270 9 2MB
German Pages 530 [532] Year 2010
Großkommentare der Praxis
Bruck/Möller
Versicherungsvertragsgesetz Großkommentar 9., völlig neu bearbeitete Auflage herausgegeben von
Horst Baumann, Roland Michael Beckmann, Katharina Johannsen, Ralf Johannsen
Zweiter Band §§ 33–73 Bearbeiter: §§ 33–42: Roland Michael Beckmann §§ 43–48: Oliver Brand §§ 49–52: Knut Höra §§ 53–58: Reinhard Renger §§ 59–73: Hans-Peter Schwintowski
De Gruyter
Stand der Bearbeitung: März 2010
Zitiervorschlag: Bruck/Möller/Brand 9 § 48 Rn. 8 Sachregister: Christiane Göhring, Andernach-Kell
ISBN 978-3-89949-504-1
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2010 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York Datenkonvertierung/Satz: WERKSATZ Schmidt & Schulz GmbH, Gräfenhainichen Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Verzeichnis der Bearbeiter der 9. Auflage Dr. Horst Baumann, Professor an der Technischen Universität Berlin Dr. Roland Michael Beckmann, Professor an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken Dr. Oliver Brand, LL.M. (Cambridge), Professor an der Universität Mannheim Dr. Christoph Brömmelmeyer, Professor an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder) Dr. Heinrich Dörner, Professor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Charlotte Echarti, Rechtsanwältin in Rellingen Dr. Helmut Heiss, LL.M. (Chicago), Professor an der Universität Zürich Dr. Harald Herrmann, Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Leiter des Instituts für Versicherungswissenschaft Dr. Knut Höra, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Frankfurt am Main Dr. Detlef A. Huber, Rechtsanwalt in Freiburg i.Br. Dr. Katharina Johannsen, Vorsitzende Richterin am Hanseatischen OLG a.D., Hamburg Dr. Ralf Johannsen (†), Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Rocco Jula, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Berlin Dr. Kai-Oliver Knops, Professor an der Universität Hamburg Dr. Robert Koch, LL.M. (McGill), Professor an der Universität Hamburg Dr. Hubertus W. Labes, Rechtsanwalt in Rellingen Dr. Tobias Lenz, Rechtsanwalt in Köln und Professor an der Rheinischen Fachhochschule Köln Dr. Kent Leverenz, Richter am Amtsgericht Hamburg-Harburg Dr. Annemarie Matusche-Beckmann, Professor an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken Oliver Meixner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Hamburg Dr. Helmut Müller, Präsident des Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen a.D., Berlin Dr. Ernst Niederleithinger, Ministerialdirektor beim Bundesministerium der Justiz a.D., Honorarprofessor, Berlin Dr. Peter Präve, Syndikus beim GDV, Berlin Dr. Reinhard Renger, Ministerialrat beim Bundesministerium der Justiz a.D., Bonn Dr. Thomas Richter, Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Claus von Rintelen, Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Christian Rolfs, Professor an der Universität zu Köln Dr. Winfried Schnepp, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Köln Arno Schubach, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Koblenz Dr. Hans-Peter Schwintowski, Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Ansgar Staudinger, Professor an der Universität Bielefeld Dr. Wolfgang Voit, Professor an der Philipps-Universität Marburg Dr. Eckhardt Wilkens, Vorstand der R+V Versicherung AG und Vorsitzender der Vereinigte Tierversicherung Gesellschaft auf Aktien a.D., Burgwedel Dr. Gerrit Winter, Professor an der Universität Hamburg
V
Vorwort zu Band 2 Mit dem Erscheinen von Band 2 liegt nunmehr die vollständige Kommentierung des Allgemeinen Teils des Versicherungsvertragsgesetzes (§§ 1–73 VVG nebst Generaleinführung) vor und damit ein wesentlicher Teil der 9. Auflage des Großkommentars „Bruck/Möller“. Damit sind innerhalb von rund eineinhalb Jahren drei selbständige Bände zum Allgemeinen Teil des Versicherungsvertragsgesetzes im Rahmen dieses Großkommentars erschienen. Band 2 enthält umfassende Kommentierungen der praxisrelevanten Vorschriften über die Prämie (§§ 33–42), über die Versicherung für fremde Rechnung (§§ 43–48), über die vorläufige Deckung (§§ 49–52), über die laufende Versicherung (§§ 53–58) sowie über Versicherungsvermittler und Versicherungsberater (§§ 59–73). Nun stehen die Kommentierungen zu einzelnen Versicherungszweigen auf dem Programm. In den Bänden zu den einzelnen Vertragszweigen können zudem aktuelle Entwicklungen nach der noch jungen Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes aufgegriffen und berücksichtigt werden. Noch im Jahre 2010 erscheint der Band zur „Unfallversicherung“. Rechtsprechung und Schrifttum wurden im Wesentlichen bis März 2010 berücksichtigt. Für Kritik und Verbesserungsvorschläge sind Verlag und Herausgeber dankbar. Berlin, Saarbrücken und Hamburg im Juni 2010 Horst Baumann
Roland Michael Beckmann
Katharina Johannsen
Aus dem Vorwort zu Band 1 Die 8. Auflage des „Bruck/Möller“ ist geprägt von Hans Möller, daneben von Karl Sieg und Ralf Johannsen. Hans Möller hat das Werk herausgegeben und die Einleitung sowie die §§ 1–66 mit systemprägender Kraft bearbeitet. Karl Sieg und ihm folgend Ralf Johannsen haben später die Herausgabe übernommen. Zugleich hat Karl Sieg die §§ 67–80 sowie die Grundlagen der Feuerversicherung, Ralf Johannsen die Allgemeine Haftpflichtversicherung, die Kraftfahrtversicherung und (gemeinsam mit Katharina Johannsen) die Feuerversicherung kommentiert. Mit Hilfe weiterer Autoren für die einzelnen Versicherungszweige haben sie so den hoch renommierten Großkommentar zum VVG von überragendem Rang geschaffen. Eine großartige Leistung, für die ihnen über ihren Tod hinaus Dank und bleibende Anerkennung gebührt! Die VVG-Reform 2008 stellt den Versicherungsvertrag auf eine neue gesetzliche Grundlage. Die 9. Auflage des „Bruck/Möller“ bringt hierzu und zu den rechtlichen Rahmenbedingungen eine Kommentierung in bewährter Qualität. Höchste fachliche Kompetenz, unbestechliche Objektivität und größtmögliche Praxisgerechtigkeit sind die Leitmaximen der Neuauflage. Ein großes Expertenteam aus allen mit dem Versicherungsrecht und seiner
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Vorwort
Reform befassten Bereichen gewährleistet die Fertigstellung des Gesamtwerks einschließlich der zuverlässigen Kommentierung der einzelnen Versicherungszweige und ihrer AVB in wenigen Jahren. Bereits der hiermit vorgelegte Band 1 bringt außer der detaillierten Analyse der §§ 1–32 insbesondere mit der Generaleinführung und der Kommentierung zu § 1 einen fundierten Gesamtüberblick über das neue VVG und die Einzelheiten der Reform. Ralf Johannsen hat die Zusammensetzung des neuen Herausgeber- und Autorenteams wie auch die Gesamtkonzeption der Neuauflage maßgeblich mitbestimmt und noch die Neukommentierung des § 2 fertiggestellt. Er ist am 16.1.2007 verstorben, gehört aber zu den Herausgebern der 9. Auflage. Sein Schaffen wirkt wie das von Ernst Bruck, Hans Möller und Karl Sieg im „Bruck/Möller“ fort.
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Inhaltsübersicht Bearbeiterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur . . . . . . . . .
V VII XI
VERSICHERUNGSVERTRAGSGESETZ Teil 1 ALLGEMEINER TEIL Kapitel 1 Vorschriften für alle Versicherungszweige Abschnitt 3 Prämie § 33 § 34 § 35 § 36 § 37 § 38 § 39 § 40 § 41 § 42
Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . Zahlung durch Dritte . . . . . . . Aufrechnung durch den Versicherer Leistungsort . . . . . . . . . . . . Zahlungsverzug bei Erstprämie . . Zahlungsverzug bei Folgeprämie . Vorzeitige Vertragsbeendigung . . . Kündigung bei Prämienerhöhung . Herabsetzung der Prämie . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . .
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1 22 29 34 48 70 95 102 123 129
Vorbemerkungen zu §§ 43 bis 48 . . . . . . . . . . . . Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechte des Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechte des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . Rechte zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem Kenntnis und Verhalten des Versicherten . . . . . . . . Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ . . . . . .
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133 152 175 193 209 222 239
Abschnitt 4 Versicherung für fremde Rechnung Vor §§ 43–48 § 43 § 44 § 45 § 46 § 47 § 48
IX
Inhaltsübersicht
Abschnitt 5 Vorläufige Deckung Vor §§ 49–52 § 49 § 50 § 51 § 52
Vorbemerkungen zu §§ 49 bis 52 . . . . Inhalt des Vertrags . . . . . . . . . . . . Nichtzustandekommen des Hauptvertrags Prämienzahlung . . . . . . . . . . . . . Beendigung des Vertrags . . . . . . . . .
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253 273 279 281 284
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305 308 320 324 327 332 335
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339 408
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415 430 433 458 460 461 462 463
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464 480 485 487 491
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
493
Abschnitt 6 Laufende Versicherung Vor § 53 § 53 § 54 § 55 § 56 § 57 § 58
Vorbemerkungen zu den §§ 53 bis 58 Anmeldepflicht . . . . . . . . . . . Verletzung der Anmeldepflicht . . . . Einzelpolice . . . . . . . . . . . . . Verletzung der Anzeigepflicht . . . . Gefahränderung . . . . . . . . . . . Obliegenheitsverletzung . . . . . . .
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Abschnitt 7 Versicherungsvermittler, Versicherungsberater Unterabschnitt 1 Mitteilungs- und Beratungspflichten § 59 § 60 § 61 § 62 § 63 § 64 § 65 § 66 § 67 § 68
Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beratungsgrundlage des Versicherungsvermittlers . . . . . . Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitpunkt und Form der Information . . . . . . . . . . . . Schadensersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahlungssicherung zugunsten des Versicherungsnehmers . . Großrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . Versicherungsberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterabschnitt 2 Vertretungsmacht
§ 69 § 70 § 71 § 72 § 73
X
Gesetzliche Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . Kenntnis des Versicherungsvertreters . . . . . . . . Abschlussvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschränkung der Vertretungsmacht . . . . . . . . . Angestellte und nicht gewerbsmäßig tätige Vermittler
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Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur a.A. a.a.O. ABE ABG ABGB abgedr. ABGF Abk. abl. ABl. ABMG ABN ABRK ABRV ABS Abs. Abschlussbericht Abschn. ABU ABV ABV (PKautV) ABVerm abw. AcP ADB ADS a.E. AEB ÄndG ÄndVO AERB AEUV AFB AFVB a.F. AFG AG AGG AGBG
anderer Ansicht am angegebenen Ort Allgemeine Bedingungen für die Elektronikversicherung Allgemeine Bedingungen für die Kaskoversicherung von Baugeräten Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) abgedruckt Allgemeine Bedingungen für die dynamische Sachversicherung des Gewerbes und der Freien Berufe Abkommen ablehnend Amtsblatt Allgemeine Bedingungen für die Maschinen- und Kasko-Versicherung von fahrbaren und transportablen Geräten Allgemeine Bedingungen für die Bauwesenversicherung von Gebäudeneubauten durch Auftraggeber Allgemeine Bedingungen für die Reparaturkosten von Kraftwagen Allgemeine Bedingungen für die Reise-Rücktrittskosten-Versicherung Allgemeine Bedingungen für die Sachversicherung (Österreich) Absatz siehe KomE Abschnitt Allgemeine Bedingungen für die Bauwesenversicherung von Unternehmerleistungen Allgemeine Bedingungen der Vertrauensschadenversicherung Allgemeine Bedingungen der Vertrauensschadenversicherung (Personenkautionsversicherung) Allgemeines Bedingungen für die Vermögenshaftpflichtversicherung abweichend Archiv für civilistische Praxis (zit. nach Band, Jahr u. Seite) Allgemeine Deutsche Binnen-Transportversicherungsbedingungen Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen von 1919 am Ende Allgemeine Einbruchdiebstahlversicherungsbedingungen Änderungsgesetz Änderungsverordnung Allgemeine Bedingungen für die Einbruchdiebstahl- und Raubversicherung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Allgemeine Bedingungen für die Feuerversicherung Allgemeine Bedingungen für die Fahrradverkehrsversicherung alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Amtsgericht; Aktiengesellschaft Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz)
XI
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur AGlB AGTG AHagB AHB AKB AktG ALB allg. allg.M. Alt. AltZertG a.M. AMB AMBUB AMG AMoB amtl. Begr. Anh. Anl. Anm. AnwBl. AnwKom/Bearbeiter ao AO AöR AP ARB ArchBR Art. ASKB Asmus/Sonnenberg AStB AT AtomG AUB AÜG Auff. Aufl. AuR ausdrückl. ausführl. AusfVO ausl. AuslG AusnVO ausschl. Ausschussbericht
XII
Allgemeine Bedingungen für die Glasversicherung Allgemeine Bedingungen für die Garantieverlängerungsversicherung von Technischen Geräten Allgemeine Hagelversicherungs-Bedingungen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Allgemeine Bedingungen für die KfZ-Versicherung Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien Allgemeine Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung allgemein allgemeine Meinung Alternative Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorgeverträgen anderer Meinung Allgemeine Maschinenversicherungs-Bedingungen Allgemeine Maschinen-Betriebsunterbrechungs-Versicherungsbedingungen Arzneimittelgesetz Allgemeine Montageversicherungsbedingungen amtliche Begründung Anhang Anlage Anmerkung Anwaltsblatt AnwaltKommentar BGB, hrsg. von Dauner-Lieb/Heidel/Ring, 5 Bände (2005) außerordentlich Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis. Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung Archiv für Bürgerliches Recht Artikel Allgemeine Bedingungen für die Sachversicherung von kerntechnischen Anlagen Kraftfahrtversicherung, 7. Aufl. (1998) Allgemeine Bedingungen für die Sturmversicherung Allgemeiner Teil Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Auffassung Auflage Arbeit und Recht ausdrücklich ausführlich Ausführungsverordnung ausländisch Ausländergesetz Ausnahmeverordnung ausschließlich Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (BTDrucks. 16/5862)
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur AV AVB AVBR AVBSP AVB Vermögen AVBW AVFE AVFEBU AVFEM AVG AVP AVR AVSZ AVTHK AWaB AWB AWG Az.
Allgemeine Verfügung Allgemeine Versicherungsbedingungen Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Reisegepäck Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Juwelen, Schmuck- und Pelzsachen im Privatbesitz Allgemeine Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden Allgemeine Bedingungen für die Kasko-Versicherung von Wassersportfahrzeugen Allgemeine Versicherungsbedingungen für Fernmelde- und sonstige elektronische Anlagen Allgemeine Betriebsunterbrechungs-Bedingungen bei Fernmelde- und sonstigen elektrotechnischen Anlagen Allgemeine Bedingungen für die Mehrkostenversicherung bei Fernmeldeanlagen und sonstigen elektrotechnischen Anlagen Angestelltenversicherungsgesetz Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Pferden und anderen Einhufern Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Rindern Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Schweinen, Schafen und Ziegen Allgemeine Bedingungen für die Tierkrankenversicherung von Hunden und Katzen Allgemeine Versicherungs-Bedingungen für die Waldbrandversicherung Allgemeine Bedingungen für die Leitungswasserversicherung Außenwirtschaftsgesetz Aktenzeichen
Bach/Langheid
Aktuelle Rechtsfragen der Versicherungsvertragspraxis, 2. Aufl. (1990) Bach/Moser Private Krankenversicherung, MB/KK- und MB/KT-Kommentar, 4. Aufl. (2009) BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BAG Bundesarbeitsgericht Bamberger/Roth/Bearbeiter Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch in drei Bänden, 2. Aufl. (2007/08) BankArch Bankarchiv. Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen BAnz. Bundesanzeiger Baran Das Versicherungsaufsichtsgesetz, 3. Aufl. (2000) Basedow/Fock Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bd. I–III (2002/03) Bauer Die Kraftfahrtversicherung, 5. Aufl. (2002) BauGB Baugesetzbuch Baumgärtel/Prölss Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 5 (Versicherungsrecht) (1993) Baumgärtel/Laumen/Prütting Handbuch der Beweislast – BGB AT, §§ 1–240, 3. Aufl. (2007) BAV (BAA) Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- (bis 1973: und Bauspar)wesen (bis 2001) BB Der Betriebs-Berater BBG Bundesbeamtengesetz Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz Bearb. Bearbeitung Beckmann/MatuscheVersicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. (2009) Beckmann/Bearbeiter
XIII
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur begl. Begr
Bek. Bekl. Bem. Benkel/Hirschberg ber. Berliner Kommentar/ Bearbeiter bes. BesBed Arch
BesBed Priv Beschl. Beschw. Bespr. Best. bestr. betr. BetrAV BetrAVG BeurkG BFH BGB BGBl. BGE BGH BGHGrS BGHR BGHSt BGHZ BLAH/Bearbeiter BLVA BMI BMJ Böhme/Biela Boldt FeuerV Bolze
XIV
beglaubigt Begründung zum VVG: RTDrucks Nr. 364, 12. Legislaturperiode, 1. Session 1907; zum PflVersG v. 7.11.1939: DJ 39, 1771; zur VO v. 19.12.1939: Amtl. Sonderveröffentl. d. DJ Nr. 20, Beilage zur DJ Nr. 3/1940; zum G v. 28.12.1942: DJ 43, 41 ff.; zur VO v. 6.4.1943: DJ 43, 269; zum G v. 5.4.1965 (PflVersG n.F.): BRDrucks. IV/2252 S 11 ff. zum RegE VVGReformG v. 20.12.2006 BTDrucks. 16/3945 Bekanntmachung Beklagter Bemerkung Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung, ALB- und BUZ-Kommentar, 2. Aufl. (2009) berichtigt Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz: Kommentar zum deutschen und österreichischen VVG, hrsg. von H. Honsell (1999) besonders Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren und beratenden Ingenieuren Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privathaftpflichtversicherung Beschluss Beschwerde Besprechung Bestimmung bestritten betreffend Betriebliche Altersversorgung Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Beurkundungsgesetz Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des (Schweizerischen) Bundesgerichts Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof, Großer Senat BGH-Rechtsprechung Zivilsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (zit. nach Band u. Seite) Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (zit. nach Band u. Seite) Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 67. Aufl. (2009) Bayerische Landesbrandversicherungsanstalt Bundesminister(ium) des Inneren Bundesminister(ium) der Justiz Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden. Handbuch für die Praxis, 23. Aufl. (2006) (bis zur 22. Aufl. Becker/Böhme) Feuerversicherung, 7. Aufl. (1995) Praxis des Reichsgerichts in Civilsachen (1886 ff.)
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur Borutta BR BRAK BRAO BRAOÄndG
bzgl. bzw.
Handbuch des Privatversicherungsrechts (Loseblatt-Ausgabe) Bundesrat Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrechtsanwaltsordnung Gesetz zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentrechtsanwaltsordnung und anderer Gesetze Lebensversicherung (1932) Bundesrats-Drucksache Bundesregierung Protokolle des Bundesrates Beamtenrechtsrahmengesetz Verhandlungen des Bundesrats, Stenographische Berichte (zit. nach Sitzung u. Seite) Das Privatversicherungsrecht (1930) Kommentar zum Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, 7. Aufl. (1932) Das Recht des Lebensversicherungsvertrages: ein Kommentar zu den Allgemeinen Vertragsbedingungen der Kapitalversicherung auf den Todesfall, 2. Aufl. (1933) Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen unter Einschluss des Versicherungsvermittlerrechtes, 8. Aufl. (1961–2002) Großkommentar zum Versicherungsvertragsgesetz und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, 9. Aufl. (2008 ff) Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz Beispiel Bundessteuerblatt Besonderer Teil, Bundestag Bundestagsdrucksache s. BTVerh. Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags Verhandlungen des deutschen Bundestag, Stenographische Berichte (zit. nach Wahlperiode u. Seite) Betriebsunterbrechung Buchstabe Handbuch Versicherungsrecht, 4. Aufl. (2009) Versicherungsrecht in der anwaltlichen Praxis, 4. Aufl. (2000) Reiseversicherung, 3. Aufl. (2009) Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Besondere Vertragsbedingungen Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zit. nach Band u. Seite) Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (zit. nach Band u. Seite) bezüglich beziehungsweise
ca. cic CR
circa culpa in contrahendo Computer und Recht
Braun Lebensversicherung BRDrucks. BReg. BRProt. BRRG BRStenBer. Bruck PVR Bruck Versicherungsvertrag Bruck/Dörstling Bruck/Möller/Bearbeiter 8
Bruck/Möller/Bearbeiter BSG BSHG Bsp. BStBl. BT BTDrucks. BTProt. BTRAussch. BTStenBer. BU Buchst. van Bühren/Bearbeiter Hdb van Bühren van Bühren/Nies BUZ BVB BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE
XV
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur dagg. DAR DAV DB DDR DepotG ders. Deutsch dgl. DGVZ d.h. dies. Dietz HausratV Dietz WohngebäudeV Diff., diff. Dig. Diller Diss. DJ DJT DJZ DMW DöV Dörner AVB D&O DOGE DR DRechtsw. Dreher DRiB DRiG DRiZ DRM DRpfl. DRsp. Drucks. DRW DRZ DSB DStrR dt. DuR DVBl. DVers. DVersPresse DVO DVollzO DVP DVR
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dagegen Deutsches Autorecht Deutscher Anwaltsverein; Deutsche Aktuarvereinigung Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz) derselbe Das neue Versicherungsvertragsrecht, 6. Aufl. (2008) dergleichen Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung das heißt dieselbe(n) Hausratversicherung 84, Kommentar, 2. Aufl. (1987) Wohngebäudeversicherung, Kommentar, 2. Aufl. (1999) Differenzierung, differenzierend Digesta Die Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte, Kommentar (2009) Dissertation Deutsche Justiz Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung (1896–1936) Deutsche Medizinische Wochenschrift Deutsche öffentlich-rechtliche Versicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen, Textausgabe, 6. Aufl. (2009) Directors and Officers (Liability Insurance) Entscheidungen des Deutschen Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Deutsches Recht, Wochenausgabe (vereinigt mit Juristische Wochenschrift) (1931–1945) Deutsche Rechtswissenschaft (1936–1943) Die Versicherung als Rechtsprodukt (1991) Deutscher Richterbund Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung Deutsches Recht, Monatsausgabe (vereinigt mit Deutsche Rechtspflege) Deutsche Rechtspflege (1936–1939) Deutsche Rechtsprechung, hrsg. von Feuerhake (Loseblattsammlung) Drucksache Deutsches Recht, Wochenausgabe Deutsche Rechts-Zeitschrift (1946–1950) Datenschutzberater Deutsches Steuerrecht deutsch Demokratie und Recht Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Versicherung Deutsche Versicherungspresse Durchführungsverordnung Dienst- und Vollzugsordnung Deutsche Verwaltungspraxis Datenverarbeitung im Recht (bis 1985, danach vereinigt mit IuR)
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur DVZ DZWiR
Deutsche Versicherungszeitschrift Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
E ebd. ebso. ECB
Entwurf bzw. Entscheidung ebenda ebenso Bedingungen für die Versicherung zusätzlicher Gefahren zur Feuerversicherung für Industrie- und Handelsbetriebe Bedingungen für die Versicherung zusätzlicher Gefahren zur FeuerBetriebsunterbrechungs-Versicherung für Industrie- und Handelsbetriebe Einbruchdiebstahl editor(s) Einbruchdiebstahlversicherung Entscheidung der Finanzgerichte (zit. nach Band u. Seite) Einführungsgesetz bzw. Europäische Gemeinschaft(en) bzw. Erinnerungsgabe Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz v. 27.1.1877 Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung und anderer Gesetze Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäischer Gerichtshof für Menschenrecht Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum VVG Ehegesetz ehemalig Privatversicherungsrecht (1923) Deutsches (österreichisches) Versicherungs-Vertragsrecht (1952) Einführung eingehend einschließlich einschränkend Einleitung Europäische Kommission für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention entgegen Entscheidung entsprechend Entwurf Ergebnis bzw. Ergänzung Ergänzungsband Erläuterung Erwiderung Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – Amtliche Sammlung Europäische Grundrechte-Zeitschrift
ECBUB
ED ed(s) EDV EFG EG EGBGB EGGVG EGInsO EGInsOÄndG EGKS EGMR EGOWiG EGStGB EGStPO EGV EGVVG EheG ehem. Ehrenberg Ehrenzweig Einf. eingeh. einschl. einschr. Einl. EKMR EMRK entgg. Entsch. entspr. Entw. Erg. ErgBd. Erl. Erw. EStG etc. EU EuGH EuGHE EuGRZ
XVII
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur EuR EurKomMR europ. EuropolG EUV EuZW EV
evtl. EWG EWGV EWiR EWiV f., ff. FAG Fahr/Kaulbach/Bähr FamRZ FAO Farny FBUB Fenyves/Kronsteiner/Schauer FG FGG FGO FHB FinDAG FJL Fn. fragl. FS FVG v. Fürstenwerth/Weiß G GB BAV GB GDV GBl. GDV GE gem. GenG Gerhard/Hagen GerS GeschO gesetzl. GewArch GewO
XVIII
Europarecht Europäische Kommission für Menschenrechte europäisch Europol-Gesetz Vertrag über die Europäische Union (Lissabon-Vertrag) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung folgende Gesetz über Fernanmeldanlagen Versicherungsaufsichtsgesetz, 4. Aufl. (2007) Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht. Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fachanwaltsordnung Versicherungsbetriebslehre, 4. Aufl. (2006) Allgemeine Feuer-Betriebsunterbrechungs-Versicherungsbedingungen Kommentar zu den Novellen zum VersVG (Österreich) (1998) Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Feuerhaftungs-Versicherungsbedingung Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Feyock/Jacobsen/Lemor Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. (2009) Fußnote fraglich Festschrift Gesetz über die Finanzverwaltung Versicherungsalphabet, 10. Aufl. (2001) Gesetz Geschäftsbericht des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen Geschäftsbericht des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Gesetzblatt Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Geschäftsplanmäßige Erklärung gemäß Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Kommentar zum deutschen Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag (1908) Der Gerichtssaal Geschäftsordnung gesetzlich Gewerbearchiv, Zeitschrift für Gewerbe- u. Wirtschaftsverwaltungsrecht Gewerbeordnung
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur gg. GG ggf. von Gierke Versicherungsrecht I von Gierke Versicherungsrecht II GKG GKV gl. GmbHG GmbHR GMBl. GoA grdl. grds. Grimm GrS GrSZ Grubmann GRUR GS GVBl. GVG GWB GwG
h.A. Hagelschuer Hagen Versicherungsrecht Halbs. Halm/Engelbrecht/Krahe Hansen Beweislast HansRGZ Harbauer Hauss Hax Hdb. HdV HeilPrG Heiss Heiss/Lorenz Herdt HEZ HFR HGB HGZ hins. Hinw.
gegen Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls J. von Gierke, Versicherungsrecht, Bd. I (1937) J. von Gierke, Versicherungsrecht, Bd. II (1947) Gerichtskostengesetz Gesetzliche Krankenversicherung gleich Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (vorher: Rundschau für GmbH) Gemeinsames Ministerialblatt Geschäftsführung ohne Auftrag grundlegend grundsätzlich Unfallversicherung, 5. Aufl. (2009) Großer Senat Großer Senat in Zivilsachen Das Versicherungsvertragsgesetz, 6. Aufl. (2007) (Österreich) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz) herrschende Ansicht Lebensversicherung, 2. Aufl. (1987) in: Ehrenbergs Handbuch des gesamten Handelsrechts, 8. Band, I. und II. Abteilung (1922) Halbsatz Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht, 3. Aufl. (2008) Beweislast und Beweiswürdigung im Versicherungsrecht (1990) Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift Rechtsschutzversicherung. Kommentar zu den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB), 8. Aufl. (2009) 25 Jahre Karlsruher Forum. Beiträge zum Haftungs- und Versicherungsrecht (1983) Grundlagen des Versicherungswesens (1964) Handbuch Handwörterbuch der Versicherung, hrsg. von Farny/Helten/Koch/ Schmidt (1988) Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) Treu und Glauben im Versicherungsvertragsrecht (1989) Versicherungsvertragsgesetz, 2. Aufl. (1996) Die mehrfache Kausalität im Versicherungsrecht (1978) Höchstrichterliche Entscheidungen (Zivilsachen) Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch Hanseatische Gerichtszeitung hinsichtlich Hinweis
XIX
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur HK VVG/Bearbeiter h.L. h.M. Hofmann PVR HRR Hrsg./hrsg. h.Rspr. Hübner
i.Allg. i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.E. i.e.S. IFG i.gl.S. i.Grds. IHK i.H.v. ILC IM InfoV inl. insbes. insges. InsO inzw. IPBPR i.R.d. i.R.v. i.S. i.S.d. i.S.e. i.S.v. i.techn.S. i.U. i.üb. IuKDG
Versicherungsvertragsgesetz Handkommentar, hrsg. von Rüffer/Halbach/Schimikowski (2009) herrschende Lehre herrschende Meinung Privatversicherungsrecht, 4. Auflage (1998) Höchstrichterliche Rechtsprechung (1928–1942), bis 1927: Die Rechtsprechung, Beilage zur Zeitschrift Juristische Rundschau Herausgeber/herausgegeben herrschende Rechtsprechung Allgemeine Versicherungsbedingungen und AGB-Gesetz, 5. Aufl. (1997)
IuR IVH i.V.m. i.w. i.w.S. i.Z.m.
im Allgemeinen in der Fassung in der Regel in diesem Sinne im Ergebnis im engeren Sinne Informationsfreiheitsgesetz im gleichen Sinne im Grundsatz Industrie- und Handelskammer in Höhe von International Law Commission Innenministerium siehe VVG-InfoV inländisch insbesondere insgesamt Insolvenzordnung inzwischen Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte im Rahmen der/des im Rahmen von im Sinne im Sinne der/des im Sinne einer(s) im Sinne von im technischen Sinne im Unterschied im Übrigen Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienstegesetz) Informatik und Recht Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht in Verbindung mit im Wesentlichen im weiteren Sinne im Zusammenhang mit
JA Jabornegg JahrbÖR JBeitrO
Juristische Arbeitsblätter für Ausbildung und Examen Das Risiko des Versicherers (1979) Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Justizbeitreibungsordnung
XX
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur JBl. JBlRhPf. JBl Saar jew. JK JM JOR JPVR JR Jula JurA Jura JurJahrb. JuS Justiz JuV JVBl. JVKostO JW JZ JZ-GD KalV
Kap. Kfz. KfzPflVV KG KGJ
KH Kisch Versicherungsschein Kisch Mehrfache Versicherung Kisch PVR II Kisch PVR III KJ Kl. KLV Knoerrich/Rotkies KO Koch/Weiss Koller KomE
KorrBekG K&R krit. KritVj
Juristische Blätter (Österreich) Justizblatt Rheinland-Pfalz Justizblatt des Saarlandes jeweils Jura-Kartei Justizminister(ium) Jahrbuch für Ostrecht Juristische Rundschau für die Privatversicherung Juristische Rundschau Sachversicherungsrecht, 2. Aufl. (2008) Juristische Analysen Juristische Ausbildung Juristen-Jahrbuch Juristische Schulung. Zeitschrift für Studium und Ausbildung Die Justiz. Amtsblatt des Justizministeriums von Baden-Württemberg Justiz und Verwaltung Justizverwaltungsblatt Gesetz über Kosten im Bereich der Justizverwaltung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Juristenzeitung – Gesetzgebungsdienst Verordnung über die versicherungsmathematischen Methoden zur Prämienkalkulation und zur Berechnung der Alterungsrückstellung in der Privaten Krankenversicherung (Kalkulationsverordnung – KalV) Kapitel Kraftfahrzeug Kraftfahrzeugpflichtversicherungsverordnung Kammergericht, Kommanditgesellschaft Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen (1881–1922) (zit. nach Band u. Seite) Kraftfahrzeug-Haftpflicht Der Versicherungsschein (1952) Die Mehrfache Versicherung desselben Interesses (1935) Handbuch des Privatversicherungsrechts, Bd. II (1920) Handbuch des Privatversicherungsrechts, Bd. III (1922) Kritische Justiz Klausel Kapitalbildende Lebensversicherung Rechtsgrundlagen der Individualversicherung Konkursordnung Gabler Versicherungslexikon (1994) Transportrecht, 6. Aufl. (2007) Kommissionsentwurf zur Reform des Versicherungsvertragsrechts; zitiert nach: Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19. April (2004), hrsg. von Egon Lorenz (2004) Gesetz zur Bekämpfung der Korruption Kommunikation und Recht kritisch Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung
XXI
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur KrW-/AbfG
KTS K&R Kühnholz KunstUrhG Kuwert/Erdbrügger KuV KWG Langheid/Wandt/Bearbeiter
LegPer. LG lit. Lit. LM LMK Looschelders/Pohlmann/ Bearbeiter LPG LS lt. LVerf. LZ LZB
m. MaBV Mahr Maier Manes Versicherungslexikon m. Anm. Marlow/Spuhl Martin SVR m.a.W. m.Bespr. MBKK MBKT MBPPV MBUB MdB MdL MDR MDStV MedR Meixner/Steinbeck
XXII
Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz) Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Kommunikation und Recht Versicherungsrecht (1989) Kunsturhebergesetz Privat-Haftpflichtversicherung. Leitfaden durch die besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen, 2. Aufl. (1990) Kraftfahrt und Verkehrsrecht Gesetz über das Kreditwesen Münchener Kommentar Versicherungsvertragsgesetz: VVG; Band 1: §§ 1–99 VVG (Teil 1. Allgemeiner Teil) und Erläuterungen zum EGVVG (2010); Band 3: §§ 192–215 VVG, Synopsen, Materialien (2009) Legislaturperiode Landgericht littera (Buchstabe) Literatur Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. von Lindenmaier/ Möhring u.a. (zit. nach Paragraph u. Nummer) Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring VVG Versicherungsvertragsgesetz, Kommentar (2009) Landespressegesetz Leitsatz laut Landesverfassung Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (1907–1933) Zusatzbedingungen für die Feuerversicherung landwirtschaftlicher Betriebe mit Makler- und Bauträgerverordnung Einführung in die Versicherungswirtschaft, 3. Aufl. (1970) Das Versicherungs-Vertragsrecht (1911) Versicherungslexikon, 3. Aufl. (1930) mit Anmerkung Das neue VVG, 3. Aufl. (2008) Sachversicherungsrecht, Kommentar, 3. Aufl. (1992) mit anderen Worten mit Besprechung Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung Musterbedingungen für die private Pflegeversicherung Allgemeine Maschinen-Betriebsunterbrechungs-Versicherungsbedingungen Mitglied des Bundestags Mitglied des Landtags Monatsschrift für Deutsches Recht Staatsvertrag über Mediendienste Zeitschrift für Medizinrecht Das neue Versicherungsvertragsrecht (2008)
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur missverst. m.krit.Anm. MMR MMW Möller Verantwortlichkeit Möller Versicherungsvertragsrecht Motive MüKo-BGB/Bearbeiter H. Müller m.w.N. m.zust.Anm. N. Nachtr. Nds.GVBl. Nds.Rpfl NEGB NEhelG Neum. n.F. Niederleithinger NJ NJOZ NJW NJWE-VHR NJW-RR Nr. NStZ NVersZ NVwZ NwIG NwSoBed NwSoBedIuG NwSoBedlwGeb NZA NZG NZS NZV o. o.ä. ob.dict. OBGer öffentl. ÖJVersG ÖJZ ÖVVG
missverständlich mit kritischer Anmerkung (von) MultiMedia und Recht Münchner Medizinische Wochenschrift Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für das Verhalten Dritter (1939) Versicherungsvertragsrecht, 3. Aufl. (1977) Motive zum VVG, Nachdruck (1963) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Rebmann/Säcker/Rixecker, 5. Aufl. (2009) Versicherungsbinnenmarkt (1998) mit weiteren Nachweisen mit zustimmender Anmerkung Nachweise Nachtrag Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Niedersächsische Rechtspflege Allgemeine Bedingungen für die Neuwertversicherung der Elektround Gasgeräte des Haushalts Gesetz über die Rechtsstellung der nichtehelichen Kinder Neumanns Zeitschrift für Versicherungswesen neue Fassung Das neue VVG (2007) Neue Justiz Neue Juristische Online Zeitung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Entscheidungsdienst Versicherungs-/Haftungsrecht NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Industrie und Gewerbe Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Industrie und Gewerbe Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung landwirtschaftlicher Gebäude Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht oben oder ähnlich obiter dictum Obergericht (Schweizer Kantone) öffentlich Österr. Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum Österreichische Juristenzeitung Österreichisches Versicherungsvertragsgesetz (auch VersVG)
XXIII
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur o.g. OG OGDDR ÖOGH OHG OLG OLGZ OVG OWiG Palandt/Bearbeiter PartGG PatG PAuswG PKV polit. PostG PostO Pr.
oben genannt Oberstes Gericht der DDR Entscheidungen des Obersten Gerichts der DDR in Zivilsachen Österreichischer Oberster Gerichtshof Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen, einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
Präve AGB PrG Prölss/Martin/Bearbeiter Prölss/Bearbeiter VAG PrOVG PStG psych.
Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl. (2009) Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Patentgesetz Gesetz über Personalausweise Private Krankenversicherung politisch Gesetz über das Postwesen (Postgesetz) Postordnung Praxis des Versicherungsrechts, Beilage zur „Oeffentlich-rechtlichen Versicherung“ (1926–1928: „Versicherung und Geldwirtschaft“) Versicherungsbedingungen und AGB-Gesetz (1998) Pressegesetz Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. (2005) Versicherungsaufsichtsgesetz, hrsg. von Kollhosser, 12. Aufl. (2005) Preußisches Oberverwaltungsgericht Personenstandsgesetz psychisch
QIR
Angerer/Ollick, Quellen zum Individualversicherungsrecht
RAA RAO Raiser
Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung Reichsabgabenordnung Kommentar der Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen, 2. Aufl. (1937) Deutscher Reichsanzeiger Rechtsausschuß/Rechtsausschuss Gesetz zur Verhütung von Mißbrauch auf dem Gebiet der Rechtsberatung Recht der Arbeit Runderlaß/Runderlass Rechtsdienstleistungsgesetz Recht der Jugend und des Bildungswesens Das Recht des Kraftfahrers, Unabhängige Monatsschrift des Kraftverkehrsrechts (1926–43, 1949–55) Rundschreiben Recht der Datenverarbeitung Recht der Wirtschaft (Österreich) Das Recht, begründet von Soergel (1897–1944) Rechtsmedizin rechtspolitisch rechtsvergleichend Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts mit Begründung (nicht veröffentlicht; zitiert nach der vom BMJ online zur Verfügung gestellten
RAnz. RAussch. RBerG RdA RdErl. RDG RdJB RdK RdSchr. RDV RdW Recht RechtsM rechtspol. rechtsvergl. RefE
XXIV
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
RuS RVerkBl. RVG RVO RzW
PDF-Datei; u.a. noch abrufbar unter: http://www.brak.de/seiten/pdf/ aktuelles/versicherungsvertragsrecht.pdf) Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2007 (BGBl. I S. 2631) (siehe auch VVG-Reform 2008) Regierung Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (BTDrucks. 16/3945); siehe auch Ausschussbericht Regierungsblatt Aspekte des internationalen Versicherungsvertragsrechts im Europäischen Wirtschaftsraum, hrsg. von Reichert-Facilides (1994) relativ Reichsfinanzhof Rundfunkstaatsvertrag Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsrätekommentar – Das Bürgerliche Gesetzbuch. Kommentar, hrsg. von den Mitgliedern des Bundesgerichtshofs, 12. Aufl. (1975 ff.) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (zit. nach Band u. Seite) Rechnungshofgesetz Privatversicherungsrecht (1980) Unfallversicherungsrecht und AUB 88, 2. Aufl. (1991) Das Recht der Seeversicherung. Kommentar zu den Allgemeinen Deutschen Seeschiffahrts-Bedingungen, 2. Aufl. (1967) Reichsknappschaftsgesetz Richtlinie Randnummer(n) Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zum Versicherungsvertragsrecht, 7. Aufl. (1997) Versicherungsvertragsgesetz, 2. Aufl. (2002) Recht in Ost und West. Zeitschrift für Rechtsvergleichung und interzonale Rechtsprobleme Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Rechtsprechung Reichssteuerblatt Reichstag Drucksachen des Reichstags Verhandlungen des Reichstags Das neue Versicherungsrecht: Gesetzestexte, Materialien, Hinweise (1994) Recht und Politik. Vierteljahreshefte für Rechts- und Verwaltungspolitik Recht und Schaden Reichsverkehrsblatt Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Reichsversicherungsordnung Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht
s. S. s.a. SaarRZ SBR
siehe Satz, Seite siehe auch Saarländische Rechts- und Steuerzeitschrift Sonderbedingungen für die Beraubungsversicherung
ReformG Reg. RegE RegBl. Reichert-Facilides/Bearbeiter rel. RFH RfStV RG RGBl. RGRK/Bearbeiter
RGZ RHG Richter PVR Riebesell Ritter/Abraham RKG RL Rn. Römer Römer/Langheid ROW Rpfleger RpflG Rspr. RStBl. RT RTDrucks. RTVerh. Rudisch Versicherungsrecht RuP
XXV
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur Schauer ScheckG Schimikowski Schimikowski/Höra SchlHA SchHB 79 Schmidt-Salzer/Schramm Schmidt-Salzer/Bearbeiter Schmidt/Müller-Stüler Schmidt Obliegenheiten Schwintowski Schwintowski/ Brömmelmeyer/Bearbeiter SchwJZ SchwZStr. Sen. SGB I, IV, V, VIII, X, XI
SGb. SGG SGlN Sieg Versicherungsvertragsrecht SJZ s.o. Soergel/Bearbeiter sog. Sonderausschuss SozVers SP Späte AHB spez. SpV StaatsGH Staudinger/Bearbeiter StAZ Stein/Jonas StenBer StGB Stiefel/Hofmann
XXVI
Das österreichische Versicherungsvertragsrecht, 3. Aufl. (1995) Scheckgesetz Versicherungsvertragsrecht, 4. Aufl. (2009) Das neue Versicherungsvertragsrecht (2008) Schleswig-Holsteinische Anzeigen Allgemeine Bedingungen für die gleitende NeuwertVers von Gebäuden gegen Schäden durch Schwamm und Hausbockkäfer Kommentar zur Umwelthaftpflichtversicherung (1993) Produkthaftung, Bd. IV/1: Produkthaftpflichtversicherung, 3. Auflage (1994) Das Recht der öffentlich-rechtlichen Sachversicherung, 3. Aufl. (1979) Reimer Schmidt, Die Obliegenheiten (1953) Der private Versicherungsvertrag zwischen Recht und Markt (1987) Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht (2008) Schweizerische Juristen-Zeitung Schweizer Zeitschrift für Strafrecht (zit. nach Band u. Seite) Senat I: Sozialgesetzbuch, Allg. Teil IV: Sozialgesetzbuch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung V: Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Krankenversicherung VIII: Sozialgesetzbuch, Kinder- und Jugendhilfe X: Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren, Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehung zu Dritten XI: Soziale Pflegeversicherung Sozialgerichtsbarkeit Sozialgerichtsgesetz Sonderbedingungen für die gleitende Neuwertversicherung von Wohn-, Geschäfts- und landwirtschaftlichen Gebäuden Allgemeines Versicherungsvertragsrecht, 3. Aufl. (1994) Süddeutsche Juristen-Zeitung (1946–50), dann Juristenzeitung siehe oben Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl. (2000) sogenannt(e) Sonderausschuß des Bundestags für die Strafrechtsreform, Niederschriften zitiert nach Wahlperiode und Sitzung Die Sozialversicherung Schadenspraxis Haftpflichtversicherung. Kommentar zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) (1993) speziell Spektrum für Versicherungsrecht Staatsgerichtshof Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Bearbeitung (1993 ff.) Das Standesamt. Zeitschrift f. Standesamtswesen, Personenstandsrecht, Ehe- u. Kindschaftsrecht, Staatsangehörigkeitsrecht Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl. (2002 ff.) Stenographischer Bericht Strafgesetzbuch Kraftfahrtversicherung. Kommentar zu den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftversicherung (AKB) und zu den Allgemeinen Bedingungen für die Verkehrs-Service-Versicherung (AVSB), 17. Aufl. (2000)
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur StPO str. st.Rspr. StuR StVG StVj StVO SVS StVZO s.u. SubvG SV SZ
Strafprozeßordnung strittig, streitig ständige Rechtsprechung Staat und Recht Straßenverkehrsgesetz Steuerliche Vierteljahresschrift Straßenverkehrsordnung Speditions-Versicherungsschein Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung siehe unten Subventionsgesetz Sachverhalt Entscheidungen des Österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- und Justizverwaltungssachen
TDG Terbille/Bearbeiter MAH
Gesetz über die Nutzung von Telediensten Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, hrsg. von Terbille, 2. Aufl. (2008) Tierschutzgesetz Titel Telekommunikationsgesetz Transportrecht Gesetz über die durch innere Unruhen verursachten Schäden vom 12.5.1920 Truppenvertrag Textzahl
TierschG Tit. TKG TranspR TumSchG TV Tz. u. u.a. u.ä. u.a.m. Üb. ÜbergangsAO Übk. ü.M. UFITA U-Haft Ulmer/Brandner/Hensen umstr. UNO unv. u.ö. UrhG UStG usw. u.U. UWG UZwG VA
VA (Berlin)
unten unter anderem und ähnlich und anderes mehr Überblick, Übersicht Übergangsanordnung Übereinkommen überwiegende Meinung Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Untersuchungshaft AGBG-Kommentar, 10. Aufl. (2006) umstritten United Nations Organization (Vereinte Nationen) unveröffentlicht und öfter Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Umsatzsteuergesetz und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherung, ab 1947: … des Zonenamtes des Reichsaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (Hamburg) Veröffentlichungen des Aufsichtsamts für das Versicherungswesen Groß-Berlin (ab 15.9.1948)
XXVII
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur VAE VAG v.A.w. VBlBW VDEW VE VerBAV/VerBaFin
VereinsG VerfGH VerglO Verh. VerkMitt vermitt. VerschG VersG VersEnzyklopädie/Bearbeiter VersAG VersArch VersM VersPrax VersR VersRdsch. VersSlg VersVermV VersVO VersWissArch VersWiss. Stud. VerwArch. VG VGB VGB 2008 VGH vgl. VGS VHB
VHB 2008 VN VO VOBl. VOBlBZ. VOR vorangeh.
XXVIII
Verkehrsrechtliche Abhandlungen und Entscheidungen Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmungen von Amts wegen Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke Vorentwurf Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungsund Bausparwesen, ab 1973: … des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen, ab Mai 2002: VerBAFin = Veröffentlichungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Versicherungsbereich) Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) Verfassungsgerichtshof Vergleichsordnung Verhandlungen des Deutschen Bundestages (BT), des Deutschen Juristentages (DJT) usw. Verkehrsrechtliche Mitteilungen vermittelnd Verschollenheitsgesetz Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) Versicherungsenzyklopädie, hrsg. von Grosse/Müller-Lutz/Schmidt, 4. Aufl. (1991) Versicherungsaktiengesellschaft Versicherungsarchiv Versicherungsmedizin Die Versicherungspraxis Versicherungsrecht. Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungsund Schadensrecht Versicherungsrundschau (Österreich) Sammlung der seit 1945 ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen in Vertragsversicherungssachen, hrsg. von K. Wahle (1961) Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung Dritte DurchführungsVO zu MRG Nr. 63 (VersicherungsVO) Versicherungswissenschaftliches Archiv Versicherungswissenschaftliche Studien, hrsg. von Basedow/Meyer/ Schwintowski Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Allgemeine Bedingungen für die Neuwertversicherung von Wohngebäuden gegen Feuer-, Leitungswasser- und Sturmschäden Allgemeine Wohngebäude-Versicherungsbedingungen Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vereinigter Großer Senat Allgemeine Bedingungen für die Neuwertversicherung des Hausrats gegen Feuer-, Einbruchdiebstahl-, Beraubungs-, Leitungswasser-, Sturm- und Glasbruchschäden / Allgemeine Hausratversicherungsbedingungen Allgemeine Hausrat-Versicherungsbedingungen Versicherungsnehmer Verordnung Verordnungsblatt Verordnungsblatt für die Britische Zone Zeitschrift für Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht vorangehend
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur Voraufl. Vorbem. vorgen. VRR VR VRS VU VuR VVaG VVG VVG-InfoV VVGE
VVG-Kommission VVGRefG bzw. VVG-Reform 2008 VVV VW VwGO VwVfG VwVG VwZG WaffG Wallm. Wandt WarnRspr weitergeh. Werber/Winter von Westphalen/Bearbeiter WHG WI WiB 1. WiKG 2. WiKG Winter WiStG WM Wolf/Lindacher/ WPg WpHG WRP WuM WuR
Wussow Wussow AHB
Vorauflage Vorbemerkung vorgenannt Verkehrsrechtliche Rundschau Versicherer Verkehrsrechts-Sammlung, Entscheidungen aus allen Gebieten des Verkehrsrechts (zit. nach Band u. Seite) Versicherungsunternehmen Verbraucher und Recht Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen Entscheidungssammlung zum Versicherungsvertragsrecht (VVGE): Entscheidungen zum Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), hrsg. von Dietrich Müller Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2007 (BGBl. I S. 2631) (siehe auch ReformG) Versicherungswissenschaft, Versicherungspraxis, insbesondere Versicherungsmedizin (später DVZ) Versicherungswirtschaft Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsvollstreckungsgesetz Verwaltungszustellungsgesetz Waffengesetz Wallmanns Versicherungszeitschrift Versicherungsvertragsrecht, 4. Aufl. (2008) Sammlung zivilrechtlicher Entscheidungen des RG, hrsg. von Warneyer (zit. nach Jahr u. Nummer) weitergehend Grundzüge des Versicherungsvertragsrechts (1986) Produkthaftungshandbuch (1997) Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) Wussows Informationen Wirtschaftsrechtliche Beratung 1. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität 2. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Versicherungsaufsichtsrecht (2007) Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954) Wertpapier-Mitteilungen AGB-Recht, Kommentar (2007) Die Wirtschaftsprüfung Gesetz über Wertpapierhandel Wettbewerb in Recht und Praxis Wohnungswirtschaft und Mietrecht Wirtschaft und Recht der Versicherung. Beiheft zu Mitt., ab 1926 zu „Versicherung und Geldwirtschaft“, ab 1929 zu OeffV, ab 1935 zur DOeffV Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl. (2008) Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung, 8. Aufl. (1976)
XXIX
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur Wussow FeuerV WZG (Z) ZAkDR ZaöRV ZAP z.B. ZentrBlHR ZEuP ZfBR ZFBUB ZfgA 81b ZfRV ZfS ZfV ZfW ZfZ ZGR ZGS ZHR Ziff. ZIP zit. ZJBl. ZMR Zöller/Bearbeiter ZollG ZPO ZRP ZSchwR ZSK ZSW z.T. ZUM zusf. zust. ZustG zutr. z.V.b. ZVBl. ZVerkR ZVersWiss ZVG zw. z.Z. ZZP
XXX
Kommentar zu den AFB und den §§ 1127–1130 BGB, §§ 97–107c VVG, 2. Aufl. (1975) Warenzeichengesetz Entscheidung in Zivilsachen Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht (1934–44) Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für die Anwaltspraxis zum Beispiel Zentral-Blatt für Handelsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht Zusatzbedingungen zu den FBUB Zusatzbedingungen (zu den AFB) für Fabriken und gewerbliche Anlagen Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht u. Europarecht Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für Wasserrecht Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, begr. v. Goldschmidt Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zentral-Justizblatt für die Britische Zone Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen; Kommentar 27. Aufl. (2009) Zollgesetz Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zusatzklauseln Zeitschrift für das gesamte Sachverständigenwesen zum Teil Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht/Film und Recht zusammenfassend zustimmend Zustimmungsgesetz zutreffend zur Veröffentlichung bestimmt Zentralverordnungsblatt für die sowjetische Besatzungszone Deutschlands (Österr.) Zeitschrift für Verkehrsrecht Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (zitiert nach Jahr und Seite) Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) zweifelhaft zur Zeit Zeitschrift für Zivilprozess
Versicherungsvertragsgesetz Artikel 1 des Gesetzes vom 23.11.2007 (BGBl. I S. 2631), in Kraft getreten am 1.1.2008, zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 29.7.2009 (BGBl. I S. 2355)
TEIL 1 ALLGEMEINER TEIL Kapitel 1 Vorschriften für alle Versicherungszweige Abschnitt 3 Prämie § 33 Fälligkeit (1) Der Versicherungsnehmer hat eine einmalige Prämie oder, wenn laufende Prämien vereinbart sind, die erste Prämie unverzüglich nach Ablauf von 14 Tagen* nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen. (2) Ist die Prämie zuletzt vom Versicherer eingezogen worden, ist der Versicherungsnehmer zur Übermittlung der Prämie erst verpflichtet, wenn er vom Versicherer hierzu in Textform aufgefordert worden ist.
Schrifttum Baumann Prämie, Rechtsfragen in: HdV (1988) 533; Gärtner Prämienzahlungsverzug 2. Aufl. (1977); Ganster Die Prämienzahlung im Versicherungsrecht (2008) (zit.: Ganster Prämienzahlung); Gaul Zum Abschluss des Versicherungsvertrags, VersR 2007 21; Grote/Bronkars Gesundheitsreform und private Krankenversicherung – wirtschaftliche Konsequenzen für Versicherer und Versicherte, VersR 2008 580; Riedler Der Prämienzahlungsverzug bei Erst- und Folgeprämie (1990); ders. Aktuelle Probleme des Prämienzahlungsverzugs im Privatversicherungsrecht, VersRdsch 1993 300; Schirmer Prämienzahlung und Prämienzahlungsverzug nach dem VVG 2008, Festschrift Wälder (2009) 67; Schimikowski Abschluss des Versicherungsvertrags nach neuem Recht, RuS 2006 441; Theda
* § 33 i.d.F. des VVG RefG enthielt noch die Wendung „zwei Wochen“. Gem. Art. 10 Nr. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuord-
nung der Vorschriften über das Widerrufsund Rückgaberecht v. 29.7.2009 (BGBl. I S. 2355), wurden die Wörter „zwei Wochen“ durch die Angabe „14 Tagen“ mit Wirkung zum 11.6.2010 ersetzt (vgl. Rn. 3).
Roland Michael Beckmann
1
§ 33
Abschnitt 3. Prämie
Beitragsverzug – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, DAR 1987 34; Wandt/Ganster Zur Harmonisierung von Versicherungsbeginn und Prämienfälligkeit durch AVB im Rahmen des VVG 2008, VersR 2007 1034; Will Der Prämienzahlungsverzug (1996).
Übersicht Rn. A. I. II. III. IV. B. I.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . . Tatbestand und Rechtsfolgen . . . . . . . Fälligkeit der Erst- bzw. Einmalprämie gem. § 33 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . 1. Prämie . . . . . . . . . . . . . . . . a) Weitere Begriffe (insbesondere Beitrag, Entgelt) . . . . . . . . . . b) Prämienbestandteile . . . . . . . . aa) Risikoprämie/Sparprämie . . . bb) Netto- und Bruttoprämie, Verwaltungskostenbeitrag . . . cc) Sicherheitszuschlag . . . . . . dd) Prämienzuschläge und Prämienabschläge . . . . . . . . . . . ee) Gewinnanteil . . . . . . . . . ff) Versicherungssteuer/Feuerschutzsteuer . . . . . . . . . . gg) Behandlung von Nebengebühren/Zinsen . . . . . . . (1) Mögliche Posten . . . . . (2) Gleichstellung mit der Prämie . . . . . . . . . . 2. Erstprämie und Einmalprämie . . . .
Rn.
1 1 4 7 9 10
3. 4. 5. 6. 7.
Erstprämie und Folgeprämie . . . . . Prämienhöhe . . . . . . . . . . . . . Prämienschuldner . . . . . . . . . . Prämiengläubiger . . . . . . . . . . . Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen der Fälligkeit der Erst- und Einmalprämie gem. § 33 Abs. 1 VVG . . . . . . . . . aa) Fälligkeit bei Abweichen des Versicherungsscheins vom Antrag des VN gem. § 5 Abs. 1 bb) Fälligkeit bei fehlerhafter oder unterbliebener Belehrung cc) Fälligkeit beim „InvitatioModell“ . . . . . . . . . . . . dd) Rückwärtsversicherung und vorläufige Deckung . . . . . . b) Folgeprämien . . . . . . . . . . . 8. Stundung . . . . . . . . . . . . . . . 9. Rechtzeitigkeit der Prämienzahlung/ Erfüllungswirkung . . . . . . . . . . 10. Erfüllbarkeit . . . . . . . . . . . . . 11. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . II. Abholung der Prämie, § 33 Abs. 2 . . . . C. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . . D. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . .
10 10 12 13 18 19 20 21 24 25 27 27 30 32
33 34 38 41 43
43
46 47 50 51 52 53 54 55 56 57 62 65
A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1
§ 33 regelt die Fälligkeit der Erst- bzw. Einmalprämie. Die Vorschrift ist im Rahmen der VVG-Reform an die Stelle des früheren § 35 a.F. getreten. Inhaltlich hat sich die Fälligkeitsregelung durch die Reform erheblich geändert.1 Nach früherer Rechtslage war die erste Prämie gem. § 35 a.F. „sofort nach dem Abschluss des Vertrages zu zahlen“. Nunmehr besteht gem. § 33 Abs. 1 die Prämienzahlungsverpflichtung „unverzüglich nach Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins“. Eine sofortige Fälligkeit des Prämienanspruchs wie nach § 35 a.F. steht nicht im Einklang mit dem grundsätzlichen Widerrufsrecht des VN gem. § 8.2 Danach ist der VN an seine Vertragserklärung endgültig erst gebunden, wenn die Widerrufsfrist abgelaufen ist. Aus diesem Grunde verschiebt § 33 Abs. 1 die Fälligkeit der Prämie auf den Zeitpunkt, zu dem im Normalfall die Widerrufsfrist abläuft. Grundsätzlich beginnt diese Frist von 14 Tagen nach § 8
1
2
Vgl. bereits Schwintowski/Brömmelmeyer/ Michaelis § 33 Rn. 2.
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RegE BTDrucks. 16/3945 S. 70.
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Fälligkeit
§ 33
Abs. 1 erst mit dem Zugang des Versicherungsscheins zu laufen (vgl. § 8 Abs. 2 und die dort geregelten weiteren Voraussetzungen). Eine Sonderregelung für die Lebensversicherung findet sich in § 152 Abs. 1. Die Vorgängervorschrift des § 35 a.F. hatte Gültigkeit seit Geltung des VVG von 2 1908. Vorbild dieser Vorschrift war § 812 Abs. 1 HGB.3 Nach früherer Rechtslage hatte der VN die Einmal- oder Erstprämie gem. § 35 Satz 1 a.F. – wie schon erwähnt – „sofort nach dem Abschluss des Vertrages zu zahlen“. Wiederum gem. § 35 Satz 2 a.F. war der VN zur Zahlung nur gegen Aushändigung des Versicherungsscheins verpflichtet, es sei denn, dass die Aushändigung des Versicherungsscheins ausgeschlossen war. Bis zur Aushändigung des Versicherungsscheins stand dem VN also eine Einrede gegenüber dem Zahlungsanspruch des VR zu. Umstritten war in diesem Zusammenhang, ob dem Zurückbehaltungsrecht verzugshindernde Wirkung zukam. Unabhängig von dieser Frage sollte nach h.M. selbst bei Bestehen eines solchen Zurückbehaltungsrechts aber die Leistungsfreiheit des VR nach § 38 Abs. 2 a.F. nicht beseitigt werden.4 Da nach der geltenden Fassung des § 33 Abs. 1 die Fälligkeit der Prämie nun insbesondere vom Zugang des Versicherungsscheins abhängt, sind diese Fragen nach neuem Recht nicht mehr von Bedeutung. Mit Wirkung zum 11.6.2010 sind in § 33 Abs. 1 die Wörter „zwei Wochen“ durch 3 die Angabe „14 Tagen“ ersetzt worden. Diese Änderung erfolgte aufgrund von Art. 10 Nr. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht.5 Eine inhaltliche Änderung soll damit nicht verbunden sein.6
II. Inhalt und Zweck der Regelung § 33 enthält eine Regelung über die Fälligkeit der Erst- bzw. Einmalprämie. Die Vor- 4 schrift ist damit für diese Prämien lex specialis zu § 271 BGB.7 Für die Folgeprämien verbleibt es bei der allgemeinen Vorschrift des § 271 Abs. 1 BGB.8 War nach früherem Recht gem. § 35 Satz 1 a.F. maßgeblicher Zeitpunkt für die Fälligkeit der Erst- bzw. Einmalprämie der Vertragsschluss, ist die Prämie nunmehr unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen. Damit bezweckt die Regelung, die Fälligkeit der Prämienzahlungsverpflichtung des VN nicht eintreten zu lassen, solange er die Möglichkeit des Widerrufs hat.9 Darüber hinaus hat die Fälligkeitsregel gem. § 33 Bedeutung im Hinblick auf die Rechtsfolgen der verspäteten Zahlung der 3
4
5 6
Begründung zu §§ 35–37 VVG 1908, Motive S. 107; § 812 Abs. 1 HGB ist mit der VVGReform 2008 außer Kraft getreten; vgl. Art. 4 ReformG. Zum Streitstand etwa Berliner Kommentar/ Riedler § 35 Rn. 31; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35 Rn. 6. BGBl. I S. 2355 (vgl. bereits S. 1). RegE BTDrucks. 16/11643 S. 145; a.A. aber Langheid/Wandt/Staudinger § 33 Rn. 24 (24 Stunden längere Frist nach neuem Recht) unter Hinweis auf Staudinger/Repgen (2004) § 187 Rn. 9. Nach einer anderenorts’ (Repgen ZGR 2006; 120, 124 ff.) angewandten
7
8
9
Berechnungsmethode gelangt man indes richtigerweise gem. § 187 Abs. 1 BGB und § 188 Abs. 1 BGB nicht zu einer längeren Frist durch die Neuformulierung des § 33 Abs. 1. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 33 Rn. 33; zu § 35 a.F.: Berliner Kommentar/ Riedler § 35 Rn. 2; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35 Rn. 1. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 33 Rn. 1; zu § 35 a.F.: Bruck/Möller/Johannsen/ Johannsen8 Bd. 3 Anm. F 10. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 21; Marlow/Spuhl3 S. 115.
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§ 33
Abschnitt 3. Prämie
Erst- bzw. Einmalprämie gem. § 38; danach besteht insbesondere ein Rücktrittsrecht des VR (§ 38 Abs. 1) bzw. Leistungsfreiheit des VR (§ 38 Abs. 2); vgl. dazu insbesondere die Kommentierung zu § 38. Im Vergleich zur früheren Rechtslage kommt § 33 Abs. 1 „dem VN bei der Bestim5 mung der Zahlungsfrist gleich zweifach entgegen“.10 So besteht nun eine Zahlungsfrist von 14 Tagen, während nach früherem Recht eine sofortige Zahlung mit Abschluss des Versicherungsvertrages gegeben war; darüber hinaus bedarf es nach neuem Recht nicht mehr einer „sofortigen“ Zahlung, sondern einer „unverzüglichen“ Zahlung (dazu Rn. 44). § 33 Abs. 2 wiederum entspricht der Vorschrift des § 37 a.F. Ist die Prämie zuletzt vom 6 VR eingezogen worden, ist der VN nach dieser Regelung zur Übermittlung der Prämie erst verpflichtet, wenn er vom VR hierzu in Textform gem. § 126b BGB aufgefordert worden ist. Diese Vorschrift schützt den VN, wenn er insbesondere aufgrund eines zuvor praktizierten Lastschriftverfahrens darauf vertrauen kann, dass die Prämie wiederum abgebucht wird. Soll die Prämie hingegen vom VN übermittelt werden, bedarf es hierfür zunächst einer Aufforderung des VR an den VN in Textform (vgl. im Einzelnen Rn. 57 ff.).
III. Anwendungsbereich 7
§ 33 findet sich im ersten Kapitel über die Vorschriften für alle Versicherungszweige, so dass die Vorschrift grundsätzlich auf alle Arten von Versicherungsverträgen Anwendung findet. Indes ist der Anwendungsbereich bereits vom Wortlaut her auf einmalige Prämien und – wenn (wie im Regelfall) laufende Prämien vereinbart sind – auf die erste Prämie beschränkt. Für Folgeprämien gilt damit nicht § 33, sondern die allgemeine Fälligkeitsvorschrift des § 271 Abs. 1 BGB bzw. entsprechende vertragliche Vereinbarungen.11 Darüber hinaus findet sich eine Sondervorschrift für den Bereich der Lebensversicherung in § 152 Abs. 3; danach ist abweichend von § 33 Abs. 1 die einmalige oder die erste Prämie unverzüglich nach Ablauf von 30 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen. Diese Sondervorschrift erklärt sich mit der längeren Widerrufsfrist von 30 Tagen bei Lebensversicherungen gem. § 152 Abs. 1. Diese Widerrufsfrist beruht wiederum auf Art. 6 Abs. 1 der sog. Fernabsatz-Richtlinie II.12 Wie sich aus § 42 ergibt, ist § 33 Abs. 1 abdingbar, so dass der Anwendungsbereich 8 durch entsprechende vertragliche Bestimmungen modifiziert werden kann. Relevant ist dies insbesondere für unwiderrufliche Verträge nach § 8 Abs. 3 (vgl. Rn. 62) sowie für Verträge, die nach dem Invitatio-Modell (vgl. Rn. 50) geschlossen werden.
IV. Übergangsrecht 9
Für das Inkrafttreten der Vorschrift bzw. für den Übergang zwischen dem früheren VVG und dem Recht nach der VVG-Reform gelten die allgemeinen Regeln über das Inkrafttreten, insbesondere Art. 12 VVGRefG.
10 11 12
4
Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 22. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 26; Deutsch6 Rn. 192. RL 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.9.2002 über den Fern-
absatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. EG Nr. L 271 S. 16.
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§ 33
Fälligkeit
B. Tatbestand und Rechtsfolgen I. Fälligkeit der Erst- bzw. Einmalprämie gem. § 33 Abs. 1 1. Prämie Für Entgelte werden ganz unterschiedliche Bezeichnungen (Preis, Miete, Zins etc.) 10 verwendet. Das vom VN zu entrichtende Entgelt bezeichnet das VVG als Prämie. Gem. § 1 Satz 2 ist der VN verpflichtet, „an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten“. Damit wird im Versicherungsrecht der Begriff der Prämie zudem anders verstanden als z.B. im Arbeitsrecht oder bei seiner umgangssprachlichen Verwendung.13 Als Inhalt der Hauptleistungspflicht des VN kommt der Prämie zentrale Bedeutung 11 zu. Eine gänzlich einheitliche Begriffsbestimmung hatte sich vor Inkrafttreten des VVG 2008 trotz weitgehender Übereinstimmung im Schrifttum bisher nicht entwickelt. Ganz allgemein hat man die Prämie als das Entgelt für die Vertragsleistung des VR verstanden.14 Darüber hinaus haben Begriffsbestimmungen auf die Vertragsleistung des VR Bezug genommen. Danach ist die Prämie das Entgelt für die Übernahme eines Risikos durch den VR bezeichnet worden.15 Der BGH wiederum hat formuliert: „Prämie ist die vom VN geschuldete Gegenleistung für den vom Versicherer übernommenen Versicherungsschutz“.16 Jedenfalls bleiben in den Begriffsbestimmungen die unterschiedlichen Standpunkte zur Rechtsnatur des Versicherungsvertrags bzw. der Versicherung grundsätzlich außen vor.17 § 1 Satz 2 enthält nunmehr eine Legaldefinition der Prämie.18 Nach dieser Legaldefinition ist eine Prämie i.S.d. § 1 Satz 2 die zwischen VN und VR vereinbarte Zahlung. Trotz des systematischen Zusammenhangs des § 1 Satz 2 mit § 1 Satz 1, der ausdrücklich auf die Leistung des VR bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles abstellt, wird man wegen des Wortlauts der Vorschrift davon ausgehen müssen, dass es bei der zwischen VN und VR vereinbarten Zahlung nicht zwingend auf ein Synallagma von Leistung und Gegenleistung ankommt. Allerdings erscheint es auch zu weitgehend, jede vereinbarte und vom VN zu erbringende Zahlung als Prämie einzuordnen. Aus dem systematischen Zusammenhang von § 1 Satz 1 und Satz 2 ergibt sich daher, dass die vereinbarte Zahlung einen Bezug zu einem konkreten Versicherungsvertrag aufweisen muss. Damit sind auch Nebengebühren Bestandteil der Prämie, wenn und soweit sie auf einer Vereinbarung zwischen VN und VR beruhen, sich mithin die Zahlungspflicht unmittelbar aus der vertraglichen Vereinbarung ergibt, ohne dass es im Einzelnen auf ein Synallagma von Leistung und Gegenleistung ankommt. Gleichwohl steht der wesentliche Teil der Prämie im Gegenseitigkeitsverhältnis. Durch die Formulierung „vereinbarte Zahlung“ ist es indes nach dem Gesagten möglich, dass die Prämie i.S.d. § 1 Satz 2 VVG auch Elemente enthält, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. 13 14
15
Ganster Prämienzahlung S. 47. Vgl. Ganster Prämienzahlung S. 48: ähnlich Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 174 („Leistung des VR“). v. Fürstenwerth/Weiß10 S. 489 („für die Gefahrtragung und die Geld- oder Naturalleistung“); Berliner Kommentar/ Riedler § 35 Rn. 3 („für seine Vertragsleistung die Übernahme der Gefahr“); Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 1; vgl. weitere zumeist ähnliche Begriffsbestimmungen bei Ganster Prämienzahlung
16 17
18
S. 48 Fn. 176. Vgl. des Weiteren die ebenfalls ähnliche Bestimmung des Begriffs „Versicherungsentgelt“ in § 3 Abs. 1 VersStG. BGH 27.1.1999 VersR 1999 433 (juris Rn. 12). Dazu etwa Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 27 ff.; Berliner Kommentar/Dörner Einleitung Rn. 48 ff.; Berliner Kommentar/ Schwintowski § 1 Rn. 24 ff. Langheid/Wandt/Staudinger § 33 Rn. 5; Langheid/Wandt/Looschelders § 1 Rn. 51.
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5
§ 33 12
Abschnitt 3. Prämie
a) Weitere Begriffe (insbesondere Beitrag, Entgelt). Es kommt nicht darauf an, welchen Begriff die Parteien für diese Leistung des VN verwenden. Maßgeblich ist alleine der objektive Aussagegehalt der Leistung. Neben dem Begriff der Prämie finden sich auch der Begriff des „Beitrags“ und des „Entgelts“. Insbesondere für den VVaG spricht das VAG von Beiträgen, vgl. §§ 24 ff. VAG. Dieses Verständnis rührt von der gesellschaftsrechtlichen Struktur des VVaG her, bei dem die VN zugleich Mitglieder des Vereins sind. Bei diesen Beiträgen handelt es sich ebenso um Prämien im Sinne der §§ 33 ff. Die frühere Regelung, die eine Gleichstellung ausdrücklich anordnete (§ 1 Abs. 2 Satz 2 a.F.), ist im Wege der Reform entfallen. Hierdurch sollte allerdings keine Rechtsänderung eintreten.19 Des Weiteren findet sich der Begriff „Beitrag“ teilweise auch in Verträgen mit Versicherungsaktiengesellschaften und öffentlich-rechtlichen Versicherungsgesellschaften. Insbesondere wird er auch in AVB als Synonym zur „Prämie“ verwendet. Als weiterer gleichfalls synonym gebrauchter Begriff findet sich die Bezeichnung „Versicherungsentgelt“, so z.B. in §§ 1, 3, 7 Abs. 4 VersStG (vgl. bereits Fn. 15). Wiederum vom „Gesamtpreis der Versicherung“ ist in § 1 Abs. 1 Nr. 7 VVG-InfoV die Rede.
13
b) Prämienbestandteile. Bestandteile der Prämie hängen zum einen von versicherungstechnischen,20 aber auch von rechtlichen Rahmenbedingungen ab (zu Letzteren sogleich Rn. 14 ff.). Hieraus lassen sich aber nicht vollständig eindeutige Aufteilungen bzw. Bestandteile der Prämie herleiten.21 Nichtsdestotrotz lassen sich nach h.M. verschiedene Prämienbestandteile unterscheiden, die im Folgenden skizziert werden (Rn. 18 ff.). Zunächst gilt es aber, rechtliche Rahmenbedingungen aufzuzeigen, die zumindest von unterschiedlichen Prämienbestandteilen ausgehen. Bereits aus § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 7 VVG-InfoV wird deutlich, dass 14 die Prämie aus verschiedenen Bestandteilen besteht. Danach hat der VR den VN unter anderem über den „Gesamtpreis der Versicherung einschließlich aller Steuern und sonstigen Preisbestandteile“ zu informieren (zu Steuern noch Rn. 25 f.). § 1 Abs. 1 Nr. 8 VVGInfoV bestimmt wiederum, dass der VR des Weiteren über „gegebenenfalls zusätzlich anfallende Kosten unter Angabe des insgesamt zu zahlenden Betrags sowie mögliche weitere Steuern, Gebühren oder Kosten, die nicht über den VR abgeführt oder von ihm in Rechnung gestellt werden“, zu informieren hat. Aus dem Zusammenspiel des § 1 Abs. 1 Nr. 7 und des § 1 Abs. 1 Nr. 8 VVG-InfoV ergibt sich daher eine umfassende Informationspflicht des VR, insbesondere über den Gesamtpreis (einschließlich Steuern und sonstige Preisbestandteile) und gegebenenfalls zusätzlich anfallende Kosten (vgl. auch zum Begriff der Nebengebühren in Abgrenzung zur Prämie § 33 Rn. 30 f.). Aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 VVG-InfoV ergeben sich für die Lebensversicherung und (i.V.m. 15 Abs. 3 S. 1) auch für die Berufsunfähigkeitsversicherung weitere Informationspflichten, aus denen sich Rückschlüsse auf die Prämienbestandteile ziehen lassen. Danach hat der VR Angaben „zur Höhe der in die Prämie einkalkulierten Kosten“ zu machen; „dabei sind die einkalkulierten Abschlusskosten als einheitlicher Gesamtbetrag und die übrigen einkalkulierten Kosten als Anteil der Jahresprämie unter Angabe der jeweiligen Laufzeit auszuweisen“. Vorschlägen nach weitergehenden Aufschlüsselungen und Prämientransparenz im Zuge der VVG-Reform ist der Gesetzgeber indes nicht gefolgt.22
19 20
6
RegE BTDrucks. 16/3945 S. 56. Dazu Farny4 S. 60 ff.; von der Schulenburg Versicherungsökonomik (2005) S. 22 ff., 29, 36; HdV/Albrecht/Lippe S. 525 ff.; Wandt 4 Rn. 94 ff.
21 22
Farny4 S. 50; Ganster Prämienzahlung S. 62. Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 3 unter Hinweis auf Hübner ZVersWiss 2002 87, 94.
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§ 33
Fälligkeit
Speziell für die Lebensversicherung, die Krankenversicherung und die Unfallversiche- 16 rung mit Prämienrückgewähr enthält das VAG Vorgaben für die Prämienkalkulation: Gem. § 11 Abs. 1 VAG müssen die Prämien in der Lebensversicherung insbesondere unter Zugrundelegung angemessener versicherungsmathematischer Annahmen kalkuliert werden. Gem. § 11d VAG gilt § 11 VAG auch für die Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr. Vorgaben ergeben sich auch gem. § 12 Abs. 1 Nr. 1 VAG für die substitutive Krankenversicherung. Es finden sich darüber hinaus auch Vorgaben unmittelbar für notwendige Zuschläge, z.B. aus § 12 Abs. 4a VAG für die substitutive Krankheitskostenversicherung (sog. Prämien- bzw. Beitragszuschlag). Gem. § 12c VAG i.V.m. § 7 der Kalkulationsverordnung23 wiederum ist in die Prämie ein Sicherheitszuschlag von mindestens fünf vom Hundert der Bruttoprämie einzurechnen, der nicht bereits in anderen Rechnungsgrundlagen enthalten sein darf. Verstöße gegen solche Vorgaben lösen primär versicherungsaufsichtsrechtliche Rechtsfolgen aus; das privatrechtliche Verhältnis zwischen VR und VN ist lediglich mittelbar durch die Auswirkungen auf die Prämienhöhe betroffen.24 Es zeigt sich, dass neben versicherungstechnischen Grundsätzen auch rechtliche Rah- 17 menbedingungen existieren, die zumindest von unterschiedlichen Prämienbestandteilen ausgehen. Teilweise hierauf beruhend, teilweise aus anderen, insbesondere betriebswirtschaftlichen Gründen lassen sich folgende Bestandteile bzw. Differenzierungen nennen:25 aa) Risikoprämie/Sparprämie. Unabhängig von den unterschiedlichen Standpunkten 18 um die Rechtsnatur26 des Versicherungsvertrags bzw. der Versicherung ist Kern des Versicherungsgeschäfts die Risikoabsicherung.27 Daher gebührt ein Anteil der Prämie dem Ausgleich des Risikos an den zu erwartenden Schadenszahlungen, sog. Risikoprämie bzw. Risikoanteil.28 Bei gewissen Vertragstypen lässt sich zusätzlich noch die Unterscheidung zwischen Risiko- und Sparprämie treffen. So lässt sich die Prämie bei Kapitallebensversicherungen, gemischten Lebensversicherungen sowie Unfallversicherungen mit Prämienrückgewähr einerseits in die Risikoprämie (z.B. Ableben vor Erlebensfall) und andererseits in die Sparprämie (Prämienanteil beim Erreichen der jeweiligen Zeitgrenze) aufspalten. Rechtliche Bedeutung kommt dieser Unterscheidung vor allem beim Rückkaufswert, bei der Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung und bei der Kündigung nach §§ 168 i.V.m. 169 und 165 VVG zu.29 bb) Netto- und Bruttoprämie, Verwaltungskostenbeitrag. Aus betriebswirtschaftlicher 19 Sicht lässt sich die Prämie weiterhin in die Brutto- und Nettoprämie aufgliedern. Dabei umfasst der Begriff der Nettoprämie alleine das Entgelt für die Risikoübertragung, das sich aufgrund von Statistiken und der Wahrscheinlichkeitsrechnung zusammensetzt und dem Aufbau von Deckungskapital dient (Risikoprämie, vgl. zuvor Rn. 18).30 Dagegen beinhaltet der Begriff der Bruttoprämie zusätzlich einen Anteil an den Verwaltungs- und
23
24 25 26
Verordnung über die versicherungsmathematischen Methoden zur Prämienkalkulation und zur Berechnung der Alterungsrückstellung in der privaten Krankenversicherung vom 18.11.1996, BGBl. I 1996 1783. Boetius VersR 2008 1016. Dazu etwa Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 4 ff.; Ganster Prämienzahlung S. 62 ff. Dazu vgl. Nachweise Fn. 18.
27
28 29 30
Zur Funktion der privaten Versicherung und zu den vom VR übernommenen Pflichten vgl. Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 9 ff., 27 ff. Ganster Prämienzahlung S. 62 m.w.N.; v. Fürstenwerth/Weiß10 S. 87, 535. Vgl. zum Vorstehenden etwa Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 5 m.w.N. Sieg3 S. 92; Deutsch6 S. 132.
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§ 33
Abschnitt 3. Prämie
Betriebskosten sowie sonstigen Aufwendungen des VR.31 Dieser Teil, der auch Verwaltungskostenbeitrag genannt wird, umfasst sämtliche Leistungen, die notwendigerweise mit der Haftung des VR verknüpft sind, wie z.B. Geschäftsraumkosten, Personalkosten, Bürobedarf, Inventar, soziale Kosten, Ausgaben für Werbung und vieles mehr (zum Gewinnanteil noch Rn. 24). Die hier in Rede stehende Vorschrift über die Fälligkeit der Erstprämie und Einmalprämie und die Regeln über den Zahlungsverzug (§§ 37 f.) beziehen sich auf die Bruttoprämie.32 Eine Abgrenzung des Verwaltungskostenbeitrags (als Teil der Bruttoprämie) zu den sog. echten Nebengebühren (unten Rn. 27 ff.) bleibt aber unerlässlich, da diese nicht zum Begriff der Prämie zu rechnen sind.
20
cc) Sicherheitszuschlag. Zum Teil aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen heraus und wie schon erwähnt (oben Rn. 16) zum Teil durch Rechtsnorm vorgeschrieben33, enthält eine Prämie zumeist einen sog. Sicherheitszuschlag. Gerade in Zeiten der im Jahre 2007 einsetzenden Finanzkrise hat sich gezeigt, dass ein finanzielles Polster für den Fall einer ungünstigen Geschäftspolitik, einer schlechten Risikoeinschätzung oder bei Eintritt von unvorhersehbaren gravierenden Ereignissen erforderlich ist und die Notwendigkeit besteht, auch in diesen Fällen die Liquidität zu bewahren und so die Gefahr der Insolvenz zu minimieren. Der Begriff „Sicherheitszuschlag“ macht bereits deutlich, dass es darum geht, unerwartete Abweichungen des tatsächlichen Schadensaufwands vom erwarteten und kalkulierten Schadenbedarf auszugleichen.34 Letztlich steht ein versicherungstechnisches Risiko im Raum, das durch den Sicherheitszuschlag ausgeglichen werden soll. Elemente des versicherungstechnischen Risikos sind wiederum Irrtumsrisiko, Änderungsrisiko und Zufallsrisiko.35
21
dd) Prämienzuschläge und Prämienabschläge. Prämienzuschläge und Prämienabschläge lassen sich dem Prämienbegriff zuordnen, soweit sie im Zusammenhang mit der Übernahme des Versicherungsrisikos stehen.36 So lassen sich aus objektiven personenunabhängigen Gesichtspunkten oder aufgrund persönlicher Merkmale bestimmte Risiken höher bzw. niedriger einzuschätzen, die zu einer Erhöhung bzw. Verringerung der Prämienhöhe führen. Dazu zählt beispielsweise die Einstufung als Raucher in einer Lebensversicherung oder die Garagennutzung bei Kfz-Versicherungen. Ebenso kann die vertragliche Erweiterung des Versicherungsrisikos einen Prämienzuschlag zur Folge haben.37 Abschläge bzw. Zuschläge können sich des Weiteren aus Teilzahlungsabreden oder 22 Rabattsystemen ergeben. So ist etwa ein Teilzahlungszuschlag üblich, wenn der VN anstelle der jährlichen Prämienzahlung eine halbjährliche oder vierteljährliche Zahlung vereinbart. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Höhe der (Brutto-)Prämie aus, so dass ein solcher Zuschlag als Prämienbestandteil einzuordnen ist.38 Eine hiervon zu trennende Frage ist, ob durch eine halb- oder vierteljährliche Zahlungsweise die grundsätzlich einjährige Versicherungsperiode gem. § 12 verändert wird. Da durch eine solche Zahlungsweise primär lediglich die Fälligkeit geändert wird, hat dies grundsätzlich keine Wirkung im Hinblick auf die Dauer der Versicherungsperiode.39 Nachdem infolge der VVG-
31 32 33 34 35
8
v. Fürstenwerth/Weiß10 S. 126; Sieg3 S. 92. Vgl. Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 4. Vgl. §§ 12 Abs. 1, 12c VAG i.V.m. der KalV. Ganster Prämienzahlung S. 63 f. m.w.N. Dazu Farny4 S. 83 ff.; Ganster Prämienzahlung S. 64; v. Fürstenwerth/Weiß10 S. 709, 767, 31.
36 37 38 39
Farny4 S. 60; v. Fürstenwerth/Weiß10 S. 84, 535. Schirmer/Marlow VersR 1997 782. A.A. wohl Ganster Prämienzahlung S. 66. Vgl. Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 7.
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Fälligkeit
Reform der Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie weggefallen ist (dazu noch § 39 Rn. 2), hat diese Frage indes nun an Bedeutung verloren. Rabattsysteme können wiederum zu Abschlägen führen, z.B. wenn der VN verschie- 23 dene Versicherungen bei einem VR abschließt und dem Kunden deshalb Rabatte eingeräumt werden. ee) Gewinnanteil. Keiner besonderen Erwähnung bedarf die Tatsache, dass jede 24 Prämie grundsätzlich einen Gewinnanteil für den VR enthält, da die wirtschaftliche Tätigkeit eines VU auf die Erzielung von Gewinnen bzw. Überschuss angelegt ist. Der Gewinnanteil ist Bestandteil der Bruttoprämie (dazu oben Rn. 19). ff) Versicherungssteuer/Feuerschutzsteuer. Als Bestandteil der Prämie tritt als öffent- 25 liche Abgabe die Versicherungssteuer aufgrund des Versicherungssteuergesetzes (VersStG) hinzu (im Verhältnis zwischen VR und VN gilt die Versicherungssteuer gem. § 7 Abs. 4 VersStG als Versicherungsentgelt; vgl. noch unten). Die Rahmenbedingungen finden sich neben dem VersStG in der Versicherungssteuer-Durchführungsverordnung40 (VersStDV). Gem. § 4 VersStG sind bestimmte Versicherungen von der Versicherungssteuer befreit (insbesondere Rückversicherungen, Lebensversicherungen, Berufsunfähigkeitsversicherungen, Krankenversicherungen, Tierversicherungen mit Versicherungssummen bis 4.000 Euro, bestimmte grenzüberschreitende Warentransportversicherungen). Der Regelsteuersatz beträgt gem. § 6 Abs. 1 VersStG 19 Prozent des Versicherungsentgelts ohne Versicherungssteuer; abweichend hiervon sieht § 6 Abs. 2 VersStG für einzelne Versicherungsarten unterschiedliche Steuersätze vor (z.B. bei der Feuerversicherung und bei der FeuerBetriebsunterbrechungsversicherung seit 1.7.2010 22 % [von einem Anteil von 60 % des Versicherungsentgelts gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VersStG; vgl. noch Rn. 26]; bei der Seeschiffskaskoversicherung 3 %). Steuerschuldner ist zwar der VN (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VersStG), auch wenn die Steuer vom VR zu entrichten ist. Dieser zieht die Steuer letztlich jedoch nur zusammen mit der Prämie ein, leitet den Steuerbetrag aber an die öffentliche Hand weiter.41 Obwohl der VN gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 VersStG Steuerschuldner der Versicherungssteuer ist, haftet dennoch der VR gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 VersStG für diese Steuer. Gem. § 7 Abs. 4 VersStG gilt im Verhältnis zwischen dem VR und dem VN die Steuer als Teil des Versicherungsentgelts, insbesondere soweit es sich um dessen Einziehung und Geltendmachung auf dem Rechtsweg handelt. Der Anspruch gegen den VN ist folglich auf gleichem gerichtlichem Wege geltend zu machen wie die eigentliche Prämie. Die Versicherungssteuer wird damit im Vertragsrecht wie ein Prämienbestandteil behandelt, obwohl sie im Grunde kein Entgelt für die Vertragsleistung des VR darstellt. Daraus folgt, dass die Regelungen des VVG über die Prämie, insbesondere auch die §§ 37 f., auch die Versicherungssteuer erfassen.42 Neben der Versicherungssteuer unterliegen Versicherungsprämien aus Feuer-, Betriebs- 26 unterbrechungs-, Wohngebäude- und Hausratversicherungen (bei Letzteren wenn die Versicherung teilweise auf Gefahren entfällt, die Gegenstand einer Feuerversicherung sein können) der Feuerschutzsteuer aufgrund des Feuerschutzsteuergesetzes (FeuerschStG). Diese Steuer fließt den Bundesländern zur Förderung des Feuerlöschwesens und des vorbeugenden Brandschutzes zu.43 Mit Wirkung zum 1.7.2010 ist die Besteuerung von Versicherungsprämien zu Feuerversicherungen geändert worden.44 Neu geregelt und bezweckt 40 41 42
VersStDV 1996 BGBl. I 3436. Deutsch6 S. 131. H.M.; vgl. Ganster Prämienzahlung S. 67 Fn. 281 m.w.N.
43 44
Farny4 S. 159. Durch das Begleitgesetz zur Zweiten Föderalismusreform v. 10.8.2009 (BGBl. I 2009, 2702); kritisch dazu Medert DStR 2009 1991.
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Abschnitt 3. Prämie
ist u.a. eine Trennung und Zuweisung eines festgelegten Anteils am Versicherungsentgelt gem. § 3 Abs. 1 FeuerschStG bzw. § 5 Abs. 1 VersStG jeweils nur auf die Feuerschutzsteuer bzw. nur auf die Versicherungssteuer.45 So ist insbesondere in der Feuerversicherung Bemessungsgrundlage für die Feuerschutzsteuer ein Anteil von 40 % des Versicherungsentgelts (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 FeuerschStG) und für die Versicherungssteuer ein Anteil von 60 % (§ 5 Abs. 1 Nr. 3a VersStG; vgl. bereits oben Rn. 25). Der Steuersatz für die Feuerschutzsteuer und die Versicherungssteuer wurde vereinheitlicht; er beträgt für die Feuerversicherung jeweils 22 % (§ 4 FeuerschStG bzw. § 6 Abs. 2 Nr. 1 VersStG). Steuerschuldner der Feuerschutzsteuer ist gem. § 5 Abs. 1 FeuerschStG der VR, während Steuerschuldner der Versicherungssteuer der VN ist (vgl. bereits oben Rn. 25).46 gg) Behandlung von Nebengebühren/Zinsen
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(1) Mögliche Posten. Im Hinblick auf Geldleistungen des VN an den VR lassen sich Nebengebühren nach wie vor begrifflich von der Prämie unterscheiden. Nebengebühren können allerdings, wenn sie zwischen VN und VR vereinbart sind, nach der Legaldefinition des § 1 Satz 2 unter den Prämienbegriff zu subsumieren sein, ohne dass es auf ein Synallagma zur Leistungspflicht des VR ankommt (vgl. schon Rn. 11). Nebengebühren lassen sich als Geldleistungen des VN bezeichnen, die gerade nicht für die Gefahrtragung, sondern für andere Zwecke erbracht werden. Nebengebühren können in mannigfaltigen Ausprägungen auftreten: z.B. Mahnge28 bühren, Kosten einer Ersatzurkunde, Abschrift nach § 3 VVG, Verlust der Versicherungskarte, Gebühren für Abschriften, Inkassogebühren, Policendarlehenszinsen, Änderungsgebühr bei wechselndem VN. Über solche Nebengebühren hat der VR den VN gem. § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 7, 8 VVG-InfoV grundsätzlich zu informieren (vgl. Rn. 14). Nebengebühren sind auch aufgrund von Zahlungsverzug eventuell anfallende Ver29 zugszinsen, Verzugsschäden und Vertragsstrafen. Ob einzelne Nebengebühren unter den Prämienbegriff fallen, hängt davon ab, ob sie auf vertraglicher Grundlage beruhen. Dies ist jedenfalls bei Mahngebühren zu verneinen; sie ergeben sich grundsätzlich aus dem Gesetz und sind deshalb keine „vereinbarte Zahlung“ i.S.d. § 1 Satz 2.
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(2) Gleichstellung mit der Prämie. Die Beziehungen zwischen den Nebengebühren und der Prämie waren und sind in mancher Hinsicht umstritten. Unzweifelhaft ist zumindest, dass Steuern (§ 7 Abs. 4 VersStG) und vertraglich vereinbarte Nebengebühren privatrechtlich gleich der Prämie zu behandeln sind und §§ 33 ff. hierfür gelten.47 Speziell § 38 erfasst wiederum Zinsen und Kosten (vgl. Abs. 1, 2); insbesondere Zinsen können sich als Verzugszinsen aus dem Gesetz ergeben und sind dann nicht vertraglich vereinbart (vgl. Rn. 29). Bei der Frage, ob der Prämienbegriff auch die übrigen Nebengebühren erfasst, sind die Meinungen nach wie vor gespalten. Zum Teil werden Nebengebühren ohne Weiteres als Bestandteil der Prämie bezeichnet.48 Andere wiederum unterscheiden zwar begrifflich zwischen Prämie und Nebengebühr, sprechen sich jedoch für eine privatrechtliche Gleichstellung aus.49 Eine neuere Ansicht plädiert gegen eine Gleichstellung.50 45 46
47 48
BTDrucks. 16/12400, S. 29. Zu den sich unter anderem hieraus ergebenden Konsequenzen Medert DStR 2009 1991, 1993. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 33 Rn. 3. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12
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Rn. 2; ebenso wohl auch Langheid/Wandt/ Staudinger § 33 Rn. 10. Bruck/Möller/Möller8 § 35 Rn. 10; Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 11; Römer/ Langheid2 § 35 Rn. 3. Ganster Prämienzahlung S. 71 ff.
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Fälligkeit
Nach der Neufassung des § 1 Satz 2 ist nun zu differenzieren (vgl. Rn. 11). Soweit 31 Nebengebühren vertraglich vereinbart wurden (vereinbarte Zahlung) und einen Bezug zum Versicherungsvertrag aufweisen, gehören Nebengebühren zur Prämie, so dass es einer Gleichstellung dieser Nebengebühren (Nebengebühren im weiteren Sinn) mit der Prämie im Rahmen des § 38 nicht mehr bedarf. Im Rahmen des § 37 ist zwischen Nebengebühren, die auf vertraglicher Vereinbarung beruhen und anderen Nebengebühren auf gesetzlicher Grundlage (echte Nebengebühren) zu unterscheiden. Für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 37 Abs. 1 bzw. des § 37 Abs. 2 kommt es ausschließlich auf die Zahlung der Prämie, also nur der vertraglich vereinbarten Nebengebühren (Nebengebühren im weiteren Sinn), nicht auf die Zahlung der echten Nebengebühren, an. 2. Erstprämie und Einmalprämie § 33 betrifft die „einmalige Prämie“ sowie die „erste Prämie“, soweit laufende Prämien 32 vereinbart sind. Im Falle der Vereinbarung einer Einmalprämie hat der VN die Prämie für die gesamte Versicherungsdauer in einer einzigen Zahlung zu entrichten.51 In einem solchen Fall spricht man auch von einer sog. Mise.52 Einmalprämien kommen sowohl bei kurzfristigen Versicherungsverträgen vor (z.B. bei Reiserücktrittsversicherungen oder Reisegepäckversicherungen); sie finden sich aber auch bei längerfristigen Versicherungsverträgen, wie z.B. bei Lebensversicherungen oder privaten Rentenversicherungen. Häufiger sind hingegen Versicherungen mit sog. laufender Prämie. In diesen Fällen ist die Versicherungsdauer in Versicherungsperioden eingeteilt; gem. § 12 gilt als Versicherungsperiode, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres. Versicherungsperiode ist der Zeitabschnitt, nach dem bei einer Versicherung die Prämie bemessen wird.53 Wie sich unmittelbar aus § 12 ergibt, kann die Versicherungsperiode nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen werden. Vielfach wird eine halbjährliche, vierteljährliche oder monatliche Zahlungsweise vereinbart. Allein durch eine entsprechende Zahlungsvereinbarung ändert sich nach h.M. allerdings die Versicherungsperiode noch nicht (vgl. bereits oben Rn. 22).54 3. Erstprämie und Folgeprämie Während § 33 die Einmalprämie und bei laufenden Prämienzahlungen die Erstprämie 33 betrifft, differenzieren die §§ 37 und 38 zwischen Erstprämie (§ 37) und Folgeprämie (§ 38). Erstprämien i.S.d. § 37 sind die Einmalprämie im oben genannten Sinne (Rn. 32) und bei der laufenden Prämienzahlung die zeitlich erste Prämie. Folgeprämien i.S.d. § 38 sind nur bei laufender Prämienzahlung geschuldet.55 4. Prämienhöhe Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen unterliegt die Prämienhöhe der In- 34 haltsfreiheit und ist damit Vereinbarungssache. In aller Regel wird sich die Prämienhöhe für den in Rede stehenden Versicherungsschutz nach dem jeweiligem Unternehmenstarif 51
52 53
Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 7; Bruck/Möller/Möller § 35 Anm. 12; Ganster Prämienzahlung S. 82. Richter PVR S. 132; Berliner Kommentar/ Riedler § 35 Rn. 7. Berliner Kommentar/Gruber § 9 Rn. 1; Motive S. 84.
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55
Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 7; Bruck/Möller/Möller § 35 Anm. 15; Prölss/ Martin/Prölss27 § 9 Rn. 1; LG Lüneburg 10.11.1977 VersR 1978 658. Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 8.
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richten, der wiederum von der Prämienkalkulation aufgrund versicherungstechnischer Grundsätze und der Prämienpolitik des VR abhängt. Vor der Deregulierung im Jahre 1994 bestand gem. §§ 5 i.V.m. 11 f. VAG a.F.; § 8 35 Abs. 1, 2 PflVG a.F. (jeweils in der bis 28.7.1994 geltenden Fassung) eine Tarifgenehmigungspflicht in der Lebens-, Kranken- und Unfallversicherung sowie in der Kfz-Haftpflichtversicherung, die aber mit der Umsetzung der sog. dritten EG-Richtliniengeneration weggefallen ist.56 Gleichwohl finden sich – wie schon erwähnt – Vorgaben für die Prämienkalkulation im VAG, namentlich für die Lebensversicherung, die Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr und die substitutive Krankenversicherung; vgl. §§ 11, 11d, 12 VAG (siehe bereits oben Rn. 16). Seit dem 1.1.2009 haben private Krankenversicherer gem. § 193 Abs. 5 bestimmten 36 Personen einen branchenweit einheitlichen „Basistarif“ anzubieten. Die hieraus resultierenden Leistungen müssen nach Art, Umfang und Höhe der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sein. Gem. § 12 Abs. 4b VAG darf die Beitragshöhe den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen, so dass das Gesetz für diesen Basistarif unmittelbare Vorgaben für die Beitragshöhe aufstellt.57 Wie bereits dargelegt wird regelmäßig die Geltung des Unternehmenstarifes zwischen 37 VN und VR vereinbart. Gleichwohl kann hiervon im Einzelfall abgewichen werden; eine entsprechende Abweichung ist zivilrechtlich ohne Weiteres möglich.58 Wird eine konkrete Vereinbarung (insbes. im Versicherungsantrag) nicht getroffen, so geht die h.L. von einer stillschweigenden Unterwerfung unter den Tarif des VR aus.59 Grundsätzlich ist dem zuzustimmen; allerdings handelt es sich letztlich um eine stillschweigende Vereinbarung, die sich aus den entsprechenden Umständen ergibt. Demzufolge ist es zumindest denkbar, dass bei entsprechenden Umständen auch etwas anderes gelten kann. Ein einseitiges Bestimmungsrecht des VR nach § 315 BGB dürfte allerdings nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. In aller Regel ist die Prämienhöhe fest fixiert; grundsätzlich denkbar sind aber Anpassungsmöglichkeiten, die sich aus Gesetz oder vertraglicher Vereinbarung ergeben können.60 Es ist bereits darauf hingewiesen worden (oben Rn. 14), dass der VR den VN über die Höhe der Prämie zu informieren hat; vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 7 VVG-InfoV. 5. Prämienschuldner
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Schuldner der Prämie ist die Vertragspartei des VR, namentlich also der VN. Soweit mehrere VN am Versicherungsvertrag beteiligt sind, haften diese grundsätzlich als Gesamtschuldner gem. §§ 421 ff. BGB, soweit nicht eine abweichende Vereinbarung vorliegt. Dritte kommen als Schuldner der Prämie – ggf. neben dem eigentlichen VN – nur in Betracht, wenn etwa ein Schuldbeitritt vorliegt oder der Dritte in das Versicherungsverhältnis aufgrund einer ihm zustehenden Berechtigung eingetreten ist (z.B. gem. § 170).61 Auch in Fällen eines gesetzlichen Vertragsübergangs (etwa gem. §§ 95 Abs. 1, 122) bleibt zu erwähnen, dass der Erwerber VN und damit auch zum Schuldner der Prämie wird.62 Darüber hinaus haben auch die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze in diesem Zu56
57
58
Dazu H. Müller Rn. 491 ff.; Beckmann ZeuP 1999 809 ff.; Beckmann/Matusche-Beckmann/Mönnich2 § 2 Rn. 44 ff.; Wandt4 Rn. 66 ff. Dazu Marlow/Spuhl3 S. 310; Boetius VersR 2007 431; Lehmann RuS 2009 89, 97; Brote/Bronkars VersR 2008 580. Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 17; Hofmann PVR S. 142 ff.
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60 61 62
Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 17; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35 Rn. 3; ebenfalls a.A. Bruck/Möller/Johannsen/ Johannsen8 Bd. 3 Anm. F 3. Dazu etwa Beckmann S. 4 ff. Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 22. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 19.
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sammenhang Gültigkeit. So ist beispielsweise eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Verpflichtung zur Prämienzahlung auf einen Dritten mit Beseitigung der Zahlungspflicht des ursprünglichen VN nur mit Zustimmung des VR möglich. Bei Tod des VN gelten gleichfalls die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze, so dass der Erbe gem. § 1967 BGB an die Stelle des VN tritt und jedenfalls die noch ausstehenden Prämienzahlungen schuldet; künftige Prämien schuldet der Erbe des VN indes nur, wenn sich die Versicherung fortsetzt. Der Tod des VN kann indes – auch abhängig von der Versicherungsart – zu einem Interessenfortfall gem. § 80 Abs. 2 führen.63 Auch wenn Dritte grundsätzlich nicht Schuldner der Prämie sind, so kann gleichwohl 39 für Dritte eine Berechtigung zur Prämienzahlung bestehen. Bereits nach allgemeinem Zivilrecht kann entsprechend § 267 Abs. 1 BGB ein Dritter schuldbefreiend leisten, wenn nicht ausnahmsweise der Schuldner die Leistung höchstpersönlich erbringen muss.64 Insbesondere versicherte Personen, Bezugsberechtigte oder Pfandgläubiger können ein starkes Eigeninteresse am Fortbestand des Versicherungsverhältnisses haben und sind gem. § 34 zur Zahlung berechtigt, aber nicht verpflichtet, um den drohenden Verlust des Versicherungsschutzes zu verhindern.65 Grundsätzlich nicht als Prämienschuldner sind anzusehen: der gesetzliche Vertreter 40 des VN, versicherte Personen, Zessionare, Pfandgläubiger, Vollstreckungsgläubiger, Hypothekengläubiger, Bezugsberechtigte, geschädigte Personen in der Haftpflichtversicherung.66 Soweit eine gesetzliche Verwalterstellung besteht (insbesondere Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter), so haften diese nur mit dem Vermögen, das der entsprechenden Verwaltung unterliegt.67 6. Prämiengläubiger Prämiengläubiger ist der VR als Vertragspartner des VN. Haben sich mehrere VR an 41 einer Mitversicherung beteiligt, so hängt die Frage nach der Gläubigerstellung davon ab, ob diese Mitversicherung offengelegt worden ist (sog. offene Mitversicherung) oder ob demgegenüber eine sog. verdeckte Mitversicherung vorliegt. Im Falle einer verdeckten Mitversicherung ist der allein nach außen auftretende VR auch der alleinige Versicherungspartner des VN und somit alleiniger Prämiengläubiger.68 Im Falle einer offenen Mitversicherung richtet sich die Frage nach der Gläubigerstellung danach, ob einem der Mitversicherer – wie oft üblich – aufgrund einer Führungsklausel Inkassovollmacht eingeräumt worden ist. Ohne eine solche entsprechende Führungsklausel verbleibt es dabei, dass jeder Mitversicherer Teilgläubiger i.S.d. § 420 BGB ist.69 In der bis 21.5.2007 geltenden Fassung waren gem. § 43 Nr. 4 a.F. Versicherungs- 42 agenten – die sich im Besitz einer vom VR mindestens faksimilierten unterzeichneten Prämienrechnung befanden – zur Annahme der Prämie nebst Zinsen und Kosten befugt. Mit Umsetzung der Richtlinie über die Versicherungsvermittlung70 durch das Gesetz zur 63 64 65 66
Zum Anwendungsbereich des § 80 vgl. Bruck/Möller/Schnepp § 80 Rn. 10 ff. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 44. Berliner Kommentar/Riedler § 35 Nr. 23; vgl. im Übrigen Kommentierung zu § 34. Dazu Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 24; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35 Rn. 10; Langheid/Wandt/Staudinger § 33 Rn. 15.
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Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 24; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35 Rn. 10. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 19. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 19; Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 18. RL 2002/92 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.12.2002 über
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Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts vom 19.12.200671 wurde diese Regelung indes aufgehoben und durch § 42f a.F. (Geltung bis 31.12.2007; mit der VVG-Reform nun geregelt in § 69 Abs. 2) ersetzt. Gem. § 69 Abs. 2 Satz 1 gelten Versicherungsvertreter als bevollmächtigt, Zahlungen des VN in Zusammenhang mit der Vermittlung und dem Abschluss des Versicherungsvertrags für den VR anzunehmen, sog. Inkassovollmacht. Umstritten ist, ob § 69 Abs. 2 auch Folgeprämien erfasst. Dies wird nach teilweise vertretener Auffassung unter Hinweis darauf bejaht, dass eine damit verbundene Änderung der früheren Rechtslage (wonach die Inkassovollmacht des Versicherungsagenten gem. § 43 Nr. 4 a.F. auch Folgeprämien erfasste) in der Gesetzesbegründung nirgends angesprochen sei; zudem stünden Zahlungen von Folgeprämien an den Vermittler noch im Zusammenhang mit der Vermittlung.72 Indes weicht der Wortlaut der neuen gesetzlichen Regelungen schon erheblich von dem der früheren Regelungen ab. Die Einschränkung „im Zusammenhang mit der Vermittlung und dem Abschluss des Versicherungsvertrags“ deutet darauf hin, dass die zeitliche Phase von „Vermittlung und Abschluss“ gemeint sein soll und nicht spätere Folgeprämien. Zudem verzichtet das Gesetz auf das frühere Erfordernis, dass der Vermittler in Besitz einer Rechnung sein muss. Andererseits erscheint die Regelung nicht sonderlich geglückt. Geht man davon aus, dass der VN gem. § 69 Abs. 2 Satz 1 z.B. eine Erstprämie oder eine Einmalprämie mit Erfüllungswirkung gegenüber dem VR an den Versicherungsvertreter bezahlen kann, so wäre es aus Sicht des VN ausgesprochen überraschend, wenn die Zahlung der Folgeprämie an die gleiche Person keine Erfüllungswirkung haben soll. Eine derartige Differenzierung durch den VN wird man kaum erwarten können, so dass doch gute Gründe für eine Erstreckung der Inkassovollmacht auf Folgeprämien sprechen. Denkbar sind aber auch Fallkonstellationen, in denen diese Frage offen bleiben kann, weil ohnehin auch die Voraussetzungen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vorliegen. § 69 Abs. 2 Satz 1 gilt nicht für Versicherungsmakler.73 7. Fälligkeit
43
a) Voraussetzungen der Fälligkeit der Erst- und Einmalprämie gem. § 33 Abs. 1 VVG. Gem. § 33 Abs. 1 hat der VN die Erstprämie und die Einmalprämie (zu den Begriffen oben Rn. 32) „unverzüglich nach Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen“.74 Damit weicht die seit dem 1.1.2008 geltende Gesetzesfassung vom früheren Recht ab, wonach die Erst- bzw. Einmalprämie „sofort nach dem Abschluss des Vertrages zu zahlen“ war (dazu bereits oben Rn. 1). Maßgeblich für den Beginn der Zahlungspflicht ist damit nicht mehr der Vertragsschluss. Voraussetzung für die Fälligkeit der Erst- bzw. Einmalprämie ist zunächst der Zugang des Versicherungsscheins beim VN. Dabei führt allein der Zugang des Versicherungsscheins noch nicht zur Fälligkeit von Erst- bzw. Einmalprämie. Vielmehr statuiert § 33 Abs. 1, dass die Prämie unverzüglich nach Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins entsteht. Auch für die Berechnung der Frist von 14 Tagen gelten die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über Fristen, auch wenn das VVG insoweit keinen Verweis auf das BGB enthält.
71 72
Versicherungsvermittlung ABl. EG 2003 Nr. L 9 S. 3. BGBl. I 2006 3232. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff2 § 5 Rn. 84; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Michaelis § 33 Rn. 6; Langheid/Wandt/Reiff
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73 74
§ 69 Rn. 42; im Ergebnis a.A. Niederleithinger VersR 2006 437, 445. Langheid/Wandt/Staudinger § 33 Rn. 14. Vgl. aber die Sonderregelung bei der Lebensversicherung gem. § 152 Abs. 3.
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Fälligkeit
Indes wird die Fälligkeit allein noch nicht durch den Ablauf von 14 Tagen begründet; 44 ausweislich des Gesetzeswortlauts muss die Prämie unverzüglich nach Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins bezahlt werden. Damit muss die Zahlung nicht innerhalb von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins erfolgen; vielmehr bleibt dem VN Zeit, die Prämie unverzüglich nach Ablauf von 14 Tagen zu zahlen.75 Der Begriff „unverzüglich“ ist legaldefiniert in § 121 Abs. 1 BGB. Im Schrifttum wird dieser Begriff im Rahmen des § 33 dahingehend verstanden, dass Fälligkeit damit frühestens zwei bis drei Tage nach Ablauf der Zweiwochenfrist eintreten kann.76 Da § 121 Abs. 1 BGB darauf abstellt, dass eine unverzügliche auszuführende Handlung „ohne schuldhaftes Zögern“ vorzunehmen ist, kommt je nach Umständen des Einzelfalls durchaus auch eine entsprechend längere Frist in Betracht. Durch die Regelung entsteht demnach eine unsichere Rechtslage im Hinblick auf den Fälligkeitszeitpunkt. Dies ist zwar nachteilig, jedoch angesichts des klaren Gesetzeswortlauts hinzunehmen. Im Schrifttum wird zudem erwogen, die Auslegung der Fälligkeit im Rahmen der sog. erweiterten Einlösungsklausel auf § 33 Abs. 1 zu übertragen.77 So ist der in der erweiterten Einlösungsklausel verwendete Begriff „ohne Verzug“ vielfach mit 14 Tagen verstanden worden.78 Indes sind keine Anhaltspunkte im Gesetz bzw. in der Gesetzesbegründung erkennbar, die eine solche Interpretation auch für § 33 Abs. 1 nahelegen. Die Verwendung des Begriffs „unverzüglich“ spricht vielmehr dafür, auf die Legaldefinition gem. § 121 BGB („ohne schuldhaftes Zögern“) und die damit verbundene Interpretation abzustellen. Die Fälligkeitsregelung gem. § 33 Abs. 1 ergibt sich daraus, dass dem VN gem. § 8 45 Abs. 1 grundsätzlich eine vierzehntägige Widerrufsfrist zusteht und der VN nicht vor Ablauf der Widerrufsfrist zur Zahlung verpflichtet sein soll (vgl. oben Rn. 1). Dabei legt das Gesetz zum einen einen Vertragsschluss nach dem Antragsmodell zugrunde79 (bei dem der VN seine Vertragserklärung vor Zugang des Versicherungsscheins abgegeben hat); zum anderen basiert § 33 Abs. 1 auf dem Gedanken, dass die Widerrufsfrist 14 Tage beträgt. Indes sind hiervon abweichende Fallkonstellationen denkbar: aa) Fälligkeit bei Abweichen des Versicherungsscheins vom Antrag des VN gem. § 5 46 Abs. 1. So stellt sich insbesondere die Frage nach der Fälligkeit der Erstprämie, wenn der Versicherungsschein vom Antrag des VN abweicht. Gem. § 5 Abs. 1, 2 gelten die Abweichungen als genehmigt, wenn der VN nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht. Nach der Gesetzesbegründung ist für die Frage der Fälligkeit in diesem Falle die Monatsfrist nach § 5 Abs. 2 maßgeblich.80 Zwar ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass sich aus dem Gesetzeswortlaut eine solche Interpretation nicht ergibt.81 Nach den ausdrücklichen Vorstellungen des Gesetzgebers 75 76
77
78
I.d.S. auch Schwintowski/Brömmelmeyer/ Michaelis § 33 Rn. 4. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 33 Rn. 4; ähnlich HK-VVG/Karczewski § 33 Rn. 7 (in der Regel „innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der Widerrufsfrist“); a.A. Looschelders/Pohlmann/Stagl § 33 Rn. 9. Schirmer FS Wälder 67, 70; zur erweiterten Einlösungsklausel Römer/Langheid2 § 38 Rn. 17, 25. Römer/Langheid2 § 38 Rn. 25; Schirmer FS Wälder 67, 70 unter Hinweis auf OLG Köln
79
80
81
17.4.1986 RuS 1986 144; OLG Köln 22.5.1986 RuS 1987 22. Beckmann/Matusche-Beckmann/K. Johannsen2 § 8 Rn. 12; Römer VersR 2006 740; RegE BTDrucks. 16/3945 S. 60. BTDrucks. 16/3945 S. 70; in diesem Sinne auch HK-VVG/Karczewski § 33 Rn. 6; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 33 Rn. 4; Wandt4 Rn. 503. Ganster Prämienzahlung S. 281; HK-VVG/ Karczewski § 33 Rn. 6.
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ist die Fälligkeit des Prämienanspruchs aber an die endgültige Bindung des VN an seine Vertragserklärung geknüpft.82 Durch die Formulierung in § 33 Abs. 1 („14 Tage nach Zugang des Versicherungsscheins“) kommt eine solche Koppelung zwischen Fälligkeit der Prämienzahlung und Bindung des VN zumindest zum Ausdruck. Dies spricht dafür, bei Abweichen des Versicherungsscheins vom Antrag des VN auch im Rahmen von § 33 Abs. 1 auf die Monatsfrist nach § 5 Abs. 2 abzustellen.
47
bb) Fälligkeit bei fehlerhafter oder unterbliebener Belehrung. Die Frage nach der Fälligkeit der Prämienzahlung stellt sich auch dann, wenn die Widerrufsfrist gem. § 8 Abs. 2 noch nicht läuft. Die vierzehntägige Widerrufsfrist gem. § 8 Abs. 1 beginnt erst, wenn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 erfüllt sind, also dem VN die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 erforderlichen Informationen zugegangen sind und ihm eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 erteilt worden ist. Fehlt es hieran, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen.83 Aus der – in der Gesetzesbegründung genannten – Maßgeblichkeit der Monatsfrist des § 5 Abs. 2 im Falle des Abweichens des Versicherungsscheins vom Antrag des VN (oben Rn. 46) könnte man schließen, dass die Prämienfälligkeit über diese Konstellation hinaus generell erst eintritt, wenn der VN an den Versicherungsvertrag endgültig gebunden ist.84 Hierfür spricht auch die Gesetzesbegründung, in der es heißt: „Eine sofortige Fälligkeit des Prämienanspruchs widerspricht aber dem Widerrufsrecht, das künftig nach dem neuen § 8 VVG-E grundsätzlich jedem Versicherungsnehmer zusteht. Der Versicherungsnehmer ist an seine Vertragserklärung endgültig erst gebunden, wenn die Widerrufsfrist abgelaufen ist.“85 Konsequenz wäre, dass § 33 Abs. 1 im Wege einer teleologischen Reduktion dahingehend zu verstehen ist, dass es stets auf das Ende der Widerrufsfrist ankommt. Dem wird entgegen gehalten, dass das Widerrufsrecht des § 8 die Wirksamkeit des 48 Vertrages nicht berühre; dagegen sei bei § 5 der Vertrag bis zur Genehmigung unwirksam, so dass in diesem Falle die Prämie zwingend erst mit der Genehmigung eintreten könne. Außerdem spreche gegen eine teleologische Reduktion, dass die Gesetzesbegründung außerdem ausdrücklich sage, dass die Fälligkeit auf den Zeitpunkt festgelegt werde, zu dem „im Normalfall“ die Widerrufsfrist ablaufe.86 Diesem Standpunkt ist im Ergebnis zuzustimmen. Es entspricht der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Rechtslage, dass der Anspruch des Unternehmers gegen den Verbraucher, dem ein Widerrufsrecht zusteht, bereits während der Widerrufsfrist besteht.87 Weiter zeigt dies auch die Regelung zu den Widerrufsfolgen in § 9 VVG, nach der bei entsprechender Belehrung dem VR die Prämie für die Zeit vor dem Widerruf zusteht. Dies gilt auch, wenn die Frist mangels ordnungsgemäßer Belehrung noch nicht zu lau49 fen beginnt.88 § 33 Abs. 1 weicht hiervon lediglich insoweit ab, dass die Fälligkeit auf den Zeitpunkt festgelegt ist, zu dem „im Normalfall“ die Widerrufsfrist abläuft; dieser Zeitpunkt ist gem. § 8 14 Tage nach Zugang des Versicherungsscheins. Hierfür spricht auch, dass § 33 Abs. 1 auf den Zugang allein des Versicherungsscheins abstellt; die darüber hinaus in § 8 Abs. 2 genannten Erfordernisse (Informationen nach Nr. 1 und Belehrung nach Nr. 2) nennt § 33 Abs. 1 nicht. Eine von der Fälligkeit abweichende Frage ist
82 83 84
BTDrucks. 16/3945 S. 70. Zur Dauer etwa Bruck/Möller/Knops § 8 Rn. 45 ff. I.d.S. Ganster Prämienzahlung S. 281 f.; Wandt/Ganster VersR 2007 1034 Fn. 5; Hk-VVG/Karczewski § 33 Rn. 5.
16
85 86 87
88
BTDrucks. 16/3945 S. 70. Wandt 4 Rn. 503. Palandt/Grüneberg69 § 355 Rn. 4; PWW/ Medicus2 § 355 Rn. 1; Jauernig/Stadler12 § 355 Rn. 7; AnwKom/Ring § 355 Rn. 12. Vgl. Palandt/Grüneberg69 § 355 Rn. 4.
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§ 33
Fälligkeit
indes, ob der VN wegen der ihm gesetzlich zustehenden Überlegungszeit bis zum Ende der Widerrufsfrist die Leistung verweigern darf. Es ist also zwischen Fälligkeit und Durchsetzbarkeit zu unterscheiden.89 Im bürgerlichen Recht wird für die Zeit der Widerrufsmöglichkeit zu Recht ein Leistungsverweigerungsrecht des Kunden angenommen und damit die Durchsetzbarkeit des Anspruchs des Unternehmers abgelehnt.90 Da der VR zur ordnungsgemäßen Belehrung und Information gem. §§ 7, 8 verpflichtet ist – und es sich hierbei um eine echte Rechtspflicht handelt91 –, steht dem VN ein entsprechender Gegenanspruch zu, den der VN dem fälligen Zahlungsanspruch des VR entgegenhalten kann. Solange es also an einer ordnungsgemäßen Information und Belehrung fehlt, kann der VR seinen Zahlungsanspruch nicht durchsetzen.92 Relevant kann dies insbesondere für § 37 sein. cc) Fälligkeit beim „Invitatio-Modell“. Bei dem sog. „Invitatio-Modell“ gibt der Ver- 50 sicherungsinteressierte zunächst nur eine invitatio ad offerendum ab. Den eigentlichen Antrag (Angebot) auf Vertragsabschluss erklärt der VR und fügt alle erforderlichen Informationen sowie den Versicherungsschein bei. Erst anschließend erklärt der VN die Annahme zum Angebot des VR.93 Bei dieser Konstellation wird man nicht annehmen können, dass die Frist für eine Zahlung schon mit Zugang des Versicherungsscheins zu laufen beginnt. So besteht vor der Annahmeerklärung des VN noch kein Versicherungsvertrag, so dass von vorneherein noch gar keine Zahlungspflicht besteht.94 Mit der Annahmeerklärung durch den VN kommt der Versicherungsvertrag zustande. Im Schrifttum wird angenommen, dass in diesem Fall die Fälligkeit erst frühestens 14 Tage nach Abgabe und Zugang der Annahmeerklärung des VN eintreten könne.95 Dem könnte zwar entgegen gehalten werden, bei dieser Konstellation greife § 33 Abs. 1 gar nicht ein, so dass sogar die allgemeine Regelung des § 271 BGB zur Anwendung gelange. Indes ist der Zweck des § 33 Abs. 1 zu beachten, der die Fälligkeit an die vierzehntägige Widerrufsfrist gem. § 8 Abs. 1 knüpft (siehe oben Rn. 4). Da dem VN auch beim „InvitatioModell“ diese Widerrufsfrist gem. § 8 Abs. 1 zusteht, kann die Fälligkeit in der Tat frühestens erst 14 Tage nach Abgabe und Zugang der Annahmeerklärung des VN eintreten; konsequenterweise wird man auch bei dieser Konstellation auf das Tatbestandsmerkmal der unverzüglichen Zahlung nach Ablauf der Widerrufsfrist nicht verzichten können. dd) Rückwärtsversicherung und vorläufige Deckung. § 33 Abs. 1 gilt auch für die 51 Rückwärtsversicherung. Die Prämienzahlung wird unverzüglich nach Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins fällig; es gelten für die Fälligkeit keine Besonderheiten (vgl. aber zur Nichtanwendbarkeit des § 37 Abs. 2 Kommentierung zu § 37 Rn. 60). Auch im Fall einer vorläufigen Deckungszusage gilt grundsätzlich § 33 Abs. 1.96
89 90 91
92 93
AnwKom/Ring § 355 Rn. 14; Palandt/Grüneberg69 § 355 Rn. 4. Vgl. Palandt/Grüneberg69 § 355 Rn. 4 m.w.N. Bruck/Möller/Herrmann § 7 (betr. die Informationspflichten gem. § 7); Bruck/Möller/ Knops § 4 Rn. 44 (betr. die Belehrung gem. § 8 Abs. 2). Ebenso Bruck/Möller/Knops § 4 Rn. 4. Zum „Invitatio-Modell“ und zu den Vertragsschlussmodellen nach neuem Recht vgl.
94
95
96
Wandt 4 Rn. 504; HK-VVG/Schimikowski § 7 Rn. 29; Schimikowski RuS 2006 441; Gaul VersR 2007 21. So bereits Beckmann/Matusche-Beckmann/ Hahn2 § 12 Rn. 21; Ganster Prämienzahlung S. 281 f. Schirmer FS Wälder 67, 70; Marlow/Spuhl 3 S. 115; a.A. wohl Wandt 4 Rn. 504 (für wörtliche Annahme des § 33 Abs. 1). Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 23.
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§ 33
Abschnitt 3. Prämie
Indes wird für die vorläufige Deckung vielfach kein gesonderter Versicherungsschein ausgestellt, obgleich es sich um einen eigenständigen Vertrag handelt.97 Vielfach wird vereinbart, dass die Prämie für die vorläufige Deckung mit der Erstprämie des endgültigen Versicherungsvertrages bezahlt wird;98 darüber hinausgehend ist in diesem Fall die Zahlung bis zum Zugang der Prämienrechnung gestundet, wenn der VR nicht ausdrücklich sofortige Zahlung der Prämie verlangt.99 Hingegen gestattet § 51 Abs. 1, dass der Beginn des Versicherungsschutzes von der Zahlung der Prämie abhängig gemacht werden kann, sofern der VR den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Voraussetzung aufmerksam gemacht hat.
52
b) Folgeprämien. § 33 Abs. 1 betrifft die Erstprämie und die Einmalprämie (vgl. oben Rn. 10). Die Fälligkeit der Folgeprämien ist wie auch schon vor der VVG-Reform im Gesetz nach wie vor nicht ausdrücklich geregelt. Deshalb finden sich Bestimmungen über die Fälligkeit von Folgeprämien regelmäßig in entsprechenden AVB (z.B. Abschn. B § 4 AFB 2008).100 Bei Fehlen einer entsprechenden vertraglichen Regelung über die Fälligkeit von Folgeprämien greift die allgemeine Vorschrift des § 271 BGB ein.101 Die Rechtsfolgen bei Nichtzahlung von Folgeprämien sind geregelt in § 38. Bei nicht rechtzeitiger Zahlung kann der VR dem VN – auf dessen Kosten – in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muss; insofern orientiert sich diese Zahlungsfrist an der grundsätzlichen Fälligkeitsregelung des § 33 Abs. 1.102 8. Stundung
53
Wie bei jedem anderen Schuldverhältnis können die Parteien auch eine Stundungsvereinbarung treffen und damit die Fälligkeit der Zahlung der Prämie verschieben. Vereinzelt wurde früher vertreten die Stundung der Erstprämie ändere deren Qualität in eine Folgeprämie ab und führe daher nur zu den Rechtsfolgen des § 39 VVG a.F. (jetzt § 38).103 Dem ist mit der heute ganz herrschenden Ansicht nicht beizupflichten. Vielmehr hat die Stundungszusage des VR keine Auswirkungen auf das Vorliegen einer Erstprämie, denn sie bleibt aus zeitlicher Sicht immer noch die erste zu entrichtende Prämie.104 Durch eine bloße Stundung ändert sich also der Charakter der Erstprämie nicht. Fraglich sind insbesondere die Auswirkungen einer Stundung auf das Bestehen des Versicherungsschutzes, insbesondere ob bei Eintritt eines Versicherungsfalles vor Zahlung der (gestundeten) Prämie Versicherungsschutz besteht; zu dieser Frage § 37 Rn. 19.
97 98 99
100
101
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Beckmann/Matusche-Beckmann/Hermanns2 § 7 Rn. 21. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 23; Dreher S. 105. Schwintowski/Brömmelmeyer/Schwintowski § 51 Rn. 1; BGH 17.4.1967 VersR 1967 569. Unverbindliche Bekanntgabe des GDV (abrufbar unter: http://www.gdv.de [Abrufdatum: 28.9.2008]; abgedruckt bei Dörner6 AVB). Bruck/Möller/Johannsen/Johannsen8 Bd. 3
102 103 104
Anm. F 10; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Michaelis § 33 Rn. 1. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 26. Sieg3 S. 90. BGH 25.6.1956 BGHZ 21 131; BGH 17.4.1967 BGHZ 47 352; OLG Hamm 15.6.1983 VersR 1984 231; Ganster Prämienzahlung im Versicherungsrecht S. 93; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Michaelis § 37 Rn. 4; Berliner Kommentar/ Riedler § 38 Rn. 19.
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§ 33
Fälligkeit
9. Rechtzeitigkeit der Prämienzahlung/Erfüllungswirkung Die Frage nach der Rechtzeitigkeit der Zahlung ist von der Erfüllungswirkung zu 54 unterscheiden. Hierzu im Einzelnen die Kommentierung zu § 36 Rn. 6 ff. 10. Erfüllbarkeit Auch im Hinblick auf die Erfüllbarkeit der Prämienzahlungspflicht gelten die allge- 55 meinen Grundsätze. Daraus folgt, dass die Prämienzahlungspflicht des VN gem. § 271 Abs. 1 BGB auch vor eingetretener Fälligkeit erfüllbar ist. Verweigert der VR die Vorauszahlung, so gerät er in Annahmeverzug.105 11. Verjährung Im VVG finden sich mit Ausnahme des § 15 VVG keine Regelungen zur Verjährung 56 von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen. § 15 bezieht sich allerdings schon dem Wortlaut nach nur auf den Anspruch des VN gegen den VR, mithin nicht auf die Prämie, so dass für die Verjährung der Prämie die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften gelten.106 Dies gilt für den Beginn, die Dauer und den Neubeginn der Verjährung. Insbesondere der Beginn der Verjährung richtet sich nach § 199 Abs. 1 BGB. Danach beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den – anspruchsbegründenden – Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Beginn der Verjährung gem. § 199 Abs. 1 BGB setzt auch die Fälligkeit des Anspruchs voraus.107 Aufgrund der Anknüpfung des Fälligkeitszeitpunkts an eine „unverzügliche“ Zahlung 14 Tage nach Zugang des Versicherungsscheins ist der konkrete Zeitpunkt der Fälligkeit mit Unsicherheiten verbunden (vgl. oben Rn. 43 ff.). Dies ist im Schrifttum auf Kritik gestoßen108, ist aber aufgrund des klaren Wortlautes des Gesetzes jedenfalls de lege lata hinzunehmen.
II. Abholung der Prämie, § 33 Abs. 2 § 33 Abs. 2 entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Vorschrift des § 37 a.F.; die 57 Vorschrift enthält lediglich sprachliche Änderungen. Hintergrund der Regelung ist die – bei Inkrafttreten des VVG 1908 bestehende – tatsächliche Übung, dass die Prämien vom VR regelmäßig beim VN abgeholt wurden.109 Nach wohl herrschender Ansicht galt die Vorgängervorschrift des § 37 a.F. nur für den Fall, dass die regelmäßige Einziehung der Prämie beim VN aufgrund einer tatsächlichen Übung erfolgt. Die regelmäßige Einziehung der Prämie beim VN bewirkte das Entstehen einer „Holschuld kraft tatsächlicher Übung“.110 Von dieser konnte sich der VR unter den Voraussetzungen des § 37 a.F. ein-
105
106 107
Berliner Kommentar/Riedler § 35 Rn. 26 mit weiteren Hinweisen (auch zur anderen Rechtslage in Österreich). Langheid/Wandt/Staudinger § 33 Rn. 31. Bruck/Möller/K. Johannsen § 15 Rn. 10; allgemein Palandt/Heinrichs68 § 199 Rn. 3; juris PK-BGB/Lakkis4 § 199 Rn. 5; Staudinger/Peters (2003) § 199 Rn. 4.
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Vgl. etwa Wandt4 Rn. 502 Fn. 18. Berliner Kommentar/Riedler § 37 Rn. 2. Bruck/Möller/Möller8 § 37 Anm. 8; Berliner Kommentar/Riedler § 37 Rn. 3 m.w.N.; nach a.A. unverändert Schickschuld, aber Ruhen der Übersendungspflicht während des Zeitraumes der regelmäßigen Einziehung (so etwa Hofmann PVR § 11 Rn. 36).
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§ 33
Abschnitt 3. Prämie
seitig lösen. Bei einer vertraglich vereinbarten Holschuld sollte § 37 a.F. nicht gelten.111 Von einer vertraglich vereinbarten Holschuld kommt eine einseitige Lossagung grundsätzlich auch nicht in Betracht. Zu § 37 a.F. wurde insbesondere diskutiert, inwieweit die Vereinbarung eines Last58 schriftverfahrens erfasst ist. Die Vereinbarung eines Lastschriftverfahrens lässt sich dahingehend verstehen, dass die Prämienzahlungspflicht zu einer Holschuld wird.112 Da insoweit eine vertragliche Vereinbarung über ein Lastschriftverfahren vorliegt, könnte man hieraus schließen, dass eine einseitige Beendigung des Lastschriftverfahrens durch den VR und damit eine Wiederkehr zur ursprünglichen Schuld (d.h. nach bisher h.M. zur qualifizierten Schickschuld) nicht möglich sei (zur grundsätzlichen Einordnung vgl. § 36 Rn. 6 ff.). Indes sind insoweit Sinn und Zweck des Lastschriftverfahrens zu berücksichtigen. Zum einen führt ein Scheitern des Einzugs im Rahmen eines Lastschriftverfahrens dazu, dass die Schuld wieder zur Schickschuld wird.113 Darüber hinaus kann ein Lastschriftverfahren prinzipiell auch durch den Gläubiger beendet werden.114 Nichtsdestotrotz wurde auch für die Vorgängervorschrift des § 37 a.F. zu Recht der Standpunkt vertreten, dass bei Beendigung eines Lastschriftverfahrens durch den Gläubiger die Voraussetzungen des § 37 a.F. zu beachten sind.115 Der neue § 33 Abs. 2 enthält im Wesentlichen die Regelung des bisherigen § 37 a.F. 59 (§ 37 a.F. ging noch von einer „regelmäßigen“ Einziehung der Prämie aus und verlangte eine schriftliche Anzeige vom VR; § 33 Abs. 2 lässt genügen, dass die Prämie „zuletzt“ vom VR eingezogen worden ist und verlangt lediglich eine Aufforderung in Textform). Der Reformgesetzgeber ist davon ausgegangen, dass der an sich in § 37 a.F. und nun in § 33 Abs. 2 geregelte Fall der unmittelbaren Einziehung beim VN heute keine praktische Bedeutung mehr habe116 (gemeint sein dürfte die unmittelbare Einziehung kraft tatsächlicher Übung); ein Bedürfnis für die Beibehaltung einer solchen Regelung sieht der Reformgesetzgeber aber im Hinblick auf die in der Praxis übliche Einziehungsermächtigung, aufgrund derer der VR die Prämie vom Konto des VN einziehen kann. Nach den Gesetzesmaterialien findet § 33 Abs. 2 somit jedenfalls auch auf die – vertraglich vereinbarte – Einziehungsermächtigung Anwendung. Damit weicht diese Vorstellung des Gesetzgebers von der früher herrschenden Ansicht ab, wonach § 37 a.F. grundsätzlich nur auf eine tatsächliche Übung Anwendung fand (s.o.). Geht man davon aus, dass eine Einziehungsermächtigung ohnehin auch einseitig vom Gläubiger (also vom VR) aufgehoben werden kann, ergeben sich keine Probleme. Indes sind auch die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 zu beachten. Wendet man hingegen § 33 Abs. 2 auf jede vertragliche Vereinbarung über eine Ein60 ziehung der Prämie an, so lässt sich diese Vorschrift nicht dahingehend verstehen, dass es zu einer erleichterten einseitigen Aufhebung einer solchen Vereinbarung allein durch eine einseitige Erklärung durch den VR kommen kann. Vielmehr ist § 33 Abs. 2 in dem Sinne zu verstehen, dass die allgemeinen vertragsrechtlichen Grundlagen hierdurch nicht berührt werden; es bedarf zusätzlich einer vom VR erklärten Aufforderung in Textform. Letztlich ist die Vorstellung des Reformgesetzgebers auch mit dem Wortlaut des § 33 Abs. 2 in Einklang zu bringen, da der Tatbestand („Ist die Prämie zuletzt vom VR eingezogen worden, …“) auch vertragliche Vereinbarungen erfasst. 111 112 113
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Bruck/Möller/Möller8 § 37 Anm. 8; Berliner Kommentar/Riedler § 37 Rn. 9. Palandt/Grüneberg69 § 270 Rn. 4; Berliner Kommentar/Riedler § 37 Rn. 9. Berliner Kommentar/Riedler § 37 Rn. 9; Canaris Bankvertragsrecht4 I, 629.
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Canaris Bankvertragsrecht4 I, 649; van Gelder in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch3, § 58 Rn. 162. Berliner Kommentar/Riedler § 37 Rn. 9; Prölss/Martin/Knappmann27 § 7 Rn. 1. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 70.
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Fälligkeit
Für das in der Praxis relevante Lastschriftverfahren (in Form der Einzugsermächti- 61 gung) kann der VR demnach nicht ohne Weiteres Abstand nehmen; vielmehr kann er es erst dann beenden, wenn er den VN in Textform zur Übermittlung der Prämie aufgefordert hat.
C. Abdingbarkeit Gem. § 42 kann von § 33 Abs. 2 und den §§ 37– 41 nicht zum Nachteil des VN abge- 62 wichen werden. Praxisbedeutsam kann deshalb allenfalls eine von § 33 Abs. 1 abweichende Vereinbarung sein. Gleiches galt auch nach früherem Recht für § 35 a.F.117 Die Abdingbarkeit des § 33 Abs. 1 hat der Gesetzgeber insbesondere im Hinblick auf die Fälle vorgesehen, in denen kein Widerrufsrecht des VN gem. § 8 Abs. 3 besteht.118 Damit kommt eine von § 33 Abs. 1 abweichende Vereinbarung insbesondere im Hinblick auf unwiderrufliche Verträge gem. § 8 Abs. 3 in Betracht. Für solche Verträge erscheint es insbesondere denkbar, den Zeitpunkt der Fälligkeit der Prämienzahlungspflicht auf den Zeitpunkt des materiellen Versicherungsbeginns vorzuverlegen. Auch eine angemessene weitergehende Vorverlegung und damit eine Vorleistungspflicht des VN erscheint nicht ausgeschlossen. In der Diskussion steht vor allem aber die Vorverlagerung der Fälligkeit der Prämien- 63 zahlungspflicht bei widerruflichen Verträgen. Gem. § 42 ist von einer grundsätzlichen Abdingbarkeit auszugehen. Im Schrifttum ist insbesondere der Vorschlag gemacht worden, dass die Parteien im Rahmen von AVB vereinbaren können, die die beiderseitigen Leistungspflichten während der Widerruflichkeit des Vertrages gleichzeitig fällig werden lässt.119 Zur Begründung wird auf ein eigenständiges Leitbild eines widerruflichen Versicherungsvertrages abgestellt. Indes legen die Vertreter dieses Standpunkts eine ausgesprochen umstrittene Behandlung des Einlösungsprinzips gem. § 37 Abs. 2 zugrunde (vgl. hierzu auch § 37 Rn. 3).120 Vor diesem Hintergrund erscheint es fraglich, ob tatsächlich von einem „neuen eigenständigen Leitbild“121 gesprochen werden kann. Zuzustimmen ist der Auffassung aber insoweit, dass grundsätzlich bei Bestehen des materiellen Versicherungsschutzes auch die Fälligkeit der Prämienzahlung nicht unangemessen ist.122 Da der Versicherungsvertrag im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit des VN noch in der Schwebe ist, setzt eine solche Vorverlagerung des Fälligkeitszeitpunkts aber voraus, dass hierdurch die Rechte des VN (insbesondere seine Rückzahlungsansprüche gem. § 9) für den Fall des Widerrufs nicht beeinträchtigt werden. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 42 (oben Rn. 62) ist § 210 Abs. 1 zu beach- 64 ten.
D. Beweislast Für den Zugang des Versicherungsscheins ist im Rahmen von § 33 Abs. 1 der VR 65 darlegungs- und beweispflichtig. Im Schrifttum ist darauf hingewiesen worden, dass sich in der Praxis hierbei erhebliche Beweisprobleme ergeben können, da der Versicherungs-
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Prölss/Martin/Knappmann27 § 35 Rn. 24. Regierungsbegründung BTDrucks. 16/1945 S. 70. Wandt/Ganster VersR 2007 1034 ff.
120 121 122
HK-VVG/Karczewski § 37 Rn. 18. Wandt/Ganster VersR 2007 1034, 1039. Im Ergebnis ebenfalls HK-VVG/Karczewski § 33 Rn. 24.
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schein als einfacher Brief übersandt wird.123 Insoweit gelten die allgemeinen bürgerlichrechtlichen Grundsätze für den Beweis des Zugangs von schriftlichen Willenserklärungen. Auch wenn unstreitig ist, dass der Versicherungsschein zugegangen ist, gilt Entsprechendes für die Frage nach dem Zeitpunkt des Zugangs.124 Für den Fall, dass der VR dem VN unstreitig Mahnungen bzw. Belehrungen übersandt hat, aus denen der VN erkennen kann, dass der VR vom Zugang des Versicherungsscheins ausgeht, ergeben sich prinzipiell noch keine Nachteile für den VN; insbesondere ist dies für sich gesehen noch kein treuwidriges Verhalten des VN mit der Folge, dass er sich nicht mehr auf den fehlenden Zugang des Versicherungsscheins berufen könnte; insoweit bedarf es schon weiterer Umstände zulasten des VN.125 Der VR hat es im Übrigen selbst in der Hand, durch Empfangsbestätigungen des VN eine klare Situation herbeizuführen. Den VN trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die von ihm geschuldete 66 Zahlung der Prämie tatsächlich vorgenommen hat.126 Gleiches gilt auch für die Frage der Rechtzeitigkeit der Zahlung (zur Rechtzeitigkeit und zur erforderlichen Leistungshandlung vgl. § 36 Rn. 6 ff.). Zum früheren Recht wurde der Standpunkt vertreten, dass die Aushändigung des Versicherungsscheins eine Beweislastumkehr mit sich bringe, da der Übersendung des Versicherungsscheins die Wirkung einer Quittung zukomme.127 Diesem Meinungsstreit ist nach der neuen Gesetzeslage indes der Boden entzogen.128 Beim Lastschriftverfahren wird eine besondere Beweissituation angenommen. Danach obliegt es dem VR zu beweisen, dass er zur rechten Zeit einen ordnungsgemäßen Einziehungsversuch unternommen hat; von dieser Beweislast wird auch erfasst, dass der VR den VN über konkrete Höhe und Fälligkeitszeitpunkt der Prämie unterrichtet hat. Erst wenn der Beweis gelungen ist, hat wiederum der VN zu beweisen, dass zum Fälligkeitszeitpunkt eine hinreichende Kontodeckung bestand.129
§ 34 Zahlung durch Dritte (1) Der Versicherer muss fällige Prämien oder sonstige ihm auf Grund des Vertrags zustehende Zahlungen vom Versicherten bei einer Versicherung für fremde Rechnung, von einem Bezugsberechtigten, der ein Recht auf die Leistung des Versicherers erworben hat, sowie von einem Pfandgläubiger auch dann annehmen, wenn er die Zahlung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückweisen könnte. (2) Ein Pfandrecht an der Versicherungsforderung kann auch wegen der Beträge einschließlich ihrer Zinsen geltend gemacht werden, die der Pfandgläubiger zur Zahlung von Prämien oder zu sonstigen dem Versicherer auf Grund des Vertrags zustehenden Zahlungen verwendet hat.
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HK-VVG/Karczewski § 33 Rn. 21. Ebenso HK-VVG/Karczewski § 33 Rn. 22. Ebenso HK-VVG/Karczewski § 33 Rn. 22. HK-VVG/Karczewski § 33 Rn. 24. Prölss/Martin/Knappmann27 § 35 Rn. 22; a.A. etwa Römer/Langheid2 § 35 Rn. 15.
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Ebenso Schwintowski/Brömmelmeyer/ Michaelis § 33 Rn. 14; Langheid/Wandt/ Staudinger § 33 Rn. 33. BGH 19.10.1977 VersR 1977 1153; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 34 Rn. 15.
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Zahlung durch Dritte
§ 34
Schrifttum Bürkle Mitteilungspflichten des Lebensversicherungsunternehmens gegenüber Arbeitnehmern im Rahmen der Direktversicherung, BB 2003 2007; Prahl Zur Mitteilungspflicht des Lebensversicherers – unter Berücksichtigung des neuen Schuldrechts, VuR 2004 170; Langohr-Plato Zur Information des bezugsberechtigten Arbeitnehmers bei Prämienverzug des Arbeitgebers, VersR 2003 628; Riedler Aktuelle Probleme des Prämienzahlungsverzugs im Privatversicherungsrecht, VersRdsch 1993 300; (vgl. im Übrigen Schrifttum zu § 33).
Übersicht Rn. I. Funktion und Bedeutung . . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . 2. Inhalt und Zweck der Regelung . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . II. Die Annahmepflicht des VR, § 34 Abs. 1 1. Bürgerlich-rechtliche Ausgangslage .
. . . . . .
Rn.
1 1 4 5 7 7
2. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . a) Ablösungsberechtigte Personen . . b) Ablösungsberechtigende Leistungen 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . III. Pfandrechtserweiterung, § 34 Abs. 2 . . IV. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . .
. .
8 8 13 14 19 21
. . .
I. Funktion und Bedeutung 1. Entstehungsgeschichte Durch § 34 wird – mit Ausnahme von sprachlichen Korrekturen – die bisherige Rege- 1 lung des § 35a a.F. beibehalten.1 Die Vorgängervorschrift des § 35a a.F. wurde durch Gesetz vom 7.11.19392 in das 2 VVG von 1908 eingefügt und schloss insofern die bis dahin bestehende Gesetzeslücke, indem der Kreis der zahlungsberechtigten Personen erweitert wurde.3 Nach der bis 1939 geltenden Rechtslage konnte der VR die von einem Dritten angebotene Leistung ablehnen, wenn der VN widersprochen hat. Eine Ausnahme hiervon sah lediglich § 105 VVG 1908 für die Gebäudefeuerversicherung vor, nach dem der VR selbst bei einem Widerspruch des VN die Annahme der von einem Hypothekengläubiger angebotenen Prämienzahlung zu dessen Schutz nicht verweigern durfte.4 Wiederum in § 38 SchiffsRG und in § 38 LuftFzgG5 finden sich inhaltlich im Wesent- 3 lichen ähnliche Regelungen. 2. Inhalt und Zweck der Regelung Die Vorschrift dient als Schutznorm zugunsten des zahlungsberechtigten Dritten, um 4 durch entsprechende Zahlung an den VR einen Wegfall der Versicherung zu verhindern.6 Zum Schutze eines bestimmten privilegierten Personenkreises bestimmt § 34, dass der VR die Prämienzahlung durch den zu dem geschützten Personenkreis gehörenden Dritten nicht zurückweisen darf; dies gilt selbst dann, wenn der VN der Zahlung widerspricht. Damit werden die §§ 267, 268 BGB dahingehend modifiziert, dass der Kreis der ab-
1 2 3
4 5
RegE BTDrucks. 16/3945 S. 70. RGBl. I S. 2223. Prölss/Martin/Knappmann27 § 35a Rn. 3; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 2; Ganster Prämienzahlung S. 331. Motive S. 173. Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen (Luft-
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FzgG) vom 26.2.1959 (BGBl. I S. 57), zuletzt geändert durch Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586). Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 4.
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§ 34
Abschnitt 3. Prämie
lösungsberechtigten Dritten erweitert7 und das Widerspruchsrecht des Schuldners (hier des VN) begrenzt wird.8 Hierdurch werden die privilegierten Personen davor geschützt, dass der Versicherungsschutz, von dem sie in ihrer Position profitieren, wegen ausstehender Zahlung durch den VN verloren geht. 3. Anwendungsbereich
5
Im Schrifttum wird vertreten, dass § 34 Abs. 1 als Ausnahmevorschrift eng auszulegen sei.9 Ob man dies aus dem Charakter einer Ausnahmevorschrift allgemein herleiten kann, soll hier nicht näher untersucht werden.10 Jedenfalls ergibt sich ein tatbestandlich klarer Anwendungsbereich.11 Eine Erweiterung auf Personen, die gegebenenfalls im Übrigen ein schützenswertes Interesse an der Aufrechterhaltung des Versicherungsvertrages haben, findet damit grundsätzlich nicht statt (vgl. auch Rn. 11),12 sollte aber von vorneherein nicht gänzlich ausgeschlossen sein. Die §§ 267 f. BGB bleiben neben § 34 anwendbar.13 Damit gerät der VR auch bei 6 Nichtannahme einer Prämienzahlung durch einen nicht vom Anwendungsbereich des § 34 erfassten Dritten in Annahmeverzug,14 es sei denn der VN hat dieser Zahlung wirksam widersprochen.15
II. Die Annahmepflicht des VR, § 34 Abs. 1 1. Bürgerlich-rechtliche Ausgangslage
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Schuldner der Prämie ist grundsätzlich der VN als Partei des Versicherungsvertrages.16 Die Geldschuld des VN ist jedoch nicht höchstpersönlicher Natur, so dass es grundsätzlich nach § 267 BGB auch möglich ist, dass anstelle des VN ein Dritter die Leistung erbringt.17 Dabei ist nach § 267 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Einwilligung des VN nicht erforderlich. Der VR ist jedoch zur Ablehnung der Leistungserbringung durch den Dritten gem. § 267 Abs. 2 BGB dann berechtigt, wenn der VN der Prämienzahlung durch den Dritten wirksam widersprochen hat. Demgegenüber gibt § 268 BGB allgemein
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Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 34 Rn. 1; HK-VVG/Karczewski § 34 Rn. 1. Römer/Langheid2 § 35a Rn. 1. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 34 Rn. 3; Ganster Prämienzahlung S. 329; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35a Rn. 2; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 7. Dazu etwa MüKo/Säcker5 Band 1/1 Einleitung Rn. 112 m.w.N., wonach Ausnahmevorschriften auch auf einen solchen Sachverhaltstyp sinngemäß (analog) anzuwenden sind, der zwar keine völlige, wohl aber eine essentielle Strukturgleichheit mit dem Sachverhaltstyp aufweist, auf den die Ausnahmevorschrift unmittelbar Anwendung findet. Für abschließende Festschreibung Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 34 Rn. 3; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 7; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35a Rn. 2.
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Kritisch zu Recht Ganster Prämienzahlung S. 330 ff., 380 f. Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 5; Ganster Prämienzahlung S. 329; a.A. bezüglich § 267 Abs. 2 BGB Langheid/Wandt/Staudinger § 34 Rn. 1. Deutsch6 Rn. 196; Römer/Langheid2 § 35a Rn. 1; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 5; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35a Rn. 1. Palandt/Grüneberg 69 § 267 Rn. 5, 6; MüKo/ Krüger5 § 267 Rn. 16; a.A. wohl LG Köln 27.2.1980 VersR 1980 962. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 18; Deutsch6 Rn. 196; vgl. hierzu auch § 33 Rn. 38 in dieser Kommentierung. Deutsch6 Rn. 196; Berliner Kommentar/ Riedler § 35a Rn. 3.
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Zahlung durch Dritte
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dem Dritten, dem durch Zwangsvollstreckung ein Rechts- oder Besitzverlust droht, ein Ablösungsrecht, welches nicht durch Widerspruch des Schuldners eingeschränkt werden kann.18 Damit gewinnt der Dritte unter den Voraussetzungen des § 268 BGB eine wesentlich stärkere Rechtsposition als im Rahmen des § 267 BGB.19 Diesen Grundgedanken setzt § 34 fort.20 2. Tatbestandsvoraussetzungen a) Ablösungsberechtigte Personen. Ausweislich des Gesetzeswortlauts des § 34 Abs. 1 sind zunächst Versicherte bei der Versicherung für fremde Rechnung ablösungsberechtigt 21, §§ 43, 44, 179 Abs. 1. Ferner sind zahlungsbefugt Bezugsberechtigte, die ein eigenes Leistungsrecht erworben haben. Erforderlich ist nach h.M. ein unwiderrufliches Bezugsrecht.22 Nach der Auslegungsregel des § 159 Abs. 1 (der der Vorgängerregelung des § 166 Abs. 1 Satz 1 a.F. entspricht) ist bei der Lebensversicherung im Zweifel jedoch von einer widerruflichen Begünstigung als Regelfall auszugehen.23 Gem. § 159 Abs. 2 ist der Eintritt des Versicherungsfalles für den Rechtserwerb erforderlich. Nach Eintritt des Versicherungsfalles hat demzufolge auch der ursprünglich nur widerruflich begünstigte Bezugsberechtigte ein unwiderrufliches Bezugsrecht erworben,24 so dass auch ihm das Ablösungsrecht aus § 34 Abs. 1 zusteht. Schließlich gehören zu dem nach § 34 Abs. 1 privilegierten Personenkreis Pfandgläubiger. Nach h.M. ist ein Pfandrecht an der Versicherungsforderung erforderlich.25 Ein Pfändungspfandrecht an der Versicherungsforderung (§ 804 ZPO) – auch wenn es sich nur um ein bedingtes handelt (§§ 845, 930 ZPO) – ist ausreichend; gleiches gilt für die Erstreckung des Grundpfandrechtes auf die Versicherungsforderung (§ 1127 Abs. 1 BGB für die Hypothek, § 1192 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1127 Abs. 1 BGB für die Grundschuld).26 Ein Pfandrecht an dem versicherten Gegenstand genügt nach h.M. jedoch nicht.27 Die Aufzählung der von § 34 Abs. 1 erfassten Personen ist nach h.A. abschließend (vgl. hierzu bereits Rn. 5). Eine Erweiterung des bereits von § 35a a.F. erfassten Personenkreises hat im Zuge der Reform des Versicherungsvertragsrechts nicht stattgefunden. Auch wenn teilweise eine Erstreckung der Ablösungsberechtigung nach § 34 Abs. 1 auf den Erwerber i.S.d. §§ 95 ff., den VN bei einer Schuldübernahme sowie auf den Zessionar gefordert wurde,28 hat der Reformgesetzgeber diese Personen – trotz vergleichbarer
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BGH 12.7.1996 NJW 1996 2791 f.; jurisPKBGB/Kerwer4 § 267 Rn. 7. Palandt/Grüneberg 69 § 268 Rn. 1. Weyers/Wandt3 Rn. 368; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 3. BGH 18.10.2000 VersR 2001 53 (juris Rn. 9); BGH 18.9.1991 VersR 1991 1404 (juris Rn. 11 ff.). Vgl. hierzu etwa BGH 17.2.1966 BGHZ 45 162, 165 (juris Rn. 12); BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021; Bruck/Möller/Möller8 § 35a Anm. 5; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 6; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35a Rn. 3; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Michaelis § 34 Rn. 4.
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Vgl. BGH 17.2.1966 BGHZ 45 162, 165; Prölss/Martin/Kollhosser27 § 166 Rn. 1. Prölss/Martin/Kollhosser27 § 13 ALB 86 Rn. 8; Ganster Prämienzahlung S. 328. Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 6; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35a Rn. 4. Bruck/Möller/Möller8 § 35a Anm. 5; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35a Rn. 4; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 6. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 34 Rn. 5; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 7; Bruck/Möller/Möller8 § 35a Anm. 5; Ganster Prämienzahlung S. 329. So etwa Ganster Prämienzahlung S. 381 f.
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Sachlage und bestehendem Interesse an dem Bestand des Versicherungsvertrages29 – nicht in den Kreis der Privilegierten aufgenommen. Von einer entsprechenden Anwendung auf diese Personen ist daher abzusehen. Nicht zahlungsberechtigt ist demnach der widerruflich Begünstigte vor Eintritt des 12 Versicherungsfalls,30 der Zessionar,31 der Inhaber des Versicherungsscheins nach § 432, der Geschädigte in der Haftpflichtversicherung, der Indossatar einer Orderpolice, die Gefahrenperson in einer Lebens- oder Unfallversicherung, der nicht durch Sicherungsschein gesicherte Hypothekengläubiger, soweit die Versicherungsforderung sich nicht auf ein Gebäude bezieht (§ 1129 BGB), und diejenige Person, auf deren Namen eine Lebensoder Unfallversicherung genommen ist (§§ 150 Abs. 2, 179 Abs. 2).33 Den nicht vom Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 erfassten Personen kommt jedoch eine Befriedigungsbefugnis gegenüber dem VR nach § 267 BGB zu (vgl. hierzu bereits Rn. 6). Während dem Inhaber eines Pfandrechts am versicherten Gegenstand kein Ablösungsrecht zukommt (vgl. bereits Rn. 10), kommt dem Hypothekengläubiger in der Feuerversicherung (§ 142 Abs. 1) eine Zahlungsberechtigung zu, so dass dieser selbst dafür Sorge tragen kann, dass zukünftig Versicherungsschutz besteht.34
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b) Ablösungsberechtigende Leistungen. Eine Zahlungsberechtigung nach § 34 Abs. 1 besteht nur hinsichtlich fälliger Prämien und sonstiger Zahlungen, die dem VR aufgrund des Versicherungsvertrages zustehen. Erfasst werden folglich nur Geldschulden, für sonstige Leistungsverpflichtungen gilt § 34 Abs. 1 nicht.35 Zu den sonstigen Zahlungen zählen auch Zinsen, Versicherungssteuern oder echte Nebengebühren (vgl. § 30 Rn. 30). Dabei ist jedoch zu beachten, dass nicht nur die sonstigen Zahlungen, sondern auch die Prämien gerade aus dem Versicherungsverhältnis geschuldet sein müssen, aus dem der Dritte berechtigt ist.36 3. Rechtsfolgen
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Seitens des privilegierten Dritten lässt § 34 Abs. 1 keine Zahlungspflicht im Hinblick auf die Prämie entstehen. Der Dritte ist lediglich berechtigt, die Geldschulden zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes zu begleichen. Eine einklagbare Rechtsposition erlangt der VR gegenüber dem Dritten jedenfalls nicht.37 Zudem besteht kein Widerspruchsrecht seitens des VN.38 Die Privilegierung des Dritten erstreckt sich zudem darauf, dass dieser den VR in gleicher Weise befriedigen kann wie der VN. Damit kommt zur Tilgung der Prämienzahlungspflicht nicht bloß Zahlung in Betracht. Der Ablösungs-
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So auch Prölss/Martin/Knappmann27 § 35a Rn. 5. Vgl. bereits Rn. 9. ÖOGH 12.2.1970 VersR 1970 1067; LG Köln 27.2.1980 VersR 1980 962; a.A. Looschelders/Pohlmann/Stagl § 39 Rn. 3. A.A. Looschelders/Pohlmann/Stagl § 34 Rn. 3. Bruck/Möller8 § 35a Anm. 5; Prölss/Martin/ Knappmann27 § 35a Rn. 5; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 7. Motive S. 170; Prölss/Martin/Kollhosser27 § 101 Rn. 1; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 7.
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Bruck/Möller/Möller8 § 35a Anm. 6. Prölss/Martin/Knappmann27 § 35a Rn. 7; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 9; Bruck/Möller8 § 35a Anm. 6. Schauer S. 213; Riedler VersRdsch 1993 302; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 34 Rn. 6; Ganster Prämienzahlung S. 329. Römer/Langheid 2 § 35a Rn. 1; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 34 Rn. 7.
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Zahlung durch Dritte
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berechtigte kann entsprechend § 268 Abs. 2 BGB auch durch Hinterlegung oder Aufrechnung seinem Befriedigungsrecht nachkommen.39 Auch seitens des VR begründet § 34 Abs. 1 – entgegen seines Wortlauts („Der Versicherer muss … annehmen …“) – keine echte Rechtspflicht zur Annahme der Leistung des Dritten. Nach h.M. handelt es sich hierbei um eine bloße Obliegenheit des VR.40 Verweigert der VR jedoch entgegen § 34 Abs. 1 die Entgegennahme der Prämie, gerät er in Annahmeverzug,41 so dass der VR daran gehindert ist, sich auf einen Zahlungsverzug des VN zu berufen, wenn ihm eine Leistung durch den Befriedigungsberechtigten angeboten worden ist.42 In entsprechender Anwendung des § 268 Abs. 3 BGB geht die Prämienforderung des VR gegen den VN auf den Dritten über (zur Anwendung des § 268 Abs. 3 BGB vgl. auch Rn. 19).43 Aus § 34 Abs. 1 erwächst dem privilegierten Personenkreis kein Informationsrecht hinsichtlich eines Prämienverzuges des VN. Der VR ist – auch nach Treu und Glauben – nicht dazu verpflichtet, dem Dritten von einem Zahlungsverzug des VN Mitteilung zu machen, damit dieser von seinem Ablösungsrecht Gebrauch machen kann.44 Anders ist die Sachlage jedoch dann, wenn sich eine Benachrichtigungspflicht des VR aufgrund von Sondervorschriften (so etwa aus § 142 Abs. 1 für den Hypothekengläubiger in der Feuerversicherung bei Verzug des VN mit einer Folgeprämie; nach § 34 Abs. 1 Satz 1 LuftFzgG und § 34 Abs. 1 des SchiffsRG) oder aufgrund einer besonderen Vereinbarung (etwa aufgrund einer Sicherungsvereinbarung45) ergibt. Auch der Erwerber der versicherten Sache hat gegenüber dem VR keinen entsprechenden Informationsanspruch.46 Eine Ausnahme soll jedoch für den Fall gelten, dass einem Arbeitnehmer in dem Versicherungsvertrag zwischen dem VR und dem Arbeitgeber i.R.d. betrieblichen Altersvorsorge ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden ist. Danach ergeben sich in einem solchen Fall aus dem Versicherungsvertrag besondere Schutz- und Obhutspflichten zu Gunsten des Arbeitnehmers, dem im Falle einer Kündigung wegen Prämienrückstandes erhebliche finanzielle Nachteile drohen. Dies sei auch für den VR offensichtlich, so dass es nahe liege, ihn zu verpflichten, den bezugsberechtigten Arbeitnehmer so recht-
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Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 9; Bruck/Möller/Möller8 § 35a Anm. 7; a.A. in Bezug auf die Aufrechnung Langheid/Wandt/ Staudinger § 34 Rn. 3. BGH 12.3.1964 VersR 1964 497, 500; Römer/Langheid2 § 35a Rn. 1; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 34 Rn. 9; HK-VVG/Karczewski § 34 Rn. 3; a.A. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 43; Langheid/Wandt/ Staudinger § 34 Rn. 2. Deutsch6 Rn. 197; Berliner Kommentar/ Riedler § 35a Rn. 12. BGH VersR 1964 497, 500; Römer/Langheid2 § 35a Rn. 1; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 34 Rn. 9; a.A. Bruck/Möller/Möller8 § 35a Anm. 8, der im Falle der Erstprämie eine Hinterlegung nach § 372 BGB verlangt.
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Bruck/Möller8 § 35a Anm. 8. Vielfach geht man von einer entsprechenden Anwendung aus; offenbar für unmittelbare Anwendung Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 13; die Analogie ablehnend Langheid/Wandt/ Staudinger § 34 Rn. 10. OLG Nürnberg 28.9.1971 VersR 1973 413; OLG Köln 7.12.1989 VersR 1990 1261; ÖOGH 12.2.1970 VersR 1970 1067; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 11; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 34 Rn. 10; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35a Rn. 6; Riedler S. 126; HK-VVG/Karczewski § 34 Rn. 4; a.A. Bruck/Möller/Möller8 § 35a Anm. 9; Ganster Prämienzahlung S. 380. OLG Hamm 24.2.1988 RuS 1988 155. ÖOGH 25.5.1994 VersR 1995 563; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 11.
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Abschnitt 3. Prämie
zeitig vom Prämienrückstand zu informieren, dass er von der Möglichkeit, dem VR die Leistung anzudienen, oder dem Recht, die Versicherung an Stelle des Arbeitgebers fortzuführen, Gebrauch machen kann.47
III. Pfandrechtserweiterung, § 34 Abs. 2 19
§ 34 Abs. 2 bestimmt nunmehr, dass das Pfandrecht des Pfandgläubigers an der Versicherungsforderung (§ 34 Abs. 1, 3. Alt.) auf die Beträge und Zinsen ausgeweitet wird, die der Pfandgläubiger gem. § 34 Abs. 1 dem VR geleistet hat. Bei § 34 Abs. 2 handelt es sich deshalb um eine kraft Gesetzes eintretende Pfandrechtserweiterung.48 Ein neues Pfandrecht wird hierdurch nicht begründet.49 Ein Pfandrecht sichert eine auf Geld geschuldete Forderung, so dass an sich die Formulierung „wegen der Beträge einschließlich ihrer Zinsen“ ungenau erscheint. Das Gesetz setzt offenbar eine Forderung des Pfandgläubigers gegen den VN auf Erstattung der an den VR geleisteten Beträge voraus. Deshalb wird im Schrifttum auch die Ansicht vertreten, die Norm (§ 34 Abs. 2) setze das Ergreifen des § 268 Abs. 3 BGB voraus.50 Zwingend ist dies indes nicht. Denn selbst ohne Anwendung des § 268 Abs. 3 BGB steht dem Dritten, der für einen Schuldner berechtigterweise eine Forderung tilgt, ein Erstattungsanspruch, ggf. aus Bereicherungsrecht zu.51 Nichtsdestotrotz liegt eine Anwendung des § 268 Abs. 3 BGB vielfach nahe (vgl. bereits oben Rn. 16). Steht die Versicherungsforderung nicht dem VN, sondern z.B. dem Versicherten zu, 20 richtet sich die persönliche Forderung des ablösungsberechtigten Pfandgläubigers gegen den VN (§ 268 Abs. 3 BGB); das nach § 34 Abs. 2 erweiterte Pfandrecht trifft jedoch in diesem Fall den Versicherten.52
IV. Abdingbarkeit 21
§ 34 ist im Katalog des § 42 nicht aufgeführt, so dass grundsätzlich eine Abweichung zulasten des VN zulässig ist. Nichtsdestotrotz ist eine Vereinbarung im Versicherungsvertrag, wonach zulasten der durch § 34 Abs. 1 geschützten Personen von dem diesen zustehenden Ablösungsrecht bzw. von der Pfandrechtserweiterung nach § 34 Abs. 2 abgewichen wird, als Vertrag zulasten Dritter unzulässig.53
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OLG Düsseldorf 17.12.2002 VersR 2003 627, 628; BAG 17.11.1992 NJW 1994 276; zustimmend auch Prahl VuR 2004 170 ff.; a.A. Bürkle BB 2003 2007 ff.; Langohr-Plato VersR 2003 628 ff. Bruck/Möller/Möller8 § 35a Anm. 10; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 13 (betreffend § 35a a.F.). Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 13; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35a Rn. 8; Römer/Langheid2 § 35a Rn. 3.
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Etwa Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 35 Rn. 11. Bamberger/Roth/Unberath2 § 267 Rn. 15 ff. m.w.N. Bruck/Möller/Möller8 § 35a Anm. 10; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 13. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 34 Rn. 12; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35a Rn. 9; Bruck/Möller/Möller8 § 35a Anm. 11; Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 14.
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§ 35
Aufrechnung durch den Versicherer
§ 35 Aufrechnung durch den Versicherer Der Versicherer kann eine fällige Prämienforderung oder eine andere ihm aus dem Vertrag zustehende fällige Forderung gegen eine Forderung aus der Versicherung auch dann aufrechnen, wenn diese Forderung nicht dem Versicherungsnehmer, sondern einem Dritten zusteht.
Schrifttum Lorenz Zur Aufrechnungsbefugnis eines Leasingnehmers, der zugunsten des Leasinggebers für fremde Rechnung eine Kaskoversicherung abgeschlossen hat, gegenüber Prämienforderungen des Versicherers, VersR 1997 1267; Schulz Nachteilige Auswirkungen bei Ausübung des Aufrechnungsoder Abzugsrechts des Versicherers, VersR 1957 707; Sieg Abwicklung von Schäden im Konkurs des Haftpflichtversicherers, VersR 1964 693; (vgl. im Übrigen Schrifttum bei § 33).
Übersicht Rn. I. Funktion und Bedeutung . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . 2. Inhalt und Zweck der Regelung . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . II. Die Voraussetzungen der Aufrechnungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufrechnungsrecht gegenüber dem Dritten i.S.d. § 35 . . . . . . . . . .
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Rn. 2. Qualifizierte Konnexität . . . . . . 3. Gleichartigkeit von Forderung und Gegenforderung . . . . . . . . . . 4. Ausübung der Aufrechnung . . . . III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . IV. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . .
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I. Funktion und Bedeutung 1. Entstehungsgeschichte § 35 ist gegenüber § 35b a.F. sachlich unverändert geblieben. Lediglich sprachlich 1 wurde § 35 an die Terminologie des § 387 BGB angeglichen.1 § 35b a.F. wurde seinerseits durch Gesetz vom 7.11.19392 entsprechend dem Vorbild der § 27 ÖVVG 19173 und § 27 ÖVO 19154 in das VVG von 19085 eingefügt.6 Bis zu diesem Zeitpunkt sah § 78 VVG 1908 ein Aufrechnungsrecht des VR lediglich bei der Versicherung für fremde Rechnung vor. 2. Inhalt und Zweck der Regelung Die Vorschrift dient dem Schutz des Interesses des VR am Erhalt der fälligen Prämie, 2 insbesondere in den Fällen, in denen der VR die Versicherungsleistung nicht dem VN, sondern einem Dritten schuldet.7 § 35 gewährt dem VR das Recht zur Aufrechnung in 1 2 3 4 5 6
RegE BTDrucks. 16/3945 S. 71. RGBl. I S. 2223. ÖRGBl. S. 501. ÖRGBl. S. 343. Gesetz vom 30.5.1908, RGBl. S. 263. Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 1;
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Bruck/Möller/Möller8 § 35b Anm. 1; Motive S. 639. BGH 2.2.1977 VersR 1977 346, 348; BGH 8.4.1987 VersR 1987 655; Römer/Langheid2 § 35b Rn. 1; Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 2; Prölss/Martin/Knappmann27
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§ 35
Abschnitt 3. Prämie
Fällen, in denen die Gegenseitigkeit der Forderung nicht gegeben ist und daher eine Aufrechnung nach den allgemeinen Normen des BGB nicht zulässig wäre.8 Nach den §§ 387 ff. BGB kann der Schuldner (hier: der VR) nur dann aufrechnen, 3 wenn er Gläubiger der Gegenforderung und Schuldner der Hauptforderung ist; Aufrechnungsgegner ist dann der Schuldner der Gegenforderung und Gläubiger der Hauptforderung. Dies führt zum Erfordernis der Gegenseitigkeit.9 Schuldet der VR die Versicherungsleistung nicht dem VN, sondern einem Dritten, so fehlt es am Erfordernis der Gegenseitigkeit. In diesen Fällen kommt eine Aufrechnung nach den Vorschriften des BGB im Falle der Zession gem. § 406 BGB dann in Betracht, wenn der VR dem Zessionar die Versicherungsleistung schuldet. Auch in diesem Falle wird das Erfordernis der Gegenseitigkeit durchbrochen.10 Indes schränkt § 406, 2. Hs. BGB diese Möglichkeit der Aufrechenbarkeit ein. Deshalb kommt eine Aufrechnung des VR gegenüber dem Zessionar zum einen nur in Betracht, wenn die Aufrechnungslage bereits bestand, als der VR von der Abtretung Kenntnis erlangte.11 Ist die Prämienforderung erst nach Abtretung der Versicherungsforderung fällig geworden, so kann der VR zum anderen aufrechnen, sofern die Fälligkeit der Prämienforderung vor Kenntnis des VR von der Abtretung eingetreten und nicht später, als die abgetretene Versicherungsforderung fällig geworden ist.12 Damit entfällt nach dieser Regelung eine Aufrechnung seitens des VR dann, wenn die Prämienforderung nach der Erlangung der Kenntnis der Abtretung und zusätzlich später als die Versicherungsleistung fällig geworden ist. Zudem kann der VR als Schuldner der Versicherungsleistung beim echten Vertrag 4 zugunsten Dritter nicht mit seiner Prämienforderung gegen den Dritten als Versprechensempfänger aufrechnen.13 Um auch in diesen Fällen dem VR entsprechenden Schutz zukommen zu lassen, hebt § 35 das Erfordernis der Gegenseitigkeit auf.14 Dem VR wird – eingeschränkt durch das Erfordernis der qualifizierten Konnexität 5 (vgl. hierzu Rn. 11) – einem dritten Anspruchsteller gegenüber die Möglichkeit einer Kürzung des Anspruchs wegen eigener Forderungen gegen den VN in dem gleichen Umfang eingeräumt, in dem er dem VN gegenüber aufrechnen könnte, wenn dieser die Versicherungsleistung zu beanspruchen hätte. Der VR soll aus der Risikoübernahme insoweit nicht in Anspruch genommen werden können, als ihm dafür zustehende Gegenleistungen noch nicht zugeflossen sind.15 3. Anwendungsbereich
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§ 35 regelt die Aufrechnungsmöglichkeit des VR für alle Versicherungszweige. Lediglich für die Pflicht-Haftpflichtversicherung ist § 35 nicht anwendbar, vgl. § 121. Eine Aufrechnung des VR gegen die Forderung des Dritten mit eigenen Ansprüchen gegen diesen Dritten bleibt jedoch möglich.16 Aus der Regelung des § 121 ergibt sich jedoch, dass § 35 für die allgemeine Haftpflichtversicherung Anwendung findet.17 Jedoch gilt bzgl.
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§ 35b Rn. 1; Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 43. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 71. Palandt/Grüneberg 69 § 387 Rn. 4; MüKo/ Schlüter5 § 387 Rn. 6. Bruck/Möller/Möller 8 § 35b Anm. 3; MüKo/ Roth5 § 406 Rn. 1. Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 3. Bruck/Möller/Möller8 § 35b Anm. 3. BGH 27.2.1961 MDR 1961 481; jurisPK-
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BGB/Schinkels4 § 334 Rn. 4; Palandt/Grüneberg 69 § 334 Rn. 4. Prölss/Martin/Knappmann27 § 35b Rn. 1; Bruck/Möller/Möller8 § 35b Anm. 3; Römer/ Langheid2 § 35b Rn. 1. BGH 2.2.1977 VersR 1977 346, 348; BGH 8.4.1987 VersR 1987 655. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 90. Vgl. BGH 8.4.1987 VersR 1987 655; Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 9.
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Aufrechnung durch den Versicherer
§ 35
der allgemeinen Haftpflichtversicherung im Hinblick auf deren Sozialbindung aus § 108 Abs. 1 für die Aufrechnungsmöglichkeit des VR eine zeitliche Schranke. So muss sich der Dritte die Aufrechnung nur mit solchen Forderungen entgegenhalten lassen, die vor dem Versicherungsfall fällig geworden sind.18 Eine vergleichbare Einschränkung gibt es für die anderen Versicherungszweige allerdings nicht.19 So besteht auch keine zeitliche Beschränkung der Abzugsmöglichkeit auf Prämien, die vor dem Versicherungsfall fällig geworden sind.20 § 35 stellt ein erweitertes Aufrechnungsrecht des VR dar. Die §§ 387 ff. BGB bleiben 7 daneben anwendbar.21
II. Die Voraussetzungen der Aufrechnungsbefugnis 1. Aufrechnungsrecht gegenüber dem Dritten i.S.d. § 35 Ausweislich des Gesetzeswortlauts kann der VR mit den ihm zustehenden Forderun- 8 gen gegenüber dem Dritten aufrechnen, dem ein Anspruch auf die Versicherungsleistung zusteht. Dritter i.S.d. § 35 ist dabei zunächst der Versicherte bei der Versicherung für fremde Rechnung, §§ 43, 44, 179 Abs. 1; 22 hierzu zählt z.B. der Leasinggeber bei der Kfz-Kaskoversicherung.23 Die Kfz-Sachversicherung eines geleasten Fahrzeugs ist eine Fremdversicherung des Leasingnehmers als VN zugunsten des Leasinggebers. Die Ansprüche gegen den VR aus dem Versicherungsvertrag stehen deswegen allein dem Leasinggeber zu. Damit ist der Leasinggeber auch Dritter i.S.d. § 35. Demgegenüber kann der VN (Leasingnehmer) gegenüber einer Prämienforderung des VR allenfalls dann aufrechnen, wenn der Leasinggeber ihm seine Forderung gegenüber dem VR abtritt. Das gilt auch dann, wenn der Leasinggeber in die Aufrechnung durch den VN (Leasingnehmer) eingewilligt hat.24 Weiterhin sind als Dritte i.S.d. Vorschriften anzusehen der widerruflich bzw. unwider- 9 ruflich Bezugsberechtigte25, im Falle der Abtretung der Zessionar, der Erwerber der versicherten Sache,26 der Hypothekengläubiger in der Feuerversicherung (§ 142 Abs. 1), der Schiffshypothekengläubiger nach §§ 34, 36 SchiffsRG, der Gläubiger einer Luftfahrzeughypothek, §§ 34, 36 LuftFzgG sowie der geschädigte Dritte in der Haftpflichtversiche-
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BGH 8.4.1987 VersR 1987 655; Sieg VersR 1964 693, 695; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35b Rn. 2; Römer/Langheid2 § 35b Rn. 2; Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 9; Motive S. 639. BGH 6.12.2000 MDR 2001 507; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 35 Rn. 2; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35b Rn. 2. BGH 6.12.2000 MDR 2001 507; OLG Köln 18.2.2003 RuS 2003 409; Prölss/Martin/ Knappmann27 § 35b Rn. 1. Motive S. 639; Bruck/Möller/Möller8 § 35b Anm. 4; Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 6; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35b Rn. 1. BGH 2.2.1977 VersR 1977 346, 348; ÖOGH 22.11.1995 VersR 1996 1307; OLG
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Köln 18.2.2003 RuS 2003 409; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35b Rn. 2; Bruck/Möller/Möller8 § 35b Anm. 4. ÖOGH 22.11.1995 VersR 1996 1307; OLG Köln 18.6.1996 VersR 1997 1265. OLG Köln 18.6.1996 VersR 1997 1265 mit Anm. Lorenz VersR 1997 1267 f.; jurisPKBGB/Rüßmann4 § 387 Rn. 13. Zur genauen Abgrenzung und Einordnung vgl. § 34 Rn. 9. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der VR das Versicherungsverhältnis nach § 96 Abs. 1 innerhalb eines Monats gekündigt hat und der Versicherungsfall während der Monatsfrist eingetreten ist. Wird das Vertragsverhältnis fortgeführt, gelten gem. § 95 Abs. 3 die §§ 406 ff. BGB.
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§ 35
Abschnitt 3. Prämie
rung,27 auch solange der VN nur einen Befreiungsanspruch hat28. Jedoch muss sich der Dritte die Aufrechnung nur mit solchen Forderungen entgegenhalten lassen, die vor dem Versicherungsfall fällig geworden sind (vgl. Rn. 3).29 Dritter i.S.d. § 35 ist demnach jeder, der nicht VN ist und dem ein Anspruch auf die 10 Versicherungssumme zusteht.30 Das Interesse des VR am Erhalt seines Prämienanspruches steht dabei im Vordergrund. Deshalb gebietet es der Schutzzweck des § 35 nicht, dass bzgl. der Person des Dritten darauf abgestellt wird, dass sich dessen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag direkt ergeben und dass der VR bei Abschluss des Versicherungsvertrages mit dessen Ansprüchen rechnen musste. Damit ist auch der Pfandgläubiger als Dritter i.S.d. § 35 anzusehen.31 2. Qualifizierte Konnexität
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Zum Schutze des Interesses des VR am Erhalt seiner Prämienforderung hebt § 35 das Erfordernis der Gegenseitigkeit auf (vgl. bereits Rn. 2).32 Im Gegenzug zu dieser Auflockerung der allgemeinen Aufrechnungsregeln der §§ 387 ff. BGB fordert § 35 das Vorliegen einer sog. qualifizierten Konnexität.33 Danach ist der VR zur Aufrechnung gegenüber dem Dritten mit ihm zustehenden fälligen Prämienforderungen oder anderen ihm aus dem Versicherungsvertrag zustehenden Forderungen (hierzu noch Rn. 13) nur dann berechtigt, wenn auch die dem Dritten vom VR geschuldete Leistung (i.d.R. die Versicherungsleistung) auf demselben Vertrag beruht.34 Stehen die gegenseitigen Forderungen zwar in einem gewissen Zusammenhang, entspringen etwa demselben Lebenssachverhalt, beruhen jedoch auf unterschiedlichen Vertragsgrundlagen, kommt eine Aufrechnung nach § 35 nicht in Betracht.35 Sind jedoch durch einen Versicherungsvertrag mehrere Gegenstände versichert, so kann der VR den Betrag der für alle diese Gegenstände geschuldeten fälligen Prämien von der Versicherungsleistung abziehen, auch wenn der Versicherungsfall nur hinsichtlich einzelner versicherter Gegenstände eingetreten ist.36 Eine zeitliche Beschränkung der Abzugsmöglichkeit auf Prämien, die vor dem Versicherungsfall fällig geworden sind, besteht zudem nicht (vgl. Rn. 3).37 Das Recht des VR, fällige Prämienfor27 28 29
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OLG Hamm 14.11.1984 VersR 1985 773. Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 7; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35b Rn. 2. BGH 8.4.1987 VersR 1987 655; Sieg VersR 1964 693, 695; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35b Rn. 2; Römer/Langheid22 § 35b Rn. 2; Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 9; Motive, S. 639. Prölss/Martin/Knappmann27 § 35b Rn. 3; Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 41; vgl. auch zum Begriff des Dritten, Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 7; Bruck/Möller/Möller8 § 35b Anm. 4 jeweils m.w.N. So auch Prölss/Martin/Knappmann27 § 35b Rn. 3; Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 7; a.A. ÖOGH 12.11.1987 VersR 1989 419. Prölss/Martin/Knappmann27 § 35b Rn. 1; Bruck/Möller/Möller8 § 35b Anm. 3; Römer/ Langheid2 § 35b Rn. 1.
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BGH 2.2.1977 VersR 1977 346, 348; Prölss/ Martin/Knappmann27 § 35b Rn. 1; Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 10; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 35 Rn. 2; Deutsch6 Rn. 197. Motive S. 639; Bruck/Möller/Möller8 § 35b Anm. 5; Römer/Langheid22 § 35b Rn. 1; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35b Rn. 1; Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 10; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 35 Rn. 2. Bruck/Möller/Möller8 § 35b Anm. 5. BGH 2.2.1977 VersR 1977 346, 348; BGH 6.12.2000 MDR 2001 507; Römer/Langheid2 § 35b Rn. 1; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 35 Rn. 2; Beckmann/ Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 41; Deutsch6 Rn. 197. BGH 6.12.2000 MDR 2001 507; OLG Köln 18.2.2003 RuS 2003 409; Prölss/Martin/ Knappmann27 § 35b Rn. 1.
Roland Michael Beckmann
Aufrechnung durch den Versicherer
§ 35
derungen von geschuldeten Versicherungsleistungen in Abzug zu bringen, wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der VR sich zuvor geweigert hat, Prämienzahlungen entgegenzunehmen, in der irrigen Annahme, der Versicherungsvertrag sei bereits durch Rücktritt oder Kündigung beendet gewesen.38 3. Gleichartigkeit von Forderung und Gegenforderung Aus dem Schutzzweck der Vorschrift, der darin besteht, dem VR seinen Prämienan- 12 spruch zu erhalten, folgt auch, dass eine völlige Gleichartigkeit von Leistung und Gegenleistung anders als nach § 387 BGB39 i.R.d. § 35 nicht gefordert werden kann.40 Erforderlich aber auch ausreichend ist eine Abzugsmöglichkeit, so etwa, wenn ein Haftpflichtversicherer nicht Geld, sondern Schuldbefreiung zu leisten hat.41 Die Aufrechnungsbefugnis des VR besteht entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes 13 hinsichtlich fälliger Prämienforderungen und anderer, dem VR aus dem Vertrag zustehender fälliger Forderungen. Zu den sonstigen Zahlungen zählen auch Zinsen, Versicherungssteuern, echte Nebengebühren (vgl. § 33 Rn. 31) oder Selbstbehalte.42 4. Ausübung der Aufrechnung Bei der Aufrechnungsbefugnis des VR aus § 35 handelt es sich um ein Gestaltungs- 14 recht. Zur wirksamen Aufrechterhaltung seines Prämienanspruchs muss der VR damit gem. § 388 BGB gegenüber dem Dritten die Aufrechnung erklären. Eine Berücksichtigung der Aufrechnungslage von Amts wegen findet nicht statt.43 Dies ist auch sachgerecht, da der Dritte oftmals gar nicht wissen wird, ob und in welcher Höhe Prämien oder sonstige Forderungen noch ausstehen.44 Eine konkludente Aufrechnungserklärung ist jedoch grundsätzlich möglich. Erforderlich dafür ist, dass sich der Aufrechnungswille zumindest aus den Umständen deutlich erkennen lässt. Dies wurde nach alter Rechtslage bereits dann angenommen, wenn der VR die Versicherungsleistung – ohne zusätzliche Erklärung – in verminderter Höhe erbrachte.45 Begründet wurde dies mit Verweis auf den Wortlaut des § 35b a.F.,46 wonach der VR entsprechende Forderungen „in Abzug bringen“ konnte. Durch die sprachliche Angleichung des jetzt geltenden § 35 an § 387 BGB entfällt zwar diese Argumentation. Jedoch ist zu beachten, dass auch nach § 388 BGB die Aufrechnung konkludent erklärt werden kann, sofern eine klare Erkennbarkeit
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LG Köln 24.11.1982 VersR 1983 1023; Römer/Langheid2 § 35b Rn. 1; Prölss/Martin/ Knappmann27 § 35b Rn. 1; Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 10; a.A. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 35 Rn. 2, der hierin eine Annahmeverweigerung des VR zulasten des Dritten sieht, die zu einem Ausschluss des Aufrechnungsrechts aus § 35 führen soll. Palandt/Grüneberg69 § 387 Rn. 8 ff.; MüKo/ Schlüter5 § 387 Rn. 30 ff. Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 11; Bruck/Möller/Möller8 § 35b Anm. 5. Schulz VersR 1957 768; Bruck/Möller/ Möller8 § 35b Anm. 5; Berliner Kommentar/
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Riedler § 35b Rn. 11; dies genügt nicht i.R.d. § 387 BGB: BGH 19.6.1957 NJW 1957 1514; BGH 14.1.1999 NJW 1999 1182; Palandt/ Grüneberg69 § 387 Rn. 10; MüKo/Schlüter5 § 387 Rn. 34. Langheid/Wandt/Staudinger § 35 Rn. 4; vgl. auch § 34 Rn. 13. Prölss/Martin/Knappmann27 § 35b Rn. 2; Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 12; Bruck/Möller/Möller8 § 35b Anm. 6. So bereits Bruck/Möller/Möller8 § 35b Anm. 6. Weyers/Wandt3 Rn. 369; Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 12. Weyers/Wandt3 Rn. 369.
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§ 36
Abschnitt 3. Prämie
des Aufrechnungswillens gegeben ist.47 Nichtsdestotrotz kann die Erbringung der bloß verminderten Versicherungsleistung i.R.d. § 35 nicht als ausreichend im Hinblick auf die Aufrechnungserklärung angesehen werden.48 Dabei ist zu beachten, dass § 35 zum Schutz des VR von dem Erfordernis der Gegenseitigkeit Abstand nimmt, damit eine Aufrechnung auch gegenüber Dritten möglich ist. Dieser Dritte jedoch wird i.d.R. mangels Kenntnis über rückständige Forderungen bloß anhand der verminderten Leistungserbringung durch den VR keinen Aufrechnungswillen erkennen können. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer konkludenten Aufrechnungserklärung liegen demnach in einem solchen Fall nicht vor. Die Aufrechnungserklärung ist – nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen – bedingungsfeindlich und unwiderruflich.49
III. Rechtsfolgen 15
Entsprechend § 389 BGB bewirkt die wirksam erklärte Aufrechnung, dass die Forderungen erlöschen, soweit sie sich decken. Zudem entfaltet die Aufrechnung Rückwirkung i.S.d. § 389 BGB, d.h. die Aufrechnung bringt die Forderungen mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt zum Erlöschen, in dem sie sich erstmals aufrechenbar gegenüber standen.50 Bei Forderungen mit schwankender Höhe ist die Höhe zum Zeitpunkt des Eintritts der Aufrechnungslage maßgeblich.51
IV. Abdingbarkeit 16
§ 35 ist im Katalog des § 42 nicht aufgeführt; folglich handelt es sich hierbei um eine dispositive Vorschrift. Eine Vereinbarung zulasten des Dritten, die eine Verschärfung der Voraussetzungen des § 35, etwa durch Erweiterung oder Verzicht auf die Konnexität, bedingt, ist jedoch nur dann zulässig, wenn der maßgebliche Dritte auch in diese Vereinbarung mit einbezogen wurde.52
§ 36 Leistungsort (1) Leistungsort für die Zahlung der Prämie ist der jeweilige Wohnsitz des Versicherungsnehmers. Der Versicherungsnehmer hat jedoch auf seine Gefahr und seine Kosten die Prämie dem Versicherer zu übermitteln.
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BVerfG 26.2.1993 NJW-RR 1993 764, 765; Palandt/Grüneberg69 § 388 Rn. 1; MüKo/ Schlüter5 § 388 Rn. 1 m.w.N. A.A. Wandt 4 Rn. 513; Langheid/Wandt/ Staudinger § 35 Rn. 11. Palandt/Grüneberg69 § 388 Rn. 1; Bamberger/Roth/Dennhardt2 § 388 Rn. 4. Palandt/Grüneberg69 § 389 Rn. 2; Bamberger/Roth/Dennhardt2 § 389 Rn. 3.
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BGH 17.4.1958 NJW 1958 1040; Grunsky JuS 1963 102, 105; Bamberger/Roth/Dennhardt2 § 389 Rn. 5; Palandt/Grüneberg69 § 389 Rn. 2. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 35 Rn. 3; Bruck/Möller/Möller8 § 35b Anm. 7; Berliner Kommentar/Riedler § 35b Rn. 14.
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§ 36
Leistungsort
(2) Hat der Versicherungsnehmer die Versicherung in seinem Gewerbebetrieb genommen, tritt, wenn er seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Ort hat, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes. Schrifttum Abel/Winkens Gerichtsstand für im Jahr 2008 erhobene Klagen aus Vers-Altverträgen, RuS 2009 102; Faust Rechtzeitigkeit der Leistung bei Geldschulden, JuS 2009 81; Frels Zur Rechtzeitigkeit der Prämienzahlung, VersR 1971 591; Goll/Gilbert Handbuch der Lebensversicherung 4. Aufl. (1967); Gsell Rechtzeitigkeit der Zahlung per Banküberweisung und Verzugsrichtlinie, GPR 2008 165; Herresthal Die Rechtzeitigkeit der Leistungshandlung bei der Erfüllung von Geldschulden, ZGS 2007 48 ff.; Hilbig Anmerkung zu EuGH Urteil vom 3.4.2008 – C-306, JZ 2008 992; Jäger Gutschrift als maßgeblicher Zeitpunkt für die Rechtzeitigkeit der Zahlung bei Überweisungen, MittBayNot 2008 467; Kaiser Rechtzeitigkeit der Zahlung bei Banküberweisung – Konsequenzen der aktuellen EuGH-Rechtsprechung, BC 2008 257; Kalka Zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beitragszahlung ,VersR 1967 14; Knöpper Rechtzeitigkeit der Leistung bei Geldschulden? – Prämienzahlung, NJW-Spezial 2009 105; Lang Prämienverzug, Voraussetzungen und Rechtsfolgen in der Rechtsprechung des BGH, VersR 1987 1157 ff.; Marlow/Spuhl Das Neue VVG kompakt 3. Aufl. (2008); Musielak Kommentar zur Zivilprozessordnung ZPO 6. Aufl. (2008); Riedler Der Prämienzahlungsverzug bei Erst- und Folgeprämie (1990); ders. Aktuelle Probleme des Prämienzahlungsverzugs im Privatversicherungsrecht, VersRdsch 1993 332; Staub HGB, Großkommentar 4. Aufl. (1983 ff.) Staudinger Zahlungsverzug bei Banküberweisung, DNotZ 2009 196; von Westphalen Verspätete Überweisung – Einige Bemerkungen zur neuen Rechtslage, BB 2000 15 ff.; Wittwer/Meusburger Geldschulden sind Bringschulden! ELR 2008 344.
Übersicht Rn. I. Funktion und Bedeutung . . . . . 1. Entstehungsgeschichte . . . . . 2. Inhalt und Zweck der Regelung 3. Anwendungsbereich . . . . . . II. Die tatbestandlichen Regelungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . 1. Leistungsort . . . . . . . . . . 2. Erfolgsort . . . . . . . . . . . 3. Folgerungen . . . . . . . . . .
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Rn. 4. Auswirkungen der Entscheidung des EuGH vom 3.4.2008 . . . . . . . 5. Die Rechtzeitigkeit der Leistung . . a) Barzahlung/Aufrechnung . . . . b) Überweisung . . . . . . . . . . c) Lastschriftverfahren . . . . . . d) Scheck/Wechsel . . . . . . . . . e) Abweichende Vereinbarungen . 6. Erfüllungswirkung der Zahlung . .
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I. Funktion und Bedeutung 1. Entstehungsgeschichte § 36 war bereits im VVG von 19081 enthalten2 und wurde im Zuge der Reform des 1 Versicherungsrechts sachlich unverändert übernommen.3 Es erscheint allerdings fraglich, ob angesichts einer neueren Entscheidung des EuGH4 an der bisherigen Auslegung der Norm festgehalten werden kann5. Eine möglicherweise gebotene europarechtskonforme Auslegung der Norm könnte, abweichend von der bisherigen Einordnung der Prämienzahlungspflicht als qualifizierte Schickschuld, dazu führen, dass die Prämienzahlungspflicht des VN bei gleich bleibendem Wortlaut nunmehr als Bringschuld einzuordnen ist.6 1 2 3 4
Gesetz v. 30.5.1908 RGBl. S. 263. Vgl. auch Motive S. 107. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 71. EuGH 3.4.2008 NJW 2008 1935.
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Knöpper NJW-Spezial 2009 105; Langheid/ Wandt/Staudinger § 36 Rn. 4 ff. Vgl. hierzu näher Rn. 15.
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§ 36
Abschnitt 3. Prämie
2. Inhalt und Zweck der Regelung Zweck des § 36 ist eine Anpassung der Regeln über den Leistungsort und die Gefahrtragung im allgemeinen Schuldrecht an die Besonderheiten im Prämienrecht des VVG.7 § 36 modifiziert dabei nach bisherigem Verständnis das Normsystem der §§ 269, 270 BGB nur punktuell.8 Während § 269 BGB vorsieht, dass der Schuldner im Zweifel an dem Ort zu leisten hat, an welchem er zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hat, oder falls die Verbindlichkeit im Gewerbebetrieb des Schuldners entstanden ist, der Ort der Niederlassung anstelle des Wohnsitzes maßgeblich ist, weicht § 36 hiervon im Interesse des VN und unter Beachtung der besonderen Gegebenheiten der Prämienzahlungspflicht ab.9 § 36 bestimmt den Ort als Leistungsort für die Entrichtung der Prämie, an dem der VN seinen jeweiligen Wohnsitz hat bzw. ist nach § 36 Abs. 2 der Ort Leistungsort, an welchem sich jeweils die gewerbliche Niederlassung des VN befindet. Nach § 36 richtete sich nach früherem Recht zudem der Gerichtsstand des Erfüllungs3 ortes i.S.d. § 29 Abs. 1 ZPO.10 Gesetzlicher Erfüllungsort ist nach § 29 Abs. 1 ZPO der Ort, an dem nach den gesetzlich bestehenden und von den Vertragsparteien nicht abbedungenen Vorschriften die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist, demnach also der Leistungsort.11 Folglich war für Prämienklagen des VR sowie für Feststellungsklagen des VR oder VN hinsichtlich der Prämienzahlungspflicht der zum Zeitpunkt der Klageeinreichung zutreffende Wohnsitz bzw. die gewerbliche Niederlassung des VN entscheidend.12 Die Neuregelung des § 215 VVG enthält jetzt aber für Klagen gegen den VN einen ausschließlichen Gerichtsstand, so dass ein Rückgriff auf die Gerichtsstände der ZPO nicht mehr möglich ist.13 Bedeutung des Gerichtsstands des Erfüllungsortes nach § 29 ZPO ließe sie aber für Altverträge bejahen, wenn § 215 VVG keine Anwendung findet.14 Das Gleiche gilt, wenn man § 215 nicht auf alle VN anwendet (vgl. noch Rn. 18).
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Vgl. Berliner Kommentar/Riedler § 36 Rn. 2. Vgl. zu neueren Entwicklungen, die bis zu einer weitgehenden Entkoppelung des Prämienrechts von den §§ 269 und 270 BGB führen könnten Rn. 14 ff. Motive S. 107; Berliner Kommentar/Riedler § 36 Rn. 1; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Michaelis § 36 Rn. 1. Prölss/Martin/Knappmann27 § 36 Rn. 1; Bruck/Möller/Möller8 § 36 Anm. 6; Berliner Kommentar/Riedler § 36 Rn. 17. MüKo-ZPO/Patzina3 § 29 Rn. 19; Musielak/ Heinrich6 ZPO § 29 Rn. 14. Prölss/Martin/Knappmann27 § 36 Rn. 1; Bruck/Möller/Möller8 § 36 Anm. 6; Berliner Kommentar/Riedler § 36 Rn. 17. MüKo-VVG/Looschelders § 215 Rn. 2; ders. zum persönlichen Anwendungsbereich des § 215 Rn. 6 ff. Im Einzelnen str. Nach wohl überwiegender Ansicht erfasst die Übergangsfrist des Art. 1 Abs. 1 EGVVG auch die Gerichtsstandsregelung des § 215, so dass danach für Klagen,
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die bis Ende 2008 erhoben worden sind, der Gerichtsstand nach § 215 nicht begründet ist (OLG Hamburg 30.3.2009 VersR 2009 531; OLG Stuttgart 18.11.2008 RuS 2009 103; Langheid/Wandt/Looschelders Art. 1 EGVVG Rn. 8). Nach a.A. soll sich die Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 EGVVG lediglich auf materielles Versicherungsvertragsrecht beziehen, so dass für die prozessuale Gerichtsstandsregelung des § 215 VVG die Regelung über das Inkrafttreten in Art. 12 Abs. 1 VVGRefG maßgeblich ist (OLG Saarbrücken 23.9.2008 RuS 2009 102; Schneider VersR 2008 859). Der darüber hinausgehende Streit um die Anwendbarkeit des Wohnsitzgerichtsstandes gem. § 215 für Klagen aus Altverträgen, die einem bis zum 31.12.2008 eingetretenen Versicherungsfall betreffen (Art. 1 Abs. 2 EGVVG), dürfte für die hier in Rede stehenden Klagen des VR gegen den VN auf Prämienzahlung keine Bedeutung haben (dazu Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider2 § 1a Rn. 46).
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Leistungsort
§ 36
3. Anwendungsbereich Zwar spricht der Gesetzeswortlaut nur von der „Zahlung der Prämie“; nichtsdesto- 4 trotz werden vom Anwendungsbereich des § 36 auch sonstige Geldleistungen des VN, z.B. echte Nebengebühren (vgl. § 33 Rn. 30 f.) erfasst.15 § 36 gilt sowohl für Erst- als auch für Folgeprämien.16 § 270 Abs. 3 BGB bleibt trotz der Modifizierung des § 270 BGB durch § 36 auf das 5 Versicherungsverhältnis anwendbar.17 Damit hat der VR die Mehrkosten zu tragen, die durch Änderung seines Wohnsitzes bzw. i.d.R. durch Änderung der gewerblichen Niederlassung entstanden sind.18 Nach hier vertretener Auffassung ergibt sich dies auch bereits aus einem geänderten Verständnis der Leistungshandlung.19 Zudem trägt der VR die Verlustgefahr bzgl. der Prämie, wenn sich diese infolge einer nach Abschluss des Versicherungsvertrages eintretenden Änderung seiner gewerblichen Niederlassung erhöht.20
II. Die tatbestandlichen Regelungen im Einzelnen 1. Leistungsort Der Begriff des Leistungsortes meint den Ort, an dem die Leistungshandlung, jeden- 6 falls der letzte Handlungsabschnitt, der auch den Leistungserfolg herbeiführt, vorzunehmen ist.21 Im Rahmen des § 36 ist demnach unter Leistungsort der Ort zu verstehen, an dem der VN die für die Entrichtung der Prämie erforderliche Leistungshandlung zu vollziehen hat (daher auch die abweichende Bezeichnung als Vollzugsort).22 Davon zu unterscheiden ist der Erfolgsort, also der Ort, an dem der Leistungserfolg eintritt.23 Leistungsort i.S.d. § 36 Abs. 1 ist der jeweilige Wohnsitz des VN zur Zeit der Fälligkeit24 der Prämienzahlungspflicht, nicht jedoch der Wohnsitz des VN zur Zeit der Antragstellung.25 Bei Zahlungsverzug des VN ist hinsichtlich der Mahnung bzw. Klageerhebung der zu diesem Zeitpunkt bestehende Wohnsitz entscheidend.26 Hat der VN den Versicherungsvertrag im Zusammenhang mit seinem Gewerbebetrieb 7 geschlossen, tritt nach § 36 Abs. 2 an die Stelle des Wohnsitzes der Sitz der Niederlassung. Dabei ist zu beachten, dass für die Anwendbarkeit des § 36 Abs. 2 entgegen dem Gesetzeswortlaut („… in seinem Gewerbebetrieb genommen, …“) nicht die Örtlichkeit des Vertragsschlusses entscheidend ist; maßgeblich ist vielmehr der innere Zusammenhang des Versicherungsvertrages mit dem Gewerbebetrieb des VN.27 Insofern gilt die
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Bruck/Möller/Möller8 § 36 Anm. 3; Berliner Kommentar/Riedler § 36 Rn. 2. Berliner Kommentar/Riedler § 36 Rn. 2. Berliner Kommentar/Riedler § 36 Rn. 10 unter Bezugnahme auf die Motive S. 107; a.A. Prölss/Martin/Knappmann27 § 36 Rn. 1; vgl. noch Rn. 8. MüKo-BGB/Krüger5 § 270 Rn. 26; Bamberger/Roth/Unberath2 § 270 Rn. 18. Vgl. hierzu näher Rn. 20. MüKo-BGB/Krüger5 § 270 Rn. 15; Bamberger/Roth/Unberath2 § 270 Rn. 13. MüKo-BGB/Krüger5 § 269 Rn. 2; Bamberger/Roth/Unberath2 § 269 Rn. 2; Palandt/
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Grüneberg 69 § 269 Rn. 1; Prölss/Martin/ Knappmann27 § 36 Rn. 1. Bruck/Möller/Möller8 § 36 Anm. 4. Palandt/Grüneberg 69 § 269 Rn. 1; MüKoBGB/Krüger5 § 269 Rn. 2. Zu Fälligkeit vgl. § 33 Rn. 43 ff. sowie Deutsch6 Rn. 190 ff.; Marlow/Spuhl3 S. 115 ff.; Meixner/Steinbeck S. 54. So im Hinblick auf das nunmehr geltende Antragsmodell; vgl. hierzu RegE BTDrucks. 16/3945 S. 48; Marlow/Spuhl3 S. 9. Bruck/Möller/Möller8 § 36 Anm. 4. Bruck/Möller/Möller8 § 36 Anm. 4.
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§ 36
Abschnitt 3. Prämie
Vermutung aus § 344 Abs. 1 HGB, wonach die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig gelten.28 2. Erfolgsort
8
Würde nur der Wohnsitz oder die gewerbliche Niederlassung des VN örtlich eine Rolle spielen, so würde es sich um eine Holschuld handeln.29 Nach § 36 Abs. 1 Satz 2 hat der VN aber die Prämie dem Versicherer zu übermitteln. Erfolgsort ist also der Ort, an welchen der VN die Prämienzahlung zu übermitteln hat und an welchem diese auch tatsächlich ankommen muss, damit der VN seiner Zahlungsverpflichtung wirksam nachgekommen ist.30 Erfolgsort für die Prämienleistung ist somit die Niederlassung des VR. Leistungs- und Erfolgsort fallen damit nach bisherigem Verständnis auseinander.31 Der Leistungserfolg tritt nach dieser Auffassung demnach beim VR ein; der VN ist verpflichtet, die Prämie auf seine Kosten an den VR zu übermitteln. Wechselt der VR den Ort seiner Niederlassung, ändert sich demzufolge auch der 9 Erfolgsort der Prämienleistung. In diesem Zusammenhang treffen den VR ggf. die Mehrkosten der Übermittlung gem. § 270 Abs. 3 BGB.32 Hat der VR einen Zweitsitz angemeldet, kann der VN dem VR die Prämie an jeden der beiden Sitze übermitteln. Gleiches gilt für den Fall, dass der VR eine Zweigniederlassung, einen Versicherungsagenten oder eine sonstige Stelle als Zahlstelle angegeben hat; auch dorthin kann der VN die Prämienzahlung übermitteln.33 3. Folgerungen
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Fallen Leistungsort und Erfolgsort auseinander, liegt grundsätzlich eine Schickschuld vor. Liegen Leistungsort und Erfolgsort beim Schuldner, ist von einer Holschuld auszugehen. Demgegenüber ist eine Bringschuld anzunehmen, wenn Leistungs- und Erfolgsort beim Gläubiger liegen.34 Gegen die Einordnung der Prämienzahlungspflicht als „einfache“ Schickschuld spricht jedoch, dass der VN mit der Leistungsgefahr, also der Gefahr, dass der VN erneut Geld absenden muss, wenn das zuerst gesandte Geld nicht ankommt, belastet wird. Gem. § 36 Abs. 1 Satz 2 hat der VN die Zahlung der Prämie auf seine Gefahr und seine Kosten zu veranlassen, trägt also die Verlustgefahr. Insofern entspricht § 36 Abs. 1 Satz 2 der Regelung des § 270 Abs. 1 BGB. Die Pflicht zur Prämienzahlung ist demnach nach der bislang überwiegend vertretenen Ansicht als Geldschuld eine Schickschuld mit der Besonderheit, dass der VN das Übermittlungsrisiko trägt. Aufgrund dieser Besonderheit handelt es sich bei der Prämienzahlungspflicht nicht um eine „einfache“, sondern um eine qualifizierte Schickschuld.35 Konsequenz dieser Einordnung ist, dass der VN die Gefahr des Verlustes trägt. Geht die auf den Weg 28 29 30
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Ebenroth/Boujong/Joost/Kort2 HGB, § 344 Rn. 2; Bruck/Möller/Möller8 § 36 Anm. 4. Bruck/Möller/Möller8 § 36 Anm. 5. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 37; Berliner Kommentar/Riedler § 36 Rn. 4; Bruck/Möller/Möller8 § 36 Anm. 5; MüKo-BGB/Krüger5 § 269 Rn. 12. BGH 20.11.1970 VersR 1971 216; Schauer S. 215; Deutsch6 Rn. 198; Römer/Langheid2 § 36 Rn. 1; Riedler S. 105; Berliner Kommentar/Riedler § 36 Rn. 4.
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Vgl. bereits Rn. 5. Bruck/Möller/Möller8 § 36 Anm. 5. Bruck/Möller/Möller8 § 36 Anm. 5. Palandt/Heinrichs68 § 270 Rn. 1; MüKoBGB/Krüger5 § 270 Rn. 1; BGH 20.11.1970 VersR 1971 216; Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 37; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Michaelis § 36 Rn. 2; Frels VersR 1971 591; a.A. Herresthal ZGS 2007 48, der von einer modifizierten Bringschuld ausgeht.
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gebrachte Prämie etwa auf dem Postweg oder bei Ausführung durch die Bank verloren, tritt keine Erfüllung ein. Der VN muss in diesem Fall noch einmal zahlen.36 Die Verzögerungsgefahr, d.h. die Gefahr des verspäteten Eingangs des Geldes trotz rechtzeitiger Leistungshandlung des VN, trägt nach bisherigem Verständnis der VR.37 Der VN hat dabei das seinerseits Erforderliche zur Leistung getan, wenn er die ihm auferlegte Leistungshandlung rechtzeitig38 vollzogen hat. Hieraus ergab sich für die dem VN zukommende Übermittlungspflicht, dass der VN alles zur Erbringung der Leistung getan hatte, wenn er die Prämie auf den Weg brachte.39 Die mit der Übermittlung im Übrigen betrauten Stellen wie etwa Post oder Bank waren demnach dabei bislang keine Erfüllungsgehilfen des VN, da sie nicht in dessen Pflichtenkreis tätig wurden.40 Für die zur Absendung der Prämie eingesetzten Erfüllungsgehilfen haftet der VN indes nach § 278 BGB.41 Nach bisher mehrheitlich vertretener Auffassung war daher bei einer Überweisung der Prämie für die rechtzeitige Zahlung die Einreichung des Überweisungsauftrages durch den VN bei seiner Bank und nicht die Gutschrift auf dem Konto des VR entscheidend.
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4. Auswirkungen der Entscheidung des EuGH vom 3.4.2008 Indes stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit dieser bisher herrschenden verbreite- 15 ten Ansicht mit den Vorgaben des EU-Rechts. Der EuGH hat am 3.4.2008 entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 lit. c Ziff. ii der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.6.2000 zur Bekämpfung des Zahlungsverzuges im Geschäftsverkehr 42 dahingehend auszulegen ist, dass bei einer Zahlung durch Banküberweisung der geschuldete Betrag dem Konto des Gläubigers rechtzeitig gutgeschrieben sein muss, wenn das Entstehen von Verzugszinsen vermieden oder beendet werden soll.43 Nach der bisherigen Auslegung der §§ 269, 270 BGB hatte der Schuldner mit Erteilung eines Überweisungsauftrages, der vor dem Ablauf der maßgeblichen Frist bei der Bank einging, bei entsprechender Deckung des Kontos, das seinerseits Erforderliche getan, um die Folgen einer nicht rechtzeitigen Leistung abzuwenden.44 Das Risiko einer durch die Bearbeitung bei den zwischengeschalteten Banken entstehenden Verspätung trug demzufolge der Gläubiger, da die Banken nicht mehr im Pflichtenkreis des Schuldners tätig wurden und deshalb keine Erfüllungsgehilfen i.S.d. § 278 BGB waren.45 Die Pflicht zur richtlinien36
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Römer/Langheid2 § 36 Rn. 1; Beckmann/ Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 37; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 36 Rn. 2; Schauer S. 215; Deutsch6 Rn. 198. Palandt/Heinrichs67 § 270 Rn. 6; Bamberger/ Roth/Unberath2 § 270 Rn. 15; MüKo-BGB/ Krüger5 § 270 Rn. 16; Prölss/Martin/Knappmann27 § 36 Rn. 1; Schauer S. 215; Frels VersR 1971 591. Zum Begriff der Rechtzeitigkeit vgl. noch Rn. 24. RG 11.1.1912 RGZ 78 137, 140; BGH 5.12.1963 VersR 1964 129; OLG Köln 11.1.1990 NJW-RR 1990 284; Bruck/Möller/ Möller8 § 36 Anm. 7; Prölss/Martin/Knappmann27 § 36 Rn. 1; Frels VersR 1971 591; Riedler S. 106.
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Palandt/Heinrichs67 § 270 Rn. 6; Bruck/Möller/Möller8 § 36 Anm. 7. Deutsch6 Rn. 198; Bruck/Möller/Möller8 § 36 Anm. 7; Berliner Kommentar/Riedler § 36 Rn. 6. ABl. EG L 200 v. 8.8.2000, S. 35. EuGH 1. Kammer, Urteil vom 3.4.2008 – C-306/06; EuGH NJW 2008 1935. BGH 20.11.1970 VersR 1971 216; OLG Düsseldorf 10.9.1984 DB 1984 2686; OLG Karlsruhe 2.10.1997 NJW-RR 1998 1483; OLG Nürnberg 25.3.1999 NJW-RR 2000 800; LG Darmstadt 4.3.1984 ZfS 1984 205; Riedler VersRdsch 1993 334. Jäger MittBayNot 2008 467 m.w.N.
