Impropreneurship : Wie Improtheater hilft, ein erfolgreicher Entrepreneur zu werden [1. Aufl.] 9783658303549, 9783658303556

In diesem Buch erfahren Sie, wie Sie sich mithilfe des Improtheaters bereits im Vorfeld auf die Selbstständigkeit einste

296 66 2MB

German Pages XV, 250 [261] Year 2020

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Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XV
Einleitung (Gökşen Meine, Florian Sußner)....Pages 1-8
Begriffsbestimmung – Improvisationstheater und Entrepreneurship (Gökşen Meine, Florian Sußner)....Pages 9-20
Angst und Mut bei der Gründung (Gökşen Meine, Florian Sußner)....Pages 21-49
Gründung und Business (Gökşen Meine, Florian Sußner)....Pages 51-97
Die besten Übungen für … (Gökşen Meine, Florian Sußner)....Pages 99-110
Übungsfundus (Gökşen Meine, Florian Sußner)....Pages 111-221
Der Fragebogen (Gökşen Meine, Florian Sußner)....Pages 223-246
Impropreneurship – Das grandiose Finale oder „kurz bevor der Vorhang fällt“ (Gökşen Meine, Florian Sußner)....Pages 247-248
Back Matter ....Pages 249-250
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Impropreneurship : Wie Improtheater hilft, ein erfolgreicher Entrepreneur zu werden [1. Aufl.]
 9783658303549, 9783658303556

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Gökşen Meine · Florian Sußner

Impropreneurship Wie Improtheater hilft, ein erfolgreicher Entrepreneur zu werden

Impropreneurship

Gökşen Meine · Florian Sußner

Impropreneurship Wie Improtheater hilft, ein erfolgreicher Entrepreneur zu werden

Gökşen Meine Oberasbach, Deutschland

Florian Sußner Nürnberg, Deutschland

ISBN 978-3-658-30354-9 ISBN 978-3-658-30355-6  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-30355-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Korrektorat und sprachliche Bearbeitung: Ute Flockenhaus Planung/Lektorat: Ann-Kristin Wiegmann Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Danksagungen

Dieses Buch wäre ohne die Unterstützung von vielen großartigen Menschen nicht entstanden. Wir möchten uns daher noch einmal namentlich bei diesen bedanken. In erster Linie gilt unser großer Dank unseren Partnern und Familien, die uns stets geduldig zur Seite standen und uns den nötigen Freiraum für dieses Projekt gegeben haben. Wir danken Dr. Florian Roski, der Ideengeber für den Begriff „Impropreneurship“ war. Weiterhin möchten wir unseren Probelesern Dr. Christian Sußner, Christopher Pfennig, Jörg Reisner und Thor van Horn für ihre wertvollen Inputs und die vielen hilfreichen Anmerkungen danken. Ohne den rechtlichen Support von Dr. Christian Sußner wäre wohl einiges nicht so leicht und unkompliziert verlaufen. Auch gilt unser Dank folgenden Kollegen, die uns mit Ideen und Tipps hinsichtlich der Verlagssuche sehr geholfen haben: Ralf Schmitt, Dominic André Stühler, Felix Beilharz und Michael Hübler. Ferner sind wir unserer Lektorin Ute Flockenhaus sehr dankbar, die dem Buch den letzten professionellen Schliff gab. Auch möchten wir uns bei all den Improkollegen bedanken, die sich die Zeit genommen haben, an der Umfrage mitzumachen. Ihre Rückmeldungen bilden quasi den Tenor des gesamten Buches. Aber V

VI      Danksagungen

auch allen anderen Improkolleginnen und Improkollegen, die wir in den letzten Jahren kennenlernen und mit denen wir gemeinsam auf der Bühne stehen durften, gilt unser herzlichster Dank. Nur durch das wechselseitige Spiel und die Möglichkeit, mit ihnen zusammen das große Wunder „Improtheater“ tatsächlich aktiv zu erleben, konnten wir uns die von uns vertretene Grundhaltung überhaupt erst zulegen. Natürlich möchten wir uns auch bei unseren Kunden aus der Gründungsberatung bedanken, die nicht nur im Buch als Beispiele eingeflossen sind, sondern die uns auch dabei geholfen haben, den Blick auf die Ängste und Nöte von Start-ups zu richten und diese besser nachvollziehen zu können. All diese Menschen haben uns inspiriert und ihren Teil dazu beigetragen, dass Sie, liebe Leserin und lieber Leser, nun dieses Buch in den Händen halten.

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1 1.1 Von der Idee zum Buch 2 1.2 Für wen ist dieses Buch 3 1.3 Wie nutzen Sie das Buch? 5 2 Begriffsbestimmung – Improvisationstheater und Entrepreneurship 9 2.1 Was ist Improvisationstheater? 9 2.1.1 Seit wann gibt es Improvisationstheater? 10 2.1.2 Welche Form von Improvisationstheater gibt es? 11 2.1.3 Improvisation im Theater und darüber hinaus 12 2.1.4 Individueller Benefit 16 2.1.5 Teamvorteil 17 2.2 Was ist ein Entrepreneur? 17 Literatur 20 3 Angst und Mut bei der Gründung 21 3.1 Was ist eigentlich Angst? 24 VII

VIII      Inhaltsverzeichnis

3.2 Die Angst vor dem Ungewissen 26 3.3 Die Angst vor Fehlern 32 3.4 Die Angst vor dem Scheitern 39 3.5 Die Angst vor Verantwortung 43 Literatur 47 4 Gründung und Business 51 4.1 Gründungsentscheidung treffen 52 4.2 Auftritt und Präsentation: Entspannte Spannung 56 4.3 Business Planning 65 4.3.1 Effectuation 67 4.3.2 Business Model Improv 75 4.4 Unternehmerpersönlichkeit entwickeln 82 4.4.1 Optimismus und Ausdauer 84 4.4.2 Risikobereitschaft und Umgang mit Unsicherheit 86 4.4.3 Entscheidungsfreude, Flexibilität, Kritikfähigkeit 88 4.4.4 Soziale Fähigkeiten und Kommunikation 89 4.5 Teambuilding bei Gründerteams 91 Literatur 96 5 Die besten Übungen für … 99 5.1 Die besten Übungen für Entrepreneurship-Themen 100 5.1.1 Sich auf ein Bankgespräch vorbereiten 100 5.1.2 Seine Geschäftsidee präsentieren (Elevator Pitch) 100 5.1.3 Den Geschäftspartner aus der Reserve locken 101 5.1.4 Als Team zusammenfinden (Vertrauen und Teambuilding) 102 5.1.5 Den Worst Case meistern 102 5.1.6 Positive Energie gewinnen (an schlimmen Tagen) 103 5.1.7 Mehr Einfühlungsvermögen durch Perspektivwechsel 104

Inhaltsverzeichnis     IX

5.1.8

5.2

5.3

Bessere Haltung, Gestik und Mimik (für besseres Auftreten) 104 5.1.9 Die Angst vor der Gründung verlieren (Vertrauen in sich selbst gewinnen, mit Unbekanntem umgehen) 105 5.1.10 Kreativer sein (z. B. für neue Marketingideen) 106 5.1.11 Änderungen im Unternehmen rechtzeitig feststellen 106 Die besten Übungen für Impro-Themen 107 5.2.1 Warm-up (körperlich und mental) 107 5.2.2 Neue Sichtweisen 108 5.2.3 Kreative Lösungsfindung 108 5.2.4 Schlagfertigkeit/Spontaneität 109 5.2.5 Moderation/Präsentation/Bühnenpräsenz 109 Unsere Lieblingsübungen 110

6 Übungsfundus 111 6.1 1-2-3 Shake 111 6.2 Alles mit Allem (AMA) 114 6.3 Assoziative Gedankenkette 116 6.4 Aus der Sicht von … 118 6.5 Berühmtheiten 121 6.6 Das ist Peter 122 6.7 Elevator Pitch 125 6.8 Emotionenquadrat 127 6.9 Experten-Interview 129 6.10 Feste Muster 131 6.11 Figurenroulette 134 6.12 Find a Game 136 6.13 Harold (Einstieg) 138 6.14 Ideen-Café 140 6.15 Ideenkette 143 6.16 Imaginäres Volleyballspiel 145 6.17 Italienische Probe 147 6.18 Kausalkette 149

X      Inhaltsverzeichnis

6.19 6.20 6.21 6.22 6.23 6.24 6.25 6.26 6.27 6.28 6.29 6.30 6.31 6.32 6.33 6.34 6.35 6.36 6.37 6.38 6.39 6.40 6.41 6.42 6.43 6.44 6.45 6.46 6.47 6.48 6.49 6.50

Lebenslauf-Karaoke 151 Leistbarer-Verlust-Auktion 153 Mantras 155 Netzwerk-Aufstellung 158 Neue Wahl 160 Nutze den Gegenstand 162 Podiumsdiskussion mit Konkurrenten 165 Problemwolke 167 Rampenlicht 170 Rollensprung 172 Satz für Satz 174 See them seeing you 176 Shared Space 178 Spitfire 180 Spontanrede 182 Statusmeeting 184 Statusspiel mit Konkurrenten 187 Stimmübungen 190 Stummer Vortrag 192 Supernova 194 Tausend Wahrheiten 196 Vernissage 198 What’s your name?/Improvisiertes Interview 201 Worst Day/Best Day 202 Worst-Case-Szenario 204 Wort für Wort 206 Zeitlupe 208 Zeitlupen-Emotionsaufbau 211 Zeitsprünge 212 Zettelbombardement 215 Zukunftsszenario 217 Zusammenfassendes Zuhören 220

Inhaltsverzeichnis     XI

7 Der Fragebogen 223 7.1 Fazit aus den Fragebögen 224 7.1.1 Aufbau des Fragebogens 224 7.1.2 Zusammenfassung der Antworten und Fazit 226 Literatur 246 8 Impropreneurship – Das grandiose Finale oder „kurz bevor der Vorhang fällt“ 247 Glossar 249

Über die Autoren

Gökşen Meine Trainerin, Coachin, Schauspielerin, Gründungsberaterin. Gökşen lässt sich für ihr Leben gern inspirieren: durch spannende Menschen, Ideen und Geschichten. Und sie liebt es, andere Menschen zu begeistern und mitzureißen – sei es in Vorträgen, in Trainings oder im Gespräch. Ihre Lieblingsthemen hierbei sind Mut, Kreativität und Spontaneität. Sie ist Diplom-Betriebswirtin (FH) mit mehrjähriger Erfahrung im Prozess- und Projektmanagement. Als zertifizierte BusinessTrainerin (ICA) und zertifizierter Coach für Persönlichkeitsentwicklung (HZA), ist sie u. a. mit den Themen „Persönlichkeitsentwicklung & Teamentwicklung“, „Kommunikation & Rhetorik“, „Spontaneität & Kreativität“ sowie „Präsenz & Wirkung“ unterwegs. Gökşen steht seit mehr als 25 Jahren regelmäßig als SchauXIII

XIV      Über die Autoren

spielerin auf der Bühne und ist seit 2003 festes Mitglied der Nürnberger Improvisationstheatergruppe „Volle Möhre! e. V.“. An ihrer alten Hochschule ist sie inzwischen als Lehrbeauftragte tätig und in Kooperation mit der Wirtschaftssozietät „four-quarters“ begleitet sie angehende Unternehmer/innen in die Selbstständigkeit. Gökşen ist Mitglied im „Bund der deutschen Gründungsberater“ und zugelassene Beraterin im Existenzgründerprogramm „Vorgründungs- und Nachfolgecoaching“. Mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt sie im schönen Frankenland. Mehr unter https://www.meineart.training. Florian Sußner  Coach, Trainer, Schauspieler, Gründungsberater, Autor. Florian beschäftigt sich in seiner Arbeit mit Improvisation, Storytelling und Entrepreneurship. Er sucht immer nach neuen Möglichkeiten, diese miteinander zu verbinden. Besonders wenn es interaktiv und partizipativ wird, fühlt er sich zu Hause. https://florian-sussner.de https://freelancers-tales.de An der USC Marshall School of Business ist er Gastdozent für Business Communication. Er ist Dozent für Geschäftsmodellentwicklung an der TH Nürnberg. An der FAU ErlangenNürnberg ist er Dozent für Improtheater. Als Trainer nutzt er die Kraft des ImproWerkzeugkastens und der EntrepreneurshipMethoden. Er coacht zu beruflichen und privaten Themen und ist aktuell in einer Ausbildung zum ICF-zertifizierten Coach.

Über die Autoren     XV

Er ist aktives Mitglied bei 6aufKraut, der drittältesten deutschen Improtheatergruppe. Er stand lange auch beim Texttheater auf der Bühne und entwickelt regelmäßig eigene Improformate. Frühere Stationen beinhalten die Leitung des kaufmännischen Trainingsbereichs eines Sozialunternehmens, Geschäftsführung im Kulturbereich sowie Gründungsberatung auf Deutsch und Englisch. Florian ist außerdem aktuell Co-Unternehmer im Chatbot-Bereich. Er hat Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg studiert. Florian ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und 2 Kindern in Nürnberg. Unsere Webseite: https://impropreneurship.de.

1 Einleitung

Zusammenfassung  Als aktive Improtheater-Schauspieler, die gleichzeitig als Gründungsberater viel mit Jungunternehmern und jungen Gründerteams zu tun haben, stellten wir uns die Frage: Kann man die Fähigkeiten, die man beim Improtheater lernt, nutzen, um ein besserer Entrepreneur zu werden? Und wenn ja, wie? Schließlich muss jeder Jungunternehmer gerade zu Beginn sehr viel improvisieren. Aus diesen Überlegungen heraus ist dieses Buch entstanden, für das wir den großen und bunten Impro-Werkzeugkasten nach Tools und Übungen durchforstet und mit den typischen unternehmerischen Herausforderungen in einen Topf geworfen haben. Als Ergebnis präsentieren wir das Konzept des „Impropreneurs“, also des Entrepreneurs, der Improtheater für sich und sein Unternehmen aktiv nutzt. Improtheater ist als Bühnen- und Übungsform nicht neu und hat auch in Deutschland eine jahrzehntelang gewachsene und vielfältige Szene mit Festivals, Meisterschaften und internationalem Austausch. Dabei schätzen viele nicht nur die Kunstform, sondern auch die positiven Effekte, die Impro-Training für das Individuum und das Team haben kann. Um sich gut auf die Selbstständigkeit oder Unternehmertätigkeit einzustellen, hilft dieses

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Meine und F. Sußner, Impropreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30355-6_1

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Buch dem Entrepreneur, in die vielfältige Welt des Improtheaters einzusteigen und das Beste für seine unternehmerischen Vorhaben herauszuziehen.

1.1 Von der Idee zum Buch Wir erinnern uns noch sehr genau an den Moment, als die Idee für dieses Buch geboren wurde. Wir standen gemeinsam in der Kaffeeküche unseres Gemeinschaftsbüros der Gründungsberatung und stellten etwas Erstaunliches fest: Wir lebten beide in zwei Welten, die sehr unterschiedlich waren: dem Improtheater und der Gründungsberatung. Beide hatten wir das Wissen aus beiden Welten, denn jeder von uns hatte sowohl jahrelange Improtheater-Spielerfahrung als auch ein BWLStudium absolviert. Kurz zuvor hatte ein Kollege in der wöchentlichen Teamsitzung den Begriff „Impropreneurship“ fallen gelassen. Eine Idee war geboren: Wieso nicht diese beiden Welten vereinen? Ist ein Unternehmen zu gründen nicht ein bisschen so, wie auf eine leere Bühne zu treten – ohne Text, ohne Requisiten, ohne Wissen, wohin die eigene Idee einen führen wird, mit dem vollen Risiko des Scheiterns? Und ähneln sich nicht auch die Ängste ein wenig? Die Angst vor dem Unbekannten, vor der Tatsache, dass man spontan sein muss und irgendwie alles davon abhängt, dass man das Richtige sagt und tut, und zwar genau zum richtigen Zeitpunkt? In unserer jahrelangen Spielpraxis haben wir beide allerdings auch die Erfahrung gemacht: Man kann das lernen! – und zwar völlig alters- und berufsunabhängig. Und so entstand der Plan, aus den vielen Übungen und Beispielen des Improtheaters diejenigen herauszufiltern, die bei der Gründung (und auch der Führung) eines Unternehmens helfen können. Denn häufig mangelt es nicht an Ideen für die eigene Unternehmung, sondern an genau der Haltung, die man als Improspieler auf der Bühne an den Tag legt: Spaß an der Herausforderung, der Reiz des Unbekannten, das spielerische Hineinschlüpfen in fremde Rollen, das Vertrauen, dass das Ganze selbst bei Fehlern und H ­ indernissen

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weitergeht. Vielleicht anders als erwartet, aber nicht unbedingt schlechter. Und so möchten wir dazu beitragen, dass die großen Hürden auf dem Weg zum erfolgreichen Unternehmer durch die Elemente des Improtheaters an Schrecken verlieren und sich beide Welten gegenseitig befruchten: Herzlich Willkommen in der Welt von Impropreneurship®!

1.2 Für wen ist dieses Buch Als Gründungsberater arbeiten wir viel mit Menschen, die zum ersten Mal im Leben den Sprung in die Selbstständigkeit wagen. Gerade für jemanden, der 10 oder 15 Jahre lang oder noch länger die Planbarkeit, Vorhersehbarkeit und Sicherheit des Angestelltenverhältnisses genießen konnte, kann dies ein gewaltiger Schritt sein, der große Ängste hervorruft. Wir werden oft von Kunden gefragt, ob ihr Vorhaben überhaupt erfolgreich sein kann bzw. was aus unserer Sicht die entscheidenden Voraussetzungen für den Erfolg sind. Wir versuchen dann zu erklären, dass es natürlich keine hundertprozentige Voraussage geben kann, sondern dass Erfolg immer von vielen Dingen abhängt: von der Unternehmerpersönlichkeit, von den Kontakten, von der finanziellen Ausstattung, dem richtigen Timing und nicht zuletzt von Glück. Aber: Man kann die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass man erfolgreich sein wird. Eine Garantie dafür gibt es leider nicht. Anders formuliert: SIE haben es in der Hand, alles dafür zu tun, dass es mit der Selbstständigkeit, mit dem Unternehmen klappt. In der Arbeit mit unseren Kunden merken wir dann immer wieder, dass es eine Sache gibt, die jeder unmittelbar selbst beeinflussen und gestalten kann: sich selbst. Sie können an Ihrer Wahrnehmung, Ihrem Mindset, Ihren Ängsten, dem eigenen Auftreten, dem Umgang mit Unerwartetem und vielem anderen direkt selbst arbeiten. Es liegt also vor allem an Ihnen, Ihre Erfolgsaussichten zu steigern. Die Redewendung vom Schmied des eigenen Glücks trifft hier voll zu. Aus den Methoden des Improtheaters, die wir aus unserer eigenen Erfahrung als Impro-Schauspieler seit langem nutzen und erproben, ist

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im Lauf der Zeit ein einschlägiger Methodenkoffer entstanden, den wir hier vorstellen. Also: An wen richtet sich dieses Buch? Wer kann mit unserem Methodenkoffer etwas anfangen, wem kann er von Nutzen sein? Dieses Buch haben wir für all diejenigen geschrieben, die gerade begonnen haben, als Entrepreneur, als Selbstständiger, als Unternehmer oder als Existenzgründer tätig zu sein. Es wendet sich auch an alle, die schon länger auf eigene Faust tätig sind und sich weiterentwickeln wollen oder neuen Input suchen, um ihren unternehmerischen Horizont zu erweitern. Es ist auch für all diejenigen interessant, die sich auf die Methoden des Improtheaters einlassen wollen und die Bereitschaft mitbringen, an sich zu arbeiten und etwas Ungewöhnliches zu versuchen. Letztendlich bietet dieses Buch Impulse für alle, die als Entrepreneur erfolgreich sein wollen und daran glauben, dass sie selbst viel zum Gelingen ihres Vorhabens beitragen können. Was wir schreiben, ist also querbeet für alle gedacht, die in der großen, aufregenden Welt der Unternehmen unterwegs sind. Ihnen gemeinsam ist die unternehmerische Haltung. Sie wollen – in welcher Branche auch immer – ein Produkt oder eine Dienstleistung vermarkten und damit ihren Lebensunterhalt bestreiten, zumindest zum Teil. Sie wollen dafür kämpfen, dass sie mit ihrem Vorhaben erfolgreich sind. Und sie wollen auf ihrem Weg viel lernen, viel Spaß haben, viele neue Menschen treffen und letztendlich eine Zeit erlebt haben, über die sie später sagen: Das war großartig! Die Übungen in diesem Buch sind so gewählt, dass sie auch für Improtheater-Unerfahrene leicht nachzuvollziehen und durchzuführen sind. Unser Fokus beim Schreiben galt stets dem praktischen Nutzen für den Leser. Wir wollten kein theoretisches Fachbuch über die Bereiche Gründung und Improtheater schreiben, sondern wir möchten eine Brücke zwischen diesen beiden Welten bauen und mit den passenden Übungen einen Mehrwert für den Leser schaffen. Noch ein Wort zur weiblichen und männlichen Schreibweise: Wir haben der besseren Lesbarkeit halber die männliche Form gewählt, denken dabei die weibliche aber immer mit. Wir glauben an die

1 Einleitung     5

Gleichberechtigung, und gerade für junge Unternehmerinnen und Unternehmer sollte dies selbstverständlich sein – allein schon weil die wenigsten Geschäftsmodelle nur auf Männer oder Frauen abzielen. Für wen ist dieses Buch nicht (primär)?

Der Titel dieses Buches ist zweideutig. „Impropreneurship“ ist so gemeint: Impro-Methoden für Entrepreneure und nicht so: Entrepreneurship für hauptberufliche Improspieler. Alle hauptberuflichen Improspieler werden in diesem Buch nur wenig Neues über das Improtheater finden. Sie werden sicherlich Anregungen erhalten, wie sie sich als Entrepreneure besser aufstellen können – dabei aber nur wenig lernen, das sie nicht zumindest unbewusst schon richtig machen. Bestenfalls werden sie erkennen, wie viel ihres Impro-Wissensschatzes sie jetzt schon zu gut aufgestellten Entrepreneuren macht. Dieses Buch wendet sich auch nicht in erster Linie an Menschen, die auf jeden Fall in der Festanstellung bleiben wollen und damit zufrieden sind (wobei es auch für diejenigen interessante Aspekte geben könnte, z. B. zum Thema Auftreten). Diejenigen, die (vielleicht aus eigener schmerzvoller Erfahrung) glauben, dass die Selbstständigkeit nur mit Aufopferung und Selbstausbeutung einhergehen kann, wollen wir nicht missionieren (naja, höchstens ein bisschen). Wir freuen uns aber, wenn auch diese Menschen unserer Herangehensweise eine Chance geben.

1.3 Wie nutzen Sie das Buch? Dieses Buch ist wie folgt aufgebaut: • Kap. 2: Begriffsbestimmung – Improvisationstheater und Entrepreneurship Wir gehen der Frage nach, was Improtheater ist und was einen Entrepreneur ausmacht. • Kap. 3: Angst und Mut Bevor Sie mit Ihrer Selbstständigkeit loslegen, müssen Sie mit dem Thema Angst zurechtkommen. Auch in den ersten Monaten wird man eine gewisse Angst nicht los: Was, wenn alles schief geht, Sie Ihr

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Haus verlieren, auf der Straße landen und sich auch noch blamiert haben? In diesem Kapitel zeigen wir, wie Sie sich dieser Angst stellen und mit ihr umgehen können. • Kap. 4: Gründung und Business In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit wichtigen Phasen in der Gründung eines Unternehmens oder einer Unternehmung. Dabei haben wir uns grob am zeitlichen Ablauf einer Gründung orientiert: 1. Gründungsentscheidung treffen Wie ist dieser erste Schritt von der Idee hin zu der Entscheidung zu gründen? 2. Auftritt und Präsentation: Entspannte Spannung Sobald man sich selbstständig macht, muss man immer wieder in ganz unterschiedlichen Situationen auftreten. Dies kann ein „echter“ Auftritt auf der Bühne sein oder ein Pitch vor Investoren, ein Gespräch mit der Bank oder ein Elevator Pitch auf der Party. All dies können Sie mit Improtheater wunderbar üben und vorbereiten. Denn: Improvisation und Vorbereitung sind kein Widerspruch! 3. Business Planning Ist die Entscheidung zu gründen einmal gefallen, kommen nur wenige darum herum, einen Businessplan zu Papier zu bringen. Die schlechte Nachricht: Das können wir nicht ändern. Die gute Nachricht: Es gibt Planungsmethoden, die deutlich intuitiver zu nutzen sind als der angestaubte Businessplan. Und – noch besser – Sie müssen gar nicht alles planen. Wie das funktioniert, zeigen wir in diesem Kapitel. 4. Unternehmerpersönlichkeit entwickeln Ob als Single-Entrepreneur oder bei Teamgründungen, das Mindset eines Unternehmers prägt maßgeblich, welche Entscheidungen getroffen werden und in welche Richtung er sein Vorhaben vorantreibt. Die richtige Einstellung und Herangehensweise kann letztendlich das Zünglein an der Waage sein, wenn es um Erfolg oder Misserfolg geht. Vieles können Sie mit Impro trainieren und sich erarbeiten.

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5. Teambuilding bei Gründerteams Bei Teamgründungen ist das Team das Herz des Unternehmens – hier muss die Dynamik passen, denn alle Entscheidungen werden hier getroffen, hier entstehen Ideen und hier wird gemeinsam etwas Neues geschaffen. Wie kann ein Team die Stürme der Gründung überstehen und gemeinsam auch auf Dauer in die gleiche Richtung segeln? Improtheater ist eine der Königsdisziplinen der Teamzusammenarbeit, von der Gründungsteams massiv profitieren können. • Kap. 5: Die besten Übungen für … Im Anschluss an die eher erklärenden und inhaltlichen Kapitel folgt die Praxis: eine Sammlung an Übungen, die wir für Unternehmer und Selbstständige für besonders relevant halten. In den vorangegangenen Kapiteln wird auf diese Übungen verwiesen, sodass Sie direkt nachgeschlagen können, um die passende Übung zu finden. Hier in diesem Kapitel haben wir zusätzlich eine Reihe hilfreicher Listen erstellt, die Ihnen den individuellen Zugriff je nach Anlass ermöglichen. • Kap. 6: Übungsfundus Die Übungen – das Herzstück unseres Konzeptes – finden Sie hier. 50 an der Zahl, zum Stöbern und Inspirieren, oder zum direkt hinblättern, wenn Sie von einer anderen Stelle im Buch dorthin verwiesen werden. Sie finden vor allem Übungen aus dem Improtheater, wir haben uns aber auch an anderen Stellen bedient. • Kap. 7: Der Fragebogen Im Rahmen unserer Vorbereitungen dieses Buchs haben wir Fragebögen an Improtheaterspieler in ganz Deutschland versandt. Da in den Antworten der Kollegen viel Inspirierendes zu finden ist, haben wir die besten Zitate im ganzen Buch verteilt. • Kap. 8: Impropreneurship – Das grandiose Finale oder „kurz bevor der Vorhang fällt“ Zum Schluss, wenn der Vorhang sich senkt, haben wir noch ein paar abschließende Worte für Sie. Dann erlauben wir uns, die Impropreneurship-Bühne zu verlassen.

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Dieses Buch kann chronologisch, also von vorne bis hinten, durchgearbeitet werden. Auf diese Weise werden Sie das Maximum aus ihm herausholen. Es ist aber auch möglich, gleich zu einem Kapitel zu springen, das einem besonders interessant erscheint, dieses durchzuarbeiten und die relevanten Übungen zu entdecken. Genauso können Sie auch direkt in die Übungen einsteigen. Keine der von uns gewählten Übungen trainiert isoliert nur eine einzige Fähigkeit, sondern immer ein ganzes Bündel an Qualifikationen. Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit diesem Buch und viel Erfolg mit Ihrem Vorhaben. Und natürlich freuen wir uns über Ihr Feedback, Meinungen, Kritik und Vorschläge. Einfach per E-Mail an: [email protected].

2 Begriffsbestimmung – Improvisationstheater und Entrepreneurship

Zusammenfassung  Die beiden Welten des Improtheaters und des Entrepreneurships wurden bisher nur selten verbunden. Die meisten Leser werden daher höchstens eine dieser beiden Seiten gut kennen. Um ein einheitliches Verständnis der einschlägigen Begriffe zu schaffen, möchten wir die wichtigsten Begriffe definieren.

2.1 Was ist Improvisationstheater? „Impro ist, was du daraus machst.“ (Anja Schröter, Rabota Karoshi)

Wenn wir anderen Menschen das erste Mal von Improvisationstheater erzählen, hören wir häufig, dass man ja ebenfalls tagtäglich (privat und auf der Arbeit) improvisieren müsse. Hierbei wird „improvisieren“ oft mit „sich durchwurschteln“ und „Feuerwehr spielen in chaotischen Situationen“ gleichgesetzt – und hat somit einen leicht negativen Touch. Wenn wir uns dem Begriff der Improvisation nähern, meinen wir damit den spontanen praktischen Gebrauch von Kreativität zur Lösung auftretender Probleme und die Fähigkeit, ohne Vorbereitung © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Meine und F. Sußner, Impropreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30355-6_2

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aus dem Stegreif etwas dar- oder herzustellen (Star et al. 2017, S. 385 f.). Improvisation erfordert also sowohl absichtsvolles Handeln als auch eine sinnvolle Reaktion auf äußere Umstände, die ungeplant auftauchen. Diese Bedeutung spiegelt sich auch in der Herkunft des Verbs „improvisieren“, das im 18. Jahrhundert aus dem italienischen Wort „improvviso“ (im Sinne von „unvorhergesehen, unerwartet“) hervorgegangen war, wider. (Ansorg 2008, S. 59 f.) Auf das heutige Improvisationstheater (bzw. „Improtheater“ als Kurzform) übertragen, bezeichnet Improvisation eine schauspielerische Darstellung ohne vorgeschriebenen Dialog und ohne vorinszenierte Abläufe. Das „Ergebnis“ der spontanen Vorführung der Theaterszenen und -stücke auf der Bühne ist weder planbar noch vorhersehbar. Die Impulse für das Geschehen werden hierbei häufig als Vorschläge aus dem Publikum eingeholt und/oder entstehen im gemeinsamen Spiel mit den Schauspielkollegen auf der Bühne. Die Story, die Charaktere, die Beziehungen und Handlungen entstehen ungeplant und unerwartet aus dem Moment heraus.

2.1.1 Seit wann gibt es Improvisationstheater? Die ersten dokumentierten Hinweise auf Stegreiftheater lassen sich bis ins antike Rom zurückverfolgen („Atellan Farce“ bzw. „Oscan Plays“, eine Art improvisiertes Maskenspiel, ca. 391 v.Ch.) (Wikipedia o. J.a). In der Neuzeit (ab dem 16. Jhd.) finden sich Belege für improvisiertes Theater vor allem in Italien und Frankreich durch die „Commedia dell’arte“. In den 1970er-Jahren entwickelte der Brite Keith Johnstone das Konzept des „Theatersports“, welches bis heute die populärste Form des Improvisationstheaters ist. Keith Johnstone wird somit als Begründer des modernen Improvisationstheaters angesehen. (Boyke 2014) In Deutschland wurde das erste Improtheater (Theater „Springmaus“) im Jahre 1982 von Bill Mockridge im Stile des in Chicago gegründeten Sketch-Theaters („Second City“) in Bonn gegründet. (Fichtner 2017) Inzwischen gibt es über ganz Deutschland verteilt eine hohe dreistellige Anzahl an kleineren und größeren

2  Begriffsbestimmung – Improvisationstheater …     11

I­mprovisationstheatergruppen, die das Publikum mit frei improvisieren Geschichten unterhalten.

2.1.2 Welche Form von Improvisationstheater gibt es? Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Formen, wie das improvisierte Spiel auf der Bühne dargestellt wird. Zu den bekanntesten zählen: • Kurzformen/Games: Die dargestellten Szenen sind sehr kurz und dauern meist nur wenige Minuten. Sie werden aus einer Vielzahl an Spielmöglichkeiten und Kategorien ausgewählt, z.  B. Synchronisationsspiele, Ratespiele, Statusspiele, Singspiele etc. Diese werden dann im Rahmen einer „Impro-Show“ zusammengefasst. • Theatersport: Zwei Mannschaften treten in verschiedenen Disziplinen gegeneinander an, z. B. in Form von vergleichenden Games. Sie wetteifern darum, durch besonders gute Szenen (anhand der Elemente Story, Figuren, Darstellung, Sprache usw.) die Gunst des Publikums zu erlangen, welches durch Applaus die jeweils bessere Gruppe bewertet. Als Begründer des Theatersports gilt Keith Johnstone (s. o.). • Langformen: Die Szenen dauern mindestens 15 bis 20 min, können jedoch auch abendfüllend sein. Häufig sind sie in Form einer Heldenreise1 aufgebaut, d. h. es gibt einen Hauptprotagonisten, um den die Geschichte kreist. Andere Langformen sind u.a. der „Harold“. (Schinko-Fischli 2018, S. 8 f.; Boyke 2019) Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen dem klassischen Theater und dem improvisierten Darstellungsspiel ist die Tatsache, dass die Schauspieler eine Szenerie ohne vorgefertigtes Skript aufbauen, diese also einmalig und nicht reproduzierbar ist. Improvisierte Bühnenstücke sind somit, um in der Theaterterminologie zu bleiben, immer eine Premiere und Dernière zugleich.

1Vgl.

Joseph Campbells (1999) Modell der Heldenreise aus dem Buch „Der Heros in tausend Gestalten“.

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Darüber hinaus gibt es Formen des Improtheaters, die die klassische Theaterbühne verlassen (z. B. „Lügenführung“ durch eine Stadt: Es werden Geschichten und Anekdoten erzählt und spielerisch dargestellt und die Teilnehmer müssen raten, ob diese wahr oder gelogen sind.). Abschließend sollte noch erwähnt werden, dass sich Impro in zwei Bereiche aufteilen lässt: Zum einen ist es eine Kunstform, die von der schauspielerischen Darstellung lebt. Zum anderen ist Impro eine Trainingsform, um sich eine positive und offene Grundhaltung anzueignen, sodass diese zu einem Teil der Persönlichkeit wird und den Trainierenden zu einem spontaneren und kreativeren Menschen formt.

2.1.3 Improvisation im Theater und darüber hinaus Improvisation bedeutet für uns und in diesem Buch: „Die Fähigkeit, stimmig auf Situationen zu reagieren, die spontan von außen wirken und für die es keine vorher festgelegte Handlungsanweisung gibt und die ein hohes Maß an Ungewissheit beinhalten, da die möglichen Auswirkungen der Handlungen und Entscheidungen nicht absehbar sind.“ Damit begrenzt sich Improvisation für uns nicht nur auf die schauspielerische Darstellungskunst, sondern bezeichnet zugleich eine Basiskompetenz für jeden Entrepreneur. Um diese Fähigkeit zu erlangen, bedarf es u. a. einer bestimmten Grundhaltung und die Aneignung folgender Kompetenzen, die im Impro-Dreieck dargestellt sind (siehe Abb. 2.1): Wahrnehmen Im Impro-Kontext ist mit diesem Begriff der bewusste Einsatz von Aufmerksamkeit gemeint, d. h. jeder innere und äußere Reiz dient als Initiator für bevorstehende Ideen und Taten. Dies kann mithilfe verschiedener Wahrnehmungsübungen trainiert werden und soll dazu führen, dass durch die Aktivierung der verschiedenen Wahrnehmungskanäle die Aufmerksamkeit auf das „Hier und Jetzt“ gelenkt wird, sodass es einem gelingt, dadurch „im Moment“ sein zu können.

2  Begriffsbestimmung – Improvisationstheater …     13

Abb. 2.1  Impro-Dreieck der nötigen Kompetenzen

Die Wahrnehmung der Außenwelt erfolgt dabei über unsere fünf Sinne: • • • • •

Visuell (Auge) Auditiv (Ohr) Olfaktorisch (Nase) Gustatorisch (Zunge) Haptisch (Tastsinn)

Erst durch das Bewusstwerden der äußeren Einflussfaktoren ist man in der Lage zu erkennen, welche innere Wirkung sie haben, d. h. welche Gedanken und Gefühle sie in einem selbst auslösen. Dies hilft dabei, auf Ideen und Handlungsmöglichkeiten zu kommen, denn erst das „Im-Moment-Sein“ macht ein spontanes Reagieren auf Personen und Situationen möglich. In diesem aktiven und wachen Zustand der „Wahrnehmung“ sind wir in der Lage, Möglichkeiten und Chancen zu erkennen, die um uns herum existieren und die wir dazu nutzen können, um auf innovative und kreative Lösungen zu kommen. Zudem entwickeln wir durch das Bewusstwerden der inneren Prozesse die Fähigkeit zur (Selbst-)Reflektion (selbstkritisches Nachdenken). Diese hilft uns dabei, der Grenzen unseres Denkens und Handelns gewahr zu werden. Wir erkennen, was unsere „Komfortzone“ ist, und können versuchen, diese – zeitweise und in kleinen Schritten – zu verlassen und so die Fähigkeit zu Veränderung und Flexibilität erlernen.

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Annehmen Hierunter verstehen wir die Fähigkeit und Bereitschaft, Dinge und Situationen zu akzeptieren, diesen also mit einer offenen „Ja!“-Haltung zu begegnen. Unserer Meinung nach ist dies eine der wichtigsten Voraussetzungen, um sich auf Neues einzulassen und sich verändern zu können. Und es ist gar nicht so einfach, sich dies anzueignen. Denn der Mensch ist und bleibt ein Gewohnheitstier. Wir bleiben gerne bei uns bekannten und vertrauten Dingen und Situationen, denn sie geben uns ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Jedwede Veränderungen dagegen – vor allem solche, deren Auswirkungen wir nicht kennen und abschätzen können – ängstigen uns und rufen zunächst eine natürliche Abwehrhaltung hervor. Doch nur durch eine positive Grundhaltung sind wir in der Lage, unsere Fähigkeit zu spontanem Handeln auszubauen und die Angst vor dem Unbekannten und vor Fehlern zu reduzieren. Denn das aktive und bewusste Annehmen einer neuen Situation und das regelmäßige (Überund Er-)Leben von unbekannten Situationen lässt uns erkennen, dass es gar kein falsches Handeln gibt, sondern allenfalls alternative Lösungen. Diese führen ebenfalls zu einem Ergebnis, wenn auch nicht unbedingt zu dem, welches wir erwartet haben. Und wenn wir den „Ja!“-Impuls um ein „und …“ erweitern (statt einer abwehrenden „Ja, aber“Haltung), ergeben sich hieraus sogar neue Handlungsmöglichkeiten für uns. Denn wenn wir bereit sind, uns auf Neues einzulassen („Ja!“) und gleichzeitig Vorhandenes nutzen, um eine eigene Idee zu generieren („und…“), dann setzen wir einen kreativen Schöpfungsprozess in Gang, der es uns ermöglicht, auf jede unbekannte Situation reagieren zu können. Eine solche Haltung hilft uns dabei zu erkennen, dass es immer einen Weg gibt und dass wir ihn finden können. In Kürze: Akzeptanz gegenüber einer Situation kann eine wichtige Grundvoraussetzung dafür sein, diese Situation zu verändern – und dies geschieht mit einer „Ja! Und …“-Haltung. Vertrauen In dem Wort Vertrauen steckt eine Kernbotschaft: sich trauen.

2  Begriffsbestimmung – Improvisationstheater …     15

Es geht darum, den Mut zu finden, auf sich und sein Potenzial zu vertrauen, darauf, dass die Entscheidungen, die wir fällen, zu einer zufriedenstellenden Lösung führen. Das bedeutet freilich nicht, dass jede Entscheidung ohne Vorbereitung oder Recherche getroffen werden soll. Vor allem geht es im Impro-Kontext um das Vertrauen in sich selbst und in die eigenen Fähigkeiten und Ideen. Sie helfen uns, anstehende Hindernisse zu überwinden. Denn wir können nicht wissen, wie sich eine Situation tatsächlich entwickelt und wohin eine Entscheidung uns führt. Vielleicht führt sie zu dem Ergebnis, das wir uns vorgestellt haben, vielleicht aber auch nicht. Wir können es nicht vorhersagen, da wir nur aufgrund der uns momentan zur Verfügung stehenden Informationen eine Richtung einschlagen. Und so ist jede Entscheidung, die wir treffen, die einzig richtige – für den Moment. Denn auch, wenn es später so aussieht, als sei es eine falsche Entscheidung gewesen, sollten wir darauf vertrauen, dass wir in der Lage sind, auf widrige Umstände reagieren zu können. Außerdem können die Erkenntnisse, die wir hieraus ziehen, uns nützliche Informationen für unsere künftigen Entscheidungen liefern. Wenn wir uns trauen, auch unter unsicheren Bedingungen in uns selbst zu vertrauen, sind wir bereit, Veränderungen zuzulassen und Neues auszuprobieren. Dann vertrauen wir darauf, dass am Ende alles gut wird. Wahrnehmen, Annehmen, Vertrauen: Es gibt keine festgelegte Reihenfolge, in die diese drei Komponenten gebracht werden können. Jede bedingt die andere. Nur wenn ich die Dinge in mir und um mich herum wahrnehme, kann ich reagieren und ein „Ja! Und …“ anwenden. Auf der anderen Seite benötige ich zunächst einmal das Vertrauen und die Bereitschaft, mich zu verändern, bevor ich wahrnehmen kann, was dies für Auswirkungen hat. Somit stehen alle Bereiche in Abhängigkeit zueinander und bedingen sich gegenseitig. Sie sind die Basis für spontanes Handeln und für die Entwicklung einer positiven (Impro-) Grundhaltung. Und diese (Impro-) Grundhaltung bringt eine Vielzahl an Vorteilen – sowohl für den Einzelnen als auch für das Team – auf der Bühne, aber auch im „echten“ Leben.

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2.1.4 Individueller Benefit Sie können die Grundhaltung des Improvisierens nicht lernen, ohne sich zu verändern. Die stetige Beschäftigung mit Impro führt dazu, dass sowohl Prozesse auf mentaler (geistiger) als auch auf körperlicher Ebene initiiert werden und das Gehirn neue Verbindungen bildet. (Drinko 2019; Treder-Wolff 2018) Durch das Aneignen einer neuen Sichtweise, z. B. zum Thema Fehlertoleranz, verändern wir unsere innere Haltung, was sich dann auch auf die körpersprachliche Ebene (= äußere Haltung) auswirkt. Man entwickelt ein neues Körperbewusstsein und darüber einen Zugang zum Selbstbewusstsein. Dies wiederum kann zu einer stärkeren Präsenz und einem authentischeren Auftreten führen. Kurz gesagt: Unser Denken hat Einfluss auf unser Handeln und unsere Außenwirkung. Wenn wir erkennen, dass Kontrolle nicht alles ist und dass gerade das Unbekannte und die Spannung einen ganz eigenen Reiz haben, eröffnet sich uns eine Welt voller Möglichkeiten. Die spontane und kreative Haltung hilft uns auch dabei, uns selbst nicht so ernst zu nehmen und die Dinge mit mehr Humor zu betrachten. Sie unterstützt uns dabei, die Welt mit Begeisterung und Freude zu sehen und zu erkennen, welch kreatives Potenzial in jedem von uns schlummert. Dies führt im Idealfall zu einer „neuen“ Persönlichkeit, die einen offeneren, neugierigeren und positiveren Blick auf die Dinge hat. Dabei verändert sich nicht so sehr, was man denkt, sondern WIE man denkt. (TrederWolff 2018) Jeder, der in die Welt des Improvisationstheaters eintaucht, findet eigene Aspekte, die für ihn von Vorteil sind. Der Eine fühlt sich sicherer im Umgang mit Kunden und Kollegen. Der Zweite verliert seine Angst, vor Menschen zu reden. Einem anderen wiederum fällt es leichter, Entscheidungen zu fällen. Der Nächste genießt es, sich körperlich, sprachlich und emotional in verschiedenen Figuren auszuprobieren. Was auch immer der Mehrwert ist, der sich bei jedem Einzelnen einstellt, er ist unbestreitbar vorhanden. Der Faszination dieser Transformation kann sich niemand entziehen, der sich ernsthaft auf die Welt des Spontanen einlässt.

2  Begriffsbestimmung – Improvisationstheater …     17

2.1.5 Teamvorteil In einem Team zu arbeiten, das sich eine offene und fehlertolerante Arbeitsweise auf die Fahne geschrieben hat, ist eine großartige Sache. Eine solche Sichtweise ist eine elementare Grundvoraussetzung, um mit den anderen Teammitgliedern zu wachsen, denn sie hilft jedem einzelnen Teammitglied, auf seine eigenen Stärken und Ideen zu vertrauen und diese einzubringen. So können gemeinsame Ideen entwickelt werden, die wiederum zu neuen kreativen Lösungen und Sichtweisen führen, auf die die Teammitglieder alleine möglicherweise nie gekommen wären. In einem solchen Arbeitsklima können sich die Teammitglieder gegenseitig inspirieren und motivieren und als „Sparringspartner“2 in einem wechselseitigen Austausch fordern und fördern – mit dem Ziel, gemeinsam etwas zu erschaffen. Dabei sollte unbedingt eine Atmosphäre des gegenseitigen Unterstützens im Vordergrund stehen. Ganz nebenbei machen die Techniken des Improtheaters auch noch Spaß. Und wer arbeitet nicht gerne in einem Team, in dem er auch Spaß hat, viel lachen kann und in dem man gemeinsam die Welt nicht ganz so ernst nimmt? Aus diesen Gründen ist Improtheater nicht nur etwas für den Einzelnen, sondern hilft auch bei gruppendynamischen Prozessen. Es dient somit als ein wichtiger Baustein für eine gute Zusammenarbeit.

2.2 Was ist ein Entrepreneur? „Improvisationstheater kultiviert genau die Soft Skills, die ich mir für ein modernes und erfolgreiches Leben wünsche.“ (Stephan Stark, holterdiepolter! Und Gründer von Impro-Hotel.de)

2Unter

einem Sparringspartner verstehen wir einen Partner, der einem durch gezieltes Nachfragen und Hinterfragen dabei hilft, sich über Entscheidungen und Situationen konkrete Gedanken zu machen. Er übernimmt somit kurzzeitig die Funktion eines Coaches.

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In der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung gibt es unterschiedliche, im Lauf der Zeit stark variierende Definitionen der Begriffe „Entrepreneur“ und „Unternehmer“. Eine Legaldefinition, wer Unternehmer ist, liefert der Paragraf 14 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): „Unternehmer (ist) eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.“ (Juraforum o. J.) Der Begriff des „Entrepreneurs“ hingegen wird dem Iren Richard Cantillon (1680–1734) zugeschrieben, der darunter „eine Einkommenserzielung unter Unsicherheit verstand“ (Ambrosch 2010, S. 36 f.). Wörtlich ist ein „Entrepreneur“ jemand, der etwas „unternimmt“ (französisch „entreprendre“). Bekanntheit erlangte der Begriff auch durch den österreichischen Ökonomen Joseph A. Schumpeter (1883–1950), für den ein Entrepreneur derjenige ist, der „neue Ideen oder Erfindungen durch Innovation in die Praxis umsetzen kann. Dabei zerstört er durch Neues alte Strukturen. Es kommt zur schöpferischen Zerstörung.“ (Ambrosch 2010, S. 37 f.) Marcus Ambrosch (2010, S. 24) nimmt in seinem Buch „Effectuation – Unternehmergeist denkt anders!“ eine deutliche Differenzierung vor. Für ihn sind diejenigen „Unternehmer“, die ein Unternehmen begründen, leiten, innovieren und ein Eigentum daran halten. „Entrepreneure“ hingegen halten seiner Sicht nach nicht zwingend ein Eigentum an einem Unternehmen und leiten es auch nicht unbedingt. Vielmehr definiert er sie als „Macher, die Chancen erkennen und diese mit Erfolg anpacken“ und immer „das Element des Neuen und Wertschaffenden in ihrem Denken und Handeln integrieren. Sie sind Sucher und Entdecker und haben dabei eine hohe Urteils- und Entscheidungskraft.“ Die Begriffe Entrepreneur, Unternehmer, Selbstständige und so weiter  Die Begriffe Entrepreneur, Unternehmer, Selbstständiger, Existenzgründer etc. werden in der Regel nicht klar unterschieden und haben auch nicht immer eine eindeutige Definition. Zum Beispiel wird ein Unternehmer

2  Begriffsbestimmung – Improvisationstheater …     19

mal als Lenker eines Unternehmens, mal als Inhaber oder Geschäftsführer oder beides, mal als Manager (egal ob angestellt oder nicht), mal als jemand mit unternehmerischem Mindset gesehen und definiert. Für die Zwecke dieses Buches ist uns die klare Abgrenzung nicht wichtig, die verschiedenen Begriffe werden daher in der Regel synonym verwendet. Uns geht es vielmehr um die Frage, ob jemand im Angestelltenverhältnis arbeitet oder eben (teilweise oder komplett) nicht.

Uns geht es in diesem Buch nicht um eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Begriff „Entrepreneur“, sondern eine praxisnahe Definition unserer Zielgruppe. Unsere Zielgruppe umfasst jeden, der Selbstständiger, Unternehmer, Entrepreneur oder Existenzgründer ist oder werden will und seine dafür nötigen Fähigkeiten verbessern möchte. Lediglich bei den Stellen, die sich mit Gründungsteams beschäftigen, ist die Unterscheidung zwischen Einzelunternehmen und Gesellschaften sinnvoll. Wenn wir also von Entrepreneuren sprechen, sind letztendlich alle angesprochen, die kurz vor oder kurz nach der Gründung stehen oder auch schon länger dabei sind, also: • Unternehmer • Freiberufler • Unternehmerische Freigeiste • Single Entrepreneurs • Selbstständige • Existenzgründer • Gewerbetreibende • Kleinere Teamgründungen, z. B. – Gesellschaften Bürgerlichen Rechts (GBR) – Offene Handelsgesellschaften (OHG) – UGs (haftungsbeschränkt) – GmbHs • Handwerker • Junge Unternehmen aus allen Branchen • etc.

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Literatur Ambrosch, M. (2010). Effectuation – Unternehmergeist denkt anders! Wien: echomedia. Ansorg, A. (2008). ABC des Glaubens. Münster: Monsenstein und Vannerdat. Boyke, G. (2014). Was ist Improtheater? https://improwiki.com/de/wiki/ improtheater/was_ist_improtheater. Zugegriffen: 24. Okt. 2019. Boyke, G. (2019). Harold https://improwiki.com/de/wiki/improtheater/ harold. Zugegriffen: 24. Okt. 2019. Campbell, J. (1999). Der Heros in tausend Gestalten. Frankfurt a. M.: S. Fischer. Drinko, C. (2019). How improvisation changes the brain. Psychology Today. https://www.psychologytoday.com/ie/blog/play-your-way-sane/201910/ how-improvisation-changes-the-brain . Zugegriffen: 19. Nov. 2019. Fichtner, M. (2017). Geschichte des deutschsprachigen Impro-Theaters. https:// www.impro-news.de/2017/11/geschichte-des-deutschsprachigen-improtheaters/ Zugegriffen: 24. Okt. 2019. Juraforum. (o. J.). Verbraucher. https://www.juraforum.de/lexikon/verbraucher Zugegriffen: 29. Okt. 19. Schinko-Fischli, S. (2018). Angewandte Improvisation für Coaches und Führungskräfte. Berlin: Springer. Star, W., Vossebrecher, D., Dell, C., & Schmidhuber, H. (Hrsg.). (2017). Improvisation und Organisation – Muster zur Innovation sozialer Systeme. Bielefeld: transcript. Treder-Wolff, J. (2018). How improv changes your mind: Its not what you think, its how. https://medium.com/@judetrederwolff/how-improv-changes-yourmind-its-not-what-you-think-its-how-ef12620c5a54. Zugegriffen: 19. Nov. 2019. Wikipedia. (o. J.a). Atellan Farce. https://en.wikipedia.org/wiki/Atellan_Farce. Zugegriffen: 24. Okt. 2019.

3 Angst und Mut bei der Gründung

Zusammenfassung  Entrepreneurship und Existenzgründung haben nicht nur mit Betriebswirtschaftslehre zu tun. Emotionale Faktoren spielen eine enorme Rolle. Aus Angst werden viele Gründungsvorhaben und Geschäftsideen nie umgesetzt. Der innere Kritiker kann sehr überzeugend sein, wenn er an unserer unternehmerischen Fähigkeit zweifelt. Dabei hat Angst an sich wichtige Funktionen. Es ist hilfreich zu wissen, wie sie funktioniert und wann sie über das Ziel hinausschießt. Angst vor Ungewissem, vor Fehlern, vor Scheitern und vor Verantwortung folgt jeweils einer eigenen Logik. Mit Improtheater übt man, diese Ängste kennenzulernen, sich ihnen zu stellen und bewusst mit ihnen umzugehen. „Impro schenkt einem die Sicherheit damit klarzukommen, dass es keine Sicherheiten gibt.“ (Youssef Rebahi-Gilbert, Steife Brise).

Eines der wichtigsten Gründungshindernisse ist der fehlende Mut zur Gründung. Wir malen uns aus, was alles schief gehen kann, welche Hürden uns im Weg stehen und warum es per se nicht funktionieren kann, vor allem nicht mit uns. Denn haben wir nicht schon einmal in © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Meine und F. Sußner, Impropreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30355-6_3

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der einen oder anderen Situation versucht, etwas Neues zu schaffen und sind kläglich gescheitert? In unserer Funktion als Gründungsberater haben wir in Gesprächen schon sehr häufig die folgende Aussage gehört: „Ach, eine tolle Idee hätte ich schon. Aber ich weiß nicht, ob ich mich traue den Weg zu gehen. Was, wenn es nicht funktioniert?“

Was hier passiert, wird im Improvisationstheater als klassischer „Block“ bezeichnet. Als großes NEIN zu den unterschiedlichen Möglichkeiten, sodass die gesamte Idee infrage gestellt wird. Aber warum gehen wir so streng mit uns ins Gericht und zerpflücken unsere Ideen so sehr, dass am Ende nur noch die Überzeugung bleibt, dass es einfach nicht funktionieren kann? Die Erklärung ist einfach: Es fallen uns leichter die Gründe dafür ein, warum etwas NICHT funktionieren kann. Woran liegt das? „Der innere Kritiker“ Schuld an dieser von vorneherein pessimistisch eingestellter Haltung ist „der innere Kritiker“. Dieser Begriff wird in dem Buch „Embracing your Inner Critic. Turning Self Criticism into a Creative Asset“ vom Ehepaar Hal und Sidra Stone beschrieben (1993, S. 4 ff.). Sie definieren den inneren Kritiker wie folgt: „Der innere Kritiker ist wie ein Spiegel, der uns ein verzerrtes Bild zeigt. Er ist diese innere Stimme, die uns kritisiert und abfällig über uns spricht. Er lässt alles unschön aussehen. Die meisten von uns bemerken nicht einmal, dass diese Stimme oder diese Selbstgespräche in uns sind, weil wir diese ständigen Urteile seit frühester Kindheit kennen und sich die kritischen Kommentare wie ein natürlicher Teil von uns selbst anfühlt.“1

Das Ehepaar Stone geht somit von einer inneren Pluralität im Menschen aus, die die verschiedenen Bausteine unserer Persönlichkeit

1Übersetzung

durch die Autoren.

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bilden. Hierzu gehört auch der innere Kritiker. Doch so autoritär und unliebsam er auch klingen mag, er ist nicht per se schlecht oder böse. Er hilft uns zu „überleben“, indem er versucht, im Vorfeld alle Risiken zu benennen und zu vermeiden. Hierfür steht ihm ein ganzes Team an unterschiedlichen Kritikern zur Seite: Der Kontrolleur, mit der Devise „Du bist nur okay, wenn du immer stark und unangreifbar bist“; der Perfektionist, dessen Botschaft „Mach bloß keine Fehler“ jedes freie Handeln unmöglich macht; der Antreiber, der Unterlegenheit und Stillstand fürchtet und daher zu ständiger Eile drängt („Wenn du dich beeilst, kannst du noch mehr schaffen“); der Es-allen-recht-Macher, der sich nur angenommen fühlt, wenn er es allen immer recht macht, und sich darüber sorgt, was wohl die Nachbarn über ihn denken; und natürlich der Richter („The Judge“) höchstpersönlich, der alles, was wir sagen oder tun, beobachtet und uns dazu bringen möchte, alles noch besser zu machen, indem er uns nötigt, uns ständig mit anderen zu vergleichen (Peichl 2014, S. 17 ff.). Der innere Kritiker wertet also ab, treibt an, sorgt für Anpassung an die Erwartung anderer und übernimmt damit unbewusste Schutzfunktionen (Pigorsch 2019, S. 19 f.). Er tut dies mit der Intention, uns zu schützen – vor Kränkung, vor Verletzung, vor dem Gefühl der Demütigung und des Gesichtsverlusts. Und so wird jede neue und unbekannte Situation auf mögliche Gefahren und Risiken hin untersucht. Ein Risiko könnte in seinen Augen z. B. der erhöhte Energieaufwand sein, den wir aufbringen müssen, um eine neue Situation zu erfassen und zu bewerten. Evolutionsbedingt sind wir darauf programmiert, so wenig Energie wie möglich zu verwenden, damit wir im Falle eines Angriffes noch genügend Reserven für die Flucht oder den Kampf zur Verfügung haben. Und nachdem wir bei Innovationen und neuen Ideen nicht auf unser bekanntes Schubladendenken2 zurückgreifen können, kosten sie uns vergleichsweise viel Energie.

