. Bei All Summer Long ist solch ein eingeschobener Takt erst im späteren Verlauf des Stückes zu finden: Dort wird dann zuerst der, bereits vorher mehrfach aufgetretene, Instrumental-Part um einen Takt verlängert, so dass das nachfolgende Gitarrensolo effektvoll angekündigt werden kann. Später ist es dann eine Strophe, die im Arrangement eher zurückhaltend angelegt ist und wieder dramatisch in den nachfolgenden Refrain führt, wobei eine Spannungssteigerung eben nicht zuletzt durch den vorher eingeschobenen Takt erreicht wird: Intro: 1 Takt Drums + 4x 2Takte Strophe 4x2 Instru 2x2 Strophe 4x2 Refrain 4x2

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Warum Hits Hits werden

Instru 2x2 Strophe 4x2 Refrain 4x2, Instru 2x2 plus 1 Takt Solo 8x2 Instru 2x2 Strophe 4x2 plus 1 Takt Refrain 2 x 4x2 Outro 4x 2

Eine ähnliche Steigerungsunterstützung mit Hilfe von einzelnen eingeschobenen Takten findet sich bei Not Ready To Make Nice, wo jeweils am Ende bestimmter Songparts solche Einschübe zu finden sind: Einmal, nach dem ersten Refrain, in der Länge von einem Takt und entsprechend erneut nach der zweiten Strophe. Schließlich wird beim Ausklang des späteren Refrains sogar ein zusätzlicher Part mit einer Länge von immerhin zwei Takten eingefügt: Intro Esm/ Des Ces: // 2x Strophe Esm / Des / Ges / Ces / Esm / Des / Ces / Ces / Esm / Des / Ges / Ces / Esm/ Des / Ces / Ces / 1x Refrain Ges / Des / Esm / Ces / Ges / Des / Esm / Ces / Ces 1x Takt Einschub Strophe Esm / Des / Ges / Ces / Esm/ Des / Ces/ Ces / Esm / Des / Ges / Ces / Esm/ Des / Ges/ Ces / Ces 1x Takt Eischub Zwischenteil Ges / Des Ces :// 2x (Solo) 2x Refrain Ges / Des / Esm / Ces / Ges / Des / Esm / Ces / Ges / Des / Esm / Ces / Ges / Des / Esm / Ces / Ces / Ces / 2 Takte Einschub Outro Esm / Des Ces: // 2x Esm / Des / Ges / Ces / Esm / Des / Ces //.

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

175

In der Strophe vor dem Solo-Zwischenteil lässt sich in diesem Stück auch ein harmonischer Prägestempel aufzeigen: War bis dahin die übliche Harmonisierung der Strophenzeilen so verlaufen, dass abweichend von der Abfolge Esm/ Des / Ges/ Ces/

beim zweiten und vierten Durchgang mit Esm / Des/ Ces / Ces /

harmonisiert wurde, findet sich – nur – in diesem zweiten Strophenverlauf in der vierten Strophenzeile ein Ablauf mit Ges-Dur im dritten Takt: Esm / Des / Ges / Ces / Esm/ Des / Ces / Ces / Esm / Des / Ges / Ces / Esm/ Des / Ges / Ces /.

Vereinzelte strukturelle Prägstempel in Form von Takteinschüben, die so unauffällig und geschickt angelegt sind, dass ihr Einsatz von den meisten Hörern nicht registriert werden dürfte, finden sich ansonsten in verblüffend vielen der bekannten HitSongs. Als ein weitere Beispiele kann ein Song wie Apologize dienen, bei dem üblicherweise konstant die viertaktige Harmoniefolge Cm / Fm(as) / Es / B ://

als Grundlage dient. Im späteren Verlauf des Songs findet sich aber in diesem sonst stoisch ablaufenden Harmonieverbund als Abschluss des Solos plötzlich zur Steigerung der Dramatik ein eingeschobener, frei schwebender Takt. Als hätte hier der Songwriter seinen Hörern einen versteckten Hinweis hinterlassen wollen, der verdeutlichen soll, dass – theoretisch – auch bei all den vielen Wiederholungen eine Abweichung möglich ist. Dies geschieht aber eben so, dass sie beim erstmaligen und auch nachfolgenden Hören sicherlich nur von den wenigsten Fans als einmalige Unterbrechung einer ansonsten unbeirrt durchgehaltenen Harmonieabfolge erkannt und realisiert wird: 2 + 2x Intro 4x Strophe 2x Refrain 1x Einschub (wie Intro) 4x Strophe 2x Refrain 2x Gitarren-Solo plus 1 Takt 4x Refrain Outro 1/2x Durchgang.

176

Warum Hits Hits werden

Die Länge solcher Prägestempel-Einschübe muss nicht immer exakt der Länge eines Taktes entsprechen, sondern kann davon auch abweichen. So finden sich bei Fairytale an mehreren Stellen solche typischen strukturellen Einfügungen, die aber unterschiedlich bemessen sind: Sind sie anfangs jeweils nur einen halben Takt lang, folgt später ein eintaktiger Einschub und dann sogar einer mit der Länge von zwei Takten: Intro Dm / Gm / Am / Gm Dm :// 2x + 1/2 Takt 2x Strophe Dm / Gm / B / Am :// 2x Refrain Dm / Gm / B / Am :// 2x Einschub Dm / Gm / Am / Gm Dm :// +1/2 Takt 2 x Strophe Dm / Gm / B / Am :// Dm / Gm / C / F A / Dm / Gm / B / Am / + 1 Takt / 2x Refrain Dm / Gm / B / Am :// 2x Einschub Dm / Gm / Am / Gm Dm :// + 2 Takte 2x Refrain Dm / Gm / B / Am :// Einschub Dm / Gm / Am / Gm Dm //.

Dass es aber nicht nur Einschübe in Form von zusätzlichen Takten, sondern auch Fortlassungen, also bewusste vereinzelte Weglassungen im strukturellen Ablauf geben kann, zeigt ein Beispiel wie Satellite. Hier wird mehrfach damit gearbeitet, dass die ansonsten üblicherweise viertaktigen Abläufe jeweils am Abschluss eines Refrains um einen Takt verkürzt und damit dramaturgisch geschickt gestrafft werden. Darüber hinaus gibt es aber in der letzten Strophe auch noch einen erweiternden Prägestempel, der jetzt als Einschub angelegt ist und so die letzte Strophe entsprechend verlängert. Die Strukturaufteilungen mit den jeweiligen Taktzahlen können diese unterschiedlichen Varianten verdeutlichen: Intro 2x4 Hm (Melodie) Strophe 2x4 Hm / (Em) / (A) / Hm :// mit Bass 2x4 Hm / Bdim / A / Hm ://

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

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Refrain 3x4 + 1x3 Hm / Em / A / Hm :// letzter Takt entfällt Intro 1x4 Takte Strophe 2x4 Hm / (Em) / (A) / Hm :// mit Bass 2x4 Hm / Bdim / A / Hm :// Refrain 3x4 plus Refrain 1x3 letzter Takt entfällt Refrain 2x4 Zwischenteil: Hm / Bdim / Hm / A / G / Bdim / Hm / Bdim / G / Bdim / Hm / A / G / G / Fis / Fis // Strophe (Gitarre) 2x4 + 1 Takt Einschub Refrain 3x4 + 1x3 letzter Takt entfällt Refrain 1x4 + 1x3 letzter Takt entfällt 2x4 Outro, wie Refrain.

Durch solche sporadischen Einschübe kann auch erreicht werden, dass die einzelnen Strophe deutlich unterschiedliche Längen haben, womit eine Abkehr von der üblichen Viertaktigkeit erreicht wird. Dies ist der Fall bei Someone Like You, wo einzelne Phrasen um einen halben oder einen ganzen Takt erweitert werden und damit gelegentlich recht ungewöhnlich dimensionierte Zeilen ergeben: Intro A / E/gis / Fism / D

/

Strophe A / E/gis / Fism / D :// 3x4 E (d) / D / E (d) / D / 1/2 D (= 4 1/2 Takte) Refrain 5x2 Takte A E / Fism D :// letzter Durchgang + 1/2 D (= 2 1/2 Takte) Strophe A / E/gis / Fism / D // 2x4 E (d) / D / E (d) / D / E // (= 5 Takte) Refrain 4x2 A E / Fism D :// Zwischenteil E / Fism / D

/ Hm Cism / D E (ritardando)

Refrain 4x2 Takte + 5x2 Takte A E / Fism D :// Outro D E/d / (1/2) A/d / D

/

A (= 2 1/2 Takte plus Schlussakkord).

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Warum Hits Hits werden

Ein Beispiel für die eher seltenen harmonischen Prägestempel lässt sich bei Running Scared beobachten. Dort findet sich praktisch durchgehend im gesamten Stück die viertaktige Akkordabfolge C / G/h / Am / F //

unabhängig, ob es sich um Strophe oder Refrain handelt. Immer beim ersten Durchgang einer Strophe entfällt aber jeweils die ansonsten letzte Harmonie F-Dur und wird durch einen ausgehaltenen A-Moll-Akkord substituiert: Intro 1 + 1 x 4 C / G/h / Am / F :// 1. Strophe C / G/h / Am / (Am) / C / G/h / Am / F / Refrain 2x4 C / G/h / Am / F :// 2. Strophe C / G/h / Am / (Am) / C / G/h / Am / F / Refrain 2x4 C / G/h / Am / F :// Zwischenteil F / G / F / G / C / G/h / Am / F / Refrain 2x4 C / G/h / Am / F :// Outro C / G/h / Am / F / C //.

Offensichtlich zeichnet sich ein gut ausgeführte Prägestempel dadurch aus, dass er dem Hörer nicht bewusst auffällt und sich in keiner Weise in den Vordergrund drängt. Dies, obwohl er oftmals eindeutig den sich wiederholenden Ablauf deutlich und unregelmäßig unterbricht bzw. dramatisch steigert. Ein typischer Prägestempel tritt daher nicht in gleicher Art und unverändert z.B. von Strophe zu Strophe auf. Es bleibt nun die Frage, ob solch ein Konstrukt ein typisches Merkmal von Hit-Songs ist oder ob sie nur ein beliebig einsetzbares Mittel der Kompositionstechnik darstellen. Von den 30 Songs haben jedoch recht viele Stücke so etwas wie strukturelle Einschübe, Verkürzungen oder harmonische Auffälligkeiten, die jeweils als Prägestempel angesehen werden können. Auf die Gesamtheit der Stücke bezogen weisen immerhin zwanzig verschiedene Stücke, also zwei Drittel des Songmaterials eine wie auch immer geartete Form von solch individueller Ausprägung auf. Bei einigen Stücken finden sich sogar mehrere Arten der entsprechenden Veränderungen innerhalb des jeweiligen Ablaufs:

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Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

Hypothese: In einem erfolgreichen Pop-Song kann, muss aber nicht ein wie auch immer gearteter Prägestempel vorkommen. Die Verwendung solch einer Kompositionstechnik ist damit als variabel einzuordnen.

3.1.4 Die Einhaltung von Vier-Takt-Einheiten Die Frage, inwieweit sich große Hits an die üblicherweise vier-, acht- oder sechzehntaktigen Abfolgen halten, kann unterteilt werden in die Überlegung, ob die Songs solche Aufteilungen • ausnahmslos und konsequent, • konsequent, aber unterbrochen durch einen Prägestempel, • nur gelegentlich oder • überhaupt nicht vornehmen. Eine Unterteilung der Stücke ergibt dann folgendes Bild:

63

keine Vier-TaktEinheiten

gelegentliche VierTakt-Einheiten

37

konsequent, aber Prägestempel

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

konsequente VierTakt-Einheiten

Prozente

Die Einhaltung von Vier-Takt-Einheiten

180

Warum Hits Hits werden

Hypothese: Die Strukturierung in Vier-Takt-Einheiten scheint für einen erfolgreichen Pop-Song unbedingt erforderlich und damit invariabel zu sein. Ob allerdings durch Prägestempel diese klare Ordnung aufgebrochen, erweitert oder verkürzt wird, ist untergeordnet bei jedem Stück variabel freigestellt.

3.1.5 Der zeitliche Einsatz von Refrain bzw. Chorus Der oftmals als Höhepunkt empfundene Einsatz des Refrains eines Stückes wird in der Regel nach Intro und Strophe erwartet. Doch gibt es eine geringe Anzahl von Songs, die unmittelbar mit der packenden Hook-Line eines Refrains beginnen. Ein Beispiel dafür ist erneut das chorusartig angelegte Rehab, das direkt mit einer später mehrfach wiederholten Gesangszeile beginnt:

Bei diesem Stück dient die Gesangslinie sogar als Eröffnung des gesamten Songs, da sie gleich zu Beginn mit einem kurzen solistischen Auftakt den später mehrfach wiederholten Text vorstellt. Ebenso unvermittelt und ohne jegliche instrumentale Vorbereitung ist dies der Fall bei Love The Way You Lie, wo – ebenfalls in Form eines Auftaktes – der dreitönige Gesangseinsatz der Sängerin Rihanna sowohl den Song einleitet als auch gleich den Refrain des Stückes vorstellt:

In den meisten anderen Stücken findet sich dagegen der Refrain deutlich nach hinten verschoben: Da erst die Formteile Intro und diverse Strophenteile vorweg abzuarbeiten sind, gibt es kaum Stücke, die bereits innerhalb von dreißig Sekunden diesen Part erreichen. In den beiden Songs Please Read The Letter und Satellite ist das zwar der Fall, allerdings sind die Titelzeilen mit 0:27 bzw. 0:30 auch äußerst knapp an der Grenze zu mehr als einer halben Minute zu finden. Außerdem kommt dazu,

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

181

dass speziell bei dem Stück von Allison Krauss und Robert Plant die Titelzeile Please read the letter in zwei unterschiedlichen Refrain-Teilen vorgestellt wird. Würde erst der zweite refrainartige Part, nach Strophen-Wiederholung und vorherigem PreChorus, angerechnet werden, käme der Einsatz des Chorus sogar erst bei 1:35 zum Tragen, über eine Minute später als der erste Refrain-Part: Intro Strophe Refrain 1 Instru (wie Intro) Strophe Refrain 1 PreChorus Refrain 2 ...

Nur bei Lena und ihrem Satellite kommt der Refrain wirklich eindeutig bereits nach einer knappen halben Minute erstmalig zum Vortrag, da hier relativ stringent gleich nach Intro und Strophe dieser Teil eingeführt wird: Intro Strophe Refrain ...

In einer weiteren Zeitspanne von gut einer halben Minute setzen dann auch bei mehreren anderen Stücken die jeweiligen Refrain-Gesangszeilen ein, wobei dieser Einsatz eher nach als schon vor 0:45 zu beobachten ist. Jeder dritte Song bringt die einleitende Refrain-Zeile aber sogar erst nach einer Minute, wobei sich ein Stück wie Somebody That I Used To Know mit 1:34 besonders lange abwartend präsentiert. Bei diesem Song hat auffälligerweise der Refrain mit einem insgesamt nur zweimaligen Auftreten nicht die Häufigkeit wie bei den meisten anderen Stücken, wo er oftmals in sich wiederholt und dann noch deutlich mehrfach innerhalb des gesamten Song-Verlaufs eingebracht wird. Zusätzlich dazu sind die Strophen, verbunden mit instrumentalen Parts, bei dem Stück von Gotye recht großzügig und damit entscheidend länger als der Refrain angelegt: Intro 2 x 8 Takte Strophe 8 + 8 Takte Instru-Part 8 Takte Strophe 8 + 8 Takte Refrain 8 + 4 Takte Instru-Part 8 Takte Strophe 8 Takte Bridge 8 Takte Refrain 8 + 4 Takte Outro (Fade Out).

182

Warum Hits Hits werden

Wenn bei einem Song wie On The Floor der Refrain-Einsatz ebenfalls erst sehr spät, bei 1:23 stattfindet, kann das auch damit zusammenhängen, dass – wie in diesem Fall – diverse und sehr großzügig bemessene einleitende Parts vorangestellt werden. Diese benötigen dort beispielsweise nahezu allein eine halbe Minute Zeit, bis der eigentliche Song mit Strophe und den dazu gehörigen, tonal eher unbestimmten Rap-Vocals I´m loose, loose beginnt:

Damit ergeben sich folgende Auszählungen bezüglich des Einsatzes eines Refrains:

 

      

  



 





 



 







 

   

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

183

Hypothese: Wann genau der Refrain bei einem erfolgreichen Pop-Stück einsetzt, ist so offen, dass es als variabel einzuordnen ist. Allerdings ist davon auszugehen, dass er üblicherweise erst nach rund 30 oder sogar erst 45 Sekunden auftritt.

3.1.6 Der erste Einsatz des Gesangs in einem Song Das erste Auftreten des Gesanges, der meist auch den Einsatz der ersten Strophe markiert, findet in der Regel vor dem Refrain und damit früher als dieser statt. Wenn das zugehörige Intro knapp und kompakt gehalten ist, setzt die Lead-Stimme im Song also fast unmittelbar oder zumindest nach wenigen Takten bzw. Sekunden ein. Bei Rolling In The Deep finden sich nur zwei einleitende Takte mit wenigen Gitarrengrundtönen, bei Bleeding Love sogar nur ein Takt mit einem ausgehaltenen Orgel-Akkord, so dass bei beiden Stücken der Gesang als Teil der einsetzenden Strophe schon innerhalb weniger Sekunden präsent ist. Bei Songs mit betont spätem Gesangseinsatz wie bei Running Scared mit einem Beginn des Gesangs nach erst 23 Sekunden treten dagegen oftmals vocalisierte Klangspuren auf oder logoartige, im weiteren Songverlauf erneut auftretende Vocal-Einwürfe. Dadurch wird die menschliche Stimme zwar schon sehr früh vorgestellt, dies aber nur in kurzen, textfreien Shoutings:

Der erste Einsatz von Gesang innerhalb der erfolgreichen Hit-Songs zeigt sich damit in der Übersicht recht breit gestreut, von sofort einsetzend bis nahezu eine halbe Minute abwartend:

184

Warum Hits Hits werden

  

              

  

   

 



 

 

 



 

Hypothese: Der erste Einsatz des Gesangs in einem Stück scheint keinen zwingend verbindlichen Regeln unterworfen zu sein und ist damit als variabel zu bezeichnen. Es ist sogar eher erstaunlich, dass selbst bei sehr erfolgreichen Stücken der HauptGesang keineswegs immer sehr bald einsetzt, sondern fast immer ein – gelegentlich sogar recht großzügig bemessenes – Instrumental-Vorspiel als Einleitung dient.

3.2 Die Harmonik Neben der Struktur und den formbildenden Elementen sind in den Popmusik-Stücken innerhalb der direkt musikbezogenen Faktoren vor allem die harmonischen Pfeiler von Wichtigkeit. Die dort zu findenden Akkorde, die songtragenden Harmonien der instrumentalen Begleitung, bilden eine wichtige Grundlage für die gesamte Songkonstruktion und sollen daher hier unter verschiedenen Gesichtspunkten näher betrachtet werden.

3.2.1 Die eingesetzten Harmonik-Elemente Bei einem eindeutig zum Tanz animierenden Stück wie Ein Stern (...Der Deinen Namen Trägt) wird die begleitende Harmonik ausschließlich von den drei BasisHarmonien der Dur-Kadenz gebildet. Zusätzlich prägt das arrangierte Gesamtbild aller Instrumente mit den diversen Dur-Skala-Melodie-Einwürfen und nicht zuletzt die eigentliche Gesangsmelodik diesen leicht nachvollziehbaren und unzweifelhaften Dur-Eindruck. Daneben finden sich gleich zu Beginn die arpeggierten Grundakkorde in der Begleitung, über denen eine – auf markant betonten Zählzeiten mit den jeweiligen Groß-Terzen durchsetzte – Keyboard-Melodie die später im Refrain sehr ähnlich wieder auftretenden Gesangslinie bereits vorwegnimmt. Damit wird sofort und eindeutig der konsequente Dur-Charakter des Stückes vorgestellt:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

185

Auch bei anderen Songs wird die Dur-Dominanz massiv durch die Auswahl der begleitenden Harmonik verdeutlicht. So enthält Please Read The Letter ebenfalls durchgehend nur Dur-Dreiklänge im instrumentalen Hintergrund. Die darüber einsetzende Strophen-Melodik beschränkt sich zwar ausschließlich auf die jeweiligen Grundtöne, die Gitarren-Begleitung mit ihren gut hörbaren großen Terzen lässt aber gleich einleitend keinen Zweifel an der Dur-Prägung:

Bei einem Song wie Apologize dagegen treten neben Dur-Harmonien auch an hervorgehobener Stelle Moll-Akkorde auf. Kurz nach einem ersten Intro-Part stellt das Klavier als erste Harmonie einen C-Moll-Akkord vor, der dann bald durch die Melodik und der dort auftretenden kleinen Terz es deutlich bekräftigt wird. Allerdings wird der klangliche Eindruck dieses Moll-Gefüges schon kurz darauf abgemildert durch die nachfolgende Verwendung zweier Dur-Harmonien innerhalb der sich dann nahezu konstant wiederholenden viertaktigen Akkord-Phrase:

186

Warum Hits Hits werden

Ausschließlich Moll-Akkorde kommen in keinem der hier betrachteten Songs vor. Nur bei Fairytale werden zumindest längere Instrumental-Parts innerhalb des Intros weitgehend durch Moll-Klänge harmonisiert:

Während in den fünfziger Jahren und auch im späteren Rock der sechziger bzw. frühen siebziger Jahre eine Vielzahl von Stücken mit reiner Dur-Akkordik und gleichzeitig deutlich im Vordergrund stehenden Blue-Notes zu finden war, ist das in dieser Auswahl nicht mehr der Fall. Der einzige betont Blues-nah angelegte Song Rehab hat zwar über weite Strecken Dur-Harmonien innerhalb mehrerer Songparts aufzuweisen, bringt aber daneben in einem weiteren Teil auch betont Moll-Akkorde ein. In der Melodik finden sich dabei • sowohl ein präzise intoniertes e über C-Dur, daneben • an anderer Stelle aber auch die Blue-Note es im Rahmen der C-Dur-Tonalität,

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

187

• sowohl über C-Dur als auch • direkt über einem F-Dur-Septimakkord. • In dem Part mit der E-Moll-Harmonik entspricht allerdings dann das in der Melodik auftretende e eindeutig dem akkordischen Grundton:

Neben den Dur- und Moll-Akkorden treten in den Songs nur sehr selten verminderte oder übermäßige Dreiklangs-Konstruktionen auf. In den Songbüchern und Transkriptionen herrscht dabei oftmals auch eine gewisse Unsicherheit, wie solche Akkorde darzustellen sind. Bei dem Song Satellite dürfte das nur zu verständlich sein, da doch hier die chromatisch absteigende Basston-Folge h / b / a innerhalb von H-Moll zu harmonisieren ist. Dies ist mit H-Moll über h und entsprechend mit A-Dur über a leicht zu bewerkstelligen, während das nicht tonleitereigene b in seiner Harmonisierung deutlich unterschiedlich angegangen wird. Dies weniger in Bezug auf die real eingesetzten Töne, sondern mehr bei deren Benennung bzw. bei der Nomenklatur des zugehörigen Akkordes. So tauchen – bei fast gleichen Tönen – höchst unterschiedliche Akkordbezeichnungen in den Transkriptionen auf, die alle auf ihre Weise das gleiche Klang-Phänomen zu beschreiben versuchen. Dort wird dieser in H-Moll so ungewöhnliche Bass-Ton, entweder als b oder enharmonisch verwechselt als ais, • durch den Dominant-Septakkord mit Terz als Basston, also in Fis-Dur durch einen Quintsext-Akkord Fis7/ais mit den Einzeltönen ais cis e fis unterlegt:

• oder aber, in einer anderen Notationsvorlage, mit einem verminderten Aisº Dreiklang (ais - cis - e) harmonisiert:

188

Warum Hits Hits werden

• In einer weiteren Notierung wird dieser in H-Moll höchst ungewöhnliche Ton b dagegen in Zusammenhang gebracht mit der hier eben so nicht üblichen Harmonie B-Dur, also mit den Tönen b - d - f:

• Nochmals anders interpretiert zeigt sich die begleitende Harmonie als ein übermäßiger Ais-Akkord mit den zugehörigen Tönen ais - cisis - eisis:

Die Satellite-Songwriterin Julie Frost selbst hat den Song kurz nach der erfolgreichen Präsentation durch Lena beim Eurovision Song Contest 2010 in Oslo bei einer Nachtsendung im Zweiten Deutschen Fernsehen als eine unplugged Version vorgestellt. Der Song beruhte dort bei ihr durchgehend auf der schlichten, konstant wiederholten viertaktigen Folge Am

/

F/d (= Dm7)

/

G

/ Am

: //.

Die entsprechenden Grundtöne a

/

d

/ g

/ a

lassen dabei zu der später erfolgten Bearbeitung mit chromatisch absteigender Basslinie noch keinerlei Verbindung erkennen (Frost live 2010: online). Ohne diese absteigende Melodie im Bass hatte zuvor auch Jennifer Braun, die Lena-Konkurrentin der Vorentscheidungsrunde, ihre Version von Satellite vorgestellt. Dort, bereits verschoben nach H-Moll, findet sich mit Hm

/

G

/

A

/

Hm

weitgehend noch die Umsetzung der auch sehr viel bedächtigeren und balladenartig vorgetragenen Frost-Vorlage. Allerdings wurde bei diesem Arrangement überraschenderweise der Refrain jeweils nach D-Moll gerückt, so dass sich dort die Folge Dm

/

B

/

C

/

B

ergab (Frost Braun 2010: online). Der jeweilige Wechsel vom Refrain zurück zur Strophe – mit gleichzeitigem Rückführung zur Ausgangstonalität – bewirkte damit

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

189

ein abruptes Aufeinandertreffen von B-Dur und H-Moll, was sicherlich gewöhnungsbedürftig und ungewöhnlich für einen erfolgsträchtigen Pop-Song ist. Ein Umstand, den jedoch der Internet-Musikkritiker Klaus Kauker bei einer damaligen Vorab-Vergleichsdiskussion der beiden Satellite-Versionen als „ziemlich gut gelöst“ und „clever gemacht“ bewertete. Im Gegensatz dazu hielt er die – kurz darauf sehr erfolgreiche – Lena-Version für „total beiläufig“ und „von daher schlecht gelöst“ (Kauker 2010: online). An diesem Beispiel lässt sich gleichzeitig erkennen, wie unterschiedlich und voneinander abweichend die Transkription der Gesangsstimme und vor allem der Begleitung oftmals sind, so dass solch stark differierenden Benennungen des besagten Akkordes an dieser Stelle als typisch für die uneinheitliche Handhabung bei der Übertragung solcher Klang-Geschehnisse in ein Notenbild angesehen werden können. So findet sich bei Hallelujah, wo ein verminderter Akkord als Übergangsklang zwischen den beiden Harmonien G-Dur und A-Moll gesetzt ist, in vielen Transkriptionen ein Dominantseptakkord E7 mit Grundton gis (gis / h / d / e ) an Stelle des verminderten Gis-Akkordes (gis - h - d - f ):

Es kann aber insgesamt festgehalten werden, dass in den erfolgreichen PopmusikSongs verminderte oder übermäßige Akkorde eh nur gelegentlich und vereinzelt zu finden sind. Nur wenn sie dort mit ihrer sicherlich bereichernden Wirkung auftreten, werden sie noch dazu in den meisten Transkriptionen als solche nicht unbedingt erkannt oder aufgezeigt. Ebenfalls nicht immer eindeutig identifiziert werden die sogenannten Powerchords, reine Quintklänge ohne Terztöne, die damit aus sich heraus als Duroder Moll-Akkorde nicht zu definieren sind. Allerdings werden in der Praxis fast immer bei gespielten Powerchords durch Hinweise aus der Gesangs-Melodik oder dem übrigen Verlauf der Harmonik in dieser Hinsicht deutliche Hinweise gegeben. Dadurch sind die meisten beispielsweise auf der Gitarre gespielten Quintklänge meist mächtige und wuchtige Klangsäulen, die aber innerhalb des Songablaufs jeweils in den funktionalen Songverlauf integriert werden können. Nur selten sind diese Klänge nicht als substituierende Dur- oder Moll-Harmonien einzuordnen. Ein Beispiel dafür mag der refrainartige Einwurf bei Single Ladies (Put A Ring On It)

190

Warum Hits Hits werden

sein, wo es diskutabel ist, ob hier die jeweiligen Zweiklänge stellvertretend für eine bestimmte Funktionalität stehen oder frei von solch einer Dur- oder Moll-Zugehörigkeit sein könnten. Während die Strophe mit einer E-Dur-Harmonik und ihren eindeutigen Elementen einer E-Dur-Skala keine Zweifel an einer E-Dur-Zugehörigkeit offen lässt, bleibt fraglich, welche Harmonien genau mit den nachfolgenden Quintklängen gemeint sein könnten: c und g, ergänzt durch den vorherigen Grundton e in der Melodik, dürfte damit eindeutig einem C-Dur-Klang zugerechnet werden. Doch ob a und e ergänzt mit einem cis zu A-Dur oder aber mit c hin zu einem A-Moll tendieren, ist ebenso fraglich wie beim Zweiklang h und fis. Diese beiden Töne könnten zusammen mit dis einen H-Dur-Akkord vertreten, bilden aber, ergänzt mit d, gleichermaßen auch einen H-Moll-Akkord. Da im Zusammenhang mit diesen Quintklängen weder ein c/cis – allerdings ein c in der vorausgehenden Harmonik – noch ein d/dis zu finden ist, bleibt die Zuordnung zu A-Dur/Moll oder HDur/Moll letztendlich offen:

Es finden sich aber daneben in keinem Stück Parts, die völlig ohne unmittelbaren harmonischen Bezug sind. In nur ganz wenigen Fällen wird eine Art schwebender Fläche erzeugt, die zumindest eine kurzfristige Loslösung von der Dur- oder MollZuordnung andeutet. Dies geschieht beispielsweise im späten Songverlauf von Euphoria, wo über ein paar Takte lang nur noch einige wenige Keyboard-Zweiklänge einen letzten tonalen Bezug aufrecht erhalten. Dieser wird allerdings, ohne explizitem Grundton, von einem durchgehenden rhythmischen Puls und vor allem von dem bisherigen harmonischen Verlauf getragen. Bei aller Gelöstheit – die Notenvorlage vermerkt ausdrücklich „No Chords (N.C.)“ – bedeutet dies also letztendlich keine durchgreifende Abwendung von dem ansonsten strikt diatonisch angelegten Tonsystem des Songs:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

191

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass kein Song in seinem Arrangement auf DurDreiklangs-Konstruktionen und die entsprechenden Harmoniebildungen verzichtet und sehr viele Stücke auch Moll-Harmonien einbringen. Fast immer ist dabei eine Mischung dieser beiden Dreiklangs-Arten zu beobachten – in einem ausschließliche Dur-Akkord-Vorrat verbleiben nur wenige Songs. Die Machart dieser Hits ist damit insgesamt durch und durch akkordisch geprägt. Eine explizite Blues-oder JazzHarmonik im Sinne von Riff-Songs mit einer entsprechenden Melodieführung, etwa angereichert durch Blue-Notes, ist hier praktisch nicht vorzufinden. Dies ergibt sich nicht zuletzt dadurch, dass bei diesen Stücken die eventuelle Sperrigkeit einer BlueNote über einem Dur-Akkord oftmals durch den kompositorischen Einsatz von Moll-Harmonien abgefangen und vermieden wird. So wie das bei dem – an sich – an den Blues angelehnten Song Rehab geschieht, bei dem in der Strophe nachfolgend plötzlich Moll-Harmonien auftreten, wodurch hier viel des eigentlich reibenden und dissonanten Blues-Melodik-Potentials eingebüßt wird. Verminderte bzw. übermäßige Dreiklänge tauchen nur gelegentlich als Verbindungsharmonien oder substituierende Akkorde auf. Die mächtigen Quintklänge der Rockmusik, die Powerchords, treten dagegen zwar öfters auf, sind aber nur vereinzelt als nicht bestimmbar im Sinne einer Dur/Moll-Zugehörigkeit anzusehen.

192

Warum Hits Hits werden

Die eingesetzten Harmonik-Elemente 87

keine Harmonik

3 Power-Chords

7 verm./überm. Akk.

Blues-Harmonik

mit Moll-Akk.

3 mit Dur-Akk.

Prozente

100 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Hypothese: In dieser Auswahl der Stücke findet sich in jedem Stück ein Dur-Akkord als Bestandteil des harmonischen Geschehens. Damit präsentiert sich dies als faktisch invariabel. Dass daneben auch sehr häufig Moll-Akkorde und zumindest gelegentlich auch andere Arten von Harmonien wie etwa Quintklänge, also sogenannte Power-Chords, oder verminderte Akkorde auftreten können, bleibt andererseits bei jedem Stück offen und ist damit in dieser Beziehung variabel.

3.2.2 Der Wechsel der Harmonik Nur wenige Songs weichen von einem Wechsel auf der Zählzeit Eins ab. Auch bei Stücken mit mehreren Harmonien ist der Anfang eines Taktes die bevorzugte Zeit für die Änderung der begleitenden Akkorde. Eine Harmonie kann dabei über einen weiteren Takt hinaus erklingen, wie es in Das Beste beim A-Moll im jeweils dritten und vierten Takt des Anfangsmotivs zu erkennen ist:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

193

Jedoch kann zusätzlich, an bestimmten Stellen, neben einer Akkordänderung auf dem Taktbeginn, ein Wechsel auf der Zählzeit Drei vonstatten gehen. Dies ist unabhängig davon, ob bereits ein Wechsel in diesem Takt stattgefunden hat oder nicht. Beide Möglichkeiten zeigen sich beim weiteren Verlauf dieses Songs am Beispiel der dort auftretenden G-Dur-Akkorde:

Nur bei wenigen Stücken sind dagegen auch andere Zählzeiten für einen Harmoniewechsel vorzufinden. Innerhalb des Songs häufig und dramaturgisch geschickt eingesetzt ist das bei dem diesbezüglich schon erwähnten Rolling In The Deep der Fall, wo der anfängliche Akkord eines Strophenelementes C-Dur noch mit Beginn des Taktes vorgestellt wird, die nachfolgenden Harmonien aber auf der höchst ungewöhnlichen Zählzeit Eins-Und wechseln, also um ein Achtel verzögert. Beim Abschluss jeder viertaktigen Phrase findet mit B-Dur dann auch ein Wechsel auf der Metrumszeit Drei statt:

194

Warum Hits Hits werden

Ähnlich ungewöhnlich sind die Wechsel im Refrain von Euphoria, in dem die einzelnen Akkorde nicht immer durchgehend vier Schläge lang ausgezählt werden, sondern sich, bedingt durch mehrmaligen Harmoniewechsel auf der Zählzeit vier, Taktlängen von drei und nachfolgend fünf Schlägen ergeben:

Auf den – nicht häufig verwendeten – Zählzeiten Zwei und zusätzlich kurz davor auf Eins-Und wechseln die Akkorde bei Single Ladies (Put A Ring On It). Damit wird sich an dieser Stelle ebenfalls betont nicht an der üblichen Wechselposition orientiert, die eben sonst mit dem Taktbeginn zusammenfällt:

Mit ungewöhnlich akzentuierten Akkordschlägen in seiner Strophe fällt auch der Song Molitva auf, der damit eine weitere, nicht oft zu findende Ausnahme in Bezug auf den Wechsel von Harmonien bildet:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

195

Der Wechsel der Harmonik

Prozente

100 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

40

auf 1 eines Taktes

(auch) auf 3 eines Taktes

7

10

verschobener Einsatz

Wechsel auf anderer Zeit

Hypothese: Praktisch in jedem Song wechseln Harmonien auf einer Zählzeit Eins. Mehrere Stücke weisen daneben zusätzlich auch Akkord-Wechsel auf der Zählzeit Drei auf. In Ausnahmefällen kann – halbvariabel – allerdings eine harmonische Änderung auch vorgezogen, verzögert oder wie auch immer auf eine andere Zeit verlagert werden. Ebenfalls ungewöhnlich ist es, wenn dadurch nicht die ansonsten üblichen Zähleinheiten eines Taktes mit vier Schlägen eingehalten werden, sondern sich – wie etwa im Refrain von Euphoria – vereinzelte Abweichungen mit fünf oder drei Schläge ergeben.

3.2.3 Das Auftreten von Pop-Formeln Wenn mit Pop-Formel eine vier-, acht- oder auch zwölftaktige Harmonieabfolge bezeichnet wird, die in der Regel dabei drei oder vier unterschiedliche Akkorde vorstellt, findet sich dies in der aktuellen Popmusik sehr häufig. Da sie dabei bei einer Vielzahl von Popmusik-Stücken in immer gleichen Abfolgen oder Kombinationen auftreten, können diese Akkordfolgen durchweg als standardisierte AkkordMuster bezeichnet werden. Entsprechend kommt mit dazu, dass dabei nur einige wenige Modelle verwendet werden, die nahezu gleichförmig oder nur leicht variiert und damit in auffällig vielen selbstähnlichen Wiederholungen auftreten. Die einzelnen Elemente der eingesetzten Harmonieabfolgen sind überschaubar und entfernen sich nicht weit von dem jeweiligen tonalen Zentrum. In der Beispieltonart C-Dur ergibt sich ein entsprechend kompaktes Bild in Bezug auf den üblicherweise verwendeten Harmonie-Vorrat. Ausgangspunkt für einen vollständigen Überblick ist die Tonika (C) mit Subdominante (F) und Dominante (G), also eine übliche Dur-Kadenz:

196

Warum Hits Hits werden

F

C

G

Dazu können die jeweiligen Moll-Parallelen kommen Dm F

Am

Em

C

G

die zusätzlich auch als – meist vereinzelte – Dur-Akkorde auftreten: D Dm F

A

E

Am

Em

C

G

In bestimmten Formeln findet sich eine Ausweitung zur Doppel- oder WechselDominante, vor allem auch in den Bereich der Doppel-Subdominanten: As

Es

B

F

C

G

D

Daneben gibt es die Möglichkeit einer Moll-Tonika mit Dur-Kadenz-Akkorden, wie es typischerweise im Weißen Blues zu finden ist (Kramarz 2006: 82): F

G Cm

Wird dieser Moll-Akkord nun als zentrale Moll-Tonika gesehen, ergeben sich durch die Parallelen weiterführende Kombinationen, die speziell im progressiven Rock, beginnend ab Mitte der sechziger Jahre, in charakteristischen Wendungen eingesetzt werden. Diese Akkorde werden auch als mediantische Akkorde in diatonischer Terz-Verwandtschaft bezeichnet (Villinger 2006: 72): C Fm

Cm

Gm

As

Es

B

Insgesamt ergibt sich damit, aufgeteilt auf die einzelnen Standard-Harmoniekombinationen, in den gängigen Pop-Formeln ein recht umfangreicher Harmonievorrat. Die Begrenzung auf eine üblicherweise jeweils nur kleine Auswahl an Akkorden bildet aber ein wichtiges Merkmal der gängigen Pop-Formeln, die außerdem deutlich auf ein tonales Zentrum, wie im obigen Beispiel C-Dur, ausgerichtet sind. Bemerkenswert ist, dass einige – sehr erfolgreiche – Stücke eine bestimmte Harmonie-Formel sogar schon im Intro vorstellen und dann praktisch bis zum Schluss unverändert beibehalten. Alle Song-Teile werden dann konsequent damit ausgeformt. Eine dafür oftmals verwendete Abfolge ist die sogenannte Four ChordFormel, die durch die australische Comedy-Rock-Band Axis Of Awesome eine beeindruckend hohe Bekanntheit erlangt hat (Axis official 2011: online). Genau diese Formel, gebildet durch die Funktionen T / D / Tp / S ://

wird in einer Reihe der hier vorgestellten Stücke als Grundlage verwendet. Dabei finden sich auch Beispiele für einen konsequent unveränderten Einsatz dieser Harmonie-Formel über den gesamten Song hinweg.

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

197

So wird bei Running scared die Akkord-Folge C / G / Am / F :// bzw. in Funktionsbezeichnung T / D /

Tp / S

://

praktisch das ganze Stück hindurch ausgeführt. Nur an einigen wenigen Stellen treten dort kleine Varianten der Grund-Formel auf: • Die zweite Harmonie, hier die Dominante G-Dur, wird durchweg als Sextakkord auf dem Basston h gespielt, wodurch sich verbunden mit den Grundtönen der beiden benachbarten Harmonien innerhalb der jeweils viertaktigen Abfolge eine absteigende Basslinie ergibt: C/c / G/h

/ Am/a

/ F //

• In diesem Stück entfällt daneben – als bereits erwähnte harmonische Prägestempel-Besonderheit – immer am Strophenanfang in der ersten Zeile die vierte Harmonie, so dass sich an dieser Stelle eine absteigende Basslinie mit langem Ausklang auf a ergibt: C/c / G/h

/ Am/a

/ (Am/ a)

//

• Nur in einer einzigen Unterbrechung der ansonsten monoton wiederholten Abfolge findet sich im späteren Verlauf dieses Songs ein abweichender viertaktiger Zwischenteil, in dem sich das Stück – einmalig – von der ansonsten durchgehend beibehaltenen Four Chord-Formel entfernt:

Mit diesem Lied gelang es den Interpreten Eli & Nikki, den Eurovision Song Contest 2011 für sich zu entscheiden. Gleich im darauffolgenden Jahr war der bundesdeutsche Vertreter Roman Lob dann mit einem Stück angetreten, das sich erneut weitgehend an dieser Four Chord-Formel orientierte. Bereits das Intro des Songs Standing Still, der statt in C-Dur in B-Dur gesetzt ist, entspricht vom Harmonieablauf praktisch vollständig dem vorjährigen Siegersong und wird im Refrain, inklusive absteigender Basslinie, entsprechend wieder aufgegriffen:

198

Warum Hits Hits werden

Hier wird allerdings diese Akkord-Formel nicht das gesamte Stück über konsequent beibehalten, sondern in den Strophen tritt statt der Dominante mehrfach die Dominant-Parallele auf. Die gängige Four Chord-Formel mit der Dominante im zweiten Takt wird dort nur in der jeweils dritten Zeile verwendet: B / Dm / Gm / Es :// 2x4 B /

F

/ Gm / Es /

B / Dm / Gm / Es // T /

Dp / Tp / S // 2x4

T /

D

T /

Dp / Tp / S /.

/ Tp / S /

Noch konsequenter zwischen Strophe und Refrain wird in Not Ready To Make Nice unterschieden. Dort findet sich im Refrain die gängige Four Chord-Formel in standardisierter Abfolge, ausgehend von der Tonika Ges-Dur: Ges / Des / Esm / Ces / Ges / Des / Esm / Ces /.

In der Strophe aber wird aber, ähnlich wie schon im Intro, eine andere Akkordfolge eingebracht, bei der im Ablauf die Tonikaparallele Es-Moll mit der Dur-Tonika Ges-Dur aus- bzw. umgetauscht wird: Esm / Des / Ges / Ces / ...

Ein Stück, bei dem die Four Chord-Formel innerhalb eines sonst abweichenden Songverlaufs zweimal und dann in jeweils unterschiedlicher Konstellation auftaucht, ist Over The Rainbow. Während im Intro die Harmonien halbtaktig wechseln, finden sich in einem späteren Part die Harmonien als ganztaktige Einheiten: C G / Am F/a :// 2x, plus F

Intro 1

C

/

G

Intro 2

F

/

Em7

/ Am

/ F/a //

C

/

Em7

/

/ C

F

/

C

/ G

/ Am /

C

/

G

/ Am

/ F

/F F

/ C

2x Part 1 ://

F :// Part 2 ... (Someday you wish...).

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

199

Eine andere, ebenfalls häufig in Harmonielehren und Songwriter-Schulen vorgestellte Akkordabfolge ist der sogenannte Turn Around, der dieselben Akkorde wie die Four Chord-Formel beinhaltet, diese aber in eine andere Reihenfolge bringt und dadurch mit einer dominantischen, authentischen Schlusswendung die Formel beendet und jeweils zurück zum Anfang leitet: T / Tp / S / D

://.

Auch diese Abfolge kann entweder als standardisierte Formel in einer unendlichen Endlosschleife präsentiert werden oder aber als einzelner Songteil auftreten: Bei Bleeding Love werden in der ersten Songhälfte in unverändert beibehaltener Abfolge nacheinander Strophe, PreChorus und auch der Refrain in solch einer typischen Turn Around-Folge dargeboten, wobei die einzelnen Harmonien jeweils in einer doppeltaktigen Länge ausgehalten werden: T

/ T

Strophe

(in F-Dur:)

/ Tp /

F

/

Tp /

S

/

S /

D /

D

://

F

/ Dm / Dm /

B /

B /

C /

C

://

/

F

/ Dm / Dm /

B /

B /

C /

C

://

/

F

/ Dm / Dm /

B /

B /

C /

C

://.

PreChorus F Refrain F

Ebenfalls nahezu unverändert durchlaufend findet sich die Turn Around-Folge in Viva La Vida. Allerdings lässt sich hierbei als Variante festhalten, dass die Folge – mit der Grundtonart As-Dur – nicht mit der Tonika, sondern mitten in der Formel auf dem an sich dritten Akkord, der Subdominante Des-Dur, startet: Des /

Es /

As /

Fm ://

S

D

T

Tp

200

Warum Hits Hits werden

Diese viertaktige Folge findet sich weitgehend in allen Parts des Songs, wobei hier als gut erkennbare Unterbrechung des sonst gleichbleibenden Akkordverlaufs einmalig ein achttaktiger Zwischenteil mit einer veränderten Akkordabfolge eingeschoben wird: Des

/

Fm

/ Des / Fm /

Des

/ Fm

/

Es/sus4

/

Es/sus4

//.

Eine auf ähnliche Art variierte Abfolge ist auch bei Das Beste zu beobachten, wo – mit der Grundtonart C-Dur – im Refrain die übliche Turn Around-Formel ebenfalls auf der Subdominante beginnt, sich dann aber zusätzlich von Zeile zu Zeile in andere Fortführungen begibt: F / G / C (h) / Am (g) / F / G / Am

/ Am G /

F / G / C (h) / Am (g) / F / G / Dm

/ Dm

// ...

Auch bei Glorious , dem deutschen ESC-Beitrag von 2013, zeigt sich der Akkordvorrat der Turn Around-Abfolge, der allerdings hier erneut eine variierte Abfolge aufweist. Dort ist innerhalb von G-Dur folgende Progression vorhanden: G/ C

/ Em / D //

Dies im Gegensatz zur standardisierten Turn-Around Folge, die lauten müsste: G / Em / C / D //.

Doch es tauchen innerhalb des untersuchten Songvorrats noch – neben der Four Chord-Formel und dem Turn Around – weitere typische Formel-Konstruktionen innerhalb der Harmonik auf. Anders als beim Turn Around oder auch bei der Four Chord-Formel beginnt dabei die Abfolge, die aus dem Folk-Song House Of The Rising Sun bekannt ist, nicht mit einem Dur-Akkord, sondern einer Moll-Tonika, wo dann nachfolgend sowohl zuerst eine auf die Moll- als dann auch auf die DurTonika bezogene Dur-Subdominante auftritt: Am / C / D / F //.