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konformen Auslegung, die alle mitgliedstaatlichen Gerichte trifft,46 könnte nun dazu zwingen, für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit auf die Gutschrift des überwiesenen Betrages auf dem Konto des Gläubigers abzustellen. Vor diesem Hintergrund mehren sich die Stimmen, die davon ausgehen, dass an der bisherigen Einordnung der Geldschuld als „qualifizierte Schickschuld“ und der bislang vertretenen Auslegung des § 270 BGB nicht mehr festgehalten werden kann und die Geldschuld europarechtskonform als Bringschuld einzuordnen sei.47 Die Einordnung der Geldschuld i.S.d. § 270 BGB als Bringschuld hätte auch Auswirkungen auf das Versicherungsrecht, da Rechtsprechung, Literatur und auch der Gesetzgeber bisher von einem Gleichklang des § 270 BGB und des § 36 sowie einer einheitlichen Einordnung von Geldschulden i.S.d. § 270 BGB und Prämienzahlungspflichten i.S.d. § 36 ausgingen.48 Die Pflicht zu richtlinienkonformer Auslegung erfasst dabei nicht nur die Zahlung von Verzugszinsen, vielmehr muss die Rechtzeitigkeit der Leistung bei allen Verzugsfolgen einheitlich beurteilt werden.49 Diese Auswirkungen bleiben auch nicht auf Unternehmer als VN beschränkt, obwohl der persönliche Schutzbereich der Richtlinie nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 der Zahlungsverzugsrichtlinie allein Unternehmer und öffentliche Stellen umfasst. Eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung auch außerhalb des persönlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie ergibt sich zwar nicht bereits auf der Grundlage des Europarechts, jedoch sprechen gute Gründe, insbesondere die Vermeidung von Wertungswidersprüchen und die eintretende Rechtsklarheit, für eine einheitliche Auslegung.50 Andernfalls käme beispielsweise ein VR, der erst am Tag der Fälligkeit eine Überweisung in Auftrag gibt, gegenüber seinem privaten Kunden nicht in Verzug, wohl aber gegenüber einem Unternehmer.51 Ein VN, der die Überweisung der Prämie am Fälligkeitstag veranlasst, sähe sich nach § 37 Abs. 2 nicht der Gefahr der Leistungsfreiheit ausgesetzt, wohl aber ein Unternehmer. Der ohnehin schwierigen Einordnung von Existenzgründern und „dualuse-Geschäften“ käme bei einer „gespaltenen“ Auslegung eine Bedeutung zu, die mit einem wünschenswerten Maß an Rechtsklarheit nur schwer zu vereinbaren ist. Zudem wollte der Gesetzgeber bei der VVG-Reform einheitliche Strukturen schaffen und unterschied deshalb im Versicherungsrecht auf der Seite des VN gerade nicht zwischen Verbrauchern und Unternehmern.52 Gegen eine richtlinienkonforme Auslegung des § 36 und Einordnung als Bringschuld 16 spricht auch nicht bereits, dass eine solche Auslegung mit dem Wortlaut der §§ 269, 270 BGB oder 36 unvereinbar wäre und damit die Grenzen einer richtlinienkonformen Auslegung erreicht wären. Auch wäre, wenigstens im allgemeinen Schuldrecht, eine solche Auslegung grundsätzlich mit der Dogmatik des deutschen Rechts vereinbar. Dies zeigt eine schon vor der EuGH-Entscheidung vertretene Literaturansicht, die sich bei gleichem Wortlaut der Norm, für eine Einordnung der Geldschuld als Bringschuld ausgesprochen hat.53 46 47
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Staudinger DNotZ 2009 196. Für das allgemeine Schuldrecht Jauernig/ Stadler13 § 270 Rn. 7; Palandt/Grüneberg 69 § 270 Rn. 1, 5 f.; Bamberger/Roth/Unberath (BeckOK BGB Stand 1.2.2009) § 270 Rn. 16 ff.; Staudinger/Bittner (2009) § 270 Rn. 39 f.; Kaiser BC 2008 257; wohl auch Staudinger DNotZ 2009 196; Gsell GPR 2008 165; Jäger MittBayNot 2008 467; Hilbig JZ 2008 992; für das VVG Knöpper NJW-Spezial 2009 105. Knöpper NJW-Spezial 2009 105.
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Palandt/Grüneberg 69 § 270 Rn. 6. Bamberger/Roth/Unberath (BeckOK BGB Stand 1.2.2009) § 270 Rn. 16; Staudinger/ Bittner (2009) § 270 Rn. 39; Staudinger DNotZ 2009 196; Gsell GPR 2008 165. Staudinger DNotZ 2009 196. Staudinger DNotZ 2009 196; Langheid/ Wandt/Staudinger § 36 Rn. 8. Staudinger/Bittner (2009) § 270 Rn. 2 ff.; Gsell GPR 2008 165; Staudinger DNotZ 2009 196 m.w.N.
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Eine Einordnung der Prämienzahlungspflicht als Bringschuld hätte allerdings zur Folge, dass der VN sich das Verschulden sämtlicher eingeschalteter Banken über § 278 BGB zurechnen lassen müsste.54 Bei einer Einordnung der Prämienzahlungspflicht als Bringschuld wäre Leistungsort der Prämienzahlungspflicht das Konto des VR und deshalb wäre auch das Verschulden der Bank des VR, auf deren Auswahl und Tätigkeit der VN keinerlei Einfluss hat, dem VN zuzurechnen. Dies ist problematisch. Auch ein Verweis des VN auf Ansprüche wegen eines Fehlverhaltens einer beteiligten Bank erscheint wegen der möglichen Haftungsbegrenzung nach § 676c Abs. 1 Satz 5 BGB auf 12.500 Euro, die von den Banken regelmäßig genutzt wird55, nicht ausreichend. Bei einer Einordnung als Bringschuld sind auch die Auswirkungen auf den Gerichtsstand des Erfüllungsorts im Rahmen des § 29 Abs. 1 ZPO, dem für Altfälle trotz der Neuregelung des § 215 noch Bedeutung zugekommen ist56, noch ungeklärt. Leistungsort der Prämienzahlungspflicht wäre der Sitz des VR, so dass der VN auch dort in Anspruch genommen werden könnte. Dies steht im Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers, der mit der Regelung des § 36 VVG erreichen wollte, dass der VN nur an seinem jeweiligen Wohnort in Anspruch genommen werden kann, die auch bei der Neuregelung des § 215 Abs. 1 Satz 2 erkennbar wird. Diese Frage hat indes nur Bedeutung für Klagen des VR, die bis Ende 2008 erhoben worden sind.57 Bedeutung könnte die Einordnung als Bringschuld auf den Gerichtsstand des Weiteren aber haben, wenn man § 215 nicht auf alle VN, sondern nur auf natürliche Personen anwendet.58 Weitere Schwierigkeiten wirft die rückwirkende Anwendung der Richtlinie auf. So gibt es bereits erste Stimmen in der Literatur, die eine richtlinienkonforme Auslegung und Einordnung der Geldschuld als Bringschuld ab dem Jahr 2002 fordern.59 Eine Einordnung der Prämienzahlungspflicht i.S.d. § 36 als Schickschuld erscheint indes durch die EuGH-Entscheidung auch nicht zwingend geboten. Nach Rn. 30 des Urteils schließt die Richtlinie die Zahlung von Verzugszinsen in den Fällen aus, in denen der Zahlungsverzug nicht die Folge des Verhaltens eines Schuldners ist, der den üblicherweise für die Durchführung einer Banküberweisung erforderlichen Fristen sorgfältig Rechnung getragen hat. Auch der EuGH will offenbar die Haftung des Schuldners für eine Verzögerung der überweisenden Bank ausschließen. Dies setzt aber voraus, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des mitgliedstaatlichen Rechts möglich ist, nach der es für die Rechtzeitigkeit der Leistung und den Zeitpunkt der Beendigung des Verzuges auf die Gutschrift auf dem Konto des VR ankommt, ohne dass der VN sich das Verhalten der zwischengeschalteten Banken (im deutschen Recht nach § 278 BGB) zurechnen lassen muss.60 Eine solche Auslegung ist im deutschen Recht in richtlinienkonformer Auslegung möglich und wenigstens im Bereich des Versicherungsrechts in Betracht zu ziehen.61 Ausgangspunkt dieser Auslegung des § 36 ist die Leistungshandlung. Die bisherige Auslegung von Leistungsort und Erfolgsort im Rahmen des § 36 sowie die Einordnung als Schickschuld bleiben bei dieser Auslegung unberührt. Es wird lediglich im Hinblick auf die Rechtzeitigkeit der Leistungshandlung das auf Seiten des VN „Erforderliche“ so aus54 55 56 57 58
Staudinger/Bittner (2009) § 270 Rn. 38. Vgl. statt vieler Bunte AGB-Banken und Sonderbedingungen (2007) SB Üb Rn. 28. Vgl. hierzu bereits Rn. 3 Fn. 14. RegE, BTDrucks. 16/3945 S. 117. So Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen2 § 23 Rn. 7; a.A. Langheid/Wandt/Losschelders § 215 Rn. 6 ff.
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Kaiser BC 2008 257; Langheid/Wandt/Staudinger § 36 Rn. 11 f. So der Ansatz von Faust JuS 2009 81, der allerdings zu einem anderen Endergebnis kommt. Kritisch für das allgemeine Schuldrecht Faust JuS 2009 81.
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gelegt, dass neben der Kostendeckung der Überweisungsauftrag so rechtzeitig bei der Bank eingehen muss, dass den „üblicherweise für die Durchführung einer Banküberweisung erforderlichen Fristen Rechnung getragen ist“,62 um eine fristgemäße Gutschrift beim Gläubiger zu gewährleisten63. Hinsichtlich der Überweisungsfristen ist dabei die bis zum 31.10.2009 umzusetzende Regelung des Art. 69 Abs. 1 der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (Zahlungsdiensterichtlinie)64 zu beachten, wonach der Betrag, der Gegenstand des Zahlungsvorgangs ist, spätestens am Ende des folgenden Geschäftstags dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers gutgeschrieben wird. Hat der VN keine, bis zum 1.1.2012 zulässige, abweichende Vereinbarung mit der überweisenden Bank getroffen, kann der VN aufgrund des im Zuge der Richtlinienumsetzung geänderten § 676c Abs. 1 Satz 5 a.F. BGB davon ausgehen, dass die Überweisung innerhalb eines Geschäftstages erfolgt. Der VN müsste seine Überweisung daher so ausführen, dass der Bank ein Tag zur Durchführung der Überweisung bleibt. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der VN bei der Erstprämie, je nach Auslegung des Begriffes „unverzüglich“ in § 33 Abs. 1 weiteren Schutz genießt. Ferner können außerhalb der Ausführungsfristen von der Bank verursachte Verzögerungen dem VN, der das „seinerseits Erforderliche“ getan hat und in dessen Pflichtenkreis die ausführende Bank deshalb gerade nicht mehr tätig wird, dem VN nicht mehr über § 278 BGB zugerechnet werden.65 Altfälle lassen sich über die Annahme eines entschuldbaren Rechtsirrtums des VN, 22 der Vertrauensschutz, ein auch im Europarecht nicht völlig unbeachtlicher Aspekt, im Hinblick auf die bisher in der Rechtsprechung vertretene Ansicht genießt, lösen.66 Ähnliches dürfte auch für die zwischengeschalteten Banken gelten, denen die sich aus der EuGH-Entscheidung ergebenden Konsequenzen frühestens mit Erlass des Urteils sicher bekannt wurden. Diese Auslegung des § 36 entspricht der Auslegung der Richtlinie durch den EuGH, 23 wonach die Richtlinie die Zahlung von Verzugszinsen in den Fällen ausschließt, in denen der Zahlungsverzug nicht die Folge des Verhaltens eines Schuldners ist, der den üblicherweise für die Durchführung einer Banküberweisung erforderlichen Fristen sorgfältig Rechnung getragen hat; erst recht muss dies für weitere (schwerwiegendere) Folgen gelten. Die Richtlinie zwingt auch nicht dazu, die Prämienzahlungspflicht des VN als Bringschuld einzuordnen, da durch sie lediglich das Solldatum präzisiert und damit der Zeitpunkt, auf den für die Rechtzeitigkeit der Leistungshandlung abzustellen ist, vorgegeben wird. Eine Neuinterpretation des Leistungsortes ist dagegen nicht erforderlich, weshalb, der EuGH-Entscheidung auch bei einer Einordnung der Prämienzahlungspflicht als qualifizierte Schickschuld Rechnung getragen werden kann.67 Gegen einen solchen Ansatz spricht auch nicht, dass für das allgemeine Schuldrecht 24 ein anderes Ergebnis und eine Einordnung der Geldschuld als Bringschuld möglicherweise vorzugswürdig sind. Im Bereich des Scheck- und Wechselverkehrs wird ohnehin bereits vertreten, dass der Gläubiger den Scheck so rechtzeitig erhalten muss, dass er ihn vor Ablauf der Zahlungsfrist einlösen kann.68 Diese Lösung weist deutliche Parallelen
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Ähnlich schon Staub/Canaris Rn. 480, weniger streng in Bezug auf die Erstprämie allerdings Rn. 480a. Jäger MittBayNot 2008 467; Gsell GPR 2008 165. ABl. EU L 319 v. 5.12.2007, S. 1.
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Jäger MittBayNot 2008 467. Staudinger DNotZ 2009 196. Jäger MittBayNot 2008 467; Gsell GPR 2008 165. Palandt/Grüneberg 69 § 270 Rn. 5.
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zum oben dargestellten Verständnis des im Rahmen der Leistungshandlung „Erforderlichen“ auf. Weiter dient § 36 gerade dem Zweck, dass allgemeine Schuldrecht in Bezug auf die Besonderheiten des Versicherungsrechts zu modifizieren. Ferner wird in der Literatur schon länger ein eigenständiger Begriff der „Rechtzeitigkeit“ im Versicherungsrecht diskutiert, der als ein weiterer Aspekt ebenfalls ein vom Schuldrecht abweichendes Verständnis rechtfertigen könnte, bisher aber immer damit abgelehnt wurde, dass keine Notwendigkeit für einen solchen eigenständigen Begriff bestehe. Dies wurde damit begründet, dass alle Probleme über das Verschuldenserfordernis in § 37 lösbar wären.69 Letzteres Argument greift allerdings nicht mehr, wenn eine Zurechnung des Bankverschuldens über § 278 BGB in Betracht kommt und eine Lösung über das Verschuldenserfordernis im Rahmen des § 37 ausscheidet. Es bestehen daher keine grundsätzlichen Bedenken gegen einen vom allgemeinen Schuldrecht abweichenden eigenständigen Begriff der Rechtzeitigkeit im Versicherungsrecht, wonach der VN rechtzeitig gehandelt hat, wenn der VN den üblicherweise für die Durchführung einer Banküberweisung erforderlichen Fristen (ein Bankgeschäftstag) Rechnung getragen hat. Wenn auch nach dem dargestellten Ansatz eine richtlinienkonforme Auslegung de lege 25 lata denkbar erscheint, nach der es für die Rechtzeitigkeit der Leistung und den Zeitpunkt der Beendigung des Verzuges auf die Gutschrift auf dem Konto des VR ankommt, ohne dass der VN sich das Verhalten der zwischengeschalteten Banken zurechnen lassen muss, so ist trotzdem, schon wegen des europarechtlichen Gebots der klaren und transparenten Richtlinienumsetzung und des Verbraucherschutzes, eine Regelung des Problems durch den Gesetzgeber wünschenswert.70 5. Die Rechtzeitigkeit der Leistung Die Rechtzeitigkeit der Prämienzahlung ist im Versicherungsrecht von entscheidender 26 Bedeutung hinsichtlich der Leistungspflicht des VR.71 So beurteilt sich etwa die Frage, ob seitens des VR eine Leistungspflicht besteht, gem. § 37 auch danach, ob der VN die Einmal- oder Erstprämie rechtzeitig vor dem Eintritt des Versicherungsfalles erbracht hat; entsprechendes gilt nach § 38 bei Verzug mit einer Folgeprämie. Hierbei ist entscheidend, ob ein mit einer Folgeprämie in Verzug geratener und deshalb nach § 38 angemahnter VN so rechtzeitig die Verzugsfolgen wieder beseitigt hat, dass die Leistungspflicht des VR wieder auflebt.72 Der Nachweis der Rechtzeitigkeit der Prämienzahlung obliegt dem VN.73 Entscheidend für die Rechtzeitigkeit der Prämienzahlung ist die rechtzeitige Vornahme der Leistungshandlung seitens des VN.74 Nicht entscheidend ist jedoch die Erfüllung der Prämienzahlungspflicht, die erst dann zu bejahen ist, wenn der VR oder der nach § 69 Abs. 2 empfangsberechtigte Versicherungsvertreter die geschuldete Prämie entweder in bar erhalten hat oder der entsprechende Betrag auf dem Konto des VR gutgeschrieben wurde.75 Bzgl. der Rechtzeitigkeit der Leistungshandlung ist nach der jeweiligen vom VN gewählten Zahlungsart zu unterscheiden. 69 70 71 72 73
Wandt4 Rn. 516. So auch Faust JuS 2009 81; Wittwer/Meusburger ELR 2008 344. Vgl. zur Fälligkeit der Prämie bereits § 33 Rn. 43. OLG Köln 16.7.2002 VersR 2002 1225; Frels VersR 1971 591; Kalka VersR 1967 15. AG München 22.9.1982 ZfS 1983 336; Lang VersR 1987 1158.
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Vgl. zur Frage, worin diese Leistungshandlung besteht Rn. 10 ff. BGH 2.2.1972 BGHZ 58 109; BGH 5.12.1963 VersR 1964 129; OLG München 23.1.1975 VersR 1975 851; Prölss/Martin/ Knappmann27 § 35 Rn. 12; Römer/Langheid22 § 35 Rn. 6; Frels VersR 1971 591.
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a) Barzahlung/Aufrechnung. Wählt der VN den unüblichen Weg der Barzahlung, so kommt es hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Leistung auf den Zeitpunkt der Übergabe des Geldes an den VR oder einen zuständigen Vertreter an. In diesem Augenblick wird der VN von seiner Prämienzahlungspflicht frei.76 Daneben können die Parteien auch Aufrechnungsrechte geltend machen, um Prämien28 zahlungspflichten zu tilgen. Die Erklärung der Aufrechnung wirkt auf jenen Zeitpunkt zurück, in welchem sich die Forderungen erstmals aufrechenbar gegenüberstanden, § 389 BGB. Daraus folgt, dass der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung für die Frage nach der Rechtzeitigkeit der Leistungshandlung irrelevant ist. Vielmehr ist alleine entscheidend, ob sich die Forderungen im Zeitpunkt der Fälligkeit der Prämie gegenüberstanden.77 Hieraus ergibt sich, dass der VR selbst dann nicht leistungsfrei wird, wenn die erstmalige Aufrechnungslage vor dem Eintritt des Versicherungsfalls lag, der VN seine Prämie also nicht rechtzeitig geleistet hat, später jedoch die Aufrechnung erklärt.78 Besteht eine solche Aufrechnungslage, kann sich der VR nach Treu und Glauben später nicht auf Leistungsfreiheit berufen, § 242 BGB.79 Anders sieht die Rechtslage nur dann aus, wenn die Aufrechnungslage erst nach Eintritt des Versicherungsfalles entsteht. In diesem Fall ändert auch die erklärte Aufrechnung nichts an der Leistungsfreiheit des VR. Die Ansprüche der Parteien können bei Gleichartigkeit der Schuld stets miteinander 29 aufgerechnet werden, gleich welchem Versicherungsverhältnis sie entsprangen. So kann etwa der Anspruch des VR auf eine Haftpflichtprämie gegen einen Anspruch des VN aus einem Vollkaskoschaden aufgerechnet werden.80
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b) Überweisung. Im Versicherungsverkehr ist die Tilgung mittels Überweisung sehr gebräuchlich. In vielen Fällen geschieht dies anhand von vom VR zugesandten Überweisungsvordrucken, die bereits teilweise ausgefüllt sind und bloß noch ergänzt werden müssen. Daraus kann der VN schließen, dass der VR dieses Zahlungsmittel als Erfüllung akzeptiert, vgl. § 362 Abs. 1 BGB. Gleiches gilt, sofern der VR auf den jeweiligen Vertragswerken Angaben bezüglich des Geschäftskontos macht. Ein Erklärungsinhalt dahingehend, dass andere Zahlungsmethoden nicht verwendet werden dürfen, lässt sich der Übersendung von Überweisungsvordrucken nicht entnehmen.81 Vielmehr bleibt es dem VN unbenommen, soweit vertraglich nicht anders vereinbart, weiterhin sein Wahlrecht bezüglich des Zahlungsmittels auszuüben. Liegt jedoch seitens des VR eine Angabe vor, dass dieser nicht mit der Zahlung per Überweisung einverstanden ist, stellt die Tilgung mittels Überweisung lediglich eine Zahlung erfüllungshalber dar, so dass hierbei auf den Zeitpunkt der Gutschrift des Betrages auf dem Konto des VR abzustellen ist, § 364 Abs. 2 BGB. Bis heute nicht eindeutig geklärt ist, welche Handlungen seitens des VN erforderlich 31 sind um von seiner Leistungspflicht frei zu werden. Diese Frage hat aufgrund einer neueren EuGH-Entscheidung noch einmal an Brisanz gewonnen (vgl. schon ausführlich zu dieser Problematik Rn. 15 ff in dieser Kommentierung). Nach der vor der Entscheidung des EuGH ergangenen obergerichtlichen Rechtspre32 chung sollte spätestens in dem Moment der Abbuchung des Prämienbetrages vom Konto 76 77
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Frels VersR 1971 591. OLG Hamm 30.5.1986 VersR 1987 354; OLG Hamm 4.2.1966 VersR 1967 249; Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 38; Römer/Langheid2 § 38 Rn. 15. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 40.
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OLG Hamm 22.11.1995 VersR 1996 1408. OLG Koblenz 12.11.1993 VersR 1995 527; OLG Hamm 25.11.1995 VersR 1996 1408. BGH 7.11.1965 BGHZ 44 178.
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des VN die Zahlung erfolgt sein.82 Diese wenig konkrete Aussage half bei der Bestimmung des exakten Zeitpunktes nicht wesentlich weiter. Nach der bis zur Entscheidung des EuGH mehrheitlich vertretenen Literaturauffassung genügte für die rechtzeitige Vornahme der Leistungshandlung, dass der VN seiner Bank den Überweisungsauftrag übermittelt und diese nach dem zugrunde liegenden Girovertrag verpflichtet ist, diesen auszuführen.83 Maßgeblich für dieses Ergebnis waren Überlegungen dahingehend, dass der VN mit Übersendung des Überweisungsauftrages alles seinerseits Mögliche und in seiner Macht stehende getan hatte, um die Übermittlung der Prämie sicherzustellen, unter der Voraussetzung, dass die Verpflichtung seiner Bank zur Ausführung der Überweisung besteht. Mehr konnte folglich nach vorherrschender Ansicht von ihm nicht verlangt werden. Auf die darauf folgende Abbuchung des Prämienbetrages von seinem Konto hat der VN bereits keinen Einfluss mehr. Ist sein Konto kreditorisch geführt oder wurde ihm ein Überziehungskredit gewährt, kann er regelmäßig davon ausgehen, dass die Bank den Überweisungsauftrag ausführen wird.84 Eine Einstandspflicht für die erforderlichen Handlungen der Bank konnte ihm nach der bis dahin vorherrschend vertretenen Auffassung nicht auferlegt werden. War die Bank jedoch nicht zur Ausführung der Überweisung verpflichtet, weil etwa keine ausreichende Deckung auf dem Konto vorhanden war, konnte der VN auch nicht davon ausgehen, dass er mit Abgabe der Überweisung seiner Zahlungspflicht nachkommen kann. In diesen Fällen lag eine rechtzeitige Vornahme der Leistungshandlung erst mit Abbuchung des Betrages vom Konto des VN vor, wenn die Bank beispielsweise einen Überziehungskredit gewährte, ohne dazu vertraglich verpflichtet gewesen zu sein. Ob sich auf Grund des Urteils des EuGH vom 3.4.2008 angesichts von Stimmen in der Literatur, die die Einordnung der Prämienzahlungspflicht als Bringschuld fordern, Änderungen der bisherigen Rechtslage ergeben, muss die künftige Entwicklung zeigen. Ein Festhalten an der Einordnung der Prämienzahlungspflicht als qualifizierte Schickschuld bei einem veränderten Verständnis der Leistungshandlung, erscheint zumindest denkbar.85
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c) Lastschriftverfahren. Häufigstes Zahlungsmittel im Rahmen von Versicherungsver- 37 trägen ist sicherlich das Lastschriftverfahren. Durch die Vereinbarung der Parteien über die Verwendung dieses Verfahrens ändert sich die Prämienzahlungspflicht von einer qualifizierten Schickschuld oder einer Bringschuld in eine Holschuld nach § 269 Abs. 1 BGB.86 Wurde zwischen den Parteien das Lastschriftverfahren vereinbart, so ist dies bindend. Eine Zahlungsaufforderung an den VN ist insoweit dann nicht mehr statthaft, solange der VR die Prämie von dem Konto des VN abbuchen lassen kann.87 Da es bei diesem Verfahren einzig und allein darauf ankommt, dass der VR die 38 Abbuchung des Prämienbetrages vom Konto des VN veranlasst – durch Einreichung der Lastschrift bei seiner Bank – genügt es für die Rechtzeitigkeit der Prämienzahlung, wenn 82
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BGH 20.11.1970 VersR 1971 216; OLG Hamm 10.3.1978 VersR 1978 753; OLG Köln 25.2.1997 VersR 1998 317; LG Hamburg 14.9.1984 RuS 1985 131. Kafka VersR 1967 14, 15; Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 32; Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 34; Frels VersR 1971 591, 592.
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BGH 5.12.1963 NJW 1964 499; Beckmann/ Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 33. Vgl. Rn. 14 ff. BGH 19.10.1977 BGHZ 69 366; BGH 30.01.1985 VersR 1985 447; Lang VersR 1987 1137, 1159. OLG Köln 9.5.2000 VersR 2000 1266.
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die Parteien die Verwendung des Verfahrens vereinbaren (sog. Lastschriftabrede) und der VN dafür sorgt, dass sein Konto entsprechende Deckung aufweist, so dass der Betrag von seinem Konto abgebucht werden kann. Im Falle mangelnder Deckung ist die Bank des VN berechtigt, die Lastschrift unbearbeitet wieder zurückzugeben. Bezüglich der Abbuchungstermine besteht seitens des VR eine Hinweispflicht, wann bzw. in welchem Zeitraum der entsprechende Betrag abgebucht wird. Nur so kann der VN seiner Pflicht, für ausreichende Deckung zu sorgen, auch nachkommen.88 Da sich die Prämienzahlungspflicht durch die Verwendung des Lastschriftverfahrens 39 in eine Holschuld nach § 269 Abs. 1 BGB umwandelt, gehen Verzögerungen im Zahlungsverkehr zu Lasten des VR, da es Aufgabe des VR ist dafür Sorge zu tragen, dass der Betrag rechtzeitig abgebucht wird. Reicht er die Lastschrift daher zu spät ein oder führt eine Bank die Lastschrift nicht rechtzeitig aus, geht dies ausschließlich zu Lasten des VR. Das bedeutet, dass bei einem entstandenen Versicherungsfall und noch ausstehender Zahlung der VR weiterhin haftet, wenn die Abbuchung nicht rechzeitig erfolgt ist. Gleiches gilt, wenn der VN von seinem – nur im Einzugsermächtigungsverfahren gegebenen – Widerspruchsrecht Gebrauch macht, weil der VR einen unzutreffenden bzw. zu hohen Prämienbetrag abbuchen lässt. Ein Widerspruch ist, in den Grenzen der Neuregelung des § 675p Abs. 2 Satz 2 BGB, insbesondere zulässig, sofern der VR ohne vorherige Angaben bzgl. der Zusammensetzung der Summe einfach den entsprechenden Betrag abbuchen lässt.89 Der VR muss daher zuvor detaillierte Angaben zur ausstehenden Verbindlichkeit machen. Andernfalls hat der VN die Nichtzahlung auch nicht zu vertreten, § 37 Abs. 2 S. 1. In der Vergangenheit aufgetretene Mängel haben grundsätzlich keine Auswirkungen 40 auf die Pflicht des VR, auch weiterhin den Versuch zu unternehmen, den Betrag vom Konto des VN abbuchen zu lassen.90 Vielmehr muss er durch vertragliche Vereinbarung auf eine andere Zahlungsweise hinwirken. Eine solche Wertung ergibt sich nicht zuletzt aus § 33 Abs. 2, wonach der VR einer Selbstbindung unterliegt, wenn er bisher die Prämie mittels Lastschrift eingezogen hat. Es genügt insoweit schon, wenn die zeitlich letzte Prämie mittels Lastschrift eingezogen wurde.91 In diesem Fall ist er nur nach vorheriger Anzeige in Textform dazu berechtigt, zu einer anderen Zahlungsmethode überzugehen. Bis dahin kann sich der VN gegen die Aufforderung einer Zahlung auf anderem Wege zulässigerweise weigern.
41
d) Scheck/Wechsel. Bei der Hingabe von Wechsel oder Schecks besteht die Besonderheit, dass sie nur erfüllungshalber zur Tilgung von Verbindlichkeiten akzeptiert werden, sprich, dass der Leistungserfolg erst mit tatsächlicher Auszahlung des Wechsel- oder Scheckbetrages eintritt. Bis zum Eintritt der Erfüllung, also der erfolgreichen Einlösung des Schecks, wird damit der Prämienbetrag gestundet. Der Versicherungsschutz bleibt davon unberührt. Problematisch ist das Auseinanderfallen von Leistungshandlung und Leistungserfolg dann, wenn sich der VN in Verzug befindet. In der Annahme eines Schecks durch den VR liegt lediglich eine vorübergehende Aussetzung der der Geltendmachung bestehender Rechte durch den VR (pactum de non petendo). Ein Verzicht des VR auf bereits entstandene Rechte ist darin nicht zu sehen. Für die Frage nach der Rechtzeitigkeit der Leistungshandlung kommt es jedoch bei der 42 Prämienzahlungspflicht trotz der Entscheidung des EuGH vom 3.4.2008 (vgl. Rn. 15 ff.) 88
BGH 30.1.1985 VersR 1985 447; Lang VersR 1987 1158, 1159; Römer/Langheid2 § 38 Rn. 20.
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89 90 91
BGH 30.1.1985 VersR 1985 447. BGH 19.10.1977 BGHZ 69 366. Anders noch nach § 37 a.F.
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Leistungsort
§ 36
nicht auf den Leistungserfolg an. Vielmehr genügt die rechtzeitige Vornahme der Leistungshandlung. Der VN muss also das seinerseits Erforderliche getan haben, um die Verbindlichkeit zu begleichen. Diese erforderliche Handlung ist im Scheck- und Wechselverkehr die rechtzeitige Übergabe eine gedeckten Wechsels oder Schecks.92 Da § 36 Abs. 1 lediglich den Leistungsort bestimmt, ändert sich nichts daran, dass der VN den Scheck oder Wechsel auf seine Kosten und seine Gefahr hin übermitteln muss. Entscheidend für die Rechtzeitigkeit der Leistungshandlung unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 3.4.200893 bei Wechsel oder Scheck ist daher, dass der VN den Wechsel so rechtzeitig zur Post, einem sonstigen Boten oder einer vom VR zum Empfang berechtigten Person übergibt, dass der VR ihn vor Ablauf der Zahlungsfrist einlösen kann.94 Der VR ist im Regelfall zur Annahme von Schecks- und Wechsel verpflichtet, sofern nicht vertraglich ein anderes Zahlungsmittel vereinbart wurde. Lediglich in seltenen Ausnahmefällen, wenn etwa wiederholt die Einlösung eines Schecks misslang, kann ein VR die Leistung mittels Scheck oder Wechsel zurückweisen. e) Abweichende Vereinbarungen. Da § 36 entsprechend der Aufzählung des § 42 43 nicht zu den halbzwingenden Vorschriften zu rechnen ist, ist die Norm dispositiv. Die Parteien können daher den Leistungsort frei wählen und folglich auch eine Bringschuld vereinbaren.95 Nicht möglich ist dies, soweit gleichzeitig die Verwendung des Lastschriftverfahrens vereinbart wurde. Dadurch wandelt sich die Schickschuld oder Bringschuld in eine Holschuld nach § 269 Abs. 1 BGB um, so dass es alleine am VR liegt, den Betrag einzuziehen. Eine Vereinbarung hinsichtlich einer Bringschuld würde dann zumindest nach § 307 Abs. 2 BGB unwirksam sein, da der VN keinen Einfluss mehr auf die Zahlung nehmen kann. Ansonsten hätte jedoch die Vereinbarung einer Bringschuld zunächst zur Folge, dass die Zahlungspflicht erst in dem Zeitpunkt erlischt, inwelchem der Prämienbetrag beim VR eintrifft. Bis dahin müsste der VN die Gefahr der rechtzeitigen Übermittlung des Betrages tragen. Umstritten ist jedoch, ob aufgrund dieser Vereinbarung der VN sogar das Risiko eines Fehlverhaltens der Bank des VR tragen muss. Das wird größtenteils in der Literatur als unbillig empfunden und die Vereinbarung einer Bringschuld deshalb teilweise unter Bezugnahme auf § 307 Abs. 2 BGB als unwirksam erachtet.96 Insgesamt vermag diese Einschränkung der Privatautonomie hinsichtlich der Vereinbarung einer abweichenden Zahlweise nicht zu überzeugen. Bei § 36 handelt es sich um eine dispositive Vorschrift, die abweichende Vereinbarungen zulässt. Entscheidet sich ein VN privatautonom für die Vereinbarung einer Bringschuld in AVB, muss er sich ein Fehlverhalten der von ihm beauftragten Bank zurechnen lassen.97 Weiter ist zu berücksichtigen, dass die mittlerweile wohl h.M. die Geldschuld jedenfalls im Bereich des Allgemeinen Schuldrechts ohnehin als Bringschuld einordnet (vgl. ausführlich Rn. 15 ff. in dieser Kommentierung).
92
93 94
BGH 7.10.1965 BGHZ 44 178, 180; Gärtner S. 92; Beckmann/Matusche-Beckmann/ Hahn2 § 12 Rn. 28; Berliner Kommentar/ Riedler § 36 Rn. 4; Kafka VersR 1967 14, 16; Frels VersR 1971 591, 592. Vgl. Rn. 15 ff. Vgl. Palandt/Heinrichs68 § 270 Rn. 5.
95
96 97
BGH 20.11.1977 VersR 1971 216; Berliner Kommentar/Riedler § 36 Rn. 2; a.A. Gärtner S. 97. Prölss/Martin/Knappmann27 § 36 Rn. 2; Berliner Kommentar/Riedler § 36 Rn. 14. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 36.
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§ 37
Abschnitt 3. Prämie
6. Erfüllungswirkung der Zahlung
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Die Zahlung durch den VN hat Erfüllungswirkung gem. § 362 BGB erst in dem Zeitpunkt, in dem die Zahlung beim VR eingegangen ist. Insbesondere bei Überweisung ist dies der Fall, wenn die Gutschrift auf dem Konto des VR erfolgt ist. Beim Lastschriftverfahren genügt die Gutschrift durch die Gläubigerbank noch nicht; erforderlich ist des Weiteren die wirksame Belastung des Schuldnerkontos.98 Insgesamt gelten damit für die Frage der Erfüllungswirkungen die allgemeinen Regelungen des bürgerlichen Rechts.
§ 37 Zahlungsverzug bei Erstprämie (1) Wird die einmalige oder die erste Prämie nicht rechtzeitig gezahlt, ist der Versicherer, solange die Zahlung nicht bewirkt ist, zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten. (2) 1Ist die einmalige oder die erste Prämie bei Eintritt des Versicherungsfalles nicht gezahlt, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten. 2Der Versicherer ist nur leistungsfrei, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge der Nichtzahlung der Prämie aufmerksam gemacht hat.
Schrifttum Brockmann Sind die gestundeten Raten der Erstprämie Folgeprämien im Sinne von § 39 VVG? VersR 1953 345; Frels Zur Rechtzeitigkeit der Prämienzahlung, VersR 1971 591; Gärtner Prämienzahlungsverzug 2. Auf. (1977); Ganster Prämienzahlung im Versicherungsrecht (2002); Gitzel Die Beendigung eines Vertrages über vorläufige Deckung bei Prämienzahlungsverzug nach dem Reg-E eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, VersR 2007 322; R. Johannsen Zum Einlösungsprinzip und seinen Abweichungen gemäß dem VVG-Entwurf, Festschrift Schirmer (2005); Kafka Zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beitragszahlung, VersR 1967 14; Lang Prämienverzug, Voraussetzungen und Rechtsfolgen in der Rechtsprechung des BGH, VersR 1987 1157; Riedler Der Prämienzahlungsverzug bei Erst- und Folgeprämie (1990); ders. Aktuelle Probleme des Prämienzahlungsverzuges im Privatversicherungsrecht, VersRsch 1993 332; Schulz Zur Begründungspflicht beim Rücktritt vom Versicherungsvertrag, VersR 1968 332; Wandt/Ganster Zur Harmonisierung von Versicherungsbeginn und Prämienfälligkeit durch AVB im Rahmen des VVG 2008, VersR 2007 1034.
Übersicht Rn. A. I. II. III.
98
Einführung . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . Inhalt und Zweck der Regelung Anwendungsbereich . . . . . 1. Begriff der Einmalprämie . 2. Begriff der Erstprämie . . . 3. Abgrenzungsprobleme . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
1 1 2 4 5 6 8
Rn. a) Vertragsänderung oder Neuabschluss . . . . . . . . . . . . aa) Erweiterung auf neues Risiko bb) Änderung des versicherten Objekts . . . . . . . . . . . cc) Wechsel der Vertragsparteien dd) Abänderung der Vertragsdauer
Prölss/Martin/Knappmann27 § 35 Rn. 13.
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. .
9 10
. .
13 14 15
Zahlungsverzug bei Erstprämie
§ 37
Rn. ee) Rechtsfolgen von Leistungsfreiheit/Rücktritt/Kündigung auf Neuvertrag . . . . . . . . . . b) Ratenzahlung . . . . . . . . . . . c) Stundung der Prämie . . . . . . . . d) Vorläufige Deckung/Rückwärtsversicherung . . . . . . . . . . . . e) Wiederherstellung eines bereits beendeten Vertrages . . . . . . . . B. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nicht rechtzeitige Zahlung im Rahmen des § 37 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . 1. Leistungsanforderung durch den VR . 2. Leistungshandlung des VN . . . . . . 3. Abweichungen bei der Prämienzahlung und deren Auswirkungen . . . . . . . a) Qualitative Abweichungen . . . . b) Quantitative Abweichungen . . . . aa) Teilzahlung des Prämienbetrages . . . . . . . . . . . . bb) Geringfügige Prämienrückstände . . . . . . . . . . . . . 4. Tilgungsbestimmungen . . . . . . . . II. Keine Zahlung der Erstprämie im Rahmen des § 37 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . .
Rn. III. Informationspflicht des VR, § 37 Abs. 2 Satz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vertretenmüssen § 37 Abs. 1, 2. Hs., Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. . . . . . . . . . . . V. Rechtsfolgen des Zahlungsverzugs . . . . 1. Zahlungspflicht des VN/Verzugszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rücktrittsrecht des VR § 37 Abs. 1 . . 3. Leistungsfreiheit des VR § 37 Abs. 2 . a) Nichtzahlung bei Versicherungsfall b) Ausnahmen von § 37 Abs. 2 . . . . aa) Auswirkungen der Zahlungsfrist gem. § 33 Abs. 1 auf eine mögliche Leistungsfreiheit gem. § 37 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . bb) Vorläufige Deckung/deckende Stundung/Rückwärtsversicherung . . . . . . . . . . cc) Leistungspflicht gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . dd) Erweiterte Einlösungsklauseln . ee) Verzicht des Versicherers . . . VI. Dispositivität . . . . . . . . . . . . . . . C. Regelungen in AVB . . . . . . . . . . . . D. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . .
16 17 19 20 22 25 25 25 26 27 27 28 28 29 35 37
38 41 46 46 47 53 53 55
55
60 64 65 66 68 69 70
A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Der heutige § 37 lässt sich auf die Normierung des § 38 aus dem Jahre 1908 zurück- 1 führen. Der damalige Regelungsgegenstand der Norm umfasste jedoch die Nichtzahlung der Prämie, „die vor oder bei dem Beginne der Versicherung zu erfolgen“ hatte.1 Eine wesentliche Neuordnung erfuhr die Norm im Jahre 1939, aufgrund derer sie seither vom Tatbestand her die Nichtzahlung der ersten oder einmaligen Prämie erfasst.2 Während die Vorschrift in ihrer ursprünglichen Fassung noch ein Kündigungsrecht kannte (§ 38 Abs. 2 VVG 1908), wurde dieses im Wege der Neuordnung durch ein Rücktrittsrecht des VR ersetzt (§ 38 Abs. 1 VVG 1939). Durch die VVG-Reform ist diese Norm heute mit inhaltlichen Änderungen in § 37 VVG in der Fassung von 23.12.2007, gültig ab 1.1.2008 zu finden.3 In der Vorschrift aufgegangen ist auch § 91 a.F., der die Zahlungsfrist bei Gebäudeversicherungen regelte. Im Wege der VVG-Reform 2008 hat die Norm im Vergleich zur früheren Fassung drei grundlegende Änderungen erfahren: 1. Sowohl das gesetzlich vorgesehene Rücktrittsrecht, als auch die Befreiung von der Leistungspflicht im Verzugsfall werden begrenzt für Fälle, in denen der VN die Nichtleistung nicht zu vertreten hat. Jedoch hat der VN die Verschuldensvermutung, wie bei § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, selbst zu widerlegen. 2. Die bis 2007 im Gesetz vorgesehene Rücktrittsfiktion nach § 38 Abs. 1 Satz 2 a.F., wonach es als Rücktritt des VR galt, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit den Anspruch geltend machte, entfällt ersatzlos. 3. Im Sinne eines erweiterten Schutzes des VN erlegt das Gesetz dem VR qualifizierte Belehrungs1 2
RGBl. I 263. RGBl. I 2443.
3
BGBl. I 2640.
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§ 37
Abschnitt 3. Prämie
pflichten gegenüber dem VN bzgl. der durch § 37 Abs. 2 drohenden Leistungsfreiheit des VR auf, § 37 Abs. 2 S. 2.
II. Inhalt und Zweck der Regelung 2
§ 37 beinhaltet Regelungen über die Folgen der nicht fristgerechten Entrichtung der ersten oder einmaligen Prämie. Als Rechtsfolgen eines Zahlungsverzugs des VN sieht das Gesetz einerseits einen möglichen Rücktritt des VR nach Maßgabe des § 37 Abs. 1 vor. Andererseits resultiert aus der nicht rechtzeitigen Entrichtung der Prämie die Befreiung des VR von der Leistungspflicht zur Gefahrübernahme, § 37 Abs. 2 Satz 1. Die Vorschrift des § 37 ist, soweit sie die Rücktrittsmöglichkeiten des VR betrifft, lex specialis zu § 323 BGB.4 Daraus folgt, dass der VR ausschließlich unter den Voraussetzungen des § 37 zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt ist. Indes ist zu beachten, dass grundsätzlich eine speziellere Norm nur insoweit Sperrwirkung gegenüber generellen Normen beanspruchen kann, soweit sich auch ihr Regelungsbereich überschneidet. Daher sind insbesondere Schadensersatzansprüche §§ 280 ff. BGB, Verzugsschäden § 286 BGB, sowie Verzugszinsen nach § 288 BGB nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften geltend zu machen.5 Die Norm basiert in erster Linie auf dem sog. Einlösungsprinzip, wonach der VR so3 lange nicht zur Zahlung verpflichtet sein soll, solange der VN noch nicht einmal die erste Prämie entrichtet hat.6 Es stellt einen maßgeblichen Grundsatz des Versicherungsrechts dar, dass die Leistung des VR eng verknüpft ist mit der Prämienzahlungspflicht des VN, da der pünktliche Eingang fälliger Prämien wesentliche Bedingung für einen ordnungsmäßigen Geschäftsbetrieb ist.7 Daher kann Versicherungsschutz grundsätzlich auch erst gewährt werden, sofern der VN nachweist, dass ihm an der Erfüllung des Vertrages gelegen ist. Andernfalls hat er dieses Privileg nicht verdient. Anders verhält es sich hingegen bei den sog. Folgeprämien, bei denen die fortlaufende Zahlung nicht in gleicher Weise maßgeblich für den Fortbestand des Versicherungsschutzes ist (vgl. dazu § 38). Hier bedarf es einer Mahnung des VR, um die Rechtsfolgen des § 38 herbeizuführen. Das Gesetz sieht daher den VN bei Ausbleiben der Erstprämie als weniger schutzwürdig an.
III. Anwendungsbereich 4
Die Norm findet auf alle Versicherungssparten gleichermaßen Anwendung. Jedoch wird in ihr ausschließlich der Zahlungsverzug mit der ersten oder einmaligen Prämie geregelt. Keine Anwendung findet § 37 nach § 211 Abs. 1 auf die dort genannten Versicherungen. Beim Begriff der Erstprämie ergeben sich regelmäßig Abgrenzungsschwierigkeiten in Bezug zu den Folgeprämien, bei denen sich die Rechtsfolgen eines Zahlungsverzugs ausschließlich nach § 38 richten. Die Unterscheidung ist vor allem für den VN von großer Bedeutung, da die Rechtsfolgen eines Zahlungsverzugs mit der Erst- oder Einmalprämie deutlich gravierender sind, als bei dem Verzug mit einer Folgeprämie. Bei letzterem muss der VR zunächst den VN abmahnen, um von der Leistungspflicht frei zu werden (vgl. dazu § 38). 4
5
Langheid/Wandt/Staudinger § 37 Rn. 26; Römer/Langheid2 § 38 Rn. 1; Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 3. Riedler S. 155, 159; Berliner Kommentar/ Riedler § 38 Rn. 3.
50
6 7
Instruktiv hierzu Gärtner S. 71 HK-VVG/Karczewski § 37 Rn. 14 f. Vgl. hierzu die Motive zum Versicherungsvertragsgesetz von 1908, S. 108.
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Zahlungsverzug bei Erstprämie
§ 37
1. Begriff der Einmalprämie Zahlungsverzug kann unter anderem eintreten, sofern der VN seiner Pflicht zur Zah- 5 lung einer Einmalprämie nicht rechtzeitig nachkommt. Was unter einer Einmalprämie zu verstehen ist, ergibt sich praktisch von selbst. Wesentliche Bedeutung kommt dieser Art von Prämie vor allem bei Versicherungsverträgen zu, die nur einen kurzen Zeitraum abdecken, oder nur ein einzelnes Ereignis absichern sollen. Als prägnante Beispiele lassen sich vor allem Reiserücktritts- und Reisegepäckversicherungen nennen, aber auch im Bereich von Lebensversicherungen ist es durchaus denkbar, eine Einmalprämie zu vereinbaren. 2. Begriff der Erstprämie Der Begriff der Erstprämie ist nicht legaldefiniert. Die Abgrenzungskriterien zwischen 6 Erst- und Folgeprämie sind bis heute nicht einheitlich, wobei diese Abgrenzungsschwierigkeiten schon seit der ersten Kodifikation des VVG im Jahre 1908 bestehen. Damals sprach das Gesetz noch von der „vor oder bei dem Beginne der Versicherung“ und der „nach dem Beginn der Versicherung“ zu zahlenden Prämie. Seit dem Jahre 1939 findet sich hingegen der bis heute noch gültige Wortlaut, der zwischen der „ersten oder einmaligen Prämie“ und der „Folgeprämie“ differenziert, wieder. Zur Abgrenzung werden im Wesentlichen zwei Ansichten vertreten. Der heute sowohl 7 in der Rechtsprechung als auch in der Literatur vorherrschenden Ansicht zufolge kommt es für die Abgrenzung zwischen den jeweiligen Prämienarten ausschließlich darauf an, ob die zu entrichtende Prämie aus zeitlicher Sicht zum ersten Mal zu entrichten ist oder aber ob es sich um eine Prämie handelt, die nach einer bereits zuvor erbrachten Prämie zu entrichten ist.8 Die Gegenansicht, die vor allem in früherer Zeit häufig vertreten war, differenziert zwischen den beiden Prämienarten dahingehend, dass eine Erstprämie nur in den Fällen vorliegt, in denen ohne entsprechende Zahlung des VN kein Versicherungsschutz bestehe, weil zwischen der Zahlung und dem materiellen Versicherungsbeginn ein aufschiebendes Bedingungsverhältnis bestehe.9 Diese Ansicht überzeugt jedoch insoweit nicht, da die Zahlung der Erstprämie zwar für den Beginn des Versicherungsschutzes notwendig ist, daraus jedoch nicht gefolgert werden kann, dass es sich im Umkehrschluss um ein Abgrenzungskriterium zur Folgeprämie handelt. Auch die grundlegende Änderung des Wortlauts der Norm aus dem Jahre 1939 sollte diesbezüglich klarstellende Wirkung entfalten (s.o.).10 3. Abgrenzungsprobleme Obwohl die Abgrenzung zwischen Erst- und Folgeprämie zunächst einfach erscheint, 8 stellen sich dennoch diverse Abgrenzungsprobleme in der Praxis. a) Vertragsänderung oder Neuabschluss. Um von einer Erstprämie sprechen zu kön- 9 nen, ist der Neuabschluss eines Vertrages erforderlich.11 Probleme tauchen vor allem in 8
BGH 25.6.1956 BGHZ 21 122; BGH 17.4.1967 BGHZ 47 352; Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 10; Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 6; Riedler S. 49; Ganster Prämienzahlung im Versicherungsrecht S. 87; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Michaelis § 37 Rn. 3; Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 1; Römer/Langheid2 § 38 Rn. 4.
9 10 11
So noch Bruck/Möller/Möller8 § 38 Rn. 4; Sieg3 S. 90. Lang VersR 1987 1157; Ganster Prämienzahlung im Versicherungsrecht S. 88. Langheid/Wandt/Staudinger § 37 Rn. 6; Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 1.
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51
§ 37
Abschnitt 3. Prämie
den Fällen auf, in denen ein bereits bestehender Vertrag grundlegend geändert oder erneuert wird. In Bezug auf die Rechtsfolgen der §§ 37, 38 kann es für den VN von außerordentlicher Bedeutung sein, ob es sich hierbei um eine Erstprämie oder aber um eine Folgeprämie handelt. Im Falle eines Neuabschlusses ist die daraufhin zu zahlende Prämie Erstprämie.12 Daher treffen den VN die Rechtsfolgen des § 37. Eine bloße Vertragsänderung ändert hingegen nichts an der Einordnung der Prämie als Folgeprämie, soweit die Erstprämie zuvor entrichtet wurde.13 Ob es sich in diesen Fällen um einen neuen Vertrag handeln soll, oder ob lediglich eine Änderung eines bestehenden Vertrages vorliegt, richtet sich ausschließlich nach dem Willen der Parteien, §§ 133, 157 BGB.14 Die Vermutung geht grundsätzlich dahin, dass die Parteien zumeist eine bloße Vertragsänderung anpeilen.15 Um von einem Neuabschluss auszugehen, müssen daher deutliche Anzeichen im Parteiwillen vorhanden sein. Hierzu ist letztlich eine Gesamtwürdigung der zum Vertragsschluss bzw. zur Vertragsänderung führenden Umstände notwendig.16 Als Indizien für einen Neuabschluss können vor allem umfangreiche Verhandlungen, gravierende Neuerungen im Vertragswerk, die Änderung des versicherten Objekts sowie ein Wechsel der Vertragsparteien, oder aber die Ausfertigung eines neuen Vertragswerks ohne Bezugnahme auf den alten Vertrag sein.17 Um einen neuen Vertrag handelt es sich jedenfalls dann, wenn der alte durch Zeitablauf oder gar durch Kündigung endet, um den inhaltlich fast identisch gebliebenen neuen Vertrag in gewissen Positionen zu modifizieren. Ansonsten ist regelmäßig von einer bloßen Vertragsänderung auszugehen, sofern lediglich im Wege von „Nachträgen“ oder „Zusatzvereinbarungen“ Teile des Vertrages abgeändert werden sollen. Insbesondere die Änderung von Versicherungsbedingungen genügt nicht für die Bejahung eines Neuabschlusses.18 Vor allem in Fällen, in denen lediglich die Prämienhöhe angepasst wird, eine Erweiterung oder Verkürzung des Versicherungsschutzes stattfinden soll, oder aber die Vertragsdauer verändert wird, ist von einem Fortbestand des alten Vertrages auszugehen (hierzu sogleich genauer).19 Hierbei bleibt im Regelfall auch die alte Versicherungsnummer erhalten, was zweifelsohne für die Fortsetzung des Vertrages spricht.20 Wird der Beginn eines Versicherungsvertrages von den Parteien auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, weil zuvor die Einziehung der Erstprämie erfolglos blieb, so handelt es sich bei der dann zu zahlenden Prämie immer noch um eine Erstprämie.21
10
aa) Erweiterung auf neues Risiko. Die Problematik der Abgrenzung zwischen Erstund Folgeprämie stellt sich vor allem bei der Integration neuer Risiken in einen bereits bestehenden Vertrag. Ein solcher Fall kann etwa dann vorliegen, wenn der bestehende Vertrag zusätzliche Risiken abdecken soll, oder aber, wenn bisher noch nicht erfasste Objekte Versicherungsschutz erhalten sollen.22 In der Folge ist nunmehr ebenfalls danach 12
13 14
15
Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 37 Rn. 6; Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 9. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 11. OLG Hamm 17.9.1975 VersR 1976 1032; Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 9; Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 2; Römer/Langheid2 § 38 Rn. 6; a.A. Loschelders/Pohlmann/Stagl § 37 Rn. 5. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 37 Rn. 5; Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 4; a.A. wohl Römer/Langheid2 § 38 Rn. 6.
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16 17 18 19
20 21 22
Langheid/Wandt/Staudinger § 37 Rn. 20 m.w.N. OLG Köln 16.7.2002 VersR 2002 1225. HK-VVG/Karczewski § 37 Rn. 3; OLG Köln 16.7.2002 VersR 2002 1225. A.A. wohl Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 9, der aber auch darauf verweist, dass ein Merkmal keineswegs zwingend die Annahme eines neuen Vertrages bedeutet, vielmehr eine Gesamtschau nötig ist. OLG Hamm 29.9.1978 VersR 1979 413. OLG Oldenburg 8.10.2003 RuS 2005 250. Riedler S. 54.
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Zahlungsverzug bei Erstprämie
§ 37
zu fragen, ob sich aus den Gegebenheiten des Einzelfalls herauslesen lässt, dass entweder ein neuer Vertrag gewollt ist, oder eine bloße Vertragsänderung anvisiert wird. In Fällen, in denen eine notwendige Verknüpfung des alten Vertrages mit dem neu entstandenen Risiko besteht, also das neue Risiko nur aufgrund des bereits bestehenden Vertrages überhaupt versicherbar ist, liegt unzweifelhaft nur eine Vertragsänderung vor.23 Schwieriger gestaltet sich die Frage, sofern das Risiko auch selbständig durch eigenen Vertrag versicherbar wäre. Hierbei wird größtenteils dafür plädiert, dass ein verständiger VN nicht erwarten könne, dass der VR die Prämie für das selbständige Risiko als Folgeprämie ansehen werde.24 Werde also bspw. eine Teilkasko- in eine Vollkaskoversicherung umgewandelt, müsste man die erste Prämie für die Vollkaskoversicherung als Erstprämie einstufen.25 Weitere Beispiele zeigen sich etwa in einer Umwandlung einer Teilkosten- in einer Krankheitskosten-Vollversicherung26, oder bei Erweiterung einer Krankheitskostenversicherung um eine Krankenhaustagegeldversicherung. Jedoch ist in diesen Fällen nur die Differenzprämie, also die Zusatzprämie für das erweiterte Risiko, eine Erstprämie i.S.d. § 37 Abs. 2 Satz 1.27 Folglich entfällt der Versicherungsschutz im Falle des Zahlungsverzugs auch nur für diesen Teilbereich der Versicherung. Auch wenn dieser Ansicht im Grunde zuzustimmen ist, kann aus der Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall auch ein anderes Ergebnis resultieren. Für den ursprünglichen Teil gelten bei Zahlungsverzug die Voraussetzungen des § 38. Dass ein VN, der u.U. jahrelang ordnungsgemäß seine Prämien entrichtet hat, nur aufgrund einer derartigen Änderung in eine kaum geschützte Position gerät, entspricht weder dem Willen des VN noch des VR.28 Ein Anhaltspunkt dafür findet sich bspw. in C.3 AKB 2008, wonach selbst nach dem Wechsel des versicherten Fahrzeugs und Neuabschlusses eines Vertrages bzgl. eines anderen PKW noch innerhalb von sechs Monaten bei Gleichwertigkeit von einer Folgeprämie nach § 38 gesprochen werden soll, obwohl die Auswechslung des versicherten Objekts allgemein als Neuabschluss zu werten ist. Insofern kann auch in Fällen, in denen ein zusätzliches Risiko auch eigenständig versichert werden kann, nicht zwangsläufig auf einen neuen Vertrag geschlossen werden. Vielmehr muss es auch hier darauf ankommen, ob die Erweiterung des Risikos lediglich als gering oder aber als wesentlich zu betrachten ist. Gleiches gilt im Falle der Erhöhung der Versicherungssumme.29 Nicht gleich jede Er- 11 höhung führt zwangsläufig zu einem neuen Vertragsschluss. Vielmehr ist auch hier eine Abwägung der Auswirkungen dieser quantitativen Erweiterung nötig. So wird lediglich im Falle gravierender Erhöhungen der Versicherungssumme wirklich ein neuer Vertrag gewollt sein. Kein neuer Versicherungsvertrag liegt bei einer Reduktion des Schadensrisikos oder 12 bei einer Herabsetzung der Versicherungssumme vor, etwa bei einer Umwandlung einer Voll- in eine Teilkaskoversicherung.30
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26 27
Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 4; Riedler S. 55. Riedler S. 55. LG Würzburg 11.1.1967 VersR 1969 52; Langheid/Wandt/Staudinger § 37 Rn. 11; Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 10; Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 4. LG Düsseldorf 15.7.1988 RuS 1988 342. Wohl a.A. Langheid/Wandt/Staudinger § 37 Rn. 11.
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Ähnlich Ganster Prämienzahlung im Versicherungsrecht S. 90. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 11; Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 4. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 11; Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 10.
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§ 37
Abschnitt 3. Prämie
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bb) Änderung des versicherten Objekts. Beim Wechsel des versicherten Objekts ist grundsätzlich von der Begründung eines neuen Vertragsverhältnisses auszugehen.31 Als prägnantes Beispiel ist vor allem der Wechsel eines Kraftfahrzeuges, sei es in Folge der Zerstörung des Vorgängers oder durch Neuerwerb, zu nennen. Diese Einordnung ergibt sich auch daraus, dass die Versicherung eines neuen Objekts im Regelfall einhergeht mit einer geänderten Risikoverteilung. So sind insbesondere Kraftfahrzeuge nach Typklassen unterteilt, so dass hier stets von einem neuen Vertrag ausgegangen werden muss. Dafür spricht des Weiteren die gesetzliche Wertung des § 95 Abs. 1 (§ 69 a.F.), wonach mit Veräußerung eines Pkw der ursprüngliche VN aus dem bestehenden Vertrag ausscheidet. Der Kennzeichnung durch die Vertragsparteien ist dabei keine Bedeutung beizumessen, so dass auch die Bezeichnung als „Nachtrag“, „Veränderung“ oder „Ersatzpolice“ nichts an der Einstufung als neuer Vertrag ändert.32 Unbenommen ist es den Parteien jedoch, durch vertragliche Vereinbarung die Prämie dennoch als Folgeprämie einzustufen, und somit im Falle des Zahlungsverzugs die Rechtsfolgen des § 38 herbeizuführen, vgl. hierzu C.3 AKB 2008 für Kfz. Diese für den VN ausschließlich vorteilhafte Abänderung der gesetzlichen Vorschriften verstößt mithin nicht gegen § 42.
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cc) Wechsel der Vertragsparteien. Bei einem Wechsel auf Seiten des VR, sei es durch Umwandlung oder durch Bestandsübertragung von Versicherungsverträgen nach § 14 VAG, ändert sich an der Qualität der Prämie als Folgeprämie nichts, da auf beiden Seiten kein Interesse besteht, ein neues Versicherungsverhältnis anzunehmen.33 Bei einem Wechsel auf Seiten des VN ist zu differenzieren. Im Falle der Universalnachfolge aufgrund einer Erbschaft besteht das Versicherungsverhältnis unverändert fort (vgl. auch § 33 Rn. 38). Auch im Falle der Veräußerung einer Sache rückt der Erwerber in die Stellung des bisherigen VN ein, § 95 Abs. 1 (§ 69 a.F.).34 Somit sind die folgenden Prämien als Folgeprämien zu werten. Wird der Vertrag jedoch durch den neuen VN im Sinne eines Anschlussvertrages fortgeführt, ist zumindest dieser Vertrag ein neuer Vertrag und die zeitlich erste Prämie wäre somit als Erstprämie zu charakterisieren.35
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dd) Abänderung der Vertragsdauer. Auch die bloße Verlängerung des bestehenden Vertrages stellt im Regelfall nur eine Fortsetzung dieses Vertrages dar.36 So können die Parteien sowohl ausdrücklich, aufgrund von Verlängerungsklauseln oder aber auch konkludent den bestehenden Vertrag fortführen. Dabei ist ein starkes Indiz für ein Beibehalten des Vertrages die Identität der Versicherungsnummer. Daher treten bei Zahlungsverzug auch nur die Rechtsfolgen des § 38 ein. Zumeist wird auch der Parteiwille auf eine bloße Fortführung hindeuten. Um einen völlig neuen Vertragsschluss anzunehmen, müssen daher starke Indizien im Parteiwillen auf einen diesbezüglichen Erfolg hindeuten. In einem solchen Falle ist eine Hinweispflicht des VR auf die Rechtsfolgen des § 37 geboten.
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ee) Rechtsfolgen von Leistungsfreiheit/Rücktritt/Kündigung auf Neuvertrag. Teilweise wird sowohl in der Rechtsprechung, als auch in der Literatur die Ansicht vertreten, dass
31
32
BGH 21.11.1975 VersR 1976 136; OLG Saarbrücken 29.3.1974 VersR 1974 765; OLG Koblenz 8.2.1980 VersR 1980 617; OLG Karlsruhe 10.6.1981 VersR 1982 591. BGH 21.11.1975 VersR 1976 136; Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 12.
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33 34 35 36
Riedler S. 60 ff. A.A. Looschelders/Pohlmann/Stagl § 37 Rn. 6. Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 15. Langheid/Wandt/Staudinger § 37 Rn. 8; Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 1.
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Zahlungsverzug bei Erstprämie
§ 37
bei Annahme eines neuen Vertrags und darauf folgendem Zahlungsverzug der alte Vertrag wieder auflebt, sofern der VR kündigt, von seiner Leistung frei wird, oder zurücktritt. Begründet wird dieses Ergebnis damit, dass aus § 139 BGB folge, dass eine Kündigung des neuen Vertrages zugleich auch die Abänderungs- und Aufhebungsabrede beseitige und so der alte Vertrag wieder auflebe.37 Aus diesem Grund sei ein Rücktritt des VR nur nach § 38 möglich. Resultat wäre, dass sich die Leistungsfreiheit des VR auch nur auf das Risiko des neuen Vertrages auswirken würde, nicht jedoch auf die Leistungspflicht bezüglich des alten Risikos. Letztlich würde der VN damit genauso gestellt, wie im Falle einer bloßen Vertragsänderung. Diese Ansicht vermag nur in Teilen zu überzeugen. Sie ist überzeugend, soweit sich die Rechtsstellung des VN durch den Abschluss des Vertrages eigentlich verbessern sollte, er jedoch durch den neuen Vertrag nicht durch den günstigeren § 38 geschützt ist. Nichtsdestotrotz macht es bspw. keinen Sinn, im Falle des Wechsels des Versicherungsobjekts einfach den ursprünglichen Vertrag wieder aufleben zu lassen, der sich doch seinerzeit auf ein völlig anderes Objekt bezog. Ein dahingehender Parteiwille, vor allem seitens des VR, ist nicht vorhanden. Auch die Vermutung, dass im Regelfall eine Vertragsänderung und kein Neuabschluss eines Vertrages gewollt sei (vgl. Rn. 9), lässt erkennen, dass beim Neuabschluss der VN nicht so schutzwürdig ist, wie bei Falle einer Vertragsänderung, da er objektiv nicht davon ausgehen kann, dass im Falle der Kündigung des neuen Vertrages der VR dennoch für später eintretende Schäden einstehen werde. Daher erscheint es sachgerechter, diese Situationen über eine Hinweispflicht des VR zu lösen.38 b) Ratenzahlung. Haben die Parteien im Rahmen des Versicherungsverhältnisses eine 17 Ratenzahlung vereinbart, ist nach ganz herrschender Ansicht nur die erste Rate eine Erstprämie i.S.d. § 37.39 Die darauf folgenden Raten sind bereits als Folgeprämien zu sehen. Ob eine dahingehende Vereinbarung überhaupt besteht, ist jedoch zunächst zu ermitteln. Unter Ratenzahlung versteht man allgemein die Entrichtung der Prämie anhand von Teilbeträgen.40 Grundsätzlich schreibt das Gesetz eine Versicherungsperiode von einem Jahr vor, § 12 (§ 9 a.F.). Aufgrund der Dispositivität der Norm steht es den Parteien jedoch frei, kürzere Perioden zu vereinbaren. In diesem Fall ist die Prämie für die kürzeren Zeiträume eine „normale“ Prämie und keine Rate. Behalten die Parteien jedoch die jährliche Versicherungsperiode bei und vereinbaren bspw. monatliche, viertel- oder halbjährliche Zahlweise, liegen hingegen Ratenzahlungen in den einzelnen Teilzahlungen vor. Davon zu unterscheiden sind Fälle, in denen zwar die gesamte Prämie mit Versiche- 18 rungsbeginn fällig wird, der VR jedoch aufgrund der Gegebenheiten des Einzelfalls nur Teilbeträge davon verlangt. Hierin ist ein Verzicht des VR auf sein Recht, gem. § 266 BGB Teilleistungen abzulehnen, zu sehen.41 Gleichzeitig liegt hierin eine Stundung der übrigen Teilleistungen. Der VR muss hier deutlich herausstellen, in wie weit es sich um eine deckende Stundung handelt und in wie weit er auf die diesbezüglichen Rechtsfolgen des § 37 verzichtet.42 Dies ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. auch Rn. 19). In diesem Zusammenhang wird des Weiteren diskutiert, ob die noch ausstehenden Teilleistungen immer noch die Qualität der Erstprämie aufweisen. Dies ist zu bejahen. Alleine durch die 37
38 39
Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 37 Rn. 6; Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 17; LG Düsseldorf 15.7.1988 RuS 1988 342; Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 4. Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 5. Looschelders/Pohlmann/Stagl § 37 Rn. 3;
40 41 42
Brockmann VersR 1953 345; Ganster Prämienzahlung im Versicherungsrecht S. 92. Ganster Prämienzahlung im Versicherungsrecht S. 91. Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 24. Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 24.
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Abschnitt 3. Prämie
Stundung von Teilen der Prämie kann sich noch nichts an der Qualität der Prämie als Erstprämie ändern. Während im Vergleich zu einer Ratenzahlungsvereinbarung die Fälligkeit der einzelnen Teile deutlich herausgestellt ist, ändert sich an der ursprünglichen Fälligkeit der vollen Prämie auch im Falle der Annahme von Teilleistungen nichts. Daher ist jede Teilleistung noch eine Erstprämie und führt nach Ablauf der Stundung zu den Rechtsfolgen des § 37.43 Geringfügige Restbeträge können jedoch im Einzelfall eine Anwendung des § 37 ausschließen (dazu unter Rn. 29).
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c) Stundung der Prämie. Vereinbaren die Parteien die Stundung der Erst- bzw. Einmalprämie (vgl. bereits § 33 Rn. 53), so stellt sich die Frage, ob bei Eintritt eines Versicherungsfalles vor Zahlung der (gestundeten) Prämie Versicherungsschutz besteht. Dem könnte § 37 Abs. 2 Satz 1 entgegenstehen. Indes kann eine sog. deckende Stundung vereinbart sein; damit ist gemeint, dass der VR auch während der Stundung schon Versicherungsschutz gewährt.44 Bei Vereinbarung einer deckenden Stundung ist demnach § 37 Abs. 2 zugunsten des VN abbedungen. Fraglich ist was gilt, wenn es an einer ausdrücklichen Vereinbarung fehlt. Zur früheren Rechtslage ist der Standpunkt vertreten worden, dass eine solche deckende Stundung grundsätzlich nicht anzunehmen sei.45 Neuerdings wird der Standpunkt vertreten, dass die deckende Stundung nach der VVG-Reform der Regelfall sei, da jetzt ohnehin schon Versicherungsschutz mit Abschluss des Vertrages bestehe, obwohl die Prämie noch nicht unbedingt fällig sei.46 Indes lässt sich dies so pauschal nicht feststellen (vgl. dazu noch Rn. 60). Vielmehr ist durch Auslegung zu ermitteln, ob eine deckende Stundung gewollt ist. Ist dies der Fall, so besteht bereits während der Stundung Versicherungsschutz. Anderenfalls richtet sich die Frage nach § 37 Abs. 2. Versicherungsschutz besteht nur dann, wenn der VN die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat (dazu insbesondere Rn. 41).
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d) Vorläufige Deckung/Rückwärtsversicherung. Eine Unterscheidung zwischen Erstund Folgeprämie bedarf es zudem im Rahmen einer sog. vorläufigen Deckung, §§ 49–52. Dabei gewährt der VR dem VN bereits vor dem Abschluss des endgültigen Versicherungsvertrages Versicherungsschutz. Grundlage des gewährten Versicherungsschutzes ist dabei eine zuvor getroffene vertragliche Übereinkunft der Parteien, die unabhängig vom späteren Zustandekommen des Versicherungsvertrages gilt. Diese stellt einen in sich eigenständigen Versicherungsvertrag dar.47 Im Wege der VVG Reform wurde dies auch noch einmal ausdrücklich durch den Gesetzgeber kodifiziert, § 49 Abs. 1. Da es sich um einen eigenständigen Versicherungsvertrag handelt, entsteht folglich mit Zusage der vorläufigen Deckung ein Anspruch des VR auf die Erstprämie. Aufgrund der Trennung der beiden Verträge ist auch die erste, für den endgültigen Versicherungsvertrag zu zahlende Prämie, eine Erstprämie i.S.d. § 37.48 In der Praxis ist es jedoch Usus, dass beide Prämien
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44 45 46
Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 47; Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 7; einschränkend Berliner Kommentar/ Riedler § 38 Rn. 25. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 33 Rn. 5. Vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 33 Rn. 5 m.w.N. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 26; wohl auch Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 33 Rn. 5 f.
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47
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Sog. Trennungstheorie: Ganster Prämienzahlung im Versicherungsrecht S. 94; Beckmann/ Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 17. BGH 25.5.56 BGHZ 21, 122; Römer/Langheid2 § 38 Rn. 5; HK-VVG/Karczewski § 37 Rn. 3; Langheid/Wandt/Staudinger § 37 Rn. 4; a.A. Looschelders/Pohlmann/Stagl § 37 Rn. 4.
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Zahlungsverzug bei Erstprämie
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gemeinsam nach Zustandekommen des endgültigen Versicherungsvertrages eingezogen werden. Viele Gemeinsamkeiten weist die vorläufige Deckung mit der sog. Rückwärtsversiche- 21 rung auf, § 2 Abs. 1. Auch hier setzt der materielle Versicherungsbeginn bereits vor dem formellen Abschluss des eigentlichen Versicherungsvertrages ein.49 Der Versicherungsbeginn wird somit auf einen Zeitpunkt vor Annahme des Vertragsangebots vorverlegt. Gem. § 2 Abs. 4 findet die Vorschrift des § 37 Abs. 2 ausdrücklich keine Anwendung (vgl. dazu noch die Kommentierung zu § 37 Rn. 61). e) Wiederherstellung eines bereits beendeten Vertrages. Die Abgrenzungsschwierig- 22 keiten zwischen Erst- und Folgeprämie stellen sich ebenfalls dann, wenn ein Versicherungsvertrag in irgendeiner Art beendet wurde, sei es durch Rücktritt, Kündigung oder zeitlichen Ablauf und später wieder reaktiviert wird. Im Falle eines Rücktritts des VR nach § 37 Abs. 1 wegen nicht rechtzeitiger Leistung 23 der Erstprämie ist auch die zeitlich erste Prämie des wieder in Vollzug gesetzten Vertrages eine Erstprämie.50 Unbenommen bleibt es den Parteien jedoch, die Erst- als Folgeprämie zu bewerten, eine Rückwärtsversicherung zu vereinbaren, oder aber den neuen Vertragsbeginn auf den des ursprünglichen Vertrages festzusetzen. In diesem Fall handelt es sich richtigerweise um eine Folgeprämie.51 Anders ist die Lage zu beurteilen, sofern der VR aufgrund der Nichtleistung einer 24 Folgeprämie nach § 38 Abs. 3 Satz 1 kündigt, der VN jedoch innerhalb der Monatsfrist nach § 38 Abs. 3 Satz 3 noch leistet. Insoweit schreibt das Gesetz vor, dass durch die Zahlung die Kündigung unwirksam wird. Die nächste zu zahlende Prämie ist dann auch eine Folgeprämie nach § 38. Umgekehrt ist § 37 anwendbar, soweit die Zahlung des VN nicht mehr innerhalb der Monatsfrist erfolgt, der Vertrag also bereits erloschen ist und durch Parteivereinbarung wieder auflebt. Hierbei wird ein gänzlich neuer Vertrag geschlossen. Gleiches gilt auch, wenn aufgrund der Kündigung des VR eine Versicherung nach § 166 in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt wurde und diese wieder reaktiviert wird.52
B. Tatbestand I. Nicht rechtzeitige Zahlung im Rahmen des § 37 Abs. 1 1. Leistungsanforderung durch den VR § 37 Abs. 1 setzt voraus, dass VN die Erstprämie nach Abs. 1 nicht rechtzeitig 25 gezahlt hat. Um aber überhaupt von einer wirksamen Zahlungsverpflichtung sprechen zu können, bedarf es einer exakten Leistungsanforderung durch den VR. Da an eine nicht rechtzeitige Zahlung schwerwiegende Folgen geknüpft sind, muss die Anforderung bzgl. der Erstprämie sehr präzise sein. Die ausgewiesenen Prämienforderungen müssen genau beziffert und korrekt gekennzeichnet sein.53 Werden mehrere Prämien gleichzeitig eingefordert, so ist eine deutliche Trennung und Kennzeichnung der Herkunft zwingend ge49 50
51
Römer/Langheid2 § 38 Rn. 25. Ganster Prämienzahlung im Versicherungsrecht S. 93; Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 27. Vgl. hierzu OLG Köln 18.5.1989 VersR 1990 1004.
52 53
BGH 23.6.1993 VersR 1994 39. BGH 9.3.1986 VersR 1986 986; Hk-VVG/ Karczewski § 37 Rn. 7.
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boten.54 Diese akribische Betrachtungsweise ist im Sinne der Rechtssicherheit des VN zwingend. Ein Verstoß hiergegen führt zu einer unwirksamen Leistungsanforderung und kann niemals in einem Rücktrittsrecht oder einer Leistungsfreiheit des VR münden. Bereits geringfügige Mehrforderungen sind geeignet, die Anforderung unwirksam zu machen.55 2. Leistungshandlung des VN
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Gemäß § 33 Abs. 1 hat der VN die einmalige, sofern laufende Prämien vereinbart sind, die erste Prämie unverzüglich nach Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheines zu entrichten. Es kommt mithin nicht mehr wie nach früherer Rechtslage auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an (vgl. hierzu die Kommentierung zu § 33 sowie zur erforderlichen Leistungshandlung und Einordnung der Prämienschuld des VN § 36 Rn. 6 ff.). 3. Abweichungen bei der Prämienzahlung und deren Auswirkungen
27
a) Qualitative Abweichungen. Haben die Parteien eine bestimmte Art der Zahlungsweise (vgl. hierzu § 36 Rn. 26 ff.) vereinbart und möchte der VN die Prämienschuld dennoch unzulässiger Weise mittels einer anderen Zahlungsmethode begleichen, hat der VR das Recht diese Art der Zahlung zurückzuweisen. Dies gilt jedoch nicht, sofern er sich zuvor konkludent mit dieser Art der Zahlung einverstanden erklärt hat, etwa durch Angabe von Kontodaten auf der Versicherungspolice o.ä. b) Quantitative Abweichungen
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aa) Teilzahlung des Prämienbetrages. Es kann vorkommen, dass der VN den geschuldeten Prämienbetrag nicht vollständig entrichtet. Rechtlich gesehen handelt es sich hierbei um eine Teilleistung nach § 266 BGB, die der VR auch grundsätzlich zurückweisen kann. Um den Rechtsfolgen des § 37 zu entgehen, muss der VN jedoch den vollständigen Prämienbetrag entrichten. Die Teilleistung vermag somit nichts daran zu ändern, dass der VN in Verzug gerät, solange noch Teile der Prämie ausstehen. Dem § 37 liegt das sog. Alles-oder-Nichts-Prinzip zugrunde. Das ist auch insoweit nicht unbillig, da der VN durch die exakte Auflistung des Prämienbetrages und seiner Bestandteile sowie neuerdings durch die gesetzliche Informationspflicht bzgl. der Rechtsfolgen des § 37 (§ 37 Abs. 2 S. 2) hinreichend geschützt ist. Folglich kann der VR die Leistung verweigern, sofern nach Zahlung der Teilleistung und vor Zurückweisung durch den VR der Schadensfall eintritt. Das gilt natürlich nicht, sofern der VN den Zahlungsverzug nicht zu vertreten hat, § 37 Abs. 2 S. 1.
29
bb) Geringfügige Prämienrückstände. In seltenen Ausnahmefällen ist an diesem Allesoder-Nichts-Prinzip nicht festzuhalten. Unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) wird zumindest dann, wenn im Verhältnis zur Prämie nur sehr geringfügige Prämienrückstände offen sind, dem VR eine Berufung auf die Rechtsfolgen
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55
BGH 9.10.1985 VersR 1986 54; OLG Hamm 22.9.98 VersR 1999 957; Terbille/Terbille MAH2 § 2 Rn. 162. BGH 30.1.1985 VersR 1985 447 (DM 26,05
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anstatt DM 19); BGH 7.10.92 VersR 1992 1501 „selbst Pfennigbeträge genügen für die Unwirksamkeit“.
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Zahlungsverzug bei Erstprämie
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des § 37 verwehrt. Dies entspricht – soweit ersichtlich – heute auch der allgemeinen Auffassung.56 Diese Ausnahme lässt sich in rechtlicher Hinsicht auf § 320 Abs. 2 BGB stützen, wonach die Einrede des nicht erfüllten Vertrages dem anderen Teil dann nicht entgegengehalten werden kann, wenn der andere Teil mit nur einem verhältnismäßig geringfügigen Teil im Rückstand ist. Die Grenze, wann ein noch ausstehender Betrag als geringfügig zu bewerten ist, ist nach deutschem Recht (anders die Rechtslage insbesondere in Österreich, vgl. § 39a ÖVVG) nicht leicht zu ziehen.57 Richtigerweise ist im ersten Schritt das Verhältnis des ausständigen Prämienbetrags zur insgesamt fälligen Prämie einschließlich Zinsen und Kosten zu betrachten.58 Dies alleine genügt jedoch keineswegs. Im zweiten Schritt muss auch der noch ausstehende Betrag für sich allein gesehen geringfügig sein. Im Unterschied zur österreichischen Rechtslage (§ 39a ÖVVG) existiert im deutschen Recht keine pauschale Prozentangabe von 10 %. Da der Reformgesetzgeber auch weiterhin bewusst auf eine solche pauschale Schranke verzichtet hat, ist eine derartige Berechnungsmethode nicht anwendbar.59 Ein ausschlaggebender Orientierungspunkt bietet vielmehr die Regelung des § 38 Abs. 2 (§ 39 Abs. 2 a.F.), wonach Leistungsfreiheit nach Mahnung bereits im Falle rückständiger Kosten oder Zinsen gegeben ist. Demnach können richtigerweise Prämienrückstände nur dann als geringfügig gewertet werden, solange sie die Kosten und Zinsen nicht übersteigen. Die Frage nach der Geringfügigkeit ist daher restriktiv zu handhaben.60 Dafür spricht zum einen die klare gesetzgeberische Wertung und zum anderen die grundsätzliche Vorgehensweise bei teleologischen Reduktionen bzw. Ausnahmen nach Treu und Glauben. Nach herrschender Meinung verbleibt darüber hinaus kein Raum für einen Schutz des VN nach Treu und Glauben, wenn dieser bewusst und gewollt nicht vollständig erfüllt bzw. eigenmächtig Kürzungen an der Prämie vornimmt.61 Beispiele für einen geringfügigen Prämienrückstand sind: DM 2,70 gegenüber DM 162 (OLG Düsseldorf 28.10.1975 VersR 1976 429). Dagegen sind nicht mehr als geringfügig einzustufen: DM 6,80 gegenüber DM 33,20 (OLG Nürnberg 14.7.1952 VersR 1952 370). Als nicht geringfügig wurde zudem erachtet: DM 64,37 zu DM 201,38 (OLG Saarbrücken 29.3.1974 VersR 1974 765); DM 52,50 gegenüber DM 1052,50 (BGH 5.6.1985 VersR 1985 981). Aus den Augen gelassen werden darf folgerichtig auch nicht der Aspekt, dass grundsätzlich auch die häufige Rückständigkeit mit Prämienzahlungen beim VR zu hohen Verwaltungskosten führt, die er ansonsten nicht zu tragen hätte. Daher sind im Sinne eines fairen Ausgleichs nur völlig vernachlässigbare Prämienrückstände von dieser Ausnahme nach Treu und Glauben erfasst. 56
57
BGH 9.3.1988 VersR 1988 484; BGH 9.10.1985 VersR 1986 54; BGH 25.6.1956 BGHZ 21 122; OLG Hamm 30.9.1960 NJW 1961 1411; OLG Koblenz 3.5.1966 VersR 1966 1128; OLG Frankfurt 3.8.2005 VersR 2006 537; Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 42; Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 11; Beckmann/Matusche-Beckmann/ Hahn2 § 12 Rn. 47; Gärtner S. 111; Römer/ Langheid2 § 38 Rn. 13. Zur österreichisches Rechtslage vgl. Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 112.
58 59 60 61
OLG Hamm 30.9.1960 NJW 1961 1411; OLG Koblenz 3.5.1966 VersR 1966 1128. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 47. Lang VersR 1987 1157, 1159; Riedler VersRsch 1993 332, 336. BGH 9.3.1988 VersR 1988 484; Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 11; OLG Frankfurt 3.8.2005 VersR 2006 537.
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4. Tilgungsbestimmungen
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Probleme bei der Verrechnung von Prämieneingängen können entstehen, sobald der VN aus mehreren Verträgen mit Prämienzahlungen im Rückstand ist und seine Zahlung nicht ausreicht, um alle Prämienschulden zu tilgen. Nach § 366 Abs. 1 BGB ist dabei der Wille des VN dafür entscheidend, auf welche Prämienschuld die Zahlung angerechnet werden soll. In den meisten Fällen ergibt sich der Wille konkludent daraus, dass ein von einem bestimmten Vertrag herrührender Betrag eingefordert wird und dieser exakt vom VN beglichen wird. Bei Identität von Gefordertem und Geleistetem zeigt sich eindeutig der Wille, diese Prämienschuld zu tilgen.62 Für die seltenen Fälle, in denen keine Tilgungsbestimmung ersichtlich ist, gilt § 366 36 Abs. 2 BGB. Danach ist aus Sicht des VN der „lästigere“ Anspruch zu tilgen. Das ist zumeist der, bei dem am ehesten der Verlust der Deckung droht.63 Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn der eingehende Betrag zwar nicht zur Tilgung der „lästigsten“ Schuld ausreicht, jedoch zur Tilgung einer anderen Schuld genügt. In diesen Fällen wird die Leistung auf diese andere Schuld angerechnet um sicherzustellen, dass zumindest ein Versicherungsverhältnis aufrecht erhalten bleibt.64
II. Keine Zahlung der Erstprämie im Rahmen des § 37 Abs. 2 37
Im Gegensatz zu § 37 Abs. 1, der von „nicht rechtzeitiger Zahlung“ spricht, ist in § 37 Abs. 2 ausschließlich von der „Nichtzahlung der Erstprämie“ die Rede. Auch nach der VVG-Reform ist noch ungeklärt, ob das Merkmal der „Rechtzeitigkeit“ in den Abs. 2 hineinzulesen ist. Ein solches Hineinlesen dieses Merkmals in § 37 Abs. 2 hätte zur Folge, dass § 37 Abs. 2 den Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Fälligkeit der Prämie (ca. zwei Wochen nach Erhalt des Versicherungsscheins) nicht erfasst. Dennoch erfolgt ein solches „Hineinlesen“ im Schrifttum vielfach, wenn auch ohne ausdrückliche Erläuterung und Begründung, wobei oftmals auch schon nicht hinreichend zwischen § 37 Abs. 1 und § 37 Abs. 2 unterschieden wird.65 Lediglich Riedler geht soweit ersichtlich auf diese Frage zu § 38 VVG a.F. näher ein.66 Gegen ein Hineinlesen der Rechtzeitigkeit in § 37 Abs. 2 lassen sich Einwände erheben. Zunächst einmal enthält der Wortlaut des § 37 Abs. 2, trotz der historisch begründeten Auffassung von Riedler,67 keinen Hinweis auf eine rechtzeitige Leistung. Etwaige historische Argumente haben gegenüber dem Wortlaut zurückzutreten. Die „Rechtzeitigkeit der Leistung“ bzw. die „Fälligkeit der Prämie“ ist daher kein Merkmal von § 37 Abs. 2. Auch aus teleologischen Gesichtspunkten folgt kein anderes Ergebnis. Ein sich am Wortlaut der Vorschrift orientierendes Verständnis wird im Gegenteil dem Willen des Gesetzgebers, am Einlösungsprinzip festzuhalten, in vollem Umfang gerecht. Auch systematische Gesichtspunkte sprechen für diese Lesart. Dass § 37 Abs. 2 gerade nicht auf eine nicht rechtzeitige Zahlung, sondern auf eine Nichtzahlung bis zum Eintritt des Versicherungsfalls abstellt, ist ein Indiz dafür, dass die Regelung auch in der Phase anwendbar ist, in der die Prämie bis zum Eintritt des Versicherungsfalles nach § 33 Abs. 1 noch nicht fällig geworden ist (vgl. dazu Rn. 45). Bei einem anderen Verständnis bliebe das VVG im Hinblick auf diese wichtige Fallgruppe lückenhaft.68 62 63 64
OLG Koblenz 2.5.1980 VersR 1980 961. BGH 21.11.1975 VersR 1976 136; Lang VersR 1987 1157, 1159. BGH 27.2.1978 NJW 1978 1524.
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65 66 67 68
Schimikowski4 Rn. 155; Wandt4 Rn. 515. Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 55 ff. Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 55 ff. Terbille/Terbille MAH2 § 2 Rn. 158.
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Zahlungsverzug bei Erstprämie
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Dieser Meinungsstreit ist allerdings nicht entscheidend, wenn AVB § 37 Abs. 2 dahingehend abwandeln, dass es auf eine „nicht rechtzeitige Zahlung“ ankommt, wie z.B. in Nr. 9.3 der AHB 2008.
III. Informationspflicht des VR, § 37 Abs. 2 S. 2 Bereits vor der VVG-Reform wurde dem VR seitens der Rechtsprechung aufgegeben, 38 den VN über die gravierenden Folgen eines Zahlungsverzugs mit der Erstprämie bei vorläufiger Deckungszusage hinzuweisen.69 Nunmehr hat der Gesetzgeber diese Aufklärungspflicht für alle Versicherungsarten ausdrücklich in § 37 Abs. 2 Satz 2 kodifiziert. Danach kann der VR sich nur dann auf Leistungsfreiheit berufen, wenn er zuvor durch „gesonderte Mitteilung in Textform“ oder durch „auffälligen Hinweis im Versicherungsschein“ auf die Rechtsfolgen der Nichtzahlung der Erstprämie aufmerksam gemacht hat. Diesen besonderen formalen Voraussetzungen kommt der VR nach, sofern augenscheinlich die Rechtsbelehrung im Versicherungsschein hervorgehoben wird, so dass sie dem VN quasi ins Auge springt. Die besondere Bedeutung muss für den VN klar erkennbar sein, so dass insbesondere ein Vermerk auf der Rückseite nicht genügt. Auch nach der Reform bleibt es den Parteien unbenommen, den Beginn des Versicherungsschutzes an die Zahlung der Erstprämie zu knüpfen (sog. Einlösungsklausel). Gleiches gilt letztlich auch bei der sog. erweiterten Einlösungsklausel. Wird dabei der Versicherungsschutz rückwirkend mit Zahlung der Prämie gewährt, muss auch hier eine qualifizierte Belehrung nach § 37 Abs. 2 Satz 2 über die Rechtsfolgen einer nicht rechtzeitigen Zahlung innerhalb der Frist des § 33 erfolgen. Inhaltlich muss die Belehrung so ausgestaltet sein, dass sie die Gratwanderung zwi- 39 schen guter Verständlichkeit und umfangreicher Belehrung meistert. Dem VN muss unmissverständlich verdeutlicht werden, dass er zur Zahlung aufgefordert wird und welche Konsequenzen ihm im Falle der Nichtentrichtung der Prämie drohen. Dabei darf sie wiederum nicht zu komplex sein, um die Verständlichkeit zu wahren. Sie muss insbesondere auf die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit des VR hinweisen.70 Darüber hinaus empfiehlt es sich, den VN darüber zu belehren, dass er im Falle einer nicht verschuldeten Nichtleistung den Versicherungsschutz retten kann, sofern er danach schnellstmöglich seine Prämienschuld tilgt. Je nach Versicherung und Art der Zahlungsweise können darüber hinaus weitere Ausführungen von Nöten sein. Bei der Kfz-Versicherung wird der VN etwa darauf hingewiesen, dass er rückwirkend seinen Versicherungsschutz verliert, wenn er nicht binnen 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins zahlt, C.1.2 AKB 2008.71 Bei Verwendung des Lastschriftverfahrens ist darüber hinaus der Termin des Abbuchungstages anzugeben, um dem VN die Sicherung der Kontodeckung zu ermöglichen und zu erörtern, was im Falle eines verspäteten Einzugs durch die Inkassostelle zu geschehen hat.72 Zu dieser Informationspflicht nach § 37 Abs. 2 Satz 2 wird bisweilen angenommen, 40 dass sie sich auch auf § 37 Abs. 1 bezieht und somit der VR auch hinsichtlich der Rücktrittsfolgen warnen muss.73 Dieser Aspekt steht in Zusammenhang mit der Wirkung des Rücktritts (dazu Rn. 51 f.).
69 70
BGH 17.4.1967 BGHZ 47 352, 362. Langheid/Wandt/Staudinger § 37 Rn. 28; mögliche Formulierung bei Gitzel VersR 2007 322, 324.
71 72 73
Eingehend hierzu BGHZ 47 352, 364. OLG Düsseldorf 8.9.1998 VersR 1999 830. Gitzel VersR 2007 322.
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IV. Vertretenmüssen § 37 Abs. 1, 2. Hs., Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. 41
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Im Wege der Reform wurde § 37 um eine weitere Besonderheit ergänzt. Die Rechtsfolgen des § 37 können nunmehr nur dann eintreten, sofern der VN die nicht rechtzeitige Zahlung zu vertreten hat. Bislang spielte es gerade keine Rolle, ob der VN den Zahlungsverzug zu vertreten hatte oder nicht. Mit der Gesetzesänderung wurde damit die Rechtslage an die allgemeinen Verzugsregelungen aus dem BGB angepasst, wonach Verzug nur eintreten kann, wenn der Schuldner diesen auch zu vertreten hatte, § 280 Abs. 1 Satz 2, 286 BGB. Dabei trifft den VN, wie auch in den Regelungen des allgemeinen Schuldrechts, die Darlegungs- und Beweislast bzgl. der Tatsachen die belegen, dass er den Zahlungsverzug nicht zu vertreten hat („es sei denn“).74 In welchen Fällen sich der VN aber auf ein fehlendes Verschulden berufen kann, ist noch nicht hinreichend geklärt. Gewiss fällt hierunter die frühere Fallgruppe des Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), nach der früher dem VR nach ganz herrschender Ansicht die Berufung auf die Leistungsfreiheit verwehrt blieb. Ein solcher Fall liegt regelmäßig dann vor, wenn die Unterlassung der rechtzeitigen vollständigen Zahlung der Prämie auf dem Fehlverhalten des VR beruht. Insbesondere bei treuwidriger Vereitelung der rechtzeitigen Zahlung ist dieser Umstand vom VR zu vertreten. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn er den Versicherungsschein nicht rechtzeitig vorlegt75, bei ungerechtfertigter Ablehnung von Zahlungsangeboten76 oder bei Setzen eines Vertrauenstatbestandes, kraft dessen der VN davon ausgehen kann, dass zunächst keine offene Prämienschuld besteht. Nach § 34 Abs. 1 darf der VR insbesondere keine Zahlungen zurückweisen von Bezugsberechtigten, die ein Recht auf die Versicherungsleistung haben oder auch von Pfandgläubigern. Ein solcher Fall liegt ebenfalls vor, wenn der VR mittels einer Einzugsermächtigung einen zu hohen Betrag abbucht oder er es vor Abbuchung versäumt hat, den VN über die kommende Belastung seines Kontos zu informieren und in der Folge die Lastschrift mangels Kontodeckung von der Zahlstelle wieder zurückgegeben wird. Weiterhin wäre denkbar, dass der VN sich im Falle längerer Ortsabwesenheit auf diesen Ausschluss beruft. Dabei kann jedoch nicht ein Vergleich mit Fällen des Zugangs von Willenserklärungen nach § 130 BGB gezogen werden.77 Regelmäßig liegt der Abschluss des Versicherungsvertrages im Zusammenhang mit Fragen der Erstprämie nicht allzu lange zurück, so dass der VN eine Zahlungsaufforderung in den kommenden Tagen erwarten muss. Eine längere Ortsabwesenheit kann daher regelmäßig nicht ausreichen, um ein Verschulden zu verneinen. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass ihn in angemessener Zeit derartige Schreiben erreichen. Ein anderes Beispiel für einen unverschuldeten Verzug mit der Prämie wäre etwa auch bei plötzlich auftretenden Krankheiten oder ähnlichen plötzlich eintretenden Ereignissen, die den VN aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten an einer rechtzeitigen Zahlung hindern, gegeben.78 Problematisch gestaltet sich darüber hinaus die Frage, ob der VR leisten muss, wenn innerhalb der Zahlungsfrist des § 33 ein Versicherungsfall eintritt, der VN bis dato noch nicht gezahlt hat, aber innerhalb der Frist die Prämienschuld noch begleicht (dazu Rn. 55). 74 75 76
Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 37 Rn. 8. RG 26.2.1946 RGZ 147 103. Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 28; a.A. LG Köln 27.2.1980 VersR 1980 962.
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Erwogen und zutreffend abgelehnt Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 37 Rn. 10. R. Johannsen FS Schirmer, 264.
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Zahlungsverzug bei Erstprämie
§ 37
V. Rechtsfolgen des Zahlungsverzugs 1. Zahlungspflicht des VN/Verzugszinsen Der Eintritt des Zahlungsverzugs mit der Erst- oder Einmalprämie hat keinen Einfluss 46 auf die Pflicht des VN, die vereinbarte Prämie zu entrichten. Vielmehr bleibt der grundsätzliche Anspruch auf die Prämienzahlung nach § 1 Satz 2 bestehen, den der VR nach wie vor einklagen kann. Durch den Wegfall des fingierten Rücktritts (§ 38 Abs. 1 Satz 2 a.F.) erlischt dieser Anspruch auch nicht in Folge des Zeitablaufs. Vor dem Jahre 2008 musste der VR den Anspruch binnen einer Frist von drei Monaten geltend machen, da ansonsten der Anspruch ipso iure erlosch. Dies gilt nach neuem Recht nicht mehr. Vielmehr ist einzig der ausdrücklich erklärte Rücktritt vom Vertrag dazu geeignet, die Prämienzahlungspflicht des VN zu beseitigen. Durch den Zahlungsverzug mit der Erstoder Einmalprämie können jedoch Sekundäransprüche in Form von Verzugszinsen gegen den VN entstehen, die der VR nach den allgemeinen Vorschriften des BGB geltend machen kann, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB. 2. Rücktrittsrecht des VR § 37 Abs. 1 Eine der beiden von § 37 angeordneten Rechtsfolgen für den Fall des Zahlungsverzugs mit der Erst- oder Folgeprämie ist das Rücktrittsrecht des VR nach § 37 Abs. 1. § 37 Abs. 1 ist dabei lex specialis zu den allgemeinen Rücktrittsvorschriften des BGB (§ 323 ff.). Vor allem ist das Setzen einer Nachfrist nicht erforderlich. Der VR hat demnach unabhängig von einer etwaigen Leistungsfreiheit die Option, vom bestehenden Vertrag Abstand zu nehmen. Voraussetzung für das Bestehen des Rücktrittsrechts ist die nicht rechtzeitige Zahlung der Erst- oder Einmalprämie. Des Weiteren muss der VN diesen Zahlungsverzug zu vertreten haben, wofür jedoch das Gesetz die grundsätzliche Vermutung eines Vertretenmüssens aufstellt. Zahlungsverzug setzt dabei jedoch voraus, dass die Schuld nicht getilgt wurde, obwohl sie fällig war. Die neue Regelung des § 33 Abs. 1 knüpft die Fälligkeit der Erst- oder Einmalprämie an den Erhalt des Versicherungsscheins. Danach hat der VN die fällige Prämie unverzüglich nach Ablauf von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins zu zahlen. Unter „unverzüglich“ ist im Grunde zu verstehen, dass der VN ohne schuldhaftes Zögern zahlt. Hierin steckt eine subjektive Komponente, die auf ein Verschulden anspielt.79 Der Rücktritt muss vom VR gegenüber dem VN ausdrücklich erklärt werden und diesem zugehen. Alleine die Berufung auf Leistungsfreiheit genügt den Anforderungen an eine Rücktrittserklärung nicht.80 Eine Begründungspflicht des VR, wie sie teilweise angenommen wird81, kann schon vom Wortlaut her nicht verlangt werden. Ein Hinweis auf den Zahlungsverzug ist jedoch angebracht. Eine Form ist bei der Rücktrittserklärung nicht einzuhalten.82 Der Rücktritt ist nur solange möglich, wie der VN seiner Zahlungspflicht nicht nachgekommen ist. Selbst nach Eintritt des Verzugs ist dieser nämlich berechtigt nachzuzahlen, um so den Versicherungsschutz wieder herzustellen.83 Das Recht des VN erlischt erst mit Zugang der Rücktrittserklärung. Eine Nachzahlung ist daher selbst im Falle einer 79 80 81
Terbille/Terbille2 MAH § 2 Rn. 158. OLG Hamm 3.4.1981 VersR 1981 1148; Langheid/Wandt/Staudinger § 37 Rn. 27. Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 85; a.A. Schulz VersR 1968 332.
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Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 32. Gärtner S. 84; Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 83.
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bereits abgesandten Erklärung möglich. Nach Zugang der Rücktrittserklärung gilt die Zahlung als ein Angebot des VN auf Abschluss eines neuen Vertrages, welchen der VR annimmt, soweit er den Betrag nicht nach Ablauf einer angemessenen Frist zurücksendet.84 Rechtsfolge des erklärten Rücktritts ist die Umwandlung des Versicherungsvertrages 51 in ein Rückgewährschuldverhältnis. Dadurch erlischt die Zahlungspflicht des VN, gegenseitig bereits erbrachte Leistungen sind zumindest wertmäßig zurückzuerstatten. Auf Seiten des VN hat dies zur Folge, dass er gezahlte Prämien zurückfordern kann. Der Rücktritt beseitigt – auch rückwirkend – den Versicherungsschutz (dazu sogleich Rn. 52). Wurde vorläufige Deckung vereinbart, steht dem VR eine angemessene Prämie für die bis dahin bestandene Laufzeit zu, wenn der Vertrag später nicht zustande kommt, § 50. Ansonsten kann der VR lediglich eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen, wie es sich aus § 39 Abs. 1 Satz 3 ergibt. Die Frage der Angemessenheit beurteilt sich in erster Linie 85 52 nach der Art der Versicherung und den beim VR entstandenen Kosten. Dass ein Rücktritt zu einem rückwirkenden Wegfall des Versicherungsschutzes führen soll, ist nicht unproblematisch. Teilweise wird in diesem Zusammenhang davon gesprochen, der Rücktritt habe ex-tunc-Wirkung.86 Damit kann nicht gemeint sein, dass der Vertrag von Anfang an beseitigt wird, so wie dies bei einer Anfechtung gem. § 142 BGB der Fall ist. Vielmehr soll zum Ausdruck kommen, dass der Versicherungsvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird. Konsequenz ist, dass im Falle eines Rücktritts durch den VR – auch rückwirkend – kein Versicherungsschutz mehr besteht.87 Hierfür spricht neben der allgemeinen Wirkung eines Rücktritts auch die Vorschrift des § 39 Abs. 1 Satz 3, wonach der VR im Falle eines Rücktritts lediglich eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen kann. Zu Recht hat indes Wandt Bedenken geäußert, wenn Leistungsfreiheit insbesondere gem. § 37 Abs. 2 nur unter strengen Voraussetzungen eintreten solle. So könne der VR, wenn er den in § 37 Abs. 2 Satz 2 geforderten Rechtsfolgenhinweis unterlassen hat und deshalb nach dieser Vorschrift nicht leistungsfrei ist, gem. § 37 Abs. 1 vom Vertrag zurücktreten und hierdurch rückwirkend den Versicherungsschutz vermeiden und damit letztlich Leistungsfreiheit herbeiführen. Zur Harmonisierung bedürfe es deshalb Korrekturen des § 37 Abs. 1.88 Für ein selbständiges Nebeneinander von § 37 Abs. 1 und Abs. 2 lassen sich durchaus Gründe nennen. So wollte der Gesetzgeber die bisherige Rechtslage (Rücktritt mit rückwirkendem Wegfall des Versicherungsschutzes89) offenbar aufrecht erhalten. Weiter stellen § 37 Abs. 1 und 2 unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen auf; so kann der VN immerhin einen Rücktritt des VR durch Zahlung der Prämie verhindern („solange die Zahlung nicht bewirkt ist“). Andererseits ist der Schutzzweck insbesondere des § 37 Abs. 2 Satz 2 zu beachten. Dem VN soll die Konsequenz der Nichtzahlung der Prämie bewusst sein; nur dann soll Leistungsfreiheit bestehen. Dieser Gedanke gilt unabhängig davon, ob der Versicherungsschutz durch Leistungsfreiheit (Abs. 2) oder durch Rücktritt (Abs. 1) entfällt. Soweit deshalb ein rückwirkender Wegfall des Versicherungsschutzes infolge eines Rücktritts im Raum steht, wird man zumindest § 37 Abs. 2 Satz 2 analog anzuwenden haben.90 84 85
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Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 96. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 57; vgl. insbesondere Kommentierung § 39. Wandt4 Rn. 518; RegE S. 72. Wandt4 Rn. 518; Looschelders/Pohlmann/ Stagl § 39 Rn. 4; Marlow/Spuhl 3 S. 119; Gitzel VersR 2007 322; a.A. Langheid/Wandt/
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Staudinger § 37 Rn. 27 (ex-nunc-Wirkung des Rücktritts). Wandt4 Rn. 518; a.A. Langheid/Wandt/Staudinger § 37 Rn. 27. Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 94. Ähnlich Marlow/Spuhl3 S. 119; Gitzel VersR 2007 322 (der § 37 Abs. 2 Satz 2 als einen eigenen Abs. 3 der Vorschrift ansehen
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Zahlungsverzug bei Erstprämie
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3. Leistungsfreiheit des VR § 37 Abs. 2 a) Nichtzahlung bei Versicherungsfall. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 wird der VR von sei- 53 ner Leistungspflicht nur dann frei, wenn die Erst- oder Einmalprämie zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles nicht entrichtet wurde. Ausschlaggebend ist für die Frage nach der erfolgten Zahlung ausschließlich der Zeitpunkt der Leistungshandlung (vgl. zum Inhalt der erforderlichen Leistungshandlung § 36 Rn. 14 ff.). Der VN muss also das seinerseits Erforderliche getan haben, um seiner Prämienzahlungspflicht nachzukommen. Der Begriff des Versicherungsfalles ist nicht legaldefiniert, findet aber eine Konkretisierung in den meisten Versicherungsbedingungen. Allgemein lässt sich der Versicherungsfall umschreiben als ein Ereignis, dass dazu imstande ist, die Eintrittspflicht des VR hervorzurufen.91 Bei sog. gedehnten Versicherungsfällen ist der Zeitpunkt entscheidend, zu dem erstmals der Zustand des Versicherungsfalles vorlag.92 Einschränkend wird der VR darüber hinaus nicht von der Leistung frei, wenn der VN 54 den Zahlungsverzug nicht zu vertreten hat, § 37 Abs. 2 a.F., wofür der VN jedoch die Beweislast trägt.93 b) Ausnahmen von § 37 Abs. 2 aa) Auswirkungen der Zahlungsfrist gem. § 33 Abs. 1 auf eine mögliche Leistungsfrei- 55 heit gem. § 37 Abs. 2. Infolge der Neufassung des § 33 Abs. 1 ist umstritten, ob Versicherungsschutz besteht, wenn der Versicherungsvertrag geschlossen wurde und ein Versicherungsfall vor Prämienzahlung eingetreten ist, der VN aber seiner Prämienzahlungspflicht noch innerhalb der Frist des § 33 Abs. 1 nachkommt. Dabei geht es um die Frage, wie sich die Neuregelung der Fälligkeit gem. § 33 Abs. 1 auf das Einlösungsprinzip gem. § 37 Abs. 2 auswirkt. Diese Konstellation ergibt sich z.B., wenn der Vertragsschluss am 2.4. mit gleich datiertem Versicherungsbeginn erfolgt, die Zahlungsfrist nach § 33 bis zum 19.4 läuft, der Versicherungsfall am 6.4 eintritt und der VN die Prämie am 11.4 bezahlt. Die wohl herrschende Ansicht bejaht hier das Bestehen einer Leistungspflicht des VR. Zur Begründung wird insbesondere angeführt, dass nach § 37 Abs. 2 die Leistungsfreiheit nur bestehen könne, wenn der VN die Nichtzahlung nicht zu vertreten habe.94 Solange er innerhalb der Zahlungsfrist von § 33 Abs. 1 die Prämie entrichte, würde er unverschuldet handeln. Der VR müsse demnach leisten. Es erscheint allerdings fraglich, ob bei dieser Konstellation tatsächlich stets von einem fehlenden Verschulden (dazu unten) und der Leistungsfreiheit des VR als Regelfall ausgegangen werden kann. Hintergrund dieser Ansicht ist, dass nach alter Rechtslage der VN die Erstprämie unverzüglich nach Erhalt des Versicherungsscheins bezahlen musste, § 35 a.F. Nach neuer Fassung bleibt ihm hierzu eine Frist von (mehr als) zwei Wochen. Grund hierfür ist die Widerrufbarkeit von Versicherungsverträgen nach § 8. Der Leistungsaustausch soll erst erfolgen, sofern der Versicherungsvertrag endgültig besteht.95 Eine Benachteiligung des VN sollte hiermit allerdings nicht einhergehen. Nutzt der VN aber gem. § 33 Abs. 1 zulässigerweise diese gesetzliche Frist aus, führt dies zu einer vom Gesetzgeber kaum beabsichtigten „Irreführung“ des VN, die als unbillig empfunden wird. Der VN kann faktisch
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möchte und damit zum gleichen Ergebnis gelangt). Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 58. Vgl. hierzu BGH 22.2.1984 VersR 1984 630. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 58. R. Johannsen FS Schirmer, 263 ff.; Schimi-
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kowski 4 S. 109; Terbille/Terbille2 MAH § 2 Rn. 158; Meixner/Steinbeck § 1 Rn. 188 f.; HK-VVG/Karcewski § 37 Rn. 18, im Ergebnis ähnlich aber mit anderer Begründung Riedler VersRsch 1993 332, 340; a.A. Wandt/Ganster VersR 2007 1034, 1035. BTDrucks. 16/3945 S. 70.
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die ihm vom Gesetzgeber eingeräumte Frist nicht ausnutzen, da er andernfalls Gefahr läuft, im Versicherungsfall nicht abgesichert zu sein.96 Ein Schutz des VN lässt sich auch nicht darüber erreichen, dass § 37 Abs. 2 erst ab Fälligkeit der Erstprämie Anwendung findet.97 Eine derartige Einschränkung ergibt sich weder aus dem Wortlaut, noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Wortlaut umfasst gerade nicht „die Nichtzahlung trotz Fälligkeit“ (vgl. Rn. 30). Vor diesem Hintergrund und angesichts der Bedeutung des Einlösungsprinzips lässt sich die Systematik der §§ 33, 37 zumindest als missglückt bezeichnen. Hier hätte es einer klareren rechtlichen Regelung bedurft. Gegen die Ansicht, die bei erfolgter Prämienzahlung ohne weiteres rückwirkenden Versicherungsschutz annimmt, bestehen nicht unberechtigte Bedenken. Zunächst einmal ist zu konstatieren, dass § 37 Abs. 2 im Gegensatz zu § 37 Abs. 1 nicht an die „Rechtzeitigkeit der Zahlung“ anknüpft (vgl. Rn. 37). Der Wortlaut spricht einzig von der „Nichtzahlung“. Hiermit bringt der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck, dass er am Einlösungsprinzip festhalten möchte. Dieses sieht vor, dass der materielle Versicherungsbeginn erst durch Zahlung der Erstprämie einsetzt. Würde man den Versicherungsschutz schon vor Zahlung der Erstprämie bejahen, käme dies einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Abschwächung des Einlösungsprinzips gleich. Ein Blick auf die Gesetzesbegründung zeigt zudem deutlich, dass der Gesetzgeber sehr wohl bei der Fassung des § 37 zwischen den einzelnen Möglichkeiten des Versicherungsbeginns unterschieden hat. Insbesondere behandelt die Entwurfsbegründung den Fall, dass der Versicherungsschutz vereinbarungsgemäß vor Zahlung der Erstprämie beginnen soll (sog. erweiterte Einlösungsklausel).98 Diese wäre im Grunde nicht mehr von Nöten, wenn immer Versicherungsschutz rückwirkend bestehen würde, sofern der VN die Erstprämie rechtzeitig zahlt. Es stellt sich die Frage, wie dem Willen des Gesetzgebers, das Einlösungsprinzip beizubehalten, genüge getan werden und zugleich die aufgezeigte Unsicherheit des VN vermieden werden kann. Ein entscheidender Ansatzpunkt hierfür ist in der vom Gesetzgeber eingeführten Belehrung gem. § 37 Abs. 2 Satz 2 zu sehen. Danach ist der VR leistungsfrei, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge aufmerksam gemacht hat. Diese Regelung ist zunächst ein weiterer Beleg dafür, dass das Einlösungsprinzip trotz der neuen Fälligkeitsregelung des § 33 Bestand haben sollte. Der Gesetzgeber stellt mit ihr sicher, dass der VR den VN schon in eigenem Interesse, um seine Leistungspflicht zu vermeiden, in aller Deutlichkeit darauf hinweist, dass erst die Zahlung seiner Erstprämie zum materiellen Versicherungsbeginn führt. Durch einen solchen deutlichen Hinweis lässt sich eine Ungewissheit des VN über die Rechtslage in der Regel vermeiden. Konsequenz ist, dass der VN die Nichtzahlung der Prämie zu vertreten hat, da es nach diesem Hinweis an ihm liegt, den Versicherungsbeginn herbeizuführen und eine Leistungsfreiheit des VR zu vermeiden.99 Damit will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Leistungsfreiheit des VR der Ausnahmefall bleibt und das Einlösungsprinzip auch in dieser Konstellation gewahrt ist. Nichtsdestotrotz verbleibt es dabei, dass die Systematik des § 33 Abs. 1 und des § 37 Abs. 2 nicht stimmig ist. Sofern der VR eine erweiterte Einlösungsklausel verwendet, stellt sich dieses Problem ansonsten nicht, so z.B. Nr. 8 AHB 2008 (zur erweiterten Einlösungsklausel vgl. auch Rn. 65). 96 97
HK-VVG/Karcewski § 37 Rn. 18. So aber Wandt/Ganster VersR 2007 1034, 1036.
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BTDrucks. 16/3945 S. 71; Wandt/Ganster VersR 2007 1034, 1035. Schimikowski/Höra S. 134.
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Zahlungsverzug bei Erstprämie
§ 37
bb) vorläufige Deckung/deckende Stundung/Rückwärtsversicherung. Im Falle der Vereinbarung einer vorläufigen Deckung oder deckender Stundung ist der VR unabhängig von der Prämienzahlung zunächst verpflichtet, Versicherungsschutz zu gewähren. Die Deckungspflicht des VR besteht solange, bis entweder der zur Debatte stehende Abschluss des Versicherungsvertrages endgültig gescheitert ist, oder aber der Vertrag geschlossen wurde und der VN den Versicherungsschein samt Zahlungsaufforderung erhalten hat.100 Nach neuer Gesetzeslage ist die vorläufige Deckung gesetzlich geregelt. § 51 Abs. 1 bietet dabei die Möglichkeit, den Versicherungsschutz der vorläufigen Deckung von der Prämienzahlung abhängig zu machen. Wurde eine diesbezügliche Regelung getroffen, entfällt die Leistungspflicht des VR, wenn der VN die Prämie zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles noch nicht entrichtet hat. Dazu bedarf es einschränkend jedoch ebenfalls einer gesonderten Mitteilung seitens des VR in Textform oder eines auffälligen Hinweises im Versicherungsschein. Das Gesetz ordnet des Weiteren die Beendigung des Vertrages über die vorläufige Deckung an, sobald der VN in Zahlungsverzug gerät. Hierzu ist ebenfalls eine gesonderte Mitteilung des VR notwendig, § 52 Abs. 1 Satz 2. Auf Rückwärtsversicherungen passt § 37 Abs. 2 schlichtweg nicht. Es ist gerade die Besonderheit bei Rückwärtsversicherungen, dass Versicherungsschutz bereits ab einem Zeitraum gewährt wird, der vor dem eigentlichen Vertragsschluss liegt, § 2 Abs. 1. In diesem Fall kann Versicherungsschutz nicht erst nach Zahlung der Prämie bestehen. Der Gesetzgeber hat dies ausdrücklich in § 2 Abs. 4 klargestellt und § 37 Abs. 2 für unanwendbar erklärt. Damit ist aber keineswegs gesagt, dass die Nichtzahlung der Erstprämie unsanktioniert bliebe. Der VR kann zwar nicht über § 37 Abs. 2 von seiner Leistungspflicht frei werden. Bei Zahlungsverzug mit der Erstprämie und darauf folgendem Rücktritt entfällt der Versicherungsschutz aber rückwirkend. Insofern bedarf es keiner teleologischen Reduktion des § 2 Abs. 4, um die nicht rechtzeitige Zahlung zu sanktionieren.101 Zum einen ist der VN überhaupt nicht schutzwürdig. Wenn er schon bei normalem Zahlungsverzug nicht auf den gegenwärtigen Versicherungsschutz vertrauen kann, gilt dies erst recht für den rückwirkend gewährten Versicherungsschutz. Auch der VR wird kein Interesse haben, seine zusätzlich erbrachte Leistung weiterzugewähren, obwohl sich der VN vertragswidrig verhalten hat.102
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cc) Leistungspflicht gegenüber Dritten. Abweichend von § 37 Abs. 2 legt § 117 Abs. 1 64 fest, dass die Leistungsfreiheit bei Pflichtversicherungen nicht gegenüber dem geschädigten Dritten gilt. Die Regelungen über die Pflichtversicherungen dienen in erster Linie dem Schutz des Verletzten. Da dieser keine Kenntnis über die jeweiligen vertraglichen Verhältnisse haben kann, muss sein Vertrauen im Rahmen von Pflichtversicherungen auf das Bestehen des Versicherungsschutzes seines Gegenübers geschützt werden. Nach früherem Recht resultierte aus § 158c deshalb zwar kein Direktanspruch gegen den VR. Die Norm diente jedoch zur Schaffung eines fiktiven Deckungsanspruchs, so dass die Leistungsfreiheit sich nicht gegenüber dem Dritten auswirken konnte. Lediglich für Kfz-Versicherungen normierte § 3 Nr. 6 PflVG a.F. einen Direktanspruch des Dritten 100
BGH 9.10.1985 VersR 1986 54; BGH 9.7.1986 VersR 1986 986; BGH 30.1.1985 VersR 1985 448; OLG Koblenz 30.1.1989 VersR 1989 733; OLG Hamm 28.10.1991 VersR 1992 1269; OLG Düsseldorf 17.6.1997 VersR 1998 230.
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So aber Schirmer FS Wälder 67, 78, der von einer ex-nunc-Wirkung des Rücktritts ausgeht. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 60.
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gegen den VR. Nach aktueller Rechtslage gewährt § 115 Abs. 1 Satz 2. 2. Var. in den in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 genannten Fällen dem Dritten nunmehr auch im Falle der Leistungsfreiheit des VR gegenüber dem VN einen Direktanspruch unter den Voraussetzungen des § 117 Abs. 1– 4. Der VR haftet dann neben dem VN als Gesamtschuldner, § 115 Abs. 1 Satz 4. Damit der VR endgültig von seiner Leistungspflicht frei wird, muss er die Erfordernisse des § 117 Abs. 2 erfüllen. Demnach wirkt eine Leistungsfreiheit gegenüber Dritten erst einen Monat nach Anzeige des Nichtbestehens des Versicherungsverhältnisses gegenüber der zuständigen Stelle.103
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dd) Erweiterte Einlösungsklauseln. Das in § 37 enthaltene Einlösungsprinzip statuiert eine Haftungspflicht des VR im Grunde erst ab dem Zeitpunkt der Zahlung der Erstbzw. Einmalprämie. Erst ab diesem Zeitpunkt wäre er verpflichtet Versicherungsschutz zu gewährleisten. Zahlt der VN jedoch seine Prämie rechtzeitig, hat dies Rückwirkung auf den Zeitpunkt des eigentlich vorgesehenen formellen Versicherungsbeginns, solange der VR ihn nicht ausdrücklich darauf aufmerksam macht, dass erst seine Prämienzahlung zum Beginn des Versicherungsschutzes führt (vgl. hierzu Rn. 38). Viele AVB sehen jedoch ohnehin in Abweichung von § 37 vor, dass bei rechtzeitiger Prämienzahlung durch den VN dieser rückwirkend auf den Zeitpunkt des formellen Versicherungsbeginns Versicherungsschutz erlangen soll, z.B. Nr. 8 AHB 2008. Dies wird als erweiterte Einlösungsklausel bezeichnet. Der vorverlegte Versicherungsschutz entfällt zumeist nur dann, wenn der VN die Prämie nicht rechtzeitig innerhalb der Frist des § 33 entrichtet. Dann wird erst ab dem Zeitpunkt der Zahlung Versicherungsschutz gewährt, z.B. Nr. 9.2 AHB 2008. Eine solche Regelung stellt für den VN eine ausschließlich vorteilhafte dar, so dass eine derartige Abweichung nicht an § 42 scheitert.
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ee) Verzicht des Versicherers. In seltenen Einzelfällen ist es möglich, dass der VR auf die rechtlichen Wirkungen des § 37 Abs. 2 verzichtet.104 Ein derartiger Ausnahmefall ist jedoch an enge Kriterien zu knüpfen. Der VR muss ausdrücklich oder konkludent diesen Verzicht deutlich machen. Dabei muss er in Kenntnis aller zur Leistungsfreiheit beitragenden Gegebenheiten handeln. An dem Erklärungsinhalt dürfen hinsichtlich des Verzichts keine Zweifel bestehen. Alleine in der Mitteilung bezüglich der Schadensabwicklung kann noch kein hinrei67 chender Beleg für einen Verzicht des VR gesehen werden. Zumeist wird hierbei ohnehin der Umfang der Vollmacht des jeweiligen Vertreters nicht ausreichen, um eine derartige Vorgehensweise zu rechtfertigen. Auch in der Annahme oder Anmahnung weiterer Prämien liegt kein Verzicht.105 In der Annahme einer Leistung auf die Prämienschuld kann nicht zugleich ein Verzicht auf bereits entstandene Rechte gesehen werden.
VI. Dispositivität 68
§ 37 ist halbzwingend. Die Norm kann aufgrund der Vorschrift des § 42 nicht zu Lasten des VN abgeändert werden. Eine anders lautende vertragliche Vereinbarung wäre demnach unzulässig und daher unwirksam.
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Vgl. hierzu die Kommentierung der §§ 113 ff. OLG Hamm 12.3.1986 NJW-RR 1986 830.
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BGH 24.1.1963 VersR 1963 376; LG Berlin 10.7.1967 VersR 1969 51.
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Zulässig ist etwa die Vereinbarung erweiterter Einlösungsklauseln (vgl. Rn. 65; 69). Ebenso kann auch weiterhin klargestellt werden, dass erst die Zahlung der Erstprämie zum Beginn des Versicherungsschutzes führt. Die Behandlung einer Erst- als Folgeprämie stellt eine für den VN günstigere Regelung dar, da die Leistungsfreiheit des VR nur unter den Voraussetzungen des § 38 eintritt. Sie wäre daher zulässig. Ebenfalls keine unzulässige Vereinbarung ist die Klausel, dass im Falle des Verzugs mit einer Rate alle noch ausstehenden Raten verlangt werden können.106 Insoweit wird der Regelungsbereich von § 37 schon nicht berührt.
C. Regelungen in AVB Die meisten der aktuellen AVB beinhalten eine erweiterte Einlösungsklausel. Diese 69 sieht vor, dass bei rechtzeitiger Zahlung der ersten oder einmaligen Prämie der Versicherungsschutz ab dem Zeitpunkt, der im Versicherungsschein vorgesehen ist, rückwirkend besteht. Nur für den Fall, dass der erste oder einmalige Beitrag zu spät entrichtet wird, soll der materielle Versicherungsbeginn erst ab dem Zeitpunkt der Zahlung ansetzen. Aktuelle Beispiele sind: Nr. 11.2 AUB; Nr. 9.1 AHB 2008; C.1.2 AKB 2008. Bei den AVB zu Wohngebäude- und Hausratversicherungen wird von § 33 insoweit abgewichen, als dass die erste oder einmalige Prämie unverzüglich nach dem vereinbarten und im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt zu zahlen ist, Abschnitt B Nr. 2 VHB 2008; Abschnitt B Nr. 2; VGB 2008. Zahlt der Versicherungsnehmer hiernach nicht unverzüglich, beginnt der Versicherungsschutz auch erst mit erfolgter Zahlung.
D. Prozessuales Die Beweislastverteilung im Prozess ist von besonderer Bedeutung für beide Parteien. 70 Dem Grundsatz entsprechend, dass jede Partei die für sie günstigeren Umstände zu beweisen hat, obliegt die Beweislast hinsichtlich der Rechtzeitigkeit und Korrektheit der Zahlung dem VN.107 Des Weiteren trägt der VN die Beweislast, wenn er sich auf die Exkulpationsmöglichkeit des § 37 Abs. 1 a.E. und Abs. 2 Satz 1 a.E. beruft (vgl. auch Rn. 42). Er hat also darzulegen, dass er die nicht rechtzeitige Zahlung nicht zu vertreten hat. Ebenfalls zu beweisen hat er das Bestehen einer vorläufigen Deckungszusage.108 Umgekehrt hat der VR den Umstand zu beweisen, dass eine vorläufige Deckungszusage entfallen ist, da der VN nicht unverzüglich die Prämie bezahlt hat.109 Den VR trifft die Beweislast hinsichtlich der vom Gesetz aufgegebenen Hinweis- und 71 Belehrungspflichten, insbesondere des § 37 Abs. 2 Satz 2. Ebenso muss er bei erklärtem Rücktritt den Zugang der Willenserklärung beim VN beweisen. Weiterhin hat er darzulegen, dass die Berechnungen des Prämienbetrages in der jeweiligen Zahlungsaufforderung korrekt sind.110
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Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 97. BGH 29.1.1969 VersR 1969 368; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 37 Rn. 19; Prölss/Martin/Knappmann27 § 38 Rn. 9; Berliner/Kommentar/Riedler § 38 Rn. 100.
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BGH 19.3.1986 VersR 1986 541; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 37 Rn. 19. BGH 13.12.1995 VersR 1996 445; Berliner/ Kommentar/Riedler § 38 Rn. 101. BGH 9.7.1986 VersR 1986 986.
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§ 38 Zahlungsverzug bei Folgeprämie (1) 1Wird eine Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt, kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muss. 2Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn sie die rückständigen Beträge der Prämie, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die nach den Absätzen 2 und 3 mit dem Fristablauf verbunden sind; bei zusammengefassten Verträgen sind die Beträge jeweils getrennt anzugeben. (2) Tritt der Versicherungsfall nach Fristablauf ein und ist der Versicherungsnehmer bei Eintritt mit der Zahlung der Prämie oder der Zinsen oder Kosten in Verzug, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. (3) 1Der Versicherer kann nach Fristablauf den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, sofern der Versicherungsnehmer mit der Zahlung der geschuldeten Beträge in Verzug ist. 2Die Kündigung kann mit der Bestimmung der Zahlungsfrist so verbunden werden, dass sie mit Fristablauf wirksam wird, wenn der Versicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt mit der Zahlung in Verzug ist; hierauf ist der Versicherungsnehmer bei der Kündigung ausdrücklich hinzuweisen. 3Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats nach der Kündigung oder, wenn sie mit der Fristbestimmung verbunden worden ist, innerhalb eines Monats nach Fristablauf die Zahlung leistet; Absatz 2 bleibt unberührt.
Schrifttum Brockmann Zum Wiederaufleben eines aufgekündigten Versicherungsvertrages durch Zahlungsnachholung des VN nach § 39 Abs. 3 S. 3 VVG, VersR 1960 678; Frey Eine Lücke im VVG: §§ 69 Abs. 1 und 2, 70 Abs. 2 und 3, 39 VVG, VersR 1959 324; Gärtner Zum Wiederaufleben eines aufgekündigten Versicherungsvertrages durch Zahlungsnachholung, VersR 1961 104; Ganster Die Prämienzahlung im Versicherungsrecht (2008) (zit.: Ganster Prämienzahlung); Kalischko Läßt eine Stundungsvereinbarung oder ein Ruhen der Versicherung die Rechtsfolgen einer Mahnung nach § 39 VVG entfallen? VersR 1988 671; ders. Problemfälle im Zusammenhang mit rückständigen Prämien und der Mahnung nach § 39 VVG, VersR 1988 1002 (zit.: Kalischko Problemfälle); Lang Prämienverzug, Voraussetzungen und Rechtsfolgen in der Rechtsprechung des BGH, VersR 1987 1157; Mohr Versicherungsnehmer – Prämienschuldner, Beitragsschuldner, VersR 1969 885; Reinhardt Zu den Anforderungen an den Inhalt einer Mahnung bei ausstehenden Versicherungsbeträgen (Anmerkung zu dem Urteil des OLG München 15.2.2000, 25 U 4815/99), VersR 2000 1096; Riedler Der Prämienzahlungsverzug bei Erst- und Folgeprämie (1990); Rohde Muß ein Mahnschreiben gemäß § 39 VVG dem gesetzlichen Vertreter eines minderjährigen VN zugehen, um wirksam zu sein? VersR 1960 295; Schirmer Prämienzahlung und Prämienzahlungsverzug nach dem VVG 2008, Festschrift Wälder (2009).
Übersicht Rn. A. I. II. III. B. I.
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Einführung . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . Inhalt und Zweck der Regelung Anwendungsbereich . . . . . Tatbestand . . . . . . . . . . Nicht rechtzeitige Zahlung . . 1. Fälligkeit . . . . . . . . . 2. Keine rechtzeitige Zahlung
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1 1 3 5 12 12 13 14
Rn. 3. Qualifizierte Mahnung des VR a) Mahnender . . . . . . . b) Empfänger der Mahnung c) Zugang der Mahnung . . d) Form der Mahnung . . . e) Inhalt der Mahnung . . . aa) Prämienschuld . . . . bb) Zinsen und Kosten .
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Zahlungsverzug bei Folgeprämie
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Rn. cc) Zahlungsfrist . . . . . . . . . dd) Zahlungsaufforderung . . . . . ee) Angabe aller Rechtsfolgen . . . f) Zeitpunkt der Mahnung . . . . . . g) Mahnung bei Verzug mit mehreren Prämien . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine Zahlung innerhalb der gesetzten Zahlungsfrist . . . . . . . . . . . . . 5. Kein Verschulden des VN . . . . . . . II. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 2. Leistungsfreiheit des VR in den jeweiligen Stadien . . . . . . . . . . . a) keine Leistungsfreiheit während dem Lauf der Zahlungsfrist . . . . . . . b) Rechtslage nach Fristablauf . . . . aa) Zeitraum zwischen Ende der Zahlungsfrist und des Versicherungsfalles . . . . . . . .
Rn.
37 40 41 50 51 55 56 59 59
III.
60 61 62 IV. C. D.
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bb) Leistungsfreiheit nach Eintritt des Versicherungsfalles . . . 3. Das Kündigungsrecht des VR . . . . a) Allgemeine Voraussetzungen der Kündigung . . . . . . . . . . . . b) Isolierte Kündigung . . . . . . . c) Verbundene Kündigung . . . . . d) Wirkung der Kündigung . . . . . e) Reaktivierung des Versicherungsvertrages . . . . . . . . . . . . . Ausbleiben der Rechtsfolgen . . . . . . 1. Stundung der Folgeprämie . . . . . 2. Ruhen der Versicherung . . . . . . . 3. Verzicht des Versicherers . . . . . . 4. Treu und Glauben . . . . . . . . . . 5. Pflichthaftpflichtversicherung . . . . Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . Regelungen in AVB . . . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Der heutige § 38 in seiner geltenden Fassung hat seine Wurzeln in § 39 a.F. aus dem 1 Jahre 1908.1 In der ersten Ausführung umfasste der Regelungsbereich der Norm noch die Prämienzahlung, „die nach dem Beginne der Versicherung zu erfolgen hatte“. In den darauf folgenden Jahrzehnten wurde sie zweimal einer Änderung unterzogen. Im Jahre 1924 wurde erstmals die Kündigungsoption des VR nach Mahnung hinzugefügt und dem VN die Möglichkeit eingeräumt, auch noch nach erfolgter Kündigung die Kündigungswirkung mittels Zahlung wieder aufzuheben.2 Mit der Novellierung der Norm durch die Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung aus dem Jahre 1939 hatte der Gesetzgeber vor allem die Intention, die Klarheit der Norm zu verbessern und bestehende Zweifel und Missinterpretationen auszuräumen.3 Unter dem Begriff der Folgeprämie wurde fortan nicht mehr die Prämienzahlung verstanden, „die nach dem Beginne der Versicherung zu erfolgen hatte“, sondern „jede Prämie, die nicht Erst- oder Einmalprämie im Sinne des § 38 (a.F.) ist“. Zudem wurde dem VR gestattet, durch exakte Nachbildung der originalen Unterschrift die Mahnung an den VN auszustellen, § 38 Abs. 1 2. Hs. a.F. Hinsichtlich der Frage, ob für die Aufhebung der Kündigungswirkung mittels Zahlung der Folgeprämie (Abs. 3) der Ablauf der Mahnfrist oder der Zeitpunkt der Kündigung maßgeblich sei, beinhaltet die Neuregelung eine Klarstellung zugunsten der letzten Alternative. Durch die VVG-Reform im Jahre 2008 ist der Verzug mit der Folgeprämie nunmehr 2 in § 38 in seiner Fassung vom 23.12.2007, gültig ab 1.1.2008, geregelt. Im Vergleich zum bisherigen Wortlaut finden sich nur geringe Änderungen. Das in § 39 Abs. 1 a.F. enthaltene Schriftformerfordernis wurde in ein bloßes Textformerfordernis nach § 126b BGB abgeändert. Zudem wurden zum Schutze des VN die Anforderungen an die Mahnung
1 2
RGBl. I 263. RGBl. I 5.
3
RGBl. I 2443.
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Abschnitt 3. Prämie
durch den VR erhöht, wonach nunmehr die rückständige Prämie, Zinsen und Kosten detailliert ausgewiesen werden müssen, § 38 Abs. 1 Satz 2. Außerdem wird klargestellt, dass bei zusammengefassten Verträgen die jeweiligen Beträge getrennt aufzulisten sind. Eine wesentliche Änderung ergibt sich weiterhin aus § 38 Abs. 3 Satz 3, wonach der VN nunmehr eine Kündigung des Vertrages auch dann noch verhindern kann, wenn der Versicherungsfall bereits eingetreten ist. Die Leistungsfreiheit des VN bleibt davon indes unberührt. Ansonsten wurde der Wortlaut der Norm lediglich etwas gestrafft und modernisiert.4
II. Inhalt und Zweck der Regelung 3
Die Vorschrift regelt im Gegensatz zu § 37 die Rechtsfolgen, die im Falle des Verzugs mit Folgeprämien eintreten. Im Vergleich zu der vorangehenden Norm sind die Rechtsfolgen weniger schwerwiegend in ihren Auswirkungen auf den Prämienschuldner. Dies basiert auf dem Grundgedanken, dass für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts die Zahlung von Folgeprämien nicht derart bedeutsam ist wie die Entrichtung der Erstprämie. Daher liegt § 38 auch nicht das Einlösungsprinzip zugrunde, welches bei Erstprämien maßgebliche Bedeutung erlangt. Vielmehr ist Sinn und Zweck der Norm, den Versicherungsschutz für den VN möglichst lange aufrecht zu erhalten. Erst nach Ablauf der Frist einer qualifizierten Mahnung soll der Versicherungsschutz entfallen. Entrichtet ein VN seine fällige Prämie nicht rechtzeitig, gerät er in Zahlungsverzug. 4 § 38 regelt detailliert die Rechte, die dem VR in diesen Fällen zustehen, bzw. die Modalitäten, die erforderlich sind, um diese Rechte auch geltend machen zu können. Konkret gibt die Norm darüber Aufschluss, unter welchen Voraussetzungen der VR von seiner Leistungspflicht frei werden kann und wann er den bestehenden Vertrag kündigen kann. § 38 ist insofern lex specialis zu §§ 323 ff. BGB, als dass es um die Frage des Rücktrittsbzw. Kündigungsrechts des VR geht. Daher kommt ein Rücktritt nach §§ 323 ff. BGB nicht in Betracht. Allerdings ist die Anwendung der Vorschriften zur Unmöglichkeit nicht ausgeschlossen, §§ 326, 275 BGB. Unberührt von § 38 bleiben indes die Forderungen nach Verzugszinsen sowie Schadensersatz wegen verspäteter Leistung, die nach den allgemeinen Regelungen der §§ 286, 288 BGB geltend zu machen sind. Auch die Anforderungen an eine Mahnung nach § 38 sind nicht auf § 286 BGB übertragbar. Dort genügt vielmehr weiterhin eine einfache Mahnung, die bisweilen entbehrlich sein kann, sofern kalendermäßig der Zeitpunkt der Prämienzahlung bestimmt ist, §§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.5
III. Anwendungsbereich 5
§ 38 ist ausschließlich auf den Zahlungsverzug mit Folgeprämien anzuwenden. Hierbei hat stets die Abgrenzung zu § 37 und zum Begriff der Erstprämie stattzufinden. Diese Unterscheidung vermag in Einzelfällen durchaus Probleme zu bereiten. Folgeprämien sind allgemein negativ zu definieren als alle Prämien, die gerade nicht Erst- oder Einmalprämie sind6 (vgl. hierzu ausführlich die Kommentierung zu § 37 Rn. 5 ff.). Anders ausgedrückt
4 5 6
Vgl. auch BTDrucks. 16/3945 S. 71. Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 1. BGH 25.6.1956 BGHZ 21 122; Schwintow-
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ski/Brömmelmeyer/Michaelis § 38 Rn. 3; Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 5; Prölss/ Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 3.
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Zahlungsverzug bei Folgeprämie
§ 38
versteht man unter einer Folgeprämie alle auf die zeitlich erste Prämie folgenden Prämienzahlungspflichten, sofern zwischen VR und VN eine fortdauernde Prämienzahlung vereinbart ist. Sieht der Vertrag indes vor, dass der VN während der gesamten Vertragsdauer nur eine Prämie zu entrichten hat, so handelt es sich stets um eine Einmalprämie, die nach § 37 der Erstprämie gleichgestellt ist. Die Stundung der zeitlich ersten Prämie ändert an der Einordnung als Erstprämie nichts.7 Ebenso ist die erste Prämie für den Vertrag über die vorläufige Deckung als Erstprämie einzustufen. Wird danach der endgültige Versicherungsvertrag abgeschlossen, ist auch hierbei die zeitlich erste Prämie wiederum Erstprämie. Beide Verträge sind für sich gesehen eigenständige Versicherungsverträge, so dass stets eine Erstprämie zu Beginn des jeweiligen Vertrages vorliegen muss (vgl. § 37 Rn. 18). Im Falle einer Vertragsänderung handelt es sich regelmäßig auch bei den darauf folgenden Prämienzahlungsverpflichtungen um Folgeprämien, da für das Vorliegen einer Erstprämie ein Neuabschluss eines Vertrages notwendig ist. Ob die Parteien einen derartigen Neuabschluss anstreben, oder ob sie lediglich eine Änderung des bestehenden Vertrages anvisieren, ist anhand des Parteiwillens zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB. Dazu ist stets eine Gesamtwürdigung aller in Betracht kommenden Aspekte vorzunehmen. Wird ein neues Risiko in den Vertrag integriert, kann die Grenze zum Abschluss eines neuen Vertrages schnell überschritten sein. Dies hängt maßgeblich davon ab, ob das entsprechende Risiko selbständig versicherbar ist oder ob es nur aufgrund des bestehenden Vertrages versichert werden kann (vgl. § 37 Rn. 8 ff.). Bei vereinbarter Ratenzahlung ist nach ganz herrschender Ansicht nur die erste Rate eine Erstprämie.8 Dazu müssen die Parteien jedoch die Entrichtung der Prämie anhand von Teilbeträgen vereinbart haben. Dies ist nicht zu verwechseln mit der Vereinbarung über kürzere Versicherungsperioden. § 12, der eine Versicherungsperiode von einem Jahr vorsieht, ist dispositiv und kann daher von den Parteien abgeändert werden. In diesem Fall ist für jeden einzelnen Zeitraum gesondert jeweils eine eigene Prämie fällig und keine Teilprämie. Des Weiteren ist im Rahmen von Teilbeträgen stets zu unterscheiden, ob seitens der Parteien Ratenzahlung vereinbart wurde oder ob der VR lediglich Teile der Prämie stundet und auf sein Recht Teilleistungen abzulehnen verzichtet (vgl. hierzu § 37 Rn. 17). Bei der Reaktivierung von ruhenden oder beendeten Verträgen ist regelmäßig zu differenzieren: Wurde der Vertrag etwa durch Kündigung oder Rücktritt beendet und später wieder in Gang gesetzt, ist die zeitlich erste Prämie des neuen Vertrages eine Erstprämie. Anders verhält es sich jedoch, sofern der VN die Möglichkeit von § 38 Abs. 3 Satz 3 nutzt und den bereits gekündigten Vertrag durch Zahlung der Folgeprämie innerhalb eines Monats aufrechterhält. Hier sind auch die zeitlich nächsten Prämien Folgeprämien. Auch bleibt es den Parteien unbenommen, etwa durch Festsetzung des Versicherungsbeginns auf den ursprünglichen Vertragsbeginn, die zeitlich nächste Prämie als Folgeprämie zu bewerten.9 Sind die Parteien lediglich darin übereingekommen, dass der Vertrag für eine gewisse Zeit ruhen soll und wird er später wieder fortgesetzt, ist die dann fällige Prämie eine Folgeprämie (vgl. § 37 Rn. 22 ff.). Des Weiteren ist richtigerweise die fällige Prämie als Folgeprämie einzuordnen, sofern bei einem bestehenden Vertrag die zu zahlende Prämie neu festgesetzt wird.10 Auch Nach7 8
Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 5. Brockmann VersR 1953 345; BGH 7.10.1965 BGHZ 44 178; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Michaelis § 38 Rn. 3; Berliner Kommentar/
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Riedler § 38 Rn. 23; Ganster Prämienzahlung S. 92. OLG Köln 18.5.1989 VersR 1990 1004. Berliner Kommentar/Riedler § 38 Rn. 6.
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tragsprämien sind als Folgeprämien zu qualifizieren. Gerichtlich entschieden ist weiterhin, dass auch im Falle der Versicherung eines Zweitwagens unter Mitnahme des Schadensfreiheitsrabattes und der Versicherungsnummer sowie gleichzeitiger Ausgabe einer neuen Versicherungsnummer für den Erstwagen der Vertrag für den Erstwagen gleichwohl fortgesetzt wird und die zeitlich nächsten Prämien dieses Vertrages Folgeprämien sind.11 § 38 Abs. 2 stellt den Verzug mit Zinsen oder Kosten dem Verzug mit der Folge11 prämie gleich. Der VN hat daher sämtliche fälligen Beträge zu entrichten, um dem Zahlungsverzug zu entgehen und nicht Gefahr zu laufen den Versicherungsschutz zu verlieren. Für Versicherungen im Sinne des § 193 Abs. 3 enthält § 193 Abs. 6 eine gegenüber § 38 abschließende Spezialregelung.12
B. Tatbestand I. Nicht rechtzeitige Zahlung 12
Zur Setzung einer Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 ist nicht erforderlich, dass der VN in Verzug ist. Vielmehr genügt es, dass der VN die Folgeprämie nicht bei Fälligkeit und somit rechtzeitig entrichtet hat. 1. Fälligkeit
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Voraussetzung für eine Zahlungsaufforderung des VR ist, dass der VN die Prämie bei Fälligkeit nicht bezahlt. Die Fälligkeit der Folgeprämie wird durch das VVG nicht bestimmt, da § 33 ausschließlich auf Erst- und Einmalprämien Anwendung findet. Daher ist auf die allgemeine Regelung des § 271 BGB zurückzugreifen. Nach § 271 BGB ist für die Fälligkeit der Folgeprämie stets der erste Tag des jeweiligen vom Versicherungsvertrag vorgesehenen Abschnitts maßgeblich. Demnach ist die Folgeprämie entweder am ersten Tag der neuen Versicherungsperiode oder am ersten Tag des jeweils vereinbarten Ratenzahlungszeitraumes fällig. Folglich bedarf es grundsätzlich keiner vertraglichen Übereinkunft über die Fälligkeit. Es bleibt den Parteien jedoch unbenommen, durch vertragliche Vereinbarung die Fälligkeit autonom zu bestimmen, was regelmäßig anhand der jeweiligen AVB und Versicherungspolicen geschieht.13 In der Regel wird eine Vorausleistung am ersten Tag des Monats der jeweiligen Versicherungsperiode verlangt, Nr. 10.1 AHB 2008. Die kalendermäßige Bestimmung des Fälligkeitstermins hat darüber hinaus den Vorteil, dass eine weitere Mahnung entbehrlich ist, um den VN in Verzug zu setzen und Verzugszinsen zu fordern, § 286 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Um in das Stadium der Leistungsfreiheit zu gelangen, muss der VR aber zwingend eine qualifizierte Mahnung versenden. 2. Keine rechtzeitige Zahlung
14
Neben der Fälligkeit der Folgeprämie ist weiterhin Voraussetzung, dass der VN die Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt hat. Das bedeutet, dass er den vollen Prämienbetrag zur vorgegebenen Zeit am richtigen Leistungsort (vgl. dazu die Kommentierung § 36 Rn. 6 ff.) entrichtet haben muss. Ausreichend ist alleine die objektive Tatsache, dass 11 12
KG Berlin 23.10.1981 VersR 1982 865. Langheid/Wandt/Staudinger § 38 Rn. 3.
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13
Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 26.
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die Zahlung nicht rechtzeitig erfolgt ist.14 Nicht erforderlich ist gerade, dass der VN sich in Verzug befindet.15 Wie auch bei der Erstprämie ist für die Frage nach der rechtzeitigen Zahlung nach hier vertretener Auffassung trotz der Entscheidung des EuGH vom 03.04.2008 alleine die Leistungshandlung maßgeblich (vgl. hierzu die Kommentierung zu § 36 Rn. 10 ff.). Der VN muss somit das seinerseits Erforderliche getan haben, um die Zahlung zu veranlassen (vgl. zur Frage, worin das seinerseits Erforderliche nach hier vertretener Ansicht besteht, die Kommentierung zu § 36 Rn. 21). Eine Besonderheit besteht in Fällen, in denen dem VR eine Einzugsermächtigung erteilt wurde. Hier liegt die Verantwortung für die rechtzeitige Zahlung auf Seiten des VR. Macht er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, so ist ihm die nicht rechtzeitige Leistung anzulasten. Da der VN insoweit keine Initiative beim Zahlungsvorgang ergreifen kann, kann ihm folglich auch nicht das Versäumnis des VR zugerechnet werden. Da es insoweit an der Voraussetzung der „nicht rechtzeitigen Zahlung“ fehlt, kann folglich auch eine etwaige Mahnung des VR nicht die Rechtsfolgen des § 38 herbeiführen.16 Will der VR nicht vom Lastschriftverfahren Gebrauch machen, so hat er dies im Vorfeld gegenüber dem VN deutlich zu machen. 3. Qualifizierte Mahnung des VR Hat der VN die Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt, hat der VR nach § 38 Abs. 1 15 die Möglichkeit, dem VN auf dessen Kosten in Textform (§ 126b BGB) eine Zahlungsfrist zu setzen, die mindestens zwei Wochen betragen muss. Da eine derartige Zahlungsfrist ausschließlich einer rechtlichen Besserstellung des VR dient, handelt es sich naturgemäß nur um ein Recht und nicht um eine vertragliche Pflicht. Dem VR wird jedoch daran gelegen sein, von diesem Recht Gebrauch zu machen, da er nur auf diesem Wege die Rechtsfolgen des § 38 herbeiführen kann. Im Vergleich zu den Vorschriften des BGB über die Begründung des Zahlungsverzugs genügt eine einfache Mahnung des VR nicht. § 38 Abs. 1 knüpft spezielle Voraussetzungen an die Wirksamkeit einer Mahnung. Wird die Mahnung diesen nicht gerecht, können die Rechtsfolgen des § 38 nicht eintreten. a) Mahnender. Zur Mahnung berechtigt sind in erster Linie der VR und seine jeweili- 16 gen Bevollmächtigten. Der VR kann natürlich nach seinem Belieben verschiedene weitere Personen zu derartigen Handlungen bevollmächtigen (bspw. Inkassobüros). Bei einer offenen Mitversicherung ist jeder beteiligte VR aufgrund seines Anteils an der Mitversicherung berechtigt, den VN zu mahnen. Das gilt grundsätzlich auch, sofern einem der VR durch Erteilung einer Führungs- bzw. Inkassovollmacht die Aufgabe der Einziehung der Prämien übertragen wurde.17 Durch Ausstellung einer Vollmacht verliert der Vertretene nicht sein Recht, auf eigene Initiative hin tätig zu werden. Eine derartige Vollmacht stellt in erster Linie eine Aufgabenverteilung unter den Beteiligten einer Mitversicherung dar. Auch ein Abschlussagent ist richtigerweise zur Mahnung berechtigt. A maiore ad minus ist eine derartige Sichtweise geboten, da er nach § 71 sogar zur Kündigung bzw. zum Rücktritt bevollmächtigt ist.18 Grundsätzlich nicht zur Mahnung berechtigt sind hin14
15 16
Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 38 Rn. 9; Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 4; Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 9. BGH 25.1.1968 VersR 1968 241; BGH 19.10.1977 VersR 1977 1153. BGH 19.10.1977 BGHZ 69 361; OLG
17 18
Oldenburg 28.4.1999 VersR 2000 617; OLG Hamm 29.9.1978 VersR 1979 413; a.A. OLG Celle 30.4.1976 VersR 1976 854. Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 9; a.A. Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 7. Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 7.
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gegen Versicherungsmakler und Versicherungsagenten. Es bleibt dem VR jedoch unbenommen, auch diese Personen vertraglich zur Setzung einer Zahlungsfrist zu ermächtigen.
17
b) Empfänger der Mahnung. Empfänger der Mahnung ist zunächst einmal der Prämienschuldner und nicht der VN, auch wenn beide natürlich identisch sein können;19 regelmäßig ist der VN auch der Prämienschuldner. Der VN muss indes nicht zugleich Schuldner der Prämie sein, was sich im Falle der Schuldübernahme oder auch bei Veräußerung der versicherten Sache und darauffolgender Kündigung durch den Erwerber zeigt, § 96 Abs. 3 1. Hs. Würde die Mahnung in diesen Fällen dem VN zugestellt, würde zu etwas gemahnt, das er nicht zu erfüllen hat.20 Teilweise wird aufgrund der Tatsache, dass die Rechtsfolgen in erster Linie auch bei Auseinanderfallen von VN und Prämienschuldner primär den VN treffen, gefolgert, dass die Mahnung beiden zugehen müsse.21 Soweit ein gesetzlicher Vertreter vorhanden ist, ist die Mahnung diesem zuzustellen.22 Sind mehrere VN vorhanden, ist es ausreichend, wenn die Mahnung einem der VN zugestellt wird.23 Ist der VN insolvent und gehört die Versicherung zur Insolvenzmasse, ist die Mahnung an den Insolvenzverwalter zu richten.24 Hat der VN eine versicherte Sache veräußert, so dass der Erwerber nach § 95 in das bestehende Versicherungsverhältnis eintritt, genügt eine Mahnung gegenüber dem Veräußerer nur, solange der VR von dem Übergang keine Kenntnis erlangt hat. Bei Versicherung für fremde Rechnung hat die Mahnung stets an den VN zu gehen, da dieser letztlich die Vertragspartei ist, § 43 Abs. 1. Ein anderes Verständnis lässt sich auch nicht aus § 44 Abs. 1 herleiten, der dem Versicherten zwar die Rechte aus dem Vertrag zuschreibt, jedoch in Satz 2 deutlich macht, dass der VN für den Empfang wesentlicher Dokumente der richtige Empfänger ist. Ergeht die Mahnung nur gegenüber einem Zessionar, ist sie unwirksam. Gleiches gilt für den Pfandgläubiger sowie dem Versicherten, da diese Personen nicht Vertragspartner sind. Wenn auch manche Personen keine geeigneten Mahnungsempfänger sind, so können 18 doch im Einzelfall Verständigungspflichten des VR gegenüber diesen bestehen. Eine allgemeine Mitteilungspflicht gegenüber Dritten ist jedoch abzulehnen.25 Das ergibt sich nicht zuletzt aus einem Urteil des BVerfG, wonach durch die Mitteilung von Prämienrückständen des VN dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sein kann.26 Ansonsten kann sich eine Mitteilungspflicht aus gesetzlichen Regelungen, aus vertraglichen Vereinbarungen oder nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB ergeben. Eine gesetzliche Pflicht ist etwa für den Hypothekengläubiger in § 142 Abs. 1 Satz 1 geregelt für den Fall, dass dem Prämienschuldner eine Frist bzgl. der Entrichtung der Folgeprämie einer Gebäudefeuerversicherung gesetzt wurde. Nach § 148 gilt diese Mitteilungspflicht ebenfalls für Grundstücke, die mit einer Grundschuld, Rentenschuld oder Reallast belastet sind. Weitere gesetzliche Vorschriften sind § 34 SchRG und § 34 LuftFzgG. Diskutiert wurde bislang eine Mitteilungspflicht gegenüber dem (Sicherungs-) Zessionar, Pfand- und Pfändungsgläubiger, was unter Berufung auf Treu und Glauben 19
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Ganster Prämienzahlung S. 341; Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 8; Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 12; Bruck/Möller/ Möller 8 § 39 Anm. 10. Ganster Prämienzahlung S. 339. Mohr VersR 1969 886. BGH 17.4.1969 BGHZ 47 352; OLG Düsseldorf 9.5.1961 VersR 1961 878; a.A. Rohde VersR 1960 295. OLG Hamm 24.10.1961 VersR 1962 502.
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OLG Karlsruhe 9.6.1978 RuS 1978 199. OLG Nürnberg 28.8.1971 VersR 1973 413 (Zessionar); OLG Köln 7.12.1989 VersR 1990 1261 (Zessionar, Abtretungsempfänger); Berliner Kommentar/Riedler § 35a Rn. 11; Prölss/Martin/Knappmann27 § 35a Rn. 6; a.A. Bruck/Möller/Möller8 § 35a Anm. 9. BVerfG 14.12.2001 VersR 2002 1405.
Roland Michael Beckmann
Zahlungsverzug bei Folgeprämie
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teilweise als geboten angesehen wurde.27 Eine derartige Pflicht wird jedoch heute größtenteils abgelehnt (vgl. Kommentierung zu § 34).28 Die Nichtbeachtung der Mitteilungspflicht hat keine Auswirkungen bzgl. der Wirksamkeit der Fristsetzung gegenüber dem VN. Nur im Verhältnis zu dem, der die Mitteilung erhalten muss, kann sich der VR nicht auf die Mahnung berufen, da er eine vertragliche Pflicht verletzt hat und nunmehr Naturalrestitution schuldet, § 249 BGB.29 Im Falle einer Schuldübernahme hat der VR aufgrund von Rücksichtnahmepflichten auch den VN zu benachrichtigen, der nicht mehr Prämienschuldner ist.30 Eine Aufklärungspflicht ist auch zu bejahen bei Veräußerung einer versicherten Sache, wenn der Erwerber zwar VN wird, jedoch kündigt (§ 96 Abs. 2), und der Veräußerer für die bestehende Versicherungsperiode Prämienschuldner bleibt, § 96 Abs. 3 1. Hs.31 Ebenfalls hat der VR den unwiderruflich Bezugsberechtigten aus einem Vertrag zu benachrichtigen, da dieser den Anspruch auf die Versicherungsleistung bereits erworben hat, dieser jedoch noch nicht fällig ist.32 Im Gegensatz dazu hat der widerrufliche Bezugsberechtigte noch kein gesichertes Recht, da dieses erst bei Eintritt des Versicherungsfalls entsteht. Diese unsichere Rechtsposition ist daher nicht gleich schützenswert.33 c) Zugang der Mahnung. Als empfangsbedürftige Willenserklärung muss die Mah- 19 nung bzgl. der nicht rechtzeitig entrichteten Folgeprämien dem VN bzw. dem Prämienschuldner (Rn. 17) zugehen.34 Der VN muss nicht tatsächlich Kenntnis von der Mahnung erhalten. Es genügt der eigentliche Zugang. Ob ein solcher erfolgt ist, bestimmt sich nach den anerkannten Regeln über den Zugang von Willenserklärungen.35 Eine Willenserklärung ist demnach dann zugegangen, wenn diese derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat.36 Danach erfolgende Störungen liegen von diesem Zeitpunkt an in der Sphäre des Empfängers, so dass sie weder Absender noch Übermittler zuzurechnen sind. Da die objektive Möglichkeit der Kenntnisnahme genügt, ist jedenfalls im Moment der Übergabe der Mahnung an den VN selbst der Zugang der Mahnung erfolgt. Bei der Übergabe der Mahnung an Dritte ist danach zu differenzieren, ob diese als 20 Empfangsvertreter, Empfangsboten oder sog. Erklärungsboten einzustufen sind. Erteilt der VN einem Dritten Empfangsvertretungsmacht, ist bereits von einem Zugang der Mahnung auszugehen, wenn die Mahnung dem Empfangsvertreter zugeht, vgl. § 164 Abs. 3 BGB. Nimmt ein Empfangsbote die Mahnung entgegen, so erfolgt der Zugang, sofern nicht ein früherer Zugang feststeht, wenn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit der Weiterleitung der Erklärung zu rechnen ist. Bei Empfangnahme durch einen Erklärungsboten, ist die Mahnung erst bei richtiger Übermittlung zugegangen (dazu im Folgenden). Als Empfangsbote gilt eine Person, die zum Empfang bereit, geeignet und empfangsberechtigt ist oder doch wenigstens nach der Verkehrsanschauung als zum Empfang berechtigt angesehen werden kann.37 Allgemein zum Empfang berechtigt sind 27 28 29 30 31 32
Bruck/Möller/Möller8 § 39 Anm. 24; aktuell auch Ganster Prämienzahlung S. 365 ff. OLG Köln 7.12.1989 VersR 1990 1261. Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 8. Ausführlich hierzu Ganster Prämienzahlung S. 357. Frey VersR 1959 325; Berliner Kommentar/ Riedler § 39 Rn. 12. Vgl. OLG Düsseldorf 17.12.2002 VersR 2003 627 mit ablehnender Anm. von Langohr-
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Plato; ebenfalls ablehnend Bürkle BB 2003 2007. LG Berlin 6.5.03 VersR 2004 101 keine Mitteilungspflicht für ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht. Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 14. BGH 7.10.1965 BGHZ 44 178; Langheid/ Wandt/Staudinger § 38 Rn. 8. BGH 3.11.1976 BGHZ 67 271. Palandt/Ellenberger69 § 130 Rn. 9.
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beispielsweise Ehegatten, solange sie nicht getrennt leben.38 Gleiches gilt für Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die zusammen wohnen.39 Auch sonstige Mitbewohner sind grundsätzlich geeignete Empfangsboten, etwa die Eltern des VN, wenn dieser noch bei diesen wohnt.40 Haushälterinnen und Putzfrauen sind nur dann Empfangsboten, wenn sie (ggf. konkludent) zur Entgegennahme ermächtigt wurden.41 Auch Unternehmensangestellte und Sekretärinnen können als Empfangsboten einzustufen sein.42 Dagegen können kleinere Kinder, Nachbarn und Handwerker nach der Verkehrsanschauung im Regelfall nicht als zur Entgegennahme von Willenserklärungen ermächtigt und damit als Empfangsboten angesehen werden. Fehlt es an den Voraussetzungen, um einen Empfangsboten annehmen zu können, lässt sich eine solche Person als Erklärungsbote verstehen. Bei Aushändigung an einen Erklärungsboten trägt der Erklärende das Risiko der unterlassenen, verspäteten oder unrichtigen Weitergabe seiner Erklärung an den Empfänger.43 Ein Zugang der Mahnung beim VN kann also nur angenommen werden, wenn die Mahnung durch den Erklärungsboten dem VN richtig übermittelt wird.44 Lediglich Erklärungsboten sind grundsätzlich auch Eltern, die nicht mit dem VN zusammenwohnen, wenn diese nicht vom VN zum Empfang ermächtigt wurden.45 Vom VN getrennt lebende Eltern können nicht ohne weiteres bereits nach der Verkehrsanschauung als zum Empfang von Willenserklärungen angesehen werden. Problematisch gestaltet sich der Zugang bei minderjährigen VN. Hierbei ist umstritten, ob alleine der Zugang beim Minderjährigen selbst, beim gesetzlichen Vertreter oder aber nur bei Zustellung an beide Parteien erfolgt ist. Grundsätzlich muss der Zugang an den gesetzlichen Vertreter erfolgen.46 Erst bei erlangter Geschäftsfähigkeit ist die Mahnung dem VN selbst zuzustellen. Um den Zugang der Mahnung zu erreichen, genügt regelmäßig der Einwurf in den Hausbriefkasten. Der Zugang erfolgt jedoch nur mit dem Einwurf, wenn der Einwurf zu einer Zeit erfolgt, zu der mit der Kenntnisnahme vernünftigerweise zu rechnen ist, ansonsten am nächsten Tag.47 Eingeschriebene Briefe gehen nach herrschender Ansicht dann nicht zu, wenn der Postbote den VN nicht antrifft, jedoch einen Benachrichtigungszettel hinterlässt und den Brief bei der zuständigen Poststelle hinterlegt, dieser jedoch nicht abgeholt wird und folglich zurückgesendet wird.48 Ansonsten liegt der Zugang im Zeitpunkt der Abholung vor. Weiterhin genügt nicht, dass der Empfänger den ungefähren Inhalt kennt oder erfährt.49 Andernfalls würde der Schutzzweck der qualifizierten Mahnung unterlaufen. In gewissen Fällen muss sich der VN jedoch nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei die Mahnung zugegangen. Das ist vor allem in Fällen der fahrlässigen oder gar vorsätzlichen Zugangsvereitelung anzunehmen. Bemüht er sich trotz Zumutbarkeit nicht um die Abholung des Einschreibens, obwohl er den Benachrichtigungszettel erhalten hat, liegt hierin eine fahrlässige Vereitelung des Zugangs. Gleiches gilt, wenn der VN 38
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BGH 3.6.1970 VersR 1970 755; OLG Schleswig 13.5.1981 VersR 1982 357; OLG München VersR 1969 728; OLG Köln 16.2.1972 VersR 1973 315. OLG Celle 12.1.1982 FamRZ 1983 202. BGH 7.10.1965 BGHZ 44 178. OLG Karlsruhe 23.2.1977 VersR 1977 902. BGH 6.6.1966 VersR 1966 723. Bamberger/Roth/Wendtland2 § 130 Rn. 18. Palandt/Ellenberger69 § 130 Rn. 9. OLG Neustadt 10.6.1960 VersR 1961 457.
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BGH 9.2.1977 VersR 1977 442. Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 15. BGH 18.12.1970 VersR 1971 262; OLG Köln 20.6.1991 VersR 1992 85; OLG Hamm 8.9.1989 RuS 1990 37; OLG Hamm 16.4.1982 VersR 1982 1070; Prölss/Martin/ Knappmann27 § 39 Rn. 12; a.A. Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 15. BGH 18.12.1970 VersR 1971 262; OLG Köln 20.6.1991 VersR 1992 85.
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Zahlungsverzug bei Folgeprämie
§ 38
mehrere Wochen abwesend ist und keinerlei Vorkehrungen getroffen hat, um in regelmäßigen Abständen Kenntnis von wichtigen Erklärungen zu erhalten.50 Dies gilt umso mehr, wenn er mit derartiger Post rechnen musste. Andererseits bedarf es keiner besonderen Maßnahme, wenn der VN nur kurzfristig (z.B. 1–2 Wochen) abwesend ist.51 Verweigert der VN die Entgegennahme von Postsendungen, obwohl er hierzu nicht berechtigt ist, ist der Zugang ebenfalls bereits mit versuchter Zustellung erfolgt.52 Zum Teil hilft in diesen Fällen auch die Zugangsfiktion des § 13, der bezüglich Adres- 25 sen- und Namensänderungen auch auf § 38 Anwendung finden muss. Dieser beinhaltet den allgemeinen Grundsatz, dass sich der VN jede fehlgeschlagene Zustellung dann zurechnen lassen muss, wenn er schuldhaft bzw. aufgrund von verkehrswidrigem Verhalten den Fehlschlag zu verantworten hat. Den VN trifft im Rahmen des Versicherungsverhältnisses insbesondere die Pflicht erfolgte Adressänderung seinerseits dem VR mitzuteilen.53 Vertraglich vereinbarte Zugangsfiktionen sind, jedenfalls soweit es sich um Erklärungen von besonderer Bedeutung handelt, nach § 308 Nr. 6 BGB unwirksam.54 d) Form der Mahnung. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung des § 39 VVG a.F 26 reicht für die qualifizierte Mahnung nun statt der Schriftform nach § 126 BGB auch die Textform nach § 126b BGB aus, eine eigenhändige Unterschrift ist somit nicht mehr erforderlich. Auch zum alten VVG war aber anerkannt, dass zur Erleichterung im Massengeschäft die Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift zur Wahrung der Form des § 39 VVG a.F genügt.55 Ein Vorausverzicht des VN auf die Einhaltung der Formvoraussetzungen ist ungültig, 27 jedoch ist eine nachträgliche Vereinbarung ebenso möglich, wie der nachträgliche Verzicht auf die Folgen formeller Mängel.56 e) Inhalt der Mahnung. Nach § 38 Abs. 1 muss der VR in der Mahnung eine mindes- 28 tens zweiwöchige Zahlungsfrist bestimmen, die rückständigen Beträge der Prämie, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffern und den VN umfassend über die Rechtsfolgen der Nichtzahlung informiert. Für den Inhalt der Mahnung hat die Rechtsprechung extrem strenge Anforderungen entwickelt. aa) Prämienschuld. Nach wohl herrschender Meinung zu § 39 VVG a.F. war eine 29 genaue Bezifferung der Prämienrückstände in der Mahnung nicht notwendig, sondern es genügte die Benennung der Prämienschuld.57 Die genaue Bezifferung sollte allerdings nur dann entbehrlich sein, wenn es sich um eine Prämie aus einem bestimmten Versicherungsverhältnis handelte und der VN die Höhe der zu zahlenden Prämie unschwer aus dem Mahnschreiben und seinem Versicherungsschein ermitteln konnte.58 Diese Ansicht kann zum § 38 nicht aufrechterhalten werden, da der Gesetzestext jetzt klar erfordert, „dass rückständige Beträge der Prämie, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert werden.“59 50 51 52 53 54
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BGH 18.12.1970 VersR 1971 262; vgl. auch Langheid/Wandt/Staudinger § 38 Rn. 8. OLG Köln 20.6.1991 RuS 1991 290. Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 13. LG Köln 17.4.1986 JurBüro 1986 620. OLG Hamburg 27.6.1980 VersR 1981 125 noch zu der inhaltsgleichen Vorschrift § 10 Nr. 6 AGBG a.F. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 71. BerlinerKommentar/Riedler § 39 Rn. 21; Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 24.
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BerlinerKommentar/Riedler § 39 Rn. 23; Prölss/Martin/Knappman27 § 39 Rn. 18; Bruck/Möller/Möller8 § 39 Anm. 19; a.A. Römer/Langheid2 § 39 Rn. 9. Riedler S. 133. Für eine Bezifferung im Einzelnen auch Wandt 4 Rn. 521; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 38 Rn. 8; Langheid/ Wandt/Staudinger § 38 Rn. 5.
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Auch in der Gesetzesbegründung ist von einer Bezifferung und nicht bloßen Benennung der Prämienschuld die Rede.60 Die rückständigen Prämien müssen ganz exakt angegeben werden, bereits eine geringe Zuvielforderung macht die Mahnung unwirksam.61 Dies gilt selbst dann, wenn der zu viel geforderte Betrag so gering ist, dass er auf die Disposition des VN keinen Einfluss haben kann.62 Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der Prämienbetrag so offensichtlich falsch ist, dass er jedem VN sofort ins Auge springt und dieser den korrekten Betrag dennoch erkennen kann.63 Den VN trifft aber grundsätzlich keine Nachprüfungspflicht hinsichtlich des vom VR in der Mahnung angegebenen Betrages, auch wenn ihm dies anhand seiner Unterlagen möglich wäre.64 Wird die rückständige Prämie in der Mahnung dagegen zu gering angegeben, so ist die Mahnung gleichwohl wirksam. Der VR ist dann an den von ihm geforderten Betrag gebunden, so dass bei Zahlung dieses Betrages der Eintritt der Rechtsfolgen wegen der eigentlich zu niedrigen Prämienzahlung ausgeschlossen ist. Der VR kann dann aber wegen des noch ausstehenden Betrages erneut mahnen.65 In § 38 Abs. 1 Satz 2 2. Hs. hat der Gesetzgeber jetzt klargestellt, dass in Fällen, in denen einzelne Verträge im Versicherungsschein zusammengefasst werden, die rückständigen Beträge gesondert für jeden Vertrag angegeben werden müssen.66 Auch zu § 39 VVG a.F. hatte der BGH eine Mahnung dann für unwirksam erklärt, wenn darin rückständige Prämien aus mehreren selbständigen Versicherungsverhältnissen so zusammen angemahnt wurden, dass der irrige Eindruck entstand, der Versicherungsschutz für das einzelne Versicherungsverhältnis hänge von der Zahlung des gesamten Prämienrückstandes ab, auch soweit dieser auf ein anderes Versicherungsverhältnis entfällt.67 Diese Pflicht des VR, die Beträge getrennt auszuweisen, hat vor allem in der Kfz-Versicherung, aber auch in der Krankenversicherung Bedeutung. In der Kraftfahrtversicherung hat der VR daher Rückstände aus der Haftpflicht- und solche aus der Kaskoversicherung getrennt auszuweisen.68 Gleiches gilt in der Krankenversicherung für die Krankheitskostenund Krankengeldtageversicherung.69 Hat der VR den VN unwirksam gemahnt, so löst dies keinerlei Rechtsfolgen aus. Dem VR ist es dann möglich erneut qualifiziert zu mahnen und damit, sofern die erneute Mahnung allen gesetzlichen Anforderungen genügt, die Rechtsfolgen des § 38 Absätze 2 und 3 auszulösen.70 Eine falsche Angabe des Fälligkeitstermins ist unschädlich, sofern sich daraus keine Folgen für die Berechnung der Mahnfrist ergeben.71 bb) Zinsen und Kosten. Auch die Zinsen und Kosten muss der VR in der Mahnung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 genau beziffern. Mit den Kosten sind diejenigen für die Mahnung 60 61
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RegE BTDrucks. 16/3945 S. 71. BGH 7.10.1992 VersR 1992 1501; BGH 9.7.1986 VersR 1986 986; BGH 13.2.1967 BGHZ 47 88; BerlinerKommentar/Riedler § 39 Rn. 24; Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 18; Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 64; Bruck/Möller/ Möller8 § 39 Anm. 19. BGH 6.3.1985 VersR 1985 533. Kalischko Problemfälle VersR 1988 1003. BGH 13.2.1967 BGHZ 47 88. Langheid/Wandt/Staudinger § 38 Rn. 5;
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Prölss/Martin/Knappmann27§ 39 Rn. 18; BerlinerKommentar/Riedler § 39 Rn. 26; Bruck/Möller/Möller8 § 39 Anm. 19; Riedler S. 134; Schirmer FS Wälder 67, 74. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 71; vgl. auch AG Mannheim 22.12.06 ZfSch 2007 453. BGH 13.2.1967 BGHZ 47 88. BGH 9.10.1985 NJW 1986 1103. LG Köln 24.9.1991 RuS 1992 352. BGH 6.3.1985 VersR 1985 533. OLG Hamm 17.9.1975 VersR 1976 1032.
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Zahlungsverzug bei Folgeprämie
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gemeint. Die Nebengebühren im weiteren Sinn (vgl. § 33 Rn. 30) sind nach der Legaldefinition des § 1 Satz 2 Bestandteil der Prämie (vgl. § 33 Rn. 11). Mit Zinsen und Kosten i.S.d. § 38 Abs. 1 sind dagegen echte Nebengebühren (vgl. § 33 Rn. 30) gemeint. Zu den Zinsen und Kosten zählen grundsätzlich nur die infolge des Zahlungsverzuges entstandenen Nebengebühren, also echten, nicht vertraglich vereinbarten Nebengebühren.72 Von der Zahlung anderer Schulden (z.B. Verpflichtungen aus einer bei Gelegenheit des 36 Abschlusses des Versicherungsvertrages vereinbarten Schuldübernahme oder eines Schuldbeitritts) kann der VR den Bestand des Versicherungsschutzes nicht abhängig machen.73 cc) Zahlungsfrist. Der VR hat dem VN eine Frist zu setzen, die mindestens zwei 37 Wochen betragen muss. Die Berechnung der Frist erfolgt nach den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB.74 Die Frist darf dem VN erst bestimmt werden, wenn die Prämie fällig ist und nicht rechtzeitig gezahlt wurde; eine vor Fälligkeit der Prämie gesetzte Frist ist wirkungslos.75 Die Frist beginnt mit dem Zugang des Schriftstücks beim VN zu laufen.76 Werden 38 zeitlich nacheinander zwei qualifizierte Mahnschreiben mit gleichem Wortlaut und ohne Hinweis im zweiten Schreiben auf das erste an den VN abgesandt, so wird die endgültige Zahlungsfrist erst durch das zweite Mahnschreiben bestimmt.77 Bei der Setzung einer kürzeren als im Gesetz vorgesehenen Frist ist die Mahnung unwirksam.78 Eine wirksam gesetzte Frist wird nicht dadurch verlängert, dass der VR vor Erhebung einer Zahlungsklage eine „letzte Nachfrist“ gewährt.79 Wann die Frist gesetzt werden muss, ist nicht bestimmt. Es steht dem VR frei, wann 39 er mahnen will.80 dd) Zahlungsaufforderung. Das Mahnschreiben muss die Aufforderung des VR an 40 den VN zum Inhalt haben, innerhalb der gesetzten Zahlungsfrist die rückständigen Prämien, Kosten und Zinsen zu begleichen.81 ee) Angabe aller Rechtsfolgen. Der VR muss den VN mit der Fristbestimmung umfas- 41 send über die in den Abs. 2 und 3 bestimmten Rechtsfolgen sowie über die ihm nach Abs. 3 offenstehenden Möglichkeiten belehren. Der VN ist also darauf hinzuweisen, dass, wenn der Versicherungsfall nach Frist- 42 ablauf eintritt und der VN bei Eintritt mit der Zahlung der Prämie oder der Zinsen oder der Kosten in Verzug ist, der VR nach Abs. 2 nicht zur Leistung verpflichtet ist. Außerdem ist er darauf hinzuweisen, dass der VR nach Fristablauf den Vertrag nach Abs. 3 ohne Einhaltung einer Frist kündigen kann, wenn der VN mit der Zahlung der geschuldeten Beträge in Verzug ist. Der VN ist außerdem gesondert darauf hinzuweisen, dass die Kündigung mit der Fristbestimmung so verbunden werden kann, dass sie mit Fristablauf wirksam wird, wenn der VN zu diesem Zeitpunkt mit der Zahlung in Verzug ist. 72 73 74
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Langheid/Wandt/Staudinger § 33 Rn. 10. Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 29; OLG Hamm 6.3.1987 RuS 1987 166. Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 5; BGH 7.10.1965 BGHZ 44 178; Reinhardt VersR 2000 1096. Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 5; Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 30; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 38 Rn. 7.
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Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 30; Bruck/Möller/Möller8 § 39 Anm. 20. OLG Koblenz 20.9.1967 VersR 1967 1061. Riedler S. 135; Bruck/Möller/Möller8 § 39 Anm. 20. OLG Karlsruhe 22.12.1954 VersR 1955 98. Bruck/Möller/Möller8 § 39 Anm. 25. Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 33; Bruck/Möller/Möller8 § 39 Anm. 21.
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Der VN ist in jedem Fall auf alle in Betracht kommenden Rechtsfolgen vollständig hinzuweisen, da ansonsten die Mahnung unwirksam ist.82 Die Belehrung muss vollständig und rechtlich zutreffend sein, um dem VN die notwendige Rechtssicherheit zu geben, damit er in Kenntnis der Sachlage ordnungsgemäß handeln kann.83 Das Erfordernis der umfassenden Belehrung des VN gilt auch dann, wenn der VR von Anfang an nur beabsichtigt, eine von mehreren möglichen Rechtsfolgen geltend zu machen.84 Die Rechtsfolgen, die im Falle der Nichtzahlung eintreten können, und deren Voraussetzungen müssen weitestgehend an den Gesetzeswortlaut angelehnt sein.85 Beispielsweise darf in der Belehrung statt der Leistungsfreiheit des VR nicht das Ruhen der Versicherung angedroht werden oder statt von Kündigung darf nicht davon gesprochen werden, der Vertrag werde als aufgehoben betrachtet.86 Die Rechtsfolgen Leistungsfreiheit und Recht zur Kündigung dürfen nicht als Folge des Verzugs schlechthin angegeben werden. Es muss zusätzlich erwähnt werden, dass dazu auch der Eintritt des Versicherungsfalls und der fortdauernde Verzug gehören.87 Der VN darf nicht in den Glauben versetzt werden, dass die Zahlung nach Ablauf der Frist ihm nichts mehr nützt.88 Der „Verzug“ darf nicht mit dem Begriff Rückstand ersetzt werden.89 Entsprechend dem Gesetzeswortlaut reicht die Verwendung des Begriffs „Verzug“ aus.90 Der Gesetzestext muss aber an sich nicht verwendet werden; seine alleinige Abschrift in der Mahnung ist auch darüber hinaus nicht ausreichend.91 Da der VN nicht in den Glauben versetzt werden darf, dass ihm eine Zahlung nach Ablauf der Frist nichts mehr nütze (oben Rn. 44), muss der VN auch auf § 38 Abs. 3 Satz 3 hingewiesen werden.92 Dies gilt selbst dann, wenn die Kündigung noch nicht mit der Mahnung verbunden ist. Rechtsfolge einer nach Form und Inhalt unzureichenden Belehrung ist deren Unwirksamkeit. Die Rechtsprechung ist dabei sehr formalistisch. Nach ihr ist es unerheblich, ob der VN dadurch tatsächlich von der rechtzeitigen Zahlung abgehalten wurde oder wenigstens eine solche Möglichkeit bestand. Die ordnungsgemäße Belehrung ist also formelle Wirksamkeitsvoraussetzung einer für § 38 ausreichenden Mahnung.93 Die Mahnung soll dazu dienen, den VN vor den Folgen der nicht rechtzeitigen Zahlung zu warnen. Daher wurde auch erwogen, die Unwirksamkeit bei einer Mahnung anzunehmen, die den Hinweis auf die Rechtsfolgen in besonders kleinem Druck am unte82
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BGH 9.3.1988 VersR 1988 484; BGH 6.10.1999 VersR 1999 1525; Langheid/ Wandt/Staudinger § 38 Rn. 7; Bruck/Möller/ Möller8 § 39 Anm. 22; Berliner Kommentar/ Riedler § 39 Rn. 34. BGH 7.10.1992 VersR 1992 1501. Bruck/Möller/Möller8 § 39 Anm. 22; Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 34; OLG Nürnberg 8.2.1973 VersR 1973 910. Langheid/Wandt/Staudinger § 38 Rn. 7; Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 35. Bruck/Möller/Möller8 § 39 Anm. 35. BGH 9.3.1988 VersR 1988 484; Römer/ Langheid2 § 39 Rn. 7; Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 20. RG 4.6.1918 RGZ 93 80; OLG Hamm 23.2.1977 VersR 1977 715; OLG Koblenz 24.3.1981 VersR 1981 1148; Bruck/Möller/ Möller8 § 39 Anm. 22.
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OLG Hamm 3.7.1991 RuS 1991 362. OLG Hamm 18.12.1991 VersR 1992 1205; strenger dagegen OLG Hamm 3.7.1991 VersR 1992 558. BerlinerKommentar/Riedler § 39 Rn. 35; a.A. wohl Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 20. OLG Hamm 17.9.1975 VersR 1976 1032; BerlinerKommentar/Riedler § 39 Rn. 35; Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 64; Bruck/Möller/Möller8 § 39 Anm. 22. BGH 13.2.1967 VersR 1967 467; OLG Hamm 6.12.1978 VersR 1980 178; OLG Köln 23.10.2001 NVersZ 2002 110; BerlinerKommentar/Riedler § 39 Rn. 36; Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 21.
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Zahlungsverzug bei Folgeprämie
§ 38
ren Rand des Schreibens enthält. Der BGH hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 5.6.198594 offen gelassen, da die dort verwendete Mahnung bereits aus anderen Gründen unwirksam war.95 In einer anderen Entscheidung96 hat der BGH darauf hingewiesen, dass bereits die Gestaltung des Schreibens dem VN den Ernst der Lage und die Konsequenzen vor Augen führen muss. Der Hinweis auf den drohenden Verlust des Versicherungsschutzes muss daher schon auf der Vorderseite des Schreibens erfolgen. Es ist dem VR nicht möglich, eine wegen unzureichender Mahnung fehlerhafte Kün- 48 digung durch ein Korrekturschreiben zu heilen, vielmehr ist eine erneute Mahnung erforderlich, da die Mahnung der Kündigung nach § 38 Abs. 3 vorausgehen muss.97 Die formalisierte Mahnung kann auch nicht durch einen Mahnbescheid ersetzt wer- 49 den oder deshalb unterbleiben, weil wegen der Prämien bereits ein Prozess schwebt oder weil der VN den Wunsch nach Aufhebung des Vertrages geäußert und ihm dadurch Nachdruck verliehen hat, dass er die Prämienzahlung abgelehnt hat.98 f) Zeitpunkt der Mahnung. Der VR darf den VN erst dann mahnen, wenn die Folge- 50 prämie fällig geworden ist; eine vor Fälligkeit bestimmte Frist ist wirkungslos.99 Die falsche Angabe des Fälligkeitstermins in der Mahnung stellt aber jedenfalls so lange keinen Verstoß gegen die Belehrungspflicht dar, als sich daraus etwa für die Berechnung der Mahnfrist keinerlei Folgen ergeben.100 g) Mahnung bei Verzug mit mehreren Prämien. Nicht selten kann es vorkommen, 51 dass der VN nicht bloß mit einer, sondern mit mehreren Prämien im Zahlungsverzug ist bzw. fällige Prämien nicht rechtzeitig entrichtet. Derartige Fallkonstellationen lassen sich jedoch gleichermaßen nach den vorhandenen gesetzlichen Vorschriften adäquat lösen. Sind sowohl Erst- als auch Folgeprämie fällig und zahlt der VN nur auf die Erstprämie, besteht zweifelsohne keine Leistungsfreiheit des VR. Dieser hat die Folgeprämie zuerst anzumahnen. Im umgekehrten Fall – der VN zahlt also nur auf die Folgeprämie – ist der VR hingegen von seiner Leistung frei, bis die Erstprämie entrichtet wird, § 37 Abs. 2 Satz 1, es sei denn, der VN hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten. Einer übergesetzlichen Hinweispflicht, wie sie teilweise angedacht wird, bedarf es heute nicht mehr, da dem VR bereits durch § 37 Abs. 2 Satz 2 eine gesonderte Hinweispflicht auferlegt wird.101 Hat der VN sowohl die Erst- als auch die Folgeprämie nicht beglichen, so kann er der Leistungsfreiheit des VR alleine durch Zahlung der Erstprämie entgegenwirken, solange der VR die Folgeprämie nicht angemahnt hat. Bei Fälligkeit mehrerer Folgeprämien stellt das Gesetz darauf ab, welche Prämien 52 bereits vom VR qualifiziert angemahnt wurden und auf welche Prämien der VN bereits gezahlt hat. Hierbei ist strikt zwischen den einzelnen Folgeprämien zu differenzieren. Erste Voraussetzung für eine mögliche Leistungsfreiheit oder Kündigung des VR ist stets die ordnungsgemäße qualifizierte Mahnung. Es ist klar, dass ein VN nicht in Verzug geraten kann, sofern er nicht ordnungsgemäß gemahnt wurde. Für jede Folgeprämie ist daher gesondert zu untersuchen, ob die Mahnung den gesetzlichen Vorschriften entsprechend erfolgt ist. Befindet sich der VN mit mehreren Folgeprämien in Verzug und be94 95 96 97 98
BGH 5.6.1985 VersR 1985 981. Für die Unwirksamkeit Lang VersR 1987 1157, 1161. BGH 6.10.1999 NVersZ 2002 72. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 65; BGH 6.3.1985 VersR 1985 533. Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 22; BerlinerKommentar/Riedler § 39 Rn. 37.
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BerlinerKommentar/Riedler § 39 Rn. 38; Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 5. OLG Hamm 17.9.1975 VersR 1976 1032. für eine derartige Pflicht noch: Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 39; aus neuerer Zeit Langheid/Wandt/Staudinger § 38 Rn. 3.
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Abschnitt 3. Prämie
gleicht er von diesen nur die ordnungsgemäß angemahnte(n) Folgeprämie(n), so muss der VR, um erneut die Rechtsfolgen des § 38 herbeizuführen, erneut eine der ausstehenden Folgeprämien anmahnen.102 Ist der VN beispielsweise mit mehreren Folgeprämien in Verzug, ist aber nur eine dieser Folgeprämie angemahnt worden und begleicht der VN diese angemahnte Prämie, so ist der VR wieder ab dem Zeitpunkt der Zahlung an zur Leistung verpflichtet. Die weiteren fälligen Folgeprämien sind gesondert anzumahnen und sind als eigenständige Verbindlichkeiten nicht Bestandteil der ersten Mahnung. Hat der VN dagegen auch nach Ablauf der Zahlungsfrist eine qualifiziert angemahnte Folgeprämie nicht beglichen, so hat das Hinzutreten weiterer fälliger Folgeprämien keinen Einfluss auf die bereits bestehende Leistungsfreiheit des VR, da der Verzug erst dann endet, wenn die angemahnte Prämie bezahlt wurde.103 Daran ändert sich auch nichts, wenn die weiteren Folgeprämien ebenfalls angemahnt wurden. Der VR bleibt auch während der Zahlungsfrist für die neu hinzugekommenen Folgeprämien von seiner Leistungspflicht frei, da die bereits bestehende Leistungspflicht eben nur durch die jeweilige Zahlung auf die bereits zuvor angemahnte Folgeprämie erlöschen kann.104 Wurde der VN aufgrund mehrerer ausstehender Folgeprämien auch bzgl. aller Folgeprämien ordnungsgemäß gemahnt, bezahlt daraufhin jedoch nur den Betrag einer dieser Folgeprämien, so ist auch klar, dass sich an der Leistungsfreiheit des VR nichts ändern kann, da der Verzug mit den übrigen Folgeprämie auch fortan besteht. Auch im Falle der Verjährung einer Folgeprämie bleibt die Leistungsfreiheit des VR 53 bestehen;105 die einmal eingetretene Leistungsfreiheit kann nachträglich nicht beseitigt werden. Indes kann in diesem Fall eine übergesetzliche Hinweispflicht des VR bestehen, sofern der VN – z.B. aufgrund der zeitlichen Spanne – von einem bestehenden Versicherungsschutz ausgeht und der VR dies erkennt.106 Bei vereinbarter Ratenzahlung ist die Rechtslage weitestgehend identisch, wenn es 54 sich bei den Raten um Folgeprämien handelt.107 Eine Besonderheit ergibt sich für den Fall, dass durch Vereinbarung der Verzug mit einer Rate zum sofortigen Fälligwerden der noch ausstehenden Raten führt. Diese als zulässig deklarierte Klausel führt dazu, dass die gesamte Jahresprämie fällig wird. Wird der VN diesbezüglich ordnungsgemäß gemahnt, muss er, um die Leistungsfreiheit des VR zu verhindern, auch die gesamte Jahresprämie entrichten.108 4. Keine Zahlung innerhalb der gesetzten Zahlungsfrist
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Der VN kann das Kündigungsrecht und die Leistungsfreiheit des VR dadurch abwenden, dass er innerhalb der gesetzten Frist die angemahnten Folgeprämien begleicht. Gelingt ihm dies, besteht der Versicherungsvertrag unter Beibehaltung der gegenseitigen Leistungspflichten fort. Dabei muss die Frist mindestens zwei Wochen betragen, kann jedoch vom VR auch länger bemessen werden. Die Bezahlung eines bestimmten Betrages aufgrund einer vorangegangen Mahnung stellt rechtlich gesehen eine Tilgungsbestimmung hinsichtlich exakt dieser angemahnten Folgeprämie dar. Insofern ist auch eine spätere Verrechnung des VR mit sonstigen, möglicherweise älteren, Forderungen irrelevant in Bezug auf § 38. Durch die Tilgung der angemahnten Prämien endet der Verzug des VN. 102 103
104 105
84
OLG Koblenz 24.3.1981 VersR 1981 1148. BGH 24.1.1963 VersR 1963 376; OLG Köln 16.9.1992 RuS 1992 398; OLG Nürnberg 14.7.1952 VersR 1952 371. BGH 20.12.1956 VersR 1957 55. Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 25.
106
107 108
BGH 7.11.1973 VersR 1974 121; OLG Karlsruhe 16.10.1986 VersR 1988 487; Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 25. vgl. zur Abgrenzung § 37 Rn. 17. Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 46.
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Zahlungsverzug bei Folgeprämie
§ 38
5. Kein Verschulden des VN Zuletzt gehört zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 38, dass der VN den 56 Zahlungsverzug zu vertreten hat. Der Zahlungsverzug setzt somit ein Verschulden des VN voraus. Das Verschulden wird grundsätzlich vermutet, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Insofern hat der VN selbst den Entlastungsbeweis anzutreten. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Frage des Verschuldens ist der Eintritt des Versicherungsfalles.109 Das folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des § 38 Abs. 2, wonach der VN bei Eintritt des Versicherungsfalles in Verzug sein muss. Folgende Tatsachen genügen den Anforderungen an den Gegenbeweis nicht: Nicht- 57 zahlung aufgrund Illiquidität genügt gewiss nicht.110 Auch das Vergessen der Zahlung genügt ohne Zweifel nicht, um den Beweis zu erbringen. Auch eine zu hohe Minderung der Versicherungssumme nach § 74 Abs. 1 (Überversicherung) hat der VN zu vertreten. Exemplarisch sind aber derartige Gegebenheiten als Gegenbeweis anzuerkennen: 58 Schwere Krankheiten können im Einzelfall sehr wohl ein Verschulden ausschließen.111 Ansonsten können natürlich Leistungshindernisse aufgrund höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Ereignisse, die der VN nicht zu beeinflussen vermag, zum Gegenbeweis angeführt werden.112 Weiterhin kann ein Verhalten des VR oder seiner Mitarbeiter bzw. Erfüllungsgehilfen dazu führen, dass der VN den Verzug nicht zu vertreten hat. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der VN in unzutreffender Weise über die Zahlung der Prämie belehrt wird, getäuscht wird, oder er sich aufgrund missverständlicher Äußerungen in einem entschuldbaren Irrtum befindet. Vor allem bei missverständlicher Prämienberechnung kann dies der Fall sein, wenn Forderungen in wechselnder Höhe während der Zahlungsfrist geltend gemacht werden oder die Zusendung der Zahlungsaufforderung den geforderten Betrag nicht klar widerspiegelt. Ist der VN daraufhin in Unkenntnis über den geschuldeten Betrag und verschafft er sich hierüber Klarheit, verhindert auch die spätere Zahlung nach Ablauf der Frist den Verzug.113 Der VN kommt des Weiteren nicht in Verzug, wenn er entsprechende Gegenrechte geltend machen kann. Hierzu zählen insbesondere Schadensersatz- und Zurückbehaltungsrechte sowie Gestaltungsrechte wie etwa die Aufrechnung nach § 387 BGB. Einschränkend ist jedoch erforderlich, dass das Gegenrecht bzw. die Forderung des VN gegen den VR vor Ablauf der Zahlungsfrist entstanden sein muss. Ansonsten kommt der VN in Verzug, kann jedoch zweifellos durch Aufrechnung die Prämienforderung zum Erlöschen bringen.
II. Rechtsfolgen 1. Allgemeines Die Rechtsfolgen des § 38 regeln nur die Befreiung von der Leistungspflicht in dem 59 Falle, dass der VN die fällige Prämie nicht innerhalb der Zahlungsfrist bezahlt, und das hieraus entspringende Kündigungsrecht des VR. Darüber hinaus entfaltet § 38 jedoch keinerlei Wirkungen auf den bestehenden Versicherungsvertrag. So bleibt es dem VR auch weiterhin unbenommen auf Vertragserfüllung, also Prämienzahlung, zu klagen bzw. 109
110 111
Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 38 Rn. 13; Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 28. Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 48. Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 28;
112 113
Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 38 Rn. 13. Bruck/Möller/Möller8 § 39 Rn. 26. BGH 21.12.1977 VersR 1978 241; OLG Bremen 8.12.1977 VersR 1977 855; Düsseldorf 11.7.1978 VersR 1978 912.
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§ 38
Abschnitt 3. Prämie
hierzu das Mahnverfahren anzustrengen. So kann der VR auch trotz eventuell bestehender Leistungsfreiheit noch lange Zeit später die Zahlung der Prämien verlangen, da der Bestand des Versicherungsvertrages nicht berührt wird. Die Grenze bildet letztlich nur die eigentliche Beendigung des Versicherungsvertrages oder aber die Verjährung des Anspruchs. Teilweise ist indes in AVB vereinbart, dass Folgeprämien nur bis zu einer gewissen zeitlichen Grenze geltend gemacht werden können.114 Alleine der Verzug des VN mit der Prämienzahlungspflicht ändert ansonsten nichts an den beiderseitigen Leistungspflichten aus dem Versicherungsverhältnis. Hieraus kann sich allenfalls ein Schadensersatzanspruch ableiten lassen, der die Verzugszinsen umfasst, §§ 286, 288 BGB.115 Umstritten ist, ob im Rahmen von Verzugsschäden auch eventuell angefallene Kosten für Mahnbescheide hinzugerechnet werden können. Mahnt der VR etwa den VN und beantragt innerhalb der Zahlungsfrist einen Mahnbescheid, so sind nach richtiger Ansicht auch die Kosten hierfür ersatzfähig. Für die Herbeiführung der allgemeinen Verzugsfolgen ist lediglich eine einfache und keine qualifizierte Mahnung erforderlich. Die einfache Mahnung ist jedoch zumeist nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich, so dass auch die Mahnkosten zu ersetzen sind.116 2. Leistungsfreiheit des VR in den jeweiligen Stadien
60
Alleine der Verzug mit der Folgeprämie führt nach dem Willen des Gesetzgebers niemals zur Leistungsfreiheit des VR. § 38 ist vom Grundgedanken getragen, dass der Versicherungsschutz ein wichtiges Gut ist, das besonderen Schutz verdient und nicht bereits dadurch entfallen soll, dass lediglich eine fällige Zahlungsverpflichtung übersehen wurde.117 Ganz im Gegensatz zu § 37, der im Rahmen von Erstprämien das sog. Einlösungsprinzip zu Grunde legt, wonach der VR grundsätzlich bis zur Leistung der ersten Prämie nicht zur Zahlung verpflichtet ist, hat der Gesetzgeber in § 38 erkannt, dass im Falle von Folgeprämien der VN sehr wohl sein Interesse am Bestehen des Versicherungsvertrages deutlich bekundet hat und somit schützenswert ist. Darauf basierend ist für die Frage nach der Leistungsfreiheit stets nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles zu differenzieren.
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a) keine Leistungsfreiheit während des Laufs der Zahlungsfrist. Weder der Eintritt des eigentlichen Verzugs noch der Lauf der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 vermag die Leistungsfreiheit des VR zu begründen. Sofern der VN die Folgeprämie begleicht, können die Rechtsfolgen des § 38 nicht mehr eintreten. Es bleibt somit weder Raum für ein Kündigungsrecht des VR, noch für eine etwaige Leistungsfreiheit. Selbst dann, wenn während der Zahlungsfrist wirklich der Versicherungsfall eintritt und der VN in Kenntnis hiervon die Folgeprämie nachzahlt, muss der VR leisten.118 Unbenommen bleibt es dem VR jedoch, Verzugszinsen geltend zu machen nach §§ 286, 288 BGB. b) Rechtslage nach Fristablauf
62
aa) Zeitraum zwischen Ende der Zahlungsfrist und des Versicherungsfalles. Nach dem Ablauf der ordnungsgemäß gesetzten Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 ist der 114 115 116
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Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 50. Bruck/Möller/Möller8 § 39 Rn. 31; Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 50. Ebenso Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 34; Bruck/Möller/Möller8 § 39 Rn. 29; a.A. Ehrenzweig ZfV 1955 45.
117 118
Begr. zu § 39 VVG 1908 Motive 110. OLG Düsseldorf 1.3.1966 VersR 1966 819; vgl. Langheid/Wandt/Staudinger § 38 Rn. 15; Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 52.
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Zahlungsverzug bei Folgeprämie
§ 38
VR nach § 38 Abs. 2 von seiner Leistungspflicht frei. Solange jedoch kein Versicherungsfall eintritt, hat dies in der Praxis zunächst einmal keine Konsequenzen. Auch im Hinblick auf das Versicherungsverhältnis, seine Dauer und die Prämienzahlungspflicht ergibt sich nichts anderes. Der VN kann auch in diesem Zeitraum noch die angemahnte Folgeprämie bezahlen und so die Rechtsfolgen des § 38 für die Zukunft ausräumen. Der VR ist auch in diesem Zeitraum zur Entgegennahme verpflichtet und gerät im Falle der Weigerung in Annahmeverzug.119 Eine Besonderheit ergibt sich weiterhin in den Fallkonstellationen, in denen der VN die Prämie noch vor Eintritt des Versicherungsfalles begleicht, obwohl er genaue Kenntnis davon hat, dass dieser alsbald eintreten wird. Hier wird teilweise angenommen, dass dies gegen Treu und Glauben verstoße und daher die Leistungsfreiheit des VR trotz Zahlung der Prämie weiterbestehe.120 Eine derartige teleologische Auslegung erscheint indes nur in krassen Ausnahmesituationen geboten. Erforderlich müsste sein, dass zum einen der Versicherungsfall wirklich in unmittelbarer zeitlicher Nähe stattfinden wird, ein sehr hoher Schaden zu erwarten ist und der Eintritt des Versicherungsfalles sicher feststeht. Ansonsten nutzt der VN nämlich nur die bestehende Rechtslage zu seinen Gunsten aus, was ihm nur schwerlich verwehrt werden kann. bb) Leistungsfreiheit nach Eintritt des Versicherungsfalles. Liegen die Tatbestands- 63 voraussetzungen des § 38 vor und ist die gesetzte Zahlungsfrist fruchtlos verstrichen und tritt daraufhin der Versicherungsfall ein, so ist der VR stets von seiner Leistung frei. Eine Leistung nach dem Eintritt des Versicherungsfalles ist dann unerheblich. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass alleine das rechtzeitige Absenden des Prämienbetrages genügt, um den Verzug zu beseitigen. Hat der VN folglich am letzten Tag der Zahlungsfrist den Überweisungsvertrag über den jeweiligen Betrag geschlossen, hat er die erforderliche Leistungshandlung erbracht (zur erforderlichen Leistungshandlung vgl. noch § 36 Rn. 10 ff.) Haben die Parteien das Einzugsermächtigungsverfahren gewählt, obliegt es dem VR, den Betrag einzuziehen. Hier kommt der VN nur in Verzug, sofern die Einziehung des Betrages erfolglos verläuft. In der Praxis bereitet des Weiteren vor allem die Beurteilung, ob dem VN ein Ver- 64 schulden bzgl. des Zahlungsverzugs zur Last zu legen ist, Schwierigkeiten. Hierfür erforderlich ist der sog. subjektive Verzug. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 38 Abs. 2 muss dem VN im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles der Zahlungsverzug anzulasten sein.121 Der Gesetzgeber hat den hiergegen vorgebrachten Bedenken im Rahmen der VVG-Reform keine Beachtung geschenkt und es bei dieser Rechtslage belassen.122 Bei manchen Versicherungsarten führt diese Auslegung zu einer schwer nachvollziehbaren Rechtslage. Als markantestes Beispiel wird hierbei die Todesfallversicherung genannt. Es ist nicht selten der Fall, dass bei einer Todesfallversicherung der VN vor seinem Tode mehrere Tage zuvor bereits bettlägerig ist und aus diesem Grund im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles alleine keine Zahlungen mehr tätigen kann. In diesem Fall liegt im entscheidenden Moment häufig gerade kein subjektiver Verzug vor. Dem VN ist somit kein Verschulden zur Last zu legen, obwohl er möglicherweise Monate zuvor bereits die Möglichkeit hatte, die Prämienschuld zu begleichen. Diese Rechtslage ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts und des Abstellens auf den Versicherungsfall so zu akzeptieren. 119 120
Langheid/Wandt/Staudinger § 38 Rn. 16; Bruck/Möller/Möller 8 § 39 Rn. 34. Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 54; zweifelnd Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 30.
121 122
Bruck/Möller/Möller 8 § 39 Rn. 35; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 38 Rn. 13. Siehe hierzu Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 54.
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§ 38
Abschnitt 3. Prämie
3. Das Kündigungsrecht des VR
65
Hat der VN auch während der Zahlungsfrist die angemahnte fällige Prämie nebst Zinsen und Kosten nicht entrichtet, so steht dem VR nach Ablauf der Zahlungsfrist des Weiteren die Möglichkeit der Kündigung des Versicherungsvertrages zu, § 38 Abs. 3. Aus formaler Sicht steht es ihm dabei frei, ob er nach Fristablauf gemäß § 38 Abs. 3 Satz 1 eine eigenständige Kündigung an den VN versendet (isolierte Kündigung) oder aber die Kündigung gleichsam mit der qualifizierten Mahnung derart verbindet, dass diese mit Fristablauf wirksam wird, § 38 Abs. 3 Satz 2 (verbundene Kündigung). Von der Option der Kündigung unberührt bleibt die Möglichkeit, den Versicherungsvertrag einvernehmlich mittels einer Vertragsauflösung zu beenden. Dies ist jederzeit und unabhängig vom Vorliegen einer qualifizierten Mahnung möglich.
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a) Allgemeine Voraussetzungen der Kündigung. Wie auch im Rahmen der Leistungsfreiheit des VR bereits erörtert, ist auch das Kündigungsrecht der VR an allgemeine Voraussetzungen geknüpft. Der VN muss die ausstehende fällige Prämie nebst Zinsen oder Kosten trotz erfolgter ordnungsgemäßer Mahnung nicht innerhalb der Zahlungsfrist beglichen haben. Da die Kündigung eine rechtsgestaltende, empfangsbedürftige Willenserklärung ist, muss sie darüber hinaus von einem zur Erteilung einer Kündigung Berechtigten erklärt worden sein und dem richtigen Empfänger bzw. einem Empfangsberechtigten zugehen. Hierbei gelten weitestgehend die Erwägungen, die bereits im Rahmen der Mahnung dargestellt wurden (vgl. hierzu Rn. 16 ff.). Inkassobevollmächtigte, Versicherungsmakler und Versicherungsagenten sind grundsätzlich nicht berechtigt, Kündigungen auszusprechen, da dies ihren Kompetenzbereich überschreitet. Es ist jedoch gewiss möglich, auch derartigen Personen vertraglich die Befugnis hierzu einzuräumen. Die Kündigung ist anders als die qualifizierte Mahnung grundsätzlich formfrei. Schriftform kann jedoch vereinbart werden. Die Kündigung muss aber in jedem Falle endgültig ausgesprochen werden. Bloße Androhungen oder Ankündigungen genügen nicht.123 Der VN muss hier Klarheit über die Zukunft des Versicherungsvertrages haben. Über diese allgemeinen Voraussetzungen hinaus bestehen für die zwei möglichen Kündigungsarten noch weitere Besonderheiten.
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b) Isolierte Kündigung. Die isolierte Kündigung ist erst nach Ablauf der Zahlungsfrist möglich. Im Rahmen der isolierten Kündigung ist jedoch stets zu beachten, dass die Kündigungsvoraussetzungen auch noch im Zeitpunkt, in dem die Kündigung zugeht, vorliegen müssen.124 Insbesondere muss sich der VN noch bei Zugang im subjektiven Zahlungsverzug mit der Prämie befinden. War der Zahlungsverzug bis zu diesem Zeitpunkt unverschuldet, so kann die Kündigung keine Wirkung entfalten. Gleiches gilt, sofern der VN die zur Begleichung der Prämienschuld erforderliche Leistungshandlung vorgenommen hat, bevor ihm das Kündigungsschreiben zugeht. Hat der VN bspw. die Zahlung der Prämie mittels Überweisung oder Scheck bereits in die Wege geleitet, so bleibt die spätere Kündigung wirkungslos (vgl. zur Leistungshandlung § 36 Rn. 10 ff.).
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c) Verbundene Kündigung. Die verbundene Kündigung stellt für den VR gewiss die sinnvollere Kündigungsvariante dar. Dabei kann der VR innerhalb der qualifizierten Mahnung der Prämie bereits erklären, dass der Versicherungsvertrag mit Ablauf der Zahlungsfrist als gekündigt gilt, sofern der VN die Prämie bis dahin nicht bezahlt hat, § 38 123 124
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OLG Köln 19.3.1992 RuS 1992 151. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 38 Rn. 17; Berliner Kommentar/Riedler
§ 39 Rn. 57; Bruck/Möller/Möller 8 § 39 Rn. 40.
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Zahlungsverzug bei Folgeprämie
§ 38
Abs. 3 Satz 2. Dadurch erspart er sich zum einen entstehende Verwaltungskosten bzw. Verwaltungsaufwand, andererseits aber vor allem die Beweislast bzgl. des Zugangs der späteren Kündigung (vgl. hierzu Rn. 84 ff.). Zu beachten ist auch im Rahmen der verbundenen Kündigung, dass bis zum Ablauf der Zahlungsfrist die Voraussetzungen der Kündigung vorliegen müssen. Insbesondere muss sich der VN zu diesem Zeitpunkt noch in verschuldetem Verzug befinden.125 Das Eintreten der Wirkungen der Kündigung ist bei der verbundenen Kündigung durch die Nichtentrichtung der Prämie innerhalb der Zahlungsfrist aufschiebend bedingt, § 158 Abs. 1 BGB. Umstritten, aber wohl zu bejahen ist, dass der VR auch eine längere Befristung für das Eintreten der Kündigungsfolgen bestimmen kann.126 Insbesondere liegt in dieser längeren Befristung keine Beschneidung der Rechte des VN, sondern eine Besserstellung, so dass vor allem § 42 nicht dagegen spricht. d) Wirkung der Kündigung. Die Kündigungswirkung tritt bei Vorliegen aller Voraus- 69 setzungen ab dem Zugang der Kündigungserklärung bzw. bei der verbundenen Kündigung mit Ablauf der Zahlungsfrist ein (ex-nunc-Wirkung). Ab diesem Zeitpunkt ist der Versicherungsvertrag aufgelöst. Eine Ausnahme hierzu findet sich jedoch im Bereich der Lebensversicherung. Hier führt die Kündigung gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 nicht zur Auflösung des Versicherungsvertrages, sondern zur Umwandlung der Lebensversicherung in eine prämienfreie Lebensversicherung, worauf der VR bei Bestimmung der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 hinzuweisen hat, § 166 Abs. 3. Obwohl die Kündigung grundsätzlich bewirkt, dass die Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag ab diesem Zeitpunkt erlischt, gebührt dem VR nunmehr gemäß § 39 Abs. 1 nicht mehr die gesamte Prämie bis zum Ablauf der jeweiligen Versicherungsperiode, sondern nur noch für den Zeitraum, zu dem Versicherungsschutz bestanden hat. Der Gesetzgeber hat sich somit vom Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie abgewandt. e) Reaktivierung des Versicherungsvertrages, Abs. 3 Satz 3. Obwohl der Versiche- 70 rungsvertrag mit Zugang einer wirksamen Kündigung erloschen ist, gesteht der Gesetzgeber dem VN jedoch weiterhin das Recht auf Reaktivierung des Versicherungsvertrages zu für den Fall, dass er innerhalb eines Monats nach Zugang der Kündigung, bzw. bei verbundenen Kündigungen innerhalb eines Monats nach Fristablauf die Zahlung auf die Prämie mitsamt der sonstigen Kosten und Zinsen nachholt, § 38 Abs. 3 Satz 3. Dann fallen die Wirkungen der Kündigung nachträglich fort. Der Versicherungsvertrag lebt durch das einseitige Gestaltungsrecht des VN in seiner ursprünglichen Form wieder auf.127 Rechtlich lässt sich dieses Wiederaufleben am ehesten mit dem Rechtskonstrukt einer auflösend bedingten Kündigung erklären, § 158 Abs. 2 BGB.128 Ab Zahlung der Prämie besteht der Versicherungsvertrag wieder. Der Zahlung kommt keineswegs die Wirkung zu, auch die Leistungsfreiheit des VR rückwirkend zu beseitigen, vgl. Abs. 3 Satz 3 2. Halbs. Die Leistungspflicht des VR besteht erst wieder ab dem Zeitpunkt, ab dem der VR seiner Prämienzahlungspflicht ordnungsgemäß nachkommt. War zuvor ein Versicherungsfall eingetreten und der VR aufgrund des Prämienzahlungsverzugs nicht mehr zur Leistung verpflichtet, so kann der VN zwar gewiss immer noch den Versicherungsvertrag wiederaufleben lassen. An der vorherigen Leistungsfreiheit ändert dies jedoch nichts. 125
126
Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 38 Rn. 17; Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 57. Bruck/Möller/Möller 8 § 39 Rn. 45; Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 57; a.A. Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 31.
127 128
Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 61. Langheid/Wandt/Staudinger § 38 Rn. 22; Bruck/Möller/Möller 8 § 39 Rn. 50; Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 61.
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§ 38
Abschnitt 3. Prämie
Sehr umstritten ist die Frage, ob eine Reaktivierung des Versicherungsvertrages auch dann noch anzunehmen ist, wenn der VN lediglich aufgrund der Zwangsvollstreckung bzw. zur Abwendung der Zwangsvollstreckung die Prämienpflicht begleicht. Richtigerweise ist dies zu verneinen. Der Leistung auf die vormals bestehende Prämienzahlungspflicht liegt grundsätzlich eine autonome Willensentscheidung des VN zugrunde, durch welche dieser zum Ausdruck bringt, dass er an dem Versicherungsvertrag festhalten möchte. Die Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der VN am Vertrag festhalten möchte.129 Vielmehr zahlt er aufgrund anderer Beweggründe. Ohne weitere Anhaltspunkte tritt die Wirkung des § 38 Abs. 3 Satz 3 in diesem Fall somit nicht ein.130
III. Ausbleiben der Rechtsfolgen 71
Es existieren Fallgruppen, bei denen anerkanntermaßen die Rechtsfolgen des § 38 nicht eintreten. Hierzu zählen insbesondere die Stundung der Folgeprämie durch den VR, der Verzicht des VR auf die Rechtsfolgen des § 38 und der Ausschluss der Rechtsfolgen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB): 1. Stundung der Folgeprämie
72
Sofern der VN in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist, kommt es nicht selten vor, dass die Parteien sich darüber einigen, dass die Prämienforderung gestundet werden soll oder aber jedenfalls nicht vom VR innerhalb eines bestimmten Zeitraumes geltend gemacht werden soll. Welche rechtlichen Folgen eine derartige Vereinbarung nach sich zieht, ist daraufhin jedoch durch Auslegung zu ermitteln. So kann von Seiten des VR die Prämie bis auf weiteres gestundet worden sein. Eine solche Stundung hindert die Fälligkeit der Prämienforderung. Ohne fällige Prämienforderung kann aber gleichzeitig auch kein Verzug des VN eintreten. § 38 wäre dann nicht einschlägig. Anders verhielte es sich, wenn der VR lediglich zusagt, dass er die Prämie nicht geltend machen werde. In diesem Fall bleibt die Fälligkeit der Prämie unberührt. Die Verzugsfolgen des § 38 können somit gleichwohl eintreten. Ergibt sich durch Auslegung, dass der VR die Prämie tatsächlich stunden wollte, so 73 bewirkt die Stundung vor Fristsetzung, dass es mangels Fälligkeit an einer nicht rechtzeitigen Zahlung des VN fehlt. Die Rechtsfolgen des § 38 können somit nicht eintreten. Erfolgt die Stundung der Prämie während der Phase, in der die Zahlungsfrist läuft, 74 wird lediglich der Termin, an dem die Zahlungsfrist endet, nach hinten verlegt auf den Zeitpunkt, in dem die Stundungsfrist abläuft. Solange diese Stundungsfrist läuft, trägt der VR weiterhin die Gefahr des Versicherungsfalles. Zuvor erfolgte Rechtsgeschäfte, wie z.B. die Mahnung, bleiben von der Stundungsabrede zwar grundsätzlich unberührt.131 Überwiegend wird jedoch angenommen, dass nach Ablauf der Stundungsfrist die Verzugsfolgen nicht ohne deutliche Kennzeichnung des VR wieder aufleben würden.132 Vielmehr 129
90
AG Alsfeld 1.2.1991 NJW-RR 1991 1312; Gärtner VersR 1961 104, 105; HK-VVG/ Karczewski § 38 Rn. 27; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Michaelis § 38 Rn. 18; a.A. LG Duisburg 2.8.1961 VersR 1961 793; Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 31; Brockmann VersR 1960 678.
130 131 132
Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 62. OLG München 25.4.1958 VersR 1959 798. Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 68; Kalischko VersR 1988 671, 673; Prölss/ Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 40.