2Beim

Schubladendenken versucht das Gehirn die Informationslast zu reduzieren, in dem es Schubladen bzw. Kategorien bildet und versucht, die neuen Informationen in bereits vorhandene Gruppierungen einzufügen.

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Daher versucht der innere Kritiker, stets auf bekannten Wegen und Pfaden zu bleiben, denn wer schon einmal wandern war weiß, dass neue Wege erst einmal holprig und schwierig zu begehen sind. Der innere Kritiker spart lieber für die Flucht oder den Kampf. Und so fährt er die ganze Palette an Risiken, Gefahren und Prophezeiungen auf, um uns vor der Verletzung und dem Scheitern zu schützen. Und das schafft er mit einem wirkungsvollen Konditionierungsinstrument: der Angst. Die gute Nachricht an dieser Stelle: Improvisation hilft, mit dem inneren Kritiker umzugehen (Drinko 2019).

3.1 Was ist eigentlich Angst? „Impro ist, das Leben in seiner schönen Form zu sehen.“ (Sebastian Barnstof, 5te Dimension)

Angst ist ein Grundgefühl und eine der stärksten Empfindungen des Menschen. In einer Gefahrensituation (sei sie real oder nur eingebildet) nimmt sie uns völlig ein und löst in uns z. T. heftige physische Reaktionen aus, mit dem Ziel uns auf eine körperliche Aktion vorzubereiten. In englischsprachigen Ländern wird diese Aktion in Form der „drei F“ betitelt: fight, flight und freezing (Kampf, Flucht und Erstarren) (Lelord und André 2005, S. 274 f.). Doch Angst ist auch immer subjektiv, d. h. sie ist das Ergebnis unserer persönlichen Wahrnehmung und Bewertung einer Situation. Diese wiederum basiert auf unseren bisherigen Erfahrungen, unserer inneren Einstellung und Haltungen. Wer z. B. schon einmal schlechte Erfahrung mit Hunden hatte, wird sich diesen mit hoher Wahrscheinlichkeit künftig eher vorsichtig nähern. Auch können verschiedene Ereignisse unterschiedlich bewertet werden. Was den einen mit Freude erfüllt, kann dem anderen Angst bereiten, z. B. ein Fallschirmsprung, mit dem Rucksack durch einen Urwald reisen oder auf einer Bühne stehen und eine Rede halten (Hüther 2013, S. 23 f.). Interessanterweise spielt aber auch die kulturelle Prägung eine elementare Rolle. Hierzu ein kleiner Exkurs.

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Eine Besonderheit in Deutschland: Die „German Angst“3

Sabine Bode schreibt in ihrem Buch „Die deutsche Krankheit – German Angst“, dass eine solche Zukunftsangst, die sich im Unterschied zur Furcht auf nichts Konkretes bezieht, sozusagen zur Grundausstattung der deutschen Mentalität gehöre (Bode 2006, S. 25 f.). Sie stellt die These auf, dass die Hauptursachen für die „German Angst“ die Nachwirkungen von Scham, Kriegsgewalt und Leid seien, die zu kollektiven Ängsten innerhalb der Gesellschaft geführt haben und dadurch eine Last für die Zukunft sind (Bode 2006, S. 13 f.). Ist tatsächlich etwas dran an dieser Behauptung? Sind wir von der Vergangenheit und den Ängsten unserer Vorgeneration noch so stark geprägt? Immerhin steht Deutschland nicht gerade in dem Ruf, ein Start-up-Land zu sein, in dem Menschen ohne Weiteres ein Unternehmen gründen. Laut einer Studie des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung aus dem Jahr 2009 arbeiten hierzulande die meisten Menschen als abhängig Beschäftigte: Von 100 % Erwerbstätigen waren im Jahr 2009 • 55 % Angestellte, • 24 % Arbeiter und Arbeiterinnen, • 5 % Beamte und Beamtinnen, • 4 % Auszubildende • und gerade einmal 11 % der Erwerbstätigen waren Selbstständige. (Wirtschaft und Schule o. J.) Ein weiterer Grund könnte sein, dass es in Deutschland an einer Gründerkultur fehlt, in der ein unternehmerisches Scheitern nicht gleichbedeutend ist mit einem persönlichen Scheitern. Investoren und Banken sind hierbei besonders kritisch und mangelnder Erfolg bei einer „Erstgründung“ wird als großes Manko angesehen. Im Vergleich dazu: In den USA bekommen „gestrauchelte Gründer“ häufig dennoch (oder gerade deswegen) eine zweite Chance. (Doll 2018)

3Der

Begriff „German Angst“ soll die als typisch deutsch erachteten Eigenschaften wie Mutlosigkeit, Misstrauen und enormes Sicherheitsbedürfnis beschreiben. Sie steht sinnbildlich für kollektive Ängste, die aus der Vergangenheit herrühren.

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Stimmt es also, dass wir Deutschen das Risiko scheuen? Dass wir Angst davor haben, ein Wagnis einzugehen – besonders, wenn dies mit einem möglichen finanziellen Verlust einhergeht? Hemmt uns die Furcht vor Fehlern so sehr, dass wir uns selbst im Weg stehen? Was für Ängste sind es im Speziellen, die uns daran hindern, uns für das Unterfangen „Selbstständigkeit“ zu entscheiden? Im Folgenden führen wir ein paar jener Ängste auf, die unsere Kunden im Laufe unserer Beratungsgespräche – neben der Angst eines finanziellen Verlustes – häufig genannt haben und die unserer Erfahrung nach ursächlich dafür sind, den Schritt in die Selbstständigkeit zu scheuen.

3.2 Die Angst vor dem Ungewissen „Verlass dich darauf, immer improvisieren zu können, denn man kann nie auf alles vorbereitet sein!“ (Christl Sittenauer, Bühnenpolka)

Lesen Sie gerne Krimis, Thriller oder Gruselgeschichten? Dann sind Sie damit nicht alleine. Laut den aktuellen Amazon-Kategorien-Charts liegt die Kriminalliteratur mit über 2.300 verkauften Büchern am Tag auf Platz 2. Auch die Kategorie Horror (mehr als 1.200 Bücher/Tag) und Thriller (über 500 Bücher/Tag) liegen gut im Trend (Selfpublisherbibel o. J.). Laut dem „Branchen-Monitor BUCH“ (Börsenverein 2017) liegt das Segment „Spannung“ mit knapp 30 % sogar als das zweitgrößte Genre direkt hinter der „erzählenden Literatur“. Doch was ist es, das all diese Bücher vereint? Es ist das Ungewisse. Laut H. P. Lovecraft (amerikanischer Schriftsteller für Horrorliteratur) ist die Angst vor dem Ungewissen die größte Form der Angst (Etzold 2013, S. 32). Viele dieser Bücher sind gerade deswegen so erfolgreich, weil wir im Dunkeln gelassen werden. Wir überlegen, ziehen Schlüsse, bauen Theorien auf und werden überrascht, fiebern auf das Ende hin und lachen oder weinen mit den Figuren. Gerade die Tatsache, dass wir nicht wissen, wie das Ende aussieht, erfüllt uns mit einer erwartungsvollen Spannung und Nervosität. Das

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Unbekannte und Ungewisse wird ein Quell der Aufregung, der Unterhaltung und des Genusses. Doch was uns in Filmen oder in Büchern so begeistert, erschreckt und lähmt uns im wirklichen Leben. Wir haben Angst vor Dingen, die wir nicht gleich beurteilen können, die uns fremd erscheinen, von denen wir nicht wissen, ob wir am Ende als Held dastehen, als unbedeutender Protagonist einfach von der Bildoberfläche verschwinden oder gar als dramatischer Verlierer vom Feld gejagt werden. So filmreif ist es in der Realität natürlich in der Regel nicht. Doch das geistige Konstrukt, das unsere Fantasie uns aufbaut und ausmalt, fühlt sich real an. Beispiel Sie sollen das erste Mal in Ihrem Leben einen wichtigen Vortrag vor einer Gruppe von Menschen halten. Was passiert? Sie fangen an, sich Gedanken zu machen. Diese verwandeln sich rasch in Angst – manchmal sogar in Panik. Der Fluchtinstinkt ist erwacht, mit all seinen physischen Begleiterscheinungen: Herzklopfen, trockener Mund, Atemnot, Hitzewallungen (oder Kälteschauer), Übelkeit, Zittern und das Gefühl von Schwäche. Die Stimme versagt, die Gedanken rasen – Blackout. All diese körperlichen Symptome sind reale Auswirkungen einer Angst, die jedoch in den meisten Fällen unbegründet ist. Denn in der Regel sind bei solchen Vorträgen weder unser Leib noch unser Leben tatsächlich in Gefahr. Dennoch ist solch ein Vortrag ein Wagnis, denn es droht: das große Unbekannte. Wir wissen nicht, wie der Vortrag laufen und wie das Publikum reagieren wird. Was, wenn wir den Text vergessen? Was, wenn die Leute gelangweilt sind? Sogar aufstehen und gehen? Was, wenn wir uns peinlich versprechen? Was, wenn wir ausgelacht werden? Was, wenn wir etwas zu einem Thema gefragt werden und die Antwort nicht wissen? All das liegt im Bereich des Möglichen. Und das ängstigt uns. Wir verlassen unsere Komfortzone und begeben uns in Richtung Unsicherheit, denn selbst wenn wir uns sehr gut vorbereiten, kann es natürlich vorkommen, dass wir mit einer Situation konfrontiert werden, mit der wir nicht gerechnet haben.

Dabei ist das Gefühl der Unsicherheit und Gespanntheit eine ganz normale Begleiterscheinung, wenn wir vor unbekannten Situationen und Veränderungen stehen. Es hilft uns dabei, in dem Moment

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v­ollkommen aufmerksam, wach und hochkonzentriert zu sein. Und dieser Zustand der Spannung (u.a. um den Bauchbereich herum) gibt uns zusätzlich „Halt von innen“, da unser Körper in Gefahren- und Stresssituationen die Verdauungstätigkeit einstellt. (Jungkind 2005, S. 100 f.) Doch für viele Menschen ist dieser Zustand schier unerträglich, weshalb sie sich unbewusst (oder auch ganz bewusst) solchen Situationen entziehen und geflissentlich in den ihnen bekannten Bahnen bleiben – nur keine Veränderung! Das bekannte Monster In dem Buch „An Improv State of Mind“ führt Jennie Ayers ein schönes Szenario aus: (2014, S. 25 f.)4 „Wir befinden uns in einem alten Science-Fiction-Film, in dem der Hauptdarsteller vor einem mutierten Monster flieht. Man sieht ihn durch ein marodes Tunnelsystem rennen, bis er urplötzlich an eine Tunnelöffnung gelangt, an die ein dunkler Abgrund grenzt. Es geht nicht mehr weiter. Hinter ihm hört er die unmissverständlichen Geräusche des sich nahenden Monsters. Vor ihm der schwarze Abgrund. Was soll er tun? Er muss sich entscheiden. Jetzt. Gedanklich schreien wir ihm zu: SPRING! Doch er wartet, unsicher. Jeden Augenblick ist es soweit und das Monster wird um die Ecke kommen. Er steht noch immer da, wie eingefroren und – das Monster verschlingt ihn.“

Verwundert fragen wir uns: Warum ist er nicht gesprungen? Es hätte doch Hoffnung auf Rettung bestanden. Die Angst vor dem Ungewissen war es, die ihn hat zögern lassen. Wenn er gesprungen wäre, hätte es der Sprung in die Freiheit sein können. Es hätte ihn aber auch in den Schlund eines anderen Monsters führen können oder in Tausende andere schreckliche Todesarten. Die Angst vor dem Ungewissen hat ihn dazu geführt, sich lieber dem „bekannten Monster“ zu stellen, als einen neuen Weg ­einzuschlagen.

4Ins

Deutsche übersetzt von den Autoren.

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Überlebt hat er diese Entscheidung zwar nicht, aber er wusste zumindest, was ihn erwartete. Das war der entscheidende Unterschied, denn es bedeutete eine gewisse Art von (Planungs-) Sicherheit. Er kannte das Ergebnis – so unbefriedigend es letztendlich auch sein mochte. Zur eigenen Reflexion Nehmen Sie sich nun bitte einen Augenblick Zeit und fragen Sie sich, was Sie in dieser Situation gemacht hätten. Wären Sie gesprungen? Wirklich?

Was würde passieren, wenn wir die Situation ein bisschen veränderten und in unsere „normale Welt“ übertrügen? Was, wenn Sie sich in einer beruflichen Situation befinden würden, in der Sie keine Erfüllung und Zufriedenheit erführen oder die Sie sogar ganz konkret unglücklich machte? Jetzt ist es nicht mehr das Tunnelsystem, durch das Sie sich schlagen müssen, sondern der Weg zur Arbeit. Und das Monster, dem Sie sich Tag für Tag zu stellen haben, ist die zu bewältigende Aufgabe. Oder Ihr Vorgesetzter. Oder Ihre Kollegen. Was tun Sie? Wagen Sie den Sprung ins Ungewisse und in die Veränderung? Oder warten Sie, bis das Monster Sie verschlungen hat? Stellen Sie sich lieber Tag für Tag dem bekannten Monster, als sich oder Ihre Umgebung zu ändern? Die Reise ins große Unbekannte Beim Improvisationstheater begeben sich die Spieler auf eine gewagte Reise, bei der es keine Sicherheiten gibt. Sie stehen vor dem großen Ungewissen und gehen Risiken ein. Der Begriff des Risikos wird zwar in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedlich definiert, aber allen Definitionen gemeinsam ist die Beschreibung des Risikos als „ein Ereignis mit möglicher negativer (Gefahr), eventuell auch mit positiver Auswirkung (Chance), bei dem nicht alle Einflussfaktoren bekannt sind bzw. vom Zufall abhängen“. (Duden o. J.; Wikipedia o. J. b) Und gerade dieser Reiz des Ungewissen bewirkt, dass sich ein Improspieler in eine Szene stürzt. Denn das Skript nicht zu kennen

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bedeutet, dass ALLES möglich ist. Gerade weil es ein Risiko bedeutet, ist es spannend zu sehen, welche Auswirkungen meine Handlung und meine Worte auf der Bühne haben. Risiko bedeutet eben nicht nur „Angst“, sondern auch „Abenteuer“ und somit einen Aufbruch in neue und unbekannte Welten. (Keller 2004, S. 60 ff.) Beispiel Wenn ich mit einem Mitspieler oder einer Mitspielerin in einer Szene bin, in der meine Figur den Satz „Tante Magda ist heute verstorben.“ sagt, kann sich das in verschiedene Handlungsrichtungen entwickeln, die ich vorher nicht kenne. Diese können z. B. sein: • Die Geschichte entwickelt sich in Richtung Trauer/Bedauern: „Oh, nein! Wie furchtbar! Sie war doch noch so jung!“ • Die Geschichte entwickelt sich in Richtung Sorge: „Oh, nein! Wie furchtbar! Sie wollte mir doch heute das Familiengeheimnis verraten.“ • Die Geschichte entwickelt sich in Richtung böse Schadenfreude: „Hah! Ich wusste, dass sie einen Weg findet, sich dem heutigen Kaffeekränzchen zu entziehen.“ • Die Geschichte entwickelt sich in Richtung morbider Freude: „Ach, wie schön. Dann erbe ich ja endlich alles.“ • Die Geschichte entwickelt sich in eine skurrile Richtung: „Das ist es, was alle denken.“ (nimmt sich eine imaginäre Maske vom Gesicht) „Aber ich bin hier und ich habe meinen Tod nur vorgetäuscht, um …“ • Die Geschichte entwickelt sich in eine Richtung, in der die Tatsache keine Rolle spielt: „Wer? Egal. Komm hilf mir mal bitte, die Axt an die Wand zu hängen.“

Ich weiß also vorher nicht, wohin die Geschichte nach meinem ersten Satz führt. Es besteht somit das Risiko, dass ich mit einer Handlungsrichtung konfrontiert werde, mit der ich überhaupt nicht gerechnet habe und daher auch im ersten Moment überhaupt nicht weiß, wie ich handeln und reagieren soll. Wenn ich jedoch für mich erkenne, dass egal, was passiert und in welche Richtung sich die Geschichte auch entwickelt, es immer irgendwie weitergeht (wenn auch nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe), dann verliert das große Unbekannte seinen Schrecken und ich erkenne, dass sich mir stattdessen eine Welt voller Freiheiten und Möglichkeiten bietet.

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Zur eigenen Reflexion Nun unser Aufruf an Sie: Gehen Sie Risiken ein, die zumutbar sind! Überraschen Sie sich und Ihre Mitmenschen mit Ihren unerwarteten Entscheidungen und Handlungen. Probieren Sie etwas Neues aus, etwas, von dem Sie nicht wissen, was am Ende herauskommt und ob das Ergebnis zufriedenstellend ist. Gehen Sie ein Wagnis ein. Probieren Sie z. B. ein neues Rezept aus – vor allem, wenn es darauf ankommt, also wenn z. B. Ihre Schwiegermutter zu Besuch kommt. Oder bestellen Sie im Restaurant ein Gericht, von dem Sie nicht wissen, ob es Ihnen schmecken wird (und von dem Sie vielleicht gar nicht wissen, wie man es ausspricht und was überhaupt alles drin ist). Sprechen Sie fremde Leute auf Veranstaltungen an und machen Sie ihnen Komplimente. Oder laden Sie sie auf einen Kaffee ein. Oder machen Sie den Schritt, um den es (auch) in diesem Buch geht, und melden Sie Ihre Selbstständigkeit an, vielleicht zunächst im Nebenerwerb. Tun Sie die Dinge, vor denen Sie sich lange gedrückt haben, weil Sie Ihnen zu riskant schienen. Zu gewagt. Zu unsicher. Sie werden sehen: Das ganze Leben wird dadurch viel interessanter und bunter. Denn was kann im schlimmsten Fall passieren? Das Essen kann furchtbar schmecken und Ihre Schwiegermutter könnte Sie für einen schlechten Koch halten. Vielleicht haben Sie dadurch aber auch eine gemeinsame Geschichte, die Sie auf Ihren Familienfeiern immer wieder erzählen können, im Stile von: „Na? Soll ich dir nochmal Grünkohlpüree mit Erdbeerrisotto kochen?“ Wenn Sie jemanden auf einer Veranstaltung ansprechen, könnten Sie komisch angeschaut werden und vielleicht eine Abfuhr erhalten. Vielleicht entspringt aus der Begegnung aber auch eine interessante neue Bekanntschaft oder gar Freundschaft? Fest steht: Sie werden es nicht erfahren, wenn Sie es nicht ausprobieren. Seien Sie offen für neue Erlebnisse und Erkenntnisse, denn das bewusste Herbeiführen von Veränderungen wird Sie dazu bringen, das Unbekannte besser kennenzulernen und die Angst davor zu verlieren. Bleiben Sie nicht länger beim „bekannten Monster“, sondern wagen Sie den Sprung ins Unbekannte. Lassen Sie sich auf kleine kalkulierbare Risiken ein. Bleiben Sie nicht länger in der passiven Opferrolle, in der andere für Sie entscheiden, sondern werden Sie zum Entscheider und zum Gestalter Ihres eigenen Weges. Es wird Sie zunächst ängstigen und sich ungewohnt anfühlen, als würde man versuchen, mit der falschen Hand zu schreiben, aber bei regelmäßiger Übung wird es immer besser funktionieren und Sie immer mutiger werden. Jeden Tag ein bisschen mehr.

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Folgende Übungen können Ihnen helfen, die Angst vor dem Unbekannten zu verlieren: • Ideen-Café (6.14) • Neue Wahl (6.23) • What’s your name? (6.41) • Zettelbombardement (6.48)

3.3 Die Angst vor Fehlern „Impro hilft mir oft beim Sprung ins ‚kalte Wasser’, wobei ich dann oft merke, dass das Wasser gar nicht so kalt ist.“ (Lisa van der Linden, Volle Möhre!)

Wir leben in einer Zeit, in der die Leistung und auch der Selbstwert eines Menschen häufig daran gemessen werden, wie viele Erfolge er vorweisen kann. Das führt oftmals dazu, dass viele Menschen sich nicht trauen, etwas Neues zu wagen. Sei es ein eigenes Unternehmen zu gründen, ein Buch zu schreiben oder ein eigenes Modelabel zu starten. Es wäre so schön, seine Träume zu verwirklichen, doch die Sorge, dass es nicht klappen könnte, macht es uns so schwer. Besonders in Deutschland. Der Unisys Security Index5, der das Sicherheitsdenken des jeweiligen Landes ermittelt, misst für Deutschland einen Wert von 146 von möglichen 300 Punkten. Zum Vergleich: Die Niederlande erreichen auf der Angst-Skala lediglich einen Wert von 66 (Czycholl 2014). Doch woher stammt diese immense Angst zu versagen? Laut der Psychotherapeutin Dr. Doris Wolf ist sie erlernt. Durch bestimmte Erfahrungen in der Kindheit entwickeln wir ein übersteigertes Bedürfnis nach Anerkennung und Lob, was dazu führt, dass wir panische Angst vor Ablehnung haben. Denn nichts anderes ist die

5Der Unisys Security Index (USI) ist die einzige regelmäßig stattfindende, langfristige und repräsentative Umfrage zu Sicherheitsbedenken weltweit und wurde 2007 erstmalig durchgeführt.

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Angst vor dem Versagen: Es ist die Angst vor Ablehnung, weil wir selbst davon überzeugt sind, nur dann angenommen zu werden, wenn wir ohne Fehler sind. (Wolf o. J.) Der „perfekte“ Mensch Der Soziologe Heinz Bude beschreibt in einem Interview mit Spiegel Online die Fehlerkultur der Generation um die 40. Er nennt sie „Generation null Fehler“ und beschreibt sie als „Perfektionisten, die überall brillieren wollen: in der Familie, in der Beziehung, im Beruf.“ (Schinkels 2014) Vielleicht haben wir deswegen so viele Ratgeber, die uns vermitteln wollen, wie wir etwas „perfekt“ machen können? Der perfekte Vortrag, der perfekte Garten, das perfekte Dinner, das perfekte Geschenk, die perfekte Hochzeit, der perfekte Liebhaber, das perfekte Leben … Perfektionismus als neues Lebensziel. Doch was zeichnet einen Perfektionisten aus? Ein Perfektionist erwartet von sich selbst, dass er gleich beim ersten Versuch eine überdurchschnittliche Leistung erbringt. Mit diesem übertriebenen (fast schon utopischen) Anspruch an sich selbst und/oder die Leistung, setzt er sich unter immensen Druck und Stress. Denn normalerweise gelingt es uns nur ganz selten, dass wir gleich beim ersten Versuch eine Höchstleistung erbringen. Dennoch werden wir von Kindesbeinen an von unterschiedlichen Kräften (Eltern, Erzieherinnen, Lehrer …) in eine Leistungsrichtung geschoben. Zwar ließ man uns als Kinder noch genügend Raum für Experimente und neue Versuche (hinfallen, aufstehen, nächster Versuch), dennoch haben wir von klein auf verinnerlicht, dass es erstrebenswerter ist, etwas richtig zu machen (und dafür Lob zu erhalten), als einen Fehler zu begehen (und deswegen kritisiert zu werden). Ganz besonders in der Schulzeit manifestiert sich diese Überzeugung, da jeder Fehler und jegliche Abweichungen von einem vorgegebenen Soll mit einer schlechten Zensur bewertet werden. Das wiederum kann zu unangenehmen Elterngesprächen und einer „Ehrenrunde“ führen. Diese fehlerverneinende Haltung wird in der Berufswelt noch weiter verstärkt, da in den meisten Fällen bei Fehlentscheidungen zuallererst der „Schuldige“ und „Verursacher“ gesucht wird – anstatt zu

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versuchen, durch die richtigen Fragen wertvolle Erkenntnisse aus dem Fehler zu ziehen und die Ursache zu erforschen. Denn nur aus den Fehlern, die wir machen, und aus den dadurch in Gang gesetzten Fehlentwicklungen, können wir lernen, was besser oder richtiger gewesen wäre. (Hüther und Quarch 2018, S. 205 f.) Unser „blinder Fleck“ im Denken Doch zunächst reagieren wir natürlicherweise mit Ärger, Wut und Enttäuschung über uns selbst, da wir den gemachten Fehler häufig mit einem persönlichen Versagen unsererseits gleichsetzen. Wir verurteilen uns selbst und haben deshalb Angst, auch andere würden uns ablehnen, da wir unseren Selbstwert von der Leistung bzw. vom Erfolg abhängig machen. Wir ärgern uns darüber, dass wir den Fehler nicht schon im Vorfeld haben kommen sehen und reden uns ein, wir hätten es doch besser wissen müssen. Diese Form der Selbsttäuschung bzw. Verzerrung in der Rückschau wird auch als „blinder Fleck“ in unserem Denken bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine Gedächtnistäuschung und nachträgliche Veränderung unserer Erinnerung. Wir „fälschen“ also unser Bild von der Vergangenheit durch spätere Informationen und neue Erkenntnisse, da wir dem Irrglauben erliegen, wir hätten die Auswirkungen einer Entscheidung von Anfang an vorhersehen können.6 Dabei können wir im Vorfeld unmöglich wissen, wie eine Handlung sich auswirken wird. Umgang mit Fehlern Wir haben es in der Hand, wie wir mit einem Fehler umgehen. Wir können uns davon lähmen lassen, uns ärgern – oder einen Fehler als Chance für eine Veränderung und Verbesserung sehen. Um einen guten Lerneffekt zu erzielen, hilft es uns, den Fehler näher zu betrachten und uns folgende Fragen zu stellen:

6Diese Selbsttäuschung wird „Hindsight Bias“ genannt und ist im Buch „Entscheidungen treffen“ von Matthias Nöllke (2004, S. 48 f.) genauer beschrieben.

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• Worin bestand der Fehler eigentlich im Detail? • Was hätten wir überhaupt anders machen können und was nicht? • Kann der Fehler wieder passieren? • Was lernen wir daraus, wie verhindern wir den Fehler in der Zukunft? Wenn wir diese Fragen ehrlich beantworten, könnte es sogar sein, dass wir ein Muster dahinter entdecken. Häufige Flüchtigkeitsfehler könnten z. B. ein Zeichen dafür sein, dass man aufgrund von Schlafmangel zu unkonzentriert ist. Da würde ein Früher-zu-Bett-Gehen leicht Abhilfe schaffen. Wenn man immer wieder vorschnell handelt, könnte es helfen, in Zukunft erst einmal eine Nacht über die Entscheidung zu schlafen. Übrigens hilft hier auch das Training als Impropreneur: Wer souverän improvisiert und einen guten Zugriff auf seine Intuition hat, kann auch unter Druck eher die richtige Entscheidung treffen und lässt sich nicht ohne Weiteres überrumpeln oder mitreißen. Denn das meiste, was wir tun, tun wir zunächst aus einer guten Absicht heraus. Und wir machen einen Fehler nie absichtlich. Wenn wir ihn willentlich und absichtlich machen würden, wäre es kein Fehler, sondern würde unter die Kategorie „Sabotage“ oder „Manipulation“ fallen und wahrscheinlich würden wir damit einen bestimmten Zweck verfolgen. Es kann ein lohnender Versuch sein, nicht so hart mit uns (und anderen) ins Gericht zu gehen, sondern zu versuchen, die Tatsache zu akzeptieren, dass (uns) Fehler nun mal einfach passieren. Wir könnten anfangen zu hinterfragen, zu welchem Zweck sie passiert sind. Das würde uns helfen, den Blick nach vorne zu richten und eine mögliche Lösung für die neue Situation zu finden. Diese Erkenntnisse könnten wir anschließend für künftige Situationen anwenden, denn erst durch Fehler lernen wir, welche Ideen noch einmal überdacht werden sollten und wo mögliches Potenzial schlummert. Mit jedem Fehler nähern wir uns also unserem Erfolg weiter an und können Alternativen ausschließen, die nicht funktionieren.

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Wer wagt, gewinnt Wie langweilig und monoton wäre doch das Leben ohne Raum für Fehler. Dieses Korsett schreit ja geradezu nach Ausbruch: die ständige Erwartungshaltung, alles richtig machen zu müssen, und die Angst davor, jemanden zu enttäuschen oder Schuld daran zu haben, dass etwas nicht funktioniert. Und tatsächlich gehört es zu einer der wichtigsten Erfahrungen in unserer Entwicklung, dass Dinge manchmal schiefgehen. Die norwegische Psychologin Ellen Sandseter fand Hinweise darauf, dass Kinder, die beispielsweise beim Klettern stürzen, als Jugendliche tendenziell seltener an Höhenangst leiden. Sie haben offenbar gelernt, dass es gar nicht so schlimm ist, zu fallen (und vielleicht auch, dass man danach wieder aufstehen kann) (Ahne 2012, S. 24 ff.). Fehler gehören zum Leben dazu und können auch ein unendlicher Quell der Erheiterung und Inspiration sein. Man denke nur an die „besten TV-Versprecher“ oder an die „gludernde Lot“ (statt „lodernde Glut“) von Edmund Stoiber. Alles „Fehler“ und doch herrliche Wortspiele. Fehler führen auch zu Innovationen. Eine oft zitierte Panne aus der Wissenschaft ist diejenige, bei der Alexander Fleming durch eine Unachtsamkeit auf einen der wichtigsten Arzneiwirkstoffe des vergangenen Jahrhunderts stieß: das Penicillin. Auch unzählige weitere Beispiele wie Teflon, Post-its und die Mikrowelle entstanden nur durch einen Zufall und ein sogenanntes „Fehlverhalten“. (Spiegel Online 2013) Was tun? Die Angst vor Fehlern zu verlieren kann schwierig sein, da sie im Laufe unserer Entwicklung zu einem Teil unserer Persönlichkeit geworden ist. Dennoch ist es möglich, unsere Einstellung und unsere innere Fehlerkultur zu verändern und langfristig neu zu gestalten. Dies erfordert jedoch Mut und eine große Portion Selbstbewusstsein, denn es bedeutet, sich mit seinen eigenen Fehlern und Schwächen auseinanderzusetzen.

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Doch nur wenn wir lernen, dass wir nach einem Rückschlag oder einer Fehlentscheidung wieder aufstehen können, können wir eine positivere Einstellung zu Fehlern entwickeln. Dies kann uns helfen, auch in Zukunft weniger Angst vor Fehlern zu haben, da wir verinnerlicht haben, dass Fehler nichts sind, vor dem man sich so fürchten müsste. Anthony Robbins, ein amerikanischer Bestsellerautor und NLP7Trainer, hat hierzu treffend formuliert: „Erfolg ist das Ergebnis richtiger Entscheidungen. Richtige Entscheidungen sind das Ergebnis von Erfahrung. Erfahrung ist das Ergebnis falscher Entscheidungen.“ (Robbins 2018, S. 15 f.)

Vielleicht ist es hilfreich, künftig nicht von Fehlern, sondern von individuellen Erfahrungen zu sprechen. Von Erkenntnissen. Von alternativen Möglichkeiten. Sodass Sie auf die Frage, ob Sie etwas falsch gemacht haben, antworten können: „Nein, ich habe es nur anders gemacht“. Der Punkt ist: Sie haben es gemacht. Der kleine Unterschied Und genau hierin liegt ein Geheimnis erfolgreicher Menschen. Sie trauen sich, Dinge auszuprobieren – auch auf die Gefahr hin, Fehler zu machen. Sie vertrauen darauf, dass Fehler korrigierbar sind und man aus jedem Fehler auch etwas lernen kann. Sie sehen die Welt als große Experimentierwiese, auf der man alle möglichen Dinge ausprobieren kann. So sammeln sie Erfahrung darin, was funktioniert und was nicht. Sie verstehen, was zu ihnen passt und was nicht. Und mit jedem mutigen Schritt in diese Richtung werden sie noch mutiger und selbstsicherer. Sie entwickeln Vertrauen und Hoffnung und verstehen, dass ein möglicher Fehler nicht zwangsläufig ihren Untergang bedeutet. Sie wissen, dass aus einer Fehlentscheidung auch etwas Positives entstehen

7NLP

steht für den Begriff Neuro-Linguistisches Programmieren und bezeichnet Methoden, die mithilfe von Sprache und systematischen Handlungsanweisung neuronale Vorgänge im Gehirn abändern sollen.

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kann. Sie haben verstanden, dass Risiko nicht automatisch schlecht ist, solange man es kalkuliert und sehenden Auges eingeht.8 Ein kleiner Exkurs zum Thema „Hoffnung“ Nachfolgend ein Ausschnitt aus einem ZEIT-Artikel mit dem Titel „Wie mächtig ist die Hoffnung?“ von Christian Heinrich und Alessandro Gottardo (2017): Hintergrundinformation

„Im Jahr 1957 warfen Forscher aus dem Team des amerikanischen Psychologen und Verhaltensforschers Curt Richter Ratten in ein Wasserbecken, aus dem es kein Entkommen gab. Warfen sie wilde Ratten hinein, strampelten diese etwa 15 min lang, dann gingen sie unter und ertranken. Warfen sie aber gezähmte und an Menschen gewöhnte Ratten hinein, schwammen diese zwischen 40 und 60 h lang, bevor sie untergingen. Die Forscher waren verblüfft. Dann änderten sie die Versuchsanordnung: Jetzt nahmen sie die wilden Ratten nach ein paar Minuten kurz aus dem Wasser und setzten sie anschließend wieder hinein. Das hatte erhebliche Folgen: Nun paddelten auch die wilden Ratten zwischen 40 und 60 h im Becken herum. Die Erklärung der Wissenschaftler: Die wilden Tiere hatten nie zuvor die Erfahrung gemacht, dass jemand sie aus einer Gefahr rettete, immer waren sie auf sich allein gestellt gewesen. Deshalb hatten sie, im Bewusstsein, dass es kein Entrinnen gebe, nach einer Viertelstunde einfach aufgegeben. Ihre wilden Artgenossen hingegen, die kurzzeitig herausgenommen worden waren, machten die Erfahrung, dass Rettung möglich ist. Man hatte ihnen etwas Mächtiges gegeben, das sie nunmehr tagelang durchhalten ließ: die Hoffnung. Die Hoffnung ist der Motor des Lebens, der Antrieb unserer Existenz.“

So grausam und schrecklich dieses Experiment auch ist, es zeigt: Die Hoffnung ist das, was uns antreibt. Sie motiviert uns, auch Dinge anzugehen, die riskant sind.

8Siehe

dazu auch Abschn. 4.4.2.

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Zur eigenen Reflexion Stehen Sie zu Ihren Fehlern! Seien Sie unvollkommen! Nichts ist befreiender als die Erkenntnis, dass man nicht perfekt ist. Denn: Wer alles immer (scheinbar) richtig macht, muss sich selber und seine Entscheidungen nie hinterfragen und kann nie dazulernen. Er nimmt sich selber die Chance, seine Stärken weiter zu verbessern oder an seinen bisher unbekannten Schwächen zu arbeiten. Denn nichts anderes sind Fehler: Chancen, um etwas Neues zu lernen, sich weiterzuentwickeln und daran zu wachsen.

Folgende Übungen beinhalten ein hohes „Fehlerpotenzial“ und können bei der Erkenntnis helfen, dass Fehler im kreativ-schöpferischen Prozess kein beängstigender, sondern ein notwendiger Faktor sind: • • • •

Feste Muster (6.10) Lebenslauf-Karaoke (6.19) Satz für Satz (6.29) Wort für Wort (6.44)

Apropos Lerneffekt: Von Henry Ford wird folgende Anekdote berichtet, die wir Ihnen zum Abschluss dieses Abschnitts mit auf den Weg geben möchten: „Einmal rief Henry Ford einen Manager zu sich, der durch eine übereilte Entscheidung der Firma sehr geschadet hatte. Der Manager erklärte sofort: ‚Selbstverständlich übernehme ich die Verantwortung für meinen Fehler und werde kündigen.’ – ‚Sind Sie verrückt’, antwortete Ford, ‚wir haben gerade eine Million Dollar in Ihre Ausbildung investiert!’“ (Wirtschaftswissen 2012)

3.4 Die Angst vor dem Scheitern „Improvisationstheater bedeutet, immer wieder neu über sich selbst zu staunen, während man sich spielerisch neu entdeckt.“ (Christine Hofmann, Volle Möhre!)

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Eine klare Differenzierung zwischen einem „Fehler“ und dem „Scheitern“ zu finden ist gar nicht so einfach, aber von elementarer Wichtigkeit. Wir würden es so erklären, dass ein „Fehler“ eine Verhaltensweise ist, die zu einer negativen Abweichung vom zu erwartenden Ergebnis führt, und dass „Scheitern“ der Punkt ist, an dem eine Unternehmung nicht mehr weitergeht, d. h. jedes weitere Unterfangen zum Stillstand kommt. Nach einem „Fehler“ ergeben sich meist noch Alternativwege und zweite Chancen, dem „Scheitern“ haftet etwas Endgültiges und Finales an. Dabei kann das Scheitern durch einen großen oder viele kleine Fehler hervorgerufen werden. Es kann auch eine Folge davon sein, sich vor Entscheidungen zu drücken – dann liegt der Fehler im Zaudern und Zögern. Schon sprachlich zeigt sich eine gewisse Symbolhaftigkeit: Als „Scheiter“ bezeichnet man jene Brennholzstücke, die bei der Holzverarbeitung übrig bleiben. Sie werden verbrannt und zerfallen zu Asche. Möglicherweise haben die „Gescheiterten“ auch deswegen häufig das Gefühl, verbrannte Erde zu hinterlassen und einen „Scheiterhaufen“ aus gescheiterten Projekten und Unternehmungen produziert zu haben. Und das schmerzt. Denn wenn man Ziele nicht erreicht oder ein Projekt, an dem man sehr lange gearbeitet hat, scheitert, dann kann man sich zunächst wie paralysiert fühlen. Es kann lange dauern, sich von dieser Niederlage und Enttäuschung wieder zu erholen. Ein Gründer stellt sich der Gefahr dieser Enttäuschung immer wieder von Neuem, denn nicht jede Geschäftsidee klappt auch in der Umsetzung. Widrige Umstände können dazu führen, dass das geplante Vorhaben scheitert. Doch selbst wenn äußere Einflüsse der Grund für ein Scheitern der geplanten Unternehmung sind, wie z. B. eine nicht gewährte Finanzierung oder die Kündigung einer benötigten Immobilie, das Scheitern ist immer etwas Persönliches. Dass wir durch das Scheitern oder Nichtgelingen der Unternehmung als Person nicht an Wert verloren haben, ist uns im Moment der Niederlage nicht bewusst. In diesem Augenblick sehen wir nur die Scherben unseres Projektes und verlieren den Blick für alles andere. Wir definieren uns nur noch über unseren Misserfolg. In Gedanken sehen wir bereits die

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Reaktionen der Umwelt und (ehemaliger) Arbeitskollegen vor uns, sehen wie sie uns mit Spott, Hohn und Mitleid konfrontieren, im schlimmsten Fall begleitet von einem süffisanten Lächeln und der Aussage „Ich habe es schon kommen sehen“ oder „Das wundert mich nicht“. Und das macht uns Angst, denn wir fürchten, dauerhaft als Versager abgestempelt zu werden und in der Achtung unserer Mitmenschen zu sinken. Leider wird tatsächlich besonders im Berufsleben diese Art von „Misserfolg“ sehr negativ assoziiert. Wer mit einem Unternehmen oder auch privat Insolvenz anmeldet oder beruflich scheitert, gilt als Versager. Dabei fallen de facto nur die wenigsten Geschäftsideen sofort auf fruchtbaren Boden. Viele erfolgreiche Unternehmer mussten mit zahlreichen Misserfolgen und Niederlagen kämpfen, bevor sie letztendlich den Weg zum Erfolg fanden. Beispiel Ein paar Beispiele aus dem Buch „Mutmachgeschichten“ von Wolfgang Lange (2009, S. 123 f.) • Albert Einstein sprach erst, als er vier war und konnte erst mit sieben lesen. Seine Lehrer beschrieben ihn als „geistig langsam, ungesellig und immer in seine törichten Träume abschweifend.“ Er wurde von der Schule verwiesen, und der Zugang zur Technischen Hochschule Zürich wurde ihm verweigert. • Henry Ford scheiterte und ging fünfmal Pleite, bevor er schließlich seinen weltweiten Erfolg erreichte. • Achtzehn Verleger lehnten Richard Bachs Geschichte über „Die Möwe Jonathan“ ab, bevor Mcmillan sie schließlich im Jahre 1970 veröffentlichte. Bis 1975 wurde sie allein in den USA mehr als sieben Millionen Mal verkauft. • Beethoven war so ungeschickt mit der Violine, dass er nur seine eigenen Kompositionen spielte, anstatt seine Technik zu verbessern. Sein Lehrer nannte ihn hoffnungslos als Komponist. • Die Eltern des Opernsängers Enrico Caruso fanden, dass er Ingenieur werden solle. Sein Lehrer sagte, dass er überhaupt keine Stimme habe und nicht singen könne. • Winston Churchill blieb in der sechsten Klasse sitzen. Er wurde erst im Alter von 62 Jahren Premierminister in England, und da lag bereits ein Leben voller Niederlagen und Rückschläge hinter ihm. Seine größten Beiträge leistete er im hohen Alter.

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• Walt Disney wurde wegen Mangels an Ideen von einem Zeitungsherausgeber gefeuert und ging auch mehrere Male Bankrott, bevor er Disneyland erbaute. • Thomas Edisons Lehrer sagten, er wäre zu dumm, um irgendetwas zu lernen.

All diese Männer9 haben sich von den Zurückweisungen nicht unterkriegen lassen. Sie sind immer wieder aufgestanden und haben weitergemacht. In den meisten Fällen sind Versagensängste also in Wirklichkeit die Angst davor, die Erwartungen wichtiger Menschen zu enttäuschen und dadurch gesellschaftlich nicht anerkannt zu werden. Wie ein Phönix aus der Asche Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. So abgedroschen dieser Spruch klingt, birgt er doch ein gewaltiges Fünkchen Wahrheit: Denn erst, wenn ich mir eine Niederlage eingestehe und mir bewusst mache, dass ein Projekt tatsächlich und endgültig gescheitert ist, bin ich in der Lage, damit abzuschließen und mit den gewonnenen Erkenntnissen weiterzumachen. Und das ist einer der wichtigsten nächsten Schritte: das Aufstehen und Weitermachen. Eine Niederlage wirkt immer nur temporär – auch wenn es uns im ersten Moment schwerfällt, dies so zu erkennen. Doch wenn wir es schaffen, das Ereignis als einen vorübergehenden Umstand zu akzeptieren, können wir den Blick auch wieder in die Zukunft richten. Wir können überlegen, welche Erkenntnisse wir aus dieser Situation ziehen können und ob wir das geplante Vorhaben mit anderen Parametern erneut angehen wollen (z. B. weil wir absolut davon überzeugt sind, dass es funktionieren kann) oder ob wir vielleicht doch einen alternativen Weg einschlagen.

9In dieser Liste sind tatsächlich nur Männer zu finden. Wir möchten daher betonen, dass es immer auch Frauen gab (und immer noch gibt), die sich mit viel Mut und Engagement gegen große Widerstände durchgesetzt und Großartiges geleistet haben, z. B. Marie Curie, Coco Chanel oder Frida Kahlo.

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So kann jede schmerzliche Niederlage auch ein Quell besonders großer Erkenntnis sein und ein Zeugnis unseres Mutes und unserer Fähigkeit, Großes zu wagen und trotz Scheiterns weiterzumachen. So lange, bis es klappt. Mit den folgenden Übungen beginnt man immer wieder von Neuem und kann die Haltung „es geht immer irgendwie weiter“ gut trainieren: • • • •

Das ist Peter (6.6) Neue Wahl (6.23) Nutze den Gegenstand (6.24) Zeitsprünge (6.47)

3.5 Die Angst vor Verantwortung „Sei nicht zu passiv und lass dich nicht berieseln, mach deine eigenen Geschichten, deine eigene Musik und dein eigenes Leben.“ (Stacy Macaulay, 5te Dimension)

Wenn wir Sie fragen würden, was der größte Vorteil am Erwachsensein ist, was würden Sie antworten? Vielleicht, dass man weitgehend selbst entscheiden kann, was man auf welche Weise tut und wann man es tut. Man wird nicht mehr wie ein Kind dazu aufgefordert, zu einem bestimmten Zeitpunkt zu Hause zu sein oder das Zimmer aufzuräumen. Man kann selbst frei entscheiden. Das ist der Vorteil des Erwachsenseins. Aber es ist auch ein Nachteil. Denn alle diese Entscheidungen ziehen auch Verantwortung nach sich. Wenn ich mich dafür entscheide, mich schlecht zu ernähren, dann bin ich auch für die Konsequenzen verantwortlich. Ich kann die Folgen meines Handelns nicht mehr auf jemand anderes schieben. Ich muss mir und meinem Gewissen (oder meiner Gesundheit) gegenüber die Frage „Was ist da passiert?“ oder „Warum ist das passiert?“ selbst beantworten. Die Freiheit, selbst Entscheidungen zu treffen, bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Und das kann Angst machen. Vielleicht würden wir manchmal gerne weiterhin in der Rolle des Kindes bleiben.

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Sollen doch andere für uns entscheiden, und wenn es mal zu einem Fehler kommt, soll jemand anderes diesen wieder ausbügeln, wie das die Eltern ja meistens getan haben, und wie es auch im Angestelltenverhältnis der Fall sein kann. Die Entwicklung von Verantwortungsbewusstsein Mit der Notwendigkeit, Verantwortung zu tragen, werden wir häufig bereits im Kindes- und Jugendalter konfrontiert. Und je nach Erfahrung entwickeln wir unsere eigene Grundhaltung zu diesem Thema. Wenn wir für unsere Ehrlichkeit und das Eingeständnis eines Fehlers („Ja, ich hab den Teller zerbrochen.“) häufig bestraft wurden, dann haben wir vielleicht irgendwann angefangen, die Schuld auf jemand anderen oder auf die äußeren Umstände zu schieben („Der Wind war so stark. Da ist der Teller auf den Boden gefallen.“ / „Meine Schwester hat mich geschubst“ usw.), nur um der Strafe zu entgehen. Diese Haltung kann sich bis ins Erwachsenenalter durchziehen. Da versuchen wir dann, mit allen Mitteln einen Fehler, den wir gemacht haben, von uns zu schieben oder sogar zu vertuschen. Wir wollen nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden. Wir wollen nicht die Verantwortung dafür übernehmen. „Cover your ass“ heißt es dann oft genug im beruflichen Kontext, also vorsorglich den „eigenen Hintern retten“. Sich nicht für eine Situation zu verantworten hilft uns auch, passiv zu bleiben. Lieber ärgern wir uns über die widrigen Umstände und geben ihnen die Schuld an unserer Misere und/oder dem Nichthandeln, als aktiv zu werden. Wir schlüpfen also in die Opferrolle, da sie uns davor bewahrt, uns selbst oder eine Situation verändern zu müssen. Wir behalten den Status quo bei, auch wenn er uns unglücklich macht. Wir schieben die Verantwortung von uns, um nicht handeln zu müssen. • „Wenn der Chef nur mein Potenzial erkennen würde, dann…“ • „Wenn der Partner mich nur unterstützen würde, dann…“ • „Wenn es draußen nicht so heiß wäre, dann…“ Dabei wäre es ein Leichtes, das „wenn“ in ein „gerade weil“ umzuformulieren:

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„Gerade weil der Chef mein Potenzial nicht erkennt, muss ich ihn davon überzeugen.“ „Gerade weil es draußen so heiß ist, muss ich mir eine Alternative überlegen.“ Do it! Meist sind wir schlecht beraten, wenn wir darauf warten, dass die äußeren Umstände sich verändern. Besser ist es, selbst das Ruder in die Hand zu nehmen. Denn es liegt immer an uns, ob wir in die Rolle des „armen Opfers“ schlüpfen oder ob wir die äußeren Umstände als Chance begreifen und nutzen. Beispiel Vor vielen Jahren hat man einmal eine Untersuchung mit eineiigen Zwillingen durchgeführt. Der Vater des Zwillingpaares war ein Alkoholiker. Zwanzig Jahre später suchte man die Zwillinge erneut auf, um herauszufinden, welchen Einfluss das Umfeld auf die Entwicklung von Kindern hat. Während der eine Zwilling wie sein Vater ein Alkoholiker geworden war, hatte es der andere zu einer angesehenen Position in einer Firma gebracht. Man stellte beiden dieselbe Frage: „Wie erklären Sie sich, dass Sie zu dem geworden sind, was Sie heute sind?“ Beide gaben darauf exakt dieselbe Antwort: „Was kann man anderes erwarten bei einem Vater wie dem meinen?“ Der eine nahm seinen Vater als Entschuldigung für sein Versagen her, für den anderen hingegen war der Vater ein Ansporn, etwas aus sich und seinem Leben zu machen. (Merkle o. J.)

Es liegt an uns, ob wir die uns gegebenen Umstände als Entschuldigung hernehmen oder diese als Motivation sehen. Wir entscheiden uns – egal wie groß oder klein unser „Ballast“ ist -, ob wir die Verantwortung für unser Handeln übernehmen wollen. Solange wir uns als Opfer anderer Menschen oder Umstände sehen, haben wir keinen Grund, uns selbst oder die unbefriedigende Situation zu ändern. Wenn wir jedoch bereit sind, die Verantwortung zu übernehmen, sind wir auch in der Lage, Alternativen zu finden, wenn etwas nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen. Wir können uns neue Wege und Möglichkeiten überlegen, wie wir an unser Ziel gelangen. Wir

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sind bereit, Entscheidungen zu treffen und auch die Konsequenzen zu tragen, die sich daraus ergeben. Ich war’s! Die Fähigkeit, Verantwortung für uns und unsere Handlungen zu übernehmen, eröffnet uns einen gewaltigen Pool an Möglichkeiten und Freiheiten. Verantwortung zu übernehmen bedeutet, dass wir Alternativen haben und wählen können. Und es bedeutet zu erkennen, dass, indem wir uns für einen Weg entscheiden, auch das Ergebnis ein Stück weit beeinflussen können. Zur eigenen Reflexion Beobachten Sie sich selbst ruhig einmal eine Woche lang und fragen Sie sich: „Wo und wie übernehme ich Verantwortung, und wo und wie vermeide ich sie?“ Gibt es Bereiche in Ihrem Leben, in denen es Ihnen leichter fällt, das Steuer in die Hand zu nehmen? Situationen, in denen es Ihnen vielleicht sogar Freude bereitet, der Pionier zu sein? In welchen Bereichen sind Sie eher passiv? Versuchen Sie herauszufinden, was die Ursachen hierfür sind.

Übernehmen Sie bewusst die Verantwortung für kleinere Projekte und Aufgaben und wachsen Sie Stück für Stück in diese Rolle herein. Nur die wenigsten „Macher“ sind als solche vom Himmel gefallen, sondern sie haben sich diese Fähigkeit im Laufe der Jahre hart erarbeitet. Ihr einziger Vorteil ist, dass sie vor Ihnen angefangen haben. Seien Sie mutig und entscheiden Sie sich zum Handeln. Verlassen Sie Ihre Komfortzone und finden Sie Ihren eigenen Weg. Übernehmen Sie die volle Verantwortung für Ihre jetzige Situation. Denn nur Sie können diese ändern. Das macht vielleicht ein bisschen Angst. Aber es macht Sie auch frei, denn es bedeutet, dass Sie Dinge ändern können. Es liegt an Ihnen. Tun Sie es einfach. Nur Mut! Mit folgenden Übungen können Sie Ihre Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen bzw. ein signifikanter Teil der Prozesskette zu sein, sehr gut trainieren:

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• • • •

Feste Muster (6.10) Find a Game (6.12) Ideen-Café (6.14) Imaginäres Volleyballspiel (6.16)

Literatur Ahne, V. (2012). Ein Recht auf Schrammen. https://docplayer.org/53743778Ein-recht-auf-schrammen.html. Zugegriffen: 4. Nov. 2019. Ayers, J. (2014). An Improv state of Mind. o. O.: BoldReads. Bode, S. (2006). Die deutsche Krankheit – German Angst. Stuttgart: KlettCotta. Börsenverein. (2017). Mediendossier Krimi und Spannung. https://www.boersen­ verein.de/presse/mediendossiers/mediendossier-krimi-und-spannung/. Zugegri­ ffen: 19. Nov. 2019. Czycholl, H. (2014). Die „German Angst“ steckt tief in unseren Genen. https:// www.welt.de/wissenschaft/article132728527/Die-German-Angst-steckttief-in-unseren-Genen.html. Zugegriffen: 4. Nov. 2019. Doll, N. (2018). Warum es in Deutschland immer weniger Gründer gibt. https:// www.welt.de/wirtschaft/article178632346/Gruenderreport-2018-Darumwagen-es-viele-nicht-ein-Unternehmen-zu-gruenden.html. Zugegriffen: 4. Nov. 2019. Drinko, C. (2019). How improvisation changes the brain. Psychology Today. https://www.psychologytoday.com/ie/blog/play-your-way-sane/201910/ how-improvisation-changes-the-brain. Zugegriffen: 19. Nov. 2019. Duden. (o. J.). Risiko. https://www.duden.de/rechtschreibung/Risiko. Zugegriffen: 8. Aug. 2019. Etzold, V. (2013). „Der weiße Hai“ im Weltraum: Storytelling für Manager. Weinheim an der Bergstraße: Wiley-VCH. Heinrich, C. & Gottardo, A. (2017). Wie mächtig ist die Hoffnung? https://www.zeit.de/2017/37/positives-denken-hoffnung-gesundheitheilung-koerper. Zugegriffen: 4. Nov. 2019 (Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors). Hüther, G. (2013). Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher. Frankfurt a. M.: S. Fischer.

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3  Angst und Mut bei der Gründung     49

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4 Gründung und Business

Zusammenfassung  Hat man sich mit der Angst vor der Gründung arrangiert, kann man sich daran machen, sein Unternehmen zu starten. Der Schritt in die Selbstständigkeit hinein ist kein leichter, doch auch hier hilft Improtheater. Wer lange in einer Festanstellung gearbeitet hat, braucht womöglich Unterstützung beim Thema Auftreten. Es bedarf einer gewissen Übung und Gewohnheit, um sich „einfach so“ vorne hinzustellen und im Rampenlicht zu stehen. Der Businessplan ist das traditionelle Planungstool aller unternehmerischen Vorhaben. Trotz aller Relevanz geht es natürlich auch anders. Mit Impro kann man den Planungsprozess und sogar die grundsätzliche Einstellung gegenüber Planung auf den Kopf stellen, denn: Wer gut improvisieren kann, muss nicht alles planen. Irgendwann wird es also ernst, und der Entrepreneur ist hauptberuflich in der Selbstständigkeit oder in der Unternehmereigenschaft. Dann gilt es, konsequent an der eigenen Persönlichkeit zu arbeiten und zu erkennen, wo sich noch Reste des „ArbeitnehmerMindset“ verstecken. Bei Gründerteams kommt das Thema Teambuilding hinzu. Vertrauen sich alle? Wollen alle das Gleiche? Wer macht überhaupt was? Der Unternehmer und das Gründerteam profitieren

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Meine und F. Sußner, Impropreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30355-6_4

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wohl am meisten von der Arbeit mit Improtheater: Hierbei geht es darum, das Mindset zu ändern und die passende unternehmerische Haltung zu erwerben.