Bei einem Song der Stichprobe, bei Use Somebody, ist diese Folge zumindest ausschnittsweise zu finden. Dort findet sich sowohl bereits als Teil des Intros als auch im Refrain die Folge Am / C / F / F //

womit zwar die charakteristische Dur-Subdominante der Moll-Tonika entfällt, aber doch noch eine große Ähnlichkeit zu dieser Folge zu erkennen ist: Intro: C

/

C/e

/

F Maj7

/

FMaj7 :// (Ton e durchgehalten) 2x

Am

/

C

/

F Maj7

/

FMaj7 :// 2x

/

C/e

/

F

/

F ://

/

C

Strophe: C Refrain: Am

/

F

/

F ://...

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

201

Ebenfalls deutlich orientiert an einer Moll-Ausgangsbasis sind die Akkordfolgen, die vorbildartig von einem Stück wie dem 1967 von Bob Dylan veröffentlichtem All Along The Watchtower ableitbar sind. Speziell der dort zu findende Harmonieverlauf mit den Harmonien (in A-Moll) Am

/

G

/

F

/

G

//

ist später in der aktuellen Popmusik oft aufgegriffen und in den unterschiedlichsten Kombinationen verwendet worden. Die Vielfalt der bei dieser Wendung entstehenden Akkordkombinationen ist nicht zuletzt darin begründet, dass hier nur drei Harmonien auf vier Takte bzw. Metrumeinheiten zu verteilen sind. Dadurch kann der Akkord-Vorrat unterschiedlich aufgeteilt werden. Folgende Kombinationen aus den Harmonien A-Moll, G-Dur und F-Dur sind denkbar und bei Songs aufzufinden: • Am / G • Am / G

/ F

/ G //

/ F

/ F //

• Am / Am / G • Am / F / G

/ F // / G //.

Daneben treten auch, bei einem verschobenen Startpunkt • F • F

/ G

/ Am / Am //

/ Am / G // und weitere ähnliche Formmodelle auf. So ist beispielsweise der dem Turn Around-Ablauf nachfolgende Songteil von Bleeding Love so aufgebaut, dass dort die einleitende Dur-Tonika entfällt und nur noch die drei anderen Harmonien aus diesem Akkordvorrat zurückbleiben: / G

Am /

F /

G /

G

//

Tp /

S /

D /

D

//.

Da wie im ersten Part des Songs die einzelnen Akkorde dort doppeltaktig gesetzt sind, ergibt sich (Originaltonart F-Dur bzw. D-Moll) eine Abfolge, die dann wiederum konsequent in allen jetzt folgenden Parts durchgehalten wird: Strophe: Am / Am / F / F / G / G / G / G // PreChorus und Refrain: Am / Am / F / F / G / G / G / G ://.

Solch ein unmittelbares Nebeneinander einer Turn Around-Formel und einer auf die Moll-Harmonie orientierten Folge innerhalb eines Songs ist auch im Refrain von Das Beste vorzufinden. In diesem Stück sind beide Harmoniekombinationen, jeweils mit Beginn auf der Subdominante, direkt aufeinander folgend eingesetzt: Refrain: F / G / C (h) / Am g / F / G / Am

/ Am g

//.

Wenn diese Akkord-Folge aus All Along The Watchtower bereits früh in der Popmusik zu finden war, so hat doch die Häufigkeit der Verwendung in den letzten Jahren nochmals stark zugenommen. Vor allem als „HipHop Smash Formel“ ist

202

Warum Hits Hits werden

diese Harmonieabfolge speziell im Rap häufig vorzufinden (Kramarz 2008: 19). Dort wird gerne noch als Zusatz für das fehlende vierte Harmonieglied die an sich entfallene Dur-Tonika wieder neu eingebracht. Dies allerdings nicht an auffälliger und einleitender erster Stelle, sondern weiter nach hinten gesetzt und damit auf den dritten Akkordeinsatz verschoben. Dadurch ergibt sich eine Entwicklung vom Turn Around mit (alles in C-Dur) T / Tp

/ S

C / Am /

/ D

//

F / G //

zur HipHop Smash Formel mit einer möglichen Folge wie Tp

/

Tp / S

Am / Am /

F

/

D //

/

G //

hin zur sehr populären Formel Tp

/

S / T /

D //

Am /

F / C /

G //.

Diese Abfolge ist auch innerhalb der Stichprobe bei einer ganzen Anzahl von Stücken vorzufinden. In Love The Way You Lie beispielsweise bildet sie das durchgehende Rückgrat des gesamten Songs, da diese Abfolge, hier in B-Dur, über alle Parts hinweg konsequent beibehalten wird. Wären hier nicht gelegentlich einzelne Takte in Form eines Prägestempels eingeschoben, würde sich ein konstant durchgehend monotoner Ablauf ergeben, wobei zuletzt nur Faktoren wie der Wechsel zwischen weiblicher und männlicher Stimme für strukturelle und dramaturgische Lebendigkeit sorgen: Gm / Es / B / F /a :// : Intro female plus 1 Takt

2x

Rap male

4x

female

2x

female

1x

Rap male

4x

female

2x

female

1x

Rap male plus 1 Takt

4x

female

2x

female

1x

Während solche Akkordfolgen bei den hier betrachteten Stücken des öfteren festzustellen sind, treten andere Folgen gar nicht mehr auf. So ist das Blues-Schema, das immerhin gerne auch als Blues-Standardschema bezeichnet wird, innerhalb dieser aktuellen Auswahl an Hit-Songs überhaupt nicht vorzufinden. Ebenso verhält es sich mit der La Folia-Folge oder der früher oft aufgegriffenen Pachelbel-Abfolge (Lugert 2011: CD).

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

203

Nur selten finden sich Abfolgen wie die reine Dur-Kadenz ohne hinzugefügte MollParallele, die aktuell offensichtlich fast schon altbacken im Sinne von (Volks-) Lied-Tradition wirkt. Eine entsprechende, in sich dann konsequent durchgehaltene achttaktige Dur-Kadenz-Abfolge weist Ein Stern (...Der Deinen Namen Trägt) auf: C/C / F / F /

G / G / C / C ://

Intro 2x Strophe 2x Refrain 2x Strophe 2x Refrain 2x Outro (Fade Out).

In die Bereiche der Wechsel-Subdominante geht als einer der wenigen aktuell erfolgreichen Stücke Please Read The Letter, bei dem neben der Tonika E-Dur sowohl die Sub-Dominante A-Dur, die Dominante H-Dur als auch die im progressiven Rock beliebte Wechsel-Subdominante D-Dur zu finden ist (Kramarz 2006: 95): Intro: A / A / E / E :// Strophe: A / A / E / E :// Refrain: D / A / E / E :// wie Intro: A / A / E / E :// Strophe: A / A / E / E :// Refrain: D / A / E / E :// Bridge: H / H / H / A ://...

Akkord-Formel-Modelle mit aneinandergereihten Harmonien in einem typischen individuellen Songwriter-Modus, damit betont abgesetzt von den häufig eingesetzten Pop-Formeln, finden sich hier nur ausgesprochen selten. Zumindest Fairytale, auch wenn darin formelartige Ansätze und entsprechende Akkordvorräte klar erkennbar sind, ist immerhin etwas entfernt von den gängigen Standard-Mustern, die sonst vorkommen – wie der Verlauf einer Strophe innerhalb der Tonalität von F-Dur bzw. D-Moll verdeutlichen mag: Strophe: Dm / Gm / B / Am :// Dm / Gm / C / F A / Dm / Gm / B / Am /.

Die Möglichkeiten aber, sich entweder über viele zusätzliche Akkorde völlig aus einer klaren Kadenz-Zugehörigkeit zu lösen oder aber gar keinen Harmoniewechsel einzubringen bzw. auf einem Grundton bezogen zu verbleiben wie die Beatles in

204

Warum Hits Hits werden

Tomorrow Never Knows, wird in keinem der hier untersuchten Stücke genutzt. Mit Blick auf den hier untersuchten Songvorrat lässt sich festhalten, dass hier vielmehr öfters – in strenger Form – typische Pop-Formeln als Four Chord- oder die im Rap beliebte Moll Pop-Formel auftauchen. Daneben treten auch diverse Varianten dieser Formel auf, die eventuell z.B. als ein Turn-Around ohne den einleitenden TonikaDur-Akkord betrachtet werden können. Daran wird eine gewisse Beliebtheit von Moll-Akkorden schon im ersten Takt einer Formel-Folge erkennbar:

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Hypothese: In praktisch jedem Song aus der Stichprobe finden sich ansatzweise oder auch in variierter Form über zumindest einige Songparts hinweg bestimmte Akkordkombinationen, die als Pop-Formel oder als – weniger oder mehr – abgeleiteter Teil einer solchen zu erkennen sind. Damit ist hier übergeordnet eine invariable Vorgabe zu finden, die aber im jeweiligen Song individuell auf die unterschiedlichen Formeln variabel aufzuteilen ist.

3.2.4 Die Tonarten und der tonale Grundbezug 3.2.4_1 Die Dur-Tonarten

Die am häufigsten auftretende Tonart bei dieser Auswahl von Hit-Songs ist mit fast der Hälfte der Stücke die Tonart C-Dur. Allerdings sind nicht alle Songs so eindeutig dieser Tonalität zuzurechnen, wie das etwa bei Ein Stern (...Der Deinen Namen Trägt) der Fall ist. Hier finden sich ausschließlich die drei Grund-Kadenzakkorde und in der Melodik konsequent nur Töne aus der C-Dur-Skala, so dass an der Vorrangstellung von C-Dur in diesem Fall keinerlei Zweifel besteht:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

205

Ähnlich eindeutig verhält es sich bei Das Beste, wo ebenfalls die Melodik ausschließlich aus den Tönen einer C-Dur-Skala gebildet wird, in der Begleitung allerdings auch eine Mollparallele als zusätzliche Harmonie hinzutritt und der Refrain dann intern auf einem Halbschluss endet:

Deutlich ist der Wechsel zwischen einer C-Dur-Basis und einer nachfolgenden Verschiebung hin zu A-Moll bei Use Somebody zu beobachten, wo die Zeilen im Refrain entsprechend unterschiedlich verlaufen:

Dagegen nur ganz kurz, innerhalb eines ansonsten eindeutig von C-Moll geprägten Umfeldes, findet sich die Tonalität C-Dur als Grundlage eines Zwischenteils bei Believe. Sind Strophen und Refrain noch eindeutig auf C-Moll fokussiert, wird in der Bridge plötzlich ein Dur-Akkord eingeführt, der dann in den weiteren Songteilen wieder mit der Moll-Harmonie ausgetauscht wird:

206

Warum Hits Hits werden

Strophe: Cm As / B Gm (G) :// As B / Gm c b As B / B / Refrain 4x: Cm As / B

Gm (G) ://

Zwischenteil: As / B / C b As B / Gm c b As / B // ==> Cm...

Wenn aber selbst dieses Stück damit als ein Song mit Dur-Tonalität in der Übersicht auftaucht, ist es schon in einem gewissen Sinne verwunderlich, dass nur zwei Drittel aller Stücke auf eine Dur-Bezogenheit – in zumindest einigen Songparts – verweisen können. Die Häufigkeit von explizit Moll-orientierten Songs ist damit bei den Stücken dieser Auswahl erstaunlich hoch. Die Streuung aller Stücke insgesamt auf die einzelnen Tonarten ist relativ breit und annähernd gleichmäßig auch auf von C-Dur weit entfernten Tonarten, mit allerdings jeweils nur wenigen Beispielen, verteilt. Ob dabei eine Beziehung zwischen Tonart und Songaussage besteht, ist auch bei den drei Songs in E-Dur nur ansatzweise nachzuvollziehen. Mit Please Read The Letter ist einerseits der noch am deutlichsten dem Classic-Rock-Segment zugehörige Song mit einer als RockTonart zu bezeichnenden Tonalität verbunden. Er verweist damit beispielsweise auf die späten sechziger Jahre, wo etwa auf dem ersten Led Zeppelin-Album gleich fünf von neun Songs in solch einer am Grundton e orientierten Bluesrock-Klangwelt zu finden waren. Zeitgenössische Kritiken beschrieben die Klangwelt dieser Platte Led Zeppelin mit drastischen Attributen und sprachen gar von einem Rock and Roll-Holocaust: „It was so raunchy that it scared parents into thinking it should have been x-rated. Sex dripped out of every cut like the sweetest of ripe juices“ (Prochnicky 2009: 28). Unabhängig davon gehören andere Songs mit E-Dur als Grundtonart – wie Beyonce mit Single Ladies (Put A Ring On It) – sicherlich eher in eine moderne Funk-Pop-Umgebung und weniger in eine raue Proto-Metal Welt. Auch Need You Now von Lady Antebellum ist eindeutig mehr einem stimmungsvollen CountrySegment zuzurechnen als lärmendem Hard-Rock. Erstaunlich ist darüber hinaus der Umstand, dass Tonarten wie D-Dur und H-Dur in dieser Stichprobe überhaupt nicht vorkommen. Fokussiert auf die konsequent in Dur ausgestalteten Beispiele (18 Songs, d.h. 60% der gesamten Stücke) zeigt die Übersicht, wie oft eine bestimmte Tonart hier vorzufinden ist:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

207





  













 



  



  



  





  

              

3.2.4_2 Die Moll-Tonarten

Bei den Songs mit Moll-Basis sind erneut nicht alle Stücke als ausschließlich Mollausgerichtet einzuordnen. Eindeutig ist eine durchgehende Moll-Tonalität bei einem Stück wie Apologize vorzufinden, wo den gesamten Song über nur eine viertaktige Akkordformel durchgehalten wird, bei der die Melodik im Tonvorrat einer Natürlichen C-Moll-Skala verbleibt:

Offenkundig anders ist dagegen der eingeschobene Part bei Single Ladies (Put A Ring On) aufgebaut: Hier folgt auf diverse Song-Teile, die von der Gesangsmelodik her mit z.B. häufig eingesetztem gis eindeutig auf E-Dur als Tonika-Basis schließen lassen, ein Zwischenteil, der dann extensiv und auf dieser Terzposition ausschließlich ein g einbringt. Durch die Verbindung mit einem C(-Dur)-Akkord in der Begleitung des Teils wird auch die umgebende Harmonik eher in eine E-Moll-Tonalität umgedeutet, weniger – wenn auch möglich – in eine (Dur-)Blues-Welt mit entsprechenden Blue-Notes. Die zugehörige Transkription zieht sich hier bei den begleitenden Harmonien auf Quintklänge an den entscheidenden Stellen zurück und verweigert damit eine passende Interpretationshilfe:

208

Warum Hits Hits werden

Eine gewisse Unentschiedenheit lässt sich auch bei Not Ready To Make Nice konstatieren, wo das Intro und der Strophenbeginn zu einer E-Moll-Tonalität gehören

während im Refrain mit seiner Four Chord-Abfolge zweifelsohne die Parallele GDur als Tonika etabliert ist:

Die Streuung aller Moll-Songs aus dem Untersuchungsvorrat über die einzelnen Tonarten hinweg ist als recht gleichmäßig anzusehen, eventuell ist dabei eine leichte Häufung im Bereich D-Moll festzustellen. Ausgehend von den Beispielen mit zumindest einigen dezidierten Moll-Parts (18 Songs = d.h. 60% der gesamten Stücke) lässt die Übersicht die Häufigkeit der jeweiligen Tonarten erkennen:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

209

22 6 Gm

Gism/Asm

6 Fism/Gesm

16 6 Fm

Dism/Esm

Dm

Cism/Desm

11

Em

16

Cm

Aism/Bm

Hm

11

6 Am

Prozente

Die Moll-Tonarten 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Hypothese: Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Tonart, unabhängig von Dur oder Moll, wirkt variabel frei verteilt und ist damit nicht als festgelegter Erfolgsfaktor auszuweisen. 3.2.4_3 Die Abweichung vom Stimm-Grundton

Eine gravierende Abweichungen vom Referenz-Stimmton a = 440 Hz und damit ein Verlassen der per Stimmton bzw. Stimmgerät vorgegebenen Tonarten findet sich bei heutigen Stücken praktisch gar nicht mehr. Etwas Vergleichbares wie beispielsweise eine Tape-Manipulation im Tonstudio der vorherigen Jahrzehnte scheint heute so nicht mehr üblich zu sein. Nur ein Song, das eventuell nicht zuletzt dadurch noch stärker vintage-like klingende Rehab, setzt dieses Mittel ein und pendelt mit seinem Grundton fast genau in der Mitte zwischen c und cis, also mit nahezu exakt einer Viertelton-Verstimmung. Alle anderen Songs dürften in Übereinstimmung mit einem genormten Tuner bzw. entsprechend den vorgefundenen Tönen auf den Keyboards oder Software-Instrumenten aufgenommen worden sein. Eine künstlerische Freiheit durch die Ausnutzung des theoretisch weit größeren Frequenzbereichs wird bei heutigen Popmusik-Stücken wohl nicht gesucht:

Prozente

Die Abweichung vom Stimm-Grundton 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

97

3 ohne Verstimmung

mit Verstimmung

210

Warum Hits Hits werden

Hypothese: Eine Verstimmung, früher oftmals bewusst auch als klangformendes Mittel eingesetzt, ist grundsätzlich denkbar und wird auch gelegentlich genutzt. Allerdings kommt dieses Verfahren nicht mehr häufig zur Verwendung und spielt damit offensichtlich in der heutigen Praxis kaum eine Rolle. Diese Mischung aus zwar theoretischer Möglichkeit, aber doch gleichzeitiger Nichtbeachtung in der Praxis kann daher als halbvariabel bezeichnet werden.

3.2.5 Rückung und Modulation Meist findet sich in dieser Stichprobe eine klar definierte Grundtonart im Verlauf des jeweiligen Songs vor, nur gelegentlich sind mehrere tonale Bezugspunkte vorhanden. Dies geschieht beispielsweise auf Grund von einem Moll-Dur-Wechsel, also bei einer Verschiebung von der Dur-Tonika zur zugehörigen Moll-Parallele oder umgekehrt. Daneben gibt es auch einen Wechsel innerhalb der gleichen TonFamilie, also beispielsweise von C-Moll zu C-Dur, was allerdings noch seltener anzutreffen ist. Ein Beispiel dafür findet sich in dem erwähnten Zwischenteil von Believe, wo nach dem zweiten Auftreten des Refrains Cm As / B

Gm (G) :// 4x

der Zwischenteil beginnt mit der Akkordfolge As

B / C (b)

:// 2x

also kurzfristig mit einem deutlichen C-Dur statt dem bisherigen üblicherweise auftretenden C-Moll. Damit ist allerdings immer noch ein grundsätzlicher tonaler Bezug etwa zum gemeinsamen Grundton c gegeben, der dabei ja nicht in Frage gestellt wird. Einen vollständigen Tonarten-Wechsel bewirken dagegen eine Modulation oder eine Rückung. Bei einer typischen Rückung wird der gesamte Song – bevorzugt nach oben – tonal verschoben. Diese Verschiebungen sind im Gegensatz zu einer regelgerechten Modulation nicht vorbereitet und werden üblicherweise abrupt durchgeführt. Meist findet sich eine Rückung dann als endgültige Veränderung der Tonalität im Song, da eine Rückführung zurück zur Ausgangstonart nur selten anzutreffen ist. Ein Beispiel für solch eine Rückung um einen Ganzton nach oben stellt Hallelujah dar, das, ausgehend von der Grundtonart F-Dur, im Schlussteil diverse Abschnitte des Songs wie Strophe und Refrain erneut aufgreift, um sie nun aber in G-Dur zu präsentieren. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass speziell hier die Rückung mit einigen kompositorischen Handgriffen recht aufwändig vorbereitet und damit ansatzweise schon wie eine Modulation ausgeführt ist: • Der bereits schon vorab eingebrachte Instrumental-Part wird nach dem zweiten Refrain verdoppelt. • Der finale Takt des verlängerten Instrumentalparts hat ein massives Ritardando.

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

211

• Die ausklingende Akkordfolge F => D-Moll wird an dieser Schluss-Stelle geändert zu F => D-Dur mit kleiner Septime. Die einstige Tonika-Parallele wird damit an diesem Punkt zu einem dominantischen Dur-Septakkord, wechselt entsprechend die Funktion und leitet nun nach G-Dur weiter: Instrumental-Part Intro F Dm / F Dm // 1. Strophe F Dm / F Dm / B / F C / F BC / Dm B / C C+/ Dm / Refrain B / Dm / B / F C / Instrumental-Part (wie Intro) F Dm / F Dm / 2. Strophe F Dm / F Dm / B C! / F C / F BC / Dm B / C C+/ Dm Refrain B / Dm / B / F C / Instrumental-Part// (wie Intro) 2x F Dm / F Dm / F Dm / F D7 / mit Ritardando ==> Rückung um Ganzton 3.Strophe G Em / G Em / C / G D / G CD / Em C / D D+/ Em / Refrain 2x C / Em / C / G D / Instrumental-Part (wie Intro) G Em / G Em / Refr. Outro C / Em / C / G D //.

Ebenfalls unüblicherweise rückt der Song Molitva seine einzelnen Teile gleich mehrfach um je einen Ganzton nach oben: Zuerst von D-Moll nach E-Moll und im weiteren Songverlauf dann nochmals von E-Moll nach Fis-Moll: ... Dm

B / F

C :// 4x Refrain ... //

1. Rückung: Bridge PreChorus Em C / G D :// 4x Refrain 2. Rückung Fism D / A E :// 4x Refrain ... Outro.

Mit dem zweifachen Einsatz dieses kompositorischen Mittels bildet der Song auch innerhalb der kleinen Gruppe von Stücken, die überhaupt eine Rückung aufweisen, eine Besonderheit. Die geringe Zahl der Lieder mit Rückung zeigt, dass es auch bei den ESC-Songs nicht unbedingt ein charakteristisches Merkmal ist, solch eine Rückung als dramatische Steigerung zum Finale hin einzusetzen. Explizite Modulationen wiederum mit einer deutlich konstruierten Tonartänderung, die also nicht nur

212

Warum Hits Hits werden

bereits eingeführte Songparts aufgreifen und sie – ansonsten unverändert – über eine Rückung verschieben, kommen zwar vor, sind aber endgültig nicht allzu häufig anzutreffen. In dieser Stückeauswahl finden sich aber immerhin zwei Beispiele für Modulationen – mit jeweils unterschiedlichen und doch typischen Charakteristiken: • Meist ist eine Tonartänderung speziell im Bereich einer Bridge bzw. dem Zwischenteil zu finden. Dadurch wird dieser Teil besonders herausgehoben oder abgesondert vom bis dahin vorgestellten Songmaterial. Solch ein Vorgang ist bei Use Somebody zu beobachten, wo der besagte Part nach einem Refrain eingeführt wird, um danach wieder in die vorherige Tonalitätsumgebung zurückzufallen: Intro: C / C/e / F 7+ / F7+ /... Refrain Am / C / F / F :// Zwischenteil D / D / Fism D / D / Fism

/ Fism / / H //

Solo auf Intro-Part C / C/e / F 7+ / F7+ / Refrain Am / C / F / F :// ...

• Eine andersartig gestaltete Art der modulierenden Tonartveränderung findet sich bei Euphoria, wo das Stück immer jeweils zum Refrain in eine andere Tonalität geführt wird. Hier werden dazu bestimmte Harmonien als modulierendes Bindeglied zwischen zwei Tonalitäten verwendet: Die Strophe ist durchgehend in DDur bzw. H-Moll gehalten und wechselt über das Zwischenglied Fis-Moll (Dominant-Parallele in D-Dur und Tonika-Parallele in A-Dur) in den Refrain-Part nach A-Dur. Gleich zum Abschluss des Refrains findet die Rückkehr zur Strophe über die Harmonie D-Dur (Subdominante in A-Dur, Tonika in D-Dur) nach DDur bzw. H-Moll statt: Intro: 2x Hm // 1. Strophe in D Hm / Hm Hm / Hm Refrain in A (2x) Fism / E Fism / E

/ /

A G A D

/ /

G D

// ://

/ /

A A

/ /

D D

/ ://

2.Strophe in D //... Refrain in A // ….

Damit handelt es sich ebenfalls nicht einfach um eine schlichte Rückung eines gesamten Song-Parts, sondern hier wird die Quint-Verwandtschaft der beiden Tonarten genutzt, um über ein aufsteigendes gis in der Melodik eine Modulation hin zum A-Dur in die Wege zu leiten:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

213

Insgesamt stellt dieser Song jedoch eine deutliche Ausnahme dar in einem Umfeld von Hit-Songs, wo schon Rückungen eher selten und explizit durchgeführte Modulationen praktisch gar nicht auftreten:

mehrfache Modulation

mehrfache Rückung

7

Modulation mit Rückführ.

3

Modulation

3

Rückung um Ganzton/mehr

87

Rückung Halbton

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

keine Rück./ Modulation

Prozente

Rückung und Modulation

Hypothese: Dies ist ein variabler Bereich, da in einem erfolgreichen Song ganz offensichtlich die Möglichkeit besteht, beliebig eine Modulation oder Rückung einzusetzen. Allerdings ist es beachtenswert, wie selten dieses Stilmittel insgesamt nur eingesetzt wird.

3.3 Die Melodik Bei allen Stücken dieser Stichprobe handelt es sich um Songs, bei denen eine gesungene Hauptmelodielinie zu einer begleitenden Harmonik gesetzt ist. Diese Main-Vox wird allerdings meist unterstützt durch begleitende Stimmen, die in bestimmten Teilen entweder • exakt unisono mit eingebracht werden oder • meist in einem Terz- oder Sextabstand eine harmonische Färbung verleihen • bzw. als unabhängige Stimme, etwa in einer Duett-Form, eingebracht werden. Zu den wenigen Beispielen mit ausdrücklich nur einer, ausschließlich solistisch gesetzten Stimme gehören Over The Rainbow und auch Rehab.

214

Warum Hits Hits werden

3.3.1 Die Stimmführung innerhalb eines Arrangements Andere und dazu unterschiedliche Vokal-Arrangiermöglichkeiten führt der Song Somebody That I Used To Know vor. Dort wird ab dem Refrain nicht nur die männliche Stimme innerhalb der aufwändigen Studioproduktion verdoppelt, um ihr eine höhere Durchsetzungskraft zu verleihen, sondern im späteren Verlauf kommt dann noch eine zweite, solistisch gesetzte weibliche Stimme hinzu. Verbunden mit weiteren im Tonstudio hinzugemischten Stimmführungen der Hauptstimme ergibt sich damit eine gegenläufige und auch ergänzende, mehrstimmige Melodieführung mit einem gelegentlich recht komplexen Stimmen-Arrangement:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

215

Eine getrennte, zweistimmig arrangierte Führung unterschiedlicher Melodiestimmen weist Rolling In The Deep auf, wo speziell in den Refrain-Parts die solistische Stimme von Adele als Kontrast zu einem Chor gesetzt wird, der dort eine betont unabhängige lineare Melodieführung einbringt:

In diesem Stück findet sich dabei im ersten Refrain-Takt einer der wenigen Fälle, wo in einem äußerst erfolgreichen Song zumindest für einen Moment die zusätzliche Melodik – gut hörbar und deutlich reibend – den üblichen Tonvorrat dieses Songs verlässt und eigene Töne einbringt. Dort wird nämlich gleich zu Beginn des Choreinsatzes mit aller Schärfe ein a intoniert,

216

Warum Hits Hits werden

wo doch, wie es in den nachfolgenden Phrasen auch der Fall ist, in C-Moll ansonsten ein as regelgerecht und harmonisch korrekt wäre:

Zuerst von Sänger und Sängerin im Wechsel, im Refrain dann gemeinsam vorgetragen wird der Song Running Scared. Dies findet dort überwiegend unisono statt, nur im Mittelteil kommt eine weitgehend in Terzen geführte Zweistimmigkeit hinzu:

Die Aufteilung eines Gesangs-Duos in jeweils unabhängige Stimmführungen wird dagegen bei Love The Way You Lie markant durchgeführt: Hier stehen von einer Männer-Stimme vorgetragene Rap-Verse neben völlig anders gestalteten Melodien einer Frauenstimme. Öfters findet sich aber, wie es etwa bei Hallelujah der Fall ist, ein Chor, der über kurze Passagen hinweg die Hauptstimme übernimmt und damit dort die Solistin von der tragenden Melodie entlastet, um Platz für deren virtuose Einwürfe zu schaffen. Auch unterstützende und ausschmückende Begleitstimmen mit eigener oder zumindest leicht abgesetzter Melodieführung sind vorhanden, wobei diese in der Regel hinter dem führenden Hauptgesang zurückstehen. Die Möglichkeit aber, eine von der begleitenden Harmonik unabhängige Melodik einzubringen, wird in der erfolgsorientierten Popmusik praktisch gar nicht erst in Erwägung gezogen oder blitzt nur in kurzen Augenblicken auf:          

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Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

217

Hypothese: Jeder der erfolgreichen Popmusik-Songs weist invariabel eine im Vordergrund stehende Haupt-Gesangslinie auf. Es ist aber variabel, ob diese Gesangsmelodie-Führung zusätzlich beispielsweise durch eine zweite Stimme, einen Chor oder unabhängige Gegenstimmen erweitert bzw. ausgeschmückt wird.

3.3.2 Der Melodikverlauf des Gesangs Den Melodikverlauf bei einem Pop-Song in verbale oder grafische Beschreibungsformen zu übersetzen ist nur schwer eindeutig durchzuführen. Hier gibt es praktisch bei jedem Song mit seinen unterschiedlichen Motiven und Sequenzen unterschiedliche Ansätze und Einordnungsmöglichkeiten. Auf jeden Fall ist die Verteilung der unterschiedlichen Verlaufsformen breit gestreut. Nur gelegentlich lassen sich verbindliche und konsequent ausgeführte Verläufe ausmachen und eine konsequente Präferenz der Melodieführung feststellen. Ein insgesamt aufsteigender Melodikverlauf lässt sich beispielsweise gut bei Hallelujah in der Strophe erkennen:

Bei dem gleichen Song könnte der Refrain als eher bogenförmig beschrieben werden:

Please Read The Letter dürfte ein recht markantes Beispiel für einen monoton-linearen Gesangsmelodikverlauf innerhalb der Strophe darstellen,

218

Warum Hits Hits werden

während der spätere Refrain in demselben Stück als – umgekehrt – bogenförmig einzuordnen ist:

Durchgehend dagegen wiederum fast linear verbleibt der Gesang gleich zu Beginn des Songs Poker Face über eine weite Strecke auf einem Ton:

Aber nur gerade noch als linear zu bezeichnen ist die melodische Führung in Need You know. Dies ist nur möglich bei einer insgesamt großzügigen Betrachtungsweise und einer Negierung der jeweiligen Schlusstöne sowohl in der Strophe

als auch im Refrain:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

219

Bei manchen Songs ist eine verbindliche Einordnung letztendlich kaum vorzunehmen, wie das Beispiel Somebody That I Used To Know zeigt: Aufsteigend, bogenförmig, (vorübergehend) linear, absteigend – oder irgendwie von allem etwas, das ist hier die Frage...:

3.3.2_1 Der Melodikverlauf im Refrain

Damit ergeben sich im Verlauf eines Refrains mit gelegentlich auch mehrfachen Tendenzen recht gleichmäßig verteilte Häufigkeiten bei der Formung der Melodien:

30

37 23

gemischter Melodieverlauf

linearer

10 bogenförmiger

10 fallend

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

ansteigend

Prozente

Der Melodikverlauf im Refrain

3.3.2_2 Der Melodikverlauf in der Strophe

Im Gegensatz zur Melodikführung innerhalb der Refrains könnte bei den Strophen eine gewisse quantitative Häufung in Richtung lineare Melodikführung konstatiert werden. Jedoch ist es auch hier schwierig, gültige Beschreibungen für jede einzelne Melodieführung eines Songs abzugeben:

220

Warum Hits Hits werden



 

  

 

      







  



        " !        

Hypothese: Die Art des Melodieverlaufs ist beim Hauptgesang, sowohl im Refrain als auch in den Strophen, offensichtlich variabel, da hier auch bei erfolgreichen Stücken keine auffallend häufig auftretende Formen oder damit ansatzweise verbindliche Vorgaben zu erkennen oder abzuleiten sind.

3.3.3 Repetierende Melodiephrasen im Refrain In einem Pop-Song lassen sich typischerweise viele Wiederholungen von Melodiephrasen, etwa in Form von kompositorischen Strukturprinzipien wie Melidents, Sequenzierungen und Intchanges beobachten (Riedemann 2012: 49). Hier sollen nun sich unmittelbar wiederholenden Phrasen speziell innerhalb eines Refrain-Verlaufs aufgezeigt werden, die zwar nicht unbedingt bei jedem Song, aber doch bei vielen und im Einzelfall auch innerhalb eines einzelnen Songs in einer erstaunlichen Häufigkeit vorzufinden sind. Ein Beispiel für eher unabhängig aufgebaute Melodie-Phrasen ohne sofortige interne Wiederholungen stellt Das Beste dar, wo jeweils über acht Takte lang unterschiedliche Motive die Refrain-Melodik bilden. Allerdings wird der gesamte Part dann in einer fast identischen Wiederholung nochmals aufgegriffen und nur in der Schlusswendung unterschiedlich harmonisch unterlegt:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

221

Ebenfalls melodisch eher frei von internen Wiederholungen ist der Refrain von Someone Like You angelegt, bei dem nur in der letzten Wendung eine wiederaufgegriffene Phrase als Melident mit beibehaltenem Text, aber veränderter Schlussanpassung vorhanden ist:

Dagegen finden sich bei Not Ready To Make Nice im Refrain gleich mehrere Wiederholungsarten auf verschiedenen Ebenen, die die offensichtliche Wichtigkeit des kompositorischen Prinzips Interne Wiederholung verdeutlichen können: • Über sich ändernden Harmonien wird dort zuerst eine eintaktige Phrase mit angepassten Schlusstönen sequenziert und • dann, wiederum mit angepasstem Schlusston, durch einen zusätzlichen eintaktigen Einschub auf eine Länge von 2 Takten erweitert:

222

Warum Hits Hits werden

• Die damit insgesamt viertaktige Konstruktion wird nachfolgend nahezu identisch aufgegriffen und als tonal gleiche, aber textlich unterschiedliche Wiederholung im weiteren Verlauf des Refrains erneut vorgetragen. In einem Song wie Rehab wird, innerhalb einer zweitaktigen Phrase und auf für den Song sehr charakteristische Weise, immer (nur) der zweite Abschnitt wiederholt – dies mit melodisch identischer Bewegung, aber abweichender Textunterlegung, da aus no, no, no dort know, know, know wird:

Bei Please Read The Letter wird gleich im ersten Refrain eine zweiteilige Phrase eingebracht, die unmittelbar anschließend wiederholt wird. Im zweiten Refrain-Teil findet sich dann noch eine Wendung, die, unterbrochen von einer eintaktigen Pause, gleich dreimal hintereinander aufgegriffen wird und jeweils exakt identisch bleibt:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

223

Mehrfach-Wiederholungen dieser Art sind bei den erfolgreichen Songs auffällig oft anzutreffen: Eine typische Drei-plus-Eins Phrasen-Wiederholung ist beispielsweise sowohl bei Running Scared als auch bei Bleeding Love zu finden. Dort wird, über jeweils einer unterschiedlichen akkordischen Begleitung, dreimal eine nahezu identische Abfolge repetiert, die sogar schon in sich bereits eine Wiederholung enthält. Über der vierten Harmonie C-Dur der insgesamt achttaktigen Turn Around-PopFormel in F-Dur findet sich aber zum Abschluss eine gänzlich andere Melodieführung. Diese ist mit den vorherigen Sequenzen in keiner Weise vergleichbar, trat aber bereits einleitend in dieser Form und mit gleichem Text als Ausklang des vorherigen Durchgangs auf:

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Warum Hits Hits werden

Es finden sich daneben in den Stücken auch noch andere Formen interner Wiederholungen: Viva La Vida basiert beispielsweise • auf einem – harmonisch immer gleichbleibenden – viertaktigen Akkord-Durchgang, • über dem in der Regel zwei jeweils doppeltaktige Phrasen vorgestellt werden. • Diese jeweils tonal verschobenen, aber in sich weitgehend ähnlich konstruierte Sequenzen bilden dann das melodische Geschehen innerhalb eines je viertaktigen Durchgangs. • Insgesamt vier Abfolgen dieser Art werden dann – wiederum in sich melodisch weitgehend unverändert, aber mit unterschiedlichem Text unterlegt – zusammengefasst und bilden die strukurelle Basis-Konstruktion des Songs:

Bei Single Ladies (Put A Ring On It) wird im Refrain nur eine einzelne Phrase mehrfach, dann aber auch gleich viermal hintereinander aufgegriffen und in praktisch unveränderter Form wiederholt. Dabei bleibt der Text und darin die Titelzeile – mit Ausnahme der dritten Wiederholung – ebenfalls weitgehend unverändert:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

225

Eine auf kurzem Raum vorgestellte Drei-plus-Eins Konstruktion weist Poker Face auf. Die dreimal – erst in identischer, dann in angedeutet sequenzierter Wiederholung – aufgegriffene Textphrase can´t read my wird in nur drei Takten durch ein Poker Face abgeschlossen, das dann auch melodisch deutlich abgesetzt ist. Schließlich folgt als Abschluss eines jeweils insgesamt viertaktigen Refrain-Durchgangs noch eine weitere, vom Chor im letzten Takt eingebrachte Figur:

Eine in sich geradezu verflochtene Wiederholungskonstruktion bietet der schon vorgestellte Refrain von Rolling In The Deep, wo über zwei viertaktigen Durchgängen neben einer großzügigen Drei-plus-Eins aufgeteilten Melodieführung der Sängerin Adele noch jeweils vier nahezu gleichförmige Chor-Phrasen hinzukommen. Nicht zuletzt diese Motive schaffen durch ihre unablässigen Wiederholungen trotz der in jedem Takt wechselnden Harmonien eine besonders charakteristische und auffällig monotone Ausstrahlung dieses Parts:

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Warum Hits Hits werden

Eine Folge von verschobenen Sequenz-Parts, die jeweils einen weitgehend gleichen Text aufgreifen, präsentiert der Refrain von Over The Rainbow. Dort bilden die langgehaltenen, großen Intervallsprünge mit ihren nachfolgenden charakteristischen Melodie-Linien einen hohen Wiedererkennungswert:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

227

Eine Wiederholung einer sehr markanten Wendung findet sich bei Apologize, wo nur das einleitende Einzelmotiv mit seinen auffällig hohen Noten aufgegriffen wird, während die Fortführung jeweils unterschiedlich ausfällt bzw. entfällt:

Ähnlich sind bei Euphoria innerhalb des Refrains die einzelnen Song-typischen Phrasen-Teile als jeweils wieder auftretende Wiederholungen ausgelegt, die entweder exakt tongetreu oder aber sequenziert aufgegriffen werden:

Solch eine sequenzierende Verschiebung von manchmal nahezu gleichen Tonfolgen findet sich auch bei Standing Still, wo insgesamt viermal nacheinander eine entsprechende kurze Phrase auftaucht. Die ersten beiden Teile sind mit demselben Text unterlegt, bei der dritten und deutlich verschobenen Ausführung werden dann auch neue Worte eingebracht, während der vierte Part wieder das vorherige Textmotiv – etwas erweitert – übernimmt:

Warum Hits Hits werden

Prozente

228

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Repetierende Melodiephrasen im Refrain

67

20 13

keine einzelne 3x oder 3+1 > 3fache Wiederholungen Wiederholungen Wiederholungen Wiederholungen

Hypothese: Wiederholungen, speziell im Refrain, finden sich in mannigfacher Form – verdoppelt, dreimal und sogar auch in vierfacher Abfolge. Kein Song verzichtet auf das kompositorische Mittel der Wiederholung von Melodie-Teilen innerhalb dieses Parts. Die Verwendung ist insofern als invariabel zu bezeichnen. Welche Art von Wiederholung jedoch konkret zum Einsatz kommt, ist variabel.

3.3.4 Der Ambitus der Gesangsmelodik Mit einem kleinen Tonumfang innerhalb der Gesangsmelodik begnügen sich nur sehr wenige Stücke. Eine der schon fast auffälligen Ausnahmen ist das Stück Single Ladies (Put A Ring On It), wo auch im Refrain der Ambitus nicht größer als e – h ist, also nicht mehr als den Tonraum einer Quinte ausfüllt:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

229

Die meisten anderen Stücke weisen einen größeren Umfang auf, wobei eine Reihe von Songs wiederum nicht mehr als den Tonraum einer Oktave ausnutzt. Ob diese Eingrenzung auf das (Nicht-)Vermögen der Vocal-Performer zurückzuführen ist, ist zumindest fraglich. Denn wenn vielleicht eine Lena beim ESC 2010 noch eine relativ ungeübte Sängerin war, so trifft dies für Alison Krauss und Robert Plant sicherlich nicht zu. Doch sowohl Satellite mit seiner vor allem in der Strophe durchgehend kleinschrittigen Melodieführung

als auch Please Read The Letter überschreiten nicht den Tonumfang einer Oktave. Dies gilt allerdings nur bei der Betrachtung von einem der Sänger, da die Verbindung von männlicher und weiblicher Stimme einen größeren Tonumfang ergibt:

Die meisten Stücke haben jedoch einen Ambitus in Bezug auf die Gesangsmelodik, der mehr als eine Oktave beträgt. Wobei dieser Tonraum manchmal nur knapp überschritten wird, wie etwa bei Believe, das einen Stimmumfang von as bis b´ aufweist. Entscheidend größer ist dagegen der vokale Umfang von Euphoria, der von einem fis bis zu d´´reicht. Dieses Stück gehört damit zu den Kompositionen mit ungewöhnlich großem tonalen Stimmumfang – was schon deswegen selten vorkommt, weil sich entsprechend hohe Anforderungen an den Interpreten ergeben.

  

                  





     

  

  

230

Warum Hits Hits werden

Hypothese: Die Größe des Tonumfangs in einem erfolgreichen Pop-Song überschreitet praktisch immer zumindest den Tonraum einer Quinte, dies meist sogar recht erheblich. Denkbar und auch ausführbar sind praktisch alle Zwischenschritte bis hin zu mehreren Oktaven. Daher ist dieser Parameter als variabel einzuordnen.

3.3.5 Das erste Melodik-Intervall Interessanterweise tritt als häufigstes Intervall, das im Song zwischen den ersten Melodietönen des Gesangs auftritt, besonders die Prime in den Vordergrund. Wobei es fraglich scheint, ob sich daraus eine echte echtes Hit-Merkmal ableiten lässt oder ob es schlichtweg eine geläufige Praxis ist, um die Stimme insgesamt eher vorsichtig einzuführen. Aber es ist zweifelsohne ein für viele Popmusik-Songs charakteristisches Kompositionselement, das gleichzeitig zur Folge hat, dass größere Intervalle entsprechend seltener vorkommen und damit als weniger üblich einzustufen sind. Viel gängiger ist eben der Einstieg mit hintereinander gesetzten gleichen Tönen, wie es beispielsweise bei Viva La Vida der Fall ist:

Mit noch einem Ton mehr und damit mit gleich fünf identischen Tönen zu Beginn des Hauptgesangs setzt das Stück Das Beste ein:

Sogar noch öfter und damit wahrlich extensiv ausgeprägt ist die Prime das einleitendes Intervall beim Gesangseinsatz von Poker Face:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

231

Bei dem gospelartig angelegten Halleluja bildet eine große Terz das einleitende Intervall, dem dann allerdings wieder eine Reihe von gleichen Tönen nachfolgen:

Bei Ein Stern (...Der Deinen Namen Trägt) leitet der Gesang das Stück als Auftakt mit einer großen Sexte ein:

Wenn solch ein großes Intervall schon eher unüblich ist, ist ein Springen in die Oktave wie bei Not Ready To Make Nice sicherlich endgültig ungewöhnlich. Bei diesem speziellen Song wird die Stimmführung der dortigen Gesangsmelodie allerdings auch mit großen Intervallen weiter fortgeführt:

  

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232

Warum Hits Hits werden

Hypothese: Einige Intervalle kommen als erste Melodieschritte kaum vor und sind damit nahezu auszuschließen, während andere auffallend häufig zu finden sind. Dazu gehören nach der Prime überwiegend weitere kleine Tonschritte wie Sekunde oder Terz, während die große Sexte und die Oktave zu den wenigen entscheidend größeren Tonschritten gehören, die zumindest gelegentlich vorkommen. Damit wird also eine Reihe von Intervallen deutlich präferiert, während andere nahezu ausgeschlossen sind. Vermutlich macht es entsprechend Sinn, diesen Parameter als halbvariabel einzuordnen.