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Zahlungsverzug bei Folgeprämie
§ 38
müsse der VR nach Ablauf der Stundungsfrist erneut mahnen, um die Rechtsfolgen des § 38 herbeiführen zu können. Das ist durchaus nachvollziehbar, da im Unterschied zu einer bloßen Fristverlängerung der VN bei Erhalt einer Stundung nicht ohne weiteres davon ausgehen kann, dass er sofort nach Ablauf der Frist keinen Versicherungsschutz mehr genießt, sondern vielmehr auf eine Neuregelung des Versicherungsvertrages mit dem VR vertraut.133 Der VR kann diesem Rechtsschein indes vorbeugen, indem er im Rahmen der Stundungsabrede deutlich macht, dass nach Ablauf die Verzugsfolgen wieder aufleben. Nach Ablauf der Zahlungsfrist, also bei bestehender Leistungsfreiheit des VR, be- 75 wirkt eine Stundung der Prämie nicht, dass der VR wieder zur Leistung verpflichtet ist. Hierzu ist eine Zahlung der noch ausstehenden Prämien notwendig.134 Den VR trifft in diesem Fall eine Hinweispflicht auf die bestehende Leistungsfreiheit. Andernfalls könnte der VN fälschlicherweise von einem bestehenden Versicherungsschutz ausgehen. Da durch die Stundungsvereinbarung der Rechtsschein für den VN erweckt werden könnte, dass der VR an einer Neuregelung des Versicherungsvertrages interessiert sei, muss der VR nach Ablauf der Stundungsfrist erneut mahnen, um kündigen zu können. Die Leistungsfreiheit besteht jedoch auch ohne weitere Mahnung fort. Alleine die Annahme von Teilzahlungen lässt nicht zwingend auf ein Zustandekom- 76 men einer Stundungsvereinbarung schließen. Der VR sollte sich jedoch stets durch entsprechende Hinweise absichern, um die Gefahr einer Haftung nach Treu und Glauben auszuschließen. 2. Ruhen der Versicherung Neben der Stundungsvereinbarung steht den Parteien daneben auch die Möglichkeit 77 offen, den Vertrag für einen bestimmten Zeitraum ruhen zu lassen. Hierdurch werden beide Parteien ihrer vertraglichen Leistungspflichten enthoben. Erst nach Ablauf der Ruhezeit lebt der Vertrag in seiner ursprünglichen Fassung wieder auf. Dies schließt auch die einmal eingetretenen Verzugsfolgen ein. Hierzu bedarf es keiner weiteren Mahnung, sofern der VR durch die Vereinbarung nicht einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, durch den der VN zulässigerweise von einem bestehenden Versicherungsschutz ausgehen konnte. Natürlich steht es dem VR daneben jederzeit frei, auf die Verzugsfolgen zu verzichten oder sogar die rückständigen Prämien zu erlassen. In letzterem Falle bestünde ab Erlass wieder voller Versicherungsschutz für den VN. Andernfalls besteht Versicherungsschutz erst wieder durch Zahlung der ausstehenden Prämien. Soweit der VR jedoch erkennt, dass der VN irrtümlich von einem bestehenden Versicherungsschutz ausgeht, treffen ihn je nach Fallkonstellation übergesetzliche Hinweispflichten. Er hat diesen Irrtum unverzüglich zu beseitigen. 3. Verzicht des Versicherers Des Weiteren steht es dem VR frei, auf die ihm nach § 38 gebührenden Rechte zu ver- 78 zichten.135 Der Verzicht kann zwar sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen.136 Da jedoch ein Verzicht auf derart starke Rechte eher selten mit den Interessen des VR im Einklang stehen wird, müssen zur Annahme eines konkludenten Verzichts eindeutige 133 134 135
Kalischko VersR 1988 671, 673. Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 40. OLG Hamm 5.5.1982 VersR 1983 577; OLG Hamm 7.7.1952 VersR 1952 421.
136
Langheid/Wandt/Staudinger § 38 Rn. 21; Römer/Langheid2 § 39 Rn. 17.
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§ 38
Abschnitt 3. Prämie
Anzeichen vorliegen, die keinen anderen Schluss zulassen, als dass er auf die Rechte verzichten möchte. Andernfalls kann eine Auslegung seiner Willenserklärung nicht ohne Zweifel als Verzicht qualifiziert werden, §§ 133, 157 BGB. So liegt bspw. kein Verzicht in der gerichtlichen Geltendmachung der Prämie.137 Auch die Nichtbefolgung der Benachrichtigungspflicht bei Prämienzahlungsverzug bei Kfz-Versicherungen lässt hierauf nicht schließen. Ebenso genügt auch die Sachverhaltsermittlung und Schadensfeststellung durch den VR nicht den Anforderungen an einen konkludenten Verzicht. Ein kurzzeitiger Zahlungsaufschub oder eine Stundung der Prämie ist ebenfalls nicht ausreichend.138 Ein Verzicht auf das Recht zur Kündigung beinhaltet nicht zwangsläufig auch den Verzicht auf die Leistungsfreiheit. Unzweifelhaft liegt auch kein konkludenter Verzicht vor, wenn der VR verspätete Prämienzahlungen widerspruchslos annimmt oder rückständige Beträge nach Eintritt der Leistungsfreiheit akzeptiert.139 Hierauf hat er auch in diesen Phasen noch einen Anspruch, so dass hierin kein weitergehender Wille zu sehen ist. Schwierig einzuordnen ist die Fallgruppe, in der der VR alle momentan fälligen Folgeprämien annimmt, sich jedoch bei späterem Versicherungsfall auf Leistungsfreiheit beruft, weil der VN vor längerer Zeit eine angemahnte Folgeprämie nicht beglichen hat. Nach Ansicht des BGH liegt hierin ein Verstoß gegen Treu und Glauben.140 Nach anderer Ansicht wäre die widerspruchslose Annahme von Folgeprämien über einen längeren Zeitraum trotz bestehender Leistungsfreiheit als konkludenter Verzicht auf die rückständige Folgeprämie zu werten.141 Es spricht im Ergebnis mehr dafür, die Berufung auf die Leistungsfreiheit als Verstoß gegen Treu und Glauben zu versagen. Letztlich hängt diese Fallgruppe eng mit dem Grundsatz zusammen, dass den VR Aufklärungspflichten treffen, soweit der VN von einem bestehenden Versicherungsschutz ausgeht. Auch in diesem Fall wird der VN aufgrund seiner nunmehr regelmäßigen Zahlung auf diesen vertrauen. Insofern ist es nicht notwendig, dem VR gänzlich das Recht zur Geltendmachung der rückständigen Prämie zu versagen. Die zeitliche Grenze zur Geltendmachung von Forderungen sind ansonsten nämlich ohnehin die Verjährungsregeln. Ist für beide Seiten unklar, ob ein konkludenter Verzicht auf die Prämie erfolgt ist, 79 oder erkennt der VR, dass der VN von einem bestehenden Versicherungsschutz ausgeht, so tut er gut daran, den VN auf die bestehende Rechtslage hinzuweisen, um der Gefahr eine Einstandspflicht entgegen zu wirken. 4. Treu und Glauben
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Die Berufung auf die Rechtsfolgen des § 38 kann dem VR darüber hinaus nach Treu und Glauben versagt sein. Als bedeutendste Fallgruppe zählt hierzu insbesondere der Verzug mit einem nur vergleichbar unbedeutenden Teil der Prämie (vgl. hierzu ausführlich § 37 Rn. 29). Darüber hinaus wird dem VR nach herrschender Ansicht die Leistungsfreiheit bzw. die Kündigung verwehrt, wenn der VR seinen Anspruch auf die Folgeprämie mit einem Anspruch des VN aufrechnen kann.142 Das kann etwa der Fall sein, wenn der VN einen zu hohen Betrag als Prämie überwiesen hat und nunmehr einen Rückzahlungsanspruch gegen den VR hatte. Problematisch sind jedoch die Konstellationen, in denen der VR keine Kenntnis von einer möglichen Aufrechnungslage hatte. Hier 137 138
139
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OLG Nürnberg 14.7.1952 VersR 1952 370. OLG Düsseldorf 24.10.1949 VersR 1950 22; OLG Hamm 7.7.1952 VersR 1952 421; LG Krefeld 14.5.1959 VersR 1959 785; LG Berlin 1.10.1952 VersR 1952 426. BGH 24.1.1963 VersR 1963 376.
140
141 142
BGH 24.1.1963 VersR 1963 376; in diese Richtung auch Langheid/Wandt/Staudinger § 38 Rn. 21. Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 64. OLG Frankfurt a.M. 3.8.2005 VersR 2006 537.
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Zahlungsverzug bei Folgeprämie
§ 38
bestehen berechtigte Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 242 BGB. Der VN muss in diesem Fall eine Aufrechnungserklärung gegenüber dem VR abgeben.143 Andernfalls würde der VR über Gebühr benachteiligt. Zu beachten bleibt jedoch, dass der VN nach eingetretenem Versicherungsfall die Leistungsfreiheit nur beseitigen kann, sofern die Forderung bereits bei Eintritt fällig war. Danach entstandene Forderungen können auch die Leistungsfreiheit nicht mehr nachträglich beseitigen. 5. Pflichthaftpflichtversicherung Im Rahmen der Pflichthaftpflichtversicherung hat die bestehende Leistungsfreiheit 81 zwischen VN und VR keinen Einfluss auf den Anspruch des Dritten gegen den VR. Der Dritte erhält über § 117 Abs. 1 einen fiktiven Deckungsanspruch, so dass der VR an diesen in jedem Falle leisten muss, solange er nicht die Gegenmaßnahmen nach § 117 Abs. 2 ergriffen hat.
IV. Abdingbarkeit Eine Abänderung der nach § 38 bestehenden Rechtslage ist zu Lasten des VN nicht 82 möglich, § 42. Abweichende Vereinbarungen lässt § 211 jedoch im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen zu, sofern die Aufsichtsbehörde diese genehmigt hat. Solche abweichenden Vereinbarungen sind etwa bei Versicherungen mit kleineren Beträgen möglich.
C. Regelungen in AVB Durch die AVB wird regelmäßig die Fälligkeit der Folgeprämie geregelt, da hierzu 83 auch nach der VVG-Reform keine gesetzliche Vorschrift vorhanden ist. Der gebräuchlichste Fälligkeitstermin ist dabei der Monatserste des vereinbarten Versicherungszeitraumes, z.B. Nr. 10.1 AHB 2008. Andere AVB verweisen auf den im Versicherungsschein oder den vereinbarten Zeitpunkt, Abschnitt B § 4 Nr. 1 a) VHB 2008; C.2.1 AKB 2008; Nr.11.3.1 AUB 2008. Ansonsten ist es weiterhin der Regelfall, dass bei vereinbarter Ratenzahlung und Verzug mit einer Rate die gesamte Prämie für den jeweiligen Zeitraum sofort fällig wird, z.B. Nr. 12 AHB 2008, Abschnitt B § 6 VHB 2008.
D. Beweislast Wie im Zivilprozess, muss grundsätzlich jede Partei die für sie vorteilhaften Tatsachen 84 nachweisen. So hat der VN vor allem den Beweis zu erbringen, dass er die Prämie rechtzeitig abgesandt hat. Ebenso wäre von ihm eine etwaige Stundungsvereinbarung oder auch ein Verzicht des VR auf die Rechte des § 38 zu beweisen.144 Der VR ist beweispflichtig hinsichtlich der Tatsache, dass die qualifizierte Mahnung 85 dem richtigen Empfänger zugegangen ist.145 Alleine die Absendung genügt für den Be143
144
Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 65; Prölss/Martin/Knappmann27 § 39 Rn. 36. Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 76.
145
OLG Köln 7.5.2004 RuS 2004 316; OLG München 21.4.2004 VersR 2005 674; OLG Köln 23.10.2001 RuS 2001 447; LG Düsseldorf 24.9.2004 RuS 2006 13; Langheid/ Wandt/Staudinger § 38 Rn. 28.
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weis nicht, auch nicht bei Einschreibesendungen.146 Jedoch kann durch das Einschreiberegister bei der Post der tatsächliche Zugang bewiesen werden. Das Bezugnehmen des VN auf die erfolgte Mahnung in einem späteren Schreiben reicht für den Beweis des Zugangs aus.147 Auch die Kontaktaufnahme per Telefon unter Bezugnahme auf das Schreiben genügt. Verwendet der VN einen der Mahnung beigefügten Überweisungsträger zur Begleichung der Prämie ist der Beweis ebenfalls erbracht, solange dieser von den zuvor zugegangen Formularen unterscheidbar ist. Ansonsten reicht die exakte Zahlung der ausstehenden Prämie nicht aus, da der VN diesen Betrag auch anderen Prämienrechnungen entnehmen kann. Wurde die Mahnung nur mittels einfachen Briefes versandt, so kann der VN den Zugang relativ leicht bestreiten. Er muss dies auch nicht näher begründen. Das Gericht kann gewiss nach vorhandener Faktenlage den Zugang in Einzelfällen bejahen, wird hiervon jedoch regelmäßig absehen, da für den Zugang von Postsendungen keine hinreichenden Erfahrungsgrundsätze bestehen, die deren Zugang vermuten ließen.148 Es gibt keinen Beweis des ersten Anscheins.149 Allerdings können sich durchaus Indizien für den Zugang aus der Art und Weise des Bestreitens und dem zeitlichen Rahmen, in dem der Zugang bestritten wird, ergeben. Wurden ansonsten alle Anschreiben des VR an den VN zugestellt, so hat dies Indizwirkung.150 Gewährleistet der VR einen Rücklauf von unzustellbaren Schriftstücken, so hat auch dies Indizwirkung, da bei Unzustellbarkeit des Briefes dieser wieder an den Absender zurückgeschickt würde.151 Darüber hinaus wurde eine Indizwirkung in dem Fall bejaht, in dem der VR ein EDVgestütztes Mahnverfahren verwendet hat, bei dem die Fehlerquelle verschwindend gering ist.152 Der VN ist zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, unverzüglich den Zugang einer Mahnung zu bestreiten. Auch ist er keineswegs verpflichtet zu reagieren, sofern der VR in einem Schreiben auf eine zuvor versandte Mahnung Bezug nimmt. Dennoch nimmt die herrschende Ansicht eine Beweislastumkehr für den Fall an, dass der VN erst nach Verstreichen einer sehr langen Zeit – z.B. nach zwei Jahren – dem Zugang widerspricht. Nach so langer Zeit wird dann vermutet, dass der VN Kenntnis von der Mahnung erlangt hat. Ist zwischen den Parteien unstrittig, dass das Einschreiben zuging, so gilt des Weiteren die Vermutung, dass sich in diesem auch die besagte Mahnung befand, solange der VN nicht darlegen kann, dass er von Seiten des VR andere wichtige Dokumente erwartete. Der VR ist weiterhin bzgl. des Zeitpunktes des Zugangs der Mahnung beweisbelas86 tet.153 Entgegnet der VN, dass das Schreiben erst zu einem ungewöhnlichen späten Zeitpunkt angekommen ist, wird ihm von Seiten der Rechtsprechung jedoch aufgetragen, plausible Gründe dafür vorzutragen, dass die Mahnung erst so spät zugegangen ist.154 Wie dem VN dies gelingen soll, ist jedoch kaum vorstellbar. Schließlich liegt die Zustellung der Post nicht in seiner Herrschaftssphäre, so dass er über das Geschehen bisweilen keine Kenntnis haben kann. Der VR muss weiterhin beweisen, dass die rückständigen Prämien nebst Zinsen und 87 Kosten exakt beziffert wurden. Erhebt der VN die Einrede der unkorrekten Angabe der 146
147 148 149
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AG Köln 11.9.2002 VersR 2003, 490; vgl. zum Einschreiben Hunke VersR 2002 660; Dübbers PVR 2001 271; Lang VersR 1987 1161. Lang VersR 1987 1161. OLG Hamm 11.5.2007 VersR 2007 1397; LG Düsseldorf 24.9.2004 RuS 2006 13. HK-VVG/Karczewski § 38 Rn. 12; OLG München 21.4.2004 VersR 2005 674; OLG
150 151 152 153 154
Köln 23.10.2001 RuS 2001 447; LG Düsseldorf 24.9.2004 RuS 2006 13. OLG München 21.4.2004 VersR 2005 674. AG Diepholz 4.9.02 Schaden-Praxis 2003 30. LG Düsseldorf 13.3.2003 RuS 2003 445. OLG Hamm 11.5.2007 VersR 2007 1397. LG Koblenz 17.5.1979 ZfS 1981 208; LG Köln 5.3.1985 ZfS 1985 304.
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Vorzeitige Vertragsbeendigung
§ 39
ausstehenden Prämie, so hat er das Mahnschreiben vorzulegen, um dies glaubhaft zu machen. Ist ihm dies nicht mehr möglich, so reicht eine Durchschrift, Kopie, o.ä. des Mahnschreibens, um die Korrektheit der Angaben zu belegen. Kann der VR diese ebenfalls nicht vorlegen, so ist der Beweis nicht erbracht und die Einrede wirkt zu Lasten des VR. Der VR hat weiterhin die ordnungsgemäße Belehrung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 zu beweisen. Nur eine ordnungsgemäß erfolgte qualifizierte Mahnung kann die Rechtsfolgen des § 38 Abs. 2 und Abs. 3 hervorrufen. Allerdings geht die Vermutung dahin, dass das dem VN zugegangene Mahnschreiben die regelmäßig verwendeten Belehrungen des VR enthielt.155 Da das Formerfordernis der Faksimile-Unterschrift nunmehr entfallen ist, trifft den VR diesbezüglich keine Beweislast mehr. Da der VR bereits den Zeitpunkt des Zugangs der Mahnung beweisen muss, obliegt ihm gleichfalls die Beweislast, dass ein Versicherungsfall nach Ablauf der Zahlungsfrist eingetreten ist, um seine Leistungsfreiheit zu belegen. Will der VN dagegen einwenden, dass er die ausstehende Prämie bereits vorher bezahlt hat, so muss er den Entlastungsbeweis antreten. Steht der Zeitpunkt der Zahlung fest, nicht aber der Zeitpunkt des Versicherungsfalls, so muss der VN darlegen, zu welchem Zeitpunkt der Versicherungsfall eingetreten ist. Da ein Verschulden hinsichtlich der nicht rechtzeitigen Zahlung grundsätzlich vermutet wird, muss der VN beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft. Das fehlende Verschulden muss sich dabei z.B. auf den Zeitpunkt beziehen, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist und die rückständigen Prämien nicht bezahlt wurden. Die Kündigung ist stets eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die dem Vertragspartner somit zugehen muss. Der VR muss also auch hier den Zugang beweisen. Aus der Tatsache, dass über einen längeren Zeitraum keine rückständige Prämie bezahlt wurde, kann nur eine sehr geringe Indizwirkung folgen.156 Wie bei der Einrede der Leistungsfreiheit hat der VR ansonsten ebenfalls die ordnungsgemäße qualifizierte Mahnung zu beweisen sowie die Eindeutigkeit hinsichtlich des Wortlauts der Kündigung. Dagegen kann der VN vorbringen, dass er rechtzeitig geleistet hat oder aber unverschuldet nicht geleistet hat, wofür er beweispflichtig ist. Letztlich muss der VN beweisen, dass er innerhalb der Reaktivierungsfrist nach § 38 Abs. 3 Satz 3 die rückständigen Prämien beglichen hat.
§ 39 Vorzeitige Vertragsbeendigung (1) 1Im Fall der Beendigung des Versicherungsverhältnisses vor Ablauf der Versicherungsperiode steht dem Versicherer für diese Versicherungsperiode nur derjenige Teil der Prämie zu, der dem Zeitraum entspricht, in dem Versicherungsschutz bestanden hat. 2Wird das Versicherungsverhältnis durch Rücktritt auf Grund des § 19 Abs. 2 oder durch Anfechtung des Versicherers wegen arglistiger Täuschung beendet, steht dem Versicherer die Prämie bis zum Wirksamwerden der Rücktritts- oder Anfechtungserklärung zu. 3Tritt der Versicherer nach § 37 Abs. 1 zurück, kann er eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen. 155
OLG Hamm 9.5.79 VersR 1979 1047; OLG Hamm 28.9.56 VersR 1957 225.
156
Zweifelnd Berliner Kommentar/Riedler § 39 Rn. 87.
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Abschnitt 3. Prämie
(2) Endet das Versicherungsverhältnis nach § 16, kann der Versicherungsnehmer den auf die Zeit nach der Beendigung des Versicherungsverhältnisses entfallenden Teil der Prämie unter Abzug der für diese Zeit aufgewendeten Kosten zurückfordern.
Schrifttum Funck Ausgewählte Fragen aus dem Allgemeinen Teil zum neuen VVG aus der Sicht einer Rechtsabteilung, VersR 2008 163; Ganster Die Prämienzahlung im Versicherungsrecht (2008) (zit.: Ganster Prämienzahlung); Heiss Unteilbarkeit oder Teilbarkeit der Prämie: nationalrechtliche oder EWG-Aspekte, VersR 1989 1125; Looschelders Zum Anspruch des Versicherers aus § 40 Abs. 1 S. 1 VVG auf die geleisteten Prämien bei Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, JR 2006 423; Prahl Zum Prämienanspruch des Versicherers nach Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung des VN, VersR 2007 459; Schildt Zur Verfassungsmäßigkeit des VVG § 40 Abs. 2 S. 1, JR 1993 236; Sieg Prämienbelegte Zeiträume ohne Versicherungsschutz nach VVG, BB 1987 2249; vgl. im Übrigen Schrifttum bei § 33.
Übersicht Rn. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte und Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt und Zweck der Regelung . . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . II. Tatbestand und Rechtsfolgen . . . . . . . 1. Teilbarkeit der Prämie bei vorzeitiger Vertragsbeendigung, § 39 Abs. 1 Satz 1 2. Rücktritt aufgrund des § 19 Abs. 2 und Anfechtung seitens des VR wegen arglistiger Täuschung, § 39 Abs. 1 Satz 2 .
Rn.
1
3. Beschränkung der Zahlungspflicht auf eine angemessene Geschäftsgebühr nach § 39 Abs. 3 Satz 1 bei Nichtzahlung der Erstprämie . . . . . . . . . . . . 4. Rückforderungsrecht des VN nach § 39 Abs. 2 bei Insolvenz des Versicherers . 5. Grundsatz der Teilbarkeit und Einlösungsprinzip . . . . . . . . . . . . . 6. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . III. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . .
1 4 7 8 8
14 15 16 18 19
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I. Einführung 1. Entstehungsgeschichte und Übergangsvorschriften
1
§ 39 ersetzt den vor der Reform geltenden § 40 a.F. Dieser war in seiner Grundkonzeption schon im VVG 1908 enthalten, wurde aber durch die Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung vom 19.12.1939 neu gefasst und stark erweitert. Der Anwendungsbereich des § 40 Abs. 1 a.F. war bis dahin auf Rücktritt oder Kündigung wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht oder Gefahrerhöhung beschränkt und galt nach der Neufassung auch für die Verletzung anderer Obliegenheiten und für die Anfechtung durch den VR, da die Interessenlage in diesen Fällen die gleiche ist.1 Nach § 40 VVG 1908 wurde als maßgebliche Versicherungsperiode auf diejenige abgestellt, in der Kündigung oder Rücktritt wirksam wurden, während die Neufassung im Interesse des VN diejenige für maßgeblich erklärte, in der der VR Kenntnis von der Verletzung der Obliegenheit, der Gefahrerhöhung oder dem Anfechtungsgrund erlangte.2 Eine Ausnahme davon galt nur dann, wenn die Kündigung erst in der folgen1
Amtliche Begründung zur Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung vom 19.12.1939 in Motive S. 642, 644.
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Amtliche Begründung zur Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung vom 19.12.1939 in Motive S. 642, 644.
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Vorzeitige Vertragsbeendigung
§ 39
den Versicherungsperiode wirksam wurde. § 40 Abs. 2 VVG 1908 wurde durch die Neufassung nur stilistisch geändert3, während § 40 Abs. 3 VVG 1908 dahingehend erweitert wurde, dass auch der Konkurs des VN ein Rückforderungsrecht für diesen begründete.4 In § 39 Abs. 1 Satz 1 wurde der vor der Reform geltende Grundsatz der Unteilbarkeit 2 der Prämie aufgegeben. Dem VR soll künftig nur noch der Teil der Prämie zustehen, der dem vom VR zeitanteilig getragenen Risiko entspricht.5 Für das Inkrafttreten der Vorschrift bzw. für den Übergang zwischen dem früheren 3 VVG und dem Recht nach der VVG-Reform gelten die allgemeinen Regeln über das Inkrafttreten, insbesondere Art. 12 VVG RefG. 2. Inhalt und Zweck der Regelung In den Fällen, in denen der Versicherungsvertrag durch Kündigung, Anfechtung oder 4 Rücktritt endet, muss es eine Regelung dafür geben, für welche Zeit und in welcher Höhe dem VR die Versicherungsprämie zusteht. Für diese Frage gibt es mehrere mögliche Lösungsansätze.6 Der in § 40 a.F. geregelte Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie war ein möglicher Lösungsansatz, wurde aber vom Gesetzgeber in § 39 aufgegeben, da seine Anwendung vielfach zu einer unangemessenen Begünstigung des VR zu Lasten des VN führte. Dem VR stand nach § 40 Abs. 1 a.F. die Versicherungsprämie bis zum Schluss der Versicherungsperiode zu, in der er von der Verletzung der Obliegenheit, der Gefahrerhöhung oder dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangte. Nach § 40 Abs. 2 a.F. gebührte dem VR bei einer Kündigung wegen nicht rechtzeitiger Zahlung der Prämie die Prämie bis zur Beendigung der laufenden Versicherungsperiode. Nach Maßgabe dieser Vorschrift stand dem VR die Versicherungsprämie für einen Zeitraum zu, in dem er selbst zumeist keinerlei Risiko mehr trug. Aufgrund dieser Ungleichheit zwischen der vollständig zu zahlenden Prämie und dem nur teilweise gewährten Versicherungsschutz wurden in der Literatur verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift wegen eines möglichen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG geltend gemacht.7 Diese Bedenken hatten indes sowohl der BGH8 als auch das BVerfG9 nicht geteilt. Als Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass die Vorschrift ein Ausgleich dafür sei, dass der VN nicht mit möglicherweise höheren Schadensersatzforderungen belastet werde und dass die Norm letztlich ein zulässiges Druckmittel für den VR darstelle, um den VN zu vertragsgemäßem Handeln zu veranlassen. Trotz der damit bestätigten Zulässigkeit sind viele VR in ihren AVB vom Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie abgewichen und verlangen zumeist nur noch eine anteilige Prämie.10 Auch der Gesetzgeber ist nunmehr durch das VVG 2008 von dem Grundsatz der Un- 5 teilbarkeit der Prämie abgerückt, da die bisherige Regelung in vielen Fällen zu durchweg unbefriedigenden Ergebnissen führte. Durch die Aufgabe des Grundsatzes der Unteilbarkeit mussten die Regelungen des § 40 Abs. 1 und 2 a.F. grundsätzlich neu gestaltet wer-
3 4
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Berliner Kommentar/Riedler § 40 Rn. 1. Amtliche Begründung zur Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung vom 19.12.1939 in Motive S. 642, 644. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 72. Siehe dazu näher Berliner Kommentar/Riedler § 40 Rn. 4. Vgl. hierzu Prölss/Martin/Prölss27 § 40
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Rn. 9 ff.; Berliner Kommentar/Riedler § 40 Rn. 10; Römer/Langheid2 § 40 Rn. 3; Looschelder JR 2006 423; Sieg BB 1987 2249; Schildt JR 1993 236. BGH 1.6.2005 VersR 2005 1065; BGH 2.10.91 VersR 1991 1277. BVerfG 8.3.1999 VersR 1999 1221. Nr. 14 AHB 2006, § 9 F ARB 2000/Fassung Juni 2006, § 15 VGB 2000 Nr. 11.6 AUB 99.
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Abschnitt 3. Prämie
den. Lediglich § 40 Abs. 3 a.F. wurde in § 39 Abs. 2 unverändert übernommen, da dieser bereits eine Ausnahme vom Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie enthielt. Als Hauptanwendungsfall von § 39 Abs. 1 Satz 1 sieht der Gesetzgeber die vorzeitige 6 Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Ausübung eines besonderen Kündigungsrechts an, das ihm durch das VVG eingeräumt wird.11 Auch in den Fällen der Anfechtung oder des Rücktritts wäre es unbillig, dem VR die volle Versicherungsprämie zu gewähren, obwohl dessen vertragliche Gefahrtragung entfällt (dazu noch unten Rn. 10 und Rn. 12 f.).12 3. Anwendungsbereich
7
§ 39 regelt im Grunde umfassend für fast alle Versicherungsarten den Prämienanspruch des VR für den Fall, dass der Versicherungsvertrag aus den in § 39 geregelten Gründen vorzeitig beendet wird. Ausnahmeregelungen sind hier nur in vier Fällen vorgesehen. In der Hagelversicherung enthält § 92 Abs. 3 eine § 39 entgegenstehende Regelung, für deren Fortbestand sich der Gesetzgeber aber ausdrücklich entschieden hat, da sie der typischen Risikosituation in diesem Versicherungszweig Rechnung trägt.13 Hier kann der VR nur zum Ende der Versicherungsperiode kündigen, weil andernfalls der VN aufgrund der jahreszeitlichen Besonderheiten nur unter erschwerten Bedingungen einen neuen Versicherungsvertrag abschließen kann. Aufgrund dieser Situation muss der VN hier stets die Prämie bis zum Ende der Versicherungsperiode zahlen. Ausnahmen von § 39 Abs. 1 Satz 1 bestehen weiterhin nach §§ 74 Abs. 2 (Überversicherung), 78 Abs. 3 (Mehrfachversicherung) und 80 Abs. 3 (fehlendes versichertes Interesse), da es sich in diesen Fällen um Betrugsfälle handelt, bei denen der VN nicht schützenswert ist. Hier steht dem VR die Prämie bis zu dem Zeitpunkt zu, zu dem er Kenntnis von den Umständen erlangt, die zur Nichtigkeit des Vertrages führen.
II. Tatbestand und Rechtsfolgen 1. Teilbarkeit der Prämie bei vorzeitiger Vertragsbeendigung, § 39 Abs. 1 Satz 1
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Dem VR steht „im Fall der Beendigung des Versicherungsverhältnisses vor Ablauf der Versicherungsperiode … für diese Versicherungsperiode nur derjenige Teil der Prämie zu, der dem Zeitraum entspricht, in dem Versicherungsschutz bestanden hat.“ Die Prämie ist also nur noch „pro rata temporis“ zu entrichten, d.h. proportional zu der Zeit, in der der VR tatsächlich auch die Gefahr getragen hat. Maßgebliches Kriterium für die Bestimmung des Umfangs der zu zahlenden Versicherungsprämie bei vorzeitiger Vertragsbeendigung ist somit die Dauer des Versicherungsschutzes. Dieses Kriterium sieht der Gesetzgeber zu Recht als geeignet an, um zu einem angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen zu gelangen.14 Der Hauptanwendungsfall der Vorschrift ist der Fall, in dem das Versicherungsver9 hältnis durch Ausübung eines besonderen Kündigungsrechts vorzeitig beendet wird. Das VVG räumt den Parteien des Versicherungsvertrages in zahlreichen Fällen ein solches Kündigungsrecht ein. Beispielsweise in § 19 Abs. 3 Satz 2 bei der Verletzung einer An-
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RegE BTDrucks. 16/3945 S. 72. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 72. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 72.
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RegE BTDrucks. 16/3945 S. 72; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 39 Rn. 3.
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Vorzeitige Vertragsbeendigung
§ 39
zeigepflicht, § 24 bei einer Gefahrerhöhung, § 28 Abs. 1 bei der Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, § 38 Abs. 3 wegen Zahlungsverzug bei der Folgeprämie oder §§ 19 Abs. 6 und 25 Abs. 2 wegen Erhöhung der Versicherungsprämie. Ausweislich des Regierungsentwurfs ist § 39 Abs. 1 Satz 1 auch bei einer rückwirken- 10 den Vertragsbeendigung durch Anfechtung oder Rücktritt15 anwendbar und führt in diesen Fällen dazu, dass kein Prämienanspruch besteht, da die Gefahrtragung des VR mit Wirkung ex tunc entfällt.16 § 39 Abs. 1 Satz 1 ist nur dann anwendbar, wenn das Versicherungsverhältnis vor 11 Ablauf der Versicherungsperiode beendet wird. Im Fall des § 38 verliert der VR seine Ansprüche auf die Prämienzahlung nicht allein dadurch, dass er den VN nach § 38 Abs. 1 qualifiziert gemahnt hat und dann nach § 38 Abs. 2 leistungsfrei wird. Vielmehr bedarf es für die Anwendung von § 39 Abs. 1 Satz 1 auch in dieser Konstellation einer Kündigung durch den VR nach § 38 Abs. 3.17 Diese Lösung muss für den VN nicht immer nachteilig sein, da auch er ein Interesse daran haben kann, dass seine Versicherung trotz vorübergehender Leistungsfreiheit nicht gekündigt wird und nach Zahlung der ausstehenden Prämien dann wieder Versicherungsschutz besteht. Dies ist beispielsweise denkbar bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung, wenn zwischenzeitlich neue gesundheitliche Risiken bekannt geworden sind.18 Auch wenn der VR sich entscheidet, den Versicherungsvertrag nach § 38 Abs. 3 erst zum Ende der Versicherungsperiode zu kündigen, obwohl vorher bereits Leistungsfreiheit nach § 38 Abs. 2 eingetreten ist, behält er für diese Versicherungsperiode den vollen Prämienzahlungsanspruch. Es gibt auch nach neuem Recht in diesen Fällen keine Obliegenheit des VR den Versicherungsvertrag zu kündigen, denn in § 38 Abs. 3 ist ausdrücklich weiterhin von „kann“ die Rede.19 Vereinzelt wird vertreten, dass in diesen Fällen eine Begrenzung des Prämienanspruchs über § 242 BGB vorzunehmen ist, da der VR sich den Vorwurf der Treuwidrigkeit machen lassen muss, wenn er nicht auch gleichzeitig mit Setzung der Zahlungsfrist die Kündigung ausspricht, obwohl er keine Anhaltspunkte dafür hat, dass der VN nach Ablauf der Zahlungsfrist doch noch zahlen wird.20 Dagegen spricht allerdings, dass für diesen Ansatz keinerlei Anhaltspunkte in den betreffenden Vorschriften des neuen VVG zu finden sind. Der Gesetzgeber hat zu dieser Frage vielmehr geschwiegen. Daraus lässt sich ableiten, dass er sie den Gerichten überlassen wollte.21 Gegen eine Begrenzung des Prämienanspruches spricht auch, dass der VN sich durch den Versicherungsvertrag für eine bestimmte Zeit zur Prämienzahlung verpflichtet hat und durch die Nichtzahlung eine Pflichtverletzung begeht. Es wäre ein „ungerechtfertigter Eingriff in die Rechtsposition des VR“22, ihm in diesem Fall eine Kündigung aufzudrängen und ihm dadurch die Möglichkeit zu nehmen, die Prämienforderung notfalls auch gerichtlich durchzusetzen. Erst bei einer rechtsmissbräuchlichen Hinauszögerung über einen längeren Zeitraum, ohne dass der VN Ansätze einer Zahlungswilligkeit zeigt, kann eine Begrenzung der Prämienforderung zu erwägen sein.23
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Zur Wirkung des Rücktritts Bruck/Möller/ Rolfs § 19 Rn. 124; Palandt/Grüneberg 69 Einf. vor § 346 Rn. 6. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 72. Marlow/Spuhl3 S. 122; Funck VersR 2008 163, 167. Marlow/Spuhl3 S. 122. Funck VersR 2008 163, 167.
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Marlow/Spuhl 3 S. 125; Prölss/Martin/ Prölss27 § 40 Rn. 5. Funck VersR 2008 163, 167. Funck VersR 2008 163, 167. OLG Düsseldorf 20.2.2001 VersR 2002 217; OLG Koblenz 29.9.2000 RuS 2001 183; Römer/Langheid2 § 40 Rn. 6.
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§ 39
Abschnitt 3. Prämie
2. Rücktritt aufgrund des § 19 Abs. 2 und Anfechtung seitens des VR wegen arglistiger Täuschung, § 39 Abs. 1 Satz 2 Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 steht dem VR die Prämie bei Rücktritt aufgrund des § 19 Abs. 2 oder Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung bis zum Wirksamwerden der Rücktritts- oder Anfechtungserklärung zu. § 19 Abs. 2 regelt die Möglichkeit des VR von dem Versicherungsvertrag in dem Fall zurückzutreten, in dem der VN seine ihm nach § 19 Abs. 1 obliegende Anzeigepflicht bzgl. aller ihm bekannten Gefahrumstände verletzt hat. In diesem Fall sieht es der Gesetzgeber als angemessen an, dem VR einen Prämienanspruch bis zum Wirksamwerden der Rücktrittserklärung zu geben, da er nach § 21 Abs. 2 auch weiterhin zur Leistung verpflichtet ist, wenn die Verletzung der Anzeigepflicht für den Versicherungsfall nicht kausal ist. Auch bei einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung entspricht es nach Ansicht des Gesetzgebers „der Billigkeit“ dem VR einen Anspruch auf die Prämie bis zum Wirksamwerden der Anfechtungserklärung zuzugestehen.24 Andernfalls könnte der arglistig täuschende VN quasi sorglos einen Versicherungsvertrag eingehen, da er für den Fall, dass der VR die Täuschung erkennt, zwar keinen Versicherungsschutz genießt, aber auch überhaupt keine Prämien zahlen müsste.25 § 39 Abs. 1 Satz 2 enthält somit eine Ausnahme zu dem in Absatz 1 geregelten 13 Grundsatz der Teilbarkeit der Prämie. Dem VR steht hier die Prämie für einen Zeitraum zu, in dem er, abgesehen von dem Fall des § 21 Abs. 2, keine Gegenleistung dafür erbringt. Der Gesetzgeber hat sich ausdrücklich für diese Lösung entschieden und hält sie für angemessen. Dies ist auch nicht ganz von der Hand zu weisen, da der VN durch sein vertragswidriges Verhalten dem VR ja erst die Möglichkeit gegeben hat, den Vertrag aufzuheben.26 Es wäre jedoch auch möglich gewesen, in diesen Fällen den Grundsatz der Teilbarkeit der Prämie anzuwenden und es bei der Rechtsfolge des Abs. 1 Satz 1 zu belassen, dem VR dann aber in Anlehnung an das BGB einen Schadensersatzanspruch zu gewähren.27
12
3. Beschränkung der Zahlungspflicht auf eine angemessene Geschäftsgebühr nach § 39 Abs. 3 Satz 1 bei Nichtzahlung der Erstprämie
14
Im Falle der Nichtzahlung der Erstprämie kann der VR nach § 37 Abs. 1 zurücktreten. Er kann dann nach § 39 Abs. 3 Satz 1 lediglich eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen. Die Geschäftsgebühr soll dazu dienen, dem VR Aufwendungen zu ersetzen, die ihm aufgrund des gescheiterten Versicherungsverhältnisses entstanden sind.28 Diese Regelung greift § 40 Abs. 3 auf. Hat der VR noch keine Gefahr getragen, erscheint es bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsverhältnisses ausreichend, ihm nur eine angemessene Geschäftsgebühr zuzubilligen. Die Höhe der angemessenen Geschäftsgebühr richtet sich vor allem nach der Art der Versicherung und der Höhe der dem VR entstandenen Kosten.29 24 25 26 27 28
RegE VVGRefG BTDrucks. 16/3945 S. 72. HK-VVG/Karczewski § 39 Rn. 4. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 39 Rn. 4. Ganster Prämienzahlung S. 315. In § 4 Abs. 6 Satz 2 AKB 86 bspw. war die Geschäftsgebühr in Höhe des Kurztarifs, höchstens jedoch mit 40 % der Jahresprämie festgelegt; in C.1.3. der AKB 2008, unver-
100
29
bindliche Musterbedingungen des GDV, Stand 9.7.2008 (abrufbar unter: http://www. gdv.de [Abrufdatum: 11.6.2010]; abgedruckt bei Dörner6 AVB) ist ebenfalls eine Regelung zur Festlegung der angemessenen Geschäftsgebühr enthalten, jedoch ohne konkrete Empfehlung zu deren Höhe. Beckmann/Matusche-Beckmann/Hahn2 § 12 Rn. 57.
Roland Michael Beckmann
Vorzeitige Vertragsbeendigung
§ 39
4. Rückforderungsrecht des VN nach § 39 Abs. 2 bei Insolvenz des Versicherers Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, endet nach 15 § 16 Abs. 1 das Versicherungsverhältnis mit Ablauf eines Monats seit der Eröffnung. Hat der VN die Prämie bereits über den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung hinaus bezahlt, ergibt sich aus § 39 Abs. 2 ein Rückforderungsanspruch des VN für den auf die Zeit nach Vertragsbeendigung entfallenden Prämienanteil. Hierbei ist dem VR jedoch ein Kostenabzug zu gestatten. In vollem Umfang abzugsfähig ist insbesondere die vom VR dem Agenten zwar noch geschuldete, aber noch nicht gezahlte Provision.30 Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Forderung des Agenten eine Insolvenzforderung ist. 5. Über die gesetzlichen Regelungen hinausgehender allgemeiner Grundsatz der Teilbarkeit der Prämie und Einlösungsprinzip In der Literatur wird aufgrund der Neustrukturierung der Norm die Frage aufgewor- 16 fen, ob sich aus § 39 nunmehr ein allgemeiner Grundsatz der Teilbarkeit der Prämie herleiten lässt, der für das gesamte VVG Geltung beansprucht.31 Dies hätte zur Folge, dass dem VR grundsätzlich nur für die Zeit ein Prämienanspruch zustünde, indem er auch tatsächlich Versicherungsschutz geleistet hätte. In Verbindung mit dem Einlösungsprinzip des § 37 hätte dies erhebliche Auswirkungen. Als Beispielsfall wird hierzu Folgendes angeführt: VN und VR vereinbaren im Januar, dass ab 8.2. Versicherungsschutz bestehen soll. Am 1.2. geht dem VN der ordnungsgemäße Versicherungsschein zu. Ein Widerruf erfolgt nicht. Der VN zahlt jedoch unentschuldigt erst am 24.2. Obwohl der VR erst ab 24.2. Versicherungsschutz gewährt, wird die Prämie aber ab 8.2. berechnet. Würde man nun einen allgemeinen Grundsatz bzgl. der Teilbarkeit der Prämie anerkennen, müsste der VR die Prämie für den Zeitraum vom 8.2. bis 24.2. wieder zurückerstatten. Als Argumente hierfür werden die Gesetzesbegründung zu § 39 und der Verweis auf das allgemeine Schuldrecht angeführt, wonach man ohne Leistung auch grundsätzlich keine Gegenleistung erhalte.32 Ein allgemein gültiger Grundsatz der Teilbarkeit der Prämie existiert jedoch nicht. 17 Zum einen findet sich keine gesetzliche Grundlage für einen derartigen allgemeinen Grundsatz. § 39 ist seinem Wortlaut nach nur auf die vorzeitige Beendigung von Versicherungsverträgen anwendbar. Ein darüber hinaus gehender Inhalt im Sinne eines allgemeinen Prinzips kann der Norm gerade nicht entnommen werden.33 Es bleibt somit festzuhalten, dass keine gesetzliche Grundlage für ein derartiges Prinzip existiert. Zweifelhaft ist überdies, woraus sich der Rückforderungsanspruch für die „zu viel gezahlte Prämie“ ergeben soll. Im VVG findet sich keine derartige Anspruchsgrundlage. § 39 ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts keiner Analogie zugänglich. Andere denkbare Ansprüche wären Schadensersatzansprüche oder Ansprüche aus Rücktritt. Beide Arten sind nicht einschlägig. Letztlich kämen noch Bereicherungsansprüche in Betracht. Jedoch erfolgte die Leistung der Prämie gerade mit Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB. Der VR hat ja gerade einen Anspruch auf die Prämie ab dem 8.2. aus Vertrag. Folglich fehlt dem allgemeinen Grundsatz der Teilbarkeit eine Verankerung im Ge30 31
Langheid/Wandt/Staudinger § 39 Rn. 9; Römer/Langheid2 § 40 Rn. 8. Ganster Prämienzahlung S. 316 ff.; in diese Richtung, wenn auch deutlich vorsichtiger Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt3 1. Kap. Rn. 514.
32 33
Ganster Prämienzahlung S. 316 ff. Vgl. Langheid/Wandt/Staudinger § 39 Rn. 10.
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§ 40
Abschnitt 3. Prämie
setz. Es verbleibt bei einer Anwendung für die Bereiche, in denen die Teilbarkeit gesetzlich ausdrücklich geregelt ist. 6. Abdingbarkeit
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Von § 39 kann wegen § 42 nicht zum Nachteil des VN abgewichen werden. § 39 ist damit halbzwingend (zu berücksichtigen ist indes der Anwendungsbereich des § 39; dazu Rn. 7). Der VR hat aufgrund des halbzwingenden Charakters der Vorschrift also keine Möglichkeit, z.B. bei deutlichen Abweichungen des Risikoverlaufs innerhalb der Versicherungsperiode von § 39 abweichende Vereinbarungen in den Vertrag aufzunehmen.34
III. Prozessuales 19
Der VR trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Angemessenheit der Geschäftsgebühr im Fall des § 39 Abs. 1 Satz 3.35 Erwidert der VN auf eine Prämienzahlungsklage des VR, dass diesem nur eine angemessene Geschäftsgebühr zustehe, so hat der VN die Vertragsauflösung durch Rücktritt nach § 37 Abs. 1 zu beweisen.36 Da dem VR von nun an nur noch derjenige Teil der Prämie zusteht, der der Zeit für die Gefahrtragung entspricht, muss der VR auch darlegen können, dass die berechnete Prämie auch wirklich angemessen ist.
§ 40 Kündigung bei Prämienerhöhung (1) 1 Erhöht der Versicherer auf Grund einer Anpassungsklausel die Prämie, ohne dass sich der Umfang des Versicherungsschutzes entsprechend ändert, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers mit sofortiger Wirkung, frühestens jedoch zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erhöhung, kündigen. 2Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf das Kündigungsrecht hinzuweisen. 3Die Mitteilung muss dem Versicherungsnehmer spätestens einen Monat vor dem Wirksamwerden der Erhöhung der Prämie zugehen. (2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn der Versicherer auf Grund einer Anpassungsklausel den Umfang des Versicherungsschutzes vermindert, ohne die Prämie entsprechend herabzusetzen. Schrifttum Beckmann Die Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln nach dem AGB-Gesetz (1990) (zit.: Beckmann Zulässigkeit); ders. Auswirkungen des § 31 VVG auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Prämienanpassungsklauseln in Versicherungsverträgen, VersR 1996 540; Bunte Das Urteil des BGH zur Gestaltung von Automobilvertragshändlerverträgen, NJW 1985 600; Frenz 34 35
Niederleithinger S. 41. Römer/Langheid2 § 40 Rn. 7; Berliner Kommentar/Riedler § 40 Rn. 17; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Michaelis § 39 Rn. 7; HK-VVG/Karczewski § 39 Rn. 5.
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Berliner Kommentar/Riedler § 40 Rn. 17; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 39 Rn. 7; Baumgärtel/Prölss § 40 Rn. 2; Langheid/Wandt/Staudinger § 39 Rn. 12.
Roland Michael Beckmann
Kündigung bei Prämienerhöhung
§ 40
AGB-Gesetz und Allgemeine Versicherungsbedingungen, VersR 1979 394; Hau Vertragsanpassung und Anpassungsvertrag (2003); Heidinger Gemeinsamer Markt für Versicherungen und Auswirkungen auf das nationale Versicherungsvertragsrecht am Beispiel der Prämienanpassungsklausel, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 1998 271; Herrmann Vertragsanpassung – Ein Problem des Freiheitsschutzes nach Vertragsschluss – Jura 1988 505; Horn Vertragsbindung unter veränderten Umständen, NJW 1985 1118; Hübner Vertragsbindung und Beitragsanpassungsklauseln in Assekuranz im Wandel, Festschrift aus Anlass des 125-jährigen Bestehens der Concordia Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit (1989) 57; Köndgen/König Grenzen zulässiger Konditionenanpassung beim Hypothekenkredit, ZIP 1984 129; Lübke-Detring Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (1989); Marlow Neuere Aspekte zur Zulässigkeit von Beitragsanpassungsklauseln in Versicherungsverträgen – Beliebigkeit durch Lösungsrecht? Festschrift Baumann (1999) 209; Römer Der Prüfungsmaßstab bei der Mißstandsaufsicht nach § 81 VAG und der AVB-Kontrolle nach § 9 AGBG (1996); ders. Gerichtliche Kontrolle Allgemeiner Versicherungsbedingungen nach den §§ 8, 9 AGBG, NVersZ 1999 97; Schwarz Bestimmtheitsgrundsatz und variabler Zins in vorformulierten Kreditverträgen, NJW 1987 626; Thomas Preisfreiheit im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, AcP 209 2009 84; Wandt Änderungsklauseln in Versicherungsverträgen (2000); ders. Tarifänderungsklauseln in der Kfz-Haftpflichtversicherung, VersR 2000 129; ders. in: Beckmann/Matusche-Beckmann Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl. (2009) Prämien- und Bedingungsänderungen in laufenden Versicherungsverträgen, § 11.
Übersicht Rn. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte und Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt und Zweck der Regelung . . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . II. Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . 1. Prämienerhöhung ohne Änderung des Umfangs des Versicherungsschutzes . . 2. Prämienerhöhung . . . . . . . . . . . 3. Auf Grund einer Anpassungsklausel . . 4. Kündigungsrecht des VN . . . . . . . a) Form und Inhalt . . . . . . . . . . b) Kündigungsfrist . . . . . . . . . . c) Beteiligte Personen . . . . . . . . . 5. Hinweispflichten des VR (Abs. 1 S. 2, 3) 6. Verminderung des Versicherungsschutzes (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . III. Prämienanpassungsklauseln und AGBKontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung von Prämienanpassungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . 3. Einordnung als AGB und Einbeziehung in den Vertrag gem. §§ 305 ff. BGB . . 4. Kontrollfähigkeit von Prämienanpassungsklauseln gem. § 307 Abs. 3 BGB .
1 1 5 6 9 9 13 16 17 18 19 20 21 26 27 27 29 30
Rn. 5. Inhaltliche Anforderungen an Prämienanpassungsklauseln . . . . . . . . . . a) Rechtliche Rahmenbedingungen . . b) Überblick über die Rechtsprechung zu Preis- und Prämienanpassungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsprechung des BVerwG zu Prämienanpassungsklauseln in Versicherungsverträgen . . . . bb) Rechtsprechung des BGH zu Prämienanpassungsklauseln in Versicherungsverträgen . . . . cc) Rechtsprechung des BGH zu Prämienanpassungsklauseln in anderen Vertragstypen . . . . . dd) Stellungnahme . . . . . . . . . c) Verwendung gegenüber Unternehmern . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsfolgen unwirksamer Prämienanpassungsklauseln . . . . . . . . . . a) Auswirkungen auf den Versicherungsvertrag . . . . . . . . . . b) Sonstige Rechtsfolgen . . . . . . . 7. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . IV. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . .
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§ 40
Abschnitt 3. Prämie
I. Einführung 1. Entstehungsgeschichte und Übergangsvorschriften § 40 ist infolge der VVG-Reform an die Stelle des bisherigen § 31 VVG a.F. getreten. Diese Vorgängervorschrift wurde mit dem Gesetz zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften1 erst 1990 in das frühere VVG eingeführt. In dem ursprünglich vorgelegten Gesetzesentwurf der Bundesregierung war eine entsprechende Bestimmung noch nicht enthalten, vielmehr geht die Vorschrift auf einen Vorschlag des Bundesrates zurück. Dieser begründete seinen Vorschlag damit, dass Prämienanpassungsklauseln in verschiedenen Massenversicherungszweigen üblich seien und diese ein Kündigungsrecht des VN oft nur dann vorsähen, wenn die Prämienerhöhung eine gewisse Schwelle übersteige. Der VN könne dann nicht prüfen, ob er den Versicherungsschutz unter den neuen Bedingungen noch wolle. Zudem sah der Bundesrat eine solche Vertragsgestaltung als ein „den Wettbewerb unnötig dämpfendes Element“ an.2 Der Finanzausschuss hingegen empfahl die Einführung eines Kündigungsrechts für den VN bei Prämienanpassungen nur für die Fälle, in denen die Prämienerhöhung eine gewisse Grenze überschreitet.3 Dieser Vorschlag wurde dann auch in § 31 a.F. aufgegriffen und dieser so geregelt, dass der VN dann ein Kündigungsrecht hatte, wenn das Entgelt pro Jahr um mehr als 5 % des zuletzt gezahlten Betrages oder um mehr als 25 % des Erstbeitrages stieg. Diese Fassung trat am 1.1.1991 in Kraft. Die Fassung des § 31 a.F. hielt sich nur gut drei Jahre. Durch das Dritte Durchfüh2 rungsgesetz/EWG zum VAG vom 21.7.19944 wurde § 31 a.F. insoweit geändert, als der VN den Versicherungsvertrag nunmehr bei jeder Prämienerhöhung kündigen konnte. Dieses Gesetz diente der Umsetzung der sog. dritten Richtliniengeneration und damit einer weitergehenden Harmonisierung des Versicherungsrechts. Durch die Umsetzung der Richtlinien entfiel das Genehmigungserfordernis der AVB durch die Aufsichtsbehörde und dies veranlasste die Bundesregierung dazu, das Kündigungsrecht in § 31 a.F. auf alle Fälle der Prämienerhöhung auszuweiten. Zudem sah nun auch die Bundesregierung „in der Vertragsgestaltung, die Kündigungsrechte bei Prämienanpassung ausschließt, ein den Wettbewerb unnötig dämpfendes Element“5. Im Rahmen der VVG-Reform wurde das bis Ende 2007 geltende in § 31 a.F. geregelte 3 Kündigungsrecht des VN bei einer Prämienerhöhung auf Grund einer vertraglichen Anpassungsklausel in § 40 Abs. 1 Satz 1 sachlich unverändert übernommen. Durch den neuen Satz 2 wird der VR verpflichtet, den VN in der Mitteilung über die Prämienerhöhung über sein Kündigungsrecht zu belehren. Dies ist nach der Gesetzesbegründung erforderlich, da der VN normalerweise nicht über die Rechtslage in einem solchen Fall informiert ist.6 In Satz 3 wird zusätzlich gefordert, dass diese Mitteilung dem VN spätestens einen Monat vor Wirksamwerden der Erhöhung zugeht. Dieses Erfordernis soll gewährleisten, dass der VN für ausreichende Deckung auf seinem Konto sorgen und von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen kann.7 Der neu eingefügte Absatz 2 stellt klar, dass eine Prämienerhöhung auch dann vorliegt, wenn sich auf Grund einer Anpas-
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Gesetz vom 17.12.1990, BGBl. I 2864. Stellungnahme des Bundesrates Anlage 2 zu BTDrucks. 11/6341 S. 45. BTDrucks. 11/8321 S. 2. Drittes Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der
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Europäischen Gemeinschaften Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG v. 21.7.1994, BGBl. I 1630. BTDrucks. 12/6959 S. 101. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 72. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 72.
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Kündigung bei Prämienerhöhung
§ 40
sungsklausel der Umfang des Versicherungsschutzes vermindert, ohne dass die Prämie entsprechend herabgesetzt wird. Schließlich hat sich der systematische Standort im Zuge der VVG-Reform verändert. Die Vorschrift des § 31 a.F. fand sich noch im Titel über Anzeigepflicht und Gefahrerhöhung. Nun gehört die Vorschrift des § 40 zum Abschnitt über die Prämie. Für das Inkrafttreten der Vorschrift bzw. für den Übergang zwischen dem früheren 4 VVG und dem Recht nach der VVG-Reform gelten die allgemeinen Regeln über das Inkrafttreten, insbesondere Art. 12 VVG RefG. 2. Inhalt und Zweck der Regelung § 40 trägt dazu bei, unterschiedlichen Interessen von VN und VR Rechnung zu tra- 5 gen. Bei Versicherungsverträgen handelt es sich regelmäßig um langfristige Dauerschuldverhältnisse, bei denen sich die vertragsrelevanten Umstände ändern können und deren Entwicklung in der Zukunft für die Parteien des Vertrages nur unzureichend abschätzbar ist.8 Der VR hat dabei ein Interesse daran, die beim Vertragsschluss vereinbarte Prämie an möglicherweise auftretende Kostenänderungen anzupassen. Eine Berücksichtigung dieses Interesses ist in Rechtsprechung und Schrifttum grundsätzlich auch anerkannt.9 Durch Anpassungsklauseln soll das bei Vertragsschluss vereinbarte Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung (Versicherungsschutz) und Gegenleistung (Prämie) für die gesamte Dauer des Versicherungsvertrages gewahrt werden.10 Andererseits besteht auch ein Interesse des Kunden, dass es prinzipiell bei den bei Vertragsschluss vereinbarten Rechten und Pflichten verbleiben soll. Dies gebietet auch der Grundsatz „Pacta sunt servanda“. Das Prinzip der Vertragsbindung hat einen enormen Stellenwert für das Vertragsrecht, auch im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen. Einen abschließenden Ausgleich dieser gegenüberstehenden Interessen kann § 40 nicht bieten. Vielmehr räumt die Vorschrift dem VN lediglich ein gesetzlich unabdingbares Kündigungsrecht ein. Dieses soll den Kunden zumindest vor übermäßigen Prämienerhöhungen schützen; zudem soll er prüfen können, ob er bei der geänderten Prämie noch ein Interesse an dem Versicherungsvertrag hat.11 Damit gewährt § 40 lediglich einen Mindestschutz des VN; andererseits kommt durch die Vorschrift auch zum Ausdruck, dass Prämienanpassungsklauseln prinzipiell zulässig sind. Davon ging die h.M. indes auch schon vor Einführung der Vorgängervorschrift des § 31 a.F. aus.12 3. Anwendungsbereich Da § 40 dem VN ein Sonderkündigungsrecht gewährt, wird dessen Möglichkeit zur 6 ordentlichen Kündigung nach § 11 Abs. 2 und 4 davon nicht berührt. Ein Sonderkündigungsrecht bei Prämienerhöhung findet sich zudem in § 25 Abs. 2 (dazu noch unten Rn. 10). 8 9
10
Beckmann/Matusche-Beckmann/Wandt2 § 11 Rn. 1, 3. BVerwG 14.10.2008 VersR 1981 221, 223; BGH 1.7.1992 VersR 1992 1211, 1212; Beckmann VersR 1996 540; Hübner FS Concordia 57, 63. Beckmann/Matusche-Beckmann/Wandt2 § 11 Rn. 3; Berliner Kommentar/Harrer § 31 Rn. 4.
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BTDrucks. 11/6341 S. 45; Berliner Kommentar/Harrer § 40 Rn. 4. BVerwG 14.10.1980 VersR 1981 221; Beckmann Zulässigkeit S. 133 ff.; Hübner FS Concordia Versicherung 61; Berliner Kommentar/Harrer § 31 Rn. 4.
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§ 40
Abschnitt 3. Prämie
7
§ 163 und § 203 enthalten abweichend von § 40 gesetzliche Ermächtigungen, die Prämie bei der Lebens- bzw. Krankenversicherung auch ohne vertragliche Regelung unter bestimmten Voraussetzungen anzupassen. § 163 ist gemäß § 176 auch für die Berufsunfähigkeitsversicherung entsprechend anwendbar. Der Grund für diese Regelungen besteht im allgemeinen Anpassungsbedarf bei den meist langfristigen Kranken- und Lebensversicherungsverträgen.13 Da § 40 unter den Vorschriften für alle Versicherungszweige und damit im allgemeinen Teil des VVG steht und die §§ 163, 203 Sonderregelungen für die Kranken- bzw. Lebensversicherung enthalten, gehen diese als speziellere Regelungen vor. Für die Anwendbarkeit des § 40 kommt es auf die Dauer des Versicherungsvertrages 8 nicht an und eine Anwendung der Vorschrift erfolgt nicht erst, wie teilweise vertreten wird,14 bei Verträgen mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr.
II. Anwendungsvoraussetzungen 1. Prämienerhöhung ohne Änderung des Umfangs des Versicherungsschutzes
9
Der VN kann den Versicherungsvertrag kündigen, wenn der VR auf Grund einer Anpassungsklausel die Prämie erhöht, ohne dass damit eine entsprechende Änderung des Umfangs des Versicherungsschutzes einhergeht. § 40 greift also nur bei einer Erhöhung der Prämie ohne Änderung des Umfangs des Versicherungsschutzes ein (Abs. 1 S. 1); gem. dem neu eingefügten Abs. 2 wird dem eine Verminderung des Versicherungsschutzes bei gleich bleibender Prämie gleichgestellt (dazu unten Rn. 26). Der Anwendungsbereich des § 40 ist damit nicht gegeben, wenn nicht nur eine Prämienänderung im Raum steht, sondern zugleich eine Veränderung des Umfangs des Versicherungsschutzes Platz greift. Für § 31 a.F. ist beispielsweise das Eingreifen abgelehnt worden im Falle einer Prämienerhöhung im Rahmen einer Gewerbehaftpflichtversicherung auf der Grundlage von § 8 II Ziff. 2 AHB a.F.15, nachdem auf eine erneute Anfrage des VR die Jahreslohn- und Gehaltssumme wesentlich höher angegeben wurde; nach Auffassung des Gerichts hatte sich der Umfang des Versicherungsschutzes tatsächlich geändert, da mehr Personen beschäftigt waren.16 Soweit in der Tat eine Erweiterung des Versicherungsschutzes mit der Prämienveränderung verbunden ist, ist demnach der Anwendungsbereich des § 40 nicht eröffnet. Beruht hingegen eine Prämienerhöhung tatsächlich auf einer Gefahrerhöhung, so ist umstritten, ob solche Fälle vom Anwendungsbereich der Norm erfasst sind: Bereits vor der Reform des VVG fanden sich unterschiedliche Standpunkte zu der 10 Frage, ob unter den Anwendungsbereich des § 31 a.F. auch Prämienerhöhungen fallen, die aufgrund einer Gefahrerhöhung erfolgen. Die herrschende Meinung hat dies bejaht.17 Dies lässt sich mit dem Schutzzweck der Norm begründen; der VN soll selbst entscheiden, ob er in diesen Fällen an dem Vertrag festhalten möchte.18 Indes findet sich seit der
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Beckmann VersR 1996 540, 544. Prölss/Martin/Prölss27 § 31 Rn. 2; Römer/ Langheid 2 § 31 Rn. 28. Diese Bestimmung entspricht nun Ziff. 11 AHB 2008 (unverbindliche Bekanntgabe des GDV; abrufbar unter www.gdv.de [Abrufdatum 10.6.2009]; abgedruckt bei Dörner 6 AVB).
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LG Berlin 9.12.2003 VersR 2004 726 (juris Rn. 6 ff.). Prölss/Martin/Prölss27 § 31 Rn. 1; Berliner Kommentar/Harrer § 31 Rn. 5; Schwintowski/Brömmelmeyer/Loacker § 23 Rn. 62; a.A. Römer/Langheid 2 § 31 Rn. 27. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 40 Rn. 3.
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Kündigung bei Prämienerhöhung
§ 40
VVG-Reform nun in § 25 Abs. 2 eine neue Regelung, die ein Kündigungsrecht des VN vorsieht, wenn sich die Prämie als Folge der Gefahrerhöhung um mehr als 10 % erhöht oder der VR die Absicherung der höheren Gefahr ausschließt. Hierin liegt eine Sonderregelung, die in ihrem Anwendungsbereich dem § 40 Abs. 1 vorgeht. Da Voraussetzung des § 40 auch ist, dass die Prämienerhöhung auf Grund einer An- 11 passungsklausel erfolgt, steht dem VN das Kündigungsrecht nicht bei individuell ausgehandelten neuen Prämien oder bei Prämienerhöhungen zu, die mit einer Anhebung der Deckungssumme oder einer anderen Erweiterung des Deckungsumfangs einhergehen.19 Der Umfang der Versicherung wird maßgeblich durch die wesentlichen Leistungsbestimmungen des VR in den sogenannten Risikobeschreibungen bestimmt. Problematisch ist, ob auch die bloße Erhöhung der Versicherungssumme eine Ände- 12 rung des Versicherungsumfangs darstellt. Dies könnte zu verneinen sein, weil damit inhaltlich keine Änderung des Versicherungsschutzes verbunden ist. Andererseits erhöht sich dadurch aber auch das Leistungsbezugsrecht des VN und somit liegt eine Umfangsänderung im Sinne des § 40 vor, so dass das Kündigungsrecht hier nicht eingreift.20 Etwas anderes gilt aber, wenn hiermit eine Prämienerhöhung verbunden ist und diese im Verhältnis zur Versicherungssumme stärker steigt.21 In diesem Fall bleibt das bei Vertragsschluss vereinbarte Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung (Versicherungsschutz) und Gegenleistung (Prämie) (vgl. Rn. 5 in dieser Kommentierung) nicht gewahrt. 2. Prämienerhöhung § 40 Abs. 1 setzt eine Prämienerhöhung voraus. Auf den Umfang der Prämien- 13 erhöhung kommt es dabei nicht an; auch geringfügige Prämienerhöhungen begründen das Kündigungsrecht gem. § 40 Abs. 1. Anders war die Rechtslage aufgrund der ursprünglichen Fassung des § 31 a.F., wonach das Kündigungsrecht nur bestand, wenn die Prämienerhöhung über bestimmten Schwellenwerten lag (vgl. oben Rn. 1). Die Vorschrift des § 40 selbst stellt keine weiteren Voraussetzungen für eine Prämien- 14 erhöhung auf. Darin liegt ein Unterschied zu anderen speziellen Regelungen wie § 163 Abs. 1 für die Lebensversicherung, welcher entsprechend gem. § 176 auf die Berufsunfähigkeitsversicherung anzuwenden ist sowie § 203 Abs. 2 für die Krankenversicherung. Diese speziellen Regelungen selbst berechtigen allerdings auch den VR zur Prämienerhöhung. Hiervon unterscheidet sich § 40 auch insoweit, als diese Vorschrift selbst nicht zur Prämienerhöhung berechtigt, sondern eine entsprechende Ermächtigung aufgrund einer Anpassungsklausel gegeben sein muss. Voraussetzungen einer wirksamen Prämienerhöhung kann deshalb nur die zugrundeliegende Anpassungsklausel selbst aufstellen. § 40 regelt auch nicht, welche Zulässigkeitsvoraussetzungen an die Anpassungsklausel selbst zu stellen sind (dazu sogleich Rn. 16 und 33 ff.). Indes kann eine Prämienerhöhung aus verschiedenen Gründen unwirksam sein. Zum 15 einen kann es bereits an einer Anpassungsklausel fehlen. Denkbar ist des Weiteren, dass die Voraussetzungen einer vorhandenen Anpassungsklausel nicht erfüllt sind.22 Schließlich kann die Wirksamkeit einer Prämienerhöhung daran scheitern, dass die zugrunde liegende Anpassungsklausel unwirksam ist; wesentlicher Beurteilungsmaßstab für Anpassungsklauseln ist § 307 BGB (dazu noch unten Rn. 27 ff.). Dem VN steht nach überwie-
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Prölss/Martin/Prölss27 § 31 Rn. 1; BerlinerKommentar/Harrer § 31 Rn. 5; Römer/Langheid2 § 31 Rn. 1.
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Römer/Langheid 2 § 31 Rn. 26. HK-VVG/Karczewski § 40 Rn. 3. HK-VVG/Karczewski § 40 Rn. 7.
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§ 40
Abschnitt 3. Prämie
gender Ansicht ein Kündigungsrecht auch dann zur Seite, wenn die Prämienerhöhung unwirksam ist.23 Danach steht dem VN in den Fällen der unwirksamen Prämienerhöhung ein Wahlrecht dahingehend zu, dass er sich entweder von dem Vertrag durch Kündigung lösen oder ihn zu den bisherigen Bedingungen fortsetzen kann. Hierfür spricht bereits die Tatsache, dass es vielfach für den VN kaum überschaubar ist, ob die Prämienerhöhung überhaupt wirksam ist. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit muss dem VN eine Kündigungsmöglichkeit auch bei unwirksamer Prämienerhöhung eingeräumt werden. Der VN, der den Versicherungsvertrag bei seinem Altversicherer kündigt und dann einen neuen Versicherungsvertrag abschließt, muss sich sicher sein können, dass seine Kündigung wirksam war. Es wäre eine für ihn nicht hinnehmbare Situation, wenn er nach Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages weiter an seinen Altversicherer gebunden bliebe, weil sich herausstellt, dass dessen Prämienerhöhung unwirksam war. Der VN kann aber statt zu kündigen auch unter den bisherigen Prämienbedingungen an dem Versicherungsvertrag festhalten. Für den Fall, dass eine Prämienerhöhung daran scheitert, dass die zugrundeliegende Anpassungsklausel gegen das AGB-Recht verstößt, ergibt sich diese Kündigungsmöglichkeit ferner aus der Behandlung unwirksamer AGB; geht man nämlich bei AGB, die gegen §§ 307 ff. BGB verstoßen, von einer personalen Teilunwirksamkeit aus, so kann sich der Vertragspartner des Klauselverwenders sehr wohl auf die Rechte aufgrund einer an sich rechtswidrigen AGB berufen (dazu unten Rn. 59 ff.). 3. Auf Grund einer Anpassungsklausel
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§ 40 Abs. 1 setzt eine Erhöhung der Prämie auf Grund einer Anpassungsklausel voraus, mithin in aller Regel eine AVB, die sich im Bedingungswerk des VR findet und Inhalt des Versicherungsvertrages geworden ist. Nach ganz überwiegender Auffassung ermöglicht § 40 aber keine schrankenlose Prämienerhöhung, die allein durch die Kündigungsmöglichkeit des VN kompensiert wird; vielmehr muss sich eine Anpassungsklausel an den Anforderungen insbesondere des AGB-Rechts messen lassen.24 Die Gegenansicht kann nicht überzeugen, sie steht schon im Widerspruch zum Prinzip der Vertragsbindung und ist unvereinbar mit wesentlichen Kernaussagen der Rechtsprechung: Danach verstoßen Preiserhöhungsklauseln gegen AGB-Recht, wenn sie allein Gewinnsteigerungen des Klauselverwenders ermöglichen.25 Darüber hinaus hat die Rechtsprechung wiederholt entschieden, dass allein die Existenz eines Kündigungsrechts nicht die Zulässigkeit einer Anpassungsklausel rechtfertigen kann.26 Zudem war schon vor Inkrafttreten des § 31 a.F. in der Rechtsprechung wohl unbestritten, dass an Prämienanpassungsklauseln inhaltliche Anforderungen zu stellen sind. Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit Erlass des § 31 a.F. zulasten des VN hiervon Abstand nehmen wollte. Schließlich ist nicht erkennbar, dass § 31 a.F. und nun § 40 das gesamte 23
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Römer/Langheid 2 § 31 Rn. 32; KK-VVG/ Karczewski § 40 Rn. 16; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Michaelis § 40 Rn. 2; a.A. BerlinerKommentar/Harrer § 31 Rn. 37. Beckmann VersR 1996 540, 544; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 40 Rn. 4; HK-VVG/Karczewski § 40 Rn. 5, 6; Bruck/ Möller/Johannsen8 Bd. III Feuerversicherung Anm. F 6; Berliner Kommentar/Harrer § 31 Rn. 18 ff.; Prölss/Martin/Prölss27 § 31 Rn. 4; wohl auch Römer/Langheid 2 § 31 Rn. 15,
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16 ff.; tendenziell a.A. Marlow FS Baumann 209 ff.; Reiff EWiR 1997 961. Jüngst BGH 21.4.2009 Az.: XI ZR 55/08, (juris Rn. 25) und BGH 21.4.2009 Az.: XI ZR 78/08, (juris Rn. 25) jeweils m.w.N.; Wolf/Horn/Pfeiffer/Dammann5 § 309 Nr. 1 Rn. 127–128 m.w.N. Vgl. etwa BGH 8.10.1997 VersR 1997 1517 (juris Rn. 36); BVerwG 14.10.1980 VersR 1981 221; OLG Celle 22.7.1999 VersR 2000 47; Beckmann VersR 1996 540, 544.
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Kündigung bei Prämienerhöhung
§ 40
AGB-Recht verdrängen soll; vielmehr regelt diese Vorschrift mit dem Kündigungsrecht zugunsten des VN nur einen Teilaspekt. Anpassungsklauseln i.S.v. § 40 unterliegen deshalb allgemeinen AGB-rechtlichen Anforderungen (dazu unten Rn. 27 ff.). 4. Kündigungsrecht des VN Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 bzw. Abs. 2 steht dem VN ein 17 Kündigungsrecht zu (nach h.A. auch bei unwirksamer Prämienerhöhung, vgl. oben Rn. 15 und unter Rn. 60). Der VN kann den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des VR mit sofortiger Wirkung, frühestens jedoch zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erhöhung, kündigen. Sowohl für die Mitteilung des VR als auch für die Kündigung des VN gelten die allgemeinen Grundsätze des bürgerlichen Rechts über Rechtsgeschäfte. a) Form und Inhalt. Die Kündigung ist formfrei möglich, aus Beweisgründen emp- 18 fiehlt sich jedoch zumindest die Schriftform, ggf. auch ein Einschreiben mit Rückschein oder aber eine Empfangsbescheinigung durch den VR. Aus der Kündigungserklärung muss zweifelsfrei hervorgehen, dass der VN sich von dem Vertrag lösen will.27 b) Kündigungsfrist. Die Kündigungsfrist beträgt gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 einen 19 Monat ab Zugang der Mitteilung des VR. Da § 40 selbst keine ausdrückliche Regelung über den Zugang der Mitteilung des VR enthält, ist aus systematischen Gründen die allgemeine Reglung über die Zugangsfiktion des § 13 anwendbar.28 c) Beteiligte Personen. Nach § 40 kündigen können dieselben Personen, die auch im 20 Rahmen des § 11 zur Kündigung berechtigt sind. Auch die Frage, wer Empfänger der Kündigung sein kann, richtet sich nach dieser Vorschrift.29 5. Hinweispflichten des VR (Abs. 1 S. 2, 3) Durch die neu eingefügten § 40 Abs. 1 Satz 2 und 3 wird der VR verpflichtet, den 21 VN rechtzeitig über sein Kündigungsrecht zu belehren. Satz 2 normiert die Pflicht des VR, den VN in der Mitteilung über die Prämienerhöhung auch auf das Kündigungsrecht hinzuweisen; gem. Satz 3 muss die Mitteilung dem VN spätestens einen Monat vor dem Wirksamwerden der Erhöhung der Prämie zugehen. In § 31 a.F. war eine solche Hinweispflicht noch nicht enthalten, wurde von der herrschenden Meinung aber aus § 242 BGB hergeleitet.30 § 40 regelt nicht ausdrücklich die Rechtsfolge einer unterbliebenen bzw. nicht recht- 22 zeitigen Belehrung. Gem. § 40 Abs. 1 Satz 3 muss allerdings die Mitteilung dem VN spätestens einen Monat vor dem Wirksamwerden der Erhöhung der Prämie zugehen. Damit kann eine Prämienerhöhung frühestens einen Monat nach Zugang der entsprechenden ordnungsgemäßen Mitteilung des VR wirksam werden. Fehlt es an einer Mittei-
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BerlinerKommentar/Gruber § 8 Rn. 44; vgl. allgemein zur Kündigung auch Bruck/Möller/ K. Johannsen § 11 Rn. 22 ff. Vgl. BerlinerKommentar/Harrer § 31 Rn. 41 betr. die frühere Rechtslage. BerlinerKommentar/Harrer § 31 Rn. 42; vgl.
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allgemein zur Kündigung auch Bruck/Möller/ K. Johannsen § 11 Rn. 22 ff. BerlinerKommentar/Harrer § 31 Rn. 38; Schimikowski/Höra S. 137; Armbrüster FS Schirmer 1, 12.
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lung überhaupt oder ist die Mitteilung unvollständig (und wird der Mangel später nicht behoben), so fehlt es an einer wirksamen Prämienerhöhung. Von einer unvollständigen Mitteilung ist z.B. auszugehen, wenn der VR zwar die Prämienerhöhung mitteilt, allerdings der Hinweis auf das Kündigungsrecht fehlt. Auch der Zeitpunkt, zu dem die Prämienerhöhung wirksam werden soll, gehört zum Inhalt der Mitteilung. Ist lediglich die Monatsfrist gem. Satz 3 nicht eingehalten, so stellt sich die Frage, ob 23 die Prämienerhöhung insgesamt gescheitert ist oder verzögert wirksam wird. So ist es z.B. denkbar, dass die Mitteilung über die Prämienerhöhung rechtzeitig erfolgt, allerdings ohne Hinweis auf das Kündigungsrecht und dieser Hinweis erst nachträglich und verspätet vorgenommen wird. Jedenfalls steht dem VN ein Kündigungsrecht nach Satz 1 zu. Kündigt der VN nicht, so wird angenommen, dass die Prämienerhöhung wirksam werde, allerdings ohne dass ein rückwirkender Anspruch auf die höhere Prämie für die Zeit vor der Rechtsbelehrung entstehe.31 Soweit insgesamt unmissverständlich ist, zu welchem Zeitpunkt die Prämienerhöhung erfolgen soll, ist dem Standpunkt zuzustimmen; der VN hat alle notwendigen Informationen rechtzeitig vor dem Wirksamwerden der Prämienerhöhung erhalten. Ist aus Sicht des VN indes unklar, zu welchem Zeitpunkt die Prämienerhöhung wirksam werden soll, so ist es aus Sicht des VR ratsam, den vervollständigten Hinweis (z.B. auf das Kündigungsrecht) mit der ursprünglichen Mitteilung über die Prämienerhöhung zu verbinden und auch den neuen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Prämie mitzuteilen. Denkbar ist auch, dass eine an sich vollständige Mitteilung einer Prämienerhöhung 24 dem VN erst z.B. drei Wochen vor dem seitens des VR gewünschten Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Prämienerhöhung zugeht. In diesem Fall kann die Prämienerhöhung erst frühestens einen Monat nach Zugang der Mitteilung wirksam werden. Aufgrund des gem. § 42 halbzwingenden Charakters auch der Hinweispflichten kann 25 hiervon zum Nachteil des VN nicht abgewichen werden. 6. Verminderung des Versicherungsschutzes (Abs. 2)
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§ 40 Abs. 2 dient der Klarstellung, dass eine Prämienerhöhung im Sinne des Absatz 1 auch dann vorliegt, wenn sich auf Grund einer Anpassungsklausel der Umfang des Versicherungsschutzes vermindert, ohne dass die Prämie entsprechend herabgesetzt wird.32 Durch eine Verminderung des Versicherungsschutzes ist das bei Vertragsschluss bestehende Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ebenso betroffen wie durch eine Erhöhung der Prämie ohne gleichzeitige Erhöhung des Versicherungsumfangs. Die Verminderung führt zwar nicht dazu, dass der VN betragsmäßig mehr bezahlen muss, letztlich aber doch zu einer mittelbaren Prämienerhöhung. Bereits zum alten Recht wurde die Verminderung des Versicherungsschutzes der Prämienerhöhung gleichgestellt.33 Als eine Verminderung des Leistungsumfangs sind beispielsweise die Erhöhung des Selbstbehalts oder eine nachträgliche Summenbegrenzung bei gleichbleibender Prämie anzusehen.34
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Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 40 Rn. 7. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 72.
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BerlinerKommentar/Harrer § 31 Rn. 45; Römer/Langheid 2 § 31 Rn. 3; a.A. Prölss/ Martin/Prölss27§ 31 Rn. 1. Römer/Langheid 2 § 31 Rn. 3.
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Kündigung bei Prämienerhöhung
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III. Prämienanpassungsklauseln und AGB-Kontrolle 1. Bedeutung von Prämienanpassungsklauseln Je länger die Vertragsdauer eines Versicherungsvertrags ausgestaltet ist, desto größer 27 ist das Interesse des VR, den Vertrag an veränderte Umstände anzupassen. Deshalb enthält das VVG für typischerweise auf Dauer angelegte Versicherungsverträge gesetzliche Prämienanpassungsbefugnisse zugunsten des VR, namentlich für die Lebens-, die Berufsunfähigkeits- und die Krankenversicherung (§§ 163, 176, 203; vgl. oben Rn. 7). Bei allen anderen Versicherungszweigen muss der VR vertragliche Anpassungsbestimmungen in den Versicherungsvertrag aufnehmen, um eine einseitige Prämienanpassung ohne Mitwirkung des VN vornehmen zu können. Solche Anpassungsklauseln können zwar individuell vereinbart werden. Sie werden aber regelmäßig als Allgemeine Versicherungsbedingung (AVB) in den Bedingungswerken der VR Bedeutung haben.35 § 40 normiert ein Kündigungsrecht für den Fall, dass der VR einseitig die Prämie auf- 28 grund einer Anpassungsklausel erhöht. § 40 setzt demnach das Vorliegen einer Anpassungsklausel voraus, ohne aber inhaltliche Voraussetzungen für solche Anpassungsklauseln zu normieren. Nach ganz h.M. müssen Anpassungsklauseln, die eine einseitige Prämienerhöhung durch den VR ermöglichen, gleichwohl Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllen (vgl. dazu bereits oben Rn. 15). Soweit es sich tatsächlich um Individualvereinbarungen handeln sollte, unterliegen sie den allgemeinen Grenzen der Gestaltungsfreiheit (insbesondere § 134 BGB, § 138 BGB und § 242 BGB). Größere praktische Bedeutung hat indes die AGB-rechtliche Zulässigkeit gem. §§ 305 ff. BGB, die im Folgenden zu beleuchten ist. 2. Begriffliches Anpassungsklauseln i.S.v. § 40 Abs. 1 ermächtigen den VR zur einseitigen Prämien- 29 erhöhung. Demzufolge werden solche Klauseln vornehmlich als Prämien- bzw. Beitragsanpassungsklausel bezeichnet; aber auch der Begriff der Tarifanpassungsklausel ist gebräuchlich. Im Folgenden ist die Rede von Prämienanpassungsklauseln. 3. Einordnung als AGB und Einbeziehung in den Vertrag gem. §§ 305 ff. BGB Für die Einordnung einer Prämienanpassungsklausel als Allgemeine Geschäftsbedin- 30 gung i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB und auch für die Einbeziehung solcher Prämienanpassungsklauseln gelten die allgemeinen AGB-rechtlichen Grundsätze gem. §§ 305 ff. BGB. Prinzipiell gelten insoweit keine Besonderheiten. Insbesondere wird man Prämienanpassungsklauseln in Versicherungsverträgen grundsätzlich nicht als überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB einordnen können. Gerade bei langfristigen Verträgen kann grundsätzlich nicht davon die Rede sein, dass der Vertragspartner nicht mit ihnen zu rechnen braucht. Prämienanpassungsklauseln sind weder ungewöhnlich noch enthalten sie ein Überraschungsmoment.36 Für die Frage der Einbeziehung einer AGB in den Vertrag ist des Weiteren der Grund- 31 satz des Vorrangs der Individualabrede gem. § 305b BGB zu beachten. Danach haben 35
Die Kommentierung des § 40 beschäftigt sich nur mit Prämienanpassungsklauseln. Zu Bedingungsanpassungsklauseln vgl. BGH 23.1.2008 VersR 2008 482, 483; BGH 17.3.1999 VersR 1999 697; Bruck/Möller/
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Beckmann Band 1 Einf. C Rn. 164 ff.; Matusche-Beckmann NJW 1998 112; Beckmann/ Matusche-Beckmann/Wandt 2 § 11. Dazu Beckmann Zulässigkeit S. 20 ff.
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individuelle Abreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Typischerweise erfolgen Preisabsprachen individuell,37 so dass solche Preisabsprachen grundsätzlich durchaus Vorrang vor einer Preis- oder Prämienanpassungsklausel haben können. Allerdings wird man dies nur bei Vereinbarung eines Festpreises annehmen können. Solche dürften bei Versicherungsverträgen eher eine Seltenheit darstellen. In der Regel dürfte es sich um Preisabsprachen mit einfacher Verbindlichkeit handeln; in solchen Fällen wird man in aller Regel keinen Vorrang einer Individualabsprache annehmen können.38 4. Kontrollfähigkeit von Prämienanpassungsklauseln gem. § 307 Abs. 3 BGB
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Gem. § 307 Abs. 3 BGB unterliegen der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB nur solche AGB, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzende Regelungen enthalten. Die Vorschrift bezweckt insbesondere, vorformulierte vertragliche Vereinbarungen über Leistungsgegenstand und Entgelt, für die es an rechtlichen Bewertungsmaßstäben fehlt und bei denen sich eine Angemessenheitsprüfung außerhalb der durch § 138 BGB gezogenen Grenzen aus verfassungsrechtlichen und marktwirtschaftlichen Gründen verbietet, von der Inhaltskontrolle auszunehmen.39 Deshalb sind Klauseln der richterlichen Inhaltskontrolle entzogen, die die gegenseitigen Hauptleistungen zum Inhalt haben, insbesondere Preisabreden. Hierzu gehören nach h.M. indes nicht Preisanpassungsklauseln, die damit der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB unterliegen. Ein deutliches Argument für diesen Standpunkt folgt bereits aus der Existenz des § 309 Nr. 1 BGB, der ja gerade die Inhaltskontrolle bestimmter Preisanpassungsklauseln ausdrücklich regelt.40 5. Inhaltliche Anforderungen an Prämienanpassungsklauseln
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a) Rechtliche Rahmenbedingungen. § 309 Nr. 1 BGB enthält ein spezielles Klauselverbot für bestimmte Preisanpassungsklauseln. Dieses Verbot gilt indes nicht für Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen erbracht werden (§ 309 Nr. 1, 2. Hs. BGB). Da es sich bei Versicherungsverträgen um Dauerschuldverhältnisse handelt, greift dieses Klauselverbot demzufolge für Prämienanpassungsklauseln nicht ein. Nach ganz überwiegender Ansicht unterliegen Preisanpassungsklauseln außerhalb des Anwendungsbereichs von § 309 Nr. 1 BGB der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.41 Damit haben sich Prämienanpassungsklauseln in Versicherungsverträgen an den Wirksamkeitsvorausset-
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Staudinger/Schlosser (2006) § 305b Rn. 9. Beckmann Zulässigkeit S. 25 ff.; im Ergebnis ähnlich Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher5 § 305b Rn. 21; Staudinger/Schlosser (2006) § 305b Rn. 9; Ulmer/Brandner/Hensen/ Ulmer10 § 305b Rn. 20. Beckmann Zulässigkeit S. 29 m.w.N.; vgl. auch zur sog. Doppelfunktion dieser Regelung Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs10 § 307 Rn. 14. Vgl. Beckmann Zulässigkeit S. 29 f.; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs10 § 307 Rn. 76; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Wolf § 307 Rn. 324 jeweils m.w.N. Berliner Kommentar/Harrer § 31 Rn. 17;
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BGH 21.4.2009 Az.: XI ZR 55/08 (juris); BGH 21.4.2009 Az.: XI 78/08 (juris); BGH 19.11.2002 NJW 2003 507; BGH 7.10.1981 NJW 1982 331. Für die Anwendung des § 307 BGB spricht zudem die Tatsache, dass Preisanpassungsklauseln auch dann im Rahmen von § 307 BGB auf ihre Zulässigkeit hin überprüft werden, wenn diese unter § 309 Nr. 1 BGB tatbestandlich fallen, aber nicht gegen diese Vorschrift verstoßen (jurisPKBGB/Lapp4 § 309 Rn. 10). Dies muss im Umkehrschluss dann erst recht für Anpassungsklauseln gelten, die erst gar nicht von § 309 Nr. 1 BGB erfasst werden.
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Kündigung bei Prämienerhöhung
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zungen dieser Generalklausel zu orientieren. Nach Abs. 1 sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Auch wenn in Abs. 2 eine gewisse Konkretisierung erfolgt, bleiben die eigentlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen sehr allgemein gehalten, so dass letztlich genauere Kriterien für die Zulässigkeit durch die Rechtsprechung vorgegeben werden. Obwohl Prämienanpassungsklauseln nach wie vor praktische Bedeutung haben und 34 Preisanpassungsklauseln ganz allgemein, aber auch Prämienanpassungsklauseln wiederholt Gegenstand der Rechtsprechung geworden sind, hat die Rechtsprechung für Prämienanpassungsklauseln in Versicherungsverträgen bis heute noch keine eindeutigen Zulässigkeitsvoraussetzungen entwickelt. Vielmehr liegt eine Reihe von Entscheidungen vor, die teilweise unterschiedliche Einzelaspekte ansprechen. Im Schrifttum wird diese Rechtsprechung vielfach analysiert, strukturiert und es werden allgemeine Zulässigkeitskriterien aufgestellt. b) Überblick über die Rechtsprechung zu Preis- und Prämienanpassungsklauseln. Es 35 finden sich eine Reihe von wichtigen Entscheidungen zur Zulässigkeit von Preis- und Prämienanpassungsklauseln, auf die im Folgenden zunächst einzugehen ist:42 aa) Rechtsprechung des BVerwG zu Prämienanpassungsklauseln in Versicherungsver- 36 trägen. Eine wesentliche Leitentscheidung zu Prämienanpassungsklauseln in Versicherungsverträgen bildet das sog. DAS-Urteil des BVerwG aus dem Jahre 198043 zu einer Prämienanpassungsklausel in der Rechtsschutzversicherung. Das BVerwG hatte sich mit der Zulässigkeit einer Prämienanpassungsklausel im Rahmen des damals noch notwendigen Genehmigungsverfahrens nach §§ 13, 5, 8 VAG a.F. auseinandergesetzt. Nach diesen Vorschriften konnte die Aufsichtsbehörde die Genehmigung von AVB versagen, wenn die Belange des VN durch die Bedingungen nicht hinreichend gewahrt wurden. Die Entscheidung wirkt sich, obwohl es sich um ein aufsichtsrechtliches Genehmigungsverfahren handelt, unmittelbar auf die AGB-rechtliche Beurteilung aus, da das BVerwG die Genehmigungsvoraussetzungen der §§ 13, 5, 8 VAG a.F. inhaltlich mit der Angemessenheitskontrolle der AGB-rechtlichen Generalklausel (damals noch § 9 AGBG a.F.) gleichsetzte.44 In dieser Entscheidung hat das BVerwG einige Grundsätze für die Zulässigkeit einer Prämienanpassungsklausel aufgestellt.45 In dem damaligen Verfahren standen mehrere vom VR beantragte Prämienanpas- 37 sungsklauseln auf dem Prüfstand. Die als einzige vom BVerwG als zulässig erachtete Prämienanpassungsklausel sah eine Ermächtigung des VR vor, die Prämie an eine näher bestimmte Änderung des Schadensaufwands (dem Produkt von Schadenshäufigkeit und Durchschnitt der Schadenszahlungen des vergangenen Kalenderjahres) anzupassen. Die Klausel legte also Veränderungsfaktoren und Referenzgrößen fest, an denen sich die Prämienanpassung zu orientieren hatte. Die Entscheidung des BVerwG kann nur so verstanden werden, dass die Existenz solcher Veränderungsfaktoren, an denen sich die Prämienanpassung zu orientieren hat, Voraussetzung für eine zulässige Prämienänderungsklausel ist.46
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Vgl. auch Übersichten bei Beckmann Zulässigkeit S. 43 ff., 133 ff.; Marlow FS Baumann 209, 211 ff. BVerwG 14.10.1980 VersR 1981 221. BVerwG 14.10.1980 VersR 1981 221, 223;
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zustimmend Hübner FS Concordia 57, 61; dazu auch Römer S. 9 f. Ausführlich dazu Beckmann VersR 1996 540, 541. Beckmann VersR 1996 540, 541.
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Als zulässige Referenzgröße sah das BVerwG die Änderung des Schadensaufwandes an. Da alle vom BVerwG zu beurteilenden Klauseln als Veränderungskriterium die Änderung des Schadensaufwandes zugrunde legten, kann aus dieser Entscheidung nicht entnommen werden, ob das BVerwG dies als einzig zulässiges Veränderungskriterium ansieht. Es lässt sich aus der Entscheidung lediglich herleiten, dass nach dem Standpunkt des Bundesverwaltungsgerichts die Klausel Veränderungskriterien zugrunde legen muss, die außerhalb des versicherten Risikos auftretende Änderungen der für die Preisgestaltung wesentlichen Umstände betrifft.47 Durch das in einer Prämienanpassungsklausel anzugebende Veränderungskriterium muss außerdem nach Ansicht des BVerwG sichergestellt sein, „dass Änderungen der für die Prämiengestaltung wesentlichen Grundlagen nur für die VN zu einer Prämienanpassung führen, deren versicherte Risiken von diesen Änderungen tatsächlich betroffen sind“48 (risikospezifische Beurteilung). Eine einheitliche Ermittlung des Veränderungssatzes ist somit unzulässig, wenn die Veränderungsfaktoren nicht für alle Versicherungsverhältnisse gleich sind.49 Die unterschiedlichen Entwicklungen verschiedener Risikogruppen müssen also berücksichtigt werden. Für die Rechtsschutzversicherung sei es angemessen, wenn der Veränderungssatz für drei Gruppen ([Verkehrs-Rechtsschutz, Fahrzeug-Rechtsschutz, Fahrer-Rechtsschutz], [Familien-Rechtsschutz, Rechtsschutz für Vereine, Rechtsschutz für Grundeigentum und Miete] und [Familien- und VerkehrsRechtsschutz für Lohn und Gehaltsempfänger, Landwirtschafts- und Verkehrs-Rechtsschutz]) gesondert ermittelt werde. In der vom BVerwG zu beurteilenden Klausel wurden bei der Ermittlung des Veränderungssatzes Branchenwerte zugrunde gelegt. Dies erachtete das BVerwG als zulässig und förderlich.50 Es lässt sich der Entscheidung aber nicht ausdrücklich entnehmen, ob dies notwendig und die Zugrundelegung von ausschließlich unternehmenseigenen Werten zulässig ist. Gegen Letzteres bestehen nach der Rechtsprechung wohl dann keine Bedenken, wenn die unternehmenseigenen Zahlen die außerhalb des versicherten Risikos auftretenden Veränderungen der für die Preisgestaltung wesentlichen Umstände angemessen berücksichtigen. Die Klausel sah weiterhin eine einheitliche Anhebung aller Prämienelemente, neben Wagnisanteil und Verwaltungsanteil also auch des Gewinnanteils vor; dies erachtete das BVerwG allerdings für unerheblich.51 Die Belange der Versicherten seien hinsichtlich des Grundes und des Umfangs der Anpassung ausreichend gewahrt, wenn die Prämienanpassung nur für den Fall einer nicht nur unwesentlichen Änderung der bei Vertragsschluss vorliegenden und für die Preisgestaltung maßgeblichen Umstände vorgesehen ist und das Ausmaß der Prämienanpassung in einem angemessenen Verhältnis zu der eingetretenen Änderung steht. An dieser Angemessenheit fehle es nicht schon deswegen, weil eine Veränderung des Schadenbedarfs zu einer dementsprechenden linearen Erhöhung der gesamten Prämie führt. Das BVerwG machte keine besonderen Ausführungen zu dem Erfordernis der Bestimmtheit einer Prämienanpassungsklausel. Es hat ebenso wenig bei der Ermittlung des
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BVerwG 14.10.1980 VersR 1981 221, 223; zu anderen Möglichkeiten Änderungen des Schadensbedarfs zu ermitteln Prölss/Martin/ Prölss27 § 31 Rn. 11 f. BVerwG 14.10.1980 VersR 1981 221, 224.
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BerlinerKommentar/Harrer § 31 Rn. 20; Wandt Rn. 126. BVerwG 14.10.1980 VersR 1981 221, 225. BVerwG 14.10.1980 VersR 1981 221, 225, 226; allgemein zu den Bestandteilen der Prämie § 33 Rn. 10 ff.
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Veränderungssatzes ausdrücklich die Einschaltung eines unabhängigen Treuhänders für erforderlich erachtet. Da aber alle ihm vorgelegten Klauseln eine derartige Regelung enthielten, kann sich nicht unbedingt herleiten lassen, ob die Einschaltung eines Treuhänders nach Ansicht des BVerwG notwendig ist oder nicht. bb) Rechtsprechung des BGH zu Prämienanpassungsklauseln in Versicherungsverträgen. Der BGH hat bisher in seinen Entscheidungen zu Prämienanpassungsklauseln in Versicherungsverträgen keine einheitlichen Zulässigkeitskriterien aufgestellt. Vielmehr ging es in der Regel nur um einzelne Aspekte. In einer Entscheidung vom 1.7.199252 stand eine Klausel der privaten Krankenversicherung auf dem Prüfstand. Der BGH erkannte darin das Bedürfnis des VR an und stellte darauf ab, dass sich der VR kein schrankenloses Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hatte.53 Auf die vom BVerwG entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit entsprechender Klauseln ging der BGH nicht ein und sah die ihm damals vorgelegte Klausel als zulässig an. Der Grund für die Zurückhaltung des BGH in dieser Entscheidung liegt darin, dass Tarifänderungen in der privaten Krankenversicherung zum damaligen Zeitpunkt der Zustimmung der Aufsichtsbehörde bedurften. Im Ergebnis lassen sich aus dieser Entscheidung keine allgemeinen AGB-rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen herleiten.54 Entsprechendes gilt für eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2004, in der eine Prämienanpassung in der privaten Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung im Raum stand.55 In dieser Entscheidung hatte der BGH gleichfalls einen Altfall zu bewerten, für den die Rechtslage vor dem Wegfall der Genehmigung von AVB durch die Aufsichtsbehörde galt. In der Entscheidungsbegründung verweist der BGH bezüglich der Zulässigkeit der Klausel deshalb auf seine Entscheidung vom 1.7.199256, da in beiden Entscheidungen die Prämienanpassung aufgrund derselben Klausel erfolgte. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1997 hatte der BGH sich mit der Frage zu befassen, ob bei einer formularmäßigen Bestimmung über eine fünfjährige Laufzeit eines Rechtsschutzversicherungsvertrages ein Verstoß gegen § 9 AGBG a.F. vorliegt, wenn gleichzeitig eine Prämienanpassungsklausel verwendet wird, die dem VN erst bei einer Beitragserhöhung von mehr als 15% oder von mehr als 30% innerhalb von drei aufeinanderfolgenden Jahren ein Kündigungsrecht gewährt; dieses Kündigungsrecht entsprach der vom BVerwG im DAS-Urteil genehmigten Klausel (dazu oben Rn. 36 ff.). Der BGH57 verneinte einen Verstoß und schloss sich im Hinblick auf das Kündigungsrecht der Begründung des BVerwG ausdrücklich an. Wegen des heute in § 40 Abs. 1 vorgesehenen uneingeschränkten Kündigungsrechts kommt dieser Entscheidung indes keine entscheidende Wirkung zu. In einer weiteren Entscheidung aus dem Jahre 1997 stand die Wirksamkeit von Anpassungsklauseln in einer Satzung des HDI auf dem Prüfstand.58 Der Schwerpunkt der Entscheidung lag indes in der vom BGH bejahten Frage nach dem AGB-Charakter von Satzungsbestimmungen.59 Im Hinblick auf die AGB-rechtliche Zulässigkeit stellte der
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BGH 1.7.1992 VersR 1992, 1211 = BGHZ 119 55. BGH 1.7.1992 VersR 1992, 1211 = BGHZ 119 55, 59. Beckmann VersR 1996 540, 542; Marlow FS Baumann 209, 217. BGH 22.9.2004 VersR 2004 1446. BGH 1.7.1992 VersR 1992 1211.
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BGH 26.3.1997 VersR 1997 685. Der in der Entscheidung zu beurteilende Versicherungsvertrag wurde vor dem 1.1.1991 abgeschlossen und daher war § 31 VVG a.F. in seiner damaligen Fassung (oben Rn. 1) Beurteilungsmaßstab. BGH 26.3.1997 VersR 1997 1517. Kritisch Marlow FS Baumann 209, 218.
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BGH darauf ab, dass sich der Beklagte mit der in Rede stehenden Klausel60 ein uneingeschränktes Abänderungsrecht vorbehalten habe. Die Klauseln enthielten keine dem Beklagten irgendwie gezogenen Grenzen für die Anpassung der Tarifbestimmungen, Beiträge und sonstigen versicherungsvertraglichen Rechte und Pflichten. Der VN sei jeder Beurteilung des Beklagten über die Richtigkeit und Notwendigkeit einer Anpassung ausgeliefert. Hierin liege ein Verstoß gegen das Transparenzgebot; danach sei der Verwender von AGB entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Schließlich stellte der BGH klar, dass die Unangemessenheit der Klausel nicht dadurch beseitigt und auch nicht gemildert werde, dass der VN den Vertrag nach der Satzungsbestimmung innerhalb von zwei Wochen kündigen könne. Für unwirksam wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG a.F. erachtete der BGH eine Klausel 47 in einem Wartungs- und Reparaturkostenversicherungsvertrag, die den Klauselverwender „bei Eintritt von Kostensteigerungen“ befugt, die Prämie zu erhöhen.61 Diese Klausel sei jedenfalls im nichtkaufmännischen Verkehr zu allgemein und unbestimmt gehalten.
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cc) Rechtsprechung des BGH zu Prämienanpassungsklauseln in anderen Vertragstypen. Aufgrund der primären Zuständigkeit der Zivilgerichte für die Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB ist für die Beurteilung von Prämienanpassungsklauseln in Versicherungsverträgen auch die umfangreiche Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln in anderen Vertragstypen nicht außer Acht zu lassen.62 Im Rahmen der BGH-Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Preisanpassungsklauseln geht es im Wesentlichen um die Fragen, ob Preiserhöhungen nur zulässig sind, um den Preis den Erhöhungen der Gestehungskosten anzupassen und welche Anforderungen an die Bestimmtheit von Preiserhöhungsklauseln zu stellen sind. Die Frage, ob dem Vertragspartner ein Kündigungsrecht eingeräumt werden und wie dieses ausgestaltet sein muss, spielt für Versicherungsverträge keine Rolle mehr, da diese durch § 40 beantwortet wird. Auf die Frage, ob das
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Die Klauseln lauteten (vgl. BGH 26.3.1997 VersR 1997, 1517 [juris Rn. 15 ff.]): „a) Der Vorstand kann mit Zustimmung der Hauptversammlung eine Änderung der Tarifbestimmungen, der Beiträge und der Versicherungsbedingungen, letztere nur, soweit sie Bestimmungen über Versicherungsschutz, Pflichten des Versicherungsnehmers, Willenserklärungen und Anzeigen betreffen, auch für bestehende Versicherungsverhältnisse beschließen. b) Der Aufsichtsrat ist außerdem ermächtigt, die allgemeinen Versicherungsbedingungen, die Tarifbestimmungen und die Beiträge bei einem dringenden Bedürfnis vorläufig zu ändern. Etwaige Genehmigungserfordernisse der Aufsichtsbehörde bleiben unberührt. Die Ermächtigung gilt auch für Änderungen mit Wirkung für bestehende Versicherungsverhältnisse; § 6 Abs. 3 gilt entsprechend. Die Änderungen sind der Hauptversammlung bei ihrem nächsten Zusammentreffen vorzulegen
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und außer Kraft zu setzen, wenn diese es verlangt. c) Eine Änderung der Beitragstarife gilt auch für bestehende Versicherungsverhältnisse. Sie ist erstmals für die nach der Änderung beginnende Versicherungsperiode anzuwenden.“ BGH 16.3.1988 VersR 1988 1281; die gesamte Klausel war wie folgt formuliert: „Bei Eintritt von Kostensteigerungen ist die Fa. V berechtigt, die Monatspauschalen zu erhöhen. Sie ist verpflichtet, die Erhöhung einen Monat vorher bekannt zu geben. Beträgt die Erhöhung mehr als 20 % der bisherigen Monatspauschale, so ist der Kunde berechtigt, zum Ende des Vertragsjahres zu kündigen, in dem die Erhöhung angekündigt wird.“ Beckmann VersR 1996 540, 542; Hübner FS Concordia 57, 62; Überblicke hierzu finden sich etwa bei Beckmann Zulässigkeit S. 43 ff.; Marlow FS Baumann 209, 211 ff.
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Kündigungsrecht dazu führen kann, dass es auf weitere Zulässigkeitskriterien gar nicht mehr ankommt, wurde bereits eingegangen (oben Rn. 16). Zur ersten Frage nach dem Anknüpfungspunkt (Bemessungsgrundlage) einer zulässi- 49 gen Preiserhöhung hat der BGH bereits 198063 entschieden, dass Preiserhöhungsklauseln als Folge des Äquivalenzprinzips nicht der nachträglichen Gewinnsteigerung des VR dienen dürfen. Eine Klausel sei nach § 9 AGBG a.F. unwirksam, wenn sie zur Vornahme von Preiserhöhungen ausschließlich zu dem Zweck berechtigt, „den Gewinn zu erhöhen, selbst wenn eine Steigerung der Gestehungskosten … nicht eingetreten ist.“64 Eine Preiserhöhung ist demnach auf das Ausmaß zwischenzeitlicher Kostensteigerungen beschränkt65 und umgekehrt müssen auch Kostensenkungen in einer angemessenen Zeit an den Kunden weitergegeben werden.66 Im Schrifttum wurden auch gegenteilige Standpunkte geäußert, wonach sogenannte wettbewerbsorientierte Preiserhöhungsklauseln, die die Anpassung nicht an Kostensteigerungen, sondern an die Veränderungen am Markt angleichen, zulässig sein sollen.67 Die wohl überwiegende Ansicht im Schrifttum 68 ist der Rechtsprechung des BGH gefolgt und vertritt den Standpunkt, dass alleine eine Kostensteigerung auf Klauselverwenderseite Anlass für Preisanpassungen sein darf. An die Bestimmtheit von Preisanpassungsklauseln hatte der BGH zunächst äußerst 50 hohe Anforderungen gestellt.69 Notwendig sei, dass der Käufer bereits bei Vertragsabschluss aus der Formulierung der Klausel erkennen könne, in welchem Umfang Preiserhöhungen auf ihn zukommen können, und dass er in der Lage sei, die Berechtigung vorgenommener Preiserhöhungen an der Ermächtigungsklausel zu messen.70 Dieses Zulässigkeitskriterium ist jedoch trotz dieser deutlichen Ausführungen problematisch. Der BGH schwankt hinsichtlich dieser Voraussetzung und erwähnt sie teils überhaupt nicht71 oder schränkt sie ein72. In einem weiteren Urteil73 hat der BGH dem Klauselverwender darüber hinaus die Möglichkeit eingeräumt, eine an sich zu unbestimmte Klausel durch die Einräumung eines Kündigungs- oder Lösungsrechts auszugleichen. Andererseits hat der BGH74 diese sogenannte Heilungsfunktion des Lösungsrechts erst dann für möglich gehalten, wenn eine Konkretisierung der Preiserhöhungsfaktoren praktisch nicht mehr möglich ist oder zu komplizierten, nicht mehr nachvollziehbaren Klauselformulierungen führt. Aufgrund solcher Formulierungsschwierigkeiten im Hinblick auf die Konkretisie-
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BGH 11.6.1980 NJW 1980 2518 (erstes Zeitschriftenabonnement-Urteil); vgl. jüngst BGH 21.4.2009 Az.: XI ZR 55/08 (juris Rn. 25) und BGH 21.4.2009 Az.: XI ZR 78/08 (juris Rn. 25). BGH 11.6.1980 NJW 1980 2518, 2519. Vgl. beispielsweise BGH 11.6.1980 NJW 1980 2518, 2519; und später wiederholt festgestellt: BGH 7.10.1981 BGHZ 82 21, 25 = NJW 1982 331 (erstes Tagespreisklausel-Urteil); BGH 20.5.1985 NJW 1985 2270; BGH 6.3.1986 BGHZ 97 212, 217 f. = NJW 1986 1803 (erstes Zinsanpassungsklausel-Urteil); BGH 21.9.2005 NJW-RR 2005 1717; BGH 13.12.2006 NJW 2007 1054, 1055 (juris Rn. 21); BGH 11.10.2007 NJW-RR 2008 134 (juris Rn. 19); BGH 15.11.2007 NJW 2008 360, 361.
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BGH 6.3.1986 BGHZ 97 212, 217. Herrmann Jura 1988 505; Horn NJW 1985 1118, 1122; Lübke-Detring S. 78 ff.; jüngst Thomas AcP 209 2009 84, 101 ff. Vgl. etwa Löwe BB 1982 152, 157; Wolf/Lindacher/Pfeiffer5 § 309 Nr. 1 Rn. 117; differenzierend Beckmann Zulässigkeit S. 82 ff. BGH 11.6.1980 NJW 1980 2518; BGH 26.5.1986 NJW 1986 3134, 3135; BGH 16.3.1988 VersR 1988 1281, 1283. BGH 11.6.1980 NJW 1980 2518, 2519. BGH 29.10.1985 NJW-RR 1986 211, 212. BGH 6.3.1986 BGHZ 97 212, 217 f. wonach die Voraussetzungen einer Preiserhöhungsklausel je nach Vertragstyp unterschiedlich ausfallen können. BGH 7.10.1981 NJW 1982 331, 332. BGH 6.4.1989 NJW 1989 1796, 1797.
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rung wird insbesondere im Schrifttum vereinzelt vom strengen Bestimmtheitsgebot abgerückt.75 Zunehmend hat das Transparenzgebot als Zulässigkeitskriterium auch für Preis51 anpassungsklauseln an Bedeutung gewonnen.76 Auch schon vor der ausdrücklichen Normierung in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hatte das Transparenzgebot in Rechtsprechung und Schrifttum einen wesentlichen Stellenwert im Rahmen der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle.77 Danach ist der Verwender von AGB verpflichtet, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen; abzustellen sei dabei nicht auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkreten Vertragspartners, auch nicht auf das Verständnis eines Fachmanns, insbesondere eines Juristen, der sich eingehend mit den betreffenden AGB beschäftigt hat. Maßgebend seien vielmehr die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden.78
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dd) Stellungnahme. Eine zentrale Frage im Hinblick auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen betrifft den Anknüpfungspunkt (Bemessungsgrundlage). Die Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln außerhalb von Versicherungsverträgen stellt auf Kostensteigerungen seit Vertragsschluss ab (vgl. oben Rn. 49). In diese Richtung hat für das Versicherungsvertragsrecht das BVerwG in seiner DAS-Entscheidung auf die Entwicklung des Schadensbedarfs als zulässiges Kriterium abgestellt (oben Rn. 37). Dieses wird im Schrifttum gleichfalls als zulässige Bemessungsgrundlage angesehen79 und kann als gefestigter Standpunkt angesehen werden. Eine gesetzliche Rechtfertigung findet diese Bemessungsgrundlage zudem durch die gesetzlichen Vorgaben in § 178g Abs. 2 VVG a.F., auch wenn der Reformgesetzgeber in § 203 Abs. 2 nicht mehr allein auf eine Veränderung des Schadensbedarfs abstellt, sondern auf eine Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage. Für ein unverändertes Abstellen auf eine Änderung des Schadensbedarfs spricht des Weiteren § 163 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, der den VR zu einer Prämienänderung berechtigt, wenn sich der Leistungsbedarf nicht nur vorübergehend ändert. Als Anknüpfungspunkt könnte auch auf andere bei Vertragsschluss nicht vorhersehbare Kostensteigerungen (z.B. Verwaltungskosten) abgestellt werden; 80 im Vergleich zur Veränderung des Schadensbedarfs dürfte einem solchen Anknüpfungspunkt aber keine allzu große Bedeutung zukommen. Nicht vollständig einheitlich ist die Rechtsprechung des BGH und des BVerwG im 53 Hinblick auf die Gewinnmaximierung. Während die BGH-Rechtsprechung ein Gewinnerzielungsverbot ausspricht (oben Rn. 49), sah das BVerwG in der Bruttobezogenheit der Prämienerhöhung, die faktisch eine Gewinnerhöhung mit sich bringen kann, keine Probleme. Sowohl § 163 als auch § 203 geben für die dort geregelten Versicherungszweige
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Bunte NJW 1985 600; Köndgen/König ZIP 1984 129, 134; Reuter DB 1981 71, 72; Schwarz NJW 1987 626, 627. BGH 24.11.1988 NJW 1989 222 (juris Rn. 26 ff.); BGH 19.11.2002 NJW 2003 746 (juris Rn. 16 ff.). Lorenz/Riehm Rn. 108 m.w.N. BGH 24.11.1988 NJW 1989 222 (juris Rn. 26 ff.). Beckmann VersR 1996 540, 544 f.; ders. Zulässigkeit S. 136; Berliner Kommentar/
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Harrer § 31 Rn. 29; Bruck/Möller/Johannsen/ Johannsen8 Bd. III Feuerversicherung Anm. F 6; HK-VVG/Karczewski § 40 Rn. 8; Römer/Langheid 2 § 31 Rn. 19; Prölss/Martin/Prölss27 § 31 Rn. 7. Beckmann VersR 1996 540; betr. Verwaltungskosten ebenso Berliner Kommentar/ Harrer § 31 Rn. 32; Bruck/Möller/Johannsen/Johannsen8 Bd. III Feuerversicherung Anm. F 6.
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Kündigung bei Prämienerhöhung
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zu dieser Frage keine ausdrückliche Auskunft. Andererseits enthalten diese Vorschriften auch keine ausdrücklichen Verbote.81 Für die Zulässigkeit der Bruttobezogenheit von Prämienerhöhungen spricht auch, dass für die Inhaltskontrolle von Preisklauseln immer eine vertragstypengerechte Untersuchung angezeigt ist. Die Prämienberechnung im Rahmen von Versicherungsverträgen ist ungleich schwieriger als die Preiskalkulation in anderen Wirtschaftszweigen.82 In anderen Vertragstypen ist eine genauere Berechnung der konkret gestiegenen Kosten möglich. Da es schwierig ist, eine geeignete Bezugsgröße für die Berechnung von Prämienerhöhungen zu finden, rechtfertigt es sich bereits aus diesem Grund, die Bruttobezogenheit der Prämienanpassungsklausel als angemessen zu erachten.83 Auch die Anforderungen an das Konkretisierungsgebot (bzw. Bestimmtheitsgebot) 54 sind problematisch. Während in den Entscheidungen (des BVerwG und auch des BGH) zu Prämienanpassungsklauseln in Versicherungsverträgen – soweit ersichtlich – bisher auf ein Konkretisierungsgebot praktisch nicht eingegangen wird,84 hat der BGH in Entscheidungen zu Preisanpassungsklauseln außerhalb von Versicherungsverträgen wiederholt auf eine erforderliche Bestimmtheit solcher Klauseln abgestellt; allerdings hat der BGH zu diesem Aspekt nicht immer einen einheitlichen Standpunkt vertreten (oben Rn. 50 ff.). Nichtsdestotrotz hat das Bestimmtheitsgebot im Rahmen von Prämienanpassungsklauseln einen hohen Stellenwert. Die Bestimmtheit bindet den VR und steht ungerechtfertigten Spielräumen des VR entgegen.85 Deshalb muss eine Prämienanpassungsklausel so bestimmt sein, dass Prämienanpassungen nach Belieben des VR ausgeschlossen sind.86 Des Weiteren ist erforderlich, dass die Preiserhöhung an der Kostenentwicklung des Verwenders ausgerichtet ist, die Ermittlung der Prämienanpassung im Voraus absehbar ist und die die Anpassung auslösenden Kostenfaktoren in der Klausel angegeben sind.87 Deshalb ist zu Recht ein nicht näher konkretisierter Hinweis auf den „Eintritt von Kostensteigerungen“ als unzulässig angesehen worden.88 Indes besteht gerade bei Prämienanpassungsklauseln in Versicherungsverträgen die Gefahr, dass eine Klauselfassung zu kompliziert oder sogar nicht mehr möglich wird. In diesen Fällen kann ein allzu strenges Bestimmtheitsgebot nicht mehr gefordert werden. Gleichwohl tendiert die Rechtsprechung zu Recht dahin, dem Vertragspartner bzw. auch dem Gericht eine Überprüfbarkeit und Angemessenheitskontrolle der jeweiligen Preis- bzw. Prämienerhöhung zu ermöglichen.89 Auch zeigt die vom BVerwG als zulässig bewertete Klausel, dass auf Seiten des VR nichts Unmögliches verlangt wird. Da sich die Anpassung an einem zulässigen Veränderungskriterium orientieren muss 55 (insbesondere an Veränderungen des Schadensaufwands, vgl. oben Rn. 37), ist es grundsätzlich nicht erforderlich, eine Höchstgrenze für mögliche Prämienerhöhungen als Zulässigkeitsvoraussetzung aufzustellen.90 Gleichwohl wird im Schrifttum die Frage disku-
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Beckmann VersR 1996 540, 545; dagegen Berliner Kommentar/Honsell § 31 Rn. 24. Beckmann Zulässigkeit S. 139. Beckmann Zulässigkeit S. 139; Prölss/Martin/Prölss27§ 31 Rn. 15; Römer/Langheid2 § 31 Rn. 23; a.A. BerlinerKommentar/Harrer § 31 Rn. 34. Lediglich in seiner Entscheidung vom 16.3.1988 (VersR 1988 1281) stellt der BGH auf die Unbestimmtheit einer Klausel ab (vgl. oben Rn. 47).
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Beckmann/Matusche-Beckmann/Wandt2 § 11 Rn. 120. Berliner Kommentar/Harrer § 31 Rn. 33 m.w.N. So bereits Beckmann Zulässigkeit S. 141. BGH 16.3.1988 VersR 1988 1281; ebenso Berliner Kommentar/Harrer § 31 Rn. 33. Beckmann VersR 1996 540, 545. Beckmann Zulässigkeit S. 141; BVerwG 14.10.1980 VersR 1981 221; BGH 26.3.1997 BB 1997 2072.
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tiert, ob die Erhöhung durch die Höhe des Beitragssatzes für Neuabschlüsse begrenzt sein muss.91 Gleiches gilt auch für die Frage, ob die Anpassungsklausel das Überschreiten einer Geringfügigkeitsgrenze (Erheblichkeitsschwelle) als Zulässigkeitsvoraussetzung beinhalten muss. Das BVerwG hatte dieses Kriterium in der DAS-Entscheidung nicht ausdrücklich als Voraussetzung für die Zulässigkeit für erforderlich gehalten, allerdings die Existenz der Geringfügigkeitsgrenze in der zu überprüfenden Prämienanpassungsklausel als Argument für die Angemessenheit mit einbezogen.92 Indes besteht hierfür weder aus Sicht des VR noch aus Sicht des VN ein besonderes Interesse.93 Insbesondere für den VN ist es nicht von Vorteil, wenn der VR nur Prämienerhöhungen z.B. von über 5 % vornimmt; im Übrigen „droht“ dem VR auch bei geringfügigen Prämienerhöhungen eine Kündigung durch den VN. Schließlich besteht für den VR die Möglichkeit auf die Änderungen des Schadensbedarfs mehrerer Jahre abzustellen, wenn diese Bezugsgröße in der Klausel zugrunde gelegt wird. Da – wie gesagt – die erforderliche Bestimmtheit einer Prämienanpassungsklausel 56 (oben Rn. 50) die Gefahr in sich birgt, dass die Klausel zu kompliziert und nicht verständlich wird, stellt sich die Frage nach den Anforderungen an das Transparenzgebot. Gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Bestimmtheitsgebot und Transparenzgebot stellen inhaltsnahe Anforderungen auf; gleichwohl lässt sich zwischen beiden Anforderungen differenzieren: Das Bestimmtheitsgebot setzt eine Konkretisierung der tatbestandlichen Voraussetzungen und der Rechtsfolgen der Anpassungsklausel voraus; das Transparenzgebot verlangt Klarheit und Verständlichkeit der AGB.94 Diskutiert und wohl nicht endgültig geklärt ist das Rangverhältnis von Bestimmtheitsgebot und Transparenzgebot. Vielfach wird im Konfliktfall der Bestimmtheit der Anpassungsklausel gegenüber der Verständlichkeit für den VN letztlich der Vorrang eingeräumt.95 Beide Grundsätze haben ihre Gründe und Berechtigung, so dass man dies in dieser Stringenz vielleicht nicht feststellen kann. Jedenfalls kann das Transparenzgebot durch einen solchen Vorrang nicht verdrängt werden. Als Mindestvoraussetzung muss für den Vertragspartner des Klauselverwenders erkennbar und nachvollziehbar bleiben, auf welcher Grundlage die Forderung nach einem erhöhten Entgelt erhoben wird.96 In §§ 163 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 203 Abs. 2 Satz 1 ist die Bestellung eines unabhängi57 gen Treuhänders vorgesehen, der die Berechnungsgrundlagen und das Vorliegen der Anpassungsvoraussetzungen, einschließlich der Angemessenheit, überprüfen und bestätigen muss. Die umstrittene Frage, ob diese Verpflichtung auch für andere Versicherungszweige als die Kranken-, Lebens- und nach § 176 die Berufsunfähigkeitsversicherung gilt, ist zu bejahen.97 Den §§ 163, 203 kommt insoweit eine Leitbildfunktion zu.98 Schon vor
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Römer/Langheid 2 § 31 Rn. 15; tendenziell dafür Prölss/Martin/Prölss27 § 31 Rn. 17; Bruck/Möller/Johannsen/Johannsen8 Bd. III Feuerversicherung Anm. F 6. BVerwG 14.10.1980 VersR 1981 221, 226. Beckmann Zulässigkeit S. 140; a.A. Prölss/ Martin/Prölss27§ 31 Rn. 16, wonach aber geringfügige Änderungen vorgetragen werden können. Beckmann/Matusche-Beckmann/Wandt2 § 11 Rn. 120 f.; ders. Änderungsklauseln Rn. 84, 89.
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Beckmann/Matusche-Beckmann/Wandt2 § 11 Rn. 120 f.; ders. Änderungsklauseln Rn. 91; Prölss/Martin/Prölss27§ 31 Rn. 5; Römer/ Langheid 2 § 31 Rn. 16. BGH 19.11.2003 NJW 2003, 746 (juris Rn. 18); HK-VVG/Karczewski § 31 Rn. 7. Beckmann VersR 1996 540, 544; Wandt S. 57; a.A. Prölss/Martin/Prölss27 § 31 Rn. 13; BerlinerKommentar/Harrer § 31 Rn. 35. Beckmann/Matusche-Beckmann/Wandt2 § 11 Rn. 112.
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Einführung der Mitwirkung eines unabhängigen Treuhänders bei den genannten Versicherungszweigen hatte das BVerwG im DAS-Urteil eine Klausel für zulässig erachtet, die die Mitwirkung eines unabhängigen Treuhänders vorsieht (vgl. oben Rn. 42). Für die generelle Pflicht zur Einschaltung eines Treuhänders spricht auch, dass sich Anpassungsklauseln kaum so abfassen lassen, dass dem VR keinerlei Beurteilungsspielräume verbleiben. Diese bestehen insbesondere bei der Wiederherstellung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung unter Berücksichtigung der versicherungsmathematischen und -technischen Grundsätze.99 Der durchschnittliche VN verfügt aber nicht über die Fähigkeiten, die rechtlichen sowie versicherungsmathematischen und -technischen Voraussetzungen einer Anpassung überprüfen zu können. Auch die Möglichkeit des VN, eine Anpassung gerichtlich überprüfen zu lassen, ist kein durchschlagendes Argument gegen das Erfordernis eines Treuhänders, denn der VN trägt dann ein regelmäßig schwer einschätzbares Prozesskostenrisiko.100 c) Verwendung gegenüber Unternehmern. Gem. § 310 Abs. S. 1 BGB finden u.a. die 58 §§ 308 und 309 BGB keine Anwendung auf AGB, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. Die Inhaltskontrolle erfolgt über die Generalklausel gem. § 307 BGB. Gem. § 310 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs. BGB ist auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessen Rücksicht zu nehmen. Vor diesem Hintergrund werden insbesondere Preisanpassungsklauseln, die gegenüber Unternehmern verwendet werden, an anderen Kriterien gemessen als solche, die gegenüber nichtunternehmerischen Vertragspartnern verwendet werden.101 Die für den unternehmerischen Bereich aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen weisen deutlich geringere Voraussetzungen auf. Im Hinblick auf das Versicherungsvertragsrecht könnte man dies deshalb anders beurteilen, da das VVG selbst nicht differenziert, ob der VN Unternehmer ist oder nicht. Insbesondere gelten die Vorschriften, die nicht zum Nachteil des VN verändert werden können, vorbehaltlich des § 210, für alle VN. Deshalb könnte man annehmen, dass nicht nur § 40, sondern auch die AGB-rechtlichen Zulässigkeitskriterien uneingeschränkt für alle VN gelten, unabhängig von ihrer Unternehmereigenschaft. Soweit ersichtlich hat die Rechtsprechung diese Frage im Hinblick auf Prämienanpassungsklauseln ausdrücklich noch nicht berücksichtigt.102 In einzelnen Entscheidungen des BGH bezieht sich z.B. aber der Klageantrag des jeweils klagenden Verbraucherschutzvereins lediglich auf die Unterlassung der streitgegenständlichen Klausel außerhalb des kaufmännischen bzw. unternehmerischen Rechtsverkehrs.103 Auch die meisten Stellungnahmen im Schrifttum zur Zulässigkeit von Prämienanpassungsklauseln greifen diese Differenzierung nicht auf. Da es sich bei Zulässigkeit solcher Klauseln – abgesehen von § 40 – primär um eine AGB-rechtliche Frage handelt, spricht Einiges dafür, bei Verwendung gegenüber Unternehmern andere, moderatere Kriterien für die Zulässigkeitsfrage heranzuziehen.104 99 100
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Beckmann/Matusche-Beckmann/Wandt2 § 11 Rn. 112. Beckmann/Matusche-Beckmann/Wandt2 § 11 Rn. 112; Wandt Rn. 147; a.A. Prölss/ Martin/Prölss27 § 31 Rn. 13. Beckmann Zulässigkeit S. 100; BGH NJW 1985 426; BGH NJW 1985 853. BGH NJW 1980 2518; BGH 21.4.2009 Az.: XI ZR 55/08 (juris); BGH 21.4.2009 Az.: XI ZR 78/08 (juris); BGH NJW 1982 331; BGH NJW 1986 3134; BGH NJW 2008
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6. Rechtsfolgen unwirksamer Prämienanpassungsklauseln
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a) Auswirkungen auf den Versicherungsvertrag. Eine Prämienanpassungsklausel, die der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht standhält, ist unwirksam (vgl. dazu aber noch sogleich Rn. 60).105 Eine geltungserhaltende Reduktion ist nach allgemeinen AGB-rechtlichen Grundsätzen unzulässig.106 Dem VR ist es dann also nicht möglich, die Prämie nachträglich zu erhöhen. Gem. § 306 Abs. 1 BGB bleibt der Vertrag bei Unwirksamkeit einer AGB im Übrigen bestehen. Gem. § 306 Abs. 2 BGB treten an die Stelle der unwirksamen Klausel die gesetzlichen Vorschriften. Der VR ist damit auf allgemeine – wenngleich aufwändige – Anpassungsmechanismen bzw. auf die Kündigung des Versicherungsverhältnisses angewiesen. Lediglich für den Fall, dass ein Festhalten am Vertrag auch unter Berücksichtigung der nach § 306 Abs. 2 BGB vorgesehenen Änderungen für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde, bestimmt § 306 Abs. 3 BGB seine Unwirksamkeit. Geht man im Falle einer gegen das AGB-Recht verstoßenden Prämienanpassungsklau60 sel von einer grundsätzlichen Unwirksamkeit aus (oben Rn. 59), so folgt hieraus, dass eine Anpassung aufgrund einer unangemessenen Prämienanpassungsklausel keine rechtlichen Folgen nach sich ziehen würde. Der Vertrag bliebe unter dem bisherigen Inhalt unangetastet. Fraglich ist aber, ob dem VN im Falle einer Anpassung aufgrund einer unzulässigen Prämienanpassungsklausel gleichwohl ein Kündigungsrecht zusteht. Auf der Grundlage einer (Gesamt-)Unwirksamkeit müsste man ein Kündigungsrecht verneinen. Gleichwohl geht die h.M. – wie schon an anderer Stelle erläutert (oben Rn. 15) – von einem Kündigungsrecht des VN aus, auch wenn die Prämienanpassung als solche unwirksam ist. Dem ist schon deshalb zuzustimmen, da der VN schon angesichts der Komplexität der AGB-rechtlichen Prüfung einer Anpassungsklausel nicht ohne Weiteres weiß, ob diese wirksam erfolgt ist oder nicht. Dieses Ergebnis lässt sich zudem mit der hier vertretenen personalen Teilunwirksamkeit von AGB, die gegen das AGB-Recht verstoßen, begründen.107
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b) Sonstige Rechtsfolgen. Neben den zuvor angesprochenen Rechtsfolgen im Hinblick auf den konkreten Versicherungsvertrag kommen wegen Verstoßes einer Preisanpassungsklausel gegen das AGB-Recht weitere allgemeine Rechtsfolgen in Betracht: Zum einen gelangt das praxisrelevante Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) zur Anwendung. Unter dem Aspekt des Verschuldens bei Vertragsschluss gem. § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB ist auch ein Schadensersatzanspruch gegen den Verwender denkbar.108 Des Weiteren kann das Aufsichtsrecht berührt sein. Die Verwendung einer gegen das AGB-Recht verstoßenden AVB kann einen Missstand i.S.d. § 81 VAG darstellen, so dass die Aufsichtsbehörde die entsprechenden behördlichen Maßnahmen ergreifen kann (vgl. dazu Band 1 Einführung Teil C Rn. 16 f. m.w.N.).
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Versicherungsvertragsrechts aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen Beckmann Zulässigkeit S. 51 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann5 § 309 Nr. 1 Rn. 160 ff. BerlinerKommentar/Harrer § 31 Rn. 36; Prölss/Martin/Prölss27 § 31 Rn. 20. BGH 16.5.1990 BGHZ 111 278, 279; zu
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den Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das AGB-Recht vgl. im Übrigen Bruck/Möller/ Beckmann Band 1 Einf. C Rn. 298 ff. Dazu Bruck/Möller/Beckmann Band 1 Einf. C Rn. 298 ff., dort m.w.N. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs10 Vorbem. vor § 307 Rn. 103 f.
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Herabsetzung der Prämie
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7. Abdingbarkeit Von § 40 kann wegen § 42 nicht zum Nachteil des VN abgewichen werden. § 40 ist 62 damit halbzwingend. Auf Großrisiken gem. § 210 Abs. 2 und auf laufende Versicherungen sind die Beschränkungen der Vertragsfreiheit nach dem VVG – und damit auch § 42 – indes nicht anzuwenden.109
IV. Darlegungs- und Beweislast Für § 40 gelten hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislastverteilung die allgemeinen 63 zivilrechtlichen Grundsätze, wonach jede Partei diejenigen für sie günstigen Tatsachen darzulegen und unter Umständen zu beweisen hat, auf welche sie sich beruft. Macht der VR eine Prämienanpassung geltend, so hat er das Vorliegen der Voraussetzungen der zugrunde liegenden Anpassungsklausel darzulegen und ggf. zu beweisen. Gleiches gilt für den Zugang der nach Abs. 1 Satz 2 erforderlichen Mitteilung beim VN. Umgekehrt hat der VN den Zugang seiner Kündigung darzulegen und im Falle des Bestreitens durch den VR zu beweisen. Die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Einbeziehung der Anpassungsklausel in den Vertrag obliegt dem VR. Hingegen trägt der VN die Darlegungs- und Beweislast, sofern er sich auf eine gem. § 305b BGB vorrangige Individualvereinbarung beruft.110 Die Inhaltskontrolle einer Prämienanpassungsklausel ist i.d.R. als Rechtsfrage anzusehen. Soweit es im Rahmen der Inhaltskontrolle allerdings auf Tatsachen ankommt, trägt grundsätzlich derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der die Unwirksamkeit der Klausel geltend macht.111 Sind nach dem ggf. bewiesenen Vortrag des VN die Voraussetzungen eines der Regelbeispiele des § 307 Abs. 2 BGB erfüllt, so ist es wiederum Sache des Klauselverwenders, die aus der Verwirklichung der Regelbeispiele folgende Vermutung einer unangemessenen Benachteiligung zu entkräften.112
§ 41 Herabsetzung der Prämie 1Ist wegen bestimmter gefahrerhöhender Umstände eine höhere Prämie vereinbart und sind diese Umstände nach Antragstellung des Versicherungsnehmers oder nach Vertragsschluss weggefallen oder bedeutungslos geworden, kann der Versicherungsnehmer verlangen, dass die Prämie ab Zugang des Verlangens beim Versicherer angemessen herabgesetzt wird. 2Dies gilt auch, wenn die Bemessung der höheren Prämie durch unrichtige, auf einem Irrtum des Versicherungsnehmers beruhende Angaben über einen solchen Umstand veranlasst worden ist.
Schrifttum Brockmann Risiko- und Prämienänderung in der Unfallzusatzversicherung, VersR 1988 890; Ganster Die Prämienzahlung im Versicherungsrecht (2008) (zit.: Ganster Prämienzahlung); SchmidtTüngler Beitragsänderung bei höherer Gefahr und Gefahrminderung, ZVersWiss 1942 140. 109 110 111
Vgl. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 115. Allgemein Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher 3 § 305b Rn. 49 m.w.N. BGH 6.12.2002 NJW 2003 1313 (juris Rn. 11); BGH 21.11.1995 NJW 1996 388 (juris Rn. 19).
112
BGH 20.6.1984 NJW 1985 914 (juris Rn. 28); Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs10 Vorbem. vor § 307 Rn. 109.
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Abschnitt 3. Prämie
Übersicht Rn. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte und Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt und Zweck der Regelung . . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . II. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prämienherabsetzung . . . . . . . . . a) Wegfall oder Bedeutungslosigkeit von Gefahrumständen, Satz 1 . . .
Rn.
1
b) Irrtümliche Falschanzeige von Gefahrumständen, Satz 2 . . c) Abgrenzung . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . IV. Abdingbarkeit/AVB . . . . . . . . V. Prozessuales . . . . . . . . . . . .
1 3 5 6 6
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6
I. Einführung 1. Entstehungsgeschichte und Übergangsvorschriften § 41a a.F. wurde durch die Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung vom 19.12.1939 (RGBl. I 2443) als Gegenstück zu der in § 41 a.F. geregelten Prämienerhöhung in das VVG eingeführt. Als Vorbild dienten dem damaligen deutschen Gesetzgeber die Vorschriften § 31 ÖVVG 1917 (ÖRGBl. 501) bzw. § 31 ÖVVG 1915 (ÖRGBl. 343).1 Seit ihrer Einführung bis zur VVG-Reform hat die Vorschrift keinerlei Änderungen erfahren. Im neuen VVG weicht der § 41 lediglich in einem Punkt von seiner Vorgängervorschrift ab: Bisher konnte der VN entsprechend dem in § 40 a.F. geregelten Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie eine angemessene Herabsetzung der Prämie wegen des Wegfalls eines gefahrerhöhenden Umstandes erst für die künftige Versicherungsperiode verlangen. Nachdem dieser Grundsatz im neuen § 39 aufgegeben wurde, gibt nun auch § 41 dem VN die Möglichkeit, die Herabsetzung der Prämie bereits ab Zugang des Verlangens geltend zu machen. Die sonstigen Änderungen des § 41 sind redaktioneller Natur. Der bisherige Absatz 2 wurde wegen des engen Sachzusammenhangs mit Satz 1 direkt hinter diesen als Satz 2 angefügt.2 Für das Inkrafttreten der Vorschrift bzw. für den Übergang zwischen dem früheren 2 VVG und dem Recht nach der VVG-Reform gelten die allgemeinen Regeln über das Inkrafttreten, insbesondere Art. 12 VVG RefG.
1
2. Inhalt und Zweck der Regelung
3
§ 41 gibt dem VN die Möglichkeit, eine angemessene Herabsetzung der Prämie zu verlangen, wenn gefahrerhöhende Umstände, die bei dem Vertrag zur Vereinbarung einer höheren als der normalen Prämie geführt haben, nach Stellung des Antrags wegfallen, oder bedeutungslos werden. Das gleiche gilt, wenn die Bemessung der höheren Prämie durch unrichtige, auf einem Irrtum des VN beruhende Angaben erfolgt ist. § 41 gewährt also dem VN einen angemessen Ausgleich für die Fälle, in denen das versicherte Risiko nicht mehr der vom VN zu zahlenden Prämie entspricht.3 In diesen Fällen soll die vereinbarte Prämie an das „tatsächlich existente Risiko“4 angepasst werden.
1
2
Amtliche Begründung zur Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung vom 19.12.1939 S. 11 zu Nr. 19. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 72.
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3 4
Römer/Langheid2 § 41a Rn. 1; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Michaelis § 41 Rn. 1. Berliner Kommentar/Riedler § 41a Rn. 2.
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Herabsetzung der Prämie
§ 41
§ 41a VVG a.F. stellte nach herrschender Meinung5 zum alten VVG eine Sonderrege- 4 lung für einen bestimmten Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dar, neben dem die allgemeinen Grundsätze keine Anwendung finden.6 Da § 41 insoweit inhaltsgleich ist, kann diese Meinung auch zum neuen VVG aufrecht erhalten werden. 3. Anwendungsbereich Im alten VVG war § 41a a.F. generell nicht anwendbar für die Lebensversicherung, 5 § 164a a.F. Durch die Neuregelung der Lebensversicherung erklärt jetzt § 158 Abs. 3 § 41 mit der Maßgabe für anwendbar, dass eine Herabsetzung der Prämie nur wegen solcher Minderung der Gefahrumstände verlangt werden kann, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrminderung angesehen werden soll. In der Krankenversicherung ist § 41 uneingeschränkt anwendbar, was man aus einem Umkehrschluss aus § 194 herleiten kann.
II. Tatbestand 1. Prämienherabsetzung a) Wegfall oder Bedeutungslosigkeit von Gefahrumständen, Satz 1. Damit eine He- 6 rabsetzung der Prämie möglich ist, muss ein ungünstiger die Gefahr erhöhender Umstand wegfallen.7 Dies ist nur dann der Fall, „wenn bei Vertragsschluss für die nunmehr weggefallenen Risiken – sei es auch nur intern – ein Zuschlag berechnet oder wenn der VN oder der versicherte Gegenstand in eine höhere Tarifklasse als für Risiken dieser Gattung üblich eingereiht worden ist“8. Diese Feststellung ist stets durch eine Gesamtschau zu ermitteln und eine isolierte Betrachtungsweise ist nicht gestattet. Es ist nämlich durchaus vorstellbar, dass zwar ein konkreter gefahrerhöhender Umstand wegfällt, gleichzeitig aber ein anderer auftritt. In diesem Fall liegt eine sogenannte Gefahrkompensation vor, bei der von einer Gefahrminderung nicht mehr gesprochen werden kann. Eine Gefahrminderung ist also nur gegeben, wenn im Zeitpunkt des Verlangens des VN eine Sachlage gegeben ist, aufgrund derer der VR eine niedrigere als die ursprünglich vereinbarte Prämie berechnen würde. Die Gefahrminderung kann allerdings nur dann zu einer Prämienänderung führen, wenn sie dauerhaft ist. Verringert sich das Risiko nur für kurze Zeit gegenüber demjenigen, das bei Vertragsschluss angenommen wurde, greift eine Änderung der Prämie nicht ein.9 § 41 kann von dem VN auch dann geltend gemacht werden, wenn er die Gefahrmin- 7 derung willentlich herbeigeführt hat.10 Weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus der Begründung der Verordnung vom 19.12.1939 ergibt sich, dass es sich bei der Gefahrminderung um eine nicht vom VN herbeigeführte Gefahrminderung handeln muss. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, das durch die Gefahrminderung gestörte Gleichgewicht zwischen Risiko und Prämie wieder herzustellen. Dafür spielt es aber keine Rolle, ob die Gefahrminderung ohne Zutun des VN eingetreten ist oder vom VN herbeigeführt wurde.11 5
6
Berliner Kommentar/Riedler § 41a Rn. 2; BGH 5.2.1981 VersR 1981 621, 622; Prölss/ Martin/Knappmann27 § 41a Rn. 1; Römer/ Langheid 2 § 41a Rn. 1; Deutsch6 Rn. 151. Palandt/Grüneberg69 § 313 Rn. 16; HK-VVG/ Karczewski § 41 Rn. 1.
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Bruck/Möller/Möller8 § 41a Anm. 5. Berliner Kommentar/Riedler § 41a Rn. 4. Schmidt-Tüngler ZVersWiss 1942 190, 196. Brockmann VersR 1988 890, 893. Brockmann VersR 1988 890, 893.
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Abschnitt 3. Prämie
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Dem Wegfall eines gefahrerhöhenden Umstands steht der Fall gleich, dass dieser „bedeutungslos“ wird. In dieser Variante bleibt der Gefahrumstand zwar bestehen, wird aber so vermindert, dass die höhere Prämie jedenfalls in dem vereinbarten Umfang unangemessen wird.12 Weitere Voraussetzung für den Eintritt der Prämienminderung ist, dass der gefahr9 erhöhende Umstand dem VR bei Abgabe seiner Willenserklärung zur Prämienhöhe bekannt war, denn nur dann kann die erhöhte Prämie gerade auf diesem Umstand beruhen. § 41 bezieht daher für die Möglichkeit des Wegfalls eines Gefahrumstands auch den Zeitraum zwischen Antragstellung und Annahme des Antrags durch den VR mit ein. Es könnte nämlich zu dem Fall kommen, dass der VN dem VR bei Antragstellung den gefahrerhöhenden Umstand anzeigt und dieser dann das Angebot angenommen hat, bevor er von dem zwischenzeitlichen Wegfall des Umstandes Kenntnis erlangt.13 Es ist für die Herabsetzung der Prämie nicht erforderlich, dass die konkreten Um10 stände, die zu einer Erhöhung der Prämie geführt haben, im Versicherungsschein genannt sind oder dem VN die Prämienkalkulation des VR offengelegt worden ist.14 Erforderlich ist aber, dass der Vereinbarung der Erhöhung der Prämie eine „spezifizierende Prämienkalkulation“15 und nicht nur eine allgemeine Vorstellung des versicherten Risikos zugrunde liegt. Dabei können nur Gefahrumstände und nicht auch reine Gefahrindizien zur Prämienerhöhung führen. Gefahrindizien sind solche, die für die Bewertung einer Gefahr nur mittelbar eine Rolle spielen, beispielsweise die Ablehnung anderer Versicherungsanträge. Gefahrumstände dagegen sind Tatsachen, die für die Einschätzung der Gefahr unmittelbar erheblich sind16, beispielsweise der Beruf des VN in der Berufsunfähigkeitsversicherung.
11
b) Irrtümliche Falschanzeige von Gefahrumständen, Satz 2. Voraussetzung von § 41 Satz 2 ist, dass der VN irrtümlich falsche Angaben über einen Gefahrumstand gemacht hat, welche dann wiederum Grund für die Vereinbarung einer erhöhten Prämie waren. Auch bei dieser Variante muss es sich um eine falsche Angabe über einen ungünstigen gefahrerhöhenden Umstand handeln. Der Fall, dass es der VN bei der Antragstellung unterlassen hat, auf die Prämie begünstigende Umstände hinzuweisen, ist von § 41 Satz 2 ebenso wenig erfasst, wie der Irrtum des VR, der seiner Prämienkalkulation fälschlicherweise ungünstige Umstände zugrunde gelegt hat. In beiden Fällen ist jedoch eine analoge Anwendung geboten, da die Interessenlage für den VN in allen Fällen vergleichbar ist und es keine anderweitigen Regelungen für diese Fälle gibt.17 Da der Wortlaut des § 41 Satz 2 nicht zwischen verschuldetem und unverschuldetem Irrtum unterscheidet, ist auch der verschuldete Irrtum von seiner Anwendung erfasst. Dies gilt sowohl für den Irrtum des VN in der direkten als auch den des VR in der analogen Anwendung. Auch bei Satz 2 ist Voraussetzung, dass die Prämie gerade wegen des ungünstigen Umstandes erhöht ist, den der VN irrtümlich falsch angegeben hat. Bei der analogen Anwendung ist somit erforderlich, dass gerade der nicht angezeigte begünstigende Umstand zu einer Prämienvergünstigung geführt hätte.
12
c) Abgrenzung. Von dem Wegfall bzw. der Bedeutungslosigkeit eines Gefahrumstandes ist der Fall zu unterscheiden, dass statt des gefahrerhöhenden Umstandes, den § 41 regelt, gleich das gesamte versicherte Interesse wegfällt. Dieser Wegfall nach dem Beginn 12 13 14
Bruck/Möller/Möller8 § 41a Anm. 5. Bruck/Möller/Möller8 § 41a Anm. 6. BGH 5.2.1981 VersR 1981 621, 622.
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15 16 17
Bruck/Möller/Möller8 § 41a Anm. 7. Schmidt-Tüngler ZVersWiss 1942 190, 196. Berliner Kommentar/Riedler § 41a Rn. 6.
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Herabsetzung der Prämie
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der Versicherung ist in § 80 Abs. 2 geregelt, der anfängliche Interessemangel in § 80 Abs. 1 (vgl. insoweit die Ausführungen dort). Kein Interessefortfall, sondern Wegfall eines gefahrerhöhenden Umstandes liegt beispielsweise vor, wenn bei einer von dem Grundstückseigentümer abgeschlossenen Haftpflichtversicherung das Grundstücksgebäude zerstört wird.18 Dadurch vermindert sich zwar das Versicherungsrisiko, das versicherte Interesse wird aber nicht berührt. Brennt dagegen im Rahmen einer verbundenen Gebäudeversicherung z.B. das versicherte Gebäude vollständig ab, liegt ein Fortfall des gesamten versicherten Interesses i.S.d. § 80 Abs. 2 vor.19
III. Rechtsfolgen Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 41 vor, so kann der VN verlan- 13 gen, dass die Prämie ab Zugang des Verlangens beim Versicherer angemessen herabgesetzt wird. Dies ist die einzige Möglichkeit des VN auf eine Gefahrminderung zu reagieren, ein Recht auf Anfechtung wegen Irrtums im Falle des § 41 Satz 2 besteht nicht.20 Einig ist man sich darin, dass die Prämienermäßigung, wenn deren Voraussetzungen 14 vorliegen, nicht ipso jure eintritt.21 Umstritten ist aber, welche Rechtsnatur § 41 Satz 1 hat. Teilweise wurde vertreten, es handele sich dabei um einen kraft Gesetzes entstehenden obligatorischen Anspruch des VN, der darauf gerichtet ist, dass der VR die Prämie angemessen herabsetzt.22 Begründet wird dies damit, dass derjenige, der die Prämienherabsetzung herbeiführt nicht der VR ist, sondern das Gesetz selbst eine Korrektur des Vertrages vornimmt. In der neueren Literatur wird vertreten, dass es sich bei dem Recht aus § 41 Satz 1 um ein unbefristetes formfrei auszuübendes Gestaltungsrecht handelt.23 Der letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Zwar sieht das Gesetz selbst vor, dass der Versicherungsvertrag korrigiert werden soll, aber dieser Mechanismus tritt nur dadurch ein, dass der VN eine Erklärung abgibt. Tut er dies nicht, ändert sich auch die Prämie nicht und der Vertrag bleibt so bestehen, wie er geschlossen wurde. Diese Unterscheidung ist insbesondere maßgeblich für die Frage der Verjährung, da Gestaltungsrechte im Gegensatz zu Ansprüchen nicht verjähren. Qualifiziert man § 41 als Anspruch, so unterliegt dieser mangels speziellerer Regelung der Verjährung im neuen VVG, den allgemeinen Regeln der §§ 195 ff. BGB.24 Für den Fall, dass der VN bereits Prämien vorausbezahlt hat, die dem VR dann aber aufgrund der Prämienminderung gar nicht mehr zustehen, besteht für diese ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch.25 Da sich der Gesetzgeber ausdrücklich gegen eigene Regelungen einer Verjährung im neuen VVG ausgesprochen hat,26 stellt sich die früher umstrittene Frage, ob der bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch wegen der zu viel gezahlten Prämie der Verjährungsdauer nach dem VVG oder dem BGB unterliegt, nun nicht mehr. Durch das Verlangen des VN wird der VR verpflichtet, die Prämie angemessen herab- 15 zusetzen. Die Herabsetzung ist also ein einseitiger Akt des VR, bei dem dieser aber durch
18 19 20 21 22
BGH 24.1.1951 VersR 1951 76. BGH 8.7.1992 VersR 1992 1221, 1222. Berliner Kommentar/Riedler § 41a Rn. 8. Berliner Kommentar/Riedler § 41a Rn. 8; Bruck/Möller/Möller8 § 41a Anm. 11. So Schmidt-Tüngler ZVersWiss 1942 195; Bruck/Möller/Möller8 § 41a Anm. 11.
23
24 25 26
Berliner Kommentar/Riedler § 41a Rn. 8; Prölss/Martin/Knappmann27 § 41a Rn. 1; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 41 Rn. 2. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 64. Berliner Kommentar/Riedler § 41a Rn. 9; Prölss/Martin/Knappmann27 § 41a Rn. 1. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 64.
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das Merkmal der Angemessenheit gebunden ist. Für die Bemessung der Neuprämie kommt es nicht darauf an, welche Prämie ein VR bei Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Gefahrverminderung oder des Herabsetzungsverlangens bestehenden Marktverhältnisse verlangt hätte. Das im Versicherungsvertrag zugrunde gelegte Prämienberechnungssystem bleibt unberührt. Es sind lediglich anstelle der ursprünglichen die veränderten Berechnungselemente, also Risikofaktoren in die Rechnung einzusetzen.27 Für eine „freie richterliche Prämienschöpfung“28 für den Fall, dass der VR die Minderung nicht oder unangemessen vornimmt und diese deshalb durch Urteil zu treffen ist, bleibt somit kein Raum.29 Die einzige Änderung in § 41 gegenüber § 41a VVG a.F. betrifft den Zeitpunkt, ab 16 dem die Prämienminderung eintritt (siehe hierzu oben Rn. 1). Auch wenn im neuen VVG der Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie aufgegeben worden ist, kann der VN im Rahmen des § 41 die Prämienminderung nur für die Zukunft ab Zugang des Verlangens beim VR fordern. Dies kann dazu führen, dass der VR eine erhöhte Prämie verlangen könnte, obwohl er für die Zeit vor dem Zugang des Verlangens des VN dafür nicht mehr die entsprechende Gefahr trägt (vgl. dazu auch § 39 Rn. 16 f.).30
IV. Abdingbarkeit/AVB 17
In § 42 ist geregelt, dass von § 41 nicht zum Nachteil des VN abgewichen werden darf. Die Vorschrift ist also halbzwingend. Unbeschadet dessen können aber in den AVB einzelne Fälle der Prämienherabsetzung wegen Gefahränderung ausdrücklich geregelt werden.31 Geschehen ist dies beispielsweise in Nr. 6 der AUB 2008. Dort ist geregelt, dass eine Änderung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung des VN zu einer Senkung des Beitrages (Prämie) oder zu einer anderen Versicherungssumme führen kann. Der VN muss dazu auch nicht die Herabsetzung der Prämie verlangen, sondern eine Änderung des Vertrages tritt bereits durch die Mitteilung der geänderten Berufstätigkeit an den VR ein. Der VN muss dann lediglich nach 6.2.3 der AUB erklären, dass er statt einer anderen Versicherungssumme, eine gesenkte Prämie zahlen möchte. Auch in Nr. 13 der AHB 2008 ist eine Regelung über die Herabsetzung der Prämie enthalten, die über § 41 hinausgeht. Danach muss der VN bei Verringerung der versicherten Gefahr die Herabsetzung der Versicherungsprämie nicht erst verlangen, vielmehr muss der VR in diesem Fall die Prämie von sich aus ermäßigen.32
V. Prozessuales 18
Der VN trägt die Beweislast dafür, dass der weggefallene bzw. bedeutungslos gewordene Umstand prämienrelevant war, also zur Vereinbarung einer höheren Prämie geführt hat.33 Wenn dem VN die zugrundeliegende Prämienkalkulation des VR unbekannt ist, so 27 28 29 30 31 32
BGH 5.2.1981 VersR 1981 621, 624. Prölss/Martin/Knappmann27 § 41a Rn. 3. Berliner Kommentar/Riedler § 41a Rn. 9. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 41 Rn. 4. Bruck/Möller/Möller8 § 41a Anm. 19. Prölss/Martin/Voit/Knappmann27AHB § 8
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33
Rn. 4; Littbarski Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) (2001) § 8 Rn. 42. Berliner Kommentar/Riedler § 41a Rn. 11; Prölss/Martin/Knappmann27 § 41a Rn. 4; Römer/Langheid2 § 41a Rn. 4; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 41 Rn. 5.
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Abweichende Vereinbarungen
§ 42
kann der VR dies nur wirksam bestreiten, wenn er seine Kalkulation offenlegt.34 Der VN trägt auch die Beweislast dafür, dass der gefahrerhöhende Umstand jetzt nicht mehr besteht bzw. im Fall von Satz 2, dass der fragliche Umstand in Wirklichkeit nicht vorliegt.35
§ 42 Abweichende Vereinbarungen Von § 33 Abs. 2 und den §§ 37 bis 41 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.
Schrifttum Ganster Die Prämienzahlung im Versicherungsrecht (2008) (zit.: Ganster Prämienzahlung); Klimke Die halbzwingenden Vorschriften des VVG, Diss. Berlin 2003; Gebauer Grenzen der Ausgestaltung weicher Tarifmerkmale, NVersZ 2000 7; Martin „Einlösungsklausel“ in den Zweigen der technischen Versicherung, VersR 1971 189; Michaelis Die Unwirksamkeit von Vertragsstrafenregelungen in den Tarifbestimmungen der Kraftfahrzeugversicherung, DAR 1997 433; Sasse Die halbzwingenden Schutzvorschriften des VVG, VersWissArch 1956 163; Schirmer/Marlow Die versicherungsrechtliche Behandlung sogenannter weicher Tarifmerkmale, VersR 1997 782.
Übersicht Rn. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte und Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt und Zweck der Regelung . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . .
.
1
. . .
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Rn. II. Tatbestand, insbesondere „zum Nachteil des VN“ . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen und Abdingbarkeit . . . . . IV. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . .
5 9 14
I. Einführung 1. Entstehungsgeschichte und Übergangsvorschriften § 42 ist seinem Inhalt nach seit dem Inkrafttreten des VVG im Jahre 1908 unver- 1 ändert geblieben und macht die Vorschriften über die Prämie, abgesehen von denjenigen welche Zeit und Ort der Prämienzahlung betreffen, zu halbzwingenden. Durch die Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung vom 19.12.1939 wurde § 42 a.F. lediglich dahingehend neu gefasst, dass der ebenfalls durch die Verordnung eingeführte § 41a a.F. in den Katalog der halbzwingenden Vorschriften aufgenommen wurde. Im neuen VVG wurde der Wortlaut des § 42 von „kann sich der VR nicht berufen“ zu „kann nicht abgewichen werden“ geändert. In der Gesetzesbegründung
34
Berliner Kommentar/Riedler § 41a Rn. 11; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 41 Rn. 5; für eine besondere Substantiierungslast Römer/Langheid 22 § 41a Rn. 4.
35
Berliner Kommentar/Riedler § 41a Rn. 11; Prölss/Martin/Knappmann27 § 41a Rn. 6; Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 41 Rn. 5.
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Abschnitt 3. Prämie
schweigt der Gesetzgeber darüber, ob diese Wortlautänderung auch eine inhaltliche Änderung mit sich bringen soll (dazu unten Rn. 11) und bestimmt nur, dass die bisherigen halbzwingenden Regeln soweit sie – wenn auch verändert – beibehalten wurden, auch weiterhin im bisherigen Umfang halbzwingend bleiben.1 Für das Inkrafttreten der Vorschrift bzw. für den Übergang zwischen dem früheren 2 VVG und dem Recht nach der VVG-Reform gelten die allgemeinen Regeln über das Inkrafttreten, insbesondere Art. 12 VVG RefG. 2. Inhalt und Zweck der Regelung
3
§ 42 regelt, dass von den Vorschriften des § 33 Abs. 2 und der §§ 37– 41 nicht zum Nachteil des VN abgewichen werden darf. § 42 a.F. wurde laut den Motiven in das VVG 1908 aufgenommen, weil bei dem Versicherungsvertrag der VN „im Allgemeinen der schwächere Teil“ ist und er „insbesondere an Geschäftserfahrung dem VR regelmäßig nachsteht“. Daher ist er, „wenn es sich um die Abschließung eines Vertrages handelt, der zu seinem Nachteil von den gesetzlichen Bestimmungen in ungerechtfertigter Weise abweicht, häufig außerstande, solchen Vereinbarungen rechtzeitig zu begegnen“2. 3. Anwendungsbereich
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Nach § 210 Abs. 1 sind die Beschränkungen der Vertragsfreiheit nach § 42 nicht auf die in § 210 Abs. 2 genannten Großrisiken und auf laufende Versicherungen anzuwenden. Durch die Präzisierung der Verweisung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass dies auch anzunehmen ist, wenn es sich um ein Großrisiko im Ausland handelt.3 Durch diese Regelung werden die nach § 42 halbzwingenden Vorschriften aber nicht unanwendbar, sondern können lediglich durch ausdrückliche vertragliche Regelung abbedungen werden.4
II. Tatbestand, insbesondere „zum Nachteil des VN“ 5
Von den in § 42 genannten Vorschriften darf nicht zum Nachteil des VN abgewichen werden. Häufig findet sich in diesem Zusammenhang die Formulierung, dass Abweichungen zu Ungunsten des VN nicht, Abweichungen zu seinen Gunsten aber ohne weiteres möglich sind. Diese ist indes ein wenig pauschal und hilft bei der Bestimmung, wann ein Nachteil des VN vorliegt, nicht immer weiter.5 Die Frage, nach welchen Kriterien das Vorliegen eines Nachteils in § 42 zu bestimmen ist, ist im Einzelnen umstritten. Nach einer Ansicht kommt es bei der Frage, ob eine Bestimmung für den VN nachtei6 lig ist, darauf an, ob sie generell ungünstig ist.6 Dabei sind die Vor- und Nachteile der betreffenden Klausel in einem Gesamtzusammenhang zu würdigen und können auch gegeneinander abgewogen werden.7 Innerhalb dieser Ansicht besteht Uneinigkeit darüber, ob für die Möglichkeit einer Saldierung die Vor- und Nachteile aus der Regelung des
1 2 3 4 5
RegE BTDrucks. 16/3945 S. 72. Motive S. 63. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 115. Prölss/Martin/Kollhosser27 § 187 Rn. 3; Römer/Langheid2 § 187 Rn. 2. Ganster Prämienzahlung S. 20.
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BerlinerKommentar/Riedler § 42 Rn. 2; Prölss/Martin/Knappmann27 § 42 Rn. 1; Römer/Langheid 2 § 34a Rn. 2; HK-VVG/ Muschner § 42 Rn. 1. BerlinerKommentar/Riedler § 42 Rn. 2; Römer/Langheid 2 § 34a Rn. 2.
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Abweichende Vereinbarungen
§ 42
gleichen rechtlichen Tatbestandes fließen müssen oder nicht.8 Die Befürworter des Erfordernisses dieses Zusammenhangs führen als Begründung aus, dass es dem VN nicht möglich sein darf, die zwischen ihm und dem VR vereinbarten Regelungen in günstige und nicht günstige aufzuspalten und sich dann nur auf die günstigen zu berufen und die anderen als nicht bindend betrachten zu können.9 Einigkeit besteht hingegen darüber, dass nur dann eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen ist, wenn VN und VR ausnahmsweise eine Einzelvereinbarung getroffen haben.10 Nach der Gegenansicht11 ist eine Gesamtbetrachtung und Saldierung der Vor- und 7 Nachteile nicht statthaft. Der Nachteil für den VN wird nach dieser Ansicht nur nach der Lage des Einzelfalls beurteilt, also danach ob sich die Klausel im konkret zu beurteilenden Fall als nachteilig erweist. Ist dies zu verneinen, so ist sie in diesem konkreten Fall nicht anwendbar. Die letztgenannte Auffassung ist vorzugswürdig. Dafür spricht insbesondere der Sinn 8 und Zweck der Regelungen zum Schutz des VN. Die halbzwingenden Vorschriften wurden nach dem BGH „zum Schutz besonders wichtiger Interessen des VN in das Gesetz aufgenommen“12. Auch bereits in den Motiven zum VVG 1908 wurde die Schutzbedürftigkeit des VN besonders hervorgehoben (siehe oben Rn. 3). Die halbzwingenden Vorschriften im VVG sind daher so zu verstehen, dass sie dem VN einen Mindeststandard gewährleisten sollen.13 Sie dienen aber nicht dazu, dass der VR ganze Bereiche des Versicherungsrechts neu gestalten und dann für ihn gewonnene Vorteile durch Zugeständnisse an den VN ausgleichen kann.14 Für diese Ansicht spricht auch die Gesetzesbegründung zum VVG 2008.15 Dort hat der Gesetzgeber bezüglich § 83 Abs. 4 ausgeführt, dass weitergehende vertragliche Einschränkungen des Aufwendungsersatzes in der Tierversicherung künftig ausgeschlossen sind, da § 83 jetzt halbzwingend ist.16 In der Begründung zu § 6 Abs. 5 heißt es, dass sich der VR aufgrund der Tatsache, dass die Vorschrift halbzwingend ist, nicht für schuldhaft begangene Beratungsfehler freizeichnen kann und dem VN zum Schadensersatz verpflichtet ist.17 Würde der Gesetzgeber davon ausgehen, dass eine Gesamtsaldierung möglich ist, hätte er diese Begründung anders formulieren müssen.18 Der BGH hat zur Frage der Gesamtsaldierung bei halbzwingenden Vorschriften bisher nicht eindeutig Stellung genommen. Manche seiner Aussagen deuten jedoch darauf hin, dass auch er die Möglichkeit der Gesamtsaldierung ablehnt.19
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10
11
Ausführlich dazu Gebauer NVersZ 2000 7, 12; Klimke S. 68 ff. BerlinerKommentar/Riedler § 42 Rn. 2; Sasse VersWissArch 1956 163, 171; Martin VersR 1971 189, 191; zur a.A. Schirmer VersR 1997 782, 785 aa). BerlinerKommentar/Riedler § 42 Rn. 2; Prölss/Martin/Knappmann27 § 42 Rn. 1; Römer/Langheid 2 § 34a Rn. 2. BerlinerKommentar/Gruber § 15a Rn. 2; BerlinerKommentar/Beckmann § 68a Rn. 4; Weyers/Wandt Rn. 141; Michaelis DAR 1997
12 13 14 15 16 17 18 19
433, 435 aber auch gegen eine Einzelfallbetrachtung; RG 19.12.1939 RGZ 162 238, 242 f.; Ganster Prämienzahlung S. 23. BGH 1.12.2004 VersR 2005 266, 268. BerlinerKommentar/Dörner Einleitung Rn. 65. Ganster Prämienzahlung S. 24. Ganster Prämienzahlung S. 25. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 81. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 59. Ganster S. 26. Hierzu Ganster Prämienzahlung S. 30 f.
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§ 42
Abschnitt 3. Prämie
III. Rechtsfolgen und Abdingbarkeit 9 10 11
12 13
Bereits zu § 42 a.F. war umstritten, welche Rechtsfolge sich aus der Abweichung von den halbzwingenden Regeln zum Nachteil des VN ergibt. Denkbar sind grundsätzlich zwei verschiedene Möglichkeiten. Eine Ansicht sprach sich dafür aus, dass eine Regelung, die eine nachteilige Abweichung von den halbzwingenden Vorschriften enthält, unwirksam ist.20 Nach herrschender Ansicht zum alten VVG21, war es nur dem VR verwehrt, sich auf eine für den VN nachteilige Regelung zu berufen. Der VN selbst sollte sich aber auf diese Vereinbarung berufen können und hatte dadurch ein Wahlrecht. Diese Ansicht wurde vor allem mit dem Wortlaut des § 42 a.F. begründet, der bestimmte, dass sich der VR auf eine abweichende Regelung nicht berufen kann. Trotz der Änderung des Wortlauts des § 42 durch den Reformgesetzgeber, wird man dies auch für die neue Rechtlage bejahen können.22 Einigkeit besteht darüber, dass an die Stelle einer abweichenden Vereinbarung die gesetzliche Regelung tritt.23 Es versteht sich, dass § 42 selbst nicht abdingbar sein kann. Wie schon ausgeführt (Rn. 4) findet § 42 gem. § 210 Abs. 1 indes auf Großrisiken (§ 210 Abs. 2) und auf laufende Versicherungen keine Anwendung.
IV. Prozessuales 14
Auf die Beweislastverteilungen bezüglich der einzelnen Vorschriften wurde jeweils bei der Kommentierung dort eingegangen. Die Beweislastregeln haben entscheidenden Einfluss auf die Anwendung oder Nichtanwendung einer Norm, so dass für deren Abdingbarkeit dasselbe gelten muss, wie für die Abdingbarkeit der Norm selbst.24
20
21
BerlinerKommentar/Riedler § 42 Rn. 4; Römer/Langheid 2 § 34a Rn. 1; Michaelis Die Unwirksamkeit von Vertragsstrafenregelungen in den Tarifbestimmungen der Kraftfahrzeugversicherung DAR 1997 433, 436. Prölss/Martin/Prölss27 Vorbem. I Rn. 4; BerlinerKommentar/Dörner Einl. Rn. 65; Bruck/ Möller/Möller8 Einl. Anm. 49; Klimke S. 110; Hofmann PVR § 3 Rn. 23; Weyers/Wandt Rn. 141; Sasse VersWissArch 1956 163, 172.
132
22
23
24
Wandt4 Rn. 159; Bruck/Möller/Beckmann9 Einf. A Rn. 128; a.A. Bruck/Möller/ K. Johannsen9 § 18 Rn. 5. BerlinerKommentar/Dörner Einl. Rn. 65; Prölss/Martin/Prölss27 Vorbem. I Rn. 4; Klimke S. 110; Ganster Prämienzahlung S. 33; BGH 22.6.1967 VersR 1967 771, 772; LG Hamburg 14.12.1950 VersR 1951 75, 76. BerlinerKommentar/Riedler § 42 Rn. 5; Baumgärtel/Prölss § 42 Rn. 1.
Roland Michael Beckmann
Abschnitt 4 Versicherung für fremde Rechnung Vorbemerkungen zu §§ 43–48 Schrifttum Ahrens Konkurrenz der Ansprüche aus dem Eigenversicherungsvertrage und dem Versicherungsvertrage zugunsten eines Dritten (1909); Arens Die Rechtsstellung des Geschädigten bei der Haftpflichtversicherung für fremde Rechnung, Diss. Köln (1938); Anli Versicherung für fremde Rechnung, Diss. Heidelberg (1967); Armbrüster Der Schutz von Haftpflichtinteressen in der Sachversicherung (1994); ders. Regress des Gebäudeversicherers gegen Mieter NJW 2006 3683; ders. Zum Schutz von Haftpflichtinteressen in der Sachversicherung NVersZ 2001 193; ders. Zur Haftung des Mieters für Sachschäden bei bestehender Sachversicherung des Vermieters NJW 1997 177; ders. Zum vertraglichen und gesetzlichen Schutz des Haftpflichtigen vor einem Regreß des Sachversicherers VersR 1994 893; ders./Pilz Schicksal des Lebensversicherungsvertrages in der Insolvenz des Versicherungsnehmers KTS 2004 481; Basedow/Fock Europäisches Versicherungsvertragsrecht (2002); Basedow et al. Principles of European Insurance Contract Law (2009); Bornschier Die Versicherung für fremde Rechnung, Diss. Würzburg (1921); Brünjes Der Eintritt des Immobilienerwerbers in den Versicherungsvertrag nach § 69 Abs. 1 VVG VersR 1995 1416; Bruck Das Privatversicherungsrecht (1931); ders. Zwischenstaatliches Versicherungsrecht (1924); Byk Die Versicherung für fremde Rechnung verglichen mit der Kommission, Diss. Heidelberg (1911); Corrodi Die Versicherung für fremde Rechnung nach dem schweizerischen und dem deutschen Versicherungsvertragsgesetz (1916); Cremer Die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Obliegenheiten und Pflichten bei der Versicherung für fremde Rechnung durch Versicherungsnehmer und Versicherten (1935); Drews Die Zustimmung des Versicherten in der Lebensversicherung VersR 1987 634; Ehrenberg Die Versicherung für fremde Rechnung – ein Beitrag zur Lehre von der Stellvertretung Jher. Jb 30 (1891) 422; Elfring Drittwirkungen der Lebensversicherung (2003); ders. Das System der drittbezogenen Ansprüche bei der Lebensversicherung NJW 2004 483; W. Fischer Die Versicherung für fremde Rechnung in der Schadensversicherung, Diss. Leipzig (1913); Francke Der Sicherungsschein und seine rechtliche und praktische Bedeutung FLF 2004 78; Fuchs Die Gefahrsperson im Versicherungsrecht (1974); Ganz Die Fremdversicherung in der Schadens-, Lebens- und Unfallversicherung, Diss. Bern (1972); v. Gierke Der Lebensversicherungsvertrag zugunsten Dritter nach deutschem und ausländischem Recht (1936); Grassl-Palten Gehilfenmitverschulden, Fremdversicherung und anderes JBl. 1992 501; Gruneke Versicherte Gefahr und Anzeigepflicht in der privaten Krankenversicherung (1965); Gundlach Die haftungsrechtliche Bedeutung der Versicherung für fremde Rechnung in der Insolvenz des Versicherungsnehmers DZWiR 2000 309; Hasse Zwangsvollstreckung in Kapitallebensversicherungen – Eine kritische Bestandsaufnahme de lege lata VersR 2005 15; ders. Der neue Pfändungsschutz der Altersvorsorge und Hinterbliebenenabsicherung VersR 2007 870; ders. Zur Lebensversicherung für fremde Rechnung VersR 2010 837; Heimbücher Mitversicherte Kinder in Privathaftpflicht und Familienrechtsschutz VW 1987 1236; Honsell Der Regreß des Sachversicherers nach § 67 VVG bei Gebrauchsüberlassung an Dritte im österreichischen Recht VersR 1985 301; Chr. Huber Rechtsfolgen der Überwälzung von Prämien einer Sachversicherung beim Mietvertrag VersR 1998 265; J. Huber Die Versicherung für fremde Rechnung, Diss. Jena (1914); Kiesselbach, Die wirtschaftsund rechtsgeschichtliche Entwicklung der Seeversicherung in Hamburg (1901); Knappmann Die Zurechnung des Verhaltens Dritter zu Lasten des VN VersR 1997 261; R. Koch Die Rechtsstellung der Gesellschaft und des Organmitglieds in der D&O-Versicherung Teil I GmbHR 2004 18; Teil II GmbHR 2004 160; Teil III GmbHR 2004 288; Krause Der Begriff des versicherten Interesses und seine Auswirkungen auf die Versicherung für fremde Rechnung (1997); Kühlmorgen Die Lebens-
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
versicherungsverträge zugunsten Dritter (1924); Küstner Ist die Gruppenlebensversicherung eine Versicherung für fremde Rechnung? VersR 1954 575; Langheid/Grote Deckungsfragen der D&OVersicherung VersR 2005 1165; Lenné Das Versicherungsgeschäft für fremde Rechnung, Diss. Marburg (1911); Looschelders Ausschluß der Klagebefugnis des Mitversicherten und Teilklageobliegenheit des VN in der Rechtsschutzversicherung nach den ARB 75 VersR 2000 23; Löhnig Treuhand (2006); E. Lorenz Zur stillschweigend abgeschlossenen Fremdversicherung zugunsten des Mieters an dessen in das Gebäude eingebrachten und seinem Wegnahmerecht unterliegenden Sachen VersR 1994 1104; ders. Zum Regreßverzicht gegenüber dem Mieter bei der Gebäudefeuerversicherung VersR 2001 96; Martin Grundprobleme bei der Neufassung allgemeiner Sachversicherungs-Bedingungen ZVersWiss 1973 493; ders. Rechtsprobleme bei der Fremdversicherung VersR 1974 252; ders. Deckung des Haftpflichtrisikos in der Sachversicherung – zugleich Anmerkung zu BGH VersR 74, 535 VersR 1978 821; Mathy Die Mitversicherung des nichtehelichen Lebenspartners in der Rechtsschutzversicherung VersR 2003 820; Meiser Derivate in der Filmversicherung – ein Nachtrag ZfV 1997 192; Mitsdörffer Rechtsfragen der Insassenunfallversicherung bei Kraftfahrzeugen, Diss. Freiburg (1974); Möller Wer ist bei der Versicherung für Rechnung, wen es angeht, unmittelbar aufgrund des Versicherungsvertrags Versicherter? JRPV 1928 337; ders. Innenverhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer bei der Versicherung für fremde Rechnung VersR 1950 81; ders. et al. Die Rechte Dritter gegen den Versicherer ZVersWiss 1970 17; Müller-Erzbach Zur Lehre von der mittelbaren Stellvertretung (1909); Nießen Die Rechtswirkungen der Versicherung für fremde Rechnung unter besonderer Berücksichtigung des Innenverhältnisses zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer (2004); Otto Betriebliche Altersversorgung: Invaliditätsschutz nurmehr über eine Versicherung für fremde Rechnung DStR 2009 1022; Pannenbecker Die Private Krankenversicherung (Krankentagegeld- und Krankheitskostenversicherung) des Interesses Dritter als Versicherung für fremde Rechnung nach §§ 74 ff. VVG oder als „schlichter“ Vertrag zugunsten Dritter gem. §§ 328 ff. BGB? VersR 1998 1322; Prölss Stille Teilhabe an fremden Versicherungsverträgen – zur konkludenten Einbeziehung von Drittinteressen in der Sachversicherung RuS 1997 221; Ritter/ Abraham Recht der Seeversicherung, Bd. I 2. Aufl. (1967); Ruscher Die Besonderheiten des Versicherungsanspruchs bei der Versicherung für fremde Rechnung, Diss. Köln (1969); Schirmer Zur Vereinbarung von Obliegenheiten zu Lasten Dritter insbesondere in Verträgen zu ihren Gunsten FS R. Schmidt (1976) 821; ders. Zur Versicherbarkeit des Sachersatzinteresses in der Sachversicherung ZVersWiss 1981 636; ders. Rezension von Martin, Sachversicherungsrecht ZVersWiss 1984 553; ders. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum allgemeinen Versicherungsvertragsrecht – ein Überblick ZVersWiss 1992 381; E. Schulz Rechtsverhältnisse bei der Versicherung für fremde Rechnung ZfV 1959 529; Schwan Der Anspruch auf die Versicherungsleistung in der Gruppenunfallversicherung, Diss. Köln (1961); Sieg Der Versicherungsvertrag als Vertrag zugunsten Dritter ZVersWiss 1995 697; ders. Zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung bei Leistung des Kaskoversicherers unmittelbar an den Leasinggeber in Unkenntnis eines leistungsbefreienden Tatbestands VersR 1994 210; ders. Der Quasi-Versicherungsnehmer in der Sachversicherung VersR 1976 105; ders. Die versicherungsrechtliche Stellung des Sacherwerbers nach Gefahrübergang auf ihn VersR 1995 125; ders. Zur Zulässigkeit von Haftungsüberwälzungen unter Versicherungsaspekten BB 1993 149; Stegmann/Lind Der Lebensversicherungsvertrag in der Insolvenz NVersZ 2002 193; Strauß Das Institut der Fremdversicherung de lege ferenda (1917); Thume Der Regress des Transportversicherers VersR 2008 455; v. d. Thüsen Ansprüche aus kollektiven Unfallversicherungen VersR 1954 155; Trautmann Das Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem bei der Versicherung für fremde Rechnung, Diss. Hamburg (1971); Voigt Zum See- und Versicherungsrecht (1880); Voit Die Mitversicherung von Ehegatten in der privaten Krankenversicherung NJW 2006 2225; Walker Die eingeschränkte Haftung des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der Schuldrechtsmodernisierung JuS 2002 736.
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Vorbemerkungen
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Übersicht Rn. A. Wesen der Versicherung für fremde Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Entwicklungsgeschichte . . . . . . . . . C. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . I. Frühere Einordnungsversuche . . . . . . II. Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . III. Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . D. Anwendbare Vorschriften aus dem Recht des Vertrags zugunsten Dritter . . . . . I. Unanwendbare Vorschriften . . . . . . . II. Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . E. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . I. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sonderregeln . . . . . . . . . . . . . . III. Analoge Anwendung . . . . . . . . . . IV. Seeversicherung . . . . . . . . . . . . . F. Phänomenologie der Versicherung für fremde Rechnung . . . . . . . . . . . . I. Praktischer Bedarf . . . . . . . . . . . . 1. Schadensversicherung . . . . . . . . . 2. Haftpflichtversicherung . . . . . . . . 3. Lebensversicherung . . . . . . . . . .
. . . . . .
1 7 11 11 14 16
. . . . . . . .
19 20 21 23 23 26 28 29
. . . . .
30 30 31 32 33
Rn. II. Arten der Versicherung für fremde Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtspflicht zur Versicherung für fremde Rechnung . . . . . . . . . . . . 2. Versicherung für fremde Rechnung als gesetzliche Vermutung . . . . . . . . . 3. Versicherung für fremde Rechnung kraft vertraglicher Vereinbarung . . . . . . . a) Berufsunfähigkeitsversicherung . . . b) Haftpflichtversicherung . . . . . . . c) Gruppenversicherung . . . . . . . . d) Kredit-, Kautions- und Vertrauensschadensversicherung . . . . . . . . e) Lebensversicherung . . . . . . . . . f) Rechtsschutzversicherung . . . . . . g) Rentenversicherung . . . . . . . . . h) Sachversicherung . . . . . . . . . . i) Transportversicherung . . . . . . . . G. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . H. PEICL . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 35 36 37 37 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
A. Wesen der Versicherung für fremde Rechnung Unter einer Versicherung für fremde Rechnung versteht man einen Versicherungsvertrag, 1 den der VN im eigenen Namen für einen anderen, nicht am Vertrag beteiligten Dritten – den Versicherten – abschließt, um dessen Interessen abzusichern. Es handelt sich zwingend um ein Drei-Personen-Verhältnis. Die Beziehungen zwischen den drei Parteien sind sorgfältig auseinander zu halten. Das durch den Versicherungsvertrag geregelte Vertrags- oder Deckungsverhältnis besteht ausschließlich zwischen dem VR und dem VN. Es bestimmt den Inhalt der zu erbringenden Leistung, die Modalitäten der Prämienzahlung und die Person des Dritten. Zugleich ist das Deckungsverhältnis Rechtsgrund für die Leistung des VR.1 Die §§ 44 Abs. 1 S. 2, 45 Abs. 3 und 47 treffen Sonderregeln für das Deckungsverhältnis. Das Innen- oder Valutaverhältnis zwischen dem Versicherten und dem VN beinhaltet 2 den Rechtsgrund dafür, dass Versicherung für fremde Rechnung genommen wird. Das VVG regelt in § 46 nur einen eng begrenzten Teilbereich dieses Rechtsverhältnisses. Seit den 1970er Jahren wird angenommen, dass das Innenverhältnis zwischen VN und Versichertem zumindest aus einem gesetzlichen Treuhandverhältnis besteht, das den VN in Verbindung mit dem für ihn geltenden Bereicherungsverbot verpflichtet, den ihm nicht zustehenden Entschädigungsbetrag (§ 44 Abs. 1) einzuziehen und an den Versicherten auszukehren (näher § 46 Rn. 12 ff.). Neben dem Treuhandverhältnis kann zwischen dem VN und dem Versicherten ein weiteres vertragliches (z.B. Auftrag, Arbeits-, Dienst-, Werk-, Speditions- oder Frachtvertrag) oder gesetzliches (z.B. Geschäftsführung ohne Auftrag) Schuldverhältnis bestehen, welches das Treuhandverhältnis ergänzt und modifiziert (Dazu § 46 Rn. 6). Ein solches weiteres Schuldverhältnis ist aber keine Voraussetzung für das Bestehen einer Versicherung für fremde Rechnung.
1
Vgl. auch Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 10.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
3
Das Vollzugsverhältnis zwischen dem VR und dem Versicherten wird durch §§ 44 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 1 und 2 näher ausgestaltet. Es ist von dem wesensbestimmenden Merkmal der Versicherung für fremde Rechnung nach deutschem Recht bestimmt: der Trennung zwischen Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis. Rechtsinhaber ist nach der zwingenden Vorschrift des § 44 Abs. 1 der Versicherte, verfügungsbefugt nach § 45 Abs. 1, 2 regelmäßig der VN. Regelungen, die sich auf das Vollzugsverhältnis beziehen, finden sich auch in § 34 (Befriedigungsrecht des Versicherten gegenüber dem VR), § 35 (Aufrechnungsrecht des VR gegenüber dem Versicherten) und § 123 (Durchbrechung des § 334 BGB in der Pflicht-Haftpflichtversicherung). Das versicherte Interesse bei der Versicherung für fremde Rechnung liegt (zumindest 4 auch) beim Versicherten. Es besteht wie bei der Versicherung eigenen Interesses darin, einen Vermögensnachteil auszugleichen, wenn der Versicherungsfall eintritt. Im Einzelnen kann der befürchtete Vermögensnachteil ganz unterschiedliche Gestalt annehmen, etwa, dass Sachen zerstört oder beschädigt werden bzw. verloren gehen, dass der Dritte von anderen auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, dass er Kosten für Heilbehandlungen zu tragen hat oder in Folge eines Unfalls arbeitsunfähig wird. Versicherung für fremde Rechnung kann als reine Fremdversicherung genommen 5 werden. Das ist der Fall, wenn ausschließlich Interessen eines Dritten versichert sind. Es ist aber auch möglich, eine kombinierte Eigen- und Fremdversicherung abzuschließen.2 Dann fallen Eigenversicherung und Versicherung für fremde Rechnung in einem Vertrag zusammen. Zu denken ist an eine Kfz-Haftpflichtversicherung, bei der regelmäßig neben dem Interesse des Halters (Eigenversicherung) auch dasjenige des Fahrers (Fremdversicherung) mitversichert ist (für weitere Beispiele siehe § 47 Rn. 31). Die verschiedenen Interessen können bei kombinierter Eigen- und Fremdversicherung gleichrangig nebeneinander versichert sein. Es kann aber auch ein Vor- oder Nachrang oder eine bestimmte zeitliche Folge der Versicherung (z.B. bei geplanter Veräußerung einer versicherten Sache) vereinbart werden. Die Regelung des Rechtsinstituts der Versicherung für fremde Rechnung in den 6 § 43–48 ist nicht in jeder Hinsicht glücklich. So ist es bedenklich, dass das Regelungssystem der §§ 44, 45 sowohl den Besitz des Versicherungsscheins als auch die Zustimmung des jeweils anderen Teils (§ 44 Abs. 2: VN; § 45 Abs. 3: Versicherter) zum Legitimationsgrund für eine Verfügung erhebt. Das ermöglicht widersprüchliche Verfügungen. Auch fragt man sich, ob es zwingend erforderlich ist, dass § 45 Abs. 1, 2 dem VN abweichend von § 328 Abs. 1 BGB eine so weitreichende Verfügungsmacht einräumt. Um seine Rechte zu wahren, hätte es genügt, ihm das Recht zu gewähren, die Versicherungsforderung einzuziehen.
B. Entwicklungsgeschichte 7
Die §§ 43–48 sind Ergebnis eines gesamteuropäischen Schöpfungsprozesses, der bis zur Urstunde des Versicherungsvertragsrechts zurückreicht.3 Träger der Entwicklung war der Seehandel und das damit verbundene Versicherungswesen. Ausgangspunkt sind Seeversicherungen in Form des Kommissionskaufs im Genua des 14. Jahrhunderts. Die 2
Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch Vor §§ 43 bis 48 Rn. 32 ff.; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster § 6 Rn. 123 ff.
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3
Näher Corrodi 36 ff.; J. Huber 5 ff.
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Vorbemerkungen
Vor §§ 43–48
früheste namentliche Erwähnung einer Versicherung für fremde Rechnung findet sich in einer Magistratsverordnung der Stadt Barcelona aus dem Jahre 1435. Von Spanien aus gelangt das Rechtsinstitut in die (damals noch spanischen) Niederlande und das heutige Belgien. Die Assecuranzordnung Antwerpens dient schließlich dem Hamburgischen Recht als Vorbild, das die Versicherung für fremde Rechnung in der Assecuranz- und Haverey-Ordnung von 1731 für das deutsche Recht rezipiert.4 Im Laufe ihrer Rezeptionsgeschichte musste die Versicherung für fremde Rechnung 8 lange Zeit um klare Konturen ringen. Die überkommenen Statuten blieben zu sehr auf das Innenverhältnis von VN und Versichertem konzentriert. Noch das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 fasst das Rechtsinstitut ausführlich, aber nicht klar. Die Regeln des ALR war auch nicht immer praxisgerecht – vor allem für die Binnenversicherung. Hier schränkte das traditionelle Erfordernis, dass der VN vom Versicherten aufgrund eines Rechtsverhältnisses („Auftrag oder Bevollmächtigung“) ermächtigt sein musste, Versicherung für fremde Rechnung zu nehmen, deren Anwendungsbereich ein.5 Noch stärker zurückgedrängt blieb die Versicherung für Rechnung wen es angeht (§ 48). Diese war Kaufleuten vorbehalten.6 Dogmatisch wird das heutige Rechtsinstitut erst im 19. Jahrhundert geprägt, insb. 9 von den Bestimmungen für die Seeversicherung in §§ 781, 783, 807, 886–890 HGB und den den ADS vorangehenden Bedingungen.7 Hier erhält die deutschrechtliche Ausprägung der Versicherung für fremde Rechnung auch das ihr eigentümliche Charakteristikum der Trennung von Rechtsinhaberschaft (Versicherter) und Verfügungsbefugnis (VN). Das preußische Allgemeine Landrecht kannte eine solche Regelung noch nicht. Die Regeln des BGB zum Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 ff. BGB), die ebenfalls keine Trennung von Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis vorsehen, haben kaum Prägekraft entfalten können. In den Motiven zum VVG 1908 werden sie nicht in Bezug genommen. Der Blick bleibt auf das Seeversicherungsrecht konzentriert. So zeigt sich die Versicherung für fremde Rechnung als Beispiel für das bis zur Reform von 2008 verbreitete separatistische Denken im Versicherungsvertragsrecht, das sich nicht verpflichtet sah und auch keine Neigung verspürte, an die Regeln des allgemeinen Zivilrechts anzuknüpfen. Die §§ 43–48 haben ihre Fassung seit dem Inkrafttreten des VVG im Wesentlichen 10 behalten. Die Neukodifikation des VVG im Jahre 2008 hat allerdings zwei systematische Veränderungen mit sich gebracht. Von geringerer Bedeutung ist die Umgliederung der gesetzlichen Vermutung für eine Eigenversicherung (§ 80 Abs. 1 a.F.). Sie ist jetzt den Begriffsbestimmungen in § 43 zugeordnet. Dort sollte sie nach einem Entwurf für das VVG von 1903 auch ursprünglich ihren Platz haben (dazu näher § 43 Rn. 1). Weiterreichend ist die systematische Neuverortung des gesamten Rechts der Versicherung für fremde Rechnung, das zuvor in den §§ 74–77, 79–80 a.F. geregelt war und jetzt von den Allgemeinen Bestimmungen für die Schadensversicherung zu Bestimmungen des Allgemeinen Teils befördert worden ist. § 78 a.F. ist schon durch eine VO vom 19.12.1939 gestrichen worden; er ist in der allgemeinen Bestimmung des § 35 (§ 35b 4
5
Zu einem früheren Fall der Versicherung für fremde Rechnung unter Hamburgischem Recht (1590): Kiesselbach 167. § 1945 II 8 ALR: „Wer für fremde Rechnung Versicherung nimmt, muß dazu mit Vollmacht oder Auftrag versehen seyn; widrigenfalls die Versicherung ungültig und die bedungene Prämie verfallen ist“; dazu auch Krause 20; Corrodi 88 f.
6
7
§ 2071 II 8 ALR: „Nur Kaufleuten ist erlaubt, mit Verschweigung ihres Namens unter dem Ausdrucke: An Zeiger dieses oder für Rechnung dessen, den es angeht, Versicherung zu nehmen.“ Brück Materialien zu den ADS, Hamburg 1919, Bd. 2; 10.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
a.F.) aufgegangen.8 Vorbehaltlich spezieller Regeln vor allem in der Kranken-, Lebensund Unfallversicherung sind die Regeln über die Versicherung für fremde Rechnung damit auf alle Versicherungszweige anwendbar.9 Sonderregeln für die genannten Versicherungszweige sind erforderlich, weil der VN oft nicht die versicherte Person ist, es sich aber dort nicht notwendig um eine Versicherung für fremde Rechnung handelt (näher § 43 Rn. 5 ff.).
C. Rechtsnatur I. Frühere Einordnungsversuche 11
Die Rechtsnatur der Versicherung für fremde Rechnung war lange Zeit umstritten. Da der VN im eigenen Namen für fremde Rechnung handelt, zog das Schrifttum etwa das Kommissionsgeschäft für eine dogmatische Anbindung heran.10 Indes vermag die Kommission die Versicherung für fremde Rechnung nicht zu erklären, weil sie das Ausführungsgeschäft, das hier ausschlaggebend ist, außer Betracht lässt. Kommission mag im Innenverhältnis zwischen VN und Versichertem vorliegen, etwa wenn der Kommissionär oder Spediteur das Gut des Kunden versichert. Aber nicht jede Versicherung für fremde Rechnung beruht auf einem Kommissionsgeschäft. Insbesondere fehlt hier ein Abwicklungsgeschäft zwischen Kommittenten und Kommissionär, das dem Kommittenten erst die Früchte des Ausführungsgeschäfts verschafft. Lediglich die bei der Einkaufskommission entwickelte Übereignung an wen es angeht hat gewisse Verwandtschaft mit der Versicherung für Rechnung wen es angeht (§ 48): dem Partner des Kommissionärs wie dem VR ist es in der Regel gleichgültig, wem das Erfüllungsgeschäft zugute kommt.11 Mit der Kommissionstheorie verwandt ist die Auffassung, die Versicherung für fremde 12 Rechnung sei als mittelbare Stellvertretung zu begreifen.12 Auch diese Konstruktion ist abzulehnen. Abgesehen davon, dass das Innenverhältnis zwischen Versichertem und VN letzteren häufig nicht legitimiert, als (mittelbarer) Stellvertreter des Versicherten aufzutreten, ist diese Rechtsfigur zu farblos, um die Besonderheiten der Versicherung für fremde Rechnung zu erklären. Insb. treffen den Versicherten – anders als den Vertretenen bei der mittelbaren Stellvertretung – zwar Obliegenheiten, aber keine Pflichten. Den VN als direkten Stellvertreter des Versicherten zu behandeln,13 ist nicht mit § 43 Abs. 2 vereinbar. Liegt eine Versicherung für fremde Rechnung vor, hat der VN zwingend im eigenen Namen gehandelt. Auch Vorstöße, die Versicherung für fremde Rechnung mit den Rechtsinstituten des 13 Auftrags oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag zu erklären,14 sind ins Leere gelaufen. Dieser Erklärungsversuch vermag schon das Innenverhältnis zwischen VN und Versichertem nicht überzeugend zu erklären. Diesem mag auch ein anderes Rechtsverhältnis als eine GoA oder ein Auftrag zugrunde liegen. Das Rechtsverhältnis des Versicherten zum VR bleibt gänzlich unerklärt, da in diesem Verhältnis aus der Geschäftsführung im Innenverhältnis keine Rechte entstehen können.
8 9 10
Amtl. Begründung zur VO, in: Motive zum VVG (1963) 645. Begr. RegE BTDrucks. 16/3945 72; Langheid/Wandt/Dageförde Vor § 43 Rn. 7. RG 6.10.1894 RGZ 35 48, 54; Byk 31; W. Fischer 17; Lenné 10–12, 35, der aber
138
11 12 13 14
(32 f.) zugleich einen Vertrag zugunsten Dritter annimmt. ÖOGH 18.2.1970 VersR 1971 140. Müller-Erzbach 64 f.; Corrodi 82 ff. Voigt 28 ff. Voigt 28 f.
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Vorbemerkungen
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II. Vertrag zugunsten Dritter Die heute herrschende Ansicht ordnet die Versicherung für fremde Rechnung als 14 gesetzlich geregelten Sonderfall eines Vertrages zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB ein.15 Diese Einordnung ist zutreffend, obwohl einige Abweichungen des Rechts der Versicherung für fremde Rechnung vom Recht des Vertrags zugunsten Dritter nach §§ 328 ff. BGB auffallen.16 Zunächst ist der Versicherte als Begünstigter bei der Versicherung für fremde Rechnung stärker in das Deckungsverhältnis eingebunden, als dies beim bürgerlich-rechtlichen Vertrag zugunsten Dritter normalerweise der Fall ist (vgl. § 47, der dem Versicherten eigene Obliegenheiten auferlegt, deren Verletzung die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit des VR zeitigen kann). Weiterhin ist der Versicherte, abweichend von § 328 Abs. 1 BGB, regelmäßig hinsichtlich seiner Rechte aus dem Versicherungsvertrag nicht verfügungsbefugt, § 45 Abs. 1, 2. Etwas anders kann sich allerdings aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 3 KfzPflVV) oder dem Versicherungsvertrag ergeben. Weiterhin ist der Versicherte – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen (z.B. § 12 Abs. 1 S. 3 VGB 2008 – Wert 1914) – verfügungsbefugt, wenn der VN zustimmt oder der Versicherte sich im Besitz des Versicherungsscheins befindet, § 44 Abs. 2. All dies spricht aber nicht gegen eine Einordnung der Versicherung für fremde Rechnung als Vertrag zugunsten Dritter. Zwar darf der Dritte bei einem bürgerlich-rechtlichen Vertrag zugunsten Dritter nur berechtigt, nicht aber verpflichtet werden, damit kein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter vorliegt. Den Versicherten treffen bei der Versicherung für fremde Rechnung aber keine Vertragspflichten, sondern nach Maßgabe des § 47 lediglich Obliegenheiten. Diese haben eine andere Qualität als Rechtspflichten, da ihre Verletzung im schlimmsten Fall dazu führt, dass der Begünstigte den ihm zugewandten Anspruch verliert. Zudem ist anerkannt, dass auch der Begünstigte eines bürgerlichrechtlichen Vertrags zugunsten Dritter mit Auflagen belastet werden kann.17 Dem VN fehlt auch nicht zwingend ein eigenes Interesse an der Leistung des VR, wie gegen eine Qualifikation der Versicherung für fremde Rechnung als Vertrag zugunsten Dritter eingewandt worden ist. So kann der VN etwa im Innenverhältnis zum Versicherten darauf haften, diesen schadlos zu halten, und daher ein mittelbares Eigeninteresse an wirksamem Versicherungsschutz haben. Überdies ist das eigene Interesse des Versprechensempfängers kein wesensnotwendiger Bestandteil eines Vertrags zugunsten Dritter. Entscheidend für eine Einordnung der Versicherung für fremde Rechnung als Vertrag 15 zugunsten Dritter spricht die Verteilung der Rechte aus dem Vertrag. Diese müssen bei jedem Vertrag zugunsten Dritter zwingend dem Dritten zustehen;18 wer hingegen die Verfügungsbefugnis hinsichtlich dieser Rechte besitzt, ist nebensächlich.19 Für die Versiche15
RG 27.6.1939 RGZ 161 23, 27; BGH 19.1.1967 VersR 1967 343, 344; BGH 15.11.1978 VersR 1979 176, 178; BAG 30.1.1958 NJW 1958 764 = VersR 1958 360; ÖOGH 11.12.1986 VersR 1988 502; OLG Düsseldorf 9.8.1995 VersR 1996 1267, 1268; Kisch PVR III 378 ff.; Looschelders/ Pohlmann/Koch § 43 Rn. 10; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch Vor §§ 43 bis 48 VVG Rn. 2; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster § 6 Rn. 92; Trautmann 15–18 mit weiteren Nachweisen; Ruscher 22; Schwan 29; Anli 30; a.M. BGH 13.1.1988 VersR 1988 362, 363.
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18
19
Im Überblick Pannenbecker VersR 1998 1322 f. Kisch PVR III 380 ff.; Anli 19 differenzierend MünchKomm-BGB/Gottwald § 328 Rn. 193 (bejahend für Obliegenheiten, verneinend für Auflagen). Statt aller BGH 22.9.2005 NJW 2005 3778; BGH 8.2.2006 VersR 2006 686 = NJW 2006 1434, 1437; Palandt/Grüneberg § 328 Rn. 3; Hofmann VersR 1960 97, 99. Ruscher 27–30; a.M. Loppuch JRPV 1936 292 f.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
rung für fremde Rechnung bestimmt § 44 Abs. 1 S. 1, dass der Versicherte zwingend Rechtsinhaber ist. Sämtliche Modifikationen, welche die §§ 43 ff. gegenüber §§ 328 ff. BGB vornehmen, schließen eine Qualifikation als Vertrag zugunsten Dritter also nicht aus, da dessen Hauptmerkmal erhalten bleibt. Es handelt sich bei der Versicherung für fremde Rechnung lediglich um einen atypischen Vertrag zugunsten Dritter.20
III. Treuhand 16
Neuerdings wird im Zuge einer verbreiteten Strömung in der Zivilrechtswissenschaft, welche der Treuhand größere Erklärungsmacht einräumen will, auch die Versicherung für fremde Rechnung insgesamt und nicht nur deren Innenverhältnis als Treuhand begriffen.21 Eine Treuhand kann so ausgestaltet sein, dass eine Person die Treuhand begründet (Treuhandbegründer) und eine andere Person (Treuhandbegünstigter) die Vorteile aus der Wahrnehmung der Interessen des Treuhandbegründers durch den Treuhänder ziehen soll. In diesen Fällen liegt eine „Treuhand zugunsten Dritter“ vor, wie z.T. auch für die unselbständige Stiftung und die Testamentsvollstreckung angenommen wird. Eine solche Konstruktion ist möglich, da jeder schuldrechtliche Vertrag als Vertrag zugunsten eines Dritten geschlossen werden und jede Leistung, die Gegenstand eines Schuldverhältnisses sein kann, auch Gegenstand eines Vertrags zugunsten eines Dritten sein kann.22 Bei der Versicherung für fremde Rechnung sollen der VR Treuhänder, der VN Treu17 handbegründer und der Versicherte Treuhandbegünstigter sein. Die Ursache dafür, dass der Treuhandbegründer (VN) anstelle des Treuhandbegünstigten (Versicherter) die Wahrnehmung von dessen Interessen durch den Treuhänder (VR) herbeiführe, könne entweder im Innenverhältnis zwischen Versichertem und VN oder in einer gesetzlichen Anordnung liegen.23 Eine solche Konstruktion ist möglich, wenn man den Versicherungsvertrag selbst als 18 Treuhandverhältnis versteht. Dies mag entgegen der h.M., die den Versicherungsvertrag als Austauschvertrag qualifiziert, durchaus möglich sein. Das Konstrukt einer Treuhand hat aber den Nachteil, dass diese im deutschen Recht nicht gesetzlich geregelt ist und in vielen unterschiedlichen Erscheinungsformen auftritt. Als Anknüpfungspunkt bietet sie daher weniger Rechtssicherheit als die §§ 328 ff. BGB. Auf diesen tönernen Füßen aufzubauen, verspricht nur dann Gewinn, wenn das Treuhandmodell die §§ 43 ff. besser erklären kann als die Annahme eines atypischen Vertrags zugunsten Dritter. Zumindest auf den von Löhnig vorgestellten Erklärungsversuch trifft dies nicht zu. Jenseits des Innenverhältnisses zwischen VN und Versichertem greift er nämlich auf die Figur des Vertrages zugunsten Dritter zurück, um seine Ergebnisse zu begründen: „Diese Treuhandverhältnisse folgen den Regeln der Verträge zugunsten Dritter“.24 Eine Treuhandlösung kann nur überzeugen, wo sie dies nicht muss. Ansonsten erscheint der direkte Rückgriff auf die §§ 328 ff. BGB als die konsequentere dogmatische Anknüpfung.
20 21 22
So etwa Ehrenzweig 211. Löhnig 341. Vgl. schon RG 27.1.1936 RGZ 150 133; Palandt/Grüneberg § 328 Rn. 1.
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Löhnig 338. Löhnig 341.
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Vorbemerkungen
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D. Anwendbare Vorschriften aus dem Recht des Vertrags zugunsten Dritter Als atypischer Vertrag zugunsten Dritter finden auf die Versicherung für fremde Rech- 19 nung die §§ 328 ff. BGB Anwendung, soweit sich aus den §§ 43 ff. nicht etwas anderes ergibt. Viel Raum bleibt für die Anwendung der Regeln bürgerlichen Rechts aber nicht.
I. Unanwendbare Vorschriften Zu den Vorschriften, die nicht auf eine Versicherung für fremde Rechnung anwend- 20 bar sind, zählt § 328 Abs. 1 BGB.25 Zwar erwirbt der Versicherte nach § 44 Abs. 1 einen eigenen Anspruch gegen den VR. Er hat jedoch keine Verfügungsmacht über seinen Anspruch. Diese steht, wie erläutert, nach § 45 Abs. 1, 2 grundsätzlich dem VN zu (vgl. oben Rn. 3 und § 45 Rn. 2 f.). Nicht anwendbar auf die Versicherung für fremde Rechnung ist auch § 328 Abs. 2 BGB.26 Er wird von § 44 Abs. 1 verdrängt. Während bei bürgerlich-rechtlichen Verträgen zugunsten Dritter die Vertragsparteien bestimmen können, ob dem Dritten ein unmittelbares Forderungsrecht gegen den Versprechenden überhaupt zustehen soll, zu welchem Zeitpunkt dies geschieht und ob der Dritte sein Recht widerruflich oder unwiderruflich erwirbt, weist § 44 Abs. 1 die Rechte aus dem Versicherungsvertrag mit Versicherungsbeginn kraft Gesetzes zwingend dem Versicherten als dem Interesseträger zu. Die Frage der Widerruflichkeit der Berechtigung ist für die Versicherung für fremde Rechnung grundsätzlich mit der Rechtsregel des § 45 Abs. 1, 2 geklärt (dazu § 45 Rn. 17). § 329 BGB ist als eine der besonderen Bestimmungen, auf die § 328 Abs. 2 BGB verweist, ebenfalls nicht anwendbar.27 Die §§ 330 bis 332 BGB sind, soweit es sich um Versicherungsverträge handelt, auf die Bezugsberechtigung i.S.d. §§ 159 Abs. 1, 160 zugeschnitten, die sich enger an die §§ 328 ff. BGB anlehnt, und erfassen die Versicherung für fremde Rechnung nicht.28 Die Auslegungsregel des § 335 BGB wird durch die Bestimmungen der §§ 43, 44 verdrängt. Bei der Versicherung für fremde Rechnung hat entweder der Versicherte als Dritter oder der VN das Verfügungsrecht. Hat es der Dritte (§ 44 Abs. 2), wovon § 335 BGB ausgeht, so kann nicht auch der VN Leistung an den Dritten fordern.29
II. Anwendbare Vorschriften Zu den wenigen Vorschriften des bürgerlichen Rechts über den Vertrag zugunsten 21 Dritter, die auf die Versicherung für fremde Rechnung Anwendung finden, gehört § 333 BGB.30 Weist der Versicherte den Erwerb des Rechts zurück, ohne dass er dieses zuvor zumindest konkludent angenommen hat, gilt danach sein Interesse als von Anfang an nicht versichert. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag gehen nicht etwa auf den VN über, dem VR wird es vielmehr nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich, die Versicherungs-
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So auch Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 11. Siehe auch Schwintowski/Brömmelmeyer/ Hübsch Vor §§ 43 bis 48 Rn. 6. Bruck/Möller/Sieg 8 § 74 Anm. 2; Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 12. Staudinger/Jagmann (2004) § 330 Rn. 4;
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Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch Vor §§ 43 bis 48 Rn. 6. BGH 8.2.2006 VersR 2006 686 = NJW 2006 1434; Bruck/Möller/Sieg 8 § 74 Anm. 14; Trautmann 13, 16 f. BGH 28.4.1954 VersR 1954 297, 298; Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 13.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
leistung zu erbringen.31 Eines Rückgriffs auf § 333 BGB bedarf es für die Versicherung für fremde Rechnung nicht zwingend, da die Vorschrift Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens ist, dass niemandem gegen seinen Willen Rechte aufgenötigt werden können („invito beneficium non datur“).32 Es ist dennoch sinnvoll, in der praktischen Arbeit auf § 333 BGB abzustellen, um die dazu ergangene Rechtsprechung, die sich ohne weiteres auf die Versicherung für fremde Rechung übertragen lässt, als Rechtserkenntnisquelle fruchtbar machen zu können. Auch § 334 BGB findet auf die Versicherung für fremde Rechnung grundsätzlich 22 Anwendung.33 Dass der VR Einwendungen aus dem Versicherungsvertrag auch gegenüber dem Versicherten geltend machen kann, ergibt sich allerdings bereits daraus, dass dem Versicherten nach § 44 Abs. 1 nur die Rechte „aus dem Versicherungsvertrag“ zustehen. Die Rechtsstellung des Versicherten ist somit akzessorisch zu der des VN. Verletzt der VN eine Pflicht, die ihn als Vertragspartei betrifft, gerät er z.B. in Prämienverzug, so wirkt dies – soweit sich aus dem Gesetz oder dem Versicherungsvertrag nichts anderes ergibt – auch gegen die versicherte Person. Gleiches gilt, wenn der VN einen Risikoausschluss verwirklicht. Ob und inwieweit sich Obliegenheitsverletzungen des VN nachteilig auf den Versicherungsanspruch des Versicherten auswirken, beurteilt sich nach Sinn und Zweck der Obliegenheit und dem Gewicht der durch sie geschützten Interessen des VR (siehe § 47 Rn. 11).
E. Anwendungsbereich I. Grundsatz 23
Vor der VVG-Reform war die Versicherung für fremde Rechnung im Abschnitt über die Schadensversicherung geregelt. Ausdrücklich ordnete § 85 a.F. für die Feuerversicherung an, dass die Versicherung eines Inbegriffs von Sachen als für fremde Rechnung der in häuslicher Gemeinschaft mit dem VN lebenden oder an dem Ort, für den die Versicherung gilt, ihren Beruf ausübenden Personen genommen gilt. Für den Bereich der Betriebshaftpflichtversicherung und der Pflicht-Haftpflichtversicherung folgte aus §§ 151 Abs. 1 S. 2, 158i S. 1 a.F., dass es sich um eine Versicherung auf eigene Rechnung des Unternehmers und auf fremde Rechnung zugunsten der Betriebsangehörigen handeln konnte. Keine unmittelbare Anwendung fanden die Bestimmungen über die Versicherung für 24 fremde Rechnung auf Personenversicherungen. Hintergrund war die – inhaltlich fragwürdige – Unterscheidung in Personen- und Schadensversicherung, die sich aus § 1 Abs. 1 ergab. Diese Unterscheidung führte dazu, dass die §§ 74 ff. a.F. aufgrund ihrer Verortung im Abschnitt über die Schadensversicherung aus rechtssystematischen Gründen keine unmittelbare Anwendung auf die Personenversicherung finden konnten – und zwar selbst dann nicht, wenn letztere nach den Grundsätzen der Schadenversicherung Versicherungsschutz gewährten.34 Nicht anwendbar waren deshalb die Bestimmungen über die Versicherung für fremde Rechnung auf die Kranken- und die Lebensversicherung. Soweit der VN in diesen Ver-
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Kisch PVR III 381; Lenné 41; Schwan 31. Schon L. 69 Dig. 50, 17. BGH 19.1.1967 VersR 1967 343, 344; Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 14. Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 7;
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Fuchs 43 f.; Pannenbecker VersR 1998 1322, 1324 f.; Voit NJW 2006 2225, 2226; a.M. Anli 15 (für einige Lebensversicherungsarten, u.a. die Aussteuerversicherung); Hasse VersR 2007 870, 873 f. Fn. 49.
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sicherungszweigen fremde Interessen versichern und den Begünstigten eigene und selbständig wahrnehmbare Rechte gegenüber dem VR einräumen wollte, musste er einen bürgerlich-rechtlichen Vertrag zu Gunsten eines Dritten i.S.d. § 328 Abs. 1 BGB abschließen (näher unten Rn. 33). Für die Unfallversicherung sah § 179 Abs. 2 S. 2 a.F. eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Fremdversicherung vor. Die Neukodifikation des VVG von 2008 hat die Regeln über die Versicherung für 25 fremde Rechnung in Kapitel 1 des Teils 1 verschoben. Dadurch erstreckt sich dieses Rechtsinstitut nunmehr unmittelbar auf sämtliche Versicherungszweige, namentlich die Unfall-, die Kranken-, die Berufsunfähigkeits- und die Lebensversicherung. Gerade bei der Lebensversicherung eröffnet die Anwendbarkeit der §§ 43 ff. VVG neue Gestaltungsmöglichkeiten. Es ist allerdings fraglich, ob sich der Reformgesetzgeber dieser Gestaltungsmöglichkeiten und der damit verbundenen Konsequenzen für die Frage der Erforderlichkeit eines versicherten Interesses in der Lebensversicherung vollständig bewusst war (vgl. unten Rn. 33). Im internationalen Vergleich ist die Positionierung der Regeln über die Versicherung für fremde Rechnung außerhalb der Vorschriften über die Schadensversicherung jedenfalls unüblich, wie nicht zuletzt die PEICL (dort Art. 11-101 ff.) zeigen. Durch die Verschiebung der Vorschriften über die Versicherung für fremde Rechung in den Allgemeinen Teil des VVG hat sich der Streit darüber erledigt, ob sich die Regeln auf die Summenversicherung anwenden lassen.35 Des Weiteren haben sich die genannten Verweisungsvorschriften des alten Rechts erübrigt, so z.B. der ersatzlos gestrichene § 179 Abs. 2 S. 2 a.F., der die Vorschriften über die Versicherung für fremde Rechnung entsprechend für auf die Unfallversicherung anwendbar erklärte.36
II. Sonderregeln Die §§ 194 und 179 enthalten Sonderregeln zu den §§ 43–48 für die Kranken- und 26 für die Unfallversicherung. Diese Regeln sind erforderlich, da in der Kranken- und Unfallversicherung ein Auseinanderfallen von VN und Versichertem nicht notwendig bedeutet, dass es sich um eine Fremdversicherung handelt.37 Entgegen einer Auffassung im Schrifttum38 finden die Vorschriften der §§ 43–48 nach dem klaren Wortlaut des § 194 Abs. 3 S. 1 in der Krankenversicherung modifiziert Anwendung. Versicherung für fremde Rechnung liegt etwa vor, wenn ein Ehegatte den anderen mitversichern will, ohne selbst hinsichtlich der Kosten für die Behandlungsbedürftigkeit des anderen vollständig unterhaltsverpflichtet zu sein. Die Modifikation der §§ 43 ff. in der Krankenversicherung besteht darin, dass nach § 194 Abs. 3 S. 1 ausschließlich die versicherte Person die Versicherungsleistung erhalten kann, wenn der VN sie als empfangsberechtigte Person benannt hat. Entgegen § 45 Abs. 2 kann der VN ferner die Leistung in der Krankenversicherung auch erlangen, wenn er nicht Im Besitz des Versicherungsscheins ist, § 194 Abs. 3 S. 2. Keine Versicherung für fremde Rechnung liegt allerdings bei der Mitversicherung von Kindern vor. Diese werden zwar in den Krankheitskostenvertrag einbezogen. Es ist aber von einer reinen Eigenver-
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HK-VVG/Muschner § 43 Rn. 1. Vgl. Begr. RegE BTDrucks. 16/3945 155. Begr. RegE BTDrucks. 16/3945 73; näher Bruck/Möller/Wriede 8 Bd. VI/2 Anm.