4.1 Gründungsentscheidung treffen „Improtheater –ein Werkzeugkasten für die VUCA-Welt.“ (Stefan Kollmeier, #rational-verrückt)

Wir haben also gesehen, dass man zwar Angst vor der Gründung haben kann, darf und sollte – sie aber dennoch eine gute Idee ist. Oder? In vielen Fällen ist die Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen (und sei es nur ein kleines Einzelunternehmen), eine sehr grundsätzliche Entscheidung. Man entscheidet sich, vielleicht zum ersten Mal im Leben, die gefühlte Sicherheit und die geregelten Umstände der Festanstellung zu verlassen. Man lässt sein sicheres Gehalt hinter sich, das zuverlässig am Monatsende auf dem Konto landet. Man begibt sich in eine Situation, in der man nicht weiß, ob sie einen nicht schnurstracks in den Bezug von Hartz IV führt – natürlich erst nachdem man alles mühsam Angesparte aufgebraucht hat, in eine billige Wohnung gezogen ist, das schöne große Auto verkauft und seinen Psychotherapeuten häufiger gesehen hat als seinen Partner. Nun wäre es natürlich schön, wenn man schon vorher wüsste, ob man mit seinem Vorhaben Erfolg haben wird und ob man selbst überhaupt gemacht ist für die Selbstständigkeit. Die schlechte Nachricht ist: Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der für irgendein Vorhaben mit Sicherheit voraussagen kann, ob es klappen wird oder nicht. Sie können sich monatelang mit Steuerberatern, Gründungsberatern, Business Angels, IHKs, Anwälten und erfahrenen Unternehmern austauschen – am Ende wird immer erst die Praxis zeigen, ob Ihr Vorhaben klappt. Das heißt nun aber natürlich nicht, dass Sie blind gründen und ohne Plan losrennen sollten. Ein Businessplan hat absolut seine Berechtigung, auch als internes Planungstool und als Ergänzung zur „Effectuation“ (siehe Abschn. 4.3.1). Es ist sehr sinnvoll, sich vorab gründlich mit seinem Vorhaben zu beschäftigen und alle relevanten Informationen zu

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sammeln. Auch wenn man nichts wirklich voraussagen kann – eine gute Planung wird immer die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Sie am Ende Erfolg haben. Wenn Sie also in einer Festanstellung sind und schon länger überlegen, ob Sie sich selbstständig machen wollen oder nicht – was ist letztlich die richtige Entscheidung? Immer wenn Sie über Pro und Contra nachdenken, ringen zwei Teile Ihres Ichs darum, entscheiden zu dürfen: Ihre bewusste Ratio und Ihr Unterbewusstsein. Es ist schwierig zu sagen, welcher der beiden Teile letztlich Recht hat. Hinzukommt, dass jeder Teil auch in sich widersprüchlich ist: • Ihr Verstand rechnet Ihnen zum Beispiel vor: Wenn Sie nur 2 h pro Tag fakturieren – bei einem Stundensatz von 60 €, 5 Arbeitstagen und 4 Wochen pro Monat – generieren Sie im Monat schon einen Umsatz von 2400 €! Das ist super, zumindest für den Einstieg, was soll also schiefgehen? Das Ganze muss dann nur noch ein bisschen ausgebaut werden, und schon können Sie mit einer Teilzeitwoche mehr verdienen als jetzt! • Doch dann überlegt sich Ihr Verstand, dass er ja gar nicht weiß, ob Sie wirklich 2 h pro Tag abrechnen können. Und werden Sie wirklich 60 € pro Stunde bekommen? Nicht eher 35 €? Und schaffen Sie es wirklich, jeden Tag Arbeit zu haben? Wo soll die denn herkommen? Wenn Sie nur 6 Wochen hintereinander ohne Arbeit sind, müssen Sie schon anfangen, sich mit Hartz IV zu beschäftigen! • Gleichzeitig mit diesen rationalen Überlegungen ist auch Ihr Unterbewusstsein aktiv. Wenn Sie an den möglichen Umsatz und natürlich an die Freiheit denken, haben Sie so ein wohliges Gefühl im Magen. Das ist doch sicherlich das sprichwörtlich gute Bauchgefühl, das für die Richtigkeit Ihres Vorhabens spricht. • Hm, aber klappt das mit dem Umsatz wirklich und ist die gewonnene Freiheit wirklich so toll? Sie waren ja doch eher immer jemand, der Strukturen brauchte, und die haben Sie ja dann nicht mehr. Und wenn dann der Gedanke an Hartz IV im Kopf vorbeisaust, erinnert das Gefühl im Magen auf einmal eher an eine Fischvergiftung. Was will Ihr Bauch Ihnen verdammt nochmal sagen?

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Sie sind also mit zwei Fragen konfrontiert: Soll ich auf den Verstand oder auf die Intuition hören? Und was sagen mir die beiden eigentlich? Beispiel Stellen Sie sich vor, Sie würden vor einer hoch komplexen Entscheidung stehen, mit dem Potenzial, die Zukunft der Menschheit für alle Zeit zu ändern, in die eine oder andere Richtung. Sie haben jedoch zu viele Informationen und Daten, als dass ein einzelner Mensch sie im Kopf berechnen könnte. Zur Entscheidungsfindung haben Sie zwei Maschinen zur Auswahl: Einen Taschenrechner, mit dem Sie genaue Ergebnisse berechnen können, der aber in seiner Rechenkapazität begrenzt ist. Und einen modernen PC mit allen nötigen Programmen, der für Sie die Eingabe, Verarbeitung und Berechnung der Daten übernimmt, dessen Bildschirm aber leider kaputt ist. Sie können deswegen nur die grundsätzliche Entscheidung (Alternative A oder B) erkennen, nicht aber die durchgeführten Berechnungen, Teilergebnisse oder Begründungen, die der PC liefert. Für welche der beiden Maschinen entscheiden Sie sich? In diesem Beispiel steht der Taschenrechner für Ihr bewusstes Denken. Der leistungsfähige Rechner ohne Bildschirm ist Ihr Unterbewusstsein und Ihre Intuition.1

Bas Kast erklärt in seinem Buch „Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft“ (2007, S.  74  ff.), dass das menschliche Gehirn für unbewussten Abläufe – wie die Verarbeitung der Sinneswahrnehmungen – mindestens 11 Mio. Bits pro Sekunde verarbeitet. Und nun schätzen Sie mal, wie hoch die Verarbeitungsrate unseres Bewusstseins ist? Es sind 50 Bits pro Sekunde, also keine 0,1 % des ersten Wertes. So genau, scharf und hellsichtig der Verstand von Menschen auch arbeitet – er hat im Vergleich zum Unterbewussten nur eine sehr geringe Leistungskapazität. Bas Kast vergleicht den Verstand mit dem Scheinwerferlicht, das auf der Bühne das Gesicht des Schauspielers erleuchtet. Alles andere, also der Großteil der Bühne, bleibt im Dunkeln. Das ist an sich nicht schlimm – es sei denn, der Verstand

1Eigenes

Beispiel in Anlehnung an Bas Kast (2007, S. 74 ff.).

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v­ ergisst, dass es neben dem beleuchteten Bereich noch mehr gibt, das nicht in seinem Fokus ist. Und genau das tut er ziemlich gerne. Gerade bei Entscheidungen, die zu komplex für den bewussten Verstand sind oder bei denen Aspekte eine Rolle spielen, die schwer in Worte zu fassen sind, läuft der bewusste Verstand Gefahr sich zu verzetteln und zu scheitern. Beispiel Forscher, berichtet Bas Kast, gaben ihren Probanden Informationen zu vier verschiedenen Autos, jeder sollte sich für eines entscheiden. Eigentlich war klar, dass Auto 1 sehr gut, Auto 2 und 3 mittelmäßig und Auto 4 minderwertig war. Sie trennten ihre Versuchskaninchen in zwei Gruppen. Die eine Gruppe bekam alle verfügbaren Fakten über die Autos und durfte sich mit diesen auseinandersetzen, die andere bekam zwar die gleichen Informationen, wurde aber während des Prozesses abgelenkt. Letztere Gruppe war also gezwungen, sich bei der Entscheidung eher auf ihre Intuition denn auf ihre Ratio zu verlassen. Das Ergebnis: Je mehr Fakten verfügbar waren, desto besser schnitten die Teilnehmer der zweiten Gruppe ab, also diejenige, die intuitiv entscheiden mussten. Sie wussten zwar nicht immer, warum sie sich für ein bestimmtes Auto entschieden – aber die Entscheidung war dennoch besser als die der ersten Gruppe, die möglichst „rational“ entscheiden sollte.

Wenn wir nun also davon ausgehen, dass auch unsere Gründungsentscheidung sehr komplex ist und wir vermutlich sowieso keine vollständigen Informationen haben, dann sollten wir auf unsere Intuition hören, um zu wissen, ob und wie wir gründen sollen. Und wie stellen wir es nun an, von unserem Unterbewusstsein eine Antwort auf diese Frage zu bekommen? Das Unterbewusstsein braucht eigentlich nur zwei Voraussetzungen, um arbeiten zu können: Es muss vom Verstand mit Informationen versorgt werden. Und es braucht Zeit. Für Sie heißt das: Sammeln Sie alle Informationen, die es über Ihr Vorhaben gibt: Marktdaten und Mitbewerber, Trends und Neuentwicklungen etc. Gehen Sie raus und treffen Sie mögliche Partner, Lieferanten, Kunden und Netzwerkkontakte. Führen Sie Gespräche. Tun Sie alles, was Sie für relevant erachten. Denn Intuition besteht vor allem aus Mustern, die

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wir unbewusst wahrnehmen, die auf uns einwirken und uns zu Entscheidungen zwingen. Es ist Wissen, das wir uns erworben haben, ohne uns dessen bewusst zu sein. (Traufetter 2007, S. 131) Wenn Sie noch keine Kunden oder andere Kontakte haben, nutzen Sie folgende Übungen aus Kap. 6, um Ihrem Unterbewusstsein Futter zu geben: • Das ist Peter (6.6) • What’s your name? (6.41) Und wenn Sie alles getan haben, was zu tun ist – schlafen Sie drüber. Geben Sie sich ein paar Tage Zeit und lassen Sie Ihr Unterbewusstsein die Arbeit machen. Sie werden merken, wie das Bild langsam klarer wird. Und falls Sie sich entscheiden, den Weg in die Selbstständigkeit zu wagen: Willkommen im Abenteuer!

4.2 Auftritt und Präsentation: Entspannte Spannung „Impro macht mich wacher, mutiger, wohlwollender. Impro macht mich zu dem, der ich gerne sein will.“ (Erik Müller-Rochholz, Chamäleon)

In unserer täglichen Praxis als Gründungsberater haben wir regelmäßig mit Menschen zu tun, die ihr gesamtes bisheriges Berufsleben im Angestelltenverhältnis verbracht haben. Bei manchen sind das 20 Jahre oder mehr in festen Jobs. Dabei sind diejenigen, die regelmäßig auftreten und präsentieren mussten, in der Minderheit. Und die, die das gerne und gut gemacht haben, sind die allerwenigsten. Im bisherigen Leben war der öffentliche Auftritt, die Präsentation, das Reden vor anderen etwas, das man lieber nicht machte, wenn es nicht unbedingt nötig war. Mit dem Schritt in die Selbstständigkeit und in das Unternehmerdasein jedoch ändert sich das. In unserer Arbeit mit Existenzgründern haben wir die Erfahrung gemacht, dass am Ende derjenige erfolgreich ist, der sich geschickt verkauft – egal wie.

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­ usschlaggebend ist also nicht nur eine gute Idee oder ein besonders A günstiges Angebot, sondern wie der Unternehmer es schafft, sein Angebot zu kommunizieren und zu präsentieren. Dabei gilt es, eine intelligente Strategie zu entwickeln, um das Bündel an Möglichkeiten ideal zu nutzen: Logo, Homepage, Social Media, Printmaterialien, Networking, Empfehlungsmanagement, die Suche nach passenden Vertriebspartnern, selbst die eigene Kleidung, die Wortwahl und der Einsatz der passenden Fotos. Gerade in den ersten Monaten und Jahren ist die Selbstständigkeit vor allem eines: Akquise, und zwar immer und überall. Wer bisher bei Feierabend mit seiner Arbeitsstelle auch seine Rolle als Mitarbeiter mit allen dazugehörigen Pflichten hinter sich lassen konnte, muss sich nun der Situation stellen, dass er zu jeder Zeit Vertreter des eigenen Unternehmens ist und stets ein potenzieller Kunde vor ihm stehen kann – selbst auf einer Party oder beim Abendessen mit Freunden. In solchen Situationen entscheiden wenige Sekunden darüber, ob Sie Ihren nächsten Kunden gewinnen können oder nicht – hier ist der klassische Elevator Pitch gefragt (siehe Beschreibung in 6.7). Ebenfalls gehört es in vielen selbstständigen Tätigkeiten auch dazu, regelmäßig vor einer mehr oder weniger großen Menschenmenge zu stehen und sich und sein Angebot zu präsentieren – sei es bei einer Vertriebspräsentation bzw. einem Kunden-Pitch oder auf Veranstaltungen, die thematisch zum eigenen Angebot passen. Viele Menschen bekommen allein beim Gedanken an solche Situationen zittrige Knie. Aber auch echte „Rampensäue“ sind nicht automatisch gute Redner oder Präsentationsgenies. Beispiel Thomas Linhardt, der 2017 zusammen mit Arthur Koenig Nürnbergs ersten Unverpacktladen „ZeroHero“2 gegründet hat, plante einen Teil des Vorhabens durch Crowdfunding zu finanzieren. Er ging davon aus, dass das Thema „unverpacktes Einkaufen“ hohes Potenzial hat und viele Anhänger finden würde. Um sicherzustellen, dass die angestrebte

2https://zerohero-nuernberg.de/

58     G. Meine und F. Sußner Finanzierungssumme von 22.000 € erreicht werden konnte, nutzte er alle ihm zur Verfügung stehenden Multiplikationskanäle. Neben seinem eigenen Bekanntenkreis, Social Media, Pressemitteilungen und Guerilla Marketing war dies vor allem der regelmäßige Auftritt auf möglichst vielen Veranstaltungen und Formaten, darunter Pecha-Kucha-Nürnberg, zwei Vorträge in der Josephs Service Manufaktur, Radio-, TV- und Zeitungsinterviews und Gespräche mit Bloggern aus dem Bereich Lifestyle und bewusste Ernährung. Thomas Linhardt wird bis heute regelmäßig für Vorträge zum Thema unverpacktes Leben angefragt. Und der Erfolg stellte sich ein: Schon nach wenigen Wochen hatte die Facebook-Seite von ZeroHero über 4000 Likes erreicht – ohne Unterstützung durch bezahlte Werbung. Heute (Stand: Ende 2019) sind es bereits mehr als 11.000 Likes.3 Darauf basierend konnte auch die Crowdfunding-Kampagne gemeistert werden: Es wurden 26.000 € eingesammelt, also 120 % Planerfüllung. Für ZeroHero waren die Auftritte des Gründers also ein entscheidendes Erfolgskriterium.

Ab auf die Bühne Das Theater bietet für den Auftritt zahlreiche Techniken und Tricks, mit denen auch der geschäftliche Auftritt erfolgreich gemeistert werden kann. Improtheater, das ursprünglich als Übungsform für das Theater entstanden ist, hat den wohl umfassendsten Übungs- und Spielefundus zu bieten, wenn Sie Ihr Auftreten vor Publikum trainieren und vorbereiten wollen. Auftritte im geschäftlichen Umfeld haben einige Gemeinsamkeiten, unabhängig davon, ob es sich um einen Pitch vor zwei Einkäufern handelt oder um eine Präsentation vor 300 Personen. Es geht immer darum, die Zuhörer von sich und seinem Angebot zu begeistern und letztendlich neue Kunden zu gewinnen. Es geht auch darum, durch die richtige Haltung, passende Inhalte, das richtige Maß an Emotionen und einen insgesamt als passend empfundenen Auftritt so überzeugend zu sein, dass Sie danach niemanden mehr überreden müssen, Kunde zu werden.4 Doch wie treten Sie so auf, dass dies gelingt? Menschen haben die angeborene Fähigkeit, mit Worten, Mimik, Gestik und Körpersprache zu kommunizieren. Ebenso haben Sie die

3Dies kann auf der Facebook-Seite von ZeroHero tagesaktuell nachgesehen werden: https://www. facebook.com/unverpacktnuernberg/ (Facebook o. J.). 4Ganz im Sinne von Watzlawick: Man kann nicht nicht kommunizieren (Watzlawick o. J.).

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Fähigkeit, diese vielschichtigen Signale bei anderen Menschen zu entschlüsseln und zu interpretieren. Im privaten Umgang miteinander geschieht dies in jeder Sekunde, ohne dass wir großartig darüber nachdenken. Es funktioniert automatisch – es gehört zu unserer natürlichen Art und Weise, Mensch zu sein. Sobald man jedoch auf einer Bühne steht, vollzieht sich eine Wandlung. Durch Nervosität und den Ehrgeiz, besonders gut zu wirken, wird das natürliche Verhalten blockiert: Man versucht, sich durch den bewussten Einsatz von Stimme und/oder Gestik einen Vorteil zu erarbeiten. Und hinzu kommt natürlich das Lampenfieber. Walter Cannon hat das schon im Jahr 1915 so beschrieben: „Fight or flight“ – der Körper stellt sich auf eine Bedrohung ein, die man entweder bekämpfen muss oder vor der man davonrennt. (Neftel 2008) Wenn diese Reaktion dazu führt, dass man nicht mehr natürlich kommunizieren kann – dann wirkt man nicht mehr so, wie man das gerne möchte. Man ruft womöglich nicht mehr seinen Charme, sein Wissen und seine Schlagfertigkeit ab, sondern ist gelähmt, blockiert, ausgebremst. Schlechte Voraussetzungen für einen erfolgreichen A ­ uftritt. Die gute Nachricht ist: Sie können (und sollten) das Auftreten vor anderen Menschen lernen und trainieren. Dabei sollten Sie jedoch berücksichtigen: Nicht jede Bühne und jedes Medium haben dieselben Regeln. Was vor 200 Menschen als natürliche Handbewegung wahrgenommen wird, kann im kleinen Besprechungsraum albern und zappelig wirken. Viele Improspieler haben schon die Erfahrung gemacht, dass eine wunderbar gelungene Szene jede Wirkung verloren hatte und seltsam gestelzt aussah, wenn man sie später auf Video betrachtete. Jedes Medium folgt anderen Gesetzmäßigkeiten. Dies ist wichtig zu wissen, wenn man zu Hause oder im eigenen Büro übt. Natürlich kann man sich nicht immer 200 Menschen zum Üben nach Hause bestellen oder ein komplettes TV-Studio um sich herum aufbauen. Aber es hilft, sich die reellen Umstände bewusst zu machen: • Bei Auftritten: – Wie groß wird die Bühne sein? – Gibt es helle, blendende Bühnenbeleuchtung? – Wird Tontechnik eingesetzt?

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• Bei Gesprächen: – Wie groß ist der Besprechungsraum? – Welche Technik ist vorhanden, welche benötige ich? – Wer nimmt am Gespräch teil? Wie sind die Namen der Teilnehmer? Welche Funktion haben sie, welche Interessen? • Bei Tonaufzeichnungen, Interviews etc.: – Wie viel Technik ist um mich herum? – Sitze oder stehe ich? – Werden die Fragen vorher durchgesprochen oder wird frei interviewt? – Wird das Gespräch hinterher geschnitten, habe ich also die Möglichkeit, einen Satz zu wiederholen? • Bei Filmaufnahmen: – Wie ist der Bildausschnitt? Bei Ganzkörperaufnahmen kann ich etwas lebhafter sein als bei Portraits – das sollte ich also wissen. – Muss ich in die Maske bzw. kümmert sich jemand darum? Wenn nicht: Puder mitbringen – niemand will auf dem Bildschirm glänzen wie eine polierte Bowlingkugel. – Wie viele Kameras gibt es? – Wird geschnitten? … und natürlich alles, was oben zu den Tonaufnahmen steht. Wenn ich möglichst viel über die zu erwartenden Umstände weiß, kann ich dies in meiner Vorbereitung berücksichtigen. Ich kann die Maße der Bühne abstecken, ich kann Licht auf mich richten, ich kann mich mit dem Handy in dem Ausschnitt filmen, in dem ich später zu sehen sein werde. Ich kann mich darauf einstellen, dass ich auf der Bühne in der einen Hand ein Mikrofon, in der anderen meine Moderationskarten haben werde – und damit keine freie Hand mehr, um zur nächsten Karte zu gelangen. Ich kann versuchen, mithilfe von Stühlen und anderen Einrichtungsgegenständen die Räumlichkeiten anzudeuten.

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Beispiel Jasmin Mengele gründete im Jahr 2012 die „Soulfood LowCarberia“, ein Lowcarb-Café mit Online-Versand. Als wenige Jahre später ihr Angebot in ganz Deutschland immer bekannter wurde und sogar Fernsehsender sich meldeten (u.a. Pro7 und Vox), wollte sie sicherstellen, auch unter Zeitdruck und mit unfreundlichen Journalisten vor der Kamera professionell zu wirken. Sie wusste nicht, welche Settings sie genau erwarten würde, jedoch, dass in den diversen Fernsehformaten auch unerwartete oder provokative Fragen gestellt werden würden. Als Training führten wir mit ihr eine Kamera-Schulung durch, in der wir nur Trainer und Kameraleute einsetzten, die sie nicht kannte und die betont kühl und unfreundlich zu ihr waren. Sie schlug sich tapfer, und nach jedem Take, der mit ihr durchgesprochen wurde, wurde sie entspannter und gelassener. Mittlerweile ist sie vor der Kamera souverän und kann ihren ganzen Charme abrufen. Zahlreiche TV-Auftritte und etliche Printberichte zeigen dies.5

Es gibt professionelle Filmschauspieler, die ihren Text lernen, indem sie genau das tun: Sie deuten möglichst viel des tatsächlichen Sets zu Hause oder im Hotel an und verbinden beim Studium des Textes das gesprochene Wort direkt mit entsprechenden Gestiken, Handlungen, Gängen und Aktionen.6 Wie also übt und trainiert man, ein guter Redner oder Präsentator zu werden? Zunächst geht es um die Arbeit mit sich selbst. Wer die eigenen Schwächen und Ticks erkennt, kann lernen, damit umzugehen. Wer Erfahrung mit den Medien Bühne, Mikrofon und Kamera sammelt, bekommt ein Gefühl für den richtigen Einsatz von Körper und Stimme. Es hilft, sich Techniken anzueignen, wie man mit Unerwartetem umgeht – denn Überraschungen gibt es bei jedem Auftritt. Wie weiter unten in diesem Kapitel beschrieben, können Sie dafür Impro-Übungen nutzen.

5Das

kann hier nachgelesen und angesehen werden: https://www.soulfood-lowcarberia.de/in-derpresse (Soulfood o. J.). 6Wunderbar und praxisnah beschreibt dies z. B. Sir Michael Caine in seinem Buch „Weniger ist mehr. Kleines Handbuch für Filmschauspieler“ (2009).

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Wenn es an die Inhalte der Präsentation geht, sollte man sich zudem eines klarmachen: Wenn man über sein Unternehmen redet, ist man in der Regel Experte – doch die Zuhörer sind dies sehr oft nicht. Wie also können Sie es ihnen leicht machen, Ihre Inhalte nachzuvollziehen? Tatsächlich hängt nur ein kleiner Teil des Erfolges einer Präsentation vom Inhalt ab, der Rest geht auf das Konto von Körpersprache & Co.7 Die Fokussierung ausschließlich auf den Inhalt führt schnell dazu, dass Präsentationen langweilig werden oder man ihnen überhaupt nicht folgen kann. Das Ergebnis ist, dass die Botschaft der Präsentation (z. B. „Ich kann mein Angebot besser oder günstiger als die Mitbewerber anbieten“) gar nicht ankommt. Hier hilft Improtheater – durch das Einnehmen der Zuschauerperspektive und die Überarbeitung der Präsentation mit dem Ziel maximaler Zuschauerfreundlichkeit. Wie bereitet man sich schließlich konkret vor? Und kurz vor dem Auftritt: Wie wärmt man sich auf? Will Hines beschreibt in seinem Buch „How to be the Greatest Improviser on Earth“ (2016, S. 6) eine Reihe von Empfehlungen für Improvisationsschauspieler auf der Bühne. Einige davon sind auch für präsentierende Unternehmer hilfreich: • • • • •

Be present./Zeige Präsenz. Be changeable./Bleibe wandelbar. Be brave./Habe Mut. Be authentic./Sei authentisch. Be funny./Vergiss nicht, dass es Spaß machen soll.

Ein Impro-Schauspieler trainiert oft Jahre, bevor er diese Prinzipien verstanden und verinnerlicht hat und sie erfolgreich auf die Bühne bringen kann. Als Unternehmer haben Sie jedoch einen entscheidenden Vorteil: die Vorbereitung. Sie sollten nie eine Rede oder Präsentation halten, ohne sehr gut vorbereitet zu sein. Wenn Sie die genannten 5 Punkte 7Untersuchungen zeigen, dass nur ein kleiner Teil unserer Entscheidungen rational und faktenbasiert getroffen werden. Kaufentscheidungen beispielsweise werden nur zu 30 % rational getroffen. (Rohlwing 2018) Forscher gehen davon aus, dass sogar nur 0,1 % dessen, was das Gehirn tut, ins Bewusstsein dringt. (Stüvel 2009).

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trainieren, umsetzen und in die Vorbereitung Ihrer Rede einfließen lassen – dann werden Sie der größte Redner auf Erden sein (oder sind zumindest auf dem Weg dorthin …). Exkurs: Bankgespräch8

Eine der herausforderndsten Situationen für Gründer ist das Gespräch mit der Bank. Stellen Sie sich vor, Sie haben bereits den Businessplan eingereicht und die Bank ist grundsätzlich interessiert. Man lädt Sie zum Gespräch ein, um Sie auf Herz und Nieren zu prüfen. Sie wissen, dass der Banker viele Fragen zu Ihrem Geschäftsmodell haben wird und Sie fragen wird, welche Qualifikationen Sie mitbringen. Er wird aber auch viel zu den Kennzahlen wissen wollen (Rentabilität, Wareneinsatz und vieles anderes). Er wird versuchen herauszufinden, ob Sie sich sicher in Ihrem Konzept bewegen können. Das Gespräch ist also ein Vorstellungsgespräch und eine Matheprüfung gleichzeitig – beängstigend, oder? Nutzen Sie die in diesem Buch aufgeführten Übungen, um sich vorzubereiten und einzustimmen. Üben Sie im Rollenspiel mit einem Freund oder Partner und bitten Sie ihn, möglichst knifflige Fragen zu stellen. Und wenn Sie überhaupt nicht wissen, was auf Sie zukommt: Sprechen Sie die Zahlen und Eckpunkte mit einem Steuer- oder Gründungsberater durch. Und denken Sie dran: Auch der Banker will etwas von Ihnen. Er ist darauf angewiesen, Existenzgründer zu finden, die er finanziert, denn ohne diese wird er sich von seinen Vorgesetzten die Frage gefallen lassen müssen, womit er eigentlich seine Zeit verbringt. Was er von Ihnen braucht, sind Argumente, die für Ihr Vorhaben sprechen und die er seinem Vorgesetzten liefern kann. Liefern Sie ihm diese Argumente. Und: Bleiben Sie auf Augenhöhe! Der Banker ist Experte für Finanzen. Sie sind der Experte für Ihr Vorhaben. Treten Sie (mit aller Höflichkeit und Wertschätzung) als solcher auf.

Es ist, auch für Profis, immer mit Aufregung, Anspannung und dem Gefühl des „Jetzt-kommt-es-drauf-an“ verbunden, auf die Bühne oder

8Siehe auch in Abschn. 5.1.1: Die 5 besten Übungen, um sich auf das Bankgespräch vorzubereiten.

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in ein wichtiges Gespräch zu gehen. Doch, zum Glück, können Sie die einzelnen Facetten davon als Impropreneur wunderbar trainieren und lernen, Ihr Potenzial abzurufen. Wir haben dafür passende Übungen ausgewählt. Im Folgenden beschreiben wir nur die verschiedenen Übungsbereiche und benennen die Übungen, die Sie dann in Kap. 6 nachlesen können. 1. Die Balance zwischen Präsenz und Entspannung finden – Verhalten im Fokus des Geschehens bzw. im Rampenlicht trainieren (be present & be changeable): Es ist gar nicht so einfach, im Rampenlicht die Balance zu finden. Man will Präsenz ausstrahlen und eine gute Verbindung herstellen. Gleichzeitig treibt die Nervosität ihr eigenes Spielchen und sorgt dafür, dass man überdreht. Man kann aber genau das trainieren: Entspannte Spannung im Moment des Auftretens. Übung: See them seeing you (6.30) 2. Reaktion auf Unerwartetes (be brave, be authentic & be funny) In jeder Kommunikationssituation wird etwas geschehen, mit dem man nicht gerechnet hat. Damit muss man umgehen, und manchmal helfen nur extreme Schritte (um z. B. einen lauten Kritiker zum Schweigen zu bringen). Wie dies gelingt? Grundsätzlich trägt jeder das Handwerkszeug für spontane Reaktionen in sich und weiß es auch zu nutzen – z. B. beim Spieleabend mit Freunden, wo über Stunden spontan gehandelt und gesprochen wird. Um es auch auf der Bühne nutzen zu können, hilft Übung. Übungen: Spontanrede (6.33), What’s your name? (6.41) 3. Inhalte: Finde einen Weg, wie du das, was du sagen willst, so darstellst, dass es bei den Anwesenden ankommt (be present, be brave) Gerade komplexe Sachverhalte (siehe z. B. das Bankgespräch weiter oben) lassen sich nicht ohne weiteres improvisieren. Hier hilft es, alle relevanten Fakten gut vorbereitet zu haben, sodass man sie nutzen und abspulen kann, ohne weiter drüber nachzudenken. Übungen: Elevator Pitch (6.7), Stummer Vortrag (6.37) 4. Das Training eines konkreten Auftritts bzw. einer Präsentation (be brave, be authentic & be funny)

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Wenn das Thema zu anspruchsvoll ist, als dass man es aus dem Ärmel schütteln könnte, hilft Vorbereitung sehr. Hierzu kann man sich beim „normalen“ Texttheater bedienen und bei den dort üblichen Probenformen, wie z. B. der Generalprobe. In Kap. 6 findet Sie zwei dieser Probenformen als Übungen beschrieben. Übungen: Alles mit Allem (AMA, 6.2), Italienische Probe (6.17) 5. Warm-ups direkt vor einem Auftritt Schauspieler wärmen sich gerne auf, bevor sie ins Rampenlicht gehen. Stimme, Körper und Assoziationsfähigkeit profitieren davon, sich ein paar Minuten Zeit genommen zu haben. Übungen: 1-2-3-Shake (6.1), Assoziative Gedankenkette (6.3), Stimmübungen (6.36), Supernova (6.38)

4.3 Business Planning Die meisten Existenzgründer und Jungunternehmer brauchen relativ früh einen Businessplan. Banken, Investoren, das Arbeitsamt, Geschäftspartner und nicht zuletzt auch man selbst wollen möglichst schlüssig und differenziert dargelegt haben, was das Vorhaben erwarten lässt. Für diese Art von Businessplan gibt es gewisse Gepflogenheiten, was den Umfang, den Aufbau und den Inhalt betrifft. Es ist u.a. ein Zahlenteil wichtig, in dem z. B. die Kosten, die Umsätze, die Liquidität und die Rentabilität detailliert vorausgesagt werden. Beim Zusammenstellen dieser Zahlen merken Gründer, dass dieser Versuch der Prognose nichts anderes ist als ein Blick in die Glaskugel – gerade die Umsätze lassen sich in den meisten Fällen sehr schwierig und nur ungenau voraussagen. Im Businessplan z. B. für die Bank führt dies dazu, dass man Zukunftsszenarien z. B. in der Kategorie „Marktentwicklung“ entwirft und versucht, diese so plausibel wie möglich herzuleiten. Es werden also vor allem Ergebnisse präsentiert, z.  B. eine selbst durchgeführte Markterkundung oder konzeptionelle Überlegungen. Gerade der Existenzgründer aber bräuchte als Instrument

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viel dringender eine strukturierte Anleitung, eben diese Inhalte zu generieren. Der Businessplan für externe Empfänger ist also vor allem die Dokumentation eines bereits stattgefundenen Planungsprozesses. Außerdem suggeriert man im Businessplan, dass man die meisten Entwicklungen steuern und voraussehen kann – aber eben das kann man ja nicht. Jeder Businessplan ist in dem Moment veraltet, in dem man mit seiner Geschäftsidee auf den Markt geht. Man kann weder negative Entwicklungen voraussagen noch erahnen, welche überraschenden Chancen sich bieten. Natürlich hat der Businessplan seine Rechtfertigung, und vielen Gründern tut es gut, sich und das Vorhaben positiv und detailliert darzustellen und so gegebenenfalls auch Schwachstellen zu entdecken: Was ist mein Markt? Wer sind die Mitbewerber? Was ist mein Alleinstellungsmerkmal? Welche Risiken bestehen und wie kann ich darauf reagieren? Die Antworten darauf sind wertvoll, und um die Finanzierung zu sichern, ist der Businessplan ein durchaus geeignetes Instrument. Um aber intern sinnvolle Entscheidungen zu treffen und planen zu können, ist der klassische Businessplan nur teilweise hilfreich. Für den Impropreneur stellt sich also die Frage, ob er nicht noch andere Möglichkeiten hat, die möglicherweise noch wertvoller und geeigneter sind als der konventionelle Businessplan. Beispiel Markus Utomo9 ist Spielzeugdesigner. Als er den Weg in die Selbstständigkeit ging, plante er, sich am Markt als freier Graphik- und eben Spielzeugdesigner zu positionieren. In beiden Bereichen hatte er fundierte Kenntnisse und Erfahrung, in beiden Bereichen bestand Kontakt zu potenziellen Kunden. Noch während er am Businessplan arbeitete, wurde er für die Kulturund Kreativpiloten Deutschland nominiert und kurz danach auch prämiert. (Kreativpiloten o. J.) Dies verschaffte ihm eine Flut an neuen Kontakten und Erkenntnissen. Bei den Kreativpiloten hatte er sich mit einem Geschäftsmodell beworben, das in seinem Businessplan noch nicht vorkam, aber plötzlich auf viel Resonanz stieß – Fluxmo, ein Online-Modifikator zum

9https://markusutomo.de/

4  Gründung und Business     67 individuellen Designen eines Spielzeugautos, welches dann im 3D-Druck hergestellt wird. Markus Utomo beschäftigte sich somit plötzlich mit Themen, die im Businessplan überhaupt nicht vorgesehen waren und die er erst viel später angehen wollte. Er schaffte es jedoch, zumindest eine Testversion des Modifikators fertigzustellen und gleichzeitig für sein „Kerngeschäft“ die mediale und persönliche Aufmerksamkeit zu nutzen und sehr gut aus den Startlöchern zu kommen. Sein Businessplan aber war somit als realistisches Planungstool nicht mehr relevant.

In diesem Kapitel wollen wir uns also mit zwei Themen für den angehenden Impropreneur beschäftigen: 1. Wie kann ich mich als Gründer darauf einstellen, dass vieles anders kommt als auf dem Papier vorgesehen? 2. Wie kann ich das Geschäftsmodell weiterentwickeln und was kann ich für mich als Planungstool nutzen?

4.3.1 Effectuation „Wenn der erste Plan, den du hast, nicht erfolgreich funktioniert, ersetze ihn durch einen neuen Plan, wenn dieser neue Plan nicht funktioniert, ersetze ihn wiederum durch einen anderen, und so weiter, bis du einen Plan findest, der funktioniert. Genau das ist der Punkt, an dem die Mehrheit der Menschen scheitert, weil sie keine BEHARRLICHKEIT an den Tag legen, bei der Erstellung neuer Pläne, die an die Stelle derjenigen treten, die scheitern.“10 (Napoleon Hill 2000, S. 91)

Als Selbstständiger müssen Sie sich damit auseinandersetzen, dass Sie viele Entscheidungen alleine und ohne ausreichend Informationen treffen, dass es keine externe Strukturvorgabe gibt, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bei Urlaub und dass Erfolg oder Misserfolg zu einem sehr großen Teil von Ihnen abhängen.

10Übersetzung

durch die Autoren.

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Sie müssen ebenso damit zurechtkommen, dass Sie getroffene Entscheidung und geplante Vorgehensweisen immer wieder über den Haufen werfen müssen. Mit anderen Worten: Trotz des besten Businessplans und (für den Investor, die Bank oder das Arbeitsamt) perfekt ausgearbeiteter Zahlen und Konzepte werden Sie in der unternehmerischen Realität eben nicht dieser kausalen Entscheidungs- und Planungslogik folgen können. Vielmehr gibt es gerade zu Beginn eines unternehmerischen Vorhabens zahlreiche Situationen, die Sie so nicht vorausgesehen haben: Selbst die unmittelbare Zukunft ist ungewiss, die eigenen Ziele sind gar nicht so sehr in Stein gemeißelt wie gedacht, die verfügbaren Informationen sind nicht eindeutig. Viele Unternehmer machen die Erfahrung, dass Umsatz- und andere Prognosen nur selten und wenn dann durch Zufall eintreten. Es gibt also viele Konstellationen, in denen Sie mit der üblichen Businessplanung nur bedingt zurechtkommen. Welche Planungshaltung braucht also ein guter Entrepreneur, wenn er mit den „normalen“ Planungsmodellen an Grenzen stößt? Sie brauchen vor allem eine andere Entscheidungslogik. Dies wird mit dem Begriff „Effectuation“11 auf sehr interessante Weise beschrieben. Eine Frage der Entscheidungslogik 2001 zuerst von Saras D. Sarasvathy erarbeitet, geht Effectuation bewusst weg von der üblichen kausalen Entscheidungslogik. Sarasvathy (2001) hat basierend auf der Befragung von 30 erfolgreichen ­Entrepreneuren herausgefunden, nach welchen Prinzipien diese ­Entrepreneure handeln und wie sie planen. 11Neben dem hier genutzten Konzept der Effectuation findet man in der EntrepreneurshipForschung mitunter auch folgende Ansätze: „Entrepreneurial Bricolage“ (Baker und Nelson 2005): Dabei geht es um die Kombination der gegebenen Ressourcen, besonders wenn diese knapp sind. „Improvisation“ (Miner et al. 2001; Vera und Crossan 2005): Das Konzept der Improvisation wird hier vor allem für die Schaffung kreativer Freiräume genutzt, z. B. für die Produktentwicklung. Beide Ansätze haben eine gewisse Nähe und auch Überschneidungen zur hier genutzten Effectuation. Sie sind jedoch in ihrer Ausgestaltung weniger für das Thema Entrepreneurship und junge Unternehmen geeignet bzw. bieten weniger Ansatzpunkte, die der Ausrichtung dieses Buches entsprechen.

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Der klassische Businessplan, den man für Investoren, die Bank oder das Arbeitsamt schreibt, wird streng nach kausalen Zusammenhängen erstellt. Diese Denkweise wird traditionell im BWL- und MBA-Studium gelehrt, auch in Gründerseminaren sieht es sehr oft nicht anders aus. Diese Planungsweise hat natürlich ihre Berechtigung, wird doch ein kausaler Businessplan von der Bank oder vom Investor erwartet. Zudem kann ein Businessplan helfen, verschiedene Zukunftsszenarien durchzuspielen. Dieses kausale Management-Denken beinhaltet die Vorstellung, dass ein (Jung-) Unternehmer die Zukunft zwar nicht ändern kann, aber durch detaillierte Analyse und Recherchen (wie es z. B. im Marketing mit Markt- und Wettbewerbsanalysen geschieht) eine Prognose abgeben kann, ob sein Vorhaben Erfolg haben kann und von welchen Details (Marketingstrategie, Investitionshöhe etc.) der Erfolg abhängt. Man geht also klassisch davon aus, dass man das Vorhaben Schritt für Schritt planen muss, wenn es funktionieren soll: von der Ideengenerierung über die Marktstudie, Finanzpläne, dem Gründerteam, der Finanzierung, dem Prototyp hin zur Marktaktivität und bis zum Exit. Man beginnt also erst nach sehr sorgfältiger Planung mit der Umsetzung. Die Effectuation hält dagegen, dass auf dem Weg des Entrepreneurs immer wieder Überraschendes geschieht und man das meiste überhaupt nicht planen kann. Zudem sind die überraschenden Dinge nicht immer nur Bedrohungen des Vorhabens, sondern oft auch Chancen, die es zu nutzen gilt. Anders als beim klassischen Management-Denken geht man also nicht von einem festen Ziel aus, sondern ändert dieses entsprechend der verfügbaren Ressourcen und bisherigen Erfahrungen immer wieder. Es gilt die Prämisse, dass man die Zukunft nicht vorhersagen, aber sie beeinflussen kann: „Das Unerwartete ist der Stoff, aus dem die unternehmerische Erfahrung besteht, und das Unvorhersehbare in das völlig Alltägliche zu verwandeln, ist die Spezialität des erfahrenen Unternehmers.“12 (Sarasvathy 2001) 12Übersetzung

durch die Autoren.

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Prinzipien der Effectuation Effectuation arbeitet mit den folgenden fünf Prinzipien (Effectuation o. J.): 1. Bird-in-Hand: Es ist besser, mit dem „Spatz in der Hand“ anzufangen. Wer auf die perfekte Gelegenheit oder die geniale Geschäftsidee wartet, macht genau das: warten. Besser ist es, sofort anzufangen und die verfügbaren Mittel zu nutzen, also das, was man ohnehin hat, nämlich: WER man ist, WAS man weiß und kann und WEN man kennt. 2. Affordable Loss: In der kausalen Entscheidungslogik berechnet man, welches Ziel den meisten Gewinn verspricht, und was man zu dessen Erreichung unternehmen muss. In der Effectuation hingegen überlegt man sich lediglich, welchen Verlust man hinnehmen und maximal verschmerzen kann. Davon ausgehend wird versucht, Ziele zu identifizieren. 3. Lemonade: Wenn das Leben Ihnen Saures gibt, machen Sie doch Limonade draus. Machen Sie also aus dem, was Sie haben, und dem, was zufällig Ihres Weges kommt, das Beste – nämlich Ihr Business. Bleiben Sie flexibel! 4. Crazy Quilt: Gehen Sie Partnerschaften mit Leuten und Organisationen ein, die wirklich bereit sind, mit Ihnen die Zukunft zu gestalten, und kreieren Sie Ihre eigene „Patchworkdecke“ an Partnern und Unterstützern (crazy quilt). Wettbewerbsanalyse und strategische Planung sind dabei nicht notwendig. Ihre Partner ergänzen Ihre verfügbaren Mittel mit den ihrigen, und auf dieser Basis werden entsprechende Ziele entwickelt. Was die Mitbewerber machen, ist erst einmal uninteressant. 5. Pilot in the Plane: Wenn Sie entsprechend den vier vorgenannten Prinzipien mit Ihrer Umwelt agieren und sie gestalten, werden immer noch genug Dinge bleiben, die Sie nicht kontrollieren können und die außerhalb Ihres Einflussbereiches sind. Konzentrieren Sie sich auf das, was Sie steuern

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können. Seien Sie der Lenker Ihres Unternehmens! Dieses fünfte Prinzip ist eigentlich übergeordnet. Es wird an manchen Stellen gar nicht als eigenes Prinzip aufgefasst, sondern als zugrunde liegende Geisteshaltung der Effectuation gesehen. (Faschingbauer 2017, S. 41) Schaut man sich diese 5 Prinzipien an, wird schnell offenbar, dass „Lemonade“ und „Pilot in the Plane“ direkt davon profitieren können, wenn man regelmäßig improvisiert. Auch „Bird-in-Hand“ und „Crazy Quilt“ haben erkennbare Verbindungen zur Impro-Grundhaltung. Der Impropreneur, wie wir ihn uns vorstellen, hat diese Prinzipien internalisiert und lebt Improvisation. Auf der Bühne stellen wir uns dem Unerwarteten und machen aus dem, was zufällig des Weges kommt, das Beste – seien es die Angebote der Spielpartner, die Vorschläge der Zuschauer oder das eigene unbeabsichtigte Niesen. Vom Improtheater-Training wissen wir, dass man das Improvisieren üben und lernen kann und zwar so, dass man nicht mehr darüber nachdenken muss. Jeder einigermaßen erfahrene Impro-Spieler hat gelernt, dass eine gespielte Szene mit „Ja! Und …“ weitergeführt werden kann. Welche Überraschung auch immer auf den Spieler zukommt, er kann damit umgehen und das Beste draus machen – nämlich eine gelungene Szene. Übertragen auf den Entrepreneur heißt dies: Aus allem, was geschieht, können Sie versuchen, ein funktionierendes Business zu machen. Die Haltung als Impro-Spieler ist nicht, von Anfang an das Ende oder die Pointe der Szene wissen zu müssen und darauf hinzuarbeiten – man arbeitet auch hier nicht kausal. Vielmehr macht man einen Schritt nach dem anderen, immer abhängig davon, was schon geschehen ist und gerade passiert. Man nutzt den Spatz in der Hand und vertraut darauf, dass man die Taube auf dem Dach auch schon irgendwie bekommen wird, wenn man sich nur an das Training und die Erfahrung hält. Beim Impro gibt es eine weitere Haltung, die der Effectuation ähnelt: „Let your partner shine“, also lass deinen Spielpartner gut aussehen. Dies ist letztlich ein wertvoller Aspekt für „Crazy Quilt“, also für die Patchworkdecke aus Kontakten und Ressourcen. Die Grundlage jedes guten Netzwerkens ist zunächst das Geben, nicht das Nehmen. Lass deine Netzwerkpartner gut aussehen.

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Wer also die Prinzipien der Effectuation als Grundlage seines Handelns einstudieren möchte, kann dies durch regelmäßiges ImproTraining tun – am besten mit dem Ziel, vor Zuschauern auf der Bühne zu stehen und unter Druck zu improvisieren, denn das schafft eine starke Motivation. Schlussendlich können auch konkrete Schritte aus dem Impro-Baukasten im Rahmen der Effectuation unternommen werden. Impro-Effectuation13 Der Ausgangspunkt für Effectuation sind die zur Verfügung stehenden Mittel (Bird in Hand). Doch welche Mittel sind das eigentlich? Wie oben beschrieben, geht es hierbei nicht so sehr um Geld oder das Betriebsvermögen. Es geht vielmehr um die Soft Skills, die Kenntnisse, die Fähigkeiten und das Netzwerk. Diese sollten gesammelt und möglichst umfassend festgehalten werden. Folgende Übungen aus Kap. 6 können dabei helfen: • Lebenslauf-Karaoke (6.19) – Im Leben von A • Aus der Sicht von ... (6.4) – z. B. Mein Leben aus der Sicht von Freunden, Vorgesetzten, Kollegen, Kontakten • Netzwerk-Aufstellung (6.22) – Wer steht wie zu mir? Ausgehend von diesen Mitteln sollte gemäß den Prinzipien der Effectuation anschließend darüber nachgedacht werden, welcher Verlust akzeptabel ist (affordable loss ). Folgende Übungen aus Kap. 6 können helfen: • Leistbarer-Verlust-Auktion (6.20) • Worst-Case-Szenario (6.43) Sie wissen also, über welche Ressourcen sie verfügen, und was Sie bereit sind, einzusetzen. Doch was ist mit den Zitronen, die das Leben

13Die hier vorgestellten Methoden orientieren sich teilweise an der Toolbox aus Faschingbauer (2017).

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­bereithält (Lemonade )? Mit folgenden Übungen lernen Sie, Limonade herzustellen, sprich: auf Unerwartetes zu reagieren und Situationen in einem neuen Licht zu betrachten. Zusätzlich können Sie die Übungen auch nutzen, um aktuelle Probleme zu bearbeiten und neu zu bewerten: • Neue Wahl (6.23) • Nutze den Gegenstand (6.24) • Tausend Wahrheiten (6.39) Viele weitere Impro-Übungen trainieren direkt oder indirekt die Fähigkeit, mit Unerwartetem umzugehen und das Beste draus zu machen – siehe dazu Kap. 6. Im nächsten Schritt können Sie sich daran machen, die eigene Patchworkdecke, den Crazy Quilt, zu stricken – mit den richtigen Partnern. 1. Erstellen Sie dafür eine Liste der Partner, die infrage kommen könnten. Gerade Menschen, die Sie interessieren, ohne dass Sie konkret benennen könnten, welchen Nutzen sie bringen sollen, sollten Sie miteinbeziehen. Folgen Sie Ihrem Instinkt. Versuchen Sie möglichst viele Personen Ihrer Liste zu treffen und sich mit ihnen zu unterhalten – im schlimmsten Fall haben Sie ein bisschen Zeit verloren. Sie sammeln dadurch auch Erfahrung im Führen von Gesprächen mit Partnern. Versuchen Sie, solche Gespräche mit Freunden zu proben, um zu erfahren, wie sich solche Gespräche anfühlen. Sie können letztendlich nicht sehr viel vorbereiten – hilfreich kann aber folgendes Rollenspiel sein: Einer von Ihnen übernimmt die Rolle des potenziellen Partners und bereitet sich vor, indem er Informationen über ihn sammelt (Position, Werdegang, Interessen), soweit verfügbar. Dies kann helfen, die Sichtweise der anderen Person zu verstehen und ggf. spontan Ideen für Kooperationen zu generieren, was ein starker Hebel im Gespräch sein kann. 2. Die unternehmerische Beitragseinladung (Faschingbauer 2017, S. 125 ff.): Zu Beginn werden Sie nicht alle hilfreichen Partner schon in Ihrem Netzwerk haben. Wenn Sie nun konkret jemanden im

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Blick haben oder zufällig auf einer Party mit jemandem ins Gespräch kommen: Fallen Sie nicht gleich mit der Tür ins Haus und versuchen, ihn zu einer Kooperation zu überreden. Zielführender und eleganter kann es sein, jemanden zunächst einmal zu einem (im weitesten Sinn) inhaltlichen Beitrag einzuladen. Dies unterscheidet sich vom (kausalen) Elevator Pitch (Abschn. 6.7). Für uns besonders interessant ist die offene Einladung, im Sinne von „Was würden Sie an meiner Stelle tun?“ oder „Was müsste geschehen, damit Sie mein Produkt kaufen?“. Dies sind Fragen, die nicht auf ein Annehmen oder Ablehnen des eigenen Vorhabens abzielen, sondern darauf, es gemeinsam weiterzubringen. Wenn der Gesprächspartner während dieses Prozesses zum Kunden oder Investor wird – umso besser. Wenn Sie ein Gründerteam sind, können Sie sich überlegen, welche Beitragseinladungen für Ihre Situation besonders hilfreich sind und diese in kurzen Rollenspielen anspielen, um sie zu testen. 3. Zusammenfassendes Zuhören: Zeigen Sie Interesse und signalisieren Sie Wertschätzung, siehe Abschn. 6.50. Als Pilot-in-the-plane sind Sie verantwortlich dafür, Ihr junges Unternehmen durch die Turbulenzen der ersten Jahre zu navigieren. Sie reagieren auf Unerwartetes, erkennen Chancen als solche und gehen immer wieder neue Partnerschaften ein. Sie definieren Ihre Ziele immer wieder neu und behalten stets den leistbaren Verlust im Auge. Zu den Grundlagen der Improvisation gehört, dass man nicht zu weit vorausplant und sich dem Unerwarteten nicht verschließt. Es ist aber gar nicht so leicht, unter Druck entspannt und kreativ zu bleiben und zu wissen, wo man gerade steht. Was, wenn man sich als Pilot des eigenen Unternehmens im Nebel verflogen hat? Darauf kann Sie Improtheater vorbereiten. Um nicht aus den Augen zu verlieren, wer Sie sind, wofür Sie stehen und wo Sie hinwollen, sollten Sie sich die Mühe machen und die Kraft der freien Improvisation mit der Übung „Zukunftsszenario“ aus Abschn. 6.49 nutzen. Effectuation ist vor allem eine wertvolle Ergänzung zu den bestehenden und über Jahrzehnte entwickelten kausalen Planungsmodellen. Gerade in den ersten Jahren kann das Wissen über und der Einsatz von Effectuation

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eine große Hilfe sein. Es nimmt Gründern den Druck, alles vorausplanen zu müssen. Auch mal einfach so nach Bauchgefühl z. B. ein Meeting zu vereinbaren, kann Jungunternehmern viel Selbstvertrauen und den Glauben daran geben, „dass alles schon irgendwie wird“. Gerade bei dem ersten Schritt in die Selbstständigkeit ist der Zwang, die Umsätze für die ersten drei Jahre vorauszusagen, für viele Gründer eine echte Herausforderung. Nicht nur hat man das Gefühl, auf einmal Hellseher sein zu müssen, sondern man wird auch noch daran gemessen, ob man diese willkürlich festgelegte Zahl auch tatsächlich erreicht. Das eigene Vorgehen an den verfügbaren Mitteln und dem leistbaren Verlust auszurichten – darauf kann man sich dagegen viel leichter einlassen!

4.3.2 Business Model Improv Eine weitere Alternative (oder Ergänzung) zum traditionellen Businessplan ist die „Business Model Improv“, die wir aus der Business Model Canvas entwickelt haben: In der Praxis können Sie die Canvas (engl. für „Leinwand“, „Arbeitsfläche“) auch als Einstieg in die Erstellung des „normalen“ Businessplans nutzen, da das strukturiert-intuitive Vorgehen gerade für unerfahrene Gründer leicht zugänglich ist. Es hilft, das geplante Geschäftsmodell zu diskutieren und zu vertiefen. In den Büchern „Business Model Generation“ (Osterwalder und Pigneur 2011) und „Business Model You“ (Clark et al. 2012) beschreiben die Autoren ausführlich, wie ein Start-up neun Felder des Tools nutzt, um die eigenen Ressourcen und die angestrebten Kunden so zu kombinieren, dass ein echter Wert und damit ein Business Case (also ein potenziell tragfähiges Geschäftsmodell) entstehen. Eine Stärke des Tools ist die visuelle Herangehensweise an das Thema Business Planning. Das zuletzt genannte „Business Model You“ ist dabei eher für die individuelle Geschäftsmodellentwicklung konzipiert, also für Individuen, die ihren persönlichen Business Case entwickeln wollen, wohingegen sich das Buch von Osterwalder und Pigneur auch auf größere Vorhaben bezieht.

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Abb. 4.2  Business Model Improv. (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Clark et al. 2013 und Maurya 2013)

Einen weiteren Schritt in diese Richtung unternimmt Ash Maurya (2013) mit seinem „Lean Canvas“-Ansatz, der die neun Felder noch stärker auf intuitive Befüllbarkeit und individuelle Geschäftsmodellentwicklung anpasst, und dabei ganz zentrale Merkmale des Geschäftsmodells herausarbeiten möchte. Für unser Vorhaben, ein Geschäftsmodell mit Unterstützung von Techniken des Improtheaters zu Papier zu bringen, haben wir eine Kombination aus den verschiedenen Varianten entwickelt, die sozusagen das Beste aus allen Welten vereint. Die neun Felder bzw. Elemente bestehen bei Business Model Improv aus den folgenden Teilen, die wir auf sieben Felder reduziert haben (s. Abb. 4.2): • Welche Kunden wollen Sie erreichen? • Welches Problem soll gelöst werden? • Was können Sie dem Kunden anbieten, um sein Problem zu lösen (Wertangebot)? • Welche Arten von Kundenbeziehungen gibt es – was ist Ihr Draht zum Kunden? • Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden, um diesen Draht zu schaffen oder zu verbessern?

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• Welchen eigenen Lösungsweg14 haben Sie für das Problem, den niemand anderes hat? • Was sind die Voraussetzungen für diesen Weg? Aus der Erfahrung unserer Tätigkeit als Gründungsberater heraus kann dieses Vorgehen gerade bei neuartigen Geschäftsmodellen und Gründungsideen helfen, dringend nötige Klarheit für die nächsten Schritte und die strategische Ausrichtung zu gewinnen und entscheidende Detailanpassungen vorzunehmen. Wir haben festgestellt, dass die Erstellung einer Business Model Canvas an ausgewählten Stellen durch freie Kreativität und Techniken des Improtheaters unterstützt und gefördert werden kann. Wie wir das tun? Das wollen wir nun erläutern. Improvisieren Sie sich zum Business Case Da die Canvas in Tabellenform ein intuitiv nutzbares Tool ist, ist es sinnvoll, dass zunächst Sie bzw. bei Teamgründungen jeder Gründer für sich die Canvas ausfüllt. Dabei lernt jeder die sieben Felder der Canvas kennen und bringt seine eigenen Vorstellungen des Geschäftskonzepts zu Papier. Danach wird improvisiert. In dieser Phase ist es wertvoll, wenn das Geschehen gefilmt wird und zusätzlich mindestens eine weitere Person anwesend ist, die nicht zur Gründergruppe gehört und die Notizen macht. Dies kann ein Freund oder auch ein Coach sein. Bei SoloGründungen sollten zusätzliche „Schauspieler“ eingeladen werden. Durch das Filmen und die Anwesenheit einer externen Person wird eine „Bühnensituation“ kreiert, die schon mit nur einem „Zuschauer“ zu einer höheren Ernsthaftigkeit und Konzentration beim Gründerteam führt. Es ist eben nicht mehr nur ein Prozess, der innerhalb des Gründerteams stattfindet. Zum Einstieg sollte jeder der Gründer seine Canvas vorstellen, ohne dass dies von den anderen diskutiert oder kritisiert wird. Jeder Vorschlag hat seine Berechtigung. Wenn sich die einzelnen Entwürfe widersprechen, kann dies durchaus förderlich sein. Zudem ist es h ­ilfreich, frühzeitig 14Ash

Maurya spricht hier vom „unfairen Vorteil“, was uns auch gut gefällt.

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f­estzustellen, dass man nicht in allen Dingen die gleiche Vorstellung hat. Für den Augenblick genügt es jedoch, dies zur Kenntnis zu nehmen. Wenn möglich sollten Sie offen sein für die Inhalte der anderen. Bei Solo-Gründungen kann der Gründer als Alternative seine Canvas einem anderen Menschen vorstellen. Dabei merkt er, wo es noch Widersprüche, Unklarheiten und Verbesserungsbedarf gibt. Nach der Vorstellung der individuellen Konzepte aller Mitgründer kann durchaus Unsicherheit herrschen, ob alle wirklich in dieselbe Richtung wollen. Da zunächst stark divergierend gearbeitet wird, also ohne inhaltliche Kontrolle und mit uneingeschränkter Kreativität, soll nun langsam das „Einnorden“ auf ein einheitliches Konzept beginnen. Ziel ist es, eine neue Canvas zu erstellen, mit der alle Anwesenden einverstanden sind. Der Einstieg in eine Impro-Spielform namens „Harold“15 kann hierbei weiterhelfen (siehe 6.13). Nutzen Sie diese Übung, um sich den Einstieg in Ihr Gründungsthema zu ermöglichen, ohne allzu verkopft zu sein. Ob nun wirklich alle diskutierten Details exakt zum Thema passen, ist in dieser Phase unerheblich. Ganz bewusst soll der „innere Kritiker“ noch ausgeschaltet bleiben. Hintergrund

Im Bereich der Kreativitätstechniken und -werkzeuge unterscheidet man zwischen der divergierenden und der konvergierenden Phase. (Rustler 2017, S. 40 f.) Diese beiden Phasen sollen grundsätzlich getrennt werden: Die divergierende Phase erlaubt explizit, den „inneren Kritiker“ auszuschalten und den Ideenfluss zunächst einmal unzensiert in Gang zu bringen. In dieser Phase gibt es kein richtig oder falsch bzw. kein passend oder unpassend. Es wird also von den Teilnehmern weder Kritik noch Wertung geäußert.