3.3.6 Die Melodikbildung Mit der Frage, auf welchem Tonvorrat die Melodien des jeweiligen Songs zurückgreifen, sollen nun speziell die Haupt-Gesangslinien untersucht und beispielsweise auf Dur- oder Moll-Skalen-Zugehörigkeit geprüft werden. Bei einem reinen Dur-Tonvorrat der Melodik ist dies im Notenbild meist schnell zu sehen, da hier innerhalb des Verlaufs in der Regel keine weiteren Vorzeichen außer den in der allgemeinen Vorzeichnung verwendeten vorkommen. Daneben sind die begleitenden Harmonien der Stücke-Parts entsprechend meist auch jeweils überwiegend Dur-Harmonien. Moll-Akkorde wie etwa eine Tonika-Parallele treten dann – wenn überhaupt – eher als interner Teil eines größeren Verlaufs auf. Gut zu sehen ist das bei einem Stück wie Running Scared, wo diese beiden Merkmale gleich zu Anfang und dann auch den gesamten Song über weitgehend eingehalten werden:

Wenn allerdings eine Blues-Affinität vorliegt, können neben dem Tonvorrat der Dur-Skala auch die sogenannten Blue-Notes hinzukommen, die dann deutlich aus der reinen Dur-Tonalität herausfallen. So findet sich in Rehab in direkter Verbindung mit dem Septakkord der Subdominante das septimale es in der Melodik des Songs, während über dem bluesfremden E-Moll wie selbstverständlich nur ein mehrfaches e in der Melodik zu finden ist:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

233

Gelegentlich zeigt sich auch das das oft als dritte Blue-Note bezeichnete Intervall der verminderten Quinte innerhalb einer Gesangslinie, was naturgemäß vor allem bei einem deutlich Blues-nahen Song der Fall sein kann. Wie etwa bei dem auf dem Grundton c aufbauenden Rolling In The Deep, wo – zumindest in manchen Transkriptionen – vereinzelt ein ges auf der fünften Stufe gehört und notiert wird:

Eine mit dieser Reibung arbeitende Umspielung der Quinte e mit dem Ton es innerhalb von A-Moll zeigt sich mehrfach auch bei Poker Face:

234

Warum Hits Hits werden

Für den Moll-Bereich werden in den Harmonielehren unterschiedliche Skalen aufgelistet, wobei bei der sogenannten Natürlichen Moll-Tonleiter – wie bei der parallelen Dur-Tonalität – üblicherweise keine zusätzlichen Vorzeichen hinzukommen. Besonders diese Tonleiter, oft erläutert als ein mit dem Grundton um eine kleine Terz nach unten verschobener Ausschnitt aus der zugehörigen Dur-Skala (Kessler 1997: 31), findet sich häufig in Popmusik-Songs mit Moll-Basis. So beginnt etwa Somebody That I Used To Know mit einer instrumentalen Intro-Melodie in Natürlichem D-Moll, die auch aus dem Tonvorrat von F-Dur stammen könnte:

Harmonisches oder Melodisches Moll bilden im Unterschied zu der Natürlichen Moll-Tonleiter und der parallelen Dur-Tonart jeweils ein Skalen-Konstrukt mit unterschiedlichen oder speziell verschobenen Halbtonschritten, die aber innerhalb dieser Stichprobe nicht vorkommen. Interessant ist daneben, dass mehrfach Gesangsmelodien in einzelnen Stücken zu finden sind, bei denen ganz betont der sechste Tonleiterschritt nicht eingebracht wird. Dadurch ist nicht immer endgültig zu entscheiden, ob hier eine • Dur-Skala mit – zusätzlicher bzw. alleinstehender – Blue-Note auf der dritten Stufe oder eine • Natürliche Mollskala die Grundlage bilden. Jeweils nur die Sexte – eine große in Dur oder eine kleine in Moll – könnten hier Klarheit bringen. Die scheinbare Verwischung von Dur und Moll, die dadurch entsteht, manifestiert sich im Fehlen einer das Tongeschlecht eindeutig definierenden sechsten Tonleiter-Stufe. Die offensichtlich bewusste Umgehung dieses Tones ist deutlich zu spüren, wenn etwa bei Apologize die Sexte as in C-Moll immer wieder umspielt und dabei offenkundig übergangen wird:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

235

Ähnlich verhält es sich mit der sechsten Stufe, c oder cis innerhalb einer E-Tonalität, bei On The Floor, da auch dort eine Sexte konsequent vermieden wird:

     

  

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Hypothese: Die Melodielinien der einzelnen Stücke werden immer, entsprechend der harmonischen Grundlage, invariabel aus der in einem Part jeweils zugehörigen diatonischen Dur- und (Natürlichen) Moll-Skala gebildet. Um die Sexte reduzierte Skalen, Hinzufügungen durch Blue-Notes und – theoretisch – auch unterschiedliche Moll-Tonleitervorräte sind dabei aber jeweils variabel möglich.

3.3.7 Die Erhöhung des Tonvorrats im Gesang zum Refrain hin Wenn es ein Zeichen für eine gelungene Komposition ist, dass im Refrain die höchsten Töne der Gesangsmelodielinien zu finden sind, dann sollte dieses Merkmal bei den diversen Hits der Stichprobe auffallend häufig zu finden sein. Da dies offenkundig zur dramatischen Hervorhebung eines Refrain-Parts dient, dürfte es also vor allem bei Stücken mit entsprechend markanten Refrain-Parts und deren Hook-Zeilen zu finden sein. Umgekehrt wäre es dann aber auch verständlich, wenn

236

Warum Hits Hits werden

in bestimmten Liedern, die beispielsweise auf eine dezidierte Refrain-Konstruktion verzichten, sich solch eine Steigerung eventuell nicht finden lässt. Die Beispiele hier belegen, dass wirklich nicht in allen Songs im Refrain höhere Töne als in den Strophen des jeweiligen Liedes auftreten. In Rehab beispielsweise ist der höchste Ton gleich im ersten Songpart ein e, das aber auch in den späteren textintensiven Strophen-Parts häufig auftritt und dort einmalig sogar mit einem f überschritten wird. Nun ist aber genau dieser Song eine Komposition, der unmittelbar mit einem refrainartigen Chorus beginnt und daher gar nicht mehr einen Steigerungseffekt für den weiteren Verlauf benötigt. Das ist naturgemäß eher bei anderen Stücken sinnvoll, bei denen der Refrain eben erst später, meist nach Intro, Strophe und PreChorus, einsetzt. Bestätigt wird das auch durch einen Blick auf den Gesang von Single Ladies (Put A Ring On It), wo Refrain und Strophe ebenfalls nicht so eindeutig unterschiedlich konstruiert sind wie bei den meisten anderen Songs. Folgerichtig findet sich in diesem Song der Spitzenton h sowohl beim Refrain als auch im Strophenverlauf. Zu dieser Gruppe von Stücken mit nicht unbedingt stark im Vordergrund stehendem Refrain gehört weiterhin auch All Summer Long. Entsprechend sind hier ebenfalls in dem Chorus-Teil mit gleichbleibendem Text keine höheren Spitzentöne auf als im Verlauf der Strophenverse zu verzeichnen. Doch daneben gibt es die vielen in Strophe und Refrain gegliederten Stücke, bei denen doch deutlich eine Erhöhung des Gesang-Tonvorrats zum Refrain zu erkennen ist. Geradezu lehrbuchartig ist Bleeding Love auf diese Weise aufgebaut. Hier lässt sich die strukturelle Entwicklung des Songs sogar anhand der Spitzentöne festmachen: Bewegt sich die Strophe noch überwiegend zwischen d und f,

verschiebt sich der zentrale Bereich der Melodik bereits im Verlauf des PreChorus um eine Terz nach oben,

um dann im Refrain, erneut um eine Terz nach oben angehoben, die höchsten Töne des gesamten Stückes zu erreichen:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

237

Dass dann zusätzlich auch im Verlauf der späteren Strophen kurzfristig regelrechte Ausbrüche in noch höhere Stimmbereiche erfolgen, gibt dem Song an dieser Stelle eine gleichermaßen virtuose wie dramatische Akzentuierung, ohne aber die jeweils übergeordnete Steigerung des Tonvorrats von Strophe über PreChorus bis zum Refrain nachträglich in Frage zu stellen:

Ziemlich radikal ist der Unterschied bei Somebody That I Used To Know, wo ohne Umweg über einen PreChorus der Unterschied zwischen Strophe und Refrain sich markant an den Spitzentönen festmachen lässt. Ist in der Strophe mit einem zweigestrichenen c in diesem Umfeld schon ein recht hoher Ton erreicht

bewegt sich die Gesangsmelodie im weiteren Verlauf zum Refrain hin abrupt um bis zu einer Oktave nach oben und verbleibt dort lang anhaltend auf dem jetzt erreichten Spitzenton, einem um eine Oktave höheren c:

238

Warum Hits Hits werden

Ebenfalls dramatisch erhöht sich der Melodie-Tonvorrat bei Running Scared, das darauf angelegt scheint, das markante und immerhin dreimal wiederholte Kern-Motiv im Refrain klar in den Vordergrund zu stellen. Dazu wird auch das Mittel der Tonvorrat-Erhöhung zum Refrain hin verwendet, wie ein Blick auf die Strophe

im Vergleich zum nachfolgenden Refrain mit den herausragenden Spitzentönen c und h sofort zeigt:

Auch wenn also bei einigen wenigen Songs, wo der Refrain in seiner strukturellen Ausprägung nicht im Vordergrund steht, auf eine Erhöhung des dortigen Tonvorrats verzichtet wird, ist dennoch klar: Die deutliche Mehrheit der erfolgreichen Songs, bei denen die Refrain-Parts in der Regel erst später und im Sinne eines bewusst hervorgehobenen Höhepunktes auftreten, greift zu diesem Mittel. Dies muss allerdings nicht übermäßig stark ausgeprägt sein, denn eine Erhöhung um beispielsweise mehr als eine Terz ist eher selten zu beobachten. Insgesamt gilt es aber, die Erhöhung des Tonvorrats zum Refrain hin als ein typisches Charakteristikum im Sinne eines nachhaltigen Erfolgsfaktors im Blick zu behalten.

Prozente

Anstieg Melodik in Refrain 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

67

23 10

kein Anstieg

Anstieg Sekunde oder Anstieg mehr als Terz Terz

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

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Hypothese: Bei den meisten Stücken ist eine Anhebung des Tonvorrats im Gesang hin zum Refrain zu erkennen, bei einer ganzen Reihe von Songs geschieht dies sogar sehr deutlich. Allerdings muss dieses Verfahren nicht unbedingt zwingend angewendet werden, was einige Beispiele dieser Songauswahl bestätigen. Es ist also mehr als eine dringende Empfehlung zu betrachten und damit als ein halbvariabler Parameter einzuordnen.

3.4 Die Rhythmik Popmusik als eine Musik völlig ohne rhythmischen Bezug scheint nur schwer vorstellbar zu sein und bildet damit offenkundig ein wichtiges Element – insofern soll hier das Gebiet der Rhythmik unabhängig von Melodik und Harmonik genauer betrachtet werden. Welche Gesetzmäßigkeiten bei einzelnen Elementen lassen sich hier innerhalb der erfolgreichen Stücke erkennen?

3.4.1 Das Metrum Absolut unumstößlich ist offensichtlich die Voraussetzung eines gleichmäßig pulsierenden Grundschlags, ohne den – erfolgreiche – Popmusik nicht denkbar scheint. In der Regel bilden dabei Vierer-Aufteilungen die Takt-Vorgabe, nur selten finden sich auch Dreier-Metren wie etwa ein 6/4- bzw. 12/8-Metrum bei Hallelujah:

Eine Abweichung vom übergeordneten Dreier- oder Vierer-Taktmaß oder gar echte echte Metrums-Freiheit im Sinne einer völligen Puls-Losgelöstheit kommt bei keinem Song vor. Nur in einigen wenigen Stücken finden sich ansatzweise entsprechende kurze Abschnitte, wo aber immer noch ein gleichbleibendes Puls-Gefühl, resultierend vom vorherigen Ablauf, zu spüren ist. In der Notation wird daher bei allen Stücken entsprechend ein durchgehaltenes Metrum dargestellt. Doch eine gewisse Andeutung von Befreiung vom so unerbittlichen Metrum-Schlag wird gelegentlich zumindest angestrebt: Beispielsweise schwebt der Gesang bei Das Beste nach dem zweiten Refrain kurzfristig ohne eine ausgespielte rhythmisch-perkussive Unterlegung, da die Rhythmik nur noch von einzelnen Keyboard-Akkorden angedeutet wird. Und bei dem Stück Euphoria verliert sich die Gesangsstimme an einer vergleichbaren Stelle im Songablauf kurzfristig in einer Art Echo-Nebel der Keyboards. Damit befindet sich dort die Gesangslinie – über einige wenige Takte hinweg – zumindest ohne die unmittelbare Anbindung an

240

Warum Hits Hits werden

rhythmisch scharf zu definierende Akzente, wie sie sich etwa in Verbindung mit Snare-Drum- und Bass-Drum-Schlägen ergibt, auch wenn dieser Songpart in sich zweifelsohne immer noch an einen internen Grundpuls angekoppelt ist:

Das bedeutet, dass sich bei praktisch allen Stücken ein durchgehender rhythmischer Grundpuls – in unterschiedlichsten Ausführungen – finden lässt. Der rhythmische Fluss in seiner monotonen Abfolge wird jedoch oftmals bei vielen Stücken durch einen kurzen Absatz, einen Break, unterbrochen und gegliedert. Perkussiv angelegte Breaks innerhalb des jeweiligen Song-Verlaufs finden sich daher häufig, auch wenn sie in einer üblichen Songbook-Notation nicht immer vermerkt sind. Gelegentlich aber sind die rhythmischen Abschnitte zumindest durch einen Doppeltaktstrich angedeutet, wie es beim Strophenbeginn von Use Somebody der Fall ist, wo sich eine drastische Zäsur des Schlagzeugs mit einem ausgehaltenen Gitarren-Akkord verbindet und ein ausgedehnter Gesangs-Auftakt diesen neuen Part einleitet:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

241

Es gibt aber auch einige Produktionen, wo der rhythmische Fluss bzw. der Groove betont eben gerade nicht durch einen rhythmische Bruch aufgeteilt wird. In dieser Song-Auswahl lässt sich das bei einer ausgeprägten Dance-Nummer wie Ein Stern (...Der Deinen Namen Trägt) beispielhaft aufzeigen. Gleich nach dem Intro bleibt dort eine vor allem auf der durchgehenden Bass-Drum beruhende Rhythmik als gleichmäßig betonter Viertel-Akzent konstant präsent, so dass ein monotoner Groove entsteht, der in diesem Stück kompromisslos und unnachgiebig eingehalten wird.

97 67

rhythmusfreie Parts mit Puls

ungrader Takt wie 7/8

Breaks im Song

3/4 bzw. 6/8

(teilweise) metrumfrei

7

3 4/4 Metrum

Prozente

Das Metrum 120 100 80 60 40 20 0

Hypothese: Ein gleichmäßig pulsierender Grundrhythmus, meist im 4/4-Takt, ist in jedem der erfolgreichen Pop-Stücke zu finden. Allerdings wird diese invariable übergeordnete Aussage dadurch variabel diversifiziert, dass auch ein anderes, beispielsweise ein Dreier-Metrum gelegentlich vorzufinden ist. In recht vielen Liedern unterbrechen Breaks oder Stopps zumindest kurzfristig den ansonsten konstant durchlaufenden Beat, und in kurzen Passagen einiger Songs wird er sogar kurzfristig nur noch angedeutet oder nicht explizit gespielt.

3.4.2 Das Tempo Die Unterschiede der Tempo-Zahlen sind verblüffend groß und breit gestreut, wobei die oftmals erwartete Präferenz von 120 Schlägen pro Minute (Beats per Minute, BpM) bei den Messergebnissen so nicht unbedingt vorzufinden ist. Stilistische Schwerpunkte lassen sich ebenfalls nicht unmittelbar ausmachen, schon bereits bei den jeweiligen ESC-Winner-Songs gibt es eine hohe Spannweite. Die Stücke Someone Like You mit 63 BpM und Believe mit 67 BpM haben das niedrigste Tempo, das höchste weisen Viva La Vida mit 139 BpM und Rehab mit 144 BpM auf. Der Song Hallelujah hat – als einziger – ein Dreier- bzw. SechsAchtel-Taktmaß und fällt daher aus dem direkten Tempo-Vergleich heraus:

242

Warum Hits Hits werden

Interpret Titel

ca. Beats per Minute

Alexandra Burke Hallelujah (6/8 -Metrum)

61

Adele Someone Like You

63

Dima Bilan Believe

67

Alison Krauss & Robert Plant Please Read The Letter

72

Marija Serifovic Molitva

76

Israel „IZ” Kamakawiwoʻole Over The Rainbow

85

Dixie Chicks Not Ready To Make It Nice

86

Eli & Nikki Running Scared

86

Eminem feat. Rihanna Love The Way You Lie

88

Lena Satellite

95

Beyonce Single Ladies (Put A Ring On It)

97

Leona Lewis Bleeding Love

103

Adele Rolling In The Deep

105

Kid Rock All Summer Long

106

Lady Antebellum Need You Now

108

Alexander Rybak Fairytale

108

Roman Lob Standing Still

109

Silbermond Das Beste

112

One Republic Apologize

118

DJ Ötzi Ein Stern (...Der Deinen Namen Trägt)

127

Gotye ft. Kimbra Somebody That I Used To Know

129

Jennifer Lopez feat. Pitbull On The Floor

130

Loreen Euphoria

133

Lady Gaga Poker Face

134

Coldplay Viva La Vida

139

Kings of Leon Use Somebody

140

Amy Winehouse Rehab

144

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

243



    



  

 





 

  

  

   



 

  

 

Hypothese: Das Tempo der erfolgreichen Stücke (mit einem Durchschnittswert von 107 BpM) ist verteilt auf den weiten Bereich zwischen 80 und rund 145 Schlägen. Einige wenige Songs sind langsamer, kein Song dieser Auswahl ist schneller. Insofern gibt es eine gewisse Freiheit bei der Auswahl des musikalischen Tempos, die aber andererseits doch nach oben und unten klar limitiert wirkt. Daher wird hier sinnvollerweise von halbvariabel gesprochen.

3.4.3 Die Danceability Die Definition für Danceability ist nicht leicht festzulegen und einzugrenzen. Bei Krieger basiert die qualitative Unterscheidung einzelner Rhythmen auf der Spannung zwischen einem Impakt (ein tonhöhenloses Klanggeschehen) und Nonimpakt (ein NICHT stattfindendes auditives Ereignis). Dazu führt er mehrere Punkte an: • Je nach Positionierung dieser Impakte und Nonimpakte im Rahmen eines musikalischen Gesamtgeschehens oder Bezugssystems ergibt sich die jeweilige rhythmische Spannung, wobei Impakte auf betonten Taktzeiten und zu Beginn eines Taktes weniger spannungsreich erscheinen als auf unbetonten Zeiten oder zum Ende eines Taktes hin. • Ein allein stehender Impakt hat eine größere Wirkung als eine Abfolge von ihnen, und ein längeres Nonimpakt ist um so auffälliger, um so länger es ist. • Die höchste rhythmische Spannung wird aber durch Synkopen vermittelt, bei denen ein Ton auf einer unbetonter Zeit begonnen, aber bis über die nachfolgende betonte Zeit ausgehalten wird. • Tempoänderungen erzeugen Spannungen, vor allem wenn sie schnell oder gar sprunghaft auftreten. Dann allerdings, gerade wenn sie häufiger auftreten, finden sie immer weniger Zustimmung. • Eine tolerierbare Spannung dagegen erzeugt der Einsatz von Wiederholungen, da hier eine gewisse Erwartungshaltung befriedigt wird. Wenn im Gegensatz dazu zufallsgesteuerte aleatorische Abfolgen auftreten, die keinerlei erkennbare Re-

244

Warum Hits Hits werden

gelmäßigkeit mehr aufweisen, sinkt die Akzeptanz auf kaum noch nennenswerte Werte (Krieger 2012, 193 f.). Die jeweilige Höhe dieses Merkmals bei den einzelnen Songs wurde bei dieser Untersuchung daher zusammen mit Studenten und Schülern ausgetestet. Ihnen wurde die Frage gestellt, wozu sie sich am besten und am liebsten tänzerisch bewegen könnten. Überraschenderweise sind, wie sich dabei schnell herausstellte, bei weitem nicht alle Songs auf ein typisches Dance-Tempo mit großer Stimulationskraft zur körperlichen Bewegung ausgelegt. Einige der sehr langsamen Stücke wie Please Read The Letter oder Someone Like You wirkten sogar ganz betont für die meisten Hörer als (zu) langsam und damit als praktisch nicht tanzbar. Sie motivierten nur einige wenige Hörer dazu, zumindest den Grundpuls aufzugreifen, um ihn beispielsweise zu einem langsamen Hin- und Herwiegen zu nutzen. Ein typischer Vertreter für eine ebenfalls geringe, aber immerhin ansatzweise nutzbare Tanzbarkeit dürfte Bleeding Love sein, während Fairytale zwar als beschwingt, aber mit mit seinen vielen Breaks und Parts dann doch eher als nur durchschnittlich zum Tanz geeignet eingeordnet wurde. Ganz anders dagegen wirkt aber ein Stück wie Single Ladies (Put A Ring On It), wo hohe Einigkeit über eine hervorragende und sehr fordernde Tanzbarkeit herrschte. Dabei ist das Tempo mit 97 BpM hier gar nicht als übermäßig schnell bzw. beschwingt anzusehen – hohe Danceability ist also nicht nur eine reine Frage des Tempos.

 



              



 

 

    





 

 

In dieser Weise erfolgte die Einteilung der Songs als Mehrheits-Ergebnis der befragten Versuchspersonen im Bereich Danceability:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

Titel All Summer Long Apologize Believe Bleeding Love Das Beste Ein Stern (...der deinen Namen trägt) Ein Stern (...der deinen Namen trägt) Euphoria Fairytale Hallelujah Love The Way You Lie Molitva Need You Now Not Ready To Make Nice On the Floor Over The Rainbow/What A Wonderful World Over The Rainbow/What A Wonderful World Please Read The Letter Poker Face Poker Face Poker Face Rehab Rolling In The Deep Running scared Satellite Single Ladies (Put a Ring on It) Somebody That I Used To Know Someone Like You Use Somebody Viva La Vida Gesamt-Zahl

Interpret

Kid Rock OneRepublic Dima Bilan Leona Lewis Silbermond DJ Ötzi und Nik P DJ Ötzi und Nik P Loreen Alexander Rybak Alexandra Burke Eminem feat. Rihanna Marija Šerifovic Lady Antebellum Dixie Chicks Jennifer Lopez feat. Pitbull Israel Kamakawiwoʻole Israel Kamakawiwoʻole Plant & Krauss Lady Gaga Lady Gaga Lady Gaga Amy Winehouse Adele Ell & Nikki Lena Meyer-Landrut Beyoncé Gotye ft. Kimbra Adele Kings of Leon Coldplay

245

hoch

durch.

ansatzw.

keine

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11

5

11

Hypothese: Die erfolgreichen Hit-Stücke sind bei weitem nicht alle dezidierte body movin´ Dance-Songs. Hier bietet sich den Song-Machern vielmehr eine recht große variable Spannbreite zwischen einem bewussten Zuhör-Stück einerseits und einer zum Bewegen animierenden Komposition andererseits – hier wird auch bei kommerziell sehr erfolgreichen Stücken offensichtlich vieles akzeptiert.

3.5 Das Arrangement 3.5.1 Die Besetzung Bei Popmusik sind die unterschiedlichsten Besetzungen denkbar und vorfindbar. Allerdings verzichten nur einige wenige Stücke vollständig auf ein durchgehendes Schlagzeug mit entsprechend dichter Perkussionsanmutung. Dafür können diese Songs dann mit der eher zurückhaltenden Begleitung sehr viel stärker den Gesangs-

3

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Warum Hits Hits werden

solisten in den Vordergrund stellen. Dies ist entsprechend der Fall bei Stücken wie Someone Like You mit Adele, Over The Rainbow mit Israel „IZ” Kamakawiwoʻole oder auch Hallelujah mit Alexandra Burke. Beispiele für eine als eher traditionelles Bandinstrumentarium anzusehende Besetzung, gebildet aus Gitarren, Bass und Schlagzeug und gelegentlich erweitert durch Piano und Bläsersätze, sind dagegen vornehmlich die Songs von Rock-, R&B- und Blues-Musikern wie Amy Winehouse, Robert Plant, Kings of Leon oder Kid Rock, wobei aber auch Country-Bands und Folk-Rock-Interpreten wie die Dixie Chicks oder Lady Antebellum hinzugezählt werden können. Ähnlich, aber statt nur mit Gitarren auch zusätzlich mit elektronischen Keyboards und Synthi-Flächen an prominenter Stelle besetzt, präsentieren sich moderne Produktionen mit Interpreten wie Eli & Niki, One Republic oder auch Roman Lob. Endgültig nur noch auf Keyboards und elektronische Drum-Kits setzen dann explizite Studio-Produktionen wie Bleeding Love, Somebody That I Used To Know und Poker Face, aber stilgerecht auch betonte EDM-Pop-Stücke wie Ein Stern (...Der Deinen Namen Trägt) oder Euphoria. In allen Aufnahmen finden sich ausgeprägte Gesangslinien. Reine Instrumental-Aufnahmen ohne einen im Vordergrund stehenden Leadgesang, sei es etwa als gitarristisches Solo-Stück oder als rein elektronisch angelegter Techno-Beat, kommen in dieser Stichprobe nicht vor. Auffälligerweise findet sich aber bei diversen Stücken wie beispielsweise Viva La Vida, unabhängig vom Einsatz anderer Instrumente, eine starke Präsenz von traditionell-orchestralen Klängen im Höreindruck. Der beeindruckend grandiose Eindruck kommt dabei offenkundig auch dann zustande, wenn beispielsweise in Love The Way You Lie die Streicherflächen – vermutlich – ausschließlich im Tonstudio von Samplern oder Rechnern mit OrchesterLibraries eingespielt wurden. Die Spannbreite der Stilistiken, bei denen Geigen und andere Orchesterinstrumente eingesetzt werden, ist dabei erstaunlich groß und reicht von Blues-geprägten Sessions wie Rehab mit seinem markanten Strings-Arrangement bis hin zu den sanft-eindringlichen Parts in Pop-Balladen wie Das Beste. Dass dann ein solch traditionelles Instrument wie eine Violine auch als Vorzeige-Soloinstrument auftritt, ist speziell bei einigen ESC-Songs zu beobachten. Dort steht, etwa bei Fairytale oder auch Molitva, immer wieder jeweils eine Geige bzw. auch eine Querflöte mit prägenden Motiven des Stückes im Vordergrund. Bei Not Ready To Make Nice oder auch Please Read The Letter übernimmt eine Geige bzw. eine Fiddle in entsprechenden instrumentalen Parts sogar die Funktion, die sonst bei einer Rock-Band typischerweise einer Solo-Gitarre vorbehalten ist. Damit zeigt sich, dass eine Vielzahl von Besetzungsformen innerhalb des Spektrums von Popmusik-Songs prinzipiell möglich ist, wobei aber besonders die rein elektronische Studio-Produktion mittlerweile schon einen bedeutenden Anteil

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

247

innerhalb der Arrangementformen bildet. Gleichzeitig und unabhängig davon sind andererseits verblüffend oft Streicher-Orchestrierungen oder solistisch eingesetzte Instrumente aus dem Bereich des klassischen Orchesters mit entsprechender SoundAnmutung in diversen Songs zu finden.

43

33 13

33

OrchesterInstrumente enthalten

elektronische Prod. ohne Gesang

elektronische Prod. mit Gesang

Instrumental, ohne Gesang

Band mit Keyboard

7 Band, keine Elektronik

Solist (Gesang)

Prozente

Die Besetzung 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Hypothese: Die Art der Besetzung oder Instrumentierung ist variabel, hier ist offenkundig alles Denk- und Machbare prinzipiell möglich.

3.5.2 Die Länge eines Songs Die äußeren Grenzen eines Stückes sind mittlerweile in der alltäglichen Praxis klar vorgegeben. So gibt es einerseits nicht einen Song in dieser Auswahl, der kürzer ist als 2:30 Minuten. Selbst unter drei Minuten ist in dieser Stichprobe nur ein einziger Song, nämlich Ein Stern (...Der Deinen Namen Trägt) mit 2:47. Andererseits überschreitet auch kein Lied eine maximale Länge von 6:00. Dabei sind es vor allem eher die traditionellen und rockbetonten Songs wie Please Read The Letter mit 5:53 Länge oder Summer Rock mit immerhin noch 4:56 bzw. typische solistisch geprägte Songs wie Someone Like You mit 4:51, die zumindest eine 4:30-Grenze deutlich überschreiten. Bei allen ESC-Songs ist schon auf Grund der Wettbewerbsvorgaben eine Edit-Ausgabe von exakt 3:00 eine unumstössliche Pflicht, gelegentlich finden sich aber auch dabei im kommerziellen Umfeld sogenannte extended versions, also ausgedehntere und damit längere Fassungen.

248

Warum Hits Hits werden

Prozente

Die Länge eines Songs 47

50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0

43

10

< 2 Minuten

2:00 - 2:30

2:31 - 3:30

3:31 - 4:30

> 4:31

Hypothese: Die Länge eines Songs ist halbvariabel, da sie einerseits theoretisch frei, andererseits in der Praxis recht klar limitiert ist. Die Grenzen liegen zwischen mindestens zweieinhalb und andererseits meist nicht viel mehr als gut vier Minuten.

3.5.3 Der Produktionsstandard der Aufnahmen Eine genauere Betrachtung zeigt, dass wohl kaum eine Bedingung so unumstößlich ist wie diese: Die Aufnahmequalität eines erfolgreichen Stückes muss in jedem Falle extrem hohen und allen technisch möglichen Soundansprüchen genügen. Auch das kleinste Detail muss hier unbedingt entsprechend den möglichen Maximal-Anforderungen ausgeführt sein. Dies erstreckt sich sowohl auf alle handwerklichen Aspekte, wie Umgang des Sängers mit dem Mikrophon, Kenntnisse der Instrumentalisten in Bezug auf Klangerzeugung als auch auf die Fähigkeiten der eigentlichen Produzenten, von denen grundsätzlich – spätestens bei einer möglichen Hit-Produktion – immer auch das letzte Quentchen Klang-Kenntnis und TechnikBeherrschung abverlangt wird. Als ein stellvertretendes Beispiel mag Rolling In The Deep von dem Album 21 der Sängerin Adele dienen, bei dessen Produktion, so wie schon bei dem vorherigen mit dem Titel 19, über zwanzig Songwriter und Produzenten mitwirkten. Selbst der finale Mix der vielen Einzelspuren, die während des Aufnahmeprozesses entstanden, wurde jeweils von eigenen Spezialisten betreut, die mit großer Routine unterstützend zur Seite standen. In diesem Fall war es beispielsweise Tom Elmhirst, der den weiteren Bearbeitungsgang übernahm, bis der Song schließlich allein in den USA als Single vier Millionen Mal abgesetzt wurde. Er übernahm beim Produktionsprozess die Abmischung der einzelnen Aufnahmen, die zuvor der Produzent und Mit-Komponist Paul Epworth angefertigt hatte. Dabei fügte er noch seinerseits einige entscheidende Anteile zum späteren Erfolg dieser speziellen Hit-Single hinzu:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

249

„I just had to do more. It was as simple as that. The main issue was the dynamics in the mix. The song starts with a mono acoustic guitar and then when you get to the bridge, it opens up and get a bit wider, with a stereo acoustic coming in. Then the chorus comes in and all hell breaks loose. It suddenly goes from 2D to 3D. The chorus had to explode, it really had to hit you in the face. Adding the sub-bass harmonic in the chorus in the stem session emphasized that, because it means that the mix opens up vertically as well. I wanted to accentuate all these things and make all the changes even more dramatic. One way of doing this was by adding delays to the vocals in the chorus. If I had a vision for this mix, it was to get a real sense of depth. It’s like having a sense of perspective in a film, with some things close by and others far away“ (Tingen 2011: online).

Interessant ist dabei, dass bei dieser Aufnahme, unabhängig von allem technischem Aufwand und Geräteeinsatz, der spontane Moment und damit der direkte Augenblick mit all seiner unmittelbaren Magie nicht völlig unterdrückt, sondern an bestimmten Stellen erhalten und sensibel bewahrt wurde. In dem Fall von Rolling In The Deep verlief der Aufnahmevorgang, der sich über Tage und Wochen hinweg abspielte, beispielsweise wie folgt: • In nicht einmal fünf Minuten legte Paul Epworth anfangs unter einer groben melodischen Idee von Adele einige passende Gitarrenakkorde und stellte damit die Komposition in ihren Grundzügen fertig. • Anschließend nahm Epworth die Akkorde nochmals als tief gesetzte Pianoschläge auf. Er zählte dann Adele leise zu einer ersten Aufnahme vor einem Studiomikrophon ein – und dieser Take, der in einem Durchgang eingesungen wurde, sollte auch der endgültige Lead-Vocal-Track bleiben, inklusive der gemurmelten Einzähler. • Nun erst wurden die zusätzlichen Stimmen ausgearbeitet und diverse Chorsätze erstellt. • Das Einspielen einiger weniger, stark abgedämpfter Gitarren schloss die bislang nur als Demo-Erstellung geplante Session vorläufig ab. • In einem nächsten Schritt erhielt der als Haupt-Produzent eingeplante Rick Rubin die einzelnen Takes zur Einsicht für eine spätere Neu-Aufnahme. Doch er stellte bald fest, dass einzelne Elemente, vor allem die Stimme, auf diesem Demo so einzigartig waren, dass ungeachtet aller noch geplanter Versuche an ihnen festgehalten und nur noch um sie herum gearbeitet wurde. • Epworth ging daraufhin erneut mit Adele in sein Studio, um dort zumindest die Demo-Instrumente weitgehend zu ersetzen und klanglich zu verbessern. Welch Aufwand dabei im Einzelnen getrieben wurde, mag allein die akribische Arbeit verdeutlichen, die geleistet wurde, um nur die Bass-Drum so klingen zu lassen, wie sie auf dem finalen Master zu hören ist:

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Warum Hits Hits werden

„On this song, we used a ’60s marching band bass drum up against the front head of my 1972 Super Classic kick to get a tight attack and a big boom. A lot of the stomp of the kick drum was actually Adele stamping on a wooden step in my studio. We tracked it up so it sounded really heavy. Blended with the kick, it had a real blues sound. Drummer Leo Taylor added more life to the demo drum recordings. The issue was trying to get an ambient sound without it being splashy. The ceiling is low in Eastcote, and we wanted a live take of the drums, so there was some juggling. Also, when you get a 26-inch kick tuned low like that, you have to tailor the decay with mutes, a little bit of tape and a blanket, while being careful not to kill the impact or tone“.

• Auch für die Gitarren, die dann zusätzlich oder als Ersatz für die bisherigen Aufnahmen auf dem Demo eingesetzt wurden, war kein Aufwand zu groß: In einer Mischung aus Direkt-Abnahme und einem speziellen Aufnahmen mit historischen Kunst-Kopf-Mikrophonen, einem Stereo-Pärchen in einer kopfähnlichen Halterung, wurde eine wertvolle akustische Martin-Gitarre sensibel abgenommen, während als Elektro-Gitarre eine hochwertige Gibson Les Paul Goldtop, Baujahr 1957, gespielt über einen Mesa-Boogie-Verstärker und mikrophoniert über ein Royer-Bändchen-Mikrophon, zur Verwendung kam– alles Zutaten für ein wahrlich exklusives Klangergebnis. • Schließlich wurde noch das ursprüngliche Klavier überspielt und damit der eigentliche Aufnahmevorgang abgeschlossen. • Es folgten aber noch weitere, endlose Versuche und Diskussionen bei den MixSessions, da man betont mit nur wenigen Instrumenten eine möglichst hohe klangliche Dichte erzielen wollte: “It was a tricky track to balance. Because there’s so much space and so few elements in the song, it can easily slip“ . Das Ergebnis des gesamten Aufwands war, dass Rolling In The Deep der herausragende Track eines Albums wurde, von dem im Sinne eines kommerziellen Erfolg nur noch in Superlativen gesprochen werden kann: „21 is by far the best-selling album of 2011, having reached the top spot, often for weeks on end, in two dozen countries. This included a record-breaking 13-week stint at number one in the UK, which resulted in the album going 10 times platinum. 21 has also gone multiple platinum in the US, where it spent 10 weeks at the top of the Billboard album chart“ (Tingen

2011: online). Und nicht zuletzt Produktionen, die mit Hilfe elektronischer Klangerzeuger überwiegend im Studio erstellt werden, benötigen einen großen technischen Aufwand. Dies gilt auch, wenn das jeweilige Stück an sich vom Arrangement her als betont minimalistisch bezeichnet werden kann und ganz offensichtlich eine reine Studio- bzw. Computer-Produktion darstellt. Selbst dann ist der Aufwand beim Erstellungsprozess hoch und verlangt volle Hingabe der Macher bis ins Detail:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

251

„Der Songwriter und Multi-Instrumentalist Gotye ist in Australien schon länger bekannt und preisgekrönt. Internationaler Erfolg war ihm jedoch erst mit seinem dritten Album Making Mirrors vergönnt, das auch den Smash-Hit Somebody That I Used To Know enthält. Gotye verwendet zahlreiche ungewöhnliche Instrumente und zählt zum Typus des Bastlers, der an Arrangements und Sounds sehr detailliert feilt. Somebody That I Used To Know frisst sich mit einem hypnotischen Bass-Ostinato ins Bewusstsein der Hörer. Man kann sich dem Song auch nach vielen Malen nur schwer entziehen“ (Eilers 2012: online).

Der Song kann in einem Online-Workshop, bei dem drei von fünf Punkte im Könner-Level zwischen Easy und Pro eingetragen sind, nachgestellt werden. Dies ist für viele Nachwuchs-Musiker sehr interessant, da es sich um ein sehr erfolgreiches und gleichzeitig vom Arrangement her recht schlicht anmutendes Stück handelt. Bereits für das so überschaubar wirkende Intro werden dort aber schon mehr als fünf intensive Arbeitsschritte benötigt. Jeder einzelne ist dabei in sich schon recht komplex und verlangt eine umfassende technische Ausrüstung und ein gewisses Know-how im Umgang mit einer Audio-Software. Dann aber können Feinheiten ausgeführt oder auch ungewöhnliche Klangquellen zum Endergebnis hinzugefügt werden: „Gleich zu Beginn des Songs begegnet uns die Gitarrenfigur, die die Basis für den gesamten Titel bildet. Also habe ich mir eine Gitarre geschnappt und ein paar Töne aufgenommen. Nun bin ich weder Gitarrist noch verfüge ich über ein hochwertiges Instrument, doch in diesem Fall kommen wir auch so zum Ziel. Im Original hört man an dem abgeschnittenen Rauschen deutlich, dass Gotye seine Bassfigur aus Einzeltönen zusammengebaut hat. Das kann ich auch! Wir nehmen die Töne des Patterns einzeln auf und setzen sie auf einer Audiospur zur gewünschten Figur zusammen. Für die Aufnahme habe ich das simpelste Setup überhaupt verwendet und mich auch nicht an Rauschen oder sonstigen Artefakten gestört, denn die Nebengeräusche der Gitarre ergeben bei diesem Verfahren selbst eine Art Groove, den wir gerne haben wollen.“

In einer Vielzahl von weiteren Schritten, die die Integration diverser Software-Instrumente zur Emulation bzw. Imitation von Mellotron, Xylophon und Viola ebenso wie die vielfache Klangbearbeitung einzelner Spuren beinhaltet, wird schließlich ein – laut angefügten Audiobeispielen schon erstaunlich beeindruckendes – Ergebnis erreicht, von dem es im abschließenden Fazit mit deutlicher Verbeugung vor dem erfolgreichen Original heißt: „Damit haben wir jetzt zwar nicht alle Facetten von Gotye´s Hit beleuchtet, aber es genügt, um den Titel in seinen Grundzügen nachzubauen“ (ebenda). Stellvertretend an diesen Einzel-Beispielen soll damit verdeutlicht werden, dass solch ein Aufwand vermutlich ausnahmslos bei allen erfolgreichen Produktionen getrieben wird. Ein Hit, basierend auf wenig Wissen, unzureichendem technischen Equipment und stark limitiertem Zeitaufwand, ist dort wohl kaum zu finden.

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Warum Hits Hits werden

Prozente

Der Produktionsstandard der Aufnahmen

100

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Demo/ Amateur

einfache Studio-Prod.

hochwertige Prod.

Hypothese: Der Aufnahmestandard hat als invariable Größe immer absolut hochwertig zu sein.

3.5.4 Die stilistische Geschlossenheit Ein radikales Ausbrechen aus einem einmal vorgegebenen Klang- und Stil-Bild ist nur schwer denkbar – wenn es ein Hit werden soll. Auch in Zitaten von chronologisch festmachbaren Klängen ist wenig Freiheit gegeben: Der spezielle Gitarrensound oder ein Drums- und Keyboard-Klang sollte möglichst in die jeweilige angezielte stilistische Klangrichtung passen. Ausreißer im Sinne von veralteten oder deutlich unüblichen Sound-Styles aller Art werden sonst als Fehler gewertet. Ein gemeinsames mit Studenten darauf konzentriertes Durchhören aller Songs ergab ein grundsätzlich in sich geschlossenes Bild – in keinem Fall brachen die Macher oder die Performer aus der bereits zu Anfang in den ersten Sekunden eines Songs vorgegebenen Stimmung oder stilistischen Anmutung aus. Bei Over The Rainbow beispielsweise geben die ersten Ukulele-Töne das Gesamtbild des Songs vor – und diese Grundstimmung des Songs wird auch im weiteren Verlauf in keiner Weise in Frage gestellt. Ähnlich verhält es sich mit dem ersten Basston einer akustischen Gitarre bei Not Ready To Make Nice, wo von da ab ein Umbrechen in eine rein elektronische Welt kaum noch zu erwarten ist – sie findet auch nicht statt. Und ebenso ist der rhythmisch moderne Einstieg bei Single Ladies (Put A Ring On It) oder das grandios-pompöse Intro von Viva La Vida zu sehen: Der jeweilige Song löst bereits mit den ersten Tönen eine klare stilistische und klangliche Erwartungshaltung aus und hält sie dann auch entsprechend ein. Wichtig ist dabei zu sehen, dass diese Stimmigkeit nicht unbedingt nur auf eine einzige, limitierte oder standardisierte Auswahl der in einer Produktion verwendeten Instrumente abzielt, sondern dass in jedem Stil immer wieder neu dem Rezipienten eine klare Stil-bezogene Stimmung angeboten wird, die dann – bei erfolgrei-

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

253

chen Stücken ganz besonders – auch eingehalten wird. Ob Metal, Country, Techno oder Folk, das Prinzip ist dabei jeweils das gleiche: Nicht allein das spezielle Instrument zählt, sondern die jeweilige Art und Weise des Einsatzes und die Einbindung in das Gesamtgeschehen. Jan Beiling beispielsweise, ein Produzent aus dem Genre Chillout-Musik setzt bei seinen Produktionen konsequent auf entspannte Grooves und einer kräftigen Prise warmer Emotionalität. Dabei betont er, dass für ihn an sich jedes Instrument auf eine bestimmte Art und Weise denkbar und einsetzbar sei, „solange es dieses sehnsüchtige Gefühl erzeugt“ (Finkenberger-Lewin 2007: 93). Dass es dabei immer wieder innovative Ungewöhnlichkeiten geben kann, bildet einen wichtigen Evolutionsquell der Popmusik. Als George Martin 1965 einen Beatsong wie Yesterday mit Streichern und nicht mit (elektrischen) Gitarren instrumentierte, schuf er einen dramatischen Bruch zu den bisherigen Arrangement-Gepflogenheiten – und setzte mit diesem Vorgehen einen wichtigen kreativen Akzent, der sich letztlich erfolgreich in vielfältigen Cover-Versionen und entscheidenden stilistischen Anstössen manifestieren sollte. Andererseits fürchtete der Komponist und Beatles-Bassist McCartney selber, mit Blick auf die in der Beatmusik damals völlig fremd wirkenden Geigen, dass sein Lied wie ein Stück des in England wirkenden Orchesterleiters Mantovani klingen würde. Er bestand daher darauf, dass die Streicher kein Fingervibrato einsetzen dürften, was wiederum den Musikern als höchst unüblich erschien (Mac Donald 2000: 173). Die stilistische Geschlossenheit

Prozente

100

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 stilistisch geschlossen

Auffälligkeiten

Hypothese: Ein Hit-Song sollte in sich und auch als Gesamtheit möglichst stilistisch geschlossen sein; diesbezügliche an sich unpassende oder störende Elemente sind nur mit größter Sensibilität und einem (Risiko-)bewusstem Agieren mit den Gegensätzlichkeiten einzubringen. Sonst werden sie als nicht annehmbar oder als falsch abgetan und senken die Attraktivität der Produktion. Es ist andererseits bei großen Hits schon die theoretische Freiheit zu ungewöhnlichen Vorgehensweisen vorhanden. Selbst, wenn dies nur selten – und in dieser Stichprobe gar nicht – vorzufinden ist, soll der Parameter daher dennoch als halbvariabel bezeichnet werden.

254

Warum Hits Hits werden

3.5.5 Der Einsatz von auditiven Logo-Parts Audio-Logo-Einsätze finden sich bei einer Reihe der Stücken, wobei im Gegensatz zu früheren Songs wie beispielsweise Summer In The City von Lovin´ Spoonful (1966) oder Back In The U.S.S.R der Beatles (1968) dezidierte Geräuscheinspielungen kaum noch zu finden sind. Wenn bei modernen Produktionen ein bestimmtes, stimmliches Erkennungsmerkmal immer wieder auftritt, dann ist es eher ein kurzfristiges, meist auf einen Ton beschränktes Umkippen in den Bereich der Kopfstimme. Dieses abrupte Umklappen in eine sehr viel höhere Tonlage, sauber ausgeführt und akkurat den Zielton treffend, ist bei einer ganzen Reihe von Songs anzutreffen. Sehr markant ist es etwa bei dem KEEP Bleeding, KEEP KEEP Bleeding in Bleeding Love, bei TOO late in Apologize oder auch bei USE Somebody im gleichnamigen Stück. Regelrecht berühmt wurde auch die betont englische Aussprache von Lena im Song Satellite, die das Wort Day betont ,britisch´ wie Daii intonierte. Eher studiotechnisch auffällig sind dagegen kurze Logo- und Spracheinwürfe, wie sie bei Poker Face mit dem mehrfach eingebrachte Po-Po-Po-Po-ker-Face oder schon im Intro und dann immer wieder im weiteren Songverlauf bei Running Scared mit Oh - Oh, Oh - Oh - Oh auftreten. Fraglich ist noch, ob auch spezielle Instrumental-Sounds als ein Logo-ähnliches Kennzeichnen dienen können. Dann wären bei diversen Stücken einige prägnante Beispiele dafür anzumerken wie die Geige bei Not Ready To Make Nice oder auch in Fairytale, das Bar-Saxophon bei Rehab, das französisch anmutende Akkordeon in On The Floor, die Ukulele in Over The Rainbow oder die wummernde Disco-Dance-Bass-Drum bei Ein Stern (...Der Deinen Namen Trägt). Die Grenze zu den anderen Stücken mit ihren oftmals ebenfalls recht prägnanten Sounderscheinungen würde allerdings sehr fließend sein, denn auch da wird jeweils großer Wert auf eigenständige, klangliche Individualität gelegt. Im Gegensatz zu den vokalen Logo-Einwürfen handelt es sich aber weniger um kurze Logos, sondern eher um weit ausholende Klangflächen – mit dennoch individualisierendem Klanganspruch.

Prozente

Der Einsatz von auditiven Logo-Parts 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

30

Logo aus Stimme

Logo aus Umwelt

Logo von Instrument

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

255

Hypothese: So typisch ein spezielles Logo für eine bestimmte Musikrichtung sein mag, so variabel ist die Möglichkeit, ob in jedem Song auch wirklich ein entsprechendes auditives Merkmal auftritt.

3.6 Die non-musikalischen Elemente Bei einer genauen Betrachtung der Hits sollen nicht nur die unmittelbar musikalisch relevanten Elemente als Gegenstand der Betrachtungen dienen. Vielmehr sollen auch die non-musikalische Bestandteile der Songs angesprochen werden, angefangen von der Besetzung einer Band über die Stilistik der Stücke bis hin zu den dort vorkommenden Texten und ihren Inhalten.