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H 2 ff.; Millauer 90 f.; Pannenbecker VersR 1998 1322, 1323 f. HK-VVG/Muschner § 43 Rn. 23.
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sicherung des unterhaltspflichtigen Elternteils als VN auszugehen.39 Der Elternteil will sich mit der Versicherung lediglich gegen wirtschaftliche Einbußen schützen, die für ihn mit der Erkrankung der versicherten Person verbunden sind. Eine weitere Sonderregel enthält § 89 Abs. 2 S. 2 bezüglich einer Versicherung für 27 einen Inbegriff von Sachen. Eine solche Versicherung ist nach § 89 Abs. 2 S. 2 Versicherung für fremde Rechnung für die Sachen der Personen, mit denen der VN zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls in häuslicher Gemeinschaft lebt, oder die zu diesem Zeitpunkt für den VN an einem Ort, für den die Versicherung gilt, Dienste erbringt.
III. Analoge Anwendung 28
Teilweise werden die § 43 ff. auch analog angewandt. Ein jüngeres Beispiel für eine solche analoge Anwendung 40 sind die sog. Completion Bonds. Dabei handelt es sich um ein Deckungskonzept, dass aus den angelsächsischen Rechtsordnungen stammt. Es dient als Sicherung der Geldgeber für die Fertigstellung von Filmen. Der VR verpflichtet sich bei Begebung eines Completion Bonds, Mehrkosten für die Fertigstellung des jeweiligen Filmes auszugleichen. Hinzukommen kann die Verpflichtung zur Rückzahlung des investierten Kapitals für den Fall der Nichtfertigstellung des Projektes. VN ist der Produzent des Filmvorhabens, der die Versicherung für Rechnung des finanzierenden Kreditinstituts nimmt.41 Um eine Garantiezusage mit der Folge, dass das auf den Ausgleich der Interessen im Dreiecksverhältnis gerichtete System der §§ 43 ff. nicht zur Anwendung käme, handelt es sich nicht.
IV. Seeversicherung 29
Für die Seeversicherung gelten die §§ 43–48 nicht, § 209. Das Gesetzesrecht des HGB ist verdrängt durch §§ 52–57 ADS. Die Rechtslage stimmt weitgehend mit der überein, die sich auf Grund des VVG ergibt. Allerdings weist § 57 ADS noch nicht die weite Fassung auf, die § 47 auf Grund der VO vom 19.12.1939 erhalten hat (vgl. § 47 Rn. 2).
F. Phänomenologie der Versicherung für fremde Rechnung I. Praktischer Bedarf 30
In der Praxis besteht ein starkes Bedürfnis danach, ein fremdes Interesse im eigenen Namen versichern zu können. Dieses Bedürfnis verspüren alle, die fremde Sachen in Besitz und Obhut nehmen (z.B. Kommissionäre, Spediteure, Frachtführer) oder am Bestand einer fremden Sache beteiligt sind. Zu denken ist an Mieter, Pächter und Nießbraucher, die oftmals gesetzlich verpflichtet sind oder eine entsprechende vertragliche Verpflichtung eingegangen sind, die fremde Sache versichern zu lassen.
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LG Dortmund 9.11.2006 VuR 2007 120; HK-VVG/Muschner § 43 Rn. 25; Voit NJW 2006 2225. Für eine direkte Anwendung offenbar Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 37.
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Vgl. OLG Köln 6.11.2007 VersR 2008 680; Langheid/Wandt/Dageförde § 43 Rn. 22; a.M. Meiser ZfV 1997 192.
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Vorbemerkungen
Vor §§ 43–48
1. Schadensversicherung In der Praxis kommt der Versicherung für fremde Rechnung in der Schadenversiche- 31 rung besondere Bedeutung zu – auch und gerade für diejenigen Schadensversicherungszweige, die im VVG nicht (mehr) ausdrücklich geregelt sind. Bis zur Reform von 2008 war die Versicherung für fremde Rechnung daher, durchaus zutreffend, in den allgemeinen Bestimmungen für die Schadensversicherung geregelt. Oftmals ist der VN vertraglich, in Ausnahmefällen auch gesetzlich (vgl. unten Rn. 35) verpflichtet, fremdes Interesse auf eigene Kosten zu versichern. Gleichartige Interessen Dritter lassen sich zusammen vielfach zweckmäßiger und i.d.R. zu günstigeren Prämien als einzeln versichern. Durch den Einschluss fremder Interessen lassen sich zudem mehrere ungleichartige Interessen des Vertragschließenden und Dritter (z.B. das Sacherhaltungsinteresse des Eigentümers und das Sachersatz-/Haftpflichtinteresse des Besitzers) versichern (dazu näher § 43 Rn. 39). Schließlich lässt sich bei ungewisser Interessenlage, etwa weil das Eigentum schnell wechselt oder die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt sind, ein effektiver Versicherungsschutz nur durch eine Versicherung erreichen, die neben dem eigenen Interesse auch fremdes Interesse mitversichert (sog. kombinierte Eigen- und Fremdversicherung) oder als Versicherung für Rechnung wen es angeht (§ 48) entweder eigenes oder fremdes Interesse abdeckt. Dasselbe gilt in solchen Fällen, in denen mehrere schwebende Interessen verschiedener Personen (z.B. die Interessen des Verkäufers und des die Gefahr tragenden Käufers) betroffen sind. In der Sachversicherung sind i.d.R. nicht nur im Eigentum des VN stehende Sachen, sondern auch fremde Sachen versichert, die der VN unter Eigentumsvorbehalt erworben, die er geleast oder die er zur Sicherheit übereignet hat. Darüber hinaus ist fremdes Eigentum versichert, soweit es seiner Art nach zu den versicherten Sachen gehört und dem VN zur Bearbeitung, Benutzung, Verwahrung oder zum Verkauf in Obhut gegeben wurde. Die Versicherung gilt ausdrücklich für Rechnung des VN und des Eigentümers genommen (vgl. A § 3 Ziff. 5 AFB 2008). Im Falle der Zerstörung, Beschädigung oder des Abhandenkommens fremder Sachen ist somit nicht nur das Sacherhaltungsinteresse des Eigentümers, sondern – weil dem VR der Regress nach § 86 Abs. 1 S. 1 verwehrt ist – auch das Sachersatz-/Haftpflichtinteresse des VN versichert, wenn er dem Eigentümer gegenüber für die Zerstörung, Beschädigung oder das Abhandenkommen haftet. 2. Haftpflichtversicherung Soweit die Haftpflichtversicherung Schutz gegen Haftpflichtrisiken aus gewerblicher 32 oder selbständig beruflicher Tätigkeit bieten soll (z.B. Betriebs-, Berufs-, Vermögensschadenhaftpflichtversicherung), besteht vielfach ein Bedürfnis danach, auch Tochterunternehmen in den Versicherungsschutz einzubeziehen und den Versicherungsschutz auf die Mitarbeiter auszudehnen. Letztere haften nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadenausgleichs gegenüber dem Unternehmer oftmals gar nicht oder nur beschränkt und können im Falle ihrer Inanspruchnahme durch Dritte wegen Schäden aus ihrer betrieblichen/beruflichen Tätigkeit Freistellung vom Unternehmer verlangen.42 Die Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf die Mitarbeiter hilft, Spannungen zwischen den Mitarbeitern und dem VN zu vermeiden, die bei ihrer unmittelbaren Inanspruchnahme durch den geschädigten Dritten entstehen können. § 102 Abs. 1 S. 1 stellt deshalb die Vermu-
42
Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 4; Walker JuS 2002 736, 742.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
tung auf, dass die Betriebshaftpflichtversicherung als für Rechnung der Betriebsangehörigen genommen gilt.43 In der Privathaftpflichtversicherung bleibt der Versicherungsschutz lückenhaft, wenn er nicht auch Schutz gegen Schäden bietet, die von Ehegatten, Lebenspartnern, Kindern sowie von im Haushalt des VN beschäftigten Personen verursacht worden sind. Selbst wenn der VN rechtlich für die von diesen Personen angerichteten Schäden nicht verantwortlich ist, wird er sie wirtschaftlich meist selbst zu tragen haben. 3. Lebensversicherung
33
Vor der Neukodifikation des VVG von 2008 musste der VN in der Lebensversicherung einen bürgerlich-rechtlichen Vertrag zugunsten Dritter schließen, um fremde Interessen versichern zu können.44 Es fehlte an einer Verweisungsnorm auf die in der Schadensversicherung geregelten Vorschriften über die Versicherung für fremde Rechnung, wie sie § 179 Abs. 2 a.F. für die Unfallversicherung vorsah. Im Schrifttum wurde aber eine analoge Anwendung der heutigen §§ 43 ff. vor allem auf Fälle der Gruppenversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge45 sowie auf die Sterbegeldversicherung 46 aufgrund der sachlichen Nähe der geregelten Konstellationen zur Schadensversicherung gefordert. Gedacht wurde auch an die Risikolebensversicherung in Form der Restschuld- oder der Kreditlebensversicherung.47 Mit der Umgruppierung der §§ 74 ff. a.F. als § 43 ff. in die Allgemeinen Bestimmungen hat der Reformgesetzgeber von 2008 das Institut der Versicherung für fremde Rechnung für die Lebensversicherung geöffnet.48 In der Praxis ist diese neue Gestaltungsmöglichkeit bisher noch auf kein sonderliches Interesse gestoßen. Offenbar befriedigt die Bezugsberechtigung in ihren Erscheinungsformen die Marktbedürfnisse. Die Frage ob der Abschluss einer Versicherung für fremde Rechnung im Einzelfall der Bezugsberechtigung vorzuziehen ist, hängt von einer objektiven Gegebenheit ab: Versicherung für fremde Rechnung kommt grundsätzlich nur in Betracht, wo der Begünstige Träger des versicherten Interesses ist. Ist dies nicht der Fall, heißt das für die Lebensversicherung, dass nur die Bezugsberechtigung als Gestaltungsform bleibt. Indes gibt es in der Lebensversicherung nach ganz h.M. gar kein versichertes Interesse.49 Diese Ansicht wird sich mit der Verschiebung der Vorschriften über die Versicherung für fremde Rechnung in die Allgemeinen Bestimmungen des VVG nicht mehr halten lassen. Anderenfalls müsste man eine interessenlose Versicherung für fremde Rechnung zulassen. Dies erscheint dogmatisch überaus fragwürdig. Das versicherte Interesse ließe sich definieren als „die wirtschaftliche oder persönliche Beziehung des Anspruchsberechtigter zu der Gefahrperson, aus der sich bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters oder Eintritt des Todes der Gefahrperson (Versicherungsfall) ein anerkennenswertes Verlangen nach Aus-
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Heimbücher VW 1987 1236. Vgl. BGH 8.2.2006 VersR 2006 686, 688 = NJW 2006 1434; OLG Celle 13.9.2007 VersR 2008 60, 61. Bruck/Möller/Sieg 8 § 74 Anm. 14; v. d. Thüsen VersR 1954 155, 156 f. Bruck/Möller/Sieg 8 § 74 Anm. 15 f. AG Breisach 13.6.2006 VersR 2007 936. A.M. ohne überzeugende Begründung Deutsch Versicherungsvertragsrecht Rn. 7 und 107; Beckmann/Matusche-Beckmann/ Armbrüster § 6 Rn. 153.
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OLG Celle 4.11.1993 VersR 1995, 405, 406; Berliner Kommentar/Schauer Vorbem. §§ 49–68a Rn. 45; Bruck/Möller/Möller 8 § 49 Anm. 42; Krause 66 ff.; Beckmann/ Matusche-Beckmann/E. Lorenz § 1 Rn. 123; Wandt Rn. 664; a.M. Franz VersR 2008 1565, 1575; Hasse VersR 2007 870, 873 Fn. 49; differenzierend Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 76–78.
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Vorbemerkungen
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gleich eines Vermögensnachtteils oder Erhalt eines Vermögensvorteils anlässlich des Eintritts des Versicherungsfalls ergibt“.50 Ein anerkennenswertes Verlangen auf Ausgleich eines Vermögensnachteils können etwa unterhaltsberechtigte Hinterbliebene der versicherten Gefahrsperson geltend machen, ein anerkennenswertes Verlangen auf Erhalt eines Vermögensvorteils Personen, die Pflegeleistungen für die Gefahrperson erbracht haben (§ 2057b BGB). Ist der Dritte Träger eines derart festgestellten Interesses, bestimmt das Innenverhältnis zwischen ihm und dem VN darüber, ob eine Versicherung für fremde Rechnung als Begünstigungsform von Interesse ist. Insb. wenn das Innenverhältnis von familiären Beziehungen geprägt ist und es dem VN darauf ankommt, den Versicherten möglichst stark zu positionieren, mag sich die Versicherung für fremde Rechnung anbieten. Weiterhin muss sich der VN fragen, wie viel an Verfügungsgewalt er über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag behalten will. Letztere besitzt er durch die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs bei der widerruflichen Bezugsberechtigung nahezu vollständig. Gegenüber der widerruflichen Bezugsberechtigung hat die Versicherung für fremde Rechnung aber dann einen Vorteil, wenn es dem VN darauf ankommt, den Begünstigten möglichst stark zu sichern. Wird Versicherung für fremde Rechnung genommen, ist der Begünstigte als Versicherter bei Zwangsvollstreckung in das Vermögen des VN und bei dessen Insolvenz besser gegen den Zugriff durch dessen Gläubiger geschützt. Während diese bei der Bezugsberechtigung in das Vermögen des Bezugsberechtigten vollstrecken können,51 gelingt ihnen dies bei der Versicherung für fremde Rechnung nicht (dazu § 44 Rn. 10). Außerdem erlangt der Begünstigte als Versicherter eine Rechtsposition, die er im Wege der Gesamtrechtsnachfolge weitergeben kann (dazu § 44 Rn. 12), als widerruflich Bezugsberechtigter nicht (vgl. § 160 Abs. 3 VVG).52 Bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung bestehen die vollstreckungsrechtlichen 53 und erbrechtlichen 54 Vorteile der Versicherung für fremde Rechnung freilich nicht. Hier hat die Versicherung für fremde Rechnung aber für den VN einen Vorteil, wenn es ihm auf seine Verfügungsgewalt ankommt. Nach §§ 43 ff. kann er im Wege der gegebenen oder verweigerten Zustimmung bzw. Weitergabe des Versicherungsscheins steuern, ob er selbst über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag verfügungsbefugt bleibt (§§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1, 2), oder ob die Verfügungsbefugnis dem Begünstigten zufällt, der Inhaber der Rechte ist. Bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung ist hingegen zwingend der Begünstigte verfügungsberechtigt.55
II. Arten der Versicherung für fremde Rechnung Versicherungen für fremde Rechnung treten in drei Spielarten auf: sie können gesetz- 34 lich vorgeschrieben sein (1), nach dispositivem Gesetzesrecht als Regelfall vorgesehen sein (2) oder von den Parteien frei vereinbart werden (3).
50
Ebenso Hasse VersR 2010 837, 839. Hasse VersR 2005 15, 18; zu Anfechtungsansprüchen der Gläubiger Elfring NJW 2004 483, 484 f. 52 Kühlmorgen 66. 53 Zur Einzelvollstreckung: Looschelders/Pohlmann/Peters § 159 Rn. 20; Bruck/Möller/ 51
54 55
Winter 8 V/2 Anm. H 118; zur Insolvenz: Stegmann/Lind NVersZ 2002 193, 194; Armbrüster/Pilz KTS 2004 481/486. Bruck/Möller/Winter 8 V/2 Anm. H 122. Looschelders/Pohlmann/Peters § 159 Rn. 22; Bruck/Möller/Winter 8 V/2 Anm. H 34.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
1. Rechtspflicht zur Versicherung für fremde Rechnung
35
Gesetzliche Verpflichtungen zur Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf dritte Personen finden sich in Versicherungen, zu deren Abschluss der VN verpflichtet ist. Im Folgenden finden sich die wichtigsten Beispiele: Im Bewachungsgewerbe haben Gewerbetreibende nach §§ 34a Abs. 2 Nr. 3a GewO, 6 Abs. 1 BewO für sich und die in ihrem Gewerbebetrieb beschäftigten Personen zur Deckung der Schäden, die den Auftraggebern oder Dritten bei der Durchführung des Bewachungsvertrages entstehen, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Der Kfz-Halter mit regelmäßigem Standort im Inland ist gemäß § 1 PflVG verpflichtet, für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personenschäden, Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden abzuschließen und aufrechtzuerhalten. § 2 Abs. 2 Nr. 4–6 KfzPflVV dehnt den Versicherungsschutz auf Beifahrer, Omnibusschaffner und Arbeitgeber oder öffentliche Dienstherren des VN aus. Nach § 1 Abs. 1 AuslPflVG dürfen Kfz, die in Deutschland keinen regelmäßigen Standort haben, nur gebraucht werden, wenn für den Halter, den Eigentümer und den Führer zur Deckung der durch den Gebrauch verursachten Personen- und Sachschäden eine Haftpflichtversicherung besteht. Im Bereich der klinischen Forschung hat der Sponsor i.S.v. § 1 Abs. 24 AMG gem. § 40 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3 AMG eine Unfallversicherung zugunsten der von der klinischen Prüfung eines Arzneimittels oder eines Medizinprodukts betroffenen Person abzuschließen (vgl. auch § 20 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 3 MedizinprodukteG). Bei einem Nießbrauch hat der Nießbraucher eine Feuerversicherung und ggf. auch andere Schadensversicherungsarten zugunsten des Eigentümers zu nehmen, soweit das einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entspricht, § 1045 Abs. 1 BGB (zur Rechtslage, wenn der Eigentümer die Versicherung nimmt, § 43 Rn. 10). Rechtsanwälte und Notare: Rechtsanwälte (§ 51 Abs. 1 BRAO), Rechtsanwaltsgesellschaften (§ 59j BRAO) und Notare (§ 19a BNotO) sind verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zu unterhalten, um Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden zu decken, die sich aus ihrer Berufstätigkeit und der Tätigkeit von Personen ergeben, für die sie haften. § 61 Abs. 2 BNotO verpflichtet die Notarkammern, sich und den Notariatsverwalter gegen Verluste aus der Haftung für Amtspflichtverletzungen durch Abschluss einer Haftpflichtversicherung bzw. einer Vertrauensschadensversicherung abzusichern.56 Das gleiche gilt gem. § 67 Abs. 3 Nr. 3 S. 1 BNotO zugunsten der durch ein vorsätzliches Handeln eines Notars in ihrem Vermögen Geschädigten. 2. Versicherung für fremde Rechnung als gesetzliche Vermutung
36
Nach dem VVG gilt als Versicherung für fremde Rechnung die Versicherung für einen Inbegriff von Sachen, die sich gemäß § 89 Abs. 2 auf die Sachen der Personen erstreckt, mit denen der VN bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt oder die zu diesem Zeitpunkt in einem Dienstverhältnis zum VN stehen und ihre Tätigkeit an dem Ort ausüben. Die Betriebshaftpflichtversicherung erstreckt sich nach § 102 Abs. 1 auf die Haftpflicht der zur Vertretung des Unternehmens befugten Personen sowie der Personen, 56
BGH 27.5.1998 NJW 1998 2537; BGH 12.12.1990 BGHZ 113 151, 153; BGH 29.7.1991 BGHZ 115 275, 278.
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Vorbemerkungen
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die in einem Dienstverhältnis zu dem Unternehmen stehen. In der Betriebshaftpflichtversicherung sind in Abgrenzung zur Privat- und Berufshaftpflichtversicherung vornehmlich Risiken aus gewerblicher Tätigkeit versichert. Spezielle Ausprägungen der Betriebshaftpflichtversicherungen sind die Produkthaftpflichtversicherung, die Umwelthaftpflichtversicherung und die Umweltschadenversicherung. Eine Versicherung gegen Unfälle eines anderen gilt nach § 179 Abs. 1 S. 2 im Zweifel als für Rechnung des anderen genommen. 3. Versicherung für fremde Rechnung kraft vertraglicher Vereinbarung Kraft vertraglicher Vereinbarung sind als Versicherung für fremde Rechnung u.a. fol- 37 gende Versicherungstypen ausgestaltet: a) Berufsunfähigkeitsversicherung. Restschuldversicherung des Kreditgebers, die das 38 Risiko der Arbeitsunfähigkeit erfasst, zugunsten des Kreditnehmers.57 b) Haftpflichtversicherung. D&O-Versicherung (eine freiwillige Vermögensschaden- 39 Haftpflichtversicherung, die von einem Unternehmen als VN zur Absicherung seiner Organmitgleider in der Innen- und Außenhaftung abgeschlossen wird);58 Haftpflichtversicherung des Betreuungsvereins zugunsten seiner Mitarbeiter (§ 1908f BGB); Kaskoversicherung nach den Sonderbedingungen zur Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung im Kfz-Handel und -Handwerk bei Anbringung eines roten Kennzeichens an einem betriebsfremden Kfz (Versicherung für Rechnung wen es angeht nach § 48);59 Privathaftpflichtversicherung;60 Vermögensschadenhaftpflichtversicherung zugunsten der anwaltlichen Mitarbeiter.61 c) Gruppenversicherung. Gruppenversicherungsverträge zugunsten von Arbeitneh- 40 mern,62 Kreditkarteninhabern,63 Urlaubsreisenden, Vereinsmitgliedern in der Unfallversicherung, (Auslands-)Krankenversicherung, Kfz-Kaskoversicherung, Haftpflichtversicherung, Rechtsschutzversicherung.64 d) Kredit- Kautions- und Vertrauensschadensversicherung. Kautionsversicherung;65 41 Notarvertrauensschadensversicherung zugunsten des vom Notar Geschädigten;66 Personenkautionsversicherung.67
57
58
59 60 61
OLG Celle 31.5.2007 VersR 2007 1641; OLG Karlsruhe 2.2.2006 VersR 2006 637; OLG Hamm 18.11.1986 VersR 1987 354. OLG Köln 2.9.2008 RuS 2008 469; OLG Dresden 25.9.2007 ZBB 2008 125; OLG Düsseldorf 21.12.2006 Az. I-4 U 6/06 (juris); OLG München 15.3.2005 VersR 2005 540. BGH 11.3.1987 NJW-RR 1987 856; OLG Köln 18.10.1989 VersR 1990 847, 848. Vgl. BGH 22.2.1978 VersR 1978 409; BGH 13.1.1954 LM Nr. 1 zu § 74 VVG. LG Düsseldorf 8.12.1978 VersR 1980 81.
62
63 64 65 66 67
BAG 26.7.2007 NJOZ 2008 3171 ff.; BAG 21.2.1990 NZA 1990 701; OLG Hamm 6.10.1977 VersR 1977 1124; Nießen 40; zur steuerrechtlichen Bedeutung Otto DStR 2009 1022. ÖOGH 11.5.1994 VersR 1995 443. LG Karlsruhe 15.1.1982 VersR 1982 997. LG Hamburg 19.7.1951 VersR 1951 275. BGH 12.12.1990 NJW 1991 1055. BGH 24.11.1971 VersR 1972 194, 195; BGH 11.7.1960 BGHZ 33 97, 102 ff. = NJW 1960 1903.
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42
e) Lebensversicherung. Restschuldversicherung des Ehemanns als Kreditnehmer zugunsten der Ehefrau als sog. Kreditnehmerin;68 Restschuldversicherung eines Kreditinstituts zugunsten des Kreditnehmers.69
43
f) Rechtsschutzversicherung. Rechtsschutzversicherung zugunsten von weiteren Miteigentümern nach Aufteilung im Wohnungseigentum;70 zugunsten von Personen, die zusammen mit dem VN eine Rechtsgemeinschaft an der Mietwohnung bilden;71 zugunsten von Ehegatten und nichtehelichen Lebenspartnern.72
44
g) Rentenversicherung. Private Rentenversicherung für eine betriebliche Altersvorsorge des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitnehmers73.
45
h) Sachversicherung. Automatenversicherung des Gastwirts zugunsten des Aufstellers;74 Bauwesenversicherung des Bauherrn zugunsten der beauftragten Unternehmer;75 Mitversicherung von Ernteerzeugnissen des Hofpächters in der Feuerversicherung des Hofeigentümers;76 Feuer-, Leitungswasserschäden-, Sturm- und Einbruchsdiebstahlversicherung des Nießbrauchers zugunsten des Eigentümers (§ 1054 BGB); Gebäudeversicherung der Wohnungseigentümergemeinschaft für das Sondereigentum der einzelnen Miteigentümer;77 Gebäudeversicherung des Zwangsverwalters zugunsten des Grundstückseigentümers;78 Glasversicherung des Mieters zugunsten des Vermieters;79 Hausratversicherung zugunsten der Eigentums(anteils) der Ehefrau des VN;80 Kfz-Vollkaskoversicherung des Leasingnehmers zugunsten des Leasinggebers;81 Versicherung des Kommissionsgutes durch den Kommissionär zugunsten des Eigentümers des Gutes gegen Diebstahl, Feuer, etc.;82 Versicherung von Kundeneigentum in Reinigungsbetrieben;83 Schlachttierversicherung des Käufers zugunsten des Verkäufers.84
46
i) Transportversicherung. Frachtführer-Haftpflichtversicherung;85 Lagerversicherung des Lagerhalters zugunsten der Einlagerer;86 Speditionsversicherung zugunsten des Auftraggebers des Spediteurs oder Frachtführers;87 Transportversicherung (§ 130 I) des Verkäufers zugunsten des Käufers,88 des Spediteurs bzw. Frachtführers zugunsten der Ladungsbeteiligten 89 oder einer Schwestergesellschaft zugunsten der anderen;90 ValorenTransportversicherung zugunsten der Auftraggeber des VN.91
68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80
OLG Hamm 9.11.1988 VersR 1989 694. ÖOGH 29.11.2006 VersR 2008 283; vgl. auch AG Breisach 13.6.2006 VersR 2007 936. OLG Karlsruhe 4.5.2000 NJW-RR 2001 599. AG Kehlheim 29.4.1985 NJW-RR 1986 110. AG Pfaffenhofen 12.4.2001 RuS 2002 20; Mathy VersR 2003 820. Vgl. OLG Celle 13.9.2007 VersR 2008 60. Sieg BB 1993 149, 152. OLG Köln 14.1.1997 VersR 1998 184. BGH 2.12.1987 NJW-RR 1988 468. OLG Hamm 3.1.2008 ZMR 2008 401. LG Essen 7.11.1991 VersR 1995 211. Sieg BB 1993 149, 150 f.; Prölss/Martin/Kollhosser § 1 AGlB Rn. 10 ff. OLG Hamm 4.2.1994 NJW-RR 1995 287; OLG Karlsruhe 20.11.1997 RuS 1998 162, 163.
150
81
82 83 84 85 86 87 88 89 90 91
BGH 31.10.2007 VersR 2008 501, 502; BGH 14.7.1993 VersR 1993 1223; OLG Köln 3.6.1996 VersR 1997 57. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch Vor §§ 43 bis 48 Rn. 40. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch Vor §§ 43 bis 48 Rn. 40. LG Osnabrück 19.9.1962 VersR 1963 448. Zur CMR-Haftpflichtverischerung OLG Bremen 15.5.1997 VersR 1998 450 f. Sieg BB 1993 149, 153. BGH 23.1.2002 VersR 2002 436. ÖOGH 10.10.1991 VersRdsch 1992 85, 86. BGH 7.5.2003 VersR 2003 1171, 1172; Thume VersR 2008 455, 457 f. OLG Frankfurt 28.7.1998 NJW-RR 1998 1327. OLG Celle 19.9.2008 8 U 63/08 (juris).
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Vorbemerkungen
Vor §§ 43–48
G. Abdingbarkeit Die §§ 43 ff. sind grundsätzlich disponibel. Etwas anderes gilt für diejenigen Vor- 47 schriften, die dazu dienen, den Abschluss von Wettversicherungen zu verhindern. Das sind § 44 Abs. 1 (vgl. dort Rn. 36) und § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 (vgl. § 47 Rn. 42). Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist zu beachten, dass diese beiden Vorschriften Bestandteil des deutschen ordre public sind. Es handelt sich um die Kernvorschrift zur Verhinderung der Wettversicherung als einem krassen Fall ungerechtfertigter Bereicherung (der VN hat keinen Schaden erlitten). Wenn nach kollisionsrechtlichen Grundsätzen ausländisches Recht Vertragsstatut ist und dieses ausländische Recht eine Fremdversicherung kennt, ohne dass dem Versicherten der Anspruch aus dem Versicherungsvertrag zusteht, so darf ein deutscher Richter nach Art. 21 Rom-I-Verordnung insoweit der fremden Rechtsordnung nicht folgen.92
H. PEICL Die unter Führung von Helmut Heiss entwickelten und seit 2007 vorliegenden Draft 48 Principles of European Insurance Contract Law (PEICL) enthalten in ihrem 11. Kapitel Regeln über die Versicherung für fremde Rechnung. Anders als das VVG 2008 haben sich die PEICL in Übereinstimmung mit der Rechtslage in den meisten Mitgliedstaaten dazu entschieden, Regeln über die Versicherung für fremde Rechnung nur mit Geltung für den Bereich der Schadensversicherung aufzustellen. Das ergibt sich aus der systematischen Stellung der Bestimmungen im 2. Teil der PEICL. Für die Rechtspraxis sind die PEICL insoweit von Belang, als sie sich als „optionales 49 Instrument“ verstehen, welches die Parteien durch Rechtswahl zum Vertragsstatut bestimmen können sollen. Das ist für VR insoweit interessant, als ihnen dies ermöglichen würde, gesamteuropäische Versicherungsprodukte anzubieten. Ob die PEICL als nichtstaatliches Recht auf Grundlage von Art. 3 Abs. 1 Rom-I-Verordnung tatsächlich durch Rechtswahl zum Vertragsstatut erhoben werden können, ist umstritten. Dies ist aber zumindest dann der Fall, wenn sich der europäische Gesetzgeber entschließt, die PEICL zum Gegenstand eines Rechtsakts (z.B. einer Verordnung) zu machen. Im 11. Kapitel der PEICL sind nur Teilfragen der Versicherung für fremde Rechung ge- 50 regelt (vgl. dazu auch die jeweils letzte Rn. zu den einzelnen Bestimmungen der §§ 43–48). Nach Art. 11:101 Abs. 1 PEICL steht der Anspruch gegen den VR der Person zu, für welche die Versicherung genommen wurde. Der VN soll die Deckung zugunsten des Versicherten erst dann nicht mehr widerrufen dürfen, wenn der Versicherungsfall eingetreten ist, Art. 11:101 Abs. 2 lit. b) PEICL. Des Weiteren stellt Art. 11:102 PEICL eine praktisch bedeutsame Zurechnungsregel hinsichtlich des Wissens der Versicherten oder Bezugsberechtigten auf. Schließlich schreibt Art. 11:103 PEICL den Grundsatz der Einzelwirkung von Pflichtverletzungen fest. Das Innenverhältnis von VN und Drittem wird ebenso wenig geregelt wie die Frage der Legitimation des Dritten gegenüber dem VR. Zu beachten ist allerdings der Generalverweis auf das „gemeineuropäische Zivilrecht“ der Principles of European Contract Law (PECL) in Art. 1:105 Abs. 2 PEICL. Ist eine Frage im Sonderprivatrecht der PEICL nicht geregelt, kann danach zur Lückenfüllung auf die allgemein-zivilrechtlichen Regeln der PECL zurück gegriffen werden. 92
Zu Art. 30 EGBGB Bruck/Möller/Sieg 8 Vor §§ 74 ff. Anm. 16; zuvor schon Bruck Zwischenstaatliches VR 36, 41.
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§ 43
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
§ 43 Begriffsbestimmung (1) Der Versicherungsnehmer kann den Versicherungsvertrag im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, schließen (Versicherung für fremde Rechnung). (2) Wird der Versicherungsvertrag für einen anderen geschlossen, ist, auch wenn dieser benannt wird, im Zweifel anzunehmen, dass der Versicherungsnehmer nicht als Vertreter, sondern im eigenen Namen für fremde Rechnung handelt. (3) Ergibt sich aus den Umständen nicht, dass der Versicherungsvertrag für einen anderen geschlossen werden soll, gilt er als für eigene Rechnung geschlossen.
Schrifttum (vgl. auch Schrifttum Vor §§ 43–48) Armbrüster Der Schutz von Haftpflichtinteressen in der Sachversicherung (1994); ders. Zum Schutz von Haftpflichtinteressen in der Sachversicherung NVersZ 2001 193; Brand Grenzen der vorvertraglichen Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers VersR 2009 715; Brünjes Der Veräußerungsbegriff des § 69 VVG (1995); ders. Der Eintritt des Immobilienerwerbers in den Versicherungsvertrag nach § 69 Abs 1 VVG VersR 1995 1416; Fischer-Czermak Schadensersatz nach Verkehrsunfällen mit Leasingfahrzeugen ZVerkR 1997 38; Fuchs Die Gefahrsperson im Versicherungsrecht, Diss. Berlin (1973); Hasse Zwangsvollstreckung in Kapitallebensversicherungen VersR 2005 15, 35; Müller Die Minderjährigen im Versicherungsvertragsrecht (2007); Prölss Das Wegnahmerecht des Mieters in der Gebäudefeuerversicherung VersR 1994 1404; ders. Drittinteressen in der Sachversicherung RuS 1997 221; Schneider Die Versicherung für fremde Rechnung nach dem Gesetzesentwurf über den Versicherungsvertrag unter Vergleichung mit dem Handelsgesetzbuch ZVersWiss 1905 230; Sieg Die versicherungsrechtliche Stellung des Sacherwerbers nach Gefahrübergang auf ihn VersR 1995 125.
Übersicht Rn. A. B. C. I. II.
Normgeschichte . . . . . . . . . . . . Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung von anderen Rechtsinstituten 1. Versicherung eines eigenen Interesses an fremder Sache . . . . . . . . . . 2. Versicherung eines fremden Interesses für eigene Rechnung . . . . . . . . . 3. Versicherung in Vertretung eines anderen . . . . . . . . . . . . . . . 4. Versicherung eines eigenen Interesses unter Verzicht auf die Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . 5. Dinglich an der Versicherungsforderung Berechtigte . . . . . . . . . . . 6. Versicherung einer fremden Person für eigene Rechnung (Gefahrsperson) . . 7. Bezugsberechtigung . . . . . . . . . 8. Eintrittsberechtigte . . . . . . . . . 9. Erwerber der versicherten Sache . . . 10. Geschädigte Dritte in der Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . 11. Begünstigte eines Regressverzichts . . 12. Rückversicherung . . . . . . . . . .
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. 17 . 18 . 19
Rn. D. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . I. Prüfungsreihenfolge . . . . . . . . . . . . II. Vertragsschluss im eigenen Namen . . . . 1. Handeln im eigenen Namen; Abgrenzung zur Stellvertretung/§ 1357 BGB . . 2. Auslegungsregel für Zweifelsfälle (Abs. 2) III. Vertragsschluss für einen anderen . . . . . 1. Versicherung eines fremden Interesses . 2. Wegfall und Nichtbestehen des Interesses 3. Besonderheiten einzelner Versicherungszweige . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftpflichtversicherung . . . . . . . b) Sachversicherung . . . . . . . . . . aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . bb) Versicherung eigener Sachen . . (1) Sacherhaltungsinteresse . . (2) Sachersatzinteresse . . . . . cc) Versicherung fremder Sachen . . E. Vertragsschluss als solcher . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Irrtumsanfechtung . . . . . . . . . . . a) Anfechtung durch den VN . . . . . b) Anfechtung durch den VR . . . . . c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . .
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20 20 21 21 26 30 30 31 34 34 35 35 37 37 39 42 45 45 49 49 49 54 55
Begriffsbestimmung
§ 43
Rn. 2. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schadensersatz . . . . . . . . . . . 4. Einrede der Anfechtbarkeit . . . . . F. Beendigung eines Versicherungsvertrags für fremde Rechnung . . . . . . . . . I. Erlöschen . . . . . . . . . . . . . . .
Rn. II. III. G. I. II. H. I.
. . 56 . . 59 . . 60 . . 61 . . 61
Umwandlung in eine Eigenversicherung . Insolvenz des VN . . . . . . . . . . . . Vermutung für Eigenversicherung (Abs. 3) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . Sonderregeln . . . . . . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . Auslandsrechte/PEICL . . . . . . . . .
. 63 . 65 66 . 66 . 70 . 71 . 72
A. Normgeschichte Die Definition der Versicherung für fremde Rechnung in § 43 Abs. 1 stimmt sachlich 1 mit § 74 Abs. 1 a.F. überein.1 § 43 Abs. 2 entspricht der Regelung des § 74 Abs. 2 a.F. Die Vorschrift ist – wie Absatz 1 – lediglich sprachlich geändert („Versicherungsnehmer“ statt: „demjenigen, welcher den Vertrag mit dem Versicherer schließt“), ohne dass damit eine inhaltliche Änderung verbunden wäre. § 43 Abs. 3 enthält den bisherigen § 80 Abs. 1 a.F., der wegen des Sachzusammenhanges einbezogen wird. Mit der Umgruppierung erhält die Vorschrift ihren ursprünglich zugedachten Platz. In dem Entwurf zum VVG von 1903 waren § 43 Abs. 1 und 3 bereits als § 74 Abs. 1 und 2 im Zusammenhang geregelt. Ihren Ursprung hat die Regelung des § 43 Abs. 3 in dem inhaltsgleichen, inzwischen aufgehobenen § 781 Abs. 3 HGB. Insgesamt hat sich an der Rechtslage gegenüber dem VVG 1908 nichts geändert.
B. Normzweck § 43 Abs. 1 definiert die Versicherung für fremde Rechnung und stellt klar, dass der 2 VN grundsätzlich dazu berechtigt ist, fremde Interessen im eigenen Namen zu versichern. § 43 Abs. 2 und Abs. 3 enthalten Auslegungsregeln. Abs. 2 ist lex specialis zu § 164 Abs. 1 S. 2 BGB und legt fest, dass der Antragsteller im Zweifel nicht als Vertreter des (namentlich benannten) begünstigten Dritten handelt, sondern im eigenen Namen für fremde Rechnung. Das VVG trifft eine vom bürgerlichen Recht abweichende Regelung, um den VR zu schützen.2 Er erlangt den Vorteil, in Zweifelsfällen nicht einen ihm ggf. unbekannten Dritten als Vertragspartei, insbesondere als Prämienschuldner und Erklärungsempfänger, zu erhalten, sondern den VN, mit dem er die Vertragsverhandlungen geführt hat. Reflexartig wird auch der VN geschützt, der als solcher dem Grunde nach die Verfügungsbefugnis über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag behält. Das würde er als Vertreter nicht tun. § 43 Abs. 3 enthält eine widerlegbare gesetzliche Vermutung 3 für Fälle, in denen es zweifelhaft erscheint, ob der Vertrag für ein eigenes Interesse des VN oder für ein fremdes Interesse geschlossen ist. In diesem Fall gilt der Vertrag als für eigene Rechnung geschlossen, um Streitfällen vorzubeugen und sicher zu stellen, dass nach Eintritt des Versicherungsfalls nur derjenige gegen den VR vorgehen kann, der Vertragspartner des VR geworden ist.4 § 43 Abs. 3 stellt zugleich klar, dass die Versicherung fremden Interes-
1 2 3
Begr. RegE. BTDrucks. 16/3945 73. Bruck/Möller/Sieg 8 § 43 Anm. 17; Ehrenzweig 212. Berliner Kommentar/Hübsch § 80 Rn. 1 und
4
Honsell VersR 1985 301, 303 sehen die Regel des § 43 Abs. 3 als Auslegungsregel an; wie hier Nießen 15. Amtl. Begr. RTDrucks. 364/12 120.
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§ 43
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
ses sich nicht nur aus dem Versicherungsvertrag, sondern auch aus den Umständen ergeben kann. Der Normaufbau des neu gefassten § 43 ist missglückt. Die Abs. 2 und 3 hätten in 3 umgekehrter Reihenfolge niedergelegt werden sollen, wie dies bei den Parallelvorschriften in § 52 Abs. 1, 2 ADS der Fall ist. Die Frage, ob überhaupt Versicherung für einen anderen genommen wird (§ 43 Abs. 3), ist derjenigen, ob dieser andere VN oder bloß Versicherter ist (§ 43 Abs. 2), gegenüber vorrangig.
C. Allgemeines I. Begriff 4
Der Begriff der Versicherung für fremde Rechnung entstammt der Geschäftssprache und ist denkbar unglücklich.5 Er erweckt den Eindruck, die Pflicht zur Prämienzahlung treffe nicht den VN, sondern den Versicherten. Dies ist aber – zumindest im Außenverhältnis zum VR – nicht der Fall. Mit der Versicherung für fremde Rechnung soll vielmehr ein Vorgang bezeichnet werden, bei dem im eigenen Namen das Interesse eines Dritten (des Versicherten) versichert wird. Konkurrierende Vorschläge wie die Begriffe „Fremdversicherung“ 6 oder „Versicherungskommission“ haben sich in der Gesetzessprache nicht durchsetzen können. Da Abschnitt 4, in dem die Versicherung für fremde Rechnung geregelt ist, als amtliche Überschrift denselben Namen trägt, sollte diese Bezeichnung auch verwandt werden.
II. Abgrenzung von anderen Rechtsinstituten 5
Schon die Auslegungsregel des § 43 Abs. 2 zeigt, dass die Versicherung für fremde Rechnung von anderen Rechtsinstituten abzugrenzen ist. 1. Versicherung eines eigenen Interesses an fremder Sache
6
Keine Versicherung für fremde Rechnung liegt vor, wenn der VN ein (beschränktes) eigenes Interesse an einer fremden Sache versichert, etwa weil er an ihr aufgrund eines (Grund-)Pfandrechts berechtigt ist. Hier wird Versicherung für eigene Rechnung genommen, denn der Antragsteller will sein eigenes Interesse an der Erhaltung der fremden Sache versichern, nicht das fremde Eigentümerinteresse. Das gleiche gilt, wenn ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer gegen Unfälle versichert; hier sucht er Deckung für den Arbeitsausfallschaden, der ihm selbst droht. Dem Antragsteller bleibt in beiden Fällen freilich unbenommen, Versicherung für fremde Rechnung zu nehmen, was i.d.R. wegen des weitergehenden Fremdinteresses allerdings teurer sein wird.7 Ob im Einzelfall ein bestehendes eigenes Interesse an fremder Sache tatsächlich gegeben ist, oder ob ein Fall der §§ 43 ff. vorliegt, ist unter Berücksichtigung der AVB durch Auslegung zu ermitteln.
5 6
Kritisch etwa Ehrenzweig 211; Kisch PVR III 384. Siehe aber HK-VVG/Muschner § 43 Rn. 1;
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7
Langheid/Wandt/Dageförde Vor § 43 Rn. 1. Näher Anli 11 f.
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Begriffsbestimmung
§ 43
2. Versicherung eines fremden Interesses für eigene Rechnung Die Versicherung eines fremden Interesses für eigene Rechnung ist grundsätzlich nicht 7 zulässig. Das ergibt sich aus § 44 Abs. 1, der insb. Wettversicherungen vorbeugen soll und der eine Vorschrift zwingenden Rechts ist (näher § 44 Rn. 2 und 36).8 In der Summenversicherung ist die Versicherung einer Gefahrsperson in der Art, dass dem VN der Versicherungsanspruch zustehen soll, allerdings ausdrücklich anerkannt (vgl. § 150 Abs. 2 für die Lebens- und § 179 Abs. 2 für die Unfallversicherung). Es wird aber jeweils die Einwilligung der Gefahrsperson verlangt, um zu verhindern, dass auf ihren Tod oder ihre Verletzung spekuliert wird. 3. Versicherung in Vertretung eines anderen Die Auslegungsregel des § 43 Abs. 2 spricht im Zweifel gegen eine solche Gestaltung. 8 Sie ist aber durchaus möglich. So ließe sich der Fall bilden, dass Prokurist P im Namen des Verkaufskommissionärs K einen Versicherungsvertrag das Kommissionsgut des A betreffend abschließt. Handelt P hier als Untervertreter des K für den A, liegt nicht etwa eine Versicherung für fremde Rechnung vor.9 A hat vielmehr (unter Vermittlung des K) das eigene Interesse für eigene Rechnung versichert. Zur Abgrenzung der Versicherung für fremde Rechnung von Fällen der Stellvertretung näher unten Rn. 11 f.). 4. Versicherung eines eigenen Interesses unter Verzicht auf die Verfügungsbefugnis Es ist dem VN möglich, ein eigenes Interesse zu versichern, die Verfügungsbefugnis 9 über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag aber einem Dritten, etwa einem Freund, zu übertragen.10 Mit dem VR schließt der VN dann einen bürgerlich-rechtlichen Vertrag zugunsten Dritter i.S.v. § 328 BGB. In einem solchen Fall ist der begünstigte Dritte materiell-rechtlich Inhaber des Leistungsanspruchs gegen den VR. Zudem ist er formell verfügungsberechtigt, d.h. er kann seine Rechte selbständig wahrnehmen. In der Nichtpersonenversicherung werden solche Fallgestaltungen eher selten sein. In der Personenversicherung treten sie hingegen häufig in Form der Bezugsberechtigung auf (näher unten Rn. 13 f.). 5. Dinglich an der Versicherungsforderung Berechtigte Keine Anwendung finden die §§ 43 ff. auf die Rechte der Grundpfandgläubiger (In- 10 haber von Hypotheken und Grundschulden) an der Entschädigungsforderung. Deren Rechte ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz, §§ 1127, 1128 Abs. 3 BGB ggf. i.V.m. § 1192 Abs. 1 BGB. Einer vertraglichen Vereinbarung zwischen VR und VN bedarf es nicht. Gleiches gilt beim Nießbrauch, wenn nicht der VN, sondern der Eigentümer die Sache versichert hat (§§ 1045 Abs. 2, 1046 BGB).11 Die Stellung der jeweiligen Gläubiger ist stärker als die des Versicherten, weil letzterer regelmäßig nicht verfügungsbefugt ist. Da der Hypothekar nicht Versicherter ist, schadet dessen Brandstiftung dem VN nicht. Auf den leistenden VR geht der Schadensersatzanspruch des VN gegen den Hypothekar nach § 86 über.
8 9 10
Ferner Kisch PVR III 416. Ebenso Bruck/Möller/Sieg 8 § 74 Anm. 4. BGH 2.2.1977 VersR 1977 346, 347; Prölss/
11
Martin/Prölss Vor § 74 Rn. 4; Kisch PVR III 399; Lenné 10; Nießen 13 f. Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 20.
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§ 43
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
6. Versicherung einer fremden Person für eigene Rechnung (Gefahrsperson)
11
Bei einer Lebens-, Berufsunfähigkeits-, Unfall- oder Krankenversicherung, die nicht auf die Person des VN, sondern auf die Person „eines anderen“ genommen wird (vgl. §§ 150 Abs. 1, 176, 179 Abs. 1, 193 Abs. 1), verwirklicht sich die versicherte Gefahr (Tod, Berufsunfähigkeit, Unfall oder Krankheit) nicht in der Person des VN, sondern in der eines Dritten. Ob der andere – die Gefahrsperson – eigene Rechte aus dem Versicherungsvertrag erlangt, hängt davon ab, ob die Versicherung für fremde Rechnung – also für Rechnung der Gefahrsperson genommen ist – oder nicht. Für die Unfallversicherung wird dies gemäß § 179 Abs. 1 S. 2 vermutet. In der Krankenversicherung besteht eine solche Vermutung dagegen nicht. Insoweit gilt gemäß §§ 194 Abs. 3, 43 Abs. 3 die Krankenversicherung – etwa eine Familienversicherung – im Zweifel auf eigene Rechnung genommen. Zu dieser Gruppe zählt auch die Restschuldversicherung. Bei dieser zur Absicherung 12 etwa von Bauherren-Eigenleistungen abgeschlossenen Versicherung ist nur das Risiko des Kreditgebers bei einem Ausfall der Tilgung durch den Kreditnehmer versichert. Dem Bauherren, dessen Eigenleistungen infolge Erkrankung ausfallen, steht daher im Rahmen eines solchen Versicherungsvertrages kein eigener Anspruch auf Auszahlung der Versicherung zu. Das Gleiche gilt für die von einigen Bausparkassen abgeschlossenen Restschuldversicherungen auf das Leben des Darlehensnehmers.12 7. Bezugsberechtigung
13
Die Bezugsberechtigung ist eine Form der Drittbegünstigung, bei welcher der VN nicht ein fremdes, sondern sein eigenes Interesse versichern lässt und seinen Versicherungsanspruch im Wege eines bürgerlich-rechtlichen Vertrages zugunsten Dritter einem anderen zuwendet.13 Die Bezugsberechtigung spielt eine Rolle in der Personenversicherung, vor allem in der Lebensversicherung und in der Unfallversicherung, soweit sie als Summenversicherung ausgestaltet ist. Die Bezugsberechtigung hat sich in diesen Versicherungszweigen als unkomplizierte Form der Drittbegünstigung aufgedrängt: Während es bei der Versicherung für fremde Rechnung einer Einigung zwischen VN und VR darüber bedarf, dass ein Dritter berechtigt ist, eigene Rechte aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen, genügt für die Einräumung einer Bezugsberechtigung in der Lebens-, Berufsunfähigkeits- und Unfallversicherung – abweichend von § 328 Abs. 1 BGB – eine einseitige Willenserklärung des VN gegenüber dem VR (vgl. §§ 159 Abs. 1, 176, 185 sowie § 13 Abs. 4 ALV 2008). Die Bezugsberechtigung kann widerruflich (vgl. § 159 Abs. 2) oder unwiderruflich (§ 159 Abs. 3) ausgestaltet sein. Letzteres kommt in der Praxis eher selten vor. Die Stellung als Bezugsberechtigter unterscheidet sich von derjenigen eines Versicher14 ten in der Versicherung für fremde Rechnung in mannigfaltiger Hinsicht.14 Seine Stellung ist einerseits schwächer als die des Versicherten, weil er anders als der Versicherte nicht seinerseits eine Bezugsberechtigung einräumen kann. Weiterhin erwirbt der Bezugsberechtigte das Recht nicht schon bei Vertragsschluss, sondern – insoweit vergleichbar mit einem testamentarisch eingesetzten Erben – erst mit Eintritt des Versicherungsfalls. Bis dahin kann die Bezugsberechtigung – falls sie, wie dies das Gesetz als Regelfall vorsieht
12 13
LG Osnabrück 23.6.1982 VersR 1983 871. Mot. 224 f.; HK-VVG/Muschner § 43 Rn. 4; Beckmann/Matusche-Beckmann/Arm-
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14
brüster § 6 Rn. 92; E. Lorenz FS Schwebler 350 f. Dazu Bruck/Möller/Sieg 8 § 74 Anm. 4.
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Begriffsbestimmung
§ 43
(§ 159 Abs. 1, § 13 Abs. 1 S. 2 ALV 2008), widerruflich ausgestaltet ist – einseitig vom VN widerrufen werden (§ 13 Abs. 4 ALV 2008). Andererseits steht der Bezugsberechtigte günstiger als der Versicherte, weil er selbst das Verfügungsrecht über seine Forderung hat und nicht mit Obliegenheiten belastet ist. Die Bezugsberechtigung muss ausdrücklich eingeräumt sein, während sich eine Versicherung für fremde Rechnung aus den Umständen ergeben kann. Erstere kann vom VN jedem beliebigen Dritten eingeräumt werden, insb. Familienangehörigen und Kreditgebern, die gegen den Ausfall der versicherten Person abgesichert werden sollen, die Stellung des Versicherten vermag der VN nur dem Interesseträger zu verschaffen. 8. Eintrittsberechtigte § 170 Abs. 1 und 2 räumt dem Bezugsberechtigten ein Recht zum Eintritt in den 15 Lebensversicherungsvertrag ein, wenn in die Versicherungsforderung ein Arrest vollzogen, eine Zwangsvollstreckung vorgenommen oder das Insolvenzverfahren über das Vermögen des VN eröffnet wird. Macht der Bezugsberechtigte von seinem Recht Gebrauch, wird er Vertragspartner des VR mit allen Rechten und Pflichten. Der ursprüngliche VN sinkt zur versicherten Person herab.15 Der Bezugsberechtigte hat nun die Forderungen der betreibenden Gläubiger oder der Insolvenzmasse bis zur Höhe des Betrags zu befriedigen, dessen Zahlung der VN im Fall der Kündigung des Versicherungsverhältnisses vom VR verlangen könnte. 9. Erwerber der versicherten Sache Veräußert der VN die versicherte Sache, wird die Versicherung dadurch nicht zu einer 16 Versicherung für fremde Rechnung. Es findet vielmehr eine Umwandlung statt, da der Erwerber und neue Träger des versicherten Interesses nach § 95 Abs. 1 an Stelle des alten Eigentümers in den Vertrag eintritt und die Versicherung – auf eigene Rechnung – weiterführt.16 In der Gebäudeversicherung ist das Interesse des Käufers in der Zeit zwischen Gefahrübergang und Eigentumswechsel durch Grundbuchumschreibung im Zweifel nach § 48 mitversichert (dazu § 48 Rn. 10). 10. Geschädigte Dritte in der Haftpflichtversicherung Die Haftpflichtversicherung dient zwar auch – die obligatorische Haftpflichtversiche- 17 rung sogar vorwiegend – dem Schutz des geschädigten Dritten. Gleichwohl handelt es sich nicht um eine Versicherung für Rechnung des Geschädigten. Der Geschädigte hat in der freiwilligen Haftpflichtversicherung erst nach Abtretung 17 oder nach Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs (§§ 829, 835 ZPO) einen Leistungsanspruch gegen den VR. Im Fall der Insolvenz des VR kann er abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des VN verlangen (§ 110). Soweit der Dritte in der obligatorischen Haftpflichtversicherung unter den Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 unmittelbar gegenüber dem VR anspruchsberechtigt ist, geht es nicht um den versicherungsrechtlichen Freistellungsanspruch, sondern um den auf Schadensersatz gerichteten Haftpflichtanspruch.
15 16
Hasse VersR 2005 15, 35. HK-VVG/Muschner § 43 Rn. 4; Nießen 14.
17
Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter § 108 Rn. 26 ff.
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§ 43
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
11. Begünstigte eines Regressverzichts
18
Ist der Regress des VR gegen denjenigen Dritten, der den Schaden verursacht hat, aufgrund einer Verzichtserklärung des VR beschränkt, wirkt jede Schadensversicherung faktisch wie eine Haftpflichtversicherung für Rechnung des Dritten.18 Die Regressforderung verbleibt in einem solchen Fall beim VN; der VR kann den Übergang nach § 86 Abs. 1 nicht geltend machen. Ein Beispiel für einen gesetzlichen Regressverzicht ist § 86 Abs. 3, ein Beispiel für eine Regelung in AVB der Regressverzicht des Kaskoversicherers gegenüber Fahrer, Mieter und Entleiher (A.2.15 AKB 2008). Einen Regressverzicht des Gebäudeversicherers zugunsten des Mieters (zumindest bei einfacher Fahrlässigkeit) hat die Rechtsprechung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung entwickelt.19 Von der Versicherung für fremde Rechung unterscheidet sich der Regressverzicht in seinen Wirkungen dadurch, dass der Dritte beim Regressverzicht keinen eigenen Anspruch gegen den VR auf Ersatz des Schadens erlangt. Zudem ist der Dritte nur geschützt, wenn der VN vom VR und nicht von ihm Ersatz des eingetretenen Schadens verlangt.20 Das wird praktisch zwar häufig der Fall sein; dem VN steht grundsätzlich aber ein Wahlrecht zu, wen er in Anspruch nimmt. Etwas anderes gilt nur, wenn das Rechtsverhältnis, das zwischen ihm und dem Dritten besteht, etwas anderes bestimmt.21 Hat der Dritte, der den Schaden verursacht, selbst eine Versicherung abgeschlossen, die für die Folgen des schädigenden Ereignisses aufzukommen hätte (z.B. eine Haftpflichtversicherung), hängt die Frage, ob bei Vorliegen eines Regressverzichts des VR des Geschädigten ein Ausgleich analog § 78 Abs. 2 S. 1 zwischen dem verzichtenden VR und dem VR des Schädigers stattfindet, von den Umständen ab. Die Rechtsprechung bejaht einen solchen Ausgleich zwischen einem Feuer- und einem Haftpflichtversicherer.22 12. Rückversicherung
19
Aus einem Rückversicherungsvertrag erwerben die bei dem Erstversicherer Versicherten keine Rechte.23
D. Tatbestand I. Prüfungsreihenfolge 20
Wenn sich aus dem Inhalt des Vertrags oder den Umständen ergibt, dass fremdes Interesse versichert werden soll, kommen hierfür zwei Varianten in Betracht: Der Antragsteller kann als Vertreter des Interesseträgers, also im fremden Namen, den Vertrag schließen (dann liegt Versicherung für eigene Rechnung des Interesseträgers vor). Er
18
19
20
BGH 18.3.1986 VersR 1986 755, 756; Bruck/ Möller/Sieg 8 Vor §§ 74–80 Anm. 13; Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 22. BGH 18.6.2008 NJW-RR 2008 1413, 1414; dazu auch Looschelders/Pohlmann/Brand Vor § 142 Rn. 6; Langheid/Wandt/Dageförde § 43 Rn. 28 f. BGH 18.3.1986 VersR 1986 755, 756; BGH 23.1.1991 VersR 1991 462, 463; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 51.
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21 22
23
BGH 18.3.1986 VersR 1986 755, 756; BGH 23.1.1991 VersR 1991 462, 463. BGH 13.9.2006 VersR 2006 1536; OLG Koblenz 9.3.2007 VersR 2007 687; OLG Köln 3.7.2007 VersR 2007 1411; OLG Bamberg 11.10.2007 VersR 2007 1651. Siehe Langheid/Wandt/Looschelders § 209 Rn. 36 ff.
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Begriffsbestimmung
§ 43
kann aber auch als VN in eigenem Namen auftreten (dann liegt Versicherung für fremde Rechnung vor). Nach der Auslegungsregel des § 43 Abs. 2 ist im Zweifel davon auszugehen, dass der VN nicht als Stellvertreter, sondern im eigenen Namen gehandelt hat und entsprechend Versicherung für fremde Rechnung vorliegt, und zwar selbst dann, wenn der Dritte benannt worden ist. § 43 Abs. 2 bedingt daher als vorrangige lex specialis § 164 Abs. 1 S. 2 BGB ab: Wenn der Vertragsinhalt auf Deckung des Risikos des Dritten geht, würde sich danach aus den Umständen ergeben, dass der Antragsteller als Vertreter jenes Dritten abschließt.24
II. Vertragsschluss im eigenen Namen 1. Handeln im eigenen Namen; Abgrenzung zur Stellvertretung und zu § 1357 BGB Der Antragsteller schließt den Versicherungsvertrag im eigenen Namen und damit 21 eine Versicherung für fremde Rechnung ab, wenn der VR als Erklärungsempfänger die vom Antragsteller abgegebene Willenserklärung objektiv so verstehen konnte und durfte, dass dieser selbst Vertragspartner des VR werden wollte. Der Antragsteller kann sich dabei seinerseits durch einen Stellvertreter vertreten lassen.25 Hat der Antragsteller indes ausdrücklich als Vertreter gehandelt oder haben ihn die 22 Umstände 26 als Vertreter erkennen lassen (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB), finden die bürgerlichrechtlichen Regeln über die Stellvertretung Anwendung. Das ist etwa der Fall, wenn Organmitglieder juristischer Personen, vertretungsberechtigte Gesellschafter, Prokuristen oder Handelsbevollmächtigte unternehmensbezogene Versicherungsverträge abschließen.27 Bei Personengesellschaften (OHG, KG) gilt dies unbeschadet der Tatsache, dass die Gesellschafter aufgrund der Verfassung der Gesellschaft (gesamthänderische Beteiligung der Gesellschafter) mitversichert sind, etwa in der Kaskoversicherung wo die Gesellschaft Trägerin des versicherten Sachwertinteresses ist, die Gesellschafter aber das (mitversicherte) Sachersatzinteresse innehaben.28 In der Vor-GmbH wird man unternehmensbezogenes Handeln mit der Folge des Abschlusses des Versicherungsvertrages in Namen der Gesellschaft nur annehmen können, wenn der Antragsteller hinreichend deutlich gemacht hat, dass die Gesellschaft verpflichtet werden soll.29 Im Allgemeinen spricht bereits die Unterschrift unter einem Firmenstempel auch ohne Vertretungszusatz dafür, dass der Unterzeichnende als Vertreter gehandelt hat.30 Wenn der Inhaber des Unternehmens falsch bezeichnet ist oder ein Irrtum über seine Identität besteht, schließt dies allein ebenfalls unternehmensbezogenes Handeln noch nicht aus.31 Ebenso liegt keine Versicherung für fremde Rechnung vor, wenn eine Partei kraft 23 Amtes (Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter, Nachlassverwalter, Zwangsverwalter) auf Grundlage ihrer gesetzlichen Ermächtigung einen Versicherungsvertrag über 24 25
26 27
Ritter/Abraham § 52 Anm. 15. LG Osnabrück 19.9.1962 VersR 1963 448, 449; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 6. Dazu etwa FG Bremen 18.4.1988 EFG 1988 601 f. BGH 13.11.1996 VersR 1997 477, 478; BGH 13.10.1994 NJW 1995 43; BGH 15.1.1990 NJW 1990 2678; BGH 28.2.1985 NJW 1986 1675.
28
29 30 31
BGH 5.3.2008 VersR 2008 634; Bruck/ Möller/Sieg 8 § 74 Anm. 24; Langheid/ Wandt/Dageförde § 43 Rn. 34. Langheid/Wandt/Dageförde § 43 Rn. 33. BGH 3.2.1975 NJW 1975 1166. Langheid/Wandt/Dageförde § 43 Rn. 33.
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§ 43
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
Gegenstände schließen, die ihrer Verwaltung unterliegen.32 Soweit Stellvertretung vorliegt, verdrängen § 2 Abs. 3 und § 20 den § 166 BGB.33 Uneingeschränkt gelten die bürgerlich-rechtlichen Regeln über Anscheins- und Duldungsvollmacht.34 Schließt der Antragsteller zwar im fremden Namen, aber ohne Vertretungsmacht den 24 Versicherungsvertrag ab, gelten die §§ 177 ff. BGB. Die Wirksamkeit des Versicherungsvertrags hängt also von der Genehmigung des Vertretenen ab. Verweigert der Vertretene diese, hat der Vertreter gemäß § 179 Abs. 1 BGB nach Wahl des VR entweder zu erfüllen oder den Schaden zu ersetzen. Wählt der VR Erfüllung, wird der Vertreter jedoch nicht Vertragspartner, weil die gesetzliche Haftung aus § 179 BGB Abs. 1 nichts an der Unwirksamkeit des Vertrages ändert. Die Vorschrift des § 179 Abs. 1 BGB gewährt dem Geschäftspartner nämlich keinen vertraglichen Anspruch gegen den vollmachtlosen Vertreter, dieser haftet ihm vielmehr nur kraft Gesetzes auf Vertragserfüllung. Da dem Vertreter das Interesse fehlt, kann der VR gem. § 80 Abs. 1 S. 2 eine angemessene Geschäftsgebühr bis zu dem Zeitpunkt verlangen, zu dem er Kenntnis von der endgültigen Unwirksamkeit des Vertrages erhält. Im Anwendungsbereich der Schlüsselgewalt aus § 1357 BGB ist ebenfalls kein Raum 25 für die Annahme einer Versicherung für fremde Rechnung. Liegen die Voraussetzungen des § 1357 BGB 35 für den Abschluss eines konkreten Versicherungsvertrags vor, verpflichtet der Ehegatte, der den Versicherungsvertrag abschließt, zugleich seinen Ehepartner mit. Beide werden VN. Welche Versicherungsverhältnisse in Ausübung der Schlüsselgewalt eingegangen oder verlängert werden können, hängt von den Lebensverhältnissen der Ehegatten ab. Hausrats- und Krankenversicherung werden regelmäßig von der Schlüsselgewalt erfasst sein.36 Mit steigendem Wohlstand können auch Lebens-, Haftpflicht-, Kraftfahr- oder Transportversicherung unter § 1357 fallen. 2. Auslegungsregel für Zweifelsfälle (Abs. 2)
26
Ergibt sich weder aus dem Versicherungsantrag noch aus den Umständen des Einzelfalls eindeutig, dass der Antragsteller den Versicherungsvertrag im fremden Namen schließen wollte, legt § 43 Abs. 2 fest, dass „im Zweifel“ die Versicherung für fremde Rechnung genommen wird. Dabei handelt es sich – entgegen dem Wortlaut der Bestimmung um eine widerlegbare Auslegungsregel, nicht um eine Rechtsvermutung nach § 292 ZPO.37 § 43 Abs. 2 hat zwei Voraussetzungen:38 (1) Es muss feststehen, dass der Antragsteller ein fremdes Interesse versichern wollte. Das ist nur dann der Fall, wenn eine ausdrückliche vertragliche Regelung dies festlegt, oder wenn aufgrund der Umstände die Vermutung des § 43 Abs. 3 widerlegt ist. (2) Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls darf die Auslegung des Versicherungsvertrags zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt haben, ob der Antragsteller in eigenem oder in fremdem Namen gehandelt hat. 32 33
34
35
Bruck/Möller/Sieg 8 § 74 Anm. 21; Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 40. Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 40; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 4; Lenné 108. Für eine Duldungsvollmacht mit versicherungsrechtlichem Hintergrund siehe BGH 27.9.1956 BB 1956 978. Dazu MünchKomm-BGB/Roth § 1357 Rn. 13 ff.
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36 37
38
Bruck/Möller/Sieg 8 § 74 Anm. 27. BGH 7.1.1965 VersR 1965 274; BGH 11.12.1996 VersR 1997 477, 478; ÖOGH 11.12.1986 VersR 1988 502; Langheid/Wandt/Dageförde § 43 Rn. 32. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 5.
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Begriffsbestimmung
§ 43
Bedeutung hat die Auslegungsregel des § 43 Abs. 2 z.B. bei Bruchteilsgemeinschaften 27 (Gütergemeinschaft, Erbengemeinschaft). Wird hier Versicherung für einen Gegenstand genommen, welcher der Gemeinschaft gehört, kann der Antragsteller entweder als Vertreter der übrigen handeln oder im eigenen Namen für deren Rechnung Versicherung nehmen, soweit es sich nicht um seinen eigenen Anteil handelt. Nach § 43 Abs. 2 liegt im Zweifel Versicherung für fremde Rechnung vor.39 Weichen Versicherungsantrag und Versicherungsschein hinsichtlich der Stellung des 28 Antragstellers als Versichertem oder VN voneinander ab, ist § 5 anzuwenden.40 Werden zwei Personen im Versicherungsvertrag als VN bezeichnet, kann die Auslegung ergeben, dass nur eine von ihnen VN und die andere Versicherte i.S.d. § 43 ist.41 Für das Innenverhältnis zwischen VN und Versichertem gilt § 43 Abs. 2 entgegen 29 einer im Schrifttum vertretenen Ansicht 42 nicht. Das liegt daran, dass die Norm eine Schutzvorschrift zugunsten des VR ist. Dem entsprechend gilt sie nur im Rahmen derjenigen Beziehungen, an denen der VR beteiligt ist. Der Versicherte hat nicht die Wahl, ob er den Schutz des § 43 Abs. 2 annehmen oder sich auf den Boden des § 164 Abs. 1 BGB stellen will.
III. Vertragsschluss für einen anderen 1. Versicherung eines fremden Interesses Für einen anderen ist die Versicherung geschlossen, wenn nicht (nur) das Interesse des 30 VN versichert ist. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse des VN am Abschluss der Versicherung schließt das Vorliegen einer Versicherung für fremde Rechnung nicht aus.43 Die Parteien des Versicherungsvertrages müssen sich aber einig sein, dass (auch) ein Vermögensnachteil eines Dritten – Eigenschaden/Fremdschaden in Form der Belastung mit einer Verbindlichkeit – ausgeglichen werden soll. Wer Träger des versicherten Interesses ist, muss nicht ausdrücklich im Versicherungs- 31 vertrag bezeichnet sein. Es genügt, wenn sich aus den Umständen eindeutig ergibt, wer Träger sein soll. In der Praxis ist oft bereits in den AVB festgelegt, wer versichert ist. Maßgeblich für die Bestimmung der Umstände ist die objektive Rechtslage.44 Für das Vorliegen einer Versicherung für fremde Rechnung ist es entsprechend gleichgültig, ob dem VR bekannt ist, dass ein Dritter Träger des versicherten Interesses ist, ob der VR den VN als Eigentümer ansieht, oder ob sich der VN bei Vertragsschluss für den Eigentümer hält oder sich als solcher bezeichnet.45 Wessen und welches Interesse im Einzelnen versichert ist, muss vielmehr durch Auslegung des Versicherungsvertrages einschließlich der wirksam einbezogenen AVB und der sonstigen Umstände ermittelt werden. Von besonderer Bedeutung im Rahmen dieser Auslegung sind ausdrückliche Regelungen der Parteien im Vertrag sowie gesetzliche Auslegungs- oder Vermutungsregeln. Liegen hin-
39 40
41 42 43
RG 13.5.1938 RGZ 157 313, 319; Lenné 53. OLG Köln 30.7.1979 VersR 1979 1094; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 8. FG Bremen 18.4.1988 EFG 1988 601 f. Kisch PVR III 390; wie hier Bruck/Möller/ Sieg 8 § 43 Anm. 17. BVerwG 11.11.1986 VersR 1987 273;
44
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Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 13. BGH 18.10.2000 VersR 2001 53; BGH 6.7.1988 VersR 1988 949; OLG Hamm 2.10.1992 RuS 1993 247; Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 45. BGH 18.10.2000 VersR 2001 53.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
reichend konkrete Anhaltspunkte vor, kommt auch eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht.46 Unter den möglichen Auslegungskriterien ist zunächst darauf abzustellen, welche 32 Interessen überhaupt durch die fragliche Versicherung abgedeckt werden können (vgl. etwa für die Sachversicherung unten Rn. 35 ff.). Ist eine Sache versichert, kommt es des Weiteren maßgeblich auf die Eigentumsverhältnisse an der Sache an (unten Rn. 37, 42). 2. Wegfall und Nichtbestehen des Interesses
33
Interessewegfall nach § 80 sowie eine Überversicherung nach § 74 sind aus der Person des Versicherten heraus zu beurteilen.47 An einem versicherten Interesse fehlt es in der reinen Fremdversicherung, wenn der Versicherte den Erwerb der Rechte nach § 333 zurückweist. 3. Besonderheiten einzelner Versicherungszweige
34
a) Haftpflichtversicherung. Die Haftpflichtversicherung kann Versicherung für fremde Rechnung sein, wenn der VN das Bedürfnis hat, neben sich selbst weitere Personen, zu denen er in Verbindung steht, mitzuversichern oder wenn eine Betriebshaftpflichtversicherung vorliegt, welche nach der dispositiven Vorschrift des § 102 auch die persönlichen Haftpflichtrisiken der gesetzlichen Vertreter und der zur Leitung oder Beaufsichtigung angestellten Personen abdeckt. I.d.R. sind die versicherten Personen im Versicherungsvertrag zwar nicht namentlich bezeichnet, jedoch durch persönliche Merkmale individualisiert. In der Betriebshaftpflichtversicherung (Ziff. 7.1.2 GDV-Muster-Tarifstruktur für die Allgemeine Haftpflichtversicherung 2007 Allgemeiner Teil 2008) und in der Umweltschadensversicherung (Ziff. 1.2 USV) sind es die Betriebsangehörigen, in der Privathaftpflichtversicherung sind es u.a. der Ehegatte und die in häuslicher Gemeinschaft lebenden unverheirateten Kinder des VN (Ziff. 1 GDV-Muster-Tarifstruktur für die Allgemeine Haftpflichtversicherung 2007 Privathaftpflicht). In der Berufshaftpflichtversicherung sind die beim VN angestellten Berufsträger (§ 1 Abs. 3 AVB-Vermögen) versicherte Personen. Bei diesen Versicherungstypen ist sowohl das Fremdschaden-/ Haftpflichtinteresse des VN als auch das der versicherten Personen versichert (sog. kombinierte Eigen- und Fremdversicherung). Um eine reine Fremdversicherung zugunsten der Organmitglieder und leitenden Angestellten des VN handelt es sich bei der D&O-Versicherung (Ziff. 1 AVB-AVG 2007). b) Sachversicherung
35
aa) Grundlagen. In der Sachversicherung sind drei verschiedene Interessen voneinander zu unterscheiden: das Sacherhaltungsinteresse, das Sachnutzungs- und das Sachersatzinteresse.48 Unter dem Sacherhaltungsinteresse versteht man das Interesse, den Substanzwert der Sache im Vermögen zu haben.49 Ist eine Sache zerstört, deckt sich das Sacherhaltungsinteresse mit dem Wiederherstellungsinteresse. Primär ist Träger des Sacherhaltungsinteresses der sachenrechtliche Eigentümer der Sache. Ausnahmen gelten
46 47
BGH 8.11.2000 BGHZ 145 393 = VersR 2001 94, 96. BGH 22.9.1958 BGHZ 28 137, 141; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 15.
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48 49
Nießen 21; Prölss RuS 1997 221, 222. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 11.
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Begriffsbestimmung
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in der Transport- und in der Betriebsunterbrechungsversicherung, § 3 Abs. 5 VGB 88/94. Ausnahmsweise kann auch ein Nichteigentümer ein versicherbares Sacherhaltungsinteresse haben (dazu sogleich Rn. 37). Das Sachnutzungsinteresse ist das Interesse des Sachnutzers, die Sache zeitweilig gebrauchen zu können. Bei diesem Interesse handelt es sich um ein grundsätzlich versicherbares Interesse, das häufig auch das Motiv für den Abschluss des Versicherungsvertrags darstellt. In den gängigen AVB ist das Sachnutzungsinteresse ebenso wie ein etwaiges Rückzahlungsinteresse des Kreditgebers oder das Interesse des Pfandgläubigers, die Sache als Gegenstand seines Pfandrechts zu erhalten, nicht mitversichert. Das Sachersatzinteresse bezeichnet das Interesse einer Person, dem sachenrechtlichen Eigentümer der Sache nicht für deren Beschädigung, Zerstörung oder Verlust zum Ersatz verpflichtet zu sein und so einen Haftungsschaden zu erleiden.50 Die Individualisierung des Interesses erfolgt anhand dieser Typologie der Interessen 36 und derjenigen Personen, die nach der Vereinbarung im jeweiligen Versicherungsvertrag Träger des Interesses sind. So ist z.B. in der Feuerversicherung (Abschnitt A § 3 Ziff. 5 AFB 2008) bestimmt, dass die Versicherung für Rechnung des VN und des Eigentümers genommen gilt, soweit der VN die versicherten Sachen unter Eigentumsvorbehalt erworben oder mit Kaufoption geleast, sie zur Sicherheit übereignet, als Mieter auf seine Kosten angeschafft und in das Gebäude eingefügt hat oder ihm zur Bearbeitung, Benutzung, Verwahrung oder zum Verkauf in Obhut gegeben wurden. Grundsätzlich geben die ausdrücklichen Regelungen der Parteien im Versicherungsvertrag darüber Aufschluss, wessen Interesse konkret versichert ist. Fehlt es an einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung, ist bei der Ermittlung der versicherten Interessen zu unterscheiden zwischen den Fällen, in denen der VN eine eigene Sache versichert, und Fällen, in denen ein Nichteigentümer Versicherung nimmt. bb) Versicherung eigener Sachen (1) Sacherhaltungsinteresse. Gehört die versicherte Sache dem VN, ist regelmäßig 37 dessen Eigeninteresse an der Erhaltung der Sache versichert.51 Ausnahmsweise ist auch das Sacherhaltungsinteresse Dritter versicherbar. Das ist dann der Fall, wenn diese als „wirtschaftliche Eigentümer“ anzusehen sind. Die Rechtsprechung hat dies angenommen für Sicherungsgeber einer Sache, die zur Sicherheit übereignet wird, sofern der Sicherungsnehmer nicht nach §§ 95 ff. in den Vertrag eintritt,52 Käufer eines Grundstücks für die Zeit nach Gefahrübergang bis zur Eintragung ins Grundbuch,53 Eigentumsvorbehalts-54 und Versendungskäufer,55 Mieter, die ein dingliches Wegnahmerecht aus § 539 Abs. 2 BGB an einer Sache haben, die im Eigentum des Vermieters steht,56 Leasingnehmer, wenn sie die Gefahr des Untergangs, des Verlusts und der Beschädigung der betreffenden Sache tragen, wie dies nach den gängigen AVB üblich ist, wenn die Parteien
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BGH 27.10.1993 VersR 1994 85, 86. BGH 5.3.2008 BGHZ 175 374, 377 = VersR 2008 634; BGH 27.10.1993 VersR 1994 85; Nießen 21. BGH 28.10.1953 BGHZ 10 376, 378; BGH 27.9.2006 NJW 2007 290, 291; OLG Köln 21.5.1996 SP 1996 287 f.; Langheid/Wandt/ Dageförde § 43 Rn. 16. BGH 18.10.2000 VersR 2001 53; LG Düsseldorf 3.9.1992 RuS 1995 425; siehe auch
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Martin SVR J II Rn. 24; Brünjes VersR 1995 1416, 1418; a.M. Bruck/Möller/Sieg/Johannsen 8 Bd. III Anm. C 27; Sieg VersR 1995 125, 126. Berliner Kommentar/Dörner § 69 Rn. 30 ff.; Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 47; Brünjes 87 ff. Brünjes 75 ff.; Nießen 22. Zum Normvorgänger § 547a Abs. 1 BGB a.F. BGH 12.6.1991 NJW 1991 3031.
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eine Kaufoption vereinbart haben,57 sowie Fälle, in denen die fragliche Sache dem VN vom Eigentümer zur Bearbeitung, Benutzung, Verwahrung oder zum Verkauf in Obhut gegeben wurde.58 Früher hatte der BGH 59 Zweifel angemeldet, ob ein Sacherhaltungsinteresse – und nicht bloß ein Sachersatzinteresse – dieses Personenkreises tatsächlich versicherbar ist, da er sah, dass dadurch entgegen der Typologie des Gesetzes aus der Sach- eine Haftpflichtversicherung zugunsten des Nichteigentümers wird, dessen Haftung gegenüber dem Eigentümer wegen Sachbeschädigung und -zerstörung mitversichert ist. Diese Bedenken hat der BGH mittlerweile fallen gelassen, da er anerkennt, dass der VN, der eine ihm gehörende Sache versichert, ein schützenswertes Interesse an der Mitversicherung des wirtschaftlichen Eigentümers hat, da anderenfalls seine Vertragsbeziehungen zu diesem gestört würden.60 Ob das Interesse von Nichteigentümern dieser Art im Einzelfall tatsächlich mitversichert ist, muss im Wege der Auslegung des Versicherungsvertrags ermittelt werden.61 Mangels Versicherbarkeit nicht versichert ist das Interesse des Mieters eines Hausgrundstücks an der Erhaltung der Substanz des Hauses oder das Interesse des Frachtführers am Erhalt des Transportguts. In beiden Fällen ist das Erhaltungsinteresse, das die betreffenden Nichteigentümer haben, ein nur mittelbares.62 Das Sacherhaltungsinteresse ist regelmäßig in Höhe des vollen Sachwertes versicher38 bar.63 In Fällen, wo ein Nichteigentümer die fragliche Sache in Obhut genommen hat, bestimmt sich die Höhe des Versicherungswertes nach dem Interesse des Eigentümers.64 Beim sachenrechtlichen Eigentümer kann das versicherbare Interesse ausnahmsweise auch fehlen, nämlich dann, wenn bei der Sicherungsübereignung die gesicherte Schuld bereits vollständig getilgt ist, das Sicherungseigentum aber nach der Sicherungsabrede nicht automatisch an den Sicherungsgeber zurückfällt.65 Ebenso wird ein Vermieter an Einrichtungsgegenständen, die einem Wegnahmerecht des Mieters nach § 539 Abs. 2 BGB unterliegen, regelmäßig kein Sacherhaltungsinteresse haben.66 Ob im Übrigen tatsächlich sowohl das Sacherhaltungsinteresse des Eigentümers als auch dasjenige des Dritten versichert ist, ist wiederum eine Frage der Auslegung des konkreten Versicherungsvertrags.67
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(2) Sachersatzinteresse. Die Auslegung des Vertrages kann auch ergeben, dass über das Sacherhaltungsinteresse hinaus das Sachersatzinteresse des berechtigten Fremdbesitzers (z.B. eines zur Obhut Verpflichteten oder eines obligatorisch oder dinglich zur Nutzung Berechtigten) mitversichert ist.68 Das ergibt sich daraus, dass es den Parteien in
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Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 38; Fischer-Czermak ZVerkR 1997 38; zu den Grenzen BGH 25.3.1998 BB 1998 1126. Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 47. BGH 23.1.1991 VersR 1991 462; BGH 18.12.1991 VersR 1992 311; kritisch Prölss RuS 1997 221, 222. Zustimmend Langheid/Wandt/Dageförde § 43 Rn. 11; Prölss RuS 1997 221, 224. BGH 12.6.1991 RuS 1991 346 f.; Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 49. BGH 20.1.1988 NJW-RR 1988 727, 728.
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Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 39. Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 47. A.M. Sieg VersR 1995 125, 126 Fn. 16. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 39; Prölss VersR 1994 1404 f.; a.M. E. Lorenz VersR 1994 1104, 1105. BGH 12.6.1991 NJW 1991 3031. BGHZ 175 374, 377 = VersR 2008 634; BGH 8.11.2000 BGHZ 145, 393 = VersR 2001 94, 95; BGH 28.3.2001 VersR 2001 713, 715.
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Begriffsbestimmung
§ 43
Ausübung ihrer Privatautonomie freisteht, zu bestimmen, wessen und welches Interesse mitversichert sein soll. Ist das Sachersatzinteresse eines Dritten mitversichert, kann der VR bei ihm keinen Regress nehmen.69 An diesem Punkt ist indes abzugrenzen. So kann die Auslegung auch ergeben, dass nur ein Regressverzicht des VR zugunsten eines berechtigten Fremdbesitzers vereinbart ist. Früher hat die Rechtsprechung auch Überlegungen angestrengt, ob nicht ein Haftungsausschluss zwischen dem VR und dem Dritten vereinbart ist. Diese Überlegungen hat sie mittlerweile aber abgebrochen.70 Maßgeblich kommt es auf den im Vertrag zum Ausdruck gebrachten, ggf. durch Auslegung ergänzten71 Willen der Parteien an. Eine stillschweigende Mitversicherung des Sachersatzinteresses wird man entgegen den bisher im Schrifttum vertretenen Ansichten weder pauschal annehmen72 noch pauschal ablehnen73 können. Auszugehen ist von der Rechtsregel des § 86. Dieser liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass ein Dritter regelmäßig vom VR in Anspruch genommen werden kann und selbst für Versicherung sorgen muss.74 Wollen die Parteien von diesem Leitbild abweichen, müssen sie dies zum Ausdruck bringen. Regelmäßig wird man verlangen können, dass dies ausdrücklich geschieht, damit der VR keinen ungebührlichen Nachteil in Form des Verlustes der Regressmöglichkeit erleidet. Anders ist aber zu entscheiden, wo von vornherein für beide Vertragsparteien klar ist, dass der versicherte Gegenstand von einer dritten Person genutzt werden wird, etwa weil es sich um eine typischerweise zur Vermietung oder Verpachtung bestimmte Sache handelt. Hier wird sich im Wege der Auslegung auch eine stillschweigende Mitversicherung annehmen lassen.75 Ist mit der Benutzung durch einen Dritten keine Gefahrerhöhung verbunden, gilt diese Regel auch für den Fall der Mitbenutzung der versicherten Sache durch einen Dritten.76 Beispiele: Bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft hat der BGH eine Mitversiche- 40 rung des Sachersatzinteresses der einzelnen Miteigentümer am Gemeinschaftseigentum und dem Sondereigentum der anderen Mitglieder der Gemeinschaft in einer Gebäudeversicherung angenommen, die durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft abgeschlossen wird.77 Dies begründet der Gerichtshof damit, dass dort eine besondere Verbundenheit der Wohnungseigentümer untereinander bestehe und daher auch ein Sachersatzinteresse einzelner Wohnungseigentümer in Bezug auf Schäden am Gemeinschaftseigentum und am Sondereigentum der anderen Wohnungseigentümer gegeben sei. Anders liegt der Fall aber, wenn ein Wohnungseigentümer nicht nur seinen Bruchteil, sondern die gesamte Sache versichert hat. Dann liegt ein Fall der kombinierten Eigenund Fremdversicherung vor, bei dem die übrigen Bruchteilseigentümer Versicherte sind.78
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Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 33. Vgl. dazu noch BGH 8.11.2000 BGHZ 145 393 = VersR 2001 94, 96 mit Anm. E. Lorenz und Wolter. BGH 13.9.2006 VersR 2006 1530; Langheid/Wandt/Dageförde § 43 Rn. 9. Prölss/Martin/Prölss § 80 Rn. 2 ff. und 13 ff.; Martin SVR J II Rn. 1 ff.; Armbrüster 78 ff.; Honsell VersR 1985 301. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 34; Krause 280 ff.; E. Lorenz VersR 1992 399.
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BGH 30.4.1959 BGHZ 30 40, 44; BGH 7.12.1961 VersR 1962 129. In diesem Sinne wohl ÖOGH 26.5.1993 VersR 1993 1303, 1304; Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 54. ÖOGH 26.5.1993 VersR 1993 1303, 1304. BGH 28.3.2001 VersR 2001 713. BGH 8.2.1965 VersR 1965 425, 427; OLG Saarbrücken 9.7.1997 VersR 1998 883; OLG Düsseldorf 24.10.1995 NJW-RR 1996 1174, 1175; OLG Karlsruhe 4.7.1996 VersR 1997 104.
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Die Einbeziehung des Sachersatzinteresses zu Gunsten des Mieters – als dem nutzungsberechtigten Nichteigentümer – im Rahmen einer Gebäudeversicherung lehnt der BGH in seiner jüngeren Rechtsprechung ab.79 Zwar bedürfe der Mieter des Schutzes davor, bei einem nur leicht fahrlässig verursachten Brand des Gebäudes vom VR in Anspruch genommen zu werden. Um diesen Schutz zu erreichen, brauche der Mieter aber nicht als Mitversicherter in den Versicherungsvertrag einbezogen zu werden mit der Folge, dass ihm – entgegen möglichen Interessen des Vermieters – eigene Ansprüche gegen den VR zustünden. Der BGH hat stattdessen einen über die ergänzende Vertragsauslegung des Gebäudeversicherungsvertrages gewonnenen Regressverzicht des VR für die Fälle angenommen, in denen der Mieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat (siehe auch oben Rn. 19).80 Schließt eine Kapitalgesellschaft oder ein Verein eine Versicherung ab, ist ebenfalls 41 durch Auslegung des Versicherungsvertrags zu ermitteln, ob das Sachersatzinteresse der Organe und Gesellschafter bzw. Vereinsmitglieder mitversichert ist. Bejaht hat der BGH den Einschluss des Sachersatzinteresses von Gesellschaftern und Geschäftsführern in der Kfz-Kaskoversicherung, soweit den betreffenden Personen gesellschaftsintern die Nutzung der betreffenden Kfz gestattet ist.81 Das gleiche gilt für Personengesellschaften (OHG, KG, GbR, Partnerschaftsgesellschaft), da ihnen wie juristischen Personen als verselbständigter Gesamthand das versicherte Sacherhaltungsinteresse zugewiesen ist. Der BGH rechtfertigt die Mitversicherung entsprechend mit der Überlegung, dass bei Personengesellschaften die Nutzung des versicherten Kfz und die Ausübung des unmittelbaren Besitzes daran der VN als körperschaftlich strukturierte und damit als solche nicht handlungsfähige Gesellschaft überhaupt nur durch natürliche Personen möglich sei.82 Für eine Mitversicherung in der Kfz-Kaskoversicherung spreche die innergesellschaftliche Interessenlage: Der Gesellschaft sei, für den VR erkennbar, daran gelegen, nicht in haftungsrechtliche Auseinandersetzungen mit ihren eigenen Gesellschaftern und Organen verwickelt zu werden, auf die sie zur Ausübung der unmittelbaren Sachherrschaft angewiesen ist, wenn die diesen anvertrauten Sachen beschädigt oder zerstört werden. Gesellschafter und Geschäftsführer könnten andererseits aufgrund ihres Innenverhältnisses zur Gesellschaft, der sie den Besitz an dem Kfz vermitteln, die berechtigte Erwartung hegen, dass ihnen der Schutz der abgeschlossenen Kaskoversicherung zugute komme, um nicht im Falle einer Beschädigung der Sache Regressansprüchen ausgesetzt zu sein. Ein bloßer Regressverzicht des VR genüge nicht, da das Interesse des VN auch und gerade darauf gerichtet sei, den Gesellschaftern und Geschäftsführern, die Einwirkungsmöglichkeiten auf die Sache haben, einen eigenen Anspruch gegen den VR zu verschaffen. Dem könne der VR angesichts des Umstandes, dass sich für ihn das versicherte und bei Begründung der vertraglichen Beziehungen erkennbare Risiko nicht erhöhe, gleichrangige eigene Interessen, die gegen eine Einbeziehung des Sachersatzinteresses sprächen, nicht entgegensetzen.
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cc) Versicherung fremder Sachen. Werden fremde Sachen versichert, ist der Versicherungsvertrag regelmäßig dahingehend auszulegen, dass diejenigen Interessen versichert sein sollen, die nach der objektiven Rechtslage als Gegenstand der Versicherung in
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BGH 8.11.2000 BGHZ 145 393, 398 = VersR 2001 94. Näher – auch zur Rechtslage bei grober Fahrlässigkeit des Mieters – Looschelders/ Pohlmann/Brand Vor § 142 Rn. 6.
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BGH 5.3.2008 BGHZ 175 374, 381 ff. = VersR 2008 634. BGH 5.3.2008 BGHZ 175 374, 382 f. = VersR 2008 634.
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Begriffsbestimmung
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Betracht kommen.83 Im Zweifel ist demnach das Sacherhaltungsinteresse des jeweiligen Eigentümers versichert, da die Sachversicherung im Wesentlichen der Erhaltung des Sachwerts eines bestimmten Gegenstands in einem bestimmten Vermögen dient.84 Die Vermutung des § 43 Abs. 3 wäre demnach widerlegt: Es besteht zugunsten des Eigentümers Versicherung für fremde Rechnung. Ob dem VR bei Vertragsschluss bekannt war, dass der Gegenstand der Versicherung nicht im Eigentum des VN stand,85 oder ob er sich im Irrtum darüber befand, wer Eigentümer des betreffenden Gegenstandes ist,86 ist insoweit unerheblich. Das ist in der Sachversicherung der Fall, weil die Versicherungsleistung sich ausschließlich am Sachwert des Gegenstandes ausrichtet (vgl. z.B. Ziff. A 2.1 AKB 2008), so dass es auf die persönlichen Verhältnisse des Interesseträgers nicht ankommt. Dem VR kann es daher gleichgültig sein, ob das versicherte Interesse im Einzelfall dem VN oder dem Versicherten zusteht. Ist der VN als Besitzer gegenüber dem Eigentümer der Sache zur Obhut verpflichtet 43 (z.B. als Werkstattinhaber, Spediteur, Lagerhalter, Frachtführer oder Handwerker), ist ebenfalls das Sacherhaltungsinteresse des Eigentümers versichert. Hier besteht aber kein Zweifel, die Interessenlage ist vielmehr eindeutig.87 Die obigen Ausführungen zu den Zweifelsfällen gelten entsprechend. Neben dem Sacherhaltungsinteresse des Eigentümers kann auch das Sachersatzinteresse des Besitzers mitversichert sein, so dass ein Regress nach § 86 Abs. 1 S. 1 ausgeschlossen ist. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist im Einzelfall durch Auslegung des Versicherungsvertrags zu ermitteln.88 Ergibt die Auslegung, dass Mitversicherung gewollt ist, bestehen insoweit keine Bedenken hinsichtlich einer etwaigen Benachteiligung des VR. Da sich die zu erbringende Versicherungsleistung nach dem Wert der versicherten Sache bestimmt, erhöht sich für ihn das versicherte Risiko nicht. Etwas anderes gilt für den Fall, dass der VN nach dem Gesetz zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichtet ist (§ 7a GüKG), deren maßgeblicher Inhalt die Abdeckung des Sachersatzinteresses ist.89 Dann besteht keine Veranlassung für den Sachversicherer, das Sachersatzinteresse (zusätzlich) mitzuversichern. Ist der VN als Besitzer gegenüber dem Eigentümer zur Nutzung der Sache, z.B. als 44 Leasingnehmer oder Mieter, berechtigt und/oder trägt er die Gefahr für die Sache, etwa als Eigentumsvorbehaltskäufer oder derjenige, der die versicherte Sache zur Sicherheit übereignet hat (sog. wirtschaftlicher Eigentümer), hat er regelmäßig ein eigenes Sacherhaltungsinteresse, das mitversichert ist. Solange der VN entweder den geschuldeten Schadensersatz oder – bei Eigentumsvorbehalts- oder Sicherungsgut – den Kaufpreis oder das Darlehen noch nicht voll (zurück-)gezahlt hat, ist daneben auch das Sacherhaltungsinteresse des Sicherungsnehmers und Eigentumsvorbehaltsverkäufers (und zwar in Höhe ihrer Rest- [Darlehens- oder Kaufpreis-]forderung) versichert.90 Es liegt eine kombinierte Eigen-/Fremdversicherung vor. Soweit die Sachsubstanzentschädigung die Restschuld übersteigt, steht sie dem Besitzer als wirtschaftlichem Eigentümer zu.91 Gleicht er den Schaden des mitversicherten (rechtlichen) Eigentümers aus (bevor dieser den VR in Anspruch genommen hat), steht ihm ein eigener Zahlungsanspruch gegen den VR zu. 83 84
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BGH 18.10.2000 VersR 2001 53, 54. BGH 19.4.1988 NJW 1988 2803; BGH 18.10.2000 VersR 2001 53, 54; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 55. BGH 19.4.1988 NJW 1988 2803, 2804. ÖOGH 23.11.1994 VersR 1995 1339, 1340. Ebenso Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 55. ÖOGH 23.11.1994 VersR 1995 1339, 1340;
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Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 60. BGH 7.5.2003 VersR 2003 1171; Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 55; Prölss/ Martin/Prölss § 80 Rn. 14. Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 56. Martin SVR J IV 5; Looschelders/Pohlmann/ Koch § 43 Rn. 56.
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E. Vertragsschluss als solcher I. Grundlagen 45
Ob und mit welchem Inhalt bei der Versicherung für fremde Rechnung ein Versicherungsvertrag zustande gekommen ist, ergibt sich allein aus der Vereinbarung zwischen VR und VN. Einer besonderen Form bedarf diese nicht. Der Vertragsschluss im eigenen Namen hat zur Folge, dass der VN Vertragspartei wird. Für die Wirksamkeit des Vertrages kommt es auf seine Einigung mit dem VR, auf seine Verständnismöglichkeiten, auf seine Geschäftsfähigkeit, auf seinen Irrtum, auf seine Arglist und auf seine Kenntnis von Gefahrumständen an, die für den Entschluss des VR, den Vertrag abzuschließen, erheblich sind. Hinsichtlich der Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag ist zu unterscheiden. Die Pflichten treffen allein den VN. Er schuldet insbesondere Zahlung der Prämie (§ 1 S. 2). 46 Hinsichtlich der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ist eine differenzierte Betrachtung geboten. Nach § 44 Abs. 1 S. 1 stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag allein der versicherten Person zu (dazu § 44 Rn. 4 ff.). Hierzu zählen alle Forderungsrechte, die mit der Entschädigung zusammenhängen, nicht jedoch die den Vertrag als Ganzes betreffenden Gestaltungsrechte (dazu § 44 Rn. 7 f.). Diese verbleiben bei dem VN. Dieser hat zudem das Recht, vom VR die Aushändigung der Police zu verlangen, § 44 Abs. 1 S. 2. 47 Tatsachen, die den Bestand des Versicherungsvertrags berühren oder Willensmängel betreffen, sind grundsätzlich aus der Person des VN zu beurteilen, da nur dieser Vertragspartei ist.92 Es sind für den Bestand des Versicherungsvertrags dem Grunde nach aber nicht nur Willensmängel des Versicherten unbeachtlich: Der Versicherungsvertrag ist unabhängig davon wirksam, ob der Versicherte zugestimmt oder auch nur Kenntnis vom Abschluss des Vertrages hatte.93 Überhaupt kommt es nicht darauf an, ob der Vertragsschluss seinem Willen entspricht – dies ist nur für das Innenverhältnis von VN und Versichertem von Belang. Daher muss der Versicherte auch nicht geschäftsfähig sein.94 Gesetzliche und vertragliche Obliegenheiten nach Maßgabe des § 47 treffen ihn unabhängig von seiner Geschäftsfähigkeit.95 Auf diese kommt es nur insoweit an, als er seine Rechte nach Maßgabe der §§ 44, 45 geltend machen will. 48 Für die Auslegung der AVB kommt es bei der Versicherung für fremde Rechnung sowohl auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen VN als auch auf diejenigen des durchschnittlichen Versicherten an.96
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ÖOGH 14.5.1982 VersR 1982 687, 688; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 18; Corrodi 108 f. ÖOGH 19.4.1979 VersR 1980 936; Anli 28; Nießen 10. J. Huber 56 f.; Schneider ZVersWiss 1905 230, 251.
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Zu versicherungsrechtlichen Obliegenheiten und Minderjährigen im Allgemeinen Müller 203 ff. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 19.
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II. Anfechtung 1. Irrtumsanfechtung a) Anfechtung durch den VN. Wollte der Antragsteller als Vertreter für den Träger des Interesses handeln, führt die Auslegungsregel des § 43 Abs. 2 aber dazu, dass eine Versicherung für fremde Rechnung anzunehmen ist, so kann der Antragssteller wegen Erklärungsinhaltsirrtums nach § 119 Abs. 1 BGB anfechten. Die Anfechtung ist nicht durch § 164 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, denn im Unterschied zu dieser Bestimmung sagt § 43 Abs. 2 nicht, dass der Willensmangel unbeachtlich sei. Will der VN anfechten, nachdem der Versicherungsfall bereits eingetreten ist, so bedarf die Anfechtung der Zustimmung des Versicherten, wenn der VN diesem gegenüber zur Verschaffung des Versicherungsschutzes verpflichtet ist (vgl. Vor §§ 43–48 Rn. 35). Dieser Fall ist vergleichbar mit dem der Anfechtung des Versicherungsvertrages durch den ursprünglichen VN nach Veräußerung der versicherten Sache. Der VN schuldet dem VR Ersatz des Vertrauensschadens nach § 122 BGB. Der umgekehrte Fall, dass der Antragsteller Versicherung für fremde Rechnung nehmen wollte, aber der Vertrag ergibt, dass er als Vertreter gehandelt hat, ist angesichts der erschwerten Voraussetzungen für die Bejahung des wirksamen Vertreterhandelns kaum vorstellbar.97 Der VN kann ferner anfechten, wenn das Interesse, das er decken wollte, gar nicht dem im Versicherungsschein genannten Versicherten zusteht.98 In diesem Fall bedarf es der Anfechtung allerdings gar nicht, da ein anfänglicher Interessemangel vorliegt. Wird dennoch die Anfechtung erklärt, richten sich die Rechtsfolgen nicht nach § 122 BGB, sondern nach § 80 Abs. 1. Nach der vorrangigen Auslegungsregel des § 43 Abs. 3 ist eine Anfechtung wegen Irrtums ausgeschlossen, wenn Versicherung für fremde Rechnung gewollt, aber Eigenversicherung erklärt ist. Dann liegt eine wirksame Eigenversicherung vor. Gehörte die versicherte Sache nicht dem Versicherten, sondern dem VN selbst, wird die Versicherung für fremde Rechnung häufig in eine Eigenversicherung umzudeuten sein.99 Wenn das Innenverhältnis zwischen VN und Versichertem nichtig oder anfechtbar ist, der VN aber dennoch Versicherung für fremde Rechnung genommen hat, liegt lediglich ein unbeachtlicher Motivirrtum vor, der nicht zur Anfechtung berechtigt.100
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b) Anfechtung durch den VR. Auch der VR kann nach § 119 Abs. 1 BGB anfechten, 54 wenn er den Vertrag nicht als Versicherung für fremde Rechnung, sondern als Versicherungsvertrag mit dem Interesseträger, vertreten durch den Antragsteller, eingehen wollte, etwa weil ihm ersterer für die Prämienzahlung sicherer erscheint oder weil er es bei der Vertragsdurchführung nur mit einer Person zu tun haben möchte. Ebenso kann der VR anfechten, wenn er im Irrtum bezüglich der Person des bezeichneten Versicherten ist, weil dieser in Wirklichkeit nicht Interesseträger ist.101 Auch hier ergeben sich die Rechtsfolgen aus § 80 Abs. 1. Nicht anfechten nach § 119 Abs. 1 BGB kann der VR mit der Begründung, er habe sich über Gefahrumstände geirrt, wenn VN und Versicherter nicht nach §§ 19 ff. verpflichtet waren, diese anzuzeigen, etwa weil sie erst nach dem maßgeblichen
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Bruck/Möller/Sieg 8 § 43 Anm. 28. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 20; Kisch PVR III 412 f.; Anli 32 und 57. Bruck/Möller/Sieg 8 § 43 Anm. 28; Schwin-
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towski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 20; a.M. Kisch PVR III 416. Kisch PVR III 403. Bruck/Möller/Sieg 8 § 43 Anm. 29.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
Zeitpunkt102 bekannt geworden sind. §§ 19 ff. weisen derartige Gefahrumstände der Risikosphäre des VR zu. Anfechtungsgegner ist auf jeden Fall der VN, nicht der Versicherte.103 Ficht der VR an, steht dem VN ein Schadensersatzanspruch nach § 122 BGB zu. Dem Versicherten gegenüber ist der VR nicht nach § 122 BGB ersatzpflichtig, denn nur ein wirksamer atypischer Vertrag zugunsten Dritter schafft ein rechtliches Band zwischen diesem und dem VR;104 für eine Analogie zu § 122 BGB 105 fehlt es daher an der Vergleichbarkeit der Lebenssachverhalte. Die Interessen des Versicherten lassen sich im Wege der Drittschadensliquidation wahren.
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c) Rechtsfolgen. Ist wirksam wegen Irrtums angefochten, verliert der Versicherte rückwirkend die Deckung. Auf seine Kenntnis vom Irrtum kommt es nicht an.106 Das ist Ausprägung der Folgepflicht des Versicherten (dazu Rn. 61). 2. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung
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Hat der VN den VR arglistig getäuscht, kann dieser ihm gegenüber anfechten. Die Anfechtung wirkt dann auch gegenüber dem Versicherten, §§ 123 Abs. 1, 334 BGB. Ob der Versicherte dabei von der Täuschung gewusst hat oder von ihr hätte wissen müssen, ist gleichgültig. § 123 Abs. 2 S. 2 BGB ist nicht einschlägig. Diese Vorschrift knüpft an § 123 Abs. 2 S. 1 BGB an, geht also von einer Täuschung durch einen Dritten, nicht von der Täuschung durch eine Vertragspartei aus. Die Täuschungsanfechtung des VR wirkt sich auch zu Lasten der Gefahrsperson aus. Diese hat zwar im Unterschied zum Versicherten keinen Anspruch, dessen sie verlustig gehen könnte, aber sie kann doch mittelbar Nachteile aus dem Vertragswegfall haben.107 Hat der VR arglistig getäuscht, so ist der VN ihm gegenüber anfechtungsberechtigt, 57 muss aber hierbei evtl. auf den Versicherten Rücksicht nehmen. Nicht zu folgen ist der Meinung, die Willensmängel beurteilten sich stets allein nach 58 den Vertragsparteien.108 Täuscht der Versicherte arglistig, ist nicht § 123 Abs. 2 S. 1 BGB anzuwenden. Der Versicherte ist nämlich kein Dritter im Sinne dieser Vorschrift, weil er auf Grund des Vertrages zugunsten Dritter begünstigte Partei ist. Dass der VR in diesem Falle anfechten kann, und zwar gegenüber dem Versicherten,109 ergibt sich aus § 123 Abs. 2 S. 2 BGB: Wenn dem Versicherten schon Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von der Täuschung durch Außenstehende schadet, muss erst recht eine eigene Täuschung gegen ihn gelten. Ob der VN gutgläubig war, ist gleichgültig.110 Hat ein Außenstehender getäuscht, ist § 123 Abs. 2 S. 2 BGB unmittelbar anwendbar. Der Vertrag ist dem Versicherten gegenüber anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Auf die Gutgläubigkeit des VN kommt es wiederum nicht an.111
102 103 104 105 106 107 108
Dazu Brand VersR 2009 715, 718. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 20. Bruck/Möller/Sieg 8 § 43 Anm. 29; Kisch PVR III 403 f. Dafür Anli 30. Bruck/Möller/Sieg 8 § 43 Anm. 29. Bruck/Möller/Sieg 8 § 43 Anm. 30. Ruscher 36 Fn. 1.
170
109
110
111
Bruck/Möller/Sieg 8 § 43 Anm. 31; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 22; Kisch PVR III 424 Fn. 2; Corrodi 108; Lenné 116. Schwintoski/Brömmelmeyer/Hübsch § 43 Rn. 22; Kisch PVR III 404; Anli 29; Bruck PVR 603. Bruck/Möller/Sieg 8 § 43 Anm. 31; Anli 29.
Oliver Brand
Begriffsbestimmung
§ 43
3. Schadensersatz Nach §§ 823 Abs. 2, 826 BGB kann die arglistige Täuschung des VN eine Pflicht zum 59 Schadensersatz nach sich ziehen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob angefochten worden ist oder nicht. Anspruchsberechtigt kann dabei nicht nur der VR sein, sondern auch der Versicherte. Er geht auf das negative Interesse (§ 249 BGB), das hier nicht durch das positive begrenzt ist wie in § 122 Abs. 1 BGB. Das negative erreicht das positive Interesse, wenn z.B. der Versicherte ohne den mangelbehafteten Vertrag eine anderweitige Versicherung genommen hätte, die ihm nunmehr, da ein Schadensfall vorliegt, Deckung geboten haben würde. Der Berechtigte kann auch nach Ablauf der Frist des § 124 BGB den aus der unerlaubten Handlung fließenden Schadensersatzanspruch nach Maßgabe des § 852 BGB geltend machen. Die Schadensersatzverpflichtung des VN gegenüber dem VR ist begrenzt durch § 39, der halbzwingend ist, § 42. In der Lebensversicherung können die AVB nicht wirksam vorsehen, dass bei Täuschungsanfechtung auch die Prämienreserve dem VR verfallen sei: §§ 176, 178 II a.F. 4. Einrede der Anfechtbarkeit Ist wirksam angefochten worden, gewinnt der VR hieraus, wenn er trotzdem auf 60 Leistung in Anspruch genommen wird, eine Einwendung nach § 334 BGB. Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht 112 genügt hingegen die bloße Anfechtbarkeit des Versicherungsvertrags nicht, um dem VR ein Leistungsverweigerungsrecht zu geben. Die Anfechtbarkeit ist in §§ 770, 1137 BGB, 129 Abs. 2 HGB nur deshalb der Angefochtenheit gleichgestellt, weil der Verpflichtete nicht selbst ein Anfechtungsrecht hat. Das ist hier anders. Der VR, der sich geirrt hat oder der getäuscht worden ist, kann selbst anfechten. Umgekehrt hat der auf Leistung der Prämie in Anspruch genommene VN aus dem gleichen Grunde keine Einwendungen, ehe er angefochten hat.
F. Beendigung eines Versicherungsvertrags für fremde Rechnung I. Erlöschen Gestaltungserklärungen, die den Vertrag betreffen, etwa eine Kündigung oder ein 61 Rücktritt, sind vom und gegenüber dem VN abzugeben (vgl. auch § 44 Rn. 8). Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund (fristlos oder fristgemäß) gekündigt oder zurückgetreten (z.B. Nichtanzeige gefahrerheblicher Umstände, Nichtzahlung der Erstprämie) wird. Auf eine Zustimmung des Versicherten kommt es nicht an. Ihn trifft eine „Folgepflicht“ der Gestalt, dass er selbst dann an das Verhalten des VN gebunden ist, wenn diesen eine gesetzliche Pflicht trifft, Versicherung für fremde Rechung zugunsten des Versicherten zu nehmen.113 Das liegt daran, dass der Versicherte selbst nicht Partei des Vertrages ist. Der Versicherungsvertrag erlischt auch bei Interessewegfall. Deckt der Vertrag eigenes 62 Interesse des VN und fremdes Interesse, so genügt es für das Erlöschen des Versicherungsvertrages grundsätzlich, dass Interessefortfall beim VN vorliegt, denn bei kombi-
112
Kisch PVR III 424; wie hier Bruck/Möller/ Sieg 8 § 43 Anm. 33.
113
Bruck/Möller/Sieg 8 § 43 Anm. 34; Kisch PVR III 428.
Oliver Brand
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§ 43
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
nierter Eigen- und Fremdversicherung folgt aus dem Akzessorietätsgrundsatz, dass das fremde Interesse nicht ohne das eigene gedeckt sein kann. Dem Interessefortfall steht die Ablehnung des Vertrags durch den Versicherten gleich, vgl. § 45 Abs. 3. Bezieht sich die Versicherung für fremde Rechnung auf einen Inbegriff von Sachen (z.B. Hausrat, Arbeitsgerät, untergestellte Fahrzeuge, lagernde Ware), wie häufig bei Kundenversicherungen, so bleibt der Vertrag bei Entfernung einer Sache aus dem Inbegriff bestehen, der Versicherungsschutz erlischt nur bezüglich dieser herausgenommenen Sache. In diesem Falle liegt (partieller) Gefahrenwegfall vor, der dem Interessewegfall gleichzustellen ist.114
II. Umwandlung in eine Eigenversicherung 63
Die Versicherung für fremde Rechnung wird zur Eigenversicherung, wenn der VN den Versicherten oder umgekehrt der Versicherte den VN beerbt (§ 1922 BGB). Das gilt aber nur vorbehaltlich der Fälle, in denen der Nachlass ein Sondervermögen bildet (Hauptbeispiel: § 1976 BGB). Der Erbfolge ist die Verschmelzung juristischer Personen, von denen die eine VN, die andere Versicherter ist, gleichzustellen.115 Die Versicherung für fremde Rechnung wandelt sich auch dann in eine Eigenversiche64 rung um, wenn der Versicherte die versicherte Sache oder den versicherten Miteigentumsanteil an den VN veräußert, so dass letzterer gleichzeitig zum Versicherten wird. Die Veräußerung des Versicherten an einen Außenstehenden bewirkt hingegen Übergang des Versicherungsverhältnisses auf diesen, ebenso wenn der VN dessen Sache veräußert und der Erwerber Eigentümer wird (kraft § 185 BGB oder § 932 BGB).116 Übernimmt hingegen der Versicherte im Einverständnis mit dem VR die Schuldnerstellung des VN i.S.d. §§ 414, 415 BGB, geht wiederum die Versicherung für fremde Rechnung in Eigenversicherung auf, nur dass hier der Versicherte zum VN wird.
III. Insolvenz des VN 65
Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des VN eröffnet, kann sich der VR nach § 11 ausbedingen, das Versicherungsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zu kündigen. Diese Bestimmung steht im Zusammenhang mit der Prämienzahlungspflicht des VN. Sie ist dementsprechend nicht auf die Insolvenz des Versicherten anzuwenden. Letztere lässt den Versicherungsvertrag unberührt. Inwieweit die Insolvenz des VN das Recht auf die Entschädigungsforderung berührt, vgl. § 45 Rn. 27. Im Übrigen ergeben sich nur wenige Besonderheiten gegenüber der gewöhnlichen Eigenversicherung.
G. Vermutung für Eigenversicherung (Abs. 3) I. Grundlagen 66
Versicherung für fremde Rechnung muss ebenso wie Versicherung für Rechnung wen es angeht nicht ausdrücklich als solche genommen werden. Es muss sich aber zumindest aus den Umständen eindeutig ergeben, dass die Parteien einen entsprechenden Willen 114 115
Bruck/Möller/Sieg 8 § 43 Anm. 35. Fuchs 140 und 147.
172
116
Teilweise a.M. Anli 67 f., 108–112.
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Begriffsbestimmung
§ 43
haben, da eine Qualifikation des Versicherungsvertrags als Versicherung für fremde Rechnung eigene Ansprüche eines vertragsfremden Dritten begründet (§ 44) und diesem eigene Obliegenheiten auferlegt (§ 47).117 Aus den Umständen wird sich ein Parteiwille auf Abschluss einer Versicherung für fremde Rechnung dort ergeben, wo anzunehmen ist, dass ein verständiger VN ein erkennbares Interesse am Schutz eines Dritten hat und keine Gegeninteressen des VR bestehen.118 Weiterhin kommt es entscheidend darauf an, wer nach objektiver Auslegung des Versicherungsvertrages unter Berücksichtigung der wirksam einbezogenen AVB Träger des versicherten Interesses ist. Nur wenn dies eine Person ist, die nicht mit dem VN identisch ist, kommt Versicherung für fremde Rechnung in Betracht. Das ist etwa der Fall, wenn ein Lagerhalter eine Versicherung über das Lagergut abschließt.119 Ergibt sich aus den Umständen hingegen, dass unbestimmt bleiben soll, ob die Ver- 67 sicherung für den VN oder einen Dritten geschlossen werden soll, so besteht eine Versicherung für Rechnung wen es angeht i.S.d. § 48. Auf diesen eigenen Typus eines Versicherungsvertrags finden die Vorschriften des §§ 43–47 in dem Umfang Anwendung, in dem die Versicherung dem Schutz des fremden Interesses dient (s. § 48 Rn. 29 ff.). Ergeben die Umstände kein eindeutiges Bild, wird nach § 43 Abs. 3 vermutet, dass 68 eine reine Eigenversicherung genommen ist. Die Vorschrift überträgt den Rechtsgedanken des § 164 Abs. 3 BGB in das Versicherungsvertragsrecht: Tritt der Wille, fremdes Interesse zu versichern, nicht eindeutig hervor, so kommt der Mangel des Willens, eigenes Interesse zu versichern, nicht in Betracht.120 Die Vermutungsregel, die § 43 Abs. 3 aufstellt, ist allerdings schwach.121 Sie greift erst dann ein, wenn das Auslegungsergebnis Zweifel offen lässt und ist leicht zu widerlegen. Führt die Auslegung zu einem eindeutigen Ergebnis, das auch lauten kann, dass eine reine Eigen- oder eine kombinierte Eigenund Fremdversicherung vorliegt, ist kein Raum für die Anwendung des § 44 Abs. 3. § 43 Abs. 3 muss entgegen einer früher im Schrifttum vertretenen Ansicht 122 schon 69 deswegen widerlegbar sein, weil es dem Wortlaut nach auf die „Umstände“ des Einzelfalls ankommt.123 Anders als in den Fällen des § 43 Abs. 2 ist in Fällen des § 43 Abs. 3 aber eine Irrtumsanfechtung ausgeschlossen. Der VN kann den Versicherungsvertrag nicht mit der Begründung anfechten, er habe ein fremdes Interesse versichern wollen, wenn eine Auslegung des Vertrags ergibt, dass ein eigenes Interesse versichert ist.124 Das folgt aus dem Wortlaut („gilt“).
II. Sonderregeln Eine Ausnahme zu § 43 Abs. 3 ist in § 179 Abs. 1 S. 2 für die Unfallversicherung 70 geregelt. Hier gilt umgekehrt die Versicherung im Zweifel als für einen anderen genommen, wenn Unfälle, die diesem anderen zustoßen, versichert werden. Soll die Unfallver-
117 118 119 120 121
Prölss/Martin/Prölss § 80 Rn. 1; Nießen 15. BGH 5.7.1995 VersR 1995 951; Langheid/ Wandt/Dageförde § 43 Rn. 39. Corrodi 86; Lenné 94. So schon Lenné 95. BGH 18.9.1991 VersR 1991 1404; BGH 16.3.1994 VersR 1994 1103, 1104; ÖOGH
122 123 124
23.11.1994 VersR 1995 1339, 1340; Prölss/Martin § 80 Rn. 1a. Lenné 94. Bruck/Möller/Sieg 8 § 80 Anm. 3; Ritter/ Abraham § 52 ADS Anm. 55. Kisch PVR III 408; Ehrenzweig 213; Anli S. 34; a.M.: Ritter/Abraham § 52 Anm. 14; Bruck PVR 606.
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§ 43
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
sicherung abweichend von § 179 Abs. 1 S. 2 für eigene Rechnung des VN genommen werden, so ist zur Wirksamkeit des Vertrages die schriftliche Einwilligung der versicherten Person erforderlich. Eine Einwilligung in Textform genügt auch nach der Neukodifikation des VVG von 2008 nicht. Liegt keine Einwilligung vor, so ist die Versicherung Fremdversicherung zugunsten der Gefahrsperson.
H. Beweislast 71
Die meisten Fragen nach der Beweislast im Zusammenhang mit § 43 betreffen die Abgrenzung der Versicherung für fremde Rechung zur Stellvertretung. Hier gelten dieselben Regeln, die auch im Übrigen für Vertretungsverhältnisse gelten: Den Antragsteller trifft die Beweislast, dass er als Vertreter gehandelt hat, wenn ihn der VR auf Zahlung der Prämie in Anspruch nimmt.125 Verlangt der VR vom Träger des Interesses Zahlung, muss der VR beweisen, dass der Antragsteller den Interesseträger wirksam vertreten hat. Ebenso muss der VR die Vertretereigenschaft des Antragstellers beweisen, wenn er dessen Einziehungsrecht nach § 45 Abs. 2 bestreitet.126 Verlangt der Interesseträger vom VR Leistung der Entschädigung, hat er zu beweisen, dass der VN entweder für ihn als Vertreter gehandelt oder zwar im eigenen Namen gehandelt hat, aber sein Interesse mitversichert ist. Im letzteren Fall muss der versicherte Dritte ferner die Zustimmung des VN beweisen oder den Versicherungsschein beibringen, da ihm anderenfalls das Einziehungsrecht nach § 45 Abs. 2 fehlt.127
I. Auslandsrechte/PEICL 72
Regelungen wie § 43 Abs. 1, der eine Begriffsbestimmung der Versicherung für fremde Rechung enthält und die Zulässigkeit dieses Rechtsinstituts klarstellt, sind international durchaus verbreitet. Sie finden sich etwa in Art. 22 belg. VVG; Art. 9 griech. VVG; Art. 16 schw. VVG. Auslegungsregeln und Vermutungen, wie sie § 43 Abs. 2, 3 vorsehen, treten im ausländischen Recht deutlich seltener auf. Die Rechtsprechung kommt dort aber regelmäßig zu ähnlichen Auslegungsergebnissen, wie sie in Deutschland geschriebenes Recht sind. Die PEICL verfahren ähnlich. Auch hier findet sich in Art. 11-101 Abs. 1 PEICL 73 ein Hinweis auf die Zulässigkeit einer Versicherung für fremde Rechnung. Eine weitere Konkretisierung in Form von Auslegungsregeln oder Vermutungen findet nicht statt.
125 126
Bruck/Möller/Sieg 8 § 74 Anm. 22; Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 59. Bruck/Möller/Sieg 8 § 74 Anm. 22.
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127
Ritter/Abraham § 52 Anm. 15; Kisch PVR III 390.
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§ 44
Rechte des Versicherten
§ 44 Rechte des Versicherten (1) Bei der Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zu. Die Übermittlung des Versicherungsscheins kann jedoch nur der Versicherungsnehmer verlangen. (2) Der Versicherte kann ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nur dann über seine Rechte verfügen und diese Rechte gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist.
Schrifttum (vgl. auch Schrifttum Vor §§ 43–48) Bohn Die Zwangsvollstreckung in die Rechte des Versicherungsnehmers (VN) aus dem Versicherungsvertrag und der Konkurs des Versicherungsnehmers, Festschrift Schiedermair (1976) 33; Drews Die Zustimmung des Versicherten in der Lebensversicherung VersR 1987 634; Francke Der Sicherungsschein und seine rechtliche und praktische Bedeutung FLF 2004 80; Grassl-Palten Sacherwerb und Versicherungsschutz (1996); Hellwig Die Verträge auf Leistung an Dritte (1899); Koch Rechtsstellung in der D&O-Versicherung GmbHR 2004 18, 160, 288; Koenig Die Anspruchsberechtigung in der Versicherung für fremde Rechnung, Festschrift E. Prölss (1967) 221; Lange Prozessführungsbefugnis der Versicherungsnehmerin einer D&O-Versicherung, VersR 2007 893; Langheid Nach der Reform: Neue Entwicklungen in der Haftpflichtversicherung VersR 2009 1043; Langheid/Grote Deckungsfragen der D&O-Versicherung VersR 2005 1165; Nothoff Rechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Directors’ & Officers’-Versicherung – Effektiver Schutz von Vorständen und Aufsichtsräten gegen Haftpflichtrisiken NJW 2003 1350; Riedel Sicherungsschein und Sicherungsbestätigung in der Versicherungswirtschaft (2004); Säcker Streitfragen zur D&O-Versicherung VersR 2005 10; Schimmer Die D&O-Versicherung und §§ 105, 108 Abs. 2 VVG 2008 – kann die Versicherungsnehmerin „geschädigte“ Dritte sein? VersR 2008 875; Schirmer Die Rechtsstellung mitversicherter Personen in der Haftpflichtversicherung, Festschrift Sieg (1976) 451; Schnepp Sachversicherung bei Mobilienleasing (1989); Sieg Rechtsverhältnisse bei erteiltem Sicherungsschein in der Kfz-Versicherung VersR 1953 219; ders. Die feststellenden Schiedsgutachter im Privatversicherungsrecht VersR 1965 629; Tron Der Kraftfahrzeug-Sicherungsschein (1967); v. Westphalen D&O-Versicherung und Direktanspruch der Gesellschaft gegenüber der Versicherung DB 2005 431.
Übersicht Rn. A. B. C. I.
II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
Normgeschichte . . . . . . . . . . . . . Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . Versicherter als Rechtsinhaber (Abs. 1) . . Rechte aus dem Versicherungsvertrag . . 1. Recht auf Gefahrtragung/Versicherungsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zinsen und Verzugsschaden . . . . . . Akzessorietät der Rechtsstellung des Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechte und Pflichten des VN . . . . . . . Aushändigung des Versicherungsscheins (Abs. 1 S. 2) . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung/Insolvenz . . . . . Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . Veräußerung der versicherten Sache . . .
1 2 4 4 4 5 6 7 9 10 12 13 14
Rn. D. Verfügungsbefugnis des Versicherten (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . II. Zustimmung des VN . . . . . . . . . III. Besitz des Versicherungsscheins . . . IV. Rechtsmissbräuchliches Verhalten des VR . . . . . . . . . . . . . . . . V. Sonderregeln . . . . . . . . . . . . . E. Ausstellung eines Sicherungsscheins . F. Rechtsfolgen bei Leistung an den Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . G. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . H. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . I. Auslandsrechte/PEICL . . . . . . . .
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. . . .
. . . .
16 16 19 21
. . 24 . . 28 . . 30 . . . .
. . . .
33 35 36 39
175
§ 44
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
A. Normgeschichte 1
§ 44 stimmt weitgehend mit § 75 a.F. überein. Zwei Änderungen sind allerdings zu beachten. Abs. 1 S. 2 stellt nicht mehr auf die Aushändigung des Versicherungsscheins ab, sondern auf dessen Übermittlung. Dabei handelt es sich um eine redaktionelle Änderung, die der Neufassung des § 3 Abs. 1 Rechnung trägt.1 In Abs. 2 ist ein zweites einschränkendes „nur“ vor „gerichtlich geltend machen“ weggefallen. Diese Änderung ist stilistischer Natur und hat keine inhaltliche Bedeutung.
B. Normzweck 2
§ 44 regelt die Rechtsstellung des Versicherten in der Versicherung für fremde Rechnung. § 44 Abs. 1 beinhaltet in S. 1 den für die Versicherung für fremde Rechnung begriffswesentlichen Grundsatz, dass die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten kraft Gesetzes zustehen, ohne dass es seiner Mitwirkung (etwa eines Beitritts oder der Abgabe einer Annahmeerklärung) bedarf.2 Einer Auslegung des Umfangs der Berechtigung, wie diese nach § 328 Abs. 2 BGB erforderlich ist, um den bürgerlich-rechtlichen Vertrag zugunsten Dritter vom unechten Vertrag zugunsten Dritter abzugrenzen,3 bedarf es nicht. Das VVG legt sich im Gegensatz zum BGB auf den Versicherten als Inhaber der Rechte aus dem Versicherungsvertrag fest, um dem Abschluss von Wettversicherungen vorzubeugen.4 Die Aushändigung des Versicherungsscheins kann nach Abs. 1 S. 2 aber nur der VN verlangen. Dieser Vorbehalt beruht darauf, dass der Versicherungsschein die Rechte des VN im Innenverhältnis zum Versicherten absichern soll und damit unbedingt in dessen Hände gelangen muss.5 Nur so behält er die vom deutschen Recht gewollte Kontrolle darüber, wer im Einzelfall verfügungsbefugt ist, er oder der Versicherte (dazu sogleich). § 44 Abs. 2 ist in unmittelbarem Zusammenhang mit § 45 Abs. 1 zu sehen und zu verstehen. Dieser weist die Verfügungsbefugnis über die Rechte des Versicherten abweichend von § 328 Abs. 1 BGB grundsätzlich dem VN zu, damit dieser in den durchaus zahlreichen Fällen, in denen ihm Ansprüche gegen den Versicherten (etwa auf Ausgleich der Prämie) zustehen, ein Druckmittel in der Hand hat, um die Erfüllung der Ansprüche durch den Versicherten zu erzwingen (vgl. § 45 Rn. 2). § 44 Abs. 2 stellt die bürgerlichrechtliche Rechtslage in zwei Fällen wieder her, weist also die Verfügungsbefugnis dem Versicherten zu. Das ist zum einen dann der Fall, wenn dieser sich im Besitz des Versicherungsscheins befindet, zum anderen dann, wenn er mit Zustimmung des VN handelt. § 44 Abs. 2 ist also auch ein Norm, die den VN schützt.6 Sie ermöglicht es ihm, als Prämienschuldner durch Zustimmung oder Weitergabe/Nichtweitergabe des Versicherungsscheins die Geltendmachung von Ansprüchen zu steuern. Der Zustimmung und dem Besitz des Versicherungsscheins steht die missbräuchliche Berufung des VR auf eine mangelnde Verfügungsbefugnis gleich (unten Rn. 24 ff.). Die Rückausnahme des § 44 Abs. 2 soll eigentlich verhindern, dass VN und Versicherter gleichzeitig verfügungsbefugt sind
1 2
3
Begr. RegE BTDrucks. 16/3945 73. BGH 25.1.1963 BGHZ 40, 297, 301; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 2; Trautmann 14. Dazu MünchKomm-BGB/Gottwald § 328 Rn. 32–35.
176
4 5 6
Ehrenberg 190; J. Huber 55; Nießen 45. Ehrenzweig 215. Langheid/Wandt/Dageförde § 44 Rn. 5.
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Rechte des Versicherten
§ 44
und den VR nebeneinander in Anspruch nehmen. Dieser Aufgabe wird sie aber nur sehr eingeschränkt gerecht, da sie einerseits auch die Zustimmung des VN für den Übergang der Verfügungsbefugnis auf den Versicherten genügen lässt und es andererseits tatsächliche Umstände sowie vertragliche und gesetzliche Regelungen gibt, die konkurrierende und damit auch widersprüchliche Verfügungen von VN und Versichertem ermöglichen (vgl. auch § 45 Rn. 9). Der Gesamtregelungszusammenhang der Aufspaltung von Rechtsinhaberschaft und 3 Verfügungsmacht bei der Versicherung für fremde Rechnung in §§ 44, 45 verfolgt zwei verschiedene Zwecke. Einerseits dient die Aufspaltung dem Schutz geschäftlicher Forderungen des VN gegen den Versicherten, die durch ein gesetzliches Pfandrecht an den versicherten Sachen (§§ 647 BGB, 397, 410, 421, 623 HGB) gesichert sind. Könnte der Versicherte die Versicherungsleistung bei Untergang der Sachen selbst einziehen, so wäre die Position des VN, der sich ansonsten aus dem Gegenstand des Vertrages mit dem Versicherten hätte befriedigen können, gefährdet. Andererseits soll der VR davor bewahrt werden, sich im Versicherungsfall mit einer Vielzahl von Dritten auseinandersetzen zu müssen, die behaupten, ein Recht aus der Versicherung herleiten zu können.7
C. Versicherter als Rechtsinhaber (Abs. 1) I. Rechte aus dem Versicherungsvertrag 1. Recht auf Gefahrtragung/Versicherungsleistung Der Versicherte erwirbt nach § 44 Abs. 1 die Rechte aus dem Versicherungsvertrag 4 mit Vertragsabschluss oder, wenn formeller und materieller Versicherungsbeginn auseinander fallen, zum Zeitpunkt des materiellen Versicherungsbeginns unmittelbar kraft Gesetzes, nicht etwa im Wege des Durchgangserwerbs durch Abtretung des VN.8 Zu den Rechten, die dem Versicherten nach § 44 Abs. 1 zustehen, zählen alle, aber auch nur die Rechte, die mit der Gefahrtragung oder (nach Eintritt des Versicherungsfalls) mit der Entschädigung zusammenhängen.9 Das ist zunächst, aber nicht ausschließlich der Anspruch auf die Versicherungsleistung. In der Sachversicherung ist dies die Zahlung der Entschädigung, in der Unfallversicherung die Zahlung der vereinbarten Versicherungssumme, in der Haftpflichtversicherung die Gewähr von Rechtsschutz und die Befreiung von Haftpflichtverbindlichkeiten sowie in der Rechtsschutzversicherung die Gewähr von Rechtsschutz. Die früher im Schrifttum vertretene Auffassung, § 44 Abs. 1 erfasse nur Ansprüche auf Geldleistung,10 ist zu eng. Abgesehen davon, dass der Versicherungsfall ausnahmsweise auch Naturalersatzansprüche umfassen kann, soll der Versicherte nach dem Willen der Vertragsparteien auch schon die Vorteile der Gefahrtragung haben. Dass auch andere als Geldansprüche von § 44 Abs. 1 erfasst sind, folgt überdies schon daraus, dass die Vorschrift als eine solche des allgemeinen Teils auch für Versicherungszweige gilt, bei denen die Versicherungsleistung nicht zwingend in einer Geldleistung besteht (z.B. Haft-
7 8
ÖOGH 13.7.1994 VersR 1995 1123. RG 14.11.1930 RGZ 130 237, 242; Langheid/Wandt/Dageförde § 44 Rn. 2; Corrodi 131; Schirmer FS Sieg 451, 475; a.M. Krause 24.
9
10
ÖOGH 22.9.1983 VersR 1984 1196; HK-VVG/Muschner § 44 Rn. 2; Kisch PVR III 470; Ruscher 90. So noch Prölss/Martin 20 § 75 Anm. 2 zu § 75 Abs. 1 a.F.
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§ 44
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
pflichtversicherung). Dass weiterhin auch andere Ansprüche als solche auf die Versicherungsleistung von § 44 Abs. 1 erfasst sind, zeigt der Vergleich mit anderen Rechtsordnungen und den PEICL, welche den Umfang der Rechte, die dem Versicherten zugewiesen sind, häufig – anders als das deutsche Recht – ausdrücklich auf die Versicherungsleistung (in der Schadensversicherung) beschränken (dazu unten Rn. 39). Entsprechend kann der Versicherte nach § 44 Abs. 1 den Ersatz von Rettungskosten i.S.d. § 83 Abs. 1, erweiterten Aufwendungsersatz i.S.v. § 90 oder Kosten für die Schadensermittlung nach § 85 verlangen, sofern er diese Kosten getragen hat – und nicht der VN.11 Hat wegen des Schadens ein Sachverständigenverfahren stattgefunden (§ 84 für die Schadensversicherung allgemein, § 189 für die Unfallversicherung) und ist der Versicherte wegen der von ihm im Rahmen dieses Verfahrens verauslagten Kosten erstattungsberechtigt (so etwa, wenn das Ergebnis des Sachverständigenverfahrens nicht den Standpunkt des VR bestätigt hat 12), fällt auch diese Forderung unter § 44 Abs. 1. Welche Kosten an der Erstattung teilnehmen, ist eine andere Frage. So verneint die Rechtsprechung die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten im Schiedsgutachterverfahren.13 2. Zinsen und Verzugsschaden
5
Als Annex zur Hauptforderung stehen dem Versicherten auch Ansprüche auf Ersatz von Verzugsschäden (§ 286 BGB) einschließlich der nach § 14 Abs. 3 unabdingbaren Verzugszinsen (§ 288 BGB) sowie Prozesszinsen nach § 291 BGB zu. Ebenso kann er Verzinsung nach § 91 verlangen. Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen der Versicherte Zinsen bereits ab Fälligkeit (§ 353 HGB) und in Höhe von 5 % (§ 352 Abs. 1 S. 1 HGB) verlangen kann. Beide Bestimmungen fordern ein beiderseitiges Handelsgeschäft. Beim VR liegt, sofern er nicht kleiner VVaG oder öffentlich-rechtliches Unternehmen ist, diese Voraussetzung stets vor. Auf der anderen Seite muss der Versicherungsvertrag für den VN nicht zwingend Handelsgeschäft sein.14 Maßgeblich ist vielmehr, ob der versicherte Gegenstand zu einem Handelsgewerbe gehört, dass der Versicherte betreibt: Verzugszinsen sind pauschalierter Mindestschaden desjenigen, dem die Leistung zusteht. Das ist bei der Versicherung für fremde Rechnung der Versicherte. Ist der VR gleichzeitig aus mehreren Vorschriften zur Zinszahlung verpflichtet, muss er ausschließlich den höchsten Zinssatz zahlen; eine Kumulation der einzelnen Zinspflichten findet nicht statt.15
II. Akzessorietät der Rechtsstellung des Versicherten 6
Die Rechte des Versicherten sind aufgrund der Rechtsnatur der Versicherung für fremde Rechnung untrennbar mit dem Schicksal des Versicherungsvertrags, aus dem sie sich ergeben, verbunden. Sie entstehen nicht, wenn der Versicherungsvertrag unwirksam ist und gehen unter, wenn der Versicherungsvertrag durch Ausübung eines Gestaltungsrechts aufgehoben wird. Der VR kann dem Versicherten gegenüber auch Einwendungen aus dem Versicherungsvertrag (z.B. wenn er durch eine Pflicht- oder Obliegenheitsverletzung des VN von der Leistung frei wird) geltend machen. Das ergibt sich unmittelbar aus
11 12 13
Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 5. Sieg VersR 1965 629, 633. LG Regensburg 19.5.1971 VersR 1972 338; kritisch Sieg VersR 1965 629, 633.
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14 15
A.M. Ehrenberg 78. OLG Hamburg 23.2.1989 NJW-RR 1989 680; Römer/Langheid/Langheid § 94 Rn. 3; Nießen 53.
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Rechte des Versicherten
§ 44
dem Wortlaut des § 44 Abs. 1, der davon spricht, dass dem Versicherten nur die Rechte „aus dem Versicherungsvertrag“, also insoweit, als dies der Versicherungsvertrag zulässt, zustehen. Hinter § 44 Abs. 1 steht freilich die Regelung des § 334 BGB, auf die man allerdings nicht zurückgreifen muss.16 Aus § 47, der dem Versicherten ein eigenständiges Obliegenheiten- und Pflichtenprogramm auferlegt, folgt, dass der VR Ansprüchen des Versicherten auch Einwendungen aus dem Verhältnis zu diesem entgegenhalten kann.
III. Rechte und Pflichten des VN Die Rechte, die nicht also solche „aus dem Versicherungsvertrag“ erscheinen und die 7 Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verbleiben beim VN. Letzteres folgt schon daraus, dass der Versicherte nicht die Rechtsstellung einer Vertragspartei hat. Zu den Pflichten, die den VN und nicht den Versicherten treffen, zählt insb. die Pflicht, die geschuldete Prämie zu zahlen. Prämienschuldner ist allein der VN.17 Eine Ausnahme für den Fall, dass der VN insolvent geworden ist, wie sie § 812 Abs. 3 HGB früher für die Seeversicherung vorsah und wie sie etwa nach Art 18 Abs. 2 schw. VVG auch in der Binnenversicherung gebräuchlich ist, schien schon den Verfassern des VVG von 1908 als „nicht mehr zeitgemäße Abweichung von den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs“, nach denen der Dritte ja gerade keine Vertragspartei und damit kein Schuldner des VR – auch kein Ausfallschuldner – ist, so dass sie nie in das VVG übernommen wurde.18 Der VR kann allerdings den Versicherten aufgrund eines eigenständigen Vertrags verpflichten, für die Prämienschuld des VN zu bürgen oder gar deren Erfüllung i.S.d. § 414 BGB zu übernehmen. Spiegelbildlich zur Verpflichtung zur Prämienzahlung ist auch der VN und nicht etwa der Versicherte Inhaber des Anspruchs auf Prämienrückerstattung, da dieser ausschließlich dem Prämienschuldner zusteht.19 Damit der Versicherte die Folgen des Verzugs abwenden kann, gewährt § 34 ihm aber das Recht, vom VR zu verlangen, die Prämie anzunehmen (vgl. § 34 Rn. 8). Wie bei der Bezugsberechtigung ist der VR aus Treu und Glauben verpflichtet, den Versicherten darüber zu informieren, wenn der VN in Verzug mit der Prämienzahlung gerät, damit der Versicherte Maßnahmen ergreifen kann, um den Versicherungsschutz, der zu seinen Gunsten besteht, aufrecht zu erhalten. Ihre Grenze findet diese Pflicht in der Zumutbarkeit. Vergleichbares gilt auch zugunsten der Grundpfandgläubiger in der Gebäudefeuerversicherung, § 142. Im Zweifel kann für die Auslegung darauf zurückgegriffen werden.20 Bekommt der VR auf Nachfrage Name und Anschrift des Versicherten nicht mitgeteilt, so trifft ihn keine Pflicht, diese selbständig zu ermitteln. Es ist Aufgabe des VN, die Interessen des Versicherten zu wahren.21 Nach Maßgabe des § 47 treffen den Versicherten aber gesetzliche und vertragliche Obliegenheiten als eigene. Außerdem kommt es für das Vorliegen eines subjektiven Risikoausschlusses (auch) auf seine Person an (dazu § 47 Rn. 28 und 30).
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Wie hier Looschelders/Pohlmann/Koch § 43 Rn. 14; a.M. wohl Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 10. BGH 25.11.1963 BGHZ 40 297, 302; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 6. Vgl. Amtl. Begr. RTDrucks. 364/12 120; J. Huber 75 f.; Kisch PVR III 433; zur gegen-
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teiligen Wertung des schweizerischen Rechts Moser 25; vergleichend und kritisch Corrodi 113 f. Wie hier HK-VVG/Muschner § 44 Rn. 3; A.M. Anli 71; Schwan 15. Ebenso Anli 74. Langheid/Wandt/Dageförde § 44 Rn. 2.
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Zu den Rechten, die nach § 44 Abs. 1 dem VN zustehen, gehören vor allem solche, die das Vertragsganze betreffen.22 Das ergibt sich aus der Ausgestaltung der Versicherung für fremde Rechnung als atypischer Vertrag zugunsten Dritter. Da der VN, anders als der Versicherte, Vertragspartei ist, bleibt er Herr des Vertrages. Hätte das VVG etwas anderes regeln wollen, so hätte es dies ausdrücklich anordnen müssen. Unabhängig davon, ob er die Verfügungsbefugnis über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag gem. § 44 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 besitzt, kann der Versicherte demnach keine Gestaltungsrechte bezüglich des Versicherungsvertrags ausüben.23 Das Recht zur Anfechtung, zur Kündigung und zum Rücktritt verbleibt auf jeden Fall beim VN (vgl. auch § 45 Rn. 6), und zwar auch wenn der VN sie nicht ausübt. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Sicherungsschein ausgestellt ist, der die (durchaus übliche) Regelung enthält, dass der VN den Vertrag nicht ohne Zustimmung des Versicherten kündigen darf (näher zum Sicherungsschein unten Rn. 30 ff.). Auch für den Empfang von Erklärungen, die den Versicherungsvertrag als Ganzen betreffen (z.B. die Kündigung), ist ausschließlich der VN tauglicher Adressat, selbst wenn die Verfügungsbefugnis nach § 44 Abs. 2 beim Versicherten liegt.24 Das gilt entgegen einer Entscheidung des OLG München 25 schon aus Gründen der Rechtssicherheit auch in der Gruppenversicherung, da der Versicherte hier nicht zum Herrn des Vertrags aufsteigt, wie das Gericht meint; dies bleibt vielmehr die Gruppenspitze.26 Ist ein Nießbrauch bestellt, kann die Kündigung des Versicherungsvertrages nur gemeinschaftlich durch den Nießbraucher und den Eigentümer bzw. ihnen gegenüber erklärt werden, § 1077 Abs. 2 BGB. Allgemein gilt: Nur der VN und nicht der Versicherte kann sich mit dem VR über Vertragsänderungen einigen und in den Fällen der §§ 74, 78 eine Herabsetzung der Prämie verlangen. Der Versicherte kann schließlich nicht das Fortgelten eines Versicherungsvertrags zu seinen Gunsten verlangen, den der VN selbst nicht mehr fortführen will.27
IV. Aushändigung des Versicherungsscheins (Abs. 1 S. 2) 9
Da § 45 die Verfügungsbefugnis grundsätzlich dem VN zuweist, kann der Versicherte, obwohl er als Inhaber der Versicherungsforderung gem. § 952 Abs. 2 BGB Eigentümer des Versicherungsscheins ist (vgl. unten Rn. 22), keine Übermittlung (§ 44 Abs. 1 S. 2) des Versicherungsscheins verlangen – auch nicht an den VN.28 Das liegt daran, dass der Versicherungsschein die Rechte des VN im Innenverhältnis zum Versicherten absichern soll und damit unbedingt in die Hände des VN gelangen muss (siehe oben Rn. 2). Genauso verhält es sich, wenn der Versicherte nach § 44 Abs. 2 verfügungsbefugt ist. In diesem Fall müssen immer noch die Ansprüche des VN im Innenverhältnis abgesichert werden. Aus § 44 Abs. 2 lässt sich allerdings der allgemeine Rechtsgedanke ableiten, dass dem VN die Dispositionsbefugnis über den Ver-
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ÖOGH 22.9.1983 VersR 1984 1196; Kisch PVR III 471; Anli 70; Ruscher 90; a.M. die ältere Lehre z.B. Ehrenzweig 214; Lenné 124; Schwan 16. ÖOGH 11.5.1994 VersR 1995 443, 444; ÖOGH 11.12.1986 VersR 1988 502; ÖOGH 22.9.1983 VersR 1984 1196; OLG Köln 18.6.1996 VersR 1997 1265, 1266; HK-VVG/Muschner § 44 Rn. 3.
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OLG Hamburg 11.9.1979 VersR 1980 375, 376; Kisch PVR III 424; Nießen 56. OLG München 27.10.1994 VersR 1995 902. Römer/Langheid/Römer §§ 75, 76 Rn. 8; Nießen 57; Wriede VersR 1996 873. Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 4. Zu letzterem Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 5.
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sicherungsschein zusteht. Daher kann er durchaus selbst verlangen, dass der Versicherungsschein an den Versicherten übermittelt wird, oder Entsprechendes im Versicherungsvertrag vereinbaren.29 § 44 Abs. 1 S. 2 gebietet, dass auch die Ausstellung von Ersatzurkunden (§ 3 Abs. 3) nur der VN verlangen kann, da sie die gleiche Legitimationswirkung wie das Original haben. Daraus folgt weiterhin, dass die Anfertigung von Abschriften (§ 3 Abs. 4) ebenfalls nur auf Verlangen des VN erfolgen kann. Ausnahmsweise wird man allerdings dem VN das Recht zusprechen müssen, eine Abschrift der Erklärungen, die in Bezug auf den Versicherungsvertrag abgegeben worden sind, vom VR zu verlangen, wenn diese erforderlich sind, um eine Leistungs- oder Feststellungsklage gegen den VR erheben zu können.30 Es steht auch dem VN als Vertragspartner des VR und nicht dem Versicherten zu, dem Inhalt des Versicherungsscheins nach § 5 zu widersprechen und das Widerrufsrecht nach § 8 auszuüben. Unterlässt der VN es, diese Rechte geltend zu machen, und entsteht dem Versicherten dadurch ein Nachteil, kann der VN im Innenverhältnis ggf. zum Schadensersatz verpflichtet sein. Ist der VN in Besitz des Versicherungsscheins gelangt, kann der Versicherte Herausgabe des Versicherungsscheins nach Maßgabe des § 46 S. 1 nur verlangen, wenn er dazu nach dem Innverhältnis, das zwischen ihm und dem VN besteht, berechtigt ist. Der Versicherte kann vom VR zur Klarstellung seiner Ansprüche aber verlangen, dass ihm der Versicherungsschein an dem Ort, an dem er sich befindet, zugänglich gemacht wird und dass er eine Abschrift oder Kopie fertigen darf.31
V. Zwangsvollstreckung/Insolvenz Da die Rechte aus dem Versicherungsvertrag nach § 44 Abs. 1 dem Versicherten und 10 nicht dem VN zustehen, können auch nur Gläubiger des Versicherten, nicht solche des VN, diese Ansprüche nach § 829 ZPO pfänden.32 Die Pfändung erfasst die Ansprüche so, wie sie in der Person des Versicherten bestehen. Bei einigen Versicherungsarten (z.B. Unfallversicherung) sind die Pfändungsgrenzen des § 850b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO zu beachten. In der Sachversicherung sind Ansprüche des Versicherten nur der Pfändung unterworfen, wenn dies die Sache, an der das versicherte Interesse besteht, auch ist, §§ 811, 812, 851 Abs. 1 ZPO. Gegen eine Pfändung durch Gläubiger des VN kann der Versicherte Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO erheben.33 Zwar wäre eine Pfändung der Ansprüche gegen den VR nichtig, da diese dem VN nicht zustehen; allein der Rechtsschein einer wirksamen Pfändung führt aber schon zu einer Beschwer des Rechtsinhabers, die ihm ein Rechtsschutzbedürfnis verleiht. Der Versicherte benötigt zur Erhebung der Drittwiderspruchsklage weder die Zustimmung des VN noch den Besitz des Versicherungsscheins. Mit der Pfändung erlangt der Gläubiger die Rechtsstellung des Versicherten. Eine Überweisung nach § 835 ZPO ist nur zulässig, soweit der Versicherte selbst nach §§ 44 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 über seine Rechte verfügen kann,34 da dem Vollstreckungsgläu-
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Nießen 59. Trautmann 7. Wie hier Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 6; a.M. Schwintowski/Brömmelmeyer/ Hübsch § 44 Rn. 8 unter fälschlicher Berufung auf ÖOGH 22.9.1983 VersR 1984 1196.
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33 34
OLG Hamm 5.11.1986 NJW-RR 1987 217; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 11; Nießen 210 f. Anli 74; Kisch PVR III 484; Ritter/Abraham § 53 ADS Anm. 5; Trautmann 96. OLG Hamburg 5.7.1951 VersR 1951 227.
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biger als Teilrechtsnachfolger des Versicherten nicht mehr Rechte zustehen können als diesem selbst. Ist der Versicherte nicht verfügungsbefugt, kann der Vollstreckungsgläubiger erst dann die Überweisung verlangen, wenn er zuvor den Anspruch des Versicherten gegen den VN auf Einwilligung in die Auszahlung (dazu § 46 Rn. 12) erfolgreich durchgesetzt hat. Dazu muss er in jedem Fall den Anspruch des Versicherten gegen den VN pfänden und sich überweisen lassen35 und diesen ggf. auch im Wege der Klage gegen den VN verfolgen.36 Pfändung und Überweisung greifen allerdings ins Leere, wo dem Versicherten ein Anspruch auf Einwilligung des VN zur Auszahlung überhaupt nicht zusteht. Um den Anspruch auf Zustimmung zu sichern, kann der Gläubiger eine einstweilige Verfügung gegen den VN beantragen, die es ihm verbietet, über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen. Findet eine Überweisung an einen Gläubiger des Versicherten statt, ohne dass die Voraussetzungen dafür vorliegen, etwa weil die Ansprüche des Versicherten mit der regelmäßigen Verfügungsbefugnis des VN belastet sind, kann dieser gegen die Überweisung Erinnerung nach § 766 ZPO einlegen.37 Wird über das Vermögen des Versicherten ein Insolvenzverfahren eröffnet, fallen seine 11 Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in die Insolvenzmasse, § 35 InsO.38 Hat bei einer Insolvenz des VN der Insolvenzverwalter die Entschädigung zur Insolvenzmasse eingezogen, verbleibt dem Versicherten nur eine gewöhnliche Masseschuld nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO.39 Die Treuhänderstellung des VN im Innenverhältnis ändert daran nichts, da im Falle der Insolvenz des VN nicht das eigentliche Treugut, die Versicherungsforderung, betroffen ist, sondern ein Surrogat. Etwas anderes gilt aber, wenn die eingezogene Entschädigung in der Insolvenzmasse noch unterscheidbar vorhanden ist.40 Dann hat der Versicherte ein Ersatzaussonderungsrecht nach § 48 S. 2 InsO – vorausgesetzt das Innenverhältnis zwischen VN und Versichertem rechtfertigt ein solches.
VI. Rechtsnachfolge 12
Die Einzelrechtsnachfolge in das Vermögen des Versicherten aus § 44 Abs. 1 ist ohne Zustimmung des VN nicht möglich, wenn der Versicherte über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag nicht verfügungsbefugt ist. Das liegt daran, dass es sich um eine Verfügung i.S.d. § 44 Abs. 2 handelt. Selbst wenn der Versicherte verfügungsbefugt ist, scheitert eine Einzelrechtsnachfolge in der Praxis häufig an Abtretungsverboten, die in AVB enthalten sind. Eine Gesamtrechtsnachfolge ist hingegen möglich. Beim Tod des Versicherten fallen seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag in den Nachlass.41 Die Rechtsstellung des Versicherten geht entsprechend auf seine Erben über.42 Was die Gefahrtragung anbelangt, gilt dies aber nur, wenn sich beim Erben dieselbe Gefahr verwirklichen kann, wie beim Erblasser. Ist dies nicht der Fall – wie häufig in der Betriebshaftpflichtversicherung – greift § 80 Abs. 1.
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OLG Düsseldorf 29.10.1996 VersR 1997 1475. ÖOGH 18.2.1970 VersR 1971 140; ÖOGH 1.3.1960 VersR 1960 454. Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 38; Nießen 211. Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 10; Prölss/Martin/Prölss § 75 Rn. 4; Schwan 16. BGH 29.10.1952 BGHZ 7, 376 = VersR 1953
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448; OLG Celle 1.10.1953 VersR 1953 489, 490; Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 43. BGH 28.10.1953 BGHZ 10 376, 384; Trautmann 100. BGH 4.4.1973 VersR 1973 634, 635; BGH 8.2.1960 VersR 1960 339; LG Hamburg 5.8.1957 VersR 1957 677, 678. BGH 14.12.1994 VersR 1995 332, 333.
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VII. Aufrechnung Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht,43 können Gläubiger des Versicher- 13 ten durchaus mit der Entschädigungsforderung aufrechnen, wenn dem Versicherten die Verfügungsbefugnis darüber fehlt – Gegenseitigkeit der Forderungen i.S.d. § 387 BGB ist ja gegeben. Das Recht des Gläubigers zur Aufrechnung wird aber durch das Befriedigungsvorrecht des VN aus § 46 S. 2 beschränkt. Im Gegensatz dazu ist der VR trotz fehlender Gegenseitigkeit der Forderungen gem. § 35 berechtigt, dem Versicherten gegenüber mit einer offenen Prämienforderung gegen den VN aufzurechnen.44 Wäre er das nicht, müsste er aus der Rollenspaltung, welche die §§ 44, 45 bei der Versicherung für fremde Rechnung bewirken, Nachteile hinnehmen. Das widerspräche aber dem Willen des Gesetzgebers (dazu auch § 47 Rn. 3 ff.). Bei einheitlichen Verträgen über mehrere Risiken kann der VR auch mit Prämienforderungen, welche die jeweils anderen Risiken betreffen, aufrechnen.45 Einschränkungen hinsichtlich der Aufrechnungsmöglichkeit des VR können sich im Hinblick auf Forderungen, die bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls fällig geworden sind, bei der Haftpflichtversicherung aufgrund der ratio legis des § 108 Abs. 1 ergeben.46
VIII. Veräußerung der versicherten Sache Veräußert der Versicherte als Eigentümer die versicherte Sache an einen Dritten, finden 14 die §§ 95 ff. keine Anwendung.47 Vielmehr rückt der Dritte als Erwerber an die Stelle des Versicherten. Das liegt daran, dass in der Sachversicherung bei Versicherung für fremde Rechnung regelmäßig das Erhaltungsinteresse des Eigentümers versichert ist (vgl. § 43 Rn. 37 und 42). Ein Interessewegfall nach § 80 Abs. 2 liegt nur dann vor, wenn ausnahmsweise ausschließlich das Interesse des Versicherten gedeckt ist.48 Übereignet der Versicherte die ihm gehörige versicherte Sache an den VN, verwandelt sich die Fremd- in eine Eigenversicherung. Ein Anwendungsfall der §§ 95 ff. liegt ebenfalls nicht vor. Veräußert der VN als Nichteigentümer die versicherte Sache an einen Dritten, nimmt 15 dieser nach Maßgabe der §§ 95 ff. nur dann die Rechtsstellung des VN ein, wenn er Eigentümer der Sache und damit Rechtsnachfolger des Versicherten49 wird. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts. Danach wird der Dritte Eigentümer, wenn der Versicherte als ursprünglicher Eigentümer der Verfügung des VN nach § 185 BGB zustimmt oder der Dritte gem. §§ 932–934 BGB gutgläubig Eigentum erwirbt. Erlangt der Dritte auf einem dieser beiden Wege die Stellung eines Eigentümers, wandelt sich die Fremdversicherung zugunsten des Versicherten als ursprünglichem Eigentümer wiederum in eine Eigenversicherung zugunsten des Dritten als neuem Eigentümer und VN um.
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Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 14. Ritter/Abraham § 53 ADS Anm. 2. Langheid/Wandt/Dageförde § 44 Rn. 11. Dazu Langheid/Wandt/Staudinger § 35 Rn. 7. OLG Hamm 10.04.1996 NZV 1996 412; Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 14;
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Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 14; a.M. ohne nähere Begründing Kisch PVR III 552. Ebenso Schwintowski/Brömmelmeyer/ Hübsch § 44 Rn. 14. Das übersieht Kisch PVR III 553.
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D. Verfügungsbefugnis des Versicherten (Abs. 2) I. Grundlagen 16
Obwohl ihm die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zustehen, kann der Versicherte über sie nicht ohne weiteres selbst verfügen oder sie gerichtlich geltend machen, § 44 Abs. 2. In dieser Vorschrift ist keine gesetzliches Veräußerungsverbot nach § 135 BGB zu sehen, sondern eine Verfügungsbeschränkung, die auf dem Versicherungsvertrag beruht.50 Verfügungen des VN sind daher grundsätzlich unwirksam. Eine Leistungsklage, die der Versicherte gegen den VR erhebt, ist unzulässig, da die Prozessführungsbefugnis nach § 45 ebenfalls grundsätzlich dem VN zugewiesen ist.51 Der Leistungsklage stehen das Erwirken eines Mahnbescheids, der Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen den VR etc. gleich (vgl. auch § 45 Rn. 10). Etwas anderes gilt in drei Ausnahmefällen. Neben den Fällen des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des VR erlangt der Versicherte die Verfügungsbefugnis über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag, wenn entweder eine Zustimmung des VN vorliegt oder wenn er, der Versicherte, sich im Besitz des Versicherungsscheins befindet. Ist der Versicherte nach § 44 Abs. 2 ausnahmsweise verfügungsbefugt, kann er sich gegen Verfügungen des VN über die Versicherungsforderung mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung wehren. Verweigert der VR einem verfügungsbefugten Versicherten gegenüber zu Unrecht die Leistung, kann dem VN gegen den VR ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB zustehen. Ist der VR im Unklaren darüber, ob der VN oder der Versicherte im Einzelfall verfügungsbefugt ist, kann er nach § 372 S. 2 BGB vorgehen und die Versicherungsleistung in Geld bei der zuständigen öffentlichen Stelle hinterlegen. 17 Als Verfügung, auf die sich die Regelungen der §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 beziehen, sind nach den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Regeln sämtliche Rechtsakte anzusehen, die mittelbar oder unmittelbar auf den Bestand oder die Ausgestaltung der Rechte des Versicherten aus dem Versicherungsvertrag, insb. die Versicherungsforderung, einwirken.52 Neben der Einziehung der Versicherungsleistung 53 sind dies vor allem die Annahme einer anderen Leistung als der Entschädigungszahlung an Erfüllung statt, die Ermächtigung zur Einziehung, der Erlass und die Abtretung.54 Ferner ist zu denken an die Verpfändung oder die Stundung der Forderung einschließlich der Zinsen, die Bestellung eines Nießbrauchs an der Versicherungsforderung, die Aufrechnung mit der oder gegen die Forderung oder eine Mahnung. Auf letztere findet, wenn der Versicherte sie dem VR gegenüber erklärt, § 182 Abs. 3 BGB Anwendung.55 Auch der Vergleich mit dem VR, die Anerkennung von Gegenrechten des VR und Vereinbarungen des VR über die Schadenshöhe stellen Verfügungen dar, die nach § 45 Abs. 1 grundsätzlich dem VN zugewiesen sind (vgl. dazu auch § 45 Rn. 6 f.). 18 Keine Verfügung in diesem Sinne ist die Zurückweisung des Erwerbs der Rechte durch den Versicherten nach § 333 BGB. Auf die Verfügungsbefugnis des Versicherten über seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag kommt es entsprechend nicht an. Das
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Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 15; Ritter/Abraham § 56 ADS Anm. 2. OLG Celle 8.10.1982 VersR 1986 1099; Römer/Langheid/Römer §§ 75, 76 Rn. 1. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 18.
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Dazu BGH 30.10.1954 BGHZ 15 154; BGH 8.4.1987 VersR 1987 655; BGH 7.7.1993 VersR 1993 1222, 1223. ÖOGH 20.12.1979 VersR 1981 991 f. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 18.
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gleiche gilt, wenn der Versicherte die ihm gehörige versicherte Sache an einen Dritten veräußert, da dieser nach den oben niedergelegten Grundsätzen (vgl. oben Rn. 14 f.) an die Stelle des Versicherten tritt. Keine Verfügung liegt weiterhin vor, wenn der Versicherte auf Feststellung klagt, dass ein Versicherungsvertrag besteht und dass er (der Versicherte) zum Kreise der Versicherten zählt – das ändert an den bestehenden Verfügungsrechten nichts.56 Des Weiteren liegt keine Verfügung über die Rechte des Versicherten aus dem Versicherungsvertrag vor, wenn dieser gegen den VR eine einstweilige Verfügung in Form der Regelungsverfügung beantragt oder auf Feststellung klagt, weil er dem VN gegenüber das Bestehen einer Forderung – also das Bestehen der Rechte des Versicherten – abstreitet. In beiden Fällen macht der Versicherte noch keine Rechte aus dem Versicherungsvertrag geltend. Eine einstweilige Verfügung in Form der Regelungs-, nicht der Leistungsverfügung, dient nur der einstweiligen Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen VN und VR, die Feststellungsklage noch dahinter zurückstehend nur dazu, die bloße Existenz eines vorgreiflichen Rechtsverhältnisses festzustellen. Schließlich ist auch keine Verfügung darin zu sehen, dass der Versicherte Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO erhebt, weil Gläubiger des VN den Versicherungsanspruch gepfändet haben (dazu näher oben Rn. 10). Hier geht es ebenfalls nicht um eine Änderung, Belastung o.ä. der Forderungsrechte. Handlungen die der Versicherte vornimmt, um Obliegenheiten wahrzunehmen, die ihn nach Maßgabe des § 47 treffen, oder Handlungen, die eine solche Obliegenheit verletzen, stellen keine Verfügungen i.S.d. § 44 Abs. 2 dar. Es handelt sich jeweils um rein tatsächliches Verhalten, dem der für eine Verfügung notwendige Wille zum rechtsgeschäftlichen Handeln nicht zugrunde liegt.57 Obliegenheitsverletzungen berühren im Übrigen auch nicht den Bestand der Versicherungsforderung, sondern begründen lediglich ein (teilweises) Leistungsverweigerungsrecht des VR, dem es frei steht, sich darauf zu berufen, oder dies zu unterlassen.58
II. Zustimmung des VN Erteilt der VN seine Zustimmung nach §§ 183, 185 BGB, erhält der Versicherte die 19 Verfügungsmacht über seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag. Die Zustimmung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, welche die Geschäftsfähigkeit des VN voraussetzt.59 Sie kann nach Maßgabe des § 185 BGB vor oder nach der zustimmungsbedürftigen Verfügung, gegenüber dem Versicherten oder dem VR erfolgen. Sie kann auch in AGB aus dem Rechtsverhältnis zwischen VN und Versichertem enthalten sein 60 und konkludent erklärt werden, sich also aus den Umständen ergeben. Eine konkludente Zustimmung liegt etwa vor, wenn der VN den Versicherten in gewillkürter Prozessstandschaft ermächtigt, die Rechte aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen,61 dem Versicherten die fraglichen Rechte „abtritt“ 62 oder auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet.63 Voraussetzung ist, dass der „Abtretung“, die eigentlich ins Leere geht, da der Versicherte ohnehin Inhaber des Anspruchs ist, zu entnehmen ist, dass der Versicherte
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BGH 4.5.1983 VersR 1983 823, 824 f. Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 19. BGH 26.1.2005 RuS 2005 143 f.; BGH 7.7.1993 VersR 1993 1222, 1223. Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 10. ÖOGH 11.5.1994 VersR 1995 443, 444.
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OLG Celle 31.5.2007 VersR 2007 1641. OLG Stuttgart 7.2.1991 RuS 1992 331. RG 14.11.1930 RGZ 130 237, 240; Prölss/ Martin/Prölss § 76 Rn. 2; Kisch PVR III 490; Nießen 82.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
über das Recht auch verfügen können soll. Regelmäßig wird der VN zu einer Zustimmung nur bereit sein, wenn er hinsichtlich der Ansprüche, die ihm gegen den Versicherten zustehen, befriedigt worden ist (vgl. § 46 Rn. 31 ff.). Unter Ehegatten kann sich eine Verpflichtung zur Zustimmung aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB ergeben.64 Hat der VN einmal seine Zustimmung erteilt, kann er sie nach § 183 Abs. 1 BGB nicht mehr widerrufen, wenn der Versicherte bereits über den fraglichen Anspruch aus dem Versicherungsverhältnis verfügt, oder ihn gerichtlich geltend gemacht hat. Einseitige Rechtsgeschäfte des Versicherten kann der VR gem. §§ 182 Abs. 3, 111 S. 2 BGB zurückweisen, wenn dieser die Zustimmung des VN nicht in schriftlicher Form vorlegt.65 Regelmäßig ist in AVB zulässig geregelt, dass der Versicherte auch bei Vorliegen einer 20 Zustimmung des VN nicht verfügungsbefugt ist. Es handelt sich zumeist um Fälle, in denen die Verfügungsbefugnis abweichend von § 44 Abs. 2 in jedem Fall dem VN zugewiesen ist (dazu unten Rn. 37).
III. Besitz des Versicherungsscheins 21
Der Versicherte ist nach § 44 Abs. 2 auch dann verfügungsbefugt und kann seine Rechte gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist. Entgegen einer Ansicht im Schrifttum ist der Besitz des Versicherungsscheins aber kein Unterfall der Zustimmung des VN.66 Zwar ist richtig, dass er den Versicherungsschein aufgrund der Vorschrift des § 44 Abs. 1 S. 2 i.d.R. nur mit Einwilligung des VN erlangt. Legitimationswirkung entfaltet er aber auch, wenn dies nicht der Fall ist (dazu sogleich Rn. 22). Daher steht der Besitz des Versicherungsscheins der Zustimmung lediglich gleich. Eine Pflicht des VN, den Versicherungsschein an den Versicherten herauszugeben, kann sich nur aus einem Rechtsverhältnis ergeben, das zwischen den beiden besteht (dazu § 46 Rn. 3). Bei laufender Versicherung legitimiert nur die Einzelpolice, nicht auch die laufende.67 Der Besitz des Versicherungsscheins hat bei der Versicherung für fremde Rechnung 22 Legitimationswirkung. Diese entfaltet auch ein abhanden gekommener Versicherungsschein, allerdings nur, wenn dem VR der fehlende Wille des VN, den Versicherungsschein an den Versicherten zu übermitteln, unbekannt geblieben ist.68 Insoweit bestritten wird, dass § 44 Abs. 2 auch bei abhanden gekommenen Versicherungsscheinen gilt,69 ist darauf hinzuweisen, dass es Sinn eines jeden Legitimationspapiers, nicht nur eines solchen i.S.d. § 808 BGB, ist, dass befreiend an den Inhaber geleistet werden kann, gleich auf welche Weise er in den Besitz des Papiers gekommen ist. Außerdem käme dem Besitz des Versicherungsscheins neben der Zustimmung des VN kein eigenständiger Regelungsgehalt zu, wenn nicht auch der abhandengekommene Schein Legitimationswirkung entfalten würde. Um verfügungsbefugt zu sein, muss der Versicherte tatsächlichen unmittelbaren Besitz an der Urkunde haben – nur dann besteht aus Sicht des VR die von § 44 Abs. 1 S. 2,
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LG Köln 12.06.1997 RuS 1997 423. Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 20. So Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 31; Römer/Langheid/Römer §§ 75, 76 Rn. 17; Schwan 19; a.M. zu Recht: Mot. 148; Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 22. Ritter/Abraham § 53 ADS Anm. 14.
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Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 20; Ritter/Abraham § 53 Anm. 14; Koenig FS E. Prölss 221, 230; a.M. offenbar Langheid/Wandt/Dageförde § 44 Rn. 4; unklar HK-VVG/Muschner § 44 Rn. 9. So Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 23.
Oliver Brand
Rechte des Versicherten
§ 44
Abs. 2 angestrebte Klarheit über den Inhaber der Verfügungsbefugnis. Weder mittelbarer Besitz der Urkunde (dazu auch § 45 Rn. 18) noch eine dem VR nach § 3 nachgelassene Übermittlung des Versicherungsscheins in Textform gem. § 126b BGB 70 genügen. § 44 Abs. 1 S. 2 ist demnach so auszulegen, dass das Verlangen des VN auf die Übermittlung der Urkunde des Versicherungsscheins gerichtet ist. Nur so erlangt er Besitz i.S.v. § 45. Die Übermittlung des Versicherungsscheins ist dabei keine Übereignung i.S.d. §§ 929 ff. BGB, da der Versicherte als Inhaber der Versicherungsforderung – und nicht der VN – Eigentum am Versicherungsschein nach § 952 Abs. 2 BGB erwirbt.71 In der Sachversicherung ist § 44 Abs. 2 teilweise zulässig (dazu unten Rn. 37) dahin- 23 gehend abbedungen, dass selbst der Besitz des Versicherungsscheins dem Versicherten keine Verfügungsbefugnis gibt (etwa B § 12 Ziff. 2 S. 2 AFB 2008). Der VR kann aber auf diese für ihn günstige Regelung verzichten, so dass der Versicherte seine Ansprüche bei Besitz des Versicherungsscheins wieder geltend machen kann, sofern der VN einverstanden ist.72
IV. Rechtsmissbräuchliches Verhalten des VR Liegt keine ausdrückliche oder konkludente Zustimmung des VN vor und ist der Ver- 24 sicherte auch nicht im Besitz des Versicherungsscheins, bedeutet dies nicht zwingend, dass letzterer nicht zur Verfügung über seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag berechtigt ist. Der Versicherte ist dies selbst gegen den Willen des VN dann, wenn der VR eine Regulierung ablehnt und der VN zu verstehen gibt, dass er seinerseits die Ansprüche des Versicherten nicht weiter verfolgen will. Eine Berufung des VR auf die fehlende Verfügungsbefugnis des Versicherten wäre dann rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 242 BGB, weil er durch die Ablehnung der Deckung die Person des Versicherten und die maßgeblichen Umstände für die Regulierung bereits kennt und seine Interessen nicht gefährdet sind, sofern es nicht noch weitere Personen gibt, die in die Verhandlungen involviert sind.73 Kann sich der VR nicht auf die mangelnde Verfügungsbefugnis berufen, bedeutet dies zugleich auf prozessualer Ebene, dass der Versicherte Klage gegen den VR erheben kann, ohne zuvor auf Grundlage des Treuhandverhältnisses (und ggf. des Schuldverhältnisses), das im Innenverhältnis zwischen ihm und dem VN besteht, die Zustimmung des VN nach § 44 Abs. 2 einholen zu müssen.74 Der VR handelt auch dann rechtsmissbräuchlich, wenn er eine Verfügung des Versicherten zurückweist, der VN aber von vornherein den VR nicht in Anspruch nimmt und er keine billigenswerte Gründe ins Feld führen kann, warum er dies nicht tut.75 Etwas anderes ist es aber, wenn der VN zumindest vorprozessual Ansprüche gegen den VR geltend macht,76 in Vergleichsverhandlungen mit dem VR eintritt, oder gar einen Vergleich abschließt.77 Hier mangelt es nicht an einer Verfolgung des Anspruchs.
70 71 72 73
So auch Langheid/Wandt/Dageförde § 44 Rn. 3. J. Huber 63; Lenné 173. BGH 7.1.1965 BGHZ 43 42, 43. BGH 4.5.1964 BGHZ 41 327; BGH 29.7.1991 BGHZ 115 275, 282; BGH 11.3.1987 NJW-RR 1987 856 f.; teils differenzierend Nießen 89 ff.; Looschelders VersR 2000 23, 25 f.
74 75
76 77
Nießen 93; a.M. Krause 42 f. BGH 27.5.1998 NJW 1998 2537, 2538; BGH 14.12.1994 VersR 1995 332, 333; ÖOGH 29.11.2006 VersR 2008 283; OLG Hamm 6.10.2004 VersR 2005 934 f. OLG Hamm 6.10.2004 VersR 2005 934 f. Ebenso ÖOGH 10.7.1984 VersR 1984 1196; Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 25.
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§ 44
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
25
Was als billigenswerter Grund gelten kann, der das Verhalten des VN rechtfertigt, bestimmt der Schutzzweck des Zustimmungserfordernisses aus § 44 Abs. 2 i.V.m. den Grundsätzen aus § 45 Abs. 1. Nach dem oben Gesagten (vgl. Rn. 24) geht es in diesem Regelungszusammenhang u.a. darum, den VN in der Geltendmachung seiner Ansprüche gegen den Versicherten abzusichern. Stehen dem VN aus dem Innenverhältnis keine solche Ansprüche gegen den Versicherten zu, dürfte es ihm regelmäßig an einem billigenswerten Motiv fehlen, um die Zustimmung zu verweigern.78 Ist der VN Ehemann, so kann er seiner in der Unfall- oder Haftpflichtversicherung (mit-)versicherten Ehefrau nicht verwehren, ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag selbständig zu verfolgen, wenn er selbst dies nicht tut, weil ihre Ehe zerrüttet ist und er sich für die Belange seiner Ehefrau nicht mehr interessiert. Eine drohende Prämienerhöhung bei Geltendmachung von Ansprüchen gegen den VR ist ebenfalls kein billigenswerter Grund für die Verweigerung der Zustimmung durch den VN.79 Dem Fehlen eines billigenswerten Grundes steht es gleich, wenn der VN nach Eintritt des Versicherungsfalles als Rechtssubjekt wegfällt. Das ist etwa der Fall bei der Auflösung einer Kapitalgesellschaft durch Löschung im Handelsregister.80 Könnte sich der VR in einem solchen Fall auf die fehlende Verfügungsbefugnis des Versicherten berufen, wäre diesem jede Möglichkeit genommen, seine Rechte zu verfolgen. Der Löschung einer Kapitalgesellschaft im Handelsregister steht – trotz fortbestehender Parteifähigkeit der Kapitalgesellschaft – die Vermögenslosigkeit gleich, da der VR durch einen Rechtsstreit mit dem Versicherten nicht schlechter gestellt wird, als wenn er der Klage einer vermögenslosen Gesellschaft mit dem entsprechenden Kostenrisiko ausgesetzt wäre.81 Den VR kann auch aufgrund eigenen Verhaltens der Vorwurf des Rechtsmiss26 brauchs treffen, wenn er eine Verfügung des Versicherten zurückweist, weil die Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 nicht vorliegen. Daran ist zu denken, wenn der VR zuvor mit dem Versicherten bereits hinsichtlich des Versicherungsverhältnisses korrespondiert hat oder anderweitig bei dessen Durchführung mit dem Versicherten zusammengearbeitet hat, es aber versäumt, den Versicherten darauf hinzuweisen, dass nur der VN klagebefugt ist.82 Kein Fall des Rechtsmissbrauchs durch den VR liegt vor, wenn er ein Leistungsbegeh27 ren des Versicherten zurückweist, weil der VN sich unter Verstoß gegen Bestimmungen in AVB weigert, die an ihn gezahlte Versicherungssumme an den Versicherten auszukehren.83 Das gleiche gilt, wenn VN und VR sich über die Höhe des Schadens geeinigt haben84 oder der VN bloß Verhandlungen zwischen dem Versicherten und dem VR zugestimmt hat.85
78 79 80
81
Römer/Langheid/Römer §§ 75, 76 Rn. 15. BGH 11.3.1987 NJW-RR 1987 856 f. OLG Köln 19.8.1997 VersR 1998 1104, 1105; OLG Hamm 21.12.1995 NJW-RR 1996 1375. BGH 19.9.1995 VersR 1996 83 m. Anm. Frahm VersR 1996 163; Langheid/Wandt/ Dageförde § 44 Rn. 9; a.M. OLG Hamm 21.12.1995 NJW-RR 1996 1375, 1376.
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OLG Hamm 6.10.2004 VersR 2005 934; Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 25. BGH 14.12.1994 VersR 1995 332, 333. Berliner Kommentar/Hübsch § 75 Rn. 17; a.M. LG Berlin 15.09.1983 VersR 1984 250, 251. ÖOGH 22.9.1983 VersR 1984 1196.
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Rechte des Versicherten
§ 44
V. Sonderregeln In der D&O-Versicherung ist umstritten, ob § 44 Abs. 2 durch die Vorschriften über 28 die Haftpflichtversicherung (§§ 100 ff.) als leges speciales verdrängt wird. Eine starke Strömung in Rechtsprechung und Schrifttum nimmt dies mit der Begründung an, anderenfalls sei bei Innenhaftungsansprüchen das in der Haftpflichtversicherung geltende Trennungsprinzip verletzt.86 Die Frage eines Spezialitätsverhältnisses von § 100 ff. zu § 44 Abs. 2 stellt sich in Wirklichkeit aber gar nicht. Sie beruht auf einer mangelnden Unterscheidung von Haftpflicht- und Deckungsanspruch. Ein Haftpflichtanspruch des VN, der bei der D&O-Versicherung untypischerweise zugleich Geschädigter ist, kann sich auf Grundlage von § 44 Abs. 2 überhaupt nicht ergeben, da diese Vorschrift nur im Deckungsverhältnis zur Anwendung kommt.87 Hier kann der VN auf Grundlage von § 44 Abs. 2 gegen den VR vorgehen, es sei denn diese Vorschrift ist in AVB wirksam abbedungen. In der Krankenversicherung kann nach der Sonderregel des § 194 Abs. 3 S. 1 abwei- 29 chend von §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 ausschließlich der Versicherte die Versicherungsleistung verlangen, wenn der VN ihn gegenüber dem VR in Textform als Empfangsberechtigten der Versicherungsleistung benannt hat (vgl. auch § 6 Abs. 3 MB/KK 2008).
E. Ausstellung eines Sicherungsscheins Grundpfandgläubiger genießen nach §§ 94, 142 ff. besonderen versicherungsrecht- 30 lichen Schutz. Ein entsprechender Schutz für die Inhaber von Mobiliarsicherheiten fehlt. Schließt der Besitzer einer beweglichen Sache zugunsten des Eigentümers eine Versicherung für fremde Rechnung ab, verlangen die Versicherten (z.B. Vorbehaltsverkäufer, Sicherungseigentümer, Darlehens- oder Leasinggeber) daher i.d.R., dass der VR einen Sicherungsschein (bzw. eine Sicherungsbestätigung oder eine Versicherungsbestätigung für Leasingesellschaften) ausstellt.88 Ein solcher Sicherungsschein hat den Zweck, den Eigentümer der Sache davor zu schützen, dass er durch den ersatzlosen Untergang der (von ihm finanzierten) Sache Einbußen erleidet.89 Ihrer Rechtsnatur nach sind Sicherungsscheine keine Versicherungsscheine i.S.d. § 3, sondern rechtsgeschäftliche Erklärungen des VR, mit denen das Versicherungsverhältnis bestätigt und i.d.R. näher ausgestaltet wird.90 Ein Sicherungsschein verstärkt in jedem Fall die Rechtsposition des Versicherten gegenüber den allgemeinen Bestimmungen über die Versicherung für fremde Rechnung. Welche Rechte im Einzelnen aus dem Sicherungsschein folgen, hängt von seinem Inhalt ab, der je nach Versicherungssparte und Sicherungszweck ein anderer sein kann.
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87 88
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OLG Köln 2.9.2008 VersR 2008 1673, 1674; LG Marburg 3.6.2004 DB 2005 437; Koch GmbHR 2004 18, 24; Langheid VersR 2009 1043, 1044; offen gelassen von OLG München 15.3.2005 VersR 2005 540, 542; a.M. Schimmer VersR 2008 875, 877. Langheid/Grote VersR 2005 1165, 1171. Siehe nur BGH 6.12.2000 RuS 2001 97, 98; OLG Köln 26.9.1991 RuS 1992 225; Beispiele bei Martin SVR Texte 52 und 53. BGH 15.11.1978 VersR 1979 176; BGH
90
10.3.1993 BGHZ 40 297, 300 ff. = VersR 1964 131; HK-VVG/Muschner § 44 Rn. 4; Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 26; Römer/Langheid/Römer §§ 75, 76 Rn. 18; Nießen 84; Sicherungsscheine dürfen ausschließlich an Kreditinstitute i.S.d. KWG begeben werden. Für Sicherungsbestätigungen gilt diese Einschränkung nicht. BGH 10.3.1993 BGHZ 40 297, 302; Langheid/Wandt/Dageförde § 44 Rn. 15.
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§ 44
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
31
Mit der Ausstellung eines Sicherungsscheins werden zumeist die §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1, 2 VVG konkludent abbedungen (vgl. etwa den „Antrag auf Ausstellung eines Kraftfahrzeugsicherungsscheins“).91 Der Versicherte soll allein berechtigt sein, die Rechte aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen, insb. die Entschädigung anzunehmen, auch wenn er nicht mit Zustimmung des VN handelt und nicht im Besitz des Versicherungsscheins ist.92 Verfügungen des VN, etwa die Abtretung des Entschädigungsanspruchs an einen Dritten, sind unwirksam.93 Dem VN steht es aber frei, die Rechte – neben dem Versicherten – in gewillkürter Prozesstandschaft gerichtlich geltend zu machen; er muss dabei aber auf Leistung an den Inhaber des Sicherungsscheins klagen.94 Zahlt der VR an den VN, erlischt der Anspruch des Versicherten nicht gemäß § 362 BGB.95 Zuweilen verzichtet der VR im Sicherungsschein gegen Mehrprämie darauf, bestimmte 32 Einwendungen aus seinem Rechtsverhältnis zum VN gegenüber dem Versicherten geltend zu machen, z.B. sich auf § 81 Abs. 1 zu berufen.96 Andere Einwendungen, die ihm gegen den VN zustehen, sind von diesem Verzicht naturgemäß nicht betroffen. Er kann sie nach den allgemeinen Regeln dem Versicherten entgegenhalten.97 Regelmäßig übernimmt der VR bestimmte Auskunftspflichten gegenüber dem Versicherten, etwa wenn der VN die Erstprämie nicht gezahlt oder den Versicherungsschein nicht eingelöst hat.98 Ebenso ist der VR verpflichtet, den Versicherten auf Umstände hinzuweisen, die diesem nicht bekannt, aber für die Werthaltigkeit des Versicherungsanspruchs von Bedeutung sind.99 Im Sicherungsschein kann auch bestimmt sein, dass die Wirksamkeit einer Kündigung des Versicherungsvertrags durch den VN von einer Zustimmung des Versicherten abhängt. Dies muss aber ausdrücklich so vereinbart werden.100 Der VR haftet dem Versicherten dafür, dass die Angaben im Sicherungsschein richtig, vollständig und nicht irreführend sind.101 Ist dem nicht so, kann der VR dem Versicherten auf Schadensersatz haften.
F. Rechtsfolgen bei Leistung an den Versicherten 33
Hat der VR die Versicherungsleistung an den verfügungsberechtigten Versicherten erbracht, wird er gemäß § 362 BGB von seiner Leistungspflicht gegenüber dem VN befreit. Hat der VR in Unkenntnis eines leistungsbefreienden Tatbestandes gezahlt, richtet sich der Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gegen den VN, nicht gegen den Versicherten (näher § 45 Rn. 35 ff.).
91
92
93 94
OLG Köln 26.7.2005 RuS 2005 459; Römer/Langheid/Römer § 77 Rn. 19; Riedel 19. BGH 8.10.2003 NJW 2004 1041, 1042; BGH 10.3.1993 BGHZ 122 46, 49; BGH 25.11.1963 BGHZ 40 297, 301; OLG Hamm 17.1.1986 RuS 1986 317; OLG Hamm 5.12.1997 VersR 1999 44, 45; LG Aurich 4.4.1984 ZfS 1985 181, 182; Schnepp 198. BGH 12.2.1985 BGHZ 93 391, 393; OLG Hamm 5.12.1997 VersR 1999 44, 45. BGH 5.6.1985 VersR 1985 981, 982; BGH 19.1.1967 VersR 1967 343 f.; OLG Karlsruhe 7.12.1989 VersR 1990 1222; OLG Hamm 20.11.1987 VersR 1988 926; Schwintowski/
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96 97 98 99 100 101
Brömmelmeyer/Hübsch § 44 Rn. 24; Schnepp 198 f. OLG Köln 26.7.2005 NJOZ 2006 1664, 1665; Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 26. Näher dazu Riedel 19. BGH 15.11.1978 VersR 1979 176. BGH 6.12.2000 VersR 2001 235, 236. BGH 6.12.2000 VersR 2001 235, 236; HK-VVG/Muschner § 44 Rn. 5. OLG Hamm 17.1.1986 RuS 1986 317 f.; Römer/Langheid/Römer §§ 75, 76 Rn. 18. BGH 12.6.1985 VersR 1985 981, 982; Langheid/Wandt/Dageförde § 44 Rn. 15.
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Rechte des Versicherten
§ 44
Hat der VR die Versicherungsleistung an einen Versicherten erbracht, der nicht ver- 34 fügungsberechtigt ist, wird er von seiner Schuld gegenüber dem VN nicht befreit. Etwas anderes gilt nur, wenn der VN die Zahlung an den Versicherten als Erfüllung akzeptiert. Der Rückforderungsanspruch richtet sich gegen den Versicherten. Insoweit beurteilt sich die Rechtslage nicht anders als im Fall der irrig angenommenen Zession, bei der die dem vermeintlichen Zessionar erbrachte Leistung bei diesem kondiziert werden kann.102 Der VR kann mit dem Bereicherungsanspruch gegen den Versicherten nicht gegenüber dem Anspruch des VN aufrechnen.103
G. Beweislast Macht der Versicherte seine Forderungsrechte aus dem Versicherungsvertrag gericht- 35 lich geltend, so muss er das Vorliegen einer Ausnahme vom Verfügungsverbot des § 44 Abs. 2 beweisen. Lehnt der VN die Geltendmachung des Versicherungsanspruchs ab und herrscht zwischen dem Versicherten und dem VN Streit über das Vorliegen billigenswerter Gründe für die Ablehnung, so muss dies in einem Prozess zwischen Versichertem und VN geklärt werden.104 Ist der Versicherte im Besitz des Versicherungsscheins, hat der VN zu beweisen, dass ihm der Versicherungsschein abhanden gekommen ist, wenn er vom VR Auszahlung an sich verlangt.105
H. Abdingbarkeit Als Kernvorschrift des Rechts der Versicherung für fremde Rechnung ist § 44 Abs. 1 36 S. 1 anders als die übrigen Vorschriften des 4. Abschnitts überhaupt nicht abdingbar.106 Regeln die Parteien etwas von § 44 Abs. 1 Abweichendes, liegt keine Versicherung für fremde Rechnung vor, sondern ein Wettgeschäft. Abs. 1 S. 2 ist halbzwingend. Von ihm kann nicht zu Lasten des VN abgewichen werden, etwa dergestalt, dass der Versicherungsschein von vornherein an den Versicherten übermittelt wird. Abs. 2 ist abdingbar. Schon in der Ausstellung eines Sicherungsscheins ist eine Ab- 37 bedingung des § 44 Abs. 2 zu sehen. In AVB ist vielfach vorgesehen, dass ausschließlich der VN über die Rechte aus dem Vertrag verfügen darf (vgl. Ziff. 27.2 S. 1 AHB 2008; § 7 Ziff. 1 S. 2 AVB-Vermögen; B § 12 Ziff. 1 AFB 2008; F.2 S. 1 AKB 2008).107 Das erspart dem VR im Einzelfall eine Legitimationsprüfung. Die Verfügungsmacht des VN wird durch eine entsprechende Regelung in den AVB sämtlichen gesetzlichen Beschränkungen entzogen. Der VN bedarf weder zur Annahme der Entschädigung noch zur Übertragung der Rechte der Zustimmung des VN. Dem Versicherungsschein kommt keinerlei Legitimationswirkung mehr zu. Der Versicherte kann nur dann noch über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag verfügen, wenn der VN ihn nach §§ 164 ff. BGB bevollmäch-
102 103 104 105 106
OLG Hamm 14.7.1986 VersR 1988 30; Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 31. BGH 28.11.1990 NJW 1991 919, 920. Looschelders VersR 2000 23, 25. Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 32. Begr. RegE BTDrucks. 16/3945 73; Langheid/Wandt/Dageförde § 44 Rn. 1; Ehren-
107
zweig 215; Nießen 44; Ruscher 73 ff.; a.M. Hellwig 543 f., der anführt, der VN sei zur Herausgabe des Erlangten nach den Grundsätzen einer Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet. Kritisch mit Blick auf die Unfallversicherung Schneider ZVersWiss 1905 235, 256.
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§ 44
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
tigt oder wenn er der Verfügung durch den Versicherten zustimmt.108 Die vollständige Zuweisung der Verfügungsbefugnis bei der Versicherung für fremde Rechnung an den VN ist mit § 307 Abs. 2 S. 1 BGB vereinbar. Die Rechtsprechung erkennt an, dass der VN ein berechtigtes Interesse habe, sich nur mit seinem Vertragspartner über den Anspruch auf die Versicherungsleistung auseinandersetzen zu müssen, u.a. auch deshalb, weil er dann nur in Bezug auf diesen das Prozesskostenrisiko trage.109 Eher selten wird dem Versicherten in AVB eine selbständige Verfügungsbefugnis ein38 geräumt. (z.B. A.1.2 AKB 2008 für in der Kfz-Haftpflichtversicherung mitversicherte Personen, A.4.2.6 AKB 2008 für in der Kraftfahrtunfallversicherung namentlich Versicherte, vgl. auch § 15 Abs. 2 ARB 2009 für in der Rechtsschutzversicherung mitversicherte Personen, Ziff. 10.1 AVB-AVG für in der D&O-Versicherung versicherte Organmitglieder). § 45 Abs. 1, 2 ist in diesen Fällen aber nicht mit abbedungen. Der VR begibt sich also des von den §§ 44, 45 bezweckten Schutzes, das Versicherungsverhältnis nur mit einer Person abwickeln zu müssen. Der VN bleibt neben dem Versicherten verfügungsbefugt (anders § 16 Nr. 3 AKB 88 für die Insassenunfallversicherung).
I. Auslandsrechte/PEICL 39
Die klare Zuweisung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag an den Versicherten in § 44 Abs. 1 S. 1 ist international zwar bekannt (Art. 7:945 niederl. BW; Art. 808 Abs. 3 poln. ZGB; Art. 7 Abs. 3 span. VVG). Oft beschränkt sie sich freilich auf die Inhaberschaft der Versicherungsforderung. Selbst das ist aber keinesfalls üblich. Das schweizerische Recht etwa enthält in Art. 17 Abs. 3 schw. VVG etwa nur versteckt den Gedanken, dass der Versicherte Inhaber des Entschädigungsanspruchs gegen den VR ist. Andere Rechtsordnungen, etwa Frankreich oder Griechenland, belassen es bei der Rechtslage der Regeln des allgemeinen Zivilrechts zu Verträgen zugunsten Dritter. Danach ist häufig – wie auch im deutschen Recht nach § 328 Abs. 1 BGB – im Einzelfall auszulegen, wer Träger der Rechte aus dem Versicherungsvertrag sein soll. Wiederum andere Rechtsordnungen weisen die Inhaberschaft der Rechte aus dem Versicherungsvertrag bei der Versicherung für fremde Rechnung dem VN zu (§ 10 Abs. 3 tschech. VVG). Die PEICL enthalten in Art. 11:101 Abs. 1 eine Teilregelung über die Inhaberschaft 40 der Rechte bei einer Versicherung für fremde Rechnung. Abweichend von den Regeln der PECL über den Vertrag zugunsten Dritter bestimmt die Vorschrift, dass der Versicherte Inhaber des Anspruchs auf die Versicherungsleistung nach Eintritt des Versicherungsfalls ist. Diese Bestimmung ist nicht abdingbar.110 Andere Rechte aus dem Versicherungsvertrag als dasjenige an der Versicherungsforderung sind von Art. 11:101 Abs. 1 PEICL nicht erfasst.
108 109
Kisch PVR III 480 f.; Schwan 20. BGH 29.4.1998 NJW 1998 2449, 2450; OLG Düsseldorf 15.7.1993 VersR 1995
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110
525; OLG Köln 18.4.1994 VersR 1995 525. Basedow et al. PEICL Art. 11:101 C 2.
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Rechte des Versicherungsnehmers
§ 45
§ 45 Rechte des Versicherungsnehmers (1) Der Versicherungsnehmer kann über die Rechte, die dem Versicherten aus dem Versicherungsvertrag zustehen, im eigenen Namen verfügen. (2) Ist ein Versicherungsschein ausgestellt, ist der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherten zur Annahme der Leistung des Versicherers und zur Übertragung der Rechte des Versicherten nur befugt, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist. (3) Der Versicherer ist zur Leistung an den Versicherungsnehmer nur verpflichtet, wenn der Versicherte seine Zustimmung zu der Versicherung erteilt hat.
Schrifttum (vgl. auch Schrifttum Vor §§ 43–48) Bayer Der Vertrag zugunsten Dritter (1995); Bischoff Versicherung eigenen Sachwertinteresses an fremder Sache VersR 1963 8; Dörner Kondiktion gegen den Zedenten oder gegen den Zessionar NJW 1990 473; Drews Die Zustimmung des Versicherten in der Lebensversicherung VersR 1987 634; Frahm Die vermögenslose GmbH als gewillkürte Prozeßstandschafterin VersR 1996 163; Henke Die Leistung (1991); Kohler Bereicherungshaftung in Zessionsfällen WM 1989 1629; Looschelders Ausschluss der Klagebefugnis des Mitversicherten und Teilklageobliegenheit des VN in der Rechtsschutzversicherung nach den ARB 1975 VersR 2000 23; Richter Die Rechtsstellung des Versicherten bei der Versicherung für fremde Rechnung, Diss. Leipzig (1933); Rodiek Der Versicherungsanspruch im Falle der Versicherung für fremde Rechnung (1914); Sieg Versicherungsschutz beim Kraftfahrzeugleasing BB 1993 1746; Stolle Die Versicherung für fremde Rechnung, Diss. Göttingen (1906); Taube Ermächtigung – Versicherung für fremde Rechnung (1948); Thiel Die Unfallfremdversicherung als unabhängiges Rechtsinstitut VersR 1955 726; Winter Das Abtretungsverbot in der Berufsunfähigkeitsversicherung RuS 2001 133.
Übersicht Rn. A. B. C. I. II.
Normgeschichte . . . . . . . . . . . . . Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . Regelmäßige Verfügungsbefugnis (Abs. 1) 1. Materiellrechtliche Wirkung . . . . . . 2. Prozessuale Wirkung . . . . . . . . . . III. Einschränkung der Verfügungsbefugnis (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . 2. Folgen bei Vorliegen der Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 4 4 5 6 10 17 17
Rn. D. I. II. III. E. F. I. II. G.
Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustimmungserfordernis (Abs. 3) . . . . Bereicherungsausgleich . . . . . . . . . . Zahlung an den VN . . . . . . . . . . . Zahlung an den Versicherten . . . . . . . Abdingbarkeit und verdrängendes Sonderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Auslandsrecht/PEICL . . . . . . . . . .
24 24 26 27 28 33 33 35 38 44
20
A. Normgeschichte § 45 stimmt inhaltlich weitgehend mit § 76 a.F. überein. Dieser hatte seit dem 1 Inkrafttreten des VVG 1908 unverändert Bestand und war dem mittlerweile aufgehobenen § 886 HGB nachgebildet.1 Der Begriff der Zahlung i.S.v. § 76 Abs. 2 und 3 a.F. ist
1
Zur Bedeutung des § 886 HGB für § 45: J. Huber 59 f.
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§ 45
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
durch den Begriff der Leistung ersetzt worden. In der Sache ändert sich dadurch nichts.2 Sämtliche vom VR geschuldete Zahlungen (Entschädigung, Aufwendungsersatz, Verzugsschadensersatz) fallen unter den Begriff der Leistung. Eine Änderung im Wortlaut des Abs. 3, deren Motivation im Dunkeln liegt, hat materiellrechtliche Auswirkung: maßgeblich für die Fälligkeit der dort geregelten Leistung an den VN ist nicht mehr der Zeitpunkt, in dem der VN dem VR gegenüber nachweist, dass der Versicherte seine Zustimmung erteilt hat, sondern der Zeitpunkt der Erteilung selbst (näher dazu unten Rn. 29).
B. Normzweck 2
§ 45 regelt in seinen Abs. 1 und 2 die Rechtsstellung des VN in der Versicherung für fremde Rechnung. Diese ist im deutschen Recht durch die charakteristische Aufspaltung von Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis geprägt. Rechtsinhaber ist nach § 44 Abs. 1 zwingend der Versicherte. Die Verfügungsmacht über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag einschließlich der Klagebefugnis weist § 45 Abs. 1 dagegen grundsätzlich allein dem VN zu. Der VN erhält eine so weitgehende Verfügungsbefugnis, da er alleiniger Vertragspartner des VR ist und auch – im Außenverhältnis – für die Prämien aufzukommen hat. Gesamtversicherungen, wie sie Kommissionäre und Spediteure nehmen, wären wohl gar nicht handhabbar, wenn die Verfügungsmacht nicht beim VN konzentriert wäre, sondern einer Vielzahl von (versicherten) Personen zustände. Das Merkmal „im eigenen Namen“ stellt lediglich klar, dass der VN in Ausübung seiner Verfügungsmacht bei der Versicherung für fremde Rechnung nicht als Vertreter des Versicherten handelt.3 Die Abs. 2 und 3 dienen dazu, einen Missbrauch der Rechtsfigur der Versicherung für 3 fremde Rechnung durch den VN zu verhindern.4 Da beide Normen disponibel sind (unten Rn. 38 f.), ist der Schutz, den sie entfalten, relativ schwach. § 45 Abs. 2 will verhindern, dass der VN die Entschädigung in die Hand bekommt oder sie dem Versicherten durch Übertragung der Forderung aus der Hand schlägt, ohne dass besondere Kautelen (Besitz des Versicherungsscheins; Zustimmung des Versicherten) vorliegen. Die alleinige Verfügungsbefugnis des VN für die beiden wichtigen Rechtsakte der Annahme der Leistung und der Übertragung der Versicherungsforderung an Dritte wird entsprechend beschränkt. § 45 Abs. 3 will Wettversicherungen verhindern.5 Schließt der VN einen Vertrag über die Versicherung einer fremden Sache, ohne dass der Interesseträger etwas davon weiß, kann der Fall eintreten, dass der VN die empfangene Leistung nicht an den Versicherten auskehren muss: Besitzt der VN den Versicherungsschein, kann er nach § 45 Abs. 1, 2 Zahlung verlangen und die erhaltene Leistung behalten, da es an einer Zurückweisung der Entschädigung nach § 333 BGB fehlt. Damit der VN nicht auf diesen Fall spekulieren kann, bestimmt Abs. 3, dass die Auszahlung der Entschädigung nicht fällig ist, solange der Versicherte seine Zustimmung zur Versicherung nicht erteilt hat.
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Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 2. Kisch PVR III 487. Corrodi 146; Nießen 63 f. Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 1
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und 16; Römer/Langheid/Römer §§ 75, 76 Rn. 4; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 16; Ritter/Abraham § 54 ADS Anm. 14.
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Rechte des Versicherungsnehmers
§ 45
C. Tatbestand I. Grundlagen Materiellrechtlich stellt die Verfügungsbefugnis des VN in der Versicherung für fremde 4 Rechnung nach § 45 Abs. 1 und Abs. 2 eine gesetzliche Einziehungsermächtigung (zur prozessrechtlichen Qualifikation unten Rn. 10 f.) 6 und keine bloße Formallegitimation 7 dar. Dogmatisch ist die Verfügungsbefugnis des VN mit § 185 BGB 8 und der Verwaltung der Erbmasse durch den Testamentsvollstrecker gem. §§ 2205, 2211, 2212 BGB 9 verwandt. Die Verwandtschaft des § 45 mit § 185 BGB ist dabei lose. Der Unterschied zwischen beiden Normen besteht darin, dass die Verfügungsberechtigung des VN auf dem Gesetz beruht, die Verfügungsmacht nach § 185 BGB hingegen auf einer Willenserklärung des Rechtsinhabers. Weiterhin verdrängt die Verfügungsmacht des VN nach § 45 Abs. 1 diejenige des Versicherten. Bei § 185 BGB bleibt die Verfügungsmacht des Rechtsinhabers neben derjenigen des Ermächtigten bestehen. Die Verwandschaft mit der Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers ist enger. Der Erbe, dessen Erbschaft unter Verwaltung steht, ist – ähnlich wie der Versicherte bei der Versicherung für fremde Rechnung – der Wahrnehmung seiner Rechte weitgehend beraubt. Nach außen handelt der Testamentsvollstrecker wie der VN bei der Versicherung für fremde Rechnung im eigenen Namen und kraft eines eigenen Verwaltungsrechts. Im Innenverhältnis zum Erben unterliegt der Testamentsvollstrecker – ebenso wie der VN im Rahmen der §§ 43 ff. (dazu § 46 Rn. 6 ff.) – einer treuhänderischen Bindung.
II. Regelmäßige Verfügungsbefugnis (Abs. 1) § 45 Abs. 1 bestimmt, dass der VN über die Rechte des Versicherten im eigenen 5 Namen verfügen darf. Das gilt zeitlich unbeschränkt, also auch noch nach Eintritt des Versicherungsfalls. Der Versicherte ist daneben nicht zur Verfügung berechtigt. Der VN erwirbt die Verfügungsbefugnis nach § 45 Abs. 1 originär zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem VR, d.h. ohne Zwischenerwerb des Versicherten.10 Die Verfügungsbefugnis erlischt mit der vollständigen Abwicklung der Versicherung. Nicht unter § 45 Abs. 1 fallen die Rechte, die dem VN in seiner Stellung als Vertragspartei zustehen. Diese bedürfen keiner besonderen Regelung im Recht der Versicherung für fremde Rechnung, da sie ohnehin von einem Vertragsfremden, etwa dem Versicherten, nicht ausgeübt werden können. So sind Erklärungen zum Versicherungsvertrag stets vom VN und ihm gegenüber abzugeben. Das betrifft etwa die Prämienmahnung nach § 38 oder die Erklärung von Gestaltungsrechten wie der Kündigung oder der Vertragsänderung (siehe auch § 44 Rn. 8).11 Auch die Aufhebung des Vertrags fällt kraft Natur der Sache – und nicht nach § 45 Abs. 1 – unter die Verfügungsbefugnis des VN.
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Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 11; Nießen 74; a.M. Kisch PVR III 488 („Recht ganz eigener Art“). So aber Taube 82 ff.; Trautmann 32 f. Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 9; Trautmann 32 f. Nießen 74.
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Nießen 64; Trautmann 23. ÖOHG 11.5.1994 VersR 1995 443, 444; Langheid/Wandt/Dageförde § 45 Rn. 2; Römer/Langheid/Römer §§ 75, 76 Rn. 3; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 2; vgl. auch Anli 101.
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§ 45
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
1. Materiellrechtliche Wirkung
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Die Verfügungsbefugnis des VN nach § 45 Abs. 1 besteht unabhängig davon, ob er im Besitz des Versicherungsscheins ist oder mit Zustimmung des Versicherten handelt. Der VN ist in der Versicherung für fremde Rechnung stets ermächtigt, verbindlich Willenserklärungen abzugeben und zu empfangen, die Grund und Höhe der Entschädigungsforderung betreffen. Ferner darf der VN Zahlungsmodalitäten vereinbaren und an der Schadensfeststellung mitwirken, insb. Sachverständige benennen oder sich an einem Sachverständigenverfahren beteiligen.12 Seine Verfügungsbefugnis umfasst auch alle Handlungen, die dazu dienen, die Einziehung vorzubereiten. Der VN kann den VR dementsprechend mahnen, mit ihm einen Vergleich abschließen oder die Stundung vereinbaren. Die Befugnis des VN reicht letztlich so weit, dass er sich mit einer gesetzlich nicht zulässigen Aufrechnung durch den VR einverstanden erklären und anordnen kann, dass die Zahlung der Versicherungssumme an den Versicherten auf Schadensersatzansprüche gegen ihn angerechnet wird.13 Der VN ist derjenige, dem gegenüber der VR seine Erklärungen abzugeben hat, etwa beim Rücktritt.14 Anders als bei der Bezugsberechtigung kann der VN die vom Versicherten erwor7 benen Rechte aus dem Versicherungsvertrag nicht einseitig widerrufen.15 Das liegt daran, dass er – zumindest in der Schadensversicherung – wegen der zwingenden Natur des § 44 das fremde Interesse nicht im eigenen Namen versichern kann. Er kann aber mit dem VR einen Erlassvertrag i.S.v. § 397 Abs. 1 BGB schließen.16 Das Innenverhältnis zum Versicherten schränkt die Verfügungsmacht des VN im 8 Außenverhältnis zum VR grundsätzlich nicht ein. Die treuhänderische Bindung zwischen VN und Versichertem (dazu § 46 Rn. 6 ff.) kann aber Vereinbarungen zwischen VN und VR über die Entschädigung oder einen Erlass im Einzelfall nach § 138 Abs. 1 BGB zu Fall bringen.17 Das ist dann der Fall, wenn für den VR erkennbar ist, dass der VN zum schwerwiegenden Nachteil des Versicherten handelt. War der VN gegenüber dem Versicherten im Innenverhältnis nicht dazu befugt, entsprechende Vereinbarungen mit dem VR zu treffen, kann dies über die Rechtsfolge der Nichtigkeit hinaus Schadensersatzansprüche des Versicherten aus dem Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem VN auslösen.18 Das gilt auch für den – von § 45 nicht geregelten – Fall, dass der VN den Versicherungsvertrag aufhebt.19 Es kommt im Einzelfall auch ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in Betracht. Aufgrund des „verwickelten Verhältnisses“ 20 der §§ 44 Abs. 2 und § 45 Abs. 1 9 zueinander, lassen sich Konstellationen vorstellen, in denen sowohl der VN als auch der Versicherte über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag verfügen können. Das ist etwa der Fall, wenn der VN sich im Besitz des schon ausgestellten Versicherungsscheins befindet und neben ihm auch der Versicherte kraft Zustimmung des VN gem. § 44 Abs. 2 verfügen kann. Des Weiteren steht die Verfügungsbefugnis teils auch aufgrund gesetzlicher 12
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OLG Hamm 28.9.2001 NJW-RR 2002 534; LG Berlin 15.9.1983 VersR 1984 250, 251; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 3. Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 6. ÖOGH 11.05.1994 VersR 1995 443, 444. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 6; a.M. Bayer 246. BGH 23.4.1963 VersR 1963 521, 522; Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 20;
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HK-VVG/Muschner § 45 Rn. 2; Anli 103; Kisch PVR III 494; Lenné 160. OLG Hamburg 1.3.1960 VersR 1960 1132; Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 7. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 6. Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 7. Nießen 85.
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Rechte des Versicherungsnehmers
§ 45
Anordnung (vgl. § 61 Abs. 2 BNotO) oder durch Bestimmungen in AVB sowohl dem VN als auch dem Versicherten zu (z.B. F.2 S. 2 AKB 2008 in der Kfz-Haftpflicht- und -Unfallversicherung). Hier besteht die Gefahr, dass es zu sich widersprechenden Verfügungen kommt. Ist dies der Fall, werden die Verfügungen von VN und Versichertem betrachtet, als wären sie von ein und derselben Person abgegeben.21 Insoweit die zeitlich spätere Verfügung der zeitlich früheren widerspricht, ist sie als venire contra factum proprium unwirksam. Eines Rückgriffs auf die Figur der Gesamtgläubigerschaft bedarf es insoweit nicht zwingend. Dem gegenüber überzeugt es nicht, grundsätzlich auf die Verfügung des Versicherten abzustellen.22 Die dem zugrunde liegende Überlegung, dass dadurch der bürgerlich-rechtliche Normalfall des Zusammentreffens von Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis wiederhergestellt wird, trifft zwar zu. Eine solche „Wiederherstellung“, die nach § 44 Abs. 2 bei der Versicherung für fremde Rechnung Ausnahmefall ist, überzeugt aber allenfalls dann, wenn die konkurrierende Verfügungsbefugnis des Versicherten auf Zustimmung oder Übergabe des Versicherungsscheins durch den VN beruht, nicht für den Fall, dass es sich um eine gesetzliche Anordnung handelt. Beide Fälle sind aber gleich zu behandeln. 2. Prozessuale Wirkung Aus § 45 Abs. 1 folgt als prozessuales Äquivalent zur materiellen Befugnis, dass der 10 VN prozessführungsbefugt ist, was die Rechte des Versicherten aus dem Versicherungsvertrag anbelangt.23 Das gilt vor allem für den Anspruch auf Entschädigung. Die gerichtliche Geltendmachung ist zwar keine Verfügung i.S.d. § 45 Abs. 1.24 Dass der VN bei der Versicherung für fremde Rechnung aber grundsätzlich aktiv- und passivlegitimiert ist, ergibt sich aus der Natur der Sache und einer Parallelwertung zu § 44 Abs. 2.25 Dass § 45 Abs. 1 die gerichtliche Geltendmachung anders als § 44 Abs. 2 nicht ausdrücklich erwähnt, ist ein historisches Redaktionsversehen. Der VN kann entsprechend einen Mahnbescheid erwirken, auf Feststellung der Leistungspflicht des VR klagen oder den VR auf Leistung an sich oder den Versicherten verklagen.26 Ebenso kann er Vollstreckungshandlungen beantragen, die auf eine erfolgreiche Klage gegen den VR folgen. Der VN ist auch Kostenschuldner im Rechtsstreit.27 Macht der VN die Rechte des Versicherten geltend, liegt ein Fall der gesetzlichen Pro- 11 zessstandschaft vor.28 Der VN muss zur Begründung seiner Prozessführungsbefugnis entsprechend kein schutzwürdiges Interesse vortragen,29 das sich im Übrigen aber aus den Pflichten des VR gegenüber dem VN aus dem treuhänderischen Innenverhältnis ergibt. Klagt der VN auf Leistung an sich, ist die Klage nur begründet, wenn er entweder den
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Kisch PVR III 511; Anli 105. So aber Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 37; Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 37; Nießen 86. OLG München 15.3.2005 VersR 2005 540; OLG Hamm 21.12.1995 NJW-RR 1996 1375, 1376; HK-VVG/Muschner § 45 Rn. 5; Nießen 65; Sieg VersR 1997 160. So irrtümlich Ehrenzweig 219 Fn. 15. Ebenso Schwintowski/Brömmelmeyer/ Hübsch § 45 Rn. 7; Anli 97 Fn. 8.