15Im angloamerikanischen Raum wird ein strukturell recht eng gestalteter Harold gespielt. Festgelegte Szenenfolgen wechseln sich mit freien Games ab, so entsteht ein abendfüllendes Format. Der sogenannte „Prärie-Harold“ dagegen ist eine der freisten Impro-Langformen überhaupt. In freier Folge werden zum gewählten Thema Szenenfragmente, Lieder, Gedichte, sogar Geräusche oder reine Bewegungen improvisiert. Dadurch entsteht ein szenisches Patchwork-Gemälde. Beide Harold-Formen beginnen mit dem oben beschriebenen Vorgehen.

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In der Regel geht man im Anschluss in die konvergierende Phase über. Hier werden die produzierten Ideen gesichtet, untersucht und gewertet. In dieser Phase also wird kognitiv geprüft, welche Idee brauchbar ist und welche nicht. Viele Kreativitätswerkzeuge und Denktechniken gehen davon aus, durch das „freie Spinnen“ in der divergierenden Phase auf Ideen und Aspekte zu kommen, die sonst verborgen geblieben wären.

1. Dies war der erste Schritt auf dem Weg, Material für das Geschäftsmodell zu sammeln. Dabei hat es sich bewährt, eine erste konvergierende Phase einzulegen, also das soeben frei improvisierte Material zu erörtern und zu bewerten. Es geht hierbei um eine erste grobe Richtung und es ist ganz natürlich, dass in diesem Zuge viele Details ausgemistet werden können und müssen, da der menschliche Verstand in der Improvisation manchmal überraschende Wege geht. Gleichzeitig aber werden Sie merken, welche Elemente sinnvoll sein könnten, ohne dass Sie dies vorher erwartet haben. Diese Phase wird (und soll) mit Diskussionen verbunden sein, um die ersten Details auf einer neuen und gemeinsamen Version der Canvas einzutragen. Die genutzte Technik war so offen, dass bereits mehrere der sieben Bereiche angesprochen worden sein könnten. Auch dies gilt es zu diskutieren. Auf zwei Bereiche sollte besonderes Augenmerk gerichtet werden, wenn das Material es hergibt: auf die Schlüsselaktivitäten und die Kunden. Es ist allerdings gut und gewollt, wenn viele Stellen zunächst offen bleiben. Ein Tipp: Tragen Sie in diesem Schritt nur das ein, was wirklich elementar und gemeinsamer Konsens ist. Hüten Sie sich vor der Versuchung, möglichst viel einzutragen. 2. Nutzen Sie die folgenden Übungen aus Kap. 6, um nach und nach Material für die Canvas zu sammeln. Fokussieren Sie sich auf die Felder, in denen es noch offene Stellen gibt oder bei denen Sie sich noch nicht einig sind. Folgende Übungen sind geeignet, um sich dem Thema mittels Improvisation zu nähern. – Kunde / Zielgruppe: Hier soll ermittelt werden, wer eigentlich die Kunden des Unternehmens sein könnten.

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Übung: Das ist Peter (6.6) – Draht zum Kunden: Wie ist die Verbindung zwischen dem Unternehmen und den soeben beschriebenen Kunden? Übung: Aus der Sicht von ... (dabei sollte der Kunde in der Szene vorkommen, 6.4) – Problem: Welches Kundenproblem soll vom Unternehmen gelöst werden? Übung: Problemwolke, um damit die Gegebenheiten des Problems zu beschreiben (6.26) – Eigener Weg zur Lösung, den nur dieses Unternehmen so bieten kann. Hier geht es um das Alleinstellungsmerkmal. Übungen: Podiumsdiskussion mit Konkurrenten (6.25), Statusspiel mit Konkurrenten (6.35) – Wertangebot / Lösung: Wie genau schaut nun also das Produkt oder die Dienstleistung aus und wie entsteht dadurch beim Kunden ein Mehrwert? Zunächst erfolgt eine kurze Selbstpräsentation der einzelnen Teammitglieder über ihre tatsächliche Rolle im Unternehmen. Es folgt eine gespielte Interaktion, wie der Kontakt zu einem Kunden aussehen könnte – z. B. der ITler im Support oder der Verkäufer in einer Vertriebssituation. Einer der Spieler sollte dabei die Rolle des Kunden übernehmen. Es geht hierbei um die Simulation einer typischerweise zu erwartenden Situation, um sich über die Rollen der einzelnen Gründer klar zu werden und zu erkennen, ob darüber Konsens herrscht. Dies hilft auch, die Rolle der anderen zu verstehen, gerade wenn diese aus anderen Fachdisziplinen stammen. Anschließend, und das ist der Kern von Business Model Improv, folgen frei gespielte und improvisierte Szenen. Das Problem, das vom Unternehmen gelöst werden soll, wird von einem oder mehreren Spielern möglichst detailreich auf der Bühne dargestellt. Diese Spieler sollten die Eigenschaften, die vorher über den „Kunden“ gesammelt wurden, parat haben und sich davon treiben lassen. Idealerweise wird also eine Situation dargestellt, in der der Kunde mit dem Problem zu tun hat. Dies darf durchaus breit und detailreich geschehen und auch ein bisschen Übertreibung schadet an dieser Stelle nicht.

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Wenn das Problem ausreichend beschrieben ist, tritt ein weiterer Spieler in die Szene und präsentiert, ebenso detailreich, die Lösung, die das Angebot des Unternehmens präsentiert. Dieser neue Spieler ist also ein Vertreter des Unternehmens. Danach wird der Kunde befragt: Hättest du gekauft? Und auch der Spieler, der die Lösung präsentiert hat, kann sich äußern: Hat er sich beim Anbieten seiner Lösung wohlgefühlt? Dieses freie Spielen mit anschließendem Feedback kann gerne mehrmals wiederholt werden, mit wechselnden Spielern auf der Bühne. Besonders spannend wird es, wenn diverse Aspekte des Problems dargestellt werden und dadurch das Angebot auf seine Elastizität hin getestet wird. Mit diesem Vorgehen kann ermittelt werden, ob das formulierte Wertangebot tatsächlich einen „Kundennutzen“ aufweist. Unserer Erfahrung als Gründungsberater nach ist dies ein sehr häufiger Fehler bei Existenzgründungen: Der Nutzen wird weitgehend aus Unternehmersicht gedacht und es wird nicht oder zu wenig berücksichtigt, dass die Kunden und der Markt unter Umständen andere Kriterien ansetzen und andere Probleme haben, die es zu lösen gilt. – Machen sie sich die Mühe, das soeben gemeinsam Erlebte und Entwickelte zusammenzufassen und einer betrieblichen (bzw. betriebswirtschaftlichen) Prüfung zu unterziehen. Überlegen Sie also Welche Kosten haben wir? Welche dieser Kosten sind unabdingbar? Welche Möglichkeiten hätten wir, günstiger zu agieren, ohne unser Wertangebot zu gefährden? Welchen Nutzen bringt uns das Wertangebot? Woher kommen unsere Umsätze? Welche Nebeneffekte haben wir, z.B. öffentliche Wahrnehmung, Vernetzung, etc.? Können wir uns vorstellen, dass der Nutzen die Kosten übersteigt? Was muss passieren, damit dies früh genug eintritt? Kann nicht-monetärer Nutzen mittelfristig die Kosten senken (z.B. Einsparung beim Marketingbudget durch kostenlose Verlinkung bei Partnern)? … und natürlich alles andere, was das Gründerteam für wichtig erachtet.

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Mit diesem Vorgehen kann das ohnehin sehr nützliche Tool „Business Model Canvas“ aus diversen Blickwinkeln genutzt werden. Wie eingangs erwähnt, ist es hilfreich, das gesamte Vorgehen zu filmen oder anderweitig zu dokumentieren. Das Gründerteam sollte das Material im Anschluss ein paar Tage ruhen lassen. Üblicherweise sind bei solch einem divergierenden Vorgehen viele Ideen und Informationen erarbeitet worden, die man zunächst noch gar nicht in Gänze überblicken kann. Es lohnt sich deswegen, dem Geist die Gelegenheit zu geben, dies alles zu verarbeiten und abzulegen. Ob nach ein paar Tagen alle Teammitglieder, nur einer von ihnen oder ein Coach das Material sichtet, ist dem Geschmack des Teams überlassen. Es sollte jedoch sichergestellt sein, dass das Material noch einmal überprüft wird und alles extrahiert wird, was sinnvoll erscheint. Dies mündet in einer vorerst finalen Canvas. Viele Elemente des so erarbeiteten Materials können schließlich auch in einen klassischen Businessplan einfließen. Typische Elemente des Businessplans, die von diesem Vorgehen profitieren, sind die Beschreibung der Gründungsidee und die Ausformulierung der Vision des Vorhabens. Zusätzlich kann z. B. bei der Zielgruppenbeschreibung, den Marketingaktivitäten, der Rollenverteilung im Gründerteam oder dem Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition) Material aus dem Vorgehen „Business Model Improv“ genutzt werden.

4.4 Unternehmerpersönlichkeit entwickeln „Impro zeigt mir die Möglichkeiten.“ (Daniel Halft, frei.wild Improtheater)

In Deutschland sind deutlich mehr Menschen in fester Anstellung als in der Selbstständigkeit (siehe auch die Statistik in Abschn. 3.1). Obwohl vielen Angestellten der Traum nicht fremd ist, endlich der eigene Chef zu sein, wagen sie nie diesen Schritt: weg von Sicherheit und hin zur Freiheit. Zu wenig vertrauen sie in die eigenen Fähigkeiten, zu sehr befürchten sie, kein „Gründer-Gen“ oder „Unternehmer-Gen“ zu

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besitzen. Und unbestreitbar gibt es Menschen, die sich in der Selbstständigkeit auf Anhieb leichter tun als andere. Doch letztlich muss man gegründet haben, um zu wissen, ob die Selbstständigkeit das Richtige für einen ist. Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang lautet: Jeder kann an seiner Unternehmerpersönlichkeit arbeiten und sich entwickeln. Neben dem grundlegenden Mut zur Gründung (siehe Kap. 3), so zeigt uns unsere Erfahrung als Gründungsberater, gibt es ein paar Eigenschaften, die für einen Unternehmer besonders hilfreich sein können. Denn wenn es wirklich losgeht, hängen Wohl und Weh des eigenen Unternehmens tatsächlich vor allem an einem: an der Persönlichkeit des Unternehmers (bei Teamgründungen am Gründerteam, siehe Abschn. 4.5). Viele junge Unternehmen scheitern nicht, oder zumindest nicht nur, aufgrund von unerwarteten Entwicklungen oder Schicksalsschlägen. Sie scheitern auch nicht primär an schlechter Planung oder an falschen Annahmen über den Markt und den Wettbewerb. Sie scheitern, weil der Unternehmer selbst nicht den ganzen Weg gehen will oder kann. Bei manchen Gründern stellt sich nach kurzer Zeit die Erkenntnis ein, dass sie in der Festanstellung doch besser aufgehoben sind. Bei vielen anderen jedoch ist die Schwierigkeit ausschlaggebend, mit den typischen Herausforderungen des Unternehmertums zielgerichtet und pragmatisch umzugehen. Erst wenn Sie in der Rolle des Unternehmers ist, können Sie wichtige Fragen für sich beantworten, z. B.: • Bin ich in der Lage, ein paar Monate (oder sogar Jahre) richtig viel zu arbeiten und noch nicht viel zu verdienen? Bin ich in dieser Zeit bereit, Einschnitte in meinem Lebensstandard zu akzeptieren? • Komme ich damit zurecht, dass ich nicht weiß, ob ich morgen, nächste Woche und nächsten Monat Kunden haben werde? Bin ich trotzdem bereit, Geld zu investieren? • Kann ich auch bei Flaute auf dem Konto noch offen, entspannt und überzeugend auf potenzielle Kunden zugehen und sie von mir überzeugen?

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• Wie gehe ich persönlich damit um, wenn ein großer Kunde ausfällt? Und welche finanziellen Entscheidungen treffe ich dann? • Wenn ich mit einem Handwerker, einer Buchhalterin, einem Professor und einer Sportlerin zu tun habe – kann ich mich auf jeden dieser Menschen individuell einstellen und ihn bzw. sie für mich gewinnen? Kann ich das, was ich tue, in drei Sätzen so erklären, dass es jeder versteht? In den allermeisten Berufsausbildungen und Studiengängen erlangt man Fachwissen. Man wird auf den Tausch „qualifizierte Arbeitskraft gegen Geld“ vorbereitet, letztlich also auf das Angestelltenverhältnis – nicht auf die Rolle als Unternehmer oder Selbstständiger. Eine unternehmerische Denkweise wird selten propagiert oder überhaupt thematisiert, und selbst im BWL-Studium ist dies oft gar nicht oder nur am Rande Thema. Mithilfe von Impropreneurship können Sie diese Fähigkeiten trainieren, sei es vor dem erstmaligen Schritt in die Selbstständigkeit oder auch als erfahrender Unternehmer. Sie können zahlreiche Techniken nutzen, um sich auf die Aufgaben vorzubereiten, die sich Ihnen in der Rolle als eigener Herr stellen. Diese Techniken lassen sich folgenden Themenfeldern zuordnen: • • • •

Optimismus und Ausdauer (siehe 4.4.1), Risikobereitschaft und Umgang mit Unsicherheit (siehe 4.4.2), Entscheidungsfreude, Flexibilität, Kritikfähigkeit (siehe 4.4.3), Soziale Fähigkeiten und Kommunikation (siehe 4.4.4).

4.4.1 Optimismus und Ausdauer Mit dem ersten Schritt in die Selbstständigkeit begibt man sich in ein Spannungsverhältnis, das einen fortan begleitet. Auf der einen Seite müssen Sie mit der steten Ungewissheit leben: Finden Sie morgen den nächsten Kunden? Wird der wichtige Stammkunde Ihnen treu bleiben? Werden Ihre Rechnungen pünktlich bezahlt oder am Ende gar nicht?

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Zudem hat man in der Regel nur wenige Menschen um sich, die am selben Strang ziehen. Es gibt niemanden, der Ihnen sagt, was Sie als nächstes zu erledigen haben. Und es gibt vor allem niemanden, der Ihnen die Bestätigung liefert, dass Ihr Geschäftsmodell, das angebotene Produkt oder die beworbene Dienstleistung überhaupt der richtige Weg sind. Sie werden oft erst im Nachhinein mit Gewissheit wissen, ob Sie Ihr Geld in die falschen Werbemaßnahmen investiert oder Ihren Laden in einem Stil eingerichtet haben, der den meisten Kunden missfällt. Auf der anderen Seite: Wenn Sie selbst nicht an den zukünftigen Erfolg Ihres Geschäftsmodells glauben – wer dann? Wenn Sie nicht optimistisch bleiben, trotz aller Ungewissheit, trotz aller Befürchtungen und trotz aller Unkenrufe, wie sollen Sie dann die Energie finden, die erste Durststrecke zu überstehen? Eine der ersten Herausforderungen ist es also, sich Ihre positive Grundhaltung zu bewahren, an den Erfolg des Vorhabens zu glauben und mit genug Ausdauer dranzubleiben – obwohl Sie nicht wissen, ob Sie Erfolg haben werden (bzw. ob Sie rechtzeitig genug Erfolg haben werden, bevor die verfügbaren Ressourcen aufgebraucht sind). Dies ist oft dann besonders schwierig, wenn nach der Hälfte des Weges die ersten Rückschläge eintreten. Die Gründe für eine negative Haltung oder unzureichende Ausdauer sind natürlich vielfältig, und manches können Sie durch Selbst- oder Fremdcoaching in den Griff bekommen.16 Dem Einen oder Anderen kann es vielleicht auch genügen, Basketball zu spielen oder Aikido zu machen, um den Kopf frei zu bekommen. Eine weitere Möglichkeit ist die Teamgründung. Wenn man mit einem oder mit mehreren Partnern gründet, die eine positive und optimistische Ausstrahlung haben, kann man als unsicherer Gründer davon profitieren und sich auf seine eigenen Stärken konzentrieren. Einen zusätzlichen Weg, sich Optimismus und Ausdauer aufzubauen, bieten Übungen aus dem Impro-Werkzeugkasten. Wir haben für Sie folgende gesammelt.

16Beispielsweise

krankhafte Ängste sind ein Thema, mit dem man besser zu einem Therapeuten geht als zum Coach.

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Empfohlene Übungen aus Kap. 6 für Optimismus und Ausdauer in der Gründung: • Aus der Sicht von … (6.4): Diese Übung hilft, andere Positionen zu verstehen oder auch die eigene Situation in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. • Zeitsprünge (6.47): Es ist hilfreich, sich szenisch vor Augen zu führen, wo Sie eigentlich hinmöchten. Wie und wo sehen Sie sich in 5 oder 10 Jahren? Was ist also Ihre Vision für Sie und Ihr Unternehmen? • Worst Day / Best Day (6.42): Manchmal ist es wertvoll, sich klarzumachen, was schlimmstenfalls geschehen kann (worst day) und was auf der anderen Seite als mögliche Belohnung winkt (best day). • Supernova (6.38): Diese einfache Aufwärmübung hilft, ein positives und energiegeladenes Körpergefühl zu erlangen und sich insgesamt optimistischer in die anstehenden Aufgaben zu stürzen.

4.4.2 Risikobereitschaft und Umgang mit Unsicherheit In Kap. 3 sind wir im Detail auf das Thema Angst und Mut eingegangen, insbesondere wenn es um die Frage geht, ob man überhaupt gründen soll. Dabei ging es vor allem darum, was einen eigentlich davon abhält, sein eigener Chef zu werden, und wie viel Risikobereitschaft es braucht. Aber auch in den Jahren nach der Gründung ist es wichtig, einen angemessenen Umgang mit dem Thema Risiko zu finden. Dabei droht Gefahr sowohl bei blinder Risikoliebe als auch bei einer sturen Vermeidungshaltung. Zunächst geht es um die Fähigkeit, Risiken einzugehen, wenn Sie diese für das eigene Vorhaben für sinnvoll halten. Dabei empfehlen wir nicht, unkalkulierbare Risiken zu schaffen, sondern ein angemessenes Verhältnis zu Situationen aufzubauen, in denen schlichtweg nicht alle Faktoren bekannt und klar sind. Basierend auf der vorangehend genannten Fähigkeit, sich mit Ausdauer eine positive Grundhaltung zu bewahren, geht es beim Thema

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Risikobereitschaft und Unsicherheit darum, ohne latente Panik oder Angst möglichst fundiert abzuwägen, was der richtige nächste Schritt ist. Es gilt, den Blick zu schärfen und damit gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit für eine richtige Entscheidung zu erhöhen. Beispiel Ein Kunde in der Gründungsberatung plante, sich als freier Trauerredner und Lebens- und Beziehungsberater selbstständig zu machen. Während der Planungsphase und der Erstellung des Businessplans stellte sich irgendwann die Frage, ob er in sein Beratungsangebot auch das Thema „Sexualberatung“ mit aufnehmen sollte. Er hatte dieses Thema in seiner bisherigen beruflichen Praxis über 10 Jahre lang behandelt, kannte sich gut aus und war sich aufgrund seiner Erfahrung sicher, einen relevanten Markt vorfinden zu können. Gleichzeitig war er sich nicht sicher, ob er mit der expliziten Bewerbung von „Sexualberatung“ nicht potenzielle Kunden für die Trauerreden abschrecken würde – eine klassische Entscheidung unter Ungewissheit. Auch durch eine Markterkundung zum Thema erhielten wir keine hinreichende Sicherheit, die für uns eine klare Richtung ergeben hätte – erhöhte Umsatzchance in der Beratung vs. Bedrohung des Geschäftsbereichs Trauerreden. Der Kunde entschloss sich schließlich dazu, das Thema „Sexualität“ mit aufzunehmen. Er trennte jedoch die Bereiche „Reden“ und „Beratung“ in seinem Angebot deutlich und fand eine Strategie, wie er diese beiden „Säulen“ seines Unternehmens sinnvoll verbinden konnte. Die Klammer, die beide Unternehmensbereiche verband, war, über verschiedene Aspekte des Lebens zu reden – sei es das Leben, die Beziehung, der Sex oder der Tod.

Letztlich reduziert sich der Umgang mit einem erkannten Risiko auf die folgende Abwägung: Wo ist der mögliche Ertrag so groß, dass er ein höheres Risiko rechtfertig? Wo ist andersherum das Risiko so gering, dass es einen geringen Ertrag rechtfertigt? Dabei besteht die eigentliche Schwierigkeit darin, dass der Gründer noch überhaupt nicht weiß, wie groß das Risiko ist oder aus welcher Richtung es tatsächlich droht. Der Umgang mit noch nicht genau definierten Risiken kennt zwei negative Ausprägungen: die diffuse und grundsätzliche Angst vor Risiko, die zur Vermeidung jeglicher Risiken führen kann, und die waghalsige Lust aufs Risiko ohne Kontrolle und Maß.

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In beiden Fällen kann es helfen, die risikobelastete Situation zu visualisieren, um zu erkennen, wo eigentlich reale Bedrohungen stecken, auf die es zu achten gilt. Empfohlene Übungen für Risikobereitschaft und Umgang mit Ungewissem: • Tausend Wahrheiten (6.39): Machen Sie sich klar, dass nicht automatisch das geschieht, was Sie am meisten fürchten. Diese Übung lenkt den Blick darauf, dass es immer einen ganzen Blumenstrauß an möglichen Ergebnissen und Antworten geben kann. • See them seeing you (6.30): Risiko und Gefahr sind immer präsent, und besonders die diffusen und unbekannten Bedrohungen können schlimm wirken. Sich bewusst in eine Situation zu begeben, in der Sie sich ausgeliefert fühlen, die aber letztendlich positive Energie freisetzt, kann befreiend wirken. • Satz für Satz (6.29): Die meisten Risiken folgen keiner „ganz-odergar-nicht“-Logik. Das bedrohliche Ergebnis tritt, wenn überhaupt, in der Regel nur in Abstufungen ein und entwickelt sich dann. Bei der Satz-für-Satz-Geschichte wird der Blick auf diese schrittweise Entwicklung gelenkt.

4.4.3 Entscheidungsfreude, Flexibilität, Kritikfähigkeit Als Unternehmer oder Selbstständiger kann es herausfordernd sein, regelmäßig Entscheidungen treffen zu müssen, oft unter Unsicherheit und mit wenig Zeit. Gleichzeitig werden Sie mit Situationen konfrontiert, die es erfordern, flexibel zu reagieren und zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten abzuwägen. Letztlich hängt der Erfolg oft von der eigenen Persönlichkeit ab und ist eine Summe aus vielen kleinen, individuellen Entscheidungen. Selbstständige kennen das Gefühl der Einsamkeit. Sie treffen einsame Entscheidungen, für die sie dann auch schon mal kritisiert oder gar gescholten werden. Dies müssen sie jedoch aushalten und zu ihren Entschlüssen stehen.

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Für Menschen, die wenig Freude am Lösen unbekannter Problemstellungen haben, kann es eine gute Strategie sein, sich die eigene Tätigkeit so zu gestalten, dass es wiederkehrende Aufgaben gibt, die nach bekannten Mustern gelöst werden können. Ein anderer Weg könnte sein, das eigene Problemlöseverhalten zu trainieren. Dabei sollten Sie sich auch die eigene Kompetenz bewusst machen: Es ist wichtig, von der Wirksamkeit des eigenen Tuns überzeugt zu sein. Wer eher dazu neigt, den Grund für den eigenen Erfolg als „Glück“ oder „Schicksal“ abzutun, wird auch seinen potenziellen Kunden nur schwer vermitteln können, warum die angebotene Leistung wertvoll ist. Empfohlene Übungen für Entscheidungsfähigkeit und Flexibilität: • Neue Wahl (6.23): Diese Übung zwingt den Teilnehmer, schnell und ohne Zögern immer wieder neue Entscheidungen zu treffen und diese anschließend gleich wieder über den Haufen zu werfen. • Spitfire (6.32): Hier wird dem Spieler allein durch die Geschwindigkeit keine Zeit gelassen, zu zaudern oder über Entscheidungen lange nachzudenken. • Ideen-Café (6.14): Bestehende Denkmuster werden hinterfragt. Sie werden gezwungen, Ideen anderer radikal zu akzeptieren. Diese Übung trainiert auch die eigene Kritikfähigkeit und das Einlassen auf andere Sichtweisen.

4.4.4 Soziale Fähigkeiten und Kommunikation Viele Menschen, die das Abenteuer Selbstständigkeit und Unternehmertum wagen, stellen fest, dass ihre Tätigkeit in den ersten Monaten oder Jahren vor allem Netzwerkarbeit und Akquise ist. Zu Beginn der Geschäftstätigkeit haben Sie in der Regel viel Zeit und wenig Geld – dieses Verhältnis gilt es, kurz- bis höchstens mittelfristig umzukehren. Doch solange Sie noch nicht genug Kunden haben, ist die beste Strategie, die verfügbare Zeit zu nutzen, mit möglichst vielen potenziellen Kunden in Kontakt zu treten. Dazu gibt es eine ganze Bandbreite an Marketingmaßnahmen.

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Gerade bei Einzel- und Kleinstunternehmen wird viel Marketing um die Person des Gründers oder um das Gründerteam herum entstehen müssen. Das Produkt- und Dienstleistungsangebot wird nicht ohne die Persönlichkeit dahinter gedacht werden können. Als Gründer haben Sie also idealerweise regelmäßig Gelegenheit, sich und Ihr Angebot vorzustellen. Neben richtigen „Auftritten“ auf der Bühne oder vor potenziellen Kunden17 wird es auch Situationen geben, in denen Sie mit Menschen verschiedenster Berufe, Herkunft und Prägung zusammenkommen und idealerweise sich und Ihr Angebot so präsentieren, dass Sie diese als Kunden gewinnen. Als Unternehmer und Selbstständiger ist soziale Kompetenz aber auch in vielerlei anderen Situationen wichtig. Die Fähigkeit, sich auf sympathische Weise durchzusetzen, die eigenen Ziele auf geschickte Art zu erreichen, einen Deal zu machen, indem Sie eine Win–win-Situation finden anstelle eines faulen Kompromisses – all dies kann für das Überleben des Unternehmens entscheidend sein. Denn wer zu viele Leute vor den Kopf stößt, wird sich nicht lange halten. Zu sehr ist unternehmerisches Agieren immer auch soziale Interaktion in einer Szene, einer Stadt und der ganzen Gesellschaft, besonders bei kleinen Unternehmen, bei denen die Gründerpersönlichkeiten untrennbar mit der Identität des Unternehmens verbunden sind. Zu den sozialen Fähigkeiten, die trainiert werden können, gehört auch die Fähigkeit, Nein zu sagen oder etwas Unangenehmes durchzusetzen, wenn Sie es für wichtig halten. Auch Vermeidungsverhalten in Konfliktsituationen kann schnell zu einer gefährlichen Falle werden. Empfohlene Übungen für soziale Fähigkeiten und Kommunikation: • Wort für Wort (6.44): Gemeinsam eine Geschichte zu erzählen, ohne besonders viel Einfluss darauf zu haben – das macht Spaß, ist aber auch eine tolle und unverfängliche Kommunikationsübung.

17Siehe

auch Abschn. 4.2, „Auftritt und Präsentation: Entspannte Spannung“.

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• Spontanrede (6.33): Wenn Sie sich trauen, ist spontanes Reden gar nicht so schwer, und allein das kann schon eine wichtige Erkenntnis sein. Zunächst einmal aber geht es bei dieser Übung darum, mit der ungewohnten und latent bedrohlichen Situation umzugehen, Inhalte aus dem Nichts zu produzieren. • Elevator Pitch (6.7): Im Bereich des Entrepreneurship ist dies natürlich weit mehr als nur eine Übung. Jeder Unternehmer sollte in der Lage sein, sein Angebot und den Kundennutzen kurz und prägnant zu präsentieren. • Zusammenfassendes Zuhören (6.50): Dies ist streng genommen auch keine Übung, sondern eine Kommunikationstechnik. Sie hilft dennoch, zu trainieren sich im Gespräch auf Menschen einzulassen und zu verstehen, was sie eigentlich wollen.

4.5 Teambuilding bei Gründerteams „Improvisation bedeutet für mich, spontan und flexibel auf andere zu reagieren, seine echten und wahren Gefühle zu zeigen, dem Gegenüber genau zuzuhören.“ (Mira Strauß, Szenemacher)

Stellen Sie sich vor, Sie halten eine Präsentation vor 70 Leuten, die Sie nicht kennen. Ihnen ist es wichtig, dass die Zuhörer von dem, was Sie tun, begeistert sind, ja, Sie erhoffen sich sogar Applaus, laut und anhaltend, Standing Ovations. Der Punkt ist nur: Sie haben sich nicht vorbereitet. Ihr Computer ist leer, es gibt keine ausgearbeiteten Folien, Sie haben keine Notizen, keine vorbereiteten Themen. Sie sind vollkommen blank. Klingt schlimm? Stimmt. Und viele kennen diese Art von Träumen: von der Abiprüfung, vom Vorstellungsgespräch oder eben von der wichtigen Präsentation, die über Erfolg oder Misserfolg der eigenen Karriere entscheidet. Man steht im Rampenlicht und hat kein Skript, keine vorbereitete Rede. Warum nur setzen sich Impro-Spieler genau dieser Situation immer wieder aus? Und, was noch wichtiger ist: Wie schaffen sie es, dass sie (fast) jedes Mal begeisterte Zuschauer zurücklassen? Antworten darauf

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gibt es zahlreiche, sie füllen viele Fach- und Übungsbücher. Es gibt jedoch einen zentralen Punkt, auf den sich alle reduzieren lassen: Es steht ein funktionierendes Team auf der Bühne. Stellen Sie sich bitte die oben beschriebene Situation mit der Präsentation vor 70 Menschen vor, diesmal stehen Sie jedoch nicht alleine auf der Bühne, sondern mit einem Team von, sagen wir, zwei weiteren Personen. Wird es dadurch leichter? Nehmen wir außerdem an, Sie kennen und mögen die beiden anderen, Sie vertrauen einander. Sie kennen Ihre Stärken und Schwächen, und jeder wäre bereit, für den anderen in die Bresche zu springen, wenn es mal nicht weitergeht. Wird die Situation dadurch unter Umständen sogar ein bisschen reizvoll? Könnte es sogar unterhaltsam werden, wenn man mit Freunden oder lieben Kollegen auf der Bühne steht? Als Letztes stellen wir uns vor, dass Sie drei sich eine ganze Woche lang Strategien überlegt haben, wie Sie mit unbekannten Situationen umgehen und wie Sie darauf reagieren, wenn Sie verunsichert sind, aber schnell eine Lösung finden müssen. Genau so funktioniert Improtheater. Es geht nicht um den Einzelnen, der mit einer Flut aus Inspiration zwei Stunden lang lustig ist und im Prinzip eine spontane Standup-Nummer abliefert. Improtheater wird dann richtig gut, interessant und tatsächlich oft auch lustig, wenn innerhalb des Teams großes Vertrauen herrscht und alle in dieselbe Richtung wollen. Improtheater ist also zu allererst eines: Teambuildung bzw. Teamwork. Wie funktioniert ein Team? In der Gründungsberatung haben wir es oft mit Gründungsteams zu tun, viele davon bestehen aus zwei oder drei Personen. Warum geben manche von diesen Teams von Anfang an Gas und gehen nach wenigen Monaten durch die Decke, während andere einfach nicht vorankommen und wieder andere trotz guter Idee und vorhandenem Marktpotenzial irgendwann die Waffen strecken und aufgeben, weil es einfach nicht funktioniert? Was unterscheidet die erstgenannten von den anderen Teams? Wie können Sie nachhaltig dafür sorgen, dass Ihr Team Erfolg und dabei idealerweise sogar noch Spaß hat? Eine mögliche Antwort auf all diese Fragen liefert das Improtheater: trainieren

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Sie, miteinander zu arbeiten und finden Sie heraus, ob Sie wirklich über das Gleiche sprechen. Bei jedem Gründungsvorhaben, das nicht von Einzelkämpfern umgesetzt wird, muss sich die Unternehmensleitung der Frage stellen, wie das Gründungsteam arbeiten soll. Dabei sind die folgenden Fragen zu klären: 1. Welches Ziel hat jeder Einzelne? 2. Welches Ziel soll als Team erreicht werden? 3. Wann sollen diese Ziele erreicht werden? 4. Welche Meilensteine gibt es? 5. Sind alle Teammitglieder gleichberechtigt oder gibt es einen Chef oder Teamleiter? 6. Wie werden Entscheidungen getroffen? 7. Gibt es Verantwortlichkeiten oder machen alle alles? 8. Welche Kommunikationsstrukturen gibt es? 9. Welche Technik wird eingesetzt? Machen Sie sich die Mühe Antworten auf diese Fragen zu finden. Das hilft und ist zu Beginn noch leichter als später, wenn es hektisch wird. Im Improtheater stehen wir als Team vor der Herausforderung, aus dem Nichts spontan eine Idee zu entwerfen und zu detaillieren, ohne Zeit zu haben, uns abzusprechen. Dafür gibt es diverse Techniken. Jedes Lehrbuch für Improtheater definiert eine gewisse Anzahl an Regeln oder Prinzipien –, mal sind es drei, mal sieben, mal zehn. Dreh- und Angelpunkt bei all diesen unterschiedlichen Auslegungen ist ein entscheidendes und immer wiederkehrendes Prinzip, das bereits angesprochen wurde18: „Yes! And …“ bzw. „Ja! Und …“. Eines der ersten Dinge, das man als Neuling im Improtheater trainiert, ist, sich auf Unerwartetes einzulassen. Ein Beispiel: Spielerin A beginnt die Szene mit folgendem Satz: „Liebling, endlich – ich kann das Meer sehen!“

18Siehe

auch Abschn. 4.3.1, Effectuation.

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Wie kann Spieler B nun darauf reagieren? Wenn er z. B. sagt „Bitte nennen Sie mich nicht Liebling, Chefin!“ oder auch „Meer? Wir sind mitten in Berlin!“ hat er zwar sicherlich seine Lacher aus dem Publikum – gleichzeitig hat er jedoch die soeben beginnende Szene zerstört oder zumindest behindert. Wenn er hingegen sagt: „Du hast recht, Schatz. Ich hatte schon die Hoffnung verloren, dass wir so weit kommen!“, dann hat er das Angebot von A angenommen und begonnen, eine Geschichte zu bauen. Daraus kann sich z. B. eine Szene entspinnen, in der ein Siedlertreck im Wilden Westen der USA endlich an der Westküste ankommt. Es kann aber auch eine Autofahrt eines seit sechzig Jahren verheirateten Paares sein, das ein letztes Mal mit seinem alten VW-Käfer zur Nordsee wollte. Sehr vieles ist bei dieser Replik also noch offen, wird sich aber mit jeder Aktion der Spieler weiter klären. Dies gelingt nur, wenn jeder der Spieler bereit ist, die eigene Vorstellung anzupassen und dem Impuls des anderen zu folgen – auch wenn dieser unerwartet ist oder der eigenen Idee sogar widerspricht. Übertragen auf ein Gründerteam heißt das: ein Team funktioniert dann, wenn man mit ähnlichen Vorstellungen am selben Ziel arbeitet und bereit ist, dem anderen auch seine Rolle zuzugestehen. Als Team „zusammenwachsen“ und „zusammen wachsen“ Wie schaffen wir es, auf der Bühne offen zu bleiben und auf Unerwartetes zu reagieren? Die Zauberwörter sind: Sicherheit und Vertrauen. Als Team kennen wir uns, mögen uns und vertrauen einander. Wir haben vor der Show nicht geprobt, was wir tun werden. Was wir jedoch trainiert haben, ist, als Team zusammenzuwachsen und uns kennenzulernen. Wir kennen unsere jeweiligen Stärken und Schwächen und haben die Gewissheit, dass uns der andere nicht hängen lässt, gerade wenn es eng wird. In Gründerteams erleben wir regelmäßig, dass diese auf den ersten Blick dasselbe Ziel verfolgen: Man möchte zusammen ein Restaurant eröffnen, eine Schule für Künstler gründen oder eine Beratungsfirma für Mittelständler. Doch erst im Laufe des Gründungsprozesses zeigt sich, ob man wirklich vom Gleichen spricht. Im Idealfall stellt sich noch während der Planung in der Vorgründungsphase heraus, dass man

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eigentlich aneinander vorbei spricht. Wenn es blöd läuft, hat man zu diesem Zeitpunkt aber schon viel Geld investiert, eine Finanzierung dafür abgeschlossen, Einrichtungsgegenstände gekauft und mit der Werbung begonnen. Es ist also schwierig, einfach wieder aufzuhören. Mit anderen Worten: Wer sich zu spät um die Kommunikation, um die Dynamik und die Struktur im Team kümmert, bezahlt dafür. Im Improtheater gibt es Spieler, die vor allem darauf aus sind, lustig zu sein und schnelle, witzige Szenen zu spielen. Und es gibt Spieler, die nicht primär lustig sein, sondern eine Geschichte erzählen wollen (die dann aber auch lustig werden darf ). Wenn diese zwei Spielertypen zusammen auf der Bühne stehen, kann es leicht passieren, dass einer auf Kosten des anderen seine Witze macht, während der andere die Lust am Spielen verliert – keine gute Voraussetzung für eine gelungene Szene. Besser wäre es, vorher zu wissen, mit wem man auf der Bühne steht. Beide Spielertypen haben ihre Berechtigung, benötigen aber Partner, die mit derselben Vorstellung in die Szene gehen – sonst knirscht es. Der Vorteil am Improtheater ist, dass man die Bühnensituation trainieren kann und dabei herausfindet, mit welchen Spielertypen man zusammenpasst. Wie können Sie das auf Ihr Gründerteam übertragen? Die Techniken aus dem Improtheater helfen, Ihr Team kennenzulernen. Und sie unterstützen zahlreiche klassische Teamleistungen, wie z. B. die Namensfindung für das Unternehmen oder ein Produkt, die Spezifizierung der Geschäftsidee oder die Kreation von Guerilla-Marketing-Aktionen, aber auch das Erarbeiten eines Businessplans (s. Abschn. 4.3). Teambuilding mit Improtheater Sie stehen im Gründerteam vor der großen Herausforderung, dass Sie sich mit Menschen zusammenschließen, mit denen Sie, wenn es gut läuft, die kommenden Jahre ein Unternehmen aufbauen und erfolgreich machen wollen. Ob Sie dieses Ziel erreichen, hängt von vielen Faktoren ab. Niemand kann Ihnen mit Sicherheit sagen, dass Ihr Vorhaben klappt. Nichts gibt Ihnen die Garantie, dass das Produkt oder die Dienstleistung, die Sie mit Ihrem Team anbieten wollen, vom Markt angenommen werden. Sie können nur eines machen: Alles dafür unternehmen, dass es gut geht – und damit die Wahrscheinlichkeit für den

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Erfolg erhöhen. Dabei steht Ihr Team im Zentrum dieses Bemühens. Sie haben nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn Sie mit Ihrem Team am selben Strang ziehen, Sie genau wissen, wer was tut, und Sie in der Lage sind, sich aneinander zu reiben, ohne zu überhitzen. Denn eines sollten Sie schon jetzt wissen: Leicht wird es nicht. Wird das Team auseinanderbrechen, sobald die erste Krise kommt? Oder halten Sie durch und wachsen an den Herausforderungen, gemeinsam? Impropreneurship kann Ihnen helfen, den Grundstein dafür zu legen, denn Impro ist Teambuilding in Reinform. Folgende Übungen aus Kap. 6 können Sie konkret für Teambuilding nutzen: • • • •

Feste Muster / Patterns (6.10) Imaginäres Volleyballspiel (6.16) Tausend Wahrheiten (6.39) Wort für Wort (6.44)

Literatur Baker, T. & Nelson, R. E. (2005). Creating Something From Nothing: Resource Construction Through Entrepreneurial Bricolage. https://www.researchgate. net/publication/228316078_Creating_Something_From_Nothing_ Resource_Construction_Through_Entrepreneurial_Bricolage. Zugegriffen: 9. Nov. 2019. Caine, M. (2009). Weniger ist mehr. Kleines Handbuch für Filmschauspieler. Berlin: Alexander Verlag. Clark, T., Osterwalder, A., & Pigneur, Y. (2012). Business Model You: Dein Leben – Deine Karriere – Dein Spiel. Frankfurt a. M.: Campus. Effectuation. (o. J.). Effectuation 101. https://www.effectuation.org/?page_ id=207. Zugegriffen: 26. Sept. 2019. Facebook. (o. J.). ZeroHero – Unverpackt Nürnberg. https://www.facebook. com/unverpacktnuernberg/. Zugegriffen: 05. Sept. 2019. Faschingbauer, M. (2017). Effectuation – wie erfolgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

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5 Die besten Übungen für …

Zusammenfassung  In den vorangegangenen Kapiteln wird auf jeweils passende Übungen aus Kap. 6 verwiesen. Zusätzlich bieten wir Ihnen hier in Kap. 5 Zugriffslisten, mit denen Sie schnell die besten Übungen für Ihr Anliegen finden können. Oder aber: Sie stöbern einfach und entdecken die für Sie perfekten Übungen. Das Herzstück dieses Buches sind die Übungen, die Sie in Kap. 6 finden. Es war uns wichtig, den Zugriff auf diese Übungen möglichst zielorientiert zu gestalten. Dazu haben wir im ganzen Buch Verweise angegeben, wenn auf eine Übung Bezug genommen wird. Um den Zugriff auf die Übungen noch leichter zu machen, haben wir außerdem diverse Zugriffslisten erstellt, unterteilt nach Entrepreneurship-Themen, Impro-Themen und danach, was unsere ­ persönlichen Lieblingsübungen sind. Diese finden Sie alle hier in diesem Kapitel.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Meine und F. Sußner, Impropreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30355-6_5

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5.1 Die besten Übungen für EntrepreneurshipThemen „Improtraining ist wie eine Dusche für das Gehirn.“ (Tina Leistner, Mamaladnamala)

Mit den folgenden Zugriffslisten können Sie je nach Ihrem momentanen unternehmerischen Anliegen schnell und zielgenau diejenige Übung finden, die Sie brauchen.

5.1.1 Sich auf ein Bankgespräch vorbereiten Die Gründungsidee steht und Sie können loslegen. Der nächste Schritt ist die Finanzierung in Form eines Gründerkredits. Ein Termin mit der Bank wird vereinbart. Für ein erfolgreiches Bankgespräch benötigen Sie – neben einer tragfähigen Geschäftsidee und einem wohlgesonnenen Gesprächspartner – u.a. noch folgende Eigenschaften: • • • • • •

Überzeugendes Auftreten mit einer stimmigen Mimik und Gestik Vertrauen in sich selbst und Ihre Idee Souveränität und Selbstsicherheit Fähigkeit, auf Unvorhergesehenes spontan reagieren zu können Kenntnisse aus dem Storytelling Fähigkeit, Fachwissen und Kompetenz überzeugend zu vermitteln Folgende Übungen können hier hilfreich sein: 1. 2. 3. 4. 5.

Supernova (6.38) Mantras (6.21) Elevator Pitch (6.7) Experten-Interview (6.9) Stummer Vortrag (6.37)

5.1.2 Seine Geschäftsidee präsentieren (Elevator Pitch) Sei es auf einer Netzwerkveranstaltung oder in einer anderen unerwarteten Situation: Sie möchten Ihrem Gegenüber auf knappe und

5  Die besten Übungen für …     101

verständliche Weise Ihr Geschäftskonzept erläutern – und dies idealerweise so, dass er genauso davon begeistert ist wie Sie selbst. Hierfür braucht es: • • • • • •

Kenntnisse aus dem Storytelling Fähigkeit, auf Unvorhergesehenes spontan reagieren zu können Überzeugendes Auftreten mit einer stimmigen Mimik und Gestik Vertrauen in sich selbst und die Idee Souveränität und Selbstsicherheit Eigenen Standpunkt gut darstellen können Folgende Übungen können hier hilfreich sein: 1. 2. 3. 4. 5.

Elevator Pitch (6.7) Assoziative Gedankenkette (6.3) Kausalkette (6.18) What’s your name? (6.41) Stimmübungen (6.36)

5.1.3 Den Geschäftspartner aus der Reserve locken Oft reicht es nicht, ganz alleine unterwegs zu sein, und Sie müssen (bzw. möchten) Kooperationen eingehen. Wenn der Kooperationspartner einen gänzlich anderen Hintergrund hat, können dabei schon einmal Welten aufeinanderprallen. Folgende Faktoren können eine gute Basis für die gemeinsame Arbeit schaffen: • Vertrauensverhältnis herstellen • Gemeinsam Ideen entwickeln • Sich auf die Sichtweise des anderen einlassen • Kooperationsbereitschaft • Positive Verstärkung der vorhandenen Ideen („Ja! Und …“) • Wahrnehmung schärfen (um auf nonverbale Signale zu achten) • Förderung des Wir-Gefühls

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Folgende Übungen können hier hilfreich sein: 1. 2. 3. 4. 5.

Figurenroulette (6.11) Ideen-Café (6.14) Zusammenfassendes Zuhören (6.50) Nutze den Gegenstand (6.24) Wort für Wort (6.44)

5.1.4 Als Team zusammenfinden (Vertrauen und Teambuilding) Kreativität entsteht nicht nur in einem selbst, sondern auch im Zusammenspiel mit einem Gegenüber. Idealweise haben Sie ein Team, das diesen Prozess gerne durchläuft, sodass die Verantwortung für den gemeinsamen Erfolg auf mehreren Schultern lastet (siehe hierzu auch Abschn. 4.5). Entscheidend hierfür ist u.a.: • Vertrauen aufbauen (untereinander und aufeinander) • Gemeinsam kreative Lösungen finden • Gemeinsam Scheitern und daran Spaß haben • In die gleiche Richtung denken bzw. das gleiche Ziel verfolgen • Eigenen Standpunkt besser darstellen können • Förderung des Wir-Gefühls • Kooperationsbereitschaft Folgende Übungen können dabei hilfreich sein: 1. 2. 3. 4. 5.

Shared Space (6.31) Feste Muster (6.10) Tausend Wahrheiten (6.39) Find a Game (6.12) Vernissage (6.40)

5.1.5 Den Worst Case meistern Unser Gehirn ist ein paranoides Organ. Stets ist es in Hab-AchtStellung hinsichtlich möglicher Gefahren, die uns schaden könnten – sowohl körperlich als auch emotional. Daher malt es uns die Welt schon

5  Die besten Übungen für …     103

im Vorfeld schwärzer, als sie tatsächlich ist. Manchmal tritt aber tatsächlich der erwartete Worst Case ein. Hier heißt es: Akzeptieren und weitermachen, u.a. mit folgenden Grundeinstellungen: • Keine Angst vor Fehlern und dem Scheitern • In der Lage sein, alternative Lösungen zu finden • Selbstbewusst an sich glauben und seiner Idee vertrauen • Auf das Team vertrauen • Kooperationsbereitschaft • Förderung des Wir-Gefühls Folgende Übungen können hier hilfreich sein: 1. 2. 3. 4. 5.

Satz für Satz (6.29) Ideen-Café (6.14) Shared Space (6.31) Berühmtheiten (6.5) Neue Wahl (6.23)

5.1.6 Positive Energie gewinnen (an schlimmen Tagen) Hin und wieder braucht es einen Energieschub. Besonders an Tagen, die etwas mühseliger sind als andere. An solchen Tagen brauchen Sie: • Übungen, die Spaß machen und viel positive Energie geben • Situationen, in denen man Emotionen durchspielen kann • Einen Kanal, in den die negative Energie fließen darf bzw. in dem man sie in „gute Energie“ umwandeln kann • Förderung des Wir-Gefühls Folgende Übungen können hier hilfreich sein: 1. 2. 3. 4. 5.

1-2-3 Shake (6.1) Emotionenquadrat (6.8) Ideen-Café (6.14) Rampenlicht (6.27) Stummer Vortrag (6.37)

104     G. Meine und F. Sußner

5.1.7 Mehr Einfühlungsvermögen durch Perspektivwechsel Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille. Genauso gibt es auch immer unterschiedliche Sichtweisen auf eine Situation. Diese erkennt man nicht immer sofort, und häufig ist es leichter, auf seiner Seite der Wahrheit zu bleiben. Doch durch einen Perspektivwechsel verschaffen Sie sich eine neue Sicht auf die Dinge und sind in der Lage, sich besser in Ihr Gegenüber einzufühlen, und zwar durch: • Eine verbesserte Wahrnehmung • Fähigkeit, sich in den anderen einzufühlen bzw. seine Sichtweise und seine Rolle (Funktion) zu übernehmen • Fähigkeit, eigene Ideen loslassen zu können • Offenheit für Neues und Veränderung • Keine Angst vor Fehlern • Sensibilisierung der Selbst-/Fremdwahrnehmung Folgende Übungen können hier hilfreich sein: 1. 2. 3. 4. 5.

Aus der Sicht von … (6.4) Wort für Wort (6.44) Vernissage (6.40) Das ist Peter (6.6) Zusammenfassendes Zuhören (6.50)

5.1.8 Bessere Haltung, Gestik und Mimik (für besseres Auftreten) Ob wir wollen oder nicht, wir kommunizieren immer. Was wir dabei häufig vergessen: Selbst wenn wir nichts sagen, sagen wir viel, denn unser Körper ist unser größtes Sprachrohr. Schon wenn wir einfach nur „da“ sind, haben wir eine Wirkung auf andere – und diese sollte positiv sein. Deswegen braucht es für ein besseres Auftreten u.a.: • Übungen für Körper und Geist • Aufmerksamkeit und Wahrnehmung des eigenen Körpers • Selbstbewusstsein

5  Die besten Übungen für …     105

• Positive Mantras • Gezielter Einsatz von Mimik, Gestik, Körpersprache und Stimme für mehr persönliche Präsenz und einen charismatischen Auftritt • Eigenen Standpunkt besser darstellen können  Folgende Übungen können hier hilfreich sein: 1. 2. 3. 4. 5.

Supernova (6.38) Mantras (6.21) Stimmübungen (6.36) Zeitlupe (6.45) Stummer Vortrag (6.37)

5.1.9 Die Angst vor der Gründung verlieren (Vertrauen in sich selbst gewinnen, mit Unbekanntem umgehen) Die Gründungsidee ist da und natürlich glauben Sie daran. Dennoch beschleichen Sie Zweifel und die Angst ergreift Besitz von Ihnen. Was, wenn es nicht klappt? Was, wenn es klappt? Was Ihnen dabei helfen kann, die Angst vor dem Gründen zu verlieren: • • • • • • •

Fähigkeit, spontan auf Unvorhergesehenes reagieren zu können Vertrauen in sich und Ihre Idee Mut, Risiken einzugehen und daran Spaß zu haben Fähigkeit, alternative und kreative Lösungen zu finden Keine Angst vor Fehlern und dem Scheitern Sensibilisierung der Selbst-/Fremdwahrnehmung Bereitschaft, Entscheidungen zu fällen Folgende Übungen können hier hilfreich sein: 1. 2. 3. 4. 5.

Assoziative Gedankenkette (6.3) Ideen-Café (6.14) Zettelbombardement (6.48) bzw. Spitfire (6.32) Neue Wahl (6.23) Experten-Interview (6.9)

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5.1.10 Kreativer sein (z. B. für neue Marketingideen) Aus den gewohnten Bahnen und Denkmustern auszubrechen kann manchmal der entscheidende Faktor für den Erfolg sein und dabei helfen, sich gegen seine Wettbewerber abgrenzen zu können. Doch von alleine kommt die Kreativität nicht immer. Sie braucht Raum und Gelegenheit, um entstehen zu können. Und sie braucht Folgendes: • • • •

Fähigkeit, scheinbar Unzusammenhängendes zu verknüpfen Gesteigerte Wahrnehmung Keine Angst vor Fehlern und dem Scheitern In neuen Bahnen denken können Folgende Übungen können hier hilfreich sein: 1. 2. 3. 4. 5.

Find a Game (6.12) Nutze den Gegenstand (6.24) Tausend Wahrheiten (6.39) Vernissage (6.40) Ideen-Café (6.14)

5.1.11 Änderungen im Unternehmen rechtzeitig feststellen Wenn man sich sehr auf eine Sache konzentriert, kann es passieren, dass man mit Scheuklappen durch sein Unternehmertum wandelt. Man wird blind für Veränderungen und mögliche Risiken. Um dem entgegenzuwirken bedarf es: • • • •

Gesteigerte Wahrnehmung Fähigkeit, spontan auf Unvorhergesehenes reagieren zu können Neue Sichtweisen zulassen können Sensibilisierung der Selbst-/Fremdwahrnehmung Folgende Übungen können hier hilfreich sein: 1. Vernissage (6.40) 2. Kausalkette (6.18)

5  Die besten Übungen für …     107

3. Zusammenfassendes Zuhören (6.50) 4. Feste Muster (6.10) 5. Neue Wahl (6.23)

5.2 Die besten Übungen für Impro-Themen „Das Wissen und Können, das ich durch Impro erlernt habe, steckt in all meinen Entscheidungen, Aktionen, Reaktionen und Reflektionen. Ich betrachte das Leben durch die Impro-Brille und es ist dadurch oft schöner und immer interessanter.“ (Maryam Azadi, Livingroom Improv)

Wenn es Ihnen um ein bühnenbezogenes Thema geht oder sie Improtheater einfach als Übungsmöglichkeit nutzen wollen, finden Sie hier die passenden Übungen.

5.2.1 Warm-up (körperlich und mental) Wie beim Sport, braucht es auch beim Improtheater zunächst eine Aufwärmphase, um sein Potenzial richtig nutzen zu können. Die folgenden Übungen sollen dabei helfen sowohl körperlich als auch mental in einen wachen und aktiven Zustand zu kommen. • • • • • • • • • •

1-2-3 Shake (6.1) Assoziative Gedankenkette (6.3) Feste Muster (6.10) Harold (6.13) Ideenkette (6.15) Imaginäres Volleyballspiel (6.16) Nutze den Gegenstand (6.24) Rampenlicht (6.27) Satz für Satz (6.29) Stimmübungen (6.36)

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• Supernova (6.38) • Zeitlupe (6.45) • Zusammenfassendes Zuhören (6.50)

5.2.2 Neue Sichtweisen Beim Improtheater ist es besonders wichtig, sich auf neue Ideen und Personen einlassen zu können. Meist fällt es uns allerdings nicht ganz so leicht sich in die Gedanken- und Motivwelt des anderen einzufühlen. Folgende Übungen sollen hierbei helfen. • • • • • • • • • • • • •

Aus der Sicht von … (6.4) Berühmtheiten (6.5) Das ist Peter (6.6) Emotionenquadrat (6.8) Leistbarer-Verlust-Auktion (6.20) Mantras (6.21) Netzwerk-Aufstellung (6.22) Podiumsdiskussion mit Konkurrenten (6.25) Problemwolke (6.26) Rollensprung (6.28) Statusspiel mit Konkurrenten (6.35) Vernissage (6.40) Zeitsprünge (6.47)

5.2.3 Kreative Lösungsfindung Sei es im Storytelling oder innerhalb einer Charakterkonstellation – die Spannung entsteht erst durch Herausforderungen und Risiken. Um diese kreativ zu lösen, bedarf es der Fähigkeit aus bestehenden Denkmustern auszubrechen. Die folgenden Übungen sollen dabei helfen. • Berühmtheiten (6.5) • Experten-Interview (6.9) • Find a Game (6.12)

5  Die besten Übungen für …     109

• • • • • • • •

Ideen-Café (6.14) Netzwerk-Aufstellung (6.22) Neue Wahl (6.23) Nutze den Gegenstand (6.24) Tausend Wahrheiten (6.39) Worst Day / Best Day (6.42) Worst-Case-Szenario (6.43) Zukunftsszenario (6.49)

5.2.4 Schlagfertigkeit/Spontaneität Beim Improtheater dient meist eine einzelne Vorgabe aus dem Publikum oder vom Spielpartner als Inspiration für abendfüllende Geschichten. Ein Begriff oder Satz kann so eine Vielzahl von Ideen und Möglichkeiten in sich bergen, wenn man es schafft, diese spontan und auch mit einer gewissen Schlagfertigkeit umzusetzen. Die folgenden Übungen bieten eine gute Basis hierfür. • • • • • • • • • • • •

Assoziative Gedankenkette (6.3) Experten-Interview (6.9) Figurenroulette (6.11) Kausalkette (6.18) Lebenslauf-Karaoke (6.19) Neue Wahl (6.23) Podiumsdiskussion mit Konkurrenten (6.25) Spitfire (6.32) Spontanrede (6.33) What’s your name? (6.41) Wort für Wort (6.44) Zettelbombardement (6.48)

5.2.5 Moderation/Präsentation/Bühnenpräsenz Sowohl beim Improtheater, als auch bei anderen Veranstaltungen, in denen man im Rampenlicht steht, ist es wichtig sowohl inhaltlich gut

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vorbereitet zu sein, als auch eine körperliche Präsenz zu haben. Die nachfolgenden Übungen sollen hierbei unterstützen. • • • • • • • • • • •

Alles mit Allem (AMA 6.2) Elevator Pitch (6.7) Italienische Probe (6.17) Lebenslauf-Karaoke (6.19) Mantras (6.21) Podiumsdiskussion mit Konkurrenten (6.25) See them seeing you (6.30) Spontanrede (6.33) Statusmeeting (6.34) Stummer Vortrag (6.37) Wort für Wort (6.44)

5.3 Unsere Lieblingsübungen Und zum Schluss unsere fünf liebsten Übungen. Lieblingsübungen von Gökşen 1. 2. 3. 4. 5.

1-2-3 Shake (6.1) Feste Muster (6.10) Ideen-Café (6.14) Zettelbombardement (6.48) Vernissage (6.40)

Lieblingsübungen von Florian 1. 2. 3. 4. 5.