3.6.1 Die Anzahl der Gesangs-Interpreten In allen Songs der hier analysierten Stichprobe findet sich ein monophoner Gesang (dieser Umstand ist offensichtlich damit für einen Hit eine zumindest halbvariable, wenn nicht eine invariable Größe), ein rein instrumental ausgelegter Song ist hier entsprechend nicht zu finden. Das Verhältnis männlich/weiblich bei den Gesangsinterpreten ist dabei aber nahezu ausgewogen bzw. findet sich eher eine leichte Vorrangstellung der weiblichen Solisten. Andere Auszählungen und Berechnungen sehen hier deutlich andere Verteilungen. So erhielt eine Internet-Autorin, die eine Auswertung auf der Basis der TopHits aus den Jahrescharts 2012 verschiedener Musikzeitungen erstellt hatte, ein klar zur männlichen Seite hin tendierendes Ergebnis: (Zeitungen:) weiblich gemischt Intro: 2 7 Pitchfork: 4 6 The Wire: 4 3 Resident Advisor (Top 20): 2 1

männlich 16 15 18 17

Dies wird dort mit einem entsprechenden Appell verbunden: „Männlich dominiert ist – Überraschung – auch die Popmusik. Deswegen ist es wichtig, aktiv aufmerksam zu machen auf Künstlerinnen und Musikerinnen, über die Geschlechterverhältnisse in der Popkultur nachzudenken und strukturelle Ungleichheit der Geschlechter nicht wegzureden, sondern zu bekämpfen“ (Weidinger 2013: online).

Explizite Duo-Besetzungen finden sich auch in der hier als Grundlage dienenden Auswahl nicht zu häufig. Wenn, handelt es sich üblicherweise um eine weiblich/ männliche Kombination, während zwei gleichgeschlechtliche Interpreten eher selten als Frontfiguren auftreten. Als Beispiel für einen typischen Duo-Vortrag kann

256

Warum Hits Hits werden

Running Scared gesehen werden, wo jeweils unabhängig zuerst der männliche (Eli bzw. Ell) und dann die weibliche Solistin (Nikki) einen Teil der Strophe vorträgt, um nachfolgend gemeinsam den Refrain-Part zu interpretieren: Strophe: (Eli) Come to me, come to me tonight, Oh God, I need you, anyway. (Nikki) Baby, I just wanna be, be around you all the time, Oh God, I need you, oh. Refrain: (Eli & Nikki) I´m running, I´m scared tonight, I´m running, I´m scared of life. I´m running, I´m scared of breathing, ´cause I adore you. I´m running, I´m scared tonight, I´m running, I´m scared of breathing, ´cause I adore you.

Unabhängig von der Leadstimme kommt bei vielen Stücken – mit Vorliebe im Refrain – ein eigenständig gesetzter Chor zu den jeweiligen Solisten hinzu. Dies ist nicht immer nur eine Verstärkung der eigentlichen Hauptmelodie etwa im Terzabstand oder in Form einer Unisono-Vervielfachung, sondern es können auch eigenständig geführte Melodiemotive sein. Der Einsatz solcher Background-Vocals wird in Arrangement- und Recording-Anleitungen immer wieder empfohlen: „Sie unterstreichen markante Parts inhaltlich, indem sie die Leadvocals durch Dopplungen andicken und können durch Mehrstimmigkeit sowohl Melodie als auch Harmonik des Songs hervorheben. Background-Vocals können auch mit vollkommen neuen Melodielinien als eigenes Arrangement im Song eingesetzt werden – als Antwort auf die Leadphrasen beispielsweise oder im melodischen Kontrast zur Hauptstimme“ (Schlage 2012: online).

Gut ist solch eine respondierende Funktion eines Chores im Refrain von Rolling In The Deep zu sehen:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

257

Ganz eigenständig ist dagegen eine immer wieder als unabhängiges Motiv auftretende, textfrei und chorartig vorgetragene Melodielinie in Viva La Vida:

Der Einsatz eines vielstimmig singenden Chores kann auch eine Übernahme der Hauptmelodie zur Entlastung des dann freien Solisten bedeuten. Dieser kann daraufhin, gerne in einem großen Finale, eigene Melodievariationen oder zusätzliche Einwürfe über der vom Chor vorgetragenen Melodie einbringen. Solch ein Arrangement-Vorgehen ist gut bei Hallelujah zu verfolgen, wo als Abschluss des Stückes die Refrainmelodie von einem Chor vorgetragen wird, während die Solistin Alexandra Burke dort individuelle und improvisierte Vokaleinwürfe präsentieren kann:

57

60 33

Chor/Gruppe

Solist plus Chor

Duo m/f

Duo f/f

Duo m/m

13

Solist f

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Solist m

Prozente

Die Anzahl der Gesangs-Interpreten

Hypothese: Die Anzahl der Gesangsinterpreten ist bei jeder Song-Produktion variabel, auch wenn die grundsätzliche Betonung auf den monophonen Liedcharakter eines Popmusik-Stückes für eine Mehrzahl von solistischen Sängern sorgt.

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Warum Hits Hits werden

3.6.2 Die Qualität der Gesangsdarbietung Nach Durchsicht der hier besprochenen Hits dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass heute nur noch ein Gesangsinterpret zu einer ernsthaften Studioproduktion eingeladen wird und einen Hit haben kann, der sowohl über eine ausdrucksstarke als auch eine professionell routinierte Stimme verfügt. Dass dabei speziell bei der Vermeidung von schiefen Tönen im Tonstudio enorm nachgeholfen werden kann, beweisen die diversen Auto-Tunings-Helfer, die – heute meist als Software-Plug-Ins – längst Standard bei jeder Aufzeichnung geworden sind. Dort können sie zu jeder Zeit helfend und auch bewusst tonformend eingreifen. Wie weit die Entwicklung hier 2013 bereits vorangeschritten ist, und wie unkompliziert mittlerweile selbst ein amateurhafter Gesang geglättet und tonal angepasst werden kann, beweist ein Gratis-App namens JAM für Smart-Phones. In der Beschreibung heißt es dort: „JAM can turn anyone into a rock star with their own virtual band. Sing anything into your phone and JAM will turn it into an original musical Masterpiece, regardless of your musical ability“ (Dream Walk Mobile 2013: online). Insofern ist es endgültig nicht verwunderlich, dass unkorrekte, tonal schiefe Töne in einer erfolgreichen Produktion nicht vorkommen. Im Umfeld dieser TopProduktionen sind daher nur Gesangsaufnahmen zu finden, bei denen die Stimme äußerst kontrolliert und wirkungsvoll eingesetzt erscheint. 100

ausdrucksstark, prof. routiniert

tonal korrekt

amateurhaft/ charismatisch

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

amateurhaft

Prozente

Die Qualität der Gesangsdarbietung

Hypothese: Dieser Parameter gehört invariabel mit zu den deutlichen Vorgaben einer Hit-Produktion: Ein fehlerfreier und ausdrucksstarker Gesang, auf welche Weise auch immer mit audiotechnischer Hilfe erreicht, scheint unabdingbar.

3.6.3 Die Stilistiken der Hits Im weiten Spektrum zwischen Folk und Country, Alternative Rock und Progressive Rock bis hin zu Modern Pop und Rap ist prinzipiell nahezu alles an musikalischen

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

259

Spielarten möglich. Der allgemein als besonders radiotauglich zu bezeichnende Modern Pop ist dabei zweifelsohne auch innerhalb dieser Auswahl DER angesagte Musikstil. Auf Klassik ausgerichtete oder auch auf Musical oder Chanson eingestimmte Produktionen hatten – zumindest zum Zeitpunkt dieser Untersuchung – dagegen nur wenig Aussicht auf Spitzenplätze und sind dementsprechend bei den Songs mit Top-Platzierungen nicht anzutreffen.

12

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Hypothese: So vielfältig Popmusik stilistisch auch aufgefächert ist, der weite Bereich von Dance und Modern Pop steht hier als Basis für einen kommerziell sehr erfolgreichen Song deutlich im Vordergrund. Konsequenterweise bildet die Zugehörigkeit zu diesem Genre damit – zumindest in dieser Untersuchungszeit– eine halbvariable Empfehlung.

3.6.4 Die Authentizität und überzeugende stilistische Vertretung Alle befragten Schüler und Studenten, die die Stücke dieser Auswahl hörten, waren davon überzeugt, dass jeder der Interpreten, inklusive der Musiker im Background, ihre jeweilige starke Authentizität überzeugend präsentieren würden. Bei keinem der Songs wurde daran auch nur ansatzweise gezweifelt. Das mag abweichen von dem persönlichen Geschmack und der stilistischen Präferenz, aber sowohl Künstlern wie Adele, Eminem, Loreen als auch einem DJ Ötzi wurde immer das Einbringen ihrer Persönlichkeit in die jeweilige Musik zugestanden. Bei keinem Interpreten oder Act wurde diesbezüglich ein Zweifel laut. Sie vertreten glaubwürdig, was sie jeweils – vorgeben zu – machen. Ob sie es dabei jeweils absolut ehrlich meinen oder es nur wie ein guter Schauspieler überzeugend verkörpern, wurde bewusst offen gelassen – und sollte vielleicht auch gar nicht unbedingt aufgedeckt werden.

260

Warum Hits Hits werden

Prozente

100

Die Authentizität und stilistische Vertretung

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 stark

durchschnittlich

wenig

Hypothese: Der jeweilige Interpret und sein Song haben bei der Performance und Verkörperung des Stückes als grundlegende, invariable Bedingung sehr authentisch zu sein bzw. zumindest so zu wirken.

3.6.5 Imagebildung und stilistische Vertretung durch den Künstler Auch wenn viele Elemente in der Popmusik sich praktisch nicht verändern, so wird doch von den Akteuren (vor allem von den Gesangsinterpreten) – nach wie vor – unumstößlich verlangt, dass sie eine neue und individuelle Figur zu repräsentieren hat, die möglichst einzigartig und so noch nicht da gewesen zu sein hat. Auch hier wieder herrschte bei den Befragungen Übereinstimmung, dass jedem Künstler ein solches Image zugeordnet werden könne, das ihn unverwechselbar erscheinen lässt. Sicherlich steht eine Erscheinung wie Lady Gaga dabei besonders grell im Vordergrund, doch selbst bei ESC-Interpreten wie Lena gab es keine zweifelnden Stimmen, alle konnten den jeweiligen Typus mit jeweils einzigartigen Attributen beschreiben und ihn als ausgeprägt anerkennen. Dies kann auch auf ein kariertes Hemd gemünzt werden, das aus einer alltäglichen Person wie Roman Lob eine eigenständige Figur formte und ihn zum – zeitweiligen – Star machte. Die Imagebildung und die stilistische Vertretung durch den Künstler

Prozente

100

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 stark

durchschnittlich

schwach

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

261

Hypothese: Der jeweilige Interpret und sein Song haben invariabel sehr überzeugend in Bezug auf die Image-Ausstrahlung zu wirken.

3.6.6 Vorherige Bekanntheit der Künstler und/oder ihrer Produzenten Eine genaue Recherche zeigte bald, dass in der Regel von Amateuren und Debütanten Hits weder eingespielt noch vorgetragen werden. Praktisch ausnahmslos finden sich hier nur bereits erfolgreiche und langjährig professionell arbeitende Routiniers, die den jeweiligen Hit oft nur noch als einen Teil ihrer meist langen Karriere verbuchen. Ganz deutlich ist das in dem Fall von Robert Plant zu beobachten, der schon Jahrzehnte früher als Leadsänger von Led Zeppelin zu Weltruhm gelangte, danach eine erfolgreiche Solo-Karriere absolvierte und dann immer wieder, etwa mit seinem Partner und einstigen Gitarristen von Led Zeppelin, Jimmy Page, in unterschiedlichen Projekten aktiv war. Auch Acts wie Kid Rock, Amy Winehouse, Coldplay, One Republic und – auf eher regionaler Ebene – DJ Ötzi oder Silbermond sind sicher nicht als jugendliche, unerfahrene Newcomer zu bezeichnen. Die wenigen Ausnahmen ergeben sich nur durch die Wettbewerbe und Casting-Shows, wo betont junge Talente entdeckt und in den Vordergrund geschoben werden. Diese Interpreten können teilweise noch nicht eine Karriere oder professionelle Erfahrungen im Popmusik-Bereich nachweisen. Allerdings kann bei genauerer Betrachtung meist festgestellt werden, dass selbst bei diesen Wettbewerbsteilnehmern schon umfangreiche Vorkenntnisse und erste Erfolge vorlagen, wie es etwa bei Dima Bilan oder Alexander Rybak der Fall ist. Außerdem lässt sich aufzeigen, dass selbst oder gerade bei unerfahrenen Interpreten zumindest eine massive Unterstützung durch kompetente Betreuung im Bereich Songwriting oder bei der Produktion vorliegt. Dort werden gerne mit oftmals extrem hohem Etat-Aufwand bewährte und international bekannte Spitzenleute als Betreuer und kreative Macher ins Spiel gebracht. Dies geschah beispielsweise bei dem Stück Satellite, dessen Interpretin Lena Meyer-Landrut zum Zeitpunkt der Veröffentlichung zwar noch als ein unbeschriebenes Blatt bezeichnet werden konnte, wo aber daneben im Hintergrund mit Julie Frost und John Gordon ein hoch renommiertes Songwriter-Team antrat. Beide waren zu diesem Zeitpunkt bereits international anerkannt, nicht zuletzt durch diverse Produktionstätigkeiten bei Britney Spears, Rihanna, Mariah Carey und weitere Aktivitäten, bei denen Gordon beispielsweise in Zusammenarbeit mit Madonna als Gitarrist tätig war (Pilz 2010: online). Der Song Satellite wurde daneben speziell in Deutschland und dann auch europaweit durch eine aufwändige mediale Unterstützung massiv gefördert, die nicht zuletzt auf dem intensiven persönlichen Einsatz des bekannten TV-Moderators Stefan Raab beruhte, der auch als der „wahre Sieger“ von Oslo bezeichnet wurde (Weihser 2010: online). Insofern bildete die damals noch nicht business-erfahrene Lena in diesem Fall zwar eine unerfahrene Frontfigur, maßgeblich und nachhaltig

262

Warum Hits Hits werden

unterstützt wurde sie aber von einem routinierten, gut vernetzten und insgesamt höchst schlagkräftigen Kreativ-Team. Diese geballte Brain(pool)-Power machte sicherlich vieles an noch nicht vorhandener Professionalität bei der Sängerin wett.

Prozente

Vorherige Berühmtheit der Künstler 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

80

7

stark

durchschnittlich

13

wenig

Hypothese: Ein Künstler ist nicht immer vorab schon erfolgreich und erfahren, aber andererseits schon so häufig, dass hier nur von einer halbvariablen Vorgabe gesprochen werden kann. Und oftmals sind innerhalb des Teams einer Hit-Produktion dann doch im Hintergrund routinierte und bereits erfahrene Mitglieder vertreten.

3.6.7 Der sexuelle Anreiz bei der Performance Wie schwierig es ist, hier ernsthafte oder gar objektive Parameter einzuführen, mag ein Online-Wettkampf illustrieren, der 2007 die sexuelle Attraktivität zweier großer Pop-Ladies miteinander vergleichen wollte. Dass dort gegen die Black Eyed PeasSängerin Fergie die Blues-Sängerin Amy Winehouse, damals 24 Jahre alt und vorab schon als most sexy woman bezeichnet, den Contest gewann, ist nur begrenzt an klar formulierten oder gar belegbaren Fakten nachvollziebar. Es verdeutlicht aber, wie sehr diese Thematik ein Publikum beschäftigt und zu lebhaften Diskussionen einlädt: Zuerst wurde sich dabei mit Gesichtsform, Körperfigur und Frisur beschäftigen und dann erst auch mit der Stimme. Und auch dies geschah immer unter der gleichzeitigen Einschränkung, dass trotz eventueller klarer Fakten und nüchterner Argumente alles nur eine Frage des Geschmacks sei: „Under the hair and through the skull we must assume both women have brains. Thus far they have been led into grand record sales, but do they both have artistic staying power? Fergie busted on to the scene as a new addition to the Black Eyed Peas rap group and thus has already doubled her success. She is near 32 years old and yet still sings songs as if she were 15. Amy on the other hand has enjoyed success on her first album, is 24, and sings like she is 60. Again we are at a stalemate of opposite ends of the taste spectrum“ (Laurie 2007: online).

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

263

Und bei einem ähnlich angelegten Vergleich zwischen Shakira und Beyonce erhält in Bezug auf die Stimme die letztere den Vorzug, da sie weicher und feminin-sanfter wirke: „In comparing their singing voices I think I'd rather end up looking into Beyonce's brown eyes as opposed to Shakira's because Shakira's voice is sort of a high nasally, grating, muppet sounding thing when belting out the tunes“ (ebenda). Dieses schnelle Verbinden von körperlichen Attributen mit den musikalischen Talenten speziell beim Lob von Interpretinnen stimmt mit den kollegialen Kommentaren überein, die von großen Pop-Ladies über andere Sängerinnen abgegeben werden. So bezeichnete Madonna bei einer Zusammenfassung der Vorzüge all ihrer Konkurrentinnen Britney Spears als eine „hervorragende Küsserin“, Rihanna als „rundherum sexy“ und schließlich Beyonce als eine „Diva – mit unglaublicher Stimme“ (Metro 2012: online). Gibt es denn – unabhängig von der sonstigen körperlichen Erscheinung – unter Pop-Stars mit weltweiten Nr. Eins-Hits Sänger und Sängerinnen mit einer nur durchschnittlich erotischen Stimme oder gar eindeutig un-sexy Stimme? Kann ohne ein solches Attribut eine Popsänger-Erfolgsgeschichte überhaupt geschrieben werden? Doch wie erotisch-attraktiv ist die – stimmliche – Darbietung von Lady Gaga etwa bei Poker Face im Gegensatz zu Adele bei Someone Like You? Oder wie wirkt der Gesang eines fast seniorenhaften Robert Plant neben einer ungemein jugendlich wirkenden Alison Krauss in Please Read The Letter? Und ist der Charme eines DJ Ötzi diskussionslos unerotisch und sind Silbermond wirklich emotional eher unterkühlt? Der Versuch einer Einordnung selbst in nur wenigen Abstufungen dürfte wie kaum bei einer anderen Kategorie zu unterschiedlichen Meinungen und heftigen Diskussionen herausfordern. In diesem Zusammenhang zeigt eine Versuchsreihe der Uni Paderborn, dass einerseits relativ leicht diverse Titel zusammenzutragen und zu benennen sind, die in weitestem Sinne als erotisierende Musik bezeichnet werden können. Doch andererseits erwies es sich als eine kaum zu lösende Aufgabenstellung, eine eindeutige und übergreifende Rangfolge zu bilden aus der Vielzahl von 3000 Stücken. Die stammten neben der Popmusik aus dem Barock, Klassik oder Jazz und wurden gleichermaßen in den Daten-Pool eingespeist – mit verblüffendem Ergebnis: „Auch innerhalb dieser Studie ist auffällig, dass keiner der bestplatzierten Titel in der Lage ist, auch nur annähernd ein Prozent der gesamten Nennungen auf sich vereinen zu können. Ein deutlich medial vermittelter Musikkanon erotischer Songs ist also (noch) nicht zu identifizieren“ (Jacke 2013: 23).

264

Warum Hits Hits werden

Prozente

Der sexuelle Anreiz bei der akustischen Performance 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

50 40

10

stark

durchschnittlich

wenig

Hypothese: Eine betont sexualisierende Komponente im Gesang kann in der Popmusik sicherlich immer wieder vorgefunden werden, sie kann aber variabel auch eher weniger stark oder eventuell gar nicht vorhanden sein.

3.7 Die Texte In keinem der Songs kommen beim Gesang nur inhaltslose Phrasen oder eine Phantasiesprache vor. Immer werden bestimmte, in sich stimmige Anliegen, Erlebnisse oder Ansichten als gesungene Botschaften ausformuliert und vorgetragen.

3.7.1 Die Sprache der Texte Spätestens, wenn es ein internationaler Hit sein soll, kommt laut dieser hier untersuchten Auswahl neben Englisch keine weitere Sprache als ernsthafte Konkurrenz in Betracht. National mag es je nach Größe des Marktes sicherlich entsprechende Ausnahmen geben (deutsch, spanisch, französisch, italienisch...), aber mit einem serbischen Text einen auch überregional beachteten Hit zu erzielen, geht wohl nur mithilfe eines Sieg innerhalb eines europäischen Wettbewerbs wie den ESC.

Prozente

Die Sprache der Texte 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

87

10 3 englisch

deutsch

andere

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

265

Hypothese: An sich ist in einem Popmusik-Song jede Sprache als Grundlage für den Gesang und dessen Text denkbar. Gleichzeitig ist aber die Häufigkeit von Englisch bei den großen Erfolgsstücken so eklatant, dass diese – abgesehen von den betont national orientierten Stücken – als dringende Empfehlung und damit als halbvariable Bedingung für einen internationalen Hit angesehen werden muss.

3.7.2 Die Reime in den Texten Es gibt keinen Song, der nicht wenigstens in einigen seiner Gesangs-Zeilen Reime verwendet. Diese sind allerdings unterschiedlich gesetzt und gelegentlich kommen auch Formen wie interne Binnenreime vor. Eine konsequent und ausnahmslos streng durchgeführte Reimbildung, wie sie aus einem traditionellen Gedicht bekannt ist, bildet eher die Ausnahme. Üblicherweise finden sich in den Songs • sogenannte Paarreime als unmittelbare Aufeinanderfolge von zueinander passenden Schlussreimen ( a a ) und • deutlich seltener sogenannte Kreuzreime mit jeweils dazwischen geschobenen Textzeilen ( a b a b ). Konsequent durchgehend und unterbrechungsfrei in Reimform gebracht sind nur wenige Songtexte. Ein Beispiel dafür ist Please Read The Letter, wo sich eine konstante Abfolge von – fast immer – perfekten Paarreimen aufzeigen lässt: Caught out running with just a little too much to hide. Maybe baby everything's gonna turn out fine. Please read the letter I nailed it to your door. It's crazy how it all turned out we needed so much more. Too late, too late a fool could read the signs. Maybe baby, you'd better check between the lines. Please read the letter, I wrote it in my sleep. With help and consultation from the angels of the deep.

Ein weiteres Exempel für weitgehende durchgehaltene Reimbildungen stellt Hallelujah dar, wo sich in einem Strophenteil sogar die schon recht komplexe Reimfolge a a

b

c c

b,

also verschiedene Paarreime kombiniert mit einem umarmenden Reim, findet: Your faith was strong but you needed proof. You saw her bathing on the roof. Her beauty and the moonlight overthrew ya. She tied you to her kitchen chair. She broke your throne and she cut your hair. And from your lips she drew the hallelujah.

266

Warum Hits Hits werden

Einzelne Stücke mit Paarreimen weisen unabhängig davon auch Kreuzreime auf. So findet sich im Refrain von Fairytale die (unreine) Paarreim-Folge I'm in love with a fairytale even though it hurts 'cause I don't care if I lose my mind I'm already cursed.

während in der Strophe jeweils die zweite und vierte Zeile einen (ebenfalls unreinen) Kreuzreim bilden: Years ago when I was younger, I kinda liked a girl I knew. She was mine and we were sweethearts. That was then, but then it's true.

Ähnlich, hier allerdings vollständig über vier Zeilen (a b a b ), werden Kreuzreime gebildet bei On The Floor: And everybody knows I get off the train, Baby, it's the truth. I'm like Inception, I play with your brain. So don't sleep or snooze.

Speziell bei Texten mit vielen Repetitionen bilden die Wiederholungen von identischen Zeilen mit gleichen Worten ebenfalls eine wirkungsvolle – wenn auch schlichte – Art von Paar-Reimen: That it's too late to apologize, it's too late. I said it's too late to apologize, it's too late. Too late, oh ...

Einige Stücke verzichten über weite Strecken auf Reimbildung und bringen diese nur hin und wieder ein. Ein Beispiel für eine eher sporadische und eigenwillige Reimbildung stellen die Strophen von Single Ladies (Put A Ring On It), die nicht immer eindeutig als End- oder Binnen-Reim zu differenzieren sind: I need no permission, did I mention. Don't pay him any attention. Cause you had your turn and now you gonna learn. What it really feels like to miss me.

Vergleichbar verhält es sich bei Love The Way You Lie, wo unterschiedliche Paarreime im Refrain neben nicht endreimenden Zeilen in den Strophen stehen: On the first page of our story, the future seemed so bright. And this thing turned out so evil, I don't know why I'm still surprised. Even angels have their wicked schemes and you take that to new extremes. But you´ll always be my hero, even though you lost your mind. Just gonna stand there and watch me burn, but that´s alright because I like the way it hurts. Just gonna stand there and hear me cry, but that´s alright because I love the way you lie.

Sehr stark mit internen und auch vollständigen Wiederholungen ganzer Zeilen, aber weniger mit expliziten Endreimen, arbeitet der Song Running Scared:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

267

Come to me, come to me tonight. Oh God, I need you, anyway. Baby, I just wanna be, be around you all the time. God, I need you, oh. I´m running, I´m scared tonight. I´m running, I´m scared of life. I´m running, I´m scared of breathing. ´Cause I adore you. I´m running, I´m scared tonight. I´m running, I´m scared of breathing. ´Cause I adore you.

In einer ebenfalls stark repetierenden Binnenreim-Form mit mehrfachen GesamtWiederholungen sind die Textzeilen von Poker Face angelegt: Oh, oh, oh I'll get him hot, show him what I've got. Oh, oh, oh I'll get him hot, show him what I've got. Can't read my, can't read my, no, he can't read my poker face. (She's got to love nobody) Can't read my, can't read my, no, he can't read my poker face.

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Hypothese: Bei der Erstellung von Texten erfolgreicher Songs kann die Häufigkeit und Konsequenz bei der Reimbildung als variabel behandelt werden. Es zeigt sich damit eine breite Palette an einzusetzenden Reimformen, nur ein völliger Verzicht auf jegliche Reimbildung ist – invariabel – bei keinem Song festzustellen.

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Warum Hits Hits werden

3.7.3 Titel als Textzeile im Hook des Refrains Auch wenn es immer wieder eine Ausnahme – in dieser Auswahl der Song Viva La Vida von Coldplay – gibt, so taucht doch meist geradezu lehrbuchartig der Titel eines jeweiligen Stückes im Refrain und zudem meist als Hook auf. Er dient dort im dramaturgischen Kernbereich als zusätzlicher Haken für die Aufmerksamkeit des Hörers – und bei den meisten Hits wird diese Funktion entsprechend genutzt.

Prozente

Titel als Textzeile im Hook des Refrains 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

97

3 ja

teilweise

nein

Hypothese: Die Titelzeile eines Songs muss nicht unbedingt im Refrain bzw. als Hook-Line vorkommen. Andererseits ist sie so häufig an solch einer Stelle vorzufinden, dass dieses Vorgehen eine deutliche halbvariable Empfehlung darstellt.

3.7.4 Die thematischen Aussagen im Text Theoretisch wäre als thematische Grundlage für den Text eines Songs vieles möglich. In der Regel ist aber, wie aufgrund der in der Literatur favorisierten Meinung schon zu erwarten, eine deutliche Dominanz von Herz&Schmerz-Themen und damit des weiten Felds der Liebesbeziehungen zu verzeichnen. Generelle Abhandlungen über die Welt und das Schicksal an sich machen eine andere, gar nicht mal kleine Gruppe aus. Erzählende Balladen dagegen finden sich in den großen Hits ebenso wenig wie beispielsweise explizit politisch agitierende Titel. Eine ähnliches Ergebnis ergibt auch eine Auswertung aller jemals nominierten Lieder des ESC-Wettbewerbs, wo ebenfalls die Aspekte der glücklichen und unglücklichen Liebesbeziehungen unangefochten im Vordergrund stehen. Doch werden – allerdings oftmals wiederum stellvertretend für emotionale Beziehungsthematiken – auch banal-schlichte Dinge des alltäglichen Lebens besungen:

Parameter-Auswertungen anhand ausgewählter Beispiele

269

„Der am häufigsten besungene Gegenstand ist das Fenster (vier Mal), gefolgt vom Karussell (drei Mal). Rechnet man das Riesenrad dazu, kommt man auf vier Erwähnungen von Fahrgeschäften. Vier Mal geht es auch um Verkehrsmittel (Schiffe und Eisenbahn). Alkohol wird in drei Länder besungen, vom Wein bis zum Wodka. Ebenfalls drei Mal geht es um Musikinstrumente (Gitarre und Violine). Am häufigsten besangen bisher Portugal und Estland Gegenstände“ (Dreyer 2011: 132).

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Hypothese: Die Auswahl der Themen bei den Texten eines Popmusik-Songs ist an sich nicht limitiert, zeigt sich aber in der Praxis doch eindeutig auf den Bereich Liebe und die zugehörige Problematik fokussiert. Die Konzentration auf diese Beziehungsthematik mit all ihren Aspekten bildet damit für einen Hit-Song eine offensichtliche, als halbvariabel zu benennende Empfehlung.

4. Eigene Experimente und Untersuchungen Als eine Erweiterung zu dem bei der vorherigen Parameter-Beschreibung in den Untersuchungspool aufgenommenen Hit-Songs sollen nun zusätzlich noch eigens dafür angefertigte Popmusik-Samples bezüglich ihrer Wirkung auf den Hörer untersucht werden. Im Vordergrund der Betrachtung werden dabei die Elemente stehen, die maßgeblich bei einem eventuellen Erfolg mitwirken – oder ihn verhindern. Bei den vorgestellten Top-Hits ist jeder Song auf solch eine Art und Weise produziert worden, dass er in der Lage war, eine ungemein hohe positive Resonanz zu erzielen. Die Frage ist, ob sich als Experiment auch mit eigenen Produktionen aufzeigen lässt, welche Merkmale und Faktoren ausschlaggebend für Erfolg sind – und ob sich diese unter theoretischen Laborbedingungen nachvollziehen lassen. Gibt es klar beschreibbare Elemente und nachvollziehbare Anwendungen, die aufzeigen, warum bestimmte Popmusik-Stücke bei einer breiten Masse erfolgreich sind? Können in Bezug auf musiktheoretische Elemente wie Melodik und die verwendete Harmonik besondere Vorlieben oder Präferenzen der Macher bzw. der Rezipienten ausgemacht werden? Gibt es hier besondere Muster, die eingehalten werden sollten, weil sie eindeutig erfolgsversprechend sind? Und lassen sich entsprechend bestimmte Konstruktionsmodelle herausarbeiten, die für eine hohe Ablehnung sorgen? Oder sind es gar nicht die musikbezogenen Elemente der Popmusik, die ausschlaggebend für den Erfolg eines einzelnen Stückes sind? Kann theoretisch jede beliebige Klangkombination ein Hit werden?

4.1 Musiktheoretische Voraussetzungen Zuerst soll festgehalten werden, welche Verhältnisse üblicherweise vorkommen • bei einem Intervall, also im Zusammenklang zweier verschiedener Töne oder eines Tones in Bezug zu einem festen Grundton, • bei einem Dreiklang mit gleichzeitigem Erklingen von drei Tönen, und schließlich • bei einer Abfolge verschiedener Harmonien im Rahmen eines Akkord-Musters.

4.1.1 Intervalle Bei der Betrachtung von zwei gleichzeitig oder unmittelbar nacheinander erklingenden Tönen, den Intervallen, konzentrieren sich herkömmliche Harmonielehren überwiegend auf deren Einteilung und Wirkung im Sinne von konsonant und disso-

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Warum Hits Hits werden

nant. Konsonanz wird dabei als zusammen klingend, eine Dissonanz dagegen als unharmonisch, als verworren beschrieben. Selbst wenn sich die diesbezügliche Bewertung seitdem verschoben hat, scheint es vor allem einen offensichtlichen Grund für diese unterschiedliche Einteilung von Zweiklängen, von Intervallen, zu geben: „Grundsätzlich hängt der Konsonanz- bzw. Dissonanzgrad eines Intervalls vom Schwingungsverhältnis der Intervalltöne und deren Anzahl an gemeinsamen Obertönen ab. Je einfacher das Schwingungsverhältnis von zwei Tönen ist, desto mehr gemeinsame Obertöne verbinden sie und umso konsonanter wird das Intervall wahrgenommen“ (Näf 2010: online).

Den darüber hinaus eingebrachten Bezug auf einen musikalischen Grundton beim Zusammenklang unterschiedliche Töne brachte schon Helmholtz ins Spiel, als er in der Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik betonte, „dass die ganze Masse der Töne und Harmonieverbindungen in enge und stets deutliche Verwandschaft zu einer frei gewählten Tonica zu setzen sei, auf dass aus dieser sich die Tonmasse des ganzen Satzes entwickele und in sie wieder zurücklaufe“ (Helmholtz 1863, 383). Eine Auflistung der als konsonant oder dissonant geltenden Tonabstände mit einer Zwischenstufe in Form von unvollkommen konsonant findet sich aber auch in aktuellen Internet-Musikforen. Als Erklärung sind dabei wieder meist die zugehörigen Oberton-Relationen mit angeführt:

e

(Smola 2013: online) Es gibt allerdings auch andere Ansätze bzw. Beschreibungen von konsonant und dissonant, von passendem und nicht passendem Zusammenklang. Rooksby betont beispielsweise mehr den Zusammenklang eines einzelnen Tones in Verbindung mit einer begleitenden Akkordik und der entsprechenden Grund-Tonart. Bezogen auf die Tonart C-Dur und damit den Grundton c teilt er die möglichen Intervalle einer darüber liegenden Melodik in drei Zugehörigkeiten ein:

Eigene Experimente und Untersuchungen

273

• Innerhalb sind dort die akkordeigenen Töne Prime, Terz oder Quinte, also c, e und g. • Außerhalb sieht Rooksby die Töne, die zwar der C-Dur-Tonleiter angehören, aber nicht Teil des Tonika-Dreiklangs sind: d, f, a und h. • Entgegensetzt sind laut seiner Definition dann die Töne, die weder Teil des Grund-Dreiklangs noch der zugehörigen Tonleiter sind. Bei C-Dur wären das die verbleibenden Intervalle cis/des, dis/es, fis/ges, gis/as und b, die von ihm auch als „extrem dissonant“ bezeichnet werden. Allerdings wird an dieser Stelle ausdrücklich auf eine offensichtliche Ausnahme verwiesen, denn speziell die Blue-Note b sei „trotzdem sehr populär“ in der Blues-Musik (Rooksby 2003: 83 f.). Dies zeigt, dass eine verbindliche Einordung von Tönen in konsonant und dissonant damit nicht aus sich heraus eindeutig definiert sein muss. Denn gerade aus den Obertonreihen sind eindeutige Konsonanz- und Dissonanz-Eigenschaften nicht ohne weiteres abzuleiten. Vogel verweist in diesem Zusammenhang auf den ersten gemeinsamen Oberton der Einzeltöne eines Dur-Dreiklangs, der in C-Dur erst die große Septime h ist. Daher lehnt er die einseitige Einbeziehung der Oberton-Reihe ab und plädiert seinerseits ausdrücklich für die Berücksichtigung einer zugehörigen Unterton-Reihe. Dann sei beispielsweise die besagte große Septime h’’ auch als Ausgangs- bzw. Primärton eines zugehörigen Unterton-Klanges mit den später auftretenden Einzeltönen e’, g und C zu verstehen:

In aller Deutlichkeit sagt Vogel dazu: „Ein musikalischer Laie, der nicht wüsste, dass eine große Septime dissonant zu sein hat, würde ihn [den Vierklang mit großer Septime] nicht als dissonant empfinden. Die Unterhaltungsmusik hat sich denn auch der großen Septime mit Erfolg bemächtigt und beutet den Vierklang c-e-g-h nach Kräften aus. Der Fall macht deutlich, dass unsere Musiktheorie von Grund auf revisionsbedürftig ist und dass man nicht erwarten sollte, die alten, abgelebten, schlecht fundierten Ansichten in einer wohlfundierten »Lehre von den Tonbeziehungen« wieder zu finden“ (Vogel 1975: 86).

Spitzer wiederum geht bei der Frage, ob ein Intervall als konsonant oder dissonant anzusehen ist, davon aus, dass dies nicht zuletzt auch eine Frage der musikalischen

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Warum Hits Hits werden

Vorbildung sei: Während erfahrene Musiker aufgrund ihres erlernten Wissens nach dem „Motto: diese beiden Sinustöne haben den Abstand einer Septime, also klingt es dissonant“ urteilen würden, hören musikalisch nicht Vorgebildete hier zwei Töne, die in ihren Ohren gemeinsam so schlecht nicht klingen. Verbunden ist diese Aussage nur mit der Einschränkung, dass auch die nicht vorgebildeten Laien eine störende Dissonanz spüren würden, wenn das betreffende Intervall den Tonraum einer kleinen Terz unterschreite (Spitzer 2009: 99). Dieser Hinweis bringt den Aspekt von sehr eng nebeneinanderliegenden Tönen ins Spiel, die dabei nicht einem diatonischen Tonraum mit entsprechendem Bezug zu einem Grundton angehören müssen. Beispielsweise treten ganz eigene Phänomene bei nebeneinander mitschwingenden Saiten auf, deren oftmals massiven Auswirkungen besonders im mikrotonalen Bereich zu suchen sind. Zuerst einmal ergibt sich ein stark bekräftigendes Mitschwingverhalten zweier Saiten dann, wenn sie entweder exakt unisono gleich gestimmt oder nur sehr leicht verstimmt sind. Bei bereits nur etwas stärkerer Verstimmung wird eine benachbarte Resonanzsaite dagegen nur noch erheblich weniger zum Mitschwingen angeregt als es bei einer annähernd sauberen Stimmung der Fall wäre (Küllmer 1986: 75). Speziell bei solchen sehr geringen Frequenzunterschieden kommt schließlich der Umstand der sogenannten Schwebungen ins Spiel, die als Differenz zweier benachbarter Töne zu sehen sind: Bei einer Frequenz f1 in Verbindung mit f2 tritt der Schwebungston f3 als Differenz von f1 – f2 auf. Wird der Wert dieser IntervallDifferenz zu groß, spricht die Hörakustik von Rauheit, bis bei noch größerem Tonabstand das Gehör schließlich zwei verschiedene Töne unterscheiden kann. Dieser unscharfe Raum um einen einzelnen Ton wird als kritische Bandbreite um eine Tonfrequenz herum bezeichnet und erfasst den „Frequenzbereich, innerhalb dessen ein zweiter Ton liegen muss, so dass man entweder einen schwebenden oder einen rauen Tön hört (nicht aber zwei Töne)“ (Spitzer 2009: 99). Da die übliche temperierte Stimmung mit ihren Kompromissen etwa bei der Instrumentenstimmung von Gitarren schnell in die Bereiche von Schwebungen und Rauheit stößt, prophezeite Vogel, dass „das Feld eigentlich der reinen Stimmung gehört und dass die Temperierung nur erborgt ist und dass ihre Zeit einmal abgelaufen sein wird“. Dies wird bei ihm mit sehr exakten Obertonberechnungen und zugehörigen Tonrelationen begründet, wobei neben den rein physikalischen Grundlagen und Untersuchungsergebnissen hier auch auf das „wohltätige Zurechthören“ des Gehörs beim Hören verwiesen wird (Vogel 1986: 262 f.). Zusätzlich wichtig scheinen auch musikalisch-kulturelle und individuelle Besonderheiten zu sein: „Für den einen ist ein Sept-Akkord Ausdruck unerträglicher Spannung und Dissonanz, während der gleiche Akkord für den anderen eher den Ruhepunkt in einer Folge noch »schrägerer« Zusammenklänge darstellt“ (Spitzer 2009: 103).

Eigene Experimente und Untersuchungen

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4.1.2 Dreiklänge Der Umstand des Grundtonbezugs steht auch bei der Betrachtung von AkkordGrundformen, von Dreiklängen und deren in sich ruhender Stabilität, ihrer inneren Harmonie, im Vordergrund. Cook bringt in diesem Zusammenhang die Begriffe Sonority und Tension ein und verdeutlicht sie an typischen Dreiklang-Konstruktionen. Er verweist dabei auf die Tatsache, dass zwei an sich jeweils konsonante Intervalle in einer Schichtung als Dreiklang nicht unbedingt gleich auch einen in sich stimmig-wohlklingenden Akkord ergeben. Folgende Prämissen stellt er dabei auf: • Offenkundig darf das Intervall zwischen zwei benachbarten Tönen eines Dreiklangs nicht mehr als den Abstand einer Terz haben. • Zwei entsprechende Intervalle sollten als Rahmen-Intervall in der Kombination eine Quinte ergeben. • Diese muss allerdings unbedingt eine reine Quinte sein, wenn sie für das menschliche Ohr eine überzeugende Konsonanz bilden soll. • Eine verminderte Quinte als Summe zweier kleiner Terzen oder eine übermäßige Quinte aus der Verbindung zweier großer Terzen hat dagegen Dreiklang-Kombinationen zur Folge, die von einer breiten Mehrheit der Hörer als nicht konsonierend und damit als unangenehm empfunden werden. In diesem Zusammenhang lehnt Cook interessanterweise eine ausschließliche Beeinflussung des Harmonieempfindens durch späteres Erlernen oder kulturelle Traditionen und individuelles Geschmacksempfinden ab. Er hält dagegen, dass in unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten und Populationen bereits in frühen Lebensjahren eine bemerkenswerte Konstante festzustellen ist: Unterschiedlichste Hörer bewerten übereinstimmend bestimmte Dreiklänge als harmonischer als andere. Diese Akkorde haben im Empfinden der befragten Gruppen eine höhere stability, etwas, was bei ihm auch mit tonality, consonance, pleasentness oder beauty gleichgesetzt wird. Bei einer hierarchischen Abstufung wird laut Cook vor allem der Dur-Dreiklang (major) als besonders wohlklingend wahrgenommen, während ein Moll-Akkord (minor) zwar ebenfalls Gefallensbekundungen hervorruft, aber schon nicht mehr in dieser Höhe Zustimmungen erhält. Deutlich geringer ist dann eben die Zuweisung von Attributen wie angenehm und wohlklingend bei den Dreiklängen, die aus zwei kleinen Terzen (verminderter Akkord mit Rahmenintervall verminderte Quinte, diminished) oder zwei großen Terzen (übermäßiger Akkord mit Rahmenintervall übermäßige Quinte, augmented) zusammen gesetzt sind. Die Zustimmungen in Bezug auf den Harmonie-Gehalt eines Dreiklangs speziell bei amerikanischen und japanischen Musikern (in a) unterscheiden sich nur wenig von denen der entsprechenden Nicht-Musiker (in b). Die Unterschiede bei der Bewertung der einzelnen Dreiklänge sind im Gegenteil verblüffend übereinstimmend:

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Warum Hits Hits werden

„Pitch height, pitch timbre and especially the interval configuration of the dissonant chords have effects on such judgments, but the basic pattern of triad perception (for children and adults, peoples of the West and Far East, musicians and non-musicians) is not a matter of empirical dispute“.

Und neben der Unterschiedlichkeit von Dreiklängen, die ausschließlich aus geschichteten Terz-Intervallen gebildet werden, setzt Cook schließlich noch dreitönige Akkorde, die auch ein Ganz- oder Halbton-Intervall enthalten. Diese unterscheidet er scharf von den anderen, insgesamt als konsonant eingeordneten Akkorden, und bezeichnet sie explizit als dissonant bzw. als instabil und unaufgelöst:

(Cook 2006: 107). Dies stützt die Vermutung, dass in einer publikumswirksamen Klangwelt wie der Popmusik überwiegend Dur- und Moll-Dreiklänge als Grund-Akkorde zu finden sind und alle anderen harmonischen Konstruktionen im Vergleich dazu deutlich in der Minderheit sind oder überhaupt gar nicht erst eingebracht werden.

Eigene Experimente und Untersuchungen

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4.1.3 Harmonie-Formeln Wenn damit also sowohl Intervalle als ein gemeinsames Klingen von zwei Tönen als auch Akkorde als ein Ineinanderklingen von mehreren Tönen in sich jeweils schon unterschiedlich ausgeprägte Dissonanz- und Konsonanzgrade erreichen können, ist es nur noch ein weiterer konsequenter Schritt zu vermuten, dass es ähnliche Abstufungen auch in Bezug auf Abfolgen von hintereinander gesetzten Akkorden gibt. So wie bestimmte Töne im Zusammenklang eines Intervalls als mehr oder weniger angenehm, als konsonierend empfunden werden, und so wie unterschiedliche Akkorde im Vergleich tonal mehr oder weniger in sich stabil wirken, können wohl auch unterschiedliche Harmoniefolgen mal eher Wohlempfinden und mal eher Ablehnung und Verwirrung hervorrufen. Einige Akkord-Kombinationen sind also vermutlich erfolgsversprechender als andere, wenn es um Beliebtheit, Akzeptanz und bereitwillige Aufmerksamkeit gerade bei großen Hörergruppen geht. Dies legt auch das Ergebnis eines experimentellen Projektes näher, bei dem zuerst eine möglichst gefällige und dann auch eine möglichst ungern gehörte Musik komponiert und produziert werden sollte. Im Rahmen ihrer Suche sowohl nach der most unwanted music als auch nach dem most wanted song befragten dazu Soldier und Komar rund 500 Versuchspersonen. Mit Hilfe eines Fragebogens ermittelten sie die Nicht-Beliebtheit unterschiedlichster musikalischer Elemente und stellten aufgrund der Ergebnisse zuerst einen über zweiundzwanzig Minuten dauernden Track zusammen, der alles vereinen soll, was Hörer üblicherweise NICHT mögen. Neben diversen Faktoren wie • übermäßige Länge des Stückes, • ungewöhnliche Metren, • schnelle und drastische Tempi-Wechsel und • den Einsatz nicht sonderlich attraktiver Instrumente bzw. Klangfarben wie Akkordeon, Dudelsack, Kinderchor und rappender Operntenor • integrierten sie Dissonanzen aller Art: Dies weniger in Form von ungewöhnlichen Intervallen in der Melodik in Bezug zu einem bestimmten Grundton, sondern eher in den begleitenden Harmonien, die weitestgehend verfremdet wurden. Damit blieben sie betont weit entfernt von schlichten Dur- oder Moll-Dreiklängen. • Schließlich gestalteten sie auch die Abfolge der Akkorde hintereinander verwirrend. Ausdrücklich wurde eine beispielsweise eine stabile Grundtonart als Bezugspunkt vermieden, wie schon die ersten Takte des Werkes verdeutlichen:

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Warum Hits Hits werden

Gänzlich anders dagegen zeigt sich der einleitende Part aus dem most wanted song des gleichen Urheber-Teams, bei dem – in gerade fünf Minuten Länge und bei durchgehaltenem 4/4-Takt – durch die über Quintbezug verbundene Kombination As-Dur und Es-Dur sofort eine tonale Festlegung des Grundtons as möglich ist:

(Soldier 1997: online ). Die Tatsache, dass aber die recht freie Weiterführung am Ende der Phrase wiederum gewagt für schlichte Quintbezüge mit einfachen Dreiklängen ist, sorgt vermutlich mit dafür, dass in den Forums-Bewertungen der angeblich so sehr gewollte Song nicht überall auf Zustimmung stößt: • „That song was awful. It sounded like dentist office music with random electric guitar and Emerson, Lake, and Palmer synth added at random. I cannot imagine enjoying that song. In fact, it sounded like a joke, like a spoof on R&B or something: »baby you’re my fantasy« etc. screams parody. • I would agree with you guys that the second one is better, but mostly because the first one is terrible“ (The ol´ gigdoggy Blog 2009: online).