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OLG Karlsruhe 5.5.1994 VersR 1995 1087, 1088. BGH 24.4.1998 NJW 1998 2449, 2450. OLG Köln 13.11.2001 NVersZ 2002 515; OLG Hamm 21.12.1995 NJW-RR 1996 1375, 1376; Römer/Langheid/Römer § 74 Rn. 21; Nießen 65; Sieg VersR 1997 160. Übersehen in OLG Karlsruhe 11.5.1989 VersR 1990 1222.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
Versicherungsschein vorlegt oder der Versicherte seine Zustimmung erteilt hat, § 45 Abs. 2 und 3. Für die D&O-Versicherung haben einzelne Untergerichte bezweifelt, ob der VN pro12 zessführungsbefugt ist, wenn der Versicherungsvertrag keine entsprechende Klausel enthält.30 Diese Zweifel sind unberechtigt.31 Der VN ist von Gesetzes wegen prozessführungsbefugt, so dass es keiner vertraglichen Vereinbarung bedarf, wenn er die Rechte des Versicherten geltend machen möchte. In der Gruppenversicherung ist der Mitgliedsverein eines Verbandes nicht prozessführungsbefugt, wenn der Verband Versicherung für sich, seine Mitglieder und deren Mitglieder genommen hat.32 Der Mitgliedsverein ist dann nämlich nicht (prozessführungsbefugter) VN, sondern lediglich Mitversicherter. Macht der VN kraft Ermächtigung die Rechte eines Versicherten geltend, der selbst 13 verfügungsbefugt ist, handelt es sich um eine gewillkürte Prozesstandschaft.33 In diesen Fällen ist der VN nur prozessführungsbefugt, wenn er ein eigenes schutzwürdiges Interesse daran hat, den Anspruch des Versicherten geltend zu machen. Das ist etwa dann der Fall, wenn er durch die Versicherungsleistung in entsprechender Höhe von eigenen Verpflichtungen gegenüber dem Versicherten frei wird.34 Der Versicherte ist im Prozess des VN gegen den VR nicht Partei.35 Er kann daher als 14 Zeuge vernommen werden, es sei denn er ist streitgenössischer Nebenintervenient.36 Die Folgen der Prozessführung, insb. die Rechtskraft des Urteils, erstrecken sich aber auf den Versicherten. Das ist die übliche Folge bei Prozessstandschaft.37 Insoweit dies für Verträge zugunsten Dritter nach bürgerlichem Recht anders gesehen wird, ist dies für die Versicherung für fremde Rechnung unbeachtlich, da sie sich von gewöhnlichen Verträgen zugunsten Dritter durch die Spaltung zwischen Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis unterscheidet sowie dadurch, dass entweder nur der Dritte oder nur der Versprechensempfänger verfügungsberechtigt ist. Teleologisch lässt sich für eine Erstreckung der Rechtskraft auf den Versicherten anführen, dass der VR anderenfalls der Gefahr ausgesetzt wäre, mehrere Verfahren hinsichtlich des gleichen Gegenstands führen zu müssen – z.B. wenn der VN nach Abweisung seiner Klage dem Versicherten die Zustimmung zur gerichtlichen Geltendmachung erteilt und der Versicherte gegen den VR vorgeht. Damit wären unnötige Kosten verbunden und die Gerichte ohne erkennbaren Sinn stärker belastet. Der Versicherte hat die Möglichkeit, im Verfahren als Nebenintervenient nach § 66 ZPO aufzutreten. Der VN kann ihm auch den Streit verkünden, §§ 72, 74 ZPO. Das erforderliche rechtliche Interesse für einen Beitritt des Versicherten ergibt sich einerseits aus etwaigen Regressansprüchen, die er gegen den VN haben kann, andererseits aus seiner Stellung als Rechtsinhaber (§ 44 Abs. 1) und der Tatsache, dass sich die Rechtskraft des Verfahrens auf ihn erstreckt. Umgekehrt kann der VR im Wege der Widerklage
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LG Marburg 3.6.2004 DB 2005 437. So auch OLG München 16.3.2005 VersR 2005 540; OLG Düsseldorf 21.12.2006 I-4 U 6/06 (juris); Schwintowski/Brömmelmeyer/ Hübsch § 45 Rn. 7; zur Frage der Begründetheit der Klage Lange VersR 2007 893, 896 f. OLG Köln 28.3.2000 RuS 2000 367; Langheid/Wandt/Dageförde § 45 Rn. 4. BGH 19.1.1967 VersR 1967 343; OLG Hamm 5.12.1997 VersR 1999 44, 45; OLG Köln 14.6.1984 VersR 1986 229.
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OLG Hamm 5.12.1997 VersR 1999 44, 45; Beckmann/Matusche-Beckmann/Rüther1 § 23 Rn. 40. HK-VVG/Muschner § 45 Rn. 5; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 9; Ruscher 107. Lenné 159; Nießen 69. Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Rn. 23; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster § 6 Rn. 107; Nießen 67; a.M. Kisch PVR III 510.
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Rechte des Versicherungsnehmers
§ 45
Ansprüche gegen den VN aus dem Versicherungsverhältnis – etwa wegen noch ausstehender Prämienforderungen, soweit sie die Versicherungsleistung übersteigen – geltend machen. Die Abtretung der Forderung lässt die Aktivlegitimation nicht entfallen.38 Führt der verfügungsbefugte Versicherte den Prozess, kann der VN der Klage als Nebenintervenient beitreten und der Versicherte dem VN den Streit verkünden. Findet die EuGVVO in diesen Fällen Anwendung, kann der Versicherte den VR nach Art. 9 Abs. 1 EuGVVO nicht nur an dessen Sitz oder am Sitz des VN, sondern auch an seinem eigenen Wohnsitz verklagen. Das wurde für das zuvor geltende EuGVÜ teilweise anders gesehen.39 Im Anerkennungsverfahren kann sich der VR nach Art. 35 Abs. 1 EuGVVO entsprechend nicht mehr darauf berufen, das Wohnsitzgericht des Versicherten sei im Ausgangsverfahren nicht zuständig gewesen. Macht der VN die Rechte des Versicherten aus dem Versicherungsvertrag in gesetz- 15 licher Prozessstandschaft gerichtlich geltend, kann er von seiner Rechtsschutzversicherung Deckung verlangen. Dem steht die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 4 lit. d) ARB 2009 nicht entgegen, da sie Fälle der Versicherung für fremde Rechnung grundsätzlich nicht erfasst.40 Das ergibt sich aus dem Zweck der Regelung, die – wie ihre systematische Stellung innerhalb von Regelungen zu treuwidrigem Verhalten zeigt – darauf abzielt, zu verhindern, dass ein nicht versicherter Rechtsinhaber sein Risiko durch nachträgliche rechtliche Gestaltung zu Lasten des VR auf einen Rechtsschutzversicherten verlagert. Bei der Versicherung für fremde Rechnung handelt es sich hingegen nicht um eine nachträgliche Rechtsgestaltung zu Lasten des VR; der VN ist vielmehr aus dem gesetzlichen Treuhandverhältnis, das ihn mit dem Versicherten verbindet, zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Versicherungsverhältnis verpflichtet. Etwas anderes gilt nur, wenn der Versicherte selbst verfügungsbefugt ist, also bei gewillkürter Prozesstandschaft. Nach den allgemeinen zivilprozessualen Regeln wird Prozesskostenhilfe nur gewährt, 16 wenn die Voraussetzungen für die Gewähr sowohl beim Prozessstandschafter als auch beim Rechtsinhaber vorliegen.41 Das ist bei gewillkürter Prozessstandschaft erforderlich, damit der Versicherte nicht einen mittellosen VN vorschiebt, um einen günstigen Prozess führen zu können. Auch bei der gesetzlichen Prozessstandschaft muss es neben der Bedürftigkeit des VN grundsätzlich auch auf diejenige des Versicherten ankommen, da auch hier die Partei den Rechtsstreit im Interesse des Dritten führt.42 Prozesskostenhilfe erscheint nur angemessen, soweit es dem prozessführenden VN nicht möglich oder zumutbar ist, vom Versicherten einen Kostenvorschuss nach § 669 BGB zu erwirken oder ihn anderweitig für die Prozesskosten heranzuziehen.43 Etwas anderes muss allerdings gelten, wenn der VN aufgrund einer gesetzlichen Pflicht, Versicherung (für fremde Rechnung) zu nehmen, gezwungen ist, den Prozess selbst zu führen. Dann ist es nicht gerechtfertigt, auch auf die Vermögensverhältnisse des Versicherten abzustellen. 38 39 40
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OLG Hamm 20.5.1985 VersR 1986 758. So etwa BGH 2.5.1979 BGHZ 74 248, 252; Berliner Kommentar/Hübsch § 76 Rn. 6. BGH 29.4.1998 NJW 1998 2449, 2450 zu § 4 Abs. 2 lit. c) ARB 75; Langheid/Wandt/ Dageförde § 45 Rn. 7; Nießen 65 f. BGH 16.9.1991 VersR 1992 594; OLG Hamm 14.11.1989 NJW 1990 1053; Zöller/Phillipi § 114 Rn. 8; die Ausnahme von dieser Regel für den Fall, dass der materiell Berechtigte offenkundig kein wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Ver-
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fahrens hat, spielt für die Versicherung für fremde Rechnung keine Rolle, da der Versicherte hier Rechtsinhaber ist und stets ein Interesse am Ausgang des Verfahrens hat. Ebenso Berliner Kommentar/Hübsch § 76 Rn. 7; Bruck/Möller/Johannsen/Johannsen 8, Band 3, Anm. J 139. OLG Hamm 22.5.1981 VersR 1982 381; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 10; Nießen 68; a.M. Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 23; Looschelders/Pohlmann/ Koch § 45 Rn. 10.
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III. Einschränkung der Verfügungsbefugnis (Abs. 2) 1. Voraussetzungen
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Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 8; Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 1 und schon Corrodi 145. BGH 12.6.1991 VersR 1994 1101, 1102. BGH 7.7.1980 LM § 13 HinterlegungsO Nr. 3; Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 4; Ritter/Abraham § 53 Anm. 15; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 11; Kisch PVR III 476; Lenné 176; Nießen 78.
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Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 9; Corrodi 148; Stolle 37; Schneider ZVersWiss 1905 230, 240. Dazu Staudinger/Marburger § 808 Rn. 22. Enger: Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 11 (kein Schutz). Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 10; Nießen 77; Taube 103.
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Rechte des Versicherungsnehmers
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2. Folgen bei Vorliegen der Voraussetzungen Ist er im Besitz des Versicherungsscheins oder handelt er mit Zustimmung des Ver- 20 sicherten, kann der VN die Leistung ganz oder teilweise und in jedweder Form annehmen, also eine Barzahlung ebenso wie einen Scheck oder die Überweisung auf ein Bankkonto. Als Annahme i.S.d. § 45 Abs. 2 ist letztlich jedwede Handlung zu werten, durch welche die Schuld des VR getilgt wird. Deshalb handelt es sich auch bei der Aufrechnung des VN mit einer Gegenforderung aus dem Versicherungsvertrag oder bei der Annahme einer Leistung an Erfüllungs statt nach § 364 Abs. 1 BGB um eine Annahme i.S.d. § 45 Abs. 2. Eine Aufrechnung i.S.d. § 387 BGB 51 gegen die Prämienforderung des VR ist dabei möglich, obwohl bei der Versicherung für fremde Rechnung Verfügungsbefugnis und materielle Anspruchsinhaberschaft auseinander fallen und es an der Gegenseitigkeit der Forderung mangelt (Forderung: Versicherter gegen VR; Gegenforderung: VR gegen VN).52 Es genügt, dass die Verfügungsmacht des VN der Prämienforderung des VR gegenübersteht. Das leuchtet vom Ergebnis her ein: Es kann keinen Unterschied machen, ob der VN zunächst die ganze Leistung einzieht und die von ihm geschuldete Prämie oder Nebenverpflichtung gesondert tilgt, oder ob er durch Aufrechnung gegen die Prämienforderung des VR das Hin- und Herschieben von Werten vermeidet. Für diese Überlegung spricht auch § 35, der für eine Aufrechnung – von einem „Abzugsrecht“ wie nach § 35b a.F. ist nicht mehr die Rede – auf das Erfordernis der Gegenseitigkeit verzichtet. Schließlich ist zu bedenken, dass – nähme man nicht an, dass die Aufrechnungsbefugnis der Verfügungsbefugnis nach § 45 folgt – eine Aufrechnung gegen den Rückzahlungsanspruch des VR überhaupt nicht möglich wäre. Mangels Verfügungsbefugnis kann nämlich auch der Versicherte als Inhaber der Forderung nicht wirksam die Aufrechnung erklären. Teilweise wird bestritten, dass auch die Erhebung einer Leistungsklage, die auf Ver- 21 urteilung des VR zur Zahlung an den VN gerichtet ist, als Annahme zu behandeln ist.53 Dem kann nicht gefolgt werden. Der bloßen Annahme steht ihre Erzwingung mit Mitteln des Rechts gleich. Das betrifft nicht nur die Leistungsklage, sondern auch die auf sie folgende Zwangsvollstreckung in das Vermögen des VR54 und das Erwirken eines Mahnbescheids auf Leistung an den VN.55 Spiegelbildlich lässt sich formulieren, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des 22 § 45 Abs. 2 Erfüllungshandlungen des VR nur wirksam sind, wenn sie an den VN erfolgen. Zahlt der VR hingegen eine Kaskoentschädigung an den (Sicherungs-)Eigentümer, ohne dass ein Sicherungsschein vorliegt oder der VN zugestimmt hat, wird der VR nicht leistungsfrei, sofern der VN noch Inhaber des Versicherungsscheins ist.56 Nachdem der VR unberechtigt an den Eigentümer gezahlt hat, kann der VN Zahlung an sich verlangen.57
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Ausdrücklich OLG Hamm 24.7.2002 VersR 2003 190; HK-VVG/Muschner § 45 Rn. 2. Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Rn. 12; Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 5; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 5; Ritter/Abraham § 56 Anm. 3 f.; E. Lorenz VersR 1997 1267 f. So Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 12. Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 11.
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56 57
Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 4; Ritter/Abraham § 54 ADS Anm. 7; a.M. OLG Karlsruhe 5.5.1994 VersR 1995 1087, 1088; Prölss/Martin/Prölss § 76 Rn. 2: Annahme ist nur die Annahme im engsten Sinne des Wortes, nicht schon die auf die Annahme gerichtete Handlung; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 12. OLG Hamm 14.7.1986 VersR 1988 30. Langheid/Wandt/Dageförde § 45 Rn. 4.
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Unter „Übertragung der Rechte“ ist nicht nur die Vollabtretung, sondern auch Teilabtretung, Inkasso- und Sicherungszession sowie die Verpfändung oder die Bestellung eines Nießbrauchs zu verstehen.58 Das ergibt sich für die Inkassozession daraus, dass auch der VN, wenn er selbst einzieht, entweder im Besitz des Versicherungsscheins sein oder die Zustimmung des Versicherten haben muss. Die Sicherungsabtretung wirkt sich für den Versicherten nicht anders als die Vollabtretung aus. Wegen der Verwandtschaft mit der Sicherungszession ist auch die Verpfändung als Übertragung i.S.d. § 45 Abs. 2 anzusehen.59 Fasst man unter den Begriff der Übertragung schon die Verpfändung kann für die Bestellung eines Nießbrauchs an der Versicherungsforderung nichts anderes gelten.
D. Einzelfragen I. Verzicht 24
Der VN kann zugunsten des Versicherten auf seine Verfügungsbefugnis durch einseitige Erklärung gegenüber dem VR als Vertragspartner verzichten, da sie wie eine Belastung des Rechts des Versicherten wirkt.60 Das folgt aus ihrer Rechtsnatur als Einziehungsermächtigung. Verzichtet der VN, unterliegen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag der freien Verfügung ihres Inhabers, des Versicherten. Etwas anderes gilt, wenn die Verfügungsbefugnis dem VN ausdrücklich in AVB zugewiesen ist. Dann kann er ohne Zustimmung des VR nicht auf diese Befugnis verzichten.61 Verweigert der VR die Zustimmung, ist der Versicherte regelmäßig berechtigt, seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag selbst geltend zu machen.62 Erfolgt der Verzicht, was häufig der Fall sein wird, ohne Gegenleistung des Versicherten, so unterliegt er dennoch nicht der Anfechtung der Gläubiger des VN nach § 4 AnfG.63 Der VN hat mit dem Verzicht nichts aus seinem Vermögen gegeben, in das die Gläubiger hätten vollstrecken können. Die Erklärung des VN, er „trete die Rechtsposition aus dem Versicherungsvertrag an 25 den Versicherten ab“, bedarf der Umdeutung. Eine Abtretung im Rechtssinne ist nicht möglich: Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag kann der VN nicht abtreten, weil der Versicherte bereits von Gesetzes wegen ihr Inhaber ist, § 44 Abs. 1; die Verfügungsbefugnis des VN ist wegen ihrer Rechtsnatur nicht abtretbar (siehe unten Rn. 26). Die unwirksame Abtretung lässt sich entweder in einen Verzicht des VN auf die Verfügungsbefugnis64 oder in die Erteilung einer Zustimmung nach § 44 Abs. 2 65 umdeuten.
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Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 14; Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 4; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 45 Rn. 12. Nießen 75; Trautmann 28; Ehrenzweig 219. Langheid/Wandt/Dageförde § 45 Rn. 2; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 13; Anli 99, Corrodi 146; Ehrenzweig 219 Fn. 12; Kisch PVR III 490; Lenné 161; a.M. Ehrenberg 465. BGH 4.5.1964 BGHZ 41 327, 329; Loo-
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schelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 15; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 13. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 15. So schon zutreffend Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 30 zum Normvorgänger des § 3 Abs. 1 Nr. 3, 4 AnfG 1879. ÖOGH 29.11.2006 VersR 2008 283; OLG Köln 29.4.1997 VersR 1997 1222. OLG Hamm 19.4.1996 NZV 1996 412.
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II. Rechtsnachfolge Die Verfügungsbefugnis des VN hängt mit seiner Stellung als Vertragspartei untrenn- 26 bar zusammen und kann daher nicht abstrakt im Wege der Einzelrechtsnachfolge übertragen werden.66 Sie ist also weder pfändbar noch verpfändbar und damit nach § 400 BGB auch nicht abtretbar. Ist der VN nach § 45 Abs. 2 verfügungsbefugt, kann er allerdings einem Dritten eine Einzugsermächtigung erteilen. Vermag er ein eigenes schutzwürdiges Interesse nachzuweisen, kann der ermächtigte Dritte die Forderung anschließend im Wege gewillkürter Prozessstandschaft gerichtlich geltend machen. Bei Gesamtrechtsnachfolge geht die Verfügungsmacht nur dann auf einen anderen über, wenn dieser in die Rechtsstellung des VN im Ganzen eintritt. Das ist etwa bei einer Erbschaft der Fall, bei einem Erbschaftskauf nach § 2382 BGB, einem Rechtsübergang nach § 25 HGB oder bei der Verschmelzung einer AG.67 Mehrere Erben können die Verfügungsbefugnis nur gemeinschaftlich ausüben. Ist der Versicherte Erbe des VN, wandelt sich die Versicherung für fremde Rechnung in eine Eigenversicherung um.68 Bei Testamentsvollstreckung wird zumeist der Testamentsvollstrecker verfügungsbefugt sein. Das ist aber Frage des Einzelfalls, da die Funktion des Testamentsvollstreckers nicht einen ähnlich fest umrissenen Inhalt hat wie diejenige des Insolvenzverwalters.
III. Insolvenz Bei Insolvenz des VN ist entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht 69 nicht 27 dieser als Gemeinschuldner, sondern der Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO verfügungsbefugt, obwohl die Verfügungsbefugnis des VN nicht zur Masse gehört.70 Die Verfügungsmacht dient aber der Realisierung eines Vorzugsrechts zugunsten der Masse, so dass ihr Übergang auf den Insolvenzverwalter angemessen erscheint. Wäre dies nicht der Fall, könnte der VN sein Befriedigungsrecht aus § 46 S. 2 auch im Falle seiner Insolvenz noch zum Nachteil der Massegläubiger ausüben. Der Versicherte kann die Verfügungsmacht des Insolvenzverwalters aber überwinden, wenn er Zustimmung zur Eigenverfügung nach § 44 Abs. 2 verlangen kann.71 Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Versicherungsvertrags ab, wirkt die Ablehnung nach § 103 Abs. 2 S. 1 InsO auch gegen den Versicherten.72 Hinsichtlich der Entschädigungsforderung hat der Versicherte ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO. Dieses kann er im Wege der Feststellungsklage durchsetzen; es ändert an der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters nichts.73
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RG 14.11.1930 RGZ 130 237, 242; Bruck/ Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 28; Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 14; Anli 100; Ruscher 89. Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Rn. 29; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 14; Anli 100; Kisch PVR III 491. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 14. Rodiek 59; Thiel VersR 1955 726, 731.
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OLG Hamm 19.4.1996 NZV 1996 412; Berliner Kommentar/Hübsch § 76, Rn. 12; Nießen 217; Gundlach DZWiR 2000 309, 311; zur KO schon Kisch PVR III 492. Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Rn. 41. OLG Celle 8.10.1982 VersR 1986 1099 f.; Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 14. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 15.
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E. Zustimmungserfordernis (Abs. 3) 28
Um Wettversicherungen vorzubeugen (näher oben Rn. 3), ist der VR nur zur Leistung an den VN verpflichtet, der Versicherung für fremde Rechnung ohne den Willen des Versicherten genommen hat und durch den Besitz des Versicherungsscheins legitimiert ist, wenn der Versicherte seine Zustimmung zu der Versicherung erteilt hat, § 45 Abs. 3. Diese Regelung ist nur von Bedeutung, soweit der VN seine Legitimation aus dem Versicherungsschein ableitet. Ergibt sie sich aus der Zustimmung des Versicherten, hat dieser den Vertrag ohnehin gebilligt. Umgekehrt lässt sich dasselbe nicht sagen. Wer mit dem Vertrag einverstanden ist, hat damit noch nicht zugestimmt, dass der VN Verfügungen über die konkrete Versicherungsforderung vornimmt.74 29 Der VR kann die Zahlung vom Nachweis der Zustimmung des Versicherten abhängig machen, er muss es aber nicht. Solange der VN im Besitz des Versicherungsscheins ist, kann der VR vielmehr jederzeit mit befreiender Wirkung an ihn leisten, ohne sich die Zustimmung des Versicherten zur Auszahlung nachweisen lassen zu müssen.75 Verlangt der VR aber einen solchen Nachweis, wird der Anspruch auf Auszahlung der Entschädigung erst fällig, wenn eine Zustimmungserklärung abgegeben wurde.76 Auf den nach altem Recht maßgeblichen Zeitpunkt der Erbringung des Nachweises der Zustimmung durch den VN gegenüber dem VR kommt es aufgrund des geänderten Wortlauts des Abs. 3 (dazu oben Rn. 1) nicht mehr an.77 Das ist von Bedeutung für den Fall, dass der Versicherte die Zustimmung nicht dem VR, sondern dem VN gegenüber erklärt. Hier ist die Fälligkeit nach neuem Recht um den Zeitraum der Übermittlung der Erklärung des Versicherten vom VN an den VR vorverlegt. Der Wechsel des maßgeblichen Zeitpunkts macht den Nachweis als solchen praktisch aber nicht entbehrlich. Bestreitet der VR die Zustimmung des Versicherten, wenn der VN nach Eintritt des Versicherungsfalls Leistung an sich selbst verlangt, wird dieser die Zustimmung nach den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen müssen. 30 Für die Fälligkeit von Schadensabwendungskosten, die der VN oder der Versicherte aufgewendet haben, gelten die gleichen Grundsätze wie für die Fälligkeit der Entschädigung. Eine Zustimmung – und damit auch deren Nachweis – ist nicht erforderlich, wenn der VN gesetzlich verpflichtet ist, Versicherung zu nehmen.78 Der VR hat keine Möglichkeit, sicher zu stellen, dass die Entschädigung den Versicherten tatsächlich erreicht. Insb. kann er vom VN keinen Nachweis hierüber verlangen. Die Frage, wem die Versicherungssumme gebührt, ist letztlich eine Frage des Innenverhältnisses und steht nicht mit der Leistungspflicht des VR in Zusammenhang.79 31 Die Zustimmung ist eine empfangsbedüftige Willenserklärung, die keiner Form bedarf. Sie kann gegenüber dem VN oder dem VR, ausdrücklich oder konkludent, vor oder nach Vertragsschluss und auch noch nach dem Versicherungsfall erklärt und eingefordert werden.80 Als Zustimmung zur Versicherung ist auch eine Zustimmung zur Auszahlung
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Ehrenzweig 220. Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 15; Langheid/Wandt/Dageförde § 45 Rn. 7. So wohl Langheid/Wandt/Dageförde § 45 Rn. 7 unter Verweis auf LG Nürnberg-Fürth 17.11.1977 VersR 1978 73, 74. A.M. ohne Berücksichtigung des geänderten Wortlauts Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 17; unklar HK-VVG/Muschner § 45
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Rn. 8; zum alten Recht LG Nürnberg-Fürth 17.11.1977 VersR 1978 73, 74; LG Berlin 28.4.1994 RuS 1995 109, 110. Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 17; Ritter/Abraham § 53 ADS Anm. 14. OLG Hamm 14.7.1986 VersR 1988 30. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 16.
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der Entschädigung an den VN zu werten, die einige AVB vorsehen (z.B. B § 12 Ziff. 2 AERB 2008; B § 12 Ziff. 2 AFB 2008; B § 12 Ziff. 2 VHB 2008). Der VN hat die Zustimmung des Versicherten nachzuweisen.81 Der VR, der diesen 32 Nachweis verlangt, bestreitet damit qualifiziert die Aktivlegitimation des VN. In der Sachversicherung kann sich der VR nur dann auf § 45 Abs. 3 berufen, wenn er beweist, dass der VN nicht Eigentümer ist.82 War kein eigenes Interesse des VN an fremden Sachen mitversichert und gelingt dem VN der Nachweis der Zustimmung des VN nicht, gilt § 48.83
F. Bereicherungsausgleich I. Zahlung an den VN Hat der VR an den VN gezahlt, ohne zu wissen, dass ein Tatbestand vorliegt, der ihn 33 von der Leistungspflicht (teilweise) befreit (z.B. Zuvielzahlung, Vorhandensein primärer oder sekundärer Risikobeschränkungen; Vortäuschung eines Versicherungsfalles; Zahlung an den VN, ohne dass die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 vorliegen), kann er das Geleistete vom VN nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB herausverlangen, da der VR eine Verbindlichkeit aus dem Versicherungsvertrag tilgt.84 Hat der VR die Versicherungssumme noch nicht an den Versicherten ausgekehrt, ist Bereicherungsgegenstand der Anspruch, den der VN gegen den Versicherten erworben hat, da keine Verpflichtung zur Auskehrung besteht („Kondiktion der Kondiktion“). Unerheblich ist, ob der Versicherte seine Zustimmung erteilt hat oder nicht. Ein Ausschluss der Rückforderung gem. § 814 BGB besteht nur dann, wenn die Entschädigung in positiver Kenntnis der wahren Sachlage gezahlt wurde.85 Hat der VN die Entschädigung an den Versicherten ausgekehrt, so ist zu unter- 34 scheiden: War das Zuwendungsverhältnis, also das Innenverhältnis zwischen VN und Versichertem, Schenkung, so richtet sich der Bereicherungsanspruch des VR nach § 822 BGB gegen den Versicherten.86 Lag jedoch ein entgeltliches Zuwendungsverhältnis vor, steht dem Anspruch des VR gegen den VN auf Erstattung der vollen Entschädigung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB grundsätzlich § 818 Abs. 3 BGB entgegen. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn der VN sich aus der geleisteten Entschädigung gem. § 46 S. 2 befriedigt hat oder anderweitige Leistungen für die Geltendmachung der Versicherungsforderung erhalten hat. Dann liegt noch eine Bereicherung in seinem Vermögen vor. So kann die Bereicherung z.B. in der Entlohnung für die Beschaffung des Versicherungsschutzes bestehen oder darin, was der VN gegenüber dem Versicherten erspart hat, weil er sich mit der Besorgung der Versicherung Haftungsfreiheit verschafft hat (Kundenversicherung).87 Eine Berufung auf Entreicherung ist weiterhin nicht möglich, wenn der VN wusste, dass der VR nichts schuldete, und er gleichwohl die Versicherungsforderung eingezogen und den Erlös weitergeleitet hat. Hier geht seine Haftung wegen §§ 818 Abs. 4, 819 BGB trotz Entreicherung auf das ursprünglich Erlangte.
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Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 15. LG Berlin 28.4.1994 RuS 1995 109, 110. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 16. OLG Karlsruhe 17.11.1994 VersR 1995 1301; Nießen 122; Martin VersR 1976 242.
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BGH 2.11.1988 VersR 1989 74, 75; OLG Köln 19.11.1992 ZfS 1993 311. Ritter/Abraham § 53 ADS Anm. 17; Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 30. Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 53.
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Überhaupt kann der VR bei fehlender Auskehrungsverpflichtung des VN bei diesem gem. § 818 Abs. 2 den Wert der Entschädigungszahlung kondizieren, nicht etwa den Bereicherungsanspruch des VN gegen den Versicherten88 (zur Begründung siehe unten Rn. 35).
II. Zahlung an den Versicherten 35
Die Leistung an den Versicherten lässt sich mit den klassischen Lehrbuchfällen der abgekürzten Lieferung vergleichen: Regelmäßig hätte der VN die Leistung eingezogen und an den Versicherten weitergeleitet. Die unmittelbare Zahlung des VR an den Versicherten beschleunigt die Abwicklung und befreit den VN von seiner Auskehrungsverpflichtung gegenüber dem Versicherten. Hat der VR in einem solchen Fall an den Versicherten ohne rechtlichen Grund gezahlt und stimmt der einziehungsberechtigte VN der Zahlung zu, ist er selbst Bereicherungsschuldner, da der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Beziehung dann im Deckungsverhältnis liegt, und zwar unabhängig davon, ob der VN oder der Versicherte das Fehlen des rechtlichen Grundes verursacht hat.89 Gegenstand des Bereicherungsanspruchs des VR ist gem. § 818 Abs. 2 der Wert der Versicherungsleistung, nicht etwa die Abtretung des Kondiktionsanspruchs des VN gegen den Versicherten, der dem VN zusteht, da er dem Versicherten gegenüber nicht zur Ausschüttung verpflichtet wäre. Käme es nur zur Kondiktion der Kondiktion, wäre der VR mit dem Insolvenzrisiko des Versicherten belastet und sowohl dessen Einwendungen gegenüber dem VN (etwa einer Aufrechnung mit Forderungen, die er seinerseits gegen den VN hat 90) als auch den Einwendungen des VN gegen ihn selbst ausgesetzt. Dadurch wäre der VR über Gebühr belastet. Hat der VR hingegen an den Versicherten geleistet, obwohl die Verfügungsbefugnis 36 nach dem Vertrag dem VN zustand, und lässt dieser die Zahlung an den Versicherten nicht gegen sich gelten, kann und muss der VR direkt beim Versicherten kondizieren.91 Das ergibt sich schon daraus, dass der VR in einem solchen Fall selbst dann, wenn er zur Leistung verpflichtet wäre, nicht durch eine Zahlung an den Versicherten von seiner Leistungspflicht frei würde. Sonst würden die Rechte des VN aus §§ 45 Abs. 1, 46 umgangen. Entsprechend darf der VN in der Rückabwicklung auch nicht mit Bereicherungsansprüchen belastet werden. Wenn der VR an einen Versicherten gezahlt hat, der verfügungsbefugt war, sei es nach 37 § 44 Abs. 2 oder sei es an den Inhaber eines Sicherungsscheins, etwa einen Leasinggeber, richtet sich der Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB grundsätzlich dennoch gegen den VN und nicht gegen den Versicherten.92 Das ergibt sich daraus, dass VR und Versicherter übereinstimmend davon ausgehen, dass der VR mit der Zahlung die Verbindlichkeit aus dem Versicherungsvertrag erfüllen will. Etwas anderes muss aber gel-
88 89 90 91
92
So aber Prölss/Martin/Prölss § 75 Rn. 15; Kisch PVR III 503; Martin VersR 1976 242. Nießen 121. So zu Unrecht Nießen 124. Ritter/Abraham § 53 ADS Anm. 17; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 18; Nießen 122. BGH 10.3.1993 BGHZ 122 46, 49 ff.; BGH 14.7.1993 VersR 1993 1007; BGH 4.5.1994
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NJW-RR 1994 988; BGH 10.3.1993 VersR 1994 208, 209 mit zustimmender Anm. Nicolai JZ 1993 1118; Langheid/Wandt/ Dageförde § 45 Rn. 6; Looschelders/Pohlmann/Koch § 44 Rn. 30; a.M. OLG Karlsruhe 7.11.1991 VersR 1992 1463; LG München II 25.6.1991 RuS 1991 344; Prölss/Martin/Prölss § 75 Rn. 14.
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ten, wenn der Versicherte die Ursache für die Leistungsfreiheit des Versicherers gesetzt hat. Hier hat der VN, dessen Position als Vertragspartner durch das Zusammenfallen von Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis in der Person des Versicherten ohnehin schon geschwächt ist, keinen Einfluss mehr auf die Zahlung des VR. Diese kann nicht mehr als Leistung an ihn angesehen werden, sondern als eine solche an den Versicherten, so dass die (Direkt-)Kondiktion gegen diesen im Vollzugsverhältnis stattzufinden hat.93
G. Abdingbarkeit und verdrängendes Sonderrecht § 45 ist in allen drei Absätzen abdingbar. Für Abs. 3 folgt dies daraus, dass der VR 38 nach der gesetzlichen Bestimmung den Nachweis der Zustimmung des Versicherten zwar fordern kann, dies aber nicht muss. Deswegen muss er erst recht bei Abschluss des Versicherungsvertrags durch Vereinbarung auf das Erfordernis des Nachweises einer Zustimmung des Versicherten verzichten können.94 Der VR kann aber den Gegenbeweis führen, dass der VN die Entschädigung nicht an den Versicherten herauszugeben braucht, so dass eine versteckte Wettversicherung vorliegt.95 In der Praxis finden sich vor allem AVB, die von § 45 Abs. 2 zugunsten des VN 39 abweichen und bestimmen, dass er die Entschädigung auch annehmen und die Forderung abtreten kann, wenn er nicht im Besitz des Versicherungsscheins ist (z.B. B § 12 Ziff. 1 S. 3 AERB 2008; B § 12 Ziff. 1 S. 3 AFB 2008; F.2 S. 1 AKB 2008; Ziff. 12.1. AUB 2008; B § 12 Ziff. 1 S. 3 VHB 2008). Der Versicherungsschein verliert entsprechend seine Funktion als Legitimation für die Verfügungsmacht. Dahinter steht das Interesse des VR, im Versicherungsfall nur einer Partei gegenüber zu stehen, von einer Legitimationsprüfung entbunden zu sein und mit dem VN nicht als Zeuge in einem etwaigen Verfahren gegen den Versicherten konfrontiert zu sein. Letzteres könnte dem VR die Beweisführung erschweren.96 Die Abtretung führt dazu, dass der Zessionar die volle Rechtsstellung gegenüber dem VR erwirbt, nicht nur diejenige des VN; die Rechtsstellung des Versicherten geht unter.97 Obwohl solche Vereinbarungen die anomale Trennung der Rechtsinhaberschaft von 40 der Verfügungsmacht in der Versicherung für fremde Rechnung noch vertiefen, sind sie AGB-rechtlich nicht bedenklich. Der Versicherte erwirbt in solchen Fällen von vornherein nur ein eingeschränktes Recht, so dass ihm als Vertragsfremdem nichts genommen wird, was ihm nach dem Gesetz zustehen soll. Betroffen ist hingegen § 137 S. 1 BGB, der bestimmt, dass die Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches Recht nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen werden kann. Praktisch hat das jedoch keine Auswirkung.98 Nach § 137 S. 2 BGB bleiben vereinbarte Beschränkungen der Verfügungsmacht schuldrechtlich wirksam; daher kann sich der VR gem. § 334 BGB auf die Vereinbarung mit dem VN berufen, wenn der Versicherte Leistung verlangt.
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Dazu LG München II 25.6.1991 RuS 1991 344. Ebenso Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 24; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Hübsch § 45 Rn. 21. Ritter/Abraham § 53 ADS Anm. 15. Vgl. BGH 4.5.1964 BGHZ 41 327; Nießen 80.
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Looschelders/Pohlmann/Koch § 45 Rn. 23; Prölss/Martin/Prölss, § 76 Rn. 6; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 45 Rn. 20. Ebenso Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 49; Richter 32.
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Nach § 399 BGB zulässig und AGB-rechtlich unbedenklich sind auch Klauseln, nach denen der VN die Rechte gegen den VR bis zur Feststellung des genauen Umfangs dieser Ansprüche nicht oder nur mit Zustimmung des VR abtreten darf.99 Dadurch soll der VR ebenfalls davor geschützt werden, mit fremden Personen verhandeln zu müssen; weiterhin soll es ihm erspart bleiben, dem VN als Zeugen in einem Prozess gegen den Zessionar gegenüber zu stehen. In der Kraftfahrtunfallversicherung wird die Rechtsstellung des VN über § 45 Abs. 2 42 hinausgehend eingeschränkt. Hier benötigt er selbst dann die Zustimmung des Versicherten zur Auszahlung der Entschädigung, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist (§ 3 Abs. 2 S. 2 AKB100). Teilweise übertragen die AVB das Verfügungsrecht auf den Versicherten (§ 11 PKautV).101 In der Gruppenunfallversicherung kommt es vor, dass dem Versicherten durch Individualabrede das Recht eingeräumt ist, Versicherungsleistungen ohne Zustimmung des VN unmittelbar gegenüber dem VR geltend zu machen. Die §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 können auch zugunsten des Inhabers eines Sicherungsscheins abbedungen werden. Bei Nießbrauchsverhältnissen wird § 45 Abs. 1 und 2 durch vorrangiges Sonderrecht 43 verdrängt. Nach § 1046 Abs. 1 BGB hat bei der Versicherung des Nießbrauchers zugunsten des Eigentümers (§ 1045) weder der VN noch der Versicherte das alleinige Einziehungsrecht; vielmehr können nur beide zusammen über die Versicherungsforderung verfügen.102
H. Auslandsrecht/PEICL 44
Die Trennung zwischen Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis ist durchaus eine Besonderheit des deutschen Rechts. Andere Rechtsordnungen, etwa die französische (Art. 112-1 Abs. 3 CdA) oder die griechische (Geltung der allgemein-zivilrechtlichen Regelung für Verträge zugunsten Dritter, Art. 410–415 ZGB), lassen es bei den allgemein-zivilrechtlichen Vorschriften über den Vertrag zugunsten Dritter bewenden. So erwirbt der Versicherte in der Versicherung für fremde Rechnung einen Direktanspruch gegen den VR. Die PEICL regeln die Frage der Verfügungsbefugnis nicht. Nach dem Grundkonzept des Regelwerks (Art. 1:105 Abs. 2 PEICL) kommt es damit zur Anwendung der allgemeinen Regeln der PECL (dort Art. 6:110 Abs. 1), die für den Vertrag zugunsten Dritter die Verfügungsbefugnis dem Dritten, also dem Versicherten, zuweisen.
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Vgl. etwa Ziff. 28 AHB 2008; Ziff. A.2.14.2 AKB 2008; zum Normvorgänger der Ziff. 28 AHB 2008 BGH 26.3.1997 VersR 1997 1088, 1090 m. Anm. E. Lorenz; zum Abtretungsverbot in der Berufsunfähigkeitsversicherung Winter RuS 2001 133. Dazu BGH 14.12.1994 VersR 1995 332 f.
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Vgl. Koch Vertrauensschadenversicherung (2006) Rn. 541. Näher Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 50; MünchKomm-BGB/Pohlmann § 1046 Rn. 3; Kisch PVR III 512 f.; Lenné 105 f.
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§ 46
Rechte zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem
§ 46 Rechte zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, dem Versicherten oder, falls über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist, der Insolvenzmasse den Versicherungsschein auszuliefern, bevor er wegen seiner Ansprüche gegen den Versicherten in Bezug auf die versicherte Sache befriedigt ist. Er kann sich für diese Ansprüche aus der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer und nach deren Einziehung aus der Entschädigungssumme vor dem Versicherten und dessen Gläubigern befriedigen.
Schrifttum (vgl. auch Schrifttum Vor §§ 43–48) Langheid/Grote Deckungsfragen der D&O-Versicherung VersR 2005 1165; Möller Innenverhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer bei der Versicherung für fremde Rechnung VersR 1950 81; Sieg Rechtsverhältnisse bei erteiltem Sicherungsschein in der Kfz-Versicherung VersR 1953 219; Trautmann Das Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem bei der Versicherung für fremde Rechnung (1971); Tron Der Kraftfahrzeug-Sicherungsschein (1967).
Übersicht Rn. A. Normgeschichte . . . . . . . . . . . . B. Normzweck und -struktur . . . . . . . C. Rechtsverhältnis zwischen VN und Versichertem . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schuldverhältnis zwischen VN und Versichertem . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzliches Treuhandverhältnis . . . . D. Rechtspflichten des VN als Treuhänder I. Vor Eintritt des Versicherungsfalls . . . II. Nach Eintritt des Versicherungsfalls . . 1. Einziehungs- und Auskehrungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . b) Grenzen . . . . . . . . . . . . . .
. .
1 2
.
3
Rn.
E. I.
. 3 . 6 . 11 . 11 . 12
II.
F. G.
. 12 . 12 . 15
2. Auskunftsverpflichtung . . . . . 3. Verpflichtung zum Schadensersatz Rechte des VN nach § 46 . . . . . Zurückbehaltungsrecht (S. 1) . . . 1. Erfasste Ansprüche . . . . . . . 2. Voraussetzungen und Wirkungen Befriedigungsvorrecht (S. 2) . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . 2. Insolvenz des Versicherten . . . . 3. Insolvenz des VN . . . . . . . . Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . Auslandsrechte/PEICL . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
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A. Normgeschichte § 46 entspricht im Wesentlichen der Vorgängernorm des § 77 a.F, der seit dem 1 Inkrafttreten des VVG im Jahre 1908 unverändert gegolten hat. Regelungsvorbild ist die ursprüngliche Fassung des aufgehobenen § 888 HGB.1 Die Neukodifikation des § 77 a.F. von 2008 ersetzt lediglich den veralteten Rechtsbegriffs des „Konkurses“ im Tatbestand gegen den heute gebräuchlichen der „Insolvenz“.2
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Dazu Ritter/Abraham § 55 ADS Anm. 1, 2.
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Begr. RegE BTDrucks. 16/3945 73.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
B. Normzweck und -struktur 2
§ 46 ist eine Schutzvorschrift zugunsten des VN, die seine Rechtsstellung im Innen(oder Valuta-)Verhältnis zum Versicherten gegenüber den Regeln des bürgerlichen Rechts stärkt.3 Die Norm regelt nur einen eng begrenzten Teilbereich des Innenverhältnisses zwischen Versichertem und VN (näher dazu Vor §§ 43–48 Rn. 2): § 46 beschränkt sich darauf, dem VN ein Befriedigungs(vor)recht an der Versicherungsforderung einzuräumen (S. 2), soweit ihm „Ansprüche in Bezug auf die versicherte Sache“ zustehen. Dies gilt selbst für den Fall, dass über das Vermögen des Versicherten ein Insolvenzverfahren eröffnet ist. Diese Regelung beruht auf der Überlegung, dass die Versicherung nicht aus Mitteln des insolventen Versicherten, sondern aus denen des VN genommen worden ist. Um den VN in die Lage zu versetzen, das Vorzugsrecht nach S. 2 sicher ausüben zu können,4 gewährt S. 1 ihm ein besonderes Zurückbehaltungsrecht an dem Versicherungsschein, dem gem. §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 2 Legitimationswirkung hinsichtlich der Verfügungsbefugnis zukommt (vgl. § 44 Rn. 21 f. und § 45 Rn. 17). Solange der VR sein Zurückbehaltungsrecht nach § 46 S. 1 ausübt, kann der Versicherte nicht nach § 44 Abs. 2 über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag verfügen. Das Zurückbehaltungsrecht sollte nach dem Willen des historischen Gesetzgebers rein deklaratorischer Natur sein.5 Tatsächlich ist es dies aber nicht (unten Rn. 24 ff.).
C. Rechtsverhältnis zwischen VN und Versichertem I. Schuldverhältnis zwischen VN und Versichertem 3
Die Versicherung für fremde Rechnung ist ein atypischer Vertrag zugunsten Dritter (dazu Vor §§ 43–48 Rn. 14 f.). Nach den Vorstellungen des bürgerlichen Rechts über den Vertrag zugunsten Dritter ergibt sich der Rechtsgrund für die Zuwendung des Versprechensempfängers (hier des VN) an den Dritten (hier den Versicherten) aus dem Rechtsverhältnis, das zwischen Versprechensempfänger und Drittem besteht, dem sog. Innenverhältnis. Dieses Rechtsverhältnis kann auf ganz unterschiedlichen Rechtsgründen beruhen. Das VVG legt den Parteien bei der Versicherung für fremde Rechnung insoweit keine Beschränkungen auf. Versicherung für fremde Rechnung kann insb. auf Basis eines Vertrages zwischen Versichertem und VN genommen werden.6 Zu denken ist etwa an einen Auftrag, einen Speditions- oder Frachtvertrag, Kommission, einen Miet- oder Leasingvertrag, einen Dienst- oder Werkvertrag, eine Sicherungsübereignung oder einen Nießbrauch. Dieser Vertrag zwischen VN und Versichertem, der das „Motiv“ für den Abschluss der Versicherung für fremde Rechnung bildet, hat aber nur mittelbare Auswirkungen auf die Pflicht zur Inanspruchnahme des VR oder auf die Verteilung der Versicherungsleistungen zwischen VN und Versichertem (dazu unten Rn. 17). Aus ihm kann sich aber die Pflicht für den VN ergeben, überhaupt Versicherung für fremde Rechnung zu nehmen. Ein Schuldverhältnis, das den Abschluss Versicherung für fremde Rechnung motiviert, kann auch aus einer familiären Nähebeziehung heraus erwachsen.
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Begr. RegE BTDrucks. 16/3945, 73; Langheid/Wandt/Dageförde § 46 Rn. 1; Corrodi 151 f.; Nießen 181. Dazu Bruck/Möller/Sieg8 § 77 Anm. 1; Corrodi 151 f.
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Mot. zum VVG 150; ebenso Trautmann 113. Vgl. nur Beckmann/Matusche-Beckmann/ Armbrüster § 6 Rn. 110.
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Rechte zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem
§ 46
Entgegen der älteren Rechtsprechung7 muss zwischen VN und Versichertem nicht 4 zwingend ein Schuldverhältnis vorliegen.8 Nach einem Grundlagenurteil des BGH vom 7. Mai 1975 9 geht die Rechtsprechung und mit ihr der weit überwiegende Teil der Lehre davon aus, dass zwischen VN und Versichertem ein gesetzliches Treuhandverhältnis besteht (dazu unten Rn. 6 ff.). Fehlt ein anderweitiges Rechtsverhältnis zwischen VN und Versichertem, entscheidet allein das Treuhandverhältnis über den Interessenausgleich. Zuvor wollte das Schrifttum das Innenverhältnis zwischen VN und Versichertem auf Grundlage der Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) regeln.10 So sollte etwa der Halter eines Kraftfahrzeugs bei Abschluss einer Insassenunfallversicherung als Geschäftsführer ohne Auftrag für den Fahrgast tätig werden. Wäre dem so, hätte der Versicherte einen klagbaren Anspruch gegen den VN auf Auskehrung einer geleisteten Entschädigungszahlung.11 Der BGH verneint dies jetzt zutreffend.12 Eine Geschäftsführung ohne Auftrag kann 5 das Innenverhältnis von VN und Versichertem prägen, dies ist aber nicht automatisch der Fall, wenn keine anderweitigen schuldrechtlichen Beziehungen zwischen den Partien bestehen: Wer eine fremde Sache in der irrigen Meinung versichert, es handele sich um seine eigene, ist nach § 687 Abs. 1 BGB kein Geschäftsführer ohne Auftrag; der Versicherungsvertrag ist infolge Interessemangels inhaltslos. Eine Ausnahme gilt lediglich nach § 1959 BGB für Geschäfte des vorläufigen Erben vor der Ausschlagung; sie werden nach der Ausschlagung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag abgewickelt. VN bleibt der vorläufige Erbe, der endgültige Erbe wird Versicherter.13
II. Gesetzliches Treuhandverhältnis Das Innenverhältnis zwischen VN und Versichertem wird also unabhängig von einem 6 etwaig zusätzlich bestehenden Schuldverhältnis zwischen den Parteien durch ein gesetzliches Treuhandverhältnis eigener Art 14 bestimmt, das die Rechtsprechung aus den Grundsätzen von Treu und Glauben herleitet.15 Seiner Rechtsnatur nach ist dieses Treuhandverhältnis ein gesetzliches Schuldverhältnis, bei dessen Verletzung dem Versicherten Schadensersatz- und Auskunftsansprüche zustehen. Besteht ein motivierendes Schuldverhältnis zwischen VN und Versichertem, tritt dieses grundsätzlich unabhängig neben das Treuhandverhältnis;16 dieses kann allenfalls durch Vertragsbeziehungen zwischen VN und Versichertem modifiziert sein.17 Das ergibt sich einerseits daraus, dass der Ver-
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BGH 8.2.1960 BGHZ 32 44, 51; BAG 30.1.1958 VersR 1958 360; schon kritisch BGH 4.4.1973 VersR 1973 634. Ebenso Ritter/Abraham § 52 ADS Anm. 9. BGH 7.5.1975 BGHZ 64 260 = VersR 1975 703; dem folgend etwa Beckmann/MatuscheBeckmann/Armbrüster § 6 Rn. 111; Wandt Rn. 698 u.v.m. Z.B. BGH 8.2.1960 BGHZ 32 44; OLG Oldenburg 2.12.1964 VersR 1975 68; Millauer 81; im Überblick Bruck/Möller/ Sieg 8 § 77 Anm. 23; zu den Bedenken gegen diese Auffassung Nießen 141. BGH 8.2.1990 BGHZ 32 44, 51; Langheid/Wandt/Dageförde § 46 Rn. 5.
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BGH 7.5.1975 BGHZ 64 260 = VersR 1975 703. Bruck/Möller/Sieg 8 § 77 Anm. 23. Zur Abgrenzung gegenüber vertraglichen und gesetzlichen Treuhandverhältnissen Nießen 151 f. OLG Köln 18.10.1989 VersR 1990 847, 848; Prölss/Martin/Prölss § 76 Rn. 1. OLG Köln 18.10.1989 VersR 1990 847, 848; Berliner Kommentar/Hübsch § 77 Rn. 2. BGH 12.12.1990 BGHZ 113 151 = VersR 1991 299 = NJW 1991 1055; BAG 17.6.1997 NZA 1998 376, 377; Langheid/Wandt/ Dageförde § 46 Rn. 6.
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sicherte sich die Einwendungen aus dem motivierenden Rechtsverhältnis entgegenhalten lassen muss, die der VN daraus herleiten kann (näher unten Rn. 13).18 Andererseits kann auch die Motivation des anderen Rechtsverhältnisses, etwa das Genügen einer (arbeitsrechtlichen) Fürsorgepflicht des VN gegenüber dem Versicherten, das Treuhandverhältnis beeinflussen.19 Häufig wird es freilich so sein, dass das von der Rechtsprechung des BGH ausgeformte Treuhandverhältnis gegenüber anderweitigen Rechtsbeziehungen zwischen ihnen vorrangig über Rechte und Pflichten der Parteien im Innenverhältnis bestimmt. Das gesetzliche Treuhandverhältnis hat die Wirkung, dass der VN seine Verfügungsbefugnis nach § 45 Abs. 1, 2 über die Rechte des Versicherten aus dem Versicherungsvertrag nur zu treuen Händen geltend machen kann. Die Treuhänderstellung des VN bezieht sich insb. auf den Anspruch des Versicherten auf Gefahrtragung durch den VR, nach Eintritt des Versicherungsfalls auf den Entschädigungsanspruch und nach Auszahlung der Versicherungsleistung an den VN auf die Entschädigungssumme. Wird diese auf ein Girokonto des VN überwiesen, handelt es sich um Treugut, dass nicht in einen Saldo einbezogen werden darf und an dem das Kreditinstitut kein (vertragliches) Pfandrecht erwirbt.20 § 46 beschränkt das gesetzliche Treuhandverhältnis zwischen VN und Versichertem, indem die Vorschrift in S. 1 bestimmt, dass der VN nicht verpflichtet ist, dem Versicherten bzw. dessen Insolvenzverwalter den Versicherungsschein auszuliefern, bevor er wegen seiner Ansprüche gegen den Versicherten in Bezug auf die versicherte Sache befriedigt ist (näher unten Rn. 20 f.). Er kann sich aus der Entschädigungsforderung bzw. nach deren Einziehung vor dem Versicherten und dessen Gläubigern befriedigen, S. 2. Im Umkehrschluss aus § 46 folgt positiv, dass ein Herausgabeanspruch immer dann besteht, wenn der VN keine Ansprüche (mehr) gegen den Versicherten hat.21 Das gesetzliche Treuhandverhältnis zwischen VN und Versichertem bestimmt auch, an wen die Versicherungssumme herauszugeben ist. Dies ist regelmäßig der VN.22 Auch im Anwendungsbereich des § 179 Abs. 2 sind für die Frage der Berechtigung an der Versicherungsleistung nur die Rechtsbeziehungen zwischen VN und Versichertem maßgebend. Fehlt es an der schriftlichen Einwilligung des Dritten, gilt die Versicherung nach Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift im Zweifel als für Rechnung des anderen genommen (dazu § 43 Rn. 70). Neben der Verteilung des Versicherungserlöses regelt das gesetzliche Treuhandverhältnis auch die übrigen Pflichten, welche VN und Versicherter gegeneinander haben. Dazu zählt insb. die Pflicht, sich im Vorfeld der Auszahlung wechselseitig bei der Geltendmachung gegenüber dem VR beizustehen.
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BAG 21.2.1990 NZA 1990 701, 702. BGH 7.5.1975 BGHZ 64 260 = VersR 1975 703. OLG Düsseldorf 9.7.1985 VersR 1986 269 = NJW 1986 62 f.
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Langheid/Wandt/Dageförde § 76 Rn. 7. Langheid/Wandt/Dageförde § 76 Rn. 7.
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D. Rechtspflichten des VN als Treuhänder I. Vor Eintritt des Versicherungsfalls Bis zum Eintritt eines Versicherungsfalls kann der VN grundsätzlich frei über das Ver- 11 sicherungsverhältnis und dessen Fortbestand verfügen, es sei denn aus einem Schuldverhältnis, das zwischen ihm und dem VN besteht, ergibt sich etwas anderes.23 Trifft der VN Verfügungen, die für den Versicherten nachteilig sind, hat er ggf. Schadensersatzansprüche aus dem betreffenden Schuldverhältnis zu gewärtigen (z.B. Dienstvertrag bei der D&O-Versicherung).24
II. Nach Eintritt des Versicherungsfalls 1. Einziehungs- und Auskehrungsverpflichtung a) Grundlagen. Nach Eintritt des Versicherungsfalls ist der VN nicht mehr uneinge- 12 schränkt frei. Er muss die Pflichten beachten, die ihn aus dem gesetzlichen Treuhandverhältnis treffen. Vornehmlich ist der VN treuhänderisch verpflichtet, den Anspruch gegenüber dem VR geltend zu machen,25 den ihm nicht zustehenden Entschädigungsbetrag einzuziehen 26 und an den Geschädigten auszukehren.27 Die Auskehrungspflicht erstreckt sich auch auf solche Leistungen des VR, die aus Kulanz geflossen sind.28 Wird neben dem fremden auch ein eigenes Interesse des VN in einer kombinierten Eigen-/ Fremdversicherung gedeckt, hat der VN kein bevorzugtes Befriedigungsrecht. Vielmehr gebieten die Rücksichtnahmepflichten, die er aus dem gesetzlichen Treuhandverhältnis gegenüber dem Versicherten hat, dass er, der VN, denjenigen Bruchteil der Entschädigungssumme an den Versicherten herauszugeben hat, der dem Anteil des Schadens am Gesamtschaden entspricht, den der Versicherte erlitten hat.29 Etwas anderes gilt nur, wenn der VN im Auftrag eines anderen Versicherung für Rechnung wen es angeht nach § 48 genommen hat. Hier herrscht keine Klarheit darüber, ob ein gesetzliches Treuhandverhältnis überhaupt besteht, da auch eigenes Interesse versichert sein kann (dazu § 48 Rn. 24 ff.). Eine Verpflichtung des VN, die erlangte Versicherungssumme auszukehren, besteht in einen solchen Fall entsprechend nur, wenn sie sich aus einem anderweitigen Rechtsverhältnis zwischen VN und Versichertem ergibt.30
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BGH 7.5.1975 BGHZ 64 261, 264 = VersR 1975 703, 704 f.; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch §§ 43 bis 48 VVG Rn. 13. Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 3. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch §§ 43 bis 48 VVG Rn. 14; a.M. BGH 29.4.1998 NJW 1998 2449, 2450. OLG Bremen 29.11.1977 VersR 1978 315; Langheid/Wandt/Dageförde § 76 Rn. 7; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch §§ 43 bis 48 VVG Rn. 14; Beckmann/MatuscheBeckmann/Armbrüster § 6 Rn. 111; unklar Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 2 und 4.
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BAG 17.6.1997 NZA 1998 376, 377; OLG Oldenburg 6.12.1995 VersR 1996 1364, 1366. ÖOGH 5.8.2003 VersR 2005 1267. OLG Karlsruhe 17.12.1975 VersR 1976 239, 240; OLG Bremen 29.11.1977 VersR 1978 315; 316; OLG Hamm 3.1.2008 ZMR 2008 401, 402; Berliner Kommentar/Hübsch § 77 Rn. 6; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster § 6 Rn. 113. BGH 16.11.1967 VersR 1968 42; Looschelders/Pohlmann/Koch § 76 Rn. 2.
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Mit dem Tod des Versicherten geht der Einziehungs- und Auskehrungsanspruch auf seine Erben über.31 Abtretung der Versicherungsforderung kann der Versicherte nicht verlangen.32 Einwendungen des VN aus dem motivierenden Schuldverhältnis muss sich der Ver13 sicherte entgegenhalten lassen. Dies betrifft zum einen Gegenrechte aus einem zwischen dem VN und dem Versicherten bestehenden schuldrechtlichen Vertrag. Dazu zählt auch die Frage, ob der (zur Geltendmachung seiner Ansprüche befugte) Versicherte die Versicherungsleistung in einer bestimmten Weise verwenden darf.33 Zum anderen kann der VN – vorbehaltlich abweichender vertraglicher Abreden – gegenüber dem Anspruch des Versicherten auf Auskehrung der vom VR gezahlten Entschädigung mit (sonstigen) eigenen Ansprüchen gegen den Versicherten aufrechnen. Ist der VN dem Versicherten aus demselben Unfall zum Schadensersatz verpflichtet, 14 ist er berechtigt, eine Tilgungsbestimmung dahingehend zu treffen, dass die Entschädigungsleistung auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen ist.34 Der VN kann auch die Anrechnung auf Schadensersatzansprüche des Versicherten gegen Dritte anordnen, wenn er am Schutz des Dritten ein berechtigtes Interesse hat. Die Anrechnung oder wenigstens deren Vorbehalt muss dabei spätestens bei Auszahlung erklärt sein.35 Etwas anders gilt in der Gruppenunfallversicherung, für die nach § 179 Abs. 2 vermutet wird, dass es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung handelt. Hier steht der Schutzzweck einer zugunsten der Arbeitnehmer abgeschlossenen Versicherung, mit welcher der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht genügen will, der Anrechnung der Entschädigungsleistung auf eine vom Arbeitgeber geleistete Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entgegen.36
15
b) Grenzen. Ob der VN die Versicherung in jedem Fall in Anspruch nehmen oder eine eingezogene Entschädigungsleistung an den Versicherten auskehren muss, richtet sich danach, ob ein Fall der obligatorischen oder der freiwilligen Versicherung vorliegt. Ist der VN kraft Gesetzes verpflichtet, Versicherung für fremde Rechnung zu nehmen 16 (dazu auch Vor §§ 43–48 Rn. 35), muss er die Versicherung stets zugunsten des Versicherten in Anspruch nehmen.37 Hier steht der Schutz des Dritten (Versicherten) so stark im Vordergrund, dass das Recht auf eigennützige Motive des VN keine Rücksicht nehmen kann. Es steht diesem allerdings frei, dem Versicherten die Verfügungsbefugnis über dessen Anspruch zu übertragen.38 Teilweise ist der Versicherte parallel ermächtigt, die Rechte aus der Pflichtversicherung geltend zu machen (z.B. § 2 Abs. 3 KfzPflVV, § 10 Abs. 4 AKB). Selbst wenn der Versicherte einen „sicheren Anspruch“ auf Ersatz seines Schadens hat – sei es gegenüber dem eigenen Haftpflichtversicherer, sei es gegenüber dem VR eines Dritten –, befreit dies den VN in der obligatorischen Versicherung nicht von seiner Einziehungs- und Auskehrungspflicht. Anders liegt der Fall in der freiwilligen Versicherung. Hier ist der VN nicht zwingend 17 aus dem gesetzlichen Treuhandverhältnis verpflichtet, die Versicherung in Anspruch zu
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BAG 21.2.1990 NZA 1990 701, 702. BGH 27.5.1998 NJW 1998 2537, 2538; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch §§ 43 bis 48 VVG Rn. 18. BGH 12.2.1985 VersR 1985 679; Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 5. BGH 9.1.1981 VersR 1981 447; BGH 7.5.1975 BGHZ 64 260, 265 = VersR 1975
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703, 704 f.; Prölss/Martin/Prölss § 77 Rn. 8. BGH 13.1.1981 VersR 1981 447. BAG 17.6.1997 NZA 1998 376, 377. BGH 7.11.1995 BGHZ 131 151, 155; Prölss/Martin/Prölss § 77 Rn. 7. Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 9; Martin VersR 1976 239, 240.
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nehmen, wenn der Versicherte über einen eigenen sicheren Anspruch verfügt.39 In diesem Fall ist der Versicherte nicht schutzbedürftig. Dem VN ist es folglich nicht zumutbar, die Nachteile, die mit einer Inanspruchnahme des VR in Form von Rabattverlusten, Prämienerhöhungen oder gar einer Kündigung verbunden sind, in Kauf zu nehmen. Bei kombinierter Eigen-/Fremdversicherung droht ihm sogar die Kürzung der eigenen Entschädigung. Das gleiche gilt, wenn dem VN ein Recht zur Aufrechnung 40 oder Anrechnung 41 zusteht. So wird für die Insassenunfallversicherung angenommen, dass der VN gegenüber dem Anspruch des Versicherten (verletzter Fahrzeuginsasse) auf Auskehrung der vom VR gezahlten Entschädigung mit einer eigenen Schadensersatzforderung aufrechnen kann, die ihm gegen den Versicherten aus demselben Ereignis zusteht.42 In einem solchen Fall würde der Versicherte gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn er vom VN verlangen würde, dass dieser ihm zunächst die erlangte Versicherungssumme unverzüglich aushändigt, um erst dann seine Forderung gegen den Versicherten geltend zu machen. Auch ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien kann den Anspruch auf Auskehrung der Versicherungssumme modifizieren. So kann beim Nießbrauch der VN vom Versicherten verlangen, dass die erlangte Versicherungssumme zur Wiederherstellung der Sache oder zur Beschaffung von Ersatz verwendet wird.43 Man wird aber aus diesen Ausnahmefällen nicht schließen können, dass der VN bei freiwilliger Versicherung aus dem gesetzlichen Treuhandverhältnis überhaupt nicht zur Auskehrung etc. verpflichtet ist.44 Das gesetzliche Treuhandverhältnis ist ein Wesensmerkmal des Innenverhältnisses bei der Versicherung für fremde Rechnung, nicht nur eine Besonderheit in Fällen, wo eine Pflicht des VN besteht, Versicherung für fremde Rechnung zu nehmen. Besteht etwa eine besondere Vertrauensbeziehung zwischen dem VN und dem Versicherten, kann das eigennützige Motive des VN ausblenden. Das ist insb. bei der Mitversicherung von Familienangehörigen in der Privathaftpflicht- oder Hausratsversicherung der Fall. Hier sichern sich die Angehörigen im Vertrauen auf den bestehenden Versicherungsschutz nicht selbst ab, oder können dies wegen Minderjährigkeit gar nicht tun. Der VN ist entsprechend kraft des bestehenden Treuhandverhältnisses zwischen ihm und seinen Angehörigen verpflichtet, die Versicherung in Anspruch zu nehmen und die erlangte Versicherungsleistung auszukehren.45 Das Treuhandverhältnis fällt erst fort, wenn der Versicherte nach § 44 Abs. 2 zur Verfügung über seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag befugt ist.46 2. Auskunftsverpflichtung Zur Sicherung des Herausgabeanspruchs kann der Versicherte – sowohl bei der frei- 18 willigen als auch bei der obligatorischen Versicherung für fremde Rechnung – aus dem Treuhandverhältnis zum VN Auskunft über Existenz und Inhalt der Versicherung ver39
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BGH 7.5.1975 BGHZ 64 260, 267 = VersR 1975, 703, 704 f.; OLG Karlsruhe 12.7.1975 VersR 1976 239, 240; Prölss/ Martin/Prölss § 77 Rn. 9; Zuther VersR 1975 1114. Langheid/Wandt/Dageförde § 46 Rn. 11; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 46 Rn. 23. Dazu ausführlich Schwintowski/ Brömmelmeyer/Hübsch § 46 Rn. 24–26.
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BGH 7.5.1975 BGHZ 64 260, 265 = VersR 1975, 703, 704 f. Vgl. Kisch PVR III 538. So aber Looschelders/Koch/Pohlmann § 46 Rn. 10; einschränkend auch Deutsch Versicherungsvertragsrecht Rn. 100; immerhin kritisch Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 22. Ebenso Nießen 161. Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster § 6 Rn. 118.
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langen.47 Hat ein Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer eine Gruppenunfallversicherung abgeschlossen und hat er ihnen in einer Vereinbarung mit dem VR das Recht eingeräumt, Versicherungsleistungen ohne seine Zustimmung unmittelbar gegenüber dem VR geltend zu machen, so hat er die betroffenen Arbeitnehmer unaufgefordert, d.h. von sich aus von dieser Vereinbarung zu unterrichten.48 Neben die treuhänderische Auskunftspflicht kann eine vertragliche Auskunftspflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB treten.49 So kann der VN verpflichtet sein, den Versicherten darüber zu unterrichten, bei wem er Versicherung genommen und welchen Inhalt der Vertrag hat.50 Wurde der VN beauftragt, Versicherung für fremde Rechnung zu nehmen, hat der Versicherte einen Anspruch auf Benachrichtigung, Auskunft und Rechnungslegung aus § 666 BGB. 3. Verpflichtung zum Schadensersatz
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Versäumt es der VN, nach Eintritt des Versicherungsfalls seiner Einziehungs- oder Auskehrungspflicht zu genügen, verzichtet er auf die Rechte des VN oder trifft er mit dem VR eine Vereinbarung im Hinblick auf die Höhe der Entschädigungsforderung, die für den Versicherten nachteilig ist, kann diesem ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des gesetzlichen Treuhandverhältnisses zustehen.51 Anspruchsgrundlage ist unmittelbar das gesetzliche Treuhandverhältnis i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB, da das Treuhandverhältnis ein gesetzliches Schuldverhältnis ist.52 Das gilt auch dann, wenn der VN dem Versicherten gegenüber nicht zum Abschluss des Versicherungsvertrags verpflichtet war. Insoweit dies bestritten wird,53 liegt dem ein Fehlverständnis über die Reichweite des gesetzlichen Treuhandverhältnisses zugrunde (vgl. oben Rn. 17). Dem Versicherten kann auch dann ein Schadensersatzanspruch aus dem gesetzlichen Treuhandverhältnis zustehen, wenn der VN eine Obliegenheit verletzt oder einen subjektiven Risikoausschluss erfüllt (z.B. § 81) und der Versicherte dadurch seinen Anspruch verliert,54 wenn er eine Frist zur Geltendmachung der Versicherungsforderung versäumt,55 er die Forderung nicht an den Versicherten weiterleitet, sondern an den VR zurück überweist,56 oder wenn der VN mit dem VR kollusiv zum Nachteil des Versicherten zusammenwirkt, indem dieser etwa die Versicherungssumme an den VN in dem sicheren Wissen auskehrt, dass letzterer die Summe nicht an den Versicherten weiterleiten wird.57 Ferner kann der Versicherte vom VN Schadensersatz verlangen, wenn dieser eine Auskunftspflicht verletzt und der Versicherte selbst für Versicherungsschutz sorgt,
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BGH 12.6.1991 VersR 1994 1101 = NJW 1991 3031, 3032; BGH 12.12.1990 BGHZ 113 151, 154 = VersR 1991 299, 300 f.; Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 12; Römer/Langheid/Römer § 77 Rn. 6; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster § 6 Rn. 111; a.M. LG Bonn 24.10.1975 VersR 1976 260. BAG 26.7.2007 NJOZ 2008 3171. Vgl. auch Bruck/Möller/Sieg 8 § 77 Anm. 30; Nießen 173. LG Wiesbaden 26.3.1968 VersR 1969 824. BGH 23.4.1963 VersR 1963 521, 522; ÖOGH VR 1956 109, 111; OLG Köln 18.10.1989 VersR 1990 847, 848; a.M. KG 29.7.1954 VersR 1954 454.
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Prölss/Martin/Prölss § 77 Rn. 5; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster § 6 Rn. 116. Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 13. BGH 10.10.1985 VersR 1986 285, 286; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 46 Rn. 28. BAG 26.7.2007 NJOZ 2008 3171, 3177 f. OLG Köln 18.10.1989 VersR 1990 847; HK-VVG/Muschner § 46 Rn. 4. OLG Hamm 12.9.2001 RuS 2002 146; LG Berlin 15.9.1983 VersR 1984 250; Prölss/Martin/Prölss § 77 Rn. 5; Römer/ Langheid/Römer § 77 Rn. 7; Schwan 71; a.M. Nießen 179.
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Rechte zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem
§ 46
weil er von der Versicherung für fremde Rechnung nichts weiß.58 Hinsichtlich des Verschuldens des VN im Rahmen des Anspruchs des Versicherten auf Schadensersatz gelten die allgemeinen Regeln der §§ 276, 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Ist der VN im Rahmen einer freiwilligen Versicherung für fremde Rechnung verpflichtet, die Ansprüche des Versicherten geltend zu machen, haftet er bei der Verletzung dieser Pflicht privilegiert analog § 521 BGB.59 Bei freiwilliger Mitversicherung von Familienangehörigen haftet der VN aufgrund derselben Überlegung analog der familienrechtlichen Bestimmungen (§§ 1359, 1664 BGB) nur für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten. Liegen die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung vor, kann sich der Versicherte dem VN gegenüber auch auf § 826 BGB berufen.60 Besteht zwischen ihm und dem VN neben dem Treuhandverhältnis noch ein Schuldverhältnis, kann der Versicherte zusätzlich aus diesem Rechtsverhältnis Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB verlangen.61
E. Rechte des VN nach § 46 I. Zurückbehaltungsrecht (S. 1) Nach § 46 S. 1 muss der VN den Versicherungsschein an den Versicherten nur 20 herausgeben, wenn er wegen seiner Ansprüche, die ihm in Bezug auf die versicherte Sache zustehen, befriedigt worden ist. § 46 begründet ein Zurückbehaltungsrecht des VN gegenüber dem Anspruch des Versicherten auf Herausgabe des Versicherungsscheins. Dieser Anspruch ergibt sich nicht aus dem gesetzlichen Treuhandverhältnis zwischen VN und Versichertem, wie die Existenz der Regel des § 44 Abs. 1 S. 2 belegt. Er besteht nur, wenn ein weiteres Schuldverhältnis zwischen beiden dies anordnet.62 Ein Anspruch des Versicherten auf Übermittlung des Versicherungsscheins geht also entgegen dem Wortlaut des § 46 S. 1 („ist nicht verpflichtet“) nicht unter, sondern ist nur einredebehaftet. Wegen der in zahlreichen AVB geregelten (ausschließlichen) Einziehungsbefugnis des VN hat das Zurückbehaltungsrecht nach § 46 S. 1 nur eine geringe praktische Bedeutung. 1. Erfasste Ansprüche Bei den Ansprüchen, gegen die der VN das Zurückbehaltungsrecht geltend machen 21 kann, muss es sich um Ansprüche aus dem Innenverhältnis zwischen VN und Versichertem handeln.63 Bei einem Lagerhalter kommen als solche etwa die Ansprüche auf das Lagergeld und den Ersatz der Auslagen für den Versicherungsschutz (z.B. Provisionen für die Versicherungnahme, Steuerauslagen etc.) in Betracht. Ist das Innenverhältnis als Auftrag, Geschäftsbesorgung oder Geschäftsführung ohne Auftrag im Sinne des § 683 BGB
58 59
60 61
Bruck/Möller/Sieg 8 § 77 Anm. 32; Kisch PVR III 533 f. Nießen 176; noch unter Annahme einer GoA im Verhältnis VN – Versicherter: BGH 8.2.1960 BGHZ 32 44, 52. LG Berlin 15.9.1983 VersR 1984 250, 251 f.; Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 13. BGH 23.4.1963 VersR 1963 521, 522 f.;
62 63
BGH 10.10.1985 VersR 1986 285, 286; KG 29.7.1954 VersR 1954 454. Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster § 6 Rn. 115. Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 15; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 46 Rn. 2.
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§ 46
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
zu qualifizieren, können sich Ansprüche auf Grundlage von § 670 BGB ergeben. Dabei ist es gleichgültig, ob die fremdnützige Geschäftsbesorgung selbständig besteht oder in umfassendere Rechtsverhältnisse (z.B. Kommission, Frachtgeschäft, Lagergeschäft, Kauf, Werkvertrag, Übertragung der Vermögensverwaltung durch einen Ehegatten auf den anderen) eingebettet ist. Ansprüche können sich auch aus dem Gesellschaftsrecht ergeben, etwa wenn ein Verein Versicherung für seine Mitglieder nimmt. Ist der Versicherte vertraglich oder kraft Gesetzes zum Ersatz verpflichtet, geht der Anspruch des VN nicht unter, wenn der Versicherte die Versicherungsleistung nach § 333 BGB zurückweist.64 § 46 S. 1 gilt auch, wenn Gläubiger des Versicherten dessen Ansprüche aus dem Innenverhältnis zum VN haben pfänden lassen.65 Ihnen können nicht mehr Rechte zustehen als dem Versicherten selbst. Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht 66 besteht das Zurückbehaltungs22 recht des VN aus § 46 S. 1 auch wegen solchen Ansprüchen des VN, die nichts mit dem Versicherungsverhältnis zu tun haben, aber einen Bezug zur versicherten Sache haben. Zu denken ist etwa an eine Forderung, für welche die versicherte Sache als Gegenstand eines Pfandrechts haftet im Gegensatz etwa zum Anspruch auf Erstattung gezahlter Prämien).67 Dafür spricht vor allem der Wortlaut des § 46 S. 1. Anders als § 273 Abs. 1 BGB, der einschränkend von „demselben rechtlichen Verhältnis spricht“, aus dem die fraglichen Ansprüche herrühren müssen, lässt § 46 S. 1 Ansprüche mit „Bezug zur versicherten Sache“ genügen. Praktisch ist diese Auslegungsfrage bisher nicht relevant geworden. Dass dieser abweichende Wortlaut historisch bedingt ist (Herkunft aus dem ehemaligen § 888 S. 1 HGB) und im HGB vor 1908 möglicherweise anders zu lesen war, ist insofern unbeachtlich, da der Reformgesetzgeber von 2008 den Wortlaut überarbeitet, also in seinen Willen aufgenommen, den „Bezug zur versicherten Sache“ aber unverändert gelassen hat. Es ist allerdings anzumerken, dass der Wortlaut zu eng geraten ist. Da die Regelung des § 46 S. 1 jetzt Bestandteil der allgemeinen Bestimmungen des VVG ist, hätte sich statt des Bezugs zur „versicherten Sache“ der Bezug zum „versicherten Interesse“ als Anknüpfungspunkt angeboten. Die Vorschrift ist entsprechend zu lesen.68 An einem Anspruch mangelt es, wenn das Innenverhältnis Schenkung ist (vgl. auch 23 § 685 BGB) oder einen bestimmten familienrechtlichen Hintergrund hat (z.B. wenn der gesetzliche Vertreter im eigenen Namen Sachen seines Kindes für dessen Rechnung versichert, um dem Kind die Prämien zu ersparen). 2. Voraussetzungen und Wirkungen
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Anders als § 273 Abs. 1 BGB setzt § 46 S. 1 nicht voraus, dass der Anspruch des VN fällig ist.69 Das würde der Interessenlage nicht entsprechen, da die Ansprüche des VN aus dem Innenverhältnis oft erst in der Zukunft entstehen. Sein Schutz wäre lückenhaft, hinge er von der Fälligkeit ab. Dass § 46 S. 2, der auf die Ansprüche in S. 1 Bezug
64 65 66 67
Bruck/Möller/Sieg 8 § 77 Anm. 2. Ritter/Abraham § 55 ADS Anm. 8. Prölss/Martin/Prölss § 77 Rn. 12; Ritter/Abraham § 55 ADS Anm. 4. Wie hier Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 15; Kisch PVR III 546; unklar Bruck/ Möller/Sieg 8 § 77 Anm. 11; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Hübsch § 46 Rn. 2; a.M. HK-VVG/Muschner § 46 Rn. 6.
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So auch Nießen 183; Ruscher 57; a.M. Thiel VersR 1955 726, 728. Bruck/Möller/Sieg 8 § 77 Anm. 11; Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 15; Ehrenzweig 222; Trautmann 115; a.M. Ritter/Abraham § 55 ADS Anm. 5; Lenné 193.
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Rechte zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem
§ 46
nimmt, nur fällige Ansprüche meinen kann, ist unerheblich, da in S. 2 nur ein Ausschnitt der von S. 1 erfassten Sachverhalte geregelt wird. Das Zurückbehaltungsrecht nach S. 1 setzt voraus, dass ein Anspruch des Versicherten gegen den VN auf Herausgabe des Versicherungsscheins besteht. Ein solcher Anspruch kann sich nur aus dem Innenverhältnis zwischen VN und Versichertem ergeben. Lässt sich aus diesem Verhältnis kein Anspruch herleiten, kann der VN bereits deswegen die Herausgabe des Versicherungsscheins verweigern. § 46 S. 1 ist dann nicht anwendbar – einer Anwendung bedarf es auch nicht. Das Zurückbehaltungsrecht nach § 46 S. 1 kann abweichend von § 273 Abs. 3 BGB nicht durch Sicherheitsleistung abgewendet werden.70 Das ergibt sich aus der engen Verbindung des Zurückbehaltungsrechts mit dem Befriedigungsvorrecht aus S. 2. Diese Verbindung lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber auf eine zügige Erledigung des Innenverhältnisses abzielt. Eine Abwendungsbefugnis des Versicherten stünde dem im Wege. Außerdem ließe sich die Höhe der Sicherheitsleistung im Gegensatz zu § 273 Abs. 3 BGB möglicherweise nicht immer mit hinreichender Sicherheit (z.B. hinsichtlich der Zinsen) bestimmen, da die Ansprüche des VN, um die es in § 46 S. 1 geht, nicht zwingend fällig sein müssen. Obwohl der Wortlaut des § 46 den Zusammenhang verdunkelt, ergeben sich die Wirkungen des Zurückbehaltungsrechts nach § 46 S. 1 aus § 274 BGB. Der VN gewinnt eine Einrede, deren Voraussetzungen er im Prozess beweisen muss. Beruft sich der VN erfolgreich auf sein Zurückbehaltungsrecht, führt dies zur Verurteilung Zug um Zug. Letzteres gilt nicht nur, wenn Gegenstand der Klage des Versicherten die Herausgabe des Versicherungsscheins ist, sondern auch dann, wenn er auf Zustimmung (§ 44 Abs. 2) klagt: Auch Urteile auf Abgabe einer Willenserklärung können die Leistung des Schuldners von einer Gegenleistung des Gläubigers abhängig machen, wovon § 894 Abs. 1 S. 2 ZPO ausgeht, der für diesen Fall die Vollstreckungsmodalitäten regelt. § 46 S. 1 ist keine abschließende Regelung. Daneben kann sich der VN auch auf die bürgerlich-rechtlichen Zurückbehaltungsrechte aus §§ 273, 320 BGB sowie auf das Zurückbehaltungsrecht aus § 369 HGB berufen, letzteres wenn der Versicherungsschein Order- oder Inhaberpapier ist.71 Die Regelung des § 46 S. 1 ist erweiternd auszulegen.72 Es geht um den Zugriff auf die Grundlage der Geltendmachung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag. Da im Rahmen des § 44 Abs. 2 die Zustimmung durch den VN dem Besitz des Versicherungsscheins gleichsteht (oben § 44 Rn. 21), muss dies auch im Rahmen des § 46 S. 1 der Fall sein. Bei laufender Versicherung ist § 46 S. 1 auch auf die Herausgabe der Einzelpolice anzuwenden. Die Regel des § 46 S. 1 hat besondere Bedeutung, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherten eröffnet worden ist.73 Dann verhindert das Zurückbehaltungsrecht des VN – anders als dasjenige nach § 273 BGB, welches in der Insolvenz regelmäßig keinen Bestand hat –, dass der Insolvenzverwalter gem. § 985 BGB den Versicherungsschein, dessen Eigentümer nach § 952 Abs. 2 BGB der Versicherte als Gemeinschuldner ist, herausverlangen und damit die Verfügungsbefugnis erlangen kann.
70 71
Bruck/Möller/Sieg 8 § 77 Anm. 11; Ehrenzweig 222; Nießen 184; a.M. Trautmann 115. ÖOGH 1.3.1960 VersR 1960 454, 455; Langheid/Wandt/Dageförde § 46 Rn. 1; Prölss/Martin/Prölss § 77 Rn. 11.
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Ebenso Bruck/Möller/Sieg 8 § 77 Anm. 12; Nießen 181. Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 14; Kisch PVR III 598.
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II. Befriedigungsvorrecht (S. 2) 1. Grundlagen Das Befriedigungsrecht des VN aus § 46 S. 2 ist ein pfandähnliches Vorzugsrecht 74 und besteht innerhalb und außerhalb eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherten. Es ist aber als pfandähnliches Recht untrennbar mit der Stellung als VN verbunden. Versuchen Gläubiger des VN, es zu pfänden oder versucht dieser, es abzutreten, so erlischt das Befriedigungsvorrecht. Das gleiche gilt, wenn der VN die Versicherungsforderung erlässt. Pfändet hingegen ein Gläubiger des Versicherten die Versicherungsforderung, ändert dies nichts an der Verfügungsbefugnis des VN und seinem Befriedigungsvorrecht nach § 46 S. 2. Es gilt das zu S. 1 Gesagte: Der Gläubiger des Versicherten kann nicht mehr Rechte haben als dieser selbst. Kraft seines Befriedigungsvorrechts nach § 46 S. 2 kann der VN die Versicherungsleistung einziehen. Die Einziehung bewirkt, dass der VN in Höhe seiner Ansprüche gegen den Versicherten entsprechend § 1288 Abs. 2 BGB befriedigt wird. Er muss lediglich den Überschuss an den Versicherten, an dessen Gläubiger oder an die Insolvenzmasse auskehren.75 Voraussetzung ist allerdings, dass er gem. § 45 Abs. 2 berechtigt ist, die Versicherungsleistung entgegenzunehmen.76 Ist dies der Fall, ersetzt § 46 S. 2 die Zustimmung des Versicherten nach § 45 Abs. 3. Auch seine Zustimmung zur Auszahlung der Entschädigung an den Versicherten kann der VN so lange verweigern, wie seine Ansprüche bezüglich der versicherten Sache noch nicht befriedigt sind. Vor Einziehung der Versicherungsforderung kann der VN sein Befriedigungsvorrecht dahingehend nutzen, dass er die Versicherungsforderung abtritt oder pfänden lässt, ohne dabei die für die Verwertung eines Pfandrechts geltenden Vorschriften der §§ 1281 ff. BGB einhalten zu müssen. Zu den Gläubigern des Versicherten kann auch der VR zählen. Ist dies der Fall, folgt 32 aus dem Befriedigungsvorrecht des VN, dass der VR dem VN gegenüber nicht mit Forderungen aufrechnen kann, die ihm gegenüber dem Versicherten zustehen. Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht 77 geht das Aufrechnungsrecht des VR aus § 35 dem Befriedigungsvorrecht des VN aus § 46 S. 2 also nicht vor.78 Handelt es sich bei dem Innenverhältnis von VN und Versicherten um ein Kommis33 sionsgeschäft, steht dem VN neben 79 dem Befriedigungsvorrecht aus § 46 S. 2 auch das Befriedigungsvorrecht nach § 399 HGB zu. Dieses reicht weiter als § 46 S. 2, da es sämtliche „Forderungen, welche durch das für Rechnung des Kommittenten geschlossene Geschäft begründet werden“ und nicht nur solche „mit Bezug zur versicherten Sache“ erfasst. Voraussetzung ist allerdings, dass die Forderungen dem VN als Kommissionär zustehen, was regelmäßig der Fall sein dürfte.
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74 75 76 77
Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 77 Anm. 15. ÖOGH 29.11.1962 VersR 1964 1161; Nießen 187. Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 8; Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 18. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 46 Rn. 3.
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Wie hier Bruck/Möller/Sieg 8 §§ 75, 76 Anm. 16; Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 18; Prölss/Martin/Prölss § 77 Rn. 15; Ritter/Abraham § 55 ADS Anm. 13. Wie hier Ritter/Abraham § 55 ADS Anm. 16; a.M. Lenné 201.
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Rechte zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem
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2. Insolvenz des Versicherten In der Insolvenz des Versicherten gewährt § 46 S. 2 dem VN wegen des pfand- 34 rechtsähnlichen Charakters des Befriedigungsvorrechts ein Recht auf abgesonderte Befriedigung80 und zwar nicht nur an der Versicherungsforderung, sondern analog § 1289 BGB auch an den Zinsen, die darauf entfallen. Ein gleichzeitig bestehendes Absonderungsrecht des geschädigten Dritten nach § 50 InsO ist allerdings vorrangig.81 Mit Hilfe des zurückgehaltenen Versicherungsscheins kann er seine Ansprüche aus dem Innenverhältnis einziehen, ohne dass er insoweit einer Zustimmung des Versicherten nach § 45 Abs. 3 bedürfte. Der Insolvenzverwalter kann den Versicherungsschein oder die Zustimmung zur Einziehung nur dann vom VN verlangen, wenn er diesen aus der Masse befriedigt.82 Den Betrag, der die Ansprüche des VN übersteigt, hat dieser an die Insolvenzmasse abzuführen. Hat der VN den Versicherungsschein an den Insolvenzverwalter herausgegeben und 35 dieser daraufhin die Forderung gegen den VR eingezogen, handelt es sich nach § 55 Abs. 1 S. 3 InsO um eine Masseverbindlichkeit.83 Ist die Entschädigung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Versicherten gezahlt worden, steht dem VN analog § 48 S. 2 InsO ein Ersatzabsonderungsrecht zu.84 3. Insolvenz des VN Nicht geregelt in § 46 ist die Stellung des Versicherten in der Insolvenz des VN. Dort 36 hat der Versicherte ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO.85 Das gilt auch dann, wenn die Versicherungsforderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf das Konto des Gemeinschuldners überwiesen wurde.86 Der VN fungiert insoweit als Treuhänder des Versicherten. Mit der Zahlung an den VN wird der VR von seiner Verpflichtung zur Leistung frei. Die Versicherungssumme bleibt jedoch treuhänderisch gebundenes Vermögen des VN, auf das sich die Beschlagnahmewirkung des Insolvenzverfahrens nicht erstreckt.87 Der Insolvenzverwalter kann nicht über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag verfügen, weil sie nicht zum Vermögen gehören, das der Gesamtvollstreckung unterworfen ist. Er kann aber mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechte des VN aus § 46 geltend machen.88
F. Abdingbarkeit § 46 ist abdingbar.89
80 81 82 83 84
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MünchKommInsO/Ganter § 51 Rn. 233; Bruck/Möller/Sieg 8 § 77 Anm. 15. Uhlenbrock InsO § 50 Rn. 47; Nießen 188. Ritter/Abraham § 55 ADS Anm. 14; Kisch PVR III 548. Römer/Langheid/Römer § 77 Rn. 2; Prölss/Martin/Prölss § 77 Rn. 13. Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 18; MünchKommInsO/Ganter § 51 Rn. 233.
85 86 87 88 89
BGH 28.10.1953 BGHZ 10 376, 384; Langheid/Wandt/Dageförde § 46 Rn. 2. OLG Celle 1.10.1953 VersR 1953 489. Braun/Bäuerle § 47 InsO Rn. 89 Langheid/ Wandt/Dageförde § 46 Rn. 2. Braun/Bäuerle § 47 InsO Rn. 82; Nießen 181. Looschelders/Pohlmann/Koch § 46 Rn. 21; Prölss/Martin/Prölss § 77 Rn. 16.
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G. Auslandsrechte/PEICL 38
Mit seiner Entscheidung, zumindest einen eng begrenzten Teil des Innenverhältnisses zwischen VN und Versichertem zu regeln, steht das deutsche Recht fast noch exponiert (vgl. aber § 77 ÖVVG). Verbreitet wird das Verhältnis zwischen VN und Versichertem überhaupt nicht geregelt, sondern den allgemeinen Bestimmungen des Zivilrechts überlassen.90 Üblicherweise vertrauen andere Rechtsordnungen anders als das deutsche VVG nach § 46 S. 1 auch den Zurückbehaltungsrechten des allgemeinen Zivilrechts. Der deutsche „Sonderweg“ ist wohl damit zu erklären, dass das VVG mit der Versicherung für fremde Rechnung – auch was die Regelungsmaterie des § 46 anbelangt – eher seeversicherungsrechtlichen (dazu oben Rn. 1) als bürgerlich-rechtlichen Vorbildern folgt. Den meisten europäischen Rechtsordnungen folgend, regeln auch die PEICL das 39 Innenverhältnis zwischen VN und Versichertem nicht. Es gelten nach dem Verweis in Art. 1: 105 Abs. 2 die allgemeinen Vorschriften der PECL.
§ 47 Kenntnis und Verhalten des Versicherten (1) Soweit die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, sind bei der Versicherung für fremde Rechnung auch die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten zu berücksichtigen. (2) Die Kenntnis des Versicherten ist nicht zu berücksichtigen, wenn der Vertrag ohne sein Wissen geschlossen worden ist oder ihm eine rechtzeitige Benachrichtigung des Versicherungsnehmers nicht möglich oder nicht zumutbar war. Der Versicherer braucht den Einwand, dass der Vertrag ohne Wissen des Versicherten geschlossen worden ist, nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag ohne Auftrag des Versicherten geschlossen und bei Vertragsschluss dem Versicherer nicht angezeigt hat, dass er den Vertrag ohne Auftrag des Versicherten schließt.
Schrifttum (vgl. auch Schrifttum Vor §§ 43–48) Cremer Die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Obliegenheiten und Pflichten bei der Versicherung für fremde Rechnung durch den Versicherungsnehmer und den Versicherten (1935); Dreher/Thomas Die D&O-Versicherung nach der VVG-Novelle 2008 ZGR 2009 31; Gruneke Versicherte Gefahr und Anzeigepflicht in der privaten Krankenversicherung, Diss. Köln (1965); Hofmann Die Rechtsstellung des Verletzten in der Insassenunfallversicherung für fremde Rechnung VersR 1960 97; Ihlas D&O, 2. Aufl. (2009); Knappmann Die Zurechnung des Verhaltens Dritter zu Lasten des Versicherungsnehmers VersR 1997 261; Koch Die Rechtsstellung der Gesellschaft und des Organmitglieds in der D&O-Versicherung GmbHR 2004 160; Krause Der Begriff des versicherten Interesses und seine Auswirkungen auf die Versicherung für fremde Rechnung (1997); Lange Zur vorvertraglichen Anzeigepflicht in der D&O Versicherung VersR 2006 605; Langheid/Grote Deckungsfragen der D&O-Versicherung VersR 2005 1165; Millauer Rechtsgrundsätze der Gruppenversicherung, 2. Aufl. (1966); Möller Die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für das Verhalten Dritter (1939); Olbrich Die D&O-Versicherung in Deutschland (2003); Ruscher Die Beson-
90
Für das schweizerische Recht schon Corrodi 149 f.
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Kenntnis und Verhalten des Versicherten
§ 47
derheiten des Versicherungsanspruchs bei der Versicherung für fremde Rechnung, Diss. Köln (1969); Schirmer Zur Vereinbarung von Obliegenheiten zu Lasten Dritter insbesondere in Verträgen zu ihren Gunsten, FS R. Schmidt (1976) 821; ders. Die Rechtsstellung mitversicherter Personen in der Haftpflichtversicherung, FS Sieg (1976), 451; ders. Neuere Entwicklungstendenzen in der Versicherung für fremde Rechnung ZVersWiss 1981 121; Winterling/Herzenetter Vorvertragliche Anzeigepflichten in der D&O-Versicherung VW 2007 1792.
Übersicht Rn. A. B. C. I.
Normgeschichte . . . . . . . . . . . . Normzweck und -aufbau . . . . . . . . Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . Gleichstellung von Versichertem und VN (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . II. Ausnahmen von der Beachtlichkeit der Kenntnis (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . 1. Fehlendes Wissen vom Versicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz (Abs. 2 S. 1 Alt. 1) . . . b) Rückausnahme (Abs. 2 S. 2) . . . 2. Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Benachrichtigung (Abs. 2 S. 1 Alt. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . D. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . .
. . .
1 3 7
. 7 . 7 . 8 . 13 . 16 . 16 . 16 . 20
. 22 . 24
Rn. I. Reine Fremdversicherung . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 2. Obliegenheitsverletzung des Versicherten 3. Rechtspflichts- oder Obliegenheitsverletzung des VN . . . . . . . . . . . 4. Subjektive Risikoausschlüsse . . . . . . II. Kombinierte Eigen- und Fremdversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlverhalten des Versicherten . . . . . 2. Fehlverhalten des VN . . . . . . . . . a) Auswirkungen auf den Eigenversicherungsschutz . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf den Fremdversicherungsschutz . . . . . . . . . E. Sonderregeln . . . . . . . . . . . . . . . F. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . . G. Auslandsrecht/PEICL . . . . . . . . . .
25 25 28 29 30 31 32 33 33 34 40 42 44
A. Normgeschichte § 47 Abs. 1 entspricht weitgehend § 79 Abs. 1 a.F. Er enthält allerdings eine wichtige 1 sprachliche Änderung. Der Versicherte haftet für eigenes Fehlverhalten nach Abs. 1 nicht mehr nur, soweit Kenntnis und Verhalten nach „den Vorschriften dieses Gesetzes“ bedeutsam sind. § 47 Abs. 2 S. 1 stimmt sachlich mit § 79 Abs. 2 a.F überein. An die Stelle des unklaren und veralteten Begriffs „nicht tunlich“ in § 79 Abs. 2 Alt. 2 a.F. ist die modernere, inhaltsgleiche Formulierung „nicht möglich oder nicht zumutbar“ in § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 getreten. § 47 Abs. 2 S. 2 nimmt die Regelung des § 79 Abs. 3 a.F. wegen engen Sachzusammenhangs in den zweiten Absatz der Regelung auf und vereinfacht die bisherige Regelung sprachlich.1 § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 ist nach wie vor unglücklich gestellt. Die Normfassung ver- 2 dunkelt den Zusammenhang zwischen Alt. 1 und Abs. 2 S. 2. Das ist noch immer Folge der Rechtsänderung durch die Verordnungen vom 19.12.1939 und 28.12.1942, die den Normvorgänger des § 47 Abs. 1 neu fassten und seinen Anwendungsbereich erweiterten, die Normvorgänger des Abs. 2 allerdings unverändert ließen. Da der Reformgesetzgeber § 47 Abs. 2 ohnehin umgestaltet hat, hätte er den Zusammenhang der Vorschriften, der auch in der Neufassung schwer verständlich ist, klarer machen können.
1
Begr. RegE BTDrucks. 16/3945 73; Langheid/Wandt/Dageförde § 47 Rn. 2.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
B. Normzweck und -aufbau 3
Die Regeln des § 47 dienen dem Schutz des VR. Es handelt sich um eine besondere Einstandspflicht des Versicherten für seine Kenntnis und sein Verhalten, welche die Zurechnungsregel des § 334 BGB ergänzt. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die für die Versicherung für fremde Rechnung typische Trennung der Rechtsinhaberschaft (Versicherter) von der Geltendmachung des Anspruchs (VN) die Rechtsstellung des VR nicht verschlechtert. 4 Zu diesem Zweck sollen Kenntnis und Verhalten des Versicherten dieselbe rechtliche Bedeutung haben wie Kenntnis und Verhalten des VN, und zwar unabhängig davon, ob der Versicherte auch Repräsentant, Wissens- oder Wissenserklärungsvertreter des VN ist.2 Käme es nicht zu einer solchen Zurechnung, könnten sich die VN herausgefordert fühlen, niemals selbst oder durch einen Vertreter Versicherung zu nehmen, sondern stattdessen stets die Rolle eines Versicherten in einer Versicherung für fremde Rechnung einzunehmen und den VN schlecht zu instruieren, um für ihr Verhalten und ihre Kenntnis nicht einstehen zu müssen.3 Kenntnis spielt bei den Obliegenheiten vor (z.B. Anzeigepflichten nach §§ 19 ff.) und nach Eintritt des Versicherungsfalls (Rettungsobliegenheiten nach § 82) eine Rolle. Die Frage nach der Verantwortlichkeit für Verhalten betrifft neben den Obliegenheiten auch subjektive Risikoausschlüsse wie die Herbeiführung des Versicherungsfalls.4 Die Trennung der Rechtsinhaberschaft von der Verfügungsbefugnis bei der Versicherung für fremde Rechnung darf freilich auch nicht dazu führen, dass der VR besser steht als im Zwei-Personen-Verhältnis. Daher muss jede Vorschrift, die von Kenntnis oder Verhalten des VN spricht, daraufhin überprüft werden, inwieweit sie auch ein Verhalten bzw. die Kenntnis des Versicherten sanktioniert.5 5 § 47 Abs. 2 S. 1 trifft zwei Ausnahmeregeln, was die Beachtlichkeit von Kenntnis nach Abs. 1 anbelangt. Auf die Kenntnis des Versicherten soll es zum einen dann nicht ankommen, wenn der Versicherte auch keine Kenntnis davon hat, dass Versicherung für fremde Rechnung zu seinen Gunsten genommen worden ist (Alt. 1). In diesem Fall kann man ihm keinen Vorwurf machen, wenn er weder dem VN noch dem VR von seiner Kenntnis Mitteilung macht. Würde es hierbei sein Bewenden haben, wäre dem VR allerdings in weitem Umfang die Berufung auf Obliegenheitsverletzungen des Versicherten verschlossen. Er müsste aus der Rollenspaltung auf der Gegenseite Nachteile auf sich nehmen. Um das zu vermeiden, ordnet § 47 Abs. 2 S. 2 eine Rückausnahme zugunsten des VR an. Diese bezieht sich nur auf § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1: Selbst wenn der Versicherte keine Kenntnis vom Abschluss des Versicherungsvertrags hat, wird diese unwiderleglich vermutet, sofern der VN dem VR beim Vertragsschluss nicht angezeigt hat, dass er die Versicherung ohne Auftrag des Versicherten nimmt. Gibt der VN bei Vertragsschluss eine solche Erklärung ab, ist der VR nicht schutzwürdig. Weiß er nämlich um das auftragslose Handeln des VN, hat er es in der Hand, seinerseits den Versicherten zu benachrichtigen, um die für ihn ungünstigen Folgen des § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 zu beseitigen.6
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3 4
HK-VVG/Muschner § 47 Rn. 2; Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 1; Römer/ Langheid/Römer § 79 Rn. 1. Ehrenberg 194; Ehrenzweig 216; Imseng 45. A.M. OLG Saarbrücken 9.7.1997 VersR 1998 883.
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Dazu schon Amtl. Begr. RTDrucks. 364/12 95. HK-VVG/Muschner § 47 Rn. 16; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 47 Rn. 15; Ehrenzweig 217; Langheid/Grote VersR 2005 1165, 1167.
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Kenntnis und Verhalten des Versicherten
§ 47
Eine zweite Ausnahmeregel zur Zurechnung von Kenntnis nach § 47 Abs. 1 regelt § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2. Danach findet eine Zurechnung nicht statt, wenn dem Versicherten eine rechtzeitige Benachrichtigung des VN nicht möglich oder nicht zumutbar war. In § 47 ist zumindest angedeutet, dass der Versicherte auch für Kenntnis und Verhal- 6 ten des VN einstehen muss. Das ergibt sich aus dem Wort „auch“ in Abs. 1. Die Vorschrift lässt allerdings unerfreulich unklar, wieweit die Einstandspflicht des Versicherten reicht. Aus dem Gesetz lässt sich auch nicht klar entnehmen, ob und inwieweit bei einer Mehrheit von Versicherten ein Versicherter Kenntnis und Verhalten anderer Versicherter gegen sich gelten lassen muss. Diese Fragen werden hier im Sachzusammenhang behandelt (siehe Rn. 25 ff., insb. 26)
C. Tatbestand I. Gleichstellung von Versichertem und VN (Abs. 1) 1. Regelungsgehalt Die Regel des § 47 Abs. 1 ist logische Folge der Rechteverteilung in der Versicherung 7 für fremde Rechnung nach deutschem Recht. Rechtsinhaber ist danach der Versicherte, § 44 Abs. 1. Es wäre merkwürdig, wenn er vor diesem Hintergrund keine eigenen Verhaltenspflichten gegenüber dem VR hätte und für eigene Kenntnis nicht einzustehen hätte. § 47 Abs. 1 ordnet entsprechend an, dass der Versicherte auch für eigene Kenntnis und eigenes Verhalten im Rahmen gesetzlicher Obliegenheiten und Risikoausschlüsse einzustehen hat. Das gleiche gilt für vertragliche Obliegenheiten, die sich auf das versicherte Interesse beziehen, wenn VR und VN im Versicherungsvertrag verabredet haben, dass diese auch vom (Mit-)Versicherten einzuhalten sind.7 Es ist dabei nicht erforderlich, dass die vertraglichen Obliegenheiten ausdrücklich an den Versicherten gerichtet werden.8 Unter Kenntnis versteht § 47 Abs. 1 positive Kenntnis von den Umständen, die im Rahmen der Erfüllung von Obliegenheiten von Belang sind. Kennenmüssen steht der Kenntnis nicht gleich.9 Das zeigt beispielhaft § 19 („ihm bekannte Umstände“). Verhalten i.S.d. § 47 sind ausschließlich selbständige Verhaltensweisen, bei denen es auf die Kenntnis des Versicherten von der Versicherung nicht ankommt, so vor allem bei der Herbeiführung des Versicherungsfalls.10 Ein Verhalten, das dem Versicherten aufgrund seiner Kenntnis abverlangt (z.B. Wahrnehmen einer vorvertraglichen Anzeigepflicht) oder verboten (z.B. arglistige Täuschung) wird, ist hingegen Annex der Kenntnis und wird wie die Kenntnis selbst behandelt. Das ist von Bedeutung für die Ausnahmevorschriften zu § 47 Abs. 1, die teilweise für das Verhalten des Versicherten nicht gelten (z.B. § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1).
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BGH 3.6.1987 VersR 1987 924, 926; BGH 29.1.2003 VersR 2003 445, 446; Berliner Kommentar/Hübsch § 79 Rn. 1; Langheid/ Wandt/Dageförde § 47 Rn. 4; Corrodi 120. BGH 28.11.1957 BGHZ 26 133, 137 f.; BGH 15.12.1970 VersR 1971 239, 240; BGH 29.1.2003 VersR 2003, 445, 446; Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 4;
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unklar Schwintowski/Brömmelmeyer/ Hübsch, § 47, Rn. 2 Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 6; zu § 19 VVG: BGH 2.3.1994 VersR 1994 711. Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 13; Ritter/ Abraham § 57 ADS Anm. 8; Ehrenzweig 217; Millauer 36; unklar Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 6 f.
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§ 47
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
2. Rechtsnatur
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§ 47 Abs. 1 ist entgegen einer in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansicht 11 keine Zurechnungsnorm. Die Vorschrift bewirkt vielmehr, dass sich die Obliegenheiten bei der Versicherung für fremde Rechnung grundsätzlich sowohl an den VN als auch an den Versicherten richten, soweit sie dessen versichertes Interesse betreffen und sich nicht etwas anderes aus dem Versicherungsvertrag ergibt.12 Das hat bereits der historische Gesetzgeber festgelegt, indem er formulierte, „inwieweit die Obliegenheiten (…) bei der Versicherung für fremde Rechnung den Versicherungsnehmer oder den Versicherten treffen …“.13 Wäre der Versicherte nicht selbst auch Träger der entsprechenden Obliegenheiten, verbliebe bei der Versicherung für fremde Rechnung das eingangs beschriebene Missbrauchspotential (oben Rn. 4). Rechtstechnisch wäre es überdies umständlich, dem VN zunächst das Verhalten bzw. die Kenntnis des Versicherten zuzurechnen, um letzteren als Rechtsinhaber (§ 44 Abs. 1) sodann die Folgen der Zurechnung tragen zu lassen. Dass in der Versicherung für fremde Rechnung dem Grunde nach sowohl der VN als auch der Versicherte Adressaten der Obliegenheiten sind, gilt auch für den Fall, dass ein Zwangsverwalter als VN für ein Hausgrundstück eine Gebäudeversicherung abschließt.14 Hier ist neben dem Zwangsverwalter auch der Gemeinschuldner/Versicherte verpflichtet – und zwar gegenüber dem VR und nicht nur gegenüber dem Verwalter als VN. Durch die Vereinbarung von Obliegenheiten, die zumindest auch den Versicherten treffen, wird die Versicherung für fremde Rechnung nicht zu einem (unzulässigen) Vertrag zu Lasten Dritter:15 Die Obliegenheiten stellen einerseits keine einklagbaren Pflichten dar; andererseits ändert sich am Charakter der Versicherung für fremde Rechnung als atypischem Vertrag zugunsten Dritter nichts, wenn der Versicherte die Rechte mit der Belastung von Obliegenheiten erhält. Verletzt er diese, droht ihm schlimmstenfalls der Verlust der zugewandten Rechtsstellung. Der Grundsatz, dass Obliegenheiten bei der Versicherung für fremde Rechnung so9 wohl den VN als auch den Versicherten treffen, wird von zwei Ausnahmen durchbrochen. Die erste Ausnahme ist durch die Rechtsstellung der Parteien in der Versicherung für fremde Versicherung bedingt. Wenn Obliegenheiten ihrer Natur nach nur vom VN oder nur vom Versicherten erfüllt werden können, ist ausschließlich der jeweils natürlich Verpflichtete betroffen. So hat z.B. nur der Versicherte, nicht aber der VN das Verbot der Anspruchsaufgabe als Teil 16 der Wahrungs- und Mitwirkungsobliegenheit
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Etwa BGH 18.9.1991 VersR 1991 1404; OLG Hamm 4.2.1994 VersR 1994 1464; Berliner Kommentar/Voit § 16 Rn. 54; Langheid/Wandt/Dageförde § 47 Rn. 2; Römer/ Langheid/Römer § 79 Rn. 1; Gruneke 114–118, 144. BGH 29.1.2003 VersR 2003 445, 446; OLG Köln 11.4.1994 VersR 1994 1097, 1098; BGH 14.1.1997 VersR 1998 184, 185; OLG Karlsruhe 19.12.1981 VersR 1983 236; Looschelders/Pohlmann/Looschelders § 19 Rn. 10; Anli 125 f.; Corrodi 116; J. Huber 73 f.; Kisch PVR III 436; Lenné 128 ff.; Nießen 105; Chlosta VersR 1976 238; Schirmer ZVersWiss 1981 121, 125.
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Amtl. Begr. RTDrucks. 364/12 95. Berliner Kommentar/Hübsch § 79 Rn. 3; a.M. LG Essen 7.11.1991 VersR 1995 211, 212; Prölss/Martin/Prölss § 75 Rn. 6; jeweils mit blick auf die (heutige) Anzeigeobliegenheit nach § 30 bzw. B § 8 Nr. 2 lit. a) bb) VGB 2008. Berliner Kommentar/Hübsch § 79 Rn. 1; Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 4; Schirmer FS R. Schmidt 821, 840 ff.; a.M. Prölss/Martin/Prölss § 6 Rn. 30. Ebenso Schwintowski/Brömmelmeyer/Kloth/ Neuhaus § 86 Rn. 39.
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Kenntnis und Verhalten des Versicherten
§ 47
nach § 86 Abs. 2 zu beachten. Andernfalls stünde der VR durch die Rollenspaltung bei der Versicherung für fremde Rechnung ohne sachlichen Grund besser, als er im ZweiPersonen-Verhältnis stünde. Das sieht § 47 aber nicht vor (vgl. oben Rn. 1). Die zweite Ausnahme knüpft an der Interessenlage des Begünstigten von § 47 an. 10 Eine Obliegenheit muss nicht vom VN und vom Versicherten beachtet werden, wenn dem Sicherungsinteresse des VR auch Genüge getan ist, wenn einer von ihnen die entsprechende Verhaltenspflicht erfüllt.17 Teile des Schrifttums 18 haben versucht, die Frage, ob und wann der Versicherte neben dem VN obliegenheitsverpflichtet ist, danach zu entscheiden, ob die fraglichen Obliegenheiten ein Gebot zum aktiven Handeln (sog. „Tuns-Obliegenheiten“, z.B. §§ 19, 23 Abs. 2, 30, 82 Abs. 1, 97, 122) oder zum Unterlassen (sog. „Unterlassens-Obliegenheiten“, z.B. § 23 Abs. 1) beinhalten. Unterlassens-Obliegenheiten sollen nach dieser Ansicht schon dann verletzt sein, wenn entweder der VN oder der Versicherte dem fraglichen Gebot zuwider handelt. Grundsätzlich haben also beide Beteiligte das Unterlassungsgebot zu befolgen.19 Bei Tuns-Obliegenheiten soll es hingegen genügen, wenn einer von beiden, VN oder Versicherter, sie befolgt.20 Die Unterscheidung danach, ob eine Obliegenheit ein Handelns- oder Unterlassungsgebot zum Gegenstand hat, ist aber kein taugliches Abgrenzungsmerkmal. Einmal lässt sich die Grenze zwischen Tun und Unterlassen kaum treffsicher ziehen.21 Das wird schon daran deutlich, dass die Verfechter einer Unterteilung in Tuns- und Unterlassensobliegenheiten sich gezwungen sehen, eine Reihe von Ausnahmen von ihrem Konzept zuzulassen. So erkennen sie etwa im Rahmen der „Unterlassens-Obliegenheiten“ an, dass ausnahmsweise nur der Versicherte verpflichtet sein soll, wenn sich das Normgebot naturgemäß nur von ihm erfüllen lässt (z.B. Verbot der Anspruchsaufgabe als Teil der Obliegenheit nach § 86 Abs. 2). Dieses Beispiel zeigt zugleich, dass die Qualifikation einer Obliegenheit als Tuns- oder Unterlassensobliegenheit nicht statisch ist und auch deswegen als Abgrenzungsmerkmal nicht taugt: Wurde das Verbot der Anspruchsaufgabe nach § 67 a.F. noch als Unterlassensobliegenheit gewertet, ist es jetzt als Teil der erweiterten Mitwirkungsobliegenheit des Versicherten nach § 86 Abs. 2 wohl Teil einer Tunsobliegenheit. Statt dessen ist auf den Sinn und Zweck der fraglichen Obliegenheit und das Gewicht 11 der durch sie geschützten Interessen des VR abzustellen. So genügt es z.B., wenn entweder der Versicherte oder der VN die Anzeige der Veräußerung der versicherten Sache nach §§ 97 Abs. 1, 122 erstattet (auch die Anzeige des Erwerbers genügt, um nachteilige Folgen abzuwenden).22 Das gleiche gilt, was die Anzeige des Eintritts des Versicherungsfalls anbelangt. In beiden Fällen ist das Kenntnisinteresse des VR befriedigt. Die Obliegenheit muss aber von zumindest einem der beiden, Versichertem oder VN, ordnungs-
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Insoweit wohl schon Amtl. Begr. RTDrucks. 364/12 95. Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 5 ff.; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 47 Rn. 3; Möller 15 f.; auch BGH 15.11.1978 VersR 1979 176, 178. BGH 15.11.1978 VersR 1979 176, 178; Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 6; Möller 15 f.; vgl. aus den AVB auch etwa § 3 Abs. 2 S. 1 AKB 2002; a.M. zu Unrecht BGH
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10.3.1993 BGHZ 122, 46, 49 (Versicherter nicht verpflichtet). BGH 15.11.1978 VersR 1979 176, 177 (Schadensmeldung); Berliner Kommentar/ Hübsch § 79 Rn. 2; Möller 16 f. Wie hier Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 19. Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 7; a.M. Berliner Kommentar/Hübsch § 79 Rn. 3; Schirmer FS Sieg 451, 479; kritisch Nießen 104.
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gemäß erfüllt werden.23 Nicht ausreichend ist, wenn der Versicherte einen Versicherungsfall nur dem VN, nicht aber dem VR anzeigt, da hier nicht sicher gestellt ist, dass der VR Kenntnis nehmen kann.24 Bei Aufklärungsobliegenheiten verdienen Fälle besondere Aufmerksamkeit, in denen 12 sich der bösgläubige Versicherte des gutgläubigen VN bedient. Sieg hat anschaulich von Fällen der „mittelbaren Täterschaft“ gesprochen.25 Verschweigt der Versicherte dem VN gefahrerhebliche Umstände und übernimmt dieser die Angaben des Versicherten in den Antrag, oder macht der Versicherte falsche Angaben in der Schadenanzeige, die der VN gutgläubig an den VR weitergibt, schadet das Verhalten in beiden Fällen dem Versicherten:26 Die fragliche Meldeobliegenheit ist von keiner Seite richtig erfüllt, das Verschulden des einen Teils vom anderen mitzuvertreten. 3. Anwendungsbereich
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Nach den soeben dargelegten Grundsätzen betreffen die meisten gesetzlichen Obliegenheiten (auch) den Versicherten. Zumeist ergibt sich dessen Verantwortlichkeit bereits daraus, dass die zugrundeliegenden Ereignisse, welche die Obliegenheiten auslösen, in seiner Rechts- und Machtsphäre eintreten. Der Versicherte hat zu beachten: die Obliegenheit, Gefahrerhöhungen zu unterlassen nach § 23 Abs. 1,27 die Obliegenheit, eine eingetretene Gefahrerhöhung anzuzeigen, § 23 Abs. 2, 3,28 Rettungsobliegenheiten nach § 82,29 die Obliegenheit, den Eintritt des Versicherungsfalls zu melden nach § 3030 oder die Anzeige der Veräußerung der versicherten Sache nach §§ 97 Abs. 1, 122, wenn die Veräußerung durch den Versicherten erfolgt.31 Umstritten ist, ob der Versicherte auch vorvertragliche Anzeigepflichten nach §§ 19 ff. 14 zu beachten hat.32 Dagegen sollen der Wortlaut der §§ 19 ff. und die Zurechnungsrichtung des § 47 sprechen. Beide Argumente überzeugen nicht. Es besteht mittlerweile Einigkeit darüber, dass das VVG den Verpflichteten von Obliegenheiten durchweg als VN bezeichnet, damit aber jeden meint, der die Obliegenheit wahrzunehmen hat.33 Des Weiteren ist § 47 gar keine Zurechnungsnorm (siehe oben Rn. 8), so dass es auf eine etwaige Zurechnungsrichtung nicht ankommen kann. In der Sachversicherung wird überdies regelmäßig der Versicherte derjenige sein, der den Fragenkatalog des VR am besten beantworten kann, da sein Interesse versichert ist. Deswegen sollte auch der Versicherte Adressat der Anzeigeobliegenheiten sein.
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Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 7; Kisch PVR III 421. OLG Köln 14.1.1997 VersR 1998 184, 185. Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 7. OLG Hamm 12.6.1996 ZfS 1998 58; OLG Köln 6.6.1952 VersR 1952, 268 = NJW 1952 1297; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Hübsch § 47 Rn. 4; Lenné 142. RGZ 95, 250; BGH 22.6.1967 VersR 1967 746, 747; Corrodi 119; Lenné 135; J. Huber 84 f.; Chlosta VersR 1976 238; Schneider ZVersWiss 1905 230, 233; a.M. OLG Stuttgart 24.7.1974 VersR 1975 705, 706. Berliner Kommentar/Hübsch § 79 Rn. 5; Corrodi 119 f.; Imseng 46 f.; a.M. OLG Hamm 29.2.1980 VersR 1981 870, 872.
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Corrodi 120. OLG Köln 14.1.1997 VersR 1998 184; Imseng 49. Dazu Anli 127. Dafür BGH 18.9.1991 VersR 1991 1404, 1405; Bruck/Möller/Rolfs § 19 Rn. 25; Looschelders/Pohlmann/Looschelders § 19 Rn. 10; Anli 126; Imseng 45 f.; wohl auch Langheid/Wandt/Dageförde § 47 Rn. 4; dagegen Berliner Kommentar/Beckmann § 16 Rn. 54, 59; Lange VersR 2006 605, 608. Vgl. Schon Ehrenberg 73; Corrodi 116.
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Kenntnis und Verhalten des Versicherten
§ 47
Durch die sprachliche Neufassung des § 47 Abs. 1 hat sich die Streitfrage erledigt, ob 15 die Vorschrift auch auf die arglistige Täuschung durch den Versicherten anzuwenden ist. Unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 79 Abs. 1 a.F. („Soweit nach den Vorschriften dieses Gesetzes“) wurde die Ansicht vertreten, die arglistige Täuschung gem. § 123 BGB, auf die in § 22 nur verwiesen wird, sei nicht vom Anwendungsbereich der Norm erfasst.34 Dadurch, dass der Reformgesetzgeber von 2007 den Passus „soweit nach den Vorschriften dieses Gesetzes“ gestrichen hat, ist dieser Auffassung die Grundlage entzogen. Sie war auch, wie Koch zu Recht feststellt, niemals richtig.35 Das zeigt die Entstehungsgeschichte von § 47/§ 79 a.F. Ursprünglich war nur in den Fällen der Rückwärtsversicherung und der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit die Kenntnis und Arglist des Versicherten beachtlich. Erst später wurde die Vorschrift dahingehend erweitert, dass schlechthin Kenntnis und Verhalten des Versicherten in Betracht kommen, wie das beim VN der Fall ist.
II. Ausnahmen von der Beachtlichkeit der Kenntnis (Abs. 2) 1. Fehlendes Wissen vom Versicherungsvertrag a) Grundsatz (Abs. 2 S. 1 Alt. 1). § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 regelt eine Ausnahme von 16 der Beachtlichkeit der Kenntnis des Versicherten nach Abs. 1. Die Kenntnis des Versicherten ist danach nicht zu berücksichtigen, wenn der Versicherungsvertrag ohne sein Wissen abgeschlossen worden ist. Das versteht sich im Grunde von selbst. Kenntnis kann dem Versicherten nur schaden, wenn er sie beim Vertragschluss hätte verwerten lassen können. Das bloße Nichtnennen des Versicherten im Versicherungsvertrag löst die Ausnahme des Abs. 2 S. 1 Alt. 1 nicht aus – wohl um missbräuchlichen Vertragsgestaltungen durch den VN vorzubeugen.36 In der D&O-Versicherung spielt § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 nur eine unbedeutende 17 Rolle.37 Zwar sind regelmäßig nicht sämtliche Versicherten am Vertragsschluss beteiligt. Sie können jedoch auf andere Weise vom Bestehen einer D&O-Versicherung in ihrem Konzern Kenntnis erlangen, beispielsweise durch mündliche Informationen oder Rundschreiben. Die Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer sind aufgrund ihrer Befassung mit dem Vertragsschluss ohnehin informiert. Die Anstellungsverträge der Organmitglieder enthalten vielfach Versicherungsverschaffungsklauseln, so dass eine entsprechende Kenntnis nachgewiesen werden kann. In Bezug auf sein Verhalten kann sich der Versicherte nicht darauf berufen, vom 18 Abschluss des Versicherungsvertrags nichts gewusst zu haben. Diese Grundentscheidung leuchtet ein: Wusste der Versicherte überhaupt nichts von einem bestehenden Versicherungsschutz, rechnete er also gar nicht mit einer Entschädigung, so darf ihm, insb. wenn das vorwerfbare Verhalten darin besteht, dass er den Versicherungsfall herbeigeführt hat, nicht unerwarteter Ersatz zufallen.38 34
Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 4; dem folgend Berliner Kommentar/Hübsch § 79 Rn. 1 und noch zum reformierten Recht Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 47 Rn. 2; a.M. BGH 18.9.1991 VersR 1991 1404; Römer/Langheid/Römer § 79 Rn. 1; Prölss/Martin/Prölss § 79 Rn. 1; Gruneke 129.
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Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 5. Dazu Imseng 45. Vgl. nur Ihlas 570; Dreher/Thomas ZGR 2009 31, 64. Vgl. Ehrenberg 195; J. Huber 86 f.; Schneider ZVersWiss 1905 230, 262.
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§ 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 kann dem VR nicht entgegengehalten werden, wenn feststeht, dass der Versicherte positive Kenntnis vom Versicherungsvertrag hatte. In zwei Fällen steht das Kennenmüssen der Kenntnis gleich. Das ist einmal der Fall, wenn der Versicherte dem VN einen Auftrag zum Abschluss des Vertrages erteilt hat.39 Dann muss der Versicherte damit rechnen, dass ein Versicherungsvertrag zu seinen Gunsten abgeschlossen wird und sich diesem Vertrag gemäß verhalten. Der Auftrag, Versicherung zu nehmen, kann auch stillschweigend erteilt werden; er liegt etwa im internationalen Warenverkehr auf Käuferseite im Abschluss eines Vertrages mit CIF-Klausel.40 Kommissionäre, Spediteure, Lagerhalter gelten hingegen nicht als beauftragt, für Rechnung des Kommittenten, des Versenders, des Einlagerers bzw. der Reederei Versicherung zu nehmen (vgl. §§ 390, 407, 417, 493 HGB).41 Das gleiche gilt für Schiffsmakler mit Blick auf die Kaskoversicherung. Der zweite Fall, in dem das Kennenmüssen eines Vertragsschlusses der Kenntnis gleich steht, liegt vor, wenn zu Gunsten des Versicherten eine gesetzliche Versicherungspflicht besteht, die in den betreffenden Wirtschaftskreisen allgemein bekannt ist. Die gesetzliche Verpflichtung, Versicherung zu nehmen, ersetzt insoweit den Auftrag. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die kombinierte Eigen- und Fremdversicherung sowie die Fälle der § 1045 BGB oder des § 6 Abs. 1 VO über das Bewachungsgewerbe in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Juli 2003.42
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b) Rückausnahme (Abs. 2 S. 2). 47 Abs. 2 S. 2 enthält eine Rückausnahme von der Bestimmung des § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1. Danach wird die Kenntnis des Versicherten vom Abschluss des Versicherungsvertrags – unabhängig von der tatsächlichen Kenntnis oder Unkenntnis – unwiderleglich vermutet, sofern der VN den Vertrag ohne Auftrag des Versicherten schließt und er dies dem VR bei Vertragsschluss nicht angezeigt hat. Das hat zur Folge, dass die Kenntnis des Versicherten bei Obliegenheitsverletzungen wieder nach Abs. 1 Berücksichtigung findet. Grundgedanke dieser Rückausnahme ist, dass der VR zu schützen ist, weil der Informationsfluss zwischen ihm und dem Versichertem gestört ist und der VR selbst dagegen durch Rückfragen nichts tun kann.43 Die Anzeige vom Fehlen des Auftrages ist eine Obliegenheit des VN. Nachteilige Folgen treten daher nur ein, wenn dem VN ein Verschulden vorzuwerfen ist. Der VN muss den fehlenden Auftrag grundsätzlich auch dann anzeigen, wenn der VR 21 hiervon Kenntnis hat. VR und VN können jedoch – auch stillschweigend – vereinbaren, dass der Mangel des Auftrags nicht angezeigt zu werden braucht.44 Dann bleibt es bei der Ausnahmebestimmung des § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1. Solche Vereinbarungen werden ganz regelmäßig bei der laufenden Versicherung getroffen, weil dort noch ungewiss ist, welche Fremdinteressen „künftig“ entstehen werden. Von „Aufträgen“ kann insoweit zur Zeit des Vertragsschlusses nicht die Rede sein. Das ist dem VR bekannt. Der Mangel der Aufträge muss deshalb nicht angezeigt werden.45
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Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 13; Berliner Kommentar/Hübsch § 79 Rn. 23. Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 13; a.M. Ritter/Abraham § 57 ADS Anm. 11 und dem folgend Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 8 (ausdrückliche Vereinbarung). Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 8.
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BGBl. I S. 1378; zuletzt geändert durch die Verordnung vom 14. Januar 2009 (BGBl. I S. 43). Langheid/Grote VersR 2005 1165, 1167. Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 9. Ritter/Abraham § 57 ADS Anm. 14.
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Kenntnis und Verhalten des Versicherten
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2. Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Benachrichtigung (Abs. 2 S. 1 Alt. 2) Der unglücklich gestellte § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 regelt eine selbständige Ausnahme 22 von der Erheblichkeit der Kenntnis des Versicherten nach Abs. 1 wegen Kommunikationsstörungen zwischen VN und Versichertem. Der VR kann sich danach nicht auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Versicherten berufen, wenn es diesem nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dem VN seine Kenntnis rechtzeitig zu übermitteln. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Übermittlung mit dem schnellsten verkehrsüblichen Übermittlungsmedium nicht bewirkt werden kann (vgl. § 57 Abs. 3 S. 2 ADS; enger der mittlerweile aufgehobene § 807 Abs. 2 HGB).46 Die Ausnahme des § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 ist rein objektiver Natur. Auf ein etwaiges Verschulden des VN hinsichtlich der Kommunikationsstörung kommt es nicht an.47 Die Bestimmung des § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 hat heute nur noch einem schmalen Anwendungsbereich. Aufgrund der Schnelligkeit der modernen Nachrichtenübermittlung und der stetig wachsenden Möglichkeiten der Wahl des Übermittlungsmediums ist dies kaum noch der Fall. Der Versicherte ist nämlich gehalten, sich des schnellsten verkehrsüblichen Kommunikationsmittels zu bedienen.48 § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 geht von der rechtstatsächlichen Grundannahme aus, dass der 23 Versicherte zwar den VN, nicht aber den VR kennt. Ist ihm hingegen der VR bekannt, und ist es ihm zwar nicht möglich, den VN rechtzeitig zu benachrichtigen, wohl aber den VR, so kann der Versicherte analog § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 verpflichtet sein, diesen zu benachrichtigen.49 Eine Vergleichbarkeit der Interessenlage als Voraussetzung für eine analoge Anwendung wird man aber nur annehmen können, wenn eine Mitteilung dringend geboten ist, etwa bei Eintritt des Versicherungsfalls oder dem Eintritt einer Gefahrerhöhung.
D. Rechtsfolgen Verletzen der VN und/oder der Versicherte Obliegenheiten oder verwirklichen sie sub- 24 jektive Risikoausschlüsse, ist hinsichtlich der Rechtsfolgen zwischen der reinen Fremdversicherung und der kombinierten Eigen- und Fremdversicherung und der Eigenversicherung zu unterscheiden.
I. Reine Fremdversicherung 1. Grundlagen Eine reine Fremdversicherung liegt vor, wenn die Versicherung nur die Interessen des 25 oder der Versicherten schützt und nicht zugleich auch ein Interesse des VN. Der Anspruch auf Leistung kann also nur in der Person des oder der Versicherten entstehen. Beispiele sind die D&O-Versicherung,50 die Hausratsversicherung bezüglich einer
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Prölss/Martin/Prölss § 79 Rn. 4; vgl. auch Ritter/Abraham § 57 ADS Anm. 9. Vgl. auch Lange VersR 2006 605, 608 Fn. 30. Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 10; Ritter/Abraham § 57 ADS Anm. 9.
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Berliner Kommentar/Hübsch § 79 Rn. 25; Prölss/Martin/Prölss § 79 Rn. 4; Millauer 36; a.M. Gruneke 125. Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 12; Dreher/Thomas ZGR 2009 31, 63; Langheid/Grote VersR 2005 1165, 1166.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
gestohlenen Sache,51 die Kfz-Kasko-Versicherung, wenn der VN weder rechtlicher noch wirtschaftlicher Eigentümer des Fahrzeugs ist,52 die Kfz-Haftpflichtversicherung, wenn der VN weder Halter noch Fahrer des versicherten Fahrzeugs ist,53 oder ein echter Gruppenversicherungsvertrag.54 Liegt Versicherung für fremde Rechnung zugunsten mehrerer Versicherter vor, schaden 26 grundsätzlich weder Kenntnis noch Verhalten eines Mitversicherten den anderen Mitversicherten (Grundsatz der Einzelwirkung). In der Kfz-Kaskoversicherung etwa wird dem VN eine Fahrt unter Alkoholeinfluss durch einen Ehepartner, der das Kfz mitbenutzt, nicht ohne weiteres zugerechnet.55 Das ergibt sich daraus, dass § 47 Abs. 1 nur das Verhältnis vom Versicherten zum VN als Vertragspartei im Blick hat, andere Mitversicherte aber Vertragsfremde sind,56 sowie im Übrigen aus dem Prinzip der Einzelverantwortung und dem Rechtsgedanken des § 29 Abs. 1.57 Folge des Fehlverhaltens eines Mitversicherten ist also nur, dass dieser seinen eigenen Anspruch gegen den VR (teilweise) verliert. Abweichend von diesem Grundsatz muss sich bei einer Mehrheit von Versicherten ein Mitversicherter Kenntnis und Verhalten eines anderen Mitversicherten zurechnen lassen, wenn letzterer sein Repräsentant ist.58 Das gleiche gilt erst recht, soweit auf Versichertenseite mehrere Personen in Gesamthänderschaft oder als Bruchteilseigentümer miteinander verbunden sind.59 Hier schadet das Verhalten des einen Versicherten den anderen. Das gilt allerdings nicht in der Haftpflichtversicherung, wo jeder einzelne Versicherte einen selbständigen Befreiungsanspruch von der gegen ihn erhobenen Forderung hat. In der D&O-Versicherung ließen sich dem VN regelmäßig – bei Abschluss der üb27 lichen Konzernpolice – Kenntnis und Verhalten einer Vielzahl von Mitversicherten (bzw. Repräsentanten) zurechnen, nämlich der Organmitglieder auf sämtlichen Konzernebenen einschließlich der Kontrollorgane und der leitenden Angestellten.60 Das ist insbesondere bei der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit brisant. Ohne besondere vertragliche Abreden kann hier die Obliegenheitsverletzung einer einzigen mitversicherten Person dazu führen, dass der VR den gesamten Vertrag durch Anfechtung oder Rücktritt beenden kann. Das ist nicht interessengerecht. In der Praxis ist die Lösung auf vertraglicher Ebene zu suchen. Wenig hilfreich 61 erscheinen dabei sog. „severability clauses“. Diese stammen, wie der Name suggeriert, aus der angelsächsischen Vertragspraxis und sollen bewirken, dass die Kenntnis eines Versicherten den anderen Versicherten nicht zugerechnet wird.62 Einem Rücktritt oder einer Anfechtung des VR stehen solche Klauseln bei Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht jedoch regelmäßig nicht entgegen, da sie überwiegend nur die Zurechnung wissentlicher Pflichtverletzungen aus51 52
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LG Berlin 28.4.1994 RuS 1995 109. ÖOGH 13.3.1986 VersR 1987 1204; OLG Stuttgart 7.2.1991 RuS 1992 331; OLG Hamm 10.12.1993 VersR 1994 1223; OLG Oldenburg 26.6.1996 VersR 1997 997. ÖOGH 5.12.1961 VersR 1963 590; OLG Schleswig 18.12.1996 NZV 1997 442. Berliner Kommentar/Hübsch § 79 Rn. 6. OLG Hamm 29.10.1986 VersR 1988 240. Dazu Corrodi 119; Lenné 133. Dieser Rechtsgedanke lässt sich zumindest insoweit fruchtbar machen, als gleichartige Interessen versichert sind; dazu auch Prölss/ Martin/Prölss § 30 Rn. 1a; Dreher/Thomas ZGR 2009 31, 68.
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BGH 29.1.2003 VersR 2003 445, 446; OLG Stuttgart 7.2.1991 RuS 1992 331, 332: Langheid/Wandt/Dageförde § 47 Rn. 11; Langheid/Grote VersR 2005 1165, 1168. Vgl. Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Rn. 11; Ruscher 138. Ihlas 570 f.; Dreher/Thomas ZGR 2009 31, 63. A.M. offenbar Langheid/Wandt/Dageförde § 47 Rn. 12. Langheid/Grote VersR 2005 1165, 1168; Lange VersR 2006 605, 608 mit Praxisbeispielen in Fn. 35.
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Kenntnis und Verhalten des Versicherten
§ 47
schließen und/oder die Wirkung von Anfechtung oder Rücktritt nicht auf die Personen mit Kenntnis beschränken.63 Anders ist dies bei sog. „full severability clauses“.64 Diese haben jedoch den Nachteil, dass sie das Risikomanagement im Unternehmen verschlechtern, weil sie Anreize setzen, gefahrerhebliche Umstände innerhalb des Konzerns oder Unternehmens möglichst wenig zu kommunizieren, um den Deckungsschutz möglichst wirkungsvoll aufrecht zu erhalten. Vorzugswürdig sind daher sog. „Repräsentantenklauseln“,65 nach denen nur solches Wissen um Gefahrumstände für Obliegenheitsverletzungen und Risikoausschlüsse erheblich ist, das aus dem Kreis der in der Repräsentantenklausel bezeichneten Personen stammt. Haben die Parteien es versäumt, eine solche Klausel zu vereinbaren, kann das Rücktritts- bzw. Anfechtungsrecht des VR nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen auf Grundlage von § 242 BGB auf das jeweils von der Anzeigepflicht betroffene Interesse beschränkt werden.66 2. Obliegenheitsverletzung des Versicherten Verletzt der Versicherte eine Obliegenheit, hat er dieselben Rechtsfolgen zu gewärti- 28 gen, die den VN treffen, wenn er eine Obliegenheit verletzt, § 47 Abs. 1. Ist für eine bestimmte Verletzung als Rechtsfolge vorgesehen, dass der VR (teilweise) leistungsfrei wird, führt eine Verletzung durch den Versicherten dem entsprechend ebenfalls zur (teilweisen) Leistungsfreiheit.67 3. Rechtspflichts- oder Obliegenheitsverletzung des VN Verstößt nicht der Versicherte, sondern der VN gegen eine Obliegenheit oder eine 29 Rechtspflicht, die ihn von Gesetzes wegen oder aufgrund des Versicherungsvertrags trifft, kann sich der VR auch dem Versicherten gegenüber darauf berufen, wenn dessen Interesse betroffen ist.68 Eine Anfechtung des VR wegen arglistiger Täuschung durch den VN lässt entsprechend den Deckungsanspruch des Versicherten auch dann entfallen, wenn dieser an der Täuschung nicht mitgewirkt hat.69 Auch treffen ihn die Rechtsfolgen für einen Verstoß gegen die Hauptleistungspflicht des VN auf Prämienzahlung.70 Begründen lässt sich dies damit, dass der Versicherte aus dem Versicherungsvertrag nicht mehr Rechte herleiten kann als der VN selbst.71 Anderenfalls stünde der VR entgegen dem Normzweck des § 47 bei der Versicherung für fremde Rechnung schlechter als im Zwei-Personen-Verhältnis. Ergänzend lässt sich auf den Rechtsgedanken des § 334 BGB hinweisen,72 den § 47 ergänzt. Ein Ausgleich kann im Innenverhältnis zwischen VN und Versichertem erfolgen. 63 64 65
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Vgl. Seibt/Saame AG 2006 901, 911; Dreher/ Thomas ZGR 2009 31, 69 f. Dazu Winterling/Harzenetter VW 2007 1792, 1794; Seibt/Saame AG 2006 901, 911. Ihlas 571; Dreher/Thomas ZGR 2009 31, 71 f.; Winterling/Harzenetter VW 2007 1792, 1795. A.M. Langheid/Grote VersR 2005 1165, 1169 (in jedem Fall Beschränkung auf das versicherte Interesse); dem folgend Langheid/Wandt/Dageförde § 47 Rn. 12. Zutreffend, aber terminologisch unsauber, da von einer Verletzung der „dem Versiche-
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rungsnehmer obliegenden“ Aufklärungspflicht die Rede ist: OLG Frankfurt a.M. 28.6.1994 VersR 1995 164. BGH 18.9.1991 VersR 1991 1404, 1408; OLG Hamm VVGE § 3 AKB Nr. 2; Berliner Kommentar/Hübsch § 79 Rn. 8; Staudinger/ Jagmann § 334 Rn. 2. OLG Düsseldorf 23.8.2005 VersR 2006 785. J. Huber 83. Dazu schon Corrodi 117; Lenné 122; vgl. auch HK-VVG/Muschner § 47 Rn. 3; Langheid/Grote VersR 2005 1165, 1169. So Berliner Kommentar/Hübsch § 79 Rn. 8.
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§ 47
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
Im Rahmen der Pflicht-Haftpflichtversicherung sind Verletzungen von Obliegenheiten durch den VN dem Versicherten nach Maßgabe des § 123 Abs. 1 zuzurechnen.73 4. Subjektive Risikoausschlüsse
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Verwirklicht der Versicherte einen subjektiven Risikoausschluss (§§ 81, 103), ist der VR ihm gegenüber (teilweise) leistungsfrei.74 Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Mitversicherung des Sachersatz-/Haftpflichtinteresses in der Sachversicherung sich die (teilweise) Leistungsfreiheit des VR nicht nach § 103, sondern nach § 81 beurteilt.75 Keine Anwendung auf den Versicherten findet § 81 in der Vertrauensschadenversicherung, da dies dem Zweck der Versicherung widersprechen würde:76 Die Vertrauensschadenversicherung soll die Haftpflichtversicherung wirksam ergänzen und folgt entsprechend deren Regeln. In der Haftpflichtversicherung ist es für das Bestehen des Anspruchs aber unerheblich, ob der Geschädigte den Versicherungsfall mitverursacht hat. Aus dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 („auch“) folgt, dass § 81 allerdings dann auf den Versicherten anzuwenden ist, wenn der VN den Versicherungsfall herbeigeführt hat.77 Das entspricht dem Rechtsgedanken des § 334 BGB: Der Versicherte hat für die Vertragsuntreue des VN gegenüber dem VR einzustehen. In der Kautionsversicherung (auch der Personen-Kautionsversicherung) ist dies ausdrücklich geregelt – und zwar auch für den Fall, dass der VN den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat.78
II. Kombinierte Eigen- und Fremdversicherung 31
Eine kombinierte Eigen- und Fremdversicherung deckt durch denselben Versicherungsvertrag sowohl das eigene Interesse des VN als auch ein fremdes Interesse des oder der Versicherten. Ein Versicherungsanspruch kann in diesen Fällen in der Person des VN und in der Person des (oder der) Versicherten entstehen. Gedanklich ist der einheitliche Versicherungsvertrag in eine Versicherung für eigene Rechnung des VN und eine Versicherung für fremde Rechnung des Versicherten zu trennen (Trennungsgrundsatz). Beispiele sind die Betriebshaftpflichtversicherung des Unternehmers zugunsten der Betriebsangehörigen,79 die Kfz-Haftpflichtversicherung des Halters zugunsten des mitversicherten Fahrers,80 die Privathaftpflichtversicherung zugunsten der mitversicherten Familienangehörigen,81 die Feuerversicherung zugunsten Eigentümer fremder Sachen oder die Hausratsversicherung, wenn sowohl eigene als auch fremde Sachen versichert sind.82
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OLG Stuttgart VersR 1976 238; Langheid/ Wandt/Dageförde § 47 Rn. 10; Johannsen VersR 1991 500. OLG Koblenz VersR 2004 1410, 1411; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 47 Rn. 7. Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 12. BGH 30.9.1998 VersR 1998 1504, 1505. Berliner Kommentar/Hübsch § 79 Rn. 9; Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 9; a.M. Ehrenzweig 217 unter irrtümlicher Berufung auf Ehrenberg 203. BGH 11.6.1970 BGHZ 33, 97, 101 f.; Kossen Die Kautionsversicherung (1996) 165 f, 227.
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OLG Koblenz 25.6.1994 VersR 1994 715, 716. BGH 22.9.1958 BGHZ 28, 137, 141; BGH 14.12.1967 BGHZ 49, 130, 133; BGH 15.12.1970 VersR 1971 239, 241; OLG München 14.8.1956 VersR 1957 89; ÖOGH ZVR 1998 152, 153. OLG Köln 6.6.1952 VersR 1952 268, 269; OLG Düsseldorf 28.10.1997 RuS 1998 145, 147. OLG Karlsruhe 4.7.1996 VersR 1997 104; LG Nürnberg-Fürth 17.11.1977 VersR 1978 73.
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Kenntnis und Verhalten des Versicherten
§ 47
1. Fehlverhalten des Versicherten Obliegenheitsverletzungen und die Verwirklichung subjektiver Risikoausschlüsse durch 32 den Versicherten schaden nach dem Trennungsgrundsatz (dazu oben Rn. 31) grundsätzlich nur ihm selbst.83 Der Versicherungsanspruch des VN bleibt unberührt – gerade auch dann, wenn in der Person des Versicherten ein personenbezogener Haftungsausschluss vorliegt.84 Etwas anderes gilt nach den allgemeinen Regeln nur, wenn der Mitversicherte Repräsentant des VN ist.85 Zu beachten ist dabei, dass die Grundsätze der Repräsentantenhaftung in der Kfz-Haftpflichtversicherung keine Anwendung finden. Eine weitere Ausnahme gilt hinsichtlich der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten, und zwar für den Fall, dass der Versicherte eine ihm obliegende vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt und der VR deshalb den Versicherungsvertrag anficht. Zwar erstreckt sich die Obliegenheit des Versicherten nur auf die Fremdversicherung. Da Eigen- und Fremdversicherung jedoch Bestandteil ein und desselben Versicherungsvertrags sind, entfällt gemäß § 142 BGB auch der Eigenversicherungsschutz, soweit nicht der VR die Anfechtung auf die Fremdversicherung beschränkt.86 Eine derartige Teilanfechtung ist grundsätzlich möglich, da die Eigenversicherung nach Wegfall des angefochtenen Teils bei objektiver und vom Parteiwillen unabhängiger Betrachtungsweise als selbständiges und unabhängig von dem angefochtenen Teil bestehendes Rechtsgeschäft denkbar ist. Ob der restliche Teil – die Eigenversicherung – wirksam bleibt, beurteilt sich nach § 139 BGB.87 Es kommt darauf an, ob die Parteien den Versicherungsvertrag nur als Eigenversicherung, d.h. ohne Mitversicherung fremder Risiken, abgeschlossen hätten. 2. Fehlverhalten des VN a) Auswirkungen auf den Eigenversicherungsschutz. Was den Eigenversicherungs- 33 schutz des VN anbelangt, unterscheidet sich die Rechtslage bei der kombinierten Eigenund Fremdversicherung nicht von derjenigen bei reiner Eigenversicherung: Verstößt der VN gegen Obliegenheiten oder verwirklicht er einen subjektiven Risikoausschluss, wird der VR hinsichtlich der Eigenversicherung ganz oder teilweise (§ 81 Abs. 2) leistungsfrei. b) Auswirkungen auf den Fremdversicherungsschutz. Schwieriger ist die Frage zu be- 34 antworten, ob der VN, der durch Obliegenheitsverletzung oder Herbeiführung des Versicherungsfalls durch ihn oder einen Repräsentanten den eigenen Schutz verwirkt hat, damit bei der kombinierten Eigen- und Fremdversicherung auch den Versicherten um seine Ansprüche bringt. Früher ging man ausnahmslos von der Akzessorietät der Deckung des Versicherten aus, d.h. er verlor den Versicherungsschutz immer dann, wenn ihn auch der VN nicht beanspruchen konnte (Akzessorietätsregel). Das entspricht dem Normzweck des § 47 sowie dem Rechtsgedanken des § 334 und ist nach der Rechtsprechung
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Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 15; HK-VVG/Muschner § 47 Rn. 6; Langheid/ Wandt/Dageförde § 47 Rn. 5; Prölss/Martin/ Prölss § 79 Rn. 2; Langheid/Grote VersR 2005 1165, 1168. BGH 10.3.1966 VersR 1966 674. BGH 29.1.2003 RuS 2003 186; BGH 13.7.1971 VersR 1971 1119, 1121; zur Kfz-Kasko-Versicherung: OLG Nürnberg NJW-RR 1992 360; OLG Hamm NJW-RR
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1998 821; OLG Saarbrücken 9.7.1997 VersR 1998 883; Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 15; Langheid/Wandt/Dageförde § 47 Rn. 5; Prölss/Martin/Prölss § 79 Rn. 2 mwN; a.M. LG Mannheim 14.2.1962 VersR 1962 317 f. HK-VVG/Muschner § 47 Rn. 11; Römer/ Langheid/Römer § 79 Rn. 1. Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 15.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
grundsätzlich auch heute noch so.88 Die Akzessorietätsregel hat entsprechend Eingang in einige AVB gefunden, so z.B. in F.3 S. 1 AKB 2008. Bei der Verwirklichung subjektiver Risikoausschlüsse gilt die Akzessorietätsregel ausnahmslos: Verwirklicht der VN einen subjektiven Risikoausschluss, ist der VR auch gegenüber dem Versicherten (teilweise, vgl. § 81 Abs. 2) leistungsfrei,89 und zwar unabhängig von einer etwaigen Repräsentanteneigenschaft des VN.90 So verliert etwa der Leasinggeber seinen Anspruch auf die Kaskoentschädigung auf Grundlage von § 47, wenn der Leasingnehmer als VN den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt, § 81.91 Demgegenüber wirken sich Obliegenheitsverletzungen des VN nicht stets zu Lasten des Versicherten aus. Schon der Wortlaut des § 47 Abs. 1 („auch … die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten“) lässt erkennen, dass Obliegenheitsverletzungen des VN dem Versicherten zugerechnet werde können, nicht aber dass eine solche Zurechnung schlechthin bei allen, insbesondere auch vertraglichen, Obliegenheiten stattfinden soll. Für die Frage, ob Obliegenheitsverletzungen des VN sich nachteilig auf den Versicherungsanspruch des Versicherten auswirken, ist vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen (oben Rn. 11) auf den Zweck der Obliegenheit und das Gewicht der durch sie geschützten Interessen des VR abzustellen. Soweit es sich also um Obliegenheiten handelt, die ausschließlich die Sphäre des VN betreffen, bleibt die Rechtsstellung des Versicherten dadurch unberührt.92 Anders ist dies, wenn zumindest auch die Sphäre des Versicherten betroffen ist; dann bleibt der VR auch dem Versicherten gegenüber leistungsfrei.93 Der VR bleibt aber – abgesehen von den Fällen der Arglist – zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich ist (vgl. §§ 21 Abs. 2, 26 Abs. 3 Nr. 1, 28 Abs. 3, 82 Abs. 4). Hinsichtlich der Auswirkungen von Obliegenheitsverletzungen des VN auf den Fremdversicherungsschutz des Versicherten bedeutet dies, dass der Fremdversicherungsschutz unberührt bleibt, wenn die Obliegenheitsverletzung des VN, z.B. wegen Erfüllung der Obliegenheit durch den Versicherten, für den VR folgenlos geblieben ist.94 So betrifft es den mitversicherten Fahrer in der Kfz-Haftpflichtversicherung nicht, wenn der VN dem VR keine Auskunft über den Versicherungsfall gibt, solange der Versicherte selbst für den Schadensbericht sorgt. Damit ist dem Informationsinteresse des VR Genüge getan.95 Die Akzessorietätsregel kann auch durch vertragliche Vereinbarung durchbrochen werden. So können die Parteien vereinbaren, dass der VR dem Versicherten in höherem Maße verantwortlich ist als dem VN, also seine Leistungspflicht dem Versicherten
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BGH 12.3.1959 VersR 1959 329; BGH 8.2.1965 VersR 1965 425; BGH 6.5.1965 BGHZ 44 1 = VersR 1965 701; BGH 22.4.1971 VersR 1971 558. BGH 8.2.1965 VersR 1965 425, 428; Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 17. Zutreffend OLG Hamm 2.11.1994 VersR 1995 1348; Rischar NZV 1998 59, 60; § 47 (bzw. § 79 a.F.) übersieht OLG Nürnberg NJW-RR 1992 360; missverständlich Langheid/Wandt/Dageförde § 47 Rn. 5. OLG Hamm 2.11.1994 VersR 1995 1348.
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OLG Saarbrücken 17.7.1968 VersR 1968 1133; OLG Hamm 19.4.1996 NZV 1996 412; Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 18; Langheid/Wandt/Dageförde § 47 Rn. 5. Vgl. auch Schirmer ZVersWiss 1981 121, 126. Looschelders/Pohlmann/Koch § 47, Rn. 20. BGH 14.12.1967 BGHZ 49 130 134; Bruck/ Möller/Baumann § 89 Rn. 139 ff.; Koch GmbHR 2004 160, 161; zu weitreichend die Interpretation dieser Ausnahme durch Staudinger/Jagmann § 334 Rn. 2.
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Kenntnis und Verhalten des Versicherten
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gegenüber (vollständig) bestehen bleibt, während sie dem VN gegenüber (teilweise) erlischt. Hauptbeispiele sind die Kautionsversicherung, die Kfz-Kaskoversicherung mit Sicherungsschein,96 die sonstige Sachversicherung mit Warensicherungsschein und die Kundenversicherung. Soweit hier die Akzessorietätsregel zugunsten des Versicherten durchbrochen wird, ist aber streng darauf zu achten, inwieweit der Vertrag Ausnahmen vorsieht. In der Pflicht-Haftpflichtversicherung durchbricht § 123 faktisch die Akzessorietäts- 39 regel.97 Formell bleibt es zwar dabei, dass der Versicherte wegen des Fehlverhaltens des VN keine Deckung genießt. Die Vorschrift ordnet aber an, dass der VR wegen Leistungen, die er gewährt hat, beim Versicherten nur insoweit Rückgriff nehmen kann, als dieser die Umstände, die zur Leistungsfreiheit gegenüber dem VN geführt haben, selbst zu vertreten hat bzw. diese ihm bekannt oder grob fahrlässig nicht bekannt sind. Diese faktische Aufhebung der Akzessorietätsregel spiegelt sich in F.3 S. 2 AKB 2008 wider.
E. Sonderregeln Dadurch dass § 47 nunmehr eine Bestimmung des Allgemeinen Teils ist, die für sämt- 40 liche im VVG geregelten Versicherungszweige gilt, konnten die Verweisungen, kraft derer zuvor die Regeln über die Versicherung für fremde Rechnung auf die Unfall- (§ 179 Abs. 2 S. 2 a.F.) und die Krankenversicherung Anwendung fanden, ersatzlos gestrichen werden. Es sind aber weiterhin Besonderheiten zu beachten. So schadet in der Krankenversicherung nur vorsätzliches Verhalten, was die Herbeiführung des Versicherungsfalls anbelangt (§ 201). In der Unfallversicherung gelten hingegen die allgemeinen Grundsätze, da § 183 Abs. 1 an § 179 Abs. 2 anknüpft und nicht auch an § 179 Abs. 1 S. 2.98 Ist der vertragsfremde Dritte nicht Versicherter sondern bloße Gefahrsperson, bedarf es der Anwendung von § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, S. 2 bei der Unfall- und Krankenversicherung nicht; auf Kenntnis und Verhalten der Gefahrsperson kommt es nach Maßgabe des § 179 Abs. 3 bzw. des § 193 Abs. 2 an, die vorrangige leges speciales sind. Das bedeutet insbesondere, dass der VR jeweils auch bei einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Gefahrsperson leistungsfrei wird, und dass die Gefahrsperson eine Obliegenheitsverletzung begehen kann. Hat etwa in der Krankenversicherung der Familienangehörige als Gefahrsperson von Vorerkrankungen gewusst, der VN aber nicht, und hat letzterer sie dementsprechend auf Nachfrage des VR hin nicht angegeben, so ist das dem VN dennoch zuzurechnen.99 Der Unterschied zu § 47 besteht darin, dass Kenntnis und Verhalten der Gefahrsperson nach §§ 179 Abs. 3, 193 Abs. 2 dem Anspruch des VN schaden und nicht dem Anspruch des Versicherten, wie dies nach § 47 der Fall ist. Zum alten Recht wurde zu Recht vertreten, die Entlastungsvorschrift des heutigen 41 § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 sei entsprechend auf die Obliegenheit des Bezugsberechtigten in der Unfallversicherung nach § 182 a.F. anzuwenden, da er insoweit wie ein Versicherter
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BGH 19.1.1967 VersR 1967 343; BGH VersR 1979 176, 178; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 47 Rn. 10. OLG Stuttgart 24.7.1974 VersR 1975 705; Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 19. Zu § 183 und der Versicherung für fremde
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Rechnung Looschelders/Pohlmann/Looschelders/Götz § 183 Rn. 3; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Brömmelmeyer § 183 Rn. 4. Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 23; Gruneke 116, 126, 128.
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§ 47
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
stand.100 Dieses Anwendungsgebiet für die Regel aus § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 ist mit der Neukodifikation von 2008 weggefallen, da der Reformgesetzgeber § 182 a.F. ersatzlos gestrichen hat.
F. Abdingbarkeit § 47 ist grundsätzlich abdingbar.101 Eine Ausnahme gilt aber für § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1.102 Diese Vorschrift dient – wie auch § 44 Abs. 1 – der Absicherung des Verbots von Wettversicherungen (Eigenversicherungen auf fremdes Risiko) und ist daher zwingendes Recht. Insoweit § 47 abdingbar ist, gilt im Einzelnen Folgendes: Die bei der Versicherung für fremde Rechnung vorhandene Gefährdung der Rechte des Versicherten durch ihre Abhängigkeit von dem Verhalten des VN kann durch besondere Vereinbarungen der Beteiligten ausgeschlossen werden.103 Eine Vereinbarung, wonach dem Versicherten von ihm nicht verschuldete Obliegenheitsverletzungen des VN entgegengehalten werden können, ist wirksam. Die Rechtsfolgen von Anzeigeobliegenheitsverletzungen des Versicherten können auf dessen Versicherungsanspruch beschränkt werden. Auch kann der VR gegenüber dem Versicherten (Kreditinstitut, Leasinggeber) auf bestimmte Einwendungen aus seinem Rechtsverhältnis zum VN verzichten.104 In diesen Fällen bleibt er gegenüber dem Versicherten kraft vertraglicher Vereinbarung verpflichtet, auch wenn eine solche Verpflichtung gegenüber dem VN nicht besteht. Ist der VN Dritter i.S.v. § 86, ist ein Regress gegen den VN möglich.105 Häufig finden sich in AVB Vorschriften, dass gewisse näher aufgeführte Bestimmun43 gen der Vertragsregelung, die den VN betreffen, sinngemäß auf mitversicherte Personen Anwendung finden. Beispiele hierfür bieten Ziff. F.1 AKB 2008, Ziff. 27.1 S. 1 AHB 2008, B § 12 Nr. 3 lit. a) AFB 2008. Ihre Bedeutung ist angesichts des weitgefassten § 47 Abs. 1 gering.106
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G. Auslandsrecht/PEICL 44
Was das ausländische Recht anbelangt, ist hinsichtlich Verantwortlichkeit für Wissen und Verhalten zu unterscheiden. Was das Wissen des Versicherten anbelangt, haben sich zwei verschiedene Regelungsmodelle herausgebildet, die aber praktisch zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Das eine, dem teilweise auch irrtümlich das deutsche und das österreichische Recht zugerechnet werden,107 stellt Zurechnungsregeln auf, die das Wissen des Versicherten als Wissen des VN behandeln (vgl. etwa Art. 5 Abs. 2 schw. VVG). Das andere Modell, das die meisten europäischen Versicherungsrechtsordnungen verwenden, sieht vor, dass den Versicherten eine eigene Verantwortlichkeit trifft (vgl. etwa § 79 Abs. 1 ö. VVG, Art. 9 Abs. 2 S. 2 griech. VGG; Art. 7 span. VVG; Art. 22 fin. VVG). 100 101
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Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 24. Berliner Kommentar/Hübsch § 79 Rn. 26; Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 22; Prölss/Martin/Prölss, § 79 Rn. 4. Bruck/Möller/Sieg 8 Vor §§ 74–80 Anm. 14; Krause 23. BGH 14.12.1967 BGHZ 49 130, 134 = NJW 1968 447; Looschelders/Pohlmann/ Koch § 47 Rn. 22.
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BGH 15.11.1978 VersR 1979 176, 178. ÖOGH 21.4.1993 VersR 1994 459, 460. So schon Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 3. Basedow et al. PEICL Art. 11-102 N 2.
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Versicherung für Rechnung „wen es angeht“
§ 48
Was die Verantwortlichkeit für Verhalten bei der Versicherung für fremde Rechnung anbelangt, ist die Rechtslage international uneinheitlich. Auf der einen Seite stehen Rechtsordnungen wie das französische, belgische und luxemburgische Recht sowie das Recht der nordischen Länder, die auf das Verhalten des Versicherten nicht abstellen wollen. Dem gegenüber kennen das österreichische, das schweizerische und das griechische Recht Bestimmungen, die der des § 47 Abs. 1 im Wesentlichen gleichen. Die Entscheidung der einzelnen Rechtsordnungen für einen der beiden Ansätze verläuft parallel zur jeweiligen Grundentscheidung, ob Obliegenheiten von Rechtspflichten unterschieden werden. Rechtsordnungen, die dies – anders als das deutsche Recht –, nicht tun, sehen in der Maßgeblichkeit des Verhaltens einen (unzulässigen) Vertrag zu Lasten Dritter, da der Versicherte zu einem Verhalten verpflichtet wird, zu dem er seine Zustimmung nicht gegeben hat.108 Die PEICL tragen den unterschiedlichen Ansätzen der Rechtsordnungen der Mitglied- 45 staaten zur Frage der Erheblichkeit des Verhaltens des Versicherten Rechnung und klammern diesen Bereich weitgehend aus den Bestimmungen über die Versicherung für fremde Rechnung aus. Eine Teilregelung, die im Wesentlichen der Bestimmung des § 123 Abs. 1 entspricht,109 findet sich allerdings in Art. 11-103 PEICL. Sie schreibt den Grundsatz der Einzelwirkung von Fehlverhalten fest und bestimmt, dass Kenntnis und Verhalten des Versicherten die Rechtsstellung anderer Versicherter nur im Rahmen einer Gruppenversicherung oder einer vergleichbaren Versicherung gemeinsamer Interessen beeinträchtigt. Das ist auch die Wertung des deutschen Rechts (vgl. oben Rn. 26) Art. 11-102 PEICL enthält eine weitere Teilregelung des Fragenkomplexes, den § 47 anspricht. Diese Regel beschränkt die Beachtlichkeit der Kenntnis des Versicherten auf den Fall, dass der VN verpflichtet ist, dem VR wesentliche Informationen zur Verfügung zu stellen (Äquivalent zu § 47 Abs. 1). Ebenfalls in den PEICL geregelt ist ein Äquivalent zu § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, wonach die Zurechnung nur erfolgt, wenn der Versicherte seinen Status kennt. Regelungstechnisch haben sich die PEICL – vielleicht auch in Verkennung der Rechtslage in Deutschland und Österreich – für ein Zurechnungsmodell entschieden.
§ 48 Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ Ist die Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ genommen oder ist dem Vertrag in sonstiger Weise zu entnehmen, dass unbestimmt bleiben soll, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert ist, sind die §§ 43 bis 47 anzuwenden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass fremdes Interesse versichert ist. Schrifttum (vgl. auch Schrifttum Vor §§ 43–48) Cohn Das rechtsgeschäftliche Handeln für denjenigen, den es angeht, Diss. Marburg (1931); Dreischmeier Neue Allgemeine Maschinenversicherungs-Bedingungen (AMB) und Klauseln zu den AMB VA 1969 30; Embden Die Versicherung für Rechnung wen es angeht, Diss. Hamburg (1930); Glitza Die Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ und entsprechende Rechtsinstitute im englischen, französischen und italienischen Recht, Diss. Hamburg (1964); Langenbeck Anmerkungen
108 109
Dazu auch Basedow/Fock Europäisches Versicherungsrecht I 105. So auch Basedow et al. PEICL Art. 11-103
Note; ferner Armbrüster ZEuP 2008 775, 808.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
über das Hamburgische Schiff- und Seerecht (1724); Mitsdörffer Rechtsfragen der Insassenunfallversicherung bei Kraftfahrzeugen, Diss. Freiburg (1974); Möller Cif-Geschäft und Versicherung (1932); ders. Wer ist bei der Versicherung für Rechnung, wen es angeht, unmittelbar aufgrund des Versicherungsvertrags Versicherter? JRPV 1928 337; Orlowski Rechtsfragen der Insassenversicherung VersR 1954 45; Schirmer Zur Versicherbarkeit des Sachersatzinteresses in der Sachversicherung ZVersWiss 1981 637; Sieg Die versicherungsrechtliche Stellung des Sacherwerbers nach Gefahrübergang auf ihn VersR 1995 125; Sieveking Von der Assekuranz für Rechnung eines ungenannten Versicherten (1791).
Übersicht Rn. A. I. II. B. C. I. II. III. IV. D. I. II. III.
Normgeschichte . . . . . . . . . . Entstehung . . . . . . . . . . . . Gesetzgebungsgeschichte . . . . . Normzweck . . . . . . . . . . . . Interessegestaltungen . . . . . . . Versicherung alternativer Interessen Versicherung sukzessiver Interessen Versicherung kumulativer Interessen Geheimhaltungsinteresse des VN . Tatbestand . . . . . . . . . . . . Dogmatik und Rechtsnatur . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . Vereinbarung einer Versicherung für Rechnung wen es angeht . . . . .
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1 1 2 3 5 6 9 11 14 15 15 17
Rn. IV. Feststellung des versicherten Interesses 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . 2. Meinungsstand zu sukzessiven und kumulativen Interessen . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . E. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . I. Rechte gegen den VR . . . . . . . . . II. Pflichten und Obliegenheiten gegenüber dem VR . . . . . . . . . . . . . . . . F. Unanwendbare Vorschriften . . . . . . G. Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . H. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . I. Auslandsrecht/PEICL . . . . . . . . .
. . 24 . . 24 . . . .
. . . .
26 27 29 29
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30 34 35 36 37
. . . . 20
A. Normgeschichte I. Entstehung 1
Die Entwicklungsgeschichte der Versicherung für Rechnung wen es angeht folgt eng den Entwicklungslinien der Versicherung für fremde Rechnung (dazu Vor §§ 43–48, Rn. 7 ff.).1 Auch die Versicherung für Rechnung wen es angeht stammt geographisch aus Italien und materiell aus der Seegüterversicherung. Eine erste Erwähnung findet sich im Versicherungsvertragsgesetz der Republik Florenz von 1523. Das Interesse der Kaufmannschaft an der Geheimhaltung ihrer Geschäfte verhalf dem Rechtsinstitut zum Durchbruch. Über Spanien und die (zunächst spanischen) Niederlande (Ordinantie van Assecurantie ofte Verseckering von 1563) gelangte die Versicherung für Rechnung wen es angeht in den deutschen Raum. Die Hansestädte waren das Einfallstor. In Hamburg findet sich eine Police aus dem Jahr 1590, die Deckung für „eigene oder fremde Rechnung“ gewährte. Die Hamburgische Assecuranz- und Haverey-Ordnung von 1731 nahm sich als erste deutsche Rechtsquelle dieses Instituts an (Titel I § 4, Titel II § 3). Sie diente wiederum als Vorbild für das preußische Recht, das seit 1766 die Versicherung für Rechnung wen es angeht anerkannte.2 Man legte die jeweiligen Bestimmungen bereits so aus, dass 1
2
Speziell zur Entwicklung der Versicherung für Rechnung wen es angeht: Glitza 23 ff. m.w.N.; Ritter/Abraham § 52 ADS Anm. 16; Sieveking 10 ff.; Langenbeck 378. Assecuranz- und Havarey-Ordnung für sämt-
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liche preußischen Staaten von 1766; dazu Bruck PVR 6; nach dem preußischen ALR von 1794 (§ 2017 II 17) durften allerdings nur Kaufleute eine Versicherung für Rechnung wen es angeht nehmen.
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Versicherung für Rechnung „wen es angeht“
§ 48
eigenes und fremdes Interesse gedeckt war, ohne dass die Versicherung ausdrücklich „für Rechnung wen es angeht“ genommen werden musste.3 Zwischenzeitlich musste diese Freizügigkeit gegenüber den Interessenten dem Verlangen der VR weichen, unterrichtet zu sein, ob sie Interessen ihrer VN oder von Dritten gedeckt hielten. Nach dem II. Weltkrieg kehrte die Normpraxis zu § 48 bzw. dessen Normvorgänger § 80 Abs. 2 a.F. und zu § 52 Abs. 3 ADS, der § 80 Abs. 2 a.F. nachgebildet ist, allerdings zur ursprünglichen, liberaleren Handhabung zurück (vgl. unten Rn. 21 f.). 2. Gesetzgebungsgeschichte § 48 entspricht § 80 Abs. 2 a.F. Die Regelung des § 80 Abs. 1 a.F. ist als § 43 Abs. 3 2 neu kodifiziert. Die Abtrennung von § 80 Abs. 1 a.F. erfolgte aufgrund des Sachzusammenhangs dieser Bestimmung mit den übrigen Regeln des § 43.4 Dass § 48 nunmehr im Allgemeinen Teil des VVG geregelt ist, ist eine glückliche Wahl des Reformgesetzgebers von 2007, da er dadurch die zuvor umstrittene Frage, ob es auch eine Versicherung für Rechnung wen es angeht in der Summenversicherung geben kann, von Rechtsunsicherheit befreit hat (dazu unten Rn. 18). Für die Seeversicherung trifft § 52 Abs. 3 ADS eine inhaltsgleiche Regelung. Regelungsvorbild ist jeweils der mittlerweile aufgehobene § 781 Abs. 2 S. 2 HGB.
B. Normzweck § 48 regelt einen eigenen Versicherungstypus, der zwischen der Versicherung eines 3 eigenen und der Versicherung eines fremden Interesses steht. Die Vorschrift ermöglicht es den Parteien, im Versicherungsvertrag zunächst offen zu lassen, ob ein eigenes oder ein fremdes Interesse versichert wird. Dadurch entsteht ein „Schattenkabinett, ein huschendes Durcheinander von Personen, Gefahren und Risiken“.5 Es können auf diesem Wege aber Interessen gedeckt werden, für die bei Abschluss des Versicherungsvertrages bzw. bei materiellem Versicherungsbeginn nicht feststeht oder sich nur schwer feststellen lässt, wer ihr Träger ist. Insoweit sind vier verschiedenen Formen der Interessegestaltung denkbar (unten Rn. 6 ff.). Wäre es in diesen Fällen nicht möglich, Versicherung für Rechnung wen es angeht zu nehmen, wäre der Abschluss mehrerer Versicherungsverträge notwendig. Dadurch käme es regelmäßig zu einer Überversicherung und zur Behandlung einheitlicher Sachen/Sachverhalte nach unterschiedlichen Versicherungsverträgen.6 Der Praxis dient § 48 darüber hinaus dazu, Härten des § 43 Abs. 3 abzufedern: Dieser 4 enthält eine – allerdings schwache – Vermutungsregel, nach der von einer Versicherung eigenen Interesses auszugehen ist, wenn die Umstände Zweifel daran lassen, dass ein fremdes Interesse versichert ist. Lässt sich auch kein Eigeninteresse des VN feststellen, liegt Interessemangel vor; der VR bleibt leistungsfrei. Kommt § 43 Abs. 3 zur Anwendung, geht es also darum, ob überhaupt Versicherungsschutz besteht. § 48 behandelt hingegen die Frage, wer einen unzweifelhaft zu gewährenden Versicherungsschutz beanspruchen kann. Die Vorschrift ermöglicht es der Rechtsprechung also, durch Annahme des Abschlusses einer konkludenten Versicherung für Rechnung wen es angeht die im Einzelfall unliebsame Annahme eines Interessemangels zu vermeiden.
3 4
Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 10; Ritter/Abraham § 52 ADS Anm. 16. Begr. RegE., BTDrucks. 16/3945, 73.
5 6
Imseng 20. Näher Anli 40.
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C. Interessegestaltungen 5
Im deutschen Recht werden nach Kisch 7 drei verschiedene Interessegestaltungen unterschieden, die Grundlage einer Versicherung für Rechnung wen es angeht sein können. Eine vierte – heute allerdings praktisch weniger relevante – kommt hinzu. Die Grenzen zwischen den vier Gestaltungsformen sind fließend; rechtliche Bedeutung hat die Einteilung nicht. Sie dient nur dazu, das komplexe Institut der Versicherung für Rechnung wen es angeht zu veranschaulichen.
I. Versicherung alternativer Interessen 6
Bei der Versicherung alternativer Interessen ist bei Vertragsschluss bzw. materiellem Versicherungsbeginn noch nicht bekannt, wem das zu versichernde Interesse zusteht. Zu dieser Gruppe zählt in der Aktivenversicherung der Fall, dass die Berechtigung an einer versicherten Sache – etwa aufgrund konfligierender Kreditsicherungsrechte (z.B. Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung) oder einer zweifelhaften Erbfolge – unklar ist, oder Streit über sie besteht. Der Prozessausgang entscheidet im letzteren Fall darüber, ob eigenes Interesse des VN oder fremdes Interesse des Dritten gedeckt ist. Auch der Inhaber des Sachwertinteresses kann ungewiss sein, z.B. wenn die Identität des Treugebers unklar ist.8 Eigenversicherung oder Versicherung für fremde Rechnung genügen in den genannten Fällen nicht, wenn das Interesse auf jeden Fall versichert sein soll. Die Berechtigung an der versicherten Sache kann auch in der Kaskoversicherung unklar sein. Nach den Sonderbedingungen für den Kfz-Handel und Handwerk liegt eine Versicherung alternativer Interessen etwa bei Verwendung eines roten Kfz-Kennzeichens vor. Versichert nach den Grundsätzen der Versicherung für Rechnung wen es angeht sind hier auch Schäden an einem betriebsfremden Fahrzeug, an dem das rote Kennzeichen angebracht ist.9 Auch jenseits der Sachversicherung kann der Träger des versicherten Risikos bei Vertragsschluss noch nicht feststehen. In der Insassenunfallversicherung des Halters liegt regelmäßig eine Versicherung für Rechnung wen es angeht zugunsten der bei Vertragsschluss noch unbekannten zukünftigen Insassen des Fahrzeugs.10 Ähnlich ist die Sachlage, wenn ein zukünftiges Interesse versichert werden soll, von 7 dem man nicht weiß, ob oder inwieweit es in der Person des VN oder in der eines Dritten entstehen wird (z.B. Abschluss einer Wohngebäudeversicherung durch den Alleineigentümer als künftiger Verwalter zugunsten einer noch nicht bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft 11). In der Passivenversicherung liegt eine Versicherung alternativer Interessen vor, wenn 8 Haftpflichtschäden aus einer Verkehrspflicht zu versichern sind, die mit einem Grundstück zusammenhängt, dessen Eigentumsverhältnisse unklar sind.
7 8
9
Kisch PVR III 586. Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster § 6 Rn. 145; Deutsch Versicherungsvertragsrecht Rn. 101. BGH 11.3.1987 NJW-RR 1987 856; OLG Köln 18.10.1989 VersR 1990 847, 848.
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ÖOGH 30.5.1973 VersR 1974 455. Brandenburgisches OLG 13 U 85/06 v. 20.12.2006 (juris); OLG Koblenz 31.5.1996 RuS 1996, 450, 451; Anli 41.
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Versicherung für Rechnung „wen es angeht“
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II. Versicherung sukzessiver Interessen Von sukzessiven Interessen spricht man, wenn ein versichertes Interesse bestimmungs- 9 gemäß auf einen anderen Inhaber oder eine Reihe anderer Inhaber übertragen werden soll. Bei einer solchen Interessenlage kann sich die Versicherung für Rechnung wen es angeht in einem Sonderfall 12 anbieten, der sich durch zwei Merkmale auszeichnet. Einmal muss es sich bei dem versicherten Interesse, das übertragen werden soll, um eines des VN handeln. Weiterhin muss der VN auch nach der Übertragung VN bleiben wollen. Nähme er in einem solchen Fall nur eine Versicherung für das künftige Interesse des Dritten (Erwerbers), bliebe dieser bis zur Wirksamkeit der Übertragung versicherungsrechtlich ungeschützt und auf den bürgerlich-rechtlichen Schutz durch § 285 BGB 13 verwiesen. Scheitert der Veräußerungsvorgang, wäre die Versicherung gar gegenstandslos. Eine Eigenversicherung entspricht ebenfalls nicht der Interessenlage des VN. Zwar wäre der Erwerber vor der Übertragung zumindest nach § 285 BGB und nach der Übertragung aufgrund der §§ 95 ff. geschützt. Der VN würde aber nach der Übertragung entgegen seinem Willen seine Stellung als VN verlieren. Anwendungsfälle der Versicherung für Rechnung wen es angeht bei sukzessiven Inter- 10 essen sind die Versicherung von Nachlasssachen durch den Vorerben in seinem und des Nacherben Namen oder die Versicherung des Interesses an einem Gut, das durch verschiedene Hände und Interessensphären geht (z.B. in der Transport- oder Seeversicherung zu versendende Ware, welche die Rechtssphären des Absenders, des Spediteurs, des Frachtführers, des Lagerhalters und des Adressaten durchwandert).14 Ist das Interesse, dessen Träger wechseln soll, von vornherein ein fremdes, genügt allerdings Versicherung für fremde Rechnung mit unbenanntem Interesseträger nach § 43 Abs. 1. Umstritten ist, ob eine Versicherung für Rechnung wen es angeht hinsichtlich des Interesses eines potentiellen Käufers zwischen Gefahrübergang und Eigentumswechsel möglich ist.15 Dies ist zu bejahen, wenngleich es sich um einen Grenzfall handelt. Es ist nämlich nicht gesagt, dass Veräußerer und Erwerber ein identisches Interesse haben, wie die Versicherung für Rechnung wen es angeht dies voraussetzt. Nähme man im Zweifel jedoch keine Versicherung für Rechnung wen es angeht an, müsste der Erwerber für den Zeitraum zwischen Gefahrübergang und Eigentumswechsel eine eigene Versicherung abschließen, da er ansonsten in der Insolvenz des Veräußerers nur nach Maßgabe des § 285 BGB geschützt ist. Dem Erwerber den Abschluss einer eigenen Versicherung zuzumuten, wäre aber nicht gerechtfertigt, da der VR für die Prämie nur die Gegenleistung bietet, die er auch ohne den Verkauf hätte bieten müssen.
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13 14
Vom Regelfall gehen zu Unrecht aus Ehrenzweig 213 f.; Lenné 96, 98 f.; wie hier Anli 41. Dazu Sieg VersR 1995 125, 126. BGH 11.3.1987 NJW-RR 1987 856; BGH 5.12.1966 VersR 1967 151, 152; BGH 16.11.1967 VersR 1968 42, 43; Prölss/Martin/Prölss § 80 Rn. 45.
15
Dafür OLG Jena 24.2004 RuS 2004 331, 333; OLG Düsseldorf 16.11.1993 RuS 1995 425; OLG Hamburg 22.6.1978 VersR 1978 1138; Langheid/Wandt/Dageförde § 48 Rn. 4; Martin VersR 1974 821, 825; dagegen R. Schmidt BB 1955 399; Schirmer ZVersWiss 1981 637, 651; Sieg VersR 1995 125 f.
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III. Versicherung kumulativer Interessen 11
Eine Versicherung kumulativer Interessen liegt vor, wenn jemand nebeneinander stehende Interessen verschiedener Personen mit einem einheitlichen Vertrag versichern möchte. Sind die Beteiligungsverhältnisse veränderlich, handelt es sich um einen Sonderfall der Versicherung sukzessiver Interessen. Ist einer der beteiligten Interessenträger der VN selbst und sollen Träger und Maß der einzelnen beteiligten Interessen nicht angegeben werden, etwa weil die Beteiligungsverhältnisse unklar sind, empfiehlt es sich, Versicherung für Rechnung wen es angeht zu nehmen.16 Dadurch lässt sich sicherstellen, dass die Versicherung nicht unwirksam wird, wenn sich herausstellt, dass die Interessenlage eine andere ist, als bei Vertragsschluss angenommen wurde. Anwendungsfälle der Versicherung kumulativer Interessen für Rechnung wen es an12 geht sind z.B. die Versicherung eines Lagers, in dem sich in unklarem Mengenverhältnis eigene Sachen des VN befinden und Sachen, die ihm kommissionsweise überlassen worden sind (etwa Brennstoff oder Goldwaren eines Goldschmieds), oder die Versicherung von Sachen durch Pächter oder Nießbraucher, die das eigene Nutzungs- und das Eigentümerinteresse versichern wollen. Im Schrifttum wird vertreten, Versicherung für Rechnung wen es angeht solle immer 13 dann genommen werden, wenn der VN als Miteigentümer eine Sachversicherung abschließt, die hinsichtlich seines Anteils Eigenversicherung ist, hinsichtlich des Anteils der Miteigentümer aber Fremdversicherung.17 Hier handelt es sich zwar um einen Fall der Versicherung kumulativer Interessen. Eine Versicherung für Rechnung wen es angeht empfiehlt sich aber nur dann, wenn der VN selbst zwingend die Kontrolle über die Versicherung behalten will.18 Ansonsten genügt es, wenn er für das Gesamtinteresse Eigenversicherung nimmt und mit dem VR vereinbart, dass sich die Versicherung auch auf fremde Interessen erstreckt und insoweit als Versicherung für fremde Rechnung genommen werden soll, vgl. auch § 89 Abs. 2. Ebenso ist in der Passivenversicherung die KfzHaftpflichtversicherung nicht als Versicherung für Rechnung wen es angeht anzusehen.19 Zwar bleiben die Person des Halters und des Fahrers im Versicherungsvertrag unbestimmt. Unsicherheit besteht dennoch nicht, da die Deckung des VN unabhängig von der Deckung der mitversicherten Personen besteht.
IV. Geheimhaltungsinteresse des VN 14
Die Versicherung für Rechnung wen es angeht bietet sich schließlich in den Fallgestaltungen an, die zu ihrer Entstehung geführt haben: Fälle, in denen der VN aufgrund irgendeines Motives im Dunklen halten will, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert ist.
16
17 18
ÖOGH 26.5.1993 VersR 1993 1303, 1304; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 48 Rn. 3. Möller 137; Kisch PVR III 588; Glitza 19. Bruck/Möller/Sieg 8 § 80 Anm. 17; Anli, S. 43.
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19
So aber Keller Kommentar zum Schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, 2. Aufl. (1968) 284; Ruscher 15; Glitza 19 f.; unklar Kisch PVR III 589.
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Versicherung für Rechnung „wen es angeht“
§ 48
D. Tatbestand I. Dogmatik und Rechtsnatur Dogmatisch gehört die Versicherung für Rechnung wen es angeht zu den Rechts- 15 geschäften, bei denen ein Inhaltselement (und zwar das subjektive) zunächst unbestimmt bleibt und erst später ausgefüllt werden soll. Sie steht damit in einer Reihe mit der Blankovollmacht, dem Blankowechsel und dem Blankoindossament.20 Es besteht auch eine lose Verwandtschaft mit der sachenrechtlichen Übereignung an wen es angeht. Bei der Versicherung für Rechnung wen es angeht beschränkt sich die Unbestimmtheit des Vertrags indes darauf, dass zunächst unklar bleibt, ob die Vorteile daraus unmittelbar dem VN zufließen oder einem Dritten. Bei der Übereignung an wen es angeht ist darüber hinaus unbestimmt, ob der Erklärende im eigenen oder im fremden Namen handelt, ob also auch die Pflichten aus dem Rechtsgeschäft den Vertragsschließenden oder einen Dritten treffen.21 Von der Versicherung für Rechnung eines unbekannten Dritten, die nach § 43 Abs. 1 16 zulässig ist, unterscheidet sich die Versicherung für Rechnung wen es angeht dadurch, dass bei ihr nicht feststeht, dass ein (unbekannter) Dritter Versicherter ist, sondern dass auch der VN Versicherter sein kann. Keine Versicherung für Rechnung wen es angeht, sondern eine Versicherung für Rechnung eines unbekannten Dritten liegt in der Kaskoversicherung vor, was Schäden an Fahrzeugen anbelangt, die der Eigentümer in die Obhut des VN gegeben hat.22
II. Anwendungsbereich Schon die systematische Stellung des § 48 im Allgemeinen Teil des VVG verdeutlicht, 17 dass eine Versicherung für Rechnung wen es angeht für sämtliche Versicherungsarten genommen werden kann, also neben der Aktivenversicherung auch für die Passivenversicherung23 und für die Summenversicherung. Am gebräuchlichsten ist die Versicherung für Rechnung wen es angeht in der Aktivenversicherung – und zwar in der Schadensversicherung, die zugleich Sachversicherung ist. Das Anwendungsgebiet der Versicherung für Rechnung wen es angeht wächst hier in dem gleichen Maße, wie die Versicherung wirtschaftlicher Einheiten zunimmt, d.h. die Versicherung von Objekten ohne Rücksicht darauf, ob sie dem VN oder einem Dritten gehören, sofern sie nur zu einem bestimmten Zweck zusammengefasst sind. Letzteres geschieht häufig in den technischen Versicherungszweigen. Die Musterbedingungen in § 3 Nr. 3–5 AFB 2008, § 3 Nr. 1 AMB 2008 oder § 3 Nr. 1 ABE 2008 bezeugen dies. In der Passivenversicherung kann etwa der Grundstückseigentümer, der sich mit Veräußerungsgedanken trägt und seinen etwaigen Rechtsnachfolger gegen die Haftpflichtgefahr des Grundstücks gedeckt sehen möchte, eine Versicherung für Rechnung wen es angeht nehmen. Hierfür besteht eigentlich sogar ein stärkeres Bedürfnis als in der Aktivenversicherung, weil die §§ 95 ff. nicht auf die Haftpflichtversicherung angewendet werden können.24
20 21 22
Cohn 21; dem folgend Looschelders/Pohlmann/Koch § 48 Rn. 1. Glitza 4. BGH 20.3.1974 VersR 1974 535, 536; BGH 30.4.1959 BGHZ 30 40, 42 = NJW 1959 1221.
23 24
So schon Amtl. Begr. RTDrucks. 364/12 66; dazu Glitza 15. Bruck/Möller/Sieg 8 § 80 Anm. 21.
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Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
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Die herrschende Lehre nahm schon vor Verschieben der Regel des § 48 von den Allgemeinen Bestimmungen für die Schadensversicherung (§ 80 Abs. 2 a.F.) in den Allgemeinen Teil des VVG an, dass – systematischen Bedenken wegen der Stellung des § 80 Abs. 2 a.F. zum Trotz – auch die Summenversicherung als Versicherung für Rechnung wen es angeht abgeschlossen werden könne.25 Dem lag die Erwägung zugrunde, dass die Unfallsummenversicherung unstreitig sowohl für eigene als auch für fremde Rechnung genommen werden konnte. Dann musste es logisch auch das zwischen diesen beiden Gestaltungen liegende Institut der Versicherung für Rechnung wen es angeht in der Summenversicherung geben. Auch in anderen Konstellationen der Summenversicherung besteht Bedarf für die Möglichkeit, eine Versicherung für Rechnung wen es angeht abschließen zu können: Ein Unternehmer schließt eine Kranken-Tagegeldversicherung auf die Beschäftigten ab; die Gefahrspersonen haben zugestimmt. Es schweben zugleich Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung, nach welcher der Unternehmer auch nach Ablauf der ersten sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit zur Entgeltfortzahlung verpflichtet bleibt. Kommt die Betriebsvereinbarung zustande, ist der Unternehmer Interesseträger, zerschlagen sich die Verhandlungen, sind es die Arbeitnehmer. Hier lassen sich angemessene Lösungen erreichen, wenn man eine Versicherung für Rechnung wen es angeht in Gestalt der Gruppenversicherung annimmt. Die systematische Neuordnung der Versicherung für Rechnung wen es angeht im Rahmen der Neukodifikation des VVG von 2008 ermöglicht dies auf Grundlage eines dogmatisch saubereren und sichereren Fundaments, als es dies vor der Reform gab. Der CIF-Verkäufer ist kraft Handelsbrauchs verpflichtet, die von ihm zu besorgende 19 Versicherung für Rechnung wen es angeht zu nehmen.26 Häufig wird die Versicherung für Rechnung wen es angeht in laufender Versicherung genommen,27 so etwa wenn ein Überseespediteur alle von ihm besorgten Transporte unter Versicherungsschutz bringt, sei es kraft Auftrages, sei es kraft Handelsbrauchs.
III. Vereinbarung einer Versicherung für Rechnung wen es angeht 20
§ 48 ist anwendbar, wenn die Parteien sich darüber einig sind, dass sie unbestimmt lassen wollen, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert ist. Ob tatsächlich Unklarheit über den Interesseträger herrscht, ist unerheblich.28 Der Träger des Interesses muss bei Vertragsabschluss vielmehr überhaupt noch nicht feststehen.29 In der Praxis entspricht es der Regel, dass bei der Versicherung für Rechnung wen es angeht die eventuell Versicherten namentlich nicht benannt werden.30 Diese müssen aber im Rahmen des Vertrages so konkret bezeichnet sein, dass ihre Identität im Versicherungsfall festgestellt werden kann. Dazu ist auch erforderlich, dass sich die Parteien über die Art des Interesses (z.B. Inhaber- oder Nutzungsinteresse oder sämtliche Interessen an einer Sache, ggf. auch die Sache, an die das Interesse geknüpft ist) und die versicherte Gefahr geeinigt
25
26 27
Bruck/Möller/Sieg 8 § 80 Anm. 21; Trautmann 5, 61; Ruscher 198; Orlowski VersR 1954 45; a.M. Glitza 14. BGH 5.12.1966 LM ADS Nr. 6 = VersR 1967 151. Bruck/Möller/Sieg 8 § 80 Anm. 11; Glitza 17; Lenné 2, 108.
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RG 21.10.1916 RGZ 89 21, 25; Bruck/ Möller/Sieg 8 § 80 Anm. 13; Ritter/Abraham § 52 ADS Anm. 17; Anli 44. Bereits RG 11.12.1884 RGZ 13 99. Ein Wesensmerkmal ist dies aber nicht: Bruck/Möller/Sieg 8 § 80 Anm. 13; Ehrenzweig 60; a.M. Glitza 28.
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Versicherung für Rechnung „wen es angeht“
§ 48
haben.31 Ist die Art des Interesses nicht bestimmt, wird bei einer Sachversicherung das Eigentümerinteresse versichert; liegt ein solches nicht vor, ist die Versicherung aufgrund von Interessemangel unwirksam. Die Parteien können Versicherung für Rechnung wen es angeht ausdrücklich verein- 21 baren. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn sie die Bezeichnung „für Rechnung wen es angeht“ oder „Versicherung für eigene oder fremde Versicherung“ verwenden. Eine solche Klausel kann nicht nur zum Ausdruck bringen, dass entweder Eigen- oder Fremdinteresse versichert werden soll, sondern auch dass teils eigenes, teils fremdes Interesse gedeckt sein soll. § 48 Halbs. 2 ist entsprechend zu lesen: ,,… dass unbestimmt gelassen werden soll, ob und inwieweit eigenes oder fremdes Interesse versichert ist.“ Versicherung für Rechnung wen es angeht kann selbst dann vorliegen, wenn eine entsprechende, vorgedruckte Klausel im Versicherungsvertrag gestrichen worden ist. Das soll nach dem BGH dann belanglos sein, wenn die Streichung aus außerversicherungsrechtlichen Gründen erfolgte, etwa um die Aufnahme der Dokumente durch die Bank des Käufers zu erleichtern.32 Vereinbaren die Parteien jedoch eine Versicherung für Rechnung wen es angeht, obwohl von vornherein feststeht, dass Interessen des VN nicht entstehen können (z.B. weil sich die Parteien im klaren darüber sind, dass der Spediteur keine eigene Ware zur Beförderung gibt), dann liegt tatsächlich eine Versicherung für fremde Rechnung mit unbenannten Versicherten nach § 43 Abs. 1 vor, mag auch der erste Interessent als Versicherter benannt sein. Für eine Versicherung für Rechnung wen es angeht genügt es auch, wenn sich das ver- 22 sicherte Interesse konkludent anhand objektiver Umstände ergibt, die im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss stehen und zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles klar bestimmbar sind.33 Hauptbeispiele hierfür sind Fremdeigentumsklauseln bei der Versicherung eines Inbegriffs und die Kaskoversicherung bei erteiltem Sicherungsschein.34 Ergibt sich auf Grund solcher Auslegung, dass der VR auch fremdes Interesse zu 23 decken hat, obwohl er nachweislich nur das Eigentum des VN versichern wollte, so kann er nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB anfechten (Inhaltsirrtum in Gestalt des error in objecto).35 Im Gegensatz dazu ist der Irrtum des VN über die Person des Interessenten aufgrund der Natur der Versicherung für Rechnung wen es angeht ein Motivirrtum, der nicht zur Anfechtung berechtigt.36 Ob der Vertrag nach Anfechtung insoweit aufrecht erhalten werden kann, als eigene Sachen versichert sind, entscheidet § 139 BGB: Im Mittelpunkt steht eine Abwägung der beteiligten Interessen (objektives Kriterium), wobei von den Bewertungsmaßstäben der Parteien bei Vertragsschluss (subjektives Kriterium) auszugehen ist. Allerdings ist hier nur darüber zu entscheiden, ob das Rechtsgeschäft nichtig ist oder wirksam bleibt bei gleicher Prämie, denn eine Anpassung der Gegenleistung an den restlichen Teil des Rechtsgeschäfts ist nicht zulässig.
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RG 9.1.1934 RGZ 145 384, 386 f.; Looschelders/Pohlmann/Koch § 48 Rn. 3; Prölss/Martin/Prölss § 80 Rn. 45; Embden 16. OLG Frankfurt 30.3.1977 VersR 1978 169, 170; vgl. aber die gegenteilige Entscheidung, die der BGH zum zweiten Mal mit der Sache befasst in seinem Urteil vom 16.12.1968 in der Sache II ZR 220/67 gefällt hat.
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34 35
36
RG 9.11.1934 RGZ 145 384, 387; Langheid/Wandt/Dageförde § 48 Rn. 2; Anli 44; Kisch PVR III 586. Bruck/Möller/Sieg 8 § 80 Anm. 14. Bruck/Möller/Sieg 8 § 80 Anm. 14; Kisch PVR III 591; a.A. RG 15.3.1932 JRPV 1932 134. Ritter/Abraham § 52 ADS Anm. 17.
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§ 48
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
IV. Feststellung des versicherten Interesses 1. Grundlagen Ist Versicherung für Rechnung wen es angeht genommen worden, gilt es zunächst festzustellen, ob eigenes oder fremdes Interesse – oder beides – versichert ist.37 Steht das versicherte Interesse zum maßgeblichen Zeitpunkt dem VN zu, liegt eine Eigenversicherung vor. Ist hingegen ein fremdes Interesse versichert, so sind die Regeln über die Versicherung für fremde Rechnung in den §§ 43–47 anzuwenden. Die zentrale Frage ist, auf welchen Zeitpunkt man abzustellen hat, um festzustellen, 25 inwieweit Eigen- und inwieweit Fremdversicherung vorliegt. Diese Frage ist vor allem für die Versicherung sukzessiver Interessen von Bedeutung, spielt aber auch bei kumulativen Interessen eine Rolle, etwa wenn Stücke aus einem versicherten Inbegriff übereignet werden. Lediglich bei alternativen Interessen folgt aus der Natur der Sache, welcher Zeitpunkt maßgeblich ist. Fällt die Entscheidung über das Eigentum zugunsten des VN aus, hat von Anfang an Eigenversicherung vorgelegen, im anderen Fall von vornherein Fremdversicherung. Hier tritt also vom Entscheidungszeitpunkt aus notwendigerweise eine Rückwirkung ein, da etwa ein Urteil im Eigentumsprozess nicht erst das Recht schafft, sondern nur feststellt, wem es schon vorher zustand.38
24
2. Meinungsstand zu sukzessiven und kumulativen Interessen
26
Schwieriger ist es, den maßgeblichen Zeitpunkt bei der Versicherung sukzessiver und kumulativer Interessen zu bestimmen. Insoweit werden drei verschiedene Ansichten vertreten: Teilweise wird angenommen, der Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei entscheidend.39 Sei hier ein eigenes Interesse des VN gegeben, liege von Anfang an eine Eigen-, handele es sich um ein fremdes Interesse, liege von Anfang an eine Fremdversicherung vor. Sukzessive Interesseträger erwürben abgeleitete Rechte aus dem Versicherungsvertrag nach §§ 95 ff. Die Gegenauffassung nimmt an, erst der Versicherungsfall entscheide – rückwirkend – darüber, ob die Versicherung als Eigen- oder Fremdversicherung zu behandeln sei. Jeder Interesseerwerber erhalte die Versicherungsansprüche originär aus dem Vertrag. Er leite seine Rechte weder vom VN noch vom versicherten Vormann ab.40 Eine vermittelnde Ansicht stellt weder auf den Abschluss des Vertrages noch auf den Versicherungsfall ab, sondern lässt den Zeitpunkt des Wechsels des Interesseträgers entscheiden.41 3. Stellungnahme
27
Die beiden erstgenannten Auffassungen vermögen nicht zu überzeugen. Stellt man auf den Vertragsschluss als maßgeblichen Zeitpunkt ab, lässt sich die Versicherung sukzessiver Interessen als Anwendungsfall der Versicherung für Rechnung wen es angeht nicht
37 38 39
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Römer/Langheid/Römer § 80 Rn. 8. Glitza 140. Ritter/Abraham § 52 ADS Anm. 18, 21; Bruck PVR 607; Embden 14; Dreischmeier VA 1969 30, 31. Looschelders/Pohlmann/Koch § 48 Rn. 6; Kisch PVR III 590 ff.; Möller 137.
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41
RG 27.2.1884 RGZ 13, 89, 103; Bruck/ Möller/Sieg 8 § 80 Anm. 26; Anli 52 ff.; Glitza 46 mit allerdings unglücklicher Annahme einer Rückwirkung auf S. 143.
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Versicherung für Rechnung „wen es angeht“
§ 48
überzeugend lösen. Es muss immer zur Anwendung der §§ 95 ff. kommen. Das widerspricht einmal dem erklärten Willen des VN, Prämienschuldner sein und bleiben zu wollen. Nach § 95 würde dies zwingend der Erwerber. Weiterhin ließen sich sukzessive Haftpflichtinteressen nicht decken. Denn in der Passivenversicherung finden §§ 95 ff. keine Anwendung. Auch auf den Versicherungsfall lässt sich aber mit der zweiten Auffassung nur schlecht abstellen. Beunruhigend ist schon, dass nach dieser Ansicht bis zum Eintritt des Versicherungsfalls niemand vorhanden ist, der über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag nach § 45 Abs. 1, 2 verfügen, insb. den Versicherungsvertrag bei Bedarf verlängern könnte. Weiterhin ist unklar, wie diese Ansicht mit einer Mehrzahl von Versicherungsfällen bei sukzessiv versicherten Interessen umgehen will. Wird ein versichertes Gut beim VN (Versicherter Nr. 1) zunächst beschädigt, geht es aber bei Übertragung auf einen Dritten (Versicherter Nr. 2) dann bei diesem unter, ist unklar, welcher der beiden Versicherungsfälle die Rückwirkung auslösen soll. Schließlich ist der VR nach der Rückwirkungslösung schutzlos gestellt, wenn der Versicherungsfall bei einem Dritten eintritt, der VN zuvor aber schädigende Handlungen begangen hat. Zu folgen ist daher der vermittelnden Ansicht, die bei der Versicherung sukzessiver Interessen auf den Interessewechsel abstellt. Solange der VN Interesseträger ist, ist die betreffende Versicherung Eigenversicherung. Ist ein anderer Interesseträger, liegt hingegen Fremdversicherung vor, und zwar jeweils ohne Rückwirkung. Allein auf dieser Grundlage lässt sich auch die Versicherung beim CIF-Geschäft sinnvoll erklären.42 Wann die Interesseträgerschaft wechselt, hängt mit dem Begriff der Veräußerung i.S.d. 28 § 95 zusammen. Hier kommt es in der Binnenversicherung auf den formellen Eigentumswechsel, in der Seeversicherung auf die wirtschaftliche Eigentümerstellung an. Die Universalsukzession bedeutet hingegen keinen Interessewechsel in diesem Sinn. Der Erbe des VN bleibt auch bei der Versicherung für Rechnung wen es angeht VN – er wird nicht Versicherter; der Erbe des Versicherten bleibt Versicherter.
E. Rechtsfolgen I. Rechte gegen den VR Erklärungsbedürftig ist nur die Rechtslage, wenn VN und Versicherter nicht identisch 29 sind. Die Verteilung der Rechte gegen den VR richtet sich dann aufgrund des Verweises in § 48 nach § 44 Abs. 1 S. 1. Danach kommen dem Versicherten das Recht auf Leistung bei Eintritt des Versicherungsfalls, der Anspruch auf Vergütung zuviel gezahlter Prämien und auch das Recht auf Ersatz von Aufwendungen zu, selbst wenn der VN diese Aufwendungen getätigt hat.43 Die Verfügungsbefugnis richtet sich nach §§ 44 Abs. 2, 45. Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht,44 gilt auch § 45 Abs. 3 bei Versicherung für Rechnung wen es angeht.45 Die Gefahren des Missbrauchs in Form von Wettgeschäften und der ungerechtfertigten Bereicherung des VN, denen § 45 Abs. 3 vorbeugen soll, bestehen genau so wie bei Versicherung für fremde Rechnung. Zustimmung i.S.d.
42
43
Zu Problemen der anderen Ansichten mit der Versicherung beim CIF-Geschäft: Glitza 52 ff. Glitza 92 f.; a.M., was den Aufwendungsersatz anbelangt, im Widerspruch zu § 44 Abs. 1 S. 1 Kisch PVR III 464.
44
45
Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster § 6 Rn 147; Ehrenzweig 214 Fn. 6; Möller JRPV 1928 337, 341; zweifelnd Kisch PVR III 599 f. Ritter/Abraham § 54 Anm. 16; Glitza 94; Lenné 117.
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§ 48
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
§ 45 Abs. 3 kann der VN zwar regelmäßig nicht in Form der vorherigen Einwilligung, wohl aber in Form der nachträglichen Genehmigung beim Versicherten einholen. Der Versicherte ist auch zur Zurückweisung berechtigt, etwa wenn er das betreffende Interesse bereits selbst versichert hat. Die Rechtsfolgen der Zurückweisung richten sich nach § 333 BGB. Der VR wird – auch außerhalb der Lebensversicherung (§ 160 Abs. 3) – aber nur dann von der Leistung frei, wenn der zurückweisende Versicherte der letzte verbliebene Interesseträger ist. Das ist etwa bei Ablösung des Zurückweisenden durch einen Dritten nicht der Fall.
II. Pflichten und Obliegenheiten gegenüber dem VR 30
Die Pflichten und Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag treffen bei der Versicherung für Rechnung wen es angeht in erster Linie den VN. Er haftet nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 33 ff. für die Prämie – anderenfalls wäre die Versicherung für Rechnung wen es angeht ein Vertrag zu Lasten Dritter, wenn sich herausstellt, dass jemand anderes als der VN Interesseträger ist.46 Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Versicherte den VN beauftragt hat, Versicherung zu nehmen. Dann kann der VN seinen Anspruch auf Befreiung von der Prämienschuld als Ausnahme zu § 399 BGB47 nach §§ 670, 257 S. 1 BGB an den VR abtreten, so dass dieser gegen den Versicherten vorgehen kann. Auch die gesetzlichen und vertraglichen Obliegenheiten treffen grundsätzlich den VN. Dementsprechend haftet auch ein Dritter für die Verletzung etwaiger Obliegenheiten durch den VN, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Dritte ganz oder teilweise Träger des versicherten Interesses ist.48 Bei der Versicherung alternativer Interessen schadet dem tatsächlich Versicherten 31 weiterhin eigenes Fehlverhalten während der gesamten Versicherungsdauer. Stellt sich heraus, dass der VN und kein Dritter Versicherter ist, schadet ein Fehlverhalten des Dritten nicht, da dieser ein Außenstehender ist, der nicht am Vertrag beteiligt ist. Sind gleichartige kumulative Interessen versichert (z.B. Interessen von Miteigen32 tümern), kann das Verhalten eines Mitinteressenten allen Mitinteressenten entgegen gehalten werden. Das gilt erst recht bei der Versicherung von Gesamthandsinteressen, da es sonst zu einer unterschiedlichen Behandlung der Beteiligten der Gemeinschaft käme. Sind die versicherten Interessen hingegen verschieden (z.B. das Interesse des Nießbrauchers einer Sache und das Interesse ihres Eigentümers), wird das Verhalten eines Versicherten den anderen Versicherten nicht zugerechnet, da im Grunde zwei verschiedene Versicherungen vorliegen.49 Bei der Versicherung sukzessiver Interessen muss sich der Letztversicherte hinsichtlich 33 einer Herbeiführung des Versicherungsfalles nicht nur das Verhalten des VN und sein eigenes Verhalten anrechnen lassen, sondern auch das Verhalten anderer Personen, die vor ihm Träger des versicherten Interesses waren.50 Das folgt aus § 334 BGB und gilt daher unabhängig davon, ob der Zwischenversicherte Repräsentant des Letztversicherten ist. Hat der Letztversicherte selbst ein Verhalten am dem Tag gelegt, das dem Anspruch auf
46
47
Vgl. insoweit die Aufhebung des § 812 Abs. 3 HGB durch Gesetz v. 30.5.1908 (RGBl. 1908 307). RG 8.12.1908 RGZ 80 183; BGH 22.1.1954 BGZ 12 136, 141.
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48 49 50
Kisch PVR III 594 f. Glitza 141 f.; Kisch PVR III 571. Bruck/Möller/Sieg 8 § 80 Anm. 27; Glitza 144 f.; a.M. Ehrenzweig 214.
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Versicherung für Rechnung „wen es angeht“
§ 48
Leistung schadet, muss er sich dieses auch dann entgegenhalten lassen, wenn dieses Verhalten zu einer Zeit stattgefunden hat, als er noch nicht Interesseträger war. Dieses Verhalten nicht gegen sich gelten lassen zu wollen, wäre ein venire contra factum proprium.51 Für das Verhalten Vorversicherter haftet der Letztversicherte nicht, wenn dieses außerhalb des Zeitraums stattgefunden hat, in dem diese Interesseträger waren.52 Der Letztversicherte muss sich das Verhalten Vorversicherter nach § 47 Abs. 2 S. 1 nicht entgegenhalten lassen, wenn dieser vom Abschluss eines Versicherungsvertrags nichts wusste. Das wird praktisch bei der Versicherung für Rechnung wen es angeht auch nicht häufiger der Fall sein als bei der gewöhnlichen Versicherung für fremde Rechnung.53 Das liegt daran, dass der Auftrag zur Versicherungsnahme der Kenntnis vom Vertrag gleichsteht. Aus § 334 BGB folgt weiter, dass der Letztversicherte insoweit keine Versicherungsansprüche erwirbt, als ein Vorversicherter sie während des Zeitraums, in dem er Interesseträger ist, erlassen oder sich mit dem VR darüber verglichen hat. Anders liegt es dann, wenn der betreffende Vorversicherte den Anspruch nach § 333 BGB zurückgewiesen hat. Daraus gewinnt der VR nur dem Ablehnenden gegenüber eine Einwendung.
F. Unanwendbare Vorschriften Auf eine Versicherung für Rechnung wen es angeht nicht anzuwenden sind die Vor- 34 schriften, nach denen der Träger des versicherten Interesses bereits bei Vertragsschluss bezeichnet sein muss. Auch die Auslegungsregel des § 43 Abs. 2 greift nicht, da bei der Versicherung für Rechnung wen es angeht nicht unklar ist, für wen der VN abgeschlossen hat. Unanwendbar sind weiterhin grundsätzlich die Vorschriften über die versicherungsvertragsrechtlichen Folgen einer Veräußerung der versicherten Sache (§§ 95 ff.). Das liegt daran, dass der Erwerber seine Rechtsstellung als Versicherter nicht aus der Person des Veräußerers, sondern unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag herleitet.54 Etwas anders muss aber dann gelten, wenn der VN selbst die Sache veräußert.55 Dann hat er – für den VR erkennbar – kein Interesse mehr daran, VN und (alleiniger) Prämienschuldner zu bleiben. Bei Veräußerung durch den VN finden entsprechend die Vorschriften der §§ 95 ff. und nicht die Regeln für Versicherung für Rechnung wen es angeht, Anwendung.
G. Auflösung Die Versicherung für Rechnung wen es angeht wird zur Eigenversicherung, wenn aus- 35 nahmsweise ein bestimmter Versicherter benannt war und Universalsukzession im Verhältnis von VN und Versicherten eintritt, also der VN den Versicherten beerbt oder
51
52 53 54
Bruck/Möller/Sieg 8 § 80 Anm. 27; einschränkend (nur, wenn er im Bewusstsein des künftigen Erwerbs der Stellung als Versicherter gehandelt hat) Kisch PVR III 596; Glitza 143; Möller JRPV 1928 337, 341. Ehrenzweig 213; a.M. Schneider ZVersWiss 1905 230, 247. A.M. Glitza 120. OLG Koblenz 31.5.1996 RuS 1996 450, 451;
55
Looschelders/Pohlmann/Koch § 48 Rn. 4; Prölss/Martin/Prölss § 80 Rn. 45; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch § 48 Rn. 5; a.M. Ritter/Abraham § 52 ADS Anm. 21. Wie hier Beckmann/Matusche-Beckmann/ Armbrüster § 6 Rn. 148; Dreischmeier, VA 1969, 30; a.M. Prölss/Martin/Prölss § 80 Rn. 45.
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§ 48
Abschnitt 4. Versicherung für fremde Rechnung
umgekehrt. Sind alternative Interessen versichert, führt die Beendigung des Streits um das Interesse die Klärung herbei, ob die Versicherung als eigene oder als gewöhnliche Fremdversicherung zu gelten hat. Anders verhält es sich jedoch bei der Versicherung sukzessiver und kumulativer Interessen. Hier führt der Wechsel der Trägerschaft des Interesses vom VN auf den Erstversicherten nicht zu einer gewöhnlichen Versicherung für fremde Rechnung. Es bleibt vielmehr bei der Versicherung für Rechnung wen es angeht, was vor allem Bedeutung hat, wenn der Erstversicherte weiter veräußert: Der weitere Versicherte gewinnt die Versicherungsansprüche nicht als Rechtsnachfolger, sondern originär. Vereinbarungen über die Umwandlung einer Versicherung für fremde Rechnung in eine Eigen- oder gewöhnliche Fremdversicherung sind bei Einverständnis des VR und des VN möglich, solange der Versicherte noch keine konkreten Ansprüche erworben hat.56 Praktisch wird es jedoch kaum zu einer solchen Vereinbarung kommen.
H. Beweislast 36
Die Rechte eines Versicherten stehen demjenigen zu, der nachweisen kann, dass er zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls Träger des versicherten Interesses war.57
I. Auslandsrecht/PEICL 37
Konstruktiv ähnliche Regelungen wie das deutsche Recht treffen auch das österreichische (§ 80 Abs. 2 VVG), das französische (§ 112-1 Abs. 2 CdA: assurance pour compte de qui il appartiendra) und das italienische (Art. 1891 CC: assicurazione per conto di chi spetta) Recht. Das schweizerische (Art. 16 Abs. 1 VVG) und das spanische Recht (Art. 7 Abs. 1 CdA) regeln entgegen anderslautender Annahmen im Schrifttum die Versicherung für Rechnung wen es angeht nicht ausdrücklich (sondern nur das Recht der Parteien, einen versicherten Dritten unbenannt zu lassen), erkennen diesen Versicherungstypus aber an.58 Ganz anders aufgestellt ist das englische Recht: Dieses unterscheidet nicht, wie die zuvor genannten Rechtsordnungen, zwischen der Versicherung für fremde Rechnung und der Versicherung für eigene Rechnung, die durch einen Vertreter abgeschlossen wird. Beide Formen des Versicherungsvertrags werden mit Hilfe des als Einheit begriffenen Rechtsinstituts der „agency“ gelöst. In diesem Rahmen kann „insurance for account whom it may concern“ genommen werden.59 In den PEICL ist die Versicherung für Rechnung wen es angeht nicht ausdrücklich 38 geregelt. Die Verfasser sind jedoch davon ausgegangen, dass dieser Versicherungstypus zulässig ist und in den Anwendungsbereich von Art. 11-101 PEICL fällt, wenn das versicherte Interesse ein fremdes ist.60
56 57
Bruck/Möller/Sieg 8 § 80 Anm. 41; Kisch PVR III 593. Looschelders/Pohlmann/Koch § 48 Rn. 6; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster § 6 Rn. 147.
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58 59 60
Dazu Honsell et. al./Hasenböhler Schweizerisches VVG Art. 16 Rn. 25. Glitza 10 ff. Basedow et al. PEICL Art. 11-101 N. 10.
Oliver Brand
Abschnitt 5 Vorläufige Deckung Vorbemerkung zu §§ 49 bis 52 Schrifttum Gerathewohl Rückversicherung Grundlage und Praxis Band I, 1976; Gintzel Die Beendigung eines Vertrages über vorläufige Deckung bei Prämienzahlungsverzug nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts VersR 2007 322; Grebe Die vorläufige Deckungszusage unter besonderer Berücksichtigung ihrer Handhabung in der Lebensversicherung, 1987; Henzler Theorie und Praxis der vorläufigen Deckungszusage, 1997; Jabornegg Die vorläufige Deckung, 1992; Kerst Verbot des rückwirkenden Wegfalls der vorläufigen Deckung gemäß § 54 Absatz 2 Satz 1 VVG-E, ZfVw 2005 212 ff.; Maier Die vorläufige Deckung nach dem Regierungsentwurf zur VVG-Reform RuS 2006 485; Rixecker VVG 2008 – Eine Einführung ZfS 2007 314; Marlow/Spuhl Das neue VVG kompakt 2. Auflage (2007); Schimikowski/Höra Das neue Versicherungsvertragsgesetz (2007); Schirmer Neues VVG und die Kraftfahrzeughaftpflicht- und Kaskoversicherung DAR 2008 181 und 319; Wiesemann Der Versicherungsschutz bei der vorläufigen Deckungszusage, 1940.
Übersicht Rn. A. I. II. III. B. I. II.
Einleitung Wesen der vorläufigen Deckung . . . . Historische Entwicklung . . . . . . . . Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen Rechtsnatur des Vertrages . . . . . . . Unterschiede zu ähnlichen Verträgen 1. Rückwärtsversicherung . . . . . . . 2. „Sofort beginnender“ Versicherungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Nachträgliche Rückwärtsversicherung“ . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zustandekommen der vorläufigen Deckung 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . 2. Auslegung des Antrags . . . . . . . a) Kraftfahrzeugversicherung . . . .
. . .
1 3 7
.
8
Rn.
IV.
.
9
V. VI. VII.
. 10 . 11 VIII. . 12 . 13 . 14
C.
b) Andere Versicherungssparten . . . c) Vorläufige Deckungszusage durch Vermittler . . . . . . . . . . . . 3. Beweisfragen . . . . . . . . . . . . Beginn und Ende des Versicherungsschutzes in der vorläufigen Deckung . . AVB der vorläufigen Deckung . . . . . Beratungspflicht . . . . . . . . . . . . Vorvertragliche Anzeigepflicht . . . . . 1. Arglist . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorläufige Deckung ab Eingang bzw. Unterzeichnung des Antrags . . . . . Ausschlussklauseln . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . 2. Beanstandete Klauseln . . . . . . . . 3. Aktuelle Klauselfassungen . . . . . . Vorbemerkungen zu den §§ 49 bis 52 .
. 16 . 17 . 18 . . . . .