Harold (Einstieg, 6.13) Spontanrede (6.33) Wort für Wort (6.44) Tausend Wahrheiten (6.39) Neue Wahl (6.23)

6 Übungsfundus

Zusammenfassung  Wir haben 50 Übungen aus dem breiten Feld des Improtheaters für Sie ausgewählt, von denen wir glauben, dass sie für Entrepreneure den höchsten Nutzen bieten. Ein paar der Übungen stammen auch aus angrenzenden Bereichen, wir haben jedoch bei jeder der vorgestellten Übungen darauf geachtet, dass sie für Sie als Entrepreneur nutzbar und hilfreich sind. In diesem Kapitel finden Sie die Übungen, die wir für die Arbeit als Impropreneur erarbeitet und ausgewählt haben. In den vorangegangenen Kapiteln wird auf diese Übungen immer wieder verwiesen, sodass Sie die Übungen direkt für die genannten Themen nutzen können.

6.1 1-2-3 Shake In Meetings oder nach einer ausgedehnten Mittagspause braucht es häufig eine kurze körperliche „Warm-up“-Übung, damit jeder Teilnehmer wieder wach und geistig fit ist. Bei dieser Übung wird innerhalb sehr kurzer Zeit eine Gesamtaktivierung des Körpers erreicht. Zudem

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Meine und F. Sußner, Impropreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30355-6_6

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stärkt sie das Gemeinschaftsgefühl, weil sie von jedem Teilnehmer gleichzeitig ausgeübt wird. Beschreibung der Übung Es werden nach einer festen Abfolge einzelne Körperteile durchgeschüttelt. Idealerweise gibt es einen Teilnehmer, der die Reihenfolge vormacht und die anderen damit führt. Ziele der Übung • • • •

Körperliche Aktivierung Im Hier-und-Jetzt ankommen Geistig und körperlich wach werden Ggf. Glaubenssätze „abschütteln“, wenn man sich dies vorher explizit als Ziel gesetzt hat • Spaß und Bewegung Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer • 5 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Die Teilnehmer stehen im Kreis. Nacheinander schüttelt jeder für sich seine Körperteile in immer kürzer werdenden Häufigkeiten durch. Hierfür wird folgende Schüttel-Abfolge empfohlen: • • • • • •

Rechte Hand (nach oben strecken und schütteln) Linke Hand (nach oben strecken und schütteln) Rechter Fuß (nach vorne strecken und schütteln) Linker Fuß (nach vorne strecken und schütteln) Hüfte/Gesäß (am Platz stehend schütteln) Springen oder Wippen (mit dem ganzen Körper)

6 Übungsfundus     113

Gleichzeitig wird die Häufigkeit von allen Teilnehmern laut mitgezählt und genauso oft auch die jeweilige Extremität geschüttelt: • Rechte Hand nach oben strecken und laut von 1 aufwärts zählen und bei jeder Zahl die Hand stark ausschütteln: 1 – 2 – 3 – 4 – 5 • Linke Hand nach oben strecken und laut von 1 aufwärts zählen und bei jeder Zahl die Hand stark ausschütteln: 1 – 2 – 3 – 4 – 5 • Gleiches bei den beiden Füßen, mit der Hüfte und beim Springen. Anschließend wird die Anzahl der Schüttler reduziert, dafür aber das Tempo erhöht: • Rechte Hand nach oben strecken und laut von 1 aufwärts zählen und bei jeder Zahl die Hand stark ausschütteln: 1 – 2 – 3 – 4 • Linke Hand nach oben strecken und laut von 1 aufwärts zählen und bei jeder Zahl die Hand stark ausschütteln: 1 – 2 – 3 – 4 • Gleiches bei den beiden Füßen, mit der Hüfte und beim Springen. • Rechte Hand nach oben strecken und laut von 1 aufwärts zählen und bei jeder Zahl die Hand stark ausschütteln: 1 – 2 – 3 • Linke Hand nach oben strecken und laut von 1 aufwärts zählen und bei jeder Zahl die Hand stark ausschütteln: 1 – 2 – 3 • Gleiches bei den beiden Füßen, mit der Hüfte und beim Springen. Die Übung endet, wenn alle energievoll mit 1 alle Extremitäten ein letztes Mal durchgeschüttelt haben. Variationen und Tipps • Die Anzahl der Shakes kann zu Beginn erhöht oder reduziert werden (d. h. Start z. B. bei 8 oder 3). • Bei körperlich eingeschränkten Personen kann die Übung auch im Sitzen in abgeschwächter Form durchgeführt werden. • Das Schütteln kann auch durch ein „leichtes Kreisen“ ersetzt werden. Dadurch ist sie weniger anstrengend und führt ebenfalls zu einer Aktivierung des Körpers und des Geistes.

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Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie motiviert habe ich bei der körperlichen Übung mitgemacht? • Wie fit/wach fühle ich mich anschließend? • Hatte ich Spaß? Oder waren mir die Bewegungen „vor aller Augen“ unangenehm? • Gab es Körperteile, die ich überdies gerne noch aktiviert hätte (z. B. Gesicht)?

6.2 Alles mit Allem (AMA) Im Theater wird „AMA“ kurz vor den Hauptproben und Generalproben durchgeführt, um das Gesamtstück zum ersten Mal auf die Bühne zu bringen. Um sich auf einen Vortrag vorzubereiten, kann es ebenfalls sehr hilfreich sein, die echten Umstände so exakt wie möglich nachzustellen. Beschreibung der Übung Im Übungsraum werden Umstände geschaffen, die der echten Situation möglichst nahekommen, z. B. wird der Raum mit Beamer, Flipchart, einem Bühnenbereich, Zuschauern und einer Bühnenbeleuchtung ausgestattet. Dann wird der Vortrag geübt. Ziele der Übung • • • •

Sicherheit gewinnen Vorbereitung auf den Auftritt Ausprobieren von Materialien, Requisiten und Technik Reduzierung des Unerwarteten auf ein Minimum

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • Individuelle Teilnehmerzahl (Anmerkung: Idealerweise nehmen alle teil, die an der Präsentation oder dem Vortrag maßgeblich beteiligt sind.) • Individuelle Dauer (je nach Anzahl der Vortragenden und Dauer des Vortrages)

6 Übungsfundus     115

• Alle tatsächlich benötigten Materialien und Requisiten (ggf. Platzhalter für die Dinge, die zum Zeitpunkt der Probe nicht verfügbar sind) Ablauf und Briefing Der Raum wird so realitätstreu wie möglich nachgestellt. Wenn bestimmte Informationen noch fehlen (z.  B. Bühnengröße, Beleuchtung, Technik), sollten diese im Vorfeld in Erfahrung gebracht werden. Wichtig ist, dass die Elemente in jedem Fall beim Proben berücksichtigt werden, d. h. wenn es eine Bühnenbeleuchtung gibt, sollte diese nachgestellt werden – notfalls mit einer Schreibtischlampe, die den Sprecher anstrahlt. Statt eines echten Mikrofons kann auch eine Haarbürste als Ersatz dienen. Auch die Zuschauer dürfen bei dem Szenario nicht fehlen. Am besten ist es natürlich, wenn echte Zuhörer im Raum sind. Zur Not tun es aber auch Kissen, Jacken oder Stofftiere, die das Auditorium repräsentieren. Es sollte alles so exakt wie möglich arrangiert und nachgestellt werden, z. B. auch wo die Türen und Fenster sind, wo die Zuschauer sitzen und wo der Beamer hängt. Wenn alles hergerichtet ist, geht es los: Der Auftritt wird genauso geprobt, wie er am Ende auch stattfinden soll. Denn nur so kann herausgefunden werden, wo etwas haken könnte und worauf man unbedingt achten muss. Beispielsweise kann man ganz schön ins Schwitzen kommen, wenn man ein Mikrofon halten muss und gleichzeitig mit Moderationskarten hantiert – das sollten Sie vorher unbedingt üben. Wenn der Vortrag viel Interaktion mit dem Publikum erfordert, sollten Freunde und/oder Kollegen als Zuschauer eingeladen werden. Wenn im Vorfeld bekannt ist, dass beim echten Vortrag schwierige oder besonders kritische Personen anwesend sein werden, könnte jemand eine solche Rolle übernehmen. Sie können den Test-Zuschauern vor dem Vortrag auch Zettel mit möglichen Zwischenfragen in die Hand zu drücken, die diese dem Vortragenden währenddessen oder am Ende stellen. Variationen und Tipps • Während des Vortrages wird eine Stoppuhr gestartet. Damit erhalten Sie eine gute Rückmeldung, wie lange der Auftritt dauert.

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• Der erste Durchlauf dient dazu, viele Hinweise darauf zu bekommen, was noch nicht ordentlich läuft. Berücksichtigen Sie diese und setzen Sie sie bei den weiteren Proben sofort um. • Es ist immer wertvoll, sich bis ins Detail vorbereitet zu haben. Ob Sie Ihren gesamten Text wirklich Wort für Wort auswendig wissen müssen, sei dahingestellt. Denn als Impropreneur sind Sie ja schließlich auch fit im Improvisieren. • Wenn Sie sicher sind, dass alles passt, sollte eine abschließende Generalprobe durchgeführt werden. Danach sind Sie ausreichend vorbereitet. Jetzt heißt es nur noch entspannen, dann kann es losgehen. • Wenn es nicht möglich ist, sich Informationen über die Räumlichkeiten im Vorfeld zu besorgen, empfiehlt es sich, etwas früher da zu sein und ein paar Minuten alleine auf der Bühne zu verbringen, um das nötige Gefühl dafür zu bekommen. Auch der Zuschauerraum sollte abgegangen werden, um die echten Umstände mit der Probebühne abzugleichen. • Als Variante zu AMA kann auch die „Italienische Probe“ (Abschn. 6.17) durchgeführt werden, um zu testen, wie Sie mit dem reinen Text bzw. den Inhalten zurechtkommen. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Habe ich alles im Griff? Wie hat es mit der Technik funktioniert, den Inhalten und den Materialien? • An welchen Stellen bin ich noch besonders wackelig? (Anmerkung: Diese Stellen gibt es immer.) • Gibt es überdies noch unsichere Faktoren? Kann ich diese kurz vor dem Auftritt noch in den Griff bekommen?

6.3 Assoziative Gedankenkette Unser Gehirn denkt gerne in bekannten Mustern und verknüpft Gesehenes und Erlebtes mit Emotionen (z. B. Plätzchenduft = Weihnachten). Auch bei Wörtern/Begriffen passiert diese Vernetzung automatisch. In der Regel denken wir assoziativ, ohne dass uns dies bewusst

6 Übungsfundus     117

ist. Wenn wir versuchen, diese Gedankenkette verbal auszudrücken, stellen wir fest, dass häufig schon der erste Gedanke bzw. die erste Assoziation durch unsere Glaubenssätze, durch unsere Erziehung oder andere gesellschaftliche oder persönliche Vorgaben gefiltert und ausgesondert wird. Dies kann dazu führen, dass wir den Impuls unterdrücken, spontan auf Dinge zu reagieren, und auf Dauer uns und unseren Ideen nicht mehr vertrauen. Beschreibung der Übung Assoziative Wortfindungskette auf ein vorheriges Schlagwort. Ziele der Übung • Den Geist aufwärmen • Vertrauen in die eigenen Ideen entwickeln • Erkennen und überwinden eigener Zensoren • Spontanität und Schlagfertigkeit schulen • Fähigkeit entwickeln, Ideen zu finden • Annehmen von Vorschlägen und diese als Inspiration für etwas Neues/Eigenes sehen • Gemeinsam im Team auf neue Ideen und Gedankengänge kommen Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer • 10–15 min • Keine Requisiten notwendig Ablauf und Briefing Zwei oder mehr Personen sitzen oder stehen sich entspannt mit Augenkontakt gegenüber. Der Erste beginnt mit einem Wort (z. B. Ball). Der Nächste sagt hierauf das erste Wort, was ihm dazu einfällt (z.  B. Tor). Der Nächste findet einen Begriff, den er mit dem neuen Schlagwort assoziiert (z. B. Burgeinfahrt). Jeder Begriff bezieht sich nur auf das direkt vorausgehende und muss nicht im Kontext früherer Begriffe stehen. Wichtig ist, dass die interagierenden Personen

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sich dabei ansehen und ihr Wort der folgenden Person bewusst als „Geschenk“ geben, welches diese auch dankbar annimmt, denn es ermöglicht ihr wiederum auf eine eigene Idee für einen neuen Begriff zu kommen. Variationen und Tipps • Die Übung funktioniert auch allein. • Die Wortfindung kann sich auch auf den letzten Buchstaben des vorherigen Wortes beziehen (z. B. Ente – Eimer – Richter – Regenbogen – Natur …) • Wichtig: Es gibt keine falschen Antworten. Jeder hat seine eigene Assoziation zu den Begriffen. Es muss auf den ersten Blick kein Zusammenhang erkennbar sein. Wenn einer z. B. den Begriff „Holz“ nennt und der andere sagt „Fisch“, dann erscheint das im ersten Moment unsinnig. Vielleicht hat diese Person jedoch kürzlich ein Buch gelesen, in dem ein Fischer auf seinem kleinen Holzboot zum Angeln hinausfährt. Durch solche spontanen Assoziationen entstehen häufig ungeahnte neue Gedankenketten. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Ist es mir leichtgefallen, gleich die erste Assoziation zu nehmen? • Welche Glaubenssätze oder persönlichen Einschränkungen haben mich möglicherweise daran gehindert das zu sagen, was mir als Erstes in den Kopf kam? • Habe ich versucht besonders lustige oder originelle Antworten zu geben?

6.4 Aus der Sicht von … Andere Menschen zu verstehen erfordert eine Menge Empathie und Einfühlungsvermögen. Wem dies gelingt, ist deutlich im Vorteil, wenn es darum geht, seinen Geschäftspartner oder seine Kunden

6 Übungsfundus     119

e­inzuschätzen. In dieser Übung wird besonders mithilfe der Übertreibung sichtbar gemacht, was in einer Person vorgehen kann. Beschreibung der Übung Dies ist ein sogenanntes Replay, was im Improtheater gerne auch auf der Bühne gespielt wird. Es wird eine Situation grob angespielt. Danach wird diese Grundszene wiederholt, und zwar aus Sicht eines der gezeigten Charaktere. Dabei wird die Handlung der Grundszene im Wesentlichen beibehalten, jedoch deutlich akzentuiert. Ziele der Übung • • • •

Verdeutlichen, was in einer Person vorgeht Hinterfragen von eigenen und fremden Verhaltensweisen Aufzeigen von Glaubenssätzen Bedürfnisse und Wünsche verstehen

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 3–5 Teilnehmer • 10–15 min • Keine Requisiten nötig Ablauf und Briefing Man einigt sich darauf, wie die Grundszene gespielt werden soll. Im Improtheater würde man sich dafür Vorgaben vom Publikum holen (z. B. einen Ort und einen Beruf wie Friedhof und Arzt). Im geschäftlichen Kontext könnte auch ein grober Rahmen gesteckt werden, z. B. „ein Kunde kommt zum ersten Mal zu uns in den Laden“ oder das „Gründerteam nach einem Jahr beim Jour-Fix“. Diese Grundszene sollte nicht zu lang sein. 3 bis 5 min reichen völlig. Danach wird dieselbe Szene wiederholt, allerdings aus Sicht z. B. des Kunden. Dabei versuchen alle beteiligten Spieler, die Sicht des Kunden zu verstehen und sein Verhalten entsprechend übertrieben sichtbar zu

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machen: Wenn z. B. der Spieler, der den Kunden spielt, das Gefühl hat, dass seine Figur unter Zeitdruck steht, wird er deutliche Zeichen der Ungeduld äußern, z. B. immer wieder übertrieben deutlich auf die Uhr schauen und Geräusche des Unmuts von sich geben. Der Verkäufer wird im Gegenzug sein Verhalten dem des Spielers anpassen und nur im Schneckentempo agieren und sich viel zu viel Zeit lassen. Es ist auch möglich, diese Szene mehrmals zu wiederholen, z. B. aus Sicht des Verkäufers. Dieser könnte etwa das Gefühl haben, mit der Arbeit nicht hinterherzukommen, weil er auch noch die vorbereitende Buchhaltung zu erledigen hat. Variationen und Tipps: • Diese Übung ist eigentlich für Fortgeschrittene Impro-Spieler gedacht. Beim Einsatz im Gründerteam sollte man deswegen im Hinterkopf behalten, dass nicht alles perfekt sein muss. • Bei dieser Übung kann es hilfreich sein, sich Improspieler oder einen Trainer zur Unterstützung zu holen. • Es ist nicht schlimm, wenn im Replay nicht alles genauso abläuft wie in der Grundszene. Diese künstlerische Freiheit kann und sollte man sich nehmen dürfen. • Wenn einer aus dem Team das Gefühl hat, dass das Replay nicht funktioniert hat, weil z. B. der Kunde sich eigentlich anders hätte verhalten müssen, sollte das in der Gruppe besprochen und das Replay gegebenenfalls wiederholt werden. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie leicht ist es mir gefallen, mich in die Sichtweise einer anderen Person hineinzudenken? • Wenn es mir gut gelungen ist: Was habe ich über diese Person gelernt? • Wenn es mir nicht gelungen ist: Fehlen mir vielleicht noch mehr Informationen, z. B. über den Kunden oder über den Geschäftspartner? Was kann ich dagegen unternehmen? • Gab es Überraschungen?

6 Übungsfundus     121

6.5 Berühmtheiten Hin und wieder gibt es Situationen, in denen man gerne auf den Ratschlag oder die Weisheit einer Berühmtheit zurückgreifen würde. Was hätte Buddha gesagt? Wie hätte Hildegard von Bingen gehandelt? Was hätte Albert Einstein für eine Lösung gefunden? Welche neue Idee hätte Picasso eingebracht? Indem wir in die Rolle solch prominenter Persönlichkeiten schlüpfen, können wir sie lebendig werden lassen und die Situation aus ihrer Sicht heraus betrachten. Dies kann zu erstaunlichen Wendungen und Ideen führen oder auch einfach nur Spaß machen. Beschreibung der Übung Zu bestimmten Themen (z. B. Bankgespräch, Problem zu einem Produkt/Prozess/Kunden etc.) wird die Sicht- und Handlungsweise einer berühmten Person eingenommen. Ziele der Übung • • • • •

Neue Sichtweisen entwickeln Bewusster Einsatz unterschiedlicher Figuren Zulassen von neuen Ideen und Herangehensweisen Kreative Lösungsfindung Hilfe von „außen“ holen

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2–5 Teilnehmer • 10–20 min • Keine Requisiten notwendig Ablauf und Briefing Wählen Sie als Grundlage der Szene eine reale Situation, für die ein neuer Lösungsansatz gefunden werden soll, z. B. Verhandlungsgespräche mit Kunden, Kommunikationsschwierigkeiten innerhalb des Teams etc.

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Nun wird entweder in der Gruppe überlegt, welche Berühmtheit(en) in dieser Situation am besten passen und Input liefern könnten, oder jeder überlegt für sich, in welche Figur er schlüpfen möchte. Anschließend wird die Szene mit der Berühmtheit/den Berühmtheiten gespielt. Hierbei sollen diese Figuren entsprechend ihren Werten, Denkund Handlungsweisen nachgestellt werden, um so auf neue Ansätze einer Problemlösung zu kommen. Variationen und Tipps • Es müssen keine historischen Berühmtheiten sein, die einem in dieser Situation weiterhelfen können, sondern es können auch andere Menschen sein, z. B. der Großvater, eine ehemalige Lehrerin etc. • Als Vorübung kann jede Figur erst einmal durch eine Sammlung von Eigenschaften für alle klar definiert werden. • Die Figuren können auch im Vorfeld erarbeitet werden, d. h. derjenige, der eine Figur hat, informiert sich ausreichend über sie und macht sich Gedanken über typische Sätze und Ansichten. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Welche Figuren fand ich hilfreich? Welche absolut unpassend? • Bin ich durch das Rollenspiel auf andere/neue Gedanken gekommen? • Habe ich mich in dieser fremden Rolle wohlgefühlt? Wenn ja, was kann ich daraus für meinen Alltag mitnehmen? • Wenn nein, warum nicht?

6.6 Das ist Peter Im Marketing ist die Arbeit mit Personas hilfreich, um sich seine Zielgruppe vorstellen zu können. Eine Persona ist eine konkret ausgestaltete fiktive Person. Sie ist mit Angaben zu Alter, Beruf, Hobbies, Interessen, Wünschen usw. so tief ausdifferenziert wie nötig. Bei größeren Unternehmen werden solche Personas auch aufgrund von konkreten Daten, z. B. aus der Marktforschung, bestimmt. Für

6 Übungsfundus     123

junge Unternehmen sind diese Daten oft jedoch nicht verfügbar. Mithilfe von Improtheater können Sie Personas dennoch erstellen und mit Leben füllen. Basierend auf einer oder mehreren Personas können Sie anschließend z. B. konkrete Marketingmaßnahmen erarbeiten. Beschreibung der Übung Die Spieler stehen im Kreis. Gemeinsam erschaffen sie eine Persona, indem jeder Teilnehmer Details hinzufügt, die ihm/ihr stimmig und passend erscheinen. Ziele der Übung • Definition von Personas, z. B. für die Zielgruppenbestimmung und die Planung von Werbemaßnahmen • Gemeinsames Einstimmen auf Kundengruppen • Ein Gefühl für Kunden erhalten Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2–15 Teilnehmer • 5–10 min pro Persona • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Die Spieler stehen im Kreis. Ein Spieler (Moderator) steckt den Rahmen ab, für welchen Zweck eine Persona entstehen soll. Dies kann z. B. ein typischer Kunde für das Produkt A, für die Dienstleistung B oder für den neuen Markt C sein. Sobald der Rahmen für alle eindeutig geklärt ist, beginnt einer der Spieler mit „Das ist Peter.“, wobei der Name natürlich frei von Ihnen gewählt werden kann. Danach können in beliebiger Reihenfolge weitere Details hinzugefügt werden: • Alter • Wohnort

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• Ausbildung • Beruf • Interessen • Hobbies • Sport • Wohnsituation • Lieblings-Fernsehsendung/-Film • Bevorzugte Urlaubsart • Träume/Wünsche • Lieblingsfarbe • Lieblingstier • Religion/Konfession • Politische Einstellung Diese Persona wird so lange und so differenziert beschrieben, bis einer der Teilnehmer das Gefühl bekommt, dass das neueste Detail nicht mehr passt, z. B. „Das Lieblingstier von Peter ist eine riesige Boa“. In dem Fall ruft er sofort: „Stopp!“ Nach dem Stopp diskutieren die Spieler kurz, ob sie diese Persona übernehmen sollen. Wenn ja, sollte sie schriftlich fixiert werden. Wenn nein, beginnt die Definition der Persona von Neuem, bis alle zu einem gemeinsamen Bild kommen. Anschließend können weitere Personas erstellt werden. Variationen und Tipps • Diese Übung funktioniert wie eine Kreativitätstechnik. Das heißt, während gesammelt wird, ist alles erlaubt. Wenn am Anfang oft ein „Stopp“ kommt, ist dies ein Signal dafür, dass noch nicht alle Spieler dieselbe Zielgruppe im Kopf haben. Mit fortlaufender Übungsdauer sollte sich das aber schnell bessern. • Natürlich können auch nachträglich noch Details ergänzt, verändert oder gelöscht werden. Diese nachträgliche Bearbeitung ist wichtig, um wirklich passende Personas zu erstellen.

6 Übungsfundus     125

• Bei der Arbeit mit Personas kann es für die Vorstellungskraft hilfreich sein, passende Fotos oder Illustrationen zu finden, welche die typische Ziel-Persona zeigen, z. B. Bilder von Bankern. • Wenn die Gruppe Angst hat, Details zu vergessen, kann das Ganze auch gefilmt werden. • Die gefundenen Personas sollten schriftlich festgehalten werden. Im nächsten Schritt kann dann z. B. überlegt werden, welches dierichtigen Maßnahmen für jede der Personas sind. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wenn ich nach der Übung die Vogelperspektive einnehme: Sind alle möglichen Kundenpersonas berücksichtigt oder fehlt jemand? Will ich jemanden ergänzen?

6.7 Elevator Pitch Obwohl er eigentlich keine typische Impro- oder Theaterübung ist, darf der Elevator Pitch hier trotzdem nicht fehlen, da er wie ein Mini-Theaterstück mit Impro-Elementen funktioniert. Und er ist ein klassisches Instrument aus der Welt des Entrepreneurship. Es geht bei einem Elevator Pitch darum, die eigene Geschäftsidee so prägnant, spannend und verständlich vorzubereiten, dass Sie sie selbst während einer kurzen Fahrt im Aufzug (Elevator) einem Investor, Banker oder Kunden vorstellen könnten. Beschreibung der Übung Die Geschäftsidee wird in maximal ein bis zwei Sätzen so beschrieben, dass jeder (ob Professor oder Sachbearbeiter, Schüler oder Rentner) in der Lage ist, den Kundennutzen und das Alleinstellungsmerkmal zu verstehen. Gleichzeitig soll mit dem Pitch Interesse geweckt und ein erster Eindruck vom Produkt bzw. der Dienstleistung vermittelt werden. Da dies alles andere als leicht ist, muss gehörig Arbeit investiert werden. Nach den ersten Versuchen werden Sie immer wieder nachjustieren müssen, bis Sie schlussendlich das Gefühl haben, die perfekte Variante gefunden zu haben.

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Ziele der Übung • Beschreibung der Idee und der Relevanz in möglichst wenigen Worten • Herausarbeiten der eigentlichen Kernidee • Überprüfung auf Stimmigkeit der Idee: Was nicht ausgereift ist, kann auch nicht in wenigen Worten auf den Punkt gebracht werden. • Chancen nutzen: Wenn sich eine überraschende Gelegenheit bietet, ist es gut, vorbereitet zu sein und die passenden Worte zu finden. • Bei Team-Gründungen: Überprüfen, ob alle dasselbe meinen, und Verständigung auf eine einheitliche Sprache Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer (Anmerkung: Idealerweise sind mehrere Gründer bzw. Teams anwesend, um sich gegenseitig Feedback zu geben.) • 30 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing 1. Der Gründer bzw. die Teammitglieder versuchen, die Geschäftsidee in einem (oder maximal zwei) Sätzen zu beschreiben. Dabei soll in einfachen Worten vermittelt werden, worum es geht. Jeder soll in der Lage sein, sofort zu begreifen, warum die Idee gut und relevant ist. 2. Sobald jeder mit „seinem“ Satz fertig ist, stellt er diesen vor. Danach werden die Sätze untersucht: – War es verständlich? – Was hat gefehlt? – Was ist überflüssig? – Wurde Interesse geweckt? 3. In mehreren Korrekturschleifen kann die perfekte Version gesucht werden. 4. Wenn alle sich auf eine Version verständigt haben, sollte diese von allen verinnerlicht werden, sodass sie jederzeit abrufbar ist.

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Variationen und Tipps • Der Elevator Pitch sollte immer aus Kundensicht formuliert sein, nicht aus Unternehmersicht. • Fachwörter, technische Werte und Preise haben hier nichts verloren. • Reduzierung auf das Nötigste: Weniger ist mehr. Wichtig ist, dass der Gesprächspartner Lust hat, mehr zu erfahren. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Welche Schwierigkeiten gab es bei der Erstellung des Elevator Pitchs? Was habe ich daraus gelernt? • Mit welchen Fragen bzw. Reaktionen auf den Elevator Pitch hatte ich gerechnet? Hatte ich mich genügend darauf vorbereitet? • Welche Fragen bzw. Reaktionen auf den Elevator Pitch haben mich überrascht?

6.8 Emotionenquadrat Wenn eine neue Idee besprochen wird, kann es sein, dass dabei die unterschiedlichsten Emotionen zutage treten – von Begeisterung über Zweifel bis hin zu totaler Ablehnung. Im ersten Moment wünscht man sich für seine Idee natürlich eine hundertprozentige Zustimmung der anderen, doch gerade Emotionen wie Zweifel und Bedenken liefern wertvolle Information, die dabei helfen, mögliche Stolpersteine im Vorfeld zu erkennen. Von daher ist es hilfreich, wenn Ideen im Vorfeld mit den unterschiedlichsten Emotionen konfrontiert werden. Beschreibung der Übung Am Boden werden verschiedene „Emotionspunkte“ definiert. Sobald man auf einen solchen Punkt kommt, argumentiert und verhält man sich entsprechend der jeweiligen Gefühlsstimmung.

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Ziele der Übung • • • • •

Entdecken von Schwachstellen Betrachtung unterschiedlicher Sichtweisen Argumente finden Differenziertes Denken und Betrachten einer Idee Zulassen unterschiedlicher Meinungen

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2–5 Teilnehmer • 10–15 min • Zettel, Stifte Ablauf und Briefing Es werden auf Zettel verschiedene Emotionen aufgeschrieben, wie z.B. • Begeisterung/Freude • Wut • Langeweile • Zweifel/Bedenken Die Zettel werden dann so auf den Boden gelegt, dass sie die Form eines Quadrates annehmen. Nun interagieren die Spieler miteinander, entweder in einer gespielten Szene oder in einem reinen Dialog. Hierbei sollen sie sich – je nach Bedarf – von einem Emotionspunkt zum anderen bewegen und ihre Idee in der jeweiligen Emotion behandeln. Variationen und Tipps • Die Spieler sollen die Emotionen sehr übertrieben und auch körperlich sichtbar (und spürbar) spielen. • Ein mehrmaliger Wechsel der Emotionen kann dabei helfen, den Gedankenfluss in unterschiedliche Richtungen zu lenken, ohne dass er zum Stocken kommt.

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• Variation: Eine feste Reihenfolge wird von Anfang an festgelegt. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass die Runde mit einem positiven Gefühl endet. • Variation: Die Übung kann auch alleine durchgeführt werden. Hierbei werden die Emotionspunkte in einen Vortrag oder eine Präsentation eingebaut. • Variation: Statt der Zettel, können auch einzelne Spieler eine Emotion „besetzen“. In diesem Fall stellt sich der aktive Spieler zur jeweiligen Emotion und der Spieler, der die Emotion (z. B. Trauer) darstellt, erklärt aus seiner Rolle heraus seine Gedanken zu der entsprechenden Idee. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Hat der Einsatz der Emotionen einen großen Einfluss auf die Teilnehmer gehabt? • Konnten neue und hilfreiche Erkenntnisse gewonnen werden? • Wie ging ich mit den unterschiedlichen Emotionen um? Wie stark lies ich mich davon in meinem Handeln beeinflussen? • Konnten über diese Übung tatsächliche Bedenken und Zweifel der einzelnen Teammitglieder aufgenommen und bearbeitet werden?

6.9 Experten-Interview Im Improtheater ist das Experten-Interview eine beliebte Übungsform, um jenseits aller Fakten das freie Reden und vor allem das Antworten auf der Bühne zu trainieren. Der Reiz entsteht auch und gerade dadurch, dass der „Experte“ eben nicht Experte im Fachgebiet ist. Dennoch ist er in der Lage, mehr oder weniger sinnvolle Antworten zu geben und abstruse Zusammenhänge zu begründen. Diesen Umstand können Sie sich auch als Entrepreneur zunutze machen.

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Beschreibung der Übung Ein Spieler steht vor dem Publikum und übernimmt die Rolle des Experten. Er erzählt über seinen „Fachbereich“ und beantwortet selbstbewusst die Fragen des Publikums zu dem Thema. Ziele der Übung • Selbstbewusstes Auftreten als Experte • Vertrauen entwickeln, auf unerwartete Fragen reagieren zu können • Spaß am Geschichtenerzählen Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer • 10 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Der Spieler, der den Experten spielt, erhält vom Publikum das Thema bzw. den Fachbereich, für den er Spezialist ist. Anschließend stimmt er sich kurz auf die Rolle ein. Als Einstieg stellt er sich kurz vor, z. B. „Hallo, ich bin Max, 32 Jahre und Experte für Weltumseglungen in einem Kanu“. Dann beginnt das Publikum, ihn zu befragen, z. B. wie er zu der Idee kam, welches Holz sich für ein Kanu am besten eignet, was die gefährlichste Situation war, bei welcher Windstärke das Kanu am leichtesten zu lenken ist etc. Der Experte wird auf die meisten Fragen keine wirklich fundierte Antwort haben, aber das macht nichts. Er soll frei improvisieren und versuchen, seinem ersten Impuls und seiner Intuition zu folgen und die Fragen überzeugend und selbstbewusst beantworten. Es werden solange Fragen gestellt, bis das Thema ausreichend durchleuchtet ist und der Experte die Bühne wieder verlassen darf. Anschließend darf er Feedback geben, wie es ihm in der Situation ging, und von der Gruppe Rückmeldung darüber erhalten, ob er den Experten glaubhaft darstellen konnte.

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Variationen und Tipps • Als Vorbereitung auf das Experten-Interview können die Übungen „Ideenkette“ (Abschn. 6.15) und „Kausalkette“ (Abschn. 6.18) hilfreich sein. • Wenn einem, gerade zu Beginn, keine Fragen einfallen, kann man sich mit seinen Fragen auch vom Thema wegbewegen Zum Beispiel kann auch zunächst mal die Persönlichkeit des Experten erforscht werden. So erfährt man mehr Details zu der Person und seinem Werdegang und es fallen einem mit Sicherheit noch ein paar spannende Fragen ein. • Wenn Sie unsicher sind, ob eine Frage passend ist oder nicht: Stellen Sie sie einfach! Oft fallen uns Fragen aus gutem Grund ein, auch wenn wir den Grund nicht immer sofort erkennen können. • Dasselbe gilt für den „Experten“: Wenn dieser zweifelt, ob er die richtigen Antworten gibt – nur Mut! Der innere Zensor darf ruhig ignoriert und es darf frei improvisiert werden. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie war es für mich, einen „Experten“ zu einem Thema darzustellen, in dem ich keinerlei fundierte Kenntnisse habe? • Gab es Themen, mit denen ich mir besonders schwergetan habe? • Konnte ich mithilfe von Körpersprache und Stimme Sicherheit ausstrahlen, obwohl ich sie nicht verspürt habe? • Haben sich die äußere Sicherheit und das Selbstbewusstsein möglicherweise auch im Inneren ausgewirkt? Habe ich mich nach dem Interview tatsächlich selbstbewusster gefühlt? Warum? • Wie war es für mich als Zuschauer? Habe ich dem „Experten“ seinen Status abgenommen? Woran lag das?

6.10 Feste Muster Routine entsteht durch Muster und Handlungsabfolgen, die wir allein oder in einer Gruppe festlegen. Wenn wir uns daran halten, ist der Gesamtablauf gesichert und es entsteht kein Datenverlust. Was passiert

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allerdings, wenn wir mehrere Muster haben, an die wir uns halten müssen? Und zwar gleichzeitig? Beschreibung der Übung Die Teilnehmer stehen in einem Kreis einander zugewandt und erarbeiten mehrere unterschiedliche feste Muster, die durch mehrmaliges Wiederholen gefestigt werden. Ziele der Übung • Hohe Aufmerksamkeit • Konzentration und Merkfähigkeit • Verantwortung für den reibungslosen Ablauf des Musters • Klare Kommunikation (Empfangen und Weitergeben) • Stresssituation aushalten • Teamverantwortung • Erkennen von Prozessabläufen Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2–10 Teilnehmer • 20–30 min • keine Requisiten notwendig Ablauf und Briefing Die Teilnehmer stehen entspannt in einem Kreis. Der Erste sucht sich jemanden aus der Runde aus und ruft diesem einen Begriff (z. B. ein Obst) zu. Er unterstützt dies durch eine auf den Betreffenden deutende Geste. Derjenige, der den Begriff erhalten hat, wählt nun seinerseits einen anderen Teilnehmer aus der Runde aus und gibt ihm (unter Zuhilfenahme der Armbewegung) einen Begriff aus der gleichen Kategorie (also z. B. auch eine Obstart). Der Auserwählte führt diese Kette weiter, bis jeder Teilnehmer aus der Runde einen Begriff erhalten und weitergegeben hat. Derjenige, der den Begriff losgeschickt hat, sollte auch derjenige sein, der den letzten Begriff erhält.

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Nun wird das Muster ein paarmal wiederholt. Sobald es (einigermaßen) sitzt, wird ein zweites Muster eingeführt. Hierfür wird eine neue Kategorie ausgewählt (z. B. Gemüse, Haushaltsgeräte, Tiere, Farben etc.) und ein neuer Ablauf festgelegt. Wenn auch dieses Muster „sitzt“, werden beide Muster gleichzeitig gestartet. Beide Muster sollen parallel ohne Unterbrechung laufen. Variationen und Tipps • Es ist für die erste Festlegung der Muster hilfreich, wenn diejenigen, denen bereits ein Gegenstand zugewiesen wurde, sich die Hand auf die Brust legen, um zu signalisieren, dass sie bereits „belegt“ sind. Anschließend ist dieser visuelle Hinweis nicht mehr notwendig. • Es ist nicht notwendig, sich in den jeweiligen Runden an feste Kategorien wie z. B. Obst, Gemüse, Haushaltsgeräte, Hobbies etc. zu halten. Es können auch unzusammenhängende Begriffe zugewiesen werden, was die Komplexität und den Stressfaktor leicht erhöht, da die jeweiligen Muster ohne die zugrunde liegenden Kategorien schwieriger zu merken sind. • Für jede Kategorie kann zur Vereinfachung ein Ball oder sonstiger weicher Gegenstand zu den Spielern geworfen werden. • Es können beliebig viele Muster eingeführt und gleichzeitig durchgeführt werden. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie gut konnte ich mir die einzelnen Muster merken? • Wie klar habe ich kommuniziert? Habe ich meinen Begriff klar und deutlich weitergegeben, sodass er ankam? • Wie sehr habe ich mich für das Aufrechterhalten des Musters verantwortlich gefühlt? • Ist es mir aufgefallen, wenn ein Muster gefehlt hat? • Wie ging es mir, wenn es an meiner Stelle gehakt hat? • Fiel es mir leicht, einen anderen auf seinen „Fehler“ hinzuweisen?

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6.11 Figurenroulette Im Laufe des Lebens haben wir mit einer Vielzahl verschiedener Charaktere zu tun. Manche sind für uns nicht relevant, mit anderen hingegen müssen wir versuchen, gut klarzukommen, und den ein oder anderen müssen wir vielleicht sogar von unserer Idee überzeugen. Die Bandbreite von verschiedenen Figuren ist schier immens. Um dennoch dafür (zumindest ansatzweise) gewappnet zu sein, hilft das Durchspielen des Figurenroulettes. Beschreibung der Übung Anhand des Figurenroulettes wird ein Charakter „erschaffen“, den einer der Spieler repräsentiert. Diese Figur schlüpft nun entsprechend dem jeweiligen Thema in eine Rolle (z. B. Kunde, Bankbeamte, Investor, Presseschreiber, Konkurrent …) und soll entsprechend seiner Eigenschaften auf den anderen Spieler reagieren (z. B. beim Elevator Pitch, beim Bankgespräch …). Ziele der Übung • • • • •

Lernen mit verschiedenen Charakteren umzugehen Selbstbewusstsein entwickeln Sich nicht beirren lassen Schwierige Situationen meistern Angst vor Zurückweisung verlieren

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • • • •

2–5 Teilnehmer 15–20 min Karten mit verschiedenen Eigenschaften Karten mit verschiedenen Persönlichkeiten/Berufen

Ablauf und Briefing Ein Spieler wählt aus beiden Kartenstapeln jeweils eine Karte aus und kombiniert diese (z. B. Karte 1: „wütende(r)“ / Karte 2: „Steuerberater“).

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Diese Figur stellt er als Gegenspieler in der festgelegten Situation dar. Hierbei können u. a. folgende Situationen durchgespielt werden: • Elevator Pitch • Neues Produkt/neue Dienstleistung vorstellen • Über den Preis des Produktes/der Dienstleistung diskutieren • Finanzierungsanfrage • Anmieten eines Büros/einer Ladenfläche • Klären von rechtlichen Fragen etc. Ziel ist es, die Angst vor verschiedenen Charakteren zu verlieren und für den Fall, dass man solchen Figuren im realen Leben begegnet, gewappnet zu sein. Beispiele für die Eigenschaftskarte 1: • Alte(r) • Traurige(r) • Ängstliche(r) • Dümmliche(r) • Neugierige(r) • Aggressive(r) • Skeptische(r) • Unterstützende(r) etc. Beispiele für die Figurenkarte 2: • Berater in einer Behörde (Arbeitsamt, Gewerbeamt …) • Steuerberater • Bankangestellter • Investor • Ladenbesitzer • Designer • Teamkollege

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• Eltern/Großeltern • Partner Variationen und Tipps • Es können auch real existierende Figuren für diese Übung gespielt werden. • Es kann noch eine dritte Kartenkategorie (z. B. Ort) hinzugefügt werden. • Ein Stapel kann mit ausschließlich negativen, ein anderer Stapel mit ausschließlich positiven Eigenschaften gebildet werden, sodass nach einer „demotivierenden“ eine „unterstützende“ Figur gespielt werden kann, um den Frustfaktor im Rahmen zu halten. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Ist es mir leicht oder schwer gefallen, die Figur von mir/der Dienstleistung/der Idee zu überzeugen? • Welche Eigenschaften/Personen waren für mich eine besondere Herausforderung? Weshalb? • Gab es eine bestimmte Haltung/Herangehensweise, die mir grundsätzlich gut geholfen hat?

6.12 Find a Game Wie stößt man einen kreativen Prozess an? Wie kommt man als Team zu neuen und außergewöhnlichen Lösungsansätzen? Natürlich am besten im gemeinsamen Spiel. Und was liegt da näher, als gemeinsam ein eigenes Spiel zu erfinden – und zwar mit Dingen, die auf den ersten Blick kein Spielmoment verheißen. Denn in der gemeinsamen Erarbeitung einer Ablaufstruktur für ein simples Spiel werden kreative Energien freigesetzt, die für die Ausarbeitung unterschiedlicher Lösungsprozesse genutzt werden können.

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Beschreibung der Übung Die Teilnehmer erhalten unterschiedliche Utensilien und sollen damit ein Spiel erfinden. Ziele der Übung • „Think out of the Box“ • Teamentwicklung • Kreative Strukturen und Abfolgen schaffen • Etwas aus dem „Nichts“ erschaffen • Gemeinsame Ideenfindung • Spaß am Unbekannten • Freundlicher Wettbewerb Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 4–15 Teilnehmer • 20–30 min • Verschiedene Utensilien wie z. B. Zahnstocher, Spielkarten, Streichholzkiste, Büroklammern, Tesafilm, Kamm, Taschenlampe, Würfel, Post-its, Legosteine, Playmobilfiguren, Stäbe, Schnüre, Stifte, Bälle etc. Ablauf und Briefing Es werden mehrere 3er- bzw. 4er-Teams gebildet. Jedes Team erhält eine gewisse Anzahl an Utensilien und muss innerhalb von 10 min ein Spiel erfinden, inklusive der Spielregeln. Nach der vorgegebenen Zeit stellt jedes Team sein Spiel vor. Das Spiel, das am kreativsten und unterhaltsamsten ist, gewinnt. Variationen und Tipps • Variation: Die Teilnehmer dürfen sich selber verschiedene Gegenstände ausdenken (z. B. vorhandenes Flipchart, Fensterrollo, Taschenspiegel … etc.)

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• Variation: Die Teams müssen ihr Spiel wie in einer Werbesendung bestmöglich präsentieren. Selbstverständlich müssen sie sich auch einen passenden Namen für das Spiel ausdenken. • Die Teamgröße kann verändert werden. Wie funktioniert der kreative Prozess mit weniger bzw. mehr Teammitgliedern? Wie alleine? Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Fiel es mir leicht/schwer, einem Gegenstand eine neue Rolle zuzuweisen? • Hatte ich Ideen, wie ein Spiel abzulaufen hat, oder habe ich eher die anderen überlegen lassen? • Wie sehr hat mich der Gedanke nach „Wettbewerb“ motiviert bzw. angetrieben? Oder hat mich der erhöhte Druck eher gelähmt? • Wie fand ich die Ideen der anderen? Waren überraschende und inspirierende Spiele dabei? • Habe ich zwischendurch versucht, bei den anderen Teams zu spicken? Oder konnte ich konzentriert am eigenen Spiel arbeiten? • Wie gut hat die Teamarbeit funktioniert? Gab es einen Wortführer? Welche Gruppengröße war für mich am angenehmsten?

6.13 Harold (Einstieg) Im angloamerikanischen Raum ist Harold eine der häufigsten Spielformen für Improtheater. In Deutschland wird bei einigen Improgruppen eine deutlich freiere Variante gespielt, der Prärie-Harold. Der Einstieg ist in beide Varianten jedoch ähnlich. Beschreibung der Übung Die Spieler stehen Schulter an Schulter und blicken ins „Publikum“. Sie improvisieren zu einem bestimmten Unternehmensthema zunächst einzelne Begriffe, dann Satzfragmente, dann Sätze und schließlich eine ganze Szene.

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Ziele der Übung • Einpendeln auf die Begrifflichkeiten aus der Welt des eigenen Wertangebots • Gemeinsame Sprache finden • Grundlage für Teile der Geschäftsmodellplanung finden Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2–15 Teilnehmer • 10 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Die Schauspieler (bzw. das Gründerteam) stehen in einer Reihe und blicken in dieselbe Richtung. Sie improvisieren verbal frei zu einem Thema. Beim Improtheater kann dieses Thema gänzlich beliebig sein, z. B. „Wasser“, „Kaugummi“, „Schreiner“, „Raumschiff“ oder „Vorfreude“. Für unser Gründungsteam sollte das Thema das Produkt bzw. die Dienstleistung sein, das oder die man anbieten möchte. Die freie Improvisation stimmt auf das Thema ein, vor allem aber wird ein großer Fundus an Material generiert, der z. B. für die Business Model Canvas oder den Businessplan an mehreren Stellen wertvoll sein wird. Dies ist auch der erste Schritt zu einem gemeinsamen Verständnis des Geschäftskonzepts. Begonnen wird mit einzelnen Wörtern oder Begriffen, die mit dem Thema zu tun haben. Jedes Teammitglied geht abwechselnd einen Schritt nach vorne, nennt seinen Begriff und tritt wieder zurück in die Reihe. Dann ist ein anderes Teammitglied an der Reihe. Es gibt keine feste Reihenfolge – und wenn einer etwas mehr sagt als die anderen, ist das auch okay. Wichtig ist, dass jedes Teammitglied beteiligt ist und das Gefühl hat, ausreichend beizutragen.

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Nach und nach darf aus den Begriffen auch mal ein kurzer Satz werden, dann längere oder sogar mehrere Sätze. Im Laufe von ein paar Minuten werden die Beiträge der Teilnehmer also immer länger. Wenn das Team das Gefühl bekommt, durch die Begriffe und länger werdenden Sätze und Aussagen das Thema einigermaßen eingegrenzt zu haben, kann ein Teammitglied, während ein anderes Teammitglied vorne steht, zusätzlich nach vorne treten. Gemeinsam beginnen sie nun, eine kleine Szene zu spielen, die mit dem Wertangebot des Unternehmens zu tun hat – sei es ein Verkaufsgespräch, eine Szene aus der Fertigung oder auch etwas, das nur indirekt damit zu tun hat. Variationen und Tipps • Bei dieser Übung sollten Sie sich Zeit lassen. Sie müssen nicht gleich nach 30 s volle Sätze sprechen. Besser ist es, gemeinsam als Gruppe ein Gefühl zu entwickeln, ab wann die einzelnen Beiträge langsam länger werden sollten. • Die Übung kann bei Bedarf mit anderen Themen bzw. Begrifflichkeiten aus der eigenen unternehmerischen Aktivität wiederholt werden. • Nach einem Durchlauf sollte das Team eine kurze Pause machen. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Welche Begriffe oder welche Sätze waren überraschend? Welche möchte ich mir für später notieren? • Was waren die einzelnen Themen und Begrifflichkeiten? Was von dem Gesagten könnte ich nutzen, z. B. für die Beschreibung meines Vorhabens oder für das Alleinstellungsmerkmal und den Kundennutzen?

6.14 Ideen-Café Ideen auf Knopfdruck zu finden funktioniert nur in den allerseltensten Fällen. Meist entsteht und wächst eine Idee im Zusammenspiel mit anderen Personen, die uns die Möglichkeit geben, die bestehende Idee abzuwandeln, zu adaptieren – oder komplett über den Haufen zu werfen.

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Sich auf Neues einzulassen und bisherige Denkmuster zu verlassen führt zu neuen Ideen. Im Ideen-Café geht es genau darum: um das gemeinsame Erschaffen einer Idee, die durch das Zusammenspiel entsteht. Beschreibung der Übung Zwei Teilnehmer treffen sich in einem imaginären Café und beginnen nach dem „Ja! Genau!“-Prinzip handelnd –, gemeinsam eine Idee und/ oder Geschichte zu erschaffen. Durch das Annehmen, Assoziieren und Aufbauen auf die Idee des Gegenübers sollen bestehende Denkstrukturen aufgebrochen und ein kreativer Ideenfluss angeregt werden. Ziele der Übung • Kreative und innovative Ideen finden • Grenzen des eigenen Denkens überschreiten • Lernen, Ideen anzunehmen und auch Ideen „loszulassen“ Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer • 20–30 min • Keine Requisiten notwendig Ablauf und Briefing Zwei Teilnehmer sitzen sich entspannt schräg gegenüber (Richtung „Publikum“). Sie erhalten vom Publikum einen „Titel“ für ihren gemeinsamen Film (z.  B. „Der grüne Eimer“) und beginnen abwechselnd die Idee und Geschichte des Films zu erzählen. Hierbei ist die Vorgabe, dass das Gegenüber auf die Idee seines Kollegen stets begeistert mit „Ja, genau!“ reagiert und darauf aufbauend das Ganze mit einem „Und …“ weiterentwickelt. Hier ein beispielhafter Dialog für ein Ideen-Café B: „Ich habe eine tolle Idee für einen neuen Film! Und der Titel dieses Films ist ‚Der grüne Eimer‘.“

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A:  „Ja, genau! Und der grüne Eimer steht exemplarisch für den fehlenden Nachhaltigkeitsgedanken der Menschen, die einfach alles wegschmeißen.“ B: „Ja, genau! Und in der Dokumentation, die wir gemeinsam drehen, zeigen wir auf, wie viele Eimer voller Dinge Menschen täglich wegwerfen.“ A: „Ja, genau! Und die Eimer sind unterschiedlich groß, je nachdem in welchem Bereich die Leute etwas wegwerfen.“ B: „Ja, genau! Und dann können wir sogar als Anfangssequenz die Erde in einem grünen Eimer liegend zeigen.“ A: „Ja, genau! Und …“ usw

Der Fantasie ist hierbei keinerlei Grenze gesetzt, und da es ein gemeinsames Filmprojekt ist, ist auch alles möglich. Ziel der Übung ist es, sich auf die Ideen des Gegenübers einzulassen und diese als Inspiration und Grundlage für die eigene Idee zu nutzen, sodass eine gemeinsam erschaffene Geschichte entsteht. Variationen und Tipps • Auf Wunsch der beiden „Regisseure“ kann im Vorfeld ein bestimmtes Filmgenre vorgegeben werden. Beispiel: Dokumentation, Romantische Komödie, Horror … • Anstatt eines Filmes kann auch die Geschichte eines gemeinsamen Buches oder einer gemeinsamen Geschäftsidee beschrieben werden. • Der Titel der Geschichte kann auch erst während des Erzählens durch die beiden „Regisseure“ gefunden werden. • Die Übung „Kausalkette“ (Abschn. 6.18) ist eine Variante des Ideen-Cafés. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie zufrieden bin ich mit der Geschichte? • Wie fand ich die Ideen meines Gegenübers? Habe ich mich irritiert, verärgert o. ä. gefühlt? • Wie fand ich es, dass meine Idee verändert wurde?

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• Wie leicht/schwer fiel es mir, mich auf die Gedankenwelt meines Gegenübers einzustellen? • Wie leicht/schwer fiel es mir, mich von meiner Vorstellung der Geschichte zu lösen und offen für das Unbekannte zu sein?

6.15 Ideenkette Bei der Suche nach neuen Ideen neigen wir dazu, die erste Idee als die einzig mögliche zu betrachten. Dies führt häufig dazu, dass wir in unseren bisherigen Denkmustern verharren und nicht auf neue Lösungsansätzen kommen. Letzteres geschieht erst, wenn wir uns dazu animieren, uns anzustrengen und weitere Ideen und Lösungen zu produzieren. Erst dadurch ergibt sich aus einer Ursprungsidee eine Vielzahl an neuen und teilweise außergewöhnlichen Ideen, die wiederum zu neuen Lösungen führen können. Beschreibung der Übung Die Teilnehmer stehen an einer Seite des Raumes und sollen schrittweise auf die gegenüberliegende Seite laufen. Pro Schritt sollen sie – je nach Aufgabenstellung – einen neuen Begriff finden. Ziele der Übung • Konzentration • Bisherige Denkmuster durchbrechen • Kreative und innovative Ideen finden • Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 1 bis beliebig viele Teilnehmer • 10–15 min • Keine Requisiten notwendig

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Ablauf und Briefing Die Teilnehmer stehen entspannt nebeneinander auf einer Seite des Raumes. Auf ein Kommando des Kursleiters hin, beginnt nun jeder in seinem eigenen Tempo und seiner eigenen Schrittgröße den Raum zu durchqueren. Hierbei führt er den Schritt in Kombination mit einem Wort aus, d. h. er sagt pro Schritt ein neues Wort. Dies wiederholt er so lange, bis er auf der anderen Seite des Raumes angelangt ist. Mögliche Aufgabenstellungen sind: • Gegenstände, die mit einem bestimmten Buchstaben beginnen (z. B. M) • Exotische Früchte • Frauen-/Männernamen • Werkzeuge • Namen für ein neues Produkt • Lösungen für ein bestehendes Problem Variationen und Tipps • Variation: Durch die Vorgabe, sich nur an einen Buchstaben zu halten (z. B. Namen nur mit „S“, Werkzeuge nur mit „F“), können noch kreativere Prozesse angeregt werden, da nicht auf die „Standardlösungen“ zurückgegriffen werden kann (Bsp. Werkzeuge: Hammer, Nagel …). • Variation: Die Übung kann auch im Kreis stehend durchgeführt werden. Mögliche Abläufe sind hier: – Jeder Teilnehmer, der an der Reihe ist, muss mindestens 5 Antworten generieren. – Der Teilnehmer muss so lange Antworten produzieren, wie ein Ball einmal die Runde macht. Hierbei gibt es noch die Option, dass derjenige, der mit der Ideenfindung an der Reihe ist, seine Augen schließt, um nicht zu wissen, wie viel Zeit er noch hat (Erhöhung des Stressfaktors). – Jeder Teilnehmer, der an der Reihe ist, erhält eine feste Zeit (z. B. 60 s), in denen er so viele Lösungen wie möglich finden soll.

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• Variation: Bei der Raumdurchquerung kann das Ganze auch als Wettrennen aufgebaut werden, d. h. wer am schnellsten die meisten Lösungen findet und als erster auf der anderen Seite angekommen ist, hat gewonnen. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie leicht/schwer ist es mir gefallen, auf meinen Wissensschatz zuzugreifen? • Wie sehr habe ich mich durch die anderen Teilnehmer abgelenkt gefühlt? • Wie sehr hat mich die Einschränkung (zeitlich, durch bestimmte Buchstaben) unter Stress gesetzt? • Habe ich versucht zu „schummeln“ (größere Schritte, gleiches Wort mehrmals hintereinander)?

6.16 Imaginäres Volleyballspiel Eine im Team ausgeübte Sportart verbindet. Es ist ein positives und konstruktives Gruppenerleben. Meist zeigt sich hierbei auch, wie gut ein Team funktioniert und aufeinander eingespielt ist. Ein eingespieltes Team meistert die schwierigsten Aufgaben mit Bravour. Auch das gemeinsame Scheitern erlebt man in der Gruppe und bekommt die Rückmeldung, dass man trotzdem geschätzt wird. Um dieses Teamerlebnis schnell und unkompliziert hinzubekommen, wird das Spiel – in dem Fall Volleyball – einfach imaginär gespielt. Aber so, dass jeder im Geiste sowohl das Netz als auch den Ball stets sieht. Körperlicher Einsatz und Gruppenmotivation gehören natürlich dazu. Beschreibung der Übung Es werden zwei Gruppen gebildet, die gegeneinander ein imaginäres Volleyballspiel spielen. Das Team mit den meisten Punkten gewinnt.