Eigene Experimente und Untersuchungen

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4.2 Die Beispiel-Stücke Um die Wirksamkeit von Akkordabfolgen innerhalb von Popmusik auf Rezipienten zu untersuchen, wurden für die Experimente drei Gruppen von jeweils drei Hörbeispielen geschaffen, die als Grundlage für die weiteren Untersuchungen dienten. Die Beispiel-Gruppen (alle Tonbeispiele zu finden auf: www.kramarz-bonn.de) a. Turn Around-Formel

b. Moll Pop-Formel

c. Four Chord-Formel

wurden jeweils nochmals in drei Versionen unterteilt: 1.

als Pop-typische standardisierte Grundformel mit durchgehendem Rhythmus: Pop-Formel

2.

als etwas dissonierende und harmonisch verfremdete Variante, die ebenfalls mit durchgehend pulsierendem Rhythmus unterlegt ist: Halbe Pop-Formel

3.

als durchgehend verfremdete, nicht-diatonische und rhythmisch völlig freie Experimental-Studie: Aufgelöste Formel.

Insgesamt ergaben sich damit neun Beispiel-Samples: 1a. Turn Around-Formel als Pop-Formel 1b. Moll Pop-Formel als Pop-Formel 1c. Four Chord-Formel als Pop-Formel 2a. Turn Around-Formel als Halbe Pop-Formel 2b. Moll Pop-Formel als Halbe Pop-Formel 2c. Four Chord-Formel als Halbe Pop-Formel 3a. Turn Around-Formel als aufgelöste Version 3b. Moll Pop-Formel als aufgelöste Version 3c. Four Chord-Formel als aufgelöste Version.

4.2.1 Voraussetzungen und Grundzüge der Beispiele In Zusammenarbeit mit dem Team des Instituts Differentielle & Biologische Psychologie der Universität Bonn wurden folgende Grundvoraussetzungen für einen Versuchsaufbau vereinbart: • Die Unbekanntheit des Musikmaterials sollte gewährleistet sein. Dies schien insofern notwendig, da das emotionale Erleben des Hörers, unabhängig von dem musikalischen Material des Gehörten, nicht durch irgendwelche Erinnerungen oder Assoziationen beeinflusst werden sollte. Daher wurde jegliche melodische Anlehnung an bekannte Stücke oder aktuelle Hits soweit wie möglich ausgeschlossen, indem z.B. die Melodien mit nur kleinen Tonschritten und in knappen

280

Warum Hits Hits werden

Motiven erstellt wurden. Diese bilden im jeweiligen Stück dann kurze Themen und Sequenzen, die so überall und nirgendwo vorkommen könnten. • Die Kompositionen sollten keine gesungenen Parts enthalten, sondern Instrumentalstücke sein. Nur dadurch wird ein ungewollter und ablenkender Bezug zur menschlichen Stimme vermieden und eine weitgehend neutrale Ausgangslage für das Experiment erreicht. Denn bei Musikstücken mit stimmlicher Untermalung ist das Zusammenwirken von Musik und Sprache problematisch, „was eine isolierte Erfassung des emotionalen Wirkungsgrads von Musik erschwert. Im Bereich der Musikforschung werden daher bevorzugt Instrumentalstücke eingesetzt“ (Kreienkamp 2013: 52 f.). Die Struktur innerhalb der ersten beiden Sample-Gruppen, also bei sechs der Samples, wurde gebildet aus einer Abfolge mit den Teilen • Intro • Strophe • Refrain. Diese Parts sollten ausschließlich durch das Arrangement der einzelnen Instrumente kenntlich gemacht bzw. angedeutet werden. Folgende Eigenschaften der einzelnen Teile bildeten sich dadurch heraus: INTRO besteht nur aus einzelnen Akkord-Schlägen am Klavier, ohne Auftreten eines weiteren Instrumentes. STROPHE fügt zusätzliche Basstöne und weitere Arpeggien hinzu, die wieder vom Klavier gespielt werden. REFRAIN wird zusätzlich durch einen Perkussions-Rhythmustrack unterlegt, der mit Hilfe eines elektronischen Shakers erzeugt wird. Außerdem präsentiert dieser Abschnitt erstmalig eine eigene Melodie, die als monophone Linie ebenfalls am Klavier eingespielt wurde. Nur durch diese prägnante hookartige Melodie wird der Eindruck eines Refrain-Parts gebildet. Auch in diesem Teil kommt kein Gesang vor. Der Ablauf der einzelnen Stücke entspricht damit dem ersten Teil eines gängigen Popmusik-Songs. Ein zusätzlicher, fortführender Verlauf ist nicht vorhanden, da alle Beispiel-Stücke maximal die Länge von fünfundvierzig Sekunden haben. Als weitere Charakteristiken sind anzumerken: Zusätzliche Takte werden bei keinem der Beispiele eingeschoben, entsprechend • wird auch kein kompositorischer Prägestempel in irgendeiner Form verwendet. • Die einzelnen Beispiele verbleiben in der einmal vorgestellten Tonalität, hier durchgehend F-Dur. Modulationen oder Rückungen kommen nicht vor. • Rhythmisch sind alle sechs der neun Beispiele aus der ersten und zweiten Gruppe (Pop-Formel bzw. Halbe Pop-Formel) mit einem konstanten 4/4-Puls unterlegt. • Nur durch den jeweils unterschiedlichen Einsatz der Schlagzeug-Klänge innerhalb der Samples werden die strukturellen Einheiten markiert. Explizite Breaks, die den Fluss des Beispiels unterbrechen oder steigern könnten, treten nicht auf.

Eigene Experimente und Untersuchungen

281

• Bei allen Beispielen beträgt das Tempo exakt 120 Beats per Minute. Eine betonte Danceability liegt nicht vor, auch wenn bei der Rhythmusspur schon ein gewisser Groove, also mehr als nur ein monotones Metronom-Metrum, zum Zwecke einer rhythmische Belebung vorhanden ist. • Als Instrumente kamen nur Klavier und Bass – beide als Sample-Abruf über ein Keyboard eingespielt – zum Einsatz, wozu die Software-Perkussions-Elemente über eine Loop-Spur innerhalb der Recording-Software hinzugefügt wurden. • Bei der Aufnahme wurde zwar auf hohe Produktionsqualität geachtet, ohne aber betont auffällige Studio-Effekte oder Klangmanipulationen einzusetzen. Von dem eigentlichen Klanggeschehen sollte möglichst wenig abgelenkt werden. Insgesamt sind die Aufnahmen von der Instrumentierung her weitestgehend stilistisch neutral und nur breit einem allgemeinen Pop-Genre zuzuordnen. • Dadurch, dass keinerlei Gesang vorhanden ist, können auch keinerlei Einordnungen in Bezug auf einen Vokalinterpreten bzw. sein Können, Image und Ausstrahlung stattfinden. • Gleichzeitig ergibt sich durch das Fehlen einer Gesangsstimme eine Text-Losgelöstheit, so dass Aspekte wie Reimbildung oder thematischer Text-Bezug den auf musikalische Elemente fokussierten Eindruck nicht beeinträchtigen können.

4.2.2 Die Beispiele der Gruppe Pop-Formeln Die charakteristischen Besonderheiten der Gruppe Pop-Formeln mit ihren jeweiligen drei Samples lassen sich in Form einzelner Beschreibungen wie folgt zusammenfassen: • Bei den drei Beispielen sind die typischen Harmoniewechsel aus jeweils einer spezifischen Pop-Formel enthalten. • Im Beispiel Turn Around-Formel werden die jeweiligen Dur- oder Moll-Dreiklänge über zwei Takte ausgehalten, in der Moll Pop-Formel sind sie nur halbtaktig und in der Four Chord-Formel je eintaktig. • Die Wechsel der Harmonien finden grundsätzlich auf der Eins eines Taktes bzw. zusätzlich auch auf der Zählzeit Drei statt. • Die Tonarten der Samples sind jeweils gleich. Sie alle erklingen in den produzierten Fassungen in F-Dur bzw. D-Moll. Sie sind aber der besseren Übersichtlichkeit halber hier in C-Dur notiert. • Als Melodik werden nur in einem Part einzelne monophone, instrumentale Linien eingebracht, die den Teil, in dem sie vorkommen, damit zu einer Art von wiedererkennbarem Refrain formen. • Die Melodieführung ist betont einfach gehalten. Sie ist in ihrem Verlauf als gemischter Melodieverlauf einzuordnen. • Es sind eine Reihe von meist sequenzierenden Wiederholungen integriert, die eine Eingängigkeit der Melodierezeption fördern sollen.

282

Warum Hits Hits werden

• Der Ambitus dieser Instrumental-Melodie ist mit dem maximalen Tonabstand von einer Quarte als sehr gering zu bezeichnen. • Als erstes Melodie-Intervall tritt, nach lang ausgehaltenem Anfangston, eine große Sekunde auf. • Die Melodie ist vornehmlich aus der zugehörigen Dur bzw. der Natürlichen MollSkala gebildet, in der keine skalenfremde Zusatztöne vorkommen. 4.2.2_1 Die Turn Around-Formel

• Insgesamt hat dieses Klangbeispiel eine Länge von 24 Takten. • Es ist aufgeteilt in drei Teile mit jeweils acht Takten, • die sich entsprechend der Songstruktur vom Intro aus zum Refrain-Part hin entwickeln. • Die gleich zu Beginn vorgestellten und dann konstant beibehaltenen vier Dreiklänge werden jeweils über zwei Takte lang ausgehalten. • Der Akkordablauf des Turn Around-Formel Beispiels lautet als Funktionsabfolge: T / T / Tp

/ Tp / S / S / D

/

D

://

/

G

://

in C-Dur: C / C / Am / Am / F /

F / G

Diese Abfolge ist vom Akkordablauf her vergleichbar mit einem Song wie Bleeding Love von Leona Lewis. Im dritten Teil kommt noch eine Melodie zu den Akkordschlägen hinzu:

4.2.2_2 Die Beispiele der Gruppe Moll Pop-Formel

Das Beispiel Moll Pop-Formel basiert auf einer mit der Dur-Tonika im dritten Ablauf-Teil erweiterten „Hip-Hop-Smash-Formel“ (Kramarz 2008: 30). Da sie speziell im deutschsprachigen Rap häufig und sehr erfolgreich auftrat, wurde im Team auch der Arbeitstitel Bushido-Formel verwendet. Hier werden die einzelnen Dreiklänge

Eigene Experimente und Untersuchungen

283

nur halbtaktig ausgehalten, es finden sich also zwei Harmonien in jedem Takt. Der Ablauf ist bei diesem Beispiel damit wie folgt: 2 x 2 Takte Intro 2 x 2 Takte Strophenpart 2 x 2 Takte Strophenpart mit zusätzlicher Perkussion 2 x 2 Takte Refrain mit instrumentaler Melodie, darin ein Fade Out.

Die durchgängig gleich bleibende Akkordabfolge dieses Beispiels lautet als Funktionsabfolge: Tp

S

/

T

D ://

F

/

C

G ://

in C-Dur: Am

Im Schlussteil wird folgende Melodie zusätzlich eingebracht:

Eine vergleichbar ähnliche Harmonieabfolge weist z.B. der Song Apologize von One Republic auf. 4.2.2_3 Die Beispiele der Gruppe Four Chord-Formel

Die häufig und erfolgreich verwendete Four Chord-Formel, wie sie auch von der Gruppe Axis of Awesome in ihrem bekannten medleyartigen Four Chord-Song live präsentiert wurde (Axis of Awesome 2009: online), wird in dem zugehörigen Beispielsaufbau mit jeweils eintaktigen Akkordschlägen gebildet: T

/

D

/

Tp

/

S ://

/

G

/

Am

/

F ://

in C-Dur: C

284

Warum Hits Hits werden

Der strukturelle Ablauf dieses Beispiels entspricht wieder weitgehend dem Aufbau der vorherigen Samples: 2 x 4 Takte Intro 2 x 4 Takte Strophe 2x 4 Takte Refrain mit Perkussion und zusätzlicher achttaktiger Melodie:

Eine vergleichbare Harmonie-Abfolge verwendeten Roman Lob und sein Team beim ESC 2012 in Standing Still und gleichermaßen auch Eli und Nikki im Song Running Scared, dem Siegertitel des Eurovision Song Contest 2011.

4.2.3 Die Beispiele der Gruppe Halbe Pop-Formeln Die drei vorgestellten Beispiele wurden nun in einem zweiten Durchgang, angelehnt an die ursprünglichen Kompositionen, in Bezug auf die tonale Orientierung und Grundtonfixierung in unterschiedlicher Weise diatonisch abweichend und damit irritierend variiert. Dazu wurden die bisher durchgängig an bestimmte Muster angelehnten Abfolgen der jeweils vier Akkorde auf nur noch zwei oder drei Harmonien beschränkt, während die übrigen Dreiklänge bewusst aus einem nicht direkt diatonisch verbundenen Zusammenhang heraus entnommen wurden. Es entstanden damit in der Kombination bewusst eher unkonventionelle Tonbeispiele mit dem Arbeitstitel Halbe Pop-Formeln. 4.2.3_1 Die Turn Around-Formel als Halbe Pop-Formel

Dieses Beispiel, angelehnt an die Turn Around-Formel, ist wie zuvor wieder doppeltaktig und ist in einer vergleichbaren Struktur wie bei der Gruppe Eins angelegt. Allerdings weicht die erste Harmonie von der Standard-Abfolge, um einen Halbton nach oben verschoben, ab: T# /

/ S /

S /

D

/

D

://

Cis / Am / Am / F /

F /

G

/

G

://

T#

/ Tp / Tp

in C-Dur: Cis /

Eigene Experimente und Untersuchungen

285

Damit ist die Abfolge der nachfolgenden Harmonien an sich weitgehend erhalten, nur ist gleich anfangs mit dem Übergang zum zweiten Dreiklang der tonale Bezug für das Ohr dramatisch gestört. Bei der standardisierten Turn Around-Formel mit der Akkordfolge C

/

Am

/

F

/

G

wechseln erst nach dem dritten bzw. vor dem vierten Akkord, also beim Übergang zur Dominante G-Dur, alle Töne der beiden Harmonien. Zuvor verbleiben immer zwei Töne zwischen den Akkorden gleich: g e- ---

e

c - - ----

c------

c

d

a ------

a

h

f

g

Doch bei der Halben Pop-Formel findet ein solcher Bruch, ohne Verbleib einzelner Töne, zusätzlich auch gleich nach der ersten Harmonie statt. Außerdem treten, auf die Gesamtheit des Tonvorrats gesehen, Töne einer nicht diatonisch gemeinsamen Tonleiter auf: gis eis

e

cis

c------

c

d

a ------ a

h

f

g

Die Melodie wird dabei mit entsprechenden Zusatztönen der Harmonik angepasst:

Nebeneinander steht also eine Cis-Dur-Einführung, die dann – ohne Modulation oder Rückung – unvermittelt um einen Halbton absinkt zu einem C-Dur-Tonvorrat. 4.2.3_2 Die Moll Pop-Formel als Halbe Pop-Formel

Auch hier erfolgte eine massive Änderung im Vergleich zum formelhaft-konventionellen Ablauf, da sowohl die zweite als auch die vierte Harmonie jeweils um einen Halbton angehoben wurde. Damit sind ineinander kreuzförmig zwei Tonart-Bereiche verschränkt, die aber nebeneinander jeweils abrupt aufeinander stoßen: Tp S#

/ T D# ://

in C-Dur: Am Fis

/ C Gis ://

286

Warum Hits Hits werden

Die Melodik im weiteren Songverlauf ist so angelegt, dass hier keine jeweils hinund her springende Anpassung an die verschobenen Harmonien vorhanden ist, sondern durchgehend der Tonvorrat einer C-Dur-Tonalität bzw. des Natürlichen A-Moll als melodisches Ausgangsmaterial verwendet werden:

Dieses melodische, dann auch reibende Geschehen mit z.B. dem Ton d über GisDur findet allerdings erst im dritten Teil des Beispiels statt. In den beiden ersten Stücke-Parts sind ausschließlich die einzelnen Harmonien zu hören. 4.2.3_3 Die Four Chord-Formel als Halbe Pop-Formel

Das dritte Beispiel wurde in der Form verändert, dass hier bei der Four Chord-Formel der erste Akkord um einen Halbton angehoben und die zweite Harmonie um einen Halbton abgesenkt wurde. Damit ergibt sich im Gegensatz zur ursprünglichen Abfolge von T / in C-Dur: C /

D

/

Tp

/

S ://

G

/

Am

/

F ://

Db

/

Tp

/

S ://

Ges

/

Am

/

F ://

der Verlauf T# / in C-Dur: Cis /

Eigene Experimente und Untersuchungen

287

Auch hier wird im dritten Stücke-Part die unveränderte Melodie aus dem vorherigen Four Chord-Sample verwendet. Die Melodik ist damit weiterhin einem reinen (C-)Dur-Tonvorrat verhaftet und in sich geschlossen. Durch die veränderte Harmonik wirkt sie aber gleichzeitig über weite Strecken ebenfalls betont reibend. Scharfe Dissonanzen bei den ersten beiden Takten der Einleitung, etwa in Form einer kleinen Sekunde durch das c der Melodik in Verbindung mit einem cis im Tonvorrat der begleitenden Harmonik, werden erst ab dem dritten Takt konsonierend ab- und aufgefangen, um bei der Wiederholung des Durchgangs erneut deutlich auseinander zu gehen:

4.2.4 Die Beispiele der Gruppe Aufgelöste Formeln In einem weiteren Schritt wurden dann schließlich alle drei Beispiele nochmals massiv verändert und manipuliert. Dies geschah durch eine drastische Loslösung von jeglichen diatonischen Vorgaben und einer gleichzeitigen totalen Abtrennung vom bisher konstant durchlaufenden, pulsierenden Grundschlag. Inspiriert wurde dieses Vorgehen durch Vorgaben, die sich bei den frühen Werken des Komponisten Karlheinz Stockhausen finden lassen. Bei ihm gibt es eine Reihe von Werken, die auf vertrautem und üblicherweise Gehörtem basieren, dann aber mit dem jeweiligen Tonmaterial tief eingreifende Bearbeitungsschritte vornehmen und damit zu völlig neuartigen Klang- und Sinneseindrücken führen. So wurden in einer größeren Komposition 1966 im Kölner Studio für Elektronische Musik des WDR elektronische, vokale und instrumentale Musik in Kombination mit den Aufnahmen diverser Nationalhymnen gebracht und als Hymnen fertiggestellt (Stockhausen 1967: IV). In Gesang der Jünglinge dagegen, bereits zwischen 1955 und 1956 komponiert und produziert, sind neben zusätzlich hinzu gemischte Geräuschen Aufnahmen von Choral-Gesangslinien enthalten, die sich jeweils nach teilweise umwälzenden Bearbeitungen von ihrer Ausgangsebene weit entfernen (Thrun 1991: 123). In einer entsprechend nachempfundenen Art und Weise sind nun auch die einzelnen Tonspuren der drei Beispiele aus der Gruppe Pop-Formeln, die dort ursprünglich als Material für die Klangbeispiele dienten, massiv verfremdet worden. Stockhausen und speziell seine frühen Arbeiten wurden auch deswegen als ideengebende Quelle ausgewählt, da schon früh in der Popmusik-Geschichte inspirative Verbindungen zwischen ihm und großen Stars der Popmusik nachweisbar sind. Auf einer Konzertreise in die USA lernte Stockhausen beispielsweise Bands wie Jefferson Airplane oder Grateful Dead kennen und trat in Verbindung mit ihnen (Peel 2002: 37). Daneben wird sowohl bei Jimi Hendrix auf die Begeisterung in

288

Warum Hits Hits werden

Bezug auf Stockhausen als kreativ beflügelndes Vorbild verwiesen (Trampert 1991: 139) als auch ist eine vergleichbare Bewunderung der Beatles – sowohl von Paul McCartney als auch von John Lennon – immer wieder dokumentiert worden. Und spätestens bei einer experimentierfreudigen Studioproduktion wie Sgt. Pepper´s Lonely Hearts Club Band, wo Karlheinz Stockhausen auch auf dem Cover abgebildet ist, oder einer kompromisslosen Ton-Collage wie Revolution No. 9 sind offenkundig Methodiken und Anregungen aus den Arbeiten des Kölner Komponisten in das Schaffen der Beatles gelangt (Everett 1999: 119). Entsprechend wurde daher innerhalb der Bearbeitung der Beispiel-Samples vor allem Wert auf die Integration einzelner Klangschnipsel und herausgetrennter Fetzen in eine neue Klangwelt gelegt. Dabei wurden eine Reihe von Techniken aus der frühen Zeit der Musique Concrete und Tape-Music angewendet: „These so-called classical studio techniques are methods of tape manipulation in which individual sounds are recorded onto separate pieces of tape which are then cut into small pieces, rearranged and spliced together, or interspersed with pieces of blank tape to create rhythms. Sounds can be made into tape loops, played backwards, mixed with other sounds, sped up, slowed down, filtered, reverberated, etc.“ (Manion 2013: online).

Solche Verfahren wurden aber in den fünfziger und sechziger Jahren nicht nur bei Komponisten wie Schaeffer oder Henry zum Einsatz gebracht, sondern finden sich eben auch bei den Beatles: Etwa bei einem Stück wie Tomorrow never knows, „probably the most famous use of musique concrete in history“ (Peel 2002: 37). Daraus abgeleitet wurden dann auch in den hier verwendeten Klangbeispielen – dort innerhalb einer Audio-Software elektronisch ausgeführt – Bearbeitungsschritte in der Art von • Rückwärts-Abspielen, • beschleunigtes und abgesenktes Tempo, • Unterlegung mit Sinus-Tönen und • starke Verzerrung durch diverse Filter. Ganz im Sinne einer wegweisenden Vorgabe von Stockhausen sollten hier Tonband und Lautsprecher nicht länger nur zur Reproduktion, sondern auch als bewusst eingesetzte Mittel zur eigenständigen Produktion dienen (Brücher 1955: 107). Dass dann bei der aktuellen Produktion trotz aller radikalen Bearbeitungen längere Zeit einzelne Parts aus den Beispielspuren immer noch gut erkennbar und klar harmonisch verankert blieben, war erstaunlich. Es bestätigt aber Erfahrungen, die auch der Beatles-Produzent George Martin im direkten Zusammenhang mit den betont avantgardistischen Arbeitsmethoden machte: Bei der Produktion von Being For The Benefit Of Mr. Kite wollte der Songwriter Lennon die „Sägespäne in der Arena riechen“ können. Martin erinnerte sich daraufhin an ein Verfahren, bei dem kurze Tonbandfetzen hintereinander montiert werden – was Stockhausen bereits 1952 in

Eigene Experimente und Untersuchungen

289

Paris im Rahmen seiner Etude praktiziert hatte. Genau diese frühe Komposition versetzt mit seinen kaum drei Minuten sogar noch heute Kritiker und Hörer in Erstaunen und Begeisterung: „It is a brute but meticulously composed work, which doesn’t sound like a »first work« at all. It is structured in detail, and the impression is of fast and brute events charging in a staccato sort of way down the line. This piece really rocks!“ (Sonoloco 1992: online). Doch Beatles-Produzent Martin und sein Tontechniker Geoff Emerick mussten damals im Abbey-Road Studio der EMI erkennen, dass – ähnlich wie bei Stockhausen fünfzehn Jahre zuvor – selbst bei einer „Pyramide aus Bandsalat“ immer wieder Einzel-Stücke genau da landeten, wo sie „ursprünglich gewesen waren. Dieses Problem lösten wir, indem wir alles, was auch im entferntesten so klang, als wäre es richtig zusammengesetzt, herumdrehten und verkehrt zusammenklebten“ (Martin 1997: 127). Daher war auch bei der Produktion der Beispiel-Samples dieses Projektes ein weiterer hoher Arbeitsaufwand vonnöten: Die anfangs kaum zu unterdrückenden Einzelteile der Gruppe Pop-Formeln, eben Ausschnitte aus gängigsten Standard-Formen der Popmusik, mussten entsprechend in einer Reihe von zusätzlichen Studio-Sessions noch mehrfach stark bearbeitet werden, damit jeder Bezug zu Tonalität oder durchgehendem rhythmischen Pulsieren unterbunden werden konnte. Dies fand letztendlich in einem ähnlich ungeplanten bzw. spontane Ideen aufgreifenden – und damit kreativ sehr angeregten – Arbeitsprozess statt, wie ihn Stockhausen 1967 im Programmtext zur Uraufführung von Hymnen beschrieb: „Die großen Dimensionen in Zeit, Dynamik, Harmonik, Klangfarbe, räumlicher Bewegung, Gesamtdauer und die Unabgeschlossenheit der Komposition ergaben sich im Verlauf der Arbeit aus dem universalen Charakter des Materials und aus der Weite und Offenheit, die ich selbst in der Auseinandersetzung mit diesem Projekt – Vereinigung, Integration scheinbar beziehungsloser alter und neuer Phänomene – erfahren habe“.

Bei Hymnen wurde erst nachträglich eine Partitur angelegt, die eine „approximative Transkription der figurativen Elemente“ (Stockhausen 1967: VII) darstellt und entsprechend die schwer zu fassenden Abläufe nur ansatzweise vermitteln kann:

290

Warum Hits Hits werden

4.2.4_1 Die aufgelöste Four Chord-Formel

Auch die einzelnen Samples im Aufgelösten Formel-Stil können nur ungefähr in ihrer letzten Produkt-Endfassung beschrieben werden: • Beim Sample Four Chord-Formel beispielsweise wurden gleich ab Beginn in schnellem Wechsel die massiv verfremdeten Einzelspuren ineinander verwoben. • Bewusst vermieden wurde bei diesem Produktionsvorgang jegliche Hinzufügung oder Bildung von einem wie auch immer gearteten konstant pulsierenden Rhythmus oder Groove, damit kein Bezug zu aktuellen Pop-Stilistiken wie ElectronicBeat oder Techno bzw. Electronic-Dance-Music aufkommen konnte. • Außerdem sollte jegliche Bildung einer Tonalität oder Beziehung zu einem Basiston unterdrückt werden. Als Tonmaterial für die Klangcollage der entsprechenden Bearbeitung dienten • die Einzelspuren der jeweiligen Beispiele wie die Pianoakkorde, deren jeweilige Elemente zwar in sich belassen, gleichzeitig aber verschoben, bearbeitet und umgestellt wurden. Aus der vorherigen, mehrfach konstant wiederholten Akkordfolge, erweitert durch bzw. verbunden mit einzelnen verschiedenartig arpeggierten Harmonien, entstand dadurch schließlich folgender Klavierpart:

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• Weiterhin kam die in sich unveränderte Solo-Melodie hinzu:

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Eigene Experimente und Untersuchungen

291

• Dort wurde aber noch eine extensive Lautstärke-Steuerung eingesetzt – mit drastischen Verläufen und Absenkungen bis hin zur völligen Stille, so dass ein melodischer Zusammenhalt des Themas für den Hörer weitgehend unterbrochen und aufgelöst wirkt. Die Sequenz wird dadurch aufgeteilt in einzelne, unzusammenhängende periodische Segmente (Lautstärkeverlauf als Kurve dargestellt):

• Als neu hinzukommendes, bei den Beispielen bisher nicht eingebrachtes Element wurde dem Klangmaterial noch ein markanter Sinuston beigefügt, der während des Sample-Durchlaufs in seiner nicht-diatonisch orientierten Tonhöhe spontan und drastisch verändert wurde (Frequenzverlauf als Kurve dargestellt):

Dabei variierte auch die Lautstärke dieser Tongenerator-Einspielung stark (Lautstärkeverlauf als Kurve dargestellt):

Schließlich wurden dem finalen Endprodukt noch hinzugemischt • einzelne elektronisch erzeugte Töne wie Morsen und Pfeifen in konstanten Tonhöhen und • sporadisch auftretendes weißes und farbiges Rauschen als eigenes Klanggeschehen mit gleichzeitiger abrupter Frequenz-Verschiebung und drastischen Lautstärke-Änderungen.

292

Warum Hits Hits werden

4.3 Experiment I: Befragungen und Messungen In verschiedenen Schritten sollte nun die Wirkung dieser einzelnen Samples in ihren insgesamt drei Gruppen mit je drei unterschiedlichen Ausführungen untersucht werden. Dazu wurden in einem ersten Experiment insgesamt • 83 Versuchspersonen im Alter zwischen 19 und 51 Jahren jeweils die neun Beispiele über Kopfhörer • bei gleicher Lautstärke, in zufälliger Reihenfolge und mit zehn Sekunden Pause zwischen den einzelnen Vorführungen vorgeführt. • Dieser Vorgang wurde insgesamt dreimal durchgeführt. Dabei wurden bestimmte Messungen während des Abspielens der Beispiele durchgeführt. Nach jeder einzelnen Vorführung sollten die Probanden darüber hinaus noch eine Selbst-Auskunft, ein self reporting, abgeben in Bezug auf • Wohlgefallen (gefällt mir oder nicht) und • emotionale Valenz (berührt mich positiv oder negativ) abgeben. • Bei diesem Vorgang wurde auch gemessen und dokumentiert, wie lange die einzelnen Kandidaten nach dem Anhören der einzelnen Stücke bis zu einer Antwort benötigten. Diese Reaktionszeit wurde exakt erfasst und als eigenes Bewertungsmaterial in die Auswertung mit eingebracht.

4.3.1 Self Reporting Die subjektiven Wohlgefallensäußerungen der Probanden wurden abgefragt, auch wenn einige Autoren ausdrücklich herausstellen, dass eine Verbindung von subjektiv geäußertem Gefallen noch nicht vorab eine „Voraussagemöglichkeit auf einen späteren Verkaufserfolg zulässt“ (Berns 2012: 157). Dennoch wurde, gleich nachdem den Probanden jeweils ein Sample vorgespielt worden war und jeweils ein frischer Eindruck vorlag, als erstes um die spontane Einschätzung gebeten: Wie hat Ihnen das Musikstück gefallen? Das Ergebnis fiel dabei wie folgt aus: • Die standardisierten Pop-Formel-Samples mit dem formelartigen Ablauf ihrer Harmonien erzielten – auf einer Skala von 0 bis 10 – den höchsten Wert, • die jeweils verschobene Harmoniekonstruktion als Halbe Pop-Formel dagegen einen deutlich niedrigeren Wert. • Nochmals erheblich niedriger waren die Ergebnisse bei der Befragung zu den diatonisch und rhythmisch aufgelösten Beispielen. Diese Aufgelöste FormelSamples konnten bei der Befragung – auf einer Skala von 0 (niedrigstes) bis 10 (höchstes Wohlgefallen) – nur eine geringe Zustimmung erzielen:

Eigene Experimente und Untersuchungen

293

(Kreienkamp 2013: 78)

4.3.2 Emotionale Einschätzung Mit der Bezugnahme auf die emotionale Einschätzung wurde anschließend nicht nur das positive Gefallen, sondern auch eine eventuelle negative Ablehnung mit eingeschlossen. Dazu wurde die zweite Frage gestellt: In welche Richtung hat Sie das Musikstück emotional berührt? Auf einer Skala von +5 (positiv) bis -5 (negativ) waren dazu Angaben, ebenfalls unmittelbar nach dem Hörerlebnis, zu machen. Hier zeigte sich, dass die • standardisierten Pop-Formeln – im Durchschnitt gesehen – wiederum positiv bewertet wurden, während die • stark verfremdeten Aufgelöste Formel-Beispiele mit expliziter Ablehnung bewertet wurden. • Die nur teilweise verfremdeten Halben Pop-Formeln waren zwischen diesen beiden Einschätzungen bei einem nahezu neutralen Mittelwert zwischen Zustimmung und Ablehnung zu finden:

294

Warum Hits Hits werden

(ebenda: 79)

4.3.3 Das Verhalten der Probanden bei der Einschätzung Interessant war es nun, an dieser Stelle noch das zugehörige Verhaltensmuster der einzelnen Probanden zu beachten: Nicht nur das zustimmende oder ablehnende Empfinden sollte gemessen werden, sondern als eine objektiv feststellbare Größe auch die Zeit der Reaktion, die benötigt wurde, bis eine Bewertung erfolgte. Da die Versuchspersonen ihre Bewertungen beim Abhören der Klangbeispiele mit Knopfdruck abgaben, konnte hier die jeweilige Zeit bis zur erfolgten Reaktion sehr präzise erfasst werden. Als Ergebnis zeigte sich dabei, dass es • eine vergleichbar ähnlich lange Zeit dauerte, bis in Bezug auf die vollständige und auch auf die Halbe Pop-Formel ein Urteil gebildet war. • Die – überwiegend ablehnende – Bewertung der Aufgelöste Formel-Beispiele dagegen wurde signifikant schneller beschlossen und in einer entsprechend kürzeren Zeit gemeldet:

Eigene Experimente und Untersuchungen

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(ebenda: 82)

4.3.4 Ektodermale Aktivitäten Während des Hörens erfolgte bei 74 der Probanden zusätzlich eine Messung der Hautleitfähigkeit von elektrischen Impulsen, da bestimmte Arten von Musik beim Hörer dort eine objektiv messbare Veränderung hervorrufen. Dies ist bedingt durch eine einsetzende Erregung beim Hörer, ein Arousal, mit begleitenden Umständen wie etwa einer verstärkten Schweißabsonderung. Schon nach wenigen Sekunden erhöht sich die elektrische Leitfähigkeit der Haut, um dann nach kurzer Zeit wieder auf das Ausgangsniveau zurückzufallen. Dies gilt als zuverlässiger Indikator, um die Aufmerksamkeitsressourcen bei Reizverarbeitungen darstellen zu können. Daher bilden reizbezogene Elektrodermale Aktivitäten (EDA) wichtige Meßinstrumente in Bezug auf Emotionen oder Stressfaktoren, um psychophysiologische Sachverhalte auch objektiv abbilden oder eingrenzen zu können (Burk 2005: 1). Vermutet wurde in dem konkreten Fall der vorliegenden Audio-Beispiele, dass sich bei den einzelnen Samples jeweils unterschiedliche EDA-Werte ergeben. Doch dies war so nicht eindeutig nachweisbar – mit einer interessanten Ausnahme: Die Beispiele der Halben Pop-Formel Gruppe erzielten im Verlauf der Untersuchung im Gegensatz zu den anderen Tonbeispielen innerhalb der drei Vorführ-Blöcke zunehmend höhere Werte. Hier wurden also mehr Verwirrung, Stress oder emotionale Aufgerührtheit als bei den anderen Samples erzeugt – vermutlich im Sinne von: Was wird das denn für ein Beispiel, warum kann ich das nicht klar einordnen? Die zu messende Erregung war damit im Durchschnittswert höher als bei den vollständigen Pop-Formeln und auch höher als bei den stark verfremdeten

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Warum Hits Hits werden

Beispielen, wie die entsprechenden elektrodermalen Kennwerte nSCR in der Auswertung der insgesamt jeweils drei Untersuchungsblöcke belegen:

(Kreienkamp 2013: 81).

4.3.5 Molekulargenetische Effekte Der Teamleiter des Projektes, Christian Montag, erläutert die Ergebnisse der durchgeführten Genetik-Untersuchungen wie folgt: Eine Reihe von Studien zeigt, dass das Hören von harmonischer Musik Areale des Gehirns aktiviert, die stark durch den Neurotransmitter Dopamin innerviert werden. So konnte aufgezeigt werden, dass das Hören des eigenen Lieblingssongs im Kontrast zu einem gewählten AntiSong striatale Hirnaktivität auslöst (Montag et al., 2011). Das Striatum im menschlichen Gehirn (vor allen Dingen der Nucleus Accumbens) wird populärwissenschaftlich auch gerne als das Belohnungsareal des Gehirns bezeichnet und wird nicht nur durch Musik, sondern auch durch das Verzehren von Schokolade, Geschlechtsverkehr, einem guten Essen etc. aktiviert. Dadurch, dass Dopamin von zentraler Bedeutung für die Prozessierung von belohnenden Informationen ist, stellt sich die Frage, ob interindividuelle Differenzen in den genannten Ratings (es handelt sich oben um Mittelwerte, nicht jeder Teilnehmer reagiert in dem gleichem Ausmaß auf die Beispiele), durch molekulargenetische Marker erklärt werden können, die von Natur aus die Verfügbarkeit von Dopamin beeinflusst. Eine der am meisten untersuchten Mutationen auf dem Genom stellt hier eine genetische Variante des COMT Gens dar. COMT steht für das Enzym Catechol-O-Methyltransferase und spielt eine wichtige Rolle bei dem Abbau von Dopamin im synaptischen Spalt. Genauer handelte es sich bei der genetischen Variante um den COMT Val158Met Polymorphismus. Dieser Polymorphismus stellt eine Punktmutation mit einem Basenaustausch von G zu A dar. Das Tragen der G oder A Variante hat zur Folge, dass in die Verkettung der Aminosäuren des COMT Enzyms entweder ein Valin (G) oder Methionin (A) eingebaut wird. Dies hat Folgen für die Thermostabilität des COMT

Eigene Experimente und Untersuchungen

297

Enzyms und damit auch für die Wirksamkeit im Abbau von Dopamin. Träger der A Variante (Methionin wird in COMT eingebaut) bauen weniger Dopamin ab als Träger der G Variante (Valin). Auf psychologischer Ebene ist die Val-Variante übrigens mit positiver Emotionalität, die Met-Variante mit negativer Emotionalität assoziiert worden (Montag et al., 2012). Es zeigte sich in Selbstreportstudien, das Valin Träger eher extravertiert sind und Met Träger eher ängstlich. Dies spiegelt sich auch in den eigenen Experimentaldaten wieder. Träger der „Doppel-Mutante“, also Met/ Met, zeigten in der Bedingung Halbe Pop-Formel einen deutlich niedrigen Wert im Gefallen der Musikstücke als Träger mit mindestens einer Val Kopie. Warum ist dieser Effekt nur für die Halbe Pop-Formel zu sehen? Eine der wichtigsten psychologischen Theorien über die neuropsychologischen Grundlagen der Angst (Gray & McNaughton, 2000) besagt, dass die Emotion Angst vor allen Dingen durch uneindeutige Reize ausgelöst wird, die sich nur schwer einschätzen lassen. Insofern sollten Menschen, die durch ihr genetisches Make-Up eher zu Ängstlichkeit neigen (Met Träger – besonders die Träger vom homozygoten Met Genotyp) auf den uneindeutigen Reiz mit geringerem Wohlgefallen reagieren als die Träger der Val Variante – was sich auch in dieser Untersuchung verifizieren ließ:

Durchschnittliche Gefallensäußerungen in Bezug auf die Beispiele Halbe Pop-Formel bei unterschiedlichen Genetik-Dispositionen (Kreienkamp 2013: 91)

298

Warum Hits Hits werden

4.4 Experiment II: MRT in einem zweiten unabhängigen Versuchsverfahren wurden die neun produzierten Beispiel-Tracks nochmals mit • insgesamt vierzig Teilnehmern im Alter zwischen 20 bis 72 Jahren in Bezug auf mögliche Gehirnaktivitäten im Rahmen einer funktionellen Magnetresonanztomographie-Untersuchung (MRT), dem sogenannten functional Magnetic Resonance Imaging (fMRI), getestet. • Erneut wurden die Tracks aus den drei unterschiedlichen Gruppen Pop-Formel, Halbe Pop-Formel und Aufgelöste Formel in unvorhersehbarer Zufallsfolge randomisiert dargeboten. • Nach jedem Beispiel wurde auch hier ein umfassendes self reporting durchgeführt, bei dem drei unterschiedliche Aspekte zur Sprache kamen. Der Ablauf der immer zweiteiligen MRT-Untersuchung beim jedem Probanden verlief dann schließlich wie folgt: MRT-Messung Teil 1: Die Versuchsteilnehmer wurden konstant im Kernspintomograph ausgemessen, um anschließend daraus Schnittbilder des menschlichen Gehirns und seinen Aktivitäten zu erstellen. Die Hypothese dabei war, dass • unterschiedliche Gehirnaktivitäten und • eine abfallende Aktivierung des Belohnungssystems erkennbar sein werde. Dies ausgehend von den Stücken mit den • standardisierten Pop-Formeln • über die verschobenen tonalen Bezüge einer unvollständigen Halben Pop-Formel hin zu • den vollständig aufgelösten Harmonieverbindungen, die ohne einen durchgehenden rhythmisch pulsierenden Grundschlag ablaufen. MRT-Messung Teil 2: In einem unmittelbar nachfolgenden Untersuchungsdurchgang wurde dann, bei gleichem Procedere wie im vorherigen Teil (randomisierte Vorführung der 3 x 3 Beispiele mit jeweils anschließender Befragung nach persönlichem Gefallen), erneut überprüft, ob die prognostizierte Aktivierungs-Minderung zu beobachten ist. Erfolgt die Bewertung • unverändert in gleicher Weise, • deutlich verändert oder aber • mit einem sich evtl. bereits abbildenden Gewöhnungseffekt? Aus der Fülle der hier erzielten Daten wurden vor allem die folgenden Fragestellungen herausgearbeitet: • Rufen die Pop-Formel-Beispiele andere Gehirnaktivitäten aus als die Beispiele der Gruppe Halbe Pop-Formeln? • Ist jeweils dazu nochmals ein Unterschied erkennbar bei den Reaktionen auf die Samples der Aufgelöste Formel-Gruppe?

Eigene Experimente und Untersuchungen

299

4.4.1 Pop-Formel im Vergleich zur Halben Pop-Formel Interessanterweise ist der zu beobachtende Unterschied der Gehirn-Aktivitäten beim Hören der Pop-Formel-Samples im Gegensatz zum Hören der Halben PopFormeln eher als gering zu bezeichnen. Auf den entsprechenden Auswertungen sind kaum signifikante Auffälligkeiten zu verzeichnen (die hellen Flecken stellen die unterschiedlich aktiven energetische Zentren dar):

Auftretende Regionen mit erhöhter Aktivität waren dabei 6 -25 40: Limbic Lobe, Cingulate_region_mid_right -30 8 34: Frontal_Mid_left; subgyral Die leicht erhöhte Aktivität in diesen speziellen Gehirnregionen kann generell als ein Zeichen für eine entsprechend leicht erhöhte emotionale Wohligkeit gewertet werden.

4.4.2 Halbe Pop-Formel im Vergleich zur Pop-Formel Bei der umgekehrten Auswertung der abweichenden Gehirnaktivitäten, also beim Hören von Halben Pop-Formel-Stücken im Gegensatz zu den standardisierten PopFormel-Songs ist endgültig kein signifikanter Unterschied feststellbar. Es wird hier offenkundig schlichtweg Popmusik gehört, die, ungeachtet der Vollständigkeit ihrer Harmonieformeln auch in Bezug auf die Reaktionszeit gleiche Werte erzielte und nur in der subjektiven self reporting-Aussage unterschiedlich gewichtet wurde.

300

Warum Hits Hits werden

4.4.3 Die Aufgelöste Formel-Samples im Vergleich zu anderen Beispielen Wenn es aber darum geht, die Gehirnaktivitäten beim Hören der Aufgelöste FormelSamples auszuwerten, zeigen sich dort deutlich andere Aktivitäten als beim Hören der Pop-Formel- oder Halben Pop-Formel-Beispielen. Die zu beobachtenden Reaktionen zeichneten sich in den folgenden Bereichen ab: -15 26 64 superior frontal gyrus left -9 35 61: medial frontal gyrus left 48 20 49: Middle Frontal Gyrus right

Diese Regionen können mit verstärkter Konfliktbereitschaft oder auch einer Verarbeitung von Konflikten in Verbindung gebracht werden. Offenkundig verlangt die Reaktion auf nicht mehr in sich schlüssige und gewohnte Hörerlebnisse eine intensivere Verarbeitung von widersprüchlichen und nicht mit üblichen Mustern in Übereinstimmung zu bringenden Informationen.

4.4.4 Die Pop-Formeln im Vergleich zu den Aufgelöste Formel-Samples Andererseits lässt sich bei dem Hören von Pop-Formel-Beispielen im Vergleich zu der Rezeption der Aufgelöste Formel-Samples eine vermehrte Aktivität in folgenden Regionen erkennen: -45 -25 49: Postcentral Gyrus left -39 -31 49: Postcentral Gyrus; BA40

Eigene Experimente und Untersuchungen

301

Diese Bereiche lassen Rückschlüsse darauf zu, dass die Verarbeitung von rhythmisch leicht überschaubaren Metren und einem durchgehend perkussiven Puls, wie er im Falle der Pop-Formel-Samples vorhanden ist, Reaktionen in den Hirnaktivitäten produzieren, die auch für die Bereitstellung von Körper-Bewegungen u.ä. vorgesehen und prädestiniert sind. Hier wird also – verständlicherweise – in einem höheren Maße Körperbewegung stimuliert als dies bei den Beispielen mit nicht vorhandenem rhythmischen Grundschlag der Fall ist.

4.4.5 Die erhöhten Aktivitäten bei den Pop-Formel-Beispielen

302

Warum Hits Hits werden

An diesem Punkt lässt sich festhalten, dass beim Hören der konsequenten Pop-Formel-Beispiele das Belohnungssystem unverhältnismäßig stärker als bei dem Rezipieren der anderen Samples aktiviert wird. Speziell folgende Regionen weisen erhöhte Aktivierungen auf: 3 47 -11: medial front-orbital gyrus right; BA11 6 32 -14: Medial Frontal Gyrus; cingulate region right; Frontal_Mid_Orb_R Dies verweist auf ein verstärktes Arbeiten des Belohnungssystems – es tut uns gut und es belohnt uns, diese Art von Musik wahrzunehmen. Der umgekehrte Schluss ist ebenfalls nachvollziehbar, dass eine nicht auf Pop-Formel beruhende Musik weniger diese entsprechenden Bereiche, speziell die Belohnungsfunktionen aktiviert. Es ist innerhalb der einzelnen Beispiele dabei ein deutliches Absinken der entsprechenden Aktivitäten von Pop-Formeln über die Halbe Pop-Formeln hin zu den Aufgelöste Formel-Beispielen feststellbar.

4.5 Die Befragung der MRT-Probanden Auch die Probanden der MRT-Untersuchungen wurden jeweils unmittelbar nach Abhören der einzelnen Samples um eine Gefallensäußerung gebeten. Die erste Frage an sie lautete erneut: Wie hat Ihnen das Musikstück gefallen? Dabei konnten die Versuchspersonen als Antwort hier allerdings eine Bewertung zwischen +5 (gefällt sehr gut) bis -5 (gefällt gar nicht) abgeben, womit sowohl die Zustimmung als auch eine Ablehnung in sich gestuft differenziert werden konnte. Die neun einzelnen Beispiel-Samples 1a. Turn Around-Formel als Pop-Formel 1b. Moll Pop-Formel 1c. Four Chord-Formel 2a. Turn Around-Formel als Halbe Pop-Formel 2b. Moll Pop-Formel als Halbe Pop-Formel 2c. Four Chord-Formel als Halbe Pop-Formel 3a. Turn Around-Formel als Aufgelöste Formel-Version 3b. Moll Pop-Formel als Aufgelöste Formel-Version 3c. Four Chord-Formel als Aufgelöste Formel-Version

wurden den Probanden bei diesem Untersuchungsprojekt in wiederum randomisierter Reihenfolge immer jeweils viermal eingespielt. Damit hörte jeder der vierzig Probanden 36 Musikstücke in einer für ihn nicht nachvollziehbaren Reihenfolge.