19 20 22 24 25
. . . . . .
26 27 28 29 30 31
A. Einleitung Versicherungsverträge über die vorläufige Deckung bestimmter Risiken sind weit verbreitet. Sie finden sich in nahezu allen Versicherungssparten, selbst in der Rückversicherung.1 Lediglich in der Krankenversicherung sind sie, zumindest bislang, nicht vertreten. 1
Gerathewohl, S. 451.
Knut Höra
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Vor §§ 49 ff.
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
An die Stelle der vorläufigen Deckung tritt dort der unter bestimmten Voraussetzungen mögliche Verzicht des VR auf Wartezeiten. Die vorläufige Deckung in der Kraftfahrzeughaftpflicht-, Kasko- und Unfallversicherung wird in der nachfolgenden Darstellung nur in ihren Grundzügen erläutert. Zu Einzelheiten, insbesondere der Regelung in den AKB 2008, wird auf Band V Kraftfahrtversicherung verwiesen.
I. Wesen der vorläufigen Deckung 1
Die vorläufige Deckung soll den Zeitraum zwischen Stellung des Versicherungsantrags und dem tatsächlichen Beginn der gewünschten Versicherungsdeckung überbrücken. Dieser Zeitraum kann durch Verhandlungen über Einzelheiten des beabsichtigten Versicherungsvertrags, die Erfüllung der Informationspflichten, die Beibringung notwendiger Unterlagen und der Antragsprüfung durch den VR bis zur Tarifierung und Aushändigung des Versicherungsscheins beträchtlich sein. In vielen Fällen ist dies problematisch. Der Versicherungsinteressent hat ein anzuerkennendes Interesse, während dieser Zeit nicht ungeschützt zu sein, gelegentlich ist vorläufige Deckung unumgänglich.2 Wer ein Kfz zur Teilnahme am Straßenverkehr zulassen möchte, muss der Straßenverkehrsbehörde nachweisen, dass Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung besteht. Wer sein von einem Bauträger errichtetes Eigenheim übernimmt, benötigt sofort beginnenden Versicherungsschutz gegen Feuer, Wasser, Blitzschlag, Einbruchdiebstahl und ggf. Elementarereignisse. Dem berechtigten Versicherungsinteresse können die VR in der Regel nicht durch eine 2 sofortige Antragsannahme entsprechen. Sie müssen das ihnen angetragene Risiko anhand der Antworten des VN auf die Antragsfragen prüfen (§ 19, § 16 a.F.). Ein Verzicht auf die Antragsprüfung hätte zur Folge, dass der VR unabhängig davon, ob etwa die Antragsfragen wahrheitsgemäß beantwortet wurden, an den Vertrag gebunden wäre.3 Selbst für Massengeschäfte wie etwa die Reisegepäck-, Reisekranken- oder Kreditlebensversicherung, bei denen das Interesse des VN einen sofortigen endgültigen Vertragsabschluss erfordert, ist umstritten, inwieweit die Ersetzung von Antragsfragen durch spezifische Risikoausschlüsse mit dem VVG vereinbar ist.4 Bei dem erkannten Interesse vieler Versicherungsinteressenten an zumindest teilweisem sofortigen Schutz als auch dem Unvermögen, ohne hinreichende Antragsprüfung einen Versicherungsantrag anzunehmen, trägt der von der Versicherungswirtschaft entwickelte vorläufige Versicherungsschutz Rechnung.
II. Historische Entwicklung 3
Die ältesten Formen eines der heutigen vorläufigen Deckung vergleichbaren Versicherungsschutzes finden sich in der See- und Transportversicherung am Ende des 19. Jahrhunderts.5 Das Reichsgericht hatte sich erstmals 1897 mit einem derartigen Fall aus dem Jahr 1878 zu befassen.6 Etwa zeitgleich entwickelten sich vergleichbare Formen in der 2 3
4
Vgl. RegE, S. 125. Vgl. etwa BGH 20.9.2000 VersR 2000 1486 und OLG Hamm 23.7.1999 VersR 2000 878 (zur Risikoprüfungsobliegenheit). Vgl. zu der Ausschlussklausel in der Kredit-
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5 6
lebensversicherung etwa OLG Hamm 2.2.1993 VersR 1994 294. Näher Henzler S. 8 ff. RG 18.5.1887 RGZ 19, 216 ff.
Knut Höra
Vorbemerkungen
Vor §§ 49 ff.
Feuerversicherung.7 Bis zu Beginn und auch noch während des ersten Weltkriegs war die vorläufige Deckung mit dem kennzeichnenden Merkmal eines Versicherungsschutzes noch vor Zahlung der Erstprämie jedoch eine Seltenheit.8 Allmählich wurde vorläufige Deckung jedoch immer mehr nachgefragt und von den 4 VR auch gewährt. Folge war, dass sich das Reichsgericht im Jahre 1923 in einer Grundsatzentscheidung 9 mit dem Rechtsinstitut befassen musste. Es hat mangels einer gesetzlichen Regelung im VVG a.F. das Wesen des vorläufigen Versicherungsschutzes dahingehend definiert, dass der VR eine Deckungszusage erteilt, „wenn zwischen ihm und dem VN über den Abschluss oder die Abänderung eines bestehenden Versicherungsvertrages soweit Einigung erzielt ist, dass der künftige Abschluss in Aussicht genommen werden kann, während der endgültige Abschluss namentlich die Ausfertigung der Versicherungspapiere, vielleicht auch die Besprechung minder wesentlicher Einzelheiten, mutmaßlich noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen werden. Für diese Zwischenzeit bis zum endgültigen Abschluss will und soll der Versicherte nicht ohne den Versicherungsschutz bleiben. Zu diesem Zweck gewährt ihm der VR mittels der Deckungszusage vorläufigen Schutz, d.h. das Versprechen bei etwaigem Eintritt des Versicherunsfalles die vorgesehene Entschädigung in gleicher Weise auszubezahlen, wie wenn der Vertrag jetzt schon fertig geschlossen wäre. Der auf der Deckungszusage beruhende Schutz dauert wenn nicht die Zusage von vornherein befristet ist so lange bis entweder der Versicherungsvertrag durch Ausstellung der Papiere seinen endgültigen auch formellen Abschluss findet oder der VR zurücktritt oder die Verhandlungen endgültig scheitern.“
Eine Bindung in Bezug auf den Abschluss des beantragten Hauptvertrags geht der VR 5 mit der Gewährung vorläufiger Deckung danach nicht ein. Er stellt dem VN lediglich für einen vorübergehenden Zeitraum Deckungsschutz und eine pflichtgemäße Antragsprüfung in Aussicht. Daran hat sich im Grundsatz seither nichts geändert. Wegen der im Zeitpunkt seines Inkrafttretens im Jahre 1908 noch fehlenden Verbrei- 6 tung des Rechtsinstitus hat die vorläufige Deckung im VVG a.F. keine Regelung gefunden. Erst in § 5a Abs. 3 a.F., der im Zuge der Deregulierung 10 1994 in das Gesetz eingefügt wurde, und in § 8 der zeitgleich in Kraft getretenen KfzPflVV vom 29.07.1994 finden sich rudimentäre Regelungsansätze. § 5a Abs. 3 a.F. beinhaltet lediglich die Zulassung eines Verzichts auf die Aushändigung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der vorgeschriebenen Verbraucherinformationen. Die Regelungen in § 8 KfzPlVV beschränken sich auf den Bereich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung. Nunmehr enthalten die §§ 49 bis 52 eine erste gesetzliche Regelung. Entsprechend der Intention des Gesetzgebers, nicht durch Vorgabe zwingender gesetzlicher Leitbilder Weiterentwicklungen des Versicherungsmarktes negativ zu beeinflussen, beschränken sie sich im Wesentlichen auf für unabdingbar erachtete Regelungen zum Schutz des VN.
III. Verbreitung In der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ist vorläufiger Versicherungsschutz un- 7 umgänglich. Damit ein Kraftfahrzeug zum Straßenverkehr zugelassen werden kann, ist die Vorlage einer Versicherungsbestätigung durch §§ 3 Abs. 1, 23 FZV zwingend erforderlich. Sehr häufig finden sich Verträge über vorläufigen Deckungsschutz zudem in der 7 8 9
Vgl. Wiesemann S. 7. Näher Henzler S. 8 ff. RG 16.10.1923 RGZ 107 198, 200.
10
Vgl. 3. Durchführungsgesetz/EWG vom 21.07.1994, BGBl. I S. 1630.
Knut Höra
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Vor §§ 49 ff.
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
Lebens-, Berufsunfähigkeits- und Unfallversicherung, außerdem in allen Bereichen der gewerblichen Sach- und Haftpflichtversicherung. Die weite Verbreitung der vorläufigen Deckung auch außerhalb der Kraftfahrzeugversicherung hat mehrere Gründe. Wer eine Lebens-, Berufsunfähigkeits- oder Unfallversicherung beantragt, möchte möglichst sofort geschützt sein. Wer die Zulassung als Rechtsanwalt beantragt, muss eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung nachweisen. In der gewerblichen Sachversicherung ist vorläufige Deckung häufig im betrieblichen Interesse notwendig; sie wird nicht selten zudem benötigt, um die Fremdfinanzierung von Anschaffungsgütern sicher zu stellen. Abgesehen davon dient die Gewährung vorläufiger Deckung den Versicherungsunternehmen auch zur Kundenbindung.11 Die vorläufige Deckung wird aus Sicht eines durchschnittlichen VN in der Regel „kostenfrei“ gewährt. Tatsächlich trifft dies nur bedingt zu. Verbreitet sind Regelungen, dass bei Eintritt des Versicherungsfalles aus der vorläufigen Deckung eine Prämie nacherhoben und mit der Versicherungsleistung verrechnet wird.12 Anderenfalls wird aus Vereinfachungsgründen das aus der vorläufigen Deckung resultierende Risiko in die Prämie des Hauptvertrages eingerechnet und nicht gesondert erhoben.13
B. Grundlagen Auf Grund ihrer weiten Verbreitung in den unterschiedlichen Versicherungssparten und der auch in den §§ 49 bis 52 nur punktuell erfolgten gesetzlichen Regelung unterscheiden sich die Verträge im Detail. In Bezug auf Rechtsnatur, Zustandekommen und Form des Vertrages sowie Beginn des Versicherungsschutzes ergeben sich jedoch keine grundlegenden Unterschiede.
I. Rechtsnatur des Vertrages 8
Nach der noch in der Vorauflage vertretenen Einheitstheorie 14 ist der Wille des VN, der im Vorfeld des beabsichtigten endgültigen Versicherungsschutzes vorläufige Deckung beansprucht, auf ein einheitliches Vertragsverhältnis gerichtet, das in einem zusammenfassenden Versicherungsschein dokumentiert ist und eine gemeinsame Versicherungsdauer sowie eine darauf bezogene einheitliche Beitragskalkulation aufweist. Zum Zustandekommen der vorläufigen Deckung wird jedoch eine zusätzliche zweite Einigung der Vertragsparteien gefordert. Der Deckungsschutz aus der vorläufigen Deckung ist auch nach der Einheitstheorie nicht vom Zustandekommen des endgültigen Vertrages abhängig.15 Nach der herrschenden Trennungstheorie, ist die vorläufige Deckung ein von der Hauptversicherung zu unterscheidender eigenständiger Versicherungsvertrag.16 An der Eigenständigkeit des Vertrages ändert es nichts, dass der VR das Risiko des VN nur
11 12
13 14
Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 1. Vgl. etwa § 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung, abgedruckt im Anhang zu diesem Abschnitt. Vgl. Martin-SVR K II Rn. 5. Ausführlich zum Theorienstreit Henzler S. 13 ff.
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Bruck-Möller/Möller 8 § 1 Anm. 94 ff.; Martin-SVR K II Rn. 10 ff. Vgl. etwa BGH 9.5.1951 BGHZ 2 87, 91 = VersR 1951 166, 167; BGH 25.1.1995 VersR 1995 409; Römer/Langheid vor § 1 Rn. 26 ff.
Knut Höra
Vorbemerkungen
Vor §§ 49 ff.
vorübergehend absichert. Für den Vertrag gelten grundsätzlich alle einschlägigen Vorschriften des Gesetzes. Soweit sie zwingend sind, können sie zu Lasten des VN nicht abbedungen werden. Dies ist sachgerecht, denn der Schutzzweck der einzelnen Vorschrift entfällt nicht schon deshalb, weil der Vertrag regelmäßig nur eine kurze Laufzeit hat und durch einen anderen längerfristigen Vertrag abgelöst werden soll.17 In der Rechtspraxis hatte der Theorienstreit nur für einige Sachfragen Bedeutung. Unterschiedliche Auffassungen bestanden etwa in Bezug auf die Folgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Differenziert bewertet wurde ferner, ob bei Dokumentation der vorläufigen Deckung und des endgültigen Versicherungsvertrages in einem einheitlichen Versicherungsschein dann, wenn für die Zeitdauer des vorläufigen Versicherungsschutzes ein Prämienanteil in den Versicherungsbeitrag einbezogen war, es sich um eine Erstprämie im Sinne von § 38 a.F. handelt oder ob die für den Hauptvertrag geforderte Erstprämie eine Folgeprämie nach § 39 a.F. sei.18 Der Theorienstreit ist durch § 49 Abs. 1 S. 1 obsolet geworden. Das Gesetz sieht die Gewährung vorläufiger Deckung als selbständigen Versicherungsvertrag an. Von einer weiteren Darstellung des Theorienstreites wird deshalb abgesehen.
II. Unterschiede zu ähnlichen Verträgen 1. Rückwärtsversicherung Mit einer Rückwärtsversicherung lässt sich ein vergleichbarer Versicherungsschutz, 9 wie ihn die vorläufige Deckung bietet, nicht erreichen. § 2 erlaubt zwar eine Vertragsgestaltung dahin gehend, dass der Versicherungsschutz vor dem Zeitpunkt des Zustandekommens des Versicherungsvertrages beginnt. Der materielle Haftungsbeginn geht dem formellen Vertragsbeginn voran.19 Der VN hat keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung, wenn er bei Schließung des Vertrages bereits Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalles besitzt. Weiß der VR, dass ein Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist, hat er keinen Anspruch auf die Prämie für die Vergangenheit. Die mit einer derartigen Vereinbarung verbundene Abdeckung des Risikos ab einem vor dem Vertragsabschluss liegenden Zeitpunkt setzt jedoch voraus, dass es tatsächlich zu dem beantragten Vertragsabschluss hinsichtlich der Hauptversicherung kommt. Lehnt der VR den Versicherungsantrag berechtigt ab, hilft die vorgesehene Rückverlagerung des Deckungsschutzes nicht. Darin zeigt sich der Unterschied zur vorläufigen Deckung. Als selbständiger Versicherungsvertrag ist der Versicherungsschutz aus der vorläufigen Deckung von dem Zustandekommen der beabsichtigten Hauptversicherung unabhängig. Auch wenn der endgültige Vertrag scheitert, lässt dies die Haftung des VR aus der vorläufigen Deckung unberührt.20 2. „Sofort beginnender“ Versicherungsschutz In einigen Bereichen, vorwiegend bei Reiseversicherungen und Kreditlebensversiche- 10 rungsverträgen, gewährt der VR ohne individuelle Antragsprüfung Versicherungsschutz ab einem bestimmten Ereignis, beispielsweise dem Antritt der Reise bzw. der Auszahlung 17 18 19
Vgl. KomE, S. 49. Eingehend dazu Henzler S. 69 ff. BGH 21.3.1990 BGHZ 111 29, 30.
20
Vgl. BGH 25.6.1956 BGHZ 21 122, 129 = VersR 1956 482.
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Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
des Darlehensbetrages durch die kreditgewährende Bank. Der VN muss lediglich den Versicherungsantrag unterzeichnen. Dieser enthält eine antizipierte Annahmeerklärung des VR, die den materiellen Versicherungsbeginn ab Eintritt des betreffenden Ereignisses vorsieht. Hintergrund derartiger Vertragsgestaltungen ist, dass ein Reisender, dem auf dem Flughafen einfällt, dass sein Reisegepäck nicht oder nur unzureichend versichert ist oder er im Zielland seiner Reise keinen Krankenversicherungsschutz genießt, auf sofort beginnende Versicherungsdeckung angewiesen ist. Bei dem Kreditnehmer, der dringenden Finanzierungsbedarf hat, hängt die Auszahlung des beantragten Ratenkreditdarlehens wegen unzureichender Sicherheiten möglicherweise von der Gewährung des Versicherungsschutzes für den Todes- und Arbeitsunfähigkeitsfall ab. Die besondere Vertragsgestaltung entspricht deshalb einem dringenden Verkehrsbedürfnis. Verträge mit solchermaßen „sofort beginnendem“ Versicherungsschutz haben gegenüber typischen Spartenverträgen in der Regel eine (relativ) kurze Laufzeit und sind in der Höhe der Versicherungssummen limitiert. Im Gegensatz zur vorläufigen Deckung, der ein Hauptvertrag folgen soll, handelt es sich um Hauptverträge, auf die die §§ 49 bis 52 keine Anwendung finden. 3. „Nachträgliche Rückwärtsversicherung“
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Gelegentlich sagen VR vorläufigen Versicherungsschutz mit der Maßgabe zu, dass dieser bei Zustandekommen der Hauptversicherung durch eine beitragsfreie Rückwärtsversicherung ab Antragsdatum ersetzt wird. Eine derartige Vertragsgestaltung ist zwar grundsätzlich zulässig. Sie wirft aber dann Probleme auf, wenn ein Versicherungsfall in der Zeit zwischen Antragstellung und Vertragsabschluss eintritt und der Deckungsschutz in der vorläufigen Deckung von dem der Hauptversicherung inhaltlich abweicht.21 Das kann auf Einschränkungen der Deckungshöhe in der Hauptversicherung beruhen, die der VR im Rahmen der Antragsprüfung vornimmt (§ 5) oder auf spezifischen Risikoausschlüssen, zu beachtenden Obliegenheiten etc., die in der Zusage vorläufiger Deckung fehlen. Denn die Abwicklung eines in der Zeit zwischen Antrag und Vertragsabschluss eingetretenen Versicherungsfalles richtet sich bei dieser Vertragsgestaltung ab Zustandekommen der Hauptversicherung nach dem Vertragsregime der Hauptversicherung. Für einen durchschnittlichen VN ist dies nicht transparent. Er erkennt nicht, dass sich sein Versicherungsschutz mit Zustandekommen der Hauptversicherung für den Zeitraum der Rückwärtsversicherung negativ verändert. Selbst wenn der VR hierauf gemäß § 5 ausdrücklich hinweist, erscheint die Vertragsgestaltung jedenfalls dann als unangemessen und unwirksam, sofern der Eintritt des Versicherungsfalles dem VN bei Zustandekommen der Hauptversicherung noch nicht bekannt ist, etwa weil er von dem Einbruch in seine Ferienwohnung bis dahin noch nichts weiß. Dasselbe gilt hinsichtlich der Folgen einer etwaigen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht.22
21
Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 7.
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Näher dazu Rn. 24 ff.
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III. Zustandekommen der vorläufigen Deckung 1. Allgemeines Wie bei jedem zivilrechtlichen Vertrag sind auch bei der vorläufigen Deckung Antrag 12 und Annahme erforderlich. Typischerweise werden Verträge über die vorläufige Deckung auf entsprechend vorformulierten Antragsformularen beantragt.23 Sie können aber auch formlos und selbst durch mündliche Erklärung zustande kommen.24 Genügend für den Antrag ist beispielsweise, dass der Versicherungsagent den VR bittet, ein bestimmtes Risiko „sofort in Deckung“ zu nehmen oder einen sinngemäß vergleichbaren Wunsch äußert. Auf die Wortwahl kommt es nicht an, sofern nur der Wunsch nach sofort beginnendem, zumindest vorläufigem Versicherungsschutz hinreichend deutlich ist.25 Der VR muss den Antrag annehmen. Auch dies kann formlos erfolgen, etwa durch telefonische Bestätigung oder selbst durch konkludentes Verhalten. Allerdings wird man fordern müssen, dass dazu nicht jedwede Erklärung irgendeines Mitarbeiters des VR ausreicht. Wer mit der Telefonzentrale des VR spricht, kann ohne Weiterleitung an einen Sachbearbeiter redlicherweise nicht erwarten, dass ihm gegenüber verbindliche Erklärungen abgegeben werden. Ob der Sachbearbeiter, an den der Agent oder der VN weiter vermittelt wird, tatsächlich zu einer Sachentscheidung zuständig ist, kann dagegen keine Rolle spielen, da dies für den Anrufer nicht überprüfbar ist und allein die interne Organisation des VR betrifft. In der Praxis spielen diese Fragen keine entscheidende Rolle. In allen Fällen, in denen die Versicherungswirtschaft ein dringendes Bedürfnis nach vorläufiger Deckung erkannt hat, diese auf Grund gesetzlicher Vorgaben unumgänglich ist oder zum Zwecke der Kundenbindung dem künftigen VN angeboten werden soll, enthalten die Antragsformulare regelmäßig eine antizipierte Annahmeerklärung des VR, wonach die vorläufige Deckung mit Eingang des Versicherungsantrags bei dem VR beginnt, seltener auch schon mit Unterzeichnung des Antrags. Der vorläufige Versicherungsschutz kommt dann mit dem betreffenden Ereignis – Eingang des Antrags bei dem VR oder dessen Unterzeichnung durch den VN – zustande.26 2. Auslegung des Antrags Versicherungsanträge, bei denen als Versicherungsbeginn das Datum der Antragstel- 13 lung angegeben ist, ohne dass förmlich gleichzeitig ein Antrag auf vorläufige Deckung gestellt wird, sind nicht immer als Antrag auf eine Rückwärtsversicherung zu werten. Maßgebend ist, wie ein durchschnittlicher VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse das Antragsformular und die damit verbundene rechtliche Tragweite des von ihm gestellten Antrags bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht.27 Zu berücksichtigen ist dabei, dass ein durchschnittlicher VN die rechtlichen Unterschiede zwischen einer Rückwärts-
23
24
In der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ist die in der Vergangenheit übliche Deckungskarte durch die elektronische Übermittlung an die Zulassungsstelle ersetzt. Vgl. dazu OLG Karlsruhe 3.3.1988 VersR 1990 889; Römer/Langheid vor § 1 Rn. 27.
25 26
27
Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 9. Vgl. BGH 7.7.1999 NJW-RR 1996 856; VersR 1999 1266; OLG Saarbrücken 21.3.2001 NVerZ 2001 506. BGH 10.2.1999 BGHZ 123 83, 85.
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versicherung und vorläufiger Deckung regelmäßig nicht kennt. Abhängig von der Dringlichkeit seines konkreten Versicherungsbedürfnisses geht er davon aus, ab dem von ihm angegebenen Zeitpunkt an und nicht nur rückwirkend bei Zustandekommen des beantragten Versicherungsvertrages Versicherungsschutz zu erhalten. In der Regel wird deshalb von einem Wunsch nach vorläufiger Deckung und nicht von einem Antrag auf Rückwärtsversicherung auszugehen sein.28 Vorläufige Deckung setzt nicht einen bis dahin vertragslosen Zustand voraus.29 Denkbar ist auch, dass ein VN in einem bestehenden Vertragsverhältnis Veränderungen des Deckungsschutzes und/oder eine Prämienänderung beantragt und der VR ihm für die Dauer der Vertragsverhandlungen vorläufige Deckung zusagt. Tritt bis zur Änderung des bestehenden Versicherungsvertrages ein Versicherungsfall ein, ist fraglich, ob dieser aus dem bisherigen Versicherungsvertrag oder aus der „vorläufigen Deckungszusage“ zu regulieren ist. Haben die Vertragsverhandlungen ausschließlich Deckungserweiterungen zum Gegenstand, sind über den bisherigen Leistungsumfang hinausgehende Versicherungsleistungen zweifelsohne aus der vorläufigen Deckungszusage zu befriedigen, wenn ein Versicherungsfall im maßgebenden Zeitraum eintritt. Geht es um Einschränkungen des Versicherungsschutzes, kann die Auslegung dazu führen, dass hinter dem Begehren des VN das dringende Verlangen nach Prämienermäßigung steht. Da seine Beitragszahlungsverpflichtung aus dem bisherigen Vertragsstand bis zur Entscheidung über das Änderungsbegehren unberührt bleibt, kann die vorläufige Deckungszusage (zu verminderten Leistungen) allenfalls bei Hinzutritt weiterer Erklärungen (zur vorläufigen Prämienhöhe oder gegebenenfalls auch der Zusage einer rückwirkenden Prämienstundung) dazu führen, dass ein im Prüfungszeitraum eintretender Versicherungsfall nicht nach den bislang geltenden Vertragsregelungen entschädigt werden muss. Enthält das Änderungsverlangen sowohl Deckungs- und Prämieneinschränkungen als auch Deckungserweiterungen, wird die vorläufige Deckungszusage und der Vertragsstand, sofern keine weiteren Umstände hinzutreten, wohl aus Sicht eines durchschnittlichen VN dahingehend ausgelegt werden müssen, dass die vorläufige Deckung die beantragten Deckungserweiterungen umfasst, während es hinsichtlich des bisherigen Deckungsumfangs zunächst noch bei der versicherungsvertraglichen Vereinbarung verbleibt.30 a) Kraftfahrtversicherung31. Jedenfalls in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ist selbst dann, wenn im Antragsformular der Wunsch nach vorläufiger Deckung in der entsprechenden Spalte des Antragsformulars nicht vermerkt sein sollte, in der Regel von einem zusätzlichen Antrag auf vorläufige Deckung als gewollt auszugehen. Denn der Antrag auf Neuabschluss einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung wird üblicherweise gestellt, um die Zulassung eines von dem VN erworbenen Kraftfahrzeugs zu ermöglichen.32 Für die Fälle des VRwechsels gilt nichts anderes; der VN muss nach Kündigung seines bisherigen Vertrages für unterbrechungsfreie Weiterversicherung sorgen. Auch wer für ein Neufahrzeug zusätzlich zu der zwingend erforderlichen Kraftfahr15 zeughaftpflichtversicherung Vollkasko- und/oder Kraftfahrtunfallversicherungsschutz beantragt, möchte in aller Regel vom Zeitpunkt der Ingebrauchnahme des Kraftfahrzeugs an geschützt sein, unabhängig von dem noch ausstehenden Zustandekommen des Haupt-
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28 29 30
Teilweise abweichend HK-VVG/Kanczewski § 49 Rn. 5. Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 12. Ähnlich Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 12.
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31 32
Ergänzend und wegen Detailfragen wird auf Band V (Kraftfahrtversicherung) verwiesen. Vgl. dazu OLG Hamm 29.1.1993 NJW-RR 1993 995.
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vertrages. Die höchstrichterliche Rechtsprechung 33 sieht deshalb die VR zu Recht für verpflichtet an, vorläufigen Versicherungsschutz auch in der Kasko- bzw. Kraftfahrzeugunfallversicherung zu gewähren, sofern sie nicht deutlich darauf hinweisen, dass die vorläufige Deckung nur in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung übernommen wird. Das gilt auch, wenn der Wunsch nach Kaskoversicherung nur telefonisch oder anderweitig mündlich mitgeteilt wird.34 Die bloße Einschränkung des Versicherungsschutzes für die vorläufige Deckung in den AKB 200835 (und deren früheren Fassungen) auf die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, sofern nicht eine ausdrückliche Zusage des VR für den mitbeantragten Kasko- und Unfallschutz erteilt wird, ist ungenügend.36 Von einem durchschnittlichen VN, der um Versicherungsschutz über die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung hinaus bittet, kann redlicherweise nicht erwartet werden, dass er ohne gesonderten Hinweis bei Erhalt der Deckungskarte oder der elektronisch übermittelten Nachricht an die Zulassungsstelle erkennt, dass bei Ingebrauchnahme des Fahrzeugs nur eingeschränkter Versicherungsschutz besteht. Dasselbe gilt, wenn an Stelle eines bislang nicht lediglich in der Haftpflichtsparte versicherten Fahrzeugs ein neu erworbenes versichert werden soll. Ein durchschnittlicher VN geht im Regelfall davon aus, dass sich bei einem derartigen Antrag „nichts ändert“, sondern lediglich an Stelle des bisherigen Fahrzeugs das neue entsprechend versichert wird. Anders ist dies nur, wenn kommentarlos eine „Deckungskarte“ für ein bislang bei dem VR nicht versichertes Fahrzeug beantragt wird.37 Wenn für den VR nicht erkennbar ist, dass dieses anstatt eines bislang bei ihm versicherten Kraftfahrzeugs versichert werden soll und auch sonst keine Wünsche des VN bekannt sind, ist weder im Hinblick auf die aus § 6 Abs. 1 resultierenden Beratungspflichten noch in Bezug auf einen etwaigen Vorvertrag (§ 6 Abs. 4) in aller Regel ein Beratungsanlass erkennbar. b) Andere Versicherungssparten. Auch außerhalb der Kraftfahrtversicherung kann 16 die Auslegung eines Versicherungsantrags als (zusätzlichem) Antrag auf vorläufige Deckung geboten sein. Sie liegt immer nahe, wenn es dem VN erkennbar auf einen sofort einsetzenden und nicht nur auf einen von dem Zustandekommen des Hauptvertrages, gegebenenfalls rückwirkend einsetzenden Versicherungsschutz ankommt. Das kann etwa in der Feuer- und Wohngebäudeversicherung der Fall sein, ebenso bei industriellen Versicherungen, vor allem wenn die Finanzierung von Anlagen oder Maschinen vom Bestehen eines Versicherungsschutzes erkennbar abhängt. Falls die Auslegung des Antrags in solchen und vergleichbaren Fällen ergibt, dass für den VN sofortige Deckung vertragswesentlich ist und es ihm nicht nur auf einen auf den beantragten Zeitpunkt rückwirkenden, von der Policierung des Versicherungsvertrages abhängigen Versicherungsschutz angekommen ist, weicht der eine bloße Rückwärtsversicherung dokumentierende Versicherungsschein von dem Antrag ab. Sofern auf die Abweichung nicht ausdrücklich hingewiesen ist, gilt der Versicherungsvertrag nach § 5 als mit dem Inhalt des (ausgelegten) Antrags zustande gekommen. c) Vorläufige Deckungszusage durch Vermittler. Sofern Vermittler nicht ausnahms- 17 weise mit einer Abschlussvollmacht durch den VR ausgestattet sind (§ 71), fehlt ihnen
33 34
seit BGH 9.10.1985 VersR 1986 54 bestätigt in BGH 14.07.1999 VersR 1999 1274. Vgl. BGH 19.3.1986 VersR 1986 541; BGH VersR 1999 1274; OLG Koblenz 25.7.1997 VersR 1998 311.
35 36 37
Vgl. B 2.1. und B 2.2. AKB 2008. Vgl. BGH 14.7.1999 NJW 1999 3560; OLG Hamm 26.4.1989 VersR 1990 83. Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 16.
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die erforderliche Vertretungsmacht zu einer den VR bindenden Zusage vorläufiger Deckung. Selbst wenn der Vermittler nur über die gesetzliche Vollmacht des § 69 verfügt, kommt vorläufige Deckung zu Lasten des VR rechtswirksam zustande, wenn dieser den Vermittler mit Antragsformularen ausgestattet hat, die vorläufige Deckung ab Antragstellung oder Antragseingang bei dem VR vorsehen. Denn die gesetzliche Vermittlungsvollmacht schließt ausdrücklich die Entgegennahme von Anträgen und den Auftrag zur Weiterleitung an den VR ein (§ 69 Abs. 1 Ziffer 1). Auf eine eigene gesonderte Annahmeentscheidung hat der VR in diesen Fällen durch seine in den Formulartext aufgenommene antizipierte Annahmeerklärung verzichtet. Entscheidend für den vorläufigen Versicherungsschutz ist bedingungsgemäß nur, dass der Antrag von dem VN unterzeichnet wird bzw. nach Unterzeichnung dem VR zugeht, d.h. zu der Posteingangsstelle des VR gelangt. Der Annahme einer konkludenten Vertretungsmacht 38 bedarf es deshalb in diesen Fällen nicht. Von einer konkludenten Vertretungsmacht muss dagegen ausgegangen werden, wenn ein Makler mit entsprechenden Formularsätzen ausgestattet worden ist und diese im Rahmen des ihm vom VR vorgegebenen Verwendungszwecks einsetzt, auch wenn ein Makler grundsätzlich im Lager des VN steht.39 Falls der Vermittler ohne eine derartige Antragsgestaltung Zusagen auf eine vorläufige Deckung macht oder den Anschein erweckt, zu einer solchen Zusage ermächtigt zu sein, ist eine differenziertere Betrachtung geboten. Handelt auf Seiten des VN ein Makler, kommt eine Zurechnung seines Handelns zu Lasten des VR allenfalls bei Hinzutreten weiterer Umstände in Betracht; fehlt es daran, bleiben dem VN nur Schadenersatzansprüche gegen seinen Makler. Wenn die Antragsverhandlungen von einem Versicherungsvermittler geführt worden sind und sich aus den Antragsdokumenten keine – wenn auch bedingte und von der Unterzeichung des Versicherungsantrags bzw. des Eingangs dieses Antrags bei dem VR abhängige – antizipierte Annahmeerklärung des VR in Bezug auf vorläufigen Deckungsschutz findet, kann von einer stillschweigend erklärten vorläufigen Deckungszusage zu Lasten des VR nur ausnahmsweise ausgegangen werden. Die Entscheidung des LG Hannover vom 26.07.1979,40 das eine „Art vorläufiger Deckungszusage“ mit der Begründung angenommen hat, ein VN dürfe bei einem über einen Versicherungsvertreter gestellten Antrag, der als gewünschten Versicherungsbeginn das Antragsdatum ausweist, erwarten, dass nunmehr alles in Ordnung gehe und er (sofort) Versicherungsschutz erhalten werde, lässt sich nicht verallgemeinern. Denn auch einem durchschnittlichen VN ist regelmäßig bewusst, dass die Entscheidung über einen Versicherungsantrag dem VR und nicht etwa dem Vermittler obliegt. Er weiss in der Regel auch, dass in der privaten Versicherungswirtschaft kein Annahmezwang besteht. Deshalb wird er – jedenfalls außerhalb der Kraftfahrtversicherung – nicht ohne besondere Umstände annehmen können, unabhängig von dem späteren Zustandekommen der beantragten (Haupt-)Versicherung sofort und unter allem Umständen bereits ab dem von ihm gewünschten Zeitpunkt an Versicherungsschutz aus einer vorläufigen Deckungszusage erlangt zu haben. Vorrangig muss durch Auslegung der wechselseitigen Erklärungen überprüft werden, ob der VN eine Rückwärtsversicherung oder vorläufigen Versicherungsschutz wollte. Wenn der Vermittler lediglich den Eindruck erweckt hat, der Annahme des Versicherungsantrags auf eine Rückwärtsversicherung stehe nichts entgegegen, bindet dies den VR möglicherweise
38
So BGH 13.11.1985 VersR 1986 131; OLG Koblenz 25.7.1997 VersR 1998 312; Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 19.
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39 40
OLG Düsseldorf 31.10.2003 VersR 2004 1170. LG Hannover 26.7.1979 VersR 1980 350.
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nur hinsichtlich seiner Annahmeentscheidung und führt ggf. zu einem Schadenersatzanspruch, sofern die Erwartung des VN enttäuscht wird. Dann ist der VN jedoch nur so zu stellen, als wäre die beantragte Rückwärtsversicherung tatsächlich zustande gekommen.41 3. Beweisfragen Wer sich auf vorläufigen Deckungsschutz für einen Versicherungsfall außerhalb der 18 materiellen Deckungsdauer der angestrebten Hauptversicherung beruft, muss darlegen und gegebenenfalls nachweisen, dass 1. ein Vertrag über vorläufige Deckung zustande gekommen ist, 2. der Versicherungsfall während der Geltungsdauer der vorläufigen Deckung eintrat und 3. Versicherungsdeckung im Rahmen des – gegebenenfalls eingeschränkten – Versicherungsschutzes für den geltend gemachten Anspruch besteht. Insoweit bestehen keine Besonderheiten gegenüber anderen Versicherungsverträgen. Die Verteilung der Vortrags- und Beweislast entspricht der allgemeinen Beweislastregel, dass jede Prozesspartei im Zivilprozess die ihrem Begehren „günstigen“ Umstände darzulegen und zu beweisen hat.
IV. Beginn und Ende des Versicherungsschutzes in der vorläufigen Deckung Wann die vorläufige Deckung (materiell) beginnt und der VN daraus vorübergehen- 19 den Deckungsschutz genießt, ist von dem Inhalt der Zusage abhängig.42 Unproblematisch erscheinen in diesem Zusammenhang die Regelungen zur Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung. Die vorläufige Deckung beginnt mit der Zulassung des Kraftfahrzeugs zum öffentlichen Straßenverkehr. Darunter fallen auch die Zulassung zu Probe-, Prüfungs- und Überführungsfahrten für den Zeitraum der jeweiligen Zulassung. Soll in den Versicherungsschutz auch eine Kasko- bzw. Kraftfahrzeugunfallversicherung eingeschlossen werden, besteht auch insoweit vorläufige Deckung, sofern der VR die vorläufige Deckung nicht rechtswirksam auf die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung eingeschränkt hat.43 Ist festgelegt, dass die vorläufige Deckung „mit Unterzeichnung des Versicherungsantrags“ oder „mit Eingang des Antrags (auf die Hauptversicherung) bei dem VR“ beginnen soll, ist dieser Zeitpunkt maßgebend. Beide Fassungen der Zusage des VR beinhalten eine aufschiebende Bedingung. Dagegen bestehen jedoch keine Bedenken. Im ersten Fall – Unterzeichnung des Versicherungsantrags – hat es der VN selbst in der Hand, den Bedingungseintritt herbeizuführen und kennt den Zeitpunkt des Beginns der vorläufigen Deckung. Im zweiten Fall weiß er zwar nicht, ob und wann sein Antrag bei dem VR eingeht. Er kennt jedoch die üblichen Postlaufzeiten und ist hinreichend dadurch geschützt, dass der Vermittler zur unverzüglichen Weiterleitung des Antrags verpflichtet ist. Wird gegen diese Pflicht verstoßen, resultieren daraus Schadenersatzansprüche. Der VN ist so zu stellen, als ob sein Antrag innerhalb der üblichen Postlaufzeit bei dem VR eingegangen wäre.
41 42
BGH 16.6.1982 VersR 1982 841. BGH 26.4.2006 VersR 2006, 913 mit weiteren Nachweisen.
43
Vgl. oben Rn. 15.
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Fehlt es an einer entsprechenden, sich aus dem Antragsformular oder gegebenenfalls beigefügten Allgemeinen Versicherungsbedigungen ergebenden Regelung, etwa weil die Zusage vorläufiger Deckung auf einer dem VR zurechenbaren Erklärung des Vermittlers beruht und dabei Details des Versicherungsvertrages über die vorläufige Deckung nicht abgesprochen worden sind, beginnt der vorläufige Versicherungsschutz sofort mit der Zusage. Denn wenn einem VN vorläufige Deckung ohne einschränkende Bedingungen zugesagt wird, kann er dies nicht anders verstehen. Wenn für die vorläufige Deckung eine Prämie gefordert wird, kann der Beginn des Versicherungsschutzes aus der vorläufigen Deckung gemäß § 51 Abs. 1 von der vorherigen Zahlung der Prämie abhängig gemacht werden, sofern der VR den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform oder einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Voraussetzung aufmerksam gemacht hat. § 51 Abs. 1 ersetzt die allgemeine Regelung zum Zahlungsverzug mit der Erstprämie (§ 37 Abs. 1 und 2).44 Regelungen wie etwa in § 2 lit. e der Allgemeinen Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung, wonach ein bestimmtes Lebensalter der zu versichernden Person für den vorläufigen Deckungsschutz noch nicht überschritten sein darf, sind unbedenklich. Der VN weiß, ob er vorläufige Deckung erlangen kann. Dasselbe gilt, sofern der vorläufige Versicherungsschutz von der Erteilung einer Ermächtigung zum Beitragseinzug abhängig gemacht wird, wie dies § 2 lit. b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den vorläufigen Deckungsschutz in der Lebensversicherung vorsieht. Auch Klauselfassungen, die wie § 2 der Allgemeinen Bedingungen für den vorläufigen Deckungsschutz in der Lebensversicherung vorsehen, dass das Zustandekommen der beantragten Hauptversicherung von dem VN nicht von besonderen Bedingungen abhängig gemacht werden darf, erscheinen unbedenklich. Hier hat es der VN selbst in der Hand, seinen Antrag zur Hauptversicherung entsprechend zu formulieren, weiß also, ob er vorläufige Deckung erlangt oder nicht. Problematisch sind dagegen Klauselfassungen, die vorläufige Deckung davon abhängig machen, dass der Antrag zur Hauptversicherung „nicht von den von uns angebotenen Tarifen und Bedigungen abweicht“.45 Wie Rixecker 46 zu Recht bemerkt, ist diese Klausel für einen durchschnittlichen VN undurchschaubar, da er die von dem VR angebotenen Tarife und Bedingungen nicht kennt. Davon muss selbst dann ausgegangen werden, wenn ihm zu der beabsichtigten Hauptversicherung die nach § 7 und den entsprechenden Bestimmungen der VVG-InfoV vorgeschriebenen Informationen erteilt worden sind. Wann der Deckungsschutz aus der vorläufigen Deckung endet, war streitig.47 Nun mehr gilt § 52.48
V. AVB der vorläufigen Deckung 20
Soweit für die vorläufige Deckung Allgemeine Versicherungsbedingungen vorliegen, verweisen diese zur Beschreibung der Leistungsinhalte und Leistungsvoraussetzungen regelmäßig auf die Bedingungen des beantragten Hauptvertrages. Ein Beispiel ist § 6 der
44 45
Näher § 51 Rn. 4. So etwa die Allgemeinen Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung, § 2 lit. c.
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46 47 48
Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 26. Zum bisherigen Rechtszustand detailliert Henzler, S. 174 ff. Vgl. nachfolgend § 52 Rn. 2.
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„Allgemeinen Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung“ für das Antragsverfahren49: „(1) Soweit in diesen Bedingungen nichts anderes bestimmt ist, finden die Allgemeinen und Besonderen Bedingungen für die beantragte Versicherung Anwendung, einschließlich derjenigen für eine mitbeantragte Unfall-Zusatzversicherung. Dies gilt insbesondere für die dort enthaltenen Einschränkungen und Ausschlüsse. Eine Überschussbeteiligung erfolgt jedoch nicht. (2) Haben Sie im Antrag ein Bezugsrecht festgelegt, gilt dieses auch für die Leistungen aus dem vorläufigen Versicherungsschutz.“
Als zweite Besonderheit enthalten spezielle Allgemeine Versicherungsbedingungen der 21 vorläufigen Deckung gelegentlich summenmäßige Einschränkungen des Versicherungsschutzes wie zum Beispiel § 1 Abs. 2 der vorstehend zitierten „Allgemeinen Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung“ für das Antragsverfahren: „(2) Aufgrund des vorläufigen Versicherungsschutzes zahlen wir einschließlich der Leistungen aus einer Unfall-Zusatzversicherung höchstens … Euro, auch wenn Sie höhere Leistungen beantragt haben. Diese Begrenzung gilt auch dann, wenn mehrere Anträge auf das Leben derselben Person bei uns gestellt worden sind.“
Die summenmäßige Begrenzung des Versicherungsschutzes dient dem Ausgleich der gegenläufigen Interessen des VN an sofortiger Versicherungsdeckung und dem Interesse des VR, das ihm angetragene Risiko erst nach eingehender Risikoprüfung übernehmen zu wollen. Der VN soll nicht schutzlos dastehen. Eine für die Hauptversicherung beantragte sehr hohe Versicherungsleistung will der VR jedoch nicht ungeprüft übernehmen.
VI. Beratungspflicht Nach §§ 6, 61 treffen sowohl den VR als auch den Vermittler umfassende Beratungs- 22 und Dokumentationspflichten. In Bezug auf die vorläufige Deckung lässt § 6 Abs. 2 S. 2 die mündliche Übermittlung der Angaben zu dem erteilten Rat und den Gründen hierfür zu. Damit korrespondiert § 62 Abs. 2, der die mündliche Übermittlung durch den Vermittler erlaubt, soweit der VR vorläufige Deckung gewährt. Der Gesetzgeber hat damit zwar das sowohl auf VR- als auch VNseite bestehende Bedürfnis nach einem schnellen Abschluss des Vertrages über die vorläufige Deckung anerkannt. Die gesetzliche Regelung befreit aber bewusst weder den VR noch die Vermittler von ihrer Beratungspflicht in Bezug auf die Notwendigkeit einer vorläufigen Deckung. Soweit überhaupt zu dem beabsichtigten Versicherungsvertrag eine vorläufige Deckung branchenüblich angeboten wird, muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass eine Beratungspflicht zumindest dann unausweichlich besteht, wenn der Vermittler und – zeitlich nach ihm der VR – aus den im Beratungsgespräch mitgeteilten Umständen Kenntnis davon hatte, dass ein vorläufiger Versicherungsschutz notwendig oder aus erkennbaren Umständen gewünscht ist bzw. dies hätte erkannt werden müssen.50 Wenn die Notwendigkeit vorläufiger Deckung oder auch nur deren Zweckmäßigkeit aus den Angaben des VN erkennbar ist, muss
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In der Fassung der unverbindlichen Empfehlung des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft [GDV] vom 14.10.2009. Die Fassung für das Invitatioverfahren weicht teilweise in der Formulierung ab. Beide
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Fassungen sind in Anlage zu diesem Kapitel abgedruckt. Zutreffend Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 30.
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Vor §§ 49 ff.
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
hierauf hingewiesen und dies nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung mit dem VN erörtert werden. Erkennbare Dringlichkeit liegt dabei nicht nur dann vor, wenn sich dies aus Angaben des VN ergibt. Der Vermittler muss auch auf objektive Umstände, die seiner Wahrnehmung unterliegen, reagieren. Davon ist etwa in der betrieblichen Sachversicherung auszugehen, wenn der Vermittler von einem Spediteuer und Lagerhalter zur Einweihung eines neu errichteten Außenlagers auf Grund langjähriger Geschäftsverbindung in Versicherungsfragen eingeladen wird und er erkennt oder erkennen kann, dass für die unmittelbar bevorstehende Einlagerungen kein oder kein ausreichender Versicherungsschutz besteht. Sofern der VN aufgrund fehlender oder mangelhafter Beratung durch fehlende Eindeckung eines ansich möglichen vorläufigen Versicherungsschutzes einen Schaden erleidet, sind der VR und/oder der Vermittler zu Schadenersatz wegen Beratungsverschuldens verpflichtet. Der Anspruch geht auf das negative Interesse. Der VN ist so zu stellen, als wäre ihm zu vorläufiger Deckung geraten worden.51 Er muss dann nachweisen, dass er vorläufigen Versicherungsschutz bei hinreichender Beratung eingedeckt hätte. Dabei kommt ihm die Vermutung zugute, dass grundsätzlich von einer interessengerechten Entscheidung bei hinreichender Beratung ausgegangen werden muss. Welchen Deckungsumfang der vorläufige Versicherungsschutz bei einem Schadenfall vor Zustandekommen der Hauptversicherung nach den Geschäftsplänen des VR gehabt hätte und ob der Schaden in vollem Umfang oder nur teilweise zu ersetzen gewesen wäre, weiß der VN nicht. Den VR trifft deshalb insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Er muss anhand seiner Vertragsbedingungen und Tarife darstellen, wie der Schadenfall zu behandeln gewesen wäre, falls vorläufiger Versicherungsschutz eingedeckt worden wäre.52 Soweit das Gesetz in den §§ 6, 61 mit Rücksicht auf die Besonderheiten der vor23 läufigen Deckung Ausnahmen vorsieht, betreffen diese damit lediglich die Dokumentation der Beratung. Aufgrund der von dem Gesetzgeber zutreffend erkannten Eilbedürftigkeit des Vertragsabschlusses bedarf es weder der vorvertraglich zu erfolgenden Aushändigung eines Beratungsprotokolles, noch muss dieses (zunächst) schriftlich abgefasst werden. Erforderlich ist jedoch, dass ein Beratungsprotokoll, das auch die vorläufige Deckung einschließt, spätestens mit Übersendung des Versicherungsscheins in Textform ausgehändigt wird. Eine Ausnahme hiervon besteht lediglich in Bezug auf die vorläufige Deckung bei gesetzlich vorgeschriebenen Haftpflichtpflichtversicherungen.53 Zu den weiteren Rechtsfolgen einer mangelhaften Beratung wird auf die Kommentierung zu § 6 verwiesen.
VII. Vorvertragliche Anzeigepflicht 24
Da der Vertrag über die vorläufige Deckung ein (gesonderter) Versicherungsvertrag ist, gelten für ihn die allgemeinen Regeln. In Bezug auf die vorvertragliche Anzeigepflicht und arglistiges Verhalten des VN im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss sieht das Gesetz für die vorläufige Deckung keine Besonderheiten vor. Die §§ 19 bis 22 gelten uneingeschränkt. Falls der VR für die vorläufige Deckung gesonderte Antragsfragen nach gefahrerheblichen Umständen in Textform stellt und vor Gewährung des Versicherungs-
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BGH 5.11.1986 VersR 1987 147; OLG Karlsruhe 3.3.1988 VersR 1990 889; OLG Köln. Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 32.
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53
Vgl. Handkommentar/Karczweski § 49 Rn. 5; Beckmann/Matusche-Beckmann/Hermanns § 7, Rn. 16; Maier, RuS 2006 485.
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Vorbemerkungen
Vor §§ 49 ff.
schutzes eine Antragsprüfung vornimmt, richten sich die Rechtsfolgen falscher Angaben, verschwiegener Gefahrumstände oder arglistigem Einwirkens auf den Abschlusswillen des VR nach den genannten Bestimmungen. Dass gesonderte Antragsfragen gestellt werden und eine auf den vorläufigen Versicherungsschutz bezogene Risikoprüfung stattfindet, ist jedoch sehr selten. Nahezu immer fehlen gesonderte Antragsfragen und es findet in aller Regel auch keine gesonderte Risikoprüfung statt, bedingt durch die Eilbedürftigkeit der vorläufigen Deckung. 1. Arglist § 19 Abs. 1 verlangt von dem VN im Antragsstadium die zutreffende Beantwortung 25 der ihm von dem VR in Textform gestellten Antragsfragen. Die noch in § 16 Abs. 1 a.F. verankerte spontane Anzeigepflicht 54 kennt das Gesetz zu Recht nicht mehr. Ob daraus abgeleitet werden kann, eine arglistige Täuschung durch Unterlassen der Anzeige nicht nachgefragter Gefahrumstände komme nicht 55 oder nur dann in Betracht, wenn die fehlende Offenbarung als konkludente Vorspiegelung des Nichtvorhandenseins zu betrachten sei,56 erscheint zweifelhaft. § 22 stellt klar, dass das Recht des VR, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, durch die §§ 19 ff. nicht berührt wird. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 123 BGB, nach dem sich die Anfechtung inhaltlich richtet, ist deshalb nach dem Willen des Gesetzgebers weder beabsichtigt 57 noch geboten. Die Täuschung kann nach § 123 BGB sowohl durch bewusst unzutreffende Angaben als auch durch Verschweigen gefahrerheblicher Umstände erfolgen, sofern eine Aufklärungs- bzw. Offenbarungspflicht besteht.58 Die Aufklärungs- und Offenbarungspflicht muss nicht immer gesetzlich normiert sein oder sich aus berechtigten Fragen des VR ergeben. Sie kann auch aus Treu und Glauben folgen. Da sich der VN nach § 19 grundsätzlich darauf verlassen darf, dass nur das, wonach ihn der VR in Textform gefragt hat, für dessen Annahmeentscheidung wesentlich ist, kommt eine Aufklärungsbzw. Offenbarungspflicht aus Treu und Glauben nur hinsichtlich solcher Umstände in Betracht, bei denen eine ungefragte Mitteilungspflicht für jeden redlich denkenden VN offenkundig ist.59 Wer als Gebäudeeigentümer weiß, dass seine Immobilie durch eine unmittelbar bevorstehende Hochwasserwelle bedroht ist, kann redlicherweise nicht wenige Stunden vor Eintreffen der vorausgesagten Hochwasserwelle sofortigen Deckungsschutz gegen Elementarschäden in Anspruch nehmen wollen. Wer an einer äußerst seltenen Krankheit leidet, die seine restliche Lebenserwartung dramatisch verkürzt, muss sich bewusst sein, dass er dies auch ungefragt dem LebensVR anzuzeigen hat. 2. Vorläufige Deckung ab Unterzeichnung bzw. Eingang des Antrags Werden zwar gesonderte Antragsfragen für die vorläufige Deckung gestellt, nimmt 26 der VR jedoch keine eigenständige Risikoprüfung vor, sondern verspricht durch antizipierte Annahmeerklärung Versicherungsschutz „ab Unterzeichnung des Antrags“ oder „ab Zugang des Antrags bei der Gesellschaft“, sind die Antworten des VN auf die
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55
Auch im bisherigen Recht führte deren Verletzung nur unter den Voraussetzungen des § 18 VVG a.F. zu einem Rechtsverlust des VN, vgl. Römer/Langheid § 18 Rn. 1 ff. Marlow/Spuhl S. 46 f.
56 57 58 59
Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 35. Vgl. RegE S. 64. Vgl. Palandt/Ellenberger § 123 Rn. 5. Vgl. Looschelders/Pohlmann § 22 Rn. 7 ff.
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Vor §§ 49 ff.
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
Antragsfragen ohne Relevanz für den vorläufigen Versicherungsschutz. Dasselbe gilt in einem derartigen Fall, wenn entweder überhaupt keine gesonderten Antragsfragen gestellt werden oder vermerkt ist, dass die zum Hauptvertrag gestellten Antragsfragen auch für den vorläufigen Versicherungsschutz gelten sollen. Denn ein VR, der das Zustandekommen der vorläufigen Deckung auf einen Zeitpunkt zusagt, zu dem er keine Kenntnis von etwaigen Antworten des VN auf die Antragsfragen haben kann, belegt, dass etwaige Angaben des VN für seine Annahmeentscheidung irrelevant sind. Es ist offenkundig, dass die Antworten nicht interessieren. Sonst hätte der VR sich eine Überprüfung im Hinblick auf die Übernahme des Versicherungsschutzes vorbehalten oder vorbehalten müssen.60 Die abweichende Ansicht von Henzler 61 überzeugt nicht; sie steht auf dem Boden der Einheitstheorie,62 die durch § 49 Abs. 1 S. 1 obsolet geworden ist. Der VR ist danach selbst bei nachgewiesener Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht an seine antizipierte Annahmeerklärung gebunden, sofern während der Dauer des vorläufigen Deckungsschutzes ein Versicherungsfall eintritt. Davon muss lediglich für den Fall eine Ausnahme gemacht werden, dass dem VR der Nachweis gelingt, bei Kenntnis des nicht angezeigten Gefahrumstandes hätte er den Hauptvertrag nicht abgeschlossen und den Vertrag über die vorläufige Deckung rechtswirksam vor Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 52 Abs. 4 gekündigt.63
VIII. Ausschlussklauseln 27
Vorläufige Deckung soll ihrem Wesen nach einen sofort oder zumindest alsbald beginnenden Versicherungsschutz begründen. Deshalb scheidet eine Prüfung des dem VR angetragenen Risikos vor Annahme des Antrags auf vorläufige Deckung nahezu immer aus. Selbst bei nachgewiesener Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht bleibt der VR regelmäßig an seine Annahmeerklärung gebunden und hat bei Eintritt des Versicherungsfalles in dem Zeitraum, für den vorläufige Deckung besteht, zu leisten. Der BGH hat deshalb ein berechtigtes Interesse der VR anerkannt, bei einer ohne Risikoprüfung zugesagten vorläufigen Deckung Missbrauchsmöglichkeiten durch Klauseln entgegenzuwirken, die sich dem VN dadurch eröffnen können, dass ihm hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines Eintritts des Versicherungsfalles im Zeitraum der vorläufigen Deckung ein Wissensvorsprung zukommt.64 Nur er kennt, wenn eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen werden soll, seinen aktuellen und Gesundheitszustand und weiß, welche Risiken dieser im Hinblick auf den baldigen Eintritt von Berufsunfähigkeit beinhaltet. 1. Allgemeines
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Risikoausschlussklauseln, mit denen die VR wegen der Missbrauchsgefahr versuchen, nicht schlechter als bei einer durchgeführten Risikoprüfung gestellt zu sein, sind nicht unproblematisch. Abweichend von dem gesetzlichen Leitbild einer Risikoprüfung anhand von in Textform gestellten Antragsfragen schließen sie bestimmte Risiken generell
60
61 62
OLG Köln 23.10.1996 RuS 1997 211; OLG Saarbrücken 12.3.2003 VersR 2004 50; Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 37. Henzler S. 100, 104 ff. Vgl. Rn. 8.
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Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 38. BGH 21.2.2001 VersR 2001 489 (unter 2 lit. c); vgl. auch OLG Hamm 24.9.1999 NVersZ 2000 517.
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Vorbemerkungen
Vor §§ 49 ff.
vom Versicherungsschutz aus. Wenn nicht in der Klausel selbst auf Verschulden oder einen bestimmten Verschuldensmaßstab abgestellt ist, kommt es auf Verschulden des VN nicht an. Der Kausalitätsgegenbeweis (§ 21) ist ihm abgeschnitten. Ausschlussklauseln bergen deshalb die Gefahr in sich, dass der aus Sicht eines durchschnittlichen VN erwartete Versicherungsschutz in der vorläufigen Deckung entwertet wird. Durch § 34 ist ein Abweichen von dem gesetzlichen Leitbild der Risikoprüfung zum Nachteil des VN ausgeschlossen. Die Ausschlussklauseln sind hieran zu messen. Sie müssen zudem dem Transparenzgebot genügen und sind auf ihre Angemessenheit hin zu prüfen (§ 307 Abs. 1 und 2 BGB). 2. Beanstandete Klauseln Die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Lebensversicherung für den 29 vorläufigen Deckungsschutz früher verwendete Klausel „Unsere Leistungspflicht ist – soweit nicht etwas anderes vereinbart ist – ausgeschlossen für Versicherungsfälle aufgrund von Ursachen, die vor Unterzeichnung des Antrags erkennbar geworden sind, auch wenn diese im Antrag angegeben wurden.“
hat der BGH unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze mit der Begründung verworfen, einem durchschnittlichen VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse erschließe sich aus dem Wortlaut der Klausel schon nicht, ob die Ursachen für ihn erkennbar geworden sein müssen oder ob auf die objektive Erkennbarkeit für einen Dritten abzustellen sei. Außerdem gebe die Wendung „aufgrund von Ursachen“ keinen Aufschluss darüber, ob und gegebenenfalls inwieweit das Erfordernis der Ursächlichkeit Begrenzungen oder Einschränkungen unterliege. In dieser Auslegung schränke die Ausschlussklausel wesentliche Rechte des VN, die sich aus der Natur eines Vertrages über vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung ergeben, so sehr ein, dass der Vertragszweck gefährdet werde.65 Das verdient uneingeschränkte Zustimmung. Verworfen hat die Rechtsprechung auch folgende Nachfolgeklausel:66 „Unsere Leistungspflicht ist – soweit nicht etwas anderes vereinbart ist – ausgeschlossen für Versicherungsfälle, zu deren Eintritt gefahrerhebliche Erkrankungen, Beschwerden oder Gesundheitsstörungen zumindest mitursächlich beigetragen haben, die Ihnen bzw. der zu versichernden Person bei Antragstellung bekannt waren, auch wenn diese im Antrag angegeben wurden. Gefahrerheblich sind solche Erkrankungen, Beschwerden oder Gesundheitsstörungen, die geeignet sind auf unseren Entschluss, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluss ausüben. Erkrankungen, Beschwerden oder Gesundheitsstörungen, nach denen wir bei Antragstellung ausdrücklich und schriftlich gefragt haben, gelten im Zweifel als erheblich.“
Auch dem muss zugestimmt werden. Abweichend von ähnlichen Formulierungen in der Kreditlebensversicherung, bei denen unter exemplarischer Aufzählung bestimmter Krankheitsbilder auf „ernstliche“ Erkrankungen abgestellt wird,67 kennt der VN die Annahmerichtlinien des VR nicht. Diese werden durch die nachfolgende Formulierung
65 66 67
BGH 21.2.2001 VersR 2001 489. OLG Saarbrücken 11.7.2007 VersR 2008 621. Vgl. OLG Dresden 30.6.2005 VersR 2006 61. Das OLG Dresden hat die Klauselfassung nicht beanstandet. Ob dies zutreffend ist
oder der unbestimmte Rechtsbegriff „ernstlich“ trotz oder gerade wegen (unvollständiger) Aufzählung bestimmter Erkrankungen dem VN nicht sicher erschließt, wann er Versicherungsschutz hat und wann nicht, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben.
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Vor §§ 49 ff.
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
„… die geeignet sind …“ nicht in einer Weise erläutert, dass er anhand des Klauseltextes erkennen kann, wann Versicherungsschutz besteht und wann nicht. Ein durchschnittlicher VN weiß nicht, was „gefahrerheblich“ aus Sicht des VR ist und insbesondere nicht, wie er den Klauseltext „… zumindest mitursächlich beigetragen …“ einordnen soll. 3. Aktuelle Klauselfassungen
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Die Versicherungswirtschaft hat auf die Kritik der Rechtsprechung reagiert. Aktuelle Risikoausschlussklauseln, für die etwa die Regelung in § 4 Abs. 1 der Allgemeinen Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung für das Antragsverfahren als Beispiel dienen kann,68 „Unsere Leistungspflicht ist ausgeschlossen für die Versicherungsfälle aufgrund von Ursachen, nach denen im Antrag gefragt ist und von denen die versicherte Person vor seiner Unterzeichnung Kenntnis hatte, auch wenn diese im Antrag angegeben wurden. Dies gilt nicht für Umstände, die für den Eintritt des Versicherungsfalls nur mitursächlich geworden sind.“
berücksichtigen analog § 19 einmal, dass relevant nur im Antrag nachgefragte Gefahrumstände sind. Sie berücksichtigen ferner das Verschuldenserfordernis. Der Risikoausschluss greift nur, wenn der VN positive Kenntnis von dem nachgefragten Gefahrumstand hatte. Bloßes Kennenmüssen oder grob fahrlässige Unkenntnis reichen nach dem eindeutigen Wortlaut der Klausel nicht aus. Durch den Rückausschluss von Umständen, die für den Eintritt des Versicherungsfalles nur mitursächlich geworden sind, ist das in § 19 verankerte Kausalitätserfordernis gewahrt. Lediglich die Regelung in § 19 Abs. 4 – Annahme zu geänderten Bedingungen – ist in der Klauselfassung nicht adäquat nachgebildet. Allein deshalb kann die Klauselfassung jedoch mit Rücksicht auf die kurze Laufzeit der Verträge über vorläufigen Versicherungsschutz nicht als unangemessen angesehen werden. Dadurch, dass nachgefragte Umstände, die nur mitursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles geworden sind, den Versicherungsschutz aus der vorläufigen Deckung nicht beeinträchtigen, sind nur sehr wenige Fälle denkbar, in denen der Ausschluss greift.69 Deshalb erscheint es auch nicht als notwendig, dass auf den Risikoausschluss gesondert und hervorgehoben aufmerksam gemacht werden müsste,70 zumindest dann nicht, wenn die in § 19 Abs. 5 vorgeschriebene umfassende Belehrung erteilt ist. Denn auch einem durchschnittlichen VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse erschließt sich ohne weiteres, dass Antragsfragen nicht grundlos gestellt werden, sondern deren Beantwortung Einfluss auf das Zustandekommen bzw. den Umfang des gewünschten Versicherungsschutzes haben wird.
C. Vorbemerkungen zu den §§ 49 bis 52 31
In dem 1908 in Kraft getretenen VVG fehlten Bestimmungen über die vorläufige Deckung. Während der Vorarbeiten zu diesem Gesetz und bei seinem Inkrafttreten war das Rechtsinstitut noch zu unbedeutend. Erst durch § 9 der KfzPflVV vom 29.07.199471 hat die vorläufige Deckung, beschränkt auf zwingende Notwendigkeiten der Kraftfahr-
68 69
Siehe Anhang zu diesem Kapitel. So zu Recht Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 41.
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70 71
Zweifeld Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 41. BGBl. I 1994 1837.
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Vorbemerkungen
Vor §§ 49 ff.
haftpflichtversicherung, eine rudimentäre Normierung erfahren. Auch das VVG hat an der Zurückhaltung des Gesetzgebers wenig geändert. In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es zwar, „angesichts der Verbreitung und Bedeutung der vorläufigen Deckung“ sei es „sachgerecht“ Grundregeln für die vorläufige Deckung festzuschreiben.72 Tatsächlich enthalten die neu in das Gesetz aufgenommenen Bestimmungen – die §§ 49 bis 52 – jedoch im Wesentlichen nur durch die Besonderheiten der vorläufigen Deckung bedingte Ausnahmen von den für alle Versicherungsverträge geltenden allgemeinen Regeln. Die wenigen Normen sollen vornehmlich den raschen Abschluss des Versicherungsvertrags erleichtern bzw. überhaupt erst ermöglichen73 sowie eine die Interessen des VN wahrende Regelung zur Beendigung der vorläufigen Deckung schaffen. Auch der Europäische Gesetzgeber sieht in seinen Vorabüberlegungen zur beabsich- 32 tigten Harmonisierung des Versicherungsvertragsrechts innerhalb der Gemeinschaft zur vorläufigen Deckung nur wenige Grundsätze vor. Die Entwicklung des freien Marktes soll nicht behindert werden. In dem Entwurf der Projektgruppe „Restatement des Europäischen Versicherungsvertragsrechts“ vom 17.12.2007 sind in Artikel 2:2402 und 2:403 der Principles of European Insurance Contract Law (PEICL) lediglich folgende Regelungsansätze enthalten: Artikel 2:402 – Vorläufige Deckung (1) Bei Abschluss eines Versicherungsvertrags über vorläufige Deckung hat der Versicherer eine Deckungsbestätigung auszustellen, die die in Artikel 2:501 lit. a, b, d, e und h näher bezeichneten Informationen enthält, sofern diese von Bedeutung sind. (2) Die Artikel 2:201 bis 2:203 und, vorbehaltlich des obigen Absatzes 1, Artikel 2:501 sind auf die vorläufige Deckung nicht anzuwenden. Artikel 2:403 – Dauer der vorläufigen Deckung (1) Sofern dem Antragsteller eines Versicherungsvertrags vorläufige Deckung gewährt wird, endet der vorläufige Deckungsschutz frühestens zu dem Zeitpunkt, zu dem die Deckung nach dem Versicherungsvertrag vereinbarungsgemäß beginnen soll oder zu dem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller vom Versicherer die endgültige Ablehnung des Antrags erhält. (2) Sofern einer Person vorläufige Deckung gewährt wird, die nicht bei demselben Versicherer einen Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrags gestellt hat, so kann der vorläufige Deckungsschutz für einen kürzeren als den in Artikel 2:601 Absatz 1 genannten Zeitraum gewährt werden. Eine solche Deckung kann von jeder Partei unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.
Ob diese Vorstellungen Bestandteil einer europäischen Richtlinie werden oder, wie es derzeit angedacht ist (vgl. Abschlussbericht der Kommission vom 19.4.2004, S. 50), Bestandteil einer neben dem nationalen Recht verfügbaren, der Parteivereinbarung überlassenen Rechtswahl werden, bleibt abzuwarten. Sollte es zu einer entsprechenden Regelung kommen, müssen die Vorschriften des VVG zumindest hinsichtlich der Ausstellung einer Versicherungsbestätigung und des Endes der vorläufigen Deckung entsprechend angepasst werden. Die Ausstellung einer Versicherungsbestätigung (z.B. Deckungskarte bzw. elektronisch der Zulassungsstelle übermittelte Nachricht) ist im deutschen Recht bislang lediglich für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung vorgesehen. Das deutsche Recht schützt den VN andererseits besser, als es das Ende der vorläufigen Deckung bei Nichtzahlung oder verspäteter Zahlung des Einlösungsbeitrags von einer Rechtsbelehrung abhängig macht und Verzug voraussetzt (§ 52). Außerdem endet die vorläufige Deckung, sofern diese nicht rechtswirksam zeitlich befristet worden ist, bei fristloser Kündigung durch den VR erst zwei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung; dem VN soll 72
Vgl. RegE S. 125 .
73
Vgl. Marlow/Spuhl, S. 131.
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Vor §§ 49 ff.
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
damit Gelegenheit gegeben werden, sich bei entsprechendem Bedarf anderweitigen vorläufigen Versicherungsschutz zu beschaffen (§ 52 Abs. 4). Die Regelung der vorläufigen Deckung in den §§ 49 bis 52 beruht auf der bereits im 33 Abschlussbericht der Kommission niedergelegten Überlegung, dass es weder möglich noch sachgerecht ist, „im Gesetz verbindliche Vorgaben über den Umfang des vorläufigen Versicherungsschutzes zu machen. Maßgebend kann insoweit nur der Inhalt des Vertragsangebots des Versicherers sein. Ihm bleibt überlassen, welchen Versicherungsschutz er zunächst einmal vorläufig zusagen will. Die Zusage muss nicht so weit gehen, wie sie für den Hauptvertrag vorgesehen ist. Reicht dem Versicherungsnehmer der angebotene vorläufige Versicherungsschutz nicht aus, hat er die Möglichkeit, bei diesem Versicherer oder einem anderen Unternehmen einen weitergehenden Schutz zu beantragen.“ 74
Das erscheint sachgerecht. Aufgrund der Vielfalt der Sparten, in denen die vorläufige Deckung heute gebräuchlich ist, und der zu berücksichtigenden spartenspezifischen Besonderheiten des Deckungsschutzes verbietet es sich, für alle derartigen Verträge – von wenigen notwendigen Normen abgesehen – verbindliche Regelungen aufzustellen. 34 Im Gesetzgebungsverfahren war umstritten, inwieweit der Versicherungsschutz aus der vorläufigen Deckung rückwirkend entfällt, falls der VN schuldhaft eine für die vorläufige Deckung vereinbarte Prämie oder alternativ die Erstprämie des beantragten Hauptvertrages nicht bezahlt. Der Kommissionsentwurf sah vor, dass der rückwirkende Entfall des Versicherungsschutzes – entgegen der Regelung in § 9 S. 2 KfzPflVV – unzulässig ist. Der VR könne den Beginn der vorläufigen Deckung von einer vorherigen Zahlung abhängig machen; verzichte er hierauf, handele er auf eigenes Risiko. Dieses Risiko könne er nicht auf den VN abwälzen, indem er wegen Zahlungsverzugs den Versicherungsschutz rückwirkend auch für bereits eingetretene Schäden aufkündige. Gegen eine Rückwirkung spreche auch der Umstand, dass die Höhe des Prämienanspruchs sich erst aus dem später vorgesehenen Hauptvertrag ergebe. Ein Anspruch des VR auf Abschluss des Hauptvertrags und damit auf die Erstprämie bestehe bei Abgabe des Deckungsangebots nicht. Der VR müsse damit rechnen, dass der Hauptvertrag scheitere und er dann allenfalls Anspruch auf eine Prämie für die vorläufige Deckung habe.75 35 Dem ist der Gesetzgeber mit Rücksicht auf die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nicht gefolgt. Er war der Ansicht, die in § 9 Satz 2 KfzPflVV normierte Belehrung mache dem Versicherungsinteressenten die Folgen eines Prämienzahlungsverzugs hinreichend deutlich. Ein Ausschluss des Rücktrittsrechts, wie dies von der VVG-Kommission vorgeschlagen worden ist, hätte zur Folge, dass dem Versicherer, der mit der vorläufigen Deckung in der Kfz-Versicherung eine Vorleistung erbringt, bei Nichtzahlung der Prämie keine wirksame Sanktion zur Verfügung stehen würde. Dies erscheint unangemessen; ein Versicherungsnehmer, der trotz Belehrung schuldhaft seine Zahlungspflicht verletzt, ist nicht schutzwürdig. Die von der VVG-Kommission angeführte Möglichkeit für den Versicherer, vorläufige Deckung nur gegen Vorkasse zu gewähren, entspräche nicht den Interessen der Verbraucher und wäre im Kfz-Massengeschäft auch nicht praktikabel.76 36 Ob dies eine interessengerechte Lösung ist, erscheint fraglich. Denn wenn der vorläufige Deckungsschutz ein eigenständiger Versicherungsvertrag ist,77 kann der Verlust der Versicherungsdeckung aus diesem Versicherungsvertrag systemgerecht zwar an die Verletzung für diesen Vertrag vereinbarter Obliegenheiten – etwa der fristgerechten Zahlung
74 75
Vgl. KomE, S. 50. Vgl. KomE, S. 330.
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76 77
Vgl. RegE S. 186. S.o. Rn. 8.
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Inhalt des Vertrags
§ 49
einer für den vorläufigen Versicherungsschutz geforderten Prämie – geknüpft werden. Mit dem Versicherungsgedanken lässt sich jedoch nur schwerlich in Einklang bringen, dass der Verlust der Versicherungsdeckung für einen aus dem vorläufigen Versicherungsschutz eingetretenen Schadenfall auch davon abhängen soll, dass der Einlösungsbeitrag für eine nur in Aussicht genommene Hauptversicherung fristgerecht entrichtet wird. Weder der VR noch der VN sind rechtlich zum Abschluss der Hauptversicherung verpflichtet. Die Verknüpfung der Versicherungsleistung aus einem rechswirksam zustande gekommenen Versicherungsvertrag über die vorläufige Deckung mit der Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen aus dem beabsichtigten Hauptvertrag ist deshalb mit der jedem Versicherungsvertrag immanenten Risikoübernahme, und sei es auch nur für einen vorübergehenden Zeitraum, vertragstypisch unvereinbar.
§ 49 Inhalt des Vertrags (1) Bei einem Versicherungsvertrag, dessen wesentlicher Inhalt die Gewährung einer vorläufigen Deckung durch den Versicherer ist, kann vereinbart werden, dass dem Versicherungsnehmer die Vertragsbestimmungen und die Informationen nach § 7 Abs. 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 2 nur auf Anforderung und spätestens mit dem Versicherungsschein vom Versicherer zu übermitteln sind. Auf einen Fernabsatzvertrag im Sinn des § 312b Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist Satz 1 nicht anzuwenden. (2) Werden die Allgemeinen Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss nicht übermittelt, werden die vom Versicherer zu diesem Zeitpunkt für den vorläufigen Versicherungsschutz üblicherweise verwendeten Bedingungen, bei Fehlen solcher Bedingungen die für den Hauptvertrag vom Versicherer verwendeten Bedingungen auch ohne ausdrücklichen Hinweis hierauf Vertragsbestandteil. Bestehen Zweifel, welche Bedingungen für den Vertrag gelten sollen, werden die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom Versicherer verwendeten Bedingungen, die für den Versicherungsnehmer am günstigsten sind, Vertragsbestandteil. Schrifttum siehe Vor §§ 49 ff.
Übersicht Rn. A. § 49 Abs. 1 S. 1 (eigenständiger Versicherungsvertrag) . . . . . . . . . . . . . . . B. § 49 Abs. 1 S. 1 (Informationspflichten) . C. § 49 Abs. 1 S. 2 (Fernabsatz) . . . . . . . D. § 49 Abs. 2 (Vertragsinhalt und Einbezug von AVB)
1 2 4
Rn. I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 II. Einbezug von AVB . . . . . . . . . . . . 6 E. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . 12
A. § 49 Abs. 1 S. 1 (eigenständiger Versicherungsvertrag) § 49 enthält keine Definition des vorläufigen Versicherungsschutzes. Das Gesetz 1 beschreibt die vorläufige Deckung lediglich als eigenständigen, von dem Bestand und Zustandekommen des beabsichtigten Hauptvertrages unabhängigen Versicherungsvertrag.
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§ 49
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
B. § 49 Abs. 1 S. 1 (Informationspflichten) 2
Bislang konnte der Vertragsabschluss nach § 5a a.F. im sog. Policenmodell erfolgen. Dem VN konnten die AVB und die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen erst zusammen mit der Übersendung der Police ausgehändigt werden. Um ihn zu schützen, sah das Gesetz ein zeitlich befristetes Widerspruchsrecht vor. Sofern der VN dem Vertragsabschluss nach hinreichender Belehrung fristgemäß widersprach, kam der bis dahin schwebend unwirksame Vertrag nicht zustande.1 Auf Grund europarechtlicher Bedenken hat der Gesetzgeber das Policenmodell aufgegeben. § 7 Abs. 1 schreibt vor, dass der VR dem VN rechtzeitig vor Unterzeichnung des Versicherungsantrags („dessen Vertragserklärung“) seine Vertragsbestimmungen einschließlich der AVB sowie die in der VVG-InfoV vorgeschriebenen Informationen in Textform zu erteilen habe (sog. Antragsmodell). Bei dem Invitatiomodell, das die VR in dem Bestreben entwickelt haben, langjährige Betriebsabläufe so weitgehend als möglich aufrecht zu erhalten, erfolgt die Übermittlung der Vertragsunterlagen zwar zusammen mit der Police, beinhaltet jedoch nur ein Vertragsangebot des VR, das der Annahme durch den VN bedarf.2 Das von dem Gesetzgeber anerkannte Bedürfnis nach einem zeitnahen Zustandekommen der vorläufigen Deckung schließt aus, dass dem VN die in der VVG-InfoV vorgeschriebenen Informationen rechtzeitig vor seinem Antrag, d.h. so, dass er hinreichend Zeit hat, alle Vertragsunterlagen zu prüfen, übermittelt sein müssen. Auch ein Abwarten auf das eventuelle Vertragsangebot des VR im Invitatiomodell wäre nicht praxisgerecht.3 § 49 Abs. 1 S. 1 hebt die Informationspflichten weder auf noch erfolgt eine inhaltliche Änderung. Beides wäre mit dem Charakter des vorläufigen Versicherungsschutzes als eigenständigem Versicherungsvertrag unvereinbar. § 49 Abs. 1 S. 1 lässt lediglich zu, dass für den vorläufigen Versicherungsschutz vereinbart werden darf, dass dem VN die ihm nach § 7 sowie der VVG-InfoV zu erteilenden Informationen nicht vorab, sondern erst auf Anforderung zu übermitteln sind. Liegt eine Anforderung vor, muss die Übermittlung spätestens mit dem Versicherungsschein erfolgen. Gemeint sind in der Vorschrift nicht die Vertragsunterlagen und Informationen zu der in Aussicht genommenen Hauptversicherung, sondern ausschließlich diejenigen für den vorläufigen Deckungsschutz. Die Vertragsunterlagen und vorgeschriebenen Informationen zur Hauptversicherung werden von der Regelung nicht erfasst. Für sie gelten § 7 Abs. 1 und 2 und die Bestimmungen der VVG-InfoV uneingeschränkt. § 49 Abs. 1 S. 1 sieht für die zur Zulässigkeit erleichterter Informationserteilung not3 wendige Vereinbarung kein Formerfordernis vor.4 Die Vereinbarung kann aus diesem Grunde sowohl formularmäßig als auch mündlich oder konkludent getroffen werden.5 Als hinreichender Anhaltspunkt für eine konkludente Abrede wird man regelmäßig schon den Wunsch des VN nach rascher Deckung ohne große Formalitäten genügen lassen können.6 Lässt sich selbst eine konkludent getroffene Vereinbarung nicht feststellen, wird die Rechtswirksamkeit des durch Antrag und Annahme zustande gekommenen Vertrages über die vorläufige Deckung davon nicht berührt. Bei Versicherungs-
1 2 3
Näher Prölss/Martin § 5a Rn. 12 ff. Vgl. zum Antrags- und Invitatiomodell die Kommentierung zu § 7 VVG. Vgl. KomE, S. 217 ff.; Begründung zum RefE, S. 8.
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4 5 6
Begründung siehe RegE S. 73. Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 28; Schwintowski/Brömmelmeyer § 49 Rn. 22. Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 28.
Knut Höra
Inhalt des Vertrags
§ 49
verträgen über vorläufigen Deckungsschutz führt die Verletzung von Informationspflichten nach § 8 Abs. 3 Ziffer 2, sofern es sich nicht um einen Fernabsatzvertrag handelt, nicht zu einem Widerrufsrecht des VN. Auch Schadenersatzansprüche sind wohl eher theoretischer Natur und auf Sonderfälle beschränkt. Denkbar wäre, dass der VN dann, wenn ihm a) trotz Anforderung die vorgeschriebenen Informationen nicht rechtzeitig übersandt wurden, b) während der Geltung der vorläufigen Deckung der Versicherungsfall eintritt und c) bei der Schadenregulierung eine anteilige Prämie bedingungsgemäß in Abzug gebracht wird, diesen Abzug als Schadenersatz fordern kann, sofern ihm d) der Nachweis gelingt, dass er bei rechtzeitiger Information über die Vertragsregelung die vorläufige Deckung sofort fristlos gekündigt (§ 52 Abs. 4) und e) noch vor Eintritt des Versicherungsfalles bei einem anderen VR vorläufige Deckung ohne Kostenabzug erlangt hätte.
C. § 49 Abs. 1 S. 2 (Fernabsatz) Für den vorläufigen Deckungsschutz im Fernabsatz (§ 312b Abs. 1 und 2 BGB) gelten 4 die Erleichterungen in Bezug auf die Informationspflichten nach § 49 Abs. 1 S. 2 nicht. Die allgemeine Regel, dass die Vorschriften des BGB auf den Fernabsatz von Versicherungsverträgen keine Anwendung finden (§ 312b Abs. 3 Ziffer 3 BGB) ist durch die Sonderbestimmungen in §§ 7 Abs. 1 S. 3, 8 und 152 ersetzt. Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf § 312b BGB betrifft die Rückausnahme von den allgemeinen Informationspflichten, wie sie in § 7 Abs. 1 und 2 sowie der VVG-InfoV normiert sind, jedoch nur Verbraucherverträge im Sinne von § 13 BGB. Für gewerbliche Verträge gilt § 49 Abs. 1 S. 2 nicht. Hintergrund der Sonderregelung für Verbraucherverträge ist, dass die Richtlinie 2002/65 EG vom 23.09.2002 (Fernabsatzrichtlinie) 7 entsprechende Erleichterungen nicht vorsieht. In der Kraftfahrtversicherung, wo vorläufige Deckung Zulassungsvoraussetzung für das Kraftfahrzeug ist, häufig entsprechende Deckungsanträge telefonisch gestellt werden und die elektronische Übermittlung der Deckungsbestätigung gesetzlich vorgeschrieben ist, hat § 49 Abs. 1 S. 2 die unerfreuliche Konsequenz, dass in der Praxis Verstöße gegen § 7 Abs. 1 und 2 nahezu unausweichlich sind. Dass sich ein VN hinsichtlich der vorläufigen Deckungszusage für sein Fahrzeug auf ein Widerrufsrecht beruft oder Schadenersatzansprüche wegen fehlender Information geltend macht, ist allerdings kaum vorstellbar.8 Mit § 242 BGB wäre ein solches Verhalten nicht in Einklang zu bringen.
D. § 49 Abs. 2 (Vertragsinhalt und Einbezug von AVB) I. Allgemein Deckungsumfang, Leistungsvoraussetzungen, etwaige Ausschlüsse etc. werden inhalt- 5 lich durch die von den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarungen bestimmt. Erforderlich sind Antrag und Annahme (§§ 145 ff. BGB). Die gebräuchliche Formulierung, dass der VR vorläufigen Versicherungsschutz gewährt, ändert daran nichts.
7
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 9.10.2002.
8
So zutreffend Langheid/Wandt/Rixecker § 40 Rn. 29; Vgl. auch Schirmer DAR 2008 181.
Knut Höra
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§ 49
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
Sowohl Antrag als auch Annahme bedürfen weder der Schrift- noch der Textform, sondern können auch mündlich erfolgen. Ein typisches Beispiel ist die Bitte um vorläufige Deckung in der Kraftfahrzeugversicherung, die häufig nur telefonisch gestellt gestellt wird. Falls der VR die Annahme des Antrags gegenüber dem VN nicht bestätigt, sondern stattdessen die Übernahme der vorläufigen Deckung der Zulassungsstelle elektronisch mitteilt, entspricht dies der Verkehrssitte (§ 151 BGB). Der Versicherungsvertrag über die vorläufige Deckung kommt antragsgemäß zustande. Als Willenserklärung bedarf der Antrag des VN der Auslegung. Wer in Kenntnis handelt, dass sein zur beabsichtigten Hauptversicherung gestellter Antrag auf Übernahme des Versicherungsschutzes ab dem Tag der Antragstellung beginnen soll, beantragt keineswegs immer eine Rückwärtsversicherung.9 Bei bereits bestehenden Vertragsbeziehungen zu dem VR in einem zeitlich befristeten oder zu einem bestimmten Zeitpunkt gekündigten Versicherungsvertrag wird bei Beantragung einer Vertragsverlängerung oder eines Anschlussvertrages im Regelfall davon auszugehen sein, dass der VN keine Deckungsunterbrechung oder -einschränkung und damit vorläufige Deckung im Umfang des bisherigen Versicherungsschutzes bis zur Annahme seines Antrages wünscht.10 Falls aus dem Beratungsgespräch oder anderweitig, etwa durch in den Versicherungsantrag integrierte AVB für den vorläufigen Versicherungsschutz, keine Einschränkungen des Haftungsumfangs ersichtlich sind, ist anzunehmen, dass der VN davon ausgeht, bereits ab Beginn der vorläufigen Deckung im Umfang der beabsichtigten Hauptversicherung geschützt zu sein.11 Sofern vorläufige Deckung für den VN durch einen Makler begehrt wird, ist es – vor allem im gewerblichen Bereich – üblich, dass dieser Vorgaben für den gewünschten Deckungsumfang und ggf. zu Vertragseinzelheiten in Form einer sog. Deckungsaufgabe macht. Bestätigt der angesprochene VR eine derartige Deckungsaufgabe und weist nicht unter Beachtung von § 5 auf Abweichungen hin, bestimmt sich der Versicherungsumfang des vorläufigen Versicherungsschutzes nach den Anforderungen der Deckungsaufgabe. Auf § 49 Abs. 2 und damit den Rückgriff auf etwa abweichende AVB kann sich der VR nicht berufen. § 49 Abs. 2 beinhaltet lediglich eine Auffangregelung für den Fall, dass AVB oder vertragliche Absprachen überhaupt nicht getroffen sind.12
II. Einbezug von AVB 6
Nach § 305 Abs. 2 BGB werden Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil des Vertrages, wenn der Verwender bei Vertragsschluss ausdrücklich auf sie hinweist, die andere Vertragspartei in ihr zumutbarer Weise von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen vermag und mit ihnen einverstanden ist. Auch AVB sind ohne Rücksicht darauf, dass erst durch sie das abstrakte Produkt Versicherungsschutz konkretisiert wird, Allgemeine Geschäftsbedingungen und unterliegen deshalb § 305 Abs. 2 BGB. Sie werden Vertragsbestandteil und bestimmen den Inhalt des Versicherungsvertrages über die vorläufige Deckung, wenn sie – wie etwa vielfach in der Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung – in das Antragsformular zur Hauptversicherung eingebunden sind.
9 10 11
Vgl. oben vor §§ 49 bis 52 Rn. 9 ff. Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 42. Stiefel/Hofmann § 1 AKB Rn. 69.
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12
Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 44.
Knut Höra
Inhalt des Vertrags
§ 49
Dies ist nicht der Regelfall. Maßgebender Zeitpunkt für den Einbezug ist das Zustandekommen des Versicherungsvertrages über die vorläufige Deckung. Eine nachträgliche Aushändigung oder ein Hinweis auf zumutbare Kenntnismöglichkeiten kann den Inhalt eines abgeschlossenen Vertrages ohne Zustimmung des Vertragspartners nicht mehr beeinflussen. Soweit überhaupt besondere AVB für den vorläufigen Versicherungsschutz bestehen, fehlt gelegentlich ein Hinweis des VR auf sie und/oder – dies vielfach – die Aushändigung bzw. die Möglichkeit der Kenntnisnahme. Derartige Fälle haben in der Vergangenheit zu erheblichen Rechtsproblemen geführt. § 5a Abs. 3 a.F. ließ zwar abweichend von § 305 Abs. 2 BGB einen Verzicht auf die Aushändigung durch entsprechende Vereinbarung der Parteien zu. In der Rechtspraxis war jedoch der Nachweis eines solchen Verzichts problematisch, vor allem in Bezug auf konkludente Vereinbarungen.13 Problematisch war auch der Einbezug einzelner Klauseln, mit denen ein durchschnittlicher VN nicht rechnen konnte (§ 305c Abs. 1 BGB) wie etwa des rückwirkenden Wegfalls der vorläufigen Deckung bei nicht rechtzeitiger Zahlung der Erstprämie des Hauptvertrages.14 Das reformierte Versicherungsvertragsrecht ist von dem Bestreben geprägt, dem VN die Erlangung des benötigten Versicherungsschutzes zu erleichtern und einen gewährten Versicherungsschutz im Rahmen einer adäquaten Interessenabwägung möglichst aufrecht zu erhalten. Deshalb sieht § 49 Abs. 2 eine abgestufte Auffangregelung vor. Sie ähnelt § 5a Abs. 3 a.F., schafft jedoch im Interesse des VN nunmehr Rechtsklarheit. 1. Falls die Einbezugsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB, wie meist, nicht ge- 7 wahrt sind, dem VN die AVB also nicht überlassen waren, sind nach § 49 Abs. 2 für Umfang und Inhalt des Versicherungsschutzes in der vorläufigen Deckung die von dem VR üblicherweise dafür verwendeten Bedingungen maßgebend. Sie werden kraft Gesetzes in den Vertrag einbezogen. Da der VN nicht kennen kann, was die üblicherweise verwendeten Bedingungen sind, trifft den VR insoweit eine sekundäre Darlegungslast, auch wenn der VN ansich den Abschluss und den Inhalt des Vertrages nach allgemeinem Beweisrecht 15 zu beweisen hätte. Soweit die Darlegungs- und Beweislast generell bei dem VR gesehen wird,16 entspricht dies der allgemeinen Beweislastverteilung nach dem Günstigkeitsprinzip nur dann, wenn der VR sich auf Einschränkungen der vorläufigen Deckung in seinen üblicherweise verwendeten AVB Versicherungsbedingungen berufen will. Verfügt der VR über üblicherweise verwendete AVB für die vorläufige Deckung, wer- 8 den nur diese Vertragsinhalt, sofern nicht wie etwa in § 6 AVBvlVLeben ergänzend auf die AVB der beabsichtigten Hauptversicherung Bezug genommen wird. Dass dies zulässig ist, folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, ergibt sich jedoch unzweifelhaft aus § 49 Abs. 2 S. 1, 2. Halbsatz. Denn wenn bei völligem Fehlen AVB für die vorläufige Deckung die Bedingungen der in Aussicht genommenen Hauptversicherung gelten (vgl. nachfolgend bb), muss erst Recht deren Inbezugnahme als von der gesetzlichen Ausnahme zu § 305 Abs. 2 BGB gedeckt angesehen werden. Fehlt es an einer Inbezugnahme der Bedingungen der Hauptversicherung und enthalten die AVB lediglich kurz gefasste Sonderklauseln für die vorläufige Deckung, sind etwaige, nur in den AVB der Hauptversicherung enthaltene Deckungseinschränkungen, 13 14
Vgl. Bruck-Möller/Möller 8 § 1 Anm. 10; Prölss/Martin Zusatz zu § 1 Rn. 9 f. OLG Saarbrücken 12.3.2003 NJW-RR 2003 814.
15 16
Näher Baumbach/Lauterbach Anhang § 286 ZPO. Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 48.
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§ 49
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
zu beachtende Obliegenheiten, Selbstbehalte etc. ohne Bedeutung für das Vertragsverhältnis. Der VR kann sich im Leistungsfall nicht darauf berufen.17
9
2. Immer aber auch nur dann, wenn zwischen den Vertragsparteien keine ausdrückliche oder konkludente Abrede über den Inhalt der vorläufigen Deckung getroffen worden ist und der VR auch nicht über üblicherweise verwendete AVB für die vorläufige Deckung verfügt, werden nach § 49 Abs. 2 S. 1, 2. Alternative die Bedingungen des angestrebten Hauptvertrages Vertragsinhalt. Maßgebend ist die Bedingungsfassung im Zeitpunkt des Zustandekommens der vorläufigen Deckung.
10
3. In sehr vielen Sparten werden von den VR unterschiedliche Tarifwerke in Anpassung an spezifische Bedürfnisse des VN angeboten. Bestehen deshalb Zweifel in den unter bb) aufgeführten Fällen, welche Bedingungen ersatzweise für die vorläufige Deckung die fehlende Parteivereinbarung oder ein üblicherweise dafür verwendetes Bedingungswerk ersetzen, werden nach § 49 Abs. 2 S. 2 diejenigen vom VR verwendeten Bedingungen Vertragsinhalt, die für den VN am günstigsten sind. Nach dem Gesetzeszweck, den mit der vorläufigen Deckung angestrebten Versicherungsschutz möglichst zu gewährleisten, gilt § 49 Abs. 2 S. 2 auch für den Fall, dass im Zeitpunkt des Zustandekommens der vorläufigen Deckungszusage noch kein Versicherungsantrag zur beabsichtigten Hauptversicherung vorliegt.18 Welches Tarifwerk das für den VN günstigste ist, bestimmt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über die vorläufige Deckung. Eine davon abweichende Beurteilung, bezogen auf eine etwa geänderte Interessenlage bei Eintritt des Versicherungsfalles, lässt der Gesetzeswortlaut nicht zu. Abzuwägen sind Vor- und etwaige Nachteile der einzelnen angebotenen Tarifwerke in Bezug auf die persönliche Situation des VN im maßgebenden Zeitpunkt.19 Sofern der VR neben allgemeinen Tarifen in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung solche anbietet, in denen die gebräuchliche Definition der Berufsunfähigkeit durch eine spezifische Beamtenklausel ersetzt ist, wird dieser Tarif im Regelfall für einen Beamten am günstigsten sein, nicht jedoch für einen Soldaten, da dieser nicht als Beamter gilt. Ein Tarif, der in der Hausratversicherung einen Unterversicherungsverzicht beinhaltet, ist im Zweifel günstiger als ein Tarif ohne diesen Verzicht. Da auf die jeweilige persönliche Situation des VN abzustellen ist, muss dieser im Streitfall die dafür maßgebenden Umstände vortragen und beweisen.
11
4. Obwohl § 49 Abs. 2 fehlende Abreden der Vertragsparteien und auch fehlende AVB weitgehend ersetzt, hilft das Gesetz nicht immer. Falls in der Sachversicherung eine individuell festzulegende Selbstbeteiligung in den Bedingungen vorgesehen ist und kein Tarif ohne Selbstbeteiligung angeboten wird und ein solcher aus Sicht des VN als günstiger erscheint, bedarf es der Parteivereinbarung über deren Höhe. Ergibt sich trotz § 49 Abs. 2 eine solche Einigungslücke, kann diese im Streitfall nur entsprechend §§ 315 ff. BGB nach billigem Ermessen geschlossen werden.20
17 18 19 20
Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 48. Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 49 Rn. 49. Vgl. RegE S. 74. OLG Saarbrücken 20.4.2006 VersR 2006
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1353; Schwintowski/Brömmelmeyer § 49 Rn. 8; Looschelders/Pohlmann/KammererGalahn § 49 Rn. 10.
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Nichtzustandekommen des Hauptvertrags
§ 50
E. Abdingbarkeit § 49 ist weder zwingend noch halbzwingend ausgestaltet. Abweichungen zu Lasten 12 des VN sind deshalb zwar grundsätzlich möglich. Für die Praxis hat dies aber keine Bedeutung. Sind konkrete Vereinbarungen über die vorläufige Deckung getroffen, gelten diese im Rahmen des gesetzlich Zulässigen. Fehlt es daran, verbieten sich Abweichungen auf Grund des Leitbildcharakters der gesetzlichen Regelung. Wollte sich ein VR im Leistungsfalle wegen Inhaltsleere einer von ihm zugesagten vorläufigen Deckung auf Leistungsfreiheit berufen, wäre dies unzweifelhaft rechtsmissbräuchlich.
§ 50 Nichtzustandekommen des Hauptvertrags Ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, im Fall des Nichtzustandekommens des Hauptvertrags eine Prämie für die vorläufige Deckung zu zahlen, steht dem Versicherer ein Anspruch auf einen der Laufzeit der vorläufigen Deckung entsprechenden Teil der Prämie zu, die beim Zustandekommen des Hauptvertrags für diesen zu zahlen wäre.
Schrifttum siehe Vor §§ 49 ff.
Übersicht Rn. A. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . B. Anspruch auf Versicherungsbeitrag . . . . .
1 2
Rn. C. Höhe der Prämie . . . . . . . . . . . . . . D. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . . .
3 6
A. Regelungsgehalt Die amtliche Überschrift der Norm ist missverständlich. Entgegen ihrem Wortlaut 1 wird nur eine der Rechtsfolgen geregelt, die sich bei Nichtzustandekommen des beabsichtigten Hauptvertrages ergeben. Die Vorschrift betrifft lediglich die Höhe des Prämienanspruchs, sofern ein Versicherungsbeitrag für den vorläufigen Versicherungsschutz zu zahlen ist. Voraussetzung ist eine ausdrücklich oder konkludent getroffene Vereinbarung über die Entgeltlichkeit.
B. Anspruch auf Versicherungsbeitrag Es kann auch aus Sicht eines durchschnittlichen VN nicht davon ausgegangen wer- 2 den, dass der VR vorläufige Deckung völlig prämienfrei gewährt. Der VR trägt erkennbar, wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum, ein zum Teil nicht unerhebliches Risiko, z.B. in der Feuerversicherung, wenn während der vorläufigen Deckung das zu versichernde Gebäude abbrennt. Die Risikoübernahme liegt teilweise im alleinigen oder überwiegenden Interesse des VN, aber wegen des Kundenbindungsinteresses auch auf Seiten des VR. Ein durchschnittlicher VN wird deshalb zu dem Schluss kommen, sofern ihm nicht ausdrücklich prämienfreie vorläufige Deckung zugesagt sein sollte, dass ein
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§ 50
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
Versicherungsbeitrag für den beanspruchten vorläufigen Versicherungsschutz entweder in die Prämie des Hauptvertrages eingerechnet ist oder, sollte dieser nicht zustande kommen, möglicherweise gesondert erhoben wird. Die Bestimmung der Höhe der Prämie war bislang im Streitfall von dem VR gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu bestimmen.1 Soweit § 50 nunmehr regelt, dass der VN verpflichtet ist, im Falle des Nichtzustandekommens des Hauptvertrages eine Prämie für die vorläufige Deckung zu zahlen, wird nach dem Gesetzeswortlaut eine entsprechende Verpflichtung vorausgesetzt. Diese kann sich aus einer ausdrücklichen Vereinbarung, aber auch konkludent ergeben, sofern die Risikoübernahme nach der Verkehrssitte nur gegen Entgelt zu erwarten ist.2 Außerhalb gewerblicher Risikoübernahmen, bei denen etwa die Aufnahme einer risikobehafteten Produktionstätigkeit ansteht oder eine Finanzierung von vorläufigem Versicherungsschutz abhängt, sollte jedoch insoweit Zurückhaltung geübt werden. Ob es wirklich zutrifft, dass ein privater VN, der zur Zulassung eines Kraftfahrzeugs um vorläufige Deckung bittet, davon ausgehen muss, dass ihm dann, wenn er sich für einen anderen VR entscheidet, ein Prämienbetrag für die (bis dahin) vorläufige Deckung in Rechnung gestellt wird,3 erscheint zweifelhaft.
C. Höhe der Prämie 3
Sofern bei ausdrücklicher oder anzunehmender Parteivereinbarung zur Entgeltlichkeit des vorläufigen Versicherungsschutzes keine Regelung zur Höhe der für die vorläufige Deckung zu entrichtenden Prämie getroffen ist – die dann dem Gesetz vorgehen würde –, sieht § 50 vor, dass dem VR ein der Laufzeit der vorläufigen Deckung entsprechender Teil desjenigen Versicherungsbeitrags zu zahlen ist, der bei Zustandekommen des Hauptvertrags für diesen Zeitabschnitt zu zahlen wäre. Fehlt eine Absprache zur Höhe des Versicherungsbeitrags, ist damit kein Rückgriff auf eine Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB mehr notwendig.4 Die Prämie ist pro rata temporis zu entrichten. Die Bezugnahme auf denjenigen Teil des Versicherungsbeitrags, der bei Zustande4 kommen des Hauptvertrags für diesen Zeitabschnitt zu zahlen wäre, greift nach dem Wortlaut der Norm dann nicht, wenn im Zeitpunkt des Zustandekommens der vorläufigen Deckung noch kein für den VN verbindlicher Antrag zu der in Aussicht genommenen Hauptversicherung (oder im Invitatiomodell ein entsprechendes Angebot des VR) vorliegt. Dass in einem solchen, nicht ausdrücklich, geregelten Fall auf § 315 BGB zurückgegriffen werden müsste, wäre angesichts der in § 49 Abs. 2 S. 2 enthaltenen Regelung zu einer vergleichbaren Problematik nicht sachgerecht. Sachgerecht erscheint es deshalb, in analoger Anwendung des in § 49 Abs. 2 S. 2 enthaltenen Rechtsgedankens auf die von dem angefragten VR im Zeitpunkt des Zustandekommens der vorläufigen Deckung angebotenen Tarifvarianten abzustellen und daraus die dem VN günstigste heranzuziehen.5 Wenn – wie in § 5 AVBvLLeben – für den Versicherungsfall die Anrechnung eines der vorgesehenen Hauptversicherung pro rate temporis entsprechenden Ver-
1
2
So die h.M. zu dem bisherigen Rechtsstand, vgl. OLG Düsseldorf 29.2.2000 VersR 2000 1355; OLG Celle 9.5.1975 VersR 1976 673; Prölss/Martin Zusatz zu § 1 Rn. 10. Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 50 Rn. 1.
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3 4 5
So Langheid/Wandt/Rixecker § 50 Rn. 2. Vgl. Looschelders/Pohlmann/KammererGalahn § 50 Rn. 4. So wohl auch Langheid/Wandt/Rixecker § 50 Rn. 5.
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Prämienzahlung
§ 51
sicherungsbeitrags für die vorläufige Deckung vorgesehen ist, bestehen dagegen keine Bedenken. Mit dem Grundgedanken der §§ 49 ff. und des § 50 ist ferner vereinbar, dass der VR 5 die Prämie für den vorläufigen Versicherungsschutz bei Nichtzustandekommen der Hauptversicherung nach einem Kurztarif erhebt.6 Einschränkend ist anzumerken, dass dies wohl nur dann möglich sein dürfte, wenn der VR überhaupt Kurztarife anbietet.
D. Abdingbarkeit § 50 ist weder zwingend noch halbzwingend ausgestaltet. Abweichungen zu Lasten 6 des VN sind deshalb grundsätzlich möglich. Ob etwaige Abweichungen der AGB-Kontrolle standhalten, ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Bislang hat die Versicherungswirtschaft, soweit ersichtlich, auf § 50 modifizierende Abreden und Klauseln verzichtet.
§ 51 Prämienzahlung (1) Der Beginn des Versicherungsschutzes kann von der Zahlung der Prämie abhängig gemacht werden, sofern der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Voraussetzung aufmerksam gemacht hat. (2) Von Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Schrifttum siehe Vor §§ 49 ff.
Übersicht Rn. A. Prämienzahlung und Beginn der vorläufigen Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Rn. B. Verhältnis zu § 37 . . . . . . . . . . . . . C. Abdingbarkeit und Beweislast . . . . . . .
4 5
A. Prämienzahlung und Beginn der vorläufigen Deckung Bis zum Inkrafttreten des VVG war herrschende Meinung, dass bei Verträgen über 1 vorläufigen Versicherungsschutz § 38 Abs. 1 a.F. (Einlösungsklausel) als stillschweigend abbedungen anzusehen sei, da die Regelung mit Sinn und Zweck der vorläufigen Deckung als unvereinbar angesehen wurde. Wenn der VN aus nachvollziehbaren Gründen Wert auf vorläufige Deckung legt und Eile geboten ist, soll der Beginn des materiellen Versicherungsschutzes nicht von der Bewirkung einer etwa gesondert – außerhalb der Prämie für den Hauptvertrag – geforderten Beitragszahlung abhängen dürfen. Die 6
Vgl. RegE S. 186; Langheid/Wandt/Rixecker § 50 Rn. 2; Schimikowski/Höra S. 138.
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§ 51
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
Prämie war erst bei Abschluss des endgültigen Versicherungsvertrages zu leisten. Trat ein Versicherungsfall vor Zahlung der Erstprämie für den Hauptvertrag ein, war der VR zur Leistung verpflichtet.1 Nunmehr ist der Versicherer nach § 37 Abs. 1 bei nicht rechtzeitiger Zahlung der ersten oder einmaligen Prämie für den Hauptvertrag zwar nach wie vor zum Rücktritt berechtigt, jedoch nur, wenn der VN die Nichtzahlung zu vertreten hat. Ist die erste oder einmalige Prämie bei Eintritt des Versicherungsfalles noch nicht gezahlt, ist der VR gemäß § 37 Abs. 2 nur unter zwei Voraussetzungen leistungsfrei. Der VN muss die Nichtzahlung zu vertreten haben und der VR muss den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen haben. § 51 modifiziert diese Regelung für die vorläufige Deckung nur geringfügig. Er erlaubt zwar, den Beginn des materiellen Versicherugsschutzes aus der vorläufigen Deckung von der vorherigen Zahlung eines Versicherungsbeitrags abhängig zu machen. Dies kann entweder eine gesonderte Prämie sein oder die vorgezogene Zahlung eines zeitanteiligen Teils der Prämie für den beabsichtigten Hauptvertrag.2 Wegen der grundsätzlichen Vertragsfreiheit im Versicherungsrecht kommt der Regelung nur deklaratorische Bedeutung zu. Derartige Vertragsgestaltungen sind in der Praxis zudem sehr selten. Wird in einem dieser raren Fälle eine solche Klausel vereinbart, handelt es sich um eine aufschiebende Bedingung für den Beginn des (materiellen) Versicherungsschutzes aus dem Vertrag über die vorläufige Deckung.3 Zum Schutz des VN verlangt § 51, dass der VR durch gesonderte Mitteilung in Text2 form oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf die Bedingung aufmerksam macht. Es soll verhindert werden, dass der VN auf vorläufige Deckung vertraut, sofern er nicht eine besonders hervorgehobene Warnung erhalten hat. Eigenständige Versicherungsscheine für die vorläufige Deckung werden in der Regel nicht ausgestellt. Dass der Warnhinweis in einen Versicherungsschein aufgenommen wird, hat deshalb eher theoretische Bedeutung. Wenn überhaupt eine solche Vertragsgestaltung gewählt wird, kommt für die Praxis nur die gesonderte Mitteilung in Textform in Betracht. Dabei muss es sich nicht um eine von anderen Informationen getrennte Mitteilung in einem eigenen Textdokument handeln. Es genügt – wie bei der in § 7 Abs. 1 S. 3 normierten Hinweispflicht –, dass der Warnhinweis beispielsweise in das Antragsformular für den Hauptvertrag, drucktechnisch hervorgehoben und auch bei flüchtiger Durchsicht auffällig, aufgenommen wird.4 Fehlt es daran, ist die Vereinbarung der aufschiebenden Bedingung – vorherige Beitragszahlung vor Beginn des materiellen Versicherungsschutzes aus der vorläufigen Deckung – unwirksam (§ 307 BGB). Die Wirksamkeit des Vertrages über die vorläufige Deckung im Übrigen wird davon nicht berührt (§ 306 BGB). Über den Zeitpunkt, zu dem der Warnhinweis erfolgt sein muss, schweigt das Gesetz. 3 Wenn der von dem Gesetz beabsichtigte Schutz des VN 5 nicht inhaltsleer sein soll, muss die Belehrung des VN deshalb spätestens im Zeitpunkt des Zustandekommens der vorläufigen Deckung erfolgt sein. Dabei wird es, dem Rechtsgedanken in § 7 Abs. 1 folgend, der eine rechtzeitige Unterrichtung des VN fordert, nicht immer genügen, wenn dem VN der Warnhinweis im Zuge der Unterzeichnung des oder der Versicherungsanträge zur
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Vgl. BGH 26.4.2006 VersR 2006 913; BGH 25.1.1995 VersR 1995 409; Römer/Langheid § 38 Rn. 21; Prölss/Martin Zusatz zu § 1 Rn. 10. Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 51 Rn. 2.
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Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 51 Rn. 5. Vgl. HK-VVG/Karczewski § 51 Rn. 2; Langheid/Wandt/Rixecker § 51 Rn. 3; Looschelders/Pohlmann/Kammerer-Galahn § 51 Rn. 4. Vgl. RegE S. 74.
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Prämienzahlung
§ 51
Kenntnis gebracht wird. Erforderlich ist, dass er hinreichend Gelegenheit hatte, von der Belehrung Kenntnis zu nehmen und diese in seine Entscheidungsfindung einzubeziehen. Deshalb kann nach den Umständen des Einzelfalles auch eine vorherige Belehrung geboten sein.
B. Verhältnis zu § 37 Welche Rechtsfolgen eintreten, wenn ein gesondert geforderter Versicherungsbeitrag 4 für die vorläufige Deckung trotz hinreichender Belehrung nicht rechtzeitig gezahlt wird, ist in § 51 nicht ausdrücklich geregelt. Nach allgemeinem Recht führt der Nichteintritt einer aufschiebenden Bedingung zwar dazu, dass der aufschiebend bedingte Vertrag ohne Rücksicht auf Verschulden nicht zustande kommt. Ob aus diesem Grundsatz gefolgert werden kann, bei ordnungsgemäßer Belehrung führe ein Ausbleiben der Zahlung zum Ausbleiben des Versicherungsschutzes, wobei es entgegen § 37 Abs. 2 nicht darauf ankomme, ob der VN die Nichtzahlung zu vertreten hat,6 erscheint zweifelhaft. Denn § 51 modifiziert die Grundregelung nicht rechtzeitiger Zahlung des Einlösungsbetrages in Bezug auf den vorläufigen Versicherungsschutz nur geringfügig. Wenn § 37 Abs. 2 das Recht des VR zum Rücktritt von dem Versicherungsvertrag bei nicht rechtzeitige Zahlung des Einlösungsbetrages in bewusster und gewollter Abweichung von dem früheren § 38 a.F. davon abhängig macht, dass der VN dies zu vertreten hat, ist kein Grund ersichtlich, weshalb diese Wertung in Bezug auf den Einlösungsbeitrag der vorläufigen Deckung keine Bedeutung haben sollte. Dies umso mehr, als in § 52 Abs. 1 auch die Beendigung der vorläufigen Deckung bei Nichtzahlung oder nicht rechtzeitiger Zahlung der Prämie von Verzug des VN abhängt, also schuldhaftem Verhalten.
C. Abdingbarkeit und Beweislast Die gesetzlichen Vorschriften in § 51 Abs. 1 sind gemäß Abs. 2 halbzwingend.7 5 Abweichungen zum Nachteil des VN sind damit ausgeschlossen. Der VR, der sich auf § 51 beruft, ist vortrags- und beweisbelastet dafür, dass a) der materielle Beginn des Versicherungsschutzes aus der vorläufigen Deckung von der vorherigen Prämienzahlung abhängig gemacht wurde, b) eine die gesetzlichen Anforderungen erfüllende Belehrung erfolgte, c) diese dem VN in Textform zugegangen ist und d) gleichwohl die Prämie nicht fristgerecht gezahlt wurde. Will der VN nach der hier vertretenen Auffassung geltend machen, die nicht rechtzeitig erfolgte Beitragszahlung sei unverschuldet, muss er dies nachvollziehbar darlegen und ggf. beweisen.
6 7
So Langheid/Wandt/Rixecker § 51 Rn. 5. Allgemein dazu Prölss/Martin/Prölss Vorbemerkungen I Rn. 4.
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§ 52
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
§ 52 Beendigung des Vertrags (1) Der Vertrag über vorläufige Deckung endet spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem nach einem vom Versicherungsnehmer geschlossenen Hauptvertrag oder einem weiteren Vertrag über vorläufige Deckung ein gleichartiger Versicherungsschutz beginnt. Ist der Beginn des Versicherungsschutzes nach dem Hauptvertrag oder dem weiteren Vertrag über vorläufige Deckung von der Zahlung der Prämie durch den Versicherungsnehmer abhängig, endet der Vertrag über vorläufige Deckung bei Nichtzahlung oder verspäteter Zahlung der Prämie abweichend von Satz 1 spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsnehmer mit der Prämienzahlung in Verzug ist, vorausgesetzt, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge aufmerksam gemacht hat. (2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Versicherungsnehmer den Hauptvertrag oder den weiteren Vertrag über vorläufige Deckung mit einem anderen Versicherer schließt. Der Versicherungsnehmer hat dem bisherigen Versicherer den Vertragsschluss unverzüglich mitzuteilen. (3) Kommt der Hauptvertrag mit dem Versicherer, mit dem der Vertrag über vorläufige Deckung besteht, nicht zustande, weil der Versicherunsnehmer seine Vertragserklärung nach § 8 widerruft oder nach § 5 Abs. 1 und 2 einen Widerspruch erklärt, endet der Vertrag über vorläufige Deckung spätestens mit dem Zugang des Widerrufs oder des Widerspruchs beim Versicherer. (4) Ist das Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen, kann jede Vertragspartei den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Die Kündigung des Versicherers wird jedoch erst nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang wirksam. (5) Von den Absätzen 1 bis 4 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.
Schrifttum siehe Vor §§ 49 ff.
Übersicht Rn. A. Zentraler Regelungsgegenstand . . . . . . 1 B. Beendigung der vorläufigen Deckung durch den Hauptvertrag oder anderweitige vorläufige Deckung (§ 52 Abs. 1) . . . . . . . 2 I. Gleichartiger Versicherungsschutz bei demselben Versicherer (Abs. 1 S. 1) . . . . 3 1. Maßgebender Zeitpunkt . . . . . . . . 4 2. Gleichartiger Versicherungsschutz . . . 5 3. Scheitern des Hauptvertrages und nachträgliches Erlöschen der anderweitigen Deckung . . . . . . . . . . . . 8 II. Rechtzeitige Zahlung des Versicherungsbeitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Verzug mit der Zahlung des Versicherungsbeitrags . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Belehrung durch den Versicherer . . . . 13
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Rn. III. Abdingbarkeit und Beweislast . . . . . . C. Gleichartige Deckung bei einem anderen Versicherer (Abs. 2) . . . . . . . . . . . D. Widerruf des Vertrages und Widerspruch zu Antragsänderungen (Abs. 3) . . . . . I. Widerruf des Vertrages . . . . . . . . . II. Widerspruch wegen Abweichungen vom Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Kündigung der vorläufigen Deckung (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . II. Erlöschen des Deckungsschutzes . . . . F. Abdingbarkeit und Beweislast . . . . . .
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. 17 . 18 . 19 . 20 . 21 . . . .
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Beendigung des Vertrags
§ 52
A. Zentraler Regelungsgegenstand § 52 regelt die in der Vergangenheit umstrittene und auch in der Rechtsprechung 1 nicht immer einheitlich beantwortete Frage, welche Rechtsfolgen sich für die zugesagte vorläufige Deckung ergeben, sobald a) der beabsichtigte Hauptvertrag zustande kommt bzw. wenn b) die Verhandlungen über den beabsichtigten Hauptvertrag scheitern oder dieser wegen Prämienzahlungsverzuges mit dem Einlösungsbetrag gemäß § 37 gekündigt wird, c) der VN den Hauptvertrag bei einem anderen VR abschließt oder von einem anderen Versicherer vergleichbare vorläufige Deckung erhält und d) der VN seine Vertragserklärung zum Hauptvertrag nach § 8 widerruft.1 § 52 ist deshalb die für die Rechtspraxis wohl wichigste Vorschrift der §§ 49 ff. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers ist, den VN durch § 52 vor einem nach dessen Verständnishorizont nicht zu erwartenden Verlust der vorläufigen Deckung zu bewahren. Andererseits soll und muss auch dem VR das Recht eingeräumt sein, sich von einem wegen erkannter Eilbedürftigkeit zunächst weitgehend unbesehen übernommenen vorläufigen Versicherungsschutz zumindest für die Zukunft wieder zu trennen.2
B. Beendigung der vorläufigen Deckung durch den Hauptvertrag oder anderweitige vorläufige Deckung (§ 52 Abs. 1) Nach § 52 Abs. 1 S. 1 endet der Vertrag über die vorläufige Deckung im Regelfall 2 spätestens in dem Zeitpunkt, zu dem ein nach dem Gesetzeswortlaut gleichartiger Versicherungsschutz in der Hauptversicherung oder eine anderweitige vorläufigen Deckung beginnt.
I. Gleichartiger Versicherungsschutz bei demselben Versicherer (Abs. 1 S. 1) Geregelt ist in Abs. 1 der Vorschrift die Fallalternative, dass gleichartiger Versicherungs- 3 schutz, sei es in der Hauptversicherung oder durch anderweitige vorläufige Deckung, bei demselben Versicherer erlangt wird. Dies folgt zwar nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes, ergibt sich jedoch zwingend aus Abs. 2 der Norm, der den Sonderfall regelt, dass ein Vertrag über gleichartige Deckung bei einem anderen Versicherer geschlossen wird. 1. Maßgebender Zeitpunkt Ausgehend von der Intention des Gesetzgebers, den VN vor einem nach seinem Ver- 4 ständnis der Abreden unerwarteten Verlust der vorläufigen Deckung zu bewahren, endet die vorläufige Deckung nicht bereits mit dem formellen Abschluss der Hauptversicherung oder einer anderweitigen vorläufigen Deckung. Denn dann besitzt der VN noch nicht den begehrten Versicherungsschutz, sofern formeller und materieller Versicherungsbeginn voneinander abweichen, etwa durch Vereinbarung einer Einlösungsklausel. Maßgebend ist deshalb nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung der Beginn des materiellen Versicherungsschutzes aus der beantragten Hauptversicherung oder der ander-
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Näher zum bisherigen Meinungsstand Römer/Langheid Vor § 1 Rn. 37 ff.
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Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 1.
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§ 52
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
weitigen vorläufigen Deckung.3 Erst wenn der Versicherungsschutz daraus in dem Umfang gewährleistet ist, wie ihn der VN sich vorgestellt hat und wie er nach den Annahmerichtlinien des VR tatsächlich gewährt werden kann, ist es gerechtfertigt, den bis dahin vorläufig (ggf. unter Einschränkungen) gewährten Versicherungsschutz aus der vorläufigen Deckung enden zu lassen. Klauseln, die automatisch den Versicherungsschutz aus der vorläufigen Deckung auf einen bestimmten maximalen Zeitraum ohne Rücksicht darauf begrenzen, inwieweit VR oder VN es zu vertreten haben, dass ein mit der vorläufigen Deckung verbundener Hauptantrag nicht innerhalb eines von vornherein festgelegten Deckungszeitraums des vorläufigen Versicherungsschutzes zustande kommt, widersprechen dem Gesetz und sind unwirksam.4 Besteht im Wesentlichen Deckungsgleichheit zwischen der vorläufigen Deckung und dem beantragten Versicherungsschutz aus der Hauptversicherung oder einer anderweitigen vorläufigen Deckung, sind dagegen die erkennbaren Interessen des VN gewahrt. 2. Gleichartiger Versicherungsschutz
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Die vorläufige Deckung endet mit dem materiellen Beginn der Hauptversicherung oder einer anderweitigen vorläufigen Deckung nach § 52 Abs. 1 nur, wenn diese einen gleichartigen Versicherungsschutz beinhaltet. „Gleichartig“ bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht, dass der vorläufige Versicherungsschutz inhaltlich mit der beantragten Hauptversicherung deckungsgleich sein müsste. Nach der Gesetzesbegründung ist eine im Wesentlichen entsprechende Deckung gemeint.5 Was eine „im Wesentlichen entsprechende Deckung“ ist, lässt sich nicht allgemein formulieren. Selbstverständlich ist nur, dass der Deckungsschutz aus der Hauptversicherung oder einer anderweitigen vorläufigen Deckung dasselbe Risiko umfassen muss und keine gegenüber der gewährten vorläufigen Deckung wesentliche Risikoausschlüsse oder -einschränkungen umfassen darf. Fehlt es daran, erlischt die zugesagte vorläufige Deckung nicht, sofern der Versicherer diese nicht kündigt (Abs. 4). An einem gleichartigen Versicherungsschutz fehlt es danach, wenn etwaige Deckungsausschlüsse, Risikoeinschränkungen oder den VN belastende Obliegenheiten im Hauptvertrag oder der anderweitigen vorläufigen Deckung den bislang zugesagten Schutz erheblich einschränken. Wann von Erheblichkeit auszugehen ist, lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung des angestrebten Versicherungszwecks beurteilen. Abzustellen ist dabei auf die Sicht eines mit den Verhältnissen vertrauten objektiven Dritten. Würde allein auf die Interessenlage des VN abgestellt, wäre dies ebenso inadäquat wie das Abstellen auf die gegenläufigen Interessen des Versicherers. Denn bei Eintritt eines Versicherungsfalles, der nach einschränkenden Regelungen in der Hauptversicherung oder einer anderweitigen vorläufigen Deckung nicht gedeckt ist, wäre es lebensfremd anzunehmen, dass sich der VN nicht auf eine weitergehende Zusage aus einer fortdauernden vorläufigen Deckung beruft. Aus alleiniger Sicht des nicht leistungsbereiten VR ist die gegenteilige Wertung zu erwarten. Angesichts der Vielfalt von Versicherungsverträgen, bei denen vorläufige Deckung gewährt wird und der jeweils dahinter stehenden Inte-
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So zutreffend (zum bisherigen Recht) BGH 26.4.2006 VersR 2006 913. Vgl. oben Vorbemerkungen zu §§ 49 bis 52 Rn. 28 f.
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Vgl. RegE S. 75.
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Beendigung des Vertrags
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ressenlage, lassen sich allgemeingültige Kriterien für die vorzunehmende Wertung nicht aufstellen. Zu berücksichtigen wird lediglich sein, dass der VR regelmäßig die überlegene Vertragspartei ist. Wenn er im Zweifelsfall bei objektiver Würdigung der Differenzen zwischen vorläufigem Versicherungsschutz und der neuen Vertragssituation erkennt oder erkannt haben müsste, dass die Interessenlage des VN nicht nur in unerheblichen Kleinigkeiten berührt wird, darf er nicht von einem automatischen Ende des vorläufigen Versicherungsschutzes ausgehen. Er wird dann, schon im eigenen Interesse, die vorläufige Deckung kündigen müssen.6 Als nicht gleichartig wird unter Beachtung dieser Kriterien anzusehen sein, wenn in der Berufsunfähigkeitsversicherung anstatt des von der vorläufigen Deckung umfassten Schutzes gegen Berufsunfähigkeit unter Zugrundelegung einer Beamtenklausel in dem neuen Vertrag nur Schutz gegen allgemeine Berufsunfähigkeit gewährt wird,7 der VR in der Hausratversicherung den beantragten und von der vorläufigen Deckung umfassten erweiterten Deckungsschutz für Kunstgegenstände ablehnt,8 in der Wohngebäudeversicherung der Versicherungsschutz gegen Elementarschäden fehlt oder in der Kraftfahrtversicherung anstelle des Haftpflicht- und Kaskorisikos nur der Antrag auf die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung angenommen wird.9 Auf die Frage, ob die Hauptversicherung oder eine die ursprüngliche Zusage ersetzende 6 anderweitige vorläufige Deckung gleichartig ist, kann es nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht ankommen, wenn die Abweichungen auf einer dies billigenden Absprache mit dem VN beruht. Wenn im Verlauf der Vertragsverhandlungen zum Hauptvertrag während der Zeitdauer der vorläufigen Deckung etwa einzelne Risikoausschlüsse oder Sonderklauseln vereinbart werden, hat dies zwar zunächst keinen Einfluss auf den Deckungsumfang der vorläufigen Deckung. Dieser richtet sich ausschließlich nach der insoweit gegebenen Zusage. Sofern nach Beginn des materiellen Versicherungsschutzes aus der Hauptversicherung ein Versicherungsfall eintritt, wird der VN aber keinen Leistungsanspruch aus der vorläufigen Deckung mehr mit der Begründung geltend machen können, diese gehe über den Deckungsschutz in der beantragten Hauptversicherung hinaus, wenn er zuvor Deckungsausschlüssen oder -einschränkungen zur Hauptversicherung zugestimmt hat. Es widerspräche Treu und Glauben, wollte sich der VN ab dem Zeitpunkt, von dem an er wissentlich und willentlich Einschränkungen des Deckungsumfangs zugestimmt hat und dieser materiell wirksam geworden ist, auf einen weitergehenden Versicherungsschutz aus der vorläufigen Deckung berufen. Wenn der VR z.B. eine vorläufige Deckung für die Haftpflicht- und die Kaskoversicherung eines Fahrzeugs erteilt und es nach Abschluss der Vertragsverhandlungen nur zu einer Haftpflichtversicherung kommt, endet der darüber hinaus gehende vorläufige Kaskoschutz nicht kraft Gesetzes, sondern weil der VN sein Versicherungsinteresse bewusst reduziert hat.
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Ähnlich Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 6, der auf einen gerechten Ausgleich abstellt. An einer gleichartigen Absicherung fehlt es danach, wenn dem VN bei entsprechender Wertung im Hinblick auf seine Erwartungen durch die Notwendigkeit einer Kündigung durch den VR und der damit verbundenen Nachfrist Gelegenheit gegeben werden muss, sich auf eine veränderte Lage einzustellen. Vgl. auch Looschelders/Pohlmann/Kammerer-Galahn § 52 Rn. 2.
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Vgl. zu dem vergleichbaren Fall, dass statt einer Versicherung gegen Berufsunfähigkeit nur eine solche gegen Erwerbsunfähigkeit erfolgt Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 6. Vgl. OLG Hamm 12.2.1982 VersR 1982 1042 zu einer ähnlichen Konstellation. Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 6 mit Hinweis auf eine abweichende Entscheidung des OLG Saarbrücken in einem Sonderfall.
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Entscheidend ist die Auslegung des Parteiwillens und ggf. die Beratung des VN. Wer bewusst auf Kaskodeckung verzichtet, kann nicht erwarten, dass ein darüber hinausgehender vorläufiger Versicherungsschutz über den materiellen Versicherungsbeginn des neuen Vertrages hinaus in der willentlich eingeschränkten Hauptversicherung fortdauert.10 Soweit vertreten wird, aus der gesetzlichen Regelung folge im Umkehrschluss, dass der Vertrag über die vorläufige Deckung auch ohne Abschluss eines deckungsvergleichbaren Hauptvertrages enden könne,11 ist dies mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar. Der Vertrag über die vorläufige Deckung bleibt bestehen. Denn wenn § 52 Abs. 1 auf einen „gleichartigen“ Versicherungsschutz abstellt, kann es nicht richtig sein, dass der Vertrag über die vorläufige Deckung, von den in § 52 Abs. 2 bis 4 beschriebenen Sonderfällen abgesehen, auch ohne Kündigung durch den VR erlöschen könnte. Dies wäre mit dem Schutzgedanken des § 52 unvereinbar. Enthält der Hauptvertrag oder die Vereinbarung über anderweitige vorläufige De7 ckung Abweichungen von dem Versicherungsantrag und der sich darauf beziehenden vorläufigen Deckung und sind diese unter Beachtung des § 5 besonders kenntlich gemacht, ist fraglich, ob ein anfänglich zugesagter, darüber hinaus gehender vorläufiger Deckungsschutz ohne Kündigung durch den VR auch in diesem Fall endet. Man wird dies bejahen müssen, obwohl § 52 Abs. 1 seinem bloßen Wortlaut nach entgegensteht. Dies rechtfertigt sich daraus, dass die Billigungsklausel des § 5 eine Sonderregelung zu § 150 Abs. 2 BGB ist, die als lex spezialis der allgemeinen Norm vorgeht.12 Wenn danach die ausdrückliche Zustimmung des VN zu einer ihm von dem VR angetragenen Antragsänderung durch Schweigen ab Ablauf der Widerspruchsfrist als Zustimmung gilt, wäre es mit Treu und Glauben unvereinbar, wollte er sich ab diesem Zeitpunkt bei Eintritt eines Versicherungsfalles auf eine weitergehende Deckung aus der ursprünglich gewährten vorläufigen Deckungszusage berufen.13 3. Scheitern des Hauptvertrages und nachträgliches Erlöschen der anderweitigen Deckung
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Der ansich beabsichtige Abschluss der angestrebten Hauptversicherung kann aus manigfaltigen Gründen scheitern. Möglich ist auch, dass der Hauptvertrag nachträglich durch Anfechtung oder Rücktritt erlischt bzw. nachträglich inhaltlich so verändert wird, dass er im Verhältnis zu der vorläufigen Deckung nicht mehr als gleichartig angesehen werden kann.
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a) Hat der VN vorläufige Deckung erlangt, scheitern jedoch die Verhandlungen der Vertragsparteien über den Hauptvertrag oder kommen diese langfristig zum Stillstand, war nach bisherigem Recht umstritten, ob und zu welchem Zeitpunkt dadurch die vorläufige Deckungszusage endet. Vor allem war streitig, wann von einem Scheitern der Verhandlungen zu dem Hauptvertrag ausgegangen werden musste.14 Der Gesetzgeber hat aus diesem Grunde bewusst davon Abstand genommen, das Scheitern der Verhandlungen über den Hauptvertrag dem materiellen Versicherungsbeginn aus diesem gleichzu-
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11 12
Zu weiteren Fallkonstellationen und Fragen der vorläufigen Deckung in der Kraftfahrzeugversicherung vgl. Band V. So wohl HK-VVG/Karczeski § 52 Rn. 3. Sie etwa Römer/Langheid/§ 5 Rn. 1.
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So auch Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 6. Vgl. etwa RG 16.10.1923 RGZ 107 198; RG 19.3.1926 RGZ 113 150; BGH 31.1.1951 VersR 1951 114; BGH 27.6.1951 VersR 1951 195; OLG Hamm 1.7.1983 VersR 1984 173.
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stellen.15 Stattdessen ist dem VR zur Wahrung seiner berechtigten Interessen das Recht der fristlosen Kündigung16 der vorläufigen Deckung eingeräumt. Dies gilt auch dann, wenn der VN nach Ablauf der Bindungsfrist an seinen Versicherungsantrag von dem VR ein Vertragsangebot erhält und auf dieses nicht reagiert oder es nicht annimmt.17 Auch in diesem Fall werden die Interessen des VR durch das Kündigungsrecht hinreichend gewahrt. b) Kommt der beabsichtigte Hauptvertrag oder eine anderweitige vorläufige De- 10 ckung zustande und beginnt der materielle Versicherungsschutz daraus, erlischt die vorläufige Deckung nach § 52. Sie lebt auch nicht wieder auf, falls der anderweitige Vertrag nachträglich angefochten wird oder der Versicherer von ihm berechtigt zurücktritt bzw. der Versicherungsschutz nachträglich so verändert wird, dass er nicht mehr als gleichartig angesehen werden kann. § 52 Abs. 1 stellt seinem Wortlaut nach unmissverständlich auf den „Beginn“ der anderweitigen Deckung ab. Der VN bedarf zudem keines weitergehenden Schutzes, als in dem Gesetz vorgesehen. Denn wenn der Hauptvertrag oder eine anderweitige vorläufige Deckung rechtswirksam auf Grund Anfechtung oder Rücktritts erlischt, ist dies zwangsläufig mit der Feststellung eines schweren, dem VN vorwerfbaren Verschuldens verbunden. Es sind keine beachtenswerte Gründe ersichtlich, weshalb unter solchen Umständen die vorläufige Deckung wieder aufleben sollte. Dies gilt auch für den Fall, dass gemäß § 19 Abs. 4 der Vertrag rückwirkend inhaltlich verändert wird, da auch insoweit im Regelfall Verschulden des VN Voraussetzung ist.18 Eine Ausnahme wird lediglich dann in Erwägung zu ziehen sein, soweit § 19 Abs. 4 eine Vertragsanpassung ab der laufenden Versicherungsperiode bei einer von dem VN nicht zu vertretenden, d.h. nicht schuldhaften Pflichtverletzung zulässt.19 Falls der sich ohne Verschulden des VN ergebende Versicherungsschutz nicht mehr „vergleichbar“ im Sinne des § 52 Abs. 1 sein sollte, wäre der VN trotz fehlendem Verschuldens nur unvollkommen geschützt. Wird der Deckungsschutz in dem anderweitigen Vertrag – abgesehen von § 19 Abs. 4 – nachträglich so verändert, dass er nicht mehr als gleichartig zu der erloschenen vorläufigen Deckung angesehen werden kann, führt dies nicht zu einem Wiederaufleben der vorläufigen Deckung. Denn nachträgliche Veränderungen des Versicherungsschutzes erfordern eine übereinstimmende Willenserklärung der Vertragsparteien. In den wenigen Fällen, in denen das Gesetz eine einseitige Anpassung von Vertragsklauseln zulässt,20 ist der VN durch die in diesen Normen geregelten stringenten Voraussetzungen hinreichend davor geschützt, dass sich sein Versicherungsschutz nicht inadäquat verändert. In allen anderen Fällen beruht die Veränderung des Deckungsumfangs auf seiner Zustimmung zu einer Anregung des VR oder seinen eigenen Wünschen. Ein Schutzbedürfnis ist deshalb nicht zu ersehen.21 Vergleichbar ist zu werten, wenn der VN willentlich und bewusst in Bezug auf den Hauptvertrag eine Rückwärtsversicherung beantragt hat und diese bei Zustandekommen ab Beginn des materiellen Versicherungsschutzes die vorläufige Deckung ersetzt. Auch
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Vgl. RegE S. 75. Vgl. nachfolgend Rn. 22. Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 20. Zutreffend Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 21. Die Regelung ist verfassungsrechtlich bedenklich, aber von dem Gesetzgeber ge-
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wollt, wie sich aus der Rückausnahme in § 194 Abs. 1 S. 3 ergibt. Vgl. §§ 163, 164 (Lebensversicherung), § 203 (Krankenversicherung). Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 21.
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wenn der Deckungsumfang der Rückwärtsversicherung negativ von dem der vorläufigen Deckung abweicht, beruht die nachträgliche Änderung des Deckungsumfangs auf dem Willen und der Entscheidung des VN. Dann erlischt die vorläufige Deckung mit dem Beginn des materiellen Versicherungsschutzes aus dem Hauptvertrag. Dies muss auch gelten, wenn der VN einer im Versicherungsschein dokumentierten Abweichung von seinem Antrag trotz Wahrung aller in § 5 zu seinem Schutz vorgeschriebenen Verdeutlichungsund Belehrungspflichten nicht widerspricht.22 Er kann dann lediglich Schadenersatz wegen eines möglicherweise erfolgten Beratungsfehlers geltend machen. Abweichend ist zu beurteilen, wenn die vorläufige Deckung mit Abschluss des Hauptvertrages nur deshalb durch diesen ersetzt wird, weil in dem Antrag ein bestimmter Tag als Versicherungsbeginn des beantragten Versicherungsschutzes angegeben ist und der Versicherer in seiner Annahmeerklärung Deckungsschutz ab diesem Datum verspricht. Falls zuvor gewährte vorläufige Deckung und der Versicherungsschutz aus der Rückwärtsversicherung identisch sind, ergeben sich keine Probleme. Anders ist es aber, wenn der Deckungsschutz aus der Rückwärtsversicherung hinter demjenigen aus der vorläufigen Deckung zurückbleibt. Die für einen eingetretenen, dem VN möglicherweise sogar nicht bekannt gewordenen Versicherungsfall sich daraus ergebenden Rechtsfolgen sind einem durchschnittlichen VN nicht bewusst. Ob deshalb der vorläufige Versicherungsschutz infolge Zustandekommens der (verminderten) rückwärtigen Deckung aus dem Hauptvertrag erlischt und der VN an Stelle eines Deckungsanspruchs aus der vorläufigen Deckungszusage auf eventuelle Schadenersatzansprüche wegen Beratungsverschuldens verwiesen werden kann, erscheint im Hinblick auf die in § 52 zum Ausdruck gebrachten gesetzlichen Wertungen fraglich.23
II. Rechtzeitige Zahlung des Versicherungsbeitrags 11
Üblicherweise wird für die vorläufige Deckung kein gesonderter Beitrag erhoben. Statt dessen wird die Risikoübernahme bis zu dem erwarteten Zustandekommen des Hauptvertrages in die dafür kalkulierte Prämie einbezogen. Wird ausnahmsweise die Zahlung einer Versicherungsprämie für die vorläufige Deckung als Voraussetzung für den Beginn des Versicherungsschutzes rechtswirksam vereinbart, bestehen gegen eine solche Regelung keine durchgreifenden Bedenken. Denn es steht dem VR frei, seine Vertragsklauseln innerhalb von Gesetz und rechtlicher Ordnung frei zu vereinbaren. Zutreffend setzt § 52 Abs. 1 S. 2 jedoch auch in einem solchen Fall voraus, dass a) der VN mit der Zahlung der geforderten Prämie in Verzug geraten ist und er b) auf die ihm drohende Rechtsfolge durch gesonderte Mitteilung in Textform oder – sofern ausgestellt – in dem Versicherungsschein für die vorläufige Deckung in auffälliger Weise aufmerksam gemacht worden ist. Der VN soll davor geschützt werden, dass ein von ihm erwarteter Versicherungsschutz nicht eintritt, sofern ihn kein Verschulden trifft. Andererseits schützt die Regelung den VR davor, dass der VN das Ende des vorläufigen Versicherungsschutzes dadurch hinausschiebt, dass er vorwerfbar seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt.
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Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 23.
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Ähnlich wohl auch Langheid/Wandt/ Rixecker § 52 Rn. 22.
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Beendigung des Vertrags
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1. Verzug mit der Zahlung des Versicherungsbeitrags Wann von Verzug mit der Zahlung des für die vorläufige Deckung oder des Haupt- 12 vertrages geforderten Einlösungsbeitrags ausgegangen werden kann, ergibt sich aus allgemeinem Recht. Erste Voraussetzung ist, dass ein Vertrag über die vorläufige Deckung oder der Hauptvertrag rechtswirksam zustande gekommen ist. Denn anderenfalls fehlt es an der Rechtsgrundlage für die Beitragszahlungspflicht. Ist ein Vertrag (noch) schwebend unwirksam, weil die Annahmeerklärung des VR von dem Antrag des VN abweicht (§ 5), entsteht die Beitragszahlungspflicht erst mit Ablauf der Widerspruchsfrist.24 Außerdem muss der Prämienanspruch fällig geworden sein. Nach § 33 Abs. 1 ist die erste oder einmalige Prämie unverzüglich nach Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen. Wenn – wie in der Regel – für die vorläufige Deckung kein gesonderter Versicherungsschein ausgestellt wird, bedarf es einer abweichenden Bestimmung in den vertraglichen Vereinbarungen, sofern die Fortdauer der vorläufigen Deckung von der rechtzeitigen Zahlung des für diese gesondert geforderten Versicherungsbeitrags abhängig gemacht ist. § 33 Abs. 1 ist dispositiv und lässt eine entsprechende Regelung zu. Nur muss eine etwa verkürzte Zahlungsfrist zumutbar und angemessen erscheinen und nicht das Verschuldensprinzip des Gesetzes aufweichen.25 Vorwerfbares Verschulden und damit Verzug setzt weiter voraus, dass dem VN der zu zahlende Einlösungsbeitrag genau und unterschieden von etwaigen Folgebeiträgen sowie von Prämien anderweitigen Versicherungsschutzes beziffert worden ist.26 Daran kann es im Einzelfall bereits dann fehlen, wenn die zu zahlende Erstprämie innerhalb einer weitergehenden Beitragsanforderung lediglich gesondert ausgewiesen ist.27 Die gesonderte Anforderung des Einlösungsbetrags kann jedoch nicht generell gefordert werden. Auch wenn für einen durchschnittlichen VN bei aufmerksamer Durchsicht der an ihn gerichteten Sammelbeitragsanforderung erkennbar ist, dass die Fortdauer einer ihm eingeräumten vorläufigen Deckung von der rechtzeitigen Zahlung der insoweit verlangten Prämie abhängt, muss dies genügen. Er kann und darf sich nicht stets darauf zurückziehen können, die Beitragsanforderung als „undurchsichtig“ zu bezeichnen. Denn wenn er ersehen kann, dass durch Nichtzahlung der dafür geforderten Prämie sein Versicherungsschutz aus der vorläufigen Deckung endet, ist er nicht mehr schutzbedürftig. Bei vereinbartem Lastschrifteinzugsverfahren ist gemäß § 33 Abs. 2 notwendig, dass der VN von dem VR dazu in Textform „aufgefordert“ worden ist. An dieser Stelle muss der Hinweis genügen, dass dazu der bloße Lastschrifteinzug nicht ausreicht. Der in § 33 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 zum Ausdruck kommende Schutzgedanke erfordert, dass der Lastschrifteinzug von dem VR rechtzeitig angekündigt ist, d.h. so, dass der VN für hinreichende Deckung auf dem zu belastendem Konto sorgen kann. Die Ankündigung des Lastschrifteinzugs muss außerdem allen Anforderungen einer dem VN zugeleiteten Erstprämienrechnung genügen.28 Ist dies der Fall, wird der von dem Gesetz gewollte Schutz des VN nicht beeinträchtigt.
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Vgl. zum bisherigen Recht BGH 26.4.2006 VersR 2006 913; OLG Hamm 12.2.1982 VersR 1982 1042. Näher Bruck/Möller/Beckmann § 33 Rn. 62. Vgl. BGH 9.7.1986 VersR 1986 986; OLG Hamm 22.9.1998 VersR 1999 957;
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Prölss/Martin/Knappmann § 38 Rn. 29; Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 9. So OLG Saarbrücken 14.1.2004 VersR 2005 215. Zutreffend OLG Saarbrücken 14.1.2004 VersR 2005 215.
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Verzug setzt schließlich voraus, dass trotz entsprechender Belehrung über das damit verbundene Erlöschen der vorläufigen Deckung die Zahlung der rechtmäßig geforderten Erstprämie oder des Einmalbeitrags schuldhaft nicht oder nicht fristgerecht erfolgt ist. § 52 Abs. 1 modifiziert die Regelung in § 37 sowie § 286 BGB nicht. Nach der bisherigen Rechtsprechung hat der VN die Nichtzahlung der Prämie z.B. nicht zu vertreten, wenn er krankheitsbedingt an der Zahlung gehindert war 29 oder ihm eine missverständliche bzw. fehlerhafte Beitragsrechnung30 übermittelt wurde. 2. Belehrung durch den Versicherer
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Nach § 52 Abs. 1 verliert der VN die ihm zugesagte vorläufige Deckung bei bloßem Verzug mit der Zahlung des Einlösungsbetrags nur, wenn er auf diese Rechtsfolge durch den VR in „gesonderter Mitteilung in Textform“ oder durch einen „auffälligen Hinweis im Versicherungsschein“ aufmerksam gemacht worden ist. Fehlt es daran, bleibt ein Verzug mit einer ansich vertraglich vereinbarten und gerechtfertigten Prämienanforderung folgenlos. Das Gesetz hat damit die in der bisherigen Rechtsprechung 31 entwickelten Grundsätze übernommen. Soweit das Gesetz eine „gesonderte Mitteilung in Textform“ fordert, folgt daraus zwar nicht die Notwendigkeit einer eigenständigen, von anderen Mitteilungen losgelösten Erklärung. Die Mitteilung kann auch mit anderen Erklärungen des VR verbunden werden. Gesetzeszweck ist eine deutliche Warnung des VN. Deshalb muss der Hinweis drucktechnisch besonders hervorgehoben werden und darf nicht als ein Hinweis unter vielen erscheinen. Er muss dem VN ins Auge fallen.32 Ein diesen Anforderungen ansich genügender Hinweis reicht nicht aus, wenn er sich lediglich im Antragsformular befindet.33 Grund ist, dass dem VN bei Unterzeichnung des Antragsformulars zwar bewusst sein mag, dass er für die Leistung des VR eine Gegenleistung – die Prämie – zu erbringen hat. Über deren genaue Höhe und den Fälligkeitszeitpunkt besagen die Antragsformulare in der Regel jedoch nichts. Erfolgt der Hinweis auf der Rückseite des Versicherungsscheins oder einer Mitteilung, muss auf der Vorderseite darauf aufmerksam gemacht werden.34 Die Belehrung muss inhaltlich umfassend und vollständig sein.35 In ihr muss zum Ausdruck kommen, dass nur vorwerfbare Nichtzahlung oder schuldhaft verspätete Zahlung zum Erlöschen der vorläufigen Deckung führt. Da bei schuldloser Säumnis durch nachträgliche Zahlung der Versicherungsschutz rückwirkend erhalten bleibt, ist auch dies in die Belehrung aufzunehmen.36 Sie muss darüber hinaus Angaben zur Zahlungsund Widerrufsfrist enthalten.37
29
Vgl. Prölss/Martin/Knappmann § 39 Rn. 28; OLG Stuttgart 27.5.1952 VersR 1953 18. 30 Vgl. BGH 7.10.1992 RuS 1992 398; BGH 21.12.1977 VersR 1978 241. 31 Vgl. etwa BGH 5.6.1985 VersR 1985 981; so schon BGH 4.7.1973 VersR 1973 811. 32 Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 13; Prölss/Martin/Knappmann § 38 Rn. 29 m.w.N. 33 Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 13; Prölss/Martin/Knappmann § 38 Rn. 29.
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34 35 36
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LG Bremen 18.5.1994 VersR 1995 287. Vgl. (zum alten Recht) BGH 26.4.2006 VersR 2006 913. Vgl. BGH 26.4.2006 VersR 2006 913; OLG Koblenz 3.7.1998 VersR 1999 1141; OLG Hamm 29.1.1999 VersR 1999 1229; OLG Köln 19.8.1997 VersR 1998 1104. Vgl. BGH 26.4.2006 VersR 2006 913; OLG Hamm 29.1.1999 VersR 1999 1229; Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 13.
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Beendigung des Vertrags
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Grundsätzlich bewirkt die schuldhaft nicht rechtzeitige Zahlung des Einlösungs- 14 betrags lediglich das Erlöschen der vorläufigen Deckung ex nunc. Das Gesetz schließt jedoch nicht aus, dass in den vertraglichen Vereinbarungen vorgesehen wird, dass die vorläufige Deckung rückwirkend ex tunc erlischt. Der noch im Referentenentwurf 38 auf Vorschlag der VVG-Kommission vorgesehenen Regelung, dass eine Vereinbarung unwirksam ist, „nach der bei einem Vertrag über vorläufige Deckung bei Verzug des VN mit der Zahlung der Prämie für die vorläufige Deckung oder der einmaligen oder ersten Prämie für den Hauptvertrag rückwirkend entfällt“, ist der Gesetzgeber mit Rücksicht auf die vornehmlich in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung bestehende Missbrauchsgefahr nicht gefolgt. Eine vertragliche Vereinbarung, dass der Versicherungsschutz aus der vorläufigen Deckung rückwirkend bei Nichtzahlung oder verspäteter Zahlung des Einlösungsbeitrags für den vorläufigen Versicherungsschutz oder den Hauptvertrag erlischt, wie ihn § 9 KfzPflVV und die AKB vorsehen, bleibt deshalb zulässig.39 Auf die Gefahr des rückwirkenden Verlusts der vorläufigen Deckung und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen muss gesondert und hervorgehoben hingewiesen werden.40 Spätester Zeitpunkt, zu dem die Belehrung des VN über die mit der Nichtzahlung 15 oder verspäteten Zahlung des Einlösebetrages verbundenen Rechtsfolgen vorgenommen sein muss, ist die Fälligkeit der Prämie. Ist deren Einzug im Lastschriftverfahren vereinbart, muss die Belehrung vor dem Versuch des VR, die Prämie per Lastschrift einzuziehen, erfolgt sein. Der VN muss Gelegenheit haben, für eine hinreichende Kontendeckung zu sorgen.41 Da bei dem Lastschriftverfahren der Beitragseinzug entweder vollständig oder überhaupt nicht erfolgt, darf der Lastschriftbeleg nur die Erstprämie eines einzigen Vertrages umfassen, nicht jedoch mehrere; diese Prämie muss richtig berechnet sein.42 Rechtsfolge einer formal oder inhaltlich mangelhaften Belehrung ist, dass der Vertrag 16 über die vorläufige Deckung weder durch eine anderweitige Deckungszusage noch den Hauptvertrag beendet wird. Die Haftung des VR besteht fort, sofern und solange die vorläufige Deckung nicht von einer Vertragspartei gekündigt wird. Darauf wird sich der VN jedoch dann nach Treu und Glauben nicht berufen und den VR bei Eintritt eines Versicherungsfalles in Anspruch nehmen können, wenn er langfristig keinerlei Beitragszahlung geleistet hat.43 Verzug mit der Beitragszahlung für einen oder wenige Monate reicht dazu nicht aus, da der VR nach der Gesetzessystematik in einem solchen Fall gehalten ist, die vorläufige Deckung mit sofortiger Wirkung zu kündigen (Abs. 4).
III. Abdingbarkeit und Beweislast Die gesetzliche Regelung ist halbzwingend. Von § 52 Abs. 1 kann nicht zum Nachteil 17 des VN abgewichen werden (Abs. 5). Wenn sich der VR auf Erlöschen des Versicherungsschutzes aus einer zugesagten vorläufigen Deckung wegen Beginns des materiellen Versicherungsschutzes aus einer
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Vgl. RefE § 53 Abs. 2. Vgl. Rixecker ZfS 2007 315; Gitzel VersR 2007 322 ff. Näher zu § 9 KfzPflVV und der Regelung in den AKB Band V. Vgl. OLG Saarbrücken 14.1.2004 VersR 2005 215.
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Vgl. OLG Hamm 19.10.1983 VersR 1984 231; LG Oldenburg 29.4.1986 VersR 1986 1012. Vgl. OLG Nürnberg 2.8.2007 VersR 2008 70; Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 13.
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Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
anderweitigen vorläufigen Deckungszusage oder dem Hauptvertrag beruft, muss er das Zustandekommen, den vor Eintritt des Versicherungsfalles eingetretenen materiellen Versicherungsbeginn aus der Hauptversicherung oder einer anderweitigen vorläufigen Deckung darlegen und gegebenenfalls beweisen. Er muss auch darlegen und beweisen, dass die Zahlung der einmaligen oder Erstprämie verspätet erfolgt ist und der VN hinreichend und rechtzeitig belehrt wurde. Dem VN obliegt es, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Zahlung des Versicherungsbeitrags unverschuldet unterblieben ist.
C. Gleichartige Deckung bei einem anderen Versicherer (Abs. 2) 18
Nach § 52 Abs. 2 S. 1 endet der Versicherungsschutz aus der vorläufigen Deckung auch, wenn ein gleichartiger Versicherungsschutz durch einen Hauptvertrag oder eine anderweitige vorläufige Deckung bei einem anderen Versicherer erlangt wird. Das Gesetz hat insoweit die bisherige Rechtsprechung übernommen.44 Es verweist hinsichtlich der Voraussetzungen, an die das Ende der vorläufigen Deckung geknüpft ist, vollinhaltlich auf die Regelung in Abs. 1. Ein inhaltlicher Unterschied zwischen Erlangung eines gleichartigen Versicherungsschutzes bei demselben oder einem anderen VR besteht nicht. Voraussetzung für die kraft Gesetzes nach Abs. 2 eintretende Beendigung der vorläufigen Deckung ist deshalb, dass der anderweitige Vertrag zustande gekommen ist und materieller Versicherungsschutz aus diesem begonnen hat. Nach Abs. 2 S. 2 ist der VN verpflichtet, den Vertragsabschluss dem bisherigen VR unverzüglich mitzuteilen. Die kraft Gesetzes ab Beginn des materiellen Versicherungsschutzes aus dem neuen Vertrag automatisch eintretende Beendigung der vorläufigen Deckungszusage des bisherigen VR wird von einer Verletzung der Mitteilungspflicht nicht berührt.45 Die Vorschrift will eine Doppelversicherung ausschließen. Diesem Normzweck würde es zuwiderlaufen, wenn der VN durch Verstoß gegen seine Mitteilungspflicht für einen bestimmten Zeitraum sowohl bei dem bisherigen als auch bei dem neuen VR Versicherungsschutz erlangen würde. Auch wenn das Gesetz keine unmittelbare Rechtsfolgen an die Verletzung der Mitteilungspflicht durch den VN knüpft, bleibt diese nicht folgenlos. Der VN macht sich schadenersatzpflichtig (§ 280 BGB), sofern dem bisherigen oder dem neuen VR aus der Verletzung der Mitteilungspflicht ein Schaden entstehen sollte.46 Von der Regelung in § 52 Abs. 2, dass der VN während der Zeitdauer einer vorläufigen Deckung bei einem anderen VR gleichartigen Versicherungsschutz erlangt, ist der Fall zu unterscheiden, dass das durch die vorläufige Deckungszusage abgesicherte Risiko bereits anderweitig in einem Hauptvertrag abgesichert ist. Ursache dafür kann sein, dass der VN den bereits bestehenden Versicherungsschutz übersehen hat, meint, dieser sei nicht ausreichend oder andere, möglicherweise „egoistische“ Zwecke verfolgt. Ungeachtet des Normzwecks kann aus Abs. 2 kein gesetzliches Verbot einer Doppelversicherung entnommen werden. Die von dem VN erlangte Doppelversicherung ist deshalb nicht nichtig (§ 134 BGB). Maßgebend für die Rechtsfolgen sind deshalb die §§ 77 ff.47
44 45
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Vgl. BGH 25.1.1995 VersR 1995 409. Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 15; Looschelders/Pohlmann/Kammerer-Galahn § 52 Rn. 5. Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 15;
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Looschelders/Pohlmann/Kammerer-Galahn § 52 Rn. 5. So zutreffend Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 16.
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Beendigung des Vertrags
§ 52
D. Widerruf des Vertrages und Widerspruch zu Antragsänderungen (Abs. 3) Der VN kann das endgültige Zustandekommen des angestrebten Hauptvertrages in 19 den Fällen des § 5 durch Widerspruch oder einen ansich bereits rechtswirksam zustande gekommenen Vertrag gemäß § 8 durch Widerruf beenden.
I. Widerruf des Vertrages Nach § 8 Abs. 1 kann der VN seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen, in 20 der Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung gemäß § 152 Abs. 1 innerhalb von 30 Tagen, gegenüber dem Versicherer widerrufen. Dieses Widerrufsrecht besteht nach § 8 Abs. 3 Ziff. 2 nicht in Bezug auf einen Vertrag über vorläufige Deckung, es sei denn, es handelt sich insoweit um einen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312b BGB. Außerdem sind gemäß § 8 Abs. 3 Ziff. 1 Verträge mit einer Laufzeit von weniger als einem Monat von dem Widerrufsrecht ausgenommen, wozu auch Verträge über vorläufigen Deckungsschutz gehören können.48 Kommt der Hauptvertrag mit dem VR, mit dem der Vertrag über vorläufige Deckung besteht, aufgrund Ausübung des Widerrufsrechtes durch den VN nicht zustande, endet der Vertrag über die vorläufige Deckung spätestens (wenn nicht eine frühere Beendigung rechtswirksam vereinbart war oder eingetreten ist) mit dem Zugang des Widerrufs bei dem VR. Das Wort „spätestens“ beinhaltet, dass die vorläufige Deckung aus anderen Rechtsgründen auch zuvor beendet sein kann. Dies kann durch eine rechtswirksam vereinbarte zeitliche Befristung geschehen sein. Ob von vorheriger Beendigung im Sinne des Gesetzes auch dann auszugehen ist, wenn ein noch mit dem Widerrufsrecht des VN belasteter adäquater Hauptvertrag zustande gekommen ist,49 erscheint hingegen fraglich. Zwar endet dann nach dem Wortlaut von § 52 Abs. 1 S. 1 die vorläufige Deckung. Wenn § 52 Abs. 1 jedoch auch noch mit einem Widerrufsrecht belastete Hauptversicherungen umfassen würde, wäre die Regelung in Abs. 2 auf Grund ihres Wortlauts („endet“) weitgehend gegenstandslos.
II. Widerspruch wegen Abweichungen vom Antrag Sofern das Zustandekommen des beabsichtigten Hauptvertrages durch einen recht- 21 zeitigen Widerspruch des VN gegen im Versicherungsschein dokumentierte Abweichungen von seinem Antrag scheitert (§ 5 Abs. 1 und 2), sieht Abs. 3 ebenfalls das automatische Ende der vorläufigen Deckung mit Zugang des Widerspruchs bei dem VR vor. Wenn bedacht wird, dass die vorläufige Deckung zwar ein selbständiger Versicherungsvertrag ist, aber – für den VN erkennbar – nur den Zeitraum bis zu dem materiellen Versicherungsschutz aus der beantragten Hauptversicherung überbrücken soll, wird er durch die automatische Beendigung der vorläufigen Deckung mit Zugang seines Widerspruchs bei dem VR nicht unangemessen benachteiligt. Er kann vernünftigerweise nicht erwarten, dass ihm weiterhin vorläufige Deckung gewährt wird, wenn der VR sich außerstande sieht, den gestellten Versicherungsantrag unverändert anzunehmen und die einschränkenden Bedingungen von dem VN abgelehnt werden. Zudem kann sich der VN 48
Näher Bruck/Möller/Kai-Oliver Knops § 8 Rn. 19, 52 ff.
49
So Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 17.
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§ 52
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
während des Laufs der Widerspruchsfrist bei einem anderen VR um eine seinen Vorstellungen entsprechende anderweitige vorläufige Deckungszusage bemühen.50 Soweit Bedenken gegen die Regelung in Abs. 2 mit der Begründung erhoben worden sind, nach deren Wortlaut ende der Vertrag über die vorläufige Deckung in jedem Fall mit dem Zugang des Widerrufs oder des Widerspruchs, was für den VN in bestimmten Fällen problematisch sei, etwa wenn er nur wegen unzutreffender Angaben im Versicherungsschein (der Hauptversicherung) Widerspruch einlege, grundsätzlich aber an dem Versicherungsantrag festhalten wolle,51 sind diese zwar nachvollziehbar. Sie sind jedoch nicht überzeugend. Denn der VN hat es allein in der Hand, ob er sich zu Verhandlungen mit dem VR entschließt oder Widerspruch mit den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen einlegt. Er kann zudem während des Laufs der Widerspruchsfrist Verhandlungen mit einem anderen VR aufnehmen, um sich einen ihm genehmen Versicherungsschutz zu verschaffen. Der in Abs. 2 zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzes, die nach dem früheren Rechtszustand bestehenden Streitfragen zum Ende der vorläufigen Deckung so weit als möglich endgültig zu regeln, lässt es nicht zu, dass die Rechtsfolge des Widerspruchs nicht mit dem nachprüfbaren Zugang des Widerspruchs endet, sondern nur bei endgültigem Scheitern (wie dieses auch immer festgestellt werden soll) des Hauptvertrages.52
E. Kündigung der vorläufigen Deckung (Abs. 4) 22
Wenn der Vertrag über die vorläufige Deckung nicht zulässigerweise auf Grund einer Befristung 53 endet, ist er nach allgemeinem Recht auf unbestimmte Zeit geschlossen. Sofern auch keine Beendigung kraft Gesetzes gemäß Abs. 1 bis 3 eintritt, endet er deshalb nach Abs. 4 erst und nur durch Kündigung. Die Kündigung der vorläufigen Deckungszusage steht nach dem Gesetz beiden Vertragsparteien offen.
I. Kündigungsfrist 23
Eine Kündigungsfrist sieht Abs. 4 nicht vor. Die Kündigung wird vornehmlich auf Grund seiner Interessenlage durch den VR erfolgen und auch erfolgen müssen, wenn es nicht zu dem Abschluss einer risikoadäquaten anderweitigen vorläufigen Deckung oder eines entsprechenden Hauptvertrages kommt und damit zu einem auf gesetzlicher Grundlage (Abs. 1 bis 3) beruhenden Ende des Vertrages. Selbstverständlich kann dies zu Gunsten des VN in den Versicherungsbedingungen abweichend geregelt werden. Nur Regelungen, die zu Lasten des VN gehen, sind durch Abs. 5 ausgeschlossen. Da Abs. 4 eine Kündigungsfrist nicht vorsieht, ist die Kündigung der vorläufigen Deckungszusage jederzeit, d.h. ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist möglich. Sie darf lediglich nach allgemeinem Recht nicht zur Unzeit oder aus sittenwidrigen Motiven erfolgen.54 Sofern der VR kündigt, ist bei der Bewertung, ob die Kündigung zur Un-
50 51 52
Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 18. Vgl. Looschelders/Pohlmann/KammererGalahn § 52 Rn. 6. Vgl auch Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 18.
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53 54
Vgl. RegE S. 75. Vgl. Palandt/Heinrichs § 138 Rn. 91 ff. m.w.N.
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Beendigung des Vertrags
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zeit oder aus sittenwidrigen Motiven erfolgt ist, vorrangig die Schutzfrist von zwei Wochen zu berücksichtigen, die § 52 Abs. 4 S. 2 zu Gunsten des VN vor Erlöschen des Versicherungsschutzes statuiert. (nachfolgend II). Eine Begründung der Kündigung ist nicht erforderlich. Da die Kündigung ein Gestaltungsrecht ist, kann sie nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden. Die Rechtspraxis akzeptiert jedoch trotz systematischer Bedenken solche Bedingungen, deren Verwirklichung allein in der Hand des VN liegen wie etwa die Formulierung, dass der VR „vorsorglich“ die Kündigung der vorläufigen Deckung für den Fall ausspricht, dass der VN eine ihm angetragene Abweichung des beantragten (Haupt-)Versicherungsschutzes von seinem Antrag nicht hinnehmen will.55 Die Kündigung ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Sie kann deshalb rechtswirksam auch mündlich erklärt werden. Nur muss derjenige, der sich zur Wahrung seiner Interessen auf die Kündigung der vorläufigen Deckung beruft, diese nachweisen.
II. Erlöschen des Deckungsschutzes Bei Kündigung der vorläufigen Deckung durch den VN, was nur ausnahmsweise in 24 Betracht kommen dürfte, erlischt der Versicherungsschutz aus der vorläufigen Deckung mit Zugang der Erklärung des VN bei dem VR. Kündigt dagegen der VR den Vertrag über die vorläufige Deckung, sieht das Gesetz zu seinen Gunsten eine Schutzfrist von zwei Wochen ab Zugang der Kündigung bei dem VN vor. Ihm soll Gelegenheit gegeben werden, sich innerhalb dieser Frist, die letztlich ein Hinausschieben des Wirksamwerdens der Kündigung über deren Zugang bei dem VN bedeutet, sich anderweitig um den gewünschten Deckungsschutz zu bemühen, bevor die Zusage des VR endet.56
F. Abdingbarkeit und Beweislast Die gesamten Bestimmungen in § 52 sind gemäß Abs. 5 halbzwingend. Sie dürfen 25 nicht zu Lasten des VN durch anderweitige vertragliche Regelungen abgeändert werden. Beweisbelastet für die in § 52 normierten Voraussetzungen des Erlöschens der vorläufigen Deckung ist nach allgemeinem Beweisrecht die Partei, zu deren Gunsten sich das Erlöschen auswirkt. Das ist grundsätzlich der VR. Lediglich wenn sich der VN darauf beruft, dass er die nicht rechtzeitige Zahlung des Einlösungsbeitrags nicht verschuldet hat, muss er sein Unverschulden substantiiert darlegen und gegebenfalls auch beweisen.
55
Vgl. Langheid/Wandt/Rixecker § 52 Rn. 27.
56
So schon zu dem bisherigen Recht Römer/ Langheid Vor § 1 Rn. 36, 38.
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Anh. §§ 49 ff.
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
Anhang: Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung, Stand: 14.10.2009 Stand: 14.10.2009
Antragsverfahren Diese Bedingungen sind für die Versicherer unverbindlich; ihre Verwendung ist rein fakultativ. Abweichende Bedingungen können verwendet werden. Anmerkung: Die Formulierungen des beigefügten Dokuments passen ausschließlich für das Antragsverfahren. Wählt der Versicherer das Invitatio-Verfahren, sind entsprechenden Allgemeinen Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung für das Anfrageverfahren einschlägig.
Allgemeine Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde, mit den nachfolgenden Bedingungen wenden wir uns an Sie als Antragsteller und künftigen Versicherungsnehmer.
§1 Was ist vorläufig versichert? (1) Der vorläufige Versicherungsschutz erstreckt sich auf die für den Todesfall beantragten Leistungen. Wenn Sie eine Unfall-Zusatzversicherung beantragt haben, zahlen wir zusätzlich die Unfallversicherungssumme, wenn ein Unfall a) während der Dauer des vorläufigen Versicherungsschutzes eingetreten ist und b) innerhalb eines Jahres nach dem Unfalltage zum Tode der versicherten Person führt. (2) Aufgrund des vorläufigen Versicherungsschutzes zahlen wir einschließlich der Leistungen aus einer Unfall-Zusatzversicherung höchstens … Euro, auch wenn Sie höhere Leistungen beantragt haben. Diese Begrenzung gilt auch dann, wenn mehrere Anträge auf das Leben derselben Person bei uns gestellt worden sind.
§2 Unter welchen Voraussetzungen besteht vorläufiger Versicherungsschutz? Sofern nichts anderes vereinbart ist, ist Voraussetzung für den vorläufigen Versicherungsschutz, dass a) der beantragte Versicherungsbeginn nicht später als … nach der Unterzeichnung des Antrags liegt; b) uns eine Ermächtigung zum Beitragseinzug erteilt worden ist. Bei Vermögensbildungsversicherungen reicht es aus, wenn uns der „Antrag auf Überweisung vermögenswirksamer Leistungen durch den Arbeitgeber“ vorliegt;
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Anhang
Anh. §§ 49 ff.
c) Sie das Zustandekommen der beantragten Versicherung nicht von einer besonderen Bedingung abhängig gemacht haben; d) Ihr Antrag nicht von den von uns gebotenen Tarifen und Bedingungen abweicht; e) die versicherte Person bei Unterzeichnung des Antrags das … Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
§3 Wann beginnt und endet der vorläufige Versicherungsschutz? (1) Der vorläufige Versicherungsschutz beginnt mit dem Tag, an dem Ihr Antrag bei uns eingeht, spätestens jedoch mit dem ... Tag nach der Unterzeichnung des Antrages. (2) Soweit nichts anderes vereinbart ist, endet der vorläufige Versicherungsschutz, wenn a) der Versicherungsschutz aus der beantragten Versicherung begonnen hat; b) Sie Ihren Antrag angefochten oder zurückgenommen haben; c) Sie von Ihrem Widerrufsrecht nach 8 VVG Gebrauch gemacht haben; d) Sie einer Ihnen gemäß § 5 Abs. 1 und 2 VVG mitgeteilten Abweichung des Versicherungsscheins von Ihrem Antrag widersprochen haben; e) der Einzug des Einlösungsbeitrages aus von Ihnen zu vertretenden Gründen nicht möglich war oder dem Einzug widersprochen worden ist, sofern wir Sie durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge aufmerksam gemacht haben. (3) Jede Vertragspartei kann den Vertrag über den vorläufigen Versicherungsschutz ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Unsere Kündigungserklärung wird jedoch erst nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang bei Ihnen wirksam.
§4 In welchen Fällen ist der vorläufige Versicherungsschutz ausgeschlossen? (1) Unsere Leistungspflicht ist ausgeschlossen für die Versicherungsfälle aufgrund von Ursachen, nach denen im Antrag gefragt ist und von denen die versicherte Person vor seiner Unterzeichnung Kenntnis hatte, auch wenn diese im Antrag angegeben wurden. Dies gilt nicht für Umstände, die für den Eintritt des Versicherungsfalls nur mitursächlich geworden sind. (2) Bei vorsätzlicher Selbsttötung der versicherten Person besteht Versicherungsschutz nur dann, wenn uns nachgewiesen wird, dass die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist. (3) Bei Ableben der versicherten Person in unmittelbarem und mittelbarem Zusammenhang mit kriegerischen Ereignissen oder inneren Unruhen entfällt unsere Leistungspflicht, wenn die versicherte Person auf Seiten der Unruhestifter teilgenommen hat. (4) Bei Ableben der versicherten Person in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit dem vorsätzlichen Einsatz von atomaren, biologischen oder chemischen Waffen oder dem vorsätzlichen Einsatz oder der vorsätzlichen Freisetzung von radioaktiven, biologischen oder chemischen Stoffen entfällt unsere Leistungspflicht, sofern der Einsatz oder das Freisetzen darauf gerichtet sind, das Leben einer Vielzahl von Personen zu gefährden.
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Anh. §§ 49 ff.
Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
§5 Was kostet Sie der vorläufige Versicherungsschutz? Für den vorläufigen Versicherungsschutz erheben wir zwar keinen besonderen Beitrag. Erbringen wir aber Leistungen aufgrund des vorläufigen Versicherungsschutzes, behalten wir ein Entgelt ein. Das Entgelt entspricht dem Beitrag für einen Beitragszahlungsabschnitt. Bei Einmalbeitragsversicherungen ist dies der einmalige Beitrag. Wir berechnen Ihnen jedoch nicht mehr als den Tarifbeitrag für die Höchstsumme gemäß § 1 Abs. 2. Bereits gezahlte Beträge rechnen wir an.1 Bemerkung Bei Tarifen, bei denen im Leistungsfall der Beitrag für das erste Versicherungsjahr des beantragten Versicherungsvertrages zu zahlen ist, lautet § 5 wie folgt: „Für den vorläufigen Versicherungsschutz erheben wir zwar keinen gesonderten Beitrag. Erbringen wir aber Leistungen aufgrund des vorläufigen Versicherungsschutzes, behalten wir ein Entgelt ein. Das Entgelt entspricht dem Beitrag für das erste Versicherungsjahr des beantragten Versicherungsvertrages. Bei Einmalbeitragsversicherungen ist dies der einmalige Beitrag. Wir berechnen jedoch nicht mehr als den Tarifbeitrag für die Höchstsumme gemäß § 1 Abs. 2. Bereits gezahlte Beträge rechnen wir an.“
§6 Wie ist das Verhältnis zur beantragten Versicherung und wer erhält die Leistungen aus dem vorläufigen Versicherungsschutz? (1) Soweit in diesen Bedingungen nichts anderes bestimmt ist, finden die Allgemeinen und Besonderen Bedingungen für die beantragte Versicherung Anwendung, einschließlich derjenigen für eine mitbeantragte Unfall-Zusatzversicherung. Dies gilt insbesondere für die dort enthaltenen Einschränkungen und Ausschlüsse. Eine Überschussbeteiligung erfolgt jedoch nicht. (2) Haben Sie im Antrag ein Bezugsrecht festgelegt, gilt dieses auch für die Leistungen aus dem vorläufigen Versicherungsschutz.
Invitatioverfahren Diese Bedingungen sind für die Versicherer unverbindlich; ihre Verwendung ist rein fakultativ. Abweichende Bedingungen können verwendet werden. Anmerkung: Die Formulierungen des beigefügten Dokuments passen ausschließlich für das Invitatio-Verfahren und nur für den Fall, dass der Versicherer bereits ab Zugang der Anfrage vorläufigen Versicherungsschutz gewährt. Wählt der Versicherer das Antragsver-
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Es kann auch ein Betrag bis zur Höhe des Beitrages für die Zeit vom Beginn des vorläufigen Versicherungsschutzes bis zum Ende des
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Monats gewählt werden, in dem der Versicherungsfall eintritt.
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Anhang
Anh. §§ 49 ff.
fahren, sind die entsprechenden Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung für das Antragsverfahren einschlägig. Wählt der Versicherer einen anderen Zeitpunkt für den Beginn des vorläufigen Versicherungsschutzes, sind die Bedingungen entsprechend anzupassen.
Allgemeine Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde, mit den nachfolgenden Bedingungen wenden wir uns an Sie als Anfragenden und künftigen Versicherungsnehmer.
§1 Was ist vorläufig versichert? (1) Der vorläufige Versicherungsschutz erstreckt sich auf die für den Todesfall vorgesehen Leistungen der Versicherungsanfrage. Wenn Sie eine Versicherungsanfrage für eine Unfall-Zusatzversicherung gestellt haben, zahlen wir zusätzlich die Unfallversicherungssumme, wenn ein Unfall a) während der Dauer des vorläufigen Versicherungsschutzes eingetreten ist und b) innerhalb eines Jahres nach dem Unfalltage zum Tode der versicherten Person führt. (2) Aufgrund des vorläufigen Versicherungsschutzes zahlen wir einschließlich der Leistungen aus einer Unfall-Zusatzversicherung höchstens … Euro, auch wenn Ihre Versicherungsanfrage höhere Leistungen vorsieht. Diese Begrenzung gilt auch dann, wenn mehrere Versicherungsanfragen auf das Leben derselben Person bei uns gestellt worden sind.
§2 Unter welchen Voraussetzungen besteht vorläufiger Versicherungsschutz? Sofern nichts anderes vereinbart ist, ist Voraussetzung für den vorläufigen Versicherungsschutz, dass a) der in der Versicherungsanfrage vorgesehene Versicherungsbeginn nicht später als … nach der Unterzeichnung der Versicherungsanfrage liegt; b) uns eine Ermächtigung zum Beitragseinzug erteilt worden ist. Bei Vermögensbildungsversicherungen reicht es aus, wenn uns der „Antrag auf Überweisung vermögenswirksamer Leistungen durch den Arbeitgeber“ vorliegt; c) Sie das Zustandekommen der Hauptversicherung nicht von einer besonderen Bedingung abhängig gemacht haben; d) Ihre Versicherungsanfrage nicht von den von uns gebotenen Tarifen und Bedingungen abweicht; e) die versicherte Person bei Unterzeichnung der Versicherungsanfrage das … Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
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Abschnitt 5. Vorläufige Deckung
§3 Wann beginnt und endet der vorläufige Versicherungsschutz? (1) Der vorläufige Versicherungsschutz beginnt mit dem Tag, an dem Ihre Versicherungsanfrage bei uns eingeht, spätestens jedoch mit dem … Tag nach der Unterzeichnung der Versicherungsanfrage. (2) Soweit nichts anderes vereinbart ist, endet der vorläufige Versicherungsschutz, wenn a) der Versicherungsschutz aus der Hauptversicherung begonnen hat; b) Sie Ihre Vertragserklärung angefochten oder zurückgenommen haben; c) Sie von Ihrem Widerrufsrecht nach § 8 VVG Gebrauch gemacht haben; d) Sie uns mitteilen, dass Sie am Abschluss der Hauptversicherung kein Interesse mehr haben; e) der Einzug des Einlösungsbeitrages aus von Ihnen zu vertretenden Gründen nicht möglich war oder dem Einzug widersprochen worden ist, sofern wir Sie durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge aufmerksam gemacht haben. (3) Jede Vertragspartei kann den Vertrag über den vorläufigen Versicherungsschutz ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Unsere Kündigungserklärung wird jedoch erst nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang bei Ihnen wirksam.
§4 In welchen Fällen ist der vorläufige Versicherungsschutz ausgeschlossen? (1) Unsere Leistungspflicht ist ausgeschlossen für die Versicherungsfälle aufgrund von Ursachen, nach denen in der Versicherungsanfrage gefragt ist und von denen die versicherte Person vor ihrer Unterzeichnung Kenntnis hatte, auch wenn diese in der Versicherungsanfrage angegeben wurden. Dies gilt nicht für Umstände, die für den Eintritt des Versicherungsfalls nur mitursächlich geworden sind. (2) Bei vorsätzlicher Selbsttötung der versicherten Person besteht Versicherungsschutz nur dann, wenn uns nachgewiesen wird, dass die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist. (3) Bei Ableben der versicherten Person in unmittelbarem und mittelbarem Zusammenhang mit kriegerischen Ereignissen oder inneren Unruhen entfällt unsere Leistungspflicht, wenn die versicherte Person auf Seiten der Unruhestifter teilgenommen hat. (4) Bei Ableben der versicherten Person in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit dem vorsätzlichen Einsatz von atomaren, biologischen oder chemischen Waffen oder dem vorsätzlichen Einsatz oder der vorsätzlichen Freisetzung von radioaktiven, biologischen oder chemischen Stoffen entfällt unsere Leistungspflicht, sofern der Einsatz oder das Freisetzen darauf gerichtet sind, das Leben einer Vielzahl von Personen zu gefährden.
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§5 Was kostet Sie der vorläufige Versicherungsschutz? Für den vorläufigen Versicherungsschutz erheben wir zwar keinen besonderen Beitrag. Erbringen wir aber Leistungen aufgrund des vorläufigen Versicherungsschutzes, behalten wir ein Entgelt ein. Das Entgelt entspricht dem Beitrag für einen Beitragszahlungsabschnitt. Bei Einmalbeitragsversicherungen ist dies der einmalige Beitrag. Wir berechnen Ihnen jedoch nicht mehr als den Tarifbeitrag für die Höchstsumme gemäß § 1 Abs. 2. Bereits gezahlte Beträge rechnen wir an.1 Bemerkung Bei Tarifen, bei denen im Leistungsfall der Beitrag für das erste Versicherungsjahr des beantragten Versicherungsvertrages zu zahlen ist, lautet § 5 wie folgt: „Für den vorläufigen Versicherungsschutz erheben wir zwar keinen gesonderten Beitrag. Erbringen wir aber Leistungen aufgrund des vorläufigen Versicherungsschutzes, behalten wir ein Entgelt ein. Das Entgelt entspricht dem Beitrag für das erste Versicherungsjahr des beantragten Versicherungsvertrages. Bei Einmalbeitragsversicherungen ist dies der einmalige Beitrag. Wir berechnen jedoch nicht mehr als den Tarifbeitrag für die Höchstsumme gemäß § 1 Abs. 2. Bereits gezahlte Beträge rechnen wir an.“
§6 Wie ist das Verhältnis zur Hauptversicherung und wer erhält die Leistungen aus dem vorläufigen Versicherungsschutz? (1) Soweit in diesen Bedingungen nichts anderes bestimmt ist, finden die Allgemeinen und Besonderen Bedingungen für die Hauptversicherung Anwendung, einschließlich derjenigen für eine Unfall-Zusatzversicherung, soweit für diese eine Versicherungsanfrage gestellt wurde. Dies gilt insbesondere für die dort enthaltenen Einschränkungen und Ausschlüsse. Eine Überschussbeteiligung erfolgt jedoch nicht. (2) Haben Sie in der Versicherungsanfrage ein Bezugsrecht benannt, gilt dieses auch für die Leistungen aus dem vorläufigen Versicherungsschutz.
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Es kann auch ein Betrag bis zur Höhe des Beitrages für die Zeit vom Beginn des vorläufigen Versicherungsschutzes bis zum Ende des
Monats gewählt werden, in dem der Versicherungsfall eintritt.
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Abschnitt 6 Laufende Versicherung Vorbemerkungen zu §§ 53 bis 58 Schrifttum Ahrens Die Gefahrdeckung in der deutschen und englischen Seeversicherung, Diss. Hamburg 1957; Alff Fracht-, Lager- und Speditionsrecht, 2. Aufl. (1991); v. Ammon Betrachtungen zur Kreditversicherung, VersR 1978 1086; Basedow Der Transportvertrag (1987); Berliner Kommentar/Schauer Vorbem. zu §§ 49–68a; Berliner Einheitsversicherung und laufende Versicherung, Jur. Rundschau für die Privatversicherung 1931 249; Bruck Privatversicherungsrecht (1930); Bruck Versicherungsvertrag, 6. Aufl. (1929); Bruck Zum Begriff des Interesses im Versicherungsrecht, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben 1929; Ehlers Auswirkungen der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) auf das Transportversicherungsrecht, TranspR 2007 5; Ehrenberg Die gesetzliche Regelung der laufenden Versicherung, ZVersWiss 1903 203; Ehrenberg Versicherungsrecht Bd. 1 (1893); Ehrensperger Der laufende Versicherungsvertrag in der Seetransportversicherung, besonders seine Rechtsnatur, Diss. Zürich 1944; Ehrenzweig Deutsches (Österreichisches) Versicherungsvertragsrecht (1952); Enge Erläuterungen zu den ADS Güterversicherung 1973 und dazugehörigen DTV-Klauseln (1973); ders. Transportversicherung, 2. Aufl. (1987); Gerhard/Hagen Kommentar zum Deutschen Reichsgesetz über den Versicherungs-Vertrag (1908); Hagen Das Versicherungsrecht, Bd. 8, II. Abteilung des Handbuchs des gesamten Handelsrechts, hrsg. von Ehrenberg, (1922); Hagen Seeversicherungsrecht, 1938; Helberg Prämienzahlung bei Generalpolicen der Transportversicherung, VW 1950 32; Herzog Die Praxis der Transport-Versicherung, (1909); Jansen Die Versicherung von Messegut, Diss. Köln 1973; Kisch Handbuch des Privatversicherungsrechts, Bd. II + III (1920/1922); Kluge Die von Haus-zu-Haus-Klauseln in der Seeversicherung unter Mitberücksichtigung des englischen und des französischen Rechts, Diss. Hamburg 1959; Koller Transportrecht, 2. Aufl. (1992); v. Kottwitz Die laufende Versicherung, Diss. Hamburg 1976; Krien/Hay Die Allgemeinen Deutschen Spediteur Bedingungen (ADSp) (1959); Langheid Die laufende Versicherung, in: FS für J. Wälder (2009) 23; Lensing Die Ausstellungsversicherung unter besonderer Berücksichtigung des Messewesens, Diss. Karlsruhe 1991; Lewis Lehrbuch des Versicherungsrechts (1889); Manes Versicherungswesen, 2. Bd.: Güterversicherung, 5. Aufl. (1931); Martin A., Montageversicherung (1972); Martin H., Die „Maxima“ in der Transport- und Lager-Versicherung, in: Versicherungspraxis 1928 47; Martin H., Die Bedeutung der Versicherungsanmeldung bei laufenden Policen und bei Mantelverträgen, in: Versicherungspraxis 1935 99; Möhrle Laufende Versicherung, Diss. Hamburg 1994; Moldenhauer Die laufende Versicherung, Diss. Göttingen 1899; Möller Die Transportversicherung bei aufeinanderfolgender Land-, See- und/oder Luftbeförderung, in: Sonderdruck aus den Deutschen Landesreferaten zum III. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in London 1960 588; Mürl Die laufende Versicherung, Diss. Erlangen 1929; Pörschke Die private Ausfuhrkreditversicherung, Diss. Karlsruhe 1991; Prölss/Martin/Kollhosser Rn 10 ff zu § 187; Ritter/ Abraham Das Recht der Seeversicherung, 2. Aufl. (1967); Schlegelberger Seeversicherungsrecht (1960); Schuhmacher Die Versicherung des Lagergeschäfts, Diss. Karlsruhe 1988; Seidel Die Deklarationspflicht bei der laufenden Transportversicherung, Diss. Berlin 1967; Sieg Allgemeines Versicherungsvertragsrecht, 2. Aufl. (1988); Sieg Neuere Aspekte der vorläufigen und der Rahmen-Versicherungsverhältnisse, in: VersR 1986 929; Thume/de la Motte/Müller-Rostin Transportversicherungsrecht (2004); Ulrich Allgemeine Deutsche Seeversicherungs-Bedingungen (1922); Werber Die Gefahrerhöhung im deutschen, schweizerischen, französischen, italienischen, schwedischen und englischen Versicherungsvertragsrecht (1967).
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Vor §§ 53–58
Abschnitt 6. Laufende Versicherung
Übersicht Rn. A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . .
Rn.
1 1
II. Entwicklungsgeschichte . . . . . . . . . B. Inhalt und Zweck der Regelung . . . . .
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A. Einführung I. Gesetzgebungsgeschichte 1
Das VVG in seiner Fassung vom 30.5.1908 bestimmte in § 187: § 187 i.d.F. 1908 [1] Die in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen der Vertragsfreiheit bleiben bei der Transportversicherung von Gütern, bei der Kreditversicherung, der Versicherung gegen Kursverluste, und der Versicherung gegen Arbeitslosigkeit außer Anwendung. [2] Das Gleiche gilt von einer Schadensversicherung, die in der Weise genommen wird, dass die versicherten Interessen bei der Schließung des Vertrages nur der Gattung nach bezeichnet und erst nach ihrer Entstehung dem Versicherer einzeln aufgegeben werden (laufende Versicherung).
2
Eine weitergehende gesetzliche Regelung der laufenden Versicherung im Einzelnen sah das VVG 1908 nicht vor. Mit Art. 2 Nr. 8 des 2. Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG vom 28.6.1990 (BGBl. I S. 1249) wurde als Folge der Einführung der Großrisiken und der sich nach Artt. 7 ff EGVVG für sie ergebenden Rechtswahlfreiheit § 187 VVG neu gestaltet: § 187 i.d.F. 1990 Die in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen der Vertragsfreiheit sind auf die in Art. 10 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Gesetz über das Versicherungsvertragsgesetz genannten Großrisiken nicht anzuwenden.
Der Gesetzgeber glaubte damit auch den bisherigen Regelungsgehalt des § 187 Abs. 2 VVG für die laufende Versicherung abgedeckt zu haben.1 Er übersah dabei, dass die Bestimmung einen terminus legalis der laufenden Versicherung enthielt und die Anmeldung der zu versichernden Einzelrisiken zur gesetzlichen Rechtspflicht machte.2 Mit der Aufnahme der laufenden Versicherung in das VVG 2008 stellt das Gesetz 4 wieder eine Legaldefinition der laufenden Versicherung zur Verfügung und macht die Anmeldung der versicherten Einzelrisiken zur gesetzlichen Rechtspflicht. Abweichend von der Urfassung im VVG 1908 und von § 56 des Kommissionsentwurfs3 sprechen der Regierungsentwurf in § 55 und das Gesetz in § 53 nur im Singular von einem der Gattung nach bezeichneten versicherten Interesse und verkennen dabei, dass es gerade zum Wesen der laufenden Versicherung gehört, unter der Gattungsbezeichnung eine Mehrzahl versicherter Interessen zu erfassen.
3
II. Entwicklungsgeschichte 5
Die bisher im Gesetz im Einzelnen nicht geregelte laufende Versicherung ist in der Hauptsache die Versicherung künftig entstehender Interessen. Ihre ältesten historischen Beispiele stammen aus der Seeversicherung und hatten die Versicherung von Warentrans1 2
Begr. zu Art. 2 Nr. 8 BTDrucks. 11/6341 S. 37. Bruck6 Rn. 8 zu § 187.
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3
KomE S. 219.
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Vorbemerkungen
Vor §§ 53–58
porten in unbekannten Schiffen zum Gegenstand. Eine genuesische Notariatsurkunde vom 9.3.1350 versichert Güter für eine Reise von Genua nach Sluys in den Niederlanden mit dem Recht der Umladung in unbestimmte Schiffe in Cadiz oder Lissabon.4 Auch das Königl.-Preußische Seerecht vom 1.12.1727 erkannte an, dass es Umstände geben konnte, unter denen der Versicherte nicht wissen konnte, in welches Schiff die Güter verladen würden.5 §§ 2080 – 2083 II 8 ALR übernahmen die Regelung und verbanden sie mit einer durch Prämienverdoppelung sanktionierten Deklarationspflicht bezüglich der später bekannt gewordenen Schiffsangaben. § 817 HGB in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung regelte seit 1897 in deutscher Gesetzgebung die Versicherung von Gütern in bestimmten oder unbenannten Schiffen. Spätestens im 19. Jhd. wurde daraus auch eine Versicherung für unbestimmte Güter, wofür seit je ein besonderes Interesse etwa wegen einer Versicherung für etwaige Retouren bestand. Der Gesetzgeber des VVG 1908 war sich bewusst, dass der Anwendungsbereich der 6 laufenden Versicherung damals zwar über die Transport- und die Rückversicherung hinaus reichte, ging aber, wie sich den Motiven entnehmen lässt, davon aus, dass sie nur im Handelsverkehr Bedeutung habe und deshalb die Befreiung von den Beschränkungen der Vertragsfreiheit nach dem VVG gerechtfertigt sei. Zur Begründung von 187 Abs. 2 VVG heißt es: „Soweit es sich lediglich um die Transport- und die Rückversicherung handelt, bedarf die Form der laufenden Versicherung einer näheren Regelung nicht. Es genügt, dass die Beteiligten freie Hand haben, die Versicherung so zu gestalten, wie es der Lage der Sache entspricht. Die laufende Versicherung ist indessen nicht ausschließlich für jene Versicherungszweige verwendbar; sie kann namentlich auch bei der Feuerversicherung, insbesondere bei der Versicherung von Waren, die in einem Lagerhaus aufbewahrt werden, Anwendung finden. Auch hier wird sie aber in der Regel nur für größere Unternehmungen sich verwerten lassen, deren Leiter der Geschäftserfahrung nicht entbehren. Hier kann es wiederum den Parteien überlassen werden, die Bestimmungen zu vereinbaren, welche der Eigenart der betreffenden Versicherungsverhältnisse entsprechen. Dem Entwurfe verbleibt daher nur die Aufgabe, für diese Verhältnisse gleichfalls die Schranken zu beseitigen, die er sonst der Vertragsfreiheit zieht“.6
B. Inhalt und Zweck der Regelung Der Kommissionsbericht hat die 1990 erfolgte ersatzlose Streichung von § 187 Abs. 2 7 VVG 1908 als nicht sachgerecht bezeichnet.7 Die laufende Versicherung zeichnet sich dadurch aus, dass die bei Vertragsschluss nur der Gattung nach bezeichneten zu versichernden Interessen erst später entstehen und erst dann dem VR einzeln aufgegeben werden können und aufgegeben werden müssen. § 53 enthält eine Legaldefinition der laufenden Versicherung, die auf der Rechtspflicht zur Anmeldung der Einzelrisiken beruht, für die unter einer laufenden Versicherung Versicherungsschutz gewährt werden soll. Die Besonderheit der laufenden Versicherung liegt darin, dass das versicherte Interesse sich regelmäßig in der Geschäftsbeziehung zwischen dem VN und einem Dritten, insbesondere dessen Kunden verwirklicht und der VR darauf nur mittelbar Einfluss ausüben kann. Sowohl die unterschiedliche Interessenlage von VR und VN in Bezug auf den Kunden
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5
Bensa Il contratto di assicurazione nel medio evo (1884) 196; Ritter/Abraham Rn. 3 zu § 97 ADS. Ritter/Abraham Rn. 4 zu § 97 ADS.
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Zitiert nach Hagen, Versicherungsrecht § 157 S. 344. KomE S. 57.
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§ 53
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des VN als auch der Umstand, dass bei der laufenden Versicherung die Sach- und Rechtslage bezüglich eines versicherten Einzelrisikos nicht notwendiger Weise identisch mit der Sach- und Rechtslage zum Mantelvertrag ist, erfordern für die laufende Versicherung eine von den Bestimmungen des Allgemeinen Teils, insbesondere der §§ 19–32 ff. abweichende Regelung, die in ihren Grundzügen im 6. Abschnitt des Allgemeinen Teils festzulegen war. Die Dreiecksbeziehung zwischen VN, VR und Drittem macht deutlich, dass die laufende Versicherung Ursprung und Bedeutung aus dem Handelsverkehr bezieht, weshalb es auch gerechtfertigt war und ist, die laufende Versicherung in § 210 von den Beschränkungen der Vertragsfreiheit nach dem VVG freizustellen. Die Notwendigkeit zur Regelung in § 210 ergibt sich aus dem Umstand, dass laufende 8 Versicherungen auch über andere Risiken – etwa als Flottenversicherungen im KfzBereich oder in der Verkehrshaftungsversicherung – als die in Art. 10 EGVVG benannten Großrisiken genommen werden können, nicht jeder VN einer laufenden Versicherung die zur freien Rechtswahl berechtigenden Größenkriterien des Art. 10 Abs. 1 Nr. 3 EGVVG erfüllt und diese VN über die Regelungen der § 53–58 hinaus zur freien Vertragsgestaltung und Rechtswahl berechtigt sein sollen. § 210 stellt somit für alle laufenden Versicherungen den bis 1990 geltenden Rechtszustand wieder her. Die Aufnahme eines Abschnitts über laufende Versicherungen im Allgemeinen Teil ist 9 sinnvoll und zweckmäßig. Der Standort der knappen Bestimmung im VVG 1908 in den Schlussvorschriften des Gesetzes verdeckte, dass über die Befreiung laufender Versicherungen von den Beschränkungen der Vertragsfreiheit nach dem VVG die Bestimmung auch eine Legaldefinition dieses Instituts enthielt. Auch wenn generell für laufende Versicherungen nach Maßgabe des § 210 Vertrags10 freiheit besteht, unterliegen ihre Versicherungsbedingungen jedoch der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Um deutlich zu machen, dass das neue Regelungskonzept über die Rechtsfolgen von Anzeigepflichtverletzungen, Gefahrerhöhungen und Obliegenheitsverletzungen der §§ 19–28 nicht uneingeschränkt als gesetzliches Leitbild Auslegungsmaßstab für laufende Versicherungsbedingungen sein soll, enthalten die §§ 56–58 Sondervorschriften, die aber innerhalb der durch die allgemeine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB gezogenen Grenzen abbedungen werden können. Weichen sie von gesetzlichen Leitbildern ab, können sie nach AGB-Grundsätzen unwirksam sein.
§ 53 Anmeldepflicht Wird ein Vertrag in der Weise geschlossen, dass das versicherte Interesse bei Vertragsschluss nur der Gattung nach bezeichnet und erst nach seiner Entstehung dem Versicherer einzeln aufgegeben wird (laufende Versicherung), ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, entweder die versicherten Risiken einzeln oder, wenn der Versicherer darauf verzichtet hat, die vereinbarte Prämiengrundlage unverzüglich anzumelden oder, wenn dies vereinbart ist, jeweils Deckungszusage zu beantragen.
Schrifttum s. die Angaben vor Vorbemerkungen zu §§ 53–58.
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Anmeldepflicht
§ 53
Übersicht Rn. A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . B. Begriff und Erscheinungsformen der laufenden Versicherung . . . . . . . . . . I. Begriff und Definition . . . . . . . . . . II. Ausgestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . 1. Unterscheidung nach obligatorischen und fakultativen Risiken . . . . . . . a) Obligatorische laufende Versicherung . . . . . . . . . . . . . . b) Fakultative laufende Versicherung . aa) Aktive fakultative laufende Versicherung . . . . . . . . . . . bb) Passive fakultative laufende Versicherung . . . . . . . . . . . 2. Deckungsformen . . . . . . . . . . . a) Generalpolice . . . . . . . . . . . b) Abschreibepolice . . . . . . . . . .
Rn.
1 2 2 7
C. I. II.
7 8 9 10 D. 11 12 13 14
E. F.
c) Umsatzpolice . . . . . . . . . . . . d) Pauschalpolice . . . . . . . . . . . e) Summenpolice . . . . . . . . . . . Versicherungsgegenstand . . . . . . . . . Versichertes Interesse . . . . . . . . . . . Gattung der versicherten Interessen . . . . 1. Transportversicherung . . . . . . . . . a) §§ 97 und 98 ADS . . . . . . . . . b) DTV-Bestimmungen für die laufende Versicherung . . . . . . . . . . . . 2. Kreditversicherung . . . . . . . . . . 3. weitere Anwendungsfälle . . . . . . . Vertragsbeginn, Versicherungsschutz und Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsnatur, Inhalt und Zeitpunkt der Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . Prämienberechnung . . . . . . . . . . . .
15 16 17 18 18 23 24 24 26 28 30 31 34 40
A. Einführung § 53 nimmt den Regelungsgehalt der ursprünglichen Bestimmung aus § 187 Abs. 2 1 VVG 1908 wieder auf, die irrtümlicherweise im Zusammenhang mit der seit 1. Juli 1990 durch die Neufassung von § 187 VVG geltenden Befreiung aller in Art. 10 Abs. 1 EGVVG benannten Großrisiken von den Beschränkungen der Vertragsfreiheit nach dem Versicherungsvertragsgesetz als überholt angesehen und deshalb aufgehoben wurde.1 Anders als § 187 Abs. 2 VVG 1908, der nur davon spricht, dass die mit einer laufenden Versicherung versicherten Interessen nach ihrer Entstehung einzeln aufgegeben werden, verpflichtet die neue Vorschrift den VN ausdrücklich zu deren Anmeldung.
B. Begriff und Erscheinungsformen der laufenden Versicherung I. Begriff und Definition Der Begriff „laufende Versicherung“ ist ein terminus legalis und bezeichnet die 2 Rechtsform einer in der Schadenversicherung gebräuchlichen Versicherungstechnik zur Versicherung im Geschäftsverkehr wiederkehrender kaufmännisch-gewerblicher Risiken. Sie wird vom VN für im Rahmen seines Geschäftsbetriebes entstehende Risiken genommen, für die er nach kaufmännischen Grundsätzen Versicherung zu nehmen hat. Sie ist in der Regel eingebettet in auf eine gewisse Dauer angelegte Geschäftsbeziehungen des VN zu Dritten und verpflichtet die Vertragsparteien des Versicherungsverhältnisses in besonderem Maße auf das für den kaufmännischen Geschäftsverkehr geltende Treueprinzip. Die laufende Versicherung ist die Versicherung gegebenenfalls gegenwärtiger, der 3 Hauptsache nach aber künftig entstehender und der Gattung nach bezeichneter Interessen, die bei materiellem Versicherungsbeginn jedoch vorhanden sind und Versicherungsschutz durch die Anmeldung (Deklaration, Aufgabe, Anzeige) beim VR erlangen, wobei
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S. BTDrucks. 11/6341 S. 37 – (Zu Nr. 8 – § 187 VVG).
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die Anmeldung keine Obliegenheit oder Anspruchsvoraussetzung, sondern als empfangsbedürftige Tatsachenerklärung eine Verbindlichkeit des VN ist. Dabei gibt die Bezeichnung „laufende Versicherung“ die Eigenart dieser Versicherungsform in bezeichnender Weise wieder: sie „läuft“ und erfasst für die Dauer einer bestimmten Periode alle der Risikobeschreibung entsprechenden Interessen. Im englischen Recht und im internationalen Wirtschaftsverkehr ist die laufende Ver4 sicherung als ‚open oder floating policy‘ geläufig und wird wie folgt definiert: A floating policy is a policy which describes the insurance in general terms, and leaves the indication of the particulars to be defined by subsequent declaration. Der VR verspricht bei Abschluss des Vertrages für die während dessen Laufzeit ent5 stehenden und ihm aufgegebenen Einzelrisiken Versicherungsschutz zu gewähren. Die Laufzeit kann entweder periodisch oder summenmäßig bestimmt werden. Die laufende Versicherung deckt nicht immer und nicht ausschließlich das eigene 6 Interesse des VN. Besonders in der Transportversicherung bei der Versicherung durchstehender Risiken bezieht sich die laufende Versicherung häufig auf fremde Interessen, auf deren Rechnung sie auch genommen werden kann.
II. Ausgestaltungsmöglichkeiten 1. Unterscheidung nach obligatorischen und fakultativen Risiken
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Laufende Versicherungen können sowohl als obligatorische als auch als fakultative laufende Versicherungen genommen werden.2
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a) Obligatorische laufende Versicherung. Obligatorisch ist eine laufende Versicherung, wenn der Vertrag verbindlich bestimmt, welche Risiken von ihm erfasst sein sollen und die Parteien bei Entstehen dieser Risiken nicht die Freiheit haben, sie von der Anwendung des Vertrages auszuschließen. Das Entstehen des Risikos begründet die Anmeldepflicht für den VN, der VR erwirbt den Prämienanspruch. Die obligatorische laufende Versicherung regelt für beide Seiten abschließend den Umfang des durch die Versicherung gewährten Versicherungsschutzes.
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b) Fakultative laufende Versicherung. Fakultativ ist eine laufende Versicherung, wenn vereinbart ist, dass nicht jedes nach der Police gedeckte Risiko ohne weiteres versichert sein soll. Insoweit ist der Vertrag unter einer auflösenden oder aufschiebenden Bedingung abgeschlossen. Es ist deshalb falsch, die fakultative laufende Versicherung als Rahmenvertrag zu charakterisieren, der noch keine umfassende Regelung von Rechten und Pflichten der Parteien erfasse.3 Es handelt sich auch bei der fakultativen laufenden Versicherung um einen einheitlichen Vertrag, der jedoch einzelne Segmente unter eine auflösende oder aufschiebende Bedingung stellt. Je nach Ausgestaltung der Bedingung handelt es sich aus Sicht des VN um eine aktive fakultative laufende Versicherung oder eine
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Hagen Versicherungsrecht § 158 348; Ritter/ Abraham § 97 ADS Rn. 13; Schlegelberger Seeversicherungsrecht (1960) § 97 ADS Rn. 2; Berliner Kommentar/Schauer Vorbem. zu §§ 49–68a Rn. 58. So Möhrle Laufende Versicherung (1994) 21;
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Berliner Kommentar/Schauer Vorbem. zu §§ 49–68a; so wohl auch Langheid Die laufende Versicherung, FS Wälder, S. 25; wie hier: Bruck/Möller/Möller8 § 1 Rn. 85; Ehrenzweig S. 22 f.; RG 28.2.1917 RGZ 90, 5, 8 f.
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passive laufende Versicherung: entweder erklärt der VN, dass er für ein bestimmtes Risiko keine Deckung begehrt, oder der VR erteilt Deckungszusage für die angemeldeten Risiken. aa) Aktive fakultative laufende Versicherung. Hat sich der VN im Vertrag vorbehal- 10 ten, für einzelne nach der Risikobeschreibung der Police gedeckte Risiken keinen Versicherungsschutz in Anspruch zu nehmen, so verzichtet er mit Unterlassen der Anmeldung auf deren Versicherung. Es handelt sich insoweit um eine negative Einwirkung auf den in der laufenden Versicherungspolice beschriebenen Versicherungsumfang. Dem VN wird mit dem Vertrag das Recht eingeräumt, den Versicherungsumfang zu reduzieren. Der Rechtsnatur nach handelt es sich hierbei um eine auf ein Einzelrisiko einer laufenden Versicherung bezogene auflösende Bedingung. Diese Vertragsgestaltung, die in der Form von Umsatz- oder Abschreibepolicen gebräuchlich ist, erfordert jedoch hinsichtlich der Anmeldung der versicherten Risiken besondere Sorgfalt durch den VN; eine schadlose Nachmeldung nach Eintritt des Versicherungsfalls wegen fahrlässigen früheren Unterlassens der Anmeldung scheidet aus. bb) Passive fakultative laufende Versicherung. Hat sich der VR im Vertrag vorbehal- 11 ten, in vorab definierten Fällen – im Einzelfall oder generell – Versicherungsschutz nur auf ausdrückliche Deckungszusage hin zu gewähren, handelt es sich aus Sicht des VN um eine passive fakultative laufende Versicherung. Hierbei handelt es sich um eine aufschiebende Bedingung: Versicherungsschutz wird konstitutiv erst mit der Deckungszusage des VR begründet. Für diese Form der Vertragsgestaltung besteht ein besonderes Bedürfnis in der Kredit- und in der Transportversicherung. In der Kreditversicherung kann der VN mangels Kenntnis seiner künftigen Kreditschuldner bei Vertragsschluss dem VR nicht alle zur Übernahme der Gefahr erheblichen Umstände anzeigen; erst nach Aufgabe des Einzelrisikos kann der VR die Bonität des Kreditschuldners und die für die Übernahme der Gefahr erheblichen Umstände bewerten. In der Transportversicherung kann sich der VR etwa vorbehalten, bei Transporten in Krisengebiete und zu Krisenzeiten Versicherungsschutz nur auf Grund von Deckungszusagen zu gewähren. Die Vereinbarung einer Deckungszusage ist ihrer Rechtsnatur nach eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit von Vertrag und Versicherungsschutz in Bezug auf das Einzelrisiko. 2. Deckungsformen Je nach der Interessenlage des VN und der Art seiner Geschäftstätigkeit wird die 12 Deckung für die versicherten Interessen in unterschiedlichen Policen vereinbart: Generalpolicen, Abschreibepolicen, Umsatzpolicen und Pauschalpolicen. Die Generalpolice (englisch: open policy oder open cover) ist die eigentliche und ur- 13 sprüngliche Form der laufenden Versicherung. Sie verpflichtet den VN sämtliche in der Police bezeichneten Risiken zur Versicherung anzumelden und den VR sie zu den in der Generalpolice vereinbarten Bedingungen zu versichern. Es ist üblich für einzelne von der Police erfasste Risiken Höchstversicherungssummen zu vereinbaren. Die Abschreibepolice (englisch: declaration policy oder policy with sunset clause) ist 14 in heutiger Zeit eher weniger in Gebrauch. Es handelt sich um eine Unterart der Generalpolice. Im Bereich der Transportversicherung und der Kreditversicherung werden hierbei Versicherungssummen vereinbart, von der die Versicherungssummen der einzelnen Warentransporte oder kreditierten Warenlieferungen abgeschrieben werden. Die im Voraus zahlbare Prämie bestimmt sich nach der vereinbarten Abschreibesumme, sobald diese aufgebraucht ist, kann sie gegen erneute Prämienzahlung erneuert werden.
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Die Umsatzpolice (englisch: turnover policy) ist dazu bestimmt die Prämienberechnung zu erleichtern. Grundlage ist der Umsatz des VN. In der Transportversicherung wird der VN mit der Umsatzpolice verpflichtet, sämtliche in der Umsatzpolice bezeichneten Transporte zur Versicherung anzumelden (Umsatzmeldung) und der VR sie zu den in der Umsatzpolice vereinbarten Bedingungen zu versichern, auch wenn der zunächst festgelegte mutmaßliche Umsatz überschritten wird. Der VN ist von der Anmeldung der einzelnen Transporte befreit, jedoch verpflichtet, dem VR den Umsatz, der den versicherten Transporten entspricht, zu melden. Auf den mutmaßlichen Umsatz wird eine vorläufige Prämie berechnet. Die endgültige Abrechnung erfolgt aufgrund der Umsatzmeldung. Ergibt sich daraus ein Saldo zugunsten des VNs, so wird ihm dieser Saldo zurückerstattet; im umgekehrten Fall wird die entsprechende Mehrprämie erhoben. Die Pauschalpolice (englisch: blanket policy oder floating policy) gewährt während 16 der Versicherungsdauer Versicherungsschutz für die im Vertrag bezeichneten Risiken gegen Entrichtung einer Pauschalprämie, ohne den VN zu verpflichten, die einzelnen Risiken jeweils anzumelden; sie berechtigt aber den VR, die auf die versicherten Risiken bezogenen Unterlagen des VN zu prüfen. Grundlage für die Prämienberechnung sind die Angaben des VN. Bei der Warentransportversicherung kann die Pauschalpolice etwa ohne Einzelanmeldung pauschalen Versicherungsschutz für alle Transporte in einem bestimmten Zeitraum und innerhalb des vereinbarten Bereichs in Höhe der Versicherungssumme gewähren. Der Regierungsentwurf spricht in der Begründung zu § 55 u.a. von Summen- oder 17 Abschreibepolicen.4 Bei dem Terminus „Summenpolice“ ist nicht eine unter dem Prinzip der abstrakten Bedarfsdeckung geschlossene Summenversicherung zu verstehen, wie sie etwa in der Personenversicherung geläufig ist, sondern eine Limitierung des Versicherungsschutzes mittels Versicherungssumme wie sie für die Abschreibepolice typisch ist.
C. Versicherungsgegenstand I. Versichertes Interesse 18
§ 53 bezeichnet als Gegenstand der laufenden Versicherung das nur der Gattung nach bezeichnete und erst nach Entstehung aufzugebende Interesse. Die im Wortlaut des § 53 liegende Beschränkung auf ‚das‘ versicherte Interesse einer laufenden Versicherung kann nur mit einem auf dogmatischer Unsicherheit beruhenden Redaktionsversehen erklärt werden. § 187 Abs. 2 VVG 1908 ebenso wie § 55 des Kommissionsentwurfs5 sprechen zutreffend von einer Mehrzahl in einer laufenden Versicherung zu versichernden und der Gattung nach bezeichneten Interessen. In der Seeversicherung, in der sich als erster Versicherungsart das Bedürfnis nach lau19 fender Versicherung verwirklichte,6 hatte bereits § 1 Abs. 1 ADS 1867 und der durch die VVG-Reform7 aufgehobene § 778 HGB jedes in Geld schätzbare Interesse als versicherbares Interesse bezeichnet, das jemand daran hat, dass Schiff oder Ladung die Gefahren der Seefahrt besteht. § 779 Abs. 1 HGB listete beispielhaft auf als versicherbare Interessen der Seeversicherung das Schiff, die Fracht, Überfahrtsgelder, Güter, Bodmereigelder, Havariegelder, andere Forderungen, zu deren Deckung Schiff, Fracht, Überfahrtgelder
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RegE S. 75. KomE S. 219.
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S. oben Rn. 5 zu Vorbem zu §§ 53–58. Art. 4 ReformG BGBl. I S. 2631, 2668.
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oder Güter dienen, den von der Ankunft der Güter am Bestimmungsort erwarteten (imaginären) Gewinn, die zu verdienende Provision und das Rückversicherungsrisiko. Das verdeutlicht, dass die Seeversicherung entsprechend dem Grundsatz der Universalität der Gefahren Allgefahrendeckung gewährt. In der Transportversicherung erfasst die Einzelversicherung mit Allgefahrendeckung eine Mehrzahl versicherter Interessen. Das versicherte Einzelinteresse in einer laufenden Versicherung erfasst nicht nur der 20 Gattung nach zu bezeichnende versicherte Gegenstände, sondern auch das in Geld abschätzbare Interesse, die Beziehung zu dem versicherten Gegenstand.8 Bei Abschluss des Vertrages ist das Interesse ungewiss, weil nicht feststeht, ob und wann es entsteht; es soll aber versichert sein, wenn es entsteht. Da die laufende Versicherung dazu bestimmt ist, in einem Vertrag eine Mehrzahl selb- 21 ständig versicherbarer wiederkehrend entstehender Sachverhalte und geldwerter Interessen zu versichern, erfordert der Begriff der laufenden Versicherung entgegen dem Wortlaut des § 53 per definitionem eine Mehrzahl versicherter und der Gattung nach bezeichneter Interessen. Die laufende Versicherung deckt immer eine Mehrzahl künftig entstehender und bei Vertragsschluss nur der Gattung nach bezeichneter versicherter Interessen. Sie können bei Vertragsschluss nicht individuell, sondern nur generell bezeichnet werden und ihre Anmeldung (Deklaration, Aufgabe, Anzeige) kann erst nach ihrer Entstehung erfolgen. Keine laufende Versicherung im Sinne der §§ 53 ff. ist die Inbegriffsversicherung nach 22 § 89, denn sie versichert nicht künftig entstehende Interessen, sondern eine vorhandene Mehrheit von Sachen, die eine wirtschaftliche Einheit bilden wie ein Warenlager, eine Bibliothek, eine Herde oder einen Hausrat. Weder hebt hierbei eine vorübergehende Entfernung einer einzelnen Sache noch das Hinzukommen einer weiteren Sache die Zugehörigkeit zum Inbegriff auf. Demgegenüber bezieht sich die laufende Versicherung auf eine Mehrzahl eigenständiger versicherbarer Interessen und nicht wie die Inbegriffsversicherung auf eine durch Zweckverbundenheit als Einheit zu betrachtende Mehrheit von Sachen.