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Ziele der Übung • Körperliche Fitness und Aufwärmübung • Gruppendynamik • Namen kennenlernen • Spaß am gemeinsamen Scheitern • Als Team zusammenfinden und die Emotionen (Aufregung, Freude etc.) teilen • Ankommen und im Moment sein Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 4–15 Teilnehmer • 20–30 min • Keine Requisiten notwendig Ablauf und Briefing Das Team wird in zwei Gruppen aufgeteilt. Ein Spieler wird als Schiedsrichter benannt und definiert die imaginäre Linie, wo das Netz hängt, und wirft den Ball ins Spiel. Ziel ist es, ein richtiges Volleyballspiel zu spielen, mit dem Zusatz, dass der Name des Spielers genannt wird, der den Ball übernehmen soll – sowohl im eigenen als auch im gegnerischen Team. Wichtig ist, dass jedes Teammitglied ins Spiel eingebunden ist und auch der körperliche Einsatz nicht zu kurz kommt. Es dürfen (und sollen) auch Bälle auf den Boden fallen, sodass es ein spannendes Spiel wird. Außerdem kann das gemeinsame Scheitern auch sehr großen Spaß machen. Variationen und Tipps • Es kann auch eine andere Sportart genommen werden. Es ist für die Übersicht hilfreich, eine Sportart zu wählen, in der sich die Teams in Feldern gegenüberstehen. Eine mögliche Variation könnte z. B. Federball sein (wobei Sie hier dann aufpassen sollten, dass Sie mit dem Schläger niemanden erwischen ). • Die Siegerseite zelebriert den Sieg mit Pokal und Dankesrede, während die Verliererseite übertrieben jammert und vielleicht sogar kollektiv und dramatisch stirbt.

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Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie fühle ich mich nach diesem Spiel in meiner Gruppe? Habe ich mehr Vertrauen und fühle mich wohler? • Hat mir das Gewinnen oder das Verlieren mehr Spaß gemacht? • Hatte ich Freude am Spiel selbst oder war für mich nur der Erfolg und das Siegen zentral?

6.17 Italienische Probe In der Probenarbeit am Theater kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem man den Text wirklich gut kennen sollte. Spätestens kurz vor den Haupt- und Generalproben muss er sitzen. Um dies zu üben und zu überprüfen, machen Schauspieler gerne eine italienische Probe. Diese kann auch als Vorbereitung auf eine Rede oder Präsentation genutzt werden. Beschreibung der Übung Der gesamte Text der Rede oder Präsentation wird ohne Handlungen, ohne Herumlaufen und ohne den Einsatz von Hilfsmitteln oder Requisiten gesprochen – so zügig wie möglich, mit Fokus auf das gesprochene Wort und dessen Bedeutung. Ziele der Übung • Sicherheit gewinnen • Rückmeldung, ob Sie sich im eigenen Material gut auskennen • Vorbereitung auf den Auftritt Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 1–5 Personen (Anmerkung: Idealerweise alle, die maßgeblich an der Präsentation oder dem Vortrag beteiligt sind) • Individuelle Dauer • Ggf. Präsentation oder Moderationskarten

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Ablauf und Briefing Die gesamte Präsentation oder Rede sollte einmal komplett durchgesprochen werden. Als Unterstützung sind nur die Dinge erlaubt, die auch später zum Einsatz kommen. Wenn also z. B. mit PowerPoint präsentiert wird, können die Folien auch bei der Probe eingesetzt werden. Es soll nun versucht werden, zügig durch den Text zu kommen – ohne sich lange Zeit zu lassen, lange zu überlegen, zu formulieren oder Varianten auszuprobieren. Sollte dies dennoch notwendig sein, sind Sie eventuell noch nicht bereit für die italienische Probe. Sie sollten in der Lage sein, die Inhalte auf den Punkt genau zu formulieren. Wenn Ihnen dies in der Probe gelingt, werden Sie es auch später hinbekommen, wenn es wichtig ist. Variationen und Tipps • Am besten lassen Sie eine Stoppuhr mitlaufen. Dann bekommen Sie eine gute Rückmeldung darüber, wie viel Zeit Sie für den reinen Text benötigen. • Einen Zettel und einen Stift parat legen. Wenn Ihnen während der Probe etwas auffällt (z. B. ein Fehler in der Präsentation), kann dies rasch notiert werden, während Sie versuchen, mit dem Text weiterzumachen. • Wenn Sie beim ersten Mal zu oft hängen bleiben, sollten Sie die Übung so lange wiederholen, bis Sie ihn ohne Fehler sprechen können. Wenn eine Wiederholung wirklich keinen Spaß mehr macht, ist das ein Zeichen dafür, dass Sie oft genug geübt haben. • Der Fokus dieser Übung liegt auf den Inhalten. Alles andere sollte zwar mitgedacht werden, aber Ziel ist es, sich auf die Worte zu konzentrieren. • Anmerkung: Nicht jeder Vortrag profitiert davon, wenn Sie jedes Wort minutiös vorbereiten. Oft ist das spontane Formulieren auf der Bühne wertvoll, denn es vermittelt Authentizität und wirkt sympathischer.

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Daher sollte jeder für sich ein Gefühl dafür bekommen, wie viel Vorbereitung ihm tatsächlich guttut. Bei der italienischen Probe muss der Text nicht unbedingt auswendig aufgesagt werden. • Variante: Neben der italienischen Probe kann auch „Alles mit Allem (AMA)“ (Abschn. 6.2) durchgeführt werden, um zu testen, ob Sie mit allen Requisiten und Materialien zurechtkommen. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie fit war ich in meinem Stoff? • Was muss ich noch vorbereiten? • Wo kann ich mich entspannen, weil ich sicher bin?

6.18 Kausalkette Durch das Annehmen einer Idee oder eines Vorschlages haben wir die Möglichkeit, dem Ganzen eine Bedeutung zu geben und/oder zu sehen, wohin die Idee einen noch führt. Durch die Fähigkeit, für Dinge und Sachlagen eine „Erklärung“ finden zu können, bauen wir eine Kausalkette auf, die es uns ermöglicht schlagfertig auf unerwartete Fragen zu reagieren. Beschreibung der Übung Gemeinsam mit einem (oder mehreren) Partner/n wird eine kausale Kette geschaffen. Ziele der Übung • • • •

Vertrauen in die eigenen Ideen Fähigkeit, aus festgefahrenen Denkmustern auszubrechen Schlagfertiger auf Fragen reagieren Einen „größeren Sinn“ hinter den Dingen erkennen

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Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer • 5–10 min • Keine Requisiten notwendig Ablauf und Briefing Zwei Personen sitzen oder stehen sich entspannt gegenüber. Einer stellt eine Behauptung auf. Der andere nimmt die Vorgabe an („Ja, genau!“) und ergänzt den Sachverhalt mit einer logischen Folgerung („Und weil …“). Personenwechsel mit der gleichen Abfolge von „Ja, genau! Und weil …“. Beispiel A: „Viele Leute haben Angst vor einer Präsentation.“ B: „Ja, genau! Und weil sie Angst davor haben, fangen sie an, unruhig im Raum hin und her zu laufen.“ A: „Ja, genau! Und weil sie so viel hin und her laufen, haben sie ganz abgewetzte Schuhe.“ B: „Ja, genau! Und weil sie so abgewetzte Schuhe haben, haben sie keine gute Haltung und erscheinen unsicherer als sie tatsächlich sind.“ usw.

Variationen und Tipps • Diese Übung kann entweder zu zweit oder mit mehreren im Kreis durchgeführt werden. Wichtig ist hierbei, dass JEDER Vorschlag mit der gleichen Begeisterung aufgenommen wird. Es gibt keine falschen oder dummen Antworten! • Die Begeisterung und den Vorschlag können Sie mit körperlichen Gesten unterstützen. Dies schafft mehr körperliche Präsenz und Überzeugungskraft. • Die Übung „Ideen-Café“ (Abschn. 6.14) ist eine Variante der ­Kausalkette.

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Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie ging es mir mit dem besprochenen Thema? Habe ich mich unwohl/unsicher gefühlt? Wenn ja, warum? • Welche kausale Kette kam mir als erstes in den Sinn? Habe ich diese genommen oder sie zugunsten der Logik/Gruppendynamik/persönlichen Einstellung „zensiert“? • Fiel es mir leicht oder schwer, eine Erklärung zu finden? • Wie wirkt sich die Tatsache, dass meine Idee begeistert angenommen wurde und zu etwas Neuem geführt hat, auf meine Einstellung zu mir und meinen Kollegen aus?

6.19 Lebenslauf-Karaoke Es ist eine Sache, den Lebenslauf einer anderen Person zu lesen. Die Person und ihren Lebenslauf wirklich zu verstehen, das ist eine ganz andere Sache. Beschreibung der Übung Ähnlich wie bei der PowerPoint-Karaoke1 bekommt ein Spieler einen fremden Lebenslauf, den er vorher nicht gesehen hat. Er agiert, als wäre dies sein eigener Lebenslauf und stellt sich entsprechend vor. Ziele der Übung • Den Lebenslauf einer anderen Person besser verstehen und interpretieren • Flexibilität und Intuition trainieren • Sich verkaufen können, ohne vorbereitet zu sein

1Bei

der PowerPoint-Karaoke müssen die Teilnehmer zu zufällig ausgewählten und ihnen unbekannten Folien einen Vortrag halten.

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Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 1 bis beliebig viele Teilnehmer • 10 min • Ein ausgedruckter Lebenslauf, 1-3 Seiten, gerne inkl. Hobbies, Interessen und ehrenamtlicher Tätigkeiten. Die Schriftart sollte nicht zu klein sein, mindestens 12 pt, besser 14 pt. Ablauf und Briefing Der Spieler bekommt einen Lebenslauf in die Hand gedrückt und beginnt sofort, sich als diese Person vorzustellen. Am Anfang wird dies ein Entlanghangeln an den beruflichen Stationen sein, später sollte er versuchen, die beruflichen Aspekte, die Ausbildung und die Interessen zu verbinden (z. B. „Als Arzt liegt es mir, Menschen zu helfen, daher habe ich mich auch im Fußballverein engagiert.“). Ziel ist es, die Zuhörer für sich zu gewinnen und dem Lebenslauf – trotz aller Ecken und Kanten – eine gute Stimmigkeit zu verleihen. Variationen und Tipps • Es muss sich nicht um einen echten Lebenslauf handeln. Sie können auch eine Kundenpersona entwerfen (z. B. mit „What’s your name?“, Abschn. 6.41). Daraus kann ein Lebenslauf entwickelt werden, der dann einem Gründungsmitglied „vorgesetzt“ wird. • Nicht zu viel denken, einfach weiterreden. Wenn Sie sich bei dem Gesagten widersprechen, macht das nichts bzw. kann dies sogar, wenn Sie später drüber nachdenken, einen Grund haben. Ist der Lebenslauf vielleicht widersprüchlich? • Sie können diese Übung auch nutzen, um sich im Gründerteam besser kennenzulernen. Jeder stellt den Lebenslauf eines anderen Mitgründers vor. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Was habe ich über den Lebenslauf und den Menschen dahinter gelernt?

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• Ist es mir schwergefallen, mich durch den unbekannten Lebenslauf zu hangeln? Wenn ja, warum? • Wenn ich mir einen Kunden als Vorlage genommen habe: Welche Erkenntnisse konnte ich hieraus gewinnen? Konnte ich erfahren, was den Kunden bewegt? • Wenn ich mir ein Gründungsmitglied als Vorlage genommen haben: Was haben wir übereinander gelernt? An welchen Stellen habe ich den Lebenslauf falsch interpretiert? • Welche Infos haben mir im vorgestellten Lebenslauf gefehlt? • Wie war es für mich als Zuhörer? Gab es etwas besonders Auffallendes oder Überraschendes?

6.20 Leistbarer-Verlust-Auktion Mit dieser Übung soll mithilfe eines spielerischen Ansatzes erarbeitet werden, wie viel jedes Teammitglied bereit ist zu verlieren, wenn das Gründungsvorhaben scheitern sollte. Beschreibung der Übung Zunächst wird sich auf die „Währung“ des Verlustes (z. B. Geld, Zeit, Waren etc.) geeinigt. Wenn möglich, sollte ein außenstehender Freund oder Coach die Rolle des Auktionators übernehmen – und zwar gerne sehr klischeehaft, inklusive Hämmerchen und „zum Ersten …“-Ansagen. Die Aufgabe des Auktionators ist es auch zusammenzufassen, auf welches Projekt genau geboten werden kann und um welche Währung es geht (oder was das Mindestgebot ist). Und dann kann es losgehen. Nun versuchen alle Teilnehmer, sich gegenseitig zu überbieten. Hierbei zeigt sich, wer bereit ist, für das Projekt bzw. das Vorhaben mehr Verlust in Kauf zu nehmen. Die Phase der Gebote dauert in der Regel nicht allzu lange. Anschließend sollte innerhalb der Gruppe über die Auktion diskutiert werden und darüber, wer wie viel zu investieren bereit war. Der Auktionator kann dabei die Moderation der Diskussion ­übernehmen.

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Auch wenn es bei dieser Übung nicht um echte Währung oder echten Verlust geht, kann dieses Vorgehen sehr dabei helfen, eine Diskussion darüber zu initiieren, was für jeden Einzelnen verkraftbar ist, wer wie viel zu geben bereit ist und wo die individuellen Grenzen sind. Ziele der Übung • Überprüfung im Team, ob Sie mit derselben Einstellung an das Vorhaben herangehen • Spielerisches Initiieren einer Diskussion über mögliche Verluste und das Scheitern des Gründungsvorhabens • Individuelle Überprüfung, ob jedem klar ist, was ein Misserfolg bedeuten könnte Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer • 30 min • Keine Requisiten, außer ggf. ein Hämmerchen für den Auktionator Ablauf und Briefing 1. Auktion: Der Auktionator stellt das Vorhaben vor und geht kurz auf die Rollen der einzelnen Teammitglieder ein. 2. Er gibt einen Ausblick über den zeitlichen Aspekt. 3. Er nennt das Mindestgebot (z. B. 1000 EUR oder 1 Monat) und ruft zur Angebotsabgabe auf. 4. Die Teammitglieder sollen versuchen, tatsächlich nur so viel zu „geben“, wie sie tatsächlich bereit sind zu investieren. 5. Irgendwann erhält jemand den Zuschlag („5500 EUR zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten!“). 6. Nun geht es in die Diskussion: Was hat jedes Teammitglied gemerkt? Wo gab es Überraschungen, wo wurden die Erwartungen erfüllt?

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Variationen und Tipps • Variation: Bei einer Solo-Gründung kann der Gründer mit einem Auktionator und 1 bis 2 Mitspielern herausfinden, wie viel er bereit ist zu investieren. Idealerweise sollte er natürlich bereit sein, am meisten zu investieren. • Die Übung dient der spielerischen Herangehensweise an das Thema. Wenn sich herausstellt, dass einer der Teammitglieder schon bei 2000 EUR aussteigt und der andere bereit ist, bis 100.000 EUR zu gehen, sollte diese Erkenntnis unbedingt näher betrachtet werden. Wie kommt es zu der Diskrepanz? Welche Schlüsse können daraus gezogen werden? • Wenn bereits im Vorfeld Konfliktpotenzial zu erwarten ist, sollte die Rolle des Auktionators sehr bewusst besetzt werden. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie war die Team-Dynamik? Was ist passiert, als in der Übung jeder gegen jeden bieten musste? Welche Übereinstimmungen und welche Gräben traten hierbei zutage? • Welchen Input nehme ich mit? Worüber muss ich nachdenken? Was muss im Team besprochen werden? • Was ist der nächste konkrete Schritt?

6.21 Mantras Unsere Wirkung nach außen wird sehr durch unsere innere Haltung und Einstellung geprägt. Wenn wir uns selbst verunsichern – z. B. durch über Jahre aufgebaute Glaubenssätze –, dann fällt es uns schwer, uns nach außen hin positiv und selbstbewusst zu geben, weil wir uns selbst mit dem Gegenteil sabotieren. Diese Fähigkeit der Selbstmanipulation kann auch positiv genutzt werden, indem wir uns mit positiven Sätzen

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(Mantras) in die entsprechende Außenwirkung begeben. Ganz im Sinne von „Fake it till you make it“ überzeugen wir uns selbst so lange, bis wir den negativen Glaubenssatz in einen positiven abgeändert haben. Beschreibung der Übung Für verschiedene Situationen wie z. B. Vortrag, Gespräch, Telefonat etc. überlegen Sie sich im Vorfeld ein positives „Mantra“, das Sie in der entsprechenden Situation im Geiste ständig wiederholen. Ziele der Übung • • • • •

Selbstvertrauen schaffen Negative Glaubenssätze entmachten Neue Sichtweise entwickeln Verbesserung der Außenwirkung Eigenes Potenzial an Stärke erkennen

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 1–5 Teilnehmer • 10–15 min • Zettel, Stift Ablauf und Briefing Vor dem Spiel werden verschiedene Glaubenssätze bzw. Mantras auf kleine Zettel geschrieben, z. B. „Ich bist total selbstbewusst“, „Ich mag mein Gegenüber“ etc. Diese Zettel kommen im Laufe der Übung nach und nach zum Einsatz. Nun wird eine Szene gespielt, in der sich zwei Spieler unterhalten oder ein Spieler vor den anderen steht und einen Vortrag zu einem bestimmten Thema hält. Anschließend zieht der Teilnehmer sich nun einen Zettel aus dem vorbereiteten Stapel und liest sein „Mantra“. Die anderen dürfen nicht erfahren, welchen Satz er gezogen hat. Dann wird dieselbe Szene erneut gespielt bzw. derselbe Vortrag erneut gehalten. Während der Spieler redet oder dem anderen zuhört,

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versucht er nun, an den bestimmten Satz zu denken und ihn auch zu fühlen. Der Satz soll wie ein unterschwelliges Mantra sowohl sein Denken, sein Reden als auch seine Ausstrahlung beeinflussen. Am Ende geben die anderen Spieler Rückmeldung, ob sie eine Veränderung wahrgenommen haben bzw. an welchen Aspekten sie diese konkret erkannt haben (z.  B. veränderte Körperhaltung, stärkere Mimik, mehr Betonung …). Je gezielter das Feedback ist, desto leichter ist es für den aktiven Spieler, sich diesem Gefühl künftig auch über körperliche Anker zu nähern. Variationen und Tipps • Um den Einfluss von negativen und positiven Glaubenssätzen auf unsere Außenwirkung noch deutlicher zu machen, kann die Auswahl der Sätze um klassische negative Glaubenssätze erweitert werden, z. B. „Ich bin total unsicher“, „Mir gelingt doch sowieso nie etwas“, „Ich bin nichts wert“ etc. Wichtig ist hierbei, dass derjenige Spieler, der einen negativen Glaubenssatz hatte, die gleiche Szene mit dem entsprechenden positiven Glaubenssatz spielt, damit er die positive Haltung aus der Übung mitnimmt. • Variation: Es können auch absurde Sätze aufgeschrieben werden wie „Mich juckt es permanent am rechten Fußballen“, „Ich habe das Gefühl, zu viel Knoblauch gegessen zu haben“, „Ich will mein Gegenüber unbedingt zum Essen einladen“ etc. • Besonders bei einem Vortrag ist es spannend, die Wirkung auf das Publikum abzufragen, wenn der Vortragende einmal mit dem Mantra spricht „Die hören mir ohnehin nicht zu“ und anschließend „Ich bin in jeden einzelnen Zuhörer verliebt“ oder auch „Jeder einzelne Zuhörer ist in mich verliebt“. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie sehr hat mich der jeweilige Glaubenssatz in meiner Darstellung beeinflusst? • Gab es Vorgaben dir mir leicht-/schwergefallen sind?

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• Habe ich möglicherweise eigene Glaubenssätze wiedererkannt? Konnte ich diese abschwächen? • Wie war es für mich als Gegenspieler oder Zuschauer, wenn mein Gegenüber die unterschiedlichen Mantras hatte? Bei welchen habe ich mich wohlgefühlt, bei welchen unwohl?

6.22 Netzwerk-Aufstellung Das Netzwerk des Gründers ist eine seiner wichtigsten Ressourcen. Hilfreiche Kontakte können Türen öffnen und Geld und Zeit sparen. Sie tragen entscheidend dazu bei, welche Ziele erreichbar sind und in der Unternehmensplanung berücksichtigt werden sollten. Beschreibung der Übung Im Übungsraum werden alle relevant erscheinenden Kontakte aufgestellt. Dazu werden Freunde des Gründungsteams, Schauspieler oder auch Puppen und Gegenstände benutzt. Sie werden um ein in der Mitte platziertes Symbol für das eigene Unternehmen (z. B. ein Stuhl oder das Logo des Unternehmens) gruppiert. Ziele der Übung • Gefühl für und Überblick über die Kontakte erhalten • Querverbindungen zwischen den Kontakten entdecken • Suche nach Synergie-Effekten • Identifizieren von nächsten Schritten (wen kontaktieren, wen einladen, wen untereinander vernetzen etc.) • Chancen und Potenziale erkennen Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 1–10 Teilnehmer • 20–30 min • Platzhalter für das Unternehmen und ggf. für die Kontakte (Puppen, Ausdrucke, Gegenstände)

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Ablauf und Briefing Die Kontakte werden im Raum um das eigene Unternehmen herum in sinnvollen Gruppierungen angeordnet. Personen, die sich fachlich oder persönlich nahe sind, sollen auch im Raum nah beieinanderstehen. Dabei spielt es keine Rolle, warum die Kontakte relevant sind. Die Großmutter kann genauso dabei sein wie der erste Kunde oder der Grafiker, der gerade an der Homepage arbeitet. Nach der Aufstellung kann mit den einzelnen Kontakten gearbeitet werden. Ähnlich wie bei der Problemwolke (vgl. Abschn. 6.26) sind vor allem die Querverbindungen interessant, auf die man ohne die Aufstellung so ohne Weiteres nicht kommen würden. Sollten die Kontakte von Menschen gespielt und nicht durch Gegenstände repräsentiert werden, können diese auch in ihrer Rolle agieren. Ziel ist es herauszufinden, auf welche Weise die Kontakte genutzt werden können, denn oft kann ein Kontakt auf mehr als nur eine Art hilfreich sein (z. B. kennt der Webdesigner vielleicht potenzielle Kunden und muss nur darauf angesprochen werden). Variationen und Tipps • Das Netzwerk aufzustellen kann und darf länger dauern. Denn nur wenn Sie alle relevanten Personen, die Sie kennen, berücksichtigt haben, wird deutlich, wie viele wertvolle Kontakte Sie tatsächlich haben. • Sie sollten sich immer wieder auch fragen: Wen habe ich übersehen? Es gibt immer Menschen, mit denen wir aktuell nicht in aktivem Austausch stehen, die aber dennoch wertvoll sind. Das können z. B. ehemalige Kollegen oder frühere Mitschüler sein. • Die Übung können Sie auch durchführen, wenn Sie keinen Raum zur Verfügung haben. In dem Fall können zum Beispiel kleine Spielfiguren genutzt und als Netzwerk auf dem Tisch aufgestellt werden. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Welche unerwarteten Potenziale konnte ich entdecken? • Wer hat sich als besonders wertvoller Kontakt herausgestellt?

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• Was sind meine nächsten Schritte? Wie kann ich das Netzwerk aktivieren?

6.23 Neue Wahl In bestimmten Situationen wünschen wir uns, wir hätten eine andere Entscheidung getroffen oder es fällt uns schwer, aus unserem bisherigen Entscheidungs- und Handlungsmuster auszubrechen. Die folgende Übung hilft dabei, neue Handlungsweisen und Entscheidungswege zu finden und so zu erfahren, welch unerwartete Wendungen neue Optionen bieten. Beschreibung der Übung Es wird gemeinsam eine Geschichte erzählt oder gespielt. Ein Spieler bleibt als „Moderator“ in der Zuschauerrolle und greift bei Entscheidungssituationen ein, um eine „neue Wahl“, also eine neue Option, einzufordern. Ziele der Übung • • • •

Neue Lösungswege finden Kreatives Umdenken Neue Gedankengänge und Optionen zulassen Angst vor Fehlern verlieren

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • • • •

2–5 Teilnehmer 1 Moderator 15–20 min Keine Requisiten

Ablauf und Briefing Die Spieler erzählen bzw. spielen eine beliebige Geschichte, z. B. aus ihrem aktuellen Projekt. Hierbei ist es für den Moderator hilfreich, wenn die Spieler den klassischen Szenenaufbau durchführen, d. h. Spieler 1 etabliert den Ort durch pantomimisches Darstellen (z. B.

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im Büro am Laptop sitzen und tippen) und Spieler 2 definiert die Beziehung zueinander (z. B. Kollegen, Partner, Kunde/Unternehmer). Es können auch weitere Spieler als Figuren auftauchen. Sobald eine Entscheidungs-/bzw. Handlungssituation ansteht, stoppt der Moderator die Spieler und fordert eine neue Option ein, z. B. „Stopp! Neue Wahl“. Beispiel A: B: Moderator: B:

„Reichst du mir bitte die Unterlagen?“ „Aber natürlich.“ „Stopp! Neue Wahl!“ „Nein, ich habe keine Lust.“

Der Moderator hat nun die Möglichkeit, diese Option zu akzeptieren oder so lange „Neue Wahl!“ zu rufen, bis er mit der Wahlmöglichkeit zufrieden ist. Beispiel A: B: Moderator: B: Moderator: B: Moderator: B: Moderator: B:

„Reichst du mir bitte die Unterlagen?“ „Aber natürlich.“ „Stopp! Neue Wahl!“ „Nein, ich habe keine Lust.“ „Stopp! Neue Wahl!“ „Nein, hol dir die Unterlagen doch selber.“ „Stopp! Neue Wahl!“ „Nein, das sind meine. Schreib dir deine eigenen!“ „Stopp! Neue Wahl!“ „Warte! Ich bringe sie dir persönlich vorbei.“ (Kein Einwurf seitens des Moderators, d. h. die Szene geht mit dieser Option weiter.)

Variationen und Tipps • Es kann von vorneherein festgelegt werden, dass die erste Option angenommen wird oder erst jede dritte.

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• Wenn vorgeschlagene Optionen zu häufig hintereinander vom Moderator abgeblockt werden, kann beim Spieler ein Gefühl von Frust entstehen. Der Moderator sollte also auf die richtige Dosis achten, sodass die Spieler zwar genug gefordert werden, um auf neue Gedanken-/Handlungsoptionen zu kommen, jedoch nicht überfordert werden und demotiviert das Spiel beenden. • Der Spieler kann dazu aufgefordert werden, völlig abwegige und absurde Optionen anzubieten, z. B. zum obigen Beispiel passend: • B: „Ich habe alles in meinem Kopf. Warte, ich telepathiere es dir schnell rüber.“ Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Ist es mir leicht oder schwergefallen, neue Optionen zu finden? • Hat sich durch die unerwartete Option der Verlauf der Geschichte maßgeblich verändert? • Welche meiner Ideen haben mich selbst überrascht?

6.24 Nutze den Gegenstand Als Kind konnten wir z. B. in einem Stock weit mehr als nur einen Stock sehen. Er konnte die Funktion jedweden Gegenstandes einnehmen, den wir gerade benötigten, d. h. er war für uns eine Pistole, ein Stift, ein Schwert, ein Flugbesen usw. Die Fähigkeit, mehr in Dingen zu sehen, als auf den ersten Blick zu erkennen ist, verlieren wir jedoch häufig im Laufe unseres Lebens. Doch nur, wenn wir in der Lage sind, außerhalb des Offensichtlichen zu denken, können wir auch neue und hilfreiche Anwendungsmöglichkeiten in den Dingen entdecken. Beschreibung der Übung Die Teilnehmer erhalten verschiedene Utensilien und sollen für diese so viele originelle Verwendungsformen wie möglich finden.

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Ziele der Übung • „Think out of the Box“ • Teamentwicklung • Kreative Prozesse anstoßen • Neue Anwendungsmöglichkeiten finden • Gemeinsame Ideenfindung • Spaß am Entdecken neuer Potenziale • Freundlicher Wettbewerb Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 3 bis beliebig viele Teilnehmer • 20–30 min • Verschiedene Gegenstände wie z. B. Strohhalm, Kochlöffel, Brille, Bleistift, Taschenlampe, Bälle etc. Ablauf und Briefing Es werden mehrere 3er- bzw. 4er-Teams gebildet. Jedes Team erhält einen Gegenstand und muss innerhalb von 10 min möglichst viele originelle Anwendungsmöglichkeiten dafür finden. Nach der vorgegebenen Zeit stellt jedes Team seine Vorschläge vor und demonstriert die Anwendung. Das Team, das die kreativsten und überraschendsten Funktionsweisen für einen Gegenstand finden konnte, gewinnt. Beispiel: Als Gegenstand liegt ein Kugelschreiber vor. Mögliche Ideen für dessen Anwendung wären: • Waffe • Schminkstift • Lockenwickler • Papierhalter (die hintere Klammer) • Zahnstocher • Kochlöffel • Saat-Stab (Löcher in die Erde bohren)

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• Löcher in den Käse stechen • Füße kratzen (in den Schuhen) • Hantel • Fingerübungsspiel (zum Trainieren der Geschicklichkeit) • Lesezeichen • Wattestäbchen • Ohrring (für Hartgesonnene) • Eis am Stiel • Takt-Instrument (mit dem Kugelknopf am Ende) • Drum-Sticks • Locher • Beißholz • Mikadostab • Lineal/Abstandshalter • Zum Nase bohren • Um jemanden zu kitzeln • Um Kaugummi von den Schuhen zu kratzen • Jonglierkeulen • Zauberstab etc. Variationen und Tipps • Variation: Die Teilnehmer dürfen auch abstrakte Anwendungsmöglichkeiten für den Gegenstand finden. Beispiele für den Kugelschreiber: – Schwert für einen Zwerg – Taschenlampe oder Laserpointer (mit Einschaltknopf ) – Laserschwert – Milchspender – Historische Schriftrolle – Schlange – Bumerang – Zeitmaschine

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– Flugbesen – etc. • Die Teamgröße kann verändert werden. Wie funktioniert es mit weniger bzw. mehr Teammitgliedern? Wie alleine? Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Fiel es mir leicht/schwer, dem Gegenstand eine neue Rolle zuzuweisen? • Hatte ich eigene Ideen oder habe ich eher die anderen überlegen lassen? • Mit welchen Gegenständen war es besonders leicht/schwer? • Wie sehr hat mich der Gedanke nach „Wettbewerb“ motiviert bzw. angetrieben? Oder hat mich der erhöhte Druck eher gelähmt? • Wie fand ich die Ideen der anderen? Waren überraschende und inspirierende Anwendungsmöglichkeiten dabei? • Wie gut hat die Teamarbeit funktioniert? Gab es einen Wortführer? Welche Gruppengröße war für mich am angenehmsten?

6.25 Podiumsdiskussion mit Konkurrenten Wer als Unternehmer erfolgreich sein möchte, muss nicht nur seine Kunden kennen und deren Bedürfnisse erfüllen. Er muss auch die Stärken und Schwächen seiner Mitbewerber und Konkurrenten einschätzen können. Während Sie Kunden direkt fragen können, wird es bei den Mitbewerbern schon schwieriger. Selten erfahren Sie mehr als das, was auf der Homepage preisgegeben wird. Was Sie an dieser Stelle benötigen, ist die Fähigkeit, sich in die Sichtweise der Konkurrenten hineinzuversetzen. Beschreibung der Übung Einer der Gründer stellt sich selbst dar. Ein anderer Spieler übernimmt die Rolle eines Konkurrenten. Sie diskutieren über ihre Produkte, über die Kunden, den Markt und darüber, wer was besser kann als der andere.

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Ziele der Übung • • • • •

Kennenlernen der Konkurrenz Visualisierung der Konkurrenzsituation am Markt Stärken- und Schwächenanalyse vorbereiten Überprüfung des eigenen Wertangebots aus einer neuen Perspektive Trainieren der rhetorischen Fähigkeiten

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer • 15 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Der Spieler, der den Mitbewerber spielt, sollte sich gut vorbereiten. Er sollte die Stärken des Mitbewerbers kennen und wissen, warum seine Kunden ihn wertschätzen. Er sollte sich für die Übung die Haltung aneignen, dass er das überlegenere Wertangebot für die Kunden hat. Der andere Spieler sollte sich ebenfalls vorbereiten und wissen, was den Konkurrenten ausmacht. Sobald die Podiumsdiskussion beginnt, diskutieren die beiden Unternehmensvertreter, wer der bessere ist, was am anderen schlecht ist und warum die Kunden eben nicht zu ihm laufen werden. Wie bei einer Podiumsdiskussion üblich, sollten sich die Vortragenden ihres Publikums bewusst sein, denn die Zuschauer (also die anderen Gründungsmitglieder oder Teilnehmer) spielen die Rolle des Kunden und dürfen auf das Gesagte reagieren – positiv wie negativ. Variationen und Tipps • Auch wenn hitzig diskutiert wird, sollten Sie den anderen fairerweise ausreden lassen. Sie sollten auch nicht zu häufig laut werden, sondern lieber stichhaltige Argumente finden. • Ein weiterer Spieler könnte als Moderator fungieren, welcher Fragen stellt und den Podiumsgästen feste Redezeiten zuweist.

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• Wenn es etwas wilder und kreativer werden soll, können zusätzlich kleine, gefaltete Zettel auf der Bühne verteilt werden. Auf diesen Zetteln können willkürlich ausgewählte Sprichwörter („Wer anderen eine Grube gräbt …“), Redewendungen („… einen Bären aufbinden“) und Ausrufe („Heureka!“) stehen. Wenn einer der Redner nicht mehr weiter weiß oder einen Impuls braucht, kann er einen der Zettel aufheben, auffalten und den Text sofort einbauen – aber natürlich so, dass es einen Sinn ergibt. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Was konnte ich über die Stärken und Schwächen meines Mitbewerbers erfahren? • Was kann ich mit dieser Erkenntnis anfangen bzw. wie setze ich dieses Wissen um? • Wie gut konnte ich mein eigenes Unternehmen gegen den Kontrahenten verteidigen? Sind mir viele gute Argumente eingefallen? • Habe ich mich emotional mitreißen lassen? Oder konnte ich ruhig und bestimmt meine Punkte anbringen? • Kann ich einschätzen, was die Kunden besser finden werden?

6.26 Problemwolke Auf der Bühne nutzen wir gelegentlich die Technik des „ScenePainting“. Hierbei wird ein Raum nur imaginär eingerichtet, also ohne reale Requisiten, sondern nur in der Vorstellung. Beispielsweise definiert ein Schauspieler den Raum als einen Friseursalon. Er beschreibt den Zuschauern, wo der Eingang ist, deutet die beiden Frisierstühle, die Haarwaschbecken und den Tresen an. Anschließend ergänzt er noch ein paar Details, z. B. Deko-Elemente, Tischchen oder Kaffeekannen. Mit dem gleichen Vorgehen können Sie auch reale Kundenprobleme visualisieren und versuchen, hierüber auf Lösungen zu kommen. Beschreibung der Übung Ähnlich wie bei einer Mind-Map füllt ein Spieler den freien Raum mit dem Problem, das Ihr Unternehmen lösen soll. Dabei soll d ­ urchaus

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räumlich gedacht werden. Die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Aspekten sind relevant und die Übung profitiert von einer hohen Bildhaftigkeit. Beispiel: „Unser Kunde hat das Problem, dass er sich auf das Abitur vorbereiten möchte, aber mit den üblichen Büchern nicht zurechtkommt, da er den Faden verliert und sich nicht ausreichend disziplinieren kann. Hier in der Mitte steht also der Kunde und runzelt die Stirn. Von hinten rechts droht das hässliche Gespenst der Disziplinlosigkeit. Es ist gut befreundet mit der Schreckschraube der Ablenkungen im Internet, hinten links. Vorne in der Mitte steht das große Ziel, das Abitur. Daneben sind seine Eltern, die Druck auf ihn ausüben und die Freunde, die alle bessere Noten haben als er …“

Ziele der Übung • Visualisierung eines Problems • Möglichkeiten schaffen, ein Problem zu ergründen und die diversen Zusammenhänge zu erkennen • Ein Problem unter verschiedenen Aspekten betrachten • Um die Ecke denken • Kreative Lösungen finden Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer • 15–20 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Durch einen (oder auch mehrere Spieler) wird der „Problemraum“ eingerichtet. Hierbei ist folgendes Vorgehen hilfreich: • So spezifisch wie möglich sein • Starke Bilder nutzen

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• Verschiedene Objekte imaginär installieren (z. B. „hier hängt der Spiegel, in dem sich der Kunde jeden Tag betrachtet“) Sobald der Raum eingerichtet ist, kann über ihn gesprochen werden. Es sollte vor allem versucht werden, die Verbindungen zwischen den verschiedenen Elementen zu erforschen. Wenn nötig, können auch weitere Elemente hinzugefügt werden. Hilfreiche Fragen in diesem Zusammenhang sind: • Was ist Teil des Problems, was Teil der Lösung? • Wie sind die Verbindungen zwischen den verschiedenen Aspekten, die ich für mich nutzen kann? • Worauf habe ich Einfluss, worauf nicht? Variationen und Tipps • In der Regel kann man sich die Elemente gut vorstellen, insbesondere wenn sie räumlich gedacht werden. Fällt es Ihnen dennoch schwer, können Sie natürlich auch echte Requisiten nutzen. • Idealerweise sitzt man nicht, sondern bleibt während der gesamten Übung stehen. Das erleichtert es, spontan in den Raum zu gehen und ein Detail zu ergänzen oder zu kommentieren. • Der gesamte Raum sollte genutzt werden! Es ist hilfreich sich viel zu bewegen, sich zu zeigen und zu kommentieren. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Ist es mir leicht gefallen, den Raum mit imaginären Dingen zu füllen? Konnte ich die dargestellten Objekte vor meinem inneren Auge sehen? • Was ist der Kern des Problems? Konnte ich ihn erarbeiten? • Welche Facetten habe ich dazugelernt? • Wie können wir als Unternehmen ein Wertangebot schaffen, das das Problem oder einen Teil davon passgenau lösen kann?

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6.27 Rampenlicht Als Selbstständiger oder Unternehmer steht man häufig im Rampenlicht der Aufmerksamkeit. Sei es, weil man sein Unternehmen auf Netzwerkveranstaltungen vertritt oder über verschiedene Marketingkanäle Präsenz zeigen möchte (und in der Regel auch „muss“). Dies fällt den meisten Menschen nicht leicht, da wir uns, sobald wir im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, häufig unwohl fühlen. Um diese Unsicherheit etwas abzuschütteln und um das Gefühl der Bewunderung genießen zu können, kann die folgende Übung sehr hilfreich sein. Beschreibung der Übung Die Teilnehmer werden zufällig ausgewählt und dürfen sich selbstbewusst in der Aufmerksamkeit der anderen sonnen. Ziele der Übung • • • • • •

Körperliche Aktivierung Selbstbewusstsein schaffen Verbesserung von Präsenz und Wirkung Bewunderung der anderen genießen Diese Bewunderung zurückspiegeln Entwickeln eines guten Teamgefühls

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2–10 Teilnehmer • 5 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Die Teilnehmer laufen entspannt durch den Raum. Irgendwann wird der Name eines Mitspielers genannt. Dieser muss dann sofort stehen bleiben und sich stolz präsentieren, so als würde ein imaginärer

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S­ cheinwerfer auf ihn leuchten. Hierbei darf er durchaus übertreiben und sich sehr selbstbewusst und selbstsicher präsentieren, getragen von dem Gefühl, etwas Großartiges geleistet zu haben und auch großartig zu sein. Die anderen Mitspieler betrachten den im „Spotlight“ Stehenden mit gebührender Bewunderung (verbale Bekundungen wie „Ahhh …“ und „Ohhh …“ und „Wow …“ sind ebenfalls erlaubt). Nach einigen Sekunden laufen alle entspannt weiter, bis der nächste Name fällt und der nächste Teilnehmer im Rampenlicht steht. Variationen und Tipps • Die Teilnehmer dürfen mehrere Male aufgerufen werden. Dies ist besonders hilfreich bei den Personen, die eher nicht so selbstsicher auftreten und diese Haltung dadurch mehrmals üben können. Wichtig ist, dass am Ende jeder Mitspieler mindestens einmal im Rampenlicht stand. • Sobald ein Teilnehmer für das Rampenlicht ausgewählt wurde und sich entsprechend in Siegerpose begeben hat, können die anderen Mitspieler zu ihm hineilen und ihm auch mit Gesten und Haltungen „huldigen“ (z. B. vor ihm auf die Knie fallen, sich ehrfürchtig vor ihm verneigen, um ein Autogramm bitten … etc.). • Variation: Derjenige, der sich in die Siegerpose begibt, muss jedes Mal, wenn sein Name genannt wird, eine andere Haltung einnehmen (z. B. einmal siegessicher stehen, einmal mit offenen Armen, einmal sich hinsetzen, einmal die Arme verschränken …). • Variation: Die Intensität der Darstellung steigert sich mit zunehmender Spieldauer: Beim ersten Mal steht man noch relativ normal im Rampenlicht, bis man am Ende wie ein Rockstar völlig „abhebt“ vor Begeisterung über sich selbst. • Variation: Die Intensität der Darstellung reduziert sich mit zunehmender Spieldauer: Während man beim ersten Mal fast arrogant und zu hundert Prozent selbstsicher auftritt, reduziert sich die Präsenz nach und nach, bis man am Ende noch etwa zwanzig Prozent Ausstrahlung hat (welche Sie idealerweise im Alltag tatsächlich umsetzen können).

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Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie habe ich mich im Rampenlicht gefühlt? War es mir unangenehm oder habe ich es genossen? • Hat sich das Gefühl im Laufe der Übung verändert? Positiv wie negativ? D. h. es begann Spaß zu machen oder fühlte sich immer schlimmer an? • Gab es eine bestimmte körperliche Haltung, die mir geholfen hat? Die ich immer wieder eingenommen habe?

6.28 Rollensprung In Diskussionen versuchen wir häufig, den anderen von unserem Standpunkt und unserer Sichtweise argumentativ zu überzeugen. Hierbei vergessen wir jedoch oft, dass auch wir uns auf die Sichtweise des anderen einlassen sollten, um einen für beide Seite zufriedenstellenden Dialog zu führen. Möglicherweise stellen wir fest, dass jede Seite ihre eigene Realität und Wahrheit hat, da sie die Situation nur aus ihrem eigenen Blickwinkel aus betrachten kann. Um diese Sichtweise kennenzulernen, hilft es, in die verschiedenen Rollen zu schlüpfen und die Situation aus deren Perspektive heraus zu erleben. Beschreibung der Übung Im Verlauf einer Geschichte schlüpfen die einzelnen Teilnehmer immer wieder in die Rolle einer anderen Figur und spielen aus dieser neuen Rolle heraus. Ziele der Übung • Lernen, verschiedene Sichtweisen einzunehmen • Erkennen von Chancen und Risiken einer Situation • Teamzusammenhalt Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2–5 Teilnehmer • 1 Moderator

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• 15–20 min • Keine Requisiten notwendig Ablauf und Briefing Zunächst wird eine allen bekannte Geschichte bzw. ein Märchen ausgewählt, anschließend werden die jeweiligen Rollen der Teilnehmer festgelegt. Dann wird die Geschichte gespielt (z. B. Froschkönig). Der Moderator beobachtet von außen und ruft nach einer gewissen Zeit „Sprung!“. Die Darsteller der einzelnen Figuren tauschen nun ihre Rollen miteinander (z. B. Frosch wird die Prinzessin). Wenn der Moderator erneut „Sprung!“ ruft, tauschen die Darsteller nun mit einer evtl. weiteren vorhandenen Figur (z. B. dem König) oder wechseln zurück in ihre eigene Rolle. Ziel ist es, durch den Rollenwechsel die Realität und die Sichtweise der jeweiligen Figuren tatsächlich nachvollziehen zu können und Empathie zu empfinden. Variationen und Tipps • Es kann auch eine freie Geschichte z. B. aus dem eigenen Unternehmensalltag dargestellt werden. Dies erfordert jedoch einiges an Übung, da das frei improvisierte Spiel hinsichtlich des Storytellings eine Herausforderung für die einzelnen Teilnehmer darstellen kann. Hier kann die Rolle des Moderators von außen gute Unterstützung bieten. • Die einzelnen Figuren lassen die Zuschauer mithilfe von Monologen an ihrer Gedanken- und Gefühlswelt teilhaben. Dies führt zu einem stärkeren Verständnis und hilft allen dabei, die Beweggründe einzelner Figuren besser nachzuvollziehen. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie war es, die verschiedenen Sichtweisen einzunehmen? • Mit welcher Figur konnte ich mich am ehesten identifizieren? Wessen Sichtweise war meiner am nächsten? • Gab es Sichtweisen, die mich überhaupt nicht interessiert haben? Warum nicht? Habe ich vielleicht Personen in meinem Umkreis, bei denen ich unbewusst auch diese Haltung an den Tag lege? • Konnte ich neue und hilfreiche Erkenntnisse aus der Übung ziehen?

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6.29 Satz für Satz Eine Geschichte zu erzählen macht Spaß. Gemeinsam eine Geschichte zu erschaffen macht doppelt so viel Spaß. Doch was passiert, wenn die Entwicklung der Geschichte nicht mehr nur von uns abhängt? Was tun, wenn die Geschichte in eine Richtung geht, die wir vorher nicht geplant haben? Auch hier heißt es: Sich erst einmal darauf einlassen und schauen, wohin die ungeplante Reise geht. Beschreibung der Übung Zu einem bestimmten Thema wird Satz für Satz eine Geschichte erzählt, wobei jeder Spieler immer nur einen Satz sagen darf, der logisch auf den vorherigen aufbaut. Ziele der Übung • Stärkung des Teamgefühls • Gemeinsam Ideen kreieren • Genaues Zuhören und auf eigene Ideen vertrauen • Fähigkeit, spontan Sätze beenden zu können • Erkenntnis, dass es kein „Falsch“ gibt, sondern nur „alternative Lösungswege“ Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2–10 Personen • 10 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Die Spieler stehen sich gegenüber bzw. im Kreis. Es wird eine gemeinsame Geschichte erzählt, wobei jeder, der an der Reihe ist, nur einen Satz sagen darf. Der Satz des nächsten Spielers baut auf den vorherigen Satz bzw. Satzabschnitt auf und versucht, einen logischen

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„Gesamtsatz“ zu bilden. Der Spieler kann hierbei entscheiden, ob er den Satz weiterführen möchte oder ihn beendet. Beispiel A: „Maria hat heute Morgen verschlafen …“ B (Variante 1):  „… denn sie hat gestern zu lange gefeiert“ (Erklärung) B (Variante 2):  „… deswegen hat sie den Bus verpasst“ (Konsequenz) B (Variante 3): „… und zudem hat sie noch Halsschmerzen“ (weiteres Problem etablieren) B (Variante 4):  „… obwohl sie gestern pünktlich ins Bett ging“ (Spannungsaufbau) B (Variante 5):  (Punkt) „Peter hingegen nicht“ Idealerweise folgt die Erzählweise dem üblichen Aufbau einer Story, d. h. es gibt eine Hauptperson, um die es sich dreht, es wird eine Alltagssituation (Routine) beschrieben, welche durch ein Ereignis unterbrochen wird, und am Ende hat die Hauptperson etwas Wertvolles dazugelernt. Variationen und Tipps • Bei mehreren Teilnehmern können zwei Kreise gebildet werden. • Die Reihenfolge kann verändert werden. Hierzu wird ein Ball zu einem beliebigen Teilnehmer geworfen. Derjenige, der den Ball hat, muss die Geschichte weiterführen und anschließend den Ball einer neuen Person zuwerfen. • Es wird nur ganz selten passieren, dass der Satz, den Sie im Kopf haben, auch vom Mitspieler so beendet wird. Daher ist es besonders wichtig, offen für den Fortgang der Geschichte zu bleiben und zu sehen, wohin diese „alternative“ Idee die Geschichte führt. • Die Übung kann fast überall, z. B. im Auto, im Besprechungsraum oder am Schreibtisch, ohne viel Aufwand durchgeführt werden. Sie lockert auf und führt dazu, dass die Gehirnaktivität angeregt wird.

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Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie war es, gemeinsam eine Geschichte zu entwickeln, zu dieser aber immer nur satzweise etwas beitragen zu können? • Wie leicht ist es mir gefallen, mich auf unerwartete Wendungen in der Geschichte einzulassen? • Hatte ich Schwierigkeiten mit evtl. auftauchenden „Logiklöchern“? • Hatte ich das Bedürfnis, diese sinnvoll zu schließen? • Kam es vor, dass ich in zu langen Denkpausen der Kollegen versucht habe, ihnen Sätze zuzuflüstern? • Haben alle in gleicher Weise versucht, die Geschichte logisch zu erzählen? Oder gab es Mitspieler, die versucht haben, „besonders lustig“ zu sein und die Geschichte daher mit absurden Wendungen zu sabotieren? • Habe vielleicht sogar ich selbst versucht, meine Mitspieler mit diesen Logikbrüchen besonders herauszufordern?

6.30 See them seeing you Auf der Bühne tendiert man dazu, schneller als gewöhnlich zu sprechen und sich hektischer zu bewegen. Dies geschieht meist aus Nervosität und dem Wunsch heraus, niemanden zu langweilen. Doch wer gelernt hat, Pausen auszuhalten und Blickkontakt mit den Zuschauern zu halten, wirkt um einiges seriöser und professioneller. Es lohnt sich also, den eigenen Auftritt zu verbessern. Beschreibung der Übung Es wird sich bewusst Zeit genommen, um jeden Zuschauer wahrzunehmen und Blickkontakt mit ihm herzustellen. Hierfür wird eine bewusst lange Pause gemacht. Erst wenn jeder Zuschauer berücksichtigt wurde, wird etwas (z. B. ein Begrüßungssatz) gesagt. Ziele der Übung • Souveränität auf der Bühne ausstrahlen • Pausen bewusst einsetzen und aushalten

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• (Blick-)Kontakt zum Publikum herstellen • Verbindung zum Publikum schaffen Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 5 bis beliebig viele Teilnehmer • 1–2 min pro Vortragenden • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Ein Teilnehmer betritt die Bühne, positioniert sich mittig am vorderen Bühnenrand und nimmt zunächst einen guten Stand ein. Anschließend beginnt er, die einzelnen Zuschauer im Publikum anzusehen. Dabei sollte er mit jedem einzelnen, wenn auch nur kurz, einen richtigen Blickkontakt gehabt haben. Dies kann eine Weile dauern, gerade wenn nicht alle Zuschauer sofort zurückschauen. Der Performer sollte jedoch versuchen, diese „leere“ Zeit auszuhalten und, wenn möglich, zu genießen. Erst wenn er mit jedem Zuschauer Blickkontakt hatte, beginnt er zu reden. Bei dieser Übung reicht es aus, wenn der Redner nur einen Satz sagt. Dies kann ein vorher ausgedachter Satz sein, der Inhalt ist hierbei nicht wichtig. Er darf auch gerne banal sein wie „Der Winter kommt früh dieses Jahr“ oder „Als Kind liebte ich Erdbeereis“. Sobald der Satz ausgesprochen ist, applaudieren die Zuschauer. Der Performer verbeugt sich und geht ab. Variationen und Tipps • Bei einer sehr großen Zuschaueranzahl (mehr als 30) ist es kaum möglich, mit jedem einzelnen Blickkontakt herzustellen. Als Alternative kann man sich hier die Zuschauer in kleinere Gruppen (z. B. 5er-Gruppen) aufteilen und gruppenweise anschauen. Auch so wirkt es, als hätte man jeden erreicht. • Zu Beginn kann der Impuls, das Ganze schnell hinter sich zu bringen, noch sehr präsent sein. In dem Fall sollte von den Zuschauern (oder einem Moderator) explizit darauf hingewiesen werden, dass der Vortragende sich Zeit lassen kann.

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• Der Satz kann auch in Gromolo (Fantasiesprache) vorgetragen werden. • Die einzelnen Schritte sollten unbedingt getrennt und in folgender Reihenfolge durchgeführt werden: – Bühne betreten und sich vorne mittig positionieren – Geistig und emotional ankommen – Einen festen Stand einnehmen – In aller Ruhe Blickkontakt herstellen – Den vorbereiteten Satz sagen – Sich verbeugen und Applaus entgegennehmen – Entspanntes Abgehen Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie hat es sich angefühlt, auf der Bühne zu stehen und sich Zeit zu lassen? • Ist es mir schwer gefallen, jeden Einzelnen anzusehen? • Was passierte mit meiner Körperhaltung, als ich vorne stand und Blickkontakt aufnahm? • Wie lange hat sich die Zeit für mich angefühlt? Wie lange fühlte es sich für das Publikum an? • Welche Wirkung hatte ich auf das Publikum? Welchen Eindruck hatte ich von mir selber? • Wie war der Auftritt aus der Zuschauerrolle heraus? Habe ich mich mehr wertgeschätzt gefühlt?

6.31 Shared Space „Wir sitzen alle im gleichen Boot“ – diesen Satz hört man häufig bei Teammeetings, wenn man vor einer herausfordernden Situation steht. Doch was bedeutet er genau? Die folgende Übung soll diesen Sachverhalt erlebbar machen.

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Beschreibung der Übung Alle Teilnehmer stehen gemeinsam auf einer Decke, welche immer kleiner gefaltet wird. Es sollen aber dennoch alle mit den Füßen auf der Decke bleiben. Ziele der Übung • • • • • •

Körperliche Aktivierung Vertrauen im Team aufbauen Verlieren von Berührungsängsten Gemeinsame (kreative) Problemlösung Entwickeln eines guten Teamgefühls Gemeinsames Aushalten einer schwierigen Situation

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 5–15 Teilnehmer • 10 min • Eine bzw. mehrere Decken Ablauf und Briefing Auf dem Boden wird eine große Decke ausgebreitet. Alle Teilnehmer stellen sich nun auf diese Decke. Am Anfang sollte jeder noch genügend Raum haben, um entspannt stehen zu können. Nun wird die Decke umgeschlagen, bzw. halbiert. Die Teilnehmer müssen währenddessen auf der Decke stehen bleiben und auch anschließend Platz darauf finden. Danach wird die Decke erneut halbiert, was bedeutet, dass die Teilnehmer immer näher zusammenrücken müssen, damit keiner seinen Platz auf der Decke verliert. Variationen und Tipps • Das Ganze kann auch als Wettbewerb aufgebaut werden: Welches Team schafft es eine kleinere Decke zu falten?

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• Welche kreativen Lösungen konnten im Team gefunden werden (z. B. Schuhe werden ausgezogen, alle stehen auf einem Bein)? • Variation: Es müssen stets alle Füße einen Platz auf der Decke finden (kreative Lösung hierbei: Alle sitzen auf dem Boden im Kreis und haben nur die Füße auf der Decke) • Variation: Die Teilnehmer dürfen einzelne Kollegen in die Luft heben bzw. gemeinsam tragen. Dadurch stehen weniger Füße auf dem Boden und die Decke kann noch kleiner gefaltet werden. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Was für ein Gefühl war es, im Team immer näher zusammenrücken zu müssen? • Gab es einen Hauptwortführer oder wurde kollektiv nach einer Lösung gesucht? • Wurden alle im Team gleich stark eingebunden? Oder wurde für manche einfach mitbestimmt? • Wie hat es sich angefühlt, von den Teammitgliedern durch die „Krise“ getragen zu werden? Wie war es, jemand anderen zu tragen? • Wie sicher habe ich mich in der Gruppe gefühlt? • Konnte ich Parallelen zu einer bestehenden Situation im Team ziehen? • Wie stark kam das Gefühl des „gemeinsam in einem Boot Sitzens“ auf?

6.32 Spitfire Schnelles Reagieren, gerade in öffentlichen Kommunikationssituationen, ist wichtig und hilfreich. Diese Übung trainiert diese Fähigkeit und setzt den Spieler auf der Bühne ordentlich unter Druck. Beschreibung der Übung Ein Spieler erzählt eine freie Geschichte. Dabei werden ihm vom Publikum beliebige Begriffe zugerufen, die er sofort sinnvoll einbauen muss.

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Ziele der Übung • • • •

Spontanes Reagieren auf Unvorhergesehenes Im Rampenlicht entspannt bleiben und Spaß haben Vertrauen gewinnen, dass einem immer etwas einfällt Logische Erklärung für Unerwartetes und Unpassendes finden

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer • 10 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Der Spieler beginnt seine Geschichte mit einem Namen und einer Handlung (z. B. „Maria ging zum Sportplatz …“). Er kann diese Geschichte frei weiterentwickeln. Die Zuschauer rufen ihm nun nach und nach Begriffe zu. Seine Aufgabe ist es, diese Begriffe sofort und sinnvoll einzubauen. Beispiel „Valeria hatte heute ein Fußballspiel gegen die Mannschaft des Nachbarorts.“ „Nashorn!“ „Sie hatte das Maskottchen ihrer Mannschaft, ein Nashorn, dabei.“ „Raumschiff!“ „Sie wusste, dass das Maskottchen der Gegner ein Raumschiff war. Daher …“ Die Geschichte sollte nach ein paar Minuten zu einem (einigermaßen) sinnvollen Ende gebracht werden.

Variationen und Tipps • Die Begriffe sollten zügig hintereinander gerufen werden, aber auch nicht zu schnell. Der Spieler auf der Bühne sollte ein paar Sekunden Zeit haben, den Begriff sinnvoll einzubauen. • Der Spieler kann versuchen, die Geschichte entsprechend den klassischen Storytelling-Elementen zu erzählen, d.  h. Anfang,

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­ auptteil (mit dramatischen Elementen), Finale und Schluss. Wenn H dies bei dieser Übung nicht gelingt, ist es auch in Ordnung. • Der Spieler sollte nicht zu lange Pausen machen und überlegen. Er soll einfach sagen, was ihm einfällt, denn alles ist richtig und erlaubt! Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie leicht oder schwer ist es mir gefallen, die Begriffe sinnvoll in die Geschichte einzubauen? • Wie sehr haben die Begriffe den Verlauf der Geschichte beeinflusst? Wo wurde die Geschichte chaotischer, wo vielleicht sogar interessanter? • Wurde es mit der Zeit leichter, die Begriffe einzubauen? Warum? • Wie kann ich diese Technik auf echte Präsentationen und Vorträge übertragen?