Eigene Experimente und Untersuchungen

303

4.5.1 Selfreporting in Bezug auf die Tonbeispiele Pop-Formeln Zur besseren Übersicht sind die jeweiligen Elemente der Beispiel-Gruppen (PopFormeln, Halbe Pop-Formeln, Aufgelöste Formeln) nachträglich aus der Gesamtheit der Beispiele herausgelöst und gesondert sortiert worden. Dabei wurde aber die chronologische Abfolge der Einspielungen innerhalb der einzelnen Beispiele ausdrücklich beibehalten. Horizontal ist rechts der Mittelwert (Mw) der einzelnen Probanden, vertikal unten ist der Mittelwert der einzelnen Befragungsdurchgänge I – IV zu sehen. Ganz rechts wird angegeben, welchen Platz in der Gefallens-Reihenfolge (GR) der drei Sample-Gruppen (1 bis 3) diese Beispielsammlung beim jeweiligen Probanden (Pb) hatte. Es ergibt sich bei der Gruppe Pop-Formeln mit ihren drei unterschiedlichen Beispielen, aufgeschlüsselt auf die Versuchsteilnehmer in vier Durchgängen (I-IV), folgendes Bild der Einzelbewertungen und des resultierenden Mittelwertes: Pb

I 1a

I 1b

I 1c

II 1a

II 1b

II 1c

III 1a III 1b III 1c IV1a IV1b IV1c Mw

GR

1

0

3

3

2

2

2

2

3

2

2

3

2

1

2

1

-2

-1

-1

2

1

1

-1

-2

1

1

-1

3

2

3

2

3

2

2

1

1

-1

2

2

1

1,67

1

4

2

2

2

2

2

4

-2

2

2

2

2

-2

1,50

1

5

5

3

4

5

5

5

5

4

4

4

5

3

4,33

1

6

3

2

3

2

4

3

3

3

2

3

2

4

2,83

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7

2

3

3

3

2

2

3

3

2

3

2

2

2,50

1

8

2

2

3

2

3

2

2

2

0

2

1

-1

1,67

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2

1

2

2

2

1

2

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1

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10

0

-1

-2

-1

-1

-3

-3

-3

-2

-2

-3

-2

11

2

2

1

2

1

-3

1

2

2

2

2

3

1,42

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3

4

4

2

1

4

0

3

2

4

2

0

2,42

1

13

1

5

5

-5

-5

5

-5

3

2

-5

-5

2

14

4

4

2

4

3

3

5

3

2

5

2

4

3,42

1

15

1

0

1

1

2

1

1

1

1

1

1

2

1,08

1

2,17

-0,08 2

-1,92 1

-0,17 1

304

Warum Hits Hits werden

16

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3

2

3

3

2

3

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2

2

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2

3

3

2

3

1

2

3

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18

1

0

1

0

0

1

0

0

0

0

1

0

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2

2

3

2

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0

1

2

2

1

1

-1

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-2

-3

1

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-3

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5

5

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5

5

5

5

5

5

5

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2

3

3

2

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3

5

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5

2

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2

2,92

1

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2

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1

0

1

1

0

1

0

0

0

1,08

1

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4

4

3

4

4

4

3

4

4

5

-1

4

3,50

1

25

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-3

-4

-3

-3

-4

-4

-2

-4

-3

-3

-3

26

1

2

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1

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1

1

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1

1

1

1

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27

1

0

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0

1

2

1

1

2

1

2

1

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1

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-3

-3

-3

-3

-4

-4

-3

-3

-3

-4

-3

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2

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2

2

2

2

2

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2

2

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4

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3

3

3

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4

3

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3

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5

3

3

4

3

4

3

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3

3

3

3

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33

2

3

3

3

2

2

2

2

3

3

2

2

2,42

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3

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2

3

1

5

2

3

2

2

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2

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2

1

2

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1

3

1

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2

1

1

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2

-2

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1

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2

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3

2

4

3

3

3

3

4

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3

3

4

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38

3

3

4

0

3

3

0

4

3

2

3

3

2,58

2

39

0

-2

-4

0

-3

-4

-1

-2

-4

-2

-2

-4

-2,33 3

40

-4

-1

-4

-4

-5

-3

-4

-3

-3

-4

-3

-4

-3,50 3

1,83 1,73 1,70 1,40 1,15 1,58 1,03 1,50 1,28 1,35 1,13 1,05

-2,25 3

-3,33 3

-3,17 2

1,39

1

Eigene Experimente und Untersuchungen

305

• Der Gesamtwert unten rechts zeigt, dass sich als Gesamt-Durchschnitt eine Zustimmung ergab in Höhe von +1,39 (rechts unten). • Insgesamt finden sich dabei für die Gruppe Pop-Formeln 32 positiv zustimmende und 8 negativ ablehnende Durchschnittswerte. • Die Spannweite der vergebenen Bewertungen war hoch: Mehrfach gab es bei den einzelnen Hörabfragen die Höchstbewertung +5, daneben aber auch vereinzelte negative Bewertungen mit bis zu -5. • 31 Versuchsteilnehmer empfanden die Beispiele dieser Gruppe als die angenehmsten Hörbeispiele. Neunmal wurden die Pop-Formel-Beispiele in dieser Beziehung schlechter als die Halben Pop-Formeln oder die Aufgelösten FormelSamples bei den jeweiligen Probanden gelistet, beachtlicherweise viermal schlechter als beide andere Gruppen. Damit ergibt sich aber dennoch in der Reihenfolge der drei Beispiel-Gruppen ein durchschnittlicher Platz 1 (ganz rechts unten). • Im chronologischen Verlauf zeigte sich eine Tendenz in Richtung Abnahme der Zustimmung, die von 1,83 bis 1,05 verläuft. Dies dürfte entweder im Sinne einer Gewöhnung oder als eine einsetzende Ermüdung zu interpretieren sein.

4.5.2 Selfreporting in Bezug auf die Tonbeispiele Halbe Pop-Formeln Bei den Halben Pop-Formeln, der zweiten Beispielsgruppe, ergab sich im Vergleich zu den Befragungen in Bezug auf die Pop-Formeln der ersten Gruppe eine signifikant unterschiedliche Bewertung: Pb I 2a

I 2b

I 2c

II 2a II 2b II 2c III 2a III 2b III 2c IV 2a IV2b IV 2c Mw

GR

1

-1

-1

2

2

1

0

2

-1

1

2

-1

0

0,5

2

2

1

1

-2

1

1

1

0

-2

-1

0

1

-1

0,00

1

3

-1

1

2

-1

1

-1

1

-1

1

1

-1

2

0,33

3

4

1

2

-2

2

1

3

-2

-2

0

1

-3

-3

-0,17

2

5

2

2

3

4

2

3

0

3

4

3

3

3

2,67

2

6

1

-1

-1

-1

1

2

1

1

1

1

1

1

0,58

2

7

2

2

0

1

1

-2

1

0

0

2

0

0

0,58

2

8

3

3

2

2

2

2

2

2

2

0

-2

1

1,58

2

306

Warum Hits Hits werden

3

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1

1

1

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-3

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-3

-3

-3

-3

-4

-4

-3

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-1

1

4

2

0

-1

4

-2

-1

-1

1

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2

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2

1

2

1

3

3

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-5

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0

0

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0

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0

0

1

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1

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-1

-1

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0

-1

-2

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0

-1

-2

-1

-1

-2

-2

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1

0

-1

0

0

1

1

1

0

0

-1

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1

3

2

2

1

2

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2

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2

1

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1

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1

1

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1

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-3

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0

1

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2

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2

2

2

2

2

2

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33 2

2

2

2

2

1

2

2

2

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9

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Eigene Experimente und Untersuchungen

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1

2

1

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0

3

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2

1

2

2

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3

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1

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2

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3

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2

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2

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2

-0,17 2

• Der durchschnittliche Gesamtwert, wieder unten rechts zu finden, zeigt mit -0,17 eine insgesamt leichte Ablehnung • Bei 23 zustimmenden gab es 17 ablehnende Durchschnittswerte • Bei keiner Befragung wurde die Höchstbewertung +5 vergeben, mehrfach aber -5, und einmal ergab sich sogar ein Durchschnittswert mit dieser extremen Ablehnung. • Fünfmal wurden die Halbe Pop-Formel-Beispiele als angenehmer im Gegensatz zu den beiden anderen Gruppen bewertet, sechsmal jedoch wurden sie als die unangenehmste bezeichnet. • Im chronologischen Verlauf zeigt sich eine Tendenz in Richtung leichter Abnahme der Zustimmung, die von 0,63 bis -0,35 verläuft

4.5.3 Selfreporting in Bezug auf die Tonbeispiele Aufgelöste Formeln Nochmals stark abweichende Werte im Verhältnis zu den Pop-Formeln und Halben Pop-Formeln ergaben sich bei der Befragung im Zusammenhang mit den Beispielen der Aufgelösten Formel:

Pb

I 3a

I 3b I 3c

II 3a II 3b II 3c III 3a III 3b III 3c IV3a IV3b IV3c Mw

1

-4

-4

-2

-5

-2

-4

-4

-4

-5

-4

-4

-3

-3,75

3

2

-2

-2

-2

-3

-4

-4

-4

-3

-1

-3

-3

-3

-2,83

3

3

-1

1

1

1

1

1

1

1

1

-1

1

1

0,67

2

GR

308

Warum Hits Hits werden

4

-2

-4

-2

-1

-5

-1

-4

-2

-3

-3

-2

-3

-2,67

3

5

-5

-5

-5

-5

-5

-4

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-4,92

3

6

-4

-5

-5

-4

-4

-5

-5

-5

-4

-5

-5

-5

-4,67

3

7

-2

1

2

2

0

3

-2

2

0

2

-3

-2

0,25

3

8

-2

1

2

-1

0

-1

-1

0

-2

0

-1

-1

-0,50

3

9

-3

-2

-4

-1

-2

-3

-1

-1

-3

-3

-3

-3

-2,42

3

10

2

-2

-2

-3

-1

-1

-2

-2

-1

-1

-1

-2

-1,33

2

11

1

-5

-5

-5

-5

-1

-4

5

-3

-5

-4

-2

-2,75

3

12

0

-5

-3

-3

-3

1

0

-2

-2

1

-1

-3

-1,67

3

13

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5,00

2=3

14

-4

-4

-3

-4

-4

-5

-2

-2

1

-4

-3

-3

-3,08

3

15

-2

-2

-2

-2

-2

-2

-2

-1

-2

-2

-2

-2

-1,92

3

16

-5

-5

-3

-5

-5

-5

-4

-4

-5

-4

-5

-5

-4,58

3

17

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-4

-5

-5

-5

-5

-5

-4

-4

-5

-4

-4

-4,58

3

18

1

0

-1

0

0

-1

0

2

1

1

1

-2

0,17

2

19

-4

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-4,92

3

20

-2

-2

1

1

1

1

1

0

0

0

0

1

0,17

1

21

-5

-5

-5

5

-4

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-4,08

2

22

-5

-5

-2

-2

-3

-3

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-2

-5

-1

-3,25

3

23

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-1

-5

-4

-5

-5

-5

-5

-3,83

3

24

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-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

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-5

-5

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-5,00

3

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3

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3

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2

2

3

2

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2,58

1

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-3

-1

-2

-1

-2

-2

-2

-1

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-1

-1

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-1,50

3

27

-4

-5

-5

-4

-5

-4

-4

-4

-4

-5

-4

-4

-4,33

3

28

-4

-3

-3

-3

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-3,00

1

29

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5,00

3

Eigene Experimente und Untersuchungen

309

30

-3

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-2

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-2

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-3,33

3

31

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-4

-5

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-4

-5

-4

-4

-4

-5

-4,25

3

32

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-3

-3

-3

-4

-5

-5

-5

5

-3,42

3

33

-3

0

-2

-3

-3

-3

-3

-2

-2

-3

-4

-2

-2,50

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34

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-3

-4

-4

-3

-3

-3

-3

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-3,33

3

35

1

-2

-2

1

1

2

2

-2

-2

-2

-1

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-0,50

3

36

-3

-2

-3

-2

-3

-2

-2

-2

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-2,67

3

37

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5

-5,00

3

38

-3

-3

-4

-3

-3

-4

-4

-3

-3

-3

-3

-3

-3,25

3

39

2

-3

1

1

-1

0

1

0

1

1

1

2

0,50

2=1

40

-2

-1

-1

0

0

0

0

1

-2

0

-1

-1

-0,58

1

-2,70 -2,93 -2,68 -2,33 -2,85 -2,20 -2,78 -2,33 -2,75 -2,70 -3,00

-2,6 -2,65

3

• Der durchschnittliche Gesamtwert von -2,65 zeigt hier eine deutliche und starke Ablehnung. • Den 33 negativen Durchschnitts-Bewertungen standen nur sieben positive Bewertungen gegenüber. Dies ergab den dritten Platz in der Gefallens-Reihenfolge. • Auch hier wurde, wie bei den Halben Pop-Formeln, bei keiner Befragung die Höchstbewertung +5 vergeben, sehr oft jedoch -5. Dreimal ergab sich damit sogar ein Durchschnittswert des jeweiligen Probanden mit dieser extremen Ablehnung (Probanden 13, 24 und 29). Es wurden jedoch interessanterweise auch eindeutig positive Werte bei der Befragung erzielt, so dass sich einmal ein Spitzenwert von +2,58 ergab. • Neunmal wurden diese Beispiele als angenehmer im Gegensatz zu zumindest einer der beiden anderen Gruppen bewertet, viermal wurden sie sogar als die angenehmste bzw. als die am wenigsten abzulehnende Beispielgruppe bezeichnet. • Im chronologischen Verlauf verbleiben die Durchschnittswerte nahezu linear im negativen Bereich von -2,70 hin zu -2,65.

4.5.4 Auswertungen der Gefallensbekundungen Die Ergebnisse der Befragung nach Gefallen lassen sich auch innerhalb der einzelnen Gruppen nochmals genauer aufschlüsseln, wenn die Bewertungen zu den ein-

310

Warum Hits Hits werden

zelnen Beispielen spezifiziert werden. So erhielten beispielsweise generell alle drei Beispiele aus der Gruppe Pop-Formeln durchgehend eher positive Bewertungen, dennoch lassen sich hier auch gewisse Abstufungen in der Beurteilung erkennen. So wurden die Beispiels-Samples Turn Around-Formel insgesamt eher etwas weniger positiv bewertet als die Tonbeispiele Four Chord-Formel. Die besten Bewertungen erhielt dagegen die Moll Pop-Formel, die im Gegensatz zu einem Gefallen-Wert bei der Turn Around-Formel von +1,13 immerhin +1,68 erzielte:

Pop-Formel 2,00 0,75 -0,50 -1,75 -3,00 Turn Around-Formel

Four Chord-Formel

Moll Pop-Formel

Exakt gegenteilig, allerdings ebenfalls in einer eher recht geringen Ausprägung, sind dagegen die Ergebnisse, die sich bei der Aufschlüsselung der Gruppe Halbe Pop-Formeln ergaben. Während hier die veränderten Beispiele der Turn AroundFormel Samples noch im Durchschnitt eine leichte positive Einschätzung bei der Frage nach Gefallen erhielten, wurden dagegen die anderen Tonbeispiele aus den Bereichen Four Chord-Formel und Moll Pop-Formel eher als negativ eingestuft: Halbe Pop-Formel

2,00 0,75 -0,50 -1,75 -3,00 Turn Around-Formel

Four Chord-Formel

Moll Pop-Formel

Eigene Experimente und Untersuchungen

311

Auch bei den stark veränderten Aufgelöste Formel-Samples ergaben sich leicht differenzierte Gefallens-Bewertungen, wobei aber die Frage offen bleibt, wie weit sich hieraus hieraus Rückschlüsse auf das ursprüngliche musikalische Basismaterial ziehen lassen: Aufgelöste Formel 2,00 0,75 -0,50 -1,75 -3,00 Turn Around-Formel

Four Chord-Formel

Moll Pop-Formel

In der Gesamtauswertung ist zu erkennen, wie sich die einzelnen Gruppen und ihre Einzelelemente voneinander unterscheiden:

Turn Around-Formel Four Chord-Formel Moll Pop-Formel Mittelwerte

Pop-Formel Halbe Pop-Formel Aufgelöste Formel 1,13 0,31 -2,7 1,37 -0,38 -2,8 1,68 -0,44 -2,5 1,39 -0,17 -2,65

Damit ergibt sich folgende Hypothese: Die größte Beliebtheit und das höchste Gefallen erreicht ein Song-Gebilde, das als Harmoniegerüst • möglichst konsequent auf eine Pop-Formel und dort • vorrangig auf die Moll Pop-Formel zurückgreift. Allerdings ist dabei eine Gewöhnung beim mehrmaligen Hören und die damit verbundene Abnahme der Gefallensbekundung zu beachten. • Sollte eine Halbe Pop-Formel verwendet werden, sinkt im Vergleich dazu die Attraktivität deutlich ab. Innerhalb der Gruppe Halbe Pop-Formel ist aber eher die Turn Around-Formel als – leicht – attraktiver im Hörerurteil anzusehen und damit evtl. als erfolgreicher einzuschätzen. • Der Einsatz einer Aufgelöste Formel-Bearbeitung dagegen ruft auf den Durchschnitt bezogen und im Verhältnis zu den anderen Stücken eine hohe Ablehnung hervor. Andererseits sind dennoch auch hier klare individuelle Bekundungen von Gefallen und damit einer würdigenden Bewertung solch einer musikalischen Arbeit zu verzeichnen.

312

Warum Hits Hits werden

Gefallensbekundungen 2,00

0,75

-0,50

-1,75

-3,00

Pop-Formel

Turn Around-Formel

Halbe Pop-Formel

Aufgelöste Formel

Four Chord-Formel

Moll Pop-Formel

4.5.5 Die Befragung nach emotionaler Auslenkung Nach der Abfrage des Gefallens der Tonbeispiele wurde auch hier anschließend die Frage an die Probanden gestellt: In welche Richtung hat das Musikstück ihre Stimmung emotional ausgelenkt? Wie bei der ersten Fragestellung in Bezug auf Gefallen reichte hier die Skala der Antworten wieder von -5 (negativ) über 0 (neutral) bis hin zu +5 (positiv). Es waren ähnliche Ergebnisse zu verzeichnen, allerdings waren die Unterschiede zwischen den einzelnen Beispiel-Gruppen nicht so deutlich ausgeprägt: • Der Mittelwert lag in diesem Fall nahezu einheitlich bei etwa 1,2. • Unverändert war aber auch bei diesen Aussagen zu erkennen, dass es innerhalb der Gruppe Pop-Formeln erneut eine – leichte – Präferenz der Moll Pop-Formel vor der Four Chord-Formel und der Turn Around-Formel gab: Emotionale Auslenkung Pop-Formel 2,00 0,75 -0,50 -1,75 -3,00 Turn Around-Formel

Four Chord-Formel

Moll Pop-Formel

Eigene Experimente und Untersuchungen

313

Die Befragung der vierzig Probanden nach der emotionalen Auslenkung beim Hören der Beispiele aus der Gruppe Halbe Pop-Formel ergab erneut, wie bei der Befragung nach Gefallen eine Umdrehung der positiven Abfolge, allerdings alles durchgehend im neutralen bis leicht negativen Bereich: Emotionale Auslenkung Halbe Pop-Formel 2,00 0,75 -0,50 -1,75 -3,00 Turn Around-Formel

Four Chord-Formel

Moll Pop-Formel

Die Beispiele der Gruppe Aufgelöste Formel wurden wieder durchgehend im negativen Bereich eingestuft, wenn auch deutlich weniger drastisch: Emotionale Auslenkung Aufgelöste Formel 2,00 0,75 -0,50 -1,75 -3,00 Turn Around-Formel

Four Chord-Formel

Moll Pop-Formel

In der Gesamtheit zeigt sich ein vergleichbares Bild zu der Befragung nach Gefallen, wie die Tabelle und die zugehörige Grafik verdeutlichen:

Turn Around-Formel Four Chord-Formel Moll Pop-Formel Mittelwert

Pop-Formel Halbe Pop-Formel Aufgelöste Formel 1,02 -0,06 -1,60 1,20 -0,21 -1,99 1,52 -0,28 -1,73 1,25 -0,18 -1,77

314

Warum Hits Hits werden

Emotionale Auslenkung

2,00 0,75 -0,50 -1,75 -3,00 Pop-Formel Turn Around-Formel

Halbe Pop-Formel Four Chord-Formel

Aufgelöste Formel Moll Pop-Formel

Damit ergeben sich bei dieser Untersuchung folgende Hypothesen: • Die positivste emotionale Auslenkung erreicht ein Song, der als harmonische Grundlage auf eine Pop-Formel und • dort vor allem auf die Moll Pop-Formel zurückgreift. Sollte eine Halbe Pop-Formel verwendet werden, sinkt im Vergleich dazu erneut die Attraktivität signifikant ab. Innerhalb der Gruppe Halbe Pop-Formel ist • die Turn Around-Formel als attraktiver im Hörerurteil und damit als leicht erfolgsträchtiger einzuschätzen. • Der Einsatz einer Aufgelöste Formel-Bearbeitung dagegen ruft erneut bei jedem Beispiel in der durchschnittlichen Gesamtbetrachtung eine so massive Ablehnung hervor, dass – zumindest im Verhältnis zu den anderen Samples – eine weithin positive Erfolgsaussicht aufgrund positiver Stimmungsauslenkung nicht erwartet werden kann.

4.5.6 Die Befragung nach Interesse Als dritter Befragungsschritt wurde abschließend noch die Frage gestellt: Wie interessant fanden Sie das Musikstück? Auch dabei reichte die Skala der Antwortmöglichkeiten wieder von -5 (gar nicht) über 0 (neutral) bis +5 (sehr). Diese Fragestellung brachte aneinander deutlich angepasstere Ergebnisse als bei den beiden vorherigen Fragen hervor. Im Schnitt wurden alle Gruppen neutral bewertet, wobei sich nur noch ansatzweise die einzelnen Beispiele voneinander abhoben:

Eigene Experimente und Untersuchungen

315

Pop-Formel

Halbe Pop-Formel

Aufgelöste Formel

Turn Around-Formel

-0,45

-0,30

0,23

Four Chord-Formel

0,08

-0,05

-0,75

Moll Pop-Formel

0,33

-0,05

-0,53

-0,01

-0,13

-0,35

Mittelwert

Interesse 2,00 0,75 -0,50 -1,75 -3,00 Pop-Formel

Turn Around-Formel

Halbe Pop-Formel

Aufgelöste Formel

Four Chord-Formel

Moll Pop-Formel

Daraus lassen sich wiederum folgende Hypothesen ableiten: • Vom Interesse her werden alle Beispiele – als durchschnittliche Ergebnisse betrachtet – ähnlich ausgewogen eingeschätzt. • Zwar erreicht auch hier die Moll Pop-Formel die besten Werte, jedoch sind diese in Relation zu den anderen Befragungen erheblich weniger ausgeprägt. Im Gegenteil wird sogar eine der aufgelösten Formeln als recht interessant bezeichnet und nicht nur überwiegend abgelehnt. • Die Ergebnisse zeigen, dass bei diesem Frage-Aspekt in Bezug auf alle Beispielsformen positive wie auch negative Einschätzungen möglich sind. Ein Interesse lässt sich also mit allen musikalischen Harmonie-Konstrukten hervorrufen. Hier sind die typischen Standard-Pop-Formeln nicht länger in der Einschätzung deutlich dominierend vor den anderen Modellen, offensichtlich zählen jetzt auch andere Faktoren und Merkmale. Dies könnte als Ansatz helfen zu erklären, warum eine individuell analysierende Experten-Gruppe oder eine vielschichtig besetzte Jury, die einen Song mit ausdrücklicher Betonung auf Interesse bewertet, zu einer anderen Beurteilung kommt als etwa ein – nicht unbedingt fachlich interessierter – Konsument, der sich bei seiner Aussage in der Regel stärker vom Aspekt des Gefallens oder der emotionalen Berührtheit lenken lässt.

5. Fazit und Diskussion Auf der Basis der bisherigen Untersuchungen soll nun aufgezeigt werden, inwieweit bei der Schaffung eines Hits jeweils • bewährte Arbeitsweisen und Konstrukte verwendet und • individuell-originäre Kreativ-Leistungen erbracht werden. Die konkrete Aufteilung dieser Elemente und Faktoren, sie zu erkennen und zu benennen, wird die entscheidende analytische Arbeit sein. Welche Regeln oder Parameter bei der Erstellung kommerziell erfolgreicher Popmusik sind maßgeblich und wichtig? Lassen sich die einzelnen herausgearbeiteten Beobachtungen der Häufungen von Hit-Konstruktionsmerkmalen entsprechend auswerten und bestimmen?

5.1 Diskussion und Bewertung der Analysen Die einzelnen vorgestellten Parameter-Untersuchungen sollen als Beleg für übliche Praktiken dienen und die typischen Muster aktueller Songkonstruktionen aufzeigen. Was sagt es aus, wenn praktisch alle Songs beim Gesang im Refrain höhere Spitzentöne als in den Strophen haben – ist dies nur eine zufällige Zeiterscheinung oder eine unbedingte Regel, deren Nichteinhaltung schon über Top oder Flop entscheidet? Und wenn gerade die großen renommierten Macher immer wieder nur einige wenige bewährte Harmonieabfolgen als musikalische Basis ihrer Songs verwenden – verweist das auf eine allgemeine kreative Belanglosigkeit oder wird hier nicht zuletzt auf den Hörer mit seinen Bedürfnissen eingegangen? Zur Beantwortung wurden die Ergebnisse der einzelnen Parameter-Auswertungen bereits in unterschiedliche Gruppierungen eingeordnet: • Sobald es offenkundig freigestellt und damit unverbindlich ist, ob eine bestimmte Ausführung in einer bestimmten Weise durchgeführt wird oder nicht und damit eine kreative Freiheit in der entsprechenden Anwendung herrscht, wird dieser bestimmte Parameter-Bereich variabel genannt. Wenn nur bestimmte Auswahlmöglichkeiten in einem klar umrissenen und damit • recht begrenzten Umfeld bestehen und eine individuelle Beliebigkeit in der Anwendung gegeben scheint, soll der spezielle Bereich als halbvariabel eingeordnet werden. • Eine strikte, eindeutig limitierende Festlegung auf bestimmte Vorgaben, die sich damit in der Praxis wie nahezu unumstößliche Regeln präsentieren, ist dagegen als invariabel zu bezeichnen.

318

Warum Hits Hits werden

• Es gibt aber zusätzlich noch Bereiche, in denen bestimmte Kategorisierungen ineinander übergehen und damit auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich einzuordnen sind. Meist handelt es sich um einen invariablen übergeordneten Leitsatz, bei dem eine Reihe von untergeordneten variablen Möglichkeiten hinzukommt.

5.1.1 Invariable Parameter In der Praxis der Hit-Produktion ist eine Reihe von Vorgaben so verbindlich, dass keine Ausnahme ernsthaft denkbar oder machbar scheint. Diese entsprechenden Parameter können dabei sowohl aus dem rein musikalischen Bereich als auch aus der non-musikalischen Umgebung stammen und sind dann eher der Produktionswelt oder der Arrangement-Tätigkeit zuzuordnen. Folgende Parameter, als interpretierte Übernahme der Werte aus dem dritten Kapitel, können als Beispiele für invariable Vorgaben gesehen werden: • Der Aufnahmestandard eines Hits muss absolut hochwertig sein. Jegliche Einschränkung oder nicht fachmännische Bearbeitung etwa auf unzureichendem Gerät führt vermutlich immer zum Ausschluss einer Hit-Option bei einem zu produzierenden Song. Objektiv schlechte Werte beispielsweise bei Rauschentwicklung, Dynamik oder Frequenzgang mögen vereinzelt bewusst als konstruktive Klangformung eingesetzt werden, dürfen aber möglichst nicht einen Hinweis auf unzureichende technische Ausrüstung darstellen. Dabei wird weniger die Frage nach modernem oder neuestem Equipment angesprochen, sondern nach dem, was – auf aufnahmetechnisch höchstem Niveau – möglich und sinnvoll ist. Dazu kann innerhalb der Aufnahmekette ein altes Vintage-Mikrophon mit seinem ganz besonderen Flair ebenso zählen wie eine betagte No-Name-Gitarre mit ihrem spezifischen Sound. Es muss auch nicht das vollständige PlugIn-Repertoire jedes einzelnen Herstellers innerhalb der Recording-Software greifbar sein, aber andererseits ist es unbedingt notwendig, dass eine Aufnahmesession generell von dem momentanen Höchststand der technologischen Entwicklung weiß. Zu dieser Equipment-Grundvoraussetzung gehört auch die Beherrschung der tontechnischen Peripherie durch Produzenten und Tontechniker, die Kompetenzen wie das Einrichten der Mikrophone und das meisterlichen Beherrschung einer bestimmten Aufnahme-Software mit einschließen. Außerdem ist es mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, dass am Ende des Aufnahmeprozesses jede erfolgreiche Aufnahme mit entsprechendem Aufwand auf technisch wiederum höchstem Niveau gemastert werden muss, um nochmals jeweils ein Optimum aus den Aufnahmen herauszuholen, bevor sie dem Konsumenten vorgestellt wird. • Die Ausführung des Gesangs, speziell die von der den Song dominierenden Hauptstimme, muss bei einem erfolgreichen Song den höchsten Qualitätskriterien

Fazit und Diskussion

319

entsprechen. Unkontrolliert schiefe Töne oder klar erkennbare Patzer sind völlig undenkbar und würden niemals, gerade wenn sie denn als solche erkennbar sind, auf einer finalen Aufnahme – mit Zielrichtung Hit – zugelassen werden. • In diesem Zusammenhang ist auch der Anspruch an charismatischer und nicht zuletzt ehrlicher, authentischer Präsentation hoch: Nur der Hauch einer Ahnung, dass der Sänger oder die Sängerin nicht wirklich bei der Sache ist, stellt für viele Hörer ein sofortiges Ausschlusskriterium dar. Immerhin wird hier in der Regel der direkteste Zugang zum Hörer und seiner emotionalen Gefühlswelt geschaffen, denn der Gesang ist vorrangig daran beteiligt, ob ein Lied „aufrüttelt, erheitert, traurig oder glücklich stimmt“ (Beuth 2013: online). • Entsprechend ist die Bearbeitung der Stimme im Tonstudio eine maßgebliche Aufgabe, die oftmals die Produzenten noch tage- oder auch wochenlang nach der Aufnahme beschäftigt. Viele der Hit-Produzenten wie etwa Manuel Reuter von Cascada halten die Stimme auch in Zeiten von Computern und digitaler Elektronik folgerichtig für das wichtigste menschliche Element in ihrem Song und arbeiten oftmals nach Erstellung des Instrumental-Playbacks noch sehr intensiv an der Aufbereitung des Vocal-Tracks (Reuter Interview 2013). • Es gibt daneben auch den unbedingten Anspruch, dass ein Künstler in seiner Performance stilistisch geschlossen und sich vom Image her eindeutig zuordbar präsentieren sollte. Eine Abweichung, etwa durch inhomogene Instrumentierung oder nicht-szenetypisches Outfit, ist hier zwar denkbar, will aber wohl überlegt und geschickt eingebracht sein. Eine plumpe oder zu unsensible Vorgehensweise wird von den Fans nur schwerlich im Zusammenhang mit einem Hit-Song akzeptiert werden.

5.1.2 Halbvariable Parameter Ganz allgemein lassen sich halbvariable Parameter als eine Art von dringlichen Empfehlungen bezeichnen. Diese Vorschläge haben den Charakter eines deutlichen Hinweises zu bestimmten Üblichkeiten, ohne dabei wie die invariablen Vorgaben einen konsequenten Ausschlusscharakter zu besitzen. Es könnte also auch anders, als wie es die Empfehlung nahelegt, vorgegangen werden – meist wird aber doch in der vorgegebenen Art und Weise verfahren. Folgende Bereiche können dafür als Beispiel dienen: • In jedem der Hit-Songs ist, wenn denn ein Harmonie-Wechsel auftritt, ein Wechsel auf der Zählzeit Eins zu beobachten. Zwar wird die Harmonie auch gelegentlich auf der Drei gewechselt und theoretisch sogar auch auf anderen Metrumszeiten, aber dies ist erheblich seltener der Fall und damit kaum üblich. Insofern lässt sich festhalten, dass hier zwar eine entsprechende Freiheit vorhanden ist, sie aber nur wenig genutzt wird.

320

Warum Hits Hits werden

  



      

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• Ein weiteres Beispiel für eine halbvariable Empfehlung ist die Möglichkeit der Verstimmung von Instrumenten oder einer ganzen Aufnahme, abweichend vom Kammerton A = 440 Hz. In Zeiten der Tonbandmaschinen kam es noch recht häufig vor, dass einzelne Tracks oder auch die gesamte Aufnahme angehoben oder abgesenkt wurden, bei aktuellen Top-Hits aber ist dies heute offenkundig aus der Mode gekommen. Wenn dann ausgerechnet ein eher vintage-bluesorientierter Song wie Rehab genau diesen Effekt einsetzt, erinnert das an die generelle Möglichkeit dieses Verfahrens. Ein Vorgang, der in den modernen Digital-Zeiten an sich relativ einfach einzusetzen wäre, wo sich doch mittlerweile sogar die früher nicht zu entkoppelnden Veränderungsparameter Tempo und Tonhöhe völlig getrennt handhaben lassen. • Die Überlegung, wie groß das erste Intervall der Hauptgesangslinie in einem Song ist, mag im ersten Moment als variabel erscheinen, ist aber bei genauerer Betrachtung doch recht deutlich limitiert. Zum einen fällt die Häufung der Prime als Einstiegsintervall auf, die damit für einen Hit geradezu prädestiniert erscheint. Zum anderen sind einige Intervalle offenkundig schlichtweg fast nicht möglich oder zumindest äußerst selten zu beobachten und damit so gut wie ausgeschlossen: Die kleine Sekunde, die kleine Sexte und die Septimen sind beispielsweise Intervalle, mit denen offenkundig nur selten ein Song seinen Gesang einführt. Insofern ist dieses kompositorische Merkmal als halbvariabel zu betrachten, da einerseits eine recht weitgehende Freiheit herrscht, andererseits bestimmte Tonsprünge in der Praxis nicht üblich sind und entsprechend nur äußerst selten vorkommen:

Fazit und Diskussion

321

  

  

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• Im direkten musikalischen Umfeld gibt es daneben noch weitere Erscheinungen, die als halbvariable Parameter einzuordnen sind. So ist die Vorgehensweise, gerade im Gegensatz zur vorherigen Strophe innerhalb des Refrains die höchsten Gesangstöne eines Songs einzubringen, als sehr üblich bezeichnen. Doch eine endgültig verbindliche Vorgabe stellt es nicht dar, wie es immer wieder einige Songs auch aus dem Top-Bereich der großen Hits beweisen, die auf dieses Verhalten verzichten. Insofern ist auch hier die entsprechende Anweisung eher als eine strikte Empfehlung zu verstehen. • Ähnlich rigide reglementiert ist das Tempo eines Songs, das, wie die Länge eines Stückes, völlig frei gewählt sein könnte, in der Praxis dann aber doch durch bestimmte Vorgaben eingegrenzt wird. Ausgehend von dem oft zitierten Ideal-Maß eines Metrums von 120 BpM schreiben bestimmte Stilistiken sogar gewisse Tempi für ihre Songs förmlich vor. So gab es im Dance-Bereich eine Zeitlang das Tempo 140 BpM als nahezu verbindliche Vorgabe für typische Hands up-Songs, während dann, im Zuge einer stilistischen Entwicklung, zunehmend das Tempo 128 BpM in den Vordergrund rückte (Reuter 2013: Interview). Die Auszählung bei den erfolgreichen Songs der Beispielgruppe zeigt darüber hinaus eine auffällige Häufung bei dem eher gemäßigten Tempo von 80 bis 110 BpM:



    



  

 





 

  

  

   



 

  

 

322

Warum Hits Hits werden

• Eher mit den alltäglichen Gegebenheiten des Pop-Business hat die Vorgabe in Bezug auf die Länge eines Songs zu tun: Wo theoretisch jegliche Ausdehnung von nur wenigen Sekunden bis zur kompletten Länge einer Platte oder CD möglich ist, hat sich längst eine durchschnittliche Länge von gut zwei Minuten bis nur selten über fünf Minuten etabliert. Insofern herrscht für kreative Produzenten an sich eine Freiheit bei der Längenbemessung, die aber dann doch, spätestens beim Einsatz in Radio und TV, entweder rigoros zurechtgestutzt oder aber gar nicht erst ausgeführt wird. Daher ist die Längenbemessung eines Songs – angesichts dieser fast unumgänglichen Eingrenzungen – als halbvariabel zu bewerten. • Bei der stilistischen Geschlossenheit gibt es – bei erfolgreichen – Songs nur sehr gelegentlich einen wirklichen Ausbruch aus den stilistischen Konventionen eines Genres. Im Prinzip ist es in einer üblichen Produktion nahezu ausgeschlossen und stört die Erwartungen des Publikums. Da jedoch stilistische Brüche und bisher nicht gehörte Kombinationen etwa im instrumentalen Bereich, geschickt und innovativ eingesetzt, auch immer wieder eine kreative Stimulation hervorrufen, ist solch ein Ausbrechen aus den üblichen Gegebenheiten zumindest denkbar und findet auch immer wieder statt. • Die Anzahl der Gesangsinterpreten ist nur in einer bestimmten und limitierten Weise variabel: Es kann ein Lead-Sänger oder Sängerin einen Song performen, es kann hier auch ein Duo agieren. Mehr als zwei Hauptstimmen treten aber praktisch nie auf, und nur selten wird ein mehrstimmiger Chor kunstvoll in sich verflochtene Gesangs-Linien aufführen. Bei Popmusik handelt es sich schließlich um eine Art von Musik, wo der Hauptgesang klar im Vordergrund steht und der Liedcharakter eines Songs nicht zu nachhaltig gestört werden soll. Insofern kann hier nur von einer eingeschränkten Variabilität, eben einer Halb-Variabilität ausgegangen werden. • Ähnlich verhält es sich mit dem Auftreten bestimmter Stilistiken in den Hitparaden: Auch wenn alles an Stilen und Richtungen grundsätzlich möglich und denkbar ist, schälen sich dann doch bestimmte musikalische Richtungen als besonders Erfolg versprechend heraus. Punk und Heavy Metal sind in ihren Kreisen angesagt und beliebt, mit Blick auf die großen Hitparaden macht aber eine Produktion ausgerichtet auf modernen Pop eindeutig mehr Sinn. Auch hier besteht also eine theoretische Freiheit im kreativen Tun, die aber durch die tägliche Praxis stark in Frage gestellt wird. • Die Frage, ob ein Künstler bereits vorab berühmt sein sollte, um einen Hit zu haben, liesse sich spontan als invariable Bedingung formulieren, denn offensichtlich haben nur berühmte und bereits seit langem erfolgreiche Künstler einen Top-Hit. Andererseits muss natürlich jeder Interpret auch einmal seinen ersten Hit und seinen Durchbruch erzielen. Ein genauer Blick in die Biographien der jeweiligen Performer zeigt aber, dass dann zumindest im Umfeld dieses

Fazit und Diskussion

323

Newcomers bereits vorab Routine und Erfahrungen im Pop-Geschäft gesammelt worden sind. Da dann bei einem Hit doch bereits erfolgreiche und berufserfahrene Produzenten und Manager verantwortlich mitgewirkt haben, wird die theoretische Möglichkeit, dass ein Neuling, allein auf sich gestellt, einen grandiosen Durchbruch erzielen kann, auf eine halbvariable Möglichkeit eingeschränkt. • Dies trifft ähnlich auch auf die in einem Hit verwendete Gesangssprache zu: Die Gesangs-Melodie muss nicht unbedingt einen englischen Text haben, aber ihre Aussicht auf Erfolg innerhalb eines internationalen Marktes würde damit explizit steigen. Längst – und immer noch – ist diese Sprache, belegt auch anhand dieser Auswahl, als globale Pop-Sprache etabliert, während alle anderen Nationen meist nur regional begrenzt ihre Landessprache als Text-Sprache eines Hit-Songs anbieten können. • Ob die Titel-Zeile eines Songs als Textelement im Refrain und dort betont in einer dedizierten Hook-Line auftritt, ist als Bedingung nahezu als invariabel zu führen, da dies praktisch alle Songs der Hit-Auswahl entsprechend vorführen. Allerdings gibt es beispielsweise mit Viva la Vida eine prominente Ausnahme, die, stellvertretend für eine Reihe von anderen Stücken, verdeutlicht, dass dies nicht unbedingt so sein muss: Der Titel eines Songs kann auch in einem anderen Part oder eventuell gar nicht auftauchen. Offensichtlich ist es aber bei den meisten Stücken heute üblich, den Titel als Teil des Refrain-Textes zu integrieren. Da dies aber eben nicht unbedingt und ausnahmslos eingehalten werden muss, kann dieses Merkmal als halbvariabel eingestuft werden. • In der thematischen Auswahl ist der Songwriter prinzipiell bei seinen Texten ungebunden und frei. Jedoch ist die Häufigkeit der Songs, bei denen es sich um Liebe in all ihren Aspekten dreht, so erdrückend groß, dass wohl jeder Songschreiber dieses Thema auf Dauer entsprechend zu berücksichtigen hat – und sich nur gelegentlich anderen Themen widmen sollte:

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324

Warum Hits Hits werden

5.1.3 Variable Parameter Wo verbleibt dann für einen Künstler und seinen Produzenten bei dem Bemühen, einen Hit zu schreiben, eine letztlich nocht unlimitierte künstlerische Freiheit, eine Möglichkeit der freien Variabilität? Hier lassen sich, wiederum abgeleitet von den analysierten Ergebnissen der Hit-Songs aus dem dritten Kapitel, folgende Bereiche festhalten: • Sogenannte Prägestempel – in unterschiedlicher Ausführung – können auftauchen, müssen es aber nicht. Dabei finden sich dort eine Reihe von unterschiedlichsten Form-Modellen und strukturellen Möglichkeiten, die zum Teil auch recht massiv in den Songverlauf eingreifen können. Andererseits gibt es aber auch Songs, wo überhaupt kein Prägestempel zu konstatieren ist. Das Fehlen eines solchen Konstruktes kann auch ganz bewusst durchgeführt worden sein, wo doch einige Top-Produzenten, gerade aus dem Bereich Modern Pop und Dance-Pop, überzeugt sind, dass ein eingeschobener Takt oder der Fortfall eines Parts den Song unnötig verkompliziert – und so etwas daher vehement ablehnen: „Ich sage immer, du kannst mit einem Takt zusätzlicher Pause in einem Song nichts gewinnen. So eine Lücke mit einem Takt Pause, wie sie manche nach dem ersten Refrain machen, das muss nicht sein. Ich erschrecke heute noch, wenn so etwas in einem Song vorkommt. Man kann nichts gewinnen durch einen Leertakt! Bei mir gibt es nur vier oder acht Takte lange Einheiten. Ich habe auch noch nie Probleme damit gehabt und noch nie hat mich jemand gefragt, ob ich nicht auch mal sieben oder neun Takte machen könnte. Es gibt nun mal klare Muster“ (Reuter 2013: Interview).

• Die Zeit, bis der Hauptgesang im Song einsetzt oder auch bis zum Beginn des (gesungenen) Refrains, kann innerhalb eines jeweiligen Stückes variabel von den Komponisten gehandhabt werden. Der Gesang kann sofort einsetzen, er kann relativ bald, aber auch schon mal später beginnen. Ebenso verhält es sich mit dem Beginn des Refrains, denn auch hier lassen sich im besten Falle nur gewisse Präferenzen festhalten:  

      

  



 





 



 







 

   

Fazit und Diskussion

325

Eine entsprechende kreative Offenheit herrscht auch bei einer Reihe von weiteren Merkmalen: • Die Wahl, ob ein Stück in Dur oder Moll bzw. in welcher Tonart es geschrieben ist, kann als variabel eingestuft werden. • Auch die Frage, ob in einem erfolgreichen Song Modulationen oder Rückungen auftreten sollten oder nicht, ist nicht mit einer rigiden Vorgabe zu beantworten. Die Möglichkeit besteht und sie kann genutzt werden – oder auch nicht. • Die vielfältig möglichen Melodikverläufe, sowohl in der Strophe als auch im Refrain, zeigen bei ihren Häufigkeiten kein betont Hit-aussagekräftiges Bild. Ob bogenförmig, linear oder aufsteigend, alles ist möglich, alles hat seine Berechtigung und seinen kreativen Platz. • Ebenso ist es offen, wie groß der Ambitus innerhalb eines Songs in Bezug auf den Hauptgesang ist – ausgehend von knapp einer Quinte bis weit über eine oder sogar zwei Oktaven ist hier alles vorstellbar und vorführbar. • Die Tanzbarkeit eines Stückes mag für viele Rezipienten eine hohe Wichtigkeit beim Konsum von Popmusik haben, dennoch ist bei weitem nicht jedes Stück darauf dezidiert ausgelegt. Einige Stücke haben sogar betont solch einen geringen rhythmischen und tanzbezogenen Aufforderungscharakter, dass sie damit bewusst eher zum Hören und weniger zum Bewegen gemacht zu sein scheinen. • Die Besetzung eines Songs kann sehr großzügig und unterschiedlich gehandhabt werden, hier herrscht ebenfalls weitgehende Freiheit: Ob traditionelle Bandbesetzung, Folk-Duo, Sänger mit Orchester oder Elektronik-Projekt – dies ist nicht eine Frage von Erfolgsaussicht, sondern von Stilistik, persönlichem Geschmack und nicht zuletzt von personellen oder finanziellen Gegebenheiten.

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• Tauchen wiedererkennbare auditive Logos in einem Song auf? Dies kann sein, dann meist vordergründig und wahrlich unüberhörbar. Es kann aber auch völlig darauf verzichtet werden.

326

Warum Hits Hits werden

• Sexuelle Attraktion und Ausstrahlung speziell beim Gesang kann in einem Song mit einem bestimmten Performer zu beobachten sein. Allerdings gibt es auch vielfältige Beispiele, wo dies praktisch nicht vorhanden ist oder nur ansatzweise eingebracht wird. • Ebenso herrscht eine erkennbare Freiheit bei der Machart der Texte, gerade in Bezug auf die Bildung von Reimen: Die einzelnen Textzeilen können konsequent vom ersten bis zum letzten Vers als schlichte Paarreime konstruiert sein, es kann aber in einem – ebenfalls erfolgreichen – Song auch nur gelegentlich ein vereinzelter Binnenreim vorkommen. An diesem Punkt findet der Songwriter also eine entsprechend groß Vielzahl an Möglichkeiten vor und ist frei von einschränkenden Vorgaben. Allerdings gilt es zu beachten, dass kein Hit aus der hier vorliegenden Hit-Zusammenstellung gänzlich ohne Reimbildung auskommt.