II. Gattung der versicherbaren Interessen Über die der Gattung nach bezeichneten versicherten Interessen erschließen sich Ver- 23 sicherungszweig und Versicherungsart, dem ein Vertrag über eine laufende Versicherung zuzuordnen ist. Die Fülle der Anwendungsfälle offenbart die Breite des Anwendungsbereichs dieser Versicherungsform.
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1. Transportversicherung Klassischer Anwendungsfall der laufenden Versicherung ist die Transportversicherung. Sie hat ihre bis in die Gegenwart hinein wirkende normative Ausgestaltung in den §§ 97 und 98 ADS 19199 erhalten: 8
9
Statt vieler: Bruck/Möller/Sieg8 § 49 Rn. 48. Im Übrigen ist zum Begriff des versicherten Interesses auf die Kommentierung zu §§ 74 und 80 ReformG zu verweisen. Diese Bestimmungen sind gemeinsam mit den §§ 80–99 ADS durch die Besonderen Bestimmungen für die Güterversicherung
(ADS-Güterversicherung 1973 in der Fassung 1984) aufgehoben worden und werden heute durch die DTV-Güterversicherungsbedingungen 2000/2008 (DTV-Güter 2000/2008) und die dazu gehörigen Bestimmungen für die laufende Versicherung ersetzt.
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§ 97 ADS 1919 Laufende Versicherung (1) Ist die Versicherung in der Weise genommen, dass die Güter bei der Schließung des Vertrages nur allgemein oder nur ihrer Art nach bezeichnet und erst nach Entstehung des Versicherungsinteresses dem Versicherer einzeln aufgegeben werden, so bezieht sich die Versicherung auf alle Güter oder auf alle Güter der im Vertrag bestimmten Art, für die der Versicherungsnehmer, sei es für eigene, sei es für fremde Rechnung, nach kaufmännischen Grundsätzen Versicherung zu nehmen hat. Sie bezieht sich insbesondere nicht auf solche Güter, für die der Versicherungsnehmer nur deshalb Versicherung zu nehmen hat, weil er sich hierzu einem Dritten gegenüber, sei es auch gegen Entgelt, verpflichtet hat. (2) Die Versicherung bezieht sich auch auf die in § 80 Nr. 3 bezeichneten Güter. Dem Versicherer gebührt jedoch für die Versicherung dieser Güter eine Zuschlagsprämie. (3) Der Versicherer ist verpflichtet, eine von ihm unterzeichnete Urkunde über die laufende Versicherung (laufende Police) dem Versicherungsnehmer auszuhändigen. Die laufende Police gilt nicht als Police im Sinne des Gesetzes und dieser Bedingungen; jedoch findet die Bestimmung des § 15 über die Genehmigung des Inhalts der Police auf sie entsprechende Anwendung. Ist die laufende Police abhanden gekommen oder vernichtet, so kann der Versicherungsnehmer von dem Versicherer die Ausstellung einer Ersatzurkunde verlangen, die Kosten hat der Versicherungsnehmer zu tragen. (4) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer auf Verlangen eine von ihm unterzeichnete Urkunde über die einzelne Aufgabe (Einzelpolice) auszuhändigen. Die Einzelpolice gilt als Police im Sinne des Gesetzes und dieser Bedingungen; jedoch findet die Bestimmung über die Genehmigung des Inhalts der Police auf sie keine Anwendung. (5) In Ansehung der Fälligkeit der Versicherungskosten tritt an die Stelle des Vertragsabschlusses der Beginn der Versicherung. (6) Der Versicherungsnehmer hat die Güter sobald wie möglich, insbesondere unverzüglich nachdem er von dem Beginn der Versicherung Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer aufzugeben und dabei den Versicherungswert sowie das zur Beförderung bestimmte oder dienende Schiff zu bezeichnen; dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Güter unbeschädigt abgeliefert sind und der Versicherungsnehmer erst nach der Ablieferung von der Versicherung Kenntnis erlangt. Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn nicht die Aufgabe rechtzeitig bewirkt ist; zur Erhaltung der Rechte des Versicherungsnehmers genügt die rechtzeitige Absendung der Aufgabe. Hat der Versicherungsnehmer die Güter vorsätzlich nicht oder nicht rechtzeitig aufgegeben oder hat er die Güter oder ihren Versicherungswert vorsätzlich unrichtig aufgegeben, so endigt die laufende Versicherung; dem Versicherer gebühren gleichwohl die Prämien, die ihm im Falle gehöriger Erfüllung des Vertrages zu zahlen gewesen wären. (7) Ist vereinbart, dass die Güter nur bis zu einem bestimmten Gesamtversicherungswerte mit einem Schiffe befördert werden dürfen, so bezieht sich die Versicherung nicht auf den höheren Wert. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die der Versicherung widersprechende Beförderung dadurch verursacht ist, dass an einem Umschlagplatze Güter zugeladen sind und der Versicherungsnehmer diesen Umstand nicht zu vertreten hat. (8) Werden die Güter in Schiffen minderwertiger als der im Vertrag bestimmten Art befördert, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Güter ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers in minderwertigen Schiffen befördert werden; dem Versicherer gebührt in diesem Falle eine Zuschlagsprämie. (9) Der Versicherer kann die laufende Versicherung, auch wenn sie für eine bestimmte Zeit genommen ist, nach dem Eintritt eines ihm zur Last fallenden Unfalls unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von vier Wochen kündigen. Das Recht erlischt, wenn der Versicherer es nicht, sobald er von dem Unfall und seinen Folgen Kenntnis erlangt, unverzüglich ausübt. Das Gleiche gilt für den Versicherungsnehmer, wenn die Versicherung für eine längere Zeit als die Dauer eines Jahres genommen ist und der Versicherungsfall nach Ablauf eines Jahres eintritt.
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(10) Ist vereinbart, dass der Versicherer für den aus einer Kriegsgefahr entstehenden Schaden haften soll, so kann jeder Teil die laufende Versicherung, auch wenn sie für eine bestimmte Zeit genommen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Tagen kündigen. Ist die laufende Versicherung auch für andere Gefahren genommen, so kann sie nur insoweit, als sie sich auf die Kriegsgefahr bezieht, gekündigt werden; im Falle der Kündigung vermindert sich die Prämie um den für die Versicherung gegen Kriegsgefahr bestimmten Betrag.
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§ 98 ADS 1919 Abschreibeversicherung Ist die laufende Versicherung für eine bestimmte Zeit und in der Weise genommen, dass von einer im Vertrag bestimmten Höchstversicherungssumme die einzelnen Versicherungssummen abgeschrieben werden (Abschreibeversicherung), so kann der Versicherer in Ansehung des nach dem Ablaufe der Zeit nicht abgeschriebenen Betrages die Ristornogebühr verlangen. Ist eine Zeit nicht bestimmt, so gilt die Abschreibeversicherung als für die Dauer eines Jahres genommen. Ist die Abschreibeversicherung für eine längere Zeit genommen, so vermindert sich die Höchstversicherungssumme mit dem Ablaufe eines jeden Jahres um den Betrag, der dem Verhältnis eines Jahres zu der ganzen Dauer der Abschreibeversicherung entspricht; in Ansehung des hiervon nicht abgeschriebenen Betrags kann der Versicherer die Ristornogebühr verlangen.
Gegenwärtig sind in der deutschen Transportversicherung vorzüglich die hierfür vor- 26 geschlagenen DTV-Güterversicherungsbedingungen für die laufende Versicherung 2000/ 2008 in Gebrauch: Bestimmungen für die laufende Versicherung Musterbedingungen des GDV
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1 Gegenstand der Versicherung 1.1 Die Versicherung bezieht sich auf Güter aller Art oder alle Güter der im Vertrag bestimmten Art, die vom Versicherungsnehmer nach kaufmännischen Grundsätzen für eigene oder fremde Rechnung zu versichern sind. Nicht versichert sind daher solche Güter, die der Versicherungsnehmer ohne eigenes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse nur deshalb zu versichern hat, weil er sich hierzu einem Dritten gegenüber, sei es auch gegen Entgelt, verpflichtet hat. 1.2 Entsteht ein versicherbares Interesse nach Transportbeginn, besteht Versicherungsschutz zugunsten des Versicherungsnehmers im Rahmen dieses Vertrages, sofern ihm keine bereits eingetretenen Schäden und/oder gefahrerheblichen Umstände bekannt sind, die eine Anzeigepflicht begründen. 1.3 Für andere als im Vertrag genannte Güter besteht Versicherungsschutz nur, wenn Prämien und Deckungsumfang vor Transportbeginn vereinbart worden sind. 2 Laufende Versicherung 2.1 Durch den Abschluss der laufenden Versicherung wird der Versicherungsnehmer verpflichtet, sämtliche im Vertrag bezeichneten Transporte und Lagerungen gemäß Ziffer 3 zur Versicherung anzumelden. 2.2 Der Versicherer ist verpflichtet, Versicherungsschutz für alle gemeldeten Transporte und Lagerungen zu den vereinbarten Bedingungen zu gewähren. 3 Deklarations-/Anmeldeverfahren 3.1 Einzelanmeldung 3.1.1 Der Versicherungsnehmer meldet dem Versicherer unverzüglich sämtliche unter die laufende Versicherung fallenden Transporte und Lagerungen einzeln mit Angabe des Versicherungswertes. Dabei hat er das Gut, die Verpackungsart, das Transportmittel und den Transportweg zu bezeichnen, eine Verladung in Seeschiffsleichtern anzuzeigen sowie alle Umstände anzugeben, nach denen der Versicherer ausdrücklich gefragt hat. 3.1.2 Rücktransporte infolge eines nach dieser Police versicherten Schadens müssen nicht deklariert werden.
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§ 53
Abschnitt 6. Laufende Versicherung
3.1.3 Hat der Versicherungsnehmer die Anmeldung unterlassen oder fehlerhaft vorgenommen, so ist der Versicherer, von der Verpflichtung zur Leistung frei, ohne dass es einer Kündigung durch den Versicherer bedarf, es sei denn, dass der Versicherungsnehmer die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmannes nicht verletzt hat und dass er die Anmeldung unverzüglich nach Entdeckung des Fehlers nachgeholt oder berichtigt hat. 3.1.4 Verletzt der Versicherungsnehmer die Deklarationspflicht vorsätzlich, so kann der Versicherer den Vertrag fristlos kündigen. Dem Versicherer gebühren die Prämien, die ihm im Falle gehöriger Erfüllung des Vertrages bis zum Wirksamwerden der Kündigung zu zahlen gewesen wären. 3.1.5 Sofern nichts anderes vereinbart ist, besteht Versicherungsschutz insbesondere für folgende Risiken nur bei vorheriger schriftlicher Vereinbarung: – Versicherung, unabhängig von der Gefahrtragung; – Lagerungen über die gemäß Ziffer 9.1 DTVGüter 2000/2008 hinausgehende Dauer; – Mehrwert-, Konditions- und Summendifferenz-, Schutzversicherungen sowie die separate Deckung der in Ziffer 1.1.3 DTV-Güter 2000/2008 genannten Interessen wie Zoll, Fracht usw.; – Ausstellungen, Messen und sonstige Veranstaltungen; – Aufenthalte und Lagerungen in Verpackungsbetrieben. 3.2 Summarische Anmeldung 3.2.1 Soweit vereinbart, ist der Versicherungsnehmer von der Pflicht zur Anmeldung der einzelnen Transporte und Lagerungen befreit. Er hat den Vereinbarungen entsprechend den versicherten Umsatz für Transporte und Lagerungen monatlich, vierteljährlich, halbjährlich oder jährlich im Nachhinein zu melden. Die zu meldenden Umsätze können sich auch auf bestimmte Ländergruppen und sonstige Relationen beziehen. 3.2.2 Die Vorschriften der Ziffern 3.1.2 bis 3.1.5 gelten entsprechend. 3.2.3 Auf der Grundlage des geschätzten Jahresumsatzes kann der Versicherer die zu erwartende Jahresprämie als Vorausprämie zu Beginn der Versicherungsperiode verlangen. Nach Ablauf des Versicherungsjahres erfolgt eine Endabrechnung unter Verrechnung der Vorausprämie. 4 Maximum 4.1 Höchstversicherungssumme 4.1.1 Die vereinbarten Maxima sind Höchstversicherungssummen. Übersteigt die Gesamtversicherungssumme aller unter diesem Vertrag versicherten Güter auf einem Transportmittel oder feuertechnisch getrennten Lager das Maximum, so vermindern sich die einzelnen Versicherungssummen im Verhältnis des Maximums zur Gesamtversicherungssumme 4.1.2 Die Bestimmung des Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn nach Beginn der Versicherung eine Zusammenverladung verschiedener Versendungen oder Bezüge auf ein Transportmittel oder eine Zusammenlagerung auf ein Lager durch Spediteure oder Transportunternehmen erfolgt, auf die der Versicherungsnehmer keinen Einfluss gehabt hat oder nehmen konnte. Gleiches gilt bei einer Zuladung oder Zulagerung an einem Umschlagplatz, die der Versicherungsnehmer nicht zu vertreten hat. Die Überschreitung des Maximums ist dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. 4.1.3 Soweit nichts anderes vereinbart ist, werden Aufwendungen und Kosten zusammen mit anderen Entschädigungen nur im Rahmen der vereinbarten Maxima ersetzt. Die Regelung der Ziffer 2.3.3 DTV-Güter 2000/2008 bleibt unberührt. 4.2 Höchsthaftungssumme 4.2.1 Soweit vereinbart, sind die vertraglich festgelegten Maxima Höchsthaftungssummen. In Fällen der Ziffer 3.2 gilt als Versicherungssumme der Versicherungswert im Sinne von Ziffer 10 DTV-Güter 2000/2008. 4.2.2 Ziffern 4.1.2 und 4.1.3 gelten entsprechend.
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Anmeldepflicht
§ 53
5 Prämie 5.1 Einzelanmeldung Bei Einzelanmeldung werden die Prämien nach den im Vertrag vorgesehenen Prämiensätzen zuzüglich Versicherungsteuer und sonstiger Nebenkosten für den vereinbarten Zeitraum im Nachhinein in Rechnung gestellt. 5.2 Summarische Anmeldung Soweit vereinbart, stellt der Versicherer auf der Grundlage des geschätzten Jahresumsatzes eine jährliche Vorausprämie in Rechnung, in der die Prämien für die Mitversicherung der politischen Gefahren enthalten sind. Nach Ablauf des Versicherungsjahres erfolgt eine Endabrechnung unter Verrechnung der Vorausprämie. 5.3 Fälligkeit Der Anspruch auf die Prämie entsteht mit dem Beginn der Versicherung und wird mit der Erteilung der Rechnung fällig. Die Prämie ist unverzüglich nach Erhalt der Prämienrechnung, spätestens innerhalb von 14 Tagen, zu zahlen. 6 Police 6.1 Der Inhalt der laufenden Versicherung gilt als von dem Versicherungsnehmer genehmigt, wenn dieser nicht binnen eines Monats nach Aushändigung widerspricht. Die laufende Versicherung gilt nicht als Police im Sinne des Gesetzes und der DTV-Güter 2000/2008. 6.2 Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer auf Verlangen eine von ihm unterzeichnete Urkunde für den einzelnen Transport (Einzelpolice, Zertifikat) auszuhändigen. Die Einzelpolice gilt als Police im Sinne des Gesetzes und der DTV-Güter 2000/2008; jedoch finden die Bestimmungen über die Genehmigung des Inhalts der Police auf sie keine Anwendung. 7 Kündigung 7.1 Zum Ablauf der Versicherungsperiode Der Vertrag verlängert sich stillschweigend jeweils um ein Jahr, sofern er nicht mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf der Versicherungsperiode von einer der Vertragsparteien gekündigt worden ist. 7.2 Im Schadenfall Nach Eintritt eines Versicherungsfalls können beide Parteien den Versicherungsvertrag kündigen. Die Kündigung ist schriftlich zu erklären. Sie muss spätestens einen Monat nach dem Abschluss der Verhandlungen über die Entschädigung zugehen. Der Versicherer hat eine Kündigungsfrist von einem Monat einzuhalten. Kündigt der Versicherungsnehmer, so kann er bestimmen, dass seine Kündigung sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt wirksam wird, jedoch spätestens zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode. 7.3 Bei Kriegszustand 7.3.1 Bezieht sich die laufende Versicherung auch auf Transporte oder Lagerungen von, nach oder in eine(r) Region, die sich im Kriegszustand oder in kriegsähnlichem Zustand befindet, so kann der Versicherer den Versicherungsschutz für diese Region jederzeit mit einer Frist von einer Woche schriftlich kündigen. Die Möglichkeit der Kündigung einzelner Gefahren (z.B. Krieg, Streik, Beschlagnahme) bleibt hiervon unberührt. 7.3.2 Der Versicherungsnehmer kann innerhalb von vier Wochen nach der Kündigung des Versicherers seinerseits den ganzen Vertrag mit einer Frist von einer Woche schriftlich kündigen. 7.4 Wirksamwerden der Kündigung 7.4.1 Die Versicherung von Gütern, die vor Wirksamwerden der Kündigung begonnen hat, bleibt bis zu dem Zeitpunkt in Kraft, der für das Ende des Versicherungsschutzes maßgeblich ist. 7.4.2 Für lagernde Güter, ausgenommen transportbedingte Zwischenlagerungen, endet die Versicherung aufgrund der Kündigung am nächsten deklarierten Ablauftermin, spätestens einen Monat nach Kündigung.
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§ 53
Abschnitt 6. Laufende Versicherung
8 Insolvenz des Versicherers Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, endet das Versicherungsverhältnis mit Ablauf eines Monats seit der Eröffnung; bis zu diesem Zeitpunkt bleibt es der Insolvenzmasse gegenüber wirksam.
2. Kreditversicherung
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Die Kreditversicherung ist neben der Transportversicherung einer der Hauptanwendungsfälle für laufende Versicherungen, und zwar als Warenkredit- oder Delkredereversicherung, mit denen der Versicherer dem VN Ausfälle an Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen ersetzt, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrages durch Zahlungsunfähigkeit versicherter Kunden entstehen. Der Eigenart dieser Versicherung entsprechend sind Forderungen in der Regel versichert, wenn und soweit vom VR für den Kunden des VN eine Versicherungssumme bestimmt ist und das vom VN dem Kunden gewährte Zahlungsziel innerhalb des durch den Versicherungsvertrag bestimmten Kreditziels liegt. Im Rahmen von vereinbarten Versicherungssummen bezüglich einzelner Kunden sind Forderungen in der Reihenfolge ihres Entstehens versichert, vor Eintritt des Versicherungsfalles beim VN eingehende Zahlungen werden auf die jeweils ältesten fälligen Forderungen angerechnet. 29 Jede Wirtschaftskrise verdeutlicht aufs Neue die besonderen Gefahren der Kreditund Kautionsversicherung, die sich daraus ergeben, dass die versicherungstechnischen Risiken, die dem Eigenkapital des VR und den Prämieneinnahmen gegenüberstehen, extrem groß sind und deshalb in der Regel auch sehr hoch rückversichert sind. Für laufende Kreditversicherungen ergibt sich aus dieser Einbettung, dass für die Abwicklung eines solchen Versicherungsverhältnisses in ganz besonderem Maße das gilt, was § 13 ADS 1919 für die Seeversicherung als bestimmenden Grundsatz normierte, dass nämlich alle Beteiligten eines Versicherungsverhältnisses „Treu und Glauben in höchstem Maße zu betätigen“ haben. 3. Weitere Anwendungsfälle
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Laufende Versicherungen sind außerdem in der Rückversicherung, einer Vielzahl von Sach- und Schadensversicherungen, beispielsweise in der BauleistungsV, der MaschinenV, der Messe- und AusstellungsV, der MontageV und wohl auch in der Feuerversicherung gebräuchlich. Eine laufende Versicherung kann auch über eine Kombination verschiedener Versicherungen in einer Police, etwa verschiedener Haftpflichtversicherungen abgeschlossen werden, wie etwa für die Versicherung der Haftpflicht der Frachtführer mit der der Spediteure und Lagerhalter in einem Vertrags- und Bedingungswerk erfolgen.10 Bei laufenden FilmV handelt es sich wohl um die Versicherung einer auf eine oder mehrere Filmproduktionen bezogenen Kombination aus Sach- und Haftpflichtrisiken.
D. Vertragsbeginn, Versicherungsschutz und Anmeldung 31
Formeller Versicherungsbeginn einer laufenden Versicherung ist der im Vertrag bestimmte Zeitpunkt, materieller Versicherungsbeginn der nur der Gattung nach bezeichneten Interessen ist der Zeitpunkt ihres Entstehens. Es kennzeichnet die Eigenart der 10
Vgl. DTV-VHV 2003/2005; Prölss/Martin/ Kollhosser § 187 Rn. 10.
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Anmeldepflicht
§ 53
laufenden Versicherung, dass der VN beim Eintreten der in der Police bezeichneten Umstände für die bezeichneten Risiken versichert ist.11 Die Anmeldung eines einzelnen Versicherungsinteresses hat regelmäßig nur die Bedeutung einer Tatsachenmitteilung darüber, dass ein bestimmtes nach dem Vertrag versichertes Interesse entstanden ist und der Versicherungsschutz hierfür in Anspruch genommen wird. Die Anmeldung (Deklaration, Aufgabe, Anzeige) eines versicherten Interesses ist ihrer 32 Natur nach eine empfangsbedürftige Tatsachenmitteilung, die dem Versicherer gegenüber abzugeben ist. Sie ist keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung. Sie ist Erfüllungshandlung und Leistung des VN.12 Die Abgabe dieser Tatsachenmitteilung ist eine Rechtspflicht des VN, die den VR über die konkret von ihm getragenen Risiken unterrichtet und der gegebenenfalls Bedeutung für die Prämienberechnung zukommt. Vom Grundsatz her ist in der laufenden Versicherung jedes einzelne versicherte Inte- 33 resse unverzüglich nach seiner Entstehung beim VR anzumelden. § 97 Abs. 6 ADS 1919 lässt zur Erhaltung der Rechte des VN die rechtzeitige Absendung der Anmeldung genügen. Es darf unterstellt werden, dass diese Regelung inzwischen gewohnheitsrechtlich allgemeine Geltung für die Praxis der laufenden Versicherung beanspruchen kann.
E. Rechtsnatur, Inhalt und Zeitpunkt der Anmeldung Die Anmeldung entstandener Risiken ist, wenn anderes nicht vereinbart ist13 eine Rechtspflicht und keine Obliegenheit des VN14 der, wenn er gesetzlich vertreten ist, auch das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters oder seines Erfüllungsgehilfen gegen sich gelten lassen muss. Bedient sich der VN zur Erfüllung der Anmeldepflicht eines Versicherungsmaklers muss er sich auch dessen Verschulden anrechnen lassen. Der Inhalt der Anmeldung ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag. Ist Abweichendes nicht vereinbart, sieht das Gesetz die Einzelanmeldung jedes einzelnen von der Versicherung erfassten Risikos vor. Die Anmeldung hat alle zur Berechnung der Prämie erforderlichen Angaben zu enthalten. In der Transportversicherung sind dies regelmäßig die versicherten Güter, die Verpackungsart, der Versicherungswert, das Transportmittel und der Transportweg.15 In der Kreditversicherung sind es Name des Zahlungsschuldners, Forderungshöhe und Zahlungsziel. Der Verzicht des VR auf Einzelanmeldung der versicherten Risiken ist bereits im Gesetz vorgesehen, verlangt aber für diesen Fall die Anmeldung der Prämiengrundlage und schafft damit eine gesetzliche Grundlage für die Vereinbarung von summarischen oder periodischen Anmeldungen. Eine Vereinbarung, Deckungszusage zu beantragen, bedeutet noch keinen Verzicht auf die Einzelanmeldung, ist vielmehr eine qualifizierte Einzelanmeldung. Qualifiziert ist sie insoweit, als Versicherungsschutz unter der laufenden Police erst nach Erteilung der Deckungszusage besteht.
11 12 13
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Schlegelberger § 97 Rn. 1; Ritter/Abraham § 97 Rn. 6. S. RegE S. 75 f. So OLG Hamm 9.12.1992 VersR 1993 1519, 1520; Prölss/Martin/Kollhosser § 187 Rn. 17; Römer/Langheid/Römer § 6 Rn. 7 a.E. BGH 17.1.2001 VersR 2001 368, 369 hatte
15
offen gelassen, ob die Prämienanmeldung einer laufenden Versicherung Rechtspflicht oder Obliegenheit sei. Vgl. Nr. 3.1.1 der DTV-Güterversicherungsbedingungen für die laufende Versicherung 2000/2008.
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§ 54
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Die Einzelanmeldung hat „nach ihrer Entstehung“ zu erfolgen; bei Verzicht auf Einzelanmeldung ist die „vereinbarte Prämiengrundlage unverzüglich“ anzumelden. Das Prinzip ist in beiden Fällen das Gleiche: Der VN hat ohne schuldhaftes Zögern anzumelden. Eine Anmeldebestätigung des VR ist eine Quittung über eine erfolgte Erfüllungshand39 lung des VN, der über die Beweisfunktion hinaus keine weitere rechtliche Bedeutung zukommt.
F. Prämienberechnung und Fälligkeit 40
Je nach vereinbarter Anmeldungsart – Einzelanmeldung oder summarische/periodische Anmeldung – unterscheiden sich in der Regel Prämienberechnung und Prämienzahlung. Bei Einzelanmeldung werden die Prämien nach den im Vertrag festgelegten Prämiensätzen für den vereinbarten Zeitraum nachträglich in Rechnung gestellt. Bei summarischer oder periodischer Anmeldung ist es üblich, dass der VR zunächst auf der Grundlage eines geschätzten Jahresumsatzes eine jährliche Vorausprämie in Rechnung stellt und nach Ablauf der Versicherungsperiode eine Endabrechnung unter Verrechnung der Vorausprämie erstellt. Der Prämienanspruch entsteht dem Grunde nach mit dem Beginn der Versicherung 41 und wird nach Rechnungsstellung fällig. Soweit anderes nicht vereinbart ist, gelten die allgemeinen Bestimmungen der §§ 33– 41 des Gesetzes.
§ 54 Verletzung der Anmeldepflicht (1) Hat der Versicherungsnehmer die Anmeldung eines versicherten Risikos oder der vereinbarten Prämiengrundlage oder die Beantragung der Deckungszusage unterlassen oder fehlerhaft vorgenommen, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Anmelde- oder Antragspflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat und die Anmeldung oder den Antrag unverzüglich nach Kenntniserlangung von dem Fehler nachholt oder berichtigt. (2) Verletzt der Versicherungsnehmer die Anmelde- oder Antragspflicht vorsätzlich, kann der Versicherer den Vertrag fristlos kündigen. Die Versicherung von Einzelrisiken, für die der Versicherungsschutz begonnen hat, bleibt, wenn anderes nicht vereinbart ist, über das Ende der laufenden Versicherung hinaus bis zu dem Zeitpunkt bestehen, zu dem die vereinbarte Dauer der Versicherung dieser Einzelrisiken endet. Der Versicherer kann ferner die Prämie verlangen, die bis zum Wirksamwerden der Kündigung zu zahlen gewesen wäre, wenn der Versicherungsnehmer die Anmeldepflicht erfüllt hätte. Schrifttum s. die Angaben vor Vorbemerkungen zu §§ 53–58.
Übersicht Rn. A. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . B. Verletzung der Anmeldepflicht . . . . . . I. Leistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . .
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Rn. II. Fristlose Kündigung . . . . . . . . . . . C. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . .
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Verletzung der Anmeldepflicht
§ 54
A. Entstehungsgeschichte Als gesetzliche Regelung ist die Vorschrift neu. Sie knüpft an die in der Praxis, insbe- 1 sondere an die in der See- und Transportversicherung entwickelten Prinzipien an.1 Sie regelt die Rechtsfolgen einer Verletzung der Anmeldepflicht. Der Regierungsentwurf 2 erläutert Absatz 1 der Vorschrift wie folgt: „Die Vorschrift 2 regelt in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 die Rechtsfolgen einer Verletzung der Anmeldepflicht. Unterlässt der Versicherungsnehmer die für die Konkretisierung des versicherten Risikos erforderliche Anmeldung, fehlt die für die Gewährung von Versicherungsschutz notwendige Bestimmtheit des versicherten Interesses. Eine schuldlos oder einfach fahrlässig unterlassene oder fehlerhafte Anmeldung soll nach Absatz 1 Satz 2 folgenlos bleiben, wenn sie vom Versicherungsnehmer unverzüglich nachgeholt oder berichtigt wird, nachdem er von seiner Pflichtverletzung Kenntnis erlangt hat. Die Erwähnung der Prämiengrundlage in Satz 1 berücksichtigt Besonderheiten der Umsatzpolice, die insbesondere bei der Warenkreditversicherung eine besonders weitgehende Form eines Versicherungsscheins für laufende Versicherungen darstellt. Ist vereinbart, dass jeweils Deckungszusagen zu beantragen sind, gilt auch bei Verletzung dieser Pflicht diese Sanktionsregelung; eine Leistungspflicht des Versicherers nach Satz 2 besteht in diesem Fall erst nach Erteilung der Deckung.“ Absatz 2 der Vorschrift wird wie folgt erläutert: „Satz 1 räumt dem Versicherer das Recht ein, den Vertrag über eine laufende Versicherung fristlos zu kündigen, wenn der Versicherungsnehmer seine Anmelde- oder Antragspflicht nach Absatz 1 vorsätzlich verletzt. Die Sätze 2 und 3 regeln das Prinzip der Auslaufhaftung, das in der Warentransportversicherung gängige und notwendige Versicherungspraxis ist, aber in der Kreditversicherung bei Überschreitung des äußersten Kreditziels häufig vertragliche Einschränkungen erfährt.“
B. Verletzung der Anmeldepflicht Anmeldepflicht, Inhalt und Zeitpunkt der Anmeldung bestimmen sich nach § 53. An- 3 meldepflichtiger ist der VN. § 54 regelt die Rechtsfolgen einer Verletzung der Anmeldepflicht: die Leistungsfreiheit nach Absatz 1 und ein Kündigungsrecht des VR nach Absatz 2.
I. Leistungsfreiheit § 54 Abs. 1 bestimmt Voraussetzungen und Beschränkungen der Leistungsfreiheit des 4 VR für den Fall schuldhaft unterlassener oder fehlerhafter Anmeldung eines versicherten Interesses. Eine Verletzung der Anmeldepflicht liegt vor, wenn die Anmeldung unterlassen oder fehlerhaft vorgenommen worden ist. Fehlerhaft ist die Anmeldung eines Versicherungsinteresses, die nicht rechtzeitig, unvollständig, falsch oder auf andere Weise fehlerhaft abgegeben wird. Zur Leistungsfreiheit des VR berechtigt die Verletzung aber nur, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgte.
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Vgl. § 97 Abs. 6 ADS; Nr. 3 DTV-Güterversicherungsbedingungen für die laufende Versicherung 2000/2008.
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RegE S. 76.
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§ 54 5
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Abschnitt 6. Laufende Versicherung
Die Anmeldung hat unverzüglich nach Entstehung des Versicherungsinteresses zu erfolgen. Der VN hat sie deshalb unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern vorzunehmen, sobald er Kenntnis von dem anmeldepflichtigen Sachverhalt erlangt. Erhält der VR, etwa in der Warengüterversicherung, erst nach Ablieferung der Waren von ihrer Versicherung durch die laufende Versicherung Kenntnis, besteht die Anmeldepflicht gleichwohl. § 97 Abs. 6 ADS 1919 trug diesem Sachverhalt ausdrücklich Rechnung und sanktionierte seine Verletzung mit Leistungsfreiheit. Auch die DTV-Bedingungen für die laufende Versicherung enthalten diese Einschränkung der Leistungsfreiheit des VR.3 Keine Verletzung der, Anmeldepflicht liegt vor, wenn der VN die Anmeldung unverzüglich nach Entdeckung des Fehlers nachholt oder berichtigt. In der Vertragspraxis laufender Versicherungen begegnen häufig im Interesse der Geschäftsvereinfachung und zu Gunsten des VN Abweichungen von der strikten Anmeldepflicht, etwa derart, dass die Anmeldung nachträglich in gewissen Abständen, nach bestimmten Stichtagen oder nach anderen Kriterien vorzunehmen ist4 oder gar – wie bei der Pauschalpolice – gänzlich unterbleiben kann.5 Die Anmeldung eines unbestreitbar nicht von der Police erfassten Interesses ist keine falsche oder fehlerhafte Anmeldung im Sinne des Gesetzes, weil sie sich auf einen Gegenstand bezieht, der nicht Vertragsgegenstand ist. Das Schweigen des VR auf eine solche Anmeldung kann deshalb nicht als Zustimmung zur Einbeziehung dieses Interesses in die laufende Versicherung angesehen werden. Ob eine Anmeldebestätigung als Zustimmung gedeutet werden kann, wird von den Umständen im Einzelfall abhängen, für die Seeversicherung wird dies eher bezweifelt.6 Die Leistungsfreiheit des VR bei Verletzung der Anmeldepflicht bezieht sich nur auf ein bestimmtes, nicht ordnungsgemäß angemeldetes versichertes Interesse, nicht aber auf die generelle Leistungsverpflichtung des VR aus der laufenden Versicherung für andere, unter derselben Police ordnungsgemäß angemeldete versicherte Interessen, für die Versicherungsschutz besteht. Auf die Leistungsfreiheit kann der VR sich nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit berufen. Eine Quotelung nach der Schwere des Verschuldens, wie sie § 28 vorsieht, ist für laufende Versicherungen nicht vorgesehen. Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Anmeldepflicht berührt den Prämienanspruch des VR in Bezug auf das betroffene Einzelrisiko nicht. Da die Anmeldung versicherter Interessen eine Verbindlichkeit des VN ist, kann der VR bei schuldhafter Verletzung der Anmeldepflicht auch Schadensersatz verlangen.7
II. Fristlose Kündigung 11
Die laufende Versicherung ist von einem besonderen gegenseitigen Treueverhältnis der Vertragsparteien gekennzeichnet, für das das uneingeschränkte Vertrauen zur gegenseitigen Vertragstreue Grundlage des Vertragsverhältnisses ist.8 Die vorsätzliche Verletzung der Anmeldepflicht schafft einen Zustand, bei dem dem VR nicht ohne weiteres die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu gemutet werden kann. Absatz 2 sieht deshalb ein fristloses Kündigungsrecht des VR vor. 3 4 5
Nr. 3.1.3 DTV-Güterversicherungsbedingungen 2000/2008 für die laufende Versicherung. Ritter/Abraham Rn. 60 zu § 97 ADS. S. o. Rn. 16 und 33 zu § 53.
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Ritter/Abraham Rn. 16 zu § 97 ADS. Ritter/Abraham Rn. 63 zu § 97 ADS; Schlegelberger, a.a.O., Rn. 20 zu § 97 ADS. Ritter/Abraham Rn. 40 zu § 97 ADS.
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Verletzung der Anmeldepflicht
§ 54
Es ist ein einseitiges Recht des VR; Form und Zeitpunkt der fristlosen Kündigung richten sich nach allgemeinen Grundsätzen. Es kann daher zunächst auf die Ausführungen zu §§ 11 und 24 verwiesen werden. Die Kündigung bezieht sich grundsätzlich auf die Beendigung des Versicherungsverhältnisses für die Zukunft. Der VR kann sich auf sein Kündigungsrecht von dem Zeitpunkt an berufen, zu dem er Kenntnis von der Verletzung der Anmeldepflicht durch den VN erhält. Auch wenn das Gesetz keine ausdrückliche Befristung des Kündigungsrechts bestimmt, ist es gleichwohl als der Sache nach befristet anzusehen. § 24 Abs. 3 befristet das Kündigungsrecht des VR bei Gefahrerhöhung aus Gründen der Rechtssicherheit und zum Schutze des VN auf einen Zeitraum von einem Monat nach Kenntnis von der Gefahrerhöhung. Bei der laufenden Versicherung sollte diese Frist aber nur als längste Frist betrachtet werden, innerhalb deren der VR wegen einer vorsätzlichen Verletzung der Anmeldepflicht das Vertragsverhältnis fristlos kündigen kann. Hat der VR nach dem Zeitpunkt, zu dem er Kenntnis von der vorsätzlichen Verletzung der Anmeldepflicht erhalten hat, weitere ordnungsgemäße Anmeldungen unwidersprochen entgegen genommen, wird zu prüfen sein, ob darin bereits ein Verzicht auf Ausübung seines Kündigungsrechts zu sehen ist und der VR sich später nicht mehr darauf berufen kann. Auch wenn der VR zur fristlosen Kündigung berechtigt ist, hindert ihn dies nicht, den Versicherungsvertrag unter Einhaltung einer Frist zu kündigen.9 Der Eigenart der laufenden Versicherung entsprechend, eine Mehrzahl eigenständiger versicherter Interessen gleichzeitig erfassen zu können, modifiziert Absatz 2 Satz 2 die Wirkung der fristlosen Kündigung dahin, dass der Versicherungsschutz für andere zu diesem Zeitpunkt versicherte Einzelrisiken bis zur vertragsgemäßen Beendigung ihrer Versicherung bestehen bleibt. Hinsichtlich dieser Risiken besteht eine Auslauf- oder Ablaufhaftung des VR. Die Wirkung der Kündigung bezieht sich mithin nur auf alle nach fristloser Kündigung des Vertrages entstehenden Einzelrisiken. Angesichts der Disposivität der Bestimmung ist statt der fristlosen Kündigung des Gesamtvertrages auch der fristlose Ausschluss bestimmter vom Vertrag erfasster Risikokategorien bei Verletzung einer darauf bezogenen Anmeldepflicht, also eine Teilkündigung vereinbar. Hierfür mag etwa in der Warenkreditversicherung bei Zahlungsverzug oder sonstiger Zahlungsunzuverlässigkeit eines einzelnen Kunden des VN ein Bedürfnis bestehen, indem mit fristloser Wirkung alle in Bezug auf diesen Kunden entstehenden Risiken aus dem Versicherungsschutz der Police ausgeschlossen werden. Bei fristloser Kündigung hat der VR Prämienanspruch auf die Prämie, die bis zum Wirksamwerden der Kündigung bei erfüllter Anmeldepflicht zu zahlen gewesen wäre. Wie dieser Prämienanspruch im Einzelnen zu berechnen ist, bestimmt sich nach den im Vertrag vereinbarten Berechnungsgrundsätzen, je nachdem ob Pauschalabrechnung oder Einzelabrechnung vorgesehen ist.
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C. Darlegungs- und Beweislast Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast entspricht den allgemeinen Grundsät- 18 zen. Der VR hat die schuldhafte Verletzung der Anmeldepflicht zu beweisen. Der VN hat den Gegenbeweis zu führen, dass er die Anmeldepflicht nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. 9
Bruck/Möller/Matusche-Beckmann Rn. 9 zu § 24.
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§ 55
Abschnitt 6. Laufende Versicherung
§ 55 Einzelpolice (1) Ist bei einer laufenden Versicherung ein Versicherungsschein für ein einzelnes Risiko (Einzelpolice) oder ein Versicherungszertifikat ausgestellt worden, ist der Versicherer nur gegen Vorlage der Urkunde zur Leistung verpflichtet. Durch die Leistung an den Inhaber der Urkunde wird er befreit. (2) Ist die Urkunde abhandengekommen oder vernichtet, ist der Versicherer zur Leistung erst verpflichtet, wenn die Urkunde für kraftlos erklärt oder Sicherheit geleistet ist; eine Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen. Dies gilt auch für die Verpflichtung des Versicherers zur Ausstellung einer Ersatzurkunde. (3) Der Inhalt der Einzelpolice oder eines Versicherungszertifikats gilt abweichend von § 5 als vom Versicherungsnehmer genehmigt, wenn dieser nicht unverzüglich nach der Übermittlung widerspricht. Das Recht des Versicherungsnehmers, die Genehmigung wegen Irrtums anzufechten, bleibt unberührt.
Schrifttum s. die Angaben vor Vorbemerkungen zu §§ 53–58 sowie zu §§ 3 und 5.
Übersicht Rn. A. I. II B. I.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . Form und Rechtsnatur der Einzelpolice Verhältnis zwischen Versicherungsschein und Einzelpolice . . . . . . . .
. . . . . . .
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Rn. II. Einzelpolice als Legitimationspapier C. Aufgebotsverfahren und Kraftloserklärung . . . . . . . . . . . . . . D. Billigungsklausel . . . . . . . . . . E. Verfahrensfragen . . . . . . . . . .
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A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1
§ 55 ist eine neue Vorschrift, die im VVG 1908 keinen Vorläufer hat. § 97 Abs. 4 ADS 1919 bestimmt jedoch: (4) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer auf Verlangen eine von ihm unterzeichnete Urkunde über die einzelne Aufgabe (Einzelpolice) auszuhändigen. Die Einzelpolice gilt als Police im Sinne des Gesetzes und dieser Bedingungen; jedoch findet die Bestimmung des § 15 über die Genehmigung des Inhalts der Police auf sie keine Anwendung.1
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Insbesondere für die Bereiche der Warentransportversicherung und der Warenkreditversicherung besteht in der Praxis häufig ein Bedürfnis nach einem Verkehrsdokument. Die Police einer laufenden Versicherung ist mangels Identifizierung versicherter Einzel-
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§ 15 ADS bestimmt: Der Inhalt der Police gilt als vom Versicherungsnehmer genehmigt, wenn dieser nicht unverzüglich nach der Aus-
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händigung widerspricht. Das Recht des Versicherungsnehmers, die Genehmigung wegen Irrtums anzufechten, bleibt unberührt.
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Einzelpolice
§ 55
interessen hierzu ungeeignet. Um dem Verkehrsbedürfnis nach dokumentiertem Nachweis bestehenden Versicherungsschutzes zu entsprechen hat der Kommissionsentwurf die Aufnahme der Bestimmung in das Gesetz empfohlen.
II. Inhalt und Zweck der Regelung Die dem VN auszuhändigende Police über die laufende Versicherung lässt zwar er- 3 kennen, was versichert sein kann, nicht aber was versichert ist. Sie ist deshalb nicht geeignet den Nachweis darüber zu führen, ob ein in der Police beschriebenes versicherbares Interesse auch tatsächlich versichert ist. Der Verkehr bedarf aber dieses Nachweises, insbesondere wenn die Versicherung für fremde Rechnung genommen wird und die Versicherten auch kein Recht an der Police haben. Es ist deshalb seit je üblich zu vereinbaren, dass der VR dem VN auf dessen Verlangen über die Einzelanmeldungen Einzelpolicen (in der Praxis auch als Zertifikat, Versicherungszertifikat, certificate, extract of marine insurance bekannt) auszuhändigen hat.
B. Form und Rechtsnatur der Einzelpolice I. Verhältnis zwischen Versicherungsschein und Einzelpolice Die Einzelpolice ist keine Urkunde über den Versicherungsvertrag und deshalb nicht 4 der Versicherungsschein nach § 3, sondern lediglich eine Bestätigung über den Versicherungsschutz für das darin benannte Einzelrisiko. Kommissionsentwurf 2 und Referentenentwurf 3 hatten deshalb auch den Begriff ‚Versicherungsschein‘ für die Einzelpolice vermieden. Erst der Regierungsentwurf ändert die Terminologie und erklärt hierzu in der Begründung:4 „Als Verkehrsdokument ist der Versicherungsschein für die laufende Versicherung ungeeignet, weil er keine Aussage über ein bestimmtes versichertes Einzelrisiko enthält. Da aber der Verkehr eines dokumentierten Nachweises bedarf, hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer auf Verlangen über die einzelne Aufgabe eine Einzelpolice auszuhändigen, die als Versicherungsschein im Sinn des Gesetzes gilt und wie jeder Versicherungsschein an Order gestellt werden kann.“ Der Gesetzgeber war sich also im Klaren darüber, dass die Einzelpolice kein Versicherungsschein im Sinne des Gesetzes ist, sondern ihre Gleichstellung mit dem Versicherungsschein nach § 3 fingiert werden soll. Die Formulierung des Gesetzes in Absatz 1 wird dieser Fiktion nicht gerecht. Die Einzelpolice ist Beweisurkunde über Bestand, Inhalt und Umfang des Versiche- 5 rungsschutzes für das darin bezeichnete Einzelrisiko. Sie muss – wie bei einem Versicherungsschein – den auf dieses einzeln bestimmte Risiko bezogenen wesentlichen Inhalt des Versicherungsvertrages enthalten: die Bezeichnung • der Vertragsparteien, • des Dritten, dessen Interessen bei einer Versicherung für fremde Rechnung von der Police erfasst werden sollen, • des versicherten Interesses,
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KomE § 58. RefE § 57.
4
BTDrucks. 16/3945 S. 76.
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Abschnitt 6. Laufende Versicherung
• der Gefahr, gegen welche versichert wird, • die technische und formelle Versicherungsdauer, • die Versicherungssumme. Weil der VR nur gegen Vorlage der Police zur Leistung verpflichtet ist, ist die Police 6 Schuldschein im Sinne des § 371 BGB. Daher kann der VR seine Leistung von der Rückgabe der Police abhängig machen. Die Erteilung der Einzelpolice kann nur der VN verlangen. Er wird Eigentümer der Police; wird der Anspruch aus dem Versicherungsverhältnis abgetreten, ist der Zessionar, bei der Versicherung für fremde Rechnung der Versicherte Gläubiger der Forderung.
II. Einzelpolice als Legitimationspapier 7
Die Bestimmung, dass der VR nur gegen Vorlage der Urkunde zur Leistung verpflichtet ist, macht die Einzelpolice zum Legitimationspapier im Sinne des § 808 BGB. Die Einzelpolice ist nach Absatz 1 grundsätzlich ein Inhaberpapier, kann aber wie 8 jede Police als Namenspapier an Order gestellt werden. Werden die unter einer laufenden Versicherung versicherten Güter veräußert, gehen 9 die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag über die laufende Versicherung, soweit sie sich auf die veräußerten Güter beziehen, ohne weiteres auf den Erwerber über. Ist hierüber eine Einzelpolice ausgestellt, so hat der Erwerber in der Regel Anspruch auf Übergabe der Einzelpolice.
C. Aufgebotsverfahren und Kraftloserklärung abhandengekommenr Policen 10
Absatz 2 enthält eine Sonderregelung im Verhältnis zu § 3 Abs. 3, die jedoch an die allgemeinen Regeln der ZPO und des HGB anknüpft. Sie ist eine notwendige Folge der Charakterisierung der Einzelpolice als Legitimationspapier. Abhandengekommene Einzelpolicen können nur im Wege des gerichtlichen Aufgebotsverfahrens nach §§ 946 ff., 1003 ZPO für kraftlos erklärt werden. Gemäß § 365 Abs. 2 HGB kann der Berechtigte einer vernichteten oder abhandengekommenen Urkunde nach Einleitung des Aufgebotsverfahrens Leistung nach Maßgabe der Urkunde verlangen, wenn er bis zur Kraftloserklärung Sicherheit leistet.
D. Billigungsklausel 11
Absatz 3 ist als Billigungsklausel eine von § 5 abweichende Sondervorschrift für laufende Versicherungen. Sie entspricht der allgemeinen Billigungsklausel für alle ADS-Versicherungen nach § 15 ADS. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass Widersprüche zwischen laufender Police und Einzelpolice denkbar sind. Die Einzelpolice ist keine Urkunde über den Inhalt des Versicherungsvertrages als Ganzes, sondern dokumentiert nur eine Aussage über den Versicherungsschutz eines bestimmten Einzelrisikos. Beruht der Widerspruch zwischen Versicherungsvertrag und Einzelpolice auf ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung zwischen VR und VN, gilt die Einzelpolice. Weicht der Inhalt der Einzelpolice vom Vertrag über die laufende Versicherung oder 12 einer Zusatzvereinbarung ab, so gilt zu Lasten des VN die Abweichung als genehmigt, wenn er nicht unverzüglich widerspricht. Die weiteren, aus Gründen des Verbraucher-
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Verletzung der Anzeigepflicht
§ 56
schutzes in § 5 Abs. 1–3 für die Wirksamkeit der Genehmigung abweichender Vertragsinhalte aufgestellten Bedingungen – Monatsfrist, Belehrung über die Abweichung und Rechtsfolgenhinweis – finden auf die Genehmigungsfiktion keine Anwendung. Der Widerspruch hat unverzüglich zu erfolgen, d.h. alsbald nachdem der VN durch 13 Empfang der Police von dem abweichenden Inhalt Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. In der kaufmännischen Praxis hat sich vielfach für gleich gelagerte Fristsetzungen eine Frist von drei Werktagen eingebürgert. In allen anderen Fällen ist die laufende Police maßgebend. Ist die inhaltlich unzutreffende Einzelpolice Inhaberpapier, gewährt sie dem Erwerber 14 keinen Gutglaubensschutz. Anderes gilt jedoch, wenn die Einzelpolice an Order gestellt und durch Indossament übertragen worden ist.5
E. Verfahrensfragen Ist die laufende Versicherung bei einem Lloyd’s Syndikat oder einer anderen Mehrheit 15 von Versicherern genommen, hatte sich in der Hamburger Transportversicherungspraxis eingebürgert, dass der führende Versicherer den Versicherungsmaklern blanko gezeichnete Formulare zur Erteilung von Einzelpolicen nach Maßgabe des durch die laufende Police vorgegebenen Vertragsinhalts zur Verfügung stellt.6 Soll ein Lloyd’s Syndikat aus einer Einzelpolice in Deutschland in Anspruch genom- 16 men werden, so gilt bei inländischem Gerichtsstand eine gesetzliche Prozessstandschaft nach Art. 14 EGVVG.
§ 56 Verletzung der Anzeigepflicht (1) Abweichend von § 19 Abs. 2 ist bei Verletzung der Anzeigepflicht der Rücktritt des Versicherers ausgeschlossen; der Versicherer kann innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an, zu dem er Kenntnis von dem nicht oder unrichtig angezeigten Umstand erlangt hat, den Vertrag kündigen und die Leistung verweigern. Der Versicherer bleibt zur Leistung verpflichtet, soweit der nicht oder unrichtig angezeigte Umstand nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war. (2) Verweigert der Versicherer die Leistung, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, zu welchem dem Versicherungsnehmer die Entscheidung des Versicherers, die Leistung zu verweigern, zugeht.
Schrifttum s. die Angaben vor Vorbemerkungen zu §§ 53–58 und zu § 19.
5 6
Ritter/Abraham Rn. 36 zu § 97 ADS. Ritter/Abraham Rn. 37 zu § 97 ADS; Schlegelberger, a.a.O., Rn. 11 zu § 97.
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Abschnitt 6. Laufende Versicherung
Übersicht Rn. A. I. II. B. I. II.
Einführung . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . Zweck der Regelung . . . . . . Inhalt und Umfang der Regelung Vorvertragliche Anzeigepflicht . Rechtsfolgen einer Verletzung der Anzeigepflicht . . . . . . . . .
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Rn. 1. Kündigungsrecht des VR und Leistungsverweigerung . . . . . . . . 2. Kündigungsrecht des VN bei Leistungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . 3. Prämienanspruch bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsverhältnisses C. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . .
11 15 20 21
A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1
Die Bestimmung ist mit der Reform neu in das Gesetz aufgenommen worden und regelt in bewusster Abweichung von § 19 die Rechtsfolgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht des VN. Die Vorschrift ist zusammen mit § 57 erst in den Regierungsentwurf aufgenommen worden; Kommissionsentwurf und Referentenentwurf hielten beide Bestimmungen für entbehrlich. Es darf daher unterstellt werden, dass sie auf Drängen der betroffenen Wirtschaftskreise in den Regierungsentwurf aufgenommen worden sind. Inhaltlich orientieren sich die Bestimmungen an den §§ 20 und 23 ADS 1919.
II. Zweck der Regelung 2
Die Reform des VVG hat für die Verletzung vertraglicher Verpflichtungen des VN und bei Gefahrerhöhung aus Gründen des Verbraucherschutzes ein neues gesetzliches Leitbild entwickelt, dessen Grundsätze Kommissionsbericht1 und Regierungsentwurf 2 wie folgt zusammenfassen: • Auf die Leistungsfreiheit als Rechtsfolge wird nicht verzichtet; in manchen Fällen erscheint es aber ausreichend, wenn der Versicherer kündigen oder eine höhere Prämie verlangen kann. • Zur Leistungsfreiheit können grundsätzlich nur solche Verstöße führen, die kausal für den Versicherungsfall oder den Umfang der Leistung des Versicherers sind. Nur betrügerisches Verhalten des Versicherungsnehmers vor und nach dem Versicherungsfall führt ausnahmsweise, auch wenn es nicht kausal geworden ist, zur Leistungsfreiheit. • Einfach fahrlässig verursachte Verstöße bleiben folgenlos. • Vorsätzliche Verstöße führen – vorbehaltlich des zweiten Grundsatzes – zur Leistungsfreiheit. • Bei grob fahrlässigen Verstößen des Versicherungsnehmers gegen Obliegenheiten kann der Versicherer seine Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens kürzen. • Der Versicherungsnehmer soll nicht von der Leistungsfreiheit überrascht werden: Es werden Belehrungspflichten des Versicherers vorgesehen, die den Versicherungsnehmer warnen und ihn zu richtigem Verhalten anhalten sollen.
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KomE S. 37 f.
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2
RegE S. 49.
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Verletzung der Anzeigepflicht
§ 56
• Die Beweislast wird klar und einheitlich geregelt: Bei objektiver Tatbestandsverwirklichung wird von grober Fahrlässigkeit ausgegangen, d.h. die Beweislast für Vorsatz trägt der Versicherer, von grober Fahrlässigkeit muss sich der Versicherungsnehmer entlasten. Die Beweislast für Kausalität soll dagegen unverändert bleiben; Obliegenheitsverletzungen bleiben folgenlos, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass sein Verhalten nicht kausal war. Zwar unterliegt die laufende Versicherung als im Grundsatz kaufmännische Versiche- 3 rung gemäß § 210 nicht den Beschränkungen der Vertragsfreiheit durch zwingende und halbzwingende Vorschriften des VVG, an ihren darin formulierten gesetzlichen Leitbildern wären bei einer AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB aber auch für laufende Versicherungen verwendete AVB zu messen.3 Es schien deshalb wünschenswert, durch ausdrückliche gesetzliche Regelung klarzustellen, dass die bisherige Praxis, Verletzungen der Anzeigepflicht mit uneingeschränkter Leistungsfreiheit zu sanktionieren, durch die Reform nicht in Frage gestellt werden sollte.4
B. Inhalt und Umfang der Regelung I. Vorvertragliche Anzeigepflicht Für Inhalt und Umfang der Anzeigepflicht bei Abschluss eines Vertrages über eine laufende Versicherung gelten die allgemeinen Grundsätze. Die Anzeigepflicht ist vor Vertragsschluss vom VN gegenüber dem VR eine formfrei zu erfüllende Obliegenheit und erstreckt sich auf alle dem Anzeigepflichtigen bei Schließung des Vertrages bekannten individuellen Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind. Es genügt hier auf die Kommentierung zu § 19 zu verweisen. Kein Gegenstand der vorvertraglichen Anzeigepflicht sind jedoch die erst bei Entstehung des Einzelinteresses sich ergebenden Umstände, die dessen Art und Umfang betreffen. Sie sind bei Schließung des Vertrages unbekannt. Sie gehören zur Bestimmung des versicherten Interesses und sind bei dessen Anmeldung anzugeben. Früher vertretene Auffassungen, bei der laufenden Versicherung seien gefahrerhebliche Umstände erst mit der Anmeldung des Einzelinteresses anzuzeigen5 und die gegenteilige Ansicht, bei der laufenden Versicherung könne eine Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten nicht die Unverbindlichkeit der Versicherung nach sich ziehen,6 haben sich nicht durchgesetzt. Auch vor der Reform war unbestritten, dass auch in der laufenden Versicherung die vorvertragliche Anzeigepflicht bei Abschluss des Vertrages und nur bei ihm zu erfüllen ist.7 Die Bestimmung verleiht der allgemeinen Rechtsüberzeugung, dass auch für laufende Versicherungen eine vorvertragliche Anzeigepflicht besteht, nunmehr auch gesetzlichen Ausdruck. Grundsätzlich sind zwei verschiedene Anzeigepflichten zu unterscheiden: Jene Umstände, die sich aus gemeinsamen Risiken aller zu versichernden Risiken ergeben, und besondere Umstände einzelner Risiken.
3 4 5 6
KomE S. 416; RegE S. 115. KomE S. 377; RegE S. 76, 92. Kisch PVR II 260. Ehrenberg, 410; Hagen ZfVW 1920 153.
7
Ritter/Abraham Rn. 9 zu § 97 ADS; Schlegelberger Rn. 3 zu § 97 ADS; Bruck6 Rn. 7 zu § 187; Bruck/Möller/Möller8 Rn. 9 zu § 16.
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§ 56
Abschnitt 6. Laufende Versicherung
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Die gemeinsamen gefahrerheblichen Umstände aller zu versichernder Risiken sind vor Vertragsschließung anzuzeigen. Lediglich auf bestimmte Einzelrisiken bezogene besondere gefahrerhebliche Umstände, sind, soweit bekannt, ebenfalls vor Vertragschließung anzuzeigen. Entstehen diese Risiken nach Vertragsschluss genießen sie Versicherungsschutz nach Maßgabe des Vertrages. Werden besondere gefahrerhebliche Umstände von Einzelrisiken erst bei deren Ent10 stehen erkannt, sind sie unverzüglich mit der Anmeldung des Einzelrisikos anzuzeigen. Ob für sie Versicherungsschutz, gegebenenfalls gegen Prämienzuschlag, Versicherungsschutz nur bei Deckungszusage oder Haftungsausschluss in Betracht kommt, bestimmt sich nach dem Vertrag.
II. Rechtsfolgen einer Verletzung der Anzeigepflicht 1. Kündigungsrecht des VR und Leistungsverweigerung
11
Abweichend von der allgemeinen Regel des § 19 Abs. 2 hat der VR bei Verletzung der Anzeigepflicht kein Rücktrittsrecht. Der VR kann aber innerhalb einer Monatsfrist den Vertrag kündigen; die Leistung verweigern kann er jedoch nur, wenn die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich war. Maßgebend für die Berechnung der Monatsfrist zur Kündigung des Vertrages ist der Zeitpunkt, zu dem der VR Kenntnis von der Verletzung der Anzeigepflicht erlangt hat. Es kommt mithin auf die tatsächlich erlangte Kenntnis an; nicht darauf, ob der VR Kenntnis hätte haben können oder müssen. Die Verletzung der Anzeigepflicht kann schuldhaft oder nicht schuldhaft erfolgt sein. 12 In jedem Fall hat der VR nach Absatz 1 ein Kündigungsrecht und ein Leistungsverweigerungsrecht bei Ursächlichkeit der Verletzung für den Eintritt des Versicherungsfalles. Es sind zwei eigenständige Rechte des VR. Erlangt der VR Kenntnis von einer Anzeigepflichtverletzung des VN, so steht ihm ein Kündigungsrecht unabhängig davon zu, ob ein Versicherungsfall eingetreten ist. Das Leistungsverweigerungsrecht ist nach Satz 2 insofern konditioniert, als die Anzeigepflichtverletzung für den Eintritt des Versicherungsfalls ursächlich sein muss. Der Umstand, dass der VR bei Verletzung der Anzeigepflicht fristlos und mit soforti13 ger Wirkung kündigen kann, hat in der laufenden Versicherung besondere Bedeutung. Grundsätzlich beeinträchtigt jede Verletzung der Anzeigepflicht das für ein gedeihliches Vertragsverhältnis erforderliche Vertrauensverhältnis der Parteien. Mit dem Zeitpunkt, zu dem gekündigt wird, hört nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Dauer der Versicherung auf. Das kann aber bei einer Verletzung der Anzeigepflicht den VR nicht davon entbinden, auf schützenswerte Interessen des VN Rücksicht zu nehmen. Hieraus ergibt sich zunächst, dass bestehender Versicherungsschutz für angemeldete Einzelinteressen, auf die die Verletzung der Anzeigepflicht ohne Einfluss ist, trotz Kündigung mit sofortiger oder anderweitig terminierter Wirkung als Ablaufhaftung bis zu deren vereinbartem materiellem Versicherungsende zu gewähren ist. Absatz 1 Satz 2 drückt deshalb ein in der Natur der laufenden Versicherung angelegtes immanentes Prinzip aus, das sich aus dem Umstand erklärt, dass die laufende Versicherung immer eine Mehrzahl eigenständig versicherter Interessen erfasst. Ob es bei einer Verletzung der Anzeigepflicht angezeigt und vertretbar ist, dass der 14 VR von seinem nach Satz 1 begründeten Kündigungsrecht mit sofortiger Wirkung oder zu einem späteren Zeitpunkt, spätestens zum Ende der laufenden Versicherungsperiode Gebrauch macht, wird nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sein. Auch der
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Verletzung der Anzeigepflicht
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VR hat zu berücksichtigen, dass er dem VN Versicherungsschutz für Interessen gewährt, für die nach kaufmännischen Grundsätzen Versicherungsschutz zu nehmen ist. Der VR wird deshalb und je nach Fallgestaltung dem VN zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens seiner Kündigung ermöglichen müssen, für seine laufenden Geschäfte anderweitigen Versicherungsschutz finden zu können. Die in § 58 Abs. 2 normierte Monatsfrist für eine Kündigung des VR bei schuldhafter Obliegenheitsverletzung, die als Orientierungsmaßstab dienen könnte, ist hier nicht aufgenommen. 2. Kündigungsrecht des VN bei Leistungsverweigerung Absatz 2 gewährt als Gegengewicht zu dem dem VR in Absatz 1 zugesprochenen Recht zur Leistungsverweigerung bei Anzeigeverletzung dem VN ein Kündigungsrecht, das aber erst mit der tatsächlichen Leistungsverweigerung durch den VR entsteht. Es handelt sich bei dieser Bestimmung um die Aufnahme eines für die Schadenversicherung eigentümlichen Prinzips, das dort als beiderseitiges Kündigungsrecht nach Eintritt des Versicherungsfalls ausgestaltet ist (§§ 92 und 111). Die Kündigung bezieht sich immer auf den Versicherungsvertrag über die laufende Versicherung, nicht auf das versicherte Einzelinteresse. Voraussetzung für das Entstehen des Kündigungsrechts ist die Anzeigepflichtverletzung und die darauf gestützte Leistungsverweigerung des VR. Der Versicherungsanspruch muss geltend gemacht sein und der VR muss die Leistung der fälligen Entschädigung unter Berufung auf die Anzeigepflichtverletzung verweigern. Kündigungsberechtigt ist nur der VN, und zwar innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat, nach dem er Kenntnis von der Leistungsverweigerung des VR erlangt hat. Bezieht sich die Leistungsverweigerung auf ein versichertes Interesse, für das eine auf Order gestellte und indossierte Einzelpolice ausgefertigt ist, mag zwischen Leistungsverweigerung und Kenntniserlangung auf Seiten des VN durchaus ein beträchtlicher Zeitraum liegen. Die Kündigung ist gesetzlich formfrei, verwendete Bedingungswerke sehen regelmäßig Schriftform,8 häufig eingeschriebenen Brief vor. Während der Kündigungsfrist läuft die Versicherung fort. Der VN kann bestimmen, dass seine Kündigung sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt, spätestens jedoch zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode wirksam wird.
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3. Prämienanspruch bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsverhältnisses Sofern vertraglich Abweichendes nicht vereinbart ist, bestimmt sich bei vorzeitiger Be- 20 endigung des Versicherungsverhältnisses der Prämienanspruch des VR nach § 39 Abs. 1.
C. Darlegungs- und Beweislast Es gelten die allgemeinen Regeln: jede Partei hat die Voraussetzungen der Norm dar- 21 zulegen und zu beweisen, auf die sie sich zu ihren Gunsten beruft.
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Vgl. Nr. 7 DTV-Güterversicherungsbedingungen für die laufende Versicherung 2000/2008.
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§ 57
Abschnitt 6. Laufende Versicherung
§ 57 Gefahränderung (1) Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer eine Änderung der Gefahr unverzüglich anzuzeigen. (2) Hat der Versicherungsnehmer eine Gefahrerhöhung nicht angezeigt, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen. Er ist zur Leistung verpflichtet, 1. wenn ihm die Gefahrerhöhung zu dem Zeitpunkt bekannt war, zu dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen, 2. wenn die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt worden ist oder 3. soweit die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war. (3) Der Versicherer ist abweichend von § 24 nicht berechtigt, den Vertrag wegen einer Gefahrerhöhung zu kündigen.
Schrifttum s. die Angaben vor Vorbemerkungen zu §§ 53–58 und vor §§ 23–27.
Übersicht Rn. A. I. II. B. I.
Einführung . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . Zweck der Regelung . . . . . . Inhalt und Umfang der Regelung Anzeigepflicht . . . . . . . . .
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Rn. II. Rechtsfolgen einer Gefahränderung 1. Bedingte Leistungsfreiheit . . . . 2. Ausschluss des Kündigungsrechts C. Darlegungs- und Beweislast . . . .
. . . .
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A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1
Wie die voranstehende Vorschrift des § 56 ist die Bestimmung erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in den Regierungsentwurf aufgenommen worden; Kommissionsentwurf und Referentenentwurf hielten die Bestimmung für entbehrlich. Abgesehen von einer leichten Modifikation in Absatz 1 stimmt die Vorschrift mit der die Gefahränderung in der Transportversicherung regelnden Vorschrift des § 132 überein und orientiert sich inhaltlich an § 23 ADS 1919.
II. Zweck der Regelung 2
Bei laufenden Versicherungen sind unabhängig vom Willen des VN eintretende Erhöhungen der Gefahr weder für deklarierte und versicherte Einzelinteressen noch in Bezug auf die Gesamtheit der versicherten Interessen auszuschließen. Die Bestimmung normiert eine Anzeigepflicht, die Sanktion einer Anzeigepflichtverletzung, die Leistungsverpflichtung des VR trotz Gefahrerhöhung und schließt abweichend von der allgemei-
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Gefahränderung
§ 57
nen Regel des § 24 das Kündigungsrecht des VR aus. Die Regelung nimmt den Rechtsgedanken des § 142 a.F. auf, wonach in der Transportversicherung der VR wegen Gefahrerhöhung oder Veräußerung das Versicherungsverhältnis nicht kündigen darf. Der Gesetzgeber hat die Regelung für erforderlich gehalten, um deutlich zu machen, 3 dass für laufende Versicherungen ebenso wie nach § 132 für die Transportversicherung an dem in diesen Versicherungen bewährten Alles-oder-Nichts-Prinzip bei Verletzung der Anzeigepflicht für Gefahrerhöhungen festgehalten und die Quotierungsregelung des § 28 Abs. 2 auch nicht als gesetzliches Leitbild im Rahmen einer AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. Nr. 1 BGB herangezogen werden soll.1
B. Inhalt und Umfang der Regelung Die Vorschrift ist im Verhältnis zu den allgemeinen Bestimmungen der §§ 23, 24 und 4 26 eine Sonderregelung, auf deren Kommentierung daher zu verweisen ist. Die Absätze 2 und 3 stimmen wortgleich mit § 132 überein; Absatz 1 im Kerngehalt: auch bei Gefahränderung besteht Versicherungsschutz, die Gefahränderung ist jedoch dem VR anzuzeigen.
I. Anzeigepflicht Absatz 1 verpflichtet den VN zur unverzüglichen Anzeige jeder Gefahränderung. Das 5 sind Gefahrerhöhungen, Gefahrminderungen oder andere Veränderungen der Gefahr, ohne dass erkennbar ist, ob sie eine Erhöhung oder Minderung bedeuten. Letzteres kann zum Beispiel der Fall sein, wenn unter einer laufenden Transportversicherungspolice die Verschiffung der Ware mit einem anderen als dem angemeldeten Schiff oder sonstigen Transportmittel erfolgt. Legaldefinitionen der Begriffe Gefahränderung, Gefahrerhöhung und Gefahrminde- 6 rung gibt es nicht.2 Der Sache nach handelt es sich um eine nachträgliche Änderung der im Versicherungsvertrag oder in der Einzelanmeldung für das versicherte Risiko bezeichneten gefahrerheblichen Umstände. Von Gefahränderung kann deshalb nur gesprochen werden, wenn für das versicherte Interesse bereits Versicherungsschutz in Anspruch genommen wird. Die Anzeige der Gefahränderung ist eine den VN und seinen Repräsentanten treffende 7 Obliegenheit. Sie hat unverzüglich nach erlangter Kenntnis von der eingetretenen Gefahränderung zu erfolgen. Notwendig ist die tatsächlich erlangte Kenntnis; ein bloßes Kennenmüssen genügt nicht.3 Maßgeblich für den Zeitpunkt der Anzeige ist der Zeitpunkt, zu dem der VN Kenntnis von der Gefahränderung erlangt. Unbeachtlich ist, ob die Versicherung des Risikos, dessen Gefahr sich ändert, bereits begonnen hat.
1 2
RegE S.76. Bruck/Möller/Matusche-Beckmann Rn. 4 zu § 23.
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Bruck/Möller/Matusche-Beckmann Rn. 36 zu § 23.
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§ 57
Abschnitt 6. Laufende Versicherung
II. Rechtsfolgen einer Gefahränderung 1. Bedingte Leistungsfreiheit
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Absatz 2 bestimmt die Rechtsfolgen einer Verletzung der Anzeigepflicht. Satz 1 belässt es in Abweichung von der in §§ 26 und 28 geregelten abgestuften Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzungen beim traditionellen Alles-oder-Nichts-Prinzip, ergänzt die Bestimmung aber in Satz 2 durch einen Katalog von Leistungsverpflichtungen des VR auch bei Gefahrerhöhung. 2. Ausschluss der Kündigungsrechts für VR
9
Absatz 3 statuiert einen generellen gesetzlichen Ausschluss des Kündigungsrechts des VR bei Gefahrerhöhung. Der Sache nach geboten ist dies in allen Fällen, in denen bereits unter Police für einzelne Risiken Versicherungsschutz besteht. In diesen Fällen wäre es dem VN kaum oder nur sehr schwer möglich, Versicherungsschutz zu finden. Gedankliches Vorbild für die Bestimmung ist § 142 a.F.; hier ging es darum auf der Reise befindliche Warentransporte nicht ihres Versicherungsschutzes zu berauben, zumal der VN bei Warentransporten häufig erst nach Ende der Reise von der Gefahrerhöhung Kenntnis erlangt. Ob es aber sachlich geboten ist, für laufende Versicherungen bei nicht angezeigten Gefahrerhöhungen generell das Kündigungsrecht des VR gesetzlich auszuschließen und den VR zur Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses bis zum Ende der Versicherungsperiode zu verpflichten, mag dahinstehen, weil die Bestimmung abbedungen werden kann. Es dürfte durchaus erwägenswert sein, bei nicht angezeigten Gefahrerhöhungen entsprechend der Regelung in § 58 Abs. 2 ein Kündigungsrecht mit Monatsfrist zu vereinbaren. 10 Nicht angesprochen im Gesetz ist der Einfluss einer Gefahränderung auf die Prämie. Ob und in welchem Umfang aus Gefahränderungen Ansprüche auf Prämienanpassung erwachsen, hat sich aus dem Versicherungsvertrag und den dort zu Grunde gelegten Grundsätzen zur Prämienberechnung zu ergeben.
C. Darlegungs- und Beweislast 11
Es gelten die allgemeinen Regeln: jede Partei hat die Voraussetzungen der Norm darzulegen und zu beweisen, auf die sie sich zu ihren Gunsten beruft. 12 Für die Durchsetzung beanspruchter Prämienanpassungen gelten die üblichen Darlegungs- und Beweislastregeln:4 für Prämienerhöhungen liegt sie beim VR, für Prämienermäßigungen beim VN.
4
Bruck/Möller/Matusche-Beckmann Rn. 21 f. zu § 25.
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Obliegenheitsverletzung
§ 58
§ 58 Obliegenheitsverletzung (1) Verletzt der Versicherungsnehmer bei einer laufenden Versicherung schuldhaft eine vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllende Obliegenheit, ist der Versicherer in Bezug auf ein versichertes Einzelrisiko, für das die verletzte Obliegenheit gilt, nicht zur Leistung verpflichtet. (2) Bei schuldhafter Verletzung einer Obliegenheit kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er Kenntnis von der Verletzung erlangt hat, mit einer Frist von einem Monat kündigen.
Schrifttum s. die Angaben vor Vorbemerkungen zu §§ 53–58 und zu § 28.
Übersicht Rn. A. I. II. B. I.
Einführung . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . Zweck der Regelung . . . . . . Inhalt und Umfang der Regelung Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen . . . . . . . . . .
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Rn. II. Leistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . III. Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . C. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . .
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A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift ist im Verhältnis zur allgemeinen Regelung des § 28 über Obliegen- 1 heitsverletzungen eine Sondervorschrift, deren Aufnahme in das Gesetz bereits Kommissionsentwurf 1 und Referentenentwurf2 vorgesehen hatten.
II. Zweck der Regelung Der Regierungsentwurf hat die Aufnahme der Vorschrift in das Gesetz wie folgt be- 2 gründet.3 „Laufende Versicherungen werden nur in der gewerblich-kommerziellen Versicherungspraxis verwendet. Vom Versicherungsnehmer kann deshalb grundsätzlich auch in Bezug auf die Beachtung von Obliegenheiten die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes verlangt werden. Es ist daher gerechtfertigt, für jede schuldhafte, d.h. auch für eine einfach fahrlässige Verletzung einer Obliegenheit eine Sanktion vorzusehen. Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass in einer laufenden Versicherung Einzelrisiken mit jeweils unterschiedlichen Versicherungssummen und -limiten versichert sind und die Verletzung einer für ein Einzelrisiko geltenden Obliegenheit nicht notwendigerweise die übrigen Einzelrisiken oder den Mantelvertrag berühren muss. Unbeschadet der Auswirkungen einer Obliegenheitsverletzung in Bezug auf das betroffene Einzelrisiko muss der
1 2
KOME § 59 S. 220, 334. RefE § 58 S. 39, 78 f.
3
RegE S. 76 f.
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§ 58
Abschnitt 6. Laufende Versicherung
Versicherer wegen der Beeinträchtigung des für den Fortbestand des Versicherungsverhältnisses notwendigen Vertrauensverhältnisses die Möglichkeit haben, die laufende Versicherung selbst mit einer angemessenen Frist zu kündigen“. Absatz 1 verwirft für laufende Versicherungen die in § 28 Abs. 2 Satz 2 bei schuld3 hafter Obliegenheitsverletzung eingeführte Quotelungsregelung und hält am Alles-oderNichts-Prinzip fest. VN und Versicherter verwirken bei einer vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden, schuldhaft verletzten Obliegenheit den Anspruch auf die Leistung des VR. Absatz 2 gewährt dem VR bei schuldhafter Obliegenheitsverletzung ein befristetes 4 außerordentliches Kündigungsrecht. Es gilt sowohl für vor wie für nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllende Obliegenheiten. Es erfährt seine Rechtfertigung aus dem Umstand, dass die Verletzung von Obliegenheiten geeignet ist, das für ein gedeihliches Versicherungsverhältnis bei laufenden Versicherungen unverzichtbare Vertrauen in die Versicherungstreue des VN zu erschüttern oder zu zerstören.
B. Inhalt und Umfang der Regelung I. Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen 5
Zu Begriff und Rechtsnatur der Obliegenheiten ist zunächst und generell auf die Kommentierung zu § 28 zu verweisen. Die Bestimmung des § 58 gewährt dem VR von § 28 Abs. 1 abweichende Sanktionsmöglichkeiten bei schuldhafter Obliegenheitsverletzung: ein Leistungsverweigerungs- und ein außerordentliches Kündigungsrecht. Es handelt sich um dispositive Rechte. Es ist der Entscheidung des VR überlassen, ob er von diesen Rechten Gebrauch macht. Zur Erfüllung der fraglichen Obliegenheit sind der VN und sein Repräsentant verpflichtet. Die Beweislast für die Schuldhaftigkeit der Obliegenheitsverletzung liegt beim VR. Auch der Versicherte und der Mitversicherte können sowohl eine vor Eintritt des Ver6 sicherungsfalls zu erfüllende als auch eine nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllende Obliegenheit verletzen. Ihre Fehlhandlungen lösen ohne diesbezügliche vertragliche Vereinbarung für den VR keine der in § 58 normierten Sanktionsmöglichkeiten aus.
II. Leistungsfreiheit 7
Absatz 1 ist eine Sondervorschrift im Verhältnis zu § 28 Abs. 1. Anstelle eines außerordentlichen Kündigungsrechts gewährt sie dem VR Leistungsfreiheit bei schuldhafter Verletzung einer vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheit. Die Leistungsfreiheit ist gesetzliche Rechtsfolge der Obliegenheitsverletzung und 8 bedarf nicht, wie früher nach § 6 a.F. und wie in § 28 Abs. 2 Satz 1 n.F. bestimmt, der ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung. Nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllende Obliegenheiten werden von der Vorschrift des Absatz 1 nicht erfasst. Leistungsfreiheit tritt bei jedem Verschuldensgrad ein, wenn nicht abbedungen, also 9 auch bei leichter Fahrlässigkeit. Eine Quotelung, wie in § 28 Abs. 2 vorgesehen, soll bei laufenden Versicherungen nicht in Betracht kommen. Die Leistungsfreiheit gilt aber nur in Bezug auf das versicherte Einzelrisiko, für das die verletzte Obliegenheit gilt. Anders als nach der alten Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 3 a.F. ist das Recht des VR zur 10 Leistungsverweigerung nicht von der rechtzeitigen Kündigung des Versicherungsverhältnisses abhängig.
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Obliegenheitsverletzung
§ 58
III. Kündigungsrecht Das Kündigungsrecht des VR nach Absatz 2 bei schuldhafter Verletzung einer Obliegenheit ist gesetzliche Rechtsfolge der Obliegenheitsverletzung und bedarf keiner vertraglichen Abrede. Es ist befristet. Es gilt für jegliche Obliegenheitsverletzung, gleichgültig, ob vor oder nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen. Es ist ein außerordentliches Kündigungsrecht, das nur binnen eines Monats ausgeübt werden kann, nachdem der VR Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung erlangt hat. Anders als beim Kündigungsrecht nach § 28 Abs. 14 ist davon auszugehen, dass das Erfordernis der Kenntnis sich auf den objektiven Tatbestand der Verletzung ebenso wie auf das Verschulden des VN oder seines Repräsentanten bezieht. Die Kündigung ist formfrei; in der Regel ist jedoch Schriftform vereinbart. Das Versicherungsverhältnis kann nur mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden. Versicherte Einzelrisiken, für die im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung bereits Versicherungsschutz besteht, behalten ihn als Ablaufhaftung bis zum Ende ihrer Versicherungsdauer. Kündigt der VR wegen Verletzung einer vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheit, setzt die Ausübung des Kündigungsrechts die Leistungsverweigerung des VR nach Absatz 1 nicht voraus.
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C. Darlegungs- und Beweislast Um sich auf Leistungsfreiheit oder auf sein Kündigungsrecht berufen zu können, hat 15 der VR das objektive Vorliegen einer schuldhaften Obliegenheitsverletzung darzulegen und zu beweisen, Anders als nach der neuen Norm des § 28 Abs. 4 ist die Belehrung keine Voraussetzung für die Leistungsfreiheit des VR.
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S. hierzu Bruck/Möller/Heiss Rn. 139 zu § 28.
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Abschnitt 7 Versicherungsvermittler, Versicherungsberater Unterabschnitt 1 Mitteilungs- und Beratungspflichten § 59 Begriffsbestimmungen (1) Versicherungsvermittler im Sinn dieses Gesetzes sind Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. (2) Versicherungsvertreter im Sinn dieses Gesetzes ist, wer von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen. (3) 1Versicherungsmakler im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. 2Als Versicherungsmakler gilt, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler nach Satz 1. (4) Versicherungsberater im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen im Versicherungsfall berät oder gegenüber dem Versicherer außergerichtlich vertritt, ohne von einem Versicherer einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder in anderer Weise von ihm abhängig zu sein.
Schrifttum Abram Geplante Berufsausübungsregelungen für Versicherungsvermittler, VersR 2005 1318; ders. Schützt das neue Recht den Versicherungsnehmer gegen Folgen einer Pflichtverletzung seines Versicherungsvermittlers? VersR 2008 724; Adjemian Versicherungsvermittler – Erlaubnis und Registrierung nach § 34d GewO, GewArch 2009 137; Baumann Versicherungsvermittlung durch Versicherungsmakler (1998); Beckmann/Matusche-Beckmann Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl. (2008); Beenken/Sandkühler Das Vermittlergesetz und seine Konsequenzen für die Branche, RuS 2007 182; dies. Das neue Versicherungsvermittlergesetz (2007); Bethge Maklervertrag: Kein konkludenter Abschluss ohne konkreten Suchauftrag, BGH-Report 2005 1567; Boslak Die Pflichten des Versicherungsvermittlers im Internet- und Telefonvertrieb, VW 2008 636; Dehner Die Entwicklung des Maklerrechts seit 1992, NJW 1993 3226; ders. Die Entwicklung des Maklerrechts seit 1994, NJW 1997 18; Dreher Die zivilrechtliche Beurteilung von Provisionsabgabevereinbarungen und die Zuständigkeit der Kartellgerichte, VersR 1995 1; ders. Das deutsche versicherungsaufsichtsrechtliche Begünstigungsverbot und das europäische Versicherungsrecht, VersR 1997 1; ders. Die europaund verfassungsrechtliche Beurteilung des Provisionsabgabeverbots in der Lebensversicherung, VersR 2001 1; Durstin/Peters Versicherungsberater und Versicherungsmakler in der rechtspolitischen Entwicklung, VersR 2007 1456; Engeländer Nochmals: Zillmerung ohne Kostenverrechnungsklausel? VersR 2005 1031; Fenyves/Kronsteiner/Schauer Versicherungsvertragsnovellen (1998); Fischer Fehler- und lückenhafte Maklerprovisionsabreden in der Praxis, NZM 2002 480; ders. Die
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§ 59
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
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§ 59
Begriffsbestimmungen
Übersicht Rn. A. I. II. B. I.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . Spezielle Kommentierung . . . . . . . . Tatbestandsvoraussetzungen von § 59 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff Versicherungsvermittler . . a) Definition des Begriffs Versicherungsvermittler in § 34d GewO . . b) Definition des Begriffs Versicherungsvermittler in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zu Funktionsausgliederungsverträgen . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung zu Rahmenversicherungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Begriff Versicherungsvertreter (§ 59 Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 2. Betrauung . . . . . . . . . . . . . . . a) Betrauung von einem VR . . . . . b) Der produktakzessorische Vertreter c) Betrauung von einem Versicherungsvertreter . . . . . . . . . . . 3. Gewerbsmäßig . . . . . . . . . . . . 4. Gewerberechtliche Implikationen . . . III. Der Begriff Versicherungsmakler (§ 59 Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung zum Versicherungsvertreter und zum Handelsmakler . . 2. Die gewerberechtlichen Voraussetzungen für Versicherungsmakler . . 3. Gewerbsmäßig . . . . . . . . . . . . 4. Vermittlung oder Abschluss für den Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . a) Der Maklervertrag – Zustandekommen – Form – Rechtsnatur . . b) Grundsätze für das konkludente
Rn.
1 1 5 8
Zustandekommen des Maklervertrages . . . . . . . . . . . . . c) Pflichten des Maklers . . . . . . d) Vollmachten des Maklers . . . . e) Nettopolicen – Provisionsanspruch f) Verwirkung des Provisionsanspruches . . . . . . . . . . . . g) Maklerwechsel . . . . . . . . . . 5. Keine Betrauung von einem VR oder von einem Versicherungsvertreter . . a) Das Rechtsverhältnis zwischen Makler und VR . . . . . . . . . b) VR lehnt Antrag ab . . . . . . . c) Kausalität . . . . . . . . . . . . d) Der Gläubiger der Courtage . . . e) Gewerberechtliche Auswirkungen auf den Maklerstatus . . . . . . 6. Scheinmakler . . . . . . . . . . . . IV. Der Versicherungsberater (§ 59 Abs. 4) 1. Das gesetzliche Leitbild . . . . . . . 2. Die gewerberechtlichen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 3. Die materiellen Anforderungen des VVG (§ 59 Abs. 4) . . . . . . . . . a) Gewerbsmäßige Beratung . . . . b) Statusinformationen . . . . . . . c) Die Anforderungen aus § 68 . . . d) Vereinbarung, Änderung, Prüfung von VV . . . . . . . . . . . . . e) Wahrnehmung von Ansprüchen im Versicherungsfall . . . . . . . . . f) Vertretung gegenüber dem VR . . g) Provisionsannahmeverbot . . . . V. Honorarberatung durch Versicherungsvermittler . . . . . . . . . . . . . . . VI. Das Begünstigungs- und Provisionsabgabeverbot . . . . . . . . . . . . .
8 8 17
21 24 26 29 29 34 35 49 51 54 55 63 63 75 80 81 81
. . .
83 86 89 91
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.
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. . .
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.
172
.
185
A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Die Regelungen über Versicherungsvermittler und Versicherungsberater beruhen auf 1 der Umsetzung der Vermittlerrichtlinie vom 15. Januar 2003.1 Ziel der Richtlinie ist die Harmonisierung des Vermittlermarktes und die Verbesserung des Verbraucherschutzes.2 Die Richtlinie sieht die Eintragung aller gewerblich tätigen Vermittler in ein oder mehrere nationale Register vor, wobei die in verschiedenen Registern enthaltenen Informationen von einer zentralen Auskunftsstelle aus abrufbar sein müssen.3 Ferner soll den Kunden
1
Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002, Abl. EG Nr. L9 S. 3.
2 3
BTDrucks. 16/1935 S. 1. BTDrucks. 16/1935 S. 1.
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der Zugang zu einer außergerichtlichen Schlichtungs- und Beschwerdestelle ermöglicht werden. Weiterhin werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, Vorschriften zur Kundengeldsicherung und zu Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten des Vermittlers zu schaffen.4 Die Vorgaben der Richtlinie wurden, allerdings verspätet, mit Wirkung vom 22. Mai 2 2007 ins deutsche Recht umgesetzt. Rechtstechnisch geschah dies durch das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts.5 Das Gesetz enthält einen gewerberechtlichen6 und einen privatversicherungsrechtlichen Teil. In die Gewerbeordnung wurden die Regelungen über das neue Vermittlerregister bei den Industrie- und Handelskammern (§ 11a GewO) aufgenommen. Die Verpflichtung, gewerbsmäßige Versicherungsvermittlung nur noch mit Erlaubnis der zuständigen IHK zu betreiben, ergibt sich nunmehr aus § 34d GewO. Dort ist auch geregelt, dass gebundene Vermittler keiner Erlaubnis bedürfen, wenn das VU die uneingeschränkte Haftung aus der Vermittlertätigkeit übernommen hat (§ 34d Abs. 4 GewO). Die Anforderungen an die Sachkundeprüfung (§ 34d Abs. 8 GewO) ergeben sich aus der Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung (VersVermV) vom 15.7.2007.7 Ferner regelt die VersVermV die Bestandteile und den Inhalt des Vermittlerregisters (§ 5) sowie die Anforderungen an die Berufshaftpflichtversicherung, die die nicht gebundenen Versicherungsvermittler mit einer Mindestversicherungssumme in Höhe (Stand 2009) von 1,13 Mio. Euro für jeden Versicherungsfall und von 1,7 Mio. Euro für alle Versicherungsfälle eines Jahres vorhalten müssen (§ 9 VersVermV 8 i.V.m. § 34d Abs. 2 Nr. 3 GewO). Die Übergangsregelungen ergeben sich aus § 156 GewO. Versicherungsvermittler, die vor dem 23.5.2007 bereits gewerblich Versicherungen vermittelt haben, bedurften bis zum 1. Januar 2009 keiner Gewerbeerlaubnis. Auch die Registrierungspflicht besteht erst ab diesem Zeitpunkt. Demgegenüber müssen Versicherungsvermittler seit dem 22.5.2007 eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung nachweisen (§ 156 Abs. 2 GewO). Art. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts enthält die 3 Änderungen des Gesetzes über den Versicherungsvertrag.9 Diese am 22. Mai 2007 in Kraft getretenen Änderungen sind wortgleich in das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene VVG als §§ 59–73 übernommen worden. Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts10 enthält deshalb keine Begründung zu den Vorschriften über die Versicherungsvermittlung, sondern verweist insoweit auf das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts vom 9. Dezember 2006.11 Das Gesetz klärt zunächst, dass es nur zwei Arten von Versicherungsvermittlern gibt, nämlich die (gebundenen) Versicherungsvertreter und die (ungebundenen) Versicherungsmakler (§ 59). Die von der Richtlinie geforderten Beratungs- und Dokumentationspflichten enthält § 61. Erstmals sind Versicherungsvermittler ausdrücklich zum Schadensersatz verpflichtet (§ 63). Die für die Versicherungsvermittler geltenden Vorschriften sind auf Versicherungsberater entsprechend anzuwenden (§ 68). Die §§ 69–73 regeln, inwieweit der Versicherungsvertreter bevollmächtigt ist, Erklärungen zulasten des VR entgegenzunehmen –
4 5 6 7 8
BTDrucks. 16/1935 S. 1. Vom 19.12.2006, BGBl. I 3232, BTDrucks. 16/1935 S. 5 ff. Dazu Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 1 ff. BGBl. I 733, in Kraft getreten am 22.5.2007. Die Mindest-Versicherungssummen werden ab 15.1.2013 regelmäßig (alle 5 Jahre) an den
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9 10 11
Europäischen Verbraucherpreisindex angepasst (§ 9 Abs. 2 VersVermV). BTDrucks. 16/1935 S. 9 ff. BTDrucks. 16/3945. BTDrucks. 16/1935 ab S. 1; dazu Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie vom 25.10.2006, BTDrucks. 16/3162 ab S. 1.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
in den neu gefassten Nummern 1 und 2 des § 69 Abs. 1 wird die Auge-und-Ohr-Rechtsprechung des BGH in den Gesetzeswortlaut überführt. Die Umsetzung der Vermittlerrichtlinie und das Inkrafttreten des VVG am 1.1.2008 4 haben erhebliche strukturelle Veränderungen in der Vermittlerschaft der Versicherungswirtschaft bewirkt. Nach Schätzungen des Gesamtverbandes waren im Jahre 2006 etwa 410.000 Gewerbetreibende als Versicherungsvermittler tätig. Davon 6.000 bis 8.000 als Makler, 3.000 als Mehrfachvertreter ohne Ausschließlichkeitsklausel und etwa 400.000 als gebundene Vertreter, also solche, die einen Agenturvertrag mit einem VU mit Ausschließlichkeitsklausel haben.12 Bei diesen Zahlen wurden die Strukturvertriebe13 mit ihrem großen Netzwerk selbständiger Vermittler nur einfach gezählt.14 Dazu kam eine nicht bezifferbare Anzahl von Gewerbetreibenden, die Versicherungen akzessorisch zu dem Hauptprodukt vermitteln (produktakzessorische Vermittler), wie z.B. Kfz-Händler.15 Deshalb erschien eine Gesamtzahl von ca. 500.000 Versicherungsvermittlern im Jahre 2006 nicht als ausgeschlossen.16 Demgegenüber waren im statistischen Vermittlerregister (Stand: Oktober 2009) insgesamt 250.823 Vermittler eingetragen.17 Das ist weniger als die Hälfte der Vermittler, die es im Jahre 2006 noch gegeben haben soll. Der größte Teil der Versicherungsvermittler gehört zu den gebundenen Vertretern (172.997), daneben stehen 33.570 Versicherungsvertreter mit Erlaubnis sowie 41.289 Versicherungsmakler, 172 Versicherungsberater sowie 2.649 produktakzessorische Vermittler.
II. Inhalt und Zweck der Regelung Der in der Vermittlerrichtlinie verwendete und definierte Begriff des Versicherungs- 5 vermittlers wird erstmals in das deutsche Recht eingeführt. Versicherungsvermittler sind nach § 59 Abs. 1 Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Damit sind alle anderen früher einmal gebräuchlichen Begriffe, z.B. der Begriff des Versicherungsagenten oder des Mehrfachagenten, überwunden. Konzeptionell knüpft das VVG an die Reform des HGB aus dem Jahre 1953 an, in der durch das Handelsvertretergesetz der Begriff des Agenten durch den Begriff des Vertreters ersetzt wurde.18 Nach Art. 2 Nr. 5 VRili ist „Versicherungsvermittler“ jede natürliche oder juristische 6 Person, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt. An diese Definition knüpft § 59 Abs. 1 an und stellt klar, dass Versicherungsvermittler in zwei Grundkategorien auftreten können, nämlich als Versicherungsvertreter oder als Versicherungsmakler. Es gibt somit keinen Widerspruch zwischen dem Begriff des Versicherungsvermittlers in § 59 Abs. 1 und in Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie.19 Letztlich bezweckt § 59 zunächst einmal eine klare Präzisierung des Begriffs Versicherungsvermittlung. Auf diese Weise wird zwischen den verschiedenen Beteiligten bei der Entstehung eines VV, dem VN, der versicherten Person, dem VR und dem Versicherungsvermittler abgegrenzt. Darüber hinaus wird eine klare Trennung zwischen den vertraglich gebunde-
12 13
14 15 16
BTDrucks. 16/1935 S. 13. Zur Definition und Ausgestaltung des Begriffs Strukturvertrieb vgl. Schwintowski MiFID, 87 ff. BTDrucks. 16/1935 S. 13. BTDrucks. 16/1935 S. 13. BTDrucks. 16/1935 S. 13; die Schätzungen schwanken beträchtlich, vgl. die verschiede-
17 18 19
nen Einschätzungen von Tillinghast/Mummert/Beenken Schwintowski MiFID, 53 ff. Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 7. BTDrucks. 16/1935 S. 22. Etwas unklar die Gesetzesbegründung in BTDrucks. 16/1935 S. 22.
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nen Versicherungsvermittlern, den Versicherungsvertretern im Sinne des § 59 Abs. 2 und den vertraglich nicht gebundenen Versicherungsvermittlern, den Versicherungsmaklern nach § 59 Abs. 3, differenziert. Auf diese Weise wird es möglich, Pflichten, die nur den Versicherungsvertreter oder nur den Versicherungsmakler treffen, einer dieser beiden Gruppen präzise zuzuordnen. Über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinausgehend hat sich der deutsche 7 Gesetzgeber entschlossen, auch den Versicherungsberater im VVG zu regeln. Der Versicherungsberater berät gewerbsmäßig Versicherte, ohne von einem VR einen wirtschaftlichen Vorteil (Provision) zu erhalten oder in anderer Weise von ihm abhängig zu sein (§ 59 Abs. 4). Die Vorschriften der §§ 60 Abs. 1 S. 1, 61 Abs. 1 und der §§ 62 bis 65 und 67 sind auf den Versicherungsberater entsprechend anzuwenden (§ 68).
B. Spezielle Kommentierung I. Tatbestandsvoraussetzungen von § 59 Abs. 1 1. Der Begriff Versicherungsvermittler
8
Versicherungsvermittler i.S.d. § 59 Abs. 1 sind – so heißt es dort – Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Daraus folgt, dass Personen, die sich weder als Versicherungsvertreter, noch als Versicherungsmakler einordnen lassen, z.B. Tippgeber 20, keine Versicherungsvermittler sind. Der Vermittlerbegriff des § 59 Abs. 1 ist nicht ganz identisch mit dem Vermittlerbegriff der europäischen Richtlinie. Dort heißt es (Art. 2 Nr. 5) Versicherungsvermittler ist „jede natürliche oder juristische Person, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt.“ Damit erscheint der Anwendungsbereich der Richtlinie weiter als derjenige des deutschen VVG. Allerdings stellt die Richtlinie klar, dass Tätigkeiten, die normalerweise die Merkmale der Versicherungsvermittlung erfüllen (Art. 2 Nr. 3) dennoch nicht als Versicherungsvermittlung gelten, wenn sie von einem VU oder einem Angestellten eines VU ausgeübt werden (Art. 2 Nr. 3 Abs. 2). Auch die beiläufige Erteilung von Auskünften im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit gilt nicht als Versicherungsvermittlung, sofern diese Tätigkeit nicht zum Ziel hat, den Kunden beim Abschluss oder der Handhabung eines VV zu unterstützen (Art. 2 Nr. 3 Abs. 3). Auch die berufsmäßige Verwaltung der Schadensfälle eines VU oder die Schadensregulierung und Sachverständigenarbeit im Zusammenhang mit Schadensfällen gilt nicht als Versicherungsvermittlung im Sinne der Richtlinie (Art. 2 Nr. 3 Abs. 3). Versicherungsvermittlung im Sinne des § 34d GewO ist eine gewerbsmäßige Tätig9 keit, die den konkreten Abschluss eines Versicherungsvertrags umfasst, auf ihn abzielt oder zumindest die Möglichkeit eines späteren Vertragsschlusses eröffnet. Erfasst ist damit auch die Versicherungsberatung (§ 34e GewO). Die Definition der Versicherungsvermittlung zielt auf den Vertragsschluss ab, so dass Tätigkeiten, bei denen es lediglich um die Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen geht – etwa die Beratung im Schadens- und Leistungsfall – keine Versicherungsvermittlung sind.21 Allerdings beinhaltet die Verwaltung eines Versicherungsbestandes zugleich immer auch die Versicherungs-
20 21
BTDrucks. 16/1935 S. 17 f. Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 29.
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vermittlung, weil die Verwaltung regelmäßig darauf abzielt, die Kunden betreuend zu beraten und in dem Zusammenhang auch ändernde oder neue Verträge anzubieten.22 Darüber hinaus stellt die Richtlinie in Art. 1 Abs. 2 klar, dass sie auf bestimmte Per- 10 sonen keine Anwendung findet, obwohl diese Personen Vermittlungsdienste für Versicherungsverträge anbieten. Der Gesetzgeber hat diesen Teil der Richtlinie nahezu wörtlich in § 34d Abs. 9 GewO übernommen.23 Danach gilt der Erlaubnisvorbehalt (§ 34d Abs. 1 GewO) und die daran knüpfenden weiteren Absätze (bis Abs. 8) nicht für Gewerbetreibende, wenn sie nicht hauptberuflich Versicherungen vermitteln (a), sie ausschließlich Versicherungsverträge vermitteln, für die nur Kenntnisse des angebotenen Versicherungsschutzes erforderlich sind (b), sie keine Lebensversicherungen oder Versicherungen zur Abdeckung von Haftpflichtrisiken vermitteln (c), die Versicherung eine Zusatzleistung zur Lieferung einer Ware oder der Erbringung einer Dienstleistung darstellt und entweder das Risiko eines Defekts, eines Verlusts oder einer Beschädigung von Gütern abdeckt oder die Beschädigung, den Verlust von Gepäck oder anderen Risiken im Zusammenhang mit einer bei dem Gewerbetreibenden gebuchten Reise, einschließlich Haftpflichtoder Unfallversicherungsrisiken abdeckt, sofern die Deckung zusätzlich zur Hauptversicherungsdeckung für Risiken im Zusammenhang mit dieser Reise gewährt wird (d), die Jahresprämie einen Betrag von 500 € nicht übersteigt (e) und die Gesamtlaufzeit einschließlich etwaiger Verlängerungen nicht mehr als fünf Jahre beträgt (f). Diese in § 34d Abs. 9 Nr. 1 GewO genannten, der Richtlinie nahezu wörtlich ent- 11 nommenen Kriterien müssen kumulativ vorliegen. Wenn diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen, dann handelt es sich um Bagatelltätigkeiten, bei denen aufgrund des unbeachtlichen Umfangs, des geringen Risikos sowie der geringen Höhe der Versicherungsprämien die an die Person des Vermittlers gestellten Anforderungen unverhältnismäßig wären.24 In der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass bestimmte Personengruppen in der Regel den Ausnahmetatbestand erfüllen werden, wobei sie ihn im Einzelfall nachzuweisen haben. Es geht um die Kredit- und Kreditkartenvermittler (z.B. Arbeitslosigkeitsversicherung), um die Brillenhändler (z.B. Kaskoversicherung), um Reifenhändler (z.B. Reifenversicherung); um Versand- und Einzelhändler (z.B. Garantieversicherungen zur Verlängerung der Gewährleistung; ferner Elektrohändler (Garantie- und Reparaturversicherungen); Fahrradhändler und Fahrradhersteller (z.B. Unfall- und Diebstahlsversicherungen) sowie Reisebüros (z.B. Reiserücktritts- und Reisekrankenversicherungen). Auf Versicherungsvermittler, die unter § 34d Abs. 9 Nr. 1 GewO fallen, finden die Vorschriften der §§ 60 bis 64, 69 Abs. 2 und § 214 – entsprechend der Richtlinie – keine Anwendung (§ 66). In § 34d Abs. 9 Nr. 2 GewO wurden weitere Fälle aus dem Anwendungsbereich des 12 § 34d ausgenommen, bei denen aufgrund spezifischer nationaler Verhältnisse eine Erfassung nach Sinn und Zweck der Richtlinie nicht gerechtfertigt wäre.25 Es handelt sich um die im Bausparwesen üblichen Versicherungen, bei denen die Versicherungssumme das vorhandene Restdarlehen abdeckt. Diese Konstellation – so der Gesetzgeber – stellt keine Versicherungsvermittlung im eigentlichen Sinne dar, denn die Bausparkasse schließt einen Kollektivvertrag ab, aus dem sich für den Kunden nur im Todesfall ein individualisierter Anspruch ergibt, ansonsten jedoch nicht auf seine persönliche Situation hinsichtlich sei22
23
Ähnlich Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 30; differenzierend Neuhäuser in: Pielow, GewO-Kom., § 34d Rn. 27. Dazu Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 123 ff.
24 25
BTDrucks. 16/1935 S. 20. So die Gesetzesbegründung in BTDrucks. 16/3935, S. 20.
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ner Gesundheit Bezug genommen wird.26 Vor diesem Hintergrund, so der Gesetzgeber, stelle die Versicherung praktisch einen Teil des Bauspardarlehens dar.27 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass es eine vergleichbare Ausnahme in der Richtlinie nicht gäbe. Auch für Bausparer gäbe es sehr wohl Alternativen für die Restschuldversicherung, die möglicherweise für ihn günstiger seien und über die er aufgeklärt werden müsste. Aus diesem Grunde wird in der Literatur – zutreffend – darauf hingewiesen, dass § 34d Abs. 9 Nr. 2 GewO als richtlinienwidrig angesehen werden müsse.28 Die gleichen Erwägungen gelten auch für Restschuldversicherungen nach § 34d Abs. 9 Nr. 3 GewO. Die Gesetzesbegründung verweist darauf, dass die Ausnahme für die Vermittlung bestimmter Restschuldversicherungen nach Sinn und Zweck der Richtlinie gerechtfertigt sei.29 Es handele sich nicht um die in der Richtlinie erwähnte Lebensversicherung im engeren Sinne, sondern vielmehr um eine Versicherung sui generis, mit deren Abschluss sich der Verbraucher gegen Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Unfall oder auch Todesfall versichern und damit sich und seine Familie vor einer wirtschaftlichen Notlage schützen könne.30 Unter die Ausnahme fielen lediglich Restschuldversicherungen, die als Zusatzleistung zur Lieferung einer Ware oder der Erbringung einer Dienstleistung in Zusammenhang mit Verbraucherdarlehen vermittelt würden und deren Jahresprämie einen Betrag von 500 € nicht übersteige. Es erscheine unverhältnismäßig, den primär betroffenen Einzelhandel der Erlaubnispflicht zu unterwerfen.31 Zu bedenken ist, dass § 34d Abs. 9 Nr. 2 und Nr. 3 GewO die Bausparkassen und die Anbieter von Restschuldversicherungen nur von den gewerberechtlichen Voraussetzungen ausnimmt – es bedarf also keiner Erlaubnis und keiner Registrierung bei der IHK – auch die Berufshaftpflichtversicherung muss nicht nachgewiesen werden. Dagegen gelten die Beratungs- und Dokumentationspflichten (§ 61) auch für die Bausparkassen und die Anbieter von Restschuldversicherungen, wie der Gesetzgeber ausdrücklich klarstellt.32 Aus diesem Grunde bezieht sich § 66 nur auf die Versicherungsvermittler i.S.d. § 34d Abs. 9 Nr. 1 GewO – aber nicht auf die Versicherungsvermittler der Nr. 2 (Bausparkassen) und der Nr. 3 (Restschuldversicherungen). Berücksichtigt man die Einschränkungen, die die Richtlinie mit Blick auf die Versicherungsvermittlung selbst vornimmt (Art. 1 Abs. 2 sowie Art. 2 Nr. 3), so erscheint die Einschätzung des Gesetzgebers zu § 59 Abs. 1, den Vermittlerbegriff der Richtlinie hinreichend und angemessen umgesetzt zu haben, durchaus nachvollziehbar.33 a) Definition des Begriffs Versicherungsvermittler in § 34d GewO. Die in § 59 Abs. 1 vorausgesetzte Definition des Versicherungsvermittlers findet sich auch nicht in § 34d GewO. Vielmehr orientiert sich das Gesetz an der begrifflichen Bestimmung des § 34c GewO.34 Danach gilt als Vermittler, wer gewerbsmäßig den Abschluss von bestimmten Verträgen vermittelt. Auch der Abschluss von Versicherungsverträgen als Teil der Versicherungsvermittlung ist vom Begriff der „Vermittlung“ erfasst.35
26 27 28
29 30 31
BTDrucks. 16/1935 S. 20. BTDrucks. 16/1935 S. 20. Reiff VersicherungsvermittlerR, 26; Abram VersR 2005 1318, 1321; sowie die bei Reiff zitierten Stellungnahmen von Verbänden. BTDrucks. 16/1935 S. 21. BTDrucks. 16/1935 S. 21. BTDrucks. 16/1935 S. 21; kritisch dazu Reiff
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32 33 34 35
VersicherungsvermittlerR, 26 – unter Hinweis auf die Stellungnahme des vzbv vom 7.4.2006, S. 16 f. BTDrucks. 16/1935 S. 21. BTDrucks. 16/1935 S. 22. BTDrucks. 16/1935 S. 17. BTDrucks. 16/1935 S. 17.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
Dagegen ist die Tätigkeit eines Tippgebers, die darauf beschränkt ist, Möglichkeiten 18 zum Abschluss von Versicherungsverträgen namhaft zu machen oder Kontakte zwischen einem potenziellen VN und einem Versicherungsvermittler oder VU herzustellen, keine Vermittlung i.S.d. § 34d GewO.36 Wie schon in BTDrucks. 13/9721, S. 25 zum Gesetzentwurf des Bundesrates zu § 104a VAG-E – der nie Gesetz geworden ist – ausgeführt, sollen auch in § 34d GewO die bloße Namhaftmachung von Abschlussmöglichkeiten (durch sog. Namhaftmacher) und die Anbahnung von Verträgen (durch sog. Kontaktgeber) keine Vermittlung darstellen, weil sie als vorbereitende Handlungen nicht auf eine konkrete Willenserklärung des Interessenten zum Abschluss eines Vertrages, der Gegenstand der Vermittlung ist, abzielen.37 Vielmehr stelle dies lediglich eine Vermittlung an einen Vermittler dar. So stelle auch die Richtlinie in Art. 2 Nr. 3 u. a. darauf ab, ob die Tätigkeit zum Ziel 19 habe, den Kunden beim Abschluss des VV zu unterstützen. Anders als in der Immobilienbranche sei damit der dort bekannte und in § 34d GewO erwähnte Nachweismakler nicht erfasst. Von einem bloßen Tippgeber, der lediglich Kontaktdetails weitergebe – wobei eine Konkretisierung auf ein bestimmtes Produkt noch gar nicht stattgefunden habe – erwarte ein potenzieller VN auch keine Beratung. Diese müsse erst beim eigentlichen Vermittler erfolgen, was auch durch die Dokumentationspflicht in § 61 sichergestellt werde.38 Bietet eine Supermarktkette eine Unfallversicherung für Kinder mit einmaliger Jahres- 20 prämie an, so liegt darin Versicherungsvermittlung.39 Bietet ein Kaufhaus den Kunden Informationen an, die zum Abschluss einer Versicherung führen könnten (über ein CallCenter), so liegt hierin zwar die Zuführung von Kunden an Versicherer, nicht aber eine (beratungspflichtige) Vermittlung.40 Vertreibt ein VU Verträge über eine Internet-Homepage, so soll der Homepagebetreiber Tippgeber sein, jedenfalls dann, wenn das VU für den Kunden eindeutig erkennbar ist. In diesen Fällen dürfte der Homepagebetreiber nicht einmal Tippgeber sein, sondern ausschließlich die technischen Voraussetzungen für ein invitatio ad offerendum zur Verfügung stellen.41 Aus den gleichen Gründen sind CallCenter regelmäßig keine Vermittler, es sei denn, das Center betreibt Akquise und Beratung.42 b) Definition des Begriffs Versicherungsvermittler in der Rechtsprechung. Versiche- 21 rungsvermittler sind – so der BGH am 22. Mai 1985 – diejenigen, die Kraft rechtsgeschäftlicher Geschäftsbesorgungsmacht für einen anderen Versicherungsschutz ganz oder teilweise beschaffen, ausgestalten und abwickeln, ohne selbst VN oder VR zu sein.43 In späteren Entscheidungen hat der BGH betont, dass der Vermittler vom VR mit dem Abschluss von Verträgen betraut sein müsse.44 Dafür reiche es nicht aus, dass der Ver-
36 37 38 39 40
41
BTDrucks. 16/1935 S. 17; Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 37. BTDrucks. 16/1935 S. 17. BTDrucks. 16/1935 S. 17/18. LG Wiesbaden vom 14.5.2008 VersR 2008, 919. Wie hier: Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 39 – unter Hinweis auf die abweichende Meinung der IHK’s. Bsp. von Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 39b.
42 43
44
Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 40 f. BGH 22.5.1985 BGHZ 94 356, 358 – auf diese Entscheidung verweist auch die Gesetzesbegründung in BTDrucks. 16/1935 S. 18; die Rechtsprechung hat dabei auf eine Definition von Möller Versicherungsvermittlung, 19 zurückgegriffen. BGH 7.11.2007 VersR 2008 242, 243 unter Hinweis auf BGH 19.9.2001VersR 2001 1498; BGH 22.9.1999 VersR 1999 1481.
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§ 59
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
mittler ein eigenes wirtschaftliches Interesse an Vertragsabschlüssen mit einem bestimmten VR habe.45 Auch das Provisionsinteresse des Vermittlers genüge insoweit nicht.46 Vielmehr sei entscheidend, dass bei Anbahnung und Abschluss des Versicherungsverhältnisses eine klare Rollenverteilung bestanden habe. Wenn der angebliche Vermittler in Wahrheit als Vertreter des späteren VN auftrete, so werde er jedenfalls nicht dadurch zum Vermittler, dass ihm der VR später eine Provision zahle.47 Auch ein Betreuungshinweis in den Vertragsunterlagen des VR sei kein ausreichendes Indiz für eine Vertreterstellung des benannten Vertragsbetreuers oder seiner Mitarbeiter.48 In jenem Fall war auf dem Versicherungsschein vermerkt: „Sie werden betreut von: B.-Assekuranz (…).“ Ein solcher Vermerk sei sowohl im Interesse des VN wie auch des Vermittlers zweckmäßig. Daraus folge jedoch noch nicht, dass die B.-Assekuranz automatisch Versicherungsvertreterin für den VR sei.49 Spediteure oder Lagerhalter werden nicht als Versicherungsvermittler eingeordnet, 22 wenn sie im Rahmen ihrer Berufstätigkeit auftragsgemäß Versicherungsschutz über eine von ihnen als VN und Prämienschuldner gekennzeichnete Versicherung (z.B. Transport-, Generalpolice, Lagerversicherung, Fremdunternehmensversicherung) besorgen, indem sie bei Deklaration des Sacherhaltungsinteresses des versicherten Eigentümers des transportierten oder eingelagerten Gutes versichern. In diesen Fällen hat der Spediteur/Lagerhalter schon vorab eine (Rahmen-)Versicherung abgeschlossen, deren Versicherungsschutz dann zu Gunsten des jeweiligen Transport-/Lagergutes entsprechend dem Wunsch des Kunden konkretisiert wird.50 Keine Versicherungsvermittlung liegt auch in jenen Fällen vor, in denen ein Kfz-Händler eine eigenständige Garantie über die des Herstellers hinaus anbietet, die über eine Versicherung abgedeckt wird.51 Wird aber der Garantieanspruch des Kunden gegen ein VU eröffnet, so ist von einer Vermittlung auszugehen.52 Das gleiche gilt, wenn ein Immobilienmakler den Versicherungsschutz für eine Haus- oder Haftpflichtversicherung vermittelt.53 Für die Finanzgerichte ist die Klärung des Begriffs der Versicherungsvermittlung eben23 falls von Bedeutung. Der Grund liegt darin, dass die Versicherungsvermittlung nach § 4 Nr. 11 UStG umsatzsteuerfrei erfolgt. Bis zum Urteil vom 6.9.2007 hat der BFH für den Begriff der Versicherungsvermittlung an die §§ 92, 93 HGB angeknüpft. Das hat er mit dem Urteil vom 6.9.2007 aufgegeben.54 Es handelte sich um einen Fall, wo der angebliche Versicherungsvermittler sich ausschließlich auf das Erheben von Daten der potenziellen VN (Bestandsaufnahme) beschränkte. Für diesen Fall verneinte der BFH die Vermittlungstätigkeit und verwies insoweit auf Art. 13 Teil B a der 6. MwSt-Richtlinie. Das ausschließliche Erheben von Daten potenzieller VN sei demnach mehrwertsteuerpflichtig, weil es keine Versicherungsvermittlung darstelle.55 Dies entspricht im Übrigen der ständigen Rechtsprechung des EuGH in Steuersachen.56
45 46 47 48 49 50 51
BGH 7.11.2007 VersR 2008 242 f. BGH 7.11.2007 VersR 2008 242 f. BGH 19.9.2001 VersR 2001 1498; BGH 22.5.1985 BGHZ 94 356, 359. BGH 7.11.2007 VersR 2008 242 f. BGH 22.9.1999 VersR 1999 1481 f. Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 34. Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 35; ähnlich Neuhäuser in: Pielow, GewO-Kom., § 34d Rn. 31.
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52 53 54 55 56
Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 35. Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 33. BFH 6.9.2007 BB 2008 319 f. BFH 6.9.2007 BB 2008 319 f. Urteil vom 20.11.2003 Rs. C-8/01 Taksatoringen BFH/NV 2004 Beilage 2, 122; Urteil vom 3.3.2005 Rs. C-472/03 Andersen Umsatzsteuerrundschau 2005 2001.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
2. Abgrenzung zu Funktionsausgliederungsverträgen Funktionsausgliederungsverträge sind nach § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG zulässig. Es handelt 24 sich um Verträge „durch die der Vertrieb, die Bestandsverwaltung, die Leistungsbearbeitung, das Rechnungswesen, die Vermögensanlage oder die Vermögensverwaltung eines VU ganz oder zu einem wesentlichen Teil einem anderen Unternehmen auf Dauer übertragen werden soll (Funktionsausgliederung).“ Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit der Funktionsausgliederung mit der 14. Novelle zur Änderung des VAG im Jahre 1983 eingeführt.57 Funktionsausgliederungen beinhalten rechtlich die Übertragung einer Funktion des 25 VR auf einen Dritten. Dienstleister, die im Rahmen eines Funktionsausgliederungsvertrages für einen VR tätig werden, erhalten regelmäßig für ihre Tätigkeit eine Vergütung. Diese Vergütung ist die Gegenleistung für die Tätigkeit, die der Dienstleister im Rahmen des Funktionsausgliederungsvertrages für den VR erbringt. Ein Dienstleister, der Funktionen des VR übernimmt, etwa indem er den Bestand verwaltet, die Namen der Versicherten an den VR weitergibt, die Prämie einzieht, das Mahnverfahren organisiert oder einen gemeldeten Schaden aufnimmt, wird damit anstelle des VR tätig, nimmt also Funktionen eines VR und nicht Funktionen eines Versicherungsvermittlers wahr. Auch die Vermittlerrichtlinie stellt klar, dass „die berufsmäßige Verwaltung der Schadensfälle eines VU oder die Schadensregulierung und Sachverständigenarbeit im Zusammenhang mit Schadensfällen nicht als Versicherungsvermittlung gilt“ (Art. 2 Nr. 3 Abs. 3).58 3. Abgrenzung zu Rahmenversicherungsverträgen In der Praxis sind Rahmenversicherungsverträge (auch Kollektivverträge) in verschie- 26 denen Fallgestaltungen üblich. Gesetzliche Krankenkassen sollen zugunsten ihrer Mitglieder Rahmenversicherungsverträge mit privaten Krankenkassen schließen, um für die in der GKV Versicherten besonders günstige Gruppentarife auszuhandeln (§ 194 Abs. 1a SGB V).59 Darüber hinaus sind Rahmenversicherungsverträge im Bereich der betrieblichen Altersversorgung (§§ 1, 1a BetrAVG) üblich. Vereine schließen häufig zugunsten ihrer Mitglieder Kollektivrahmenverträge, um ihnen besonders günstige Konditionen zu ermöglichen. Darüber hinaus schließen Banken mit Lebensversicherungen Rahmenverträge, um das Risiko der Rückzahlung eines Restkredites insbesondere bei Tod oder Berufsunfähigkeit des Kreditnehmers abzusichern. Je größer und homogener das Kollektiv und je dauerhafter die Vertragsbeziehung ist, umso mehr können sich die günstigen Verhältnisse auswirken.60 Diejenigen, die Rahmenversicherungsverträge schließen, sind in der Regel VN, aber 27 nicht zugleich Versicherungsvermittler.61 Es fehlt nicht nur die rechtsgeschäftliche Ge-
57
58 59
Vertiefend Zimmerer 15 ff.; Kagelmacher 125 ff.; aus aufsichtsrechtlicher Perspektive vgl. die Rundschreiben R 7/76; 29/2002 (BAV); 15/2005 (BaFin). Vertiefend Schwintowski VuR 2008 281, 283. Vertiefend die Begründung des Entwurfs des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung 2004 (GMG-E) 372 f.; teilweise die Erlaubnispflicht bejahend: Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 42.
60
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So das BAV (heute BaFin) im Rundschreiben 3/94 vom 10.11.1994 – dieses Rundschreiben, das für die Kollektivlebensversicherung galt, wirkt seit der Deregulierung der Versicherungsmärkte am 21. Juli 1994 nur noch für den Altbestand. Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 36; Neuhäuser in: Pielow, GewOKom. Rn. 30.
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§ 59
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
schäftsbesorgungsmacht, sondern auch der Wille, für andere Versicherungsschutz ganz oder teilweise zu beschaffen, auszugestalten und abzuwickeln.62 Das Interesse derjenigen, die Rahmenversicherungsverträge schließen, erschöpft sich im Regelfall darin, den Rahmenvertrag bereitzustellen. Ob und in welchem Umfang Dritte von der Möglichkeit der Bereitstellung Gebrauch machen, ist für den VN des Rahmenversicherungsvertrages irrelevant. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Bereitstellende kraft ergänzender rechtsgeschäftlicher Geschäftsbesorgungsmacht nicht nur den Rahmenvertrag bereitstellt, sondern darüber hinaus daran interessiert ist, ganz oder teilweise Versicherungsschutz zu beschaffen, auszugestalten und abzuwickeln. So könnte es möglicherweise im Bereich Restschuldlebensversicherungen zugunsten kreditgebender Banken sein. Ähnliches wäre denkbar, wenn der VR demjenigen, der den Rahmenvertrag schließt, für jeden einzelnen Versicherten, der dem Rahmenvertrag beitritt, eine Provision zahlt. Zwar hat der BGH ausgesprochen, dass die bloße Zahlung einer Provision noch nicht die Stellung als Versicherungsvertreter begründe.63 Allerdings handelte es sich in diesen Fällen weder um Rahmenverträge noch um solche, in denen für jeden einzelnen Beitritt zum Vertrag automatisch eine bestimmte im Voraus festgelegte Provision floss. Assecuradeure sind Vermittler mit weitreichenden Geschäftsvollmachten für VUs – sie 28 können Prämien bestimmen, Deckungszusagen tätigen und Schäden regulieren. Soweit sie Versicherungen im Paket für andere Vermittler weitergeben – diese vermitteln dann an den Endkunden –, liegt keine Vermittlung im Sinne des § 34d GewO vor, da es dort nur um die Vermittlung an Endkunden geht. Assecuradeure bedürfen aber dann einer Erlaubnis, wenn sie Verträge an Endkunden vermitteln.64
II. Der Begriff Versicherungsvertreter (§ 59 Abs. 2) 1. Grundlagen
29
Versicherungsvertreter i.S.d. § 59 Abs. 2 ist, „wer von einem VR oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen.“ Der Versicherungsvertreter ist folglich an einen VR oder Versicherungsvertreter durch einen Betrauungsakt (i.d.R. ist das ein Geschäftsbesorgungsvertrag) gebunden. Eine vergleichbare Betrauung an einen VR/Versicherungsvertreter fehlt beim Versicherungsmakler. Er vermittelt für den Auftraggeber (meist den zukünftigen VN), ohne von einem VR/Versicherungsvertreter damit betraut zu sein (§ 59 Abs. 3). Demgegenüber ist der Versicherungsberater für Dritte (meist Versicherte) tätig, ohne von einem VR einen wirtschaftlichen Vorteil (Provision/Courtage) zu erhalten oder in anderer Weise von ihm abhängig zu sein (§ 59 Abs. 4). Eine vergleichbare Differenzierung zwischen Versicherungsvertretern, Versicherungs30 maklern und Versicherungsberatern wird in der Vermittlerrichtlinie nicht vorgenommen. Allerdings kennt die Richtlinie neben dem Oberbegriff Versicherungsvermittler (Art. 2 Nr. 5) auch den „vertraglich gebundenen Versicherungsvermittler“ (Art. 2 Nr. 7). Gemeint ist eine Person, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung im Namen und für Rechnung eines VU oder – wenn die Versicherungsprodukte nicht in Konkurrenz zuein-
62 63
BGH 22.5.1985 BGHZ 94 356, 358; Schwintowski VuR 2008 281 ff. BGH 19.9.2001 VersR 2001 1498; BGH 22.5.1985 BGHZ 94 356, 359.
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Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 46.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
ander stehen – mehrere VU ausübt, die jedoch weder die Prämien noch die für den Kunden bestimmten Beträge in Empfang nimmt und hinsichtlich der Produkte der jeweiligen VU unter deren uneingeschränkter Verantwortung handelt. Der Versicherungsvertreter i.S.d. § 59 Abs. 2 ist folglich ein „vertraglich gebundener 31 Versicherungsvermittler“ i.S.v. Art. 2 Nr. 7 der Vermittlerrichtlinie. Das ergibt sich im deutschen Recht aus dem Zusammenwirken zwischen § 59 Abs. 2 sowie dem Gewerbeund dem Versicherungsaufsichtsrecht. Nach § 34d Abs. 4 GewO bedarf ein Versicherungsvermittler keiner Erlaubnis, wenn (1) er seine Tätigkeit als Versicherungsvermittler ausschließlich im Auftrag eines oder, wenn die Versicherungsprodukte nicht in Konkurrenz stehen, mehrerer im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten VU ausübt und (2) durch das oder die VU für ihn die uneingeschränkte Haftung aus seiner Vermittlertätigkeit übernommen wird. Darüber hinaus können nach Art. 3 Abs. 1 Vermittlerrichtlinie „vertraglich gebundene 32 Versicherungsvermittler von einem VU oder einem Zusammenschluss von VU unter der Aufsicht einer zuständigen Behörde eingetragen werden.“ Korrespondierend regelt § 80 Abs. 3 VAG, dass das oder die VU, für das oder die der Vertreter ausschließlich tätig wird, die im Register (§ 11a Abs. 1 GewO) zu speichernden Angaben der Registerbehörde mitzuteilen haben. Ferner hat das oder die VU sicherzustellen, dass die Voraussetzungen nach § 34d Abs. 4 GewO vorliegen. Das betrifft einerseits die Ausschließlichkeit der Tätigkeit und andererseits die Übernahme der uneingeschränkten Haftung aus der Vermittlertätigkeit durch das oder die VU. Darüber hinaus stellt § 80 Abs. 2 Nr. 1 VAG klar, dass VU mit gewerbsmäßig tätigen (gebundenen) Vermittlern nur zusammenarbeiten dürfen, wenn die Vermittler zuverlässig sind und in geordneten Vermögensverhältnissen leben. Ferner müssen die VU sicherstellen, dass die Vermittler über die zur Vermittlung der jeweiligen Versicherung angemessene Qualifikation verfügen (§ 80 Abs. 2 VAG). Die VR handeln ordnungswidrig und schulden ein Bußgeld nach § 144 Abs. 1a Nr. 3a VAG, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig mit einem Versicherungsvermittler zusammenarbeiten, der entweder nicht zuverlässig oder nicht in geordneten Vermögensverhältnissen lebt oder über die zur Vermittlung der jeweiligen Versicherung angemessene Qualifikation nicht verfügt. Der gebundene Vertreter kann in einzelnen Fällen makeln, ohne seine Vertretereigen- 33 schaft zu verlieren – er muss den Kunden aber darauf hinweisen.65 Denkbar ist dies, wenn der Vertreter mit einem Makler-Pool zusammenarbeitet, der Produkte anbietet, die der VR, an den der Vertreter gebunden ist nicht vorhält.66 In der Regel wird allerdings der Vertretervertrag eine solche „Nebentätigkeit“ nicht zulassen. Gewerberechtlich problematisch ist, dass die Haftungsübernahme durch das Mutter-VU die Maklertätigkeit nicht mehr abdeckt.67 Damit aber fällt die entscheidende Voraussetzung für die Privilegierungsmöglichkeit des § 34d Abs. 4 GewO weg.68
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Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 49, 122. Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 49; a.A. Adjemian GewArch 2009, 137, 140.
67 68
Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 122. Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 122.
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2. Betrauung
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Der Versicherungsvertreter muss von einem VR oder einem Versicherungsvertreter damit betraut sein, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen.
a) Betrauung von einem VR. Betrauung ist die rechtsgeschäftlich eingeräumte Geschäftsbesorgungsmacht (§ 675 BGB), für einen anderen Versicherungsschutz ganz oder teilweise zu beschaffen, auszugestalten und/oder abzuwickeln, ohne selbst VR oder VN zu sein.69 Die Betrauung macht auch den Gelegenheitsvermittler, sofern er gewerbsmäßig tätig ist, zum Versicherungsvertreter. Damit ist der Anwendungsbereich des VVG weiter als derjenige der §§ 84, 92 HGB. Das VVG erfasst auch Personen, die abweichend von § 84 Abs. 1 HGB nicht ständig damit betraut sind, für den Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder abzuschließen, sofern sie ihre Tätigkeit aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Unternehmer gewerbsmäßig ausüben.70 Diese Ausweitung des Vertreterbegriffes war erforderlich, weil auch die Gelegenheitsvermittler, soweit sie gewerbsmäßig handeln, unter die Vermittlerrichtlinie fallen (Art. 2 Nr. 5).71 Das Gesetz sieht keinerlei Form für die Betrauung vor – sie kann folglich schriftlich, 36 in Textform, mündlich oder auch konkludent erfolgen. Zweckmäßig und in der Praxis üblich sind schriftliche Vertreterverträge. Die Schriftform kann sich für handelsrechtliche Nebenabreden aus dem HGB ergeben. So etwa, wenn sich der Handelsvertreter verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit aus einem Geschäft einzustehen (Delkredere: § 89b Abs. 1 HGB). Schriftform ist außerdem vorgesehen für die Vereinbarung einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede nach § 90a Abs. 1 HGB. Inhaltlich muss der Betrauungsakt dazu führen, dass der Versicherungsvertreter als selbständiger Gewerbetreibender damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (VR) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (§ 84 Abs. 1 S. 1 HGB). Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 S. 2 HGB). Da es für die Betrauung keine Formvorschrift gibt, kann die Frage entstehen, ob eine 37 konkludente Betrauung auch dann schon vorliegt, wenn der Vertreter mit Wissen und Wollen des VR tätig wird.72 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass ein Vermittler, der mit Wissen und Wollen des VR tätig sei, von diesem nicht betraut sein müsse.73 Bestehe etwa die Verbindung eines VR zu einem Vermittler nur darin, dass der VR dem Vermittler Antragsformulare überlasse, so findet dessen Vermittlungstätigkeit zwar mit Wissen und Wollen des VR statt – darin läge aber keine Betrauung.74 Dies ist zutreffend, denn aus der schlichten Überlassung von Antragsformularen folgt nicht, dass der Vermittler als Vertreter des VR tätig werden soll. Die Überlassung von Antragsformularen kann auch gegenüber einem Makler erfolgen, damit dieser den VR in seinen Beratungskreis einschließen kann. Überlässt dagegen der VR dem Vermittler die Unterlagen, die er typischerweise seinen (gebundenen) Vertretern offeriert, einschließlich der Informationen über die bei der Vermittlung fließenden Provisionen, so deutet dies darauf hin, dass eine Betrauung (konkludent) erfolgen soll. Erweckt der Vermittler schließlich den Anschein einer Betrauung, obwohl sie tatsächlich nicht erfolgt ist, so sind die allgemeinen Grund-
35
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70 71
BGH 22.5.1985 BGHZ 94 356, 358; BGH VersR 2008 242 f.; Reiff VersR-HB2 § 5 Rn. 5 m.w.N. BTDrucks. 16/1935, S. 22. Ähnlich BTDrucks. 16/1935, S. 22.
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72 73 74
So für § 43 a.F. OLG Hamm vom 18.11.1998 NVersZ 1999 284, 285. HK-VVG/Münkel § 59 Rn. 10. HK-VVG/Münkel § 59 Rn. 10
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Begriffsbestimmungen
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sätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht anzuwenden – auch auf diese Weise kann folglich eine Betrauung entstehen.75 Betrauung meint keinen einseitig verpflichtenden, sondern einen zweiseitig verpflich- 38 tenden schuldrechtlichen Vertretervertrag mit zahlreichen Rechtspflichten sowohl des Versicherungsvertreters als auch des Versicherers.76 Möller hat darauf hingewiesen, dass der Vertretervertrag kein gegenseitiger Vertrag ist.77 Die Vermittlungsprovision werde zwar für Vermittlungserfolge versprochen, aber solche Erfolge wären nicht geschuldet. Zwar sei der Versicherungsvertreter verpflichtet, sich um Vermittlungen zu bemühen, aber nicht für die Bemühungen, sondern nur für seine Erfolge werde er entlohnt. Daraus ergebe sich auch, dass der Vertretervertrag jedenfalls ein entgeltlicher Vertrag sei. Der Vertreter schulde keine Dienste i.S. eines Dienstvertrages, sondern ist nach § 84 Abs. 1 HGB selbständig tätig, weil er im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit frei bestimmen kann. Der Vertretervertrag ist auch kein echter Werkvertrag, denn das Werk – der Vermittlungserfolg – wird nicht geschuldet, sondern allenfalls angestrebt (Bemühenspflicht). Der Vertretervertrag erweist sich somit als Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) mit starken handelsrechtlichen Komponenten.78 Die Pflichten des Versicherungsvertreters ergeben sich im Einzelnen aus dem geschlos- 39 senen Vertretervertrag. Dabei wird an handelsrechtliche Usancen angeknüpft, etwa bei der Pflicht des Vertreters, sich um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften zu bemühen (§ 86 Abs. 1 HGB) oder der Pflicht, das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen (§ 86 Abs. 1 HGB). Die Pflicht, dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, ihm namentlich von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen, ergibt sich unmittelbar aus § 86 Abs. 2 HGB, ist aber Ausdruck der allgemeinen Pflichten i.R. eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses (§§ 675, 666 BGB). Aus der Pflicht, die Interessen des Versicherers zu wahren, ergibt sich im Umkehrschluss die Verpflichtung, seinen Weisungen zu folgen, soweit es um das Produkt, die Tarifierung, die AVB, das Produktinformationsblatt, die Verkaufsbroschüre und um die Werbung geht. Weisungen des Versicherers dürfen nicht dazu führen, dass der Vertreter seine Tätigkeit nicht mehr im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit nicht mehr bestimmen kann.79 Der Versicherungsvertreter darf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm anvertraut oder als solche durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekannt geworden sind, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen (Geheimhaltungspflicht: § 90 HGB). Er hat Anspruch auf Provision für Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind (§ 92 Abs. 3 HGB). Eine Verpflichtung des Versicherungsvertreters zum Inkasso, zur Schadensbearbeitung oder zur Vertragsverwaltung gibt es nicht.80 Jedoch darf der Versicherungsvertreter mit dem Versicherer i.R. eines Funktionsausgliederungsvertrages (§ 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG) den Vertrieb, die Bestandsverwaltung, die Leistungsbearbeitung, das Rechnungswesen, die Vermögensanlage oder die Vermögensverwaltung eines Versicherungsunternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil übernehmen. Die Übernahme von Funktionen des Versicherers darf allerdings nicht so weit führen, dass der Vertreter zum Quasi-Versicherer wird, indem er die Tarife gestaltet, die AVB formuliert, die Grundsätze der Geschäftsführung bestimmt und formuliert, sodass der „Versicherer“
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HK-VVG/Münkel § 59 Rn. 11; § 69 Rn. 13. Bruck/Möller/Möller8 Vor §§ 43– 48 Rn. 197. Bruck/Möller/Möller8 Vor §§ 43– 48 Rn. 197. Bruck/Möller/Möller8 Vor §§ 43– 48 Anm. 197 m.w.N.
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Bruck/Möller/Möller8 Vor §§ 43– 48 Anm. 219 m.w.N. Bruck/Möller/Möller8 Vor §§ 43– 48 Anm. 222 ff.
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letztlich nur noch Finanzier des Versicherungsgeschäftes ist und damit die Funktion eines stillen Gesellschafters übernimmt.81 Auch die Rechte des Versicherungsvertreters ergeben sich aus dem Vertretervertrag, sind aber durch die handelsrechtlichen Regelungen beeinflusst. Im Zentrum steht das Recht auf die Provision (§ 92 Abs. 3 HGB), daneben können Festbezüge gewährt werden.82 Der Versicherungsvertreter vermittelt den Versicherungsvertrag – der Kunde wird also zum Vertragspartner des Versicherers. Insoweit besteht für den Versicherungsvertreter kein Kundenschutz.83 Ist das Geschäft auf die Tätigkeit des Versicherungsvertreters zurückzuführen (§ 92 Abs. 3 HGB), so gebührt ihm allerdings auch nach Abschluss des Vertrages die laufende Provision i.R.d. vertraglichen Vereinbarungen mit dem Versicherer.84 Über die Frage, ob der zwischen dem VR und dem Vermittler geschlossene Vertrag ein Vertretervertrag ist, mit der Folge, dass auf diesen das Handelsvertreterrecht und nicht das Arbeitsrecht anzuwenden ist, entscheidet primär der Begriff der Selbständigkeit in § 84 Abs. 1 HGB. Wer nach dem Vertrag mit dem VR im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, ist i.d.R. Versicherungsvertreter. Darüber hinaus entscheidet das Gesamtbild über die Einordnung des Vertrages als Vertretervertrag.85 Wesentlich ist, dass der Vertreter die Interessen des VR zu wahren hat (§ 86 Abs. 1 HGB), dass der VR dem Vertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Geschäftsbedingungen oder Werbedrucksachen zur Verfügung zu stellen hat (§ 86a HGB), dass der Vertreter einen Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind, erwirbt (§ 87 Abs. 1 HGB), dass der VR die Produkte gestaltet und dem Versicherungsvertreter vorgibt und dass der VR sowohl das Insolvenz- und Bonitätsrisiko des VN als auch das mit dem Versicherungsprodukt verbundene Leistungsrisiko trägt.86 Wer, ohne selbständig zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter (§ 84 Abs. 2 HGB). Daraus folgt, dass Arbeitnehmer eines VR, die im Innen- oder auch im Außendienst für diesen Versicherungsverträge vermitteln oder abschließen, keine Versicherungsvertreter sind.87 Aus diesem Grunde stellt § 6 klar, dass der VR, wenn er über seine Angestellten Verträge vermittelt oder abschließt, den weitgehend gleichen Beratungs- und Dokumentationspflichten unterliegt wie der Versicherungsvermittler (§ 61).88 Ob Versicherungsvertreter ihre Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausüben, ist für § 59 Abs. 2 gleichgültig – beide Formen sind erfasst. Zwar muss der Versicherungsvertreter nach § 59 Abs. 2 gewerbsmäßig Versicherungsverträge vermitteln oder abschließen; jedoch trifft dies bei richtlinienkonformer Auslegung auf die meisten Gelegenheitsvermittler zu. Die Differenzierung hat allerdings handelsrechtliche Folgen, da die §§ 89, 89b
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Vertiefend BAV (heute BaFin) Rundschreiben R 6/76 i.V.m. R 29/2000 und R 15/2005. Bruck/Möller/Möller8 Vor §§ 43– 48 Anm. 244. Bruck/Möller/Möller8 Vor §§ 43– 48 Anm. 241. Bruck/Möller/Möller8 Vor §§ 43– 48 Anm. 241, 269. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 11.
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Zu diesem Fragenkreis BAG vom 15.12.1999, VersR 2000 1496 f.; Hanau/Strick Beilage Nr. 14 zu DB 1998 6. Wie hier Beckmann/Matusche-Beckmann/ Reiff § 5 Rn. 5 m.w.N. Der VR schuldet sogar Beratung und Information nach Abschluss des Vertrages (§ 6 Abs. 4), es sei denn es besteht dafür kein Anlass, z.B. weil ein Makler die Betreuung übernimmt.
Hans-Peter Schwintowski
Begriffsbestimmungen
§ 59
HGB auf nebenberufliche Vertreter nicht anzuwenden sind. Nebenberuflich ist ein Vertreter tätig, wenn das Arbeitseinkommen überwiegend nicht aus der Vermittlertätigkeit stammt oder wenn eine andere, gegebenenfalls unentgeltliche Tätigkeit die Tätigkeit als Handelsvertreter nach Zeit und Umfang überwiegt.89 Auch der von mehreren VR betraute „Mehrfachvertreter“ ist Versicherungsvertreter 44 i.S.d. § 59 Abs. 2.90 Er bedarf allerdings der Erlaubnis (einschließlich Registrierung und Berufshaftpflichtversicherung) nach § 34d GewO, da er nicht unter die Befreiung des § 34d Abs. 4 GewO fällt. Die Befreiung nach § 34d Abs. 4 GewO setzt voraus, dass die Vermittlungstätigkeit ausschließlich im Auftrag eines VU ausgeübt wird. Nur dann, wenn die Versicherungsprodukte nicht in Konkurrenz stehen, darf der Versicherungsvermittler auch an mehrere VR, die im Inland zum Geschäftsbetrieb befugt sind, gebunden sein (§ 34d Abs. 4 Nr. 1 GewO). Der Vermittler ist also auch dann ausschließlich für einen VR tätig, wenn er für A das Sachgeschäft vermittelt, für B das Lebensgeschäft und für C die Krankenversicherung. Betreibt allerdings A sowohl das Sach- als auch das Lebensgeschäft und erstreckt sich der Vertretervertrag auch auf das Lebensgeschäft, so konkurrieren die Produkte von A mit denen von B (beide Verträge umfassen auch das Lebensgeschäft), sodass die Befreiung von der Erlaubnis nach § 34d Abs. 4 GewO nicht mehr greift. Eine solche Konkurrenzsituation ist innerhalb eines Konzerns nicht notwendig ge- 45 geben.91 Schönleiter verweist darauf, dass der Vermittler im Konzern an einen VR gebunden sein kann, der z.B. nur Lebensversicherungen anbietet. Dennoch dürfe er gleichzeitig von anderen VR desselben Konzerns Versicherungen, ja sogar auch Lebensversicherungen, anbieten. Die Auffassung von Schönleiter lässt sich halten, wenn der Vertretervertrag des Vermittlers eine Konzernklausel enthält, wenn der Vermittler also eine Ausschließlichkeitsvereinbarung mit der Konzernspitze schließt und diese ihm den Zugang zu den verschiedenen Versicherungsprodukten des Konzerns eröffnet. In diesem Fall ist der Konzern ein einziges VU mit mehreren Produktsparten – verteilt auf verschiedene Versicherungsgesellschaften. Hat der Vermittler dagegen einen Ausschließlichkeitsvertrag mit einem einzigen VR, der konzernangehörig ist, so ist er nur berechtigt und verpflichtet, für diesen VR Verträge zu vermitteln. Andere konzernangehörige VR, die vergleichbare Produkte anbieten, sind Konkurrenten – daran ändert die Konzernierung (§ 18 AktG) nichts. Dies bedeutet, dass die Befreiung von der Erlaubnis nach § 34d GewO für diese Fälle fraglich ist. Ein Vermittler, der vergleichbare (in Konkurrenz stehende) Produkte für mehrere konzernangehörige VR anbietet, ohne einen Vertrag mit Konzernklausel zu haben, dürfte Mehrfachvertreter sein und als solcher der Erlaubnis, der Registrierung und der Berufshaftpflichtversicherung bedürfen. Bietet ein VR beispielsweise nur das Sachgeschäft an, so darf der Vermittler für das 46 Lebens- und für das Krankengeschäft nunmehr mit anderen VR Verträge schließen. Seinen Status als Ausschließlichkeitsvermittler im gewerberechtlichen Sinne verliert er dadurch selbst dann nicht, wenn er für andere VR nicht als Versicherungsvertreter, sondern als Versicherungsmakler tätig werden sollte. Gewerberechtlich bedeutet dies, dass der Vermittler für seine Ausschließlichkeitsbindung an den Sachversicherer von der Erlaubnispflicht befreit ist –, insoweit bedarf er auch keiner Berufshaftpflichtversicherung. 89
Koller/Roth/Morck/Roth HGB-Komm., 6. Auflage, § 92b Rn. 2 mit Hinweis auf Rentner, Hausfrauen und Studenten; Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 12; Sieg ZVersWiss 1988 263, 273.
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BTDrucks. 16/1935, S. 22. Schönleiter GewArch 2007 265 III. 1. c.
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Jedoch benötigt dieser Vermittler, wegen seiner Tätigkeit als Makler, nunmehr die Erlaubnis nach § 34d GewO einschließlich der Registrierung und der Berufshaftpflichtversicherung. Ist es dem Versicherungsvertreter nach dem Vertretervertrag erlaubt, das Risiko, das 47 er eingeworben hat, auch bei einer anderen Gesellschaft zu platzieren, wenn „seine“ Gesellschaft das Risiko nicht zeichnen will, so verliert der Vermittler durch diese Ventillösung seine ausschließliche Bindung an nur einen einzigen VR. Er darf den Antrag auch an einen anderen VR vermitteln – dieser steht in Konkurrenz zu dem Stammversicherer des Vermittlers – folglich liegen die Voraussetzungen für die Erlaubnisbefreiung nach § 34d Abs. 4 GewO nicht mehr vor.92 Anders sind die Gestaltungen zu beurteilen, wonach der Vermittler z.B. bezüglich der Lebensversicherung an VR (A) und bzgl. der Krankenversicherung an VR (B) gebunden ist. Eine solche Fallgestaltung ist gewerberechtlich zulässig und erfüllt die Ausnahme von der Erlaubnispflicht nach § 34d Abs. 4 GewO. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass die Haftungsübernahme eines VR für 48 die gesamte Tätigkeit des Vermittlers zu erteilen ist.93 Daraus schlussfolgert Schönleiter – er war der maßgebliche Referent des Gesetzentwurfes im BMWi – dass „damit auch die Haftung für Schäden aus dem Bereich des anderen VR mitübernommen werde.“ Aus § 34d Abs. 4 GewO ergibt sich diese Haftungserweiterung allerdings nicht. Dort heißt es, dass das oder die VU für den Vermittler die uneingeschränkte Haftung aus seiner Vermittlungstätigkeit übernehmen. Ist der Vermittler an ein einziges VU gebunden, so übernimmt dieses die uneingeschränkte Haftung aus der Vermittlungstätigkeit. Ist der Vermittler an mehrere VU gebunden, die nicht miteinander in Konkurrenz stehen (Sach/ Leben/Kranken), so übernehmen diese drei VR die Haftung für die Vermittlungstätigkeit des Vermittlers im jeweiligen Tätigkeitsbereich. Aufgrund der Absprachen, die der VR mit dem Vermittler getroffen hat, liegt es nahe, die Haftung auf den Bereich zu beschränken, der Gegenstand der Vermittlungstätigkeit ist. Der Lebensversicherer haftet also für Vermittlungsfehler im Lebensbereich – es ist nicht sachgerecht, dass der Sach- und Krankenversicherer in diesem Fall gesamtschuldnerisch für die Fehler im Lebensbereich mithaften sollte. Etwas anderes kann im Einzelfall gelten, wenn sich die Vermittlungstätigkeit auf mehrere Bereiche erstreckt hat, wenn der Vermittler z.B. über den Abschluss einer Privathaftpflichtversicherung und einer Risikolebensversicherung beraten hat und sich die Empfehlung für die PHV und gegen die RisikoLV später als Beratungsfehler herausstellt.
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b) Der produktakzessorische Vertreter. Produktakzessorische Vertreter sind solche, die Versicherungen als Ergänzung im Rahmen ihrer Haupttätigkeit vermitteln. Für diesen Vermittler stellt der Vertrieb von Versicherungen nur eine Nebentätigkeit zu seinem eigentlichen Gewerbe dar.94 Viele der produktakzessorischen Vermittler sind bereits durch die generelle Ausnahme nach § 34d Abs. 9 GewO sowohl von der Erlaubnispflicht nach § 34d GewO wie auch über § 66 VVG von der zivilrechtlichen Beratungs- und Dokumentationspflicht gänzlich befreit.95 In den Anwendungsbereich des § 34d Abs. 3 GewO fallen folglich nur noch jene produktakzessorischen Vermittler, die die strengeren
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Schönleiter GewArch 2007 265, 268; Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 14; relativierend Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 122. Schönleiter GewArch 2007 265 III. 1. c.
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Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 93. Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 93.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
Tatbestandsvoraussetzungen des Abs. 9 nicht erfüllen. In der Praxis sind dies in erster Linie Kfz-Händler, die Haftpflichtversicherungen vermitteln und deshalb nicht unter die Ausnahme des § 34d Abs. 9 GewO fallen. Produktakzessorische Vermittler können auf Antrag von der Erlaubnispflicht des § 34d Abs. 1 GewO befreit werden (§ 34d Abs. 3 GewO). Wenn die Voraussetzungen für die Befreiung vorliegen (Bindung an einen oder mehrere VR/Vermittler; Berufshaftpflichtversicherung sowie Zuverlässigkeit, geordnete Vermögensverhältnisse und angemessene Qualifizierung), so kann die zuständige Behörde (IHK) den produktakzessorischen Vermittler von der Erlaubnis befreien. Dies steht in Übereinstimmung mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie, die die Möglichkeit enthält, im Bereich der nebentätigen Versicherungsvermittlung die Anforderungen an Kenntnisse und Fertigkeiten des Vermittlers an die von ihm vertriebenen Produkte anzupassen.96 Daneben nennt Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie den Vermittler produktakzessorischer Produkte ausschließlich als Typus des gebundenen Vermittlers.97 Eine Kombination der beiden Vorschriften ermöglicht somit den Befreiungstatbestand in § 34d Abs. 3 GewO, sodass bei produktakzessorischen Versicherungen auch Mehrfirmenvertreter privilegiert werden können.98 Das Merkmal der Produktakzessorietät ist eng auszulegen.99 Zu bejahen wäre die Akzessorietät für die Haftpflicht- und Kaskoversicherungen beim Kfz-Kauf. Ebenso ist bei Abschluss eines Darlehensvertrages die Lebensversicherung als Sicherheit für die Bedienung des Darlehens akzessorisch.100 Auch eine Reise, verbunden mit einer Gut-Wetter-Versicherung entspricht dem Merkmal der Produktakzessorietät.101 Dagegen soll die Vermittlung einer Hausratversicherung durch ein Kreditinstitut bei Aufnahme eines Hausbaudarlehens nicht akzessorisch sein.102 Diese Abgrenzung erscheint zumindest in den Fällen fraglich, in denen es sich eindeutig um ein Wohnhaus handelt, bei dem die Bank womöglich auch die Einrichtung mitfinanziert. Jedenfalls dürfte die Gebäudeversicherung akzessorisch sein. Nicht akzessorisch sind dagegen Versicherungen, die als zusätzliche Bausteine eines Finanzierungsmodells eingesetzt werden.103 Gemeint könnte eine neben der Finanzierung des Hausbaus abgeschlossene Rentenversicherung sein. Sie hat reine Anlagefunktion und sichert kein mit der Hauptleistung (Immobilienfinanzierung) unmittelbar verbundenes Risiko.104 Wegen der notwendigen Produktakzessorietät werden Vermittler von Strukturvertrieben regelmäßig die Befreiungsmöglichkeit nicht nutzen können.105 Unabhängig davon, ob produkakzessorische Vermittler den Befreiungsantrag nach 50 § 34d Abs. 3 GewO gestellt haben, sind sie materiell-rechtlich Versicherungsvertreter i.S.d. § 59 Abs. 2, jedenfalls dann, wenn sie – wie in der Praxis üblich – Versicherungsverträge gewerbsmäßig vermitteln oder abschließen. c) Betrauung von einem Versicherungsvertreter. Viele Vertreter haben ihren Vertreter- 51 vertrag nicht mit dem VR, sondern mit einem anderen Versicherungsvermittler abgeschlossen, sie sind Untervermittler und damit selbständige Gewerbetreibende, also keine Angestellten i.S.d. § 34d Abs. 6 GewO. Der Untervertreter muss nach § 59 Abs. 2 von einem Versicherungsvertreter mit der Vermittlung von VV betraut sein. Betrauung bedeutet auch hier die rechtsgeschäftliche Vereinbarung eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses. Dies kann schriftlich, mündlich oder konkludent erfolgen.
96 97 98 99 100
BTDrucks. 16/1935, S. 19. BTDrucks. 16/1935, S. 19. BTDrucks. 16/1935, S. 19. BTDrucks. 16/1935, S. 19. BTDrucks. 16/1935, S. 19.
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Schönleiter GewArch 2007 265, III. 1. c. BTDrucks. 16/1935, S. 19. BTDrucks. 16/1935, S. 19. BTDrucks. 16/1935, S. 19. BTDrucks. 16/1935, S. 19.
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Eine vergleichbare Betrauungsregelung enthält § 59 Abs. 3 für den Versicherungsmakler nicht. Aber auch im Maklervertrieb sind Untervermittlungsverhältnisse durchaus üblich und nach allgemeinen Grundsätzen zulässig. Untervermittler bedürfen der Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO. Sie sind nicht von der Erlaubnispflicht nach § 34d Abs. 4 GewO freigestellt, es sei denn, dass das VU auch für den Untervermittler die uneingeschränkte Haftung aus seiner Vermittlertätigkeit übernommen hat. Eine uneingeschränkte Haftungsübernahme durch den Obervermittler genügt für die Befreiung von der Erlaubnis nach § 34d Abs. 4 GewO nicht. Übernimmt das VU nicht die uneingeschränkte Haftung aus der Vermittlertätigkeit des Untervermittlers, so bedarf dieser einer eigenständigen Erlaubnis, einschließlich Registrierung, Qualifikation und Haftpflichtversicherung. Kein Fall der Untervermittlung liegt bei der Vermittlung von VV durch Mitarbeiter 53 von Banken, Sparkassen oder Strukturvertrieben vor. In diesen Fällen ist die juristische Person, in deren Namen der jeweilige Mitarbeiter handelt, Versicherungsvermittler. Die juristische Person hat nach § 34d Abs. 2 Nr. 4 GewO nachzuweisen, dass sie die für die Versicherungsvermittlung notwendige Sachkunde über die versicherungsfachlichen Grundlagen, insbesondere hinsichtlich Bedarf, Angebotsformen, Leistungsumfang, rechtliche Rahmenbedingungen und Kundenberatung besitzt. Es ist (§ 34d Abs. 2 Nr. 4 GewO) ausreichend, wenn der Nachweis durch eine angemessene Zahl von beim Antragsteller beschäftigten natürlichen Personen erbracht wird, denen die Aufsicht über die unmittelbar mit der Vermittlung von Versicherungen befassten Personen übertragen ist und die den Antragsteller (z.B. die Bank oder Sparkasse) vertreten dürfen. Durch diese Regelung wird Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie umgesetzt.106 Der Nachweis der Sachkunde kann von der „Geschäftsführung“ auf andere vertretungsberechtigte Aufsichtspersonen des „Unternehmens“ delegiert werden, wobei eine Vertretungsberechtigung nach den §§ 49 oder 54 HGB ausreicht.107 Es muss sichergestellt sein, dass die gewählte Aufsichtsperson dafür sorgen kann, dass alle unmittelbar mit der Vermittlung betrauten Personen ihrem Tätigkeitsfeld entsprechend qualifiziert sind.108 Die Qualität der Beratung wird durch ein angemessenes Zahlenverhältnis zwischen Aufsichtspersonen und zu beaufsichtigenden Personen garantiert.109 Für die Angestellten des Versicherungsvermittlers gelten die Grundsätze des § 34d Abs. 6 GewO. Sie dürfen nur beschäftigt werden, wenn sichergestellt ist, dass sie über die für die Vermittlung der jeweiligen Versicherung angemessene Qualifikation verfügen und wenn sie zuverlässig sind.110 3. Gewerbsmäßig
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Der Versicherungsvertreter muss nach dem Wortlaut des § 59 Abs. 2 gewerbsmäßig VV vermitteln oder abschließen. Für die Einschränkung auf die Gewerbsmäßigkeit verweist der Gesetzgeber auf Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie.111 In Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie wird als Versicherungsvermittler jede natürliche oder juristische Person definiert, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt. Eine spezifische Einschränkung auf die Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit enthält die Richtlinie nicht, jede Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung ist folglich gemeint.
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BTDrucks. 16/1935, S. 18. BTDrucks. 16/1935, S. 18. BTDrucks. 16/1935, S. 18; Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 102a verlangt. Dass der „Obervermittler“ eine deutsche Erlaubnis braucht.
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BTDrucks. 16/1935, S. 19; vertiefend Jacob VersR 2007 1164. Vorschläge zur Qualifikationsprüfung macht Jacob VersR 2007 1164. BTDrucks. 16/1935, S. 18.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
Der Begriff der Gewerbsmäßigkeit im deutschen Recht ist aus dieser Perspektive richtlinienkonform zu interpretieren. Gewerbsmäßig meint eine Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung. Damit setzt diese Tätigkeit kein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 Abs. 2 HGB voraus. Der Versicherungsvertreter benötigt also kein Unternehmen, das nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Es genügt, wenn er die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt. In diesem Sinne sind auch die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie112 zu verstehen. Dort wird mit Blick auf die ursprüngliche Fassung des heutigen § 66113 darauf hingewiesen, dass die Erstreckung der Beratungs- und Dokumentationspflichten, der Kundengeldsicherung und der Regeln über die Schlichtungsstelle auf Versicherungsvermittler i.S.d. § 34d Abs. 9 GewO und auf gewerbsmäßig tätige Versicherungsvermittler über die Vorgaben der Richtlinie hinausginge. Das ist zutreffend, weil nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf (§ 42h VVG) der Eindruck hätte entstehen können, als sollten sich die materiell-rechtlichen Regelungen des neuen VVG auch auf Versicherungsvermittler erstrecken, deren Tätigkeit die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie nicht erfüllen. Dies bedeutet, dass der Begriff Gewerbsmäßigkeit richtlinienkonform funktional auszulegen ist.114 Gewerbsmäßig handelt jede natürliche oder juristische Person, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt. Damit sind Versicherungsvermittler nicht erfasst, bei denen nicht davon gesprochen werden kann, dass sie die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung überhaupt aufnehmen. Gemeint sind selbständige Vermittler mit außerordentlich geringen Umsätzen (gewerberechtliche Bagatelle).115 Von einer Tätigkeit kann auch dann kaum gesprochen werden, wenn der geschäftliche Umfang „vernachlässigenswert gering und zeitlich beschränkt ist.“ 116 Die präzisen Grenzen wird man im Einzelfall zu bestimmen haben. „Mehr als wenige Hundert Euro Provisionsumsatz im Jahr oder zwei, drei Vermittlungsgeschäfte pro Jahr werden es aber nicht sein.“117 Daraus folgt, dass einige wenige Gelegenheitsvermittler mangels Gewerbsmäßigkeit aus dem Anwendungsbereich des VVG ausgeschlossen sind. Erzielen diese Vermittler aber Umsätze von einigen Tausend Euro pro Jahr bei 10 bis 15 provisionspflichtigen Vermittlungsvorfällen, so handeln sie i.S.d. § 59 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie gewerbsmäßig, sind also Versicherungsvermittler. 4. Gewerberechtliche Implikationen Arbeitet ein Versicherungsunternehmen mit einem an dieses Unternehmen gebunde- 55 nen und folglich von der Erlaubnis befreiten Versicherungsvertreter (§ 34d Abs. 4 GewO) zusammen, so setzt diese Zusammenarbeit voraus, dass die Vermittler zuverlässig sind und in geordneten Vermögensverhältnissen leben (§ 80 Abs. 2 VAG).118 Außerdem müssen die VU sicherstellen, dass die Vermittler über die zur Vermittlung der jeweiligen Versicherung angemessene Qualifikation verfügen. Es handelt sich um jene Voraussetzungen, die für die Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO im Normalfall erforderlich sind, ohne deren Vorliegen also die Erlaubnis zu versagen ist (§ 34d Abs. 2 GewO). Dies
112 113 114
BTDrucks. 16/3162 vom 25.10.2008, S. 10. Im Gesetzentwurf war das § 42h VVG, vgl. BTDrucks. 16/1935, S. 11. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Reiff VersR 2007 717, 719 (Fn. 23–26), der einen Verstoß gegen die Richtlinie annimmt.
115 116 117 118
Beenken/Sandkühler 28 (2.1.3). Beenken/Sandkühler 28. Beenken/Sandkühler 28; Looschelders/Pohlmann/Baumann § 59 Rn. 8. Hierzu Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 66 ff.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
bedeutet, dass der an ein VU gebundene Ausschließlichkeitsvertreter zwar keiner Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO bedarf (§ 34d Abs. 4 GewO), dass das VU mit ihm aber nur zusammenarbeiten darf, wenn er zuverlässig und qualifiziert ist sowie in geordneten Vermögensverhältnissen lebt, also die Voraussetzungen des § 34d Abs. 2 GewO erfüllt, sieht man einmal von der Berufshaftpflichtversicherung ab (§ 34d Abs. 2 Nr. 3 GewO), die der Vertreter wegen der Haftungsübernahme des Versicherers nicht benötigt. Arbeitet ein VU mit einem Vertreter zusammen, der die Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 VAG nicht oder nicht hinreichend erfüllt, so handelt es ordnungswidrig – es kann ein Bußgeld nach § 144 Abs. 1a Nr. 3a VAG verhängt werden. Darüber hinaus müssen VU Beschwerden über Versicherungsvermittler, beantworten (§ 80a VAG). Bei wiederholten Beschwerden, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit erheblich sein können, müssen sie die für die Erlaubniserteilung nach § 34d Abs. 1 GewO zuständige IHK davon in Kenntnis setzen. Grund ist, dass die IHK nach § 34d Abs. 1 GewO die Erlaubnisbefreiung, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit und der Versicherungsnehmer erforderlich ist, inhaltlich beschränken und mit Auflagen verbinden kann.119 Das Gesetz stellt durch Verweisung auf § 34d Abs. 2 Nr. 1 GewO klar, dass die Zuverlässigkeit regelmäßig zu verneinen ist, wenn der Antragsteller in den letzten fünf Jahren wegen eines Verbrechens oder eines anderen in § 34d Abs. 2 Nr. 1 GewO genannten Delikts rechtskräftig verurteilt worden ist.120 Genannt wird Diebstahl, Unterschlagung, Erpressung, Betrug, Untreue, Geldwäsche, Urkundenfälschung, Hehlerei, Wucher oder eine Insolvenzstraftat. Darüber hinaus haben die VU zu überprüfen, ob der Antragsteller in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt. Dies ist, wie sich aus § 34d Abs. 2 Nr. 2 GewO ergibt, in der Regel der Fall, wenn über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden oder er in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist.121 Die erforderliche Zuverlässigkeit kann wegfallen, wenn der Versicherungsvermittler seine zivilrechtliche Beratungs- und Dokumentationspflicht (§§ 60, 61 VVG) dauernd und nachhaltig verletzt.122 Das Gesetz enthält keine Hinwese darauf, dass die IHK’s verpflichtet sind, die Einhaltung der zivilrechtlichen Beratungs- und Dokumentationspflicht (stichprobenartig) zu prüfen. Darin könnte ein Sanktionsdefizit im Sinne des effet utile (Art. 4 Abs. 3 EUV) liegen. Dem könnte man entgegenhalten, dass die Kunden den IHK’s und den Gerichten von den Beratungs- und Dokumentationsdefiziten (einschließlich der Defizite bei den Statusangaben) berichten könnten. Allerdings wissen die Kunden in der Regel gar nicht, in welchem Umfang Statusangaben sowie Beratungs- und Dokumentationspflichten geschuldet sind. Dies bedeutet, dass es bei der Zuverlässigkeitsprüfung zu einer erheblichen Verlässlichkeitslücke kommt, weil der Gesetzgeber versäumt hat, weder den IHK’s noch der BaFin eine Überprüfungsbefugnis insoweit zuzuweisen. Dies könnte europarechtswidrig sein, weil damit die wirksame Umsetzung der Vermittlerrichtlinie, insbesondere die Durchsetzung der Statusinformation sowie der Beratungs- und Dokumentationspflichten als Kern der Richtlinie, in Frage steht. Mit Blick auf die nach § 80 Abs. 2 VAG erforderliche Sachkundeprüfung ist § 1 Abs. 4 VersVermV zu beachten. Danach sind alle Personen von der Sachkundeprüfung befreit,
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BTDrucks. 16/1935, S. 18. BTDrucks. 16/1935, S. 28. Vertiefend: Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 72 ff.
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Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 70.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
die seit dem 31. August 2000 selbständig oder unselbständig ununterbrochen als Versicherungsvermittler oder als Versicherungsberater tätig waren. Für diese Personengruppe gewährt das Gesetz – ebenso wie Art. 5 der Richtlinie Bestandsschutz. Es wird unterstellt, dass diese Personengruppe über ein angemessenes Ausbildungs- und Erfahrungsniveau (learning by doing) verfügt.123 Eine vom Gesetzgeber nicht erörterte Frage ist diejenige, wie sich gewerberechtliche 60 Fehler einerseits auf den Vertretervertrag und andererseits auf den mit dem Kunden geschlossenen Versicherungsvertrag auswirken. Der Vertretervertrag kann wegen Verstoßes gegen gewerberechtliche Voraussetzungen nach §§ 80, 144 VAG i.V.m. § 34d Abs. 2 GewO nach § 134 BGB nichtig sein. Die Nichtigkeitssanktion des § 134 Abs. 1 BGB hängt von der Ausgestaltung und dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes ab.124 § 80 Abs. 2 VAG hat den Zweck, dass VU nur mit solchen Vermittlern zusammenarbeiten, die zuverlässig und qualifiziert sind sowie in geordneten Vermögensverhältnissen leben. Ein VU, das gegen diese Grundregeln verstößt, handelt ordnungswidrig und schuldet ein Bußgeld (§ 144 Abs. 1a Nr. 3a VAG). Der Zweck des Verbotes zielt also darauf, Vermittlungsverträge mit Personen, die die gewerberechtlichen Mindestvoraussetzungen nicht erfüllen, zu verhindern. Dieser Sinn und Zweck der aufsichtsrechtlichen Regelungen würde leer laufen, wenn der zivilrechtlich geschlossene Vertretervertrag gleichwohl wirksam weiter bestehen dürfte. Aus diesem Grund bewirkt der Verstoß gegen § 80 Abs. 2 VAG zugleich die zivilrechtliche Nichtigkeit des Vertretervertrages nach § 134 Abs. 1 BGB.125 Eine hiervon zu trennende Frage ist die, ob der Verstoß gegen § 80 Abs. 2 VAG auch 61 das zwischen dem Vermittler und dem Kunden bestehende – auf Anbahnung des zukünftigen Versicherungsvertrages gerichtete – Rechtsverhältnis tangiert. Der BGH hat geurteilt, dass es in diesen Fällen entscheidend ist, ob sich das Verbotsgesetz (§ 80 Abs. 2 VAG) nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäftes mit dem Dritten (Vertretervertrag) wendet, sondern auch gegen die privatrechtliche Wirksamkeit im Drittverhältnis und damit gegen den wirtschaftlichen Erfolg der Verträge mit Dritten.126 Diese Frage wird man mit Blick auf den Sinn und Zweck des § 80 Abs. 2 VAG im Regelfall zu bejahen haben. Der an einen Versicherer gebundene Ausschließlichkeitsvertreter ist ja nur deshalb von der Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO befreit, weil er alle Voraussetzungen für eine Erlaubnis erfüllt, der Versicherer ihn aber von der Haftung freistellt. Erfüllt ein solcher Vermittler in Wirklichkeit die Voraussetzungen für eine Erlaubnis (Zuverlässigkeit/Qualifikation/geordnete Vermögensverhältnisse) nicht oder nicht hinreichend, so würde er die Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO nicht bekommen. Würde er dennoch Versicherungsverträge vermitteln, so wären die auf Vermittlung gerichteten Rechtsgeschäfte wegen Verstoßes gegen § 34d Abs. 1 GewO nach § 134 BGB nichtig, es sei denn, der VN hält an dem geschlossenen VV ausdrücklich fest.127 Das Gleiche muss auch dann gelten, wenn der Vermittler ausschließlich an einen VR gebunden ist und dieser die Prüfung der nach § 80 Abs. 2 VAG erforderlichen gewerberechtlichen Voraussetzungen beim Vermittler übernimmt. Auch in diesen Fällen bedürfen die Kunden Schutz vor Vermittlern, die unzuverlässig sind, nicht qualifiziert sind oder in ungeordneten Vermögensverhältnissen leben. Die auf Vermittlung eines VV gerichteten Rechtsverhältnisse sind nach
123 124 125
Vertiefend Beenken/Sandkühler 34 f. Palandt/Heinrichs67 § 134 Rn. 6, 7. So bereits für das frühere inhaltsgleiche Recht Bruck/Möller/Möller8 Vor §§ 43– 48 Anm. 203.
126 127
BGH vom 23.4.1968 NJW 1968 2286 f. So war es im Falle eines Immobilienmaklers: BGH v. 23.10.1980 NJW 1981 387.
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§ 59
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
§ 134 BGB nichtig, und die unrechtmäßig geflossenen Provisionen rückabzurechnen; d.h. bereicherungsrechtlich den Kunden auszukehren. Die Nichtigkeit des Vermittlungsverhältnisses bewirkt zugleich den Wegfall der Geschäftsgrundlage für den geschlossenen Versicherungsvertrag zwischen Kunden und Versicherer (§ 313 BGB). Hätten die Parteien auf der Grundlage eines ordnungsgemäßen Vermittlungsvertrages den Versicherungsvertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, so könnten sie Anpassung des Vertrages verlangen, die zur Aufhebung und Rückabwicklung führen kann. Die gleichen Grundsätze gelten für Mehrfachvertreter, die Versicherungen vermitteln, 62 ohne über die gewerberechtlich erforderliche Erlaubnis zu verfügen. Bei ihnen ergibt sich die Nichtigkeit des Vermittlungsverhältnisses aus § 34d Abs. 2 GewO, der Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB ist. Im Verhältnis zwischen dem Kunden und dem Versicherer führt das Fehlen der Erlaubnis beim Mehrfachvertreter ebenfalls zur Störung der Geschäftsgrundlage und zur Anpassung des Vertrages nach § 313 BGB.
III. Der Begriff Versicherungsmakler (§ 59 Abs. 3) 1. Abgrenzung zum Versicherungsvertreter und zum Handelsmakler
63
Versicherungsmakler ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein (§ 59 Abs. 3 S. 1). Danach können – entsprechend der Richtlinie (Art. 2 Nr. 5) natürliche oder juristische Personen Versicherungsmakler sein. Als Versicherungsmakler gilt, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler (Pseudomakler: § 59 Abs. 3 S. 2). Versicherungsmakler ist, so § 59 Abs. 3, „wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber 64 die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt.“ Anders als der Versicherungsvertreter ist der Versicherungsmakler nicht von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter mit der Vermittlung oder dem Abschluss von VV betraut. Er ist vielmehr als Sachwalter128 des Auftraggebers – das ist der zukünftige VN – tätig. Von einem Versicherungsvertreter unterscheidet sich somit ein Versicherungsmakler dadurch, dass jener im Lager des Versicherers steht, nämlich für diesen vertraglich gebunden vermittelt, während der Versicherungsmakler „im Lager des Kunden“ steht, also für diesen und in seinem Interesse mit einem Vermittlungsgeschäft betraut wird.129 Deshalb ist eine Registrierung für beide Vermittlertypen gewerberechtlich nicht zulässig.130 Makler schließen sich oft zu Makler-Pools zusammen – diese Pools haben regelmäßig den Charakter von Servicegesellschaften, um akquirierte Verträge zu poolen und damit größere Volumina den entsprechenden VU anzubieten.131 Der Makler-Pool selbst ist also nicht Makler. Der Begriff des Versicherungsmaklers in § 59 Abs. 3 S. 1 weicht nicht unerheblich 65 vom Begriff des Handelsmaklers nach § 93 Abs. 1 HGB ab.132 Nach § 93 Abs. 1 HGB ist der Handelsmakler gewerbsmäßig für andere Personen tätig, ohne von ihnen auf-
128 129 130
BGH vom 22.5.1985 BGHZ 94 356 = VersR 1985 930. BTDrucks. 16/1935, S. 22. Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 56.
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131 132
Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 58. BTDrucks. 16/1935, S. 22.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
grund eines Vertragsverhältnisses ständig mit der Vermittlung von Verträgen betraut zu sein. Der Handelsmakler wird also „von Fall zu Fall“ tätig. Demgegenüber wird der Versicherungsmakler aufgrund eines ständigen Betrauungsverhältnisses mit seinen Kunden tätig.133 Schon Julius von Gierke hat 1947 darauf hingewiesen, dass § 93 HGB nicht mehr für den Versicherungsmakler passe.134 Der Versicherungsmakler, so Gierke, vermittele zwar wie der Handelsmakler gewerbsmäßig VV, stehe aber zu den Parteien nicht in einer „flüchtigen Rechtsbeziehung“, sondern sei mit dem Versicherungsnehmer durch eine Dauerbeziehung zu dessen Vertretung verbunden. Deshalb wurde schon frühzeitig eine gesetzliche Regelung gefordert.135 Die nunmehr in § 59 Abs. 3 „gefunden zu sein scheint.“136 Der Gesetzgeber hat sich aus diesen Gründen entschieden, das für nach früherem Recht für die Unterscheidung maßgebliche Kriterium, wonach der Vertreter im Gegensatz zum Makler mit seiner Vermittlungstätigkeit ständig betraut sein müsse, wegen der nach der Richtlinie notwendigen Erweiterung des Vertreterbegriffes wegfallen zu lassen.137 Für die Abgrenzung zwischen Versicherungsmakler und Versicherungsvertreter ist somit allein entscheidend, dass der Versicherungsmakler nicht von einem Versicherer, sondern von einem Kunden mit dessen Vermittlungsgeschäft betraut wird.138 „Während der Versicherungsvertreter das Interesse des VR wahrzunehmen hat, steht der Versicherungsmakler im Verhältnis zum VR auf der Seite des Kunden, als dessen Interessenwahrer und Sachwalter.“139 Die Pflichten, die der Makler als Sachwalter des Kunden zu beachten hat, ergeben sich aus dem Maklervertrag, den er mit dem Kunden schließt. Danach hat der Versicherungsmakler i.d.R. für den durch eine entsprechende Analyse ermittelten Bedarf eines Kunden den sachgerechten Versicherungsschutz am Markt zu besorgen.“140 Der Wortlaut des § 59 Abs. 3 definiert den Versicherungsmakler, klärt – anders als 66 § 59 Abs. 2 beim Versicherungsvertreter – aber nicht den Status eines Handelsvertreters, der für den Versicherungsmakler tätig ist. Die Gesetzesbegründung stellt – zutreffend – klar, dass „auch der Handelsvertreter eines Versicherungsmaklers im Verhältnis zum Kunden Versicherungsmakler ist.“141 Auch insoweit brauchen die Voraussetzungen für den Handelsmakler nach § 93 HGB (z.B. Weisungsfreiheit) nicht vorzuliegen. Deshalb kann ein Handelsvertreter, der bei einem Versicherungsmakler tätig ist, durchaus Versicherungsmakler (aber nicht Handelsmakler) sein. Aus diesem Grunde ist es auch möglich, dass ein Versicherungsmaklerpool oder ein Haftungsdach Versicherungsmakler ist und die im Pool tätigen Handelsvertreter ebenfalls Versicherungsmakler sind. Ob die gleichen Grundsätze auch im Recht der Finanzdienstleistungen gelten, er- 67 scheint fraglich, weil es dort (im KWG und WpHG) keine § 59 Abs. 3 vergleichbaren Vorschriften gibt. Ein Finanzdienstleister, der z.B. Hypothekenanleihen, Aktien oder Zertifikate anbietet und nach § 2 Abs. 10 KWG an ein Haftungsdach angedockt ist, ist jedenfalls nicht schon deshalb Makler, weil das Haftungsdach als Sachwalter des Kunden tätig ist. In der Vergangenheit hat die Frage immer wieder Schwierigkeiten bereitet, unter wel- 68 chen Voraussetzungen die Erklärungen eines Versicherungsmaklers dem VR so zuzurechnen sind, als sei der Makler sein (gebundener) Vertreter gewesen. Genügte es, dass der VR dem Vermittler Antragsformulare zur Verfügung stellte und ihn auf dem Versiche133 134 135 136 137
Koch VW 2007 248 Ziff. 1b. Von Gierke 124. Trinkhaus 131. So Koch VW 2007 248 Ziff. 1b. BTDrucks. 16/1935, S. 22.
138 139 140 141
BTDrucks. 16/1935, S. 22. BTDrucks. 16/1935, S. 22/23. Koch VW 2007 248, Ziff. 1b. BTDrucks. 16/1935, S. 23.
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§ 59
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rungsschein als „Betreuer“ bezeichnete142 oder mussten weitere, besondere Tatsachen hinzutreten, um aus dem Versicherungsmakler im Verhältnis zum VN und VR einen Versicherungsvertreter zu machen.143 Fälle dieser Art wird es in Zukunft so nicht mehr geben können, denn die Statusinformationen, die der Vermittler zu Beginn des Beratungsgespräches zu geben hat, weisen ihn entweder als (gebundenen) Vertreter oder aber als (ungebundenen) Makler aus. Für den VN werden also vor Beginn des Beratungsgespräches etwaige Zweifel über den Status des Vermittlers beseitigt. Weist sich der Vermittler als Makler aus, so bleibt er Makler, auch wenn er auf der Grundlage seines Rates den Antrag eines ganz bestimmten VR – den er gerade empfohlen hat – auf den Tisch legt. Zweifel an der Eigenschaft als Versicherungsmakler ergeben sich hieraus nicht, denn für jeden VN dürfte einsichtig sein, dass ein Makler, nicht nur derjenige mit eingeschränktem Marktüberblick – von einer Reihe von VR, mit denen er zusammenarbeitet, die Antragsunterlagen mit sich führt. Der Makler muss in einem solchen Fall auch nicht die ihm überlassenen Antragsformulare mit einem eigenen Stempelaufdruck versehen und hierbei eindeutig auf seine Maklereigenschaft hinweisen.144 Es genügt, wenn er in der Statusinformation auf seine Eigenschaft als Versicherungsmakler klar und verständlich hingewiesen hat. Darüber hinausgehende Rechtspflichten des VR, „zumutbare Anstrengungen zu unternehmen, den Vermittler im Verhältnis zum VN aus seiner Sphäre (gemeint ist der VR) auszugrenzen“, gibt es weder im VVG noch in der GewO, noch in der VersVermV. Die entgegengesetzte Auffassung von Reiff 145 verkennt, dass allein der Vermittler Statusinformationen schuldet – darüber hinausgehende unterstützende Maßnahmen gegenüber dem VN durch den VR kennt das Vermittlerrecht nicht – auch die Vermittlerrichtlinie fordert bei Versicherungsmaklern keine klarstellenden oder unterstützenden Statusinformationen durch den VR. Legitimiert sich der Versicherungsvermittler als Makler, so weiß der Kunde, mit wem er es zu tun hat. Aus der Tatsache, dass der Makler Antragsformulare, Tarifwerke, AVB oder Produkt69 informationsblätter eines bestimmten VR zur Verfügung hat, folgt nicht, dass dieser Makler womöglich (gebundener) Vertreter ist, sondern nur, dass er auf der Grundlage einer bestimmten Empfehlung in der Lage ist, Formulare des von ihm empfohlenen VR zur Verfügung zu stellen. Das ist auch nichts Ungewöhnliches, insbesondere dann, wenn der Makler mit einer eingeschränkten VR- und Vertragsauswahl, die er offen legt, wirbt. Aber auch dann, wenn der Makler über einen ausgewogenen Marktüberblick verfügt, kann es durchaus sein, dass er die notwendigen Antragsformulare beim Kundengespräch zur Verfügung stellen kann, entweder, weil er sie über eine CD oder das Internet aufruft oder aber, weil er eine gewisse Grundmenge an Anträgen bestimmter VR mit sich führt und der von ihm empfohlene VR zu dieser Gruppe gehört. Aus der Tatsache, dass ein Versicherungsmakler nach Abgabe seines Rates in der Lage ist, die seinem Rat entsprechenden Formulare eines bestimmten VR zu präsentieren, ergeben sich somit für den Kunden keinerlei Anhaltspunkte für ein etwaiges Misstrauen an dem Status des Vermittlers als Versicherungsmakler. Umgekehrt müssen VR, die Versicherungsmaklern Antragsformulare, AVB, Tarifunterlagen und Produktinformationsblätter zur Verfügung stellen, keine weiteren Maßnahmen ergreifen, um deutlich zu machen, dass der Vermittler als Versicherungsmakler und nicht als Versicherungsvertreter tätig ist. Ein VR, der weiß,
142
So OLG Hamm 8.3.1996 VersR 1996 697, 700; 10.7.1996 NJW-RR 1997 220, 221; 18.11.1998 NVersZ 1999 285; ähnlich OLG Nürnberg 27.1.1994 NJW-RR 1995 227, 229.
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143 144 145
So BGH 22.9.1999 VersR 1999 1481, 1482. So aber Beckmann/Matusche-Beckmann/ Reiff § 5 Rn. 57. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 57.
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Begriffsbestimmungen
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dass ein Versicherungsmakler die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen benutzt, erfüllt damit nicht etwa die Voraussetzungen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht.146 Etwas anderes gilt dann, wenn der Makler seinen Status als Versicherungsvertreter angibt und der VR dies duldet oder erkennen könnte. In der Literatur wird vorgeschlagen, einen Versicherungsmakler wie einen Versiche- 70 rungsvertreter zu behandeln, wenn er fast alle seine Risiken bzw. einen sehr großen Prozentsatz davon bei einem einzigen VR platziert.147 Angeknüpft wird an § 43a ÖVVG, wonach in diesem Fall ein „wirtschaftliches Näheverhältnis“, aufgrund dessen der VR dem VN für das Verschulden des Vermittlers wie für sein eigenes haftet, besteht.148 Für das deutsche Recht bietet sich eine differenzierte Betrachtung an. Im Normalfall weiß der VN, dass er es mit einem Versicherungsmakler zu tun hat – ihm geht es also darum, einen „Sachwalter für eigene Angelegenheiten“ zu gewinnen, dessen Erklärungen umgekehrt den VR nicht binden. Platziert dieser Makler – ohne dass es der VN im Einzelnen weiß – einen großen Prozentsatz seiner Risiken bei einem einzigen VR, so kann dies verschiedene Ursachen haben. Möglicherweise handelt es sich um den leistungsfähigsten und besten VR für ein bestimmtes Standardprodukt – z.B. eine private Haftpflichtversicherung – für das die Platzierung bei einem einzigen VR sachlogisch ist. Es kann aber auch sein, dass dieser Makler seine Sachwalterpflichten gegenüber den VN verletzt, keine systematische Marktuntersuchung mehr durchführt und – für die VN unerkennbar – in Wirklichkeit eine Vertreterbeziehung zu einem einzigen VR praktiziert. In diesem Fall macht sich der Makler wegen fehlenden Marktüberblicks und fehlerhafter Beratung nach §§ 63, 60, 61 gegenüber dem VN schadensersatzpflichtig. Erst dann, wenn der VR mit dem Makler zusammenzuwirken beginnt, ihn also beim 71 Bruch seines Maklervertrages gegenüber dem VN unterstützt, kommt eine Zurechnung der Erklärungen des Maklers gegenüber dem VR ebenso wie eine Mithaftung des VR nach § 6 Abs. 5 in Betracht. Dies wäre etwa dann denkbar, wenn der VR dem Makler Sondervergünstigungen gewährt, damit dieser, ganz unabhängig von der Marktanalyse, ihm, dem VR, möglichst alle Risiken, die er akquiriert, zuweist. Etwas Ähnliches kann gelten, wenn der VR das – marktuntypische – Empfehlungsverhalten des Maklers erkennt, dessen ungeachtet aber keinen Anlass für eine Nachfrage sieht, also die Augen vor einem nach der Marktstellung des VR ungewöhnlichen Vermittlerverhalten verschließt. Schließlich sind Fälle offen kollusiven Zusammenwirkens von VR und Makler zum Nachteil des VN zu nennen. In diesen (Ausnahme-)Fällen kann der VN den Vermittler aus seiner behaupteten Position als Versicherungsmakler (§ 63) und den VR, der diesen Makler als Vertreter benutzt hat, nach §§ 6 Abs. 5 und nach § 826 BGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Schließlich wird in der Literatur vorgeschlagen, den Makler im Falle der wirtschaft- 72 lichen Verflechtung mit einem VR wie einen Versicherungsvertreter zu behandeln.149 Eine solche Verflechtung sei im Falle einer nicht unerheblichen wirtschaftlichen Beteiligung oder einer sonstigen Beherrschung durch den VR anzunehmen.150 Auch in diesem Falle ist eine differenziertere Betrachtungsweise geboten. Die wirtschaftliche Verflechtung als solche – z.B. in Form der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung – führt, wie ein Blick in 146
147
Zur Duldungsvollmacht BGH 14.5.2002 NJW 2002 2325; zur Anscheinsvollmacht BGH 12.3.1981 NJW 1981 1728; BGH 5.3.1998 1998 1854. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 57.
148
149 150
Vertiefend hierzu Fenyves/Kronsteiner/ Schauer Versicherungsvertragsnovellen, § 43a Rn. 2. Ähnlich § 43a ÖVVG. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 57.
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§ 59
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
das Konzernrecht zeigt (§§ 15–18 AktG) nicht automatisch dazu, dass das abhängige Unternehmen womöglich nur noch im Interesse des herrschenden Unternehmens handeln kann und darf. Eine derart weitgehende rechtliche Gleichschaltung der Verhaltensweisen zwischen dem abhängigen und dem herrschenden Unternehmen setzt einen Beherrschungsvertrag i.S.d. § 291 AktG oder einen Vertrag vergleichbaren Inhalts zwischen anderen Gesellschaftsrechtsformen voraus. Besteht – wie im Regelfall – ein solcher Beherrschungsvertrag nicht, so hat das herrschende Unternehmen gegenüber dem abhängigen Unternehmen keine Weisungsrechte (vgl. § 308 AktG). Es sind allenfalls faktische nachteilige Eingriffe des herrschenden Unternehmens in das abhängige möglich, die Schadensersatzansprüche des abhängigen Unternehmens gegen das herrschende aus dem Gesichtspunkt der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht oder § 311 AktG analog auslösen könnten. Es ist aber keineswegs ausgemacht, dass ein abhängiges Unternehmen nicht als Makler 73 mit hinreichendem Marktüberblick tätig sein kann, denn das herrschende Unternehmen kann sehr wohl der Auffassung sein, dass es von einem in dieser Weise unabhängig agierenden Makler größere Vorteile erzielt, als wenn es den Vermittler verpflichten würde, ausschließlich für das herrschende Unternehmen zu vermitteln. Aus diesem Grunde ist zunächst einmal gewerberechtlich zu klären, ob das beherrschte Maklerunternehmen die Freiheit hat, als Versicherungsmakler i.S.d. § 59 Abs. 3 tätig zu sein. Wenn die zuständige IHK dies prüft und feststellt, dass es keinerlei gesellschaftsrechtlichen Einfluss auf das unabhängige Maklerunternehmen gibt, so ist die Erlaubnis als Versicherungsmakler nach § 34d Abs. 1 GewO zu erteilen. Anders sind die Dinge dann zu beurteilen, wenn das herrschende Unternehmen dem 74 Makler durch (faktische) Einflussnahme auf die unternehmerischen Entscheidungen praktisch die Unabhängigkeit nimmt. Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn der Makler alle oder einen großen Prozentsatz seiner Risiken dem herrschenden Unternehmen zuweist, obwohl andere Makler mit vergleichbarer Kundenstruktur dieses nicht tun. In einem solchen Fall, in dem sich der Makler marktuntypisch gegenüber dem herrschenden Unternehmen verhält, spricht eine (widerlegliche) Vermutung dafür, dass der Makler seinen Status verloren und stattdessen zum Versicherungsvertreter geworden ist. In diesem Fall allerdings ist § 69 nicht anwendbar. 2. Die gewerberechtlichen Voraussetzungen für Versicherungsmakler
75
Versicherungsmakler ist nach dem Verständnis des § 59 Abs. 3 nur derjenige, der auf der einen Seite über die Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO verfügt und darüber hinaus die in § 59 Abs. 3 formulierten Kriterien erfüllt. Verfügt ein Versicherungsmakler dagegen nicht über die Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO, so „ist“ er kein Versicherungsmakler, er erweckt allenfalls gegenüber dem Kunden den Anschein eines solchen. In einem solchen Fall „gilt er“ nach § 59 Abs. 3 S. 2 als Versicherungsmakler, obwohl er kein Makler ist. Im Grundsatz bedeutet dies, dass sich ein Versicherungsvermittler erst dann Versiche76 rungsmakler nennen darf, wenn er über die Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO verfügt. Korrespondierend sind VU verpflichtet, nur mit solchen gewerbsmäßig tätigen Versicherungsvermittlern zusammenzuarbeiten, die im Besitz einer Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO sind (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 VAG). Verstoßen die VU hiergegen, so handeln sie ordnungswidrig und schulden ein Bußgeld (§ 144 Abs. 1a Nr. 3a VAG). Darüber hinaus handelt der „Makler“ ordnungswidrig, der vorsätzlich oder fahrlässig ohne die erforderliche Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 den Abschluss von Versicherungsverträgen vermittelt
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Begriffsbestimmungen
§ 59
(§ 144 Abs. 1j GewO). Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 5.000 € geahndet werden (§ 144 Abs. 4 GewO). In der Erlaubnis ist anzugeben, ob sie einem Versicherungsmakler oder einem Ver- 77 sicherungsvertreter erteilt wird (§ 34d Abs. 1 GewO). Die einem Versicherungsmakler erteilte Erlaubnis beinhaltet die Befugnis, Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich zu beraten (Honorarberatung). Die Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO ist dem Versicherungsmakler zu erteilen, 78 wenn er zuverlässig ist (§ 34d Abs. 2 Nr. 1), in geordneten Vermögensverhältnissen lebt (§ 34d Abs. 2 Nr. 2 GewO), den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung erbringt (§ 34d Abs. 2 Nr. 3 GewO) und die notwendige Sachkunde nachweist (§ 34d Abs. 2 Nr. 4 GewO). Die Anforderungen an die Berufshaftpflichtversicherung ergeben sich aus §§ 8, 10 79 VersVermV. Bei Nichtbestehen, Änderung oder Beendigung der Haftpflichtversicherung haftet diese im Verhältnis zu Dritten so lange, bis dies der zuständigen Behörde (IHK) mitgeteilt wurde (§ 10 VersVermV – an die Stelle des alten § 158c Abs. 2 VVG ist § 117 Abs. 2 getreten).151 Die ursprünglich in § 9 Abs. 6 VersVermV vorgesehene Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf fünf Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages mit dem Makler ist auf Intervention des Bundesrates gestrichen worden.152 Der Bundesrat hielt eine unbeschränkte Nachhaftung aus Gründen des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Versicherungsmakler für notwendig. Die führenden Berufshaftpflichtversicherer Deutschlands haben sich zu einer einseitigen (den Vermittler begünstigenden) Vertragsänderung entschlossen, wonach sie im Schadensfall auf die Einrede der beschränkten Nachhaftung aus den Versicherungsverträgen, die eine solche Beschränkung enthalten, verzichten.153 Die BaFin hat dieses Verfahren – zumindest in der Übergangszeit (bis 1.1.2009) akzeptiert.154 3. Gewerbsmäßig Der Versicherungsmakler muss gewerbsmäßig die Vermittlung oder den Abschluss von 80 Versicherungsverträgen übernehmen (§ 59 Abs. 3 S. 1). Der Begriff gewerbsmäßig ist – ebenso wie im Zusammenhang mit § 59 Abs. 2 richtlinienkonform zu bestimmen. Nach Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie ist ein Versicherungsvermittler jede natürliche oder juristische Person, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt. Das Betreiben eines Handelsgewerbes i.S.d. § 1 Abs. 2 HGB ist dafür nicht erforderlich. Erfasst werden Vermittler, bei denen davon gesprochen werden kann, dass sie die „Tätigkeit der Versicherungsvermittlung“ ausüben. Damit sind selbständige Vermittler mit sehr geringfügigen Umsätzen (gewerberechtliche Bagatelle) nicht erfasst.155 Gewerberechtlich unbeachtlich ist eine selbständige Tätigkeit i.d.R. dann, „wenn der geschäftliche Umfang vernachlässigenswert gering und zeitlich beschränkt ist.“156 „Mehr als wenige Hundert Euro Provisionsumsatz im Jahr oder zwei, drei Vermittlungsgeschäfte pro Jahr werden es aber nicht sein.“157 Auch derjenige, der im Wesentlichen Verträge über andere 151 152 153 154 155
Vertiefend Schwintowski/Brömmelmeyer/ Huber § 117 Rn. 64 ff. BRDrucks. 207/07, Beschluss Nr. 5. So Schönleiter GewArch 2007 265 III.1.d. Schönleiter GewArch 2007 265 III.1.d. Beenken/Sandkühler S. 28 unter 2.1.3.
156 157
Beenken/Sandkühler S. 28 unter 2.1.3. Beenken/Sandkühler S. 28 unter 2.1.3; ähnlich (6 Verträge/ unter 1000 € Provision/ Jahr): Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 61.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
Geschäfte des Handelsverkehrs, beispielsweise Finanzprodukte und nur gelegentlich Versicherungsverträge vermittelt, ist kein Versicherungsmakler.158 In Anlehnung sieht § 5 Nr. 1a der Satzung des Verbandes deutscher Versicherungsmakler e.V. (VDVM) vor, dass Mitglied nur werden kann, wer „überwiegend das Maklergeschäft“ betreibt.159 Wer hiernach das Versicherungsmaklergeschäft möglicherweise nicht gewerbsmäßig betreibt, dennoch aber gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein des Versicherungsmaklers erweckt, gilt nach § 59 Abs. 3 S. 2 als Versicherungsmakler. So gesehen wird das Merkmal gewerbsmäßig in der Praxis nahezu keine Rolle spielen können, sieht man einmal von den gewerbe- und ordnungsrechtlichen Fragestellungen ab. 4. Vermittlung oder Abschluss für den Auftraggeber
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a) Der Maklervertrag – Zustandekommen – Form – Rechtsnatur. Der Versicherungsmakler muss gewerbsmäßig „für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen“ übernehmen, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Es ist folglich für den Versicherungsmakler in Abgrenzung zum Versicherungsvertreter entscheidend, dass er nicht von einem Versicherer, sondern von einem Kunden mit einem Vermittlungsgeschäft betraut wird.160 Während der Versicherungsvertreter das Interesse des Versicherers wahrzunehmen hat, steht der Versicherungsmakler im Verhältnis zum Versicherer auf der Seite des Kunden als dessen Interessenwahrer und Sachwalter.161 Der Versicherungsmakler vermittelt für den Auftraggeber, indem er mit diesem einen 82 Maklervertrag schließt. Durch diesen Vertrag wird der Versicherungsmakler – im Gegensatz zu § 93 HGB – zum „treuhänderischen Sachwalter“ des VN.162 Der Maklervertrag kommt, wie jeder zivilrechtliche Vertrag, durch ausdrückliche oder konkludent abgegebene übereinstimmende Willenserklärungen zustande.163 Der Abschluss des Vertrages unterliegt keinerlei Formbindungen – in der Praxis ist die Schriftform durchgesetzt und zweckmäßig. Insoweit unterscheidet sich der Maklervertrag nach § 59 Abs. 3 vom Darlehensvermittlungsvertrag (§ 655b Abs. 1 BGB). Mit Blick auf den Darlehensvermittlungsvertrag hat der BGH am 7.7.2005 ausgesprochen, dass bei Nichteinhaltung der Schriftform jedweder Vergütungsanspruch auch aus Bereicherungsrecht oder § 354 HGB ausscheidet.164 Der Maklervertrag ist Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) mit Dienst- und Werkvertrageselementen (§§ 611, 631 BGB).165
83
b) Grundsätze für das konkludente Zustandekommen des Maklervertrages. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Maklervertrag konkludent zustande kommt, hat die Rechtsprechung vielfach beschäftigt. Wer sich an einen Makler wendet, der mit „Angeboten“ werbend im geschäftlichen Verkehr auftritt, erklärt damit noch nicht konkludent seine Bereitschaft zur Zahlung einer Maklerprovision für den Fall, dass ein Hauptvertrag über das angebotene Objekt zustande kommt.166 Nach der Rechtsprechung des BGH darf der Interessent – es ging um eine Immobilie – davon ausgehen, dass der Makler das
158 159 160 161 162
Koch VW 2007 248 Ziff. 1a. Koch VW 2007 248 Ziff. 1a. BTDrucks. 16/1935, S. 22. BTDrucks. 16/1935, S. 22/23. BGHZ 22.5.1985 94 356, 359; BGH 26.5.1987 VersR 1987 663 f.; BGHZ 162 67; BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127.
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163 164 165
166
Fischer NJW 2007 3107. BGHZ 163 332, 335 = NJW-RR 2005 1572. Bruck/Möller/Möller8 Vor §§ 43– 48 Anm. 38; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Michaelis § 59 Rn. 7. Fischer NJW 2007 3107.
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Begriffsbestimmungen
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Objekt von dem Verkäufer an die Hand bekommen hat und deshalb mit der angetragenen Weitergabe von Informationen eine Leistung für den Verkäufer erbringen will.167 Ein Kaufinteressent, der dagegen in Kenntnis eines eindeutigen Provisionsverlangens die Dienste des Maklers in Anspruch nimmt, gibt damit grundsätzlich in konkludenter Weise zu erkennen, dass er den in dem Provisionsbegehren liegenden Antrag auf Abschluss eines Maklervertrages annehmen will.168 Es ist folglich Sache des Maklers, etwaige Unklarheiten auf Seiten des Interessenten aus dem Wege zu schaffen, „was i.d.R. nur durch ein ausdrückliches Provisionsverlangen“ hinreichend verlässlich geschehen kann.169 Daraus folgt, dass das „reine Gefallenlassen“ oder die „Entgegennahme von wesentlichen Maklerdienstleistungen“ nicht in jedem Fall und nicht ohne weiteres die Annahme eines stillschweigenden Vertragsabschlusses rechtfertigt.170 Das widerspruchsfreie Entgegennehmen und Ausnutzen der Tätigkeit des Maklers führt somit noch nicht zum konkludenten Vertragsschluss.171 Der BGH hat – mit Blick auf Immobilien – mit Urteil vom 22.9.2005 172 – im Gegen- 84 satz zu seiner früheren Rechtsprechung173 festgestellt, dass ein Vertragsabschluss auch dann nicht angenommen werden könne, wenn der Kunde ohne Bezugnahme auf ein Inserat oder ein sonstiges Einzelangebot Kontakt zum Makler aufnimmt, um sich Objekte aus dessen „Bestand“ benennen zu lassen.174 Auch bei einer solchen Fallgestaltung liege in der Objektangabe ein vom Makler ausgehendes Angebot, sodass der Interessent, selbst wenn ihm bewusst sei, dass er insoweit Dienste des Maklers entgegennehme, mangels hinreichender Anhaltspunkte für das Gegenteil, damit rechnen dürfe, die Objekte seien dem Makler schon von dem Verkäufer an die Hand gegeben worden.175 Diese für den Immobilienmakler entwickelten Grundsätze können auch für den Versicherungsmakler eine Rolle spielen. Wendet sich der Kunde beispielsweise an den Versicherungsmakler mit der Bitte, dieser möge ihm doch einmal Versicherungsalternativen „aus seinem Bestand“ benennen – beispielsweise im Bereich der Altersversorgung oder der privaten Krankenversicherung – so kommt durch das bloße Benennen noch kein Maklervertrag zustande. Das Gleiche gilt, wenn der Makler auf die telefonische Bitte dem Kunden Angebote für den Abschluss von Versicherungsverträgen übermittelt oder diesen über die Vor- und Nachteile von bestimmten Versicherungsverträgen unterrichtet. Ein Maklervertrag, der den Kunden möglicherweise zur Zahlung eines Honorars für die in Anspruch genommene Beratung verpflichtet, kommt nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen jedenfalls erst dann zustande, wenn der Makler etwaige Unklarheiten über sein Honorar- oder Provisionsverlangen hinreichend verlässlich aus dem Wege geräumt hat.176 Eine hiervon zu trennende – unten im Einzelnen zu behandelnde – Frage ist diejenige, ob und in welchen Grenzen der Makler mit dem Kunden die Zahlung einer Provision und/oder die Zahlung
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BGHZ 25.9.1985 95 393, 395 = NJW 1986 177; BGH 22.9.2005 NJW 2005 3779, 3780. BGH 17.9.1998 NJW-RR 1999 361; 6.12.2001 NJW 2002 817; 16.11.2006 NJW-RR 2007 400, 401. BGHZ 25.9.1985 95 393, 395 = NJW 1986 177; 28.9.1995 BGH NJW-RR 1996 114; 4.11.1999 NJW 2000 282, 283; dazu Fischer NJW 2007 3107. BGH 28.9.1995 NJW-RR 1996 114; 6.12.2001 NJW 2002 1945; 22.9.2005 NJW 2005 3779, 3780; OLG Karlsruhe 8.8.2003
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NJW-RR 2003 1695; Fischer NJW 2007 3107. Anders noch OLG Frankfurt 15.5.1955 VersR 1955 579. BGH 22.9.2005 NJW 2005 3779, 3780. BGH 21.5.1971WM 1971 1098, 1099; 16.5.1990 NJW-RR 1990 1269. Hierzu Fischer NJW 2007 3107, 3108. Vertiefend Fischer NJW 2007 3107, 3108; a.A. Pauly MDR 2006 549, 550. BGHZ 25.9.1985 95 393, 395; BGH 4.11.1999 NJW 2000 282, 283.
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§ 59
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
eines Honorars verlangen darf. Grundsätzlich beinhaltet die einem Versicherungsmakler erteilte Erlaubnis die Befugnis, Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich zu beraten (§ 34d Abs. 1 GewO). Erst dann, wenn der Kunde weitergehende Maklerdienstleistungen nachfragt, insbe85 sondere (es ging um eine Immobilie) einen eigenen Suchauftrag erteilt, kommt ein Maklervertrag zustande.177 Der Hinweis auf die Entscheidungen des OLG Hamm und des OLG Saarbrücken zeigt, so Fischer178, dass der Makler zur Erledigung eines derartigen Suchauftrags jedenfalls nicht nur auf eigenes Adressenmaterial zurückgreifen darf. Vielmehr muss sich der Suchauftrag darauf erstrecken, neue Objekte durch eigenständige Tätigkeit für den Kunden zu erschließen.179 Nach der Auftragslage müsse der Makler mithin „nach außen hin suchend tätig“ werden.180 Für den Versicherungsmakler bedeutet dies, dass der bloße Rückgriff auf bestehende EDV-Dateien, die die Anbieter bestimmter Versicherungsverträge enthalten, kaum ausreichen dürfte, um einen Maklervertrag konkludent zu schließen. Anders ist es, wenn der Makler die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden im einzelnen abfragt, insbesondere ein Risikoprofil auf der Grundlage der persönlichen und finanziellen Verhältnisse des Kunden erarbeitet, um ihm daraus folgend eine Empfehlung oder einen Rat für einen ganz bestimmten, für den Kunden besonders geeigneten Versicherungsvertrag zu geben. In einem solchen Fall, in dem der Makler nicht nur „aus seinem Bestand“ denkbare Vertragsalternativen benennt, sondern individuell auf die Bedürfnisse und Wünsche des Kunden eingeht, dürfte auch für den Kunden in aller Regel klar sein, dass er nunmehr die Dienste des Versicherungsmaklers gegen Entgelt in Anspruch nimmt. Bittet der Kunde den Makler auf der Grundlage von dessen Empfehlung, den besonders geeigneten Versicherer zum Abschluss zu bewegen, so muss spätestens an dieser Stelle zwischen Kunde und Makler darüber gesprochen werden, ob der Versicherer die dem Makler gebührende Provision zahlt (aufgrund einer Courtagevereinbarung) oder ob der Makler dem Kunden die Vereinbarung eines Nettotarifes mit dem Versicherer nahe legt. In diesem – zulässigen181 – Fall ist eine Provisionsabsprache zwischen dem Makler und dem Kunden unvermeidlich, sodass spätestens dadurch der Maklervertrag zustande kommt. Nur dann, wenn die Beratung ergebnislos endet und die Entscheidung über einen Abschluss in die fernere Zukunft vertagt wird, stellt sich die Frage, ob der Kunde durch konkludenten Abschluss eines Maklervertrages zumindest ein Beratungshonorar schuldet. Für diesen – durch die Klarstellung in § 34d Abs. 1 GewO – in Zukunft durchaus nahe liegenden Fall spielen die oben angedeuteten Grundsätze für die Frage, unter welchen Voraussetzungen eigentlich ein Maklervertrag konkludent zustande kommt, eine Rolle. Die Tatsache, dass der BGH – allerdings mit Blick auf Immobilienmaklerverträge – mit der Annahme eines konkludenten Maklervertrages eher zurückhaltend umgeht und insbesondere mit Blick auf eine Provision die Beseitigung etwaiger Unklarheiten beim Kunden verlangt 182, sollte für den Versicherungsmakler Anlass sein, den Kunden bei Beginn des Gespräches gleich zu Anfang darauf hinzuweisen,
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BGH 22.9.2005 NJW 2005 3779, 3780 unter Bezugnahme auf OLG Hamm 21.2.1994 NJW-RR 1994 1540; OLG Saarbrücken 22.4.2004 OLG-Report 2004 420, 421. Fischer NJW 2007 3107, 3108. OLG Saarbrücken 22.4.2004 OLG-Report 2004 420, 421.
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Fischer NJW 2007 3107, 3108; Bethge BGHReport 2005 1567. BGH 20.1.2005 VuR 2005 404. Zur Unklarheitenregel vertiefend Fischer NZM 2002 480.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
dass er für dieses Gespräch ein bestimmtes – möglicherweise am Zeitaufwand orientiertes – Beratungshonorar schuldet. c) Pflichten des Maklers. Die Pflichten des Versicherungsmaklers ergeben sich einer- 86 seits aus dem VVG und andererseits aus dem geschlossenen Maklervertrag. Der Makler ist nach § 60 Abs. 1 VVG verpflichtet, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zugrunde zu legen. Er darf aber im Einzelfall ausdrücklich auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hinweisen (§ 60 Abs. 1 S. 2). Darüber hinaus trifft den Makler die Beratungsund Dokumentationspflicht nach § 61. Diese Pflichten hat der Makler vor Abgabe der Vertragserklärung des Kunden zu erfüllen (§ 62). Verletzt der Makler seine Pflichten aus §§ 60, 61, so haftet er auf Schadensersatz (§ 63). Der Versicherungsmakler hat als Vertrauter und Berater dem VN individuellen Ver- 87 sicherungsschutz zu besorgen.183 Deshalb ist er, anders als sonst der Handels- oder Zivilmakler, dem ihm vertraglich verbundenen Versicherungsnehmer gegenüber üblicherweise sogar zur Tätigkeit, meist zum Abschluss des gewünschten VV verpflichtet.184 Dem entspricht, dass der Versicherungsmakler von sich aus das Risiko untersucht, das Objekt prüft und den VN als seinen Auftraggeber ständig, unverzüglich und ungefragt über die für ihn wichtigen Zwischen- und Endergebnisse seiner Bemühungen, das aufgegebene Risiko zu platzieren, unterrichten muss.185 Nach Vertragsschluss hat der Versicherungsmakler die Pflicht, während der Dauer des 88 Versicherungsverhältnisses den VN zu betreuen, soweit für ihn ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung erkennbar ist. Diese Verpflichtung ergibt sich einerseits aus einer Analogie zu § 6 Abs. 4 und andererseits aus dem „Wesen des Maklervertrages“, wie es von der Rechtsprechung auch in der Vergangenheit entwickelt wurde.186 Der Inhalt des Maklervertrages entscheidet ansonsten darüber, ob der Makler verpflichtet ist, den VN im Schadensfall sachkundig zu beraten und bei der Schadensregulierung im Interesse des VN mitzuwirken. Bei Beendigung des Maklervertrages sind die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.187 d) Vollmachten des Maklers. In der Praxis ist es üblich, dass der VN den Makler 89 i.R.d. Maklervertrages oder neben diesem eine Maklervollmacht erteilt. Typisch ist eine Vollmacht zum Abschluss des VV mit der Folge, dass der Makler auch zur Entgegennahme der Vertragsinformationen nach § 7 ermächtigt ist. Der VN muss sich die Kenntnis des von ihm bevollmächtigten Maklers nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Im Innenverhältnis zum VN obliegt es dem Makler zu prüfen, ob das vom VR vorgelegte verbindliche Vertragsangebot den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden entspricht. Gebräuchlich sind ferner Vollmachten zur Abgabe oder Entgegennahme von Willens- 90 erklärungen, etwa i.R.d. Zahlungsverkehrs und bei der Geltendmachung von Ansprüchen im Versicherungsfall.188 Erteilt der VN dem Makler eine Umdeckungsvollmacht, so kommt es darauf an, ob der Makler das Risiko im Interesse des VN (zur Verbesserung des Versicherungsschutzes) oder ausschließlich im eigenen Provisionsinteresse umdecken will. Stehen die Provisionsinteressen im Vordergrund, so kann dies nach 183 184 185 186 187
BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127. BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127. BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127. BGH 10.5.2000 NVersZ 2000 389. OLG Düsseldorf 6.6.1997 NJW-RR 1998
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395; OLG München 24.3.2000 VersR 2001 459; OLG Hamm 19.6.2000 VersR 2001 583. BGH 13.11.1956 VersR 1957 58.