6.33 Spontanrede In einer Sitzung spontan nach unserer Meinung zu einem neuen Projekt befragt zu werden oder bei einer Veranstaltung ungeplant ein paar Sätze zu sagen, das ist für viele Menschen Horror pur. Sie haben panische Angst, sich zu blamieren und lächerlich zu machen. Sie fürchten, dass es ihnen buchstäblich die Sprache verschlägt und sie nicht wissen, was sie sagen sollen. Durch eine gezielte Herbeiführung dieser Situation stellt man sich ihr und durch ein wiederholtes Durchspielen verliert der Spontanvortrag nach und nach seinen Schrecken. Beschreibung der Übung Zu verschiedenen Begriffen und Themen wird eine kurze Spontanrede gehalten. Ziele der Übung • Vertrauen in die eigenen Ideen und Fähigkeiten • Fähigkeit, zu jedem Begriff eine kurze Rede halten zu können

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• Schlagfertiger auf Fragen reagieren • Angst vor einer spontanen Rede verlieren • Im Moment sein und Geschichten erzählen können Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 1 bis beliebig viele Teilnehmer • 10–15 min • Zettel, Stift Ablauf und Briefing Vor dem Spiel werden verschiedene Begriffe aus den unterschiedlichsten Bereichen auf kleine Zettel geschrieben, z. B. Hund, Sommer, Handwerker etc. Der Vortragende zieht sich nun einen Zettel. Nach einer sehr kurzen Bedenkzeit (max. 5 s) hält er zu diesem Begriff eine kurze Rede von mindestens 1–2 min. Anschließend zieht er den nächsten Zettel und erzählt zu diesem Begriff etwas. Variationen und Tipps • Bei dieser Übung hilft als Vorübung die „Assoziative Gedankenkette“ (Abschn. 6.3), da man das, was man als erstes mit dem Begriff assoziiert, als Grundlage hernehmen kann (Beispiel: Hund = Angst, mögliches Thema: „Viele Menschen haben Angst vor Hunden“). • Eine weitere Möglichkeit ist es, etwas Begriffsähnliches als Basis zu verwenden (Beispiel: Hund = Jagd, Thema: „Warum ich nie jagen gehen würde“ oder Hund = Haustier, Thema: „Katzen, die heimlichen Lieblingshaustiere“). • Als weitere Möglichkeit kann der Begriff mit einer persönlichen Anekdote verknüpft werden (Beispiel: „Letzte Woche bin ich mit dem Hund meiner Nachbarin Gassi gegangen“). • Den Vortrag mit körperlichen Gesten und entsprechender Mimik und verschiedenen Emotionen zu unterstützen schafft mehr körperliche Präsenz und hilft dabei, auf (spannende) Ideen zu kommen.

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• Variation: Die Begriffe werden während des Vortrags in die bestehende Geschichte eingebaut. Dazu entweder die Begriffe selber ziehen oder sich diese von außen geben lassen (ähnlich Zettelbombardement Abschn. 6.48). Abschließende Bewertung / Nachbereitung / Auswertung • Wie ging es mir damit, unvorbereitet eine Rede zu halten? • Fiel es mir leicht oder schwer, zu jedem Begriff eine Geschichte zu finden? • Habe ich für mich eine Technik gefunden, wie ich die Spontanrede aufbaue? (z. B. immer in Ich-Form, stets beginnen mit „Eines Tages …“) • Gab es Begriffe, mit denen ich mich besonders schwergetan habe? Woran könnte das gelegen haben?

6.34 Statusmeeting Als „Status“ wird im Improvisationstheater das Ansehen einer Figur bezeichnet, d. h. sowohl der gesellschaftliche Status (z. B. Polizist, Richter, Bettler) als auch der soziale und persönliche Status (Hochstatus oder Tiefstatus) definiert den Charakter und seine Grundhaltung. Status funktioniert i.d.R. nur im Zusammenspiel mit einem Gegenüber (wie auch im richtigen Leben). Ein König kann noch so sehr seinen Hochstatus betonen – wenn seine Untertanen sich nicht in den Tiefstatus begeben, kommt es zu einem Statuskampf (auch wie im richtigen Leben ). Sich über die Unterscheidungsmerkmale von „Status“ bewusst zu sein und diese anwenden zu können, ist sowohl im Alltag als auch in Gesprächssituationen relevant. Beschreibung der Übung In verschiedenen Situationen werden die unterschiedlichen Statusgrade ausprobiert und deren Wirkung erfahren.

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Ziele der Übung • • • •

Erkennen von Status-Merkmalen Bewusster Einsatz unterschiedlicher Status Status-/Machtkämpfe im Vorfeld erkennen und abwenden Eigenen „Wohlfühl-Status“ finden

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2–5 Teilnehmer • 10–20 min • Zettel, Stifte Ablauf und Briefing Auf einen Zettel werden die Zahlen 1–5 notiert. Diese stehen für den entsprechenden Statusrang (1  = absoluter Hochstatus, 5 = absoluter Tiefstatus) und werden von den Spielern vor jeder Szene neu gezogen. Der Status wird den Mitspielern und Zuschauern nicht verraten. Die Spieler sollen allein über ihr Auftreten, ihr Handeln und ihre Sprache den Status darstellen. Am Ende dürfen die Mitspieler und auch das Publikum erraten, welcher Spieler welchen Status innehatte. Als Szene kann eine beliebige Situation gewählt werden, z. B. wöchentliches Teammeeting, Familienfeier, Wartesaal einer Behörde oder beim Arzt etc. Wichtig ist, dass die Figuren, die gespielt werden, sich nicht entsprechend ihres gesellschaftlichen Ranges verhalten (z. B. Chef/Arzt =  Hochstatus), sondern sich ausschließlich nach ihren gezogenen Zetteln richten. Die unterschiedlichen Status können über verschiedene Merkmale dargestellt werden: Hochstatus • Geschmeidige und sichere Bewegungen, Kopf wird kaum bewegt • Feste Stimmlage, darf es sich erlauben, laut (oder auch leise) zu werden, entspannte tiefe Stimmlage • Aufrechte und lockere Gesamtkörperhaltung, raumeinnehmend

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• Ruhiger und gleichmäßiger Atem • Darf ungefragt den anderen berühren, z. B. die Hand auf die Schulter legen, die Wange tätscheln • Direkter Blickkontakt Tiefstatus • Hektische und unsichere Bewegungen, demütige Kopfhaltung • Stockende und leise Sprechweise oder auch schnelles Reden ohne Pause, mit vielen „Ähms“ und einer eher hohen Stimme • Gebeugte oder verkrampfte Körperhaltung, macht sich körperlich klein und nimmt wenig Raum ein • Flacher und hektischer Atem • Berührt nicht die anderen, sondern führt Verlegenheitsgesten am eigenen Körper durch (d. h. fährt sich durch die Haare, fasst sich häufig ins Gesicht), lässt die ungefragte Berührung durch das Gegenüber ohne Widerspruch zu • Wendet den Blick häufig ab oder starrt das Gegenüber bewundernd an Szenen-Beispiel: Meeting Spieler A zieht den Status 1 (absoluter Hochstatus) Spieler B zieht den Status 4 (fast Tiefstatus) Spieler C zieht den Status 3 („normaler“ Status) Spieler D zieht den Status 2 (fast Hochstatus) Spieler E zieht den Status 5 (absoluter Tiefstatus) Die Spieler befinden sich entweder bereits auf der Bühne oder betreten sie – je nach Statusrang und Rolle. Zum Beispiel ist i.d.R. der Praktikant meist als erster im Raum und kümmert sich um Kaffee und Kekse (es sei denn, er hat den absoluten Hochstatus, dann würde er sich weigern diese Tätigkeit auszuüben). Der Status wird im Zusammenspiel mit den anderen Mitspielern dargestellt: Ein Tiefstatus braucht jemanden, dem er sich „unterwerfen“ kann, ein Hochstatus braucht ein Gegenüber, den er dominieren kann. Im Anschluss rät das Publikum, wer welchen Status innehatte. Hierbei ist besonders die Abgrenzung von 2, 3 und 4 sehr schwierig, da es eines wohldosierten Einsatzes der Statusmerkmale bedarf und man seinen Status nur im Zusammenspiel mit den anderen herausarbeiten kann, d. h. man testet aus, ob der Mitspieler statusmäßig über oder unter einem liegt.

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Variationen und Tipps • Beim Statusspiel ist es besonders spannend, wenn Figuren, denen man im wahren Leben einen bestimmten Status zugesteht, einen anderen Status spielen (Beispiel Bewerbungsgespräch: Chef hat Tiefstatus und Bewerber hat Hochstatus). Von daher kann es durchaus interessant sein, diese Rollen im Vorfeld schon festzulegen und erst anschließend die Statusnummer ziehen zu lassen. • Variation: Es werden identische Status an die Spieler verteilt (z. B. 2 mal Status 1 mit absolutem Hochstatus). Hierbei ist es spannend zu beobachten, wie die Personen versuchen, ihren Status zu „erstreiten“. Häufig entsteht dabei ein Wiedererkennungswert zu Situationen im realen Alltag. • Variation: Eine Situation wird zunächst normal gespielt und anschließend mit den verschiedenen Statusrängen. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • In welchem Status habe ich mich am wohlsten gefühlt? • Sind mir die unterschiedlichen Status leicht- oder schwergefallen? • Welche Elemente kann ich hieraus für meinen Alltag mitnehmen, um z. B. situationsbedingt Elemente des Hochstatus/Tiefstatus anzuwenden? • Gab es Szenen/Situationen, welche mich an reale Situationen erinnert haben? Was kann ich aus der Übung für diese herausziehen? • Konnte ich mit den anderen Status gut auskommen oder gab es Status, die mich „getriggert“ (provoziert) haben?

6.35 Statusspiel mit Konkurrenten In der Regel betreten Jungunternehmer einen Markt, auf dem bereits andere Unternehmen um die Gunst der Kunden ringen. Da ist es nicht nur hilfreich, die anderen Mitbewerber gut zu kennen, es ist auch sinnvoll zu wissen, wer aus Kundensicht wie aufgestellt ist und wer den „höchsten Status“ hat.

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(Zu mehr Details zum Thema Status siehe „Statusmeeting“ (Abschn. 6.34).) Beschreibung der Übung Zwei Spieler spielen eine kurze Szene: Ein Gründer aus dem eigenen Unternehmen trifft den Inhaber bzw. Geschäftsführer eines Konkurrenzunternehmens. Zunächst hat der Konkurrent einen deutlich höheren Status, nach und nach kippt dies, sodass am Ende der Gründer den höheren Status hat. Ziele der Übung • • • • •

Kennenlernen der Konkurrenz Überprüfung des eigenen Wertangebots aus einer neuen Perspektive Neue Sicht auf etablierte Mitbewerber Suche nach Schwächen der Mitbewerber Erkennen, dass auch Mitbewerber nur „mit Wasser kochen“

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2–5 Teilnehmer • 15 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Beide Spieler sollten die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Firmen so gut wie möglich kennen. Gespielt wird eine Szene, bei der sich die beiden Repräsentanten zufällig treffen. Der Ort kann frei gewählt werden (zum Start: Café, Bahnhof oder Buchhandlung; für Fortgeschrittene und Experimentierfreudige gerne auch Friedhof, Sauna, Hölle oder im Kofferraum eines brennenden Autos). Beide Spieler reden über ihre Unternehmen und präsentieren ihre jeweiligen Erfolge und Stärken („Mein Haus! Mein Pferd! Mein Auto!“). Dabei soll zunächst der Mitbewerber deutlich besser

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positioniert sein und sich im Hochstatus präsentiert. Nach und nach sollen die Spieler Gründe finden, die den Gründer in den Hochstatus versetzen, zum Beispiel weil er bessere Details präsentieren kann – notfalls aber gerne auch durch „Ersatzkriterien“ (z. B. mehr Spaß im Leben, mehr Freunde, mehr Erfolge im Sport). Variationen und Tipps • Um den jeweiligen Status zu fühlen und zu zeigen, hilft es, diesen körperlich und verbal auszudrücken. Hochstatus signalisiert man durch ein sicheres Auftreten, langsames Sprechen, festes Stehen und Gehen, Pausen etc. Tiefstatus äußert sich eher durch eine hohe Stimme, Hektik, zappelige Bewegungen, gebeugte Körperhaltung, Satzfragmente und absichernde Fragen, häufiges Entschuldigen. • Beobachten Sie genau, wie der Status langsam kippt. Wenn die Spieler offensichtlich nach Ideen suchen, wie dies vorangehen kann, sollten die Zuschauer helfen (z. B. „Dir fällt ein, dass dein neues Produkt durch die Qualitätsprüfung gefallen ist!“ oder „Erzähl ihm vom positiven Artikel auf Spiegel Online!“). • Es kann im Vorfeld vereinbart werden, wer mit dem Hochstatus beginnt. Alternativ kann sich das auch im Zusammenspiel erst ergeben. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Welche Stärken und Schwächen des Mitbewerbers konnte ich erkennen? • Gab es einen Moment, ab dem es nicht mehr authentisch oder plausibel war, dass der Status gekippt ist? Woran könnte das gelegen haben? • Wie war es für mich, einen höheren Status als der Mitbewerber zu haben bzw. im Status zu steigen? Wie war es, in den Tiefstatus zu gelangen? • Welche Parallelen gab es zu realen Situationen?

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6.36 Stimmübungen Zum Trainieren und Kennenlernen der eigenen Stimme und des Sprechapparats, aber auch zum Aufwärmen direkt vor dem Auftritt gibt es im Theater zahlreiche Übungen. Hier eine kleine Auswahl für Impropreneure. Beschreibung der Übung Allein oder in der Gruppe werden die Stimme und der Mund aufgewärmt. Ziele der Übung • Artikulation und Stimmeinsatz üben • Deutlicheres Reden • Aufwärmen Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 1 bis beliebig viele Teilnehmer • 3–5 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Es wird ein ruhiger Platz benötigt, an dem Sie ungestört sind. Die Teilnehmer stellen sich aufrecht hin und bringen den Körper durch leichtes (oder auch stärkeres) Schütteln in eine entspannte, aber gerade Haltung. Der Kiefer sollte noch einmal separat gelockert werden. Anschließend werden folgende Übungen in beliebiger Reihenfolge durchgeführt. 1. Mh-hm: Die Teilnehmer stellen sich vor, jemand erzähle ihnen etwas am Telefon und sie würden nur ab und zu akustische Rückmeldung darüber geben, dass sie noch zuhören: „Mh-hm!“ Dieses Mh-hm kann auch helfen, Ihre eigentliche Stimmlage zu finden. Besonders während eines Vortrags kann die richtige Stimmlage sehr dazu beitragen, eine gute Souveränität auszustrahlen.

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2. A-E-I-O-U: Die Teilnehmer intonieren die 5 Vokale jeweils langgezogen in gleichbleibender Tonlage: • • • • •

„Aaaaah“: Die Stimme ist im Magen und Brustkorb wahrnehmbar. „Eeeeeh“: Dies „reinigt“ die Stimme und hilft bei Heiserkeit. „Iiiiiiiiih“: Die Stimme ist im Kopf und in den Augen spürbar. „Uuuuh“: Dieser Ton aktiviert das Zwerchfell. „Oooooh“: Das Oh hat Einfluss auf das Herz.

Diese 5 Vokale sollen mehrmals hintereinander intoniert werden. Idealerweise sollte pro Atemzug ein Vokal erzeugt werden. 3. 1–10: Die Teilnehmer schreiben mit ihrer Zunge die Ziffern 1 bis 10 an die Innenseite ihrer Wangen, abwechselnd links und rechts. 4. Lippenflattern: Die Luft soll so durch die Lippen strömen, dass diese laut flattern. 5. Heiße Kartoffel: Die Teilnehmer stellen sich vor, sie hätten eine heiße Kartoffel im Mund. Diese sollen sie vorsichtig kauen und dabei Schmatz- und „Mjam“-Geräusche machen. Natürlich müssen sie dabei achtgeben, sich nicht den Mund zu verbrennen. 6. Gähnen: Die Teilnehmer sollen expressiv und lautstark gähnen. Der Entspannungseffekt verstärkt sich, wenn sie sich dabei auch strecken, wie kurz nach dem Aufstehen. Variationen und Tipps • All diese Übungen können fast jederzeit durchgeführt werden. Auch direkt vor einem Auftritt oder Meeting können sie als kurze Aufwärmsequenz genutzt werden. • Durch das stimmliche Aufwärmen können Sie Heiserkeit, eine ungenaue Artikulation oder Nuscheln verhindern. • Es ist sehr wichtig, auf die Stimmbänder zu achten. Grundsätzlich sollte der Rachen „offen“ sein, wenn die Übungen durchgeführt werden (ein bisschen wie beim Gähnen). Wenn Sie das Gefühl haben, heiser zu werden oder die Übungen sich seltsam anfühlen, kann ein Termin bei einem professionellen Stimmtrainer helfen.

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• Neben dem physischen Aufwärmen und Lockern sind diese Übungen auch hilfreich, um Nervosität zu bekämpfen. Manchmal ist es einfach wohltuend, wenige Minuten vor dem Auftritt ein festes Programm zu haben, das man abspulen kann. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Hat mir das Aufwärmen vor einem Vortrag geholfen? Was war anders? • Welche Aufwärmübungen haben mir am besten geholfen? Gab es Übungen, die mir unangenehm waren? Woran lag das? • Wie war der Eindruck der Zuschauer von meinem Vortrag? Haben sie einen Unterschied gemerkt?

6.37 Stummer Vortrag Der Einsatz von Körpersprache verändert unsere Wirkung nicht nur in Vorträgen, sondern in jedem Moment, in dem wir mit anderen zu tun haben. Zur Körpersprache gehören in der Regel alle Formen der Gestik, Mimik und der generellen Körperhaltung (z. B. Kopf, Arme, Füße etc.) sowie alle Körperbewegungen (z. B. Spiel mit den Händen, Blickkontakt und Distanzverhalten zum Gegenüber). Was passiert nun, wenn wir uns bei einem Vortrag komplett auf die Körpersprache, also die non-verbale Sprache, konzentrieren? Beschreibung der Übung Es werden Spontanvorträge zu vorgegebenen Themen nur mit dem Einsatz von Körpersprache gehalten. Die Zuhörer sollen im Idealfall am Ende erkennen, um welche Art des Vortrages es sich handelte. Ziele der Übung • Stärkung und Schulung der körpersprachlichen Fähigkeiten • Mehr Präsenz und Wirkung bei einem Vortrag • Zuhörer ohne Worte „fesseln“

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• Wirkung der non-verbalen Kommunikation erleben • Gezielterer Einsatz von Körpersprache in der Kommunikation und bei Vorträgen Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer • 20–30 min • Zettel mit Vorgaben Ablauf und Briefing Ein Teilnehmer übernimmt die Rolle des Vortragenden und erhält vom Übungsleiter einen Zettel mit seiner Vorgabe bzw. der Art seines Vortrages. Dies könnte z. B. sein: • Eine politische Wahlrede • Ein Liebesbrief • Eine Protestrede • Publikumsbeschimpfung • Eine Dankesrede • Verlesen von Nachrichten • Grabrede usw. Die Aufgabe des Vortragenden ist es, seinen Text den Zuhörern ohne Wort zu vermitteln, d. h. ausschließlich mit dem Einsatz von körpersprachlichen Elementen (Mimik, Gestik etc.). Hierfür hat er ca. 1–2 min Zeit. Seine Haltung und seine Emotionen entsprechen der Art der Rede, d. h. eine Dankesrede wird wesentlich euphorischer und mit mehr Körpereinsatz gehalten werden als z. B. das Verlesen von Nachrichten. In letzterem Beispiel würde explizit das Fehlen jeglicher Emotion und Bewegung ein Indiz für die Art des Vortrages sein. Nach Ablauf der Zeit sollen die Zuschauer erraten, um welche Art der Rede es sich gehandelt hat. Anschließend ist der nächste Teilnehmer an der Reihe.

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Variationen und Tipps • Es ist hilfreich, wenn man sich verschiedener Gefühlslagen bedient, um die Art der Rede klarzumachen. • Sie können sich auch eine bekannte Figur überlegen und diese als Vorbild nehmen (z. B. Klaus Kinski für Publikumsbeschimpfung). • Variation: Was passiert, wenn verschiedene Emotionen kombiniert werden, z. B. ein trauriger Liebesbrief, eine monotone Dankesrede? Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Konnte ich mich durch das Fehlen verbaler Sprache stärker auf meine Körpersprache konzentrieren? • Wie ging es mir damit, eher „körperlich“ mit dem Publikum zu kommunizieren statt mit Worten? • Wie fiel das Feedback der Zuschauer hinsichtlich meiner Körpersprachfähigkeit aus?

6.38 Supernova Im Alltag sind wir darauf konditioniert, uns fast ausschließlich auf die verbale Kommunikation zu konzentrieren. Dadurch verkümmert häufig unser körperliches Ausdrucksvermögen. Doch nur wenn wir uns unseres Körpers und unserer Bewegungen bewusst sind, können wir Körpersprache gezielt einsetzen, um überzeugender, selbstbewusster, vertrauenswürdiger und souveräner zu wirken und es letztendlich auch zu sein. Denn unsere körperliche Haltung beeinflusst auch unsere innere und geistige Einstellung. Beschreibung der Übung Imagination eines Energieballs, der sich durch den ganzen Körper ausbreitet, in den Raum hinein und darüber hinaus strahlt.

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Ziele der Übung • • • • •

Aufwärmübung für Körper und Geist Steigerung der Körperwahrnehmung Positive Ausstrahlung Wacher Geist Gute Übung um „im Moment“ anzukommen

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 1 bis beliebig viele Teilnehmer • Je nach individueller Geschwindigkeit (3–5 min) • Keine Requisiten notwendig Ablauf und Briefing Die Teilnehmer sollen sich in eine aufrechte Grundhaltung stellen und darauf achten, dass beide Füße guten Kontakt zum Boden haben. Nun sollen sie sich vorstellen, dass sich in ihrer Körpermitte (Höhe des Solar Plexus bzw. kurz oberhalb des Bauchnabels) ein Energieball befindet, der seine Wärme langsam auf den gesamten Körper ausstrahlt. Hierbei sollen die Teilnehmer mit der Wahrnehmung langsam und bewusst durch den gesamten Körper gehen und die Energie bis in die Kopfhaut und die Zehen- und Fingerspitzen fließen lassen sowie darüber hinaus. Sie sollen sich vorstellen, wie der Ball sich immer weiter ausdehnt, bis er nicht mehr in den Körper passt und sich darüber hinaus ausweitet. Der Energieball wächst immer weiter und weiter: in den Raum, auf die Straße, bis zum Horizont und hinaus bis ins unendliche Universum. Variationen und Tipps • Diese Übung funktioniert auch im Sitzen. • Variation: Der Energieball verbleibt in seiner ursprünglichen Größe und wandert durch den Körper von unten nach oben (öffnet den Geist) und/oder von oben nach unten (erdet).

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Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie leicht/schwer fiel es mir, mir den Energieball vorzustellen und mich auf ihn zu konzentrieren? • Wie groß wurde er? Setze ich mir und meiner Vorstellung vielleicht Grenzen (z. B. wenn der Ball nur innerhalb des Raumes bleibt)? • Konnte ich „im Moment“ bleiben oder kamen zu viele andere Gedanken auf?

6.39 Tausend Wahrheiten Gibt es für jede Frage immer nur eine mögliche „wahre“ Antwort? Oder können es auch unzählige mögliche Wahrheiten für eine Frage geben? Wenn wir uns vom Gedanken lösen, dass es immer nur eine ultimative Wahrheit gibt, hilft uns das dabei, den Blick auf Möglichkeiten und/ oder neuen Lösungen zu bewahren und uns nicht immer auf das „Altbekannte“ und scheinbar „Logische“ zu beschränken. Beschreibung der Übung Zu einer simplen Frage werden unzählige (mehr oder minder realistische) Antworten gefunden. Ziele der Übung • • • • • • •

„Think out of the Box“ Potenzial in scheinbar unsinnige Lösungen sehen Neue kreative Gedankengänge schaffen Gemeinsam auf neue Ideen und Lösungen kommen Akzeptieren von alternativen Wahrheiten Dinge aus einem neuen Blickwinkel betrachten Fähigkeit, innovative Ideen und Lösungen zu finden

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2–15 Teilnehmer

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• 20–30 min • Keine Requisiten notwendig Ablauf und Briefing Es wird eine einfache Frage gestellt, z. B. „Warum ist die Wand in diesem Raum weiß?“. Statt einer logischen Antwort (z. B. „Weil Weiß den Raum hell macht.“) werden viele verschiedene Antworten gefunden. Bei der Paarübung erfolgen die Antworten im gegenseitigen Wechsel, bei einer Gruppenübung liefert jeder eine mögliche Antwort. Die Antwort darf und soll originell, unlogisch und unwahrscheinlich sein (z. B. „Sie ist nicht weiß. Eigentlich ist sie bunt. Sie verwandelt sich nur in Weiß, wenn man hinguckt.“). Variationen und Tipps • Bei dieser Übung hilft die Vorübung „Assoziative Gedankenkette“ (Abschn. 6.3). • Keine Idee und kein Vorschlag sollte von der Gruppe negativ bewertet oder kommentiert werden. Jede Idee ist willkommen und bietet eine Assoziationsmöglichkeit für den nächsten Teilnehmer. • Variation: Die verschiedenen Antworten auf die Frage werden am Ende zu einer einzigen Antwort zusammengefasst. • Variation: Statt einer abstrakten Frage können auch konkrete Fragen gestellt werden, z. B. „Warum kauft keiner unser Produkt?“ Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie ging es mir damit, dass auf eine simple Frage „falsche“ Antworten genannt wurden? Hatte ich das Gefühl, bei der „einzigen Wahrheit“ bleiben zu müssen? • Fiel es mir leicht oder schwer, zu den Fragen eine alternative Lösung zu finden? • Konnte ich die Antworten meiner Kollegen als Grundlage bzw. Inspiration für meine eigene Antwort nutzen? • Waren manche der Antworten nur auf den ersten Blick unsinnig, stellten sich dann aber doch als interessant heraus?

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6.40 Vernissage Auch wenn man sich relativ sicher ist, dass alle Teammitglieder die gleiche Vorstellung von einer Sache haben, passiert es doch oft, dass das tatsächliche Bild, das jeder einzelne im Kopf hat, sich von dem der anderen unterscheidet. Um ein einheitliches Verständnis zu schaffen und um jedem „Bild“ eine Plattform zu bieten, hilft es, dieses – gleich einer Ausstellung – visuell darzustellen. Beschreibung der Übung Mithilfe der Teammitglieder wird das imaginäre Bild einer Situation, welches man zu einem Thema im Kopf hat, in ein reales Bild umgeformt, sodass jeder im Team die gleiche Impression erhält. Ziele der Übung • • • •

Eigene Ideen und Vorstellungen mitteilen Erkennen von Möglichkeiten und Potenzialen Frühzeitiges Erkennen von Fehleinschätzungen Berührungsängste im Team reduzieren

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 4–14 Teilnehmer • 5–10 min (je nach Teilnehmeranzahl) • Keine Requisiten notwendig Ablauf und Briefing Zu einem bestimmten Thema darf jeder Teilnehmer sein Bild mithilfe der anderen Teilnehmer darstellen. Hierfür bittet der Konstrukteur die anderen Figuren, sich in bestimmte Rollen oder Haltungen zu begeben, ohne dabei ihre eigenen Vorstellungen einzubringen. Sie fungieren lediglich als Darstellungsinstrumente. Wenn alle Figuren für das erste Bild positioniert wurden, dürfen sie sich – aus ihrer jeweiligen Haltung heraus – das Gesamtbild ansehen. Anschließend ist der nächste Teilnehmer an

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der Reihe, sein Bild zum gleichen Thema zu konstruieren, bis am Ende alle ihr Bild und ihre Vorstellung dargestellt haben. Beispiel: Thema „Messeauftritt“ Spieler A positioniert die Kollegen wie folgt: • • • •

B sitzt entspannt an einem Besprechungstisch. C steht hinter ihm und mimt eine Präsentationswand. D steht vorne links und stellt ein Roll-up dar. E spielt einen Messebesucher.

Die Figuren sind wie Statuen und bewegen sich nicht. Wenn Spieler A mit der Aufstellung zufrieden ist, gibt er ein Signal an seine Teamkollegen (z. B. „Das Bild ist nun fertig“). Nach einer kurzen Kenntnisnahme der anderen wird der nächste Spieler ausgewählt. Sein Bild könnte nun ganz anders aussehen: • A steht wie ein Moderator mit offener Geste und strahlendem Gesicht vorne. • C mimt einen Fotografen, der ihn gerade ins Visier nimmt. • D stellt einen Reporter dar, der A gerade ein Mikro hinhält. • E spielt den neidischen Konkurrenten. Wichtig ist, dass jeder seine Vorstellung ohne Diskussion und Rechtfertigung darstellen darf. Nur so ist gewährleistet, dass das Bild ohne Angst vor Bewertung entstehen kann. Wenn alle Teilnehmer ihr Bild zu einem Thema aufgestellt haben, kann ein weiteres Thema angegangen werden. Beispiele: Präsentation eines neuen Produktes, Verständnis von Erfolg, Teamzusammenhalt, Außenwirkung, Wettbewerber … etc. Variationen und Tipps • Diese Form der Darstellung hilft besonders zurückhaltenden Teammitgliedern dabei, ihre Vorstellung den anderen Teammitgliedern ohne Angst vor Bewertung und Verbesserung mitzuteilen.

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• Die Teamkollegen dürfen in der Aufstellung menschliche Figuren und auch Gegenstände repräsentieren. • Wenn alle Figuren gestellt sind, können diese auch aus ihrer Haltung und Funktion heraus einen Satz sagen. Dies kann der Konstrukteur einfordern, indem er ihnen z. B. eine Hand auf die Schulter legt. Beispiel aus dem zweiten Bild: – A steht wie ein Moderator mit offener Geste und strahlendem Gesicht vorne: „Ich fühle mich eigentlich total unwohl, wenn alle auf mich schauen.“ – C mimt einen Fotografen, der ihn gerade ins Visier nimmt: „Das Foto veröffentliche ich auf alle sozialen Medien, das wird ein Erfolg.“ – D stellt einen Reporter dar, der A gerade ein Mikro hinhält: „Hoffentlich dauert das Interview nicht so lange, ich habe Hunger.“ – E spielt den neidischen Konkurrenten: „Ich glaub heute Abend geh ich rüber und mach den Stand kaputt.“ • Der Abgleich der verschiedenen Bilder untereinander kann dabei helfen, Missverständnisse schon im Vorfeld zu vermeiden, und dazu führen, dass das Team an einer gemeinsamen Zielsetzung arbeitet. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie war es für mich, dass jetzt alle mein Bild sehen? • Haben sich einige Bilder und Vorstellungen überschnitten? • Gab es in den Bildern der anderen etwas, was mich überrascht hat? Oder mich sogar auf eine neue Idee/ein mögliches Hindernis gebracht hat? • Haben alle aus dem Team gleich gut mitgemacht oder gab es Teammitglieder, die diskutiert haben und ihre eigene Meinung durchsetzen wollten? • Welche Erkenntnisse konnten wir als Team aus den unterschiedlichen Sichtweisen ziehen?

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6.41 What’s your name?/Improvisiertes Interview Im Rampenlicht kann es schwer sein, sein Potenzial abzurufen. Obwohl man sich in seinem Thema bestens auskennt, ist man blockiert oder gehemmt. Dabei ist alles da. Man müsste nur in der Lage sein, auch unter Stress darauf zuzugreifen, denn das Gehirn arbeitet ununterbrochen, unter Druck nur leider manchmal in die falsche Richtung. Dass es dennoch gelingt, ohne jegliche Vorbereitung etwas Stimmiges, Interessantes und oft auch Lustiges zu produzieren, soll mit dieser Übung gezeigt und geübt werden. Beschreibung der Übung Vorstellung eines spontan erfundenen Charakters durch die schnelle Antwort auf detaillierte Fragen. Ziele der Übung • Vertrauen in das eigene Kreativitätspotenzial • Erfahren, dass man auch im Rampenlicht „funktionieren“ und ohne Vorbereitung glänzen kann • Dem ersten Gedanken vertrauen und erleben, wie viel das Gehirn spontan produzieren kann • Flow-Erlebnis vor Zuschauern Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer • 5–10 min pro Person • Keine Requisiten notwendig Ablauf und Briefing Eine Person steht auf der Bühne oder vor der Gruppe. Sie erhält einen (fiktiven) Namen und einen Beruf, z. B. „Karin“ und „Dachdeckerin“. Sie stellt sich kurz mit Namen und Beruf vor. Anschließend kann die Gruppe Fragen zu ihr als Person stellen. Erlaubt ist alles,

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was ­ wertschätzend bleibt, also z. B. „Wie alt bist du?“, „Wo bist du geboren?“, „Hast du einen Partner?“, „Was wolltest du als Kind immer werden?“, „Welche Hobbies hast du?“ oder „Magst du deine Geschwister?“ etc. Es können zu den gegebenen Antworten auch gerne weitere Detailfragen gestellt werden. Variationen und Tipps • Die Übung kann auch nur von 2 Personen durchgeführt werden. • Die Person, die sich vorstellt, kann, solange keine weiteren Fragen kommen, auch beliebig viele Details erfinden. Wie ausführlich sie auf die gestellten Fragen antwortet, bleibt ihr überlassen. • Wenn das Interview zu Ende ist, darf dies gerne mit Applaus belohnt werden. • Diese Übung können Sie gut verwenden, um Ihre Zielgruppe zu ergründen oder eine Persona zu erstellen. Dazu kann anstelle des Berufs z. B. Alter und Hobby vorgegeben werden – je nachdem, was zur Zielgruppe passt. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Fiel es mir leicht, mir vor Publikum einen Charakter und viele Details dazu auszudenken? • Bei welchen Fragen/Themen war es besonders schwierig? • Warum war manches schwerer bzw. leichter? • Was hat das Fehlen einer Vorbereitung mit mir gemacht?

6.42 Worst Day/Best Day Wenn wir ein Unternehmen gründen, wissen wir meist noch nicht, wie erfolgreich wir sein werden. Da kann es helfen, im Vorfeld die möglichen Extremszenarien durchzuspielen: Was kann schlimmstenfalls, was bestenfalls passieren?

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Beschreibung der Übung Das Gründerteam improvisiert 2 kurze Szenen: eine zum denkbar schlimmsten Tag und anschließend eine zum denkbar besten Tag. Ziele der Übung • • • •

Ausblick auf mögliche Szenarien erhalten Ein Gefühl für die Zukunft bekommen Befürchtungen und Ängste vorwegnehmen Positive Grundhaltung schaffen

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2–6 Teilnehmer • 10 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Die Teilnehmer spielen den schlimmsten Tag, der in der nahen Zukunft (ca. 6 Monate bis 2 Jahre) auf sie zukommen kann. Hierbei sollen sie versuchen, das Ganze realistisch zu halten (die Wahrscheinlichkeit, dass z. B. ein Ufo ein Teammitglied mit all seinem Wissen entführt, ist tatsächlich verschwindend gering). Dennoch sollen die Teilnehmer all ihre Befürchtungen einfließen lassen, also z. B. Insolvenz, Überschuldung, Rechtsprobleme, Familienkrisen, plötzliche Todesfälle etc. Anschließend wird der beste Tag in der nahen Zukunft gespielt. Was könnte ein besonders gutes (und noch halbwegs realistisches) Szenario sein? Was ist z. B. mit einem 7-stelligen Jahresumsatz? Wäre das realistisch? Verkauft man vielleicht sogar am Ende das eigene Unternehmen für viel Geld? Erhält man eine Branchenauszeichnung für besondere Leistungen (z. B. im Bereich Innovation, Nachhaltigkeit oder Arbeitskultur)?

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Variationen und Tipps • Am besten ist es, realistisch zu bleiben. So, dass das, was gespielt wird, tatsächlich so oder so ähnlich passieren könnte. Dennoch sollten die Ideen kreativ sein. • Wenn verschiedene realistische Abstufungen der Zukunft gespielt werden sollen, ist es hilfreich, sich vorher die Übung „Zukunftsszenario“ (Abschn. 6.49) anzusehen. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie war es für mich, mir meine mögliche Zukunft in extremen Ausprägungen auszumalen? • Welche der Varianten halte ich für realistischer? • Was kann ich tun, um die Wahrscheinlichkeit für den besten Tag zu erhöhen? • Welche Faktoren liegen außerhalb meiner Kontrolle?

6.43 Worst-Case-Szenario Dieses Spiel ist eher für Teams geeignet, die im Improtheater schon fortgeschrittener sind. Mit dieser Übung soll die zukünftige Entwicklung des Unternehmens ausgestaltet werden und zwar so schlimm wie möglich. Das Unternehmen geht pleite? Das wäre viel zu banal. Wie wäre es mit Gefängnis, Drogensucht, Schmach und Schande? Oder die Geschäftsidee wird von Aliens geklaut, man selbst wird an den Mars gekettet und muss in Dauerschleife Schlager hören? Hier sollen und dürfen Sie sich die übertriebensten Szenarien (im Unterschied zur Worst Day/Best Day-Übung (Abschn. 6.42)) ausdenken. Beschreibung der Übung Es soll versucht werden, die Zukunft des Unternehmens so schlimm wie möglich darzustellen, um anschließend doch noch eine Lösung zu finden. Es darf absurd werden, denn in erster Linie geht es darum, ein Gespür dafür zu bekommen, was eigentlich wirklich passieren kann und

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vor allem: was nicht. Und je extremer das Problem, desto kreativer wird meist auch die Lösung. Der Trost: Die meisten Probleme, denen man in der Realität begegnet, sind gar nicht so schlimm. Ziele der Übung • Spielerischer Umgang mit unternehmerischen Risiken • Gespür dafür bekommen, welche der eigenen Ängste real sind • Austausch im Team, welchen Risiken und Schwächen man begegnen kann und muss Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer • 10 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Es wird kurz besprochen, wo das Team derzeit steht und was in den nächsten Monaten auf das Unternehmen zukommt. Dies soll einen Überblick über die kommenden Meilensteine und Hürden schaffen. Dann wird frei improvisiert. Es können beispielsweise Szenen aus dem gemeinsamen Büro oder bestimmte Kundenkontaktsituationen gespielt werden. Hierbei soll versucht werden, dass alles, was passiert, immer mehr verschlimmert wird. Wenn das Problem seinen dramatischsten Höhepunkt erreicht hat, geht es an die Lösungsfindung. Diese muss selbstverständlich nicht realistisch und plausibel sein. Wenn z. B. in einer Szene ein Kunde einen Arm verliert, weil er das von Ihnen hergestellte Gerät berührt, wird als Lösung eine Technik erfunden, mit der der Arm wieder angenäht werden kann. Anschließend geht es in die Diskussion: Welche der Bedrohungen könnten so oder so ähnlich tatsächlich eintreten und welche nicht? Bei den Risiken, die eintreten könnten: Braucht es eine Strategie, wie damit umgegangen wird? Wie könnte diese aussehen?

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Variationen und Tipps • Dieses Spiel ist in zwei Phasen unterteilt. In der ersten Phase soll es wirklich verrückt zugehen. Wichtig ist hierbei, dass die Einfälle der anderen nicht beurteilt, sondern angenommen werden. Erst im Anschluss darf darüber diskutiert werden, was besonders absurd, lustig oder abwegig war. • Wenn es den Spielern schwerfällt, sich immer größere Hürden einfallen zu lassen, kann dies auch ein Moderator/Trainer übernehmen. Dieser kann regelmäßig neue Herausforderungen in das Spielerteam hineinrufen. • Variation: Es kann aus der Übung auch ein Replay gemacht werden. Dazu wird die ursprüngliche Szene noch einmal gespielt, diesmal geschehen die (eigentlich schlimmen) Dinge jedoch so, dass sie von vornherein gut sind. Beispielsweise fällt dem Kunden der Arm ab und er ist unendlich dankbar, weil der Arm ihn schon lange genervt hatte. • Dieses Spiel ist eine gute Vorbereitung für die etwas ruhigere und faktenbezogene Variante, „Zukunftsszenario“ (Abschn. 6.49). • Wenn ein realistischeres Worst-Case-Szenario gewünscht ist, kann die Übung „Worst Day/Best Day“ (Abschn. 6.42) gespielt werden. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie war diese Übung für mich? Fiel es mir schwer, mich auf die absurden Ideen einzulassen? Oder hatte ich Spaß daran?

6.44 Wort für Wort Sowohl im Improtheater als auch im Geschäftsleben müssen wir kontinuierlich in der Lage sein, auf unvorhergesehene und sich verändernde Pläne zu reagieren. Dies erfordert Flexibilität und Offenheit. Darüber hinaus sollten Sie aber auch in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen und Wege zu gehen, auch wenn Sie im Moment noch nicht genau wissen, wohin das Ganze führt. Dies kann bedrohlich anmuten, birgt aber auch großes Potenzial.

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Beschreibung der Übung Zwei oder mehr Spieler erzählen gemeinsam eine Geschichte, und zwar Wort für Wort. Dabei sagt jeder Spieler immer nur ein Wort. Als Ergebnis sollen dabei „echte“ Sätze entstehen. Ziele der Übung • • • •

Souveränität auf der Bühne ausstrahlen Pausen aushalten und einsetzen lernen Kontakt zum Publikum Dynamik zwischen Präsentator und Publikum schaffen

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer • 5 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Zwei Spieler stehen sich gegenüber bzw. mehrere Spieler stehen im Kreis. Nun wird eine gemeinsame Geschichte erzählt. Dabei sagt jeder, der an der Reihe ist, nur ein Wort, dennoch sollen „echte“ Sätze entstehen, z.B.: „Anna-hatte-heute-keine-Lust-auf-Mathe-Sie-beschlosslieber-ans-Tauchen-zu-denken“. Die Sätze werden nicht immer sofort Sinn ergeben, es wird sich aber dennoch eine mehr oder weniger verständliche Geschichte entwickeln. Nach ein paar Minuten kann die Übung beendet und ggf. noch eine weitere Geschichte erzählt werden. Variationen und Tipps • Bei mehreren Teilnehmern können kleinere Kreise gebildet werden. • Das erste Wort, das einem einfällt, ist in der Regel auch das richtige. Von daher darf gerne dem ersten Impuls gefolgt werden. • Einem Wort sollte nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden, denn oft reicht auch nur ein „die“ oder „und“, was auch okay ist.

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• Es wird häufig so sein, dass Sie einen bestimmten Fortgang der Geschichte im Kopf haben, dieser aber durch die Entwicklung immer wieder konterkariert wird. Hier ist es wichtig, loszulassen und sich über die neue Version der Geschichte zu freuen. • Es steht jedem frei, einen Satz an einer passenden Stelle zu beenden oder fortzuführen – wie es besser passt. Satzzeichen werden gedacht. • Auch für das Teambuilding ist diese Übung gut geeignet. Sie kannfast überall, also im Auto, im Besprechungsraum oder am Schreibtischohne viel Aufwand gespielt werden und lockert sofort auf. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie fühlt es sich an, gemeinsam eine Geschichte zu entwickeln, zu dieser aber immer nur wortweise etwas beitragen zu können? • Wie leicht ist es mir gefallen, mich auf unerwartete Wendungen in der Geschichte einzulassen? • Die Übung ist auch eine tolle Kommunikationsübung. Man muss gut zuhören und das Gehörte sinnvoll weiterführen. Was kann ich daraus in meine nächsten Gespräche mitnehmen?

6.45 Zeitlupe In dieser Übung verlangsamen wir die gewohnten Bewegungsabläufe und führen sie dadurch bewusst aus. Denn das bewusste Wahrnehmen und auch Ausführen einer Tätigkeit – vor allem in Zeitlupe – führt dazu, dass wir bisher unbewusst ausgeübte Abläufe und Muster erkennen und dadurch auch verändern können. Wir können feststellen, dass jede noch so kleine Handlung eine Vielzahl an Muskeln benötigt und das bewusste Verhindern des „Automatismus“ unsere volle Aufmerksamkeit erfordert. Dies führt dazu, dass wir fokussierter sind. Auch können wir durch das bewusste Eingreifen und Verändern eines Ablaufes eine Veränderung nach außen bewirken und aus bisherigen Bewegungs- und Gewohnheitsschleifen (= Routine) ausbrechen.

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Beschreibung der Übung Die Teilnehmer führen eine alltägliche Handlung und Bewegung bewusst und in Zeitlupe aus, d. h. die Handlung bzw. Bewegung wird in eine Schritt-für-Schritt-Abfolge heruntergebrochen und ausgeführt. Hierbei wird der Fokus auf das bewusste Bewegen und die Muskelanspannung gelegt. Ziele der Übung • Sinne schärfen • Stärkung des Gleichgewichtsinns und der einzelnen Muskelpartien • Seinen Körper ausdrucksfähiger machen • Gute Übung, um präsent zu sein • Aus der „Bewegungsroutine“ ausbrechen • Konzentration • Bewusstsein für die eigenen Kräfte und Fähigkeiten Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 1 bis beliebig viele Teilnehmer • 15–20 min • Keine Requisiten notwendig Ablauf und Briefing Die Teilnehmer stehen oder sitzen. Jeder Teilnehmer führt eine Handlung seiner Wahl (oder nach Vorgabe) bewusst und in Zeitlupe aus, z. B. „gehen“. Hierbei läuft der Teilnehmer von einer Ecke des Raums zur anderen Seite und achtet darauf, seine Balance Zentimeter um Zentimeter zu verlagern und das Gleichgewicht immer neu zu finden. Das Gewicht wird zunächst auf einen Fuß gebracht und der andere Fuß in Zeitlupe vorgezogen und erst abgelegt, wenn der belastete Fuß seine Bewegung (meist liegt das Gewicht zu dem Zeitpunkt bereits auf den Zehen) abgeschlossen hat. Die Bewegung soll so exakt wie möglich dem natürlichen Ablauf folgen. Von daher dürfen bei der Ausübung einer Bewegung nicht die anderen Körperpartien vergessen werden, die ebenfalls am Ablauf beteiligt sind (z. B. Arme). Und natürlich darf man nicht vergessen, entspannt zu atmen.

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Bei dieser Übung müssen die Handlung oder die Bewegung nicht kompliziert sein, denn es geht um die Schaffung von Bewusstheit. Wichtig ist, dass es eine alltägliche Handlung ist wie laufen, trinken, Haare kämmen, sich hinsetzen … etc. Variationen und Tipps • Bei dieser Übung hilft es, wenn ein Außenstehender einen an die einzelnen Elemente erinnert („Denk an den kleinen Zeh. Er sollte auch den Boden berühren.“). • Manchmal hilft es, sich vorzustellen, man würde mit einer erhöhten Erdanziehung kämpfen. • Variation: Bei mehreren Personen kann ein Zeitlupen-Wettlauf stattfinden. Es gewinnt natürlich der Langsamste. • Variation: Man kann sich vorstellen, der ganze Raum wäre voller Gelee, durch den man sich kämpfen muss. Hier ist ganzer Körpereinsatz (inkl. Mimik) gefragt. Achtung: Die Übung kann mitunter sehr schweißtreibend sein! Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie leicht/schwer ist es mir gefallen, bisherige Bewegungs- oder Handlungsschleifen zu durchbrechen? • Konnte ich die langsame Geschwindigkeit aushalten oder bin ich automatisch immer schneller geworden? • Welche Muskeln konnte ich bewusst wahrnehmen? • Wie fühlte sich eine alltägliche Handlung an, wenn ich diese nicht mehr „reibungslos“, sondern kontrolliert ausführe? Gelang sie mir fehlerfrei oder vergaß ich einzelne Schritte, die ich normalerweise automatisch ausübte? • Fühle ich mich nach der Übung anders? Ist der Körper und Geist wacher? Bin ich mir meiner selbst bewusster (habe ich also mehr Selbst-Bewusst-sein)?

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6.46 Zeitlupen-Emotionsaufbau Wenn wir in einen bestimmten Gefühlszustand kommen, fällt uns selbst manchmal gar nicht auf, wie genau sich dieser körperlich bei uns auswirkt und welche unterschiedlichen Merkmale letztendlich zur finalen Emotion geführt haben. Wenn wir die einzelnen Schritte, die zu einem bestimmten Gefühlszustand gehören, in Zeitlupe ausführen, erhalten wir ein klareres Bild und können uns selbst in eine bestimmte Emotion bringen. Beschreibung der Übung Die Teilnehmer stellen bestimmte Emotionen auf körperlicher Ebene in einer Schritt-für-Schritt-Abfolge dar. Ziele der Übung • Konzentration • Stärkung der Ausdruckskraft • Bewusstwerden des eigenen Emotionspotenzials • Erkennen von bisherigen Mustern Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 1 bis beliebig viele Teilnehmer • 10–15 min • Keine Requisiten notwendig Ablauf und Briefing Der Teilnehmer steht oder sitzt und erhält aus dem Publikum eine Emotion, die er Schritt für Schritt darstellt. Diese Emotion kann sein: • Freude • Wut • Trauer etc. Der Teilnehmer beginnt, die Emotion in kleinen Stufen zu steigern, sodass sie immer mehr erkennbar wird. Beispiel: Freude

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1. Schritt: Mimik Die Augen werden größer – die Augenbrauen heben sich – die Mundwinkel heben sich – die Nasenflügel beginnen zu beben – der Mund öffnet sich zu einem Lächeln – die Nase kräuselt sich … das Lächeln wird immer breiter … etc. 2. Schritt (bzw. parallel): restlicher Körper Die Arme heben sich – der Brustkorb hebt sich – Wippen mit den Füßen – man „wächst“ – Freudensprünge und -gesten in Zeitlupe. Variationen und Tipps • In alten Stummfilmen sind Emotionen häufig allein über die Mimik gut erkennbar. Diese Merkmale können dabei helfen, die eigene Emotion besser sichtbar zu machen. • Die Übung kann auch im Dialog oder als gemeinsame Handlung mit einem Teamkollegen ausgeübt werden (z. B. gemeinsames Kochen, gemeinsames Handwerken etc.). Hierbei kann in einer Art „Slow Motion“ auch die Sprache verlangsamt werden. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie leicht/schwer ist es mir gefallen, die Emotionen darzustellen? • Wie war es, die Entwicklung der Emotionen bei anderen zu beobachten? • Habe ich Muskeln verwendet, die mir vorher gar nicht bewusst waren? • Hat sich die körperliche Darstellung der Emotion auch auf meine Gefühlsebene ausgewirkt? Habe ich die „gespielte“ Emotion als „real“ empfunden?

6.47 Zeitsprünge Manchmal verzetteln wir uns so sehr in Details, dass wir den Blick auf das große Ganze verlieren. Dann kann es helfen, Zeitsprünge einzubauen und damit abwechselnd in die Vergangenheit und/oder in die

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Zukunft zu blicken. Rückblickend erkennt man vielleicht, dass man bereits eine Menge erreicht hat, und der Ausblick in die Zukunft kann als eine Art Vision genutzt werden. Dies hilft unter Umständen sogar dabei, das gemeinsame Ziel des Teams anzupassen bzw. miteinander zu synchronisieren. Beschreibung der Übung Gemeinsam wird eine Geschichte erzählt oder gespielt. Ein Teilnehmer nimmt als „Moderator“ die Zuschauerrolle ein und greift bei Bedarf in das Geschehen ein, um die Zeitsprünge anzuleiten. Ziele der Übung • • • • •

Blickweise ändern Bisherige Erfolge erkennen Gemeinsame Zukunftsvision entwickeln Handlungsmöglichkeiten für das Hier und Jetzt entdecken Wechsel von Fokus und Weitblick

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • • • •

2–5 Teilnehmer 1 Moderator 15–20 min Keine Requisiten

Ablauf und Briefing Die Spieler erzählen bzw. spielen eine beliebige Geschichte z. B. aus ihrem aktuellen Projekt nach. Für den Moderator ist es hilfreich, wenn die Spieler dabei den klassischen Szenenaufbau nutzen, d. h. Spieler 1 etabliert den Ort durch pantomimisches Darstellen (z. B. im Büro am Laptop sitzen und tippen) und Spieler 2 definiert die Beziehung der beiden untereinander (z. B. Kollegen, Partner, Kunde/Unternehmer). Es können auch weitere Spieler als Figuren auftauchen. An einem bestimmten Punkt der Handlung stoppt der Moderator die Spieler und leitet einen Zeitsprung ein, z. B. „Stopp! 5 Jahre vorher“

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oder „Stopp! 1 Jahr später“. Nun können die Figuren sich verändern und einen Blick in die Vergangenheit werfen oder sich eine mögliche Zukunftsversion ausdenken. Wenn diese Zwischensequenz gespielt wurde, holt der Moderator die Spieler wieder ins Hier und Jetzt mit „Stopp! Wieder zurück“. Der Blick in die Vergangenheit bzw. Zukunft kann nun Einfluss auf die Sichtweise des Hier und Jetzt nehmen und mögliche Handlungsoptionen eröffnen. Variationen und Tipps • Die Zeitsprünge können beliebig oft durchgeführt werden. • Die Zeitfenster sind frei wählbar, d. h. der Sprung in die Vergangenheit oder Zukunft kann in unterschiedlichen Einheiten durchgeführt werden (30 s, 5 min, 3 Monate, 1 Jahr, 5 Jahre, 15 Jahre, 40 Jahre …) • Variation: Statt der Zeitsprünge können auch Raumsprünge gespielt werden, d. h. die Szene wird durch den Wechsel an einen anderen Ort (z. B. mit anderen Spielern) unterbrochen, z. B. „Stopp! Zur gleichen Zeit in der Produktion“. Nachdem diese Szene gespielt wurde, geht es wieder zurück mit „Stopp! Wieder zurück“. Auch dieses Zwischenspiel kann dabei helfen, den Blick für das große Ganze zurückzubekommen und bestimmte Prozesse und Teams und deren Einfluss auf die Handlung nicht zu vergessen. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Haben die Zeitsprünge dabei geholfen, den Blick auf das große Ganze zu richten? • Welche Zeitabstände haben am besten funktioniert? • Was ist mir leichter gefallen: der Blick in die Vergangenheit oder in die Zukunft? • Hatten alle Spieler die gleiche Zukunftsversion? • Sind evtl. bisher noch nicht berücksichtigte Faktoren bei den Zeit-/ bzw. Raumsprüngen aufgetaucht?

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6.48 Zettelbombardement Einen Vortrag vor Publikum zu halten kann mitunter ziemlich beängstigend sein. Besonders dann, wenn seitens der Zuschauer verbale Einwürfe gemacht werden. Das kann uns als Vortragende ziemlich aus dem Konzept bringen. Selbst in einem normalen Gespräch, wo Unterbrechungen noch häufiger passieren, verlieren wir leicht den Faden oder sind irritiert. Wie schaffen wir es dennoch, unsere Geschichte weiterzuerzählen? Im Idealfall so, dass der Einwurf sogar sinnvoll eingebaut wird? Genau das soll mit der folgenden Übung trainiert werden. Beschreibung der Übung Ein Teilnehmer hält einen Vortrag zu einem Thema seiner Wahl, z. B. über die Gründungsstory oder einen Elevator Pitch. Er wird von außen immer wieder durch die Überreichung von Zetteln abgelenkt, deren Inhalt er dann sinnvoll in die Geschichte einbaut, ohne seinen Redefluss zu unterbrechen. Diese Übung ähnelt der Übung „Spitfire“ (Abschn. 6.32), ist jedoch aufgrund des Einwurfs in Form von Zetteln etwas einfacher und hilft dabei, eher bei sich und der Story zu bleiben. Ziele der Übung • • • • •

Vertrauen in die eigenen Ideen und Fähigkeiten Fähigkeit, sich nicht ablenken zu lassen Schlagfertiger auf Fragen reagieren Angst vor einer Rede/einem Vortrag verlieren Im Moment sein und Geschichten erzählen können

Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 1 bis beliebig viele Teilnehmer • 10–15 min • Zettel, Stift

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Ablauf und Briefing Vor dem Spiel werden verschiedene Begriffe aus den unterschiedlichsten Bereichen auf kleine Zettel geschrieben, z. B. Großmutter, Apfel, Schule etc. Ein Teilnehmer beginnt mit seinem Vortrag und bekommt nun von seinen Kollegen immer wieder Zettel mit Begriffen gereicht, die er sich ansieht und sinnvoll in die Geschichte einbaut, ohne seinen Erzählfluss zu unterbrechen. Beispiel „Es ist wirklich sehr spannend, wie ich zu meiner Geschäftsidee kam. Schon im Studium hab ich meine Begeisterung für das Programmieren entdeckt …“ (bekommt einen Zettel, auf dem Großmutter steht) „… und natürlich hab ich auch privat viel mit Computern zu tun gehabt. Einmal hab ich meiner Großmutter erklärt, wie die Technik funktioniert und da hab ich gemerkt, wie viel Spaß mir das macht …“ (bekommt einen weiteren Zettel, auf dem Biene steht) „…und so hab ich ganz viel gelernt, obwohl ich sonst kein so ein fleißiges Bienchen bin …“ (bekommt einen weiteren Zettel, auf dem Dominostein steht) „…Natürlich gab es viele Menschen in meinem Umfeld, die mir davon abgeraten haben, den Weg zu gehen, weil sie dachten, dass ich wie ein Dominostein umfallen und alle mit ins Verderben stürzen würde …“ etc. Der Teilnehmer kann entweder nach Verwendung aller Zettel den Vortrag beenden oder auch vorher einen schlüssigen Abschluss finden. Die Zettel können für einen weiteren Vortrag erneut verwendet werden oder es können neue Begriffe aufgeschrieben werden.