5.1.4 Variable Parameter mit übergeordneter invariabler Einschränkung • In jedem Song aus dem Beispiels-Pool kommen irgendwelche formenden Strukturelemente vor. Ein gewisser Strukturaufbau muss also invariablerweise vollzogen worden sein. Eine völlig zufällig-beliebige Reihung oder eine bewusst angelegte Formlosigkeit findet sich bei keinem dieser Songs. Andererseits ist es jedem Stück innerhalb dieser generellen Strukturpflicht freigestellt, welche Strukturelemente dann in dem speziellen Song konkret vorkommen: Das Auftreten von Strophen beispielsweise scheint offensichtlich geradezu unumgänglich und damit förmlich verbindlich zu sein. Aber bereits die Frage nach Intro und Refrain, schon gar aber die Verwendung von Outro, Bridge oder einem PreChorus kann nicht mehr verbindlich beantwortet werden. Insofern herrscht in Bezug auf den Einsatz dieser Teile letztendlich eine Variabilität:

100%

97% 63%

kein Element

Outro

27%

Prechorus

Zwischent/Bridge

Refrain

33%

Strophe

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

Intro

Prozente

Die Elemente des Strukturaufbaus 97%

• Ähnlich ist der strukturelle Gesamtablauf einzuschätzen: Jeder Song hat einen unterschiedlichen Ablauf seiner einzelnen Formteile, aber gleichzeitig kommt

Fazit und Diskussion

327

meist doch ein prinzipiell schon bekannter Ablauf vor. Ein Stück, das nicht einem Strophe-Refrain-Prinzip, einem Bluesschema oder einem A B A B A C A -Ablauf bzw. ähnlichem Muster genügt, wird es vermutlich – angesichts der entsprechend konventionell strukturierten Konkurrenz – nur schwer in eine Hitparade schaffen. • Vergleichbar ist der Umstand der Dur- oder Moll-Zugehörigkeit: Offensichtlich ist es so, dass kein Produzent von Popmusik sich überhaupt nur vorstellen kann, den eng umgrenzten Bereich von Dur und Moll zu verlassen. So ist praktisch immer solch eine Dreiklang-Harmonie in einem Stück vorhanden, und bei der hier vorliegenden Hit-Auswahl tritt sogar jedes Mal ein Dur-Akkord in Erscheinung. Gleichzeitig zeigt sich aber auch eine prinzipielle Vielfalt bei der Verwendungsmöglichkeit anderer Harmonie-Gebilde wie übermäßigen und verminderten Akkorden oder terzfreien Quintklängen, den sogenannten Powerchords. Die eingesetzten Harmonik-Elemente 87

keine Harmonik

3

Power-Chords

7

verm./überm. Akk.

Blues-Harmonik

mit Moll-Akk.

3

mit Dur-Akk.

Prozente

100 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

• Standardisierte Akkordfolgen, sogenannte Pop-Formeln, treten in der einen oder anderen Form oder zumindest als Ausschnitt in jedem der großen Hit-Songs auf. Dies ist damit praktisch als invariabel zu bezeichnen, gleichzeitig aber gibt es eine Freiheit bei der Auswahl solch einer Harmonieabfolge. Wenn auch einzelne Formeln in bestimmten Epochen jeweils recht häufig vorzufinden sind, herrscht doch gleichzeitig auch eine gewisse Variabilität in Bezug auf noch andere Akkordmuster, die ebenfalls zum Einsatz kommen könnten. • Jeder der großen Hit-Songs hat eine Main-Vocal-Line, eine Hauptgesang-Melodie, die dafür sorgt, dass die einzelnen Stücke jeweils eben Songs sind. Gleichzeitig herrscht eine gewisse Freiheit darin, wer neben dieser Hauptstimme noch mit eingebracht wird. Knapp die Hälfte der Songs schmückt im Arrangement die Hauptstimme durch zusätzliche Begleitstimmen aus, und annähernd ebenso viele Stücke führen im Verlauf des Liedes Chor- oder Zweitstimmen ein, die sich auch unabhängig von der Hauptmelodie bewegen können.

328

Warum Hits Hits werden

         

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• Wiederholungen innerhalb des Gesangs eines Songs treten ausnahmslos bei allen Stücken der untersuchten Gruppe auf. Sie finden sich bevorzugt im Refrain, wobei allerdings die Art und Weise, wie sie genau vorkommen, sehr unterschiedlich sein kann und die verschiedenartigsten Ausprägungen aufweist. • Ähnliches gilt für das pulsierende Metrum der jeweiligen Stücke: Ein erfolgreicher Song aus dem Bereich der Popmusik, der rhythmisch völlig frei und nicht einmal gleichmäßig atmend oder pulsierend angelegt ist, scheint schlichtweg nicht denkbar zu sein. Aber selbst wenn sich eine klare Dominanz der VierSchlag-Metren – etwa mit der bekannten Four-on-the-floor-Rhythmik – zeigt, sind dennoch gelegentlich auch andere Taktarten wie 3/4 oder 6/8 zu finden.

5.2 Die Aussagekraft der Parameter Um die einzelnen Parameter und Vorgaben anhand konkreter Beispiel nochmals anzuwenden und zu überprüfen, werden an dieser Stelle zwei Stücke aus dem Finale des Eurovision Song Contest 2013 genauer betrachtet. Dazu sollen • der dänische ESC-Beitrag und Siegertitel 2013 Only Teardrops von Emmelie de Forest und • der ESC-Beitrag 2013 aus den Niederlanden, Birds von Anouk, untersucht werden. Beim Song Birds handelt es sich um eine Musik, die von den dänischen Produzenten Tore Johansson und Martin Gjerstad zu einem Text der holländischen Sängerin Anouk Teuwee komponiert wurde. Beide Songwriter traten bereits früher als Mitwirkende bei anderen Songs von Anouk in Erscheinung. Sie selber sehen sich als Kreative aus dem Independent-Bereich, wo sie mit Produktionen für The Cardigans und Franz Ferdinand bereits große Erfolge erzielten. Insofern äußerte sich Johansson überrascht gegenüber einer ESC-Teilnahme, „schließlich komme er aus der Indie-Ecke und da sei eine Teilnahme an einem solchen Wettbewerb eigent-

Fazit und Diskussion

329

lich tabu“. Und wirklich hatten sich weder Johansson noch Gjerstad zuvor jemals am Dansk Melodi-Festivalen beteiligt (ESC-Songcheck 2013: online). Interessanterweise wurde der Song Birds, den die eigene Plattenfirma als „düstere und melancholische Ballade“ beschreibt (Produktdetails Anouk 2013: online), als auffällige Ausnahme nicht per Televoting oder Jury-Entscheidung aus diversen Wettbewerbsteilnehmern ausgewählt, sondern Anouk erhielt das Recht auf eine sogenannte Carte Blanche, die ihr bei der Auswahl des Songs völlige individuelle Freiheit ließ: „No preselection, no national final, she would have all the power. Dutch broadcaster TROS agreed to her terms, and therefore Anouk was the first artist to be selected for this years contest“ (van Gorkum 2013: online). Im End-Finale belegten die Niederlande mit diesem Song den neunten Platz, wobei sich in der genauen Betrachtung der Televoting und Jury-Auswertung eine bessere Bewertung und damit höhere Einstufung durch die Experten-Gremien der Jurorenteams als durch die Anrufer beim Tele-Voting erkennen lässt (durchschnittliche Positionierung bei möglichem Platz 1 bis 26):

(Gavster 2013: online)

330

Warum Hits Hits werden

Später war Birds über Wochen als Top-Song in der Heimat Niederlande, aber nur kurze Zeit auf unteren Hitparaden-Rängen in Deutschland und Österreich vertreten: • Niederlande

Spitzenplatz: 1 / Wochen: 21 (Verweildauer in Hitparade)

• Belgien

Spitzenplatz: 12 / Wochen: 3

• Deutschland

Spitzenplatz: 49 / Wochen: 1

• Österreich

Spitzenplatz: 74 / Wochen: 1

Diesbezüglich verhielt es sich bei dem – im Vorfeld klar als Favorit nominierten – Song Only Teardrops der Sängerin Emmelie de Forest auffällig anders: Zum einen schnitt dieses Lied beim Televoting durch die Zuschauer besonders gut ab. Aber auch die Jury-Gremien entschieden sich – wenn auch etwas zurückhaltender – bei diesem Titel gleichermaßen für den vordersten Platz. Und schließlich gelang es dem Song noch, sich nach dem Finale über oftmals längere Zeit in einer Vielzahl von Ländern auf den vorderen Plätzen diverser Hitparaden zu halten: • Schweiz • Deutschland

Spitzenplatz: 3 / Wochen: 5 (Verweildauer in Hitparade) Spitzenplatz: 5 / Wochen: 18

• Österreich • Frankreich

Spitzenplatz: 79 / Wochen: 2

Spitzenplatz: 7 / Wochen: 7

• Niederlande • Belgien

Spitzenplatz: 11 / Wochen: 7

Spitzenplatz: 4 / Wochen: 11

• Großbritannien • Finnland

Spitzenplatz: 3 / Wochen: 13

• Norwegen • Dänemark

Spitzenplatz: 9

/ Wochen: 2

Spitzenplatz: 1

/ Wochen: 17

• Spanien • Australien

Spitzenplatz: 8

/ Wochen: 3

Spitzenplatz: 17 / Wochen: 1

Spitzenplatz: 47 / Wochen: 1 (swisscharts 2013: online).

Beschrieben wird das Lied – vor allem mit Blick auf die Interpretin – als Teil einer „Waldfeenromantik, den die Sängerin barfuss, im wallenden weißen Kleid und mit elfengleicher Leichtigkeit“ vorgetragen hätte (Weser 2013: online). Verantwortlich für den Song zeichnete unter anderen Thomas Stengaard, der vom Chef seines Labels, Philipp Arendt, überschwänglich gelobt wurde: „Thomas ist einer der talentiertesten Songwriter und Produzenten Europas und hat sich diesen Erfolg hart erarbeitet. Mit seinen herausragenden musikalischen Fähigkeiten und seiner Professionalität war es nur eine Frage der Zeit, bis er den Durchbruch schafft“ (Diersch 2013: online). Daneben war als Autorin noch Lise Cabble beteiligt, die bereits 1995 und 2011 beim ESC-Beitrag Dänemarks mitgewirkt hatte (Maus 2013: online). Wie lassen sich diese beiden unterschiedlich erfolgreichen Stücke mit den vorgestellten Parametern fassen? Lässt sich anhand der einzelnen Kategorien festmachen, warum Only Teardrops kommerziell durchschlagkräftiger als Birds war?

Fazit und Diskussion

331

5.2.1 Die invariablen Parameterwerte von Birds und Only Teardrops Bei der Erfüllung der invariablen Kategorien dieser beiden Songs zeigt sich folgendes Bild: Parameter

invariabel

Aufnahmestandard

beide: ja

Qualität Gesang

beide: ja

Authentizität

beide: ja

Image

beide: ja

Die zwei Stücke halten sich also eindeutig insofern an die Vorgaben der Parameter, dass sie höchsten Aufnahmestandard ebenso wie beeindruckend gute Qualität des Gesangs und jeweils eine in sich stilistische Geschlossenheit aufweisen.

5.2.2 Die halbvariablen Parameterwerte von Birds und Only Teardrops Bei den halbvariablen Kategorien zeigt sich ein ähnlich übereinstimmendes Bild wie bei den invariablen Parametern, jetzt aber mit ersten Abweichungen und Unterschieden zwischen den Stücken von Anouk (A) und Emmelie de Forest (E): Parameter

halbvariabel

Harmonie-Wechsel auf 1

beide: ja

Abweichung von Stimmton

beide: nein

Erstes Intervall Gesang

beide: Prime

Höchste Gesangstöne im Refrain

A: nein E: ja

Tempo

A: 125 (aber 6/8!) E: 110

Länge des Songs

beide: 3:00

Stilistische Geschlossenheit

beide: ja

Stilistiken

A: Indie-Ballade E: Pop-Dance

Bereits vorab berühmt

A: ja E: nein

Sprache

beide: Englisch

Hook im Refrain?

beide: ja

Thematische Aussage

beide: Liebe/ Schmerz

332

Warum Hits Hits werden

Damit zeigen sich weiterhin eine Reihe von Übereinstimmungen: • Beide Songs haben jeweils ihre Harmoniewechsel auf der Zählzeit Eins. • Bei jedem Stück findet sich der Stimmungston A= 440 Hz als Grundlage. • Das erste Intervall des Gesangs ist übereinstimmend die Prime. • Die Länge der Songs ist jeweils exakt drei Minuten. • Englisch findet sich in beiden Stücken als Gesangssprache und die • Titelzeile ist als Hook im Refrain integriert, wobei die Thematik mit melancholisch-unglücklicher Beziehung zu Liebe und Schmerz zu tun hat: In jedem der Songs stehen beispielsweise die Begriffe Tears und Teardrops signifikant im Vordergrund. Es finden sich daneben aber auch einige bemerkenswerte Unterschiede: • Anouk bringt im Gegensatz zu Emmelie de Forest im Refrain nicht die höchsten Töne des Stückes. • Auch das Tempo ist deutlich unterschiedlich: Während Emmelie de Forest auf massive Perkussionsklänge bei einem Tempo von 110 BpM im 4/4-Takt baut, schwingt Anouk in einem zurückhaltend-bedächtigem 3er- bzw. 6/8-Rhythmus, der so bei erfolgreichen Charts-Songs nicht unbedingt häufig anzutreffen ist. Der Song wirkt dadurch insgesamt eher getragen und hat sogar mehrfach Ritardandos, was zusätzlich für eine nahezu nicht vorhandene Danceability sorgt. Der Song von Anouk ist schon allein wegen seines äußerst balladesken Independent-Style nicht einem kommerziell erfolgsträchtigen Dance-Genre zuzuordnen, während Emmelie de Forest und ihr Song – wenn auch nur als Slow Number – dort eher hineinpassen dürften. All diese Umstände können damit schon darauf hinweisen, dass hier der Song von Emmelie de Forest gegenüber dem von Anouk sich etwas mehr an die üblichen Vorlieben hält und damit einen gewissen Vorsprung in Bezug auf breite Durchsetzung am Markt oder in einem Wettbewerb erzielt. Nur bei einem einzigen Parameter ist dieses Verhältnis genau umgekehrt: • Wenn üblicherweise Hits von bereits vorab berühmten und erfolgreichen Künstlern erzielt werden, stellt der Umstand, dass die junge Emmelie de Forest als zwar schon geübte, aber noch nicht bekannte Interpretin einen äußerst erfolgreichen Song präsentieren konnte, ein vermutlich typisches ESC-Phänomen dar. Bei der Komposition vertraute man allerdings auch dort auf eher schon renommierte und anerkannte Kräfte und ging in dieser Beziehung kein Risiko ein. Im Gegensatz dazu bauten die Verantwortlichen der Niederlande bewusst auf die langjährige Professionalität und die vielfältigen Erfahrungen einer renommierten Künstlerin und ließen ihr viel Raum in der selbst erstellten künstlerischen Ausgestaltung ihres Vortrags.

Fazit und Diskussion

333

5.2.3 Die variablen Parameterwerte von Birds und Only Teardrops Bei den variablen Parametern zeigen sich nun, neben diversen Übereinstimmungen, eine ganze Reihe von Differenzen, die die Unterschiedlichkeit der beiden Songs weiter verdeutlichen können. • Bei beiden Songs sind, sowohl in ähnlicher als auch in jeweils anders gearteter Ausführung, strukturelle Prägestempel zu finden. Bei Anouk findet sich beispielsweise eine Abweichung von einem gleichmäßigen Formablauf sowohl in den Strophen als auch beim Refrain. So wird jeweils an die erste als auch an die zweite Strophe bei Birds in der Schlusszeile ein fünfter Takt zusätzlich angefügt: Aism / H / Gism/ E / Aism / H / Gism/ E / Aism / H / Gism/ E /

E7/d.

Auch im Refrain mit seinen 2-Takt-Einheiten kommt beim ersten Durchgang ebenfalls ein Takt hinzu: A A A A/g

/ Dm G / / Dm G / / F G /

F.

Im zweiten Durchgang des Refrains lassen sich an dieser Stelle sogar zwei eingeschobene Takte aufzeigen: A A A A/g

/ Dm G / / Dm G / / F G /

F

/

F //.

Bei Only Teardrops ist ebenfalls, im Anschluss an die Harmonien des Intros und der Strophe, ein eingeschobener Takt zu finden: Am Am Am Am

F F F F

/ / / /

C C C C

/ / / /

Am.

In der Bridge entfällt – als ein andersartiger Prägestempel – bei der Wiederholung des ersten viertaktigen Motivs der dritte von vier Takten, wodurch der Song bereits nach insgesamt sieben statt nach acht Takten in den Refrain überleitet: F F

/ Am / Am

/ C / G

/ G / // ...

Neben dieser gemeinsamen Verwendung von strukturellen Einschüben gibt es noch eine Reihe weiterer variabler Faktoren, die mal übereinstimmend, mal aber auch unterschiedlich genutzt werden: • Bei beiden Songs beginnt der Refrain nach nicht ganz vierzig Sekunden. • Bei Anouk setzt der Gesang allerdings unmittelbar zu Beginn des Stückes ein, während bei Emmelie de Forest dies erst nach etwa acht Sekunden stattfindet.

334

Warum Hits Hits werden

• Ein weiterer Unterschied findet sich in der Wahl der Tonart, wobei interessanterweise beide Stücke mit einem Moll-Akkord beginnen. • Eine wirklich dramatische Abweichung voneinander ergibt sich allerdings dadurch, dass in Birds die Möglichkeit genutzt wird, sowohl eine interne Modulation als auch eine – durch zusätzliche Modulation eingeleitete – Rückung im Finale des Songs einzubringen: Dort steht die Strophe in H-Dur, der Refrain Part dagegen moduliert nach A-Dur. Als Überleitung und auch als Rückführung dient dabei der zusätzliche E-Dur Akkord, der als Subdominante von H-Dur umgedeutet wird zur Dominante in A-Dur. Dies wird durch die Hinzufügung der kleinen Septime d im Bass eines E-Dur-Septakkordes noch verstärkt:

Der sich nach dem zweiten Refrain mit den sich wiederholenden Harmonien A / Dm G / / anschließende Zwischenteil bildet nicht nur einen strukturellen Bridge-Teil, sondern enthält eine weitere Modulation, die in eine Rückung des Refrains mündet. Aufbauend auf die A-Dur-Tonalität, dabei durchbrochen durch einen zweifach eingeschobenen C-Moll-Akkord, mündet dieser Part auf Fis-Dur, wobei diese Harmonie dann als Dominante für den nun um einen Ganzton nach H-Dur angehobenen Schluss-Refrain dient: D / Cm

/ D

E / A

/ A/d

/ Cm/ D

/ E/fis

Fis // ===> H …

Fazit und Diskussion

335

Im Gegensatz dazu findet sich in Only Teardrops keines dieser Elemente, weder eine Rückung noch eine Modulation. Nicht zuletzt durch die Vielzahl der in diesem Stück auftretenden Harmonien – insgesamt sind es allein zwölf verschiedene Harmonien – und durch die ungewöhnlich vielen Tonart-Wechsel, den mehrfachen Einsatz komplexer Akkordgebilde und die Einbindung von diversen Moll-Akkorden innerhalb eines Dur-Umfeldes wird Birds in eine Nähe zu dem Schaffen der Beatles gerückt. Bei deren Songs galten speziell ungewöhnliche Akkordverbindungen als ein besonderes Zeichen von Kreativität und innovativer Ausweitung der üblichen Muster: „Every typical Beatles' song has at least one rather unconventional chord progression. Often there are more and sometimes the chord sequences even come close to endangering the songs´ musical comprehensibility“ (Tillekens 2000: 1). Die Moll-Subdominante und der Akkord auf der kleinen Septime, wie sie in Birds im Refrain zu finden sind, bilden innerhalb der Beatles-Stücke keine Seltenheit, sondern sind dort mehrfach und in unterschiedlichen Kontexten zu finden (Johansson 1999: 4). Geradezu pikant ist der Umstand, dass Birds sogar einige etwas verkürzte Akkordverbindungen aus der Strophe des Fab Four-Songs Free As A Bird [sic!] exakt in derselben Tonart zitiert. Im Original bei den Beatles verläuft der Song wie folgt: A Free

/

F#m /

Dm

/

E as a

A bird.

/

F#m /

Dm It's the

/

E / next best

A / thing to

F#m / be.

Dm

/

G / Free as a

Esus4

/

C bird.

/

Am

/

E

/

//.

Dieses ursprünglich von John Lennon als Demo unfertig zurück gelassene und 1994 wieder aufgegriffene Stück wurde nach seiner Veröffentlichung Mitte der neunziger Jahre allerdings eher zurückhaltend, wenn nicht sogar gelegentlich schon ablehnend bewertet. So sieht MacDonald in seinem Beatles-Song-Lexikon zu viele Anleihen an gängige Pop-Standards gerade in der harmonischen Abfolge und kritisiert den Song daher als „langweilig, produziert in einer Periode, in der sein Autor zufrieden mit seinem Leben war, als dass er darauf geachtet hätte, ob der Song nicht doch banal oder uninteressant war.“ Und ausdrücklich merkt er an: „Mit der Musik der Beatles aus den sechziger Jahren jedenfalls kann er nicht mithalten“ (MacDonald 2000: 399). Dagegen wird in Internet-Kommentaren der Song Birds – Jahrzehnte später – mit seiner nun im Gegensatz zu manch anderen Stücken nicht nur aus dem ESCUmkreis harmonisch reichen und ungewöhnlichen Substanz als zumindest besonders auffällig diskutiert:

336

Warum Hits Hits werden

• „Dieser Song, jenseits des Mainstream, war für mich die absolute Gänsehaut-Nummer. Ich hatte dafür gevoted. So wunderbar komponiert und gesungen...das war Kunst!“ (Die Biggi) • „Die Musik von Anouk ist für eine derartige Veranstaltung meiner Meinung nach einfach zu anspruchsvoll. Man sollte das ESC-Feld den zappelnden, schreienden, herumfuchtelnden, halb bekleideten, tätowierten Muskeln-Zurschaustellern, Leistungssport betreibenden "Musikern" überlassen und parallel einen neuen hochwertigeren Musik-Wettbewerb ins Leben rufen“ (Dowene) • „Dass dieser Song ohne Vorentscheid in den Niederlanden nach Schweden geschickt wurde war ungewöhnlich, aber richtig. Anouks Lied war eine Offenbarung. Eine Komposition die es in sich hat und eine Interpretin die hierfür nicht besser hätte gefunden werden können. So traurig wie der Text auch ist, so ist dieser Beitrag ein Hoffnungsschimmer über einem Meer der ESC-Belanglosigkeiten“ (Freerk) • „Schwere Kost... erschließt sich beim ersten Hören nicht wirklich, leider auch nicht beim Zweiten oder 13...“ (Galaxie) • „Wunderschönes Lied! Endlich mal keine 08/15 Ballade“

(alle aus AnnA ESC 2013: online). Anders als Birds verbleibt Only Teardrops konsequent in derselben Tonart. Insgesamt kommen nur vier Harmonien vor, die durchgehend den gesamten Song, wenn auch in leicht unterschiedlichen Kombinationen, tragen: Strophe: Am F / C Am F / C

/ / Am

PreChorus: F / Am G / F / Am G / F / Am G / F / F / Refrain: Am / F Am / F

/ C / C

/ G / G

/ / ...

Weitere parallele und auch unterschiedliche Ergebnisse im Bereich der variablen Faktoren bei den beiden Songs sind dann noch: • Die Melodikverläufe lassen sich durchweg als gemischt bezeichnen. • Da Birds ein durchweg orchestral vorgetragenes Stück mit einem äußerst getragenem Tempo ist, kann hier von einer erkennbaren Tanzbarkeit kaum die Rede sein, während Only Teardrops als ein schwungvoller Folk-Pop Song eine durchgehende treibend-pulsierende Rhythmik aufweist. • Spezifische auditive Logos kommen, abgesehen vielleicht von der Klangfärbung durch die vielen Perkussioninstrumente und die thematisch eingesetzte Flöte in Only Teardrops, nicht vor.

Fazit und Diskussion

337

• Beide Stücke werden von jeweils einer Sängerin vorgetragen. • Die Attraktion der Stimmen in Bezug auf sexuelle Ausstrahlung dürfte vielleicht jeweils hoch bewertet, zumindest aber als höchst unterschiedlich betrachtet werden, da bei Emmelie de Forest eine eher mädchenhafte Stimme im Vergleich zu der Rock-routinierten Stimme von Anouk steht. • Im Text finden sich bei beiden Stücken nur gelegentliche Reime. Damit ergibt sich die folgende Gesamtübersicht der variablen Parameter:

Parameter

variabel

Prägestempel

A: zusätzliche Takte E: zusätzlicher und Wegfall von Takt

Länge bis Chorus

A: 0:37 E: 0:38

Länge bis Einsatz Gesang

A: 0:00 E: 0:08

Dur-Tonarten

A: H,dann A; beginnt auf Moll-Akkord

Moll-Tonarten

E: Am

Rückung/Modulation

A: ja mit Hin- und Rückführung, plus Rückung E: nein

Melodikverlauf Refrain

A: gemischt E: gemischt

Melodikverlauf Strophe

A: gemischt E: gemischt

Ambitus

A: etwas unter Oktave E: Undezime

Danceability

A: nein E: etwas

Besetzung

A: Klassik-Orchester E: Folk-Pop mit Synthi-Flächen

Logos

beide: nein (evtl. Flöte und Perkussion bei E)

Anzahl Gesang Interpreten

beide: eine Sängerin, verstärkt durch Chor

sex. Anreiz Akustik/Optik

A: Routinierte Rock-Röhre... E: blonde Elfe...

Reime

beide: teilweise

338

Warum Hits Hits werden

5.2.4 Invariable/variable Parameterwerte von Birds und Only Teardrops Die beiden Stücke haben typische Strukturteile, allerdings nicht die übereinstimmend gleichen. So beinhaltet Birds als Form-Teile • • • •

Strophe (A) Refrain (B) Bridge/Zwischenteil und (C) ein (kurzes) Outro.

Verglichen damit hat der Song von Emmelie de Forest noch einen PreChorus als einen weiteren Teil plus einem Intro als Einleitung • • • • • •

Intro Strophe (A) PreChorus (PC) Refrain (B) Bridge/Zwischenteil und (C) ein Outro.

Der Ablauf vollzieht sich jeweils mit diesen Elementen und dürfte klarstellen, wie heute typischerweise erfolgreiche Popmusik gegliedert wird: Anouk:

-

Emmelie: Intro

A

B

A

B

C

BB

Outro

A+PC

B

A+PC

B

C

BB

Outro.

• Auch für diese erfolgreichen Popmusik-Songs scheint es keine Frage zu sein, dass eine Vierer-Aufteilung, die sich in 4-, 8- oder 16-Takt-Gruppierungen bzw. auch bei vier Harmonien in zwei Takten zeigen kann, das übliche Vorgehen beim Strukturieren der einzelnen Parts ist. Wenn diese verändert wird und sich gelegentlich sechs, sieben oder neun Takte in einem Songteil finden, hat es meist mit einem individuellen, nur an vereinzelten Stellen des Stückes zu findenden Prägestempel zu tun. Dieser stellt aber die jeweils grundlegende Einteilung in ViererEinheiten nicht in Frage. • Beide Stücke verbleiben konsequent in einer Dur- und Moll-Harmonik, verwenden aber deutlich unterschiedlich viele Akkorde. • Die Songs sind auf bestimmte Pop-Formel-Standardisierungen rückführbar, dies jedoch in unterschiedlichen Varianten: Das Stück von Emmelie de Forest ist nahezu durchgehend und konsequent geprägt von der Moll Pop-Formel, deren Verlauf im Refrain geradezu lehrbuchartig zu beobachten ist: Am

/ F

/ C

/ G

://.

In der Strophe bzw. im Intro und im Outro entfällt eine der Harmonien und der Wechsel erfolgt schneller: Am

F

/

C

://.

Fazit und Diskussion

339

Im PreChorus wird die Progression bei nochmals veränderter Wechselfolge variiert: F

/ Am

G

://.

Die Bridge in diesem Stück hat durchgehend ganztaktige Harmonien in einer Abfolge, die an den PreChorus erinnert. Dies umso mehr, da der dritte Takt bei der Wiederholung entfällt: F

/

Am

/ (nur 1.: C) /

G

://.

Deutlich komplexer dagegen zeigt sich von vornherein der Song von Anouk, da hier erheblich mehr Harmonien in diversen Kombinationen zu finden sind. Gleich die einleitende Strophe erscheint auf den ersten Blick völlig formelfremd zu sein. Doch meist genügen schon einfache und kleinste Tricks, um solch eine scheinbare Losgelöstheit zu erzeugen – und dann doch in unmittelbarerer Formelnähe zu bleiben. Die Akkordfolge Aism

/

H

/

Gism

/

E

://

mit ihrem Sekundsprung ais-h zu Beginn und dem Tritonus e-ais beim Übergang zur Wiederholung lässt sich mit einer einzigen Verschiebung umformen zu H

/

Gism

/

E

/

Aism

//

womit die Nähe zum häufig auftretenden Pop-Formel-Modell Turn Around-Formel (in H-Dur) gegeben ist: H

/

Gism

/

E

/

//.

Fis

Doch was hat es mit diesem ungewöhnlichen, sperrigen Moll-Akkord Aism in dieser Kombination auf sich? Wenn man die Töne ais, cis und eis = Ais-Moll genauer betrachtet, ist der Schritt zu einem Ausschnitt von Fis-Dur gar nicht so weit: Der Sextakkord Fis6, also mit Terz als Grundton, hätte die Töne ais, cis und fis. Das ist nur ein einziger unterschiedlicher Ton verglichen mit Ais-Moll (ais, cis und eis), der aber gleichzeitig eine große Wirkung auf die Rezeption hat. Es handelt sich damit in dieser Kombination – mit einer höchst irritierenden Start-Harmonie – um eine typische Halbe Pop-Formel, die zwar große Teile der typischen Standardwendung Turn Around-Formel in sich enthält, aber doch gleichzeitig durch den ungewöhnlichen Bezugsschwerpunkt am Anfang entscheidend verbogen und verfremdet ist: Turn Around: Anouk:

(Fis) Aism

/ /

H H

/ /

Gism Gism

/ /

E E

/ ://.

Fis

Der nachfolgende Refrain mit der Akkordfolge A

/

Dm

/ G ://

ist wiederum eine geschickte Kombination aus einer Dur-Kadenz in A-Dur A

/

D

/

E

/

C ...,

und einer II - V - I - Folge Dm

/

G

/ ...

://

340

Warum Hits Hits werden

bei der die Harmonie D(m), umgedeutet von der Subdominante in A-Dur zur Subdominant-Parallele in C-Dur, den Verbindungspunkt bildet. Diese Nachbarschaft von einer A- und C-Dur-Tonalität wird nachfolgend deutlich auch im Ausklang des Refrains mit der Harmonieabfolge A A/g / F G / F /. Im Zwischenteil lassen sich, abgesehen von einer rudimentären Dur-Kadenz-Zugehörigkeit, weniger Standard-Wendungen erkennen. Hier wurde in typischer Beatles-Songwriter-Manier mit Quintenbeziehungen und dem Austausch von Dur und Moll gearbeitet. Dabei tritt zuerst als einleitende Harmonie jetzt ein DDur(!)-Akkord auf, dem ein C-Moll(!) Akkord nachfolgt, also genau die Umdrehung der Akkorde D-Moll und C-Dur, die bisher auftraten. Über eine fast gleichbleibend lineare Melodik werden dann die einzelnen Harmonien in der Bridge miteinander verbunden – zuerst D-Dur und C-Moll mit den jeweiligen Grundtönen und dann bei der Wiederholung mit der Terz es von C-Moll:

Im weiteren Verlauf steigt die Melodie an vom dis (das es ablösend über C-Moll) über E-Dur zum e über A-Dur und schließlich zum fis über D-Dur, wo dieser Ton als Grundton abschließend mit Fis-Dur harmonisiert wird. Diese Harmonie leitet dann als Dominante in den letzten H-Dur-Refrain:

Als weitere Punkte im Bereich invariabel mit variabler Unterteilung sind bei diesen beiden Stücken noch anzuführen:

Fazit und Diskussion

341

• Die Stimmenzahl ist bei beiden Songs auf die weibliche Hauptstimme fokussiert, die jedoch jeweils durch einen Chor mit eigenständigen Melodienlinien, wie im Zwischenteil von Birds, oder aber durch Verstärkung und Übernahme der Gesangslinie wie in Only Teardrops unterstützt wird. • In beiden Songs finden sich in den Gesangslinien der jeweiligen Refrains markante Wiederholungen: Im Refrain von Birds wird ein doppeltaktiges Motiv a vorgestellt, das dann nahezu identisch wiederholt und mit einem weiteren Motiv b abgeschlossen wird, so dass sich dort eine Abfolge a a´ b ergibt:

Auch im Refrain von Only Teardrops zeigt sich dieses Bild mit einem Gesangsmotiv a, das – ein wenig erweitert – über veränderten Harmonien als a´ wiederholt und schließlich mit einem Motiv b abgeschlossen wird. In diesem Stück erfolgt dann jeweils im Refrain noch eine Verdoppelung dieser Gesamtfigur a a´ b´:

• Die Melodikbildung der Gesangslinien erfolgt allerdings unterschiedlich: Während bei Emmelie de Forest nur das Tonmaterial der Natürlichen A-Moll Skala verwendet wird, ist dies bei Anouk deutlich komplexer: Hier finden sich verschiedene Tonarten, wobei die jeweilige Dur-Skala – in der Strophe, aber auch

342

Warum Hits Hits werden

speziell im Refrain – durch Zusatztöne an die Harmonien angepasst wird. So tritt über D-Moll innerhalb eines A-Dur-Tonraumes die kleine Sexte f auf:

• Keiner der Songs verzichtet auf ein gleichmäßig durchgehendes und pulsierendes Metrum, aber dennoch sind die beiden Stücke rhythmisch sehr unterschiedlich angelegt. Während die Macher von Only Teardrops in einem klaren 4/4-Beat speziell im Refrain mit Patchanga- bzw. Reggaeton-Anleihen und einem entsprechenden lautstarken Trommel-Arsenal arbeiten, ist in Birds zwar ebenfalls ein rhythmisierter perkussiver Unterbau zu hören, der aber deutlich mehr im Hintergrund verbleibt. Vor allem aber handelt es sich hier um ein Dreier-Metrum, das entsprechend anders wirkt als ein übliches Vierer-Metrum und dem Stück dadurch betont ein eigenes, in sich leicht schwingendes Gepräge verleiht. In der Übersicht lassen sich die einzelnen invariablen und untergeordnet doch variablen Parameter der beiden Stücke erkennen. Bei beiden Stücken werden durchgehend die invariablen Parameter erfüllt – mit nur gelegentlich unterschiedlicher Auslegung im variablen Detail. Legende: P = Parameter, v = variabel, hv = halbvariabel, iv = invariabel, Vg? = Vorgabe eingehalten?, us = unterschiedliche Werte?, x = (trifft zu), E = Emmelie de Forest, A = Anouk, überg. = übergeordnet, unterg. = untergeordnet.

P

v

hv

iv

iv + v

Vg?

us?

Struktur

x A: Str, Refrain, Zw; kein Intro, kein PC, kein Outro E: Intro, Str, PC, Refrain, Outro

A:ja E:ja

überg: nein unterg ja

Ablauf

x: (Parts:) A: A B A B C A E: A B A B C A

A:ja E:ja

nein

Prägestempel

Einhaltung 4er Einheiten

x A: zusätzliche Takte E: Wegfall Takte nach PreChorus

ja

x

A:ja E:ja

nein

Fazit und Diskussion

P

343

v

hv

iv

iv + v

Vg?

us?

Länge bis Chorus

x 0:37 0:38

nein

Länge bis Gesang

x A:00 E: 0:08

ja

x

Dur Moll x

Wechsel Zeiten

x

Pop-Formeln

Dur-Tonarten

x A: erst H-Dur dann A-Dur

Moll-Tonarten

x E: Am x beide: nein

Abweichung

Modulation

A:ja E:ja

nein

A:ja E:ja

nein

A: variierter TA. E: Moll PF

überg: nein unterg ja

A:ja E:ja

nein

x A: ja, plus Rückung E: nein

ja

x

Stimmenzahl

A:ja E:ja

Melodik Refrain x

-

Melodik Strophe x

x

Wiederholungen

Ambitus

erstes Intervall

Melodikbildung

nein

A:ja E:ja

x A: unter Oktave E: über Oktave

nein

ja

x A:Prime E:Prime

A:ja E:ja x A: Dur E: natürliches Moll

nein

überg: nein unterg ja

344

Warum Hits Hits werden

P

v

hv

iv

iv + v

x

Erhöhung zum Refrain

x

Metrum

x

Tempo

Vg?

us?

A: nein E: ja

ja

A: 6/8 E: 4/4 beide Breaks

überg: nein unterg ja

A: 125 (6/8!) E: 110

ja

Danceability

x A: nein E: etwas

ja

Besetzung

x A: Band/Orchester E: Folk-Pop/ Synthi

ja

x beide 3:00

Länge des Songs

A:ja E:ja

nein

Aufnahmestandard

x

A:ja E:ja

nein

Stilistische Geschlossenheit

x

A:ja E:ja

nein

Logos

x beide: nein

nein

Anzahl Gesang Interpreten

x beide: 1x Sängerin plus Chor

nein

x

Qualität Gesang Stilistiken

x A: Indie E: Pop

A:ja E:ja

nein

A:nein E:ja

ja

Authentizität

x

A:ja E:ja

nein

Image

x

A:ja E:ja

nein

bereits berühmt

x

ja A:ja E:nein, aber Produzent

Fazit und Diskussion

P

sex. Attraktiv.

345

v

iv

iv + v

Vg?

x Popgirl vs. Rockröhre

us?

ja

x beide engl.

Sprache

Reime

hv

A:ja E:ja

x beide teilweise

nein

nein

Hook/Titelzeile im Refrain?

x beide ja

A:ja E:ja

nein

Thematische Aussage

x Herz & Schmerz

A:ja E:ja

nein

Anhand dieser Übersicht von 40 Parameter lässt sich verdeutlichen, wie sehrsich die beiden Stücke aus dem Finale des ESC 2013 ähneln: Immerhin sind 21 der 25 invariablen und halbvariablen Parameterwerte übereinstimmend. Die vier verbleibenden unterschiedlichen Kategorien können dabei interessanten Hinweis auf die Verschiedenheit, auch gerade in Bezug auf die kommerzielle Attraktivität geben: Birds hat ungewöhnlicherweise • keine Erhöhung der Gesangsmelodik zum Refrain, • ist in seinem bedächtigen 6/8-Metrum sehr getragen gehalten und • gehört als Ballade einer Alternative/Independent-Stilistik nicht zu dem Bereich, aus dem üblicherweise die erfolgreichen Hits stammen. Dagegen weicht Only Teardrops nur in einer einzigen dieser Kategorien deutlich von den typischen Empfehlungen ab: • Die Interpretin Emmelie de Forest war zum Zeitpunkt der Produktion noch nicht eine weithin bekannte und etablierte Künstlerin im Pop-Bereich, wie es beispielsweise bei Anouk speziell in den Niederlanden der Fall war. Trotzdem konnte sie über den ESC-Wettbewerb 2013 mit diesem Stück einen Hit platzieren. Dies allerdings nicht zuletzt, da als Kreative und Produzenten mehrere bereits vorab auch international erfolgreiche und einflussreiche Macher beteiligt waren. Ansonsten finden sich Abweichungen voneinander vor allem dort, wo sich Popmusik-Songs typischerweise variabel voneinander absetzen: • Die Tonarten und auch • die zugehörigen Melodieverläufe sind naturgemäß verschieden, ebenso

346

Warum Hits Hits werden

Ambitus, Besetzung und Danceability. Das eine Stück hat sowohl eine Modulation als auch eine Rückung, das andere beides nicht. Daneben finden sich aber auch hier eine Reihe von Gemeinsamkeiten: • Beide Stücke werden von einer einzelnen Sängerin vorgetragen, • haben Texte mit gelegentlichen Reimen und • beginnen mit dem Chorus jeweils fast auf die Sekunde gleich. Besonders interessant sind aber auch die übergeordnet invariablen, untergeordnet jedoch variablen Parameter. Hier zeigen sich die Songs überwiegend deckungsgleich. In ein paar wenigen Kategorien unterscheiden sie sich aber auf markante Weise: Birds hat • im Strophenaufbau eine schon recht drastisch variierte und harmonisch manipulierte (Halb-)Turn Around-Formel, • verfügt als ein Song in Dur über eine (durch Zusatztöne erweiterte) Dur-Melodik • und steht in einem 6/8-Takt. Only Teardrops dagegen enthält • überwiegend die bekannte und vor allem nahezu unveränderte Moll Pop-Formel als harmonische Grundlage, • hat als Moll-Song eine durchgehende Natürliche Moll-Melodik • und steht im 4/4-Takt. Damit ist der Song von Emmelie de Forest auch in ein einigen recht basalen Kategorien anders als der von Anouk. Besonders die Unterschiedlichkeit der harmonischen Standard-Formeln könnte von Wichtigkeit sein. Deshalb sollen speziell dort die Ergebnisse der weiteren Untersuchungen und Experimente hier eine zusätzliche Klarheit und damit erweiterte Einsicht in das jeweilige Erfolgspotential verschaffen. • • • •

5.3 Die Bewertung der Harmonie-Formeln Im Juli 2013 findet sich in der Playlist des privaten Radiosenders und Teil von Radio NRW, Radio Bonn/Rhein-Sieg, der sein Programm mit der Unterzeile „Hörsinnig gut! 100% die beste Musik“ bewirbt, der Titel Only teardrops von Emmelie de Forest als ständiger Teil der morgendlichen Prime-Time Rotations-Playlist, während der Song Birds von Anouk dort überhaupt nicht zu finden ist (Radio Bonn 2013: online). Dies zeigt, dass der Song von Emmelie de Forest bei der Musikredaktion dieses großen Senders im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands als wohlgefällig und attraktiv für die Hörer eingeschätzt wurde. Wenn im Gegensatz dazu Birds dort nicht zu finden ist, verweist dies in diesem Falle auf eine – in den Augen der Programmgestalter – eher nicht massenkompatible Gesamtaussage, die

Fazit und Diskussion

347

damit einen Einsatz etwa im Tagesprogramm verhindert. Diese Beobachtung soll nachfolgend anhand der Ergebnisse aus den beiden Untersuchungsprojekten und anhand der zugehörigen Self-Reporting-Aussagen überprüft und verständlich gemacht werden.

5.3.1 Das Wohlgefallen der Harmonieabfolgen Die Auswertung der Untersuchung in Bezug auf Gefallen von beispielhaften Akkord-Konstrukten ergab eine Hpothese mit deutlicher Präferenz von konsequenten Pop-Formeln im Vergleich zu den veränderten Halben Pop-Formeln und eine vehement starke Ablehnung des sogenannten Aufgelösten Formel-Beispiels. Innerhalb der Gruppe der Pop-Formel-Beispiele war wiederum die Moll Pop-Formel als attraktivste Akkordfolge einzuschätzen. Genau diese Standard-Harmonie-Abfolge in einer A-Moll-Tonalität findet sich bei Only Teardrops: Am

/ F

/ C

/ G

://.

Diese im Refrain des Stückes konsequent verwendete und in den übrigen Parts nur leicht variierte Abfolge entspricht in einer rhythmisch etwas verlängerten Form damit genau der Abfolge des bei den Untersuchungen verwendeten Moll Pop-Formel Beispiels: Am

/ F

/ C

/ G

://.

Bei Birds dagegen (die Originaltonart des Songs ist H-Dur) wird eine Turn AroundFormel Variante eingebracht, die als Halbe Pop-Formel zu bezeichnen ist. Zum einen ist die Reihenfolge verändert und zum anderen wird eine drastische Änderung bei einem der vier Akkorde vorgenommen. Aus der lehrbuchmäßigen Abfolge einer Turn Around-Formel von T

/ Tp

/

S

/

D

/ Am

/

F

/

G

(in C-Dur:) C

wird dort in der Strophe eine veränderte Reihenfolge eingebracht mit D

/

T

/ Tp

/

S

/

F

/.

(in C-Dur:) G

/

C

/ Am

/

In dieser Folge wird dann noch der einleitende Akkord in einem Ton alteriert, so dass sich aus der Dominante G-Dur eine – diatonisch nicht direkt zugehörige – Mollparallele H-Moll der Doppel-Dominante ergibt:

348

d h g

Warum Hits Hits werden

---->

d h fis.

Damit lautet die Akkordfolge, die in der Strophe bei Birds zu finden ist: Hm

/

C

/ Am

/

F

://.

Diese dort eingebrachte Alterierung erzeugt dabei einen Tritonus-Schritt f - h jeweils am Ende der vier Takte und sorgt mit einem kleinen Sekund-Schritt h - c am Anfang der Abfolge für eine stark verfremdete Anmutung dieser ansonsten so bekannt wirkenden „Radio Smash Hit“-Formel (Kramarz 2006: 14). Dies stützt insgesamt die vorgegebene Hypothese, dass • ein Song mit Moll Pop-Formel sich als langfristig radiotauglicher und kommerziell erfolgreicher erweist und besonders beim Publikum Höchstwerte erreicht, • der Song mit der teilweise eingesetzten Halben Pop-Formel dagegen als eher ungewöhnlich bewertet wird. Er ist daher nicht so häufig in kommerziellen und auf Hörergefallen ausgerichteten Programmangeboten zu finden, erhält aber offenkundig von einer Experten-Jury bessere Bewertungen als etwa von den Anrufern eines breit angelegten Televotings. • In keinem der beiden Stück ist aber eine stark harmonisch verfremdete oder pulsund rhythmusfreie Bearbeitung im Stil der Aufgelösten Formel-Beispiele vorzufinden – dies hätte die positive Rezeption wohl zu stark eingeschränkt.

5.3.2 Die emotionale Auslenkung der Harmonieabfolgen Die beiden Songs werden in den Kritiken und Beschreibungen von 2013 deutlich differenziert eingeschätzt. Only teardrops von der dänischen Interpretin Emmelie de Forest wird als „eingängige Pop-Hymne“ bezeichnet, mit der sich „die jungen Sängerin in die Herzen der Zuschauer“ sang. Während sie als „süß, verspielt und mitreißend“ beschrieben wird (Meyer 2013: online), kategorisieren die Kritiker dagegen die Niederländerin Anouk als „Rockröhre“, die bei Birds wiederum eher „sanfte Töne in einer düster-melancholischen Ballade“ anschlägt (Universal Produktdetail 2013: online). Diese Unterscheidung zwischen dort süß/Mädchenstimme und hier düster/ Rock-Lady bekräftigt und bejaht die vorgegebene Hypothese in Bezug auf die emotionale Auslenkung. Denn ähnlich wie bei der Gefallens-Einschätzung, zeigte sich die Beliebtheit einer unveränderten Moll Pop-Formel vor einer nur noch halb eingehaltenen Pop-Formel. Interessanterweise ist die Bevorzugung der Turn AroundFormel innerhalb der Gruppe Halbe Pop-Formel auch hier nachvollziehbar. Dass sich ansonsten keine rhythmusfreie oder diatonisch losgelöste Musikkonstrukte finden lassen, lässt vermuten, dass eine losgelöste Bearbeitung eine inakzeptabel starke Ablehnung auch bei der emotionalen Einschätzung auslösen würde.

Fazit und Diskussion

349

Turn Around-Formel

Four Chord-Formel

Moll Pop-Formel

Emotionale Auslenkung Gesamt 2,00

0,75

-0,50

-1,75

-3,00 Pop-Formel

Halbe Pop-Formel

Aufgelöste Formel

5.3.3 Das Interesse an den Songs Dass der Song Birds mit der teilweise eingesetzten Halben Pop-Formel in onlineBerichten als ein mit „schlafwandlerischer Anmut“ vorgetragenes, gleichzeitig aber auch als ein „für ESC-Verhältnisse ausgesprochen sperriges Lied“ (Bähr 2013: online) bewertet wurde, dürfte ein Erklärung dafür sein, warum dieses Stück später eher weniger in kommerziellen und auf Hörerresonanz ausgerichteten Programmangeboten zu finden war. Daneben erhielt der Song aber insgesamt positive Kritiken, wobei diesen Umstand die harmonisch hohe Komplexität – gerade im Gegensatz zu Only Teardrops – mit verschiedenen Merkmalen unterstützt haben dürfte. Es finden sich hier: • eine drastisch variierte Turn Around-Formel mit verschobener Abfolge und teilalteriertem Akkord in der Strophe, • eine Modulation hin zum Refrain, • ein tonaler Wechsel innerhalb von jedem Refrain, • nach der Bridge eine zusätzliche Rückung des letzten Refrains um einen Ganzton • und noch in der Schlußwendung des kurzen Outros eine erstmalig eingebrachte Moll-Dominante. Es bleibt im Falle von Birds insofern ein hohes Potential an Interesse und damit an entsprechender Wertschätzung und positiver Expertenmeinung, die weniger einen auf sicheren Sieg programmierten Titel als einen „außergewöhnlichen, zutiefst bewegenden Song“ beschreibt (klatsch-tratsch 2013: online).

350

Warum Hits Hits werden

Gleichzeitig wird Only Teardrops mit seiner durchgängig standardisierten Harmoniefolge in den zugehörigen ESC-Berichten durchweg auch abwertend als „PopOhrwurm“ (rga.online 2013: online) bezeichnet, bei dem – wenn überhaupt – „mehr alles alles andere“ die „auffällige Instrumentierung“ mit Tin Whistle und markanten Trommeln positiv wirke (Stelte 2013: online).

5.4 Das Erkennen einer Erfolgswahrscheinlichkeit Mit einer zusätzlichen Befragung sollte untersucht werden, ob speziell Jugendliche – mit Interesse und teilweise auch großer Leidenschaft in Bezug auf Musik – auch ohne ausdrückliche Analyse-Arbeit den Erfolg von Popmusik-Titeln bereits vorab fühlen und einschätzen können. Dazu wurde ihnen die Aufzeichnung einer professionell veranstalteten Fernseh-Show vorgeführt, bei denen insgesamt neun Künstler jeweils einen Titel vortrugen. Es handelte sich dabei um die nationale ESC-Entscheidung in Dänemark Dansk Melodi Grand Prix, bei dem der dänische Kandidat für das große Finale in Baku 2012 ausgewählt wurde. Unterlegt wurde die jeweilige Aufführung der Künstler in ihren professionell und aufwändig gestylten Bühnengarderoben mit beeindruckender Lightshow und grandioser Live-Atmospäre. Vorab wurden die Künstler und ihre Produzenten jeweils in einem kurzen Video-Portrait vorgestellt. Die gesamte Machart orientierte sich an den Finale-Veranstaltungen des internationalen ESC-Wettbewerbs und entsprach professionellen TV-Produktionsansprüchen. Ausdrücklich festgehalten werden muss dabei, dass • sich auch die einzelnen Stücke jeweils auf höchstem produktionstechnischem Niveau befanden, • alle Sänger fehlerfrei und ausdrucksstark ihre Melodien intonierten, und dass • alle Stücke von routinierten und bereits in vorherigen Projekten erfolgreichen Kreativen geschrieben und produziert worden waren. In Form einer Video-Aufzeichnung wurde der Wettbewerb zuerst insgesamt drei Gruppen von universitären Seminarteilnehmern des Musikwissenschaftlichen Seminars der Universität Bonn und unabhängig davon kurz darauf den Schülern einer achten Musik-Klasse des städtischen Gymnasiums Hennef/ Bonn vorgeführt.

5.4.1 Der Dansk Melodi Grand Prix 2012 Am 21. Januar 2012 wurde der Titel gewählt, mit dem Dänemark sich in Baku am Eurovision Song Contest 2012 beteiligen sollte (Denmark eurovisiontimes 2012: online). Ursprünglich waren insgesamt zehn Beiträge von zehn Interpreten vorgesehen, die gegeneinander antreten sollten. Davon waren sieben aus diversen Einreichungen ausgewählt worden:

Fazit und Diskussion

• • • • • • •

351

Aya Best Thing I Got Kenneth Potempa Reach The Sky Ditte Marie Overflow Phillip Hallou & Emilia Baby, Love Me Karen Viuff Universe Soluna Samay Should Have Known Better Tyne Lynggaard Nowhere.

Drei weitere Teilnehmer wurden per sogenannter Wildcard unmittelbar vom Sender selbst eingeladen: • Jesper Nohrstedt Take Our Hearts • Suriya Forever I Be Young • Chris Brons & Patrick Isaksson Venter

Doch kurz zuvor, am 9. Januar 2012 ließ das dänische öffentlich-rechtliche Radio DR bekanntgeben, dass der Song von Tyne Lynggaard nicht zugelassen werde, da er bereits vorab veröffentlicht worden war. In der Finale-Show wurden dann aus den Titeln der verbleibenden neun Interpreten in der Veranstaltung zuerst • Soluna Samay Should Have Known Better • Chris Brons & Patrick Isaksson Venter • Jesper Nohrstedt Take Our Hearts

ausgewählt, aus dem schließlich, im nur wenige Minuten später folgenden Superfinale der Song Should Have Known Better als Sieger hervorging. Beim sogenannten Superfinale erhielten dann die drei verbliebenen Stücke folgende Punkte (Jury und Televoting): • Soluna Samay Should Have Known Better: • Jesper Nohrstedt Take Our Hearts: • Chris Brons & Patrick Isaksson Venter:

54+56= 110 56+46= 102 40+48= 88.

(Woryna 2012: online). Zuvor war als Favorit in diversen Foren und Online-Seiten überwiegend der Titel Take Our Hearts als Favorit vor allem der Jury benannt worden. Bei einem gleichzeitigen österreichischen Online User-Voting erhielt vornehmlich das Stück Should Have Known Better eine Höchstzahl an Best-Bewertungen und galt damit als Favorit. Insgesamt 43 Prozent der dortigen Teilnehmer vergaben an dieses Lied acht, neun oder sogar die Höchstzahl von zehn Punkten:

352

Warum Hits Hits werden

(Eurovision Austria 2012: online) Dieser Song Should Have Known Better von Soluna Samaay hat die Harmoniefolge Fm in C-Dur: Am

/

As

/

Es

/

B

://

/

C

/

G

/

D

://

die damit eine Dur-Subdominante B-Dur (in C-Dur: D-Dur) innerhalb einer erweiterten bzw. variierten Form der Moll Pop-Formel enthält, die standardmäßig verlaufen würde: Fm

/

Des

/

As

/

Es

://

in C-Dur: Am / F / C / G ://. Eventuell lässt sich hier auch eine Verbindung zur Abfolge aus House Of The Rising Sun sehen: Fm

/

As

/

B

/

Des

://

in C-Dur: Am

/

C

/

D

/

F

://.

As

/

Es

/

B

://

Die harmonische Abfolge Fm

/

wird dann in Should Have Known Better, bei einem Tempo von ca. 96 BpM, konstant den gesamten Song über ohne Unterbrechung wiederholt. Der Song Take Our Hearts von Jesper Nohrstedt, der nicht per Hörerbefragung, sondern als Gewinner des Danish-X-Factor-Wettbewerbs direkt per Wildcard gesetzt war, hat dagegen ein unterschiedliches Akkord- und Struktur-Muster:

Fazit und Diskussion

353

• In der Strophe findet sich die Harmoniefolge As

/

Cm

/

Des

/

Des

//

in C-Dur: C

/

Em

/

F

/

F

//.

• Dagegen wird der PreChorus gebildet aus einer typischen Rap-Formel-Variante Fm

/

Es

/

Des

/

Des //

in C-Dur: Am

/

G

/

F

/

F

//.

• Zusätzlich gibt es danach angefügt einen kurzen Part mit einem durchgehaltenen Dur-Tonika-Akkord As-Dur. • Dieser mündet schließlich in den Refrain, der wie die Strophe wiederum als Folge aufgebaut ist mit As

/

Cm

/

Des

/

Des

//

in C-Dur: C

/

Em

/

F

/

F

//.

Das Tempo des Songs beträgt rund 128 BpM, wobei der Song eine Reihe von Breaks enthält. Das Stück Venter von Chris Brons and Patrick Isaksson, das ebenfalls vom Sender per Wildcard gesetzt worden war, hat bei einem Tempo von 112 BpM einen konstant gleichen Akkordverlauf in Strophe und Refrain, aber einen leicht unterschiedlichen Pre-Chorus: • Die Strophe mit den Harmonien entspricht, wie der spätere Refrain, der Four Chord-Folge: D

/

A(cis)

/

Hm

/

G

//

in C-Dur: C

/

G(h)

/

Am

/

F

//.

• Der PreChorus dagegen, der nach der ersten Strophe auftritt, bewegt sich, als eine Art verkürzte Variante, nur über den Harmonien A

/

Hm

/

G

/

G

//

in C-Dur: G

/

Am

/

F

/

F

//.

• Zum Schluss hin tritt, vorbereitet durch einen kurzen Einschub, eine Rückung des Refrains um einen Ganzton nach E-Dur auf: E

/

H

/

Cism

/

A

//.

Damit ist dieser Song weitgehend von der Four Chord-Formel geprägt.

5.4.2 Einschätzung durch Studenten Als die Studenten die Aufzeichnung der Veranstaltung am 17. und 19. April 2012 sahen, war das abschließende ESC-Finale in Baku vom 25. Mai 2012 noch nicht durchgeführt worden, und keiner der Teilnehmer hatte eine Information über den vorherigen Wettbewerbsverlauf in Dänemark. So war weder bekannt, wer im SuperFinale unter die besten drei gekommen war noch wer schließlich als Gewinner den Wettbewerb für sich entschieden hatte. Die Gesamtzahl an Teilnehmern der drei Kurse betrug 48 Studenten, der Alters-

354

Warum Hits Hits werden

Durchschnitt 21 Jahre. Dreißig Studenten waren weiblich, achtzehn männlich. Jeder Student konnte bis zu drei Top-Titel auswählen, bei denen er • einen, zwei oder drei Punkte • in den beiden Kategorien Musikalische Qualität und Qualität der optischen Performance vergeben durfte. • Die Songs wurden so oft vorgespielt, wie sie auch bei der Veranstaltung dem Publikum vorgeführt worden waren. Dort wurde eine vollständige Präsentation nur noch ergänzt durch zweimalige Kurzfassungen. Übergeordnet war dabei die Frage: Welcher Song wird Ihrer Meinung nach der Siegertitel sein? Als Ergebnis stellte sich dann folgendes heraus: • Should Have Known Better erhielt 42 + 40 = 82 Punkte und damit die meisten Punkte, • Venter 33 + 30 = 63 Punkte und dagegen • der Titel Take Our Hearts nur nur 7 + 6 = 13. Nr.

Titel

Musik Punkte

Proz. Musik

Optik Punkte

Proz. Opt.

Gesamt Punkte

1 Take Our Hearts

7

4,7

6

4,3

13

3 Best Thing I Got

4

2,7

4

2,9

8

40

26,8

38

27,2

78

2

1,4

4

2,6

6

4 Reach The Sky 5 Overflow 6 Baby Love Me

-

-

-

-

-

7 Forever I Be Young

-

-

-

-

-

8 Universe

21

14,1

18

12,9

39

9 Should Have Known Better

42

28,2

40

28,6

82

33

22,1

30

21,5

63

149

100

140

100

289

10 Venter Gesamt:

Da hier von jedem Teilnehmer immer nur an drei Songs Punkte vergeben werden sollten, gab es eine Reihe von Stücken, die überhaupt keine Punkte erhielten. Als Fazit lässt sich daraus ableiten: Zwei der drei Final-Teilnehmer wurden – wie bei der eigentlichen Veranstaltung – auch von den studentischen Versuchsteilnehmern auf die obersten Plätze gesetzt. Die Mitglieder der Gruppe erkannten ebenfalls den späteren Siegertitel. Allerdings wurde ein anderer Song, Reach The Sky von Kenneth Potempa, in dieser Befragung fast so hoch eingeschätzt wie der späte-

Fazit und Diskussion

355

re Siegertitel Should Have Known Better. Es war daneben auffällig, wie ähnlich und fast übereinstimmend die jeweiligen Punkte bei einem Künstler in den unterschiedlichen Sparten Musik und Optische Präsentation vergeben wurden. Gefiel die Musik, war auch die Performance entsprechend genehm – und umgekehrt.

5.4.3 Einschätzung durch Schüler Dieselbe Wettbewerbsaufzeichnung sahen Jugendliche einer 8. Klasse des Städtischen Gymnasiums Hennef am 20. Dezember 2012. Die 25 Schüler hatten einen Alters-Durchschnitt von 14 Jahren und teilten sich auf in vierzehn Mädchen und elf Jungs. Bei diesem Befragungsdurchgang sollten die Schüler jedem Titel zumindest einen, maximal bis zu zehn Punkte geben. Dadurch erhielt hier jeder Künstler eine gewisse Minimal-Anzahl an Punkten. Nr.

Titel

Musik Punkte

Proz. Musik

Optik Punkte

Proz. Opt.

Gesamt Punkte

1

Take Our Hearts

180

13

157

13

337

3

Best Thing I Got

83

6

86

7

169

4

Reach The Sky

189

14

181

15

370

5

Overflow

124

9

139

11

263

6

Baby Love Me

124

9

131

11

255

7

Forever I Be Young

123

9

124

10

247

8

Universe

182

13

141

11

323

9

Should Have Known Better

210

15

165

13

375

Venter

162

12

125

10

287

1377

100 %

1249

10

Gesamt:

100 %

Zusätzlich konnten die Schüler während der Betrachtung der Aufzeichnung noch entscheiden, welchen Einzeltitel sie im Superfinale und dabei als Sieger sähen: • Hier wählten 21 Teilnehmer den späteren Sieger-Titel Should Have Known Better für den ersten Platz aus, • 18 Schüler den Song Take Our Hearts, aber nur • 5 Schüler den Titel Venter. Interessant war bei dieser Befragung,

356

Warum Hits Hits werden

• dass auch hier der Titel Reach The Sky enorm hoch eingeschätzt wurde und • dass bei den Schülern der Unterschied zwischen musikalischer Qualität und optischer Präsentation bei den jeweiligen Künstlern ebenfalls auffällig gering ausfiel. Dabei war, ähnlich wie bei den Studenten, auch bei ihnen zu beobachten, dass insgesamt für die visuelle Performance eher wenige Punkte als für den musikalischen Inhalt vergeben wurden. • Auch hier wurde der finale Siegertitel Should Have Known Better innerhalb der vorhandenen Auswahl erkannt bzw. bestätigt. Außerdem wurden bestimmte Titel einhellig wieder auf die unteren Plätze gewählt: Das leicht angejazzte The Best Thing I Got von Aya, obwohl vom Satellite-Erfolgsteam John Gordon und Julie Frost geschrieben und produziert, fiel im Schülerurteil sogar noch mehr durch als bei den studentischen Teilnehmern. Dort hatte es zumindest einige wenige Punkte gegeben. Auch Suriya mit Forever I Be Young, einem Electronic-Song mit sparsamster Harmonik, markanten kleinen Sext- und TerzSchritten in der Gesangsmelodik und einem ausgeprägten Experimental-Zwischenpart, konnte hier die Versuchsteilnehmer nicht als ernsthaft erfolgsträchtiger Kandidat überzeugen.

5.5 Die Erfolgsauswirkung von durchgehenden Harmonieformeln Als ein Ergebnis der Schüler- und Studentenbefragungen kann festgehalten werden, dass – hochwertig produzierte – Songs mit konsequent durchgehaltenen Akkordformeln gerade von Jugendlichen für gut befunden und entsprechend positiv eingeschätzt werden. Dabei ist gleichzeitig als eine von mehreren grundlegenden Voraussetzungen die Einhaltung eben von produktionstechnisch höchstem Niveau, fehlerfrei und ausdrucksstark präsentiertem Gesang und damit die Mitarbeit von erfahrenen und bereits vorab erfolgreichen Produzenten und Songwritern zu beachten. Diese letzten Voraussetzungen sind auch bei den beiden Stücken Only Teardrops und Birds jeweils gleichermaßen gegeben, so dass sich von daher die gleiche Ausgangsposition ergibt. Wenn dann vornehmlich die strukturelle Abfolge der Harmonien als unterschiedlicher Faktor verbleibt, scheint die Entscheidung für oder gegen eines der Stücke in diesem Fall klar: Es ist eher das Stück als erfolgsträchtig einzustufen, das eine möglichst unveränderte und konsequent durchgehaltene Standard-Harmoniefolge aufweist.

5.5.1 Die Akkordfolgen bei Birds und Only Teardrops • Birds hat mit seinen unterschiedlichen Parts zwar überwiegend Vier-Takt-Einheiten, jedoch wechseln die Harmonien als solche von Teil zu Teil grundlegend und in den einzelnen Teilen radikal:

Fazit und Diskussion

Strophe : Aism /H Aism /H Aism /H

357

/ Gism / Gism / Gism

Refrain: A / Dm G / A / Dm G / A A/g / F G / Bridge: D E

/ Cm / A

/ D / D

/ E / E / E

/ / /

/ Cm / Fis

/ //.

E7

F

• Only Teardrops ist ebenfalls nicht konsequent auf einer konstant gleichbleibenden, viertaktigen Harmoniefolge aufgebaut. Dieses Stück hat aber eine Abfolge, die zumindest durchgehend auf einem gleich bleibenden Akkordvorrat beruht, da die vier im Refrain vorkommenden Harmonien einer Mischung aus den in der Strophe und im PreChorus vorkommenden Akkorden entsprechen. Allerdings sind sie dort noch in unterschiedliche zweitaktige Einheiten aufgeteilt: Strophe: Am Am

F F

PreChorus: F F F F

/ /

C C

/ / / /

Am Am Am F

/ /

G G G

/ / /

/.

Im Refrain findet sich dann die komplette Verbindung aller Harmonien, jetzt in viertaktiger, standardisierter Wiederholung: Refrain: Am Am

/ /

F F

/ /

C C

/ /

G G

/ /.

Bei Only Teardrops zeigen sich damit eher konstant durchlaufende und gleich bleibende Harmonien. Die ganz andersartige Bewertung von Birds im Vergleich zu Only Teardrops dürfte auch damit zusammenhängen.

5.5.2 Stichprobenuntersuchung in Bezug auf konstante Harmoniefolgen Um hier jenseits eines Wettbewerb wie den ESC eine weitere Überprüfung der Hypothese bezüglich der Attraktivität von konstant durchgehaltenen Harmoniefolgen zu bekommen, wurde 2013 noch ein stichprobenartiger Blick in die aktuellen Hitparaden unternommen. In den insgesamt 22 aufgelisteten Nationen der interna-

358

Warum Hits Hits werden

tionalen iTunes-Charts vom 5. Juli dieses Jahres, also wenige Wochen nach dem ESC Finale 2013, zeigen sich dort als herausragend erfolgreiche Songs die beiden Titel • Blurred Lines von Robin Thicke feat. T.I. & Pharrell 18x in den Top Ten, davon 6x auf dem ersten Platz, und • Wake Me Up von Avicii 15x in den nationalen Top Ten-Notierungen, davon 10x auf dem Spitzenplatz Eins (iTunes Store 2013: online). Wenn dann unabhängig von Stilistik und anderen Merkmalen bei diesen – gleichermaßen global erfolgreichen – Songs das Augenmerk vor allem auf konsequent durchgehaltene Harmonieabfolgen gerichtet wird, ergibt sich folgendes bemerkenswertes Bild: Blurred Lines basiert auf einer einzigen Harmonieverbindung mit der achttaktigen Folge G / G / G /G / D / D / D / D ://. Diese Abfolge wird nicht ein einziges Mal verändert, variiert oder aufgebrochen, sondern verbleibt konstant als harmonische Blaupause, mit einer Länge von jeweils 16 Sekunden pro Durchlauf, unter der gesamten Song-Komposition. Wake Me Up zeigt ein sehr ähnliches Bild, allerdings ist hier die wiederholende Harmoniefolge (eine Moll Pop-Formel) gerade mal zwei Takte lang: Hm

G

/

D

(D/a)

://.

In diesem Song wird diese zweitaktige Folge, die hier jeweils kaum noch vier Sekunden lang ist, beachtliche 62 Mal wiederholt – aber wiederum, ohne dass irgendwelche Variationen, Einschübe oder Erweiterungen eingebracht werden. Die einzelnen Parts sind dabei durchgehend in einheitlich gegliederte Vierer-Einheiten aufgeteilt, mit Ausnahme des einleitenden Intros, das sich aus nur zwei zweitaktigen Akkordabfolgen zusammensetzt. Ein weiterer interessanter Einblick in die Attraktivität von konstanten Harmonieformeln ergibt sich beim Blick auf den Eurovision Song Contest 2014 und die dortigen Siegerplätze. Wäre es nach dem Votum der bundesdeutschen Jury gegangen, hätte der Titel aus dem Gastgeberland Dänemark Cliché Love Song, interpretiert von Basim, klar gewonnen: Einhellig vergaben alle fünf Mitglieder dieser Expertenrunde, die neben dem Televoting durch die Zuschauer immerhin für eine entscheidende Hälfte der Bewertungen aus der Bundesrepublik standen, bei diesem Titel jeweils die höchste Punktzahl – eine Einmütigkeit, die es sonst bei keinem anderen Platz gab. Wenn, dann mit Ausnahme des zweiten Platzes, wo immerhin noch vier der fünf Juroren einer Meinung waren und jeder für sich die zweithöchste Punktzahl vergab (Scoreboards Germany 2014: online). Mit einem Blick auf die harmonische Grundlage des Stückes aus Dänemark lässt sich dort eine typische Four Chord-Formel erkennen, die nahezu unverändert den ganzen Song über

Fazit und Diskussion

359

durchgehalten wird. Nur einige als Prägestempel verwendete zusätzliche Takte vor den beiden Refrain-Parts und ein späterer, akkordisch leicht abgeänderter Einschub durchbrechen bzw. variieren die achtzehnmalige und ansonsten durchgehende Abfolge der charakteristischen viertaktigen Abfolge: Es

/ B (bzw. Gm in den Strophen)

/

Cm

/

As

://

/ G (Em)

/ Am

/

F

://.

in C-Dur: C

Doch während es bei diesem Stück – im wahrsten Sinne des Wortes ein ClichéSong – nur für einen neunten Platz reichen sollte, schafften es anderen Stücke, die beiden begehrten Sieger-Positionen zu erreichen. Dort platzierten sich auf • Eins als Beitrag aus Österreich die bärtige Interpretin Conchita Wurst mit Rise Like A Phoenix und daneben auf • Platz Zwei das Duo The Common Linnets mit Calm After The Storm, der ESCSong für 2014 aus den Niederlanden. Wie bei Anouk wurde auch dieses Stück nicht per Publikumsbefragung ausgewählt, sondern man ließ den erneut von einer Radiostation ausgewählten Künstlern bei der Auswahl völlig freie Hand. Diese beiden Titel sind recht unterschiedlich angelegt – und so auseinandergehend sind auch ihre jeweiligen Bewertungen und Kritiken. Bei der Travestiekünstlerin Wurst alias Tom Neuwirth liegt der Tenor der Rezensionen fast ausschließlich auf Toleranz und Veränderung der moralischen Einstellung, womit deutlich werde, dass der Sieg der bärtigen Dragqueen Conchita Wurst mehr sei als nur ein musikalischer Triumph (Presseschau Europa 2014: online). Von überall her käme Zustimmung, wohl nicht nur von den homosexuellen ESC-Fans, sondern auch von vielen, die sich selber als Unterdrückte, Kämpfer und Andersartige empfinden: „Conchita Wurst schaffte es so, zumindest in diesem Jahr dem Eurovision Song Contest eine Bedeutung einzuverleiben, die weit über die Unterhaltungsaspekte von Musik hinausgeht“ (Kloes ESC 2014: online). Aber auch in Bezug auf die Musik beeindruckte das Stück, wo doch in dieser „pompösen Ballade“ schon der Titelsong für die nächste James-Bond-Verfilmung vermutet werden könnte (Müller 2014: online). Das schon fast orchestral arrangierte Rise Like A Phoenix wirkt im Aufbau zwar recht übersichtlich gehalten mit der Strukturabfolge Intro Strophe Refrain Strophe Refrain Bridge Refrain Outro

360

Warum Hits Hits werden

allerdings ist – in unterschiedlicher Ausführung – im Übergang von den Strophen hin zum Refrain jeweils eine Art mehrtaktiger PreChorus integriert. Und die Strophen selbst sind in Länge und Harmonisierung deutlich voneinander abweichend angelegt, was die Struktur in ihrer Einheitlichkeit stark aufbricht. Völlig anders zeigt sich dagegen Calm After The Storm: Eine extrem zurückhaltende Gitarrenbegleitung im Country&Western-Style bildet den Hintergrund für eine durchgehend zweistimmig geführte Gesangslinie, die in einer straff strukturierten Abfolge eingebettet ist: Intro (2 Takte) Strophe Strophe Refrain Strophe Strophe Refrain Refrain Solo (Instrumental) Strophe (Abschluss durch Break) Refrain Outro (4 Takte).

Alle Teile dieses Stückes, bis auf das Intro und Outro, basieren dabei auf einer insgesamt zehnmal dargebotenen, unveränderten achttaktigen Harmonieabfolge. Es ist eine leicht verkürzte Turn Around-Formel mit jeweils verdoppelten Akkorden, bei der aber, ähnlich wie bei One von U2, als vierte Harmonie nicht die Dominante EsDur, sondern bereits wieder die Tonika As-Dur auftritt: As / As /

Fm / Fm

/ Des

/ Des

/ As

/

As ://

(Standard-Turn Around:) As

/

Fm

/

Des

/

Es

://

/

Am

/

F

/

G

://.

in C-Dur: C

Durch die gnadenlos monotone Akkord-Abfolge hebt sich der Refrain bei diesem Stück fast nur noch durch den wiederholten Text von den Strophen ab. Dennoch gab es aber für die Common Linnets beispielsweise aus Deutschland die Höchstzahl an Punkten, da hier im Gegensatz zu dem Song aus Österreich sowohl die Jurywertung als auch das Televoting besonders positiv ausfiel. Etwas, was sich nach dem Wettbewerb auch an den Verkaufszahlen festmachen ließ: „Die Single schoss direkt auf Platz 2 der deutschen iTunes-Charts und ist dort sogar erfolgreicher als der Gewinner-Titel. Auch das dazugehörige Debütalbum ist in den iTunes-Charts auf Platz 2 geklettert und steht auch in den Amazon-Charts auf Platz 2!“ (OTS 2014: online).

Fazit und Diskussion

361

Bemerkenswert ist es dann, wie unterschiedlich auch offizielle Experten-Gremien auf die beiden Sieger-Stücke reagierten. So gab es im Rahmen der seit 2002 vergebenen drei Marcel Bezençon Awards, die jedes Jahr unabhängig von der sonstigen Platzierung innerhalb der Finalisten-Titel ausgelobt werden, für Conchita Wurst den Press Award. Mit ihm zeichneten die Medienvertreter den Interpreten aus, der mit seiner Darbietung besonders viel Aufsehen erregen konnte. Die beiden, sehr viel mehr auf das eigentliche Stück und dessen musikalische Interpretation bezogenen Auszeichnungen Composer Award und Artistic Award wurden dagegen an Common Linnets und ihren Song verliehen. Ein Vorgang, der auch in den zugehörigen Kommentaren etwa eines „Itsallaboutmusic“ vehemente Unterstützung fand: „Congratulations to the composers and artists of Calm After The Storm. The best Song of this year. I hope you'll get an release, and with that success, in America“ (Roxburgh 2014: online). Damit zeigt sich, dass auch bei einem Wettbewerb wie dem ESC offensichtlich einige Songs eine extrem hohe Wiederholungsrate von harmonisch gefälligen Akkordfolgen haben, die sie dann weitgehend unverändert im Songverlauf beibehalten. Monotonie und gleichmäßiger Fluss unterstützen hier das insgesamt große Gefallen an diesen Stücken und eine damit verbundene spätere hohe Resonanz und Konsumbereitschaft bei den Hörern dieser Musik.

5.6 Zusammenfassung und Fazit Was können nun all die Ergebnisse und Auszählungen zur Klärung der Frage beitragen, wie denn ein erfolgreiches Popmusik-Stück zu gestalten ist – was macht Hits zu Hits? Zu diesem Zweck wurde zuerst aufgezeigt, dass – ausgehend von Analysen, Praxisanleitungen, Lehrbüchern und Songwriter-Schulen – Popmusik in einzelne Kategorien und Segmente einteilbar ist, aus denen Vorgaben und Maßeinheiten ableitbar sind. Es lassen sich damit bereits einige geradezu verpflichtende Bedingungen für die Kreativen im Produktionsprozess abbilden. Daneben gibt es jedoch auch eine Anzahl halbvariabler Aspekte und vor allem variabler Faktoren, die eine rein schablonenartig und damit einhundertprozentig garantiert erfolgreiche Herangehensweise an eine Hit-Produktion verhindern. Die Frage, ob ein bestimmtes, frisch produziertes Werk ein Hit wird oder nicht, ist also allein von diesen Ableitungen her nicht endgültig und eindeutig zu beantworten. Doch andererseits zeigt diese Aufzählung von Häufigkeiten und Unterschieden, dass mit hoher Sicherheit gesagt werden kann, ob und wann solch ein Song KEIN Hit wird: Denn eine Reihe von charakteristischen Merkmalen müssen offensichtlich einfach vorliegen bzw. erfüllt sein, ansonsten passt das Stück nicht in das fest gefügte Bild, dass die invariablen und nicht zuletzt auch die halbvariablen

362

Warum Hits Hits werden

Parameter bilden. Und wenn Erfolg damit also nicht unbedingt sicher voraussagbar ist, der wahrscheinliche Nicht-Erfolg zeichnet sich darüber umso deutlicher ab. Doch ein Popmusik-Produzent hat eben auch kreative Freiräume, in denen er arbeiten kann – und muss. Denn bei einer beispielsweise eins-zu-eins original übernommenen Gesangsmelodie würde er zur Rechenschaft gezogen werden und große Probleme wie eine – nicht zuletzt finanziell – desaströse Plagiatsklage auf sich zukommen sehen. Als Melodie definiert die Rechtsprechung mit Bezug auf den Melodienschutz dabei eine Tonfolge, die einem Werk seine individuelle Prägung gibt. Solch eine Melodie darf nicht erkennbar einem Werk entnommen und einem neuen zugrunde gelegt werden, wobei es gleichgültig ist, ob „ein, vier oder sieben Takte einem geschützten Werk entnommen und in einem neuen verwendet werden“ (Gema Recht&Politik 2013: online). So wie der Komponist also im Melodikbereich einerseits sogar unbedingt eigenständig und eigenschöpferisch zu bleiben hat, so limitiert und an strikte Vorgaben gebunden ist er in vielen anderen Bereichen und Bezügen. Selbst bei der besagten Gesangslinie hat er, bei allem Drang und Zwang zur kreativen Innovation, sich an ein rigide vorgegebenes Korsett zu halten, das in diesem Fall Dur- oder Moll-Tonleiter heißt und nur minimale Varianz in einigen wenigen umspielenden Nebentönen oder harmonisch bedingten Zusatztönen erlaubt. Ein grundlegendes Ausbrechen aus einer einmal vorgegebenen Song-Tonart ist in einem Hit-Song entsprechend kaum möglich und ein ernsthaftes Verlassen der diatonischen Welt mit ihren Halbtonschritten schon gar nicht mehr denkbar. Zu den weiteren Vorgaben gehören dann auch ein durchgehender rhythmischer Puls, der möglichst im 4/4 Takt schlagen sollte. Und schließlich – in der Praxis unabdingbar – eine rundherum technisch perfekt produzierte und mit größtem Aufwand auf Höchstglanz polierte Studio-Aufnahme des musikalischen Geschehens. Erst nach solchen strikten Regularien gelangen die Kreativen zu den mehr oder weniger frei nutzbaren und gestalterischen Variablen, zu denen etwa Tempo des Stückes, der Zeitpunkt vom Einsatz des Gesangs innerhalb eines Songs oder auch die Anmutung der jeweiligen Performer zählen. Aber spätestens die Betrachtung der Harmonik macht den schmalen Grat deutlich, auf dem ein Pop-Produzent bei seiner Arbeit hin zum Erfolg fortwährend gezwungen ist zu balancieren. So sind in der akkordischen Begleitung eines Songs nur wenige Klänge – und die noch möglichst konsequent und unablässig wiederholt – mit wiederum nur wenig Spielraum innerhalb des zugehörigen diatonischen Tonraums einsetzbar. Wobei hier immer vorausgesetzt ist, dass das besagte Produkt einer möglichst großen Masse von Hörern gefallen und damit in einem kommerziellen Verbreitungssinne erfolgreich und populär sein soll. Großes Interesse und gelegentliche positive Zustimmungen mögen auch ausgefallenere, komplexere und tonal sich vom Grundton weiter entfernende Akkord-Verbindungen erhalten. Aber für ein konse-

Fazit und Diskussion

363

quentes Stürmen der Hitparade sind sie abträglich, sie sind damit eher sogar ein klarer Grund für das Scheitern dieser Absichten. Dies nachzuweisen war ein vorrangiger Grund für die vielfältigen Befragungen, Hautspannungsmessungen und fMRI-Aufnahmen im zweiten Untersuchungs-Durchgang dieser Arbeit. Und das Ergebnis dabei kann als eindeutig eingestuft werden: Nur bei • einigen, wenigen Harmoniekombinationen • mit entsprechend dazu konsonierenden, diatonisch angelegten Melodien und • verbunden mit einem durchgehend pulsierenden Rhythmus wird eine weitestgehend positive Gefallensbekundung hervorgerufen. Sobald aber beispielsweise der enge, vorgegebene Kadenzraum mit seinen Parallelen verlassen wird, sinkt die zustimmende Bewertung sofort zu deutlich negativeren Werten. Geradezu dramatisch steigt die Ablehnung, wenn der tonale Bezug völlig aufgegeben und in freien Klangräumen gearbeitet wird. Wenn dann noch auf einen rhythmischen Grundpuls verzichtet wird, ist die Grundlage für eine breite, gefühlsmäßige praktisch Zustimmung entzogen und nicht nur die Zustimmung sinkt, sondern vor allem steigt die Ablehnung massiv. Ein populärer Hit, ein Teil der erfolgreichen Popmusik, wird ein ein solches Musikwerk wohl niemals werden können. Dass auch die bekanntesten Künstler, versehen mit nahezu unbegrenzten Geldmitteln und Medienzugängen aller Art, hier schon an ihre Grenzen gestoßen sind, mag als ein historischer Beleg das kurzlebige Bestehen des Beatles-Label Zapple Ende der sechziger Jahre sein. Auf diesem, bewusst als konsumerfreundlichen Niedrigpreis-Shop konzipierten Ableger des Beatles-Konzerns Apple sollten ursprünglich weniger Musik-Produktionen, sondern vor allem reine Sprach-Aufnahmen veröffentlicht werden. Doch als einzige Veröffentlichungen erschienen schließlich zwei Avantgarde-Musikproduktionen von Beatles-Musikern. Aber sowohl eine skurrile Collage-Sammlung von John Lennon als auch ein reines Synthesizer-Werk von George Harrison konnten dort nicht ansatzweise ernsthafte Popularität und irgendwelchen kommerziellen Erfolg erlangen – mit dem Ergebnis, dass 1969 schon nach wenigen Monaten der gesamte Betrieb dieses Labels zugunsten der gängigen und enorm erfolgreichen Haupt-Veröffentlichungen aus dem Mutterhaus wieder eingestellt wurde (Peel 2002: 36). Heute sind diese Produktionen selbst den eingefleischtesten Beatles-Fans nur noch in Ausnahmefällen überhaupt bekannt. Und ähnlich wie die Beatles damals ist auch heute ein moderner Produzent – bei kommerzieller Ausrichtung seines Tuns – in äußerst engen Vorgaben geradezu gefangen. Dies ist nicht einfach nur eine Frage des individuellen Geschmacks, sondern ist offenbar tief in der menschlichen Psyche und Physis des Menschen angelegt: Beispielsweise rufen – nur – bestimmte tonale Kombinationen bei vielen Hörern positive Gefallensäußerungen hervor und aktivieren deren Belohnungssystem im Gehirn. Und nicht zuletzt diese wohligen Reaktionen führen letztendlich zu

364

Warum Hits Hits werden

dem, was wir in den weltweiten Hitparaden vorfinden: Smash-Hits, die diskussionslos bestimmte Bedingungen bei der Komposition und Produktion einhalten – und damit eine enorme Resonanz und Konsumbereitschaft hervorrufen. Zusätzlich zeigen die Untersuchungsergebnisse, dass wir Hörer eben sehr wohl bereit sind abzulehnen: Auf etwas, was uns nicht gefällt und was wir als nicht wohlig-harmonisch einordnen, reagieren wir mit Ablehnung – selbst wenn wir es vielleicht irgendwie interessant finden. Bei dem Run auf den nächsten Top-Platz in den Charts werden daher also alle die Produkte scheitern, die drastische Abweichungen oder gar einen Ausbruch aus den üblichen Harmonie-, Rhythmus- und Produktions-Konventionen einbringen wollen. Dort abweichende Modelle haben im kommerziellen Wettstreit um die begehrten obersten Hitparaden-Notierungen angesichts einer wohl gefallenden Konkurrenz eindeutig weniger Chancen. Dieser Umstand offenbart damit das fast tragische Schicksal der hier beruflich engagierten Kreativen: Die – auf eine breite Mehrheit bezogen – festgelegten Rezeptionswünsche zwingen sie zu einer wieder und wieder gleichartigen Produktform, die sich auf lange Sicht sogar eher noch mehr darauf reduzieren und fokussieren dürfte. Eine dem entgegengesetzte künstlerische Ausweitung und Befreiung durch neue bzw. andersartige tonale Konstrukte ist daher nicht nur nicht zu erwarten, sondern im Gegenteil aus sich heraus praktisch ausgeschlossen. Es werden im Bereich Popmusik daher auch zukünftig größtenteils Produkte angeboten werden, die sich voneinander eher in Punkten wie Sound-Anmutung, Gesangs-Timbre, und rhythmische Detailarbeit, aber eben nur über – leicht – variierte Kadenz-AkkordFormeln unterscheiden werden. Die Songs der Popmusik werden also erfolgreich, weil die emotional geleiteten Rezipienten es mehrheitlich genau so für gut befinden – und damit auch die Machart der weiterhin kommenden Stücke vorgeben. Entsprechend bilden sich bestimmte handwerkliche Anforderungen heraus für einen Popmusik-Produzenten, der sich erfolgreich im Geschäft etablieren oder halten will: • In perfekter Klangqualität hat er ein immer wieder verändertes Soundgewand zu designen und • dabei auf die nahezu immer gleichen und nur unwesentlich veränderten Harmonie-Folgen jeweils angepasste und neu gestaltete Gesangs-Melodien zu erfinden. • Diese müssen verbunden werden mit aktuell zusammengestellten Textversen • und einem dem Produkt angepassten pulsierenden Rhythmus-Arrangement. • Den Song gilt es anschließend mit zeitgemäßem und etwas unkonventionellem Image inklusive entsprechendem CD-Cover nebst Video-Clip auszustatten und für ein möglichst vielfältiges Echo in den Medien und den aktuellen sozialen Netzwerken zu sorgen. Im konkreten Alltag bedeutet das, das hier ein Produzent bzw. sein Team über eine extreme Motivation und einen schier unbegrenzten Arbeitswillen verfügen muss:

Fazit und Diskussion

365

In mühevoller und zeitintensiver Arbeit muss er immer neue ausdrucksstarke Sänger als Interpreten finden, packende Melodien für sie schreiben und kreativ erfinderisch sein mit den nur so wenigen zur Verfügung stehenden Akkordfolgen. Gleichzeitig ist ein kompetenter Zugriff auf hochwertigste Studio-Technik notwendig – und nicht zuletzt müssen dann noch genügend Kontakte und Geschäftssinn zum Absatz der eigenen Produkte vorhanden sein. Alles unabdingbare Stationen auf dem langen Weg hin zum Erfolg, den bis zum Ende zu gehen entsprechend nur wenige in der Lage sind und sein werden. Nur zu verständlich ist es dann, dass die Kreativen im Falle eines Erfolges, getreu dem einmal gefundenen Erfolgsrezept, möglichst konsequent den daraufhin eingeschlagenen Weg weiter verfolgen. Jegliche Art von Veränderung wird bei ihnen dann nur noch mit äußerster Vorsicht und Sensibilität angegangen. Konsequenterweise wird dann das Bewährte bevorzugt – womit sich ein Kreis von verblüffend selbstähnlichen Wiederholungen bildet, die sich durch minimale Variationen und eher durch Reduktionen als durch ausweitende Entwicklungen auszeichnen. Und die Hörer, auch wenn sie immer neue Produkte erwarten, bestehen letztendlich auf wohl(ig) bekanntem Material – in zeitgerecht abgeänderter Verpackung. Nur dann sind sie bereit, es zum Zwecke des Wohlfühlens zu erwerben. Auf diese Weise hat sich ein vitaler und nicht enden wollender dynamischer Wechselwirkungsprozess zwischen Produzent und Rezipient entwickelt, der mit seinen oftmals nur minimalen evolutionären Schritten nun schon seit vielen Jahrzehnten wirksam ist und vermutlich auch noch lange weiterhin Bestand haben wird. Getreu den beiden Maximen, die bereits vor Jahrzehnten im legendären Rocklexikon zu finden waren: It´s Too Late To Stop Now & The Beat Goes On! (Schmidt-Joos 1973: 21)

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Warum Hits Hits werden

Dank geht an: • Prof. Jürgen Fohrmann, Rektor der Universität Bonn, für Kontakte und Vermittlung • Die Mitarbeiter von der Abteilung "Differentielle & Biologische Psychologie" der Universität Bonn mit Prof. Martin Reuter, Prof. Christian Montag, Dr. Peter Trautner und Elisa Kreienkamp • Die Studenten aus dem musikwissenschaftlichen Bachelor-Modul „Musik in der Gegenwartskultur“ des Sommer Semesters 2012 an der Uni Bonn • Michael Schwall, Musiklehrer am Gymnasium Hennef, und seine Schüler am Gymnasium Hennef im Dezember 2012 • Die vielen Freiwilligen, die sich als Probanden einer rund zweistündigen MRTSession unterzogen haben und geduldig Fragen beantwortet haben • Ralph Voggenreiter vom Voggenreiter Verlag für finanzielle Unterstützung • Daniel Kramarz für die Studio-Produktion der Beispiel-Samples • Gregor Kess für die Einspielung der Klavier-Parts in den Beispiel-Samples • Maarten van der Kamp für das Coverfoto mit Donata • Alexander Masch und das Team vom transcript-Verlag • Manuel Reuter für das offene Gespräch mit vielen wertvollen Hinweisen • Gabriele für fortwährende Unterstützung • Meine Kinder: Daniel für fachliche Beratung, David für Rückhalt und Donata für Tipps und Rückmeldungen • Meine Kater John und Paul, die mir so oft behagliche Gesellschaft leisteten in den langen Stunden vor dem Bildschirm

Studien zur Popularmusik Susanne Binas-Preisendörfer Klänge im Zeitalter ihrer medialen Verfügbarkeit Popmusik auf globalen Märkten und in lokalen Kontexten 2010, 280 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN 978-3-8376-1459-6

Christa Brüstle (Hg.) Pop-Frauen der Gegenwart Körper – Stimme – Image. Vermarktungsstrategien zwischen Selbstinszenierung und Fremdbestimmung Dezember 2014, ca. 300 Seiten, kart., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2774-9

Christina M. Heinen »Tief in Neukölln« Soundkulturen zwischen Improvisation und Gentrifizierung in einem Berliner Bezirk 2013, 350 Seiten, kart., 33,80 €, ISBN 978-3-8376-2321-5

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Oliver Seibt Der Sinn des Augenblicks Überlegungen zu einer Musikwissenschaft des Alltäglichen

Fernand Hörner, Oliver Kautny (Hg.) Die Stimme im HipHop Untersuchungen eines intermedialen Phänomens

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Zombies Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 1/2014

Mai 2014, 120 Seiten, kart., 14,99 €, ISBN 978-3-8376-2689-6 Der Befund zu aktuellen Konzepten kulturwissenschaftlicher Analyse und Synthese ist ambivalent. Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften bietet eine Plattform für Diskussion und Kontroverse über »Kultur« und die Kulturwissenschaften – die Gegenwart braucht mehr denn je reflektierte Kultur sowie historisch situiertes und sozial verantwortetes Wissen. Aus den Einzelwissenschaften heraus wird mit interdisziplinären Forschungsansätzen diskutiert. Insbesondere jüngere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen kommen dabei zu Wort. Wenn die Toten zum Leben erwachen: Die Figur des Zombie ist nach wie vor populär. Aber was genau ist ein Zombie und woher rührt seine Faszinationskraft? Das aktuelle Heft der ZfK geht dem auf den Grund. Lust auf mehr? Die ZfK erscheint zweimal jährlich in Themenheften. Bisher liegen 15 Ausgaben vor. Die ZfK kann auch im Jahresabonnement für den Preis von 25,00 € (international 30,00 €) bezogen werden. Bestellung per E-Mail unter: [email protected]

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