Variationen und Tipps • Mit etwas Übung ist es möglich, jeden Begriff in eine Beziehung mit sich selbst oder seinem Thema zu bringen. • Die Begriffe dürfen auch im weiteren Sinne verwendet werden. Beispiel: Vorgabe „Rad“ – Verwendung „Ich fühlte mich wie in einem Hamsterrad“. • Variante: Die Begriffe dürfen erst im nächsten Satz verwendet werden. Meist ist es leichter, wenn der vorherige Satz erst beendet wird und erst dann mit dem Begriff ein neuer Satz eröffnet wird.

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• Variante: Die Begriffe müssen innerhalb des bestehenden Satzes sofort in diesen eingebaut werden. Dies erhöht die Schwierigkeit signifikant. • Variante: Die Begriffe werden nicht auf Zettel geschrieben und dem Vortragenden gereicht, sondern dem Vortragenden während des ­Vortrags zugerufen (ähnlich Spitfire, Abschn. 6.32). • Variante: Links und rechts vom Vortragenden stehen zwei Personen, die ihm abwechselnd Begriffe zurufen, welche er so schnell wie möglich in seinen Vortrag einbauen muss. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie ging es mir damit, eine Rede unter solch erschwerten Bedingungen zu halten? • Fiel es mir leicht oder schwer, die Begriffe in die Story einzubauen? • Habe ich für mich eine Technik gefunden, wie ich fokussiert und dennoch „offen für die Einwürfe“ bleibe? • Gab es Begriffe, die mir besonders schwerfielen? Weshalb?

6.49 Zukunftsszenario Ein Unternehmen zu gründen heißt, auf die Zukunft zu wetten. Da man der Meinung ist, dass ein bestimmter positiver Ausgang möglich ist, ist man bereit, Zeit, Geld und Mühe zu investieren. Die Improvisation kann helfen, sich dem gedanklich zu nähern, was in den nächsten Jahren auf einen zukommen wird. Letztlich liegen darin die eigene Vision und Mission verborgen. Beschreibung der Übung Wenn wir ein Unternehmen konzipieren, beschäftigen wir uns mit zahlreichen Zukunftsfragen: Was wird der Markt uns abfordern? Was werden die Kunden denken? Wie hoch wird mein Umsatz sein? Wie viel werde ich arbeiten? Wann werde ich den ersten Mitarbeiter einstellen können?

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Mithilfe eines Zukunftsszenarios wird es leichter, Antworten zu finden. Im Gegensatz zum „Worst-Case-Szenario“ geht es hier um einen möglichst realistischen Ausblick in Szenenform, der aber Wünsche und Hoffnungen nicht außer Acht lässt. Ziele der Übung • Untersuchen der Vision und der Mission • Klarheit über mögliche Entwicklungen und Zukunftsfragen • Bearbeiten von Aufgabe und Fragestellungen, die in den kommenden Jahren auf das Unternehmen zukommen (können) • Vorbereitung einzelner Elemente eines Businessplans (u. a. für die Vision, für die Umsatzplanung oder für den Exit von Investoren) Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 1–5 Teilnehmer • 30 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Es sollen folgende Szenen gespielt werden: 1. Das Team und das Unternehmen in 1 Jahr. 2. Das Team und das Unternehmen in 5 Jahren. 3. Das Team und das Unternehmen in 10 Jahren. 4. Der Tag, an dem das Unternehmen geschlossen wird. Was genau gespielt wird, ist der Intuition und Kreativität der Spieler überlassen. Es ist erlaubt, Szenen zu wiederholen bzw. für einen der Zeitabschnitte (z. B. Team und Unternehmen in 5 Jahren) noch weitere Szenen zu spielen. Diese vier kurzen Szenen können gefilmt werden. Die Entwicklung der Szenarien kann dabei helfen, sich auf die Suche nach der Vision und

6 Übungsfundus     219

Mission zu begeben. Im Sinne der Effectuation (siehe Abschn. 3.3.1) müssen diese gar nicht für immer festgeschrieben werden. Aber es hilft zu erkennen, wo man heute steht und wo man, nach aktueller Sachlage, hin möchte. Wenn man zu einem späteren Zeitpunkt den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht und einfach nicht mehr weiß, warum man das alles tut, ist dies ein guter Zeitpunkt, sich diese „alten“ Videos noch einmal anzusehen. Entweder erinnert man sich dadurch wieder an den Esprit von „damals“. Oder man erkennt, was sich geändert hat und wo man neu ansetzen muss. In beiden Fällen erhält man äußerst wertvolle Erkenntnisse. Variationen und Tipps • Die Zukunft kann beliebig häufig ausgestaltet werden. Wenn Sie nach einer Szene das Gefühl haben, dass das Gespielte nicht passend oder aussagekräftig war, dann können Sie es noch einmal versuchen. • Variante: Als Alternative zum szenischen Spielen können auch ein oder mehrere Teilnehmer nur verbal erzählen, wie z. B. in 5 Jahren der Stand ist. Auch das kann gefilmt werden. • Als Einstieg kann auch die wildere Variante des „Worst-CaseSzenarios“ (Abschn. 6.43) gespielt werden, um sich auf die vielen Möglichkeiten der Zukunft einzustellen. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Welche Mission und Vision habe ich gespürt bzw. konnte ich ableiten? • Bin ich mit dem zufrieden, was ich in der soeben gesehenen/gespielten Szene erlebt habe? Sind dies Szenarien, die für den jeweiligen Zeitpunkt erstrebenswert erscheinen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? • Für wie wahrscheinlich halte ich es, dass die Szenarien sich realisieren? Welche Einflussmöglichkeiten habe ich?

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6.50 Zusammenfassendes Zuhören Soziale Fähigkeiten sind für Unternehmer sehr wichtig. Dazu gehört die Bereitschaft, zuhören zu können und zu verstehen, was den Gesprächspartner bewegt. Dies gilt besonders bei potenziellen Kunden, aber auch bei Geschäftspartnern, bei Sachbearbeitern in Behörden, bei Lieferanten und Mitarbeitern. Beschreibung der Übung Ein Spieler erzählt und der andere fasst zusammen, was er gerade gehört hat. Ziele der Übung • Richtiges und aufmerksames Zuhören üben • Dem anderen das Gefühl geben, wirklich zuzuhören • Ein Gefühl dafür bekommen, was der andere wirklich sagen will Details (Teilnehmerzahl, Dauer, Requisiten) • 2 bis beliebig viele Teilnehmer (Paare bilden) • 10 min • Keine Requisiten Ablauf und Briefing Zwei Personen stehen oder sitzen sich gegenüber. Spieler A erzählt z. B. von seinem letzten Urlaub oder was ihn gerade bewegt. Spieler B fasst immer wieder in eigenen Worten zusammen, was er gerade gehört hat. Nach einer kurzen Rückmeldung, ob die Zusammenfassung stimmig ist (Nicken genügt), erzählt Spieler A weiter. Variationen und Tipps • Zu Beginn ist es leichter, wenn etwas Belangloses erzählt wird. • Nach und nach kann das Erzählte mehr Tiefe bekommen. Es kann von Problemen, Befürchtungen und Ärgernissen erzählt werden.

6 Übungsfundus     221

• Variante: Spieler B kann nicht nur zusammenfassen, sondern auch interpretieren. Bei diesem „Lesen zwischen den Zeilen“ spiegelt er dem anderen auch, was er glaubt, herauszuhören (z. B. „Das hat dich geärgert“ oder „Es fällt dir schwer, darüber zu sprechen“). • Diese Übung ist keine reine Impro-Übung, sondern wird auch gerne in Kommunikationsschulungen und im Coaching genutzt. Abschließende Bewertung/Nachbereitung/Auswertung • Wie ging es mir damit, alles zusammenfassen zu müssen? • Kann ich dies auch auf „echte“ Gesprächssituationen übertragen? • Wie habe ich mich gefühlt, wenn mir das Gesagte (und ggf. auch das nicht Gesagte) gespiegelt wurde? Habe ich mich verstanden gefühlt? • Was kann ich in beiden Rollen (Zuhörer, Erzähler) für zukünftige Gespräche mitnehmen?

7 Der Fragebogen

Zusammenfassung   Als Grundlage für unsere Arbeit und für die Annahmen in diesem Buch haben wir einen Fragebogen an Improspieler verteilt. Dabei ging es uns darum herauszufinden, wie ihnen regelmäßiges Improtraining bei den diversen Aspekten des Lebens und der Arbeit hilft. Daher haben wir den Fragebogen auf die Spieler beschränkt, die nicht hauptberuflich Improtheater machen. Dies ist der Fragebogen, den wir an deutschsprachige Improkollegen verteilt haben: Fragebogen • • • • •

In welcher Branche arbeitest du? Als was? Bist du selbstständig oder angestellt? Wie lange spielst du schon Improtheater? Was begeistert dich am Improspielen? Hast du deine Improerfahrung in deinem Arbeitsumfeld bereits einsetzen können bzw. hast du schon einmal Improelemente eingesetzt (bewusst oder unbewusst)? Wenn ja, in welchem Bereich und wie? • Denkst du, dass Impro dich positiv verändert hat? Wenn ja, wie und in welcher Form? (Beispiele: Soft Skills, Kommunikation, Selbstvertrauen, Präsentation, Haltung, Auftreten, Rhetorik …etc.) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Meine und F. Sußner, Impropreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30355-6_7

223

224     G. Meine und F. Sußner

• Fällt dir eine besonders schöne Situation ein, in der du Impro angewendet hast? • Kannst du einen prägnanten Satz formulieren, der aussagt, was Impro für dich/dein Leben/deine Arbeit bedeutet? (eine Art kurzes Zitat von dir) Zur Info: Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit eine Veröffentlichung deiner Antworten geben. Du kannst entscheiden, ob diese anonym abgedruckt werden sollen oder mit Angaben zu deiner Person. Wenn die personalisierte Version für dich okay ist, dann fülle doch bitte noch Folgendes aus: Name: Improgruppe: (Bei Selbstständigen) Name des Unternehmens:

7.1 Fazit aus den Fragebögen Im Rahmen unserer Recherchearbeiten für das Buch „Impropreneurship“ haben wir einen Fragebogen erstellt, um die Aussagen hinter dem Buch zu bekräftigen und Beispiele aus der Realität aufzeigen zu können.1 Der Fragebogen wurde an 40 Kollegen und Bekannte aus dem Bereich Improtheater versandt und hatte eine sehr hohe Rücklaufquote, sodass die Erkenntnisse aus 31 Fragebögen für das folgende Fazit herangezogen werden konnten. Mit freundlicher Genehmigung der Fragebogenteilnehmer wurden auch einige Aussagen aus dem Fragebogen als Zitate in das Buch aufgenommen. Vielen Dank hierfür nochmal an die jeweiligen Kollegen!

7.1.1 Aufbau des Fragebogens Zunächst wurde im Fragebogen die jeweilige aktuelle berufliche Situation des Teilnehmers abgefragt. Hier wollten wir für unsere

1Dabei ging es uns nicht darum, eine wissenschaftlich fundierte oder statistisch stichhaltige Erhebung zu leisten. Das Ziel war, die aus unserer Erfahrung aufgestellten Behauptungen und Annahmen im Impro-Umfeld bestätigt zu bekommen.

7  Der Fragebogen     225

Recherche vorrangig diejenigen Kollegen befragen und für die Analyse heranziehen, die sich beruflich nicht ausschließlich im kreativen Umfeld bewegen, d. h. nicht selbstständige Schauspieler oder Improtrainer sind. Wir haben unser Augenmerk auf diejenigen Probanden gelegt, welche sich in einem Angestelltenverhältnis befinden oder außerhalb der Kreativwirtschaft selbstständig sind, um zu zeigen, wie die Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Improvisationstheater dazu beitragen, dass man sich persönlich weiterentwickelt und einen positiven Wandel für sich und seinen Umgang mit der Arbeit erfährt. Erfreulicherweise konnten wir im Rahmen der Befragung Erkenntnisse aus sehr vielen unterschiedlichen Branchen gewinnen. Die persönliche Entwicklung, die durch das Improtheater befördert wird, scheint also völlig unabhängig davon zu sein, in welchem Bereich man tätig ist. Anschließend wurden die Teilnehmer über ihre Improerfahrung und ihre Motivation fürs Improspielen befragt. Auch hier ist die Bandbreite sehr groß, von relativen „Neulingen“ bis zu den „alten Hasen“. Es zeigte sich, dass es nicht wichtig ist, wie lange man sich schon in der Welt des Improtheaters bewegt – der positive Einfluss ist von Anfang an vorhanden. Die für uns spannendsten Aspekte des Fragebogens waren die Fragen danach, inwieweit man seine bisherige Erfahrung bzw. Elemente aus dem Improtheater schon bewusst oder unbewusst in seinem beruflichen Umfeld einsetzen konnte und welche positive persönliche Veränderung man bei sich selber erfahren durfte. Hier haben sich einige Antworten überschnitten, sodass sich der Eindruck aufdrängt, dass unabhängig von Alter, beruflicher Situation und persönlicher Konstitution das Improtheater eine Stärkung der Soft Skills und des Mindsets bewirkt. Zuletzt haben wir die Teilnehmer nach einer Anekdote aus ihrem Alltag gefragt, die als Beispiel für den Einsatz von Improtheater und dessen positiven Auswirkungen dient, sowie nach einem kurzen Zitat, was für sie Improtheater bedeutet. Unser Ziel war es aufzuzeigen, dass es zu vielen positiven Veränderungen in der eigenen Person und im beruflichen Umfeld führen kann, sobald man sich darauf einlässt, die Dinge weniger zu kontrollieren und der Spontaneität mehr Raum einzuräumen.

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Wir haben versucht, aus jeder Branche nur einen oder maximal zwei Teilnehmer repräsentativ zu befragen. Wir gehen davon aus, dass sich die Erfahrungen im Großen und Ganzen decken. Beispielsweise haben wir von den uns bekannten Improspielern, die im Lehramt tätig sind, nur zwei befragt, obwohl wir mindestens fünf Improspieler kennen, die Lehrer sind. Unser Ziel war es, eine möglichst große Vielfalt unterschiedlicher Berufssegmente und -situationen mit dem Fragebogen abzubilden. Wir sind sehr dankbar für die Rückmeldungen und die daraus generierten Erkenntnisse, da sie genau unsere Einschätzungen belegen: Improtheater hilft bei der Entwicklung der eigenen Stärken und Schwächen. Im Folgenden haben wir die Rückmeldungen der Teilnehmer zusammengefasst:

7.1.2 Zusammenfassung der Antworten und Fazit 1. In welcher Branche arbeitest du? Als was? Die Ergebnisse kamen aus folgenden Branchen: Forschung & Lehre • Wissenschaftliche Assistentin (TU Architektur) • Technische Laborassistentin Bildungsbranche • • • •

Theaterpädagogin (Montessori-Schule) Theaterpädagogin (Kunst- und Kreativbranche) Erlebnispädagogin (offene Ganztagsschule) Lehrer/in (Gymnasium, Realschule, Berufskolleg; Englisch, katholische Religion) • Grundschullehrer/in (Mathe und Deutsch)

7  Der Fragebogen     227

Sozialer Bereich/Pflege & Betreuung • Pflegefachkraft • Schulbegleiter/in für Autisten (freie heilpädagogische Schule) • Integrationshelfer/in • Sozialpädagoge in der Ambulanten Jugendhilfe Gesundheitswesen • Physiotherapeut/in • Assistenzarzt/ärztin • Ergotherapeut/in Persönlichkeitsentwicklung • Sportpädagoge, Coach, Berater/in, Trainer/in • Organisations- und Persönlichkeitsentwickler/in, Coach, Trainer/in, Berater/in, Mediator/in, Autor/in Freie Berufe • Übersetzer/in (Recht, Marketing, Touristik, Kunst und Museen, Technik uvm.) • Change-Management-Beratung (Schwerpunkt Change und Kommunikation) • Sänger/in Verwaltung/Büro • Sachbearbeiter/in im Vertriebsinnendienst (Kinderzeitschriftenverlag) Öffentlicher Dienst • Leitung des Sportamtes und Programmplanung in der Volkshochschule

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Bankwesen/Finanzsektor • Finanzberater/in • Vertriebs- und Kampagnenmanager/in (Finanzdienstleister) • Filialleiter/in (Bank) Freie Wirtschaft/Industrie • Ingenieur/in für Software-Tests (Automobilindustrie) • Promovierte/r Biochemiker/in mit Schwerpunkt Toxikologie (Produktzulassung Kosmetikindustrie) • Ingenieur, Controller und Organisationsentwickler/in (Fluggesellschaft) EDV/Datenverarbeitung/IT • Informatiker/in (Wissenschaftlicher Mitarbeiter Hochschule) • DevOps Engineer/in (IT-Abteilung, Autozulieferer) • Softwaretester/in (E-Commerce) • Programmierer/in Recht • General Counsel (Syndikus-Anwalt im IT-Unternehmen) 2. Bist du selbstständig oder angestellt? • Im Angestelltenverhältnis: 23 • Selbstständig: 7 • Verbeamtet: 1 3. Wie lange spielst du schon Improtheater? Im Schnitt lässt sich die Improerfahrung der Befragten wie folgt aufgliedern: • 1–5 Jahre: 6 Personen • 6–9 Jahre: 5 Personen

7  Der Fragebogen     229

• 10–15 Jahre: 11 Personen • 16–19 Jahre: 5 Personen • 20–25 Jahre: 4 Personen Es haben also etwa ein Drittel der Teilnehmer weniger als zehn Jahre Improerfahrung. Nur ein kleiner Prozentsatz ist mehr als zwanzig Jahre im Improbereich aktiv. Der größte Teil der teilnehmenden Personen hat zwischen zehn und zwanzig Jahren Erfahrung und kann somit auch hinsichtlich der Antworten auf einen langfristig etablierten Erfahrungsschatz verweisen. 4. Was begeistert dich am Improspielen? Es wurden folgende Schlagwörter in den Fragebögen genannt: • Abenteuer • mit wenigen Vorgaben eine Geschichte erzählen • die Zuschauer auf irgendeine Art und Weise berühren oder unterhalten • ein aufeinander eingespieltes Team • sich auf neue Spieler einstellen • neu herausgefordert werden • Facettenreichtum • im Hier und Jetzt sein • tiefgründige emotionale Beziehungen und Geschichten kreieren • sich selbst immer wieder neu erfinden • spannende zwischenmenschliche Beziehungen • die Möglichkeit sich auszuprobieren • Geschichten erzählen • Loslassen • Humor • Gemeinschaft • etwas aus dem Nichts schaffen und Menschen damit berühren • in andere Rollen schlüpfen • Herausforderung ohne Netz und doppelten Boden für das Publikum jedes Mal eine neue Welt zu erschaffen

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• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

Kindliche Spielfreude Hemmungen verlieren Sich immer wieder neu auf das Publikum einstellen kein Schema F sich selbst überraschen Dialog mit den Kollegen auf der Bühne und dem Publikum neue Ideen und Ansätze konzentriert Im-Moment-Sein positiver Umgang mit Fehlern/Schwierigkeiten positiver, unterstützender Umgang miteinander Fantasie freien Lauf lassen spontanes Zusammenspielen Loslassen und Einlassen auf immer wieder neue Situationen magische Verbindung mit anderen Improspielern Plan und Ziele vergessen Spielen aus Körperhaltungen heraus, ohne zu denken Freiheit eigene Ideen umzusetzen Flexibilität und Spontaneität auf andere zu reagieren Mut, das zu sagen, was man denkt, und das zu zeigen, was man fühlt die „Alchemie“ aus Nichts etwas zu machen erstaunliche, ermutigende, erheiternde und höchst spannende und unterhaltsame Geschichten aus dem Nichts entstehen zu sehen Momente, in denen purer Flow stattfindet etwas über sich selbst lernen tanzen, singen, schauspielern, sich als Gegenstand hinstellen, etwas pantomimisch darstellen man lässt eigene Ideen und Ideen von anderen Mitspielern entstehen Spontaneität und Situationskomik Flexibilität im Kopf gemeinsames Entwickeln einer großartigen Szene, indem man auf die eigene Kreativität sowie die des Partners vertraut die Bereitschaft zu scheitern das Spiel mit Status sich selbst eine Bühne geben Spaß an Albernheit

7  Der Fragebogen     231

• die Notwendigkeit, sich zu entscheiden und Verantwortung zu übernehmen • Begeisterung des Publikums • Interaktion mit dem Publikum • unglaubliche kreative Kraft • dass mehrere Menschen zusammenarbeiten und sich immer wieder neu aufeinander einstellen • Suche nach dem perfekten Zusammenspiel im Moment • Mut • Lebenseinstellung • Entscheidungen intuitiv treffen • fremde Ideen annehmen und weiterentwickeln • geistig beweglich bleiben • Lebensphasen übergreifend mit Menschen anderen Alters austauschen • austoben und „rumblödeln“, ohne Vorbereitung und Stress • viele Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentwicklung • Bilder im Kopf und Gewohnheiten „loslassen“ • zur gleichen Zeit Autor, Schauspieler und Regisseur sein • Fehler positiv sehen und nutzen • Uneingeschränkte Unterstützung und Begeisterung zwischen den Spielern • Sich untereinander verletzlich zeigen Zusammenfassend kann gesagt werden, dass besonders der Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung viele Spieler am Improtheater begeistert. Durch das Einlassen auf das Improspiel und das regelmäßige Trainieren ändert sich bei den befragten Personen laut ihrer eigenen Beobachtung nachhaltig die Haltung, Einstellung und Persönlichkeit. Jeder Einzelne schult insbesondere seine Sozialkompetenz (u. a. Kommunikationsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Konfliktfähigkeit und Führungsfähigkeit sowie Persönlichkeitsfaktoren wie Ausstrahlung und Menschenkenntnis, vgl. Borggrefe et al. 2006, S. 6). Diese Aussagen stützen unseren Ansatz der positiven Entwicklungsmöglichkeit, die sich durch das Improspiel bietet. Diese Faktoren und neu erlernten Haltungen können auf das Agieren in der Businesswelt übertragen und in ihr angewendet werden.

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5. Hast du deine Improerfahrung in deinem Arbeitsumfeld bereits einsetzen können bzw. hast du schon einmal Improelemente eingesetzt (bewusst oder unbewusst)? Wenn ja, in welchem Bereich und wie? Hier wollten wir herausfinden, ob das Improspielen auch „alltagstauglich“ ist bzw. inwieweit es einen tatsächlichen Einfluss auf das „normale“ Leben im Privaten und im Geschäftsumfeld haben kann, wenn es bewusst und/oder unbewusst eingesetzt wird (unbewusst durch das Schulen der oben genannten Kompetenzen). Es zeigte sich, dass bei den Befragten unabhängig von der jeweiligen Branche verschiedene Aspekte einen positiven Einfluss auf die eigene Arbeit und insbesondere die Zusammenarbeit mit Schülern, Kollegen und Kunden haben. Im Bereich des unterrichtenden Sektors konnten die Impulse aus dem Improtheater u. a. in folgenden Bereichen erfolgreich angewendet werden: • Einführung neuer Thematiken und Lernbereiche (z. B. Vokabelarbeit, Konversation, Dialogtraining, Gedichte lernen und interpretieren, Storytelling, Gesprächsführung) • Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit und Begeisterung der Schüler und Studenten am Unterricht bzw. Seminar • Stärkung der Gruppenzusammengehörigkeit zu Beginn von Seminaren durch den Einsatz von Improelementen • Unterstützung der Schüler im Bereich „selbstbewussteres Auftreten“ durch den gezielten Einsatz von körpersprachlichen Übungen • Bessere Elterngespräche durch Anwendung der „Statuswippe“ Zudem stellte sich heraus, dass sich die allgemeinen Aspekte, die im Lehrer- und Dozentenberuf besonders wichtig sind, durch den bewussten und unbewussten Einsatz von Improelementen deutlich verbessern lassen, u. a. • • • •

Status (zwischen KollegInnen, Vorgesetzten, SchülerInnen etc.) freies Sprechen vor „Publikum“ schnelles Umdenken Fehler wertschätzen

7  Der Fragebogen     233

• • • •

Präsenz Aufmerksamkeit für alles, was im Raum geschieht keine Angst vor Peinlichkeit und Ehrlichkeit Selbstbewusstsein

Auch im Businessbereich konnten Elemente des Improtheaters sehr gut angewendet werden. Besonders in folgenden Bereichen wurde ein deutlicher Mehrwert genannt: • Softskill-Trainings für die Mitarbeiter • Gezielter Einsatz von Humor, um als Teamleiter ernste und anstrengende Situationen aufzuheitern • In bestimmten Situationen ruhiger und selbstbewusster bleiben • Schaffung einer kreativen Stimmung in Teammeetings • Unterstützung bei den Themen Zusammenarbeit, Innovation und Veränderung • Fähigkeit, stressfrei eine Veranstaltung innerhalb des Betriebes zu moderieren • Steigerung der Kommunikationsfähigkeit (Kundengespräche werden klarer und deutlicher geführt und es wird sich flexibler auf Kundenwünsche eingelassen) Generell ließ sich erkennen, dass durch den bewussten Einsatz von Improtheater bessere Mitarbeitergespräche, ein besseres Zuhören und ein lockererer Umgang miteinander stattfand. Im sozialen und medizinischen Bereich konnte das Improtheater besonders in der Zusammenarbeit mit Klienten und Patienten gut eingesetzt werden. Hierzu wurden folgende Beispiele genannt: • Leichteres Einstellen auf neue Situationen durch das Annehmen (“Ja, genau!) • Einstieg in die Welt (und deren Regeln) von geistig beeinträchtigten Menschen, z. B. Autisten, ohne zu hinterfragen, ob es konform mit „unserer“ „normalen“ Welt ist • Unterhaltungs- oder Warm-up-Spiele in schwierigen Gruppensituationen

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• Analyse-Tool bei sozialen Konflikten („Regisseurblick“), durch den man erspüren kann, welche Rolle oder Funktion in einer Familie nicht oder nicht gut besetzt ist • Möglichkeit für Familien, eine gewisse Katharsis zu erleben oder einfach mal herzlich zu lachen, indem man sich bewusst zum Clown macht • Unterstützung mit Heldenmut oder der Rolle als Mentor Generell wurde erkennbar, dass die bereits genannten Attribute besonders bei Seminaren und Workshops noch einmal verstärkt zum Einsatz kamen. Diese waren u. a. die Themen • • • • • •

Wahrnehmung Aufeinander achten Mutiges, angstfreies Handeln Koordinieren und agieren bei Fehlern (z. B. in der Laborarbeit) Auf die Körperhaltung achten Vertrauen darin haben, dass einem durch eine leichte körperliche Veränderung kreative Ideen einfallen • Teambildungsmaßnahme Es ist spannend festzustellen, dass der Einsatz von Improtheater über alle Berufsfelder hinweg uneingeschränkt möglich ist und Improtheater in jedem Bereich zu unterschiedlichen positiven Entwicklungen führt, sodass nicht nur die eigene Arbeit davon beeinflusst wird, sondern sich die Veränderung sowohl auf das eigene Team (intern) als auch auf die Zusammenarbeit mit Kunden, Klienten und/oder Schülern (extern) auswirkt. Somit erlebt man durch den Einsatz der Improelemente nicht nur eine persönliche Entwicklung, sondern auch eine deutliche Verbesserung und Unterstützung im Arbeitsumfeld. 6. Denkst du, dass Impro dich positiv verändert hat? Wenn ja, wie und in welcher Form? (Beispiele: Soft Skills, Kommunikation, Selbstvertrauen, Präsentation, Haltung, Auftreten, Rhetorik …etc.) Neben der Begeisterung und den bereits genannten Gründen für das Improtheater sowie den Auswirkungen auf den tatsächlichen Einsatz

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im beruflichen Umfeld wollten wir abschließend eine Einschätzung der Teilnehmenden einholen, inwieweit sie denken, dass das Improspielen sie persönlich weitergebracht hat und in welchen Bereichen sie eine positive Veränderung an sich wahrgenommen haben. Es lässt sich deutlich erkennen, dass sich das Improspiel bei allen Befragten positiv auf die körperliche, sprachliche, kognitive und zwischenmenschliche Ebene auswirkt und zu mehr Mut, Selbstbewusstsein und Zufriedenheit (Glücksempfinden) führt. Auf körperlicher Ebene wurden von den Fragebogenteilnehmern u. a. folgende Veränderungen an sich selbst beobachtet: • • • • • • • • •

bessere und bewusstere (innere) Haltung bessere Präsentationen allgemeines Auftreten verbessert, Souveränität entwickelt durch persönliche „Rollenvarianz“ mehr Toleranz gegenüber anderen Menschen Blick für Körpersprache Moderationsfähigkeit Blickkontakt halten freies Reden, Auftreten, Präsentieren ruhige Ausstrahlung

Auf sprachlicher/kommunikativer Ebene stellten sich u. a. in folgenden Bereichen Verbesserungen ein: • • • • • •

Bühnenstimme (Artikulation, laute und deutliche Sprache) Rhetorik Schlagfertigkeit Storytelling Smalltalk Gesprächsregeln (z. B. Fokus)

Auf kognitiver Ebene wurden folgende Themen genannt: • Überblick und Fokus über eine Situation behalten • eigene geistige Haltung (positiv) beeinflussen

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• • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

erkennen von Entwicklungs- und Veränderungspotenzial Steigerung der Lernfähigkeit (Weiter-)entwickeln bestehender sowie neuer Fähigkeiten Ideenfindung und Einfälle Muskeltraining fürs Gehirn Empathie starke Selbstreflektion Ausbau der Führungspersönlichkeit leichterer Umgang mit „Macht“ und „Ohnmacht“ Ja sagen zu dem, was gerade da ist im Moment sein aus dem Jetzt etwas machen Humor in einer Situation erkennen und ansprechen ehrlich sein zuhören sich selbst nicht zu ernst und zu wichtig nehmen sich auch verletzlich/echt/nicht schön zeigen bei ungewöhnlichen Aktionen direkt mitmachen Muster erkennen und weiterführen im Job verstärkt der eigenen Meinung, Wahrnehmung oder Idee vertrauen

Als persönlicher „Glücks“- bzw. Zufriedenheitszugewinn wurden folgende Schlagwörter genannt: • • • • • • • •

Ausgleich zum Berufsleben (Hobby und Leidenschaft) persönliche Bereicherung das Leben leichter sehen lockerer, spontaner, frecher, schlagfertiger und gelassener Sein vieles über sich selber lernen sehr viel Spaß Bescheidenheit (auf dem Teppich bleiben) eigene Ideen fallen lassen und sich selbst nicht so wichtig nehmen

Auf persönlicher „Mut“-Ebene und dem Bereich der Fehlertoleranz und -akzeptanz konnten auch etliche Punkte aufgeführt werden. Im Speziellen waren dies u. a.

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• • • • • • • • • • • • • • •

mehr Selbstvertrauen und Präsenz mehr Selbstbewusstsein offener und weniger schüchtern sein besserer Umgang mit Pannen (Beamer geht nicht, Präsentation vergessen etc.) mehr Vertrauen in die eigene Intuition und Spontaneität ungewissen Situationen sicherer entgegentreten und diese annehmen mutiger im „Ich-selbst-Sein“ grundsätzlich positivere Haltung Verantwortung tragen klare Entscheidungen treffen besserer Umgang mit Fehlern und Scheitern den eigenen Unzulänglichkeiten mit Humor begegnen dem ersten Impuls folgen mehr innere Sicherheit Mut, vor anderen zu sprechen/fremde Menschen anzusprechen

Durch die „Yes, and“- und „Let your partner shine“-Philosophie hat sich auch auf zwischenmenschlicher Ebene bei den Fragebogenteilnehmern einiges verändert. Im Detail wurden u. a. folgende Punkte aufgelistet: • • • • • • •

Angebote annehmen auf andere eingehen und achten benennen und arbeiten mit Gruppendynamiken im Team und der interpersonellen Ebene stark sein gute Mischung aus Geben und Nehmen sich auf das „Publikum“ einstellen Sensibilisierung für Machtstrukturen in Unternehmen durch Hochund Tiefstatus • Hochstatus-Personen sind weniger angsteinflößend Somit lässt sich auch hier die Aussage treffen, dass der Einfluss auf die Persönlichkeit und die Auswirkung im privaten sowie im beruflichen Kontext immens zu sein scheint. Es scheint zu einer gravierenden Verbesserung und Optimierung verschiedener Fähigkeiten zu kommen,

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welche besonders im zwischenmenschlichen Bereich elementar wichtig sind. 7. Fällt dir eine besonders schöne Situation ein, in der du Impro angewendet hast? Für uns war es zudem wichtig herauszufinden, inwieweit all diese genannten Themen und Verbesserungen auch tatsächlich den Transfer in die „reale Welt“ geschafft haben. Hierzu haben wir nach konkreten Situationen gefragt, um den Einsatz von Impro in einer realen Situation und dessen unmittelbarer Auswirkung einschätzen zu können. In diesem Abschnitt werden daher die Antworten der Teilnehmer wörtlich übernommen (teilweise gekürzt), um zu gewährleisten, dass die jeweilige Geschichte im Ganzen dargestellt werden kann. • „Im Studium sollten wir uns schnell eine Rolle ausdenken, mit einem Problem, was diese in einer Therapie versucht zu lösen.“ • „Beim Flirten, um sie zum Lachen zu bringen.“ • „Beim Flirten und auf Partys. Da baue ich gerne mal Games und Übungen ein. Oder auf einer dreiwöchigen Wanderung mit einem Freund war ich für die Unterhaltung zuständig und habe Geschichten erfunden.“ • „Um Kinder zum Lachen zu bringen“ • „Hier in Bayern gibt es die Legende von den sog. Hang-Hühnern. Also Hühnern, die extra mit einem langen und kurzen Bein gezüchtet wurden, damit sie auf Berghängen nicht umfallen und geradestehen können (Wikipedia o.J.c). Bei der Zusammenarbeit mit einer auswärtigen Kollegin kam das zur Sprache und in absolutem Ernst haben wir es geschafft der Kollegin weiß zu machen, dass es diese Hühner gibt und dass diese sehr praktisch sind, weil man damit z. B. auch auf schwierigem Gelände Viehzucht betreiben kann. Sie war am Schluss sehr empört darüber, dass wir in Bayern so etwas mit Tieren machen und uns die so hin züchten, wie es uns passt.“ • „Auf dem Weg durch die Stadt treffe ich immer wieder auf die gleichen Punks, die mich anschnorren. Oft bin ich genervt, aber einmal habe ich die Frage nach etwas Kleingeld umgedreht und die Punks danach gefragt. Sie haben mir was gegeben …“

7  Der Fragebogen     239

• „Einige Male, um Verzögerungen und Verspätungen zu überbrücken.“ • „Der Abteilungsleiter fing wie ein Schuljunge bei der Prüfung an zu stottern, als ich nach seiner Einleitung nicht gleich eine Lösung für die von ihm fabrizierten Probleme anbot (ich hatte keine), sondern ihn einfach nur schweigend anschaute. Darüber muss ich manchmal noch schmunzeln.“ • „An meinem ersten Tag an der freien heilpädagogischen Schule. Ich war direkt überfordert mit all diesen starken Persönlichkeiten der Schüler. Durch das Ja sagen und Akzeptieren deren Welten konnte ich mich innerhalb von 2 Stunden recht schnell daran gewöhnen und hatte seitdem viel Spaß und konnte so viel dazulernen.“ • „Viele schöne Fortbildungen/Workshops in sehr konzentrierter, wacher und gleichzeitig entspannter Atmosphäre.“ • „Eine Panne bei der Sportlerehrung, wo ich mit einem spontanen lockeren Spruch souverän als Moderation eine peinliche Pause überspielt habe.“ • „Spontanes Rollenspiel mit einer Kollegin.“ • „Vor etwa 2 Jahren moderierte ich eine Feedbackrunde. Der Abteilungsleiter wollte sich von seinen Mitarbeitern eine Rückmeldung über seine Führungsqualitäten einholen. Mit einem Teil der Mitarbeiter war er bereits per Du. Den anderen wollte er im Rahmen des ersten Termins das Du anbieten. Das Dilemma war klar: Die anderen Mitarbeiter dürfen das Du nicht ablehnen, könnten es jedoch als Anbiederung empfinden, gerade jetzt, wo er ein Feedback von ihnen will. Mir blieben etwa 3 Minuten Zeit zum Nachdenken. Also eröffnete ich das Gespräch mit den Worten: “Ihr Chef will Ihnen das Du anbieten. Sie dürfen ihn aber auch mit einem Du ein gnadenloses Feedback geben. Wobei ich das “gnadenlos übertrieben theatralisch betonte. Das Ganze war natürlich ein Wagnis. Niemand außer dem Chef kannte mich. Die Teilnehmer hätten mich auch für einen seltsamen Vogel halten können. Aber egal. Es hat funktioniert. Manche mussten schmunzeln, das Eis war gebrochen und der Teppich der Ehrlichkeit wurde sozusagen ausgebreitet. Hätte ich länger nachgedacht, hätte ich es vielleicht anders formuliert. Weicher. Abgeschwächter. Dann wäre die Vernunft gekommen und hätte mir eingeflüstert: “Das kannst du nicht machen. So war es vermutlich die beste Möglichkeit, mit dem Dilemma umzugehen.“

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• „Am schönsten ist eigentlich die Auswirkung auf meine Kinder, die inzwischen auch schon beide improfiziert sind. Mit den beiden die Aufwärmspiele zu machen oder andere Situationen nachzustellen und einfach zu spielen – das ist schön.“ • „Ich erinnere mich gerne an eine schöne Ein-Satz- oder Ein-WortGeschichte mit Klientenkindern. Ich bin auch dankbar für die Momente, in denen ich spontan in eine etwas andere Rolle verschiedenen Menschen gegenüber schlüpfe, um in einer Situation besser voranzukommen. Unterschiedliche Mimiken, Gestiken oder Dialekte zu beherrschen kann manchmal von Vorteil sein. Besonders in Situationen, in denen ich für Klienten etwas bei anderen Personen, von denen sie abhängig sind, herausholen muss …“ • „Meine Kinder und ich erzählen jeden Abend seit Längerem unsere eigenen Geschichten. Die Kinder lieben das und gestalten die Geschichten immer mit, es sind uns keine Grenzen gesetzt, und später, wenn meine Kinder erwachsen sind, bin ich mir sicher, dass sie sich gern an diese Geschichten und deren viele liebevollen, lustigen Figuren erinnern werden. Impro hat mir außerdem geholfen, mir mein inneres Kind und meine Liebe zum Spaß zu bewahren und weiterzuentwickeln. Das hilft mir, die Welt meiner Kinder besser zu verstehen. Für mich ist das der größte Gewinn von Impro bis jetzt.“ • „Bisher war es nicht so sehr das konkrete Anwenden, sondern eher die innere Haltung, die mir in bestimmten Situationen geholfen hat. Ich könnte mir aber vorstellen, dass ich mich und meine Teammitglieder gern dazu bringen möchte, nach einer misslungenen Aktion (Fehlentscheidung, Missgeschick, verpasste Deadline …) einmal kurz um den Schreibtisch zu tanzen und dabei „I’m so sexy“ zu singen. So haben wir es zumindest beim „Whiskeymixer/Messwechsel/Wachsmaske“-Spiel gehandhabt, wenn einer gelacht oder sich versprochen hat.“ • „In meinem Hauptberuf habe ich kürzlich bei einem Innovationswettbewerb einen Preis gewonnen. Ich hatte in bester Impromanier einfach jede Menge Ideen sprudeln lassen und statt diese vorher zu zerreden oder zu zensieren einfach online gestellt. In der Diskussion und Kollaboration auf der Innovations-Plattform haben sich die Ideen dann richtig schön weiterentwickelt, sie wurden mit anderen Ideen verbunden und man konnte dem „Yes, and“ bei der Arbeit zuschauen. Am Ende des

7  Der Fragebogen     241

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­ ettbewerbs wurde ich zum „Campaign Hero“ gewählt. Das hat mich W sehr gefreut.“ „Bei einem Erstkontakt zu einem potentiellen Kunden alles auf eine Karte (Hierarchie/Status des Kunden umdefiniert) gesetzt und dadurch einen Großkunden gewonnen.“ „Ich würde eher sagen, dass ich im richtigen Kollegenkreis durch meine grundsätzlich lockere und humorvolle Art Impro „im Kleinen“ anwende und bei Vor-Ort-Besuchen bei meinen liebsten Kunden für eine lockere Atmosphäre sorge. Da „spiele“ ich ja auch oft einen Charakter oder greife Situationen lustig auf und sorge für ein angenehmes Zusammensein. Das geht aber auch nur bei Leuten, die ich kenne und einschätzen kann – wo ich weiß, dass sie meine Blödeleien oder Sticheleien verstehen.“ „Meine schönste Erfahrung hatte ich durch einen Jugendlichen unserer Nachwuchsgruppe. Er bedankte sich bei mir, dass ich und das Impro sein Leben so toll verändert habe. Wenn ich mit den Jugendlichen rumalbere und mich oft kindischer benehme als die Kinder, haben wir alle Spaß. Da sind so viele schöne Geschichten.“ „Meine damals dreijährige Tochter hat sich in der Hamburger Einkaufsstraße trotzig auf den Boden gesetzt und wollte nicht weitergehen, bis sie ein Eis bekam. Natürlich zog sie die unangenehme Aufmerksamkeit mancher Menschen auf sich, die mit ihr sprechen wollten, ihr aber Angst machten. Daraufhin warf ich meinen Rucksack als Kissen auf den Boden und legte mich inmitten der Masse „Schlafen“ bis sie (ohne Eis) zum Weitergehen bereit war. In der Zeit waren die unangenehmen Menschen höchstens mit mir beschäftigt als mit der laut schreienden Kleinen.“ „Da ich irgendwie nur noch im/mit Impro lebe, gäbe es 1000 Geschichten. Ich empfinde es immer als besonders schön, wenn ich Menschen mit meiner Improart begeistern kann. Wenn sich Menschen mit mir freuen und/oder ich sie ermutige, sich auch mal außerhalb ihres sonstigen Rahmens zu bewegen.“ „Ich holte einen guten Freund in dem Restaurant ab, in dem er arbeitete. Er saß an der Theke und machte eine Abrechnung. Ich setzte mich dazu und wir taten beide (offensichtlich ohne Absprache) so, als würden wir uns nicht kennen und begannen stark miteinander zu flirten, bis wir dabei angelangt sind, dass wir jetzt gemeinsam verschwinden würden.

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Unser „Publikum“ (der Barkeeper) war ganz schön erstaunt. Ich freu mich einfach jedes Mal, wenn jemand auf irgendeinen Quatsch anspringt oder selber anregt und man gemeinsam mitten im Alltag eine Mini-Szene spielt.“ 8. Kannst du einen prägnanten Satz formulieren, der aussagt, was Impro für dich/dein Leben/deine Arbeit bedeutet? (eine Art kurzes Zitat von dir) Zum Abschluss baten wir die Fragebogenteilnehmer, ein persönliches Zitat zu formulieren, welches ausdrückt, was Improtheater für sie bedeutet. Einige der Zitate erscheinen über das ganze Buch verteilt, andere werden hier aufgeführt. Auch hier ist ein Teil der Antworten unverändert übernommen: • „Habe Lust am Scheitern und Mut zur Hässlichkeit. Dann gelingt dir jede Szene.“ • „Impro ist der Mut, ungewissen Situationen vertrauensvoll entgegenzutreten.“ • „Impro ist die Möglichkeit, im Moment nicht ich zu sein.“ • „Impro ist für mich weniger eine Kunstform des Theaters. Für mich ist es viel mehr eine Lebenseinstellung.“ • „Nicht mit dem Kopf, sondern mit dem ganzen Körper handeln.“ • „Ich versuche oft Ja zu sagen und mich auf Dinge einzulassen, die mich auch aus meiner Komfortzone holen. In der steten Hoffnung meinen Horizont zu erweitern oder unerwartete Dinge zu erleben.“ • „Bereicherung und Erweiterung des Methodenrepertoirs.“ • „Impro bedeutet für mich das aufregende Gefühl, immer ein ganzes Theater in seiner Hosentasche mit sich herumzutragen und nie gelangweilt sein zu müssen. Weiterhin bedeutet es für mich, das Leben sehr gewissenhaft unernst zu nehmen, weil man durch viel Erfahrung weiß, dass jede Situation nicht zwingend so bleiben muss, wenn es sich nicht richtig anfühlt.“ • „Impro bereichert mein Leben und beflügelt meine Kreativität immer wieder aufs Neue.“ • „Wenn ich Impro spiele, fühlt es sich so an, als würden in meinem Kopf eine Horde Pferde endlich auf die Wiese gelassen, um sich a­ uszutoben.

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Impro ist für mich das Leben im Moment zu feiern. Impro ist für mich Lebensfreude. Impro ist für mich das gemeinsame Feiern unserer Unzulänglichkeiten. Impro bedeutet für mich das gemeinsame Schaffen einer Momentaufnahme unseres gesellschaftlichen Lebens. Impro ist für mich das gemeinsame Erzählen einer Geschichte, die sich so oder auch anders hätte zutragen können.“ „Trau dich!“ „Impro ist für mich das schönste Hobby der Welt: sich ohne Vorbereitung austoben, mit anderen zusammen Lustiges entwickeln und dabei anderen Menschen eine Freude bereiten. Das kann kaum ein anderes Hobby.“ „Wenn ich denke, dass ich die Weisheit mit Löffeln gefressen habe, dann ist mir bewusst, dass sich die Geschichte ganz schnell ändern kann. Daher bleib auf dem Boden, denn du weißt nie, wie die Geschichte enden wird.“ „Es ist wie ein spannendes Buch zu lesen, ohne zu wissen, was auf der nächsten Seite passiert.“

Als Abschluss und auf Basis all der Erkenntnisse aus den Fragebögen möchten wir noch eine Auflistung all jener Bereiche und Kompetenzen zeigen, auf die Improtheater – entsprechend unserer eigenen praktischen Erfahrung – positiv wirken kann: Persönliche Kompetenz (Persönlichkeitsentwicklung): (Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit sich selbst) • Selbsterfahrung, -erkenntnis, -reflektion, -entwicklung, -verwir­ klichung • Mut zu Aussagen, Gedanken und Emotionen • Lebenseinstellung • Neue/fremde Rollen ausprobieren • Begeisterungsfähigkeit Kognitive und kreative Kompetenz: (Fähigkeit zur differenzierten Wahrnehmung, Denkfähigkeit, Gedächtnis, Problemlösefähigkeit, Fantasie und Kreativität)

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• Konzentration • Im Moment sein • Geistig beweglich bleiben • Mehrere Aufgaben gleichzeitig meistern • Neue Welten erschaffen • Fantasie • Innovative Ideen • Kreative Gedanken • Ideenreichtum • Storytelling • Eigene Ideen und die Ideen der anderen • Schöpferisch tätig sein • Impulse schaffen und umsetzen Kognitive Flexibilität: (Kognitive Flexibilität ermöglicht es einem, über die verschiedenen Optionen nachzudenken, wenn der ursprüngliche Plan aus einem unerwarteten Grund verändert wurde oder nicht durchführbar ist) • • • • • • •

Herausforderung und Risiko als Chance Ungewissheit als Basis für viele Möglichkeiten (Handlungen) Alte Gewohnheiten und Glaubenssätze loslassen Hemmungen und Begrenzungen loslassen Spontaneität und Flexibilität Sich auf neue Situationen und Menschen einstellen Fremde Ideen annehmen und weiterentwickeln

Problemlösungs- und Entscheidungskompetenz: (Persönliche Befähigung, zielstrebig und aufgabengerecht zu agieren) • Positiver Umgang mit Schwierigkeiten/Fehlern • Entscheidungen intuitiv treffen • Verantwortung übernehmen für Entscheidungen und Situationen • Bereitschaft zum Scheitern • Verantwortungsbereitschaft

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Soziale Kompetenz im Team: (Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit anderen Menschen) • Teamwork und -zusammenhalt • Positiver und unterstützender Umgang miteinander • Aufeinander eingehen, achten und hören • Unterstützung erfahren und geben • Gruppenzusammengehörigkeitsgefühl • perfektes Zusammenspiel im Moment • Gruppendynamik Zwischenmenschliche Kommunikation und Interaktion: (Beziehung zwischen zwei Individuen und wie sie miteinander kommuni­ zieren und agieren) • Andere Menschen „berühren“ • „Berühren“ und „berührt werden“ • Echte Emotionen • Beziehungen • Dialog mit Kollegen und Publikum • Mit Menschen anderen Alters austauschen • Lebensphasenübergreifend • Begeisterungsfähigkeit weitergeben Feelgood-Bedürfnisse: (Bedürfnisse des Einzelnen) • Anerkennung • Freiheit • Erfahrungen sammeln • Inspiration • Sich selbst Raum geben • Ideen ausleben • Alles sein dürfen • Abwechslung

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• Flow-Momente • Vertrauen • Kindliche Spielfreude/Spieltrieb

Literatur Borggrefe, C., Thiel, A., & Cachay, K. (2006). Sozialkompetenz von Trainerinnen und Trainern im Spitzensport. Köln: Sportverlag Strauß. Wikipedia. (o.J.c). Hanghuhn. https://de.wikipedia.org/wiki/Hanghuhn. Zugegriffen: 24. Okt. 2019.

8 Impropreneurship – Das grandiose Finale oder „kurz bevor der Vorhang fällt“

Zusammenfassung  Der Vorhang senkt sich und wir verabschieden uns. Mit Blick auf VUCA und andere Schlagwörter erlauben wir uns, die Bühne von “Impropreneurship” zu verlassen und Sie einzuladen, weiter Ihren eigenen Weg ins Rampenlicht zu gehen. Wenn wir auf der Improbühne eine Szene beenden, tun wir dies nach Impromanier, d. h. der Moderator symbolisiert dies mit einem langsam nach unten wischenden Unterarm. Manchmal durchquert der Moderator dabei die Bühne von einem Ende zum anderen, um die Geste noch zu verstärken. Diese Aktion ist für das Publikum das Signal, dass die Szene beendet ist und die Spieler mit Applaus und Jubelrufen belohnt werden dürfen. Nun sind auch wir am Ende unseres Buches angelangt. Wir beenden eine Reise, die vor vielen Jahren in einer weit entfernten Kaffeeküche begonnen hat. Auf dieser – nun mehr als 3-jähriger Reise – mussten auch wir (einer klassischen Heldenreise gleich) etliche Hindernisse und Schwierigkeiten überwinden. Wir hatten Momente des Zweifels, aber auch viele wundervolle unterstützende Figuren und Mentoren, die uns immer wieder dabei geholfen haben, auf dem Weg zu bleiben. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Meine und F. Sußner, Impropreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30355-6_8

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Nicht zuletzt haben wir auf dieser Reise viel gelernt: über uns, über die Welt des Improtheaters und über das Unternehmertum an sich. All diese Erkenntnisse haben uns in der Überzeugung bestärkt, dass die Kombination dieser beiden Welten eine einzigartige Möglichkeit ist, um sich ein adaptives und positives Mindset aufzubauen. In der heutigen Welt (Stand 2020) stehen agile Methoden und Schlagwörter wie Scrum, Design Thinking, Lean Startup, Kanban, Vuca etc. hoch im Kurs. Ihnen allen ist eines gemein: die Suche nach innovativen und kreativen Lösungen. Es geht dabei um Flexibilität, Veränderungsbereitschaft und um eine zuversichtliche Grundhaltung –Themen, die auch in diesem Buch eine Rolle spielen. Woran wir glauben: Egal, wie die Namen derzeit sind (und welche Begriffe in den nächsten Jahren auch noch kommen mögen) – es wird immer um Menschen gehen, die vor einer Veränderung stehen. Und um diese zu meistern, benötigen sie die unterschiedlichsten Elemente aus der Welt der Spontaneität und Kreativität. Diese haben wir im vorliegenden Buch versucht, so verständlich wie möglich darzustellen, mit dem Ziel, Sie – liebe Leserin und lieber Leser – dazu zu ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen. Wir ermutigen Sie, sich von bisherigem Sicherheitsdenken zu lösen und mutig die Komfortzone Richtung „Unbekanntes“ zu verlassen. Immer mit der positiven Grundhaltung und dem Vertrauen darauf, dass Ihre Fähigkeiten und Ihr kreatives Potenzial Ihnen dabei helfen, in herausfordernden Situationen zu bestehen und Fehler als Erkenntnisquelle und Chance zu sehen. Und so gestatten wir uns nun, die Bühne zu verlassen1. Wir hoffen, dass Ihnen unsere gemeinsame Reise gefallen hat und Sie viele spannende Impulse mitnehmen konnten. Uns war es eine Freude! Und wir beenden nun auch dieses Buch in alter Impromanier: Wir sagen Danke und lassen den imaginären Vorhang fallen.

1Wir sind Schauspieler und freuen uns über Applaus. Wenn Ihnen das Buch gefallen hat, freuen wir uns über eine Rezension auf den üblichen Online-Portalen. Danke.

Glossar

Abfragen:    Ideen/Inspirationen

für die Spieler aus dem Publikum. Es gibt unzählige Abfragemöglichkeiten (Ort, Hobby, Raum, Gefühl, Emotion, Beruf, ein Problem, eine Beziehung, ein Gegenstand, eine Liedzeile …) Angebot:   Jede Handlung oder jeder Dialog, der die Szene voranbringt. Es gibt geschlossene und offene Angebote Annehmen:   Angebote der anderen Teilnehmer annehmen, um eine Szene/Idee weiterzuführen bzw. weiterzuentwickeln Block:   Die Angebote des Mitspielers nicht annehmen und/oder diese bewusst „zerstören“ Flow:    Ein Zustand völliger Vertiefung in einer Aufgabe und ein daraus resultierendes Gefühl der Zufriedenheit und des Glückes German Angst:   Der Begriff „German Angst“ soll die als typisch deutsch erachteten Eigenschaften wie Mutlosigkeit, Misstrauen und enormes Sicherheitsbedürfnis beschreiben. Sie steht sinnbildlich für kollektive Ängste aus der Vergangenheit Gromolo:   Eine nicht-existente Kunstsprache, kann ländertypisch gefärbt sein (Französisch, Russisch …) Hochstatus:    Durch verschiedene Hilfsmittel wie Auftreten, Sprache etc. signalisiert eine Person im Hochstatus ihre Überlegenheit, meist einer anderen Person gegenüber

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Meine und F. Sußner, Impropreneurship, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30355-6

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250     Glossar Innerer Kritiker:   Eine

innere Stimme, die unsere Art zu leben und zu denken stark beeinflusst. Meist besteht sie aus negativen Gedanken und Glaubensätzen, welche wir uns im Laufe des Erwachsenwerdens angeeignet haben Monolog:   Es gibt den inneren Monolog, in dem wir Innenwelt/Gedankenwelt/ Gefühlswelt des Charakters mitgeteilt bekommen NLP:   NLP steht für den Begriff Neuro-Linguistisches Programmieren, d. h. mithilfe von Sprache und systematischer Handlungsanweisung sollen neuronale Vorgänge im Gehirn abgeändert werden Replay:    Eine Ausgangsszene wird nach verschiedenen Vorgaben wiederholt, z. B. Genre, Gefühl, Epoche … Schubladendenken:    Beim Schubladendenken versucht das Gehirn, die Informationslast zu reduzieren, in dem es Schubladen bzw. Kategorien bildet und versucht, die neuen Informationen in bereits vorhandene Gruppierungen zusammenzufügen (Selbst-) Reflexion:   Ist die Fähigkeit, sich selbst und sein Handeln zu beobachten und kritisch zu hinterfragen, mit dem Ziel, seine Stärken und Schwächen zu erkennen Solar Plexus:  Ein Energiezentrum, welches sich knapp oberhalb des Bauchnabels befindet und auch als „Sonnengeflecht“ bezeichnet wird. In ihm laufen verschiedene Nervenfasern in Form eines Rings (mit Strahlen) gebündelt zusammen Sparringspartner:   Ein Gegenüber, der durch gezieltes Nachfragen und Hinterfragen dabei hilft, sich über Entscheidungen und Situationen konkrete Gedanken zu machen. Er übernimmt somit kurzzeitig die Funktion eines Coaches Status:   Nach außen sichtbarer/dargestellter Selbstwert einer Person. Es gibt Hoch- und Tiefstatus Status quo:   Bezeichnet einen gegenwärtigen Zustand „Think out of the Box“:   Eine Metapher für die Fähigkeit, aus bisherigen Denkmustern auszubrechen und in neuen und atypischen Mustern zu denken Tiefstatus:    Durch verschiedene Hilfsmittel wie Auftreten, Sprache etc. signalisiert eine Person im Tiefstatus ihre Unterlegenheit, meist einer anderen Person gegenüber USI:   Der Unisys Security Index (USI) ist die einzige regelmäßig stattfindende langfristige und repräsentative Umfrage zum Thema Sicherheitsbedenken weltweit und wurde 2007 erstmalig durchgeführt Warm-up:    Mit einfachen Übungen und Spielen soll eine entspannte und lockere Atmosphäre geschaffen werden mit dem Ziel, Hemmungen abzubauen und die Motivation und Konzentration zu erhöhen