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§ 59
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
den Grundsätzen des Unlauterkeitsrechtes (UWG) unzulässig sein.189 Maklervollmachten sind, wie alle Vollmachten, jederzeit frei widerruflich und erlöschen mit dem Maklervertrag (§ 168 BGB). e) Nettopolicen – Provisionsanspruch. Nach der Rechtsprechung des BGH190 verbindet sich mit dem Stichwort Nettopolice eine Vereinbarung des Maklers mit dem Kunden, wonach der Makler vom Kunden für jeden vermittelten VV eine Vermittlungsgebühr erhält. Darüber hinaus wird vereinbart, dass der Makler vom jeweiligen VU für die Vermittlung des VV keine Vergütung erhält.191 In den vom BGH bisher entschiedenen Fällen wurde weiterhin vereinbart, dass die vom „Handelsmakler zu erbringende Leistung auf die Vermittlung des jeweiligen VV beschränkt ist. Eine über die Vermittlung des jeweiligen VV hinausgehende Beratungs- oder Betreuungspflicht ist nicht Gegenstand dieser Vereinbarung und wird vom Handelsmakler nicht geschuldet.“192 Mit dem Stichwort Nettopolice verbinden sich also Fallgestaltungen, bei denen ein Makler mit dem Kunden eine Provisionsvereinbarung über die Abschlussprovision trifft. Der Kunde schuldet aufgrund dieser Abrede die Abschlussprovision unmittelbar gegenüber dem Makler. Die Abschlussprovision ist nicht in die Prämie des VV eingerechnet. Darin könnte ein Vorteil für den Kunden im Einzelfall liegen, da es nicht ausgeschlossen ist, dass der Makler mit dem Kunden eine Provision vereinbart, die niedriger ist als die vom Makler sonst mit dem VR vereinbarte Courtage. Die in allen drei Entscheidungen des BGH ergänzend getroffene Abrede, wonach der 92 Makler eine über die Vermittlung des jeweiligen VV hinausgehende Beratungs- oder Betreuungspflicht nicht schuldet, ist im Rahmen der Vereinbarung einer Nettopolice zwar möglich, aber nicht zwingend notwendig. Der Makler kann auf der einen Seite eine Provisionsvereinbarung direkt mit dem Kunden treffen und darüber hinaus auch die laufende Beratung und Betreuung verabreden. In diesem Fall könnte der Makler entweder mit dem Kunden eine Vereinbarung über die nun für die laufende Betreuung fällig werdende (laufende) Provision treffen. Er könnte aber auch dem Kunden die laufende Betreuung versprechen und dafür eine Courtagevereinbarung mit dem VR treffen. Diese wäre dann Teil der laufenden Verwaltungskosten, die nach § 2 Abs. 1 VVG-InfoV ohnehin offenzulegen sind. Der BGH hält die Vereinbarung einer unmittelbar vom Kunden zu zahlenden Makler93 provision bei der Vermittlung eines Lebensversicherungsvertrages mit Nettopolice für wirksam.193 Eine vorformulierte „Vermittlungsgebührenvereinbarung“, wonach der Anspruch des Maklers auf Zahlung der Vermittlungsgebühr mit dem Zustandekommen des vom Kunden gewünschten Versicherungsvertrages entsteht, ist mit dem geltenden AGBRecht, insbesondere mit § 305c Abs. 1 BGB und § 307 BGB vereinbar. Eine solche AGBProvisionsklausel wiederholt nur die in § 652 BGB niedergelegte Regel, wonach der Maklerlohnanspruch bereits bei Vermitteln eines wirksamen Hauptvertrages anfällt und
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BGH 28.4.1966 GRUR 1966 509, 513; OLG 16.3.1990 GRUR 1990 536; OLG Hamm 27.9.1991 RuS 1992 143 f. BGH 20.1.2005 NJW 2005 1357; BGH 20.1.2005 VersR 2005 404; BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127. So der Wortlaut der Klausel in der Entscheidung vom 20.1.2005 VersR 2005 404; inhaltsgleich die Klausel in der Entscheidung des BGH vom 20.1.2005 NJW 2005 1357;
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sehr ähnlich die Klausel im Urteil des BGH vom 14.6.2007 VersR 2007 1127. So die Klauseln in allen drei vorgenannten Urteilen des BGH. BGHZ 162 67; BGH 20.1.2005 VersR 2005 404; 19.5.2005 VersR 2005 1144; 19.5.2005 NJW-RR 2005 1423; zustimmend Langheid BGH-Report 2005 565, 566; Looschelders/Götz JR 2006 65, 66; Loritz NJW 2005 1757, 1758; Reiff LMK 2005 88.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
der weitere Bestand des nachgewiesenen oder vermittelten Vertrags auf die Provisionsforderung regelmäßig ohne Einfluss bleibt. Insoweit sei keine unangemessene Benachteiligung erkennbar.194 Gewährt der Makler dem Kunden für die Zahlung der Vermittlungsgebühr – wie 94 üblich – einen Zahlungsaufschub, so ist wegen des anwendbaren Verbraucherdarlehensrechts auch § 492 Abs. 1–3 BGB anwendbar. Danach ist (§ 492 Abs. 1 S. 1 BGB) Schriftform vorgeschrieben – d.h. die Vermittlungsgebührenvereinbarung muss schriftlich geschlossen werden, um wirksam zu sein (§ 125 BGB). Außerdem muss die Vermittlungsgebührenvereinbarung vollständig ausgefüllt sein. Eine Blankounterschrift unter eine unvollständig ausgefüllte „Vermittlungsgebührenvereinbarung“ kann ebenfalls formunwirksam sein (§§ 492 Abs. 1, 494 Abs. 1, BGB).195 Allerdings wäre der Formmangel eines bei Vereinbarung eines Teilzahlungsaufschlages entgeltlichen Kreditvertrages durch die Vermittlung des gewünschten Versicherungsvertrages letztlich geheilt.196 Lediglich hinsichtlich des Barzahlungspreises und der Verzinsung wäre der Höhe nach eine Einschränkung erforderlich (§ 502 Abs. 3 S. 3 und 4 BGB a.F.).197 Der Versicherungsmakler ist für den Bereich des Versicherungsverhältnisses des von 95 ihm betreuten VN dessen treuhänderischer Sachwalter.198 Diese weit gespannten Betreuungs- und Beratungspflichten des Versicherungsmaklers betreffen, worauf der BGH ausdrücklich hinweist, die dem Makler übertragene vertragliche Leistung, d.h. das von ihm zu vermittelnde Versicherungsverhältnis.199 In Bezug auf den Abschluss des vorgelagerten Maklervertrages stehen sich hingegen der Versicherungsmakler und sein Kunde – wie bei anderen Verträgen – mit entgegengesetzten Interessen selbständig gegenüber.200 In solchen Fällen besteht keine regelmäßige Pflicht einer Partei von sich aus – ungefragt – den anderen vor oder bei Vertragsschluss über die damit verbundenen Risiken zu unterrichten. Jedermann dürfe grundsätzlich davon ausgehen, dass sich sein künftiger Vertragspartner selbst über die Umstände, die für seine Vertragsentscheidung maßgeblich sind, sowie über Art und Umfang seiner Vertragspflichten im eigenen Interesse Klarheit verschaffe. Es sei im Allgemeinen nicht Aufgabe des Vertragsgegners, gegenüber dem anderen Teil die Nachteile und Gefahren zu verdeutlichen, die mit den Pflichten aus dem beabsichtigten Vertrag verbunden seien und diese gegen die Vorteile abzuwägen.201 Nur ausnahmsweise könne eine Aufklärungspflicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) bestehen, wenn wegen besonderer Umstände des Einzelfalles davon ausgegangen werden müsse, dass der künftige Vertragspartner nicht hinreichend unterrichtet sei und die Verhältnisse nicht durchschaue.202 Dies gelte auch für den Inhalt von Dienst- und Geschäftsbesorgungsverträgen.203 Für einen Versicherungs-Maklervertrag gelte, so der BGH ausdrücklich, nichts anderes.204 194
195 196 197 198 199
BGH vom 20.1.2005 NJW 2005 1357, 1358 unter Hinweis auf die unterschiedlichen Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung zur Wirksamkeit der Provisionsabrede bei vorzeitiger Kündigung des Versicherungsvertrages. BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127. BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127. BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127; BGH vom 19.5.2005 VersR 2005 1144. BGHZ 22.5.1985 94 356, 358 f.; 162 67, 78; BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127. BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127.
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BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127. BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127. BGH 15.4.1997 NJW 1997 3230, 3231 m.w.N.; BGH 6.4.2001 NJW 2001 2021; BGH 28.6.2006 NJW 2006 2618, 2619. Vgl. etwa zur Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts über die Höhe seiner Vergütung BGH 2.7.1998 NJW 1998 3486, 3487; zur Aufklärungspflicht eines Mittelverwendungskontrolleurs BGH vom 22.3.2007 ZIP 2007 873, 875 Rn. 16 f. BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
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Wenn der Versicherungsmakler eine „Vermittlungsgebührenvereinbarung“ anbietet, so stellt er damit im Regelfall klar, dass das bislang weitgehend übliche Modell einer Bruttopolice, bei der der VR aus den eingehenden Versicherungsprämien eine Provision an den Versicherungsmakler leistet, zwischen ihm und dem VN nicht gelten solle.205 In einem solchen Falle verpflichte sich der VN unmittelbar zur Zahlung einer Vergütung an den Makler. Eine solche Abrede entspricht dem gesetzlichen Leitbild des Maklervertrags (§ 652 BGB), bei dem der Provisionsanspruch vom späteren Schicksal des Hauptvertrages grundsätzlich unabhängig ist. Dies dürfe der Makler – so der BGH – als allgemein bekannt voraussetzen.206 Ungewöhnlich sei im gegebenen Fall lediglich die Einräumung von Ratenzahlungen auf die Dauer von 36 Monaten und die daran anknüpfende Verminderung der Versicherungsprämien für denselben Zeitraum.207 Dies allein konnte – so der BGH weiter – bei verständiger Würdigung auf Seiten des Maklerkunden nicht den Schluss rechtfertigen, die Ratenzahlungsverpflichtung in Bezug auf die Provision teile ausnahmsweise auch das Schicksal des Lebensversicherungsvertrages und sei wie dieser frei kündbar (§ 165 Abs. 1 VVG a.F., heute: § 166). Infolgedessen war der Makler ohne weitere Anhaltspunkte für ein in dieser Beziehung fehlerhaftes Verständnis des VN oder eine besondere geschäftliche Unerfahrenheit auf dessen Seite nicht gehalten, diesen über den Inhalt des Maklervertrages weiter aufzuklären.208 Die Begründung des BGH überzeugt nicht vollständig. Richtig ist, dass die Abrede 97 dem gesetzlichen Leitbild des Maklervertrages (§ 652 BGB) entsprach. Dieses Leitbild mag beim typischen Immobilienmaklergeschäft dem Kunden durchaus bekannt sein. Im Versicherungsgeschäft ist dies anders, denn insbesondere im Bereich der Lebensversicherungen sind Nettopolicen – worauf der BGH selbst zu Recht hinweist – eher die Ausnahme als die Regel. Der typische Durchschnittskunde, auf dessen Verständnismöglichkeiten abzustellen ist, wird deshalb in aller Regel davon ausgehen, dass die Prämie, die er für seinen Lebensversicherungsvertrag entrichtet, die Maklercourtage mit umfasst. Aus der bloßen Tatsache einer den VV ergänzenden Vermittlungsgebührenvereinbarung wird der Durchschnittskunde noch nicht folgern, dass er die Vermittlungsprovision neben der zu zahlenden Versicherungsprämie und ganz unabhängig von dieser in jedem Fall in vollem Umfang schuldet. Dies wird der Durchschnittskunde auch deshalb nicht ohne weiteres annehmen können, weil der Makler ihn nach der seit dem 1.7.2008 geltenden VVGInfoV in jedem Falle auf die Höhe der Abschluss- und der laufenden Provision in Euro hinzuweisen hat. Diese Verpflichtung hat der Makler (ebenso der Vertreter und der VR) ganz unabhängig davon, ob es sich um eine Netto- oder eine Bruttopolice handelt. D.h. aus dem bloßen Hinweis auf eine geschuldete Abschlussprovision kann der versicherungsrechtlich nicht vorgebildete Durchschnittskunde nicht schlussfolgern, ob es sich um eine ihn in besonderer Weise bindende Vermittlungsgebührenvereinbarung bei einer Nettopolice handelt oder ob es um den Standardfall der Bruttopolice, bei der die Provision von der Prämie umfasst ist, geht. Aus diesen Gründen wird der BGH – jedenfalls aus der Perspektive des am 1. Januar 2008 maßgeblich novellierten VVG und der am 1.7.2008 in Kraft getretenen VVG-InfoV – noch einmal über die Frage nachzudenken haben, ob beim Versicherungsgeschäft das gesetzliche Leitbild des Maklervertrages (§ 652 BGB) auch dann als „allgemein bekannt vorausgesetzt“ werden kann, wenn der Makler den Unterschied zwischen der Provisionsregelung bei einer Nettopolice gegenüber einer Bruttopolice nicht erklärt.
205 206
BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127. BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127.
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§ 59
Eine hiervon zu trennende Frage ist diejenige, aus welchen vertraglichen Regelungen der versicherungsrechtlich nicht vorgebildete Durchschnittskunde typischerweise erkennen kann, dass vom für das Versicherungsgeschäft maßgeblichen Leitbild der Bruttopolice abgewichen und stattdessen eine Nettopolice mit deutlich verminderter Prämie und mit ergänzender Provisionszahlung an den Makler vereinbart wird. Informiert der Makler den Kunden über die Wirkungen der Nettopolice und das daneben stehende Provisionsmodell durch eine in jeder Hinsicht verständliche und transparente „Vermittlungsgebührenvereinbarung“, so wird man auch vom verständigen Durchschnittskunden erwarten können, dass er eine klar und verständlich geschriebene Vereinbarung zur Kenntnis nimmt und nicht einfach „blind unterschreibt“, und vor allem zurückfragt, wenn ihm die Tragweite der Vereinbarung möglicherweise nicht oder nicht hinreichend klar geworden sein sollte. Eine weitere Frage ist diejenige, ob ein Kunde, der klar und verständlich über die Wirkungen der Nettopolice und der daneben stehenden Provisionsvereinbarung aufgeklärt worden ist, sich im Falle des Frühstorno (Kündigung innerhalb der ersten fünf Jahre nach Abschluss des Vertrages) dennoch darauf berufen darf, einen Teil der von ihm geschuldeten Vermittlungsprovision doch nicht zahlen zu müssen. Auf einen solchen Gedanken könnte man kommen, weil der BGH am 12.10.2005 entschieden hat, dass dem VN bei Kündigung innerhalb der ersten fünf Jahre ein Mindestrückkaufswert i.H.v. 50 % des ungezillmerten Deckungskapitals zusteht.209 Diese Methode entspricht dem Vorschlag der VVG-Reformkommission210 und wurde durch Beschluss vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.211 Diese Grundsätze, die auch für fondsgebundene LV gelten (mindestens die Hälfte des ungezillmerten Fondsguthabens) 212, kommen allerdings nur zum Zuge, wenn ein Transparenzverstoß vorliegt. Wurde die Berechnung der Abschlusskosten hingegen klar und verständlich vereinbart, so fehlt es schon an der Unwirksamkeit der Abschlusskostenklausel.213 In den Fällen, die der BGH am 20.1.2005 zu entscheiden hatte 214, lagen klar und verständlich formulierte Vermittlungsgebührenvereinbarungen vor. Es hieß dort: „Der Anspruch des Handelsmaklers gegenüber dem Kunden auf Zahlung der jeweiligen Vermittlungsgebühr in den ersten drei Versicherungsjahren […] entsteht mit der Annahme des jeweiligen Versicherungsantrags durch das VU, sofern der Kunde nicht nach den Bestimmungen des VVG dem jeweiligen VV widerspricht oder seinen Rücktritt vom jeweiligen Versicherungsvertrag erklärt oder seinen Antrag widerruft. Die Vermittlungsgebührenansprüche des Handelsmaklers […] bleiben jedoch von einer Änderung oder vorzeitigen Beendigung des jeweiligen VV aus anderen Gründen unberührt.“ Klauseln dieser Art sind, so der BGH, unter Rückgriff auf einen Teil der Literatur und der Rechtsprechung, wirksam.215 Dies bedeutet, dass der Grundsatz, wonach die Maklerprovision das Schicksal der Versicherungsprämie im Guten wie im Schlechten teilt (Schicksalsteilungsgrundsatz), in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Provisionsvereinbarung für die Vermittlung einer Lebensversicherung mit Nettopolice wirksam ausgeschlossen werden kann.216 Darin liege weder eine gegen die Gebote von Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Maklerkunden, noch weiche eine 209
210 211 212
BGH 12.10.2005 NJW 2005 3559, 3567; BGH 12.10.2005 VersR 2007 1211; BGH 26.9.2007 NJW-RR 2008 188. Abschlussbericht S. 108 f, 394. BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 494 f. BGH 26.9.2007 VersR 2007 1547.
213 214 215 216
BGH 9.5.2001 NJW 2001 2012, 2013. BGH 20.1.2005 BGHZ 162 67; BGH 20.1.2005 VersR 2005 404. BGH 20.1.2005 BGHZ 162 67. BGH 20.1.2005 VersR 2005 404.
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derartige Abrede von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab.217 Folglich entfällt die vereinbarungsgemäß vom Kunden an den Makler (in Raten) zu zahlende Abschlussprovision nicht dadurch, dass der Kunde den VV vorzeitig kündigt.218 Diese Grundsätze gelten – wie oben dargelegt – jedenfalls dann, wenn der Makler den Kunden auf die Unterschiede zwischen der klassischen Bruttopolice219 und der in den vorliegenden Fällen vereinbarten Nettopolice mit Provisionsklausel klar und verständlich hingewiesen hat. Wenn und soweit dies der Fall ist, wenn also die Voraussetzungen des Transparenzgebotes erfüllt sind, besteht zwischen der Rechtsprechung des IV. Senats zu den Rechtsfolgen bei intransparenten Abschlusskostenklauseln 220 und der Rechtsprechung des III. Senats zu (transparenten) Vermittlungsgebührenvereinbarungen keine Divergenz – sodass eine Abstimmung zwischen beiden Senaten nicht erforderlich war. Eine andere Frage ist, ob diese Grundsätze auch mit Blick auf Neuverträge, die seit 102 dem 1. Januar 2008 auf der Grundlage des neuen VVG geschlossen werden, gelten. Nach dem 1. Januar 2008 ist der Rückkaufswert das nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung. Bei einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses jedoch mindestens der Betrag des Deckungskapitals, der sich bei gleichmäßiger Verteilung der unter Beachtung der aufsichtsrechtlichen Höchstzillmersätze angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt. Die Höhe der Deckungsrückstellung kann nicht generalisierend für alle Verträge gleich beschrieben werden – sie richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen VN und VR.221 Mit Blick auf die Verteilung der Abschlusskosten auf die ersten fünf Jahre stellt der Gesetzgeber in der Begründung zu § 169 Abs. 3 klar, dass die Regelung im Übrigen voraussetze, dass die „Verrechnung der Abschlusskosten mit den Prämien vereinbart worden sei.“222 „Haben die Parteien z.B. vereinbart, dass die Abschlusskosten gesondert und ohne Zillmerung/Verrechnung gezahlt werden, es also nicht zu einer Verrechnung der Abschlusskosten kommt, kann es auch nicht zu einer Verrechnung über einen Zeitraum von fünf Jahren kommen.“223 Der Rückkaufswert wäre einerseits entsprechend höher; die Verpflichtung zur Zahlung der Abschlusskosten bestünde andererseits bei gesonderter Vereinbarung unabhängig davon, ob der VV beendet wird.224 Ähnlich wie bei der Wohnraummiete, so der Gesetzgeber ausdrücklich, ist eine Maklerprovision auch dann in voller Höhe zu zahlen, wenn die angemietete Wohnung nach kurzer Zeit wieder gekündigt wird.225 Hiervon ausgehend haben die Urteile des BGH vom 20.1.2005 auch aus der Perspek103 tive der ab 1. Januar 2008 geschlossenen Neuverträge in der Lebensversicherung Bestand. Beantragt ein Kunde den Abschluss einer Nettopolice und schließt daneben eine klar und verständlich formulierte Vermittlergebührenvereinbarung ab, so schuldet er die Provision in vollem Umfang auch dann, wenn der VV vorzeitig beendet werden sollte, so wie es § 652 BGB vorsieht. Der BGH übersieht nicht, dass mit dem Abschluss einer Nettopolice und der damit einhergehenden unmittelbaren Provisionspflicht des VN eine vorzeitige Kündigung der Lebensversicherung tatsächlich erschwert werden kann, weil
217 218 219
BGH 20.1.2005 VersR 2005 404. BGH 20.1.2005 VersR 2005 404. Ganz getrennt hiervon stellt sich die Frage, ob die inzidente in der Bruttopolice liegende Preisvorgabe gegen das Verbot der Preisbindung der zweiten Hand (Art. 4 lit. a VO 2790/99) verstößt.
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220 221 222 223 224 225
BGH 12.10.2005 NJW 2005 3559, 3567. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 27; Engeländer VersR 2005 1031. BTDrucks. 16/3945, S. 102. BTDrucks. 16/3945, S. 102. BTDrucks. 16/3945, S. 102. BTDrucks. 16/3945, S. 102.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
sich an der Verpflichtung zur Weiterzahlung der Maklerprovision nichts ändert.226 Dieses Argument war auch für die VVG-Reformkommission von großer Bedeutung – es führte letztlich zur Verteilung der Abschlusskosten auf die ersten fünf Jahre wie heute in § 169 Abs. 3 für Bruttopolicen vorgesehen. Allerdings ging es nicht nur um die Erschwerung des Kündigungsrechtes, sondern auch und vor allem um die Bewältigung der Frühstornoproblematik. Nach – allerdings schwankenden – Schätzungen werden 50 % aller Lebensversicherungsverträge in den ersten fünf Vertragsjahren storniert; nur 20 % aller insgesamt abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge werden zu Ende geführt.227 Vor allem die beträchtliche Frühstornoquote in den ersten Versicherungsjahren deutet darauf hin, dass es im Wettbewerb um Lebensversicherungskunden keine hinreichenden Anreize gibt, nur solche Verträge zu akquirieren, die im Großen und Ganzen für den VN mit einem finanziellen Plus enden. Jedenfalls lassen sich die immensen Frühstornoquoten mit ökonomisch rational handelnden VN nicht mehr erklären – sie würden Verträge nur schließen, wenn sie einigermaßen sicher wären, diese Verträge zumindest über einen längeren Zeitraum – über etwa zehn Jahre – durchzuhalten, um zumindest die eingezahlten Beiträge wieder herauszubekommen. Die VVG-Reformkommission war deshalb der Auffassung, dass die Zahlung eines Mindestrückkaufswertes zum Schutze der Versicherten erforderlich ist, um das Problem des massenweise Frühstornos in den Griff zu kriegen. Dieser Auffassung ist der Gesetzgeber mit der gleichmäßigen Verteilung der Abschlusskosten auf die ersten fünf Jahre in § 169 Abs. 3 gefolgt. Überlegungen dieser Art waren bisher nicht Gegenstand der Rechtsprechung des 104 III. Senats beim BGH. Ob sich hieran etwas ändern muss, lässt sich erst sagen, wenn der Anteil der Nettopolicen im Markt ein nennenswertes Volumen entfalten und die Stornoquoten bei Nettopolicen in ähnliche Höhen wachsen sollten wie bei Bruttopolicen. Bisher gibt es dafür keine Anzeichen im Markt. Das hängt auch damit zusammen, dass der Kunde, der typischerweise mit einer Nettopolice umworben wird, eher kapitalkräftig ist. Ihm gegenüber kann auf der einen Seite mit besonders günstigen (Netto-)Prämien und auf der anderen Seite mit besonders niedrigen Maklerprovisionen geworben werden. Die Provisionen können – ohne Verstoß gegen das Provisionsabgabeverbot – frei verhandelt werden. Bei besonders hohen Versicherungssummen wird der Makler bei einer Nettopolice zu Zugeständnissen bereit sein, die er bei einer Bruttopolice – wegen des Provisionsabgabeverbotes – nicht machen dürfte. Für den rational handelnden, ökonomisch zu Ende denkenden, aufgeklärten und informierten VN bietet die Nettopolice mit ergänzender Provisionsvereinbarung Spielräume, die die klassische Bruttopolice nicht zur Verfügung stellt. Auf der anderen Seite hat dieses Modell den Nachteil, dass die Provision mit Vermittlung des Vertrages in vollem Umfang geschuldet wird (§ 652 BGB). Eine Verrechnung der Abschlusskosten über die ersten fünf Jahre findet nicht statt. Solange die Vorteile der Nettopolice die Nachteile bei Frühstorno überwiegen, wird man der Rechtsprechung des III. Senats des BGH folgen können. Sollte die Nettopolice allerdings die Bruttopolice flächendeckend ersetzen oder sollten die Frühstornoquoten nach oben schnellen, so wird man über ein Regulativ bei den Abschlusskosten zumindest für diejenigen Verträge nachdenken müssen, die in den ersten fünf Jahren storniert werden. Eine solche Korrektur findet heute bereits im Investmentrecht statt, wo im ersten Jahr nur ein Drittel der insgesamt eingezahlten Prämien mit Abschlusskosten verrechnet werden dürfen und in den Jahren danach ein fünfprozentiger Ausgabeaufschlag im Maximum geschuldet ist (§ 41 Abs. 3 InvG i.V.m. der dazu erlassenen Rechtsverordnung des BMF).
226
BGH 20.1.2005 BGHZ 162 67 = VersR 2005 406, 408.
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BGH NJW 2005 3559.
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§ 59 105
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Eine hiervon zu unterscheidende Frage ist die, ob es Nettopolicen gibt, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise in Wirklichkeit Bruttopolicen sind. Bei einer typischen Nettopolice schuldet der VN gegenüber dem VR die vereinbarte (Netto-)Prämie und gegenüber dem Makler die ebenfalls vereinbarte Provision. Es kann sich dabei sowohl um die Abschluss- als auch um die laufende Provision handeln. Wird aber zwischen VN und VR vereinbart, dass der VN gegenüber dem VR (nicht gegenüber dem Makler) die Provision schuldet, so ist dies ein starkes Indiz für die Vereinbarung einer Bruttoprämie, bei der die Abschluss- und Verwaltungskosten ebenfalls in Euro auszuweisen sind (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 sowie Abs. 2 VVG-InfoV). In einem solchen Fall wird man sehr genau prüfen müssen, ob Auslöser und Motivation der (scheinbaren) Prämientrennung nicht in dem Versuch liegen, die gleichmäßige Verteilung der Abschlusskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre nach § 169 Abs. 3 zu umgehen. Ähnliche Fragen drängen sich auf, wenn der Versicherer die Prämie einschließlich der Provision (also brutto) einzieht und zwar auf der Grundlage einer Abtretung der Provisionsforderung des Maklers gegen den VN an den VR. Der Vorteil einer solchen Lösung liegt für den Makler darin, dass er die Provision nicht ratenweise vom VN, sondern in einer Gesamtsumme vom VR vorfinanziert bekommt. Bei Frühstorno ist in solchen Fällen entscheidend, ob der VR wirklich das Bonitäts- und Insolvenzrisiko des VN trägt. Muss der Makler einen Teil der Provision an den VR zurückgeben – trägt er also das Insolvenzrisiko des VN – so zeigt dies, dass es sich im Verhältnis zwischen Makler und VR nur um ein unechtes Factoring handelte, dass der Makler also genauso behandelt werden sollte, wie im Fall der Vereinbarung einer Bruttoprämie. Umgehungsversuche dieser Art führen letztlich zu einer Anwendung von § 169 Abs. 3, also der Zahlung eines Rückkaufswertes unter gleichmäßiger Verteilung der Abschlusskosten auf die ersten fünf Jahre.
106
f) Verwirkung des Provisionsanspruches. Nach § 654 BGB ist der Anspruch auf den Maklerlohn und der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen ausgeschlossen, wenn der Makler dem Inhalt des Vertrages zuwider auch für den anderen Teil tätig gewesen ist. Dabei ist – bei Immobiliengeschäften – eine Tätigkeit des Maklers für beide Seiten nach dem Inhalt des Vertrags grundsätzlich zulässig, sofern der Makler für beide Teile als Nachweismakler oder für den einen als Vermittlungs- und für den anderen als Nachweismakler tätig geworden ist.228 Das gilt, so betont Fischer 229, auch ohne ausdrückliche Gestattung selbst dann, wenn dem Maklerkunden die Doppeltätigkeit des Maklers unbekannt gewesen war. Überträgt man diese Grundsätze auf den Versicherungsmakler, so würde daraus folgen, dass dieser jedenfalls dann für den VN ebenso wie für den VR tätig sein dürfte, wenn dies nach dem Inhalt des Maklervertrages vereinbart wäre. Eine derart weitgehende Doppeltätigkeit ist für den Versicherungsmakler mit § 59 Abs. 3 nicht vereinbar, insoweit unterscheidet er sich vom Handelsmakler und vom Leitbild des Zivilmaklers. Der Versicherungsmakler soll Sachwalter und Interessenwahrer des VN sein. Er muss folglich für diesen den Abschluss oder die Vermittlung von VV übernehmen, ohne vom VR oder einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein (§ 59 Abs. 3 S. 1). Die Verwirkung der Maklerlohnanspruches hat Strafcharakter.230 Nicht jede objektiv 107 erhebliche Pflichtverletzung des Maklers und damit auch nicht jedes Informations- und Beratungsverschulden lässt, so der BGH, deshalb den Provisionsanspruch nach § 654
228
BGH 30.4.2003 VersR 2003 730, 731; in Anknüpfung an BGHZ 48 344, 346; BGH 18.5.1973 BGHZ 61 17, 21; BGH 26.3.1998 NJW-RR 1998 992.
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NJW 2007 3107, 3110. BGH 19.5.2005 VersR 2005 978 m.w.N.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
BGB entfallen, vielmehr ist in erster Linie subjektiv eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung zu fordern; der Makler muss sich seines Lohnes „unwürdig“ erwiesen haben.231 Das ist nach der Rechtsprechung erst dann der Fall, wenn er seine Treuepflicht vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig, mindestens aber in einer dem Vorsatz nahe kommenden grob leichtfertigen Weise verletzt hat.232 Andere Fälle sind unter dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung (heute: § 311 BGB) zufriedenstellend zu lösen.233 Nach diesen Maßstäben reicht die vom VN dem Makler vorgeworfene objektive 108 Sorgfaltspflichtverletzung (Empfehlung einer fondsgebundenen LV für die Altersvorsorge) als Verwirkungstatbestand nicht aus.234 Auch der Ausschluss jeglicher Beratungspflichten des Maklers in vorformulierten Vertragsklauseln genügt, so der BGH, als Verwirkungstatbestand nicht. Zu beachten ist, dass es § 61 Abs. 2 (Beratungsverzicht) im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht gab. Eine die Beratungspflichten gänzlich ausschließende Klausel widerspreche zwar den insgesamt umfassenden Betreuungspflichten eines Versicherungsmaklers und sei deswegen nach § 9 AGBG (heute § 307 BGB) unwirksam.235 Die vom Versicherungsmakler angestrebte Haftungsfreizeichnung beinhalte objektiv zwar eine Pflichtverletzung, habe jedoch nicht das für die Anwendung des Verwirkungsgedankens erforderliche außergewöhnliche Gewicht. Die Verwendung unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen seitens des Maklers allein könne im Regelfall – ohne Hinzutreten besonderer Umstände – keine Verwirkung seines Lohnanspruches rechtfertigen.236 Die (teilweise) Verlagerung des Stornorisikos auf den Kunden, auf die das LG Offenburg237 zusätzlich verweist, beruht auf einer zulässigen, wenn auch von der bisherigen Praxis abweichenden Rechtsgestaltung und stellt deshalb keine Vertragsverletzung des Maklers dar.238 Der BGH schließt eine schuldhafte Verletzung des Maklervertrages wegen fehlerhafter Beratung (mangelnde Eignung der vermittelten fondsgebundenen LV für eine gesicherte Altersversorgung) nicht aus. Dies könne zwar keine Verwirkung der Maklerprovision, wohl aber einen Schadensersatzanspruch begründen, eine Frage, die heute in Zusammenhang mit § 63 zu prüfen wäre.239 g) Maklerwechsel. Ein Maklerwechsel kann mit und ohne Umdeckung stattfinden. In 109 beiden Fällen muss der Maklervertrag beendet sein, etwa durch Zeitablauf oder Kündigung. Grundsätzlich gilt, dass dem neuen Makler von nun an die Courtage gebührt, da er den VN betreut. Besonders deutlich wird dies, wenn der VN – oft auf Anraten des neuen Maklers – den VV kündigt und das Risiko bei einem anderen VR eindeckt (Umdeckung). Damit ist aus Sicht des alten Maklers die Grundlage für seinen Courtageanspruch weggefallen.240
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236
BGH 19.5.2005 VersR 2005 978 Rn. 14. BGH 5.2.1962 BGHZ 36 323, 326 f.; BGH 26.9.1984 BGHZ 92 184, 185; BGH 24.6.1981 NJW 1981 2297; BGH 18.3.1992 NJW-RR 1992 817, 818; kritisch MüKoBGB/Roth4 § 654 Rn. 2 f. BGH 19.5.2005 VersR 2005 978; BGH 5.2.1962 BGHZ 36 323, 327. BGH 19.5.2005 VersR 2005 978 Rn. 15. BGH 19.5.2005 VersR 2005 978 Rn. 15 unter Hinweis auf BGH 20.1.2005 BGHZ 162 67 = VersR 2005 406. BGH vom 19.5.2005 VersR 2005 978 Rn. 15; a.A. OLG Hamm 29.5.2000
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NJW-RR 2001 567, 578 für die Vereinbarung einer sog. Verweisungsklausel; vertiefend Schulz ZMR 2002 102, 104; Fischer NZM 2001 873, 881; Schwerdtner Maklerrecht4 Rn. 733. LG Offenburg 20.4.2004 VersR 2005 646, 647. BGH 19.5.2005 VersR 2005 978 Rn. 15. BGH 19.5.2005 VersR 2005 978 Rn. 16 – aus diesem Grund hat das Gericht die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beckmann/Matusche-Beckmann VersR-HB2 § 5 Rn. 414.
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Denkbar sind auch Fälle, in denen der VV zunächst gekündigt, dann aber nach Verhandlungen mit dem neuen Versicherungsmakler zu deutlich günstigeren Konditionen fortgeführt wird.241 In einer solchen Fortführung des VV mit geänderten Konditionen liegt gegenüber der Generalagentur, die den Vertrag ursprünglich vermittelt hatte, keine Teilbeendigung des Handelsvertretervertrages im Verhältnis zum VR, denn der Generalagenturvertrag besteht weiterhin fort, sodass Ausgleichsansprüche der Generalagentur gegen den VR nach § 98b HGB nicht in Betracht kommen.242 Dieses Ergebnis entspricht der bereits bei Abschluss des Agenturvertrages vereinbarten vertraglichen Risikoverteilung zwischen der Generalagentur und dem VR mit Blick auf Bestandsübertragungen infolge sog. Maklereinbrüche. Wären nämlich die VV vom VN zunächst gekündigt und anschließend zu den von dem Makler mit dem VR ausgehandelten Bedingungen neu abgeschlossen worden, so hätte der Generalagent mit dem Wirksamwerden der Kündigung seinen Anspruch auf Folgeprovisionsansprüche verloren, ohne dass dies ausgleichsrechtliche Folgen gehabt hätte.243 Der Versicherungsvertreter muss die auf Initiative des VN zurückzuführende Beendigung eines VV als typisches Risiko seiner Tätigkeit grundsätzlich hinnehmen.244 Dabei betont der BGH ausdrücklich, dass ein Fall des kollusiven Zusammenwirkens zwischen VR und VN zum Zwecke des „Ausschaltens des Vertreters“ eine andere Beurteilung zulässt. In einem solchen Fall wäre der neue Vertrag nichtig und der Makler könnte Schadensersatz verlangen (§ 280 BGB). Grundsätzlich muss ein Versicherungsvertreter jedoch damit rechnen, dass er einem Kunden nicht immer die marktgünstigsten Konditionen bieten könne, weil er an die Tarifgestaltung „seines“ VU gebunden sei. Nutze ein VN durch Einschaltung eines Maklers die Möglichkeiten des Marktes aus und komme es deshalb zu einer Übertragung von VV auf den Makler, so könne dies bei Fortführung des VV ausgleichsrechtlich nicht zulasten des VU gehen.245 Damit sei, so der BGH ausdrücklich, die Generalagentur aber nicht rechtlos gestellt. Zwar stünden ihr keine Ausgleichsansprüche handelsrechtlicher Art zu, aber Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung des Versicherungsvertretervertrages (heute § 280 BGB) blieben möglich. In Betracht komme eine schuldhafte Verletzung der Pflicht des VR zur Rücksichtnahme auf schutzwürdige Interessen der Generalagentur.246 Die schutzwürdigen Interessen der Generalagentur könnten sich insbesondere aus der Bindung an die vom VR vorgegebenen Konditionen für einen zu vermittelnden VV ergeben.247 Im Ergebnis bedeutet dies, dass ein VR seinen Generalvertreter, der an ihn gebunden ist, im Wettbewerb nicht schlechter behandeln darf als einen freien Makler, der die Betreuung derselben Verträge eines VN übernommen hat. Der Fall zeigt auch, dass ein neuer Makler an die Stelle des alten ohne Umdeckung treten kann. In diesen Fällen wird differenziert, und zwar danach, ob die ursprünglich
241
242 243 244
Ein solcher Fall lag dem Urteil des BGH 27.10.1993 BGHZ 124 10 = VersR 1994 92 zugrunde. BGH 27.10.1993 BGHZ 124 10 = VersR 1994 92. BGH 27.10.1993 BGHZ 124 10 = VersR 1994 92 Rn. 14. BGH 27.10.1993 BGHZ 124 10 = VersR 1994 92 Rn. 14; Bruck/Möller/Möller8 Vor §§ 43– 48 Anm. 241; Küstner/von Manteuffel VersVerm 1991 176.
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BGH 27.10.1993 BGHZ 124 10 = VersR 1994 92 Rn. 14. Vertiefend hierzu BGH 12.12.1957 BGHZ 26 161, 164; BGH 9.11.1967 BGHZ 49 39, 44; Küstner/von Manteuffel VersVerm 1989 171 f.; Müller-Stein VersR 1990 564 m.w.N. BGH 27.10.1993 BGHZ 124 10 = VersR 1994 92 Rn. 15.
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Begriffsbestimmungen
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dem alten Makler geschuldete Courtage noch eine Gegenleistung für die Vermittlung des Vertrages war oder ob die Courtage für die laufende Betreuung gezahlt wurde. Wurde mit der Courtage die Betreuung abgegolten, so gebührt die Courtage nunmehr dem neuen Makler, da er die Betreuung übernimmt. Wurde mit der Courtage (pro rata temporis) die Vermittlungsleistung entgolten, so gebührt die Folgecourtage in den Grenzen des im Maklerrecht Üblichen (§ 346 HGB) dem alten Makler.248 In der Praxis hat sich herausgebildet, dass der alte Makler die Courtage für das jeweils laufende Versicherungsjahr behält. Mit Beginn des neuen Versicherungsjahres gebührt die Courtage dem neuen Makler.249 Unabhängig davon, ob ein solcher Handelsbrauch wirklich besteht, ist eine solche Lösung sachlich überzeugend, denn es kann, worauf der BGH zutreffend hingewiesen hat, keinen Unterschied machen, ob der VN zunächst einmal seinen Vertrag mit dem VR kündigt und damit den Provisionsanspruch des alten Maklers beendet, um sodann unter Zuhilfenahme eines neuen Maklers einen inhaltsgleichen VV beim selben VR zu beginnen.250 5. Keine Betrauung von einem VR oder von einem Versicherungsvertreter Der Versicherungsmakler darf mit der Vermittlung oder dem Abschluss von VV nicht 115 von einem VR oder einem Versicherungsvertreter betraut sein. Durch eine solche Betrauung würde er nämlich zum (gebundenen) Versicherungsvertreter nach § 59 Abs. 2 werden. Die Frage, von wem der Versicherungsvermittler betraut wird, entscheidet somit darüber, ob es sich um einen Versicherungsvertreter oder um einen Versicherungsmakler handelt. Während der Versicherungsvertreter das Interesse des Versicherers wahrzunehmen hat, steht der Versicherungsmakler im Verhältnis zum VR auf der Seite des Kunden als dessen Interessenwahrer und Sachwalter.251 Dies ändert nichts daran, dass mit Aufnahme der Vermittlertätigkeit auch ein gesetzliches (vertragsähnliches) Schuldverhältnis zwischen dem Makler und dem VR entsteht.252 Damit entsteht für den Versicherungsmakler ein Doppelrechtsverhältnis.253 Dies ist der Grund für die in vielen Ländern gleichförmig bestehende Übung des Versicherungsvertragsrechts, wonach die Provision der Versicherungsmakler vom VR getragen wird.254 Bei der Frage, welchen Inhalt das Rechtsverhältnis des Maklers zum VR haben darf, 116 hat das Leitbild des § 59 Abs. 3 im Vordergrund zu stehen. Der Makler muss vom VN mit der Vermittlung oder dem Abschluss betraut sein, er muss für ihn und in seinem Interesse als Sachwalter tätig werden. Das schließt nicht aus, dass der Makler seine Tätigkeit auf eine eingeschränkte VR- und Vertragsauswahl beschränkt (§ 60 Abs. 1). Allerdings darf der Makler, der mit einer beschränkten Anzahl von VR zusammenarbeitet, nicht von diesen mit der Vermittlung betraut sein. Ein solcher Betrauungsvertrag würde ihn zum Mehrfachvertreter (§ 59 Abs. 2) machen. Demgegenüber beinhalten die
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OLG Hamm 8.12.1994 VersR 1995 658; OLG Hamm 28.4.1986 VersR 1987 155. Rundschreiben des GdV vom 22.2.1988 an seine Mitglieder (M-Tgw.-Nr. 27/28) unter Berücksichtigung der Erfahrungen des Bundes deutscher Versicherungsmakler, dazu Dehner NJW 1993 3226 sowie NJW 1997 18. BGH 27.10.1993 BGHZ 124 10 = VersR 1994 92 Rn. 14.
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BTDrucks. 16/1935, S. 22/23. Prölss/Martin/Kollhosser27 Nach § 48 Rn. 20. OLG Frankfurt/M 12.11.1993 VersR 1995 93; BGH 30.4.2003 VersR 2003 730, 731 m.w.N. BGH 22.5.1985 BGHZ 94 358 Rn. 11 m.w.N.; BGH vom 20.1.2005 BGHZ 162 67 Rn. 16 = VersR 2005 406; BGH 20.1.2005 VersR 2005 404 Rn. 18.
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in der Praxis verbreiteten Courtagevereinbarungen keine Betrauung i.S.v. § 59 Abs. 2. Eine solche Vereinbarung verpflichtet den Versicherungsmakler nicht zu einer Vermittlertätigkeit für den VR. Der Makler ist völlig frei, welchem VR er einen Vertrag vermittelt. Umgekehrt verpflichtet sich der VR gegenüber dem Versicherungsmakler zur Zahlung einer Provision, wenn der Vertrag zustande kommt. Die Höhe der Courtage bestimmt sich nach den getroffenen Vereinbarungen. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt (§ 653 Abs. 2 BGB), so ist bei dem Bestehen einer Taxe der taxmäßige Lohn, in Ermangelung einer Taxe der übliche Lohn als vereinbart anzusehen. Da der Makler nach § 59 Abs. 3 S. 1 vom VR oder einem Versicherungsvertreter 117 gerade nicht mit der Vermittlung oder dem Abschluss von VV betraut ist, stellt sich die Frage, wie es dennoch zu einem Doppelrechtsverhältnis, also einem Rechtsverhältnis zum Kunden (Maklervertrag) und auf der anderen Seite zu einem Rechtsverhältnis zum VR kommen kann. Dabei ist zu beachten, dass das Rechtsverhältnis zum VR jedenfalls keine Betrauung für die Vermittlung oder den Abschluss von VV beinhalten darf. Wenn ein Makler – möglicherweise gegenüber seinen Kunden verdeckt – eine vertragliche Bindung zu einem oder mehreren VR eingeht, die einer Betrauung i.S.d. § 59 Abs. 2 entspricht, so wird er zum (gebundenen) Versicherungsvertreter oder zum Mehrfachvertreter – er verliert seinen Maklerstatus – er wird nach § 59 Abs. 3 zum Scheinmakler. Wann dies genau der Fall ist, lässt sich nicht generell beantworten, sondern hängt von der Gestaltung des Einzelfalles ab. Wird ein Makler über einen längeren Zeitraum nur noch für einen einzigen VR tätig, obwohl es eine Vielzahl von VR für vergleichbare Produkte am Markt gibt, so ist dies ein Indiz dafür, dass der Makler möglicherweise in die Ausschließlichkeit gewechselt ist. Das gilt aber schon dann nicht mehr, wenn der Makler zeigen kann, dass er den von ihm präferierten VR nur deshalb wählt, weil dieser die Wünsche und Bedürfnisse seiner Kunden als einziger optimal nach Preis und Leistung erfüllt. Ähnliche Indizwirkungen entstehen, wenn der Makler seine Auswahl auf eine ganz kleine Zahl immer wieder gleicher VR und ihrer Produkte erstreckt und bei der Produktanalyse gegenüber seinen Kunden das Hinzutreten weiterer neuer VR mit neuen Produkten gar nicht oder nur unsystematisch berücksichtigt.
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a) Das Rechtsverhältnis zwischen Makler und VR. Steht fest, dass der Makler von keinem VR und keinem Versicherungsvertreter mit der Vermittlung oder dem Abschluss von VV betraut ist, so stellt sich die Frage, welches Rechtsverhältnis ihn dann eigentlich mit dem VR verbindet, gegenüber dem er das Geschäft vermittelt. Diese Frage ist für die Entstehung des Courtageanspruchs des Versicherungsmaklers und für die Höhe der Courtage wichtig. Hat der Makler mit dem VR im Vorfeld seiner Vermittlungstätigkeit eine Courtage119 vereinbarung getroffen, so ist diese Grundlage des Rechtsverhältnisses zwischen VR und Makler.255 Auch eine Rahmenvereinbarung zwischen dem VR und dem Makler kann Grundlage für einen Courtageanspruch des Maklers sein. Ein solches Rahmenabkommen kann sich sowohl auf die Vermittlungstätigkeit als auch auf die Übernahme der Verwaltung und Betreuung durch den Makler beziehen. Selbst, wenn der Makler ausschließlich die Verwaltung und Betreuung bestimmter VV und Kunden übernimmt, erwächst ihm gegenüber dem VR ein Courtageanspruch.256
255 256
Prölss/Martin/Kollhosser27 Nach § 48 ab Rn. 21 m.w.N. OLG Frankfurt/M 12.11.1993 VersR 1995
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92, zustimmend BGH mit Nichtannahmebeschluss vom 19.10.1994 VersR 1995 92.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
Eine andere Frage ist die, wie das Rechtsverhältnis zwischen VR und Makler entsteht, wenn es weder eine Courtagevereinbarung noch ein Rahmenabkommen oder möglicherweise eine Vollmacht des VR an den Versicherungsmakler zur Erteilung vorläufiger Deckungszusagen oder zur Entgegennahme von Anzeigen und Erklärungen des VN gibt.257 In einem solchen Fall, in dem der Makler an den VR herantritt und ihm die Vermittlung eines Vertrages anträgt, stellt sich zunächst einmal die Frage, ob der VR verpflichtet ist, mit dem Makler eine Courtagevereinbarung zu treffen, oder ob er berechtigt ist, das Vermittlungsbegehren des Maklers – ohne Ansehen des zukünftigen VN – einfach zurückzuweisen (mit diesem Makler wollen wir nicht zusammenarbeiten – Gründe dafür benennen wir nicht). Dieser Fall ist nicht identisch mit demjenigen, den das OLG Frankfurt am 12.11.1993 zu entscheiden hatte.258 Dort gab es zwischen VR und Makler eine Rahmenvereinbarung. Dieser Fall lässt sich auch nicht durch Rückgriff auf die §§ 93, 98, 99, 101 HGB lösen. Denn auch die Regeln über den Handelsmakler, die für den Versicherungsmakler nach § 59 Abs. 3 eingeschränkt gelten, setzen bereits ein Rechtsverhältnis zwischen VR und Makler voraus. Das gilt auch für die §§ 652, 653 BGB, die die Regeln für den Zivilmakler enthalten. Voraussetzung ist, dass jemand – ein VR – einen Mäklerlohn für den Abschluss oder die Vermittlung eines Vertrages verspricht (§ 652 Abs. 1 BGB). Dafür ist eine Willenserklärung des VR gegenüber dem Makler erforderlich. Will der VR aber mit dem Makler nicht zusammenarbeiten, so fehlt es an einer solchen Willenserklärung. Diese Willenserklärung wird auch nicht entbehrlich, wenn man annimmt, dass der VV zwischen dem VR und dem VN möglicherweise als Vertrag zugunsten Dritter (des Maklers) auszulegen ist.259 Einen solchen VV gibt es in der vorliegenden Fallkonstellation nicht, deshalb kann er auch keine Drittwirkungen zugunsten des Maklers entfalten. Einen Handelsbrauch (§ 346 HGB) mit dem Inhalt, dass ein VR jeden von einem Versicherungsmakler angetragenen Antrag zumindest sachgerecht zu prüfen und nach den Tarifierungsgrundsätzen des Hauses zu bescheiden hat, gibt es nicht. Das hängt damit zusammen, dass jeder VR sein Vertriebssystem frei wählen und folglich entscheiden darf, ob er mit Ausschließlichkeitsvertretern, Mehrfachvertretern oder Maklern arbeitet oder sich von diesen Vertriebsformen völlig abwendet und in den Direktvertrieb übergeht. Ein VR ist hiernach in der Wahl seines Vertriebsweges frei. Hat sich der VR allerdings für den Maklervertrieb entschieden, so ist er nunmehr nach § 20 Abs. 2 GWB gehalten, Anträge auf Abschluss von VV, die ihm von einem Makler vermittelt werden, diskriminierungsfrei zu behandeln. Dies gilt jedenfalls dann, wenn für den Makler keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf andere VR auszuweichen, z.B. deshalb, weil der VR um den es geht, die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden in optimaler Weise erfüllen würde, während das für die anderen VR so nicht gilt. In einer solchen Situation wäre die Zurückweisung des Maklers – ohne Ansehung des Antrags und des zukünftigen VN – für den Makler diskriminierend. Er hätte Anspruch auf Abschluss einer Courtagevereinbarung jedenfalls dann, wenn der VR
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Vollmachten dieser Art sind in der Praxis selten. Vgl. dazu § 28 Nr. 4 ÖMaklerG sowie ÖOGH VersR 2001 1401. OLG Frankfurt vom 12.11.1993 VersR 1995 92 (mit Zustimmung des BGH im Nichtannahmebeschluss. Prölss/Martin/Kollhosser27 Nach § 48 Rn. 28 f. auch unter Hinweis auf OLG
Hamm 8.12.1994 VersR 1995 658 und OLG Frankfurt/M. 12.11.1993 VersR 1995 92, wobei nicht ganz deutlich wird, ob es um die Entstehung des Rechtsverhältnisses zwischen VR und Makler oder um die Entstehung des Courtageanspruches im Rahmen eines solchen Rechtsverhältnisses geht.
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für die Zurückweisung des Maklers keinen sachlichen Grund hätte. So gesehen kann ein VR einen Makler, der ihm einen Antrag vermittelt, nicht ohne Benennung von Sachgründen von der Prüfung des Antrages von vornherein ausschließen. Welche Sachgründe einen VR berechtigen, einen Makler zurückzuweisen, kann nur 124 im Einzelfall entschieden werden. Grundsätzlich gilt, dass ein Makler nicht zurückgewiesen werden darf, wenn der VR anderen gleichartigen Maklern üblicherweise Zugang gewährt. Etwas anderes könnte gelten, wenn der VR mit dem Makler in der Vergangenheit bereits zusammengearbeitet und dabei außerordentlich schlechte Erfahrungen gemacht hat, etwa bei der Übermittlung von Anzeigen oder Policen an den VN oder beim Ausfüllen der Antragsfragen für den VN oder bei der Mitwirkung in der Schadensregulierung. Hat sich der VR entschlossen, einen ihm vermittelten VV mit dem VN zu schließen, 125 so schuldet er nunmehr im Regelfall die Zahlung der Courtage an den Makler. Durch die Annahme des Antrags ist das Doppelrechtsverhältnis zu beiden Parteien entstanden.260 Daraus folgt, dass nach § 99 HGB ein Provisionsanspruch gegen beide Parteien begründet sein könnte. Hiervon abweichend ist der VR jedoch Kraft „Übung des Versicherungsvertragsrechts“261 Schuldner der Provision. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen die Provision vom VN mit der Prämie aufgebracht wird.262 Etwas anderes gilt dann, wenn mit dem VN eine Nettopolice vereinbart wurde – in einem solchen Fall tritt an die Stelle der „Übung des Versicherungsvertragsrechts“ die individuelle Vereinbarung zwischen VN und Makler. Der Makler vermittelt die Nettopolice an den VR – dieser ist zur Entgegennahme des Antrags nach den Grundsätzen des § 20 Abs. 2 GWB verpflichtet. Die Provision allerdings schuldet nicht der VR, sondern der VN dem Makler. Eine bisher offene und wenig diskutierte Frage ist diejenige, ob ein Makler, der bisher 126 gegenüber einem VR „Bruttopolicen“ vermittelt hat, berechtigt ist, stattdessen „Nettopolicen“ anzudienen. Der Sachgrund für die Zurückweisung eines solchen Antrags würde – aus Sicht des VR – im Wechsel des Provisionsmodells liegen (Nettopolice statt Bruttopolice). Ob dieser Sachgrund für den VR hinreichend ist, erscheint fraglich, denn der VR hat keine Nachteile dadurch, dass nicht er, sondern der VN direkt die Provision an den Makler zahlt. Hinzukommt, dass die in Bruttopolicen liegende Preisbindung wohl gegen Art. 4 lit. a VO 2790/99 verstößt.
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b) VR lehnt Antrag ab. Eine hiervon zu trennende Frage ist diejenige, ob der VR berechtigt ist, einen ihm über einen Makler vermittelten Antrag zurückzuweisen. Die Zurückweisung des Antrags wirkt sich zunächst einmal im Verhältnis zum VN aus und nur mittelbar auch im Verhältnis zum Makler. Er erhält mangels Abschlusses keine Courtage. Man könnte deshalb die Frage stellen, ob der Makler die Annahmegrundsätze des VR überprüfen und im Einzelfall von diesem den Abschluss des VV verlangen kann. Im Ergebnis ist diese Frage zu verneinen. Grundsätzlich hat der VR Vertrags- und Abschlussfreiheit. Er kann die Annahme eines Antrags – auch ohne Begründung – ablehnen. Allerdings hat der VR die Grenzen zwingenden Rechts zu beachten. Er darf einen 128 Antrag nicht aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des 260
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OLG Frankfurt/M 12.11.1993 VersR 1995 92 unter Zustimmung des BGH im Nichtannahmebeschluss vom 19.10.1994 VersR 1995 92. BGH 22.5.1985 BGHZ 94 356 = VersR 1985 930; OLG Frankfurt/M 12.11.1993
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VersR 1995 92 sowie BGH im Nichtannahmebeschluss vom 19.10.1994 VersR 1995 92. OLG Frankfurt/M vom 12.11.1993 VersR 1995 92; zustimmend BGH 19.10.1994 VersR 1995 92.
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Begriffsbestimmungen
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Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zurückweisen (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG). Tut er es trotzdem, so kann der Benachteiligte (der zukünftige VN) unbeschadet weiterer Ansprüche die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen (§ 21 Abs. 1 AGG). Ein vergleichbares Recht hat der Makler nicht. Er ist allerdings verpflichtet, den zukünftigen VN im Rahmen seiner Sachwalterposition auf den Anspruch nach §§ 19, 21 AGG hinzuweisen. Er ist außerdem – aus dem Rechtsverhältnis zum VR – verpflichtet, diesen darauf hinzuweisen, dass nach seiner – des Maklers – Auffassung eine Verletzung des § 19 AGG gegeben ist, sodass er – der Makler – den Kunden auf die Ansprüche nach § 21 Abs. 1 AGG hinweisen muss. Auf diese Weise kann der Makler dazu beitragen, dass der VR seine Entscheidung noch einmal überdenkt, bevor er den Antrag gegenüber dem Kunden endgültig ablehnt. Lehnt der VR den Antrag unter Verletzung von § 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG ab und ver- 129 zichtet der Kunde daraufhin ganz auf die Vermittlung eines VV – auch gegenüber einem anderen VR – so kann der Makler den ihm entstandenen Schaden (Courtageausfall) vom VR wegen Verletzung des der Vermittlung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (§ 280 Abs. 1 BGB) ersetzt verlangen. Es bedarf wegen des Bestehens des Rechtsverhältnisses zwischen Makler und VR nicht des Rückgriffs auf § 311 Abs. 3 BGB. c) Kausalität. Der VV muss durch die Vermittlung des Versicherungsmaklers zustande 130 gekommen sein (§ 652 Abs. 1 BGB). Dabei reicht Mitursächlichkeit der Vermittlerbemühung aus.263 Sind mehrere Versicherungsmakler gleichzeitig eingeschaltet gewesen, so müssen sie sich die Courtage teilen.264 Entscheidend ist, ob der VV auf die Vermittlungstätigkeit des Maklers zurückzuführen ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn VR den Antrag mit gewissen Änderungen annimmt und der VN dies akzeptiert.265 Schließt der VN letztlich mit einem anderen VR ab, so gebührt dem Makler keine Courtage. Verhindert in diesem Fall der VN den Abschluss des Vertrags gegenüber dem Makler wider Treu und Glauben (§ 162 Abs. 1 BGB), so macht sich der VN gegenüber dem Makler wegen Verletzung des Maklervertrages (§ 280 Abs. 1 BGB) schadensersatzpflichtig. d) Der Gläubiger der Courtage. Eine sehr grundsätzliche Frage hat Bundesrichter 131 Nobbe (ehemals Vorsitzender Richter des XI. Senats beim BGH) aufgeworfen.266 Nobbe schildert die ständige Rechtsprechung des BGH zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Er verweist darauf, dass der Zahlung des Kunden eine Gegenleistung des Vertragspartners (Bank-/Versicherungs-/Bausparkasse) gegenüberstehen müsse. Wenn – so Nobbe – eine Bausparkasse beispielsweise Kosten für den Abschluss des Vertrages berechnet, obwohl nicht sie, sondern ein Vermittler den Vertrag vermittelt habe, dann habe sie, die Bausparkasse, keinen Anspruch auf Erhebung der Abschlusskosten beim Kunden. Diesen Anspruch hätte allenfalls der Vermittler. Wenn die Bausparkasse trotzdem die Abschlusskosten erhebe, so sei dies AGB-rechtswidrig und folglich nichtig. Auf Nachfrage hat Nobbe bestätigt, dass er diese Auffassung auch im Bereich des 132 Versicherungsrechtes für zutreffend und zielführend halte. Dies würde bedeuten, dass das in der Versicherungspraxis durchgesetzte Bruttopolicenmodell – unabhängig von Art. 4 lit. a VO 2790/99 – nicht mehr zulässig wäre. Bei diesem Modell zahlt der VN die Brutto-Prämie. In dieser Prämie ist die (Makler-)Provision enthalten, wird aber (abgesehen von der LV, § 2 VVG-InfoV) nicht getrennt ausgewiesen und auch nicht vom Makler 263 264
Bruck/Möller/Möller8 Vor §§ 43– 48 Anm. 78. Knütel ZHR 144 289, 309.
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Bruck/Möller/Möller8 Vor §§ 43– 48 Anm. 79 m.w.N. Nobbe WM 2008 163.
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erhoben. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der VR, der keine Vermittlungsleistung erbracht hat, eine Provision, die in die Prämie eingerechnet ist, erhebt. Argumentiert man wie Bundesrichter Nobbe, so ist dies unzulässig, weil der VR keine Vermittlungsleistung erbracht hat. Die Vermittlungsprovision dürfte vom Vermittler erhoben werden – er dürfte seinen Provisionsanspruch zur Einziehung auch an den VR abtreten. Allerdings würde dies dazu führen, dass die Versicherungsvermittler ganz prinzipiell Nettopolicen anbieten und die ihnen zustehende Provision ergänzend dazu mit dem Kunden oder dem VR (Leitbild § 99 HGB: 50:50) vereinbaren müssten. Ob sich diese Auffassung letztlich durchsetzt, muss sich erst noch in der Praxis und 133 der Rechtsprechung erweisen. Die Auffassung ist allerdings in sich konsistent begründet – sie knüpft an die Leistungen an, die gegenüber dem Kunden erbracht werden. Zugleich korrespondiert diese Auffassung mit dem Leitbild des Maklers vom Interessenwahrer und Sachwalter für den VN. Mit diesem Leitbild ist eine Provisionsvereinbarung zwischen VN und Makler sehr viel besser zu vereinbaren als zwischen Makler und VR. Zwar bleibt der Makler auch innerhalb einer Courtagevereinbarung frei, an welchen VR er Anträge vermittelt. Jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Makler, der von einem VR sehr viel höhere Provisionen erwarten darf, dessen Produkte bevorzugt und gegenüber dem Kunden stärker empfiehlt, wobei dies durchaus unbewusst geschehen kann.
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e) Gewerberechtliche Auswirkungen auf den Maklerstatus. Seit dem 22. Mai 2007 müssen Makler eine Berufshaftpflichtversicherung nachweisen (§ 34d Abs. 2 Nr. 3 GewO i.V.m. § 156 Abs. 2 GewO). VU dürfen mit Versicherungsvermittlern, die keine Berufshaftpflichtversicherung nachweisen, nicht zusammenarbeiten (§ 80b VAG). Ein VR, der trotzdem mit einem Vermittler ohne Haftpflichtversicherung zusammenarbeitet, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet wird (§ 144 Abs. 1a Nr. 3a VAG). Die BaFin achtet auf die Einhaltung dieser Regeln, die für den Betrieb des Versicherungsgeschäftes gelten. Sie kann nach § 81 Abs. 2 S. 1 VAG „gegenüber Unternehmen, den Mitgliedern ihres Vorstandes sowie sonstigen Geschäftsleitern oder den die Unternehmen kontrollierenden Personen alle Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um Missstände zu vermeiden oder zu beseitigen“ (§ 81 Abs. 2 S. 1 VAG). Die Skala der möglichen Anordnungen reicht vom informellen Verwaltungshandeln bis zum begründeten und mit Rechtsmitteln versehenen Verwaltungsakt, der förmlich zugestellt wird und mit Zwangsmitteln durchsetzbar ist (§ 17 FinDAG).267 Ein Versicherungsmakler muss folglich seit dem 22.5.2007 die gewerberechtlichen 135 Voraussetzungen für die Erlaubnis seiner Tätigkeit erfüllen. Erfüllt er diese Voraussetzungen nicht, verfügt er beispielsweise über keine Berufshaftpflichtversicherung, so hat die zuständige IHK die weitere Maklertätigkeit zu untersagen (§ 156 Abs. 2 GewO). Umgekehrt bedeutet dies, dass ein Versicherungsmakler seine Tätigkeit einstellen muss, wenn er beispielsweise die erforderliche Vermögensschadenshaftpflicht nicht abschließt. Er darf die Versicherungsvermittlung nicht mehr betreiben. Der Begriff Versicherungsvermittlung umfasst – wie oben gezeigt wurde – nicht nur die Vermittlung von Anträgen im engeren Sinne, sondern auch die Betreuung des Altbestandes, wenn ein Anlass für eine Nachfrage oder Beratung des VN erkennbar (§ 6 Abs. 4 analog) oder eine Mitwirkung im Schadensfall geboten ist. Dies bedeutet, dass ein Versicherungsmakler, der die gewerberechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, weder Neugeschäfte vermitteln, noch den Altbestand betreuen darf. 267
Prölss/Frey/Kollhosser12 § 81 Rn. 47.
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Begriffsbestimmungen
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Das betrifft auch solche Vermittler, die sich erst gar nicht um eine Erlaubnis bei der 136 IHK bemühen, weil sie sich beispielsweise entschlossen haben, auf den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung zu verzichten. Ein Versicherungsmakler, der die Zulassungsvoraussetzungen für seine Tätigkeit nicht herbeiführen will, gibt damit seinen Geschäftsbetrieb (konkludent) auf. Zugleich beseitigt der Makler durch ein solches Verhalten die Geschäftsgrundlage für seinen Maklervertrag mit dem VN, für ein etwaiges Courtageabkommen mit dem VR und für etwaige Maklerbetreuungsverträge mit Maklerpools oder Deckungskonzeptanbietern. Wenn eine Anpassung der genannten Verträge wegen der Weigerung des Maklers, die berufsrechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen, nicht möglich ist, dürfen die Verträge nach § 313 Abs. 3 BGB aus wichtigem Grund (§ 314 BGB) gekündigt werden. Dies wiederum führt dazu, dass der Makler keinen Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB hat, weil der wichtige Grund in einem schuldhaften Verhalten des Maklers besteht.268 6. Scheinmakler Wer gegenüber dem VN den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler „gilt als Versicherungsmakler“ (Pseudomakler: § 59 Abs. 3 S. 2). Für den Kunden kann sich hieraus ein Schadensersatzanspruch nach § 63 ergeben.269 Fälle, in denen sich Versicherungsvermittler, die nicht Makler sind, als Makler gerieren, sind in der Praxis nicht selten.270 Im Interesse eines wirksamen Kundenschutzes erscheint es daher erforderlich, vorsorglich eine Regelung zu treffen, durch die ein solcher Vermittler dem Kunden gegenüber wie ein Makler haftet.271 Insbesondere soll er dafür geradestehen, dass er seine Beratung nicht auf eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen VV gestützt hat, obgleich er diesen Anschein beim Kunden geweckt hat.272 Unberührt bleibt eine etwaige Haftung des VR für seinen Vertreter; sie kommt auch nach einer Beendigung des Vermittlervertrages nach den Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung (§ 171 BGB) in Betracht.273 Gemeint sind Vermittler, die sich als Makler gerieren, obwohl sie nicht Makler sind, die also über die gewerberechtliche Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO nicht verfügen oder in der Übergangszeit – bis zum 1.1.2009 – keine Berufshaftpflichtversicherung abschließen (§ 156 Abs. 2 GewO). Ein Vermittler erweckt gegenüber dem VN den Anschein er sei ein Versicherungsmakler, wenn er in der Statusinformation, die er nach § 11 VersVermV schuldet, behauptet, über eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO zu verfügen. Er erweckt diesen Anschein aber auch dann, wenn er die Statusinformation dem VN nicht aushändigt, dabei aber zu erkennen gibt, er wolle als unabhängiger Sachwalter und Interessenwahrer für den VN aus dem vielfältigen Angebot der VR das für ihn günstigste und passendste heraussuchen. Entscheidend ist, nach dem Wortlaut des § 59 Abs. 3 S. 2, dass der Vermittler „den Anschein gegenüber dem VN erweckt“, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler. Die Norm setzt nicht voraus, dass der Kunde dem Anschein glaubt, also tatsächlich der Auffassung ist, der Vermittler sei Makler. Es genügt nach dem Wortlaut des Gesetzes, dass der Vermittler den objektiven Anschein, er sei Makler, erweckt – Gutgläubigkeit beim Kunden wird nicht vorausgesetzt. Daran ändert auch der Hinweis in der
268 269 270
BGH 16.2.2000 NJW 2000 1866. BTDrucks. 16/1935, S. 23. BTDrucks. 16/1935, S. 23.
271 272 273
BTDrucks. 16/1935, S. 23. BTDrucks. 16/1935, S. 23. BTDrucks. 16/1935, S. 23.
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gesetzlichen Begründung nichts, wonach § 59 Abs. 3 S. 2 einem „wirksamen Kundenschutz“ dienen soll.274 Ein wirksamer Kundenschutz wird insbesondere durch eine objektive Anknüpfung, die allein darauf abstellt, ob der Vermittler den Anschein erweckt, Versicherungsmakler zu sein, gewährleistet. Würde man demgegenüber die Frage stellen, ob der Kunde wusste oder hätte wissen müssen, dass der Makler in Wirklichkeit kein Makler ist, so würde dies zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit und damit einer Beeinträchtigung des Kundenschutzes führen. Man würde beispielsweise die Frage stellen, ob ein Kunde den Statusinformationen des Vermittlers trauen oder zunächst einmal bei der IHK anfragen muss, ob die gewerberechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Genau das wollte der Gesetzgeber durch die Formulierung von § 59 Abs. 3 S. 2 vermeiden.275 Die Frage, ob der zwischen dem Scheinmakler und dem Kunden geschlossene „Mak141 lervertrag“ wirksam ist, muss differenziert beantwortet werden. Nach dem Wortlaut von § 59 Abs. 3 S. 2 gilt der Vermittler als Versicherungsmakler, ohne es zu sein. Dieser Wortlaut spricht zunächst einmal dafür, dass ein Vermittler, der nicht Makler ist, sich gegenüber dem Kunden darauf nicht berufen kann. Er gilt ihm gegenüber als Makler – ihn treffen also insbesondere die Schadensersatzpflichten nach § 63. Allerdings darf die in § 59 Abs. 3 S. 2 formulierte Fiktion nicht den Sinn der Norm, also den mit ihr bezweckten Kundenschutz aushebeln. Andernfalls würde nämlich ein Scheinmakler einen rechtlich wirksamen Maklervertrag mit dem Kunden schließen können und ihn auf der Grundlage dieses Maklervertrages nunmehr dauerhaft (möglicherweise viele Jahre lang) als Makler betreuen dürfen. Eine solche Wirkung soll § 59 Abs. 3 S. 2 nicht haben – die Norm erschöpft sich darin, dem Kunden den Schutz zu gewähren, den er benötigt, weil er mit einem Scheinmakler kontrahiert. Die Norm will dem Kunden aber nicht die Möglichkeit abschneiden, das angebliche Maklerverhältnis so schnell wie möglich zu beenden und möglicherweise auch den VV, der durch den Scheinmakler vermittelt wurde, rückabzuwickeln, wenn sich dies für den Kunden als sachgerecht erweist. Dies bedeutet, dass § 59 Abs. 3 S. 2 seinem Sinn und Zweck entsprechend als Kundenschutznorm auszulegen ist. Dies bedeutet, dass der Kunde ein Wahlrecht darüber hat, ob er sich auf die Fiktion des § 59 Abs. 3 S. 2 berufen will oder nicht. Dogmatisch zeigt dies, dass § 59 Abs. 3 S. 2 zwar ein Schutzgesetz zugunsten des 142 Kunden ist, das – anders als § 134 BGB – allerdings nicht die Nichtigkeit des angeblichen Maklervertrages, sondern das Wahlrecht des Kunden auslöst. Insoweit ist § 59 Abs. 3 S. 2 zugleich lex specialis gegenüber § 134 BGB. Dies widerspricht nicht der Rechtsprechung des BGH zur Wirksamkeit eines Immobilienmaklervertrages.276 Der BGH hat entschieden, dass § 34c Abs. 1 Nr. 1a GewO kein ausdrückliches gesetzliches Verbot enthalte. Es ging nicht um den neuen § 34d Abs. 1 GewO und es ging auch nicht um § 59 Abs. 3 S. 2. Die Entscheidung, die ohnehin nicht den Versicherungsmakler, sondern den Immobilienmakler betraf, ist für § 59 Abs. 3 S. 2 insofern von Relevanz, als sich aus ihr ergibt, dass ein Maklervertrag durch einen Scheinmakler zivilrechtlich wirksam geschlossen werden kann. Eine darüber hinausweisende Wirkung entfaltet diese Entscheidung aber jedenfalls für § 59 Abs. 3 S. 2 nicht, auch deshalb nicht, weil der Scheinmakler in jenem Fall die Kaufgelegenheit für ein Haus nachgewiesen hatte und der Käufer dieses Haus auch behalten wollte – nur die Zahlung der Provision war streitig. Es handelt sich also um den Fall, in dem sich ein VN entscheidet, von der Fiktion des § 59 Abs. 3 S. 2 Gebrauch zu machen, wozu er selbstverständlich berechtigt ist. Die Frage, ob unter be274 275
BTDrucks. 16/1935, S. 23. Schwankend Beckmann/Matusche-Beckmann VersR-HB2 § 5 Rn. 224.
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BGH 23.10.1980 NJW 1981, 387.
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Begriffsbestimmungen
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stimmten Fallgestaltungen ein Kunde auch das Recht hat, eine zu seinen Gunsten geschaffene Fiktion abzuwählen, hatte der BGH am 23.10.1980 nicht zu entscheiden – insoweit entfaltet dieses Urteil keinerlei Bindungswirkung für § 59 Abs. 3 S. 2. Entscheidet sich der VN, den VV uneingeschränkt fortzuführen, so macht er insoweit 143 zugleich von der Fiktion des § 59 Abs. 3 S. 2 Gebrauch – der Maklervertrag gilt als geschlossen. Die Berufung auf das Wahlrecht wegen Verletzung der Statusangaben wäre widersprüchlich und wegen venire contra factum proprium unwirksam. Der Kunde könnte sich allerdings auch für die Fortführung des VV unter anderer Betreuung, etwa der Betreuung durch einen gewerberechtlich ordnungsgemäß zugelassenen Versicherungsmakler oder für die Betreuung durch den VR entscheiden. Dann würde dem Scheinmakler zwar die Abschlussprovision, nicht aber das Betreuungsentgelt zufließen. Der Kunde könnte sich aber auch – z.B. wegen fehlerhafter Beratung – vom Maklervertrag lösen. Da dieser die Geschäftsgrundlage für den später zustande gekommenen VV bildet, wäre dieser nunmehr nach § 313 BGB anzupassen. Eine Maklercourtage dürfte bezogen auf den neuen VV auch aus der Perspektive des § 812 BGB ausscheiden, weil dieser Vertrag erst durch eine Anpassung nach § 313 BGB inhaltlich zustande kam, also nicht auf die Vermittlungstätigkeit des Scheinmaklers zurückzuführen ist.
IV. Der Versicherungsberater (§ 59 Abs. 4) 1. Das gesetzliche Leitbild Versicherungsberater ist, wer gewerbsmäßig Dritte über Versicherungen beraten will, 144 ohne von einem VU einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder von ihm in anderer Weise abhängig zu sein (§ 59 Abs. 4, § 34e Abs. 1 GewO). Damit ist der Versicherungsberater erstmals exakt definiert. Er bedarf nach § 34e Abs. 1 GewO für seine Tätigkeit einer Erlaubnis durch die zuständige IHK: Da die Tätigkeit der Versicherungsberater nach – zutreffender – Auffassung der EG-Kommission der Vermittlerrichtlinie unterfällt,277 lag es nahe, die Grundstrukturen der Tätigkeit des Versicherungsberaters im Vermittlerrecht zu regeln, „zumal die frühere Regelung im Rechtsberatungsgesetz (Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 2 RBerG) mit ihren kaum konkretisierten Vorgaben Zweifel an einer verfassungsrechtlich dem Art. 12 GG genügenden Regelung aufkommen ließen.“278 Es war daher, so Schönleiter, konsequent, die Versicherungsberater als Gewerbetreibende (da nicht obligatorisch akademisch vorgebildet) neben den Vermittlern in der GewO zu regeln. Der Versicherungsberater, der seit 1989 in Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 2 RBerG geregelt war, ist in das am 1.7.2008 in Kraft getretene Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) 279 nicht übernommen, sondern stattdessen in § 34e GewO i.V.m. § 59 Abs. 4 geregelt worden. Bei den gesetzgeberischen Beratungen wurde darauf hingewiesen, dass einer unabhängigen Beratung im Versicherungswesen eine verbraucherpolitische Schlüsselstellung zukomme; deshalb sei der Erhalt des Berufs notwendig.280 Auf diese Weise hat der Gesetzgeber den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen dauerhaften Erhalt des Berufs des Versicherungsberaters sichergestellt.281 Zugleich wurde der Tatsache Rechnung 277
Schönleiter GewArch 2007 265 (III 1 e); das BMWi hatte bei der Europäischen Kommission angefragt und die Auskunft erhalten, die Vermittlerrichtlinie sei auch auf Versicherungsberater anwendbar: Reiff VersicherungsvermittlerR 125 f.
278 279 280 281
Schönleiter GewArch 2007 265 (III 1 e). BGBl. I, S. 2840 ff. BR-Drucks. 623/06, S. 82. BVerfG 5.5.1987 NJW 1988 543.
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getragen, dass es sich bei der Versicherungsberatung um eine Tätigkeit handelt, bei der die anwaltliche Versorgung die Nachfrage der Rechtssuchenden nicht ohne weiteres deckt, weil bei der Beratung neben juristischen Kompetenzen weitere (versicherungstechnische) Kenntnisse vonnöten seien.282 Die Regulierung der Tätigkeit des Versicherungsberaters in der Gewerbeordnung soll 145 dazu führen, alle beim Abschluss eines VV potenziell beteiligten Berufe – vom Versicherungsvertreter über den Versicherungsmakler bis hin zum Versicherungsberater – in einem zusammenhängenden Normenkomplex zu regeln.283 Ferner kann darauf verzichtet werden, zahlreiche Berufsausübungsregeln, die nach der Vermittlerrichtlinie auch für den Versicherungsberater vorgesehen sind, im RDG zu regeln.284 Die Ausgliederung aus dem Rechtsberatungsgesetz, das auf eine „freiberufliche Tätigkeit“ hindeutete, in die Gewerbeordnung wurde von den Versicherungsberatern – primär aus berufsständischen Überlegungen – nicht akzeptiert und mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen.285 Die Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 8. Mai 2007 zurückgewiesen.286 Die Berufsbezeichnung und die das Berufsbild des Versicherungsberaters prägende 146 Unabhängigkeit von der Versicherungswirtschaft schlägt sich vor allem in dem unbedingten Provisionsannahmeverbot nieder.287 Durch die Trennung der Vorschriften über die Versicherungsberatung von den Vorschriften über Versicherungsvertreter und -makler wird sichergestellt, dass der Beruf des Versicherungsberaters auch weiterhin ein mit dem Rechtsanwaltsberuf vereinbarer Beruf ist.288 Die Tätigkeit des Versicherungsberaters ist nicht unmittelbar auf die Vermittlung eines VV gerichtet.289 Deshalb heißt es in § 59 Abs. 4, dass sich die Beratung auf die Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von VV oder auf die Wahrnehmung von Ansprüchen aus VV im Versicherungsfall bezieht. Außerdem darf der Versicherungsberater den Dritten (VN) gegenüber dem VR außergerichtlich vertreten. 2. Die gewerberechtlichen Voraussetzungen
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Der Versicherungsberater bedarf nach § 34e Abs. 1 GewO der Erlaubnis der zuständigen IHK. Die Erlaubnis kann inhaltlich beschränkt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit oder der VN erforderlich ist. Unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig. Die Erlaubnis beinhaltet die Befugnis, Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von VV oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus dem VV im Versicherungsfall rechtlich zu beraten und gegenüber dem VU außergerichtlich zu vertreten. Dieser Wortlaut ist in § 59 Abs. 4 übernommen worden. In der Literatur wird kritisiert, dass der Wortlaut kein ausdrückliches Verbot der Ver148 sicherungsvermittlung enthält.290 Dies trifft im Ergebnis nicht zu, denn § 59 Abs. 4 ist im Kontext mit den Regeln für den Versicherungsvertreter (§ 59 Abs. 2) und für den Versicherungsmakler (§ 59 Abs. 3) zu sehen. Ausdrücklich stellt darüber hinaus § 59 Abs. 1 klar, dass Versicherungsvermittler nur Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler, nicht aber Versicherungsberater sind. Dies bedeutet, dass Versicherungsberater auch 282 283 284 285 286
Ring WM 2007 281, 285. BTDrucks. 16/3655, S. 41. BTDrucks. 16/3655, S. 41. Schönleiter GewArch 2007 265 (III 1 e). BVerfG 8.5.2007 GewArch 2007 285.
390
287 288 289 290
BTDrucks. 16/1935, S. 21. BTDrucks. 16/1935, S. 21. Schönleiter GewArch 2007 265 (III 1). Reiff VersicherungsvermittlerR 129.
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dann, wenn sie den Dritten (VN) bei der Vereinbarung (z.B. Antragstellung) eines VV beraten und in diesem Zusammenhang den Antrag beispielsweise in Vertretung des Dritten einem VR übermitteln, dennoch nicht zum Versicherungsvermittler werden, denn sie sind weder vom VR, noch vom zukünftigen VN mit der Vermittlung (gegen Provision) betraut. Der Berater, der den Antrag des Kunden einem VR übermittelt, ist i.d.R. Bote.291 Das Tätigkeitsfeld eines Versicherungsberaters überschneidet sich mit demjenigen eines 149 Versicherungsvertreters und (besonders stark) dem eines Versicherungsmaklers. Nach § 5 RDG sind auch Versicherungsvertretern und -maklern Rechtsdienstleistungen erlaubt, wenn sie eine zum Berufsbild gehörige Nebenleistung darstellen. Darüber hinaus wird Versicherungsmaklern in § 34d Abs. 1 S. 4 GewO ausdrücklich die rechtliche Beratung gegenüber Dritten, die nicht Verbraucher sind, gegen gesondertes Entgelt gestattet. Damit hat der Versicherungsberater unter der Geltung des RDG „keinen Alleinstellungsanspruch mehr für die rechtliche Beratung im Zusammenhang mit VV.“292 Nach § 34e Abs. 2 GewO gelten die für Versicherungsvermittler eingeführten Er- 150 laubnisvoraussetzungen entsprechend für Versicherungsberater, d.h. Zuverlässigkeit, geordnete Vermögensverhältnisse, Berufshaftpflichtversicherung und Sachkundenachweis müssen auch vom Versicherungsberater erbracht werden.293 Insbesondere die Sachkundeanforderungen werden i.V.m. § 34d Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 8 Nr. 2 GewO in der VersVermV konkretisiert. Ferner gelten die für Versicherungsvermittler in § 34d Abs. 5 bis 8 GewO sowie die aufgrund des § 34d Abs. 8 GewO erlassenen Vorschriften entsprechend, insbesondere die Pflicht zur Registrierung und die statusbezogenen Informationen.294 Dabei stellen die gesetzlichen Anforderungen an die Sachkunde gerade im Bereich der Versicherungsberatung nur einen absoluten Mindeststandard dar, den alle Personen, die als Versicherungsberater tätig werden wollen, erfüllen müssen.295 Unabhängige Versicherungsberater – so heißt es in der Gesetzesbegründung – werden in aller Regel über eine berufliche Qualifikation verfügen, die weit über den gesetzlichen Mindestanforderungen liegt. Eine abweichende gesetzliche Festlegung der Berufsqualifikation bei Versicherungsberatern sei deshalb nicht erforderlich, zumal auch nach geltendem Recht keine festen gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Berufsqualifikation der Versicherungsberater bestehen. Die gesetzliche Regelung einer Mindestqualifikation stehe dem Erwerb höherer Qualifikationen und auch einer freiwilligen Selbstbindung der Berufsangehörigen nicht entgegen.296 Nachteile für die Rechtssuchenden seien im Bereich der Versicherungsberatung auch aus diesem Grunde nicht zu befürchten, zumal die Versicherungsberater, die anders als die Vermittler wegen des für sie bestehenden Provisionsannahmeverbots darauf angewiesen seien, von ihren Kunden eine Vergütung für ihre Dienstleistung zu erhalten, am Markt nur aufgrund nachgewiesener hoher Qualifikationen bestehen und sich gegen die Konkurrenz der Vermittler durchsetzen könnten.297 Reiff kritisiert dieses gesetzgeberische Konzept.298 Nach seiner Auffassung müssten 151 Versicherungsberater höhere Sachkundeanforderungen erfüllen als Versicherungsvertreter 291
292
Auch der Versicherungsvertreter kann im Einzelfall Empfangsbote sein: OLG Hamm vom 25.1.2008 VersR 2008 908. Reiff scheint seine Kritik aufgegeben zu haben, jedenfalls findet sie sich nicht mehr in einem späteren Beitrag von ihm in VersR 2007 717 E.2.1.b. Kilian/Sabel/vom Stein § 2 Rn. 181; Lensing ZfV 2009 16, 20 ff.
293 294 295 296 297 298
BTDrucks. 16/1935, S. 21. BTDrucks. 16/1935, S. 21. BTDrucks. 16/1935, S. 21. BTDrucks. 16/1935, S. 21. BTDrucks. 16/1935, S. 21. Reiff VersicherungsvermittlerR 129; ders. VersR 2007 717 E.II.1.b.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
und Versicherungsmakler. Aus der Richtlinie ergibt sich dies allerdings nicht. Es erscheint auch verfassungsrechtlich (Artt. 3, 12, 2 GG) fragwürdig, eine der drei beratenden Versicherungsemidiäre mit stärkeren Pflichten zu belasten, obwohl alle drei Gruppen auch Beratungsfunktion (§ 61) haben. Aus diesem Grund ist auch der zweite Vorwurf, den Reiff erhebt, wonach das deutsche Recht die Auswirkungen der europäischen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit nicht hinreichend berücksichtigt, nicht wirklich überzeugend.299 Richtig ist, dass mit der Vermittlerrichtlinie der Europäische Pass auch für die Versicherungsvermittler eingeführt wurde – ein z.B. in Frankreich, den Niederlanden oder Dänemark zugelassener Versicherungsvermittler bedarf folglich in Deutschland keiner Erlaubnis (§ 34e Abs. 2 GewO i.V.m. § 34d Abs. 5 GewO). Allerdings muss sich die Erlaubnis im Nachbarland auf eine Tätigkeit beziehen, die derjenigen des deutschen Versicherungsberaters vergleichbar ist. Ein Vermittler, der im Nachbarland als Versicherungsmakler zugelassen ist (so das Beispiel von Reiff), kann folglich nicht als Versicherungsberater in Deutschland auftreten. Dies würde voraussetzen, dass er im Nachbarland die Erlaubnis zur Beratung in Versicherungssachen hätte, ohne von einem VR einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder in anderer Weise von ihm abhängig zu sein. In § 34e Abs. 3 GewO heißt es, dass Versicherungsberater keine Provision von VU 152 entgegennehmen dürfen. Mit diesem Provisionsannahmeverbot ist der entscheidende Unterschied zum Versicherungsvermittler formuliert.300 Damit sich der Kunde auf die Neutralität des Versicherungsberaters verlassen kann, bietet Abs. 3 eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Rechtsverordnung, in der das BMWi im Einvernehmen mit dem BMJ und Zustimmung des Bundesrates zum Schutze der Allgemeinheit und der VN nähere Vorschriften über das Provisionsannahmeverbot erlassen darf.301 In der RVO kann insbesondere bestimmt werden, dass die Einhaltung des Provisionsannahmeverbotes auf Kosten des Versicherungsberaters regelmäßig oder aus besonderem Anlass zu überprüfen und der Prüfungsbericht der zuständigen Behörde vorzulegen ist. Dabei können die Einzelheiten der Prüfung, insbesondere deren Anlass, Zeitpunkt und Häufigkeit, die Auswahl, Bestellung und Abberufung der Prüfer, deren Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeit, der Inhalt des Prüfberichtes, die Verpflichtungen des Versicherungsberaters gegenüber dem Prüfer sowie das Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Prüfer und dem Versicherungsberater geregelt werden. 3. Die materiellen Anforderungen des VVG (§ 59 Abs. 4)
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a) Gewerbsmäßige Beratung. Der Versicherungsberater muss gewerbsmäßig tätig sein. Der Begriff Gewerbsmäßigkeit ist – ebenso wie beim Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler – funktional aus der Perspektive der Anforderungen des § 59 auszulegen. Es geht nicht um den Gewerbebegriff des § 1 HGB, d.h. der Versicherungsberater muss kein kaufmännisches Gewerbe betreiben. Gewerberechtlich unbeachtlich ist eine selbständige Tätigkeit i.d.R. nur dann, wenn der geschäftliche Umfang vernachlässigenswert gering und zeitlich beschränkt ist.302 Entscheidend ist die Schutzfunktion des § 59 Abs. 4 i.V.m. § 68. Der Dritte, der in Versicherungssachen beraten wird, soll sich darauf verlassen, dass die ihn schützenden Normen – z.B. die Beratungs- und Dokumentationspflichten und die daran geknüpfte Schadensersatzpflicht des Beraters zu seinen Gunsten
299 300 301
Reiff VersicherungsvermittlerR 130; ders. VersR 2007 717 E.II.1.b. BTDrucks. 16/1935, S. 21. Eine Rechtsverordnung zum Provisions-
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annahmeverbot gibt es derzeit noch nicht (Stand August 2008). Beenken/Sandkühler S. 28 Rn. 2.1.3.
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wirken. So gesehen ist nur derjenige nicht gewerbsmäßig tätig, der wenige hundert Euro Honorarumsatz im Jahr oder „zwei, drei Beratungsfälle pro Jahr“ hat.303 Eine solche schutzzweckorientierte Auslegung des Begriffs Gewerbsmäßigkeit ergibt sich auch aus den Zielen der Vermittlerrichtlinie, die in Art. 2 Nr. 5 jede natürliche oder juristische Person erfasst, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung (damit ist auch die Versicherungsberatung gemeint) gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt. b) Statusinformationen. Der Versicherungsberater darf Dritte bei der Vereinbarung, 154 Änderung oder Prüfung von VV oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus VV im Versicherungsfall beraten oder gegenüber dem VR außergerichtlich vertreten. Dabei ist der Versicherungsberater verpflichtet, dem Kunden beim ersten Geschäftskontakt die relevanten Statusinformationen in Textform mitzuteilen. Er teilt folglich mit, dass er als Versicherungsberater mit der Erlaubnis nach § 34e Abs. 1 GewO bei der zuständigen Behörde gemeldet, in das Register nach § 34d Abs. 7 GewO eingetragen ist und wie sich diese Eintragung überprüfen lässt (§ 34e Abs. 2 GewO i.V.m. § 34d Abs. 8 GewO i.V.m. § 11 Abs. 1 VersVermV). c) Die Anforderungen aus § 68. Ansonsten gelten für den Versicherungsberater die 155 für den Versicherungsmakler geltenden Vorschriften des § 60 Abs. 1 S. 1, des § 61 Abs. 1 und der §§ 62 bis 65 und 67 entsprechend (§ 68). Weitergehende Pflichten des Versicherungsberaters aus dem Auftragsverhältnis bleiben unberührt (§ 68 S. 2). Dies bedeutet, dass der Versicherungsberater verpflichtet ist, seinem Rat eine hinrei- 156 chende Zahl von auf dem Markt angebotenen VV und von VR zugrunde zu legen, sodass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher VV geeignet ist, die Bedürfnisse des VN zu erfüllen (§ 60 Abs. 1 S. 1). Die für den Versicherungsmakler eröffnete Möglichkeit, auf eine eingeschränkte VR- und Vertragsauswahl hinzuweisen (§ 60 Abs. 1 S. 2), besteht für den Versicherungsberater nicht. Damit wollte der Gesetzgeber dem „besonderen Berufsbild des Versicherungsberaters“ Rechnung tragen.304 So recht überzeugend ist dies nicht. Das Berufsbild des Versicherungsberaters ist vom Provisionsannahmeverbot geprägt. Entscheidend ist, dass der Versicherungsberater vom VR wirtschaftlich völlig unabhängig ist. Dies ist er auch dann, wenn er seine Beratung auf eine bestimmte Anzahl von VR und Verträgen beschränkt und seinen Kunden darauf ausdrücklich hinweist. Der Berater verdeutlicht auf diese Weise, dass er keinen vollständigen Marktüberblick hat. Das ändert aber an seiner Unabhängigkeit gegenüber den VR nichts. Andererseits darf ein Makler, der – wie der Versicherungsberater – „im Lager“ des Kunden steht, auf eine eingeschränkte Vertrags-/VR-Auswahl hinweisen, ohne damit seine Sachwalterposition einzubüßen. Wieso dies einem Versicherungsberater nicht möglich sein soll, ist nicht nachzuvollziehen und führt zu der Frage der Vereinbarkeit mit Artt. 3, 12, 2 GG und der europäischen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV), letzteres insbesondere für einen Versicherungsberater, der mit dem europäischen Pass, z.B. von den Niederlanden oder von Polen aus, in Deutschland berät. Zum anderen kann der Kunde gegenüber einem Versicherungsberater auf die Bera- 157 tung und Dokumentation nach § 61 Abs. 1 nicht verzichten. Auch dies begründet der Gesetzgeber mit dem besonderen Berufsbild des Versicherungsberaters.305 Diese Einschränkung ist überzeugend, bewirkt in der Vertragspraxis aber nichts, denn ein Versicherungsberater, der mit dem Kunden einen Beratungsverzicht vereinbaren würde, ver303
In Anlehnung an Beenken/Sandkühler S. 28 Ziff. 2.1.3.
304 305
BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26.
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zichtet damit zugleich auf den Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 BGB), den er mit dem Kunden gerade anstrebt. Damit würde zugleich die seinen Honoraranspruch tragende Anspruchsgrundlage wegfallen. Ansonsten gelten für den Versicherungsberater die Regelungen zu Zeitpunkt und 158 Form der Information (§ 62), zur Schadensersatzpflicht (§ 63), zur Zahlungssicherung (§ 64), zu den Großrisiken (§ 65) und zu abweichenden Vereinbarungen (§ 67) entsprechend. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass die entsprechende Anwendung der Beratungs- und Dokumentationspflichten (§ 61 Abs. 1) für den Versicherungsberater unangemessen sei, weil er weitergehende Pflichten habe als ein Versicherungsmakler oder ein Versicherungsvertreter.306 Dieser Einwand ist schwer verständlich, denn die Beratung entspricht dem Berufsbild des Versicherungsberaters – wenn er mit dem Kunden einen entsprechenden Versicherungsberatungsvertrag (§ 675 BGB) schließt, so besteht nunmehr i.R. dieses Vertrages Anlass für die Beratung i.S.d. § 61 Abs. 1. Richtig ist, dass es aus der Perspektive eines Versicherungsberaters nicht sehr naheliegend ist, ein angemessenes Verhältnis zwischen Beratungsaufwand und zu zahlender Prämie herzustellen. Insoweit stellt § 68 allerdings klar, dass weitergehende Pflichten des Versicherungsberaters aus dem Auftragsverhältnis unberührt bleiben. Hinzu kommt, dass die Regelungen, auf die § 68 verweist, auf den Versicherungsberater entsprechend anzuwenden sind. Entsprechend bedeutet unter Berücksichtigung des Berufsbildes des Versicherungsberaters und seiner daraus resultierenden Rechte und Pflichten gegenüber dem Kunden. Insoweit spielt das Verhältnis zwischen Beratungsaufwand und Prämie keine relevante Rolle.
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d) Vereinbarung, Änderung, Prüfung von VV. Der Versicherungsberater darf Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von VV beraten. Der Terminus „bei der Vereinbarung“ umfasst nicht nur die Beratung „zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft (§ 311 Abs. 1 BGB – früher cic), sondern auch die Frage, ob es überhaupt zweckmäßig und vernünftig ist, ein definiertes wirtschaftliches Risiko mit Hilfe eines VV abzudecken. Verneint der Versicherungsberater diese Frage und empfiehlt dem Kunden, keinen VV abzuschließen, so ist ein solcher Rat von seinem Berufsbild und damit von § 59 Abs. 4 umfasst – auch für einen solchen Rat schuldet der Kunde das vereinbarte Honorar. Ob der Versicherungsberater dem Kunden nunmehr raten darf, das definierte wirtschaftliche Risiko mit Hilfe anderer am Markt vorhandener Produkte abzudecken, hängt davon ab, ob eine solche Beratung als Nebenleistung von § 5 RDG erfasst ist oder womöglich einer eigenständigen gewerberechtlichen Erlaubnis bedarf. Ein Versicherungsberater, der nicht über die gewerberechtliche Erlaubnis des § 34c GewO verfügt, darf folglich dem Kunden nicht empfehlen, anstelle eines VV besser Kaufverträge über Investmentanteile oder geschlossene/offene Immobilienfonds einzugehen. Erst recht erstreckt sich die Tätigkeitserlaubnis eines Versicherungsberaters nicht auf die Beratung über Finanzprodukte nach dem WpHG/KWG, etwa über Aktien, Zertifikate, Derivate oder Edelmetalle. Insoweit bedarf er einer Erlaubnis nach § 32 KWG, es sei denn, er ist an ein Haftungsdach angeschlossen (§ 2 Abs. 10 KWG).307 Empfiehlt der Versicherungsberater unter Berücksichtigung der Beratungs- und Doku160 mentationspflichten (§ 61 Abs. 1) dem Dritten den Abschluss eines VV bei einem bestimmten VR, so darf der Versicherungsberater als Bote des Kunden dem VR den Antrag übermitteln.308 Damit wird der Versicherungsberater nicht zum Versicherungsvermittler, 306 307
Reiff VersR 2007 717 E.II.2.b. Hierzu im Einzelnen Schwintowski MiFID, 118 ff.
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Ähnlich für den Versicherungsvertreter OLG Hamm 25.1.2008 VersR 2008 908.
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weil er den Antrag nur übermittelt, aber nicht vermittelt. Der VR schuldet dem Versicherungsberater keine Provision. Da der Kunde umgekehrt dem Versicherungsberater Honorar schuldet, liegt es nahe, dass der Versicherungsberater dem Kunden einen Nettotarif empfiehlt. Wenn er dies nicht tut, wenn der Kunde beim VR also genau die Prämie bezahlen muss, die er auch bei Vermittlung durch einen Versicherungsmakler entrichten müsste, so muss der Versicherungsberater begründen, warum er eine solche Bruttopolice empfiehlt, obwohl der Kunde wegen des dem Versicherungsberater geschuldeten Honorars letztlich mehr bezahlt, als bei Vermittlung durch einen Versicherungsvertreter oder durch einen Versicherungsmakler. Verletzt der Versicherungsberater diese Hinweisund Aufklärungspflicht, die als Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) aus dem Versicherungsberatungsvertrag (§ 675 BGB) folgt, so kann dies zu einem Schadensersatzanspruch des Kunden gegen den Versicherungsberater (§ 63) führen. Der Versicherungsberater darf ferner bei der Änderung oder Prüfung von Versiche- 161 rungsverträgen beraten. Prüft der Versicherungsberater einen bestehenden Vertrag, so kann dies in der Empfehlung, diesen Vertrag zu ändern, münden. Prüfung und Änderung sind somit zwei eng miteinander verwobene und aufeinander bezogene Begriffe. Der Versicherungsberater darf VV prüfen, auf andere Verträge bezieht sich seine Erlaubnis nicht. Bittet der Kunde den Versicherungsberater darum, sein gesamtes Finanzportofolio zu prüfen, so muss der Versicherungsberater dies zurückweisen – seine Erlaubnis umfasst eine solche weitgehende Beratung nicht. Dazu würde er neben der Erlaubnis nach § 34e GewO der zusätzlichen Erlaubnis nach § 32 KWG bedürfen. Aus diesem Grunde ist der Versicherungsberater auch verpflichtet, den Kunden darauf hinzuweisen, dass er ihm kein „financial planning“ – also eine umfassende Finanzplanung unter Einbeziehung aller am Markt erhältlichen Produkte – bieten kann. Das Tätigkeitsfeld des Versicherungsberaters ist auf VV beschränkt. Diese Beschränkung wirkt sich bei bestimmten wirtschaftlichen Risiken kaum aus, wenn es etwa um die Absicherung eines Haftpflichtrisikos oder eines Hausrat- oder Gebäuderisikos geht. Für die Absicherung solcher Risiken stehen nur Versicherungsprodukte zur Verfügung. Bei der Absicherung und vorausschauenden Finanzplanung für die Altersvorsorge ist dies aber anders. Hier konkurrieren Finanzprodukte mit Versicherungsprodukten – etwa der fondsbasierte Banksparplan mit der Fonds-LV. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, eine Risiko-LV mit einem Banksparplan oder eine Risiko-LV mit einem Bankportofolio zu verbinden. Der Versicherungsberater muss darauf hinweisen, dass er eine solche umfassende Beratung nicht bieten kann, es sei denn, er verfügt nicht nur über die Erlaubnis nach § 34e GewO, sondern auch über diejenige nach § 32 KWG oder er ist einem Haftungsdach (§ 2 Abs. 10 KWG) angeschlossen.309 Wenn der Versicherungsberater eine Änderung eines bestehenden VV empfiehlt, so 162 sind die Sachgründe nach § 61 Abs. 1 zu dokumentieren. Diese die Empfehlung tragenden Gründe müssen letztlich die Sinnhaftigkeit der Änderung eines bestehenden Vertrages widerspiegeln. Dazu gehört zum einen das Ergebnis der Risikoanalyse und zum anderen ein Preis-Leistungsvergleich, der auch etwaige Kosten der angestrebten Änderung berücksichtigt. Empfiehlt der Versicherungsberater beispielsweise eine bestehende kapitalbildende LV bei VR A aufzugeben und stattdessen einen vergleichbaren Vertrag bei VR B zu schließen, so sind die Kosten der Aufhebung bei VR A ebenso zu benennen und zu dokumentieren wie die Einstiegskosten bei VR B. In einer Gesamtrechnung müsste dann gezeigt werden, dass sich der Umstieg trotz der Wechselkosten lohnt. Dabei muss 309
Vertiefend Schwintowski MiFID, 118 ff., 127 ff. (zum Haftungsdach).
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möglicherweise zwischen einer kurzfristigen, einer mittelfristigen und einer langfristigen Betrachtungsweise differenziert werden. Verletzt der Versicherungsberater diese Pflichten, so kann er sich schadensersatzpflichtig (§ 63) machen.
163
e) Wahrnehmung von Ansprüchen im Versicherungsfall. Der Versicherungsberater darf den Dritten nach § 59 Abs. 4 auch bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus VV im Versicherungsfall beraten. Mit dieser Befugnis beginnen sich die Tätigkeitsfelder des Versicherungsberaters mit denen des Rechtsanwalts zu überschneiden. Der Rechtsanwalt ist typischerweise nicht bei der Vereinbarung, der Änderung oder Prüfung von VV tätig, weil diese Tätigkeit spezifische versicherungstechnische Kenntnisse, sowie einen vollständigen Überblick über die Versicherungsprodukte und über die am Markt tätigen VR voraussetzt. Kenntnisse dieser Art hat der typische Rechtsanwalt nicht – oft auch nicht der Fachanwalt für Versicherungsrecht. Demgegenüber sind Rechtsanwälte bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus VV im Versicherungsfall durchaus häufig tätig – insoweit bestehen also Überschneidungen zum Berufsbild des Versicherungsberaters. Allerdings darf der Versicherungsberater nur außergerichtlich tätig werden (§ 59 Abs. 4). Übernimmt der Versicherungsberater die Beratung im Versicherungsfall, so gehört es 164 zu seinen Pflichten, den Dritten darauf hinzuweisen, dass er ihn nur außergerichtlich, nicht aber gerichtlich vertreten darf. Für den Dritten wirft dies die Frage auf, ob es vernünftig und zweckmäßig ist, sich zunächst von einem Versicherungsberater vertreten zu lassen und dann (vor Gericht) von einem mit dem Fall nicht vertrauten Rechtsanwalt. Eine generelle Aussage darüber, ob es sinnvoll ist, eine Beratung „aus einer Hand“ anzustreben, oder ob es vernünftiger ist, die außergerichtliche Beratung in die Hände des Versicherungsberaters zu legen, ist nicht möglich. Für die Beratung durch einen Versicherungsberater spricht, dass dieser mit den Versicherungsprodukten, den VU und i.d.R. auch mit der Schadensregulierungspraxis der einzelnen Unternehmen häufig sehr gut vertraut ist. Dies kann aber auch bei einem Anwalt, der beispielsweise im Versicherungsrecht spezialisiert ist, der Fall sein. Für den Versicherungsberater sprechen Kostenvorteile – die Stundensätze der Versicherungsberater sind i.d.R. niedriger als diejenigen eines Rechtsanwaltes. Aber auch hier sollte der Dritte vor Mandatierung recherchieren. Zeichnet sich von Anfang an erheblicher rechtlicher Streit zwischen VN und VR ab, so dürfte die Mandatierung eines Rechtsanwaltes näher liegen als das Zwischenschalten eines Versicherungsberaters. Im Einzelfall kann das Zusammenwirken zwischen einem Versicherungsberater und einem Rechtsanwalt sinnvoll sein, etwa dann, wenn der Versicherungsberater mit dem Schadensregulierer des VR gute persönliche Erfahrungen gemacht hat und wenn er gleichzeitig mit dem Rechtsanwalt eng zusammenarbeitet, ihm beispielsweise sein Wissen bei der möglicherweise doch notwendig werdenden gerichtlichen Verfolgung uneingeschränkt weitergibt und umgekehrt der Rechtsanwalt den Versicherungsberater bei schwierigen Fällen typischerweise hinzuzieht und ihn damit zugleich auch rechtlich fortbildet. Dabei können die nach dem RVG zulässigen Honorarvereinbarungen mit Rechtsanwälten die (außergerichtliche) Tätigkeit des Versicherungsberaters berücksichtigen. Der Versicherungsberater darf bei Ansprüchen aus VV im Versicherungsfall beraten. 165 Voraussetzung ist also, dass der Dritte einen VV unterhält, dass ein Versicherungsfall eingetreten ist und der Dritte einen Anspruch aus dem VV gegen den VR geltend macht. Die Wahrnehmung von Ansprüchen aus VV im Versicherungsfall umfasst auch die Frage, ob überhaupt ein Versicherungsfall eingetreten ist. So kann es bei einem Hausratschaden streitig sein, ob ein Sturmschaden vorliegt oder die für diesen notwendige Sturmstärke (typischerweise 8 Beaufort) nicht erreicht wurde. In einem solchen Fall kann der Versicherungsberater für den VN tätig werden und mit dem VR klären, wo die Grenzen
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zwischen einem versicherten und einem nicht versicherten Sturmschaden liegen. Der Versicherungsberater kann auch versuchen, für seinen Kunden eine Regelung auf der Basis von Kulanz herbeizuführen – auch eine solche Regelung ist durch einen (in den Einzelheiten meist streitigen) Versicherungsfall ausgelöst. Hat der Dritte mit dem VR, den er in Anspruch nehmen will, keinen VV, will er bei- 166 spielsweise aus einem Kfz-Haftpflichtschaden seine deliktischen Schadensersatzansprüche im Wege der action direct gegen den VR verfolgen, so darf der Versicherungsberater nicht tätig werden. Dieser Anspruch des Dritten entsteht nicht aus dem VV, sondern aus dem deliktische Schadensersatzansprüche auslösenden Unfall. Diese Ansprüche wären auch dann gegeben, wenn der in Anspruch genommene Schädiger über keinen VV oder über einen „kranken“ VV verfügen würde, wenn er beispielsweise seine Folgeprämie nicht gezahlt und der VR den VV gekündigt hätte. f) Vertretung gegenüber dem VR. Schließlich darf der Versicherungsberater den Kun- 167 den gegenüber dem VR außergerichtlich vertreten. Diese Vertretungsbefugnis setzt einen VV zwischen dem Kunden und einem VR voraus. Nimmt dagegen ein Dritter den Kunden auf Schadensersatz in Anspruch oder will umgekehrt der Kunde seinerseits einen Dritten auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, so geht es um die Durchsetzung von Ansprüchen aus schädigenden Ereignissen, aber nicht aus VV. Die Vertretungsbefugnis des § 59 Abs. 4 umfasst diese umfassende Vertretung für Schadensfälle im Allgemeinen nicht.310 Eine solche über die dem Versicherungsberater zugewiesene Vertretung hinausgehende Tätigkeit ist auch keine Nebenleistung, die man unter § 5 Abs. 1 RDG subsumieren könnte, denn die Vertretung im Schadensfall, die vom Tätigkeitsbild des Versicherungsberaters nicht erfasst ist, ist Hauptleistung.311 In der Literatur wird die Frage gestellt, ob die Vertretungsbefugnis des Versicherungs- 168 beraters gegenüber dem VR auf den Versicherungsfall beschränkt ist.312 Die Unsicherheit beruht auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers. In § 34e GewO heißt es: „Die Erlaubnis beinhaltet die Befugnis, Dritte … bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus dem VV im Versicherungsfall rechtlich zu beraten und gegenüber dem VU außergerichtlich zu vertreten. Dieser Wortlaut spricht dafür, dass der Versicherungsberater zur Vertretung gegenüber dem VU nur im Versicherungsfall berechtigt ist. Demgegenüber hat der Gesetzgeber in § 59 Abs. 4 das Wort „und“ gegen das Wort „oder“ ersetzt. Auf diese Weise wird klar, dass der Versicherungsberater den Dritten nicht nur im Versicherungsfall gegenüber dem VR, sondern auch bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von VV vertreten darf. Der Wortlaut von § 59 Abs. 4 ist derjenige, der das Tätigkeitsbild des Versicherungsberaters zutreffend erfasst. Zum einen entspricht dies der früheren gesetzlichen Regelung in Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 2 RBerG. Mit der Neuregelung des Versicherungsberaters in der GewO und dem VVG wurde keine inhaltliche Neuausrichtung oder womöglich eine Beschränkung des Tätigkeitsfeldes des Versicherungsberaters angestrebt.313 Darüber hinaus ergibt sich die Vertretungsbefugnis des Versicherungsberaters bei der 169 Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von VV schon aus der Natur der Sache. Die Beratung, die auf der besonderen Kenntnis der Versicherungsprodukte und der sie anbie310 311 312
Vgl. hierzu BTDrucks. 11/5264, S. 35. Kilian/Sabel/vom Stein 80 § 2 Rn. 187. Durstin/Peters VersR 2007 1456 IV; Harstoff VersR 2008 47 I; Kilian/Sabel/ vom Stein 77 § 2 Rn. 186.
313
BTDrucks. 16/1935, S. 21; zustimmend Kilian/Sabel/vom Stein 77 § 2 Rn. 186; Harstorff VersR 2008 47 I.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
tenden VR beruht, umfasst die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer Vertretung des Kunden gegenüber dem VR, ohne dass der Versicherungsberater dadurch zum Versicherungsvermittler wird. Dies bedeutet, dass die Vertretungsbefugnis gegenüber VR auch bei Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von VV besteht – insoweit ist die in § 59 Abs. 4 ausdrücklich geregelte Vertretungsbefugnis gegenüber dem VR für diese Fälle rein deklaratorischer Natur.
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g) Provisionsannahmeverbot. Versicherungsberater ist nur derjenige, der von einem VR keinen wirtschaftlichen Vorteil erhält oder in anderer Weise von ihm abhängig ist. Mit diesem Provisionsannahmeverbot ist der entscheidende Unterschied zum Versicherungsvermittler formuliert.314 Damit sich der Kunde auf die Neutralität des Versicherungsberaters verlassen kann, bietet Abs. 3 eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Rechtsverordnung, in der Aufzeichnungspflichten sowie die Überwachung des Provisionsannahmeverbotes durch entsprechende Prüfungen auf Kosten des Versicherungsberaters geregelt werden können.315 Eine solche RVO gibt es derzeit noch nicht.316 Das Gesetz spricht davon, dass der Versicherungsberater von einem VR keinen „wirt171 schaftlichen Vorteil“ erhalten darf. Wirtschaftlicher Vorteil ist typischerweise eine Provision/Courtage. Erfasst sind aber auch wirtschaftliche Vorteile anderer Art, etwa die Gewährung von Sachleistungen (z.B. Kfz-/Büroausstattung/Werbematerialien) oder die Übernahme von Verbindlichkeiten (z.B. Zahlung der Leasingraten für das Kfz oder Übernahme der Miete für die Büroräume). Letztlich sind alle geldwerten Vorteile, die durch den Abschluss oder die Änderung eines VV entstehen können, von § 59 Abs. 4 umfasst – dazu gehören z.B. auch Treueprämien der VR an Versicherungsberater oder die Auslobung eines Karibikurlaubs für den erfolgreichsten Versicherungsberater als auch die Übernahme von Flugkosten für Meetings zwischen VR und Versicherungsberatern. Nicht erfasst sind dagegen Vortragshonorare, die ein VR i.R. von Fachseminaren an Versicherungsberater zahlt oder Honorare für Schulungsmaßnahmen, die ein Versicherungsberater beispielsweise gegenüber Versicherungsvertretern eines oder mehrerer VR durchführt. Entscheidend ist immer, dass der wirtschaftliche Vorteil in einem engen Zusammenhang zu einem oder mehreren VV steht, die durch die Beratung des Versicherungsberaters zustande gekommen sind, so dass der Eindruck entsteht, der Versicherungsberater sei in Wirklichkeit Versicherungsvermittler. Entwickelt der Versicherungsberater demgegenüber Produkte für einen VR oder überprüft er deren Transparenz oder Leistungsstärke, entwickelt der Versicherungsberater Vertriebs- und Marketingstrategien, nimmt er Tarifkalkulationen für diesen vor oder erhebt er empirische Daten (z.B. aus Schadensfällen) für diesen, um zu tragfähigen Statistiken zu kommen, so handelt es sich um Tätigkeiten, die außerhalb des Beratungsvertrages des Versicherungsberaters mit einem Kunden stehen und folglich nicht unter das Provisionsannahmeverbot des § 59 Abs. 4 fallen.
V. Honorarberatung durch Versicherungsvermittler 172
Auch die Tätigkeit des Versicherungsvertreters und des Versicherungsmaklers umfassen die Beratung in Versicherungssachen. Insoweit sind Überschneidungen zum Tätigkeitsfeld des Versicherungsberaters nahe liegend. Honorarberatung durch Versicherungsvermittler ist zulässig und möglich, wenn und soweit die Beratung keine Rechtsdienst314 315
BTDrucks. 16/1935, S. 21. BTDrucks. 16/1935, S. 21.
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Stand August 2008.
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Begriffsbestimmungen
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leistung ist (§ 2 Abs. 1 RDG) oder es sich um eine Rechtsdienstleistung nach § 5 RDG handelt oder wenn ein Versicherungsmakler Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von VV gegen gesondertes Entgelt berät (§ 34d Abs. 1 GewO).317 Die Befugnis zur Beratung erstreckt sich seit dem 1.1.2009 auch auf Beschäftigte von Unternehmen, in den Fällen, in denen der Versicherungsmakler das Unternehmen berät.318 Dem Versicherungsmakler soll mit der Erlaubnis künftig zugleich die Befugnis eingeräumt werden, im Unternehmensbereich gegen gesondertes Honorar Beratungen über VV durchzuführen, auch wenn diese rechtlich geprägt sind und mit einer konkreten Vermittlungstätigkeit nicht im Zusammenhang stehen.319 Die Rechtsberatungsbefugnis der Versicherungsmakler ist dabei gegenüber dem Beratungsumfang der Versicherungsberater eingeschränkt. Die Vertretung von VN und die Geltendmachung von Ansprüchen im Schadensfall ist ihnen, wie bisher, nur als Annextätigkeit erlaubt, wenn sie im Zusammenhang mit einer makelnden Tätigkeit erfolgt.320 Durch diese Neuregelung hat der Gesetzgeber zunächst einmal klargestellt, dass ein 173 Versicherungsmakler im Unternehmensbereich „zugleich die Befugnis“ hat, gegen gesondertes Honorar Beratungen über VV durchzuführen. Der Courtageanspruch auf der einen Seite und der Honoraranspruch auf der anderen Seite schließen sich somit nicht gegenseitig aus.321 Die in der Literatur geäußerte Meinung, durch die Neuregelung in § 34d Abs. 1 S. 4 GewO sei zwar die Beratung gegen gesondertes Honorar gestattet, in derselben Angelegenheit müssten jedoch „der Abschluss selbst und die Vertragsbetreuung … ohne ihn erfolgen“322, sind weder mit dem Wortlaut des Gesetzes noch mit seinem Sinn und Zweck zu vereinbaren.323 Im Zusammenhang mit einer makelnden Tätigkeit ist dem Makler – wie bisher – die Vertretung von VN und die Geltendmachung von Ansprüchen im Schadensfall als Annextätigkeit erlaubt.324 Für diese Annextätigkeit kann der Makler mit dem Kunden eine Honorarvereinbarung treffen. Vereinbart der Makler mit dem Dritten, der nicht Verbraucher ist, für die Vereinba- 174 rung, Änderung oder Prüfung eines VV ein gesondertes Entgelt, so ist er – entsprechend der Rechtsprechung des BGH zu den Kick-Backs und Innenprovisionen bei Banken325 – verpflichtet, die ihm vom VR zufließende Courtage offenzulegen. Dies ergibt sich parallel aus dem Transparenzgebot des § 307 BGB i.V.m. § 667 BGB. Legt der Makler offen, dass ihm neben dem mit seinem Kunden vereinbarten Honorar eine Courtage in bestimmter Höhe durch den VR zufließt, so ist dies zulässig und wirksam. Verschleiert der Makler dagegen die Courtage oder einen Teil davon, so ist er, analog zur Kick-BackRechtsprechung des BGH326 verpflichtet, diesen Teil der ihm verdeckt zufließenden Courtage an den Kunden herauszugeben. Entscheidend geht es darum, dass der Kunde weiß, was ihn die Maklerdienstleistung kostet. Wenn er die Kosten der Dienstleistung kennt, kann er eine informierte Entscheidung treffen. Weiß der Kunde, dass der Makler vom VR eine Courtage in bestimmter Höhe bekommt, so kann er Parallelangebote ein-
317 318
319 320 321
Lensing ZfV 2009 16, 20 ff. 3. Mittelstandsentlastungsgesetz vom 17.2.2009, BGBl. 2009 I Nr. 15 vom 14.3.2009, S. 550, Art. 9 Ziff. 5a. BTDrucks. 16/1935, S. 18. BTDrucks. 16/1935, S. 18. Zur früheren Rechtslage nach dem RBerG Karle VersR 2000 425 ff.; Baumann in: Looschelders/Pohlmann, VVG-Kom., § 59 Rn. 22.
322 323
324 325 326
Harstorff VersR 2008 47, 50. So auch Zinnert VersR 2008 313 ff.; Durstin/Peters VersR 2007 1456 IV; Lensing ZfV 2009 16, 20 ff.; Ruttloff GewA 2009, 59 m.w.N.; Schönleiter in: Landmann/Rohmer (2010) § 34d Rn. 60. BTDrucks. 16/1935, S. 18. BGH 19.12.2006 NJW 2007 1876. BGH 19.12.2006 NJW 2007 1876.
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399
§ 59
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
ziehen und klären, welchen Wert die vergleichbare Dienstleistung bei anderen Maklern hat. Zugleich erfährt der Kunde, wie hoch die Anreizwirkung für die Makler bei dem Versicherungsprodukt ist, um das es dem Kunden geht. Der Kunde, dem Honorarberatung zuzüglich Courtage zu viel sind, kann stattdessen versuchen, direkt Verträge mit VR ohne die Zwischenschaltung von Versicherungsvertretern zu schließen oder einen Versicherungsvertreter ohne zusätzlichen Honoraranspruch zwischenzuschalten oder einen Makler zu konsultieren, der auf die Courtage oder das Beratungshonorar verzichtet. Der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Vertriebsintermediären wird letztlich darüber entscheiden, welcher Vermittlertypus im Ergebnis der erfolgreichste sein wird. Herrscht über die Kosten für die Beratungs- oder Vermittlungsleistung völlige Transparenz, so ist die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs zugleich gewährleistet – eine darüber hinausgehende Regulierung (etwa ein Courtageverbot bei gleichzeitiger Honorarberatung) würde weder mit der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit (Art. 12 GG) noch mit der europäischen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) in Einklang zu bringen sein. Ganz grundsätzlich ist nach § 2 Abs. 1 RDG die Frage zu stellen, ob die Beratung in 175 Versicherungsangelegenheiten heute überhaupt noch unter den Begriff Rechtsdienstleistung subsumiert werden kann.327 Nach § 2 Abs. 1 RDG ist Rechtsdienstleistung „jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert“. Daraus folgt zunächst einmal, dass die auf Abschluss und Vermittlung gerichtete Tätigkeit des Versicherungsvermittlers keine Rechtsdienstleistung ist, weil es bei der Beschaffung von Versicherungsschutz und der Erarbeitung von Deckungskonzepten nicht um eine rechtliche Prüfung eines Einzelfalles geht, sondern um die Analyse eines wirtschaftlichen Risikos und die Zuordnung eines adäquaten Versicherungsschutzes. Fraglich kann nur sein, ob die Beratung i.S.d. § 61 VVG eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG ist. Dabei ist der praxisrelevante Unterschied der Neuregelung im RDG im Vergleich zum RBerG zu beachten, wonach bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes „nicht mehr bei jeder schlichten Rechtsberatung“ der Erlaubnisvorbehalt ausgelöst wird.328 Zweifel daran, dass die Beratung über den Abschluss eines VV nach § 61 VVG eine Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG ist, liegen auf der Hand, denn bei der Beratung über den Abschluss eines VV geht es in aller Regel nicht um eine rechtliche Prüfung eines Einzelfalls. Es geht im Normalfall überhaupt nicht um die rechtliche Prüfung von Fällen, schon 176 gar nicht von konkreten Einzelfällen, sondern es geht um die Erfassung und Analysierung wirtschaftlicher Risiken sowie die Zuordnung eines adäquaten Versicherungsschutzes. Bei dieser Beratung über die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden stehen die faktischen Verhältnisse, die die wirtschaftlichen Risiken für den VN darstellen, im Vordergrund. Erst in zweiter Linie geht es um die Begrenzung des Versicherungsschutzes etwa durch Risikoausschlüsse und Obliegenheiten. Aber auch bei diesen Fragen geht es nicht um die rechtliche Prüfung eines Einzelfalles – der Versicherungsfall ist ja noch nicht eingetreten – sondern es geht um die Einschätzung von Risiken und die Frage, ob ein VN Versicherungsprodukte mit bestimmten risikobegrenzenden Klauseln und bestimmten Verhaltenspflichten im Vorfeld zukünftiger Versicherungsfälle akzeptieren will oder nicht. Man versetzt sich sozusagen „spielerisch“ in zukünftige Lebenssituationen und fragt sich, wie häufig diese Situationen auftreten können und welche wirtschaftlichen Folgen es haben könnte, wenn für den einen oder anderen Fall kein Versicherungsschutz besteht. 327
Die a.A. von Baumann in Looschelders/ Pohlmann, VVG-Kom., § 59 Rn. 24 enthält keine Argumente.
400
328
Kleine-Cosack RDG-Komm2 § 2 Rn. 4.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
Dies ist keine Rechtsfrage, sondern eine empirisch-ökonomische Frage. Das Gleiche gilt aus der Perspektive der Verhaltenspflichten (Obliegenheiten). Auch hier lösen Vermittler und Kunde keine konkreten Rechtsfragen im Einzelfall, sondern sie beschränken sich darauf zu überlegen, ob das Anforderungsprofil bestimmter Obliegenheiten vom VN sinnvoll erfüllt werden kann, oder ob es möglicherweise besser wäre, bei einem VR abzuschließen, dessen Anforderungen an das Verhalten des VN in der Zukunft geringer sind. Fragen dieser Art können sich beispielsweise stellen, wenn es darum geht, ob man die grob fahrlässige Verletzung einer Obliegenheit mitversichern will oder nicht. Mit der rechtlichen Prüfung eines Einzelfalles hat dies alles nichts zu tun, sondern ausschließlich mit der Bewertung rechtlicher Risikolagen, die aber nicht notwendigerweise in Zukunft ausgelöst werden, sondern die diskutiert werden, um zu vermeiden, dass sie in Zukunft eintreten. Dies bedeutet, dass der Begriff der Rechtsdienstleistung auf die beratende Tätigkeit weder der Versicherungsvermittler noch der Versicherungsberater passt. Insoweit ist noch nicht einmal eine verfassungs- und europarechtliche Reduktion des Begriffs der erlaubnispflichtigen Rechtsdienstleistung erforderlich, wie sie in der Rechtsprechung des BGH vorgenommen wurde.329 Allerdings ist die restriktive Auslegung in jedem Falle geboten, weil der Verbotsbe- 177 reich des RDG schon aus europa- und verfassungsrechtlichen Gründen auf die Fälle echter Rechtsanwendung beschränkt sein muss.330 Hinzu kommt, dass schon nach der bisherigen Rechtsprechung anerkannt war, dass es sich um eine „umfassende und vollwertige“ Beratung des Rechtssuchenden auf mindestens einem Teilgebiet des Rechts handeln muss.331 Davon kann bei der Beratung des Kunden nach § 61 VVG schon deshalb keine Rede sein, weil § 61 VVG keine „umfassende und vollwertige“ Rechtsberatung des Kunden verlangt, sondern eine Empfehlung des Beraters ausgehend von den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden nach Versicherungsschutz. Im Zentrum – auch der Beratung – steht also die Risikoanalyse, die Beratung über mögliche in Betracht kommende Produkte, die finanzielle Tragbarkeit für den Kunden und das Verständnis über unversichert bleibende Restrisiken beim VN: Kern der Beratung ist es, mit dem Kunden über alternative Produkte zu sprechen, dasjenige herauszufinden, das am besten zu ihm passt und dabei den Preis für die Versicherung und den Preis für die Vermittlungsdienstleistung/die Beratung offenzulegen. Mit einer „umfassenden und vollwertigen Rechtsberatung“ hat das alles nichts zu tun, sodass im Ergebnis festgehalten werden kann, dass jedenfalls die Beratungstätigkeit nach § 61 VVG keine Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 2 RDG ist. Etwas anders gilt dann, wenn es um die Wahrnehmung von Ansprüchen aus VV im 178 Versicherungsfall geht – in diesen Fällen steht die Rechtsberatung im Vordergrund. Aus alledem folgt, dass die Honorarberatung durch den Versicherungsvermittler/Versicherungsberater nicht (mehr) unter das Rechtsdienstleistungsgesetz fällt und folglich in den Grenzen der §§ 34d/e GewO frei ist. Der Hinweis in § 34d Abs. 1 S. 4 GewO, wonach Makler berechtigt sind, Honorarvereinbarungen gegenüber gewerblichen Kunden abzuschließen, erweist sich aus dieser Perspektive als klarstellend (deklaratorisch). Dies wird durch die Begründung zum 3. Mittelstandsentlastungsgesetz vom 17. März 2009 bestätigt.332 Danach beinhaltet § 34d Abs. 1 S. 4 GewO die Befugnis zu einer Beratung im gewerblichen Bereich. Die Praxis hat, so die Begründung weiter, gezeigt, dass Makler bei 329 330 331
BGH NJW 2005 969. Vertiefend Kleine-Cosack RDG-Komm2 § 2 Rn. 6. BVerfG vom 29.10.1987 NJW 1998 3481; BVerfG vom 20.2.2002 NJW 2002 1190,
332
1191; BVerwG vom 27.10.2004 NJW 2005 1293; BGH vom 11.11.2004 NJW 2005 969; sowie BGH vom 24.2.2005 NJW 2005 2458. BTDrucks. 16/10490, S. 19.
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401
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
Unternehmen, die im Hinblick auf den Abschluss von Gruppenversicherungsverträgen oder einer betrieblichen Altersversicherung beraten, oftmals auch in die (Einzel-)Beratung von Beschäftigten einbezogen werden sollten, da sich im Einzelfall noch weitergehende Fragen stellen. Das Unternehmen als Arbeitgeber erfülle damit auch den arbeitsrechtlichen Fürsorgeanspruch gegenüber seinen Beschäftigten. Die Erstreckung der Befugnis zur Beratung auf die Beschäftigten des Unternehmens solle diesem Erfordernis der Praxis Rechnung tragen.333 Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Beratung von Versicherten außerhalb des gewerblichen Bereiches zulässig ist. Dies ergibt sich letztlich aus der Beratungsverpflichtung des Maklers, die er gesetzlich aus § 61 VVG schuldet. Darauf hat auch die VVG-Reformkommission im Abschlussbericht ausdrücklich hingewiesen.334 Sachgründe, die es nahe legen würden, zwischen der Einzelberatung von Beschäftigten in Unternehmen und einer daneben stehenden Einzelberatung von Privatpersonen zu differenzieren, sind mit Blick auf die gesetzlich vorgeschriebene Beratungs- und Dokumentationspflicht nicht erkennbar. Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber im 3. Mittelstandsentlastungsgesetz vom 17.3.2009 Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen wollte, um den Maklern im Rahmen von Gruppenversicherungsverträgen und bei Bereitstellung von bAV-Konzepten die Gewähr zu bieten, dass sie gewerberechtlich auf sicherem Boden sind. Versicherungsvertragsrechtlich handelt es sich bei der Klarstellung in § 34d Abs. 1 S. 4 GewO um die Bestätigung, wonach im Rahmen einer Versicherungsberatung Honorarvereinbarungen zulässig sind. Hierneben ist es gegenüber jedermann erlaubt, Rechtsdienstleistungen im Zusammen179 hang mit einer anderen Tätigkeit zu erbringen, wenn die Rechtsdienstleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehört (§ 5 Abs. 1 RDG). Dies bedeutet, dass sowohl Versicherungsvertreter als auch Versicherungsmakler Rechtsdienstleistungen als Nebenleistung nach § 5 RDG erbringen und dafür Honorar vereinbaren können, wenn diese Dienstleistungen überhaupt von § 2 Abs. 1 RDG erfasst sein sollten. Als erlaubte Nebenleistungen gelten Rechtsdienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer Testamentsvollstreckung, einer Haus- und Wohnungsverwaltung sowie einer Fördermittelberatung erbracht werden (§ 5 Abs. 2 RDG). Dieser Katalog ist nicht abschließend, sondern soll nur einzelne, für die Praxis bedeutsame Fälle insgesamt dem Streit darüber entziehen, ob die Rechtsdienstleistung lediglich Nebenleistung ist.335 Dies wird für die eben genannten Tätigkeiten unwiderleglich vermutet, sodass diese stets erlaubt sind, auch wenn der rechtsdienstleistende Teil im Einzelfall ein solches Gewicht erlangt, dass er nicht mehr als bloße Nebenleistung anzusehen wäre.336 Alle anderen Tätigkeiten – so auch die Versicherungsvermittlung – fallen, sofern sie 180 von § 2 Abs. 1 RDG erfasst sind, unter § 5 Abs. 1 RDG. Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Versicherungsvermittlung, wie etwa die Beratung des Kleinkunden gegen Honorar, sind somit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Eine Nebenleistung liegt nur vor, wenn die allgemein rechtsberatende oder rechtsbe181 sorgende Tätigkeit die Leistung insgesamt nicht prägt, wenn es sich also insgesamt nicht um eine spezifisch (allgemein-)rechtliche Leistung handelt.337 Abzustellen ist dabei darauf, ob eine Dienstleistung als überwiegend rechtlich oder als wirtschaftlich – bzw. etwa in den Fällen, in denen Steuerberater tätig werden, als spezifisch steuerrechtlich – geprägt anzusehen ist.338 333 334 335
BTDrucks. 16/10490, S. 20. Abschlussbericht S. 63. BTDrucks. 16/3655, S. 54.
402
336 337 338
BTDrucks. 16/3655, S. 54. BTDrucks. 16/3655, S. 52. BTDrucks. 16/3655, S. 52.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
Dabei soll die Neufassung der Vorschrift den verfassungsrechtlichen Vorgaben ent- 182 sprechend 339, den Weg für eine neue, weitere Auslegung der zulässigen Nebentätigkeit durch die Rechtsprechung eröffnen.340 Anders als bisher im Rahmen des Art. 1 § 5 RBerG soll es künftig nicht mehr entscheidend darauf ankommen, ob die Dienstleistung ohne rechtsdienstleistenden Teil überhaupt erbracht werden kann. Maßgebend ist vielmehr, ob die Rechtsdienstleistung nach der Verkehrsanschauung ein solches Gewicht innerhalb der Gesamtleistung habe, dass nicht mehr von einer bloßen Nebenleistung ausgegangen werden könne.341 § 5 RDG findet damit stets nur Anwendung, wenn die fragliche Rechtsdienstleistung selbst nicht wesentlicher Teil der eigentlichen Hauptleistung ist.342 Die Rechtsdienstleistung darf „nicht wesentlicher Teil“ der eigentlichen Hauptleistung 183 sein. Wesentlicher Teil der eigentlichen Hauptleistung ist die Rechtsdienstleistung immer dann, wenn Hauptleistung und Nebenleistung voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass die eine oder die andere zerstört oder in ihrem Wesen verändert wird (Rechtsgedanke des § 93 BGB). Kern der Hauptleistung der Maklertätigkeit als Sachwalter des Kunden ist die „Vermittlung eines umfassenden Deckungsschutzes“.343 Dazu gehört auch die Erarbeitung eines Deckungskonzeptes für den Kunden. Demgegenüber ist die Rechtsberatung (§§ 60, 61 VVG) eine Nebenleistung des Maklers, die allerdings zu seinem Berufs- und Tätigkeitsbild gehört. Die Tatsache, dass der Makler den VN nach § 61 Abs. 1 zu beraten hat, ändert nichts daran, dass seine Haupttätigkeit auf die Verschaffung von Versicherungsschutz gerichtet ist – die Beratung ist demgegenüber nicht Haupt-, sondern allenfalls Nebentätigkeit.344 Für diese Nebenleistung kann sowohl der Versicherungsvertreter, sofern dies sein Ver- 184 trag mit dem VR zulässt, als auch der Versicherungsmakler eine Honorarvereinbarung treffen. Versäumt es der Versicherungsvermittler, eine solche Honorarvereinbarung zu treffen, macht er die Tatsache, dass er nunmehr nur noch gegen Honorar berät, nicht hinreichend deutlich, sodass der Kunde glaubt oder glauben könnte, im Zusammenhang mit der eigentlichen Vermittlungsberatung eine (unentgeltliche) ergänzende Beratung über andere Versicherungsprodukte zu bekommen, so schuldet der Kunde nach der oben beschriebenen Rechtsprechung des BGH kein Honorar.345 I.R.d. arbeitnehmerfinanzierten Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG) ist der Arbeitgeber nach einer in der Literatur vordringenden Auffassung346 rechtlich zur Bereitstellung des Entgeltumwandlungssystems verpflichtet. Die Beratung über dieses System und die Bereitstellung dieses Systems im Vorfeld der Vermittlung eines bAV-Rahmenvertrages ist eine typische Nebendienstleistung i.S.d. § 5 RDG, für die der Vermittler eine Honorarvereinbarung schließen darf. Das ergibt sich bereits aus § 34d Abs. 1 S. 4 GewO, da es sich bei den potenziellen VN für bAV-Rahmenverträge regelmäßig um Unternehmen und nicht um Verbraucher handelt.347
339
340 341 342 343 344 345
BVerfG 29.10.1987 NJW 1988 3481 Masterpat; BVerfG 20.2.2002 NJW 2002 1190 Inkasso I; BVerfG 27.10.2004 NJW 2005 1293 Insolvenzberater. BTDrucks. 16/3655, S. 52. BTDrucks. 16/3655, S. 52. BTDrucks. 16/3655, S. 52. Lensing ZfV 2009 16, 21. Lensing ZfV 2009 16, 21 f. Siehe BGH 25.9.1985 BGHZ 95 393, 395;
346 347
BGH vom 4.11.1999 BGH NJW 2000 282, 283. Rüffert 67 ff. Durch die Neuregelungen in § 34d Abs. 1 GewO und § 5 RDG ist die Anordnung des BAV (heute BaFin) in VerBAV 9/96, S. 222, wonach Honorarberatung durch Versicherungsmakler nur bei abschlusskostenfreien Tarifen, in denen keine Provision eingerechnet wird, überholt.
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VI. Das Begünstigungs- und Provisionsabgabeverbot 185
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Nach § 81 Abs. 2 S. 4 VAG kann die Aufsichtsbehörde (BaFin) allgemein oder für einzelne Versicherungszweige den VU und Vermittlern von VV untersagen, dem VN in irgendeiner Form Sondervergütungen zu gewähren. Auf der Grundlage dieser Ermächtigung gibt es das Provisionsabgabeverbot in der Lebens-, der Kranken- und der Schadensversicherung. Das Provisionsabgabeverbot in der Lebensversicherung beruht auf der Anordnung des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherung vom 8.3.1934.348 Es handelt sich bei dieser Anordnung um eine Rechtsverordnung 349, die als Bundesrecht fortgilt.350 Daneben steht die ebenfalls fortgeltende Anordnung des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherung vom 6.6.1934 über das Verbot von Sondervergütungen und Begünstigungsverträgen in der Krankenversicherung.351 Für die Schadensversicherung gilt die Verordnung vom 17.8.1982 über das Verbot von Sondervergütungen und Begünstigungsverträgen.352 Dazu kommen in der Lebensversicherung und der Krankenversicherung Richtlinien des BAV (heute BaFin) zur Auslegung der genannten Verordnungen.353 Diese Verordnungen gelten auch für den Versicherungsmakler.354 Die in § 81 Abs. 2 S. 4 VAG verankerte Verordnungsermächtigung sollte bereits im Jahre 1994 gestrichen werden.355 Zur Begründung356 wurde darauf verwiesen, dass der ursprüngliche Anlass, der in der Notsituation des Jahres 1923 (Inflation) in das VAG eingefügten Bestimmung, nämlich eine weitere Steigerung der Verwaltungskosten der VU zu vermeiden, inzwischen überholt sei. Mit einem Begünstigungsverbot könne man nach den Erfahrungen der Aufsichtsbehörde die Verwaltungskosten der VU nicht in nennenswertem Umfang senken. Ferner könne es in einer wettbewerbsorientierten Wirtschaft ebenso wenig Aufgabe einer Versicherungsaufsichtsbehörde sein, für eine „gerechte“ Prämie zu sorgen, wie es in der übrigen Wirtschaft nicht die Aufgabe des Staates sei, für einen „gerechten“ Preis zu sorgen. Das Begünstigungsverbot wirke sich jedenfalls dann wettbewerbshemmend aus, wenn es dahin verstanden werde, dass auch der Eintritt in Konkurrentenpreise oder die Reaktion auf preisgünstige Prämien von Anbietern auf Teilmärkten verboten sein solle. Die vorgeschlagene Aufhebung bezog sich nicht nur auf die von dem VU mit dem VN direkt geschlossenen Begünstigungsverträge, sondern auch auf das den Versicherungsvermittlern auferlegte Provisionsabgabeverbot. Das Provisionssystem und die Provisionshöhe seien gesetzlich nicht geregelt. Die Provisionen seien Wettbewerbspreise. Das gelte auch dann, wenn Versicherungsvermittler vom VR den Teil der Provision ersetzt verlangten, den sie an ihren Versicherungskunden weitergegeben hätten. Diese im Kern zutreffenden, auch heute noch geltenden Erwägungen haben sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchgesetzt. Der Gesetzgeber ist der Empfehlung des Finanzausschusses357 gefolgt und hat die geplante Streichung aufgegeben. In der Litera348
349 350
351 352 353
Nr. 58 des Deutschen Reichsanzeigers und Preußischen Staatsanzeigers vom 9.3.1934; vgl. auch VerAfP 1934 99 f. BGH 17.6.2004 VersR 2004 1029. BGH 19.12.1984 BGHZ 93 177, 179 m.w.N. und Verlautbarung des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (heute BaFin) VersR 1989 942. VerAfP 1934 100. BGBl. I S. 1243 = VerBAV 1982 456. R3/94; VerBAV 1982 306 i.d.F. VerBAV
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354
355 356 357
1986 199; VerBAV 1995 3; VerBAV 1964 130. BGH 19.12.1984 BGHZ 93 177, 182; KG vom 3.6.1994 VersR 1005 445; vgl. auch VerBAV 1996 222. Regierungsentwurf BTDrucks. 12/6959, S. 22 und 42. Regierungsentwurf BTDrucks. 12/6959, S. 83. BTDrucks. 12/7595, S. 109.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
tur wird vermutet, dass der Gesetzgeber nur das Verbot der Sondervergünstigungen (Provisionsabgabeverbot) aufrechterhalten wollte; die Aufrechterhaltung des Verbots der Begünstigungsverträge beruhe wohl auf einem Versehen.358 Zur Begründung für die Aufrechterhaltung des Verbots von Begünstigungsverträgen und Provisionsabgaben wird seither auf das Interesse des Verbraucherschutzes (Sicherung der Beratungsqualität und der Markttransparenz) und der (finanziellen) Interessen der Vermittler verwiesen.359 Mit Blick auf das Begünstigungsverbot ist zunächst einmal festzuhalten, dass es 190 jedenfalls eine Preisregulierung nicht zulässt. Dies ergibt sich schon aus der Aufhebung der Vorabgenehmigung für Lebensversicherungstarife mit Umsetzung der dritten Richtliniengeneration und der Marktöffnung im Jahre 1994. Das ergibt sich aber auch aus dem europäischen Primärrecht, insbesondere dem Prinzip der Wettbewerbsfreiheit (Art. 119 AEUV) sowie aus dem Wirksamkeitsgebot (Art. 4 Abs. 3 EUV) und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EUV). Dies bedeutet, dass Art. 81 Abs. 2 S. 4 VAG weder die Bildung von Risikoklassen, z.B. nach Lebensalter und Geschlecht, noch neue Tarifkalkulationen aufgrund neuer Zinsprognosen verbietet – insoweit besteht ein Gleichlauf mit dem Gleichbehandlungsgebot des § 11 Abs. 2 VAG.360 Damit beschränkt sich der Anwendungsbereich des Begünstigungsverbotes auf den des Gleichbehandlungsgrundsatzes in § 11 Abs. 2 VAG. Es geht darum zu verhindern, dass einzelne VN oder Gruppen von VN zu Lasten anderer VN oder Gruppen von VN benachteiligt oder bevorzugt werden.361 Einen darüber hinausweisenden Anwendungsbereich hat das Begünstigungsverbot des § 81 Abs. 2 S. 4 heute nicht mehr.362 Dies bedeutet, dass die von der BaFin in R 3/94363 entwickelten Grundsätze für Kollektivversicherungsverträge in der Lebensversicherung zu weit gehen. Begünstigungsverträge sind generell nicht mehr verboten, es sei denn, es liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 11 Abs. 2 VAG) vor. Die einschränkende Interpretation zulässiger Kollektivgruppenversicherungsverträge im R 3/94 geht folglich zu weit. Die dort eröffnete sachliche Rechtfertigung für Kollektivversicherungsverträge mit bestimmten Inhalten muss jedenfalls dann weichen, wenn es sich um den typischen Fall der Begünstigung, also die Rabattierung oder die Preisregulierung handelt. Außerhalb der Grundsätze des Gleichbehandlungsgebotes des § 11 Abs. 2 VAG ist ein VU immer berechtigt, Preise zu differenzieren, also auch unterschiedliche Rabatte zu gewähren. Das gilt jedenfalls bis zu den Grenzen, die das GWB und das UWG für Preisrabattierungen ziehen. Der EuGH hatte am 17.11.1993 im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens 191 (Art. 267 AEUV) darüber zu entscheiden, ob das deutsche Provisionsabgabeverbot mit dem europäischen Recht vereinbar ist.364 Er hat die Frage des vorlegenden Kammergerichts dahin verstanden, ob die Artt. 3 f., 5 Abs. 2 und Art. 85 EWG-Vertrag (heute Artt. 3, 101 AEUV und Art. 4 Abs. 3 EUV) einer staatlichen Regelung entgegenstehen, durch die es Versicherungsvermittlern untersagt ist, die von den VU erhaltenen Provisionen ganz oder teilweise an ihre Kunden abzugeben. Im Hinblick auf die Auslegung von Artt. 3 f., 5 Abs. 2 und Art. 85 EWG-Vertrag weist 192 der EuGH zunächst darauf hin, dass Art. 85 EWG an sich nur das Verhalten von Unter-
358 359
360
Merz Festschrift Everling, 837. BTDrucks. 12/7595, S. 104, 109; Dreher VersR 1995 1, 2; BGH 17.6.2004 VersR 2004 1029, 1031 unter Hinweis auf BGBl. I 1994, S. 1630. Kaulbach in: Fahr/Kaulbach/Bähr VAGKomm4 § 11 Rn. 10.
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Kaulbach in: Fahr/Kaulbach/Bähr VAGKomm4 § 11 Rn. 10. Bähr in: Fahr/Kaulbach/Bähr VAG-Komm4 § 81 Rn. 36. VerBAV 1995 3. EuGH 17.11.1993 VersR 1994 161.
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nehmen und nicht durch Gesetz oder Verordnung getroffene Maßnahmen der Mitgliedstaaten betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH dürften die Mitgliedstaaten jedoch aufgrund von Art. 85 i.V.m. Art. 5 EWG-Vertrag keine Maßnahmen, und zwar auch nicht in Form von Gesetzen oder Verordnungen, treffen oder beibehalten, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln aufheben könnten. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei ein solcher Fall dann gegeben, wenn ein Mitgliedstaat gegen Art. 85 EWG verstoßende Kartellabsprachen vorschreibe, erleichtere oder deren Auswirkungen verstärke oder wenn er der eigenen Regelung dadurch ihren staatlichen Charakter nehme, dass er die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern übertrage.365 Ausgehend von diesen Grundsätzen stellte der EuGH zunächst fest, dass die deutsche 193 Versicherungsaufsicht den Vermittlern weder eine Kartellabsprache vorschreibe noch erleichtere – vielmehr sei das in der Rechtsverordnung ausgesprochene Verbot „aus sich heraus wirksam“. Die staatliche Regelung bewirke auch keine Verstärkung einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache. Das gelte sowohl für die Krankenversicherung, die Schadensversicherung, die Rechtsschutzversicherung und die Lebensversicherung. Entscheidend sei, dass die Regelung selbst das Verbot von Sondervergütungen für VN aufstelle und die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen nicht privaten Wirtschaftsteilnehmern übertragen habe.366 Die Entscheidung des EuGH ist in der Literatur vielfach kritisiert worden.367 Ob der 194 EuGH heute noch einmal so entscheiden würde wie am 17.11.1993, ist fraglich, denn inzwischen enthält die Schirmgruppenfreistellungsverordnung368 das Verbot der Preisbindung der zweiten Hand (Art. 4 lit. a GVO). Das Verbot der Preisbindung der zweiten Hand – also das Verbot an Vermittler, den Preis für den VV durch Weitergabe eines Teils der Provision zu senken, ist eine schwarze Klausel, die per definitionem nicht gerechtfertigt werden kann und die vom EuGH und der Kommission ausnahmslos als wettbewerbswidrig beurteilt wird.369 Hinzu kommt, dass der Europäische Vertrag in seiner heute gültigen Form den Gedanken des freien und unverfälschten Wettbewerbs als Rechtsprinzip in Art. 119 AEUV enthält. Dies bindet sowohl die Mitgliedstaaten als auch den EuGH bei der Auslegung des Art. 4 Abs. 3 EUV (effet utile). Damit ist die Frage gestellt, ob ein Mitgliedstaat gesetzliche Regelungen aufrecht erhalten darf, die die praktische Wirksamkeit des Primärrechts (Art. 119 AEUV) aufheben könnten. Zu dieser Frage konnte der EuGH am 17.11.1993 nicht entscheiden, weil es den Art. 119 AEUV nicht gab. Es wäre aber überraschend, wenn der EuGH den Mitgliedstaaten das Recht einräumen würde, gegen Rechtsprinzipien des Europäischen Vertrages, wie sie in Art. 119 AEUV festgelegt sind, verstoßen zu dürfen, ohne dass dies den Europäischen Vertrag zugleich verletzt. Dies würde nämlich bedeuten, dass der EuGH den Mitgliedstaaten das Recht einräumen würde, das europäische Primärrecht durch nationales (rangniedrigeres) Recht aushebeln zu dürfen. So gesehen sprechen eine Reihe von Argumenten dafür, dass die Entscheidung Meng angesichts des heute geltenden europäischen Primärrechts nicht mehr aufrecht zu erhalten ist.
365 366 367
EuGH 21.9.1988 Slg. 1988 4769 van Eycke. EuGH 17.11.1993 Slg. 1993 I-05751 Rn. 16–20. Dreher VersR 1995 1 ff.; 2001 1 ff.; 1997 1 ff.; Winter VersR 2002 1055 ff.; Klinge VuR 2008 125 ff.; aus früherer Perspektive Sieg VersR 1989 217.
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368 369
VO 2790/1999 für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen. Weiterführend Klinge VuR 2008 125, 129 m.w.N.
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Begriffsbestimmungen
§ 59
In der Vermittlerpraxis ist das Provisionsabgabeverbot längst durchlöchert. Makler bieten zunehmend Nettopolicen an und vereinbaren mit den VN die ihnen im Einzelfall zufließende Courtage. Da die Provision mit dem Makler vereinbart wird, bedarf es keiner Provisionsabgabe – im wirtschaftlichen Ergebnis wird aber das Provisionsabgabeverbot ausgehebelt.370 Damit dürfte sich zumindest im Maklervertrieb die Frage stellen, ob die Bußgeldandrohung, die mit der Verletzung des Provisionsabgabeverbotes verbunden ist, mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch zu vereinbaren ist, denn VR selbst wirken an der Durchlöcherung des Provisionsabgabeverbotes durch das Anbieten von Nettotarifen mit, müssen sie auch wegen des Preisbindungsverbots in Art. 4 lit. a VO 2790/99. Der BGH hat die Möglichkeit, die hier diskutierten Fragen aus der Perspektive des heute geltenden europäischen Rechtes durch ein erneutes Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH prüfen zu lassen, „mangels Entscheidungserheblichkeit“ im Jahre 2004 verstreichen lassen.371 In jenem Fall hatte der Vermittler bei Vermittlung eines Lebensversicherungsvertrages die Weitergabe eines Teils der an ihn fließenden Provision an den VN schriftlich vereinbart. Nach einer Laufzeit von knapp einem Jahr wurde der Vertrag wegen Schwierigkeiten bei der Beitragszahlung vorzeitig storniert. Der Vermittler musste große Teile der vom VR empfangenen Provision an diesen zurückerstatten und verlangte seinerseits die Rückzahlung der von ihm an den VN weitergegebenen Provision. In der mit dem VN geschlossenen Vereinbarung hieß es: „Dass die geleistete Provisionszahlung zu erstatten sei, falls der VV während der Provisionshaftzeit, gleich aus welchem Grunde, in das Storno gerate.“ Der VN wandte ein, diese Vereinbarung verletze das Provisionsabgabeverbot und sei folglich nach § 134 BGB nichtig. Der BGH widersprach und entschied, dass es sich bei dem Provisionsabgabeverbot in der Lebensversicherung nicht um ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB handele.372 Das Provisionsabgabeverbot richte sich nämlich einseitig an die VU und die Vermittler, nicht aber an die VN. Die Bußgelddrohung richte sich folglich auch nur gegen die Vermittler von VV und die das VU vertretenden Personen (§ 9 OWiG i.V.m. § 144a Abs. 1 Nr. 3 VAG). Vor allem diene das Provisionsabgabeverbot nach der vom Bundestag angenommenen Beschlussempfehlung des Finanzausschusses373 nicht mehr dem Erhalt der Bonität der VU. Es gehe vielmehr um allgemeine Interessen des Verbraucherschutzes und die (finanziellen) Interessen der Vermittler. Aus diesem Grunde sei es auch kein Widerspruch, dass nur die VU an das Provisionsabgabeverbot gebunden seien, die der Aufsicht des Bundes (heute der BaFin) unterstünden, während diejenigen Unternehmen, die von den Ländern beaufsichtigt würden, nicht gebunden seien.374 Die Erwägungen des BGH sind überraschend, zeigen aber, dass es dem BGH offenbar darum geht, den Anwendungsbereich des Provisionsabgabeverbots soweit wie irgend möglich zurückzudrängen. Die Tatsache, dass sich das Provisionsabgabeverbot in seinem bußgeldrechtlichen Kern nur gegen die Vermittler und VU richtet, eignet sich als Argument gegen § 134 BGB nicht. Ein Provisionsabgabeverbot kann sich nur gegen die Vermittler/VU wenden – aus der Sicht der VN müsste es ein korrespondierendes Provisionsannahmeverbot geben. Die Tatsache, dass VN keine Adressaten des Provisionsabgabeverbotes sind, spricht somit nicht für die Nichtigkeit nach § 134 BGB. Entscheidend ist – worauf der BGH auch zutreffend hinweist – vielmehr der Sinn und Zweck der 370 371 372
So auch Klinge VuR 2008 125, 130. BGH 17.6.2004 VersR 2004 1029. BGH 17.6.2004 VersR 2004 1029 Rn. 33 m.w.N.
373 374
BTDrucks. 12/7595, S. 104, 109. Vertiefend Winter VersR 2002 1064; Dreher VersR 1995 1, 3.
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Verbotsvorschrift, also des Provisionsabgabeverbotes. Dieser wird damit gerechtfertigt, dass eine Aufgabe des Verbotes die Qualität der Beratung beeinträchtigen und die Existenz vieler Versicherungsvermittler gefährden könnte. Ferner wurde die Gefahr einer Verminderung der Markttransparenz gesehen.375 Geht es dem Provisionsabgabeverbot aber um die Qualität der Beratung und gleichzeitig um die Markttransparenz, also um die Offenlegung der Frage, in welchen Fällen welche Provisionen an VN weitergegeben werden, so berühren diese beiden Zwecke ganz grundlegend die Position der VN. Ein VN, der in der Beratung eine Durchbrechung der Provisionsabgabeverbotes durchsetzt, riskiert somit eine schlechtere Beratung. Zugleich wird die Markttransparenz mit Blick auf viele andere VN, denen keine Provision weitergegeben wird, verschlechtert. So gesehen dient das Provisionsabgabeverbot dazu, die Beratungsqualität durch Provisionsabgabe nicht zu verschlechtern und die Markttransparenz durch Gleichbehandlung aller VN zu gewährleisten. Beide Zwecke werden grundlegend verletzt, wenn das Provisionsabgabeverbot umgangen wird – so gesehen hätte der BGH aus der Perspektive der Schutzzwecke des Provisionsabgabeverbotes zugleich auch die Nichtigkeit nach § 134 BGB folgern müssen. Auf der Grundlage der jetzt vorliegenden Entscheidung bleibt der Verstoß gegen das 199 Provisionsabgabeverbot auf der zivilrechtlichen Ebene sanktionslos – der Vermittler, der sich „nicht erwischen lässt“, muss keine Rückzahlung fürchten. Dieses Ergebnis ist aus der Perspektive der Zwecke des Provisionsabgabeverbotes, nimmt man sie einmal ernst, wenig überzeugend. Stattdessen hätte der BGH den Fall zum einen zur Vorabentscheidung nach Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorlegen können, um zu klären, ob das Provisionsabgabeverbot aus der Perspektive des europarechtlich überlagerten nationalen Verfassungsrechtes mit den Berufsfreiheiten der Vermittler in Einklang zu bringen ist (Artt. 12, 2 GG). Daneben hätte ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 EG nahe gelegen um zu prüfen, ob die durch den Vertrag von Nizza neu eingeführten Wettbewerbsfreiheitsregeln (Artt. 4, 98 EG heute: Art. 119 AEUV) unter Berücksichtigung des Wirksamkeitsgebotes in Art. 4 Abs. 3 EUV es einem Mitgliedstaat tatsächlich erlauben, an Marktregulierungen festzuhalten, denen massive Wettbewerbsbeschränkungen immanent sind.
§ 60 Beratungsgrundlage des Versicherungsvermittlers (1) 1Der Versicherungsmakler ist verpflichtet, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zu Grunde zu legen, so dass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen. 2Dies gilt nicht, soweit er im Einzelfall vor Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers diesen ausdrücklich auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hinweist. (2) 1Der Versicherungsmakler, der nach Absatz 1 Satz 2 auf eine eingeschränkte Auswahl hinweist, und der Versicherungsvertreter haben dem Versicherungsnehmer mitzu-
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Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BTDrucks. 12/7595, S. 104, 109.
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teilen, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage sie ihre Leistung erbringen, und die Namen der ihrem Rat zu Grunde gelegten Versicherer anzugeben. 2Der Versicherungsvertreter hat außerdem mitzuteilen, für welche Versicherer er seine Tätigkeit ausübt und ob er für diese ausschließlich tätig ist. (3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Mitteilungen und Angaben nach Absatz 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten.
Schrifttum Beenken/Sandkühler Das neue Versicherungsvermittlergesetz (2007); Leverenz Anforderungen an eine „gesonderte Mitteilung“ nach dem VVG 2008, VersR 2008 719; Reiff Versicherungsvermittlerrecht im Umbruch (2006); Stöbener Informations- und Beratungspflichten des Versicherers nach der VVG-Reform.
Übersicht Rn. A. I. II. III. B. I.
Einführung . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . Inhalt der Regelung . . . . . . . . . Zweck der Regelung . . . . . . . . . Spezielle Kommentierung . . . . . . Tatbestandsvoraussetzungen von § 60 Abs. 1 S. 1 . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
1 1 2 6 9
. .
9
Rn. 1. Hinreichende Zahl . . . . . . . . . . 2. Einschränkung der VR- und Vertragsauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsvoraussetzungen von § 60 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Markt- und Informationsgrundlage 2. Verzicht (§ 60 Abs. 3) . . . . . . . . .
9 17 18 18 21
A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Die Norm, für die es im Versicherungsrecht bis 31.12.2007 kein Vorbild gab, beruht 1 auf der Umsetzung von Art. 12 Abs. 2 Vermittlerrichtlinie.
II. Inhalt der Regelung Teilt der Versicherungsvermittler dem Kunden mit, dass er auf der Grundlage einer 2 objektiven Untersuchung berät – damit ist im deutschen Recht der Versicherungsmakler gemeint – so ist er verpflichtet, seinen Rat auf eine Untersuchung einer hinreichenden Zahl von auf dem Markt angebotenen VV zu stützen, sodass er gemäß fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahingehend abgeben kann, welcher VV geeignet wäre, die Bedürfnisse des Kunden zu erfüllen. Dieser Wortlaut von Art. 12 Abs. 2 ist bis auf redaktionelle Korrekturen identisch mit dem Wortlaut des § 60 Abs. 1 S. 1. Nach § 60 Abs. 1 S. 2 darf der Versicherungsmakler seine Empfehlung im Einzelfall auf eine eingeschränkte VRund Vertragsauswahl stützen, wenn er den VN darauf vor Abgabe von dessen Vertragserklärung ausdrücklich hinweist. Diese Einschränkung ist europarechtlich zulässig. Sie ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1e (lit. iii). Der Versicherungsmakler, der auf eine eingeschränkte Auswahl hinweist, hat – ebenso 3 wie der Versicherungsvertreter – dem VN mitzuteilen, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage er seine Leistung erbringt. So kann sich der VN zumindest teilweise ein
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Urteil über die fachliche Kompetenz und Interessengebundenheit des Versicherungsvermittlers bilden.1 Damit geht das deutsche VVG über die Richtlinie hinaus, die dem VN lediglich ein Fragerecht sowie eine Belehrung über das Bestehen dieses Rechts einräumt (Art. 12 Abs. 1e lit. i bis iii).2 Nach § 60 Abs. 2 S. 2 hat der Versicherungsvertreter außerdem mitzuteilen, für wel4 che VR er seine Tätigkeit ausübt und ob er für diese ausschließlich tätig ist. Damit wird Art. 12 Abs. 1e (lit. ii) Vermittlerrichtlinie umgesetzt. Nach § 60 Abs. 3 kann der VN auf die Mitteilungen und Angaben nach Abs. 2 durch 5 eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten. Um den Kunden den Verzicht bewusst vor Augen zu führen (Warnfunktion), muss die Verzichtserklärung zum Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung in einem eigenen Dokument, also nicht versteckt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, gemacht und vom Kunden unterschrieben werden.3 Einen vergleichbaren Verzicht kennt die Vermittlerrichtlinie nicht.
III. Zweck der Regelung 6
Die Norm bezweckt statusergänzende Informationen. Der Vermittler hat dem VN beim ersten Geschäftskontakt bestimmte Statusinformationen klar und verständlich in Textform mitzuteilen. Die Informationen ergeben sich im Einzelnen aus § 11 Abs. 1 VersVermV.4 Der VN erfährt durch die Statusinformationen, ob er es mit einem Versicherungsmakler oder mit einem Versicherungsvertreter zu tun hat. Trotz dieser Informationen weiß er noch nicht genau, auf welcher Beratungsgrundlage der Versicherungsvermittler arbeitet. Er kann also noch nicht mit letzter Sicherheit beurteilen, ob der Vermittler einen vollständigen Marktüberblick hat, ob er völlig unabhängig auf der Grundlage einer objektiven Untersuchung berät oder ob seine VR- und Vertragsauswahl beschränkt ist. Statusergänzende Informationen dieser Art vermittelt § 60 Abs. 1. Damit will die Norm sicherstellen, dass der VN nicht nur den gewerberechtlichen Status des Vermittlers kennt, sondern auch darüber informiert ist, ob der Vermittler an einen oder mehrere VR gebunden ist oder mit einer bestimmten Anzahl von VR typischerweise zusammenarbeitet oder aber über einen ausgewogenen vollständigen Marktüberblick verfügt und völlig unabhängig ist. Alle Vermittlertypen sind zulässig. Das entspricht der Konzeption offener Vertriebs7 systeme, wie sie auch aus anderen Branchen, etwa der Kfz-Industrie, bekannt sind. Ganz generell eröffnet der Gesetzgeber den Unternehmen die Wahl ihres Vertriebsweges. Das gilt selbst für marktmächtige Unternehmen, wie §§ 19, 20 GWB zeigen. Die Freiheit bei der Wahl des Vertriebsweges korrespondiert mit der Pflicht zur Aufdeckung von Abhängigkeiten zwischen dem Produktanbieter und dem Vertriebspartner. Ein Kunde, der weiß, dass der vor ihm stehende Vermittler an ein ganz bestimmtes Unternehmen gebunden ist, kann von diesem Vermittler kein Angebot aus der Produktpalette des gesamten Marktes verlangen. Sollte sich später herausstellen, dass ein anderer VR am Markt ein ähnliches oder leistungsstärkeres Produkt womöglich zu einem günstigeren Preis angeboten hatte, kann der Kunde, dem die Bindung des Vermittlers bekannt war, keinen Schadensersatz verlangen. Der Kunde kann den Vermittler aber wechseln, wenn ihm die
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BTDrucks. 16/1935, S. 23. BTDrucks. 16/1935, S. 23. BTDrucks. 16/1935, S. 23.
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Damit wird Art. 12 Abs. 1a–e in das deutsche Recht umgesetzt.
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Bindung zu stark erscheint. Das gilt auch mit Blick auf Makler, die ausdrücklich auf eine eingeschränkte VR- und Vertragsauswahl hinweisen. Die Norm bezweckt somit die Transparenz über Abhängigkeitslagen, in denen sich 8 Vermittler kraft Vertrages oder geschäftlicher Übung befinden. Auf diese Weise kann der Kunde – ganz unabhängig vom Inhalt des späteren Beratungsgespräches – den für seine Wünsche und Bedürfnisse statusrechtlich passenden Vermittler aussuchen, bevor er seine Vertragserklärung abgibt.
B. Spezielle Kommentierung I. Tatbestandsvoraussetzungen von § 60 Abs. 1 S. 1 1. Hinreichende Zahl Der Versicherungsmakler ist verpflichtet, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf 9 dem Markt angebotenen VV und von VR zugrunde zu legen, so dass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher VV geeignet ist, die Bedürfnisse des VN zu erfüllen (§ 60 Abs. 1 S. 1). Zunächst einmal stellt der Wortlaut klar, dass es um die hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Verträgen und VR geht. Es spielt also keine Rolle, in welchem Umfang VV oder VR von den Kunden nachgefragt werden. Der Makler soll also eine Anbieterperspektive einnehmen und seinen Rat auf eine hinreichende Zahl von angebotenen VV und VR stützen. Die Verträge sollen auf dem Markt angeboten werden. Ein vergleichbarer Marktbe- 10 zug fehlt bei den VR – hier genügt es, dass der Makler seinem Rat eine hinreichende Zahl von VR zugrunde legt. Gemeint ist in beiden Fällen das Gleiche. Der Makler muss seinen Rat quantitativ fundieren. Er muss also zunächst einmal prüfen, welche VV, die dem Bedürfnisprofil seines Kunden entsprechen, am Markt erhältlich sind und er muss im zweiten Schritt prüfen, welche VR Verträge dieser Art anbieten. Arbeiten VR aus bestimmten Gründen, z.B. weil sie Direktversicherer oder Internetversicherer sind, nicht mit Maklern zusammen, so werden ihre Verträge zwar auf dem Markt, der sich an die VN richtet, angeboten, sind aber Maklern nicht zugänglich. In diesen Fällen muss der Makler nach § 60 Abs. 1 S. 2 darauf hinweisen, dass ein Angebot, bestimmte VR, z.B. Direktversicherer oder Internetversicherer oder VR, die mit Maklern prinzipiell nicht zusammenarbeiten, nicht umfasst. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass Direktversicherer, Internetver- 11 sicherer und VR, die nicht mit Maklern zusammenarbeiten, von vornherein gar nicht zum „Maklermarkt“ gehören.5 Deshalb müsse der Makler VR dieser Art bei seiner Marktuntersuchung nicht berücksichtigen. Diese Auffassung vernachlässigt, dass es bei § 60 Abs. 1 S. 1 nicht um den Maklermarkt, sondern um den Markt angebotener VV von VR geht, also um den Angebotsmarkt, der dem VN offen steht. Auf diesem Markt sind auch Direktversicherer oder Internetversicherer tätig.6 Ein Makler, der mit bestimmten VR nicht zusammenarbeiten kann, muss folglich nach § 60 Abs. 1 S. 2 offenlegen, dass er über eine eingeschränkte VR- und Vertragsauswahl verfügt, denn nur auf diese Weise kann der Kunde entscheiden, ob er weiterhin vom Makler betreut werden möchte oder möglicherweise doch lieber ins Internet schaut oder zu einem Direktversicherer wechselt. In jedem Fall muss der Makler alle VR, die Angebote auf dem Markt stellen, 5
Beenken/Sandkühler 57/58.
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Looschelders/Pohlmann/Baumann § 60 Rn. 9.
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berücksichtigen, auch, wenn er mit ihnen keine Courtagezusage hat.7 Eine hiervon zu trennende Frage ist diejenige, ob die Makler von den VR eventuell nach § 20 Abs. 2 GWB Courtagezusagen verlangen können. Die angebotenen VV müssen einen Markt bilden. Märkte werden traditionell zeitlich, räumlich und sachlich aus der Perspektive des verständigen Nachfragers abgegrenzt. Die zeitliche Marktabgrenzung kann eine Rolle spielen, wenn es beispielsweise um die Versicherung einer zeitlich begrenzten Sportveranstaltung oder einer Messe geht. Das Angebot eines VR für eine Messe im Herbst des Jahres ist mit dem Angebot eines anderen VR für eine Messe im Frühjahr desselben Jahres nicht vergleichbar, weil sich die Zeiträume gegenseitig ausschließen. Räumliche Angebotsbegrenzungen sind dann denkbar, wenn ein VR sein Angebot auf einen ganz bestimmten Raum, z.B. das Land Bayern oder den Raum Norddeutschland beschränkt, während ein anderer VR sein Angebot ausdrücklich auf das Saarland oder auf Ostdeutschland beschränkt. Die in der Praxis wichtigste sachliche Marktabgrenzung fragt danach, ob ein bestimmter VV aus der Sicht eines verständigen Nachfragers gegen einen anderen, alternativ angebotenen VV austauschbar ist. Dieses Bedarfsmarktkonzept, das vom BGH für das Wettbewerbsrecht entwickelt wurde8, ist auch i.R.v. § 60 Abs. 1 S. 1 anzuwenden, denn es bewirkt, dass die aus der Sicht des VN austauschbaren VV miteinander verglichen werden, während die Verträge, die aus der Perspektive des VN ohnehin nicht vergleichbar sind, aus der Betrachtung herausfallen. Da der Makler darüber entscheidet, welche Verträge aus der Sicht des Kunden für diesen sachlich austauschbar sind, steht der Makler nach § 63 letztlich auch für Fehleinschätzungen ein. Hat der Makler beispielsweise einen Vertragstyp – z.B. eine Riester-Rente – aus dem Kreis der sachlich zu berücksichtigenden Verträge für eine Altersvorsorge von vornherein herausgenommen und dem VN stattdessen eine kapitalbildende LV empfohlen, so könnte eine solche Marktverengung zugleich ein Beratungsverschulden beinhalten und den Makler nach § 63 zum Schadensersatz verpflichten. Hat der Makler den Markt nach zeitlichen, räumlichen und sachlichen Kriterien ermittelt, so muss er seinem Rat nunmehr eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen VV und von VR zugrunde legen. Hinreichend ist die Zahl dann, wenn er auf der Grundlage dieser Zahl nach „fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher VV geeignet ist, die Bedürfnisse des VN zu erfüllen.“ Der Begriff hinreichend ist somit nicht statisch, sondern funktional-dynamisch zu entwickeln. Es geht nicht darum, alle VV und VR in die Analyse einzubeziehen. Es geht nicht um eine ganz bestimmte Anzahl, z.B. 10 %, 50 % oder 75 %, sondern die Zahl ist hinreichend, wenn der Makler, und zwar auf der Grundlage fachlicher Kriterien – etwa unter Einsatz von am Markt inzwischen erhältlichen IT-Programmen – eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher VV geeignet ist, die Bedürfnisse des VN zu erfüllen. Der Makler schuldet also nicht best advice, sondern suitable advice, also eine den Bedürfnissen des VN angemessene, eine passende Beratung.9 kennt der Makler den einen passenden Vertrag, so ist es hinreichend, wenn er seinen Rat auf diesen Vertrag beschränkt. Wie sich der Makler die für seine Empfehlung notwendigen Informationen besorgt, ob er dafür eine besondere Software10 einkauft, im Internet recherchiert, Produkte analy7 8 9
So auch Beenken/Sandkühler 58. BGH 3.7.1976 WuW/E BGH 1435 – VitaminB-12. Wie hier Beenken/Sandkühler 57; Looschelders/Pohlmann/Baumann § 60 Rn. 5.
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Wieso eine qualifizierte, marktumfassende Maklersoftware nicht genügen soll, bleibt unerfindlich; so aber Baumann in Looschelders/Pohlmann § 60 Rn. 3, 12.
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siert oder sich in anderer Weise einen Marktüberblick verschafft, ist gesetzlich nicht geregelt – insoweit stehen dem Makler alle Informationsmöglichkeiten, die wir heute haben, zur Verfügung. Allerdings muss der Makler im Streitfall beweisen, dass er eine hinreichende Zahl von Verträgen und VR seiner Empfehlung zugrunde gelegt hat, nach welchem System er gearbeitet hat, um sagen zu können, seine Empfehlung beruht auf einem hinreichenden Marktabgleich. Wenn er beispielsweise nur auf seine Maklererfahrung verweist, ohne offen zu legen, wie er sich Marktinformationen systematisch besorgt und verarbeitet hat, wird dies nicht reichen. Verletzt der Makler seine Pflicht zu einer hinreichenden, ausgewogenen Marktunter- 16 suchung, so spricht eine Vermutung dafür, dass er mit seiner Empfehlung die Wünsche und Bedürfnisse des VN nicht hinreichend erfüllt hat. Insoweit handelt es sich um eine widerlegliche Vermutung. Ein Makler, der einen passenden VV vermittelt, kann damit die Wünsche und Bedürfnisse des VN in vollem Umfang erfüllt haben, auch wenn er über keinen hinreichenden Marktüberblick verfügte. Allerdings ist es Sache des Maklers zu zeigen, dass die Wünsche und Bedürfnisse des VN trotz des fehlenden Marktüberblicks des Maklers erfüllt wurden. 2. Einschränkung der VR- und Vertragsauswahl Der Makler kann das Haftungsrisiko, das durch § 60 Abs. 1 S. 1 für ihn entsteht, 17 durch die Einschränkung der VR- und Vertragsauswahl minimieren. I.R. dieser eingeschränkten Vertragsauswahl hat er den VN nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben (§ 61 Abs. 1).
II. Tatbestandsvoraussetzungen von § 60 Abs. 2 1. Die Markt- und Informationsgrundlage Der Versicherungsmakler, der auf eine eingeschränkte Auswahl hinweist, hat dem VN 18 mitzuteilen, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage er seine Leistung erbringt und die Namen der seinem Rat zugrunde gelegten VR anzugeben. Die gleiche Verpflichtung trifft den Versicherungsvertreter. So kann sich der VN zumindest teilweise ein Urteil über die fachliche Kompetenz und Interessengebundenheit des Versicherungsvermittlers bilden.11 Diese Regelung geht über die Richtlinie hinaus, die dem VN lediglich ein Fragerecht sowie eine Belehrung über das Bestehen dieses Rechts einräumt (Art. 12 Abs. 1e lit. i–iii).12 Während der VN vom Versicherungsmakler nach Abs. 1 ohnehin einen Rat auf Grundlage einer ausgewogenen Marktuntersuchung erwarten kann, hat der Versicherungsvertreter die Interessen des von ihm vertretenen VR oder mehrerer VR wahrzunehmen, sodass für seinen Ratschlag das Ergebnis eines Marktüberblicks nur insoweit relevant sein kann, als es mit dem Interesse der von ihm vertretenen VR übereinstimmt.13 Der Makler soll im Einzelfall vor Abgabe der Vertragserklärung des VN auf die ein- 19 geschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hinweisen. Dies schließt nicht aus, dass die Einschränkung Gegenstand des vorformulierten Maklervertrags ist – erforderlich ist lediglich, dass der Makler in jedem Einzelfall (gemeint ist die einzelne Vermittlung) noch
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BTDrucks. 16/1935, S. 23. BTDrucks. 16/1935, S. 23.
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BTDrucks. 16/1935, S. 23.
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einmal ausdrücklich auf diese Einschränkung hinweist, so dass der VN nicht erst noch in den Maklervertrag hineinschauen muss.14 Die bloße Einschränkung der Vertragsauswahl im Maklervertrag genügt allerdings nicht – der ausdrückliche Hinweis auf diese Einschränkung ist zusätzlich erforderlich.15 Außerdem hat der Versicherungsvertreter mitzuteilen, für welche VR er seine Tätig20 keit ausübt und ob er für diese ausschließlich tätig ist. 2. Verzicht (§ 60 Abs. 3)
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Der VN kann auf die Mitteilungen und Angaben nach Abs. 2 (eingeschränkte Auswahl) durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten. Um dem Kunden den Verzicht bewusst vor Augen zu führen (Warnfunktion), muss die Verzichtserklärung zum Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung in einem eigenen Dokument, also nicht versteckt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, gemacht und vom Kunden unterschrieben werden.16 Eine vergleichbare Verzichtsmöglichkeit enthält die Richtlinie nicht, sodass nicht aus22 zuschließen ist, dass § 60 Abs. 3 europarechtswidrig ist. Der Verzicht bezieht sich nur auf Mitteilungen und Angaben nach § 60 Abs. 2, nicht auf die Angaben nach § 60 Abs. 1. Folglich muss der Versicherungsmakler in jedem Fall auf eine eingeschränkte VRund Vertragsauswahl hinweisen, wenn er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will. Wenn der Kunde nach diesem Hinweis auf die eingeschränkte VR- und Vertragsauswahl nunmehr durch gesonderte schriftliche Erklärung auf die Mitteilung der Namen der dem Rat zugrunde gelegten VR verzichten will, so bedarf es hierfür wegen der umfassenden Betreuungspflicht des Maklers17 eines nachvollziehbaren Sachgrundes. Ohne einen solchen Sachgrund würde sich ein Makler, der auf eine eingeschränkte Vertragsauswahl hinweist – aber „seine“ VR nicht nennen will – widersprüchlich verhalten (venire contra factum proprium). Der Sachgrund könnte darin liegen, dass der Kunde mit dem Makler eine langjährige Geschäftsverbindung unterhält und genau weiß, mit welchen VR dieser Makler zusammenarbeitet. Eine Verzichtserklärung wäre auch dann nachvollziehbar, wenn der Kunde die Vermittlung gegenüber einem ganz bestimmten VR wünscht und der Makler bestätigt, mit diesem zusammenzuarbeiten. Gibt es keine nachvollziehbaren, naheliegenden Sachgründe für einen Verzicht des 23 VN auf die Mitteilungen und Angaben nach § 60 Abs. 2, so deutet eine solche Verzichtserklärung auf einen Beratungsfehler (§ 63) des Maklers hin, der Interessenvertreter und Sachwalter des Kunden ist.18 Ihm, dem Makler, muss daran gelegen sein, dem Kunden zu verdeutlichen, mit welchen VR und auf welcher Vertragsgrundlage er vermittelt, denn dem Makler als Interessenvertreter und Sachwalter des Kunden muss es darum gehen, dem Kunden aus der Gesamtheit aller aus dem Markt angebotenen Verträgen denjenigen zu vermitteln, der seine Wünsche und Bedürfnisse optimal abbildet. Wenn der Makler dies nicht kann, weil seine VR- und Vertragsauswahl eingeschränkt ist, so ergibt sich aus der Sachwalterposition des Maklers die Verpflichtung, den Kunden auf diese Einschrän-
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Ähnlich Looschelders/Pohlmann/Baumann § 60 Rn. 16. Schwintowski/Brömmelmeyer/Michaelis § 60 Rn. 12; Looschelders/Pohlmann/Baumann § 60 Rn. 12. BTDrucks. 16/1935, S. 23; Stöbener, ZVersWiss 96, 465, 476.
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BGH 19.5.2005 VersR 2005 978 Rn. 15. So verletzt ein Makler, der in seinen AGB Beratung völlig ausschließt, damit § 307 BGB, BGH vom 19.5.2005 VersR 2005 978 Rn. 15.
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Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers
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kungen hinzuweisen, um ihm die Gelegenheit zu geben, über die Frage, ob er mit dem richtigen Vermittler zusammenarbeitet, noch einmal nachzudenken. Aus diesen Gründen stellt sich zugleich die Frage, ob die in § 60 Abs. 3 vorgesehene Verzichtsmöglichkeit mit der Vermittlerrichtlinie, die eine vergleichbare Verzichtsmöglichkeit nicht vorsieht, vereinbar ist.
§ 61 Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers (1) 1Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. 2Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags nach § 62 zu dokumentieren. (2) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung oder die Dokumentation nach Absatz 1 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadensersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen.
Schrifttum Beenken/Sandkühler Das neue Versicherungsvermittlergesetz (2007); Dörner/Staudinger Kritische Bemerkungen zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, WM 2006 1710; Ebers Die Reform des VVG vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, in VersWissStud Bd. 26: Lebensversicherung – betriebliche Altersversorgung VVG-Reform Grenzüberschreitenden Versicherungsleistungen in der Krankenversicherung Der Handel mit gebrauchten Versicherungspolicen, Basedow/Meyer/Rückle/Schwintowski (Hrsg.) (2004) 123; Kieninger Informations-, Aufklärungs- und Beratungspflichten beim Abschluss von Versicherungsverträgen, AcP 199 190; Langer/Rosenow Konsumentenschutz bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen in der Schweiz und in Europa, in Konsumentenrecht: Liber amicorum Bernd Stauder (2006) 195; Mauntel Bedarfs- und produktbezogene Beratung beim Abschluss von Lebensversicherungsverträgen (2004); Reiff Versicherungsvermittlerrecht im Umbruch (2006); ders. Das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechs, VersR 2007 717; Römer Informationspflichten in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in VersWissStud Bd. 11: Anleger- und objektgerechte Beratung Private Krankenversicherung Ein Ombudsmann für Versicherungen, Basedow/Donath/Meyer/ Rückle/Schwintowski (Hrsg.) (1999) 23; ders. Zu ausgewählten Problemen der VVG-Reform nach dem Referentenentwurf vom 13. März 2006 (Teil 1), VersR 2006 740; ders. Beratung nötig – Verzicht möglich – Zur Kunst der Gesetzgebung, VuR 2007 94; Rüffer/Halbach/Schimikowski Versicherungsvertragsgesetz – Handkommentar (2009); Schimikowski VVG-Reform: Die vorvertraglichen Informationspflichten des Versicherers und das Rechtzeitigkeitserfordernis, RuS 2007 133; Schwintowski Anleger- und objektgerechte Beratung in der Lebensversicherung, VuR 1997 83; ders. Neuerungen im Versicherungsvertragsrecht, ZRP 2006 139; Stöbener Informations- und Beratungspflichten des VR nach der VVG-Reform, ZVersWiss 2007 465.
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Übersicht Rn. A. I. II. B. I.
Einführung . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . Spezielle Kommentierung . . . . . . Tatbestandsvoraussetzungen von § 61 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Befragungspflicht des Vermittlers . 2. Anlassbezogene Beratung . . . . .
. . . .
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Rn. 3. Wünsche und Bedürfnisse . . . . . . . 4. Verhältnis zwischen Beratungsaufwand und Prämie . . . . . . . . . . . . . . 5. Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Dokumentation . . . . . . . . . . . . II. Beratungs- und Dokumentationsverzicht (§ 61 Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1
Mit § 61 Abs. 1 wird Art. 12 Abs. 3 der Vermittlerrichtlinie umgesetzt. 1 Es geht um die Beratungs- und Dokumentationspflicht des Versicherungsvermittlers und damit um den Kern der Neuregelung. Nach § 61 Abs. 2 kann der VN auf die Beratung oder die Dokumentation oder auf beides zusammen (schriftlich) verzichten. Eine vergleichbare Verzichtsmöglichkeit enthält die Vermittlerrichtlinie nicht.
II. Inhalt und Zweck der Regelung Das bis zum 31.12.2007 geltende VVG enthielt keine Vorschriften über die Beratungsund Dokumentationspflichten gegenüber dem VN vor Abschluss eines VV. Aufklärungsund Informationspflichten gegenüber dem VN bestanden nur dann, wenn dieser nach den im Verkehr herrschenden Anschauungen redlicherweise Aufklärung erwarten durfte. Allerdings waren weder der VR noch der Versicherungsvermittler verpflichtet, den VN von sich aus über alle Einzelheiten der Vertragsbeziehungen aufzuklären oder auf mögliche Schadensfälle, die von der Versicherung nicht gedeckt waren, hinzuweisen.2 Anerkannt war durch die Rechtsprechung des BGH allerdings, dass der Vermittler den zukünftigen Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären hatte, die für dessen Entschließung von wesentlicher Bedeutung sein konnten.3 Durch § 61 Abs. 1 wird erstmals eine Beratungs- und Dokumentationspflicht im VVG 3 verankert. Der Versicherungsvermittler hat den VN nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben (§ 61 Abs. 1). Diese Informationen sind vor dem Abschluss des Vertrags klar und verständlich in Textform zu übermitteln (§ 62 Abs. 1).4 Der Vermittler klärt ausgehend von den Wünschen des Kunden, ob ein bestimmter VV seinen Bedürfnissen entspricht, für ihn also geeignet ist (suitability test). Um einen Rat für das geeignete Produkt abgeben zu können, muss der Vermittler eine Risikoanalyse durchführen und auf diese Weise dem Kunden die Vor- und Nachteile eines VV, einschließlich des Preis-Leistungsverhältnisses, vor Augen zu führen. Im Kern geht es § 61 Abs. 1 darum, beim Kunden die Voraussetzungen für eine selbstbestimmte informierte Entscheidung für oder gegen einen VV zu treffen. § 61 Abs. 1 ist Ausdruck und Konkretisierung des Gedankens
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BGH 5.2.1981 VersR 1981 621, 623. Damit wird Art. 13 der Richtlinie umgesetzt.
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der Privatautonomie. Ein Kunde soll seinen Willen privatautonom auf der Grundlage hinreichender Informationen bilden. Darüber hinaus soll § 61 Abs. 1 i.V.m. § 62 Abs. 1 für eine ordnungsgemäße Doku- 4 mentation der Beratung sorgen. Die Dokumentation bezweckt zum einen, sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden durch den Rat des Vermittlers hinreichend und angemessen abgefragt und abgebildet wurden. Die Dokumentationspflicht ist sozusagen die Referenzkopie des Beratungsgespräches – eine gute Dokumentation bildet die Kernpunkte des Beratungsgespräches präzise ab und erlaubt es, den Entscheidungsprozess sowohl des Vermittlers als auch des Kunden nachzuvollziehen. Gleichzeitig werden Beweisschwierigkeiten über den Inhalt des Beratungsgespräches durch eine gute Dokumentation weitgehend ausgeräumt. Dies kommt Vermittlern, VR und VN nicht erst im Prozess über mögliche Beratungs- 5 fehler zugute, sondern entfaltet Vorfeldwirkung. Die Tatsache, dass die entscheidenden Grundaussagen des Beratungsgespräches dokumentiert werden müssen, bewirkt automatisch erhöhte Beratungsdisziplin und Beratungsqualität. Ein Vermittler, der dem Kunden im Beratungsgespräch etwas verspricht, dieses Versprechen aber nicht dokumentieren will, macht sich beim Kunden unglaubwürdig. Der Kunde wird seine Vertragserklärung bei diesem Vermittler nicht abgeben. Umgekehrt muss der Vermittler in der Dokumentation Wert darauf legen, dass dem Kunden die Grundstruktur des zu schließenden Vertrages deutlich vor Augen tritt. Dazu gehören die Informationen über den versicherten Gegenstand, die Prämie und die Kosten sowie die Risikoausschlüsse und die Obliegenheiten. Der Gesetzgeber hat die Grundstruktur der kundengerechten Beratung zum Gegenstand des Produktinformationsblattes nach § 4 VVG-InfoV gemacht. Ein Vermittler, der, hiervon ausgehend, die Abarbeitung des Produktinformationsblattes dokumentiert, dürfte damit i.d.R. den Sinn und Zweck des § 61 Abs. 1 erfüllen, nämlich dem Kunden die Informationen vermitteln, die dieser für eine eigenständige, fundierte Entscheidung benötigt.
B. Spezielle Kommentierung I. Tatbestandsvoraussetzungen von § 61 Abs. 1 1. Befragungspflicht des Vermittlers Der Versicherungsvermittler hat den VN zu befragen und zu beraten. Demgegenüber 6 hat der Vermittler nach dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 3 Vermittlerrichtlinie die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden anzugeben. Dies bedeutet zunächst nur, dass der Vermittler die Wünsche und Bedürfnisse, soweit sie ihm vom Kunden oder auf andere Weise bekannt werden, dokumentieren muss.5 Macht der Kunde jedoch von sich aus keine oder nur unzureichende Angaben, so wird das Ziel der Vorschrift, im Interesse des Kunden eine sachgerechte Beratung durch einen Versicherungsvermittler zu erreichen, verfehlt.6 In der Praxis wird der Vermittler sich stets durch eine Befragung des Kunden die für eine bedarfsgerechte Beratung notwendigen Auskünfte beschaffen. Es entspricht daher den Interessen sowohl der Vermittler als auch der Kunden, eine Befragungspflicht der Vermittler festzulegen, was jedoch nicht auf die generelle Pflicht zur Erstellung einer
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allgemeinen Risikoanalyse hinauslaufen soll.7 Im Ergebnis soll die bereits entwickelte Rechtsprechung kodifiziert werden.8 Die gleichen Grundsätze enthält § 6 für den VR, wenn dieser den VN direkt berät. 7 Nimmt der VR für die Vermittlung von VV die Dienste von (gebundenen) Versicherungsvertretern in Anspruch, so erfüllt der Versicherungsvertreter gleichzeitig die Pflichten des VR nach § 6 Abs. 1 S. 1.9 Er handelt aufgrund des Vertretervertrages mit dem VR für und gegen diesen (§§ 164, 166 BGB) – einer gesetzlichen Regelung bedarf es insoweit nicht.10 Demgegenüber wird der Versicherungsmakler nicht als Vertreter des VR, sondern als 8 Sachwalter für den VN tätig.11 Der VR darf jedoch im Falle der Zwischenschaltung eines Versicherungsmaklers davon ausgehen, dass dieser seine ihm gegenüber dem VN obliegende Frage- und Beratungspflicht erfüllt.12 Aus diesem Grunde ist es in diesen Fällen nicht erforderlich, auch dem VR eine entsprechende Frage- und Beratungspflicht aufzuerlegen, wie § 6 Abs. 6 klarstellt. Dies gilt auch, wenn der Vertrag über einen Versicherungsberater zustande kommt, weil auch dieser der Frage- und Beratungspflicht nach § 61 Abs. 1 unterliegt. Einer ausdrücklichen Klarstellung im Gesetz bedarf es insoweit nicht.13 Etwas anderes gilt aus der Sicht des VR für Gelegenheitsvermittler nach § 34d Abs. 9 Nr. 1 GewO, da diese der Frage- und Beratungspflicht nicht unterworfen sind (§ 66). Ansonsten sorgen §§ 61 Abs. 1, 6 Abs. 1 für den Gleichlauf der Frage- und Beratungs9 pflicht, einerseits der Vermittler und andererseits der VR. 2. Anlassbezogene Beratung
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Eine Pflicht, den Kunden nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, soll nur insoweit bestehen, als aufgrund der konkreten Umstände für den Versicherungsvermittler ein erkennbarer Anlass dazu besteht.14 Hierunter ist keine eingehende Ermittlungs- und Nachforschungstätigkeit zu verstehen, sondern es soll lediglich eine angabenorientierte Beratung sichergestellt werden.15 Hinsichtlich des Anlasses werden als Kriterien beispielsweise die Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, die Person des VN und dessen Situation genannt.16 Der Umfang der Verpflichtung des Versicherungsvermittlers richtet sich zum einen 11 nach Art, Umfang und Komplexität des konkreten Versicherungsproduktes, d.h. danach, ob es sich bei der vom VN gewünschten Versicherung um ein einfaches Standardprodukt, wie z.B. eine Hundehaftpflichtversicherung, oder einen komplizierten Vertrag, wie z.B. eine Lebensversicherung, handelt.17 Zum anderen ist maßgeblich, inwieweit der Kunde bereit und vor allem in der Lage ist, seine Bedürfnisse und Wünsche klar zu benennen. Bei klar artikulierten, begrenzten Wünschen des Kunden können Befragung und Beratung auf ein Minimalmaß reduziert sein.18 Auch Informationen, die sich dem Vermittler in der konkreten Vermittlungssituation aufdrängen, muss er berücksichtigen. Wenn es also um eine Hausratversicherung geht und dem Vermittler i.S.d. Kunden weit überdurchschnittliche Wertgegenstände auffallen, hat er auf die Gefahr einer möglichen 7 8 9 10 11 12
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Unterdeckung hinzuweisen.19 Andererseits muss der Vermittler von sich aus keine allgemeine Risikoanalyse durchführen und z.B. nach dem Bestehen einer Berufsunfähigkeitsversicherung fragen, wenn er vom Kunden wegen einer Hausratversicherung kontaktiert wird.20 Ein Anlass zur Befragung, Beratung und Dokumentation wird regelmäßig nur für den Versicherungsvermittler bestehen, der den Kundenkontakt hat, nicht etwa zusätzlich für einen „Obervermittler“. Bei derartigen Vermittlungsketten besteht ohnehin nur eine Pflicht, die in der Kette weitergegeben wird.21 Damit hat sich – gegen die Kritik des Bundesrates22 – das Modell der anlassbezogenen Beratung durchgesetzt. Dieses Modell wurde zuvor bereits in der Rechtsprechung entwickelt.23 Der BGH hat im Jahre 1981 wie folgt formuliert: Es kann „nicht Sache des VR und der für ihn handelnden oder verhandelnden Personen sein, umfangreiche Befragungen durchzuführen, um festzustellen, ob für den VN möglicherweise eine andere als die beantragte Versicherungsart vorteilhafter ist; er wird vielmehr nur dann aufklären müssen, wenn er erkennen oder mit der nahe liegenden Möglichkeit rechnen muss, dass der Antragsteller aus mangelnden versicherungsrechtlichen oder versicherungstechnischen Kenntnissen nicht die für ihn zweckmäßigste Vertragsgestaltung gewählt hat.“24 Aus der Perspektive der Versicherungsvermittlerrichtlinie, die von einer grundsätzlichen Beratungspflicht ausgeht, sind diese vom BGH entwickelten Grundsätze heute umzudrehen. Für den Vermittler besteht immer Anlass darüber nachzudenken, ob wegen der Schwierigkeit der angebotenen Versicherung oder wegen der Unerfahrenheit der Person des VN ein Anlass für eine Beratung besteht. Generell wird man sagen können, dass bei schwierigen, komplexen Versicherungsprodukten, wie Lebensversicherungen, Berufsunfähigkeitsversicherungen, Krankenversicherungen aber auch Gebäudeversicherungen oder Gewässerschadenshaftpflichtversicherungen schon aufgrund der Komplexität und Schwierigkeit des Produktes eine (widerlegliche) Vermutung dafür spricht, dass ein Anlass für die Befragung und Beratung des VN besteht.25 Im Unterschied zu früher müssen die VN vor Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages daher nicht nur in besonderen Konstellationen26, sondern stets befragt und beraten werden.27 Eine Frage- und Beratungspflicht hat der Vermittler auch dann, wenn nach der Person des VN und dessen Situation hierfür Anlass besteht. Zu den persönlichen und situativen Umständen zählen vor allem der Wissensstand des Kunden über Geschäfte der vorgesehenen Art, seine persönlichen Verhältnisse (z.B. frei verfügbares Einkommen, Personenstand, Alter, Beruf) sowie sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die erfahrungsgemäß auf einen bestimmten Versicherungsbedarf hindeuten. Maßgeblich ist das Leitbild des durchschnittlichen, verständigen VN. Gegenüber dem besonders schutzbedürftigen VN, der z.B. über keine ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse verfügt28, können gesteigerte Frage- und Beratungspflichten entstehen. Ein Beratungsbedarf ist ohne weiteres erkennbar, wenn der Kunde seine Wünsche und Bedürfnisse, seine persönliche Situation und insbesondere seinen Versicherungsbe19 20 21 22 23 24 25 26
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Fremdfinanzierte Lebensversicherung; OLG Oldenburg 25.6.1997 VersR 1998 220 – Beratung bei ausdrücklicher Nachfrage des VN. Reiff VersR 2007 717; generell für eine anleger- und objektgerechte Beratung Schwintowski VuR 1997 83; zustimmend Mauntel passim. OLG Karlsruhe VersR 1998 486; a.A. OLG Köln 4.10.1990 VersR 1990 1381.
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darf von sich aus darstellt und um einen adäquaten Rat bittet. Das gilt insbesondere auch, wenn der VN konkrete Fragen stellt oder z.B. erklärt: „Ich will rundum abgesichert sein.“29 Geht es für den Vermittler erkennbar um den Abschluss eines ganz konkreten Versicherungsvertrags, z.B. um eine Wohngebäudeversicherung, so besteht regelmäßig kein darüber hinaus gehender Anlass, den VN auch über den Abschluss anderer Versicherungsverträge (etwa Tierhalterhaftung oder BU) zu befragen.30 Etwas anderes gilt dann, wenn der Vermittler Grund zur Annahme hat, dass der VN außerhalb des genannten Anlasses weiteren Beratungsbedarf hat, etwa weil der Vermittler merkt, dass der (möglicherweise junge und unerfahrene) VN offenbar den allerersten Versicherungsvertrag abschließt.31 Aufklärung und Beratung schuldet der Vermittler jedenfalls dann, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass sich der VN in einem offensichtlichen Irrtum befindet. Erkennt der Vermittler, dass der VN in zentralen Punkten (Deckungsumfang/Obliegenheiten) falsche Vorstellungen hat oder muss er mit der nahe liegenden Möglichkeit eines derartigen Irrtums rechnen, so muss er den Irrtum korrigieren.32 Dies gilt erst recht, wenn der Vermittler den Irrtum selbst hervorgerufen hat.33 Ganz generell kann man sagen, dass es überhaupt keinen Versicherungsvertrag gibt, bei dem Beratung völlig ausgeschlossen werden kann. Selbst bei einem hoch standardisierten Produkt wie der Kfz-Haftpflichtversicherung kann es sein, dass der Vermittler, der erkennt, dass der VN offenbar aus dem asiatischen Teil der Türkei stammt, Anlass hat, ihn zu fragen, ob er beabsichtigt, mit dem Auto auch in diesen Teil zu fahren, für den es nur dann Versicherungsschutz gibt, wenn dies ausdrücklich zusätzlich vereinbart wird. Umgekehrt gibt es Fälle, in denen eine längere Geschäftsbeziehung zwischen dem Vermittler und dem VN besteht, sodass der Vermittler weiß, dass der VN über bestimmte Versicherungsverträge gut informiert ist und insoweit kein Anlass für eine weitere vertiefende Beratung und Befragung besteht. Berät der Vermittler den VN, so schuldet er in jedem Fall eine sorgfältige und ordnungsgemäße Beratung, auch wenn sich später herausstellt, dass gar kein Anlass für die Beratung bestand.34 In diesen Fällen haftet der Vermittler für falsche Beratung und Aufklärung nach § 63 sowie nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB. Schließlich sind in der Rechtsprechung Frage- und Beratungspflichten bei erkennbarer Verfehlung des Versicherungszwecks anerkannt, wenn der Vermittler also weiß oder wissen muss, dass der vom VN beantragte Versicherungsschutz seinen individuellen Versicherungsbedarf zu verfehlen droht.35 Wünscht der Kunde für eine bestimmte Lebenssituation eine umfassende Sicherung, so muss der VV, der später zustande kommt, diesen Anforderungen genügen, es sei denn, auf wesentliche Deckungslücken ist klar und unmissverständlich hingewiesen worden. Vergisst der Vermittler bei Abschluss einer Gebäudeversicherung, dass das vom Heizöltank ausgehende Anlagerisiko noch nicht abgedeckt ist, so steht er dafür ein.36 Ebenso muss der Inhaber eines Rohrreinigungsservices 29
30 31 32
OLG Frankfurt/M 30.1.2002 NVersZ 2002 400; LG Bochum 20.11.1997 RuS 2000 85; OLG Köln 14.1.1993 VersR 1993 1385. Looschelders/Pohlmann/Baumann § 61 Rn. 8. Ähnlich Looschelders/Pohlmann/Baumann § 61 Rn. 8. BGH 9.5.1951 BGHZ 2 87, 90; BGH 20.6.1963 BGHZ 40 22; OLG Köln 4.10.1990 VersR 1990 1381, 1382; OLG Hamm 14.6.1991 VersR 1992 49, 50.
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BGH 28.10.1963 NJW 1964 244, 245; OLG Hamm 23.11.1983 VersR 1984 853, 854. BGH 28.10.1963 NJW 1964 245; KG Berlin VersR 2007 731; LG Flensburg 26.5.1995 RuS 1995 350; LG Köln 25.11.1992 RuS 1993 229. BGH 9.10.1974 VersR 1975 77, 78; OLG Köln 12.6.1986 RuS 1986 273; 9.3.1999 RuS 1999 272, 274. OLG Köln 14.1.1993 RuS 1993 134, 135.
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bei Abschluss einer Haftpflichtversicherung darauf hingewiesen werden, dass die für sein Unternehmen im Zentrum stehenden Schäden durch Abwasser gerade nicht eingeschlossen sind.37 Schließt ein VN eine private Krankenversicherung in der Absicht ab, sich bei Heilpraktikern behandeln zu lassen, so muss der Vermittler darauf hinweisen, dass solche Leistungen im angestrebten Vertrag nur eingeschränkt erstattet werden.38 Das Gleiche gilt, wenn der VN für sein Kfz Haftpflichtversicherungsschutz ab Zulassung ausdrücklich wünscht, durch den abgeschlossenen Vertrag aber nicht bekommt.39 Im Dachdeckergewerbe ist es üblich, Gerüste an Dritte zu vermieten. Wenn das hieraus resultierende große Haftpflichtrisiko in der üblichen Betriebshaftpflichtversicherung nicht eingeschlossen ist, so muss der Vermittler darauf ausdrücklich hinweisen.40 Wenn ein türkischer VN eine Kfz-Versicherung nimmt, so muss darauf hingewiesen werden, dass die Deckung auf Europa beschränkt ist und somit den asiatischen Teil der Türkei nicht einschließt.41 Bei einem Deutschen, der eine Ausbildungsstelle im asiatischen Teil der Türkei hatte, wurde die Hinweispflicht mangels erkennbaren Anlasses verneint.42 Verlangt der VN eine hinreichende Gebäude- und Feuerversicherung, so ist der VN 20 grundsätzlich selbst dafür verantwortlich, dass er die richtige Versicherungssumme nennt. Wenn diese Versicherungssumme aber nur schwer zu bestimmen ist, etwa weil sie nach dem Gebäudewert von 1914 bestimmt wird, verlangt der BGH, dass der Vermittler oder sein Vertreter den VN auf die Problematik hinweist und berät.43 Bei pflichtwidriger und schuldhafter Falschberatung oder bei ganz unterlassener Aufklärung ist es dem Vermittler verwehrt, sich im Schadensfalle auf eine Unterversicherung zu berufen.44 Bittet der Inhaber eines freistehenden, eingerichteten, aber zurzeit nicht betriebenen, Hotels um umfassenden Versicherungsschutz, so muss der Vermittler, der nur den üblichen Versicherungsschutz anbietet, darauf hinweisen, dass – hier nahe liegende – Vandalismusschäden nicht mitversichert sind. Das gilt auch dann, wenn der Vermittler selbst nicht bereit gewesen wäre, seinen Vertrag auf Vandalismusschäden auszudehnen, weil sich der VN bei Kenntnis dieser Sachlage von anderer Seite evtl. ein Angebot hätte einholen können.45 Ist wegen Veräußerung einer Gaststätte eine zuvor mitversicherte Kegelbahn plötzlich 21 nicht mehr mitversichert, so muss der Vermittler hierauf hinweisen.46 Unter Umständen muss sich der VN ein Mitverschulden anrechnen lassen. Bei einer Gebäudeversicherung muss der Vermittler über den Unterschied zwischen Neuwertversicherung und Zeitwertversicherung und den daraus resultierenden Versicherungssummen aufklären, weil diese Zusammenhänge für den versicherungstechnischen Laien nicht auf der Hand liegen.47 In diesen Zusammenhang gehören auch falsche Angaben von Vermittlern. Macht ein 22 Vertreter schuldhaft falsche Angaben über die steuerliche Abzugsfähigkeit von Lebensversicherungsprämien als betriebliche Ausgaben, so steht der VR für den daraus ent-
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OLG Köln 12.6.1986 RuS 1986 273. OLG Köln 21.3.1991 VersR 1991 1279, 1280. OLG Köln 29.4.1997 VersR 1998 180. BGH 9.10.1974 VersR 1975 77, 78. OLG Stuttgart 8.3.1993 Schaden-Praxis 1993 188; OLG Innsbruck 13.12.1990 VersR 1992 600; OLG Köln 30.8.1990 RuS 1990 400 (Kunde müsse beweisen, dass er Versicherungsschutz auch für den asiatischen Teil gewünscht habe); großzügiger OLG Frank-
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furt/M. 20.11.1997 VersR 1998 1103, das schon aus dem Umstand eine Aufklärungspflicht des VR annahm, dass die VN türkische Staatsangehörige war. OLG Koblenz 6.3.1998 ZfS 1998 261. BGH 7.12.1988 VersR 1989 472 = NJW-RR 1989 410. Römer VersWissStud, Bd. 11, 23, 29. OLG Karlsruhe 5.11.1992 VersR 1994 1169. OLG Köln 3.6.1993 RuS 1994 185, 186. OLG Köln 12.11.1996 RuS 1997 30.
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stehenden Schaden ein.48 Weiß der Lebensversicherer, dass die Finanzierung eines Realkredits durch eine Lebensversicherung, angesichts der bei Vertragsabschluss bestehenden Zinssituation, unweigerlich zu einem Verlust führen muss, so hat er den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.49 Regt ein Vertreter die Überführung der Kfz-Versicherung für den Zweitwagen der Ehefrau auf den Ehemann an, so ist auf die Versicherungslücke bei Schäden hinzuweisen, die die Ehefrau mit dem Zweitwagen am Fahrzeug des Ehemannes verursacht.50 Der Vertreter hat vor allem auch dann auf Schutzlücken im VV hinzuweisen, wenn er selbst, wegen seines eigenen Provisionsinteresses, die Verlagerung der Feuer- und HausratV von der Eigentümerin des Anwesens auf deren zweiten Ehemann anregt.51 Eine Fehlberatung liegt auch dann vor, wenn der Vermittler mit der nahe liegenden 23 Möglichkeit eines Irrtums bei dem VN rechnen muss.52 Eine solche nahe liegende Möglichkeit ist z.B. dann anzunehmen, wenn sich der VN umfassend durch Abschluss einer Kasko-, Haftpflicht- oder Insassenunfallversicherung absichern will, sich aber zu Risikoausschlüssen nicht äußert, weil er sie offenbar nicht erkannt hat.53 Falsche Vorstellungen des VN können sich auch aus einem offensichtlich verfehlten Versicherungsantrag ergeben.54 Der Vermittler ist auch dann zur Aufklärung berufen, wenn der VN nicht nur unzutreffende, sondern auch unklare Vorstellungen hat, die sich aus geäußerten Zweifeln ergeben können.55 Ein VN, der erkennbar sofortigen Deckungsschutz anstrebt, muss darüber aufgeklärt werden, dass er dieses Ziel mit dem Einreichen eines Antrags auf Abschluss der Versicherung nicht erreichen kann.56 3. Wünsche und Bedürfnisse
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Wenn und soweit Anlass besteht, hat der Vermittler den VN nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und daran anschließend einen Rat zu geben. Im ersten Schritt sind also die (subjektiven) Wünsche des Kunden und im zweiten Schritt seine (objektiven) Bedürfnisse zu erforschen. Wie Vermittler dies tun sollen, wird ihnen vom Gesetzgeber nicht gesagt. Während die Ermittlung der Wünsche des Kunden noch verhältnismäßig einfach ist 25 (ich möchte für mein Alter vorsorgen, meinen Hausrat versichern oder meine Hinterbliebenen absichern), werden die Dinge auf der Ebene der objektiven Bedürfnisprüfung sehr viel schwieriger. Auf dieser Ebene muss eine Risikoanalyse durchgeführt werden. Der hier verwendete Begriff Risikoanalyse ist nicht identisch mit demjenigen, den der Gesetzgeber in der Begründung des Gesetzes verwendet hat.57 Dort heißt es: „Andererseits muss der Vermittler von sich aus keine allgemeine Risikoanalyse durchführen und z.B. nach dem Bestehen einer Berufsunfähigkeitsversicherung fragen, wenn er vom Kunden
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OLG Hamm 10.4.1987 VersR 1987 623; ähnlich OLG Karlsruhe 19.1.1995 VersR 1996 1001, 1002. BGH 9.7.1998 NJW 1998 2898 = VuR 1998 415 m. Anm. Schwintowski. OLG Stuttgart 18.4.1986 NJW-RR 1986 904. OLG Düsseldorf 22.5.1962 VersR 1963 56, 58. BGH 20.6.1963 VersR 1963 768, 769 = NJW 1963 1978, 1979.
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OLG Frankfurt/M. 14.3.1985 VersR 1987 579; ähnlich OLG Hamm 23.11.1983 VersR 1984 853, 854. BGH 28.10.1963 VersR 1964 36 = NJW 1964 244. OLG Oldenburg 25.6.1997 VersR 1998 220. BGH 15.3.1978 VersR 1978 457. BTDrucks. 16/1935, S. 24.
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Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers
§ 61
wegen einer Hausratversicherung kontaktiert wird.“ Eine solche allgemeine Risikoanalyse, die womöglich in einem financial planning, also einer umfassenden Analyse aller wirtschaftlichen Risiken des VN münden würde, ist nicht gemeint. Es geht bei der objektiven Bedürfnisprüfung um eine spezifische Risikoanalyse, also eine solche, mit deren Hilfe der Kundenwunsch – z.B. nach einer Hausratversicherung oder Krankenversicherung – umgesetzt werden kann. In einem ersten Grobraster ist zu klären, ob der Kundenwunsch in eine sinnvolle Risikoanalyse überführt werden kann. Wünscht der Kunde Absicherung gegen alle Risiken des Lebens, so kommt der Vermittler nicht weiter. Er muss durch Rückfragen zunächst klären, welche Risiken des Lebens der Kunde meint, z.B. das Risiko des Todes oder des Kreditausfalls oder des Einbruchs oder der Haftung für verursachte Schäden. Erst, wenn durch Rückfragen der Kundenwunsch präzisiert ist, kann in eine Feinrisikoanalyse übergegangen werden. Diese wird mit allgemeinen Daten über die Person des Kunden beginnen, die sein Alter, seine Berufsausbildung, sein Einkommen, seinen Familienstand, seine Vermögensverhältnisse, seinen Wohnsitz, seine Lebensziele abbilden und wird dann übergehen in eine produktbezogene Risikoanalyse, die stark vom angestrebten Versicherungsschutz (Lebens-, Renten-, Kranken-, Unfall-, Haftpflicht-, Sachversicherung) abhängt und die mitgeprägt ist von den Produktangeboten auf dem Markt. Risikoanalysen von Maklern müssen völlig anders aussehen als Risikoanalysen von gebundenen Vertretern. Ein gebundener Vertreter kann nur das Produkt oder die Produkte anbieten, die der VR oder die VR, an die er gebunden ist, zur Verfügung stellen. Nur darauf kann sich die Risikoanalyse beziehen. Demgegenüber müssen Makler, die über einen objektiven und ausgewogenen Marktüberblick verfügen, in einem sehr umfassenden Sinne objektivierte Bedürfnisse abfragen, um dann, aufgrund der Vielzahl der bestehenden Angebote, den VR herauszufiltern, der dem spezifischen Bedürfnis des Kunden mit seinem Produkt am nächsten kommt. Das kann ein gebundener Vertreter nicht leisten. Für ihn besteht keine Beratungspflicht im Hinblick auf Konkurrenzangebote. Der gebundene Vermittler hat den VN nur insoweit zu beraten und aufzuklären, als er für ein bestimmtes Risiko Versicherungsschutz anbietet.58 Weder die Vermittlerrichtlinie noch der deutsche Gesetzgeber geben für die spezielle Risikoanalyse irgendwelche Hinweise. Allerdings sind Versicherungsmakler nach der Rechtsprechung des BGH verpflichtet, einen „individuellen und passenden Versicherungsschutz zu besorgen.“59 Sie müssen bei der Frage, welche Deckungsmöglichkeiten der Markt für den VN bereithält, das Risiko identifizieren und bewerten.60 Andererseits ist wegen der Breite des Marktes die Entwicklung von unternehmensneutralen Risikoanalysebögen ein „schwieriges Unterfangen“.61 Deshalb entstand im Arbeitskreis Vermittlerrichtlinie62 der Gedanke, standardisierte Beschreibungen eines Versicherungsschutzes zu entwickeln, der bestimmte Mindeststandards enthielt. Die Mindeststandards erfassen ausdifferenzierte Marktangebote; sie werden als gegeben vorausgesetzt, sodass sich eine differenzierte Befragung in diesem Bereich erübrigt.63 Die Risikoanalysebögen
58
59
BTDrucks. 16/1935, S. 24 zu § 42c a.F.; zum früheren Recht OLG Saarbrücken 14.4.1999 VersR 1999 1367; OLG Hamm 25.11.1994 VersR 1995 1345. BGH 22.5.1985 BGHZ 94 356 = VersR 1985 930 Sachwalter.
60 61 62
63
Wie hier Beenken/Sandkühler 71. Beenken/Sandkühler 71. Diesem Arbeitskreis gehörten neben dem Verfasser verschiedene Mitglieder von Maklerverbänden an. Beenken/Sandkühler 71.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
bieten dem Makler zwei Vorteile: „Die systematische Erfassung der Kundenrisiken und zum anderen die daraus resultierende Haftungsminimierung.“64 Da die Risikoanalysebögen nicht zwischen dem informierten und dem weniger informierten Kunden unterscheiden (können), ist in der Risikoanalyse das Merkmal der Komplexität automatisch berücksichtigt.65 Beenken/Sandkühler66 weisen zutreffend darauf hin, dass die Risikoanalyse in der 30 Praxis unterschiedlich ausfallen wird. Während der gebundene Vertreter lediglich prüfe, ob im Angebot seines VR ein oder mehrere zu den Wünschen und dem Bedarf passende Verträge und Tarife vorhanden sind, müsse der Mehrfachvertreter unter Umständen – in Abhängigkeit von seiner gegenüber dem Kunden kommunizierten Beratungsgrundlage –, bereits mehrere VR mit ihren Leistungen vergleichen. Für den Makler bieten die Risikoanalysebögen die Möglichkeit, den passenden Versicherungsschutz aus einem breiten Marktangebot für den Kunden zu finden und damit seine Sachwalterfunktion zu realisieren. Risikoanalysebögen können, so Beenken/Sandkühler, als Anlage zur Beratungsdoku31 mentation verwendet werden.67 Der Kunde kann auf diese Weise genau nachvollziehen, welche Angaben er gemacht hat und warum es daraufhin zu einer bestimmten Empfehlung gekommen ist. Auf diese Weise konkretisieren Risikoanalysebögen die objektive Bedürfnisprüfung und vermitteln dem Kunden jene Informationsgrundlage, die er benötigt, um eine privatautonome Sachentscheidung für oder gegen ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu treffen.68 4. Verhältnis zwischen Beratungsaufwand und Prämie
32
Zwischen dem Beratungsaufwand und der aufgrund des VV zu leistenden Prämie soll, so die Begründung des Gesetzgebers, ein angemessenes Verhältnis gewahrt werden.69 Regelmäßig werde es sich bei einer geringen Prämienhöhe um ein wenig komplexes Standardprodukt handeln. So werde z.B. die Vermittlung eines einfachen Standardproduktes mit einer jährlichen Prämie von 60 € meist keine langwierige Beratung erfordern. Auch bei Versicherungen mit einer niedrigen Prämie könne jedoch ein erhöhter Beratungsaufwand aufgrund der übrigen, in § 61 genannten, Kriterien erforderlich sein.70 Im Gegensatz zur Vermittlerrichtlinie soll somit die Beratung nach dem deutschen 33 VVG auch „unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom VN zu zahlenden Prämie“ stehen. Eine solche Einschränkung ist überraschend, weil sie den Umfang der Beratungspflicht von der Gegenleistung, nämlich der dem VR zufließenden Prämie, abhängig macht. Überträgt man diese Denkweise etwa auf einen Kaufvertrag, so würde dies bedeuten, dass der Verkäufer einer geringwertigen Sache – etwa eines Bleistifts oder eines preiswerten Medikaments, den Käufer nicht darauf aufmerksam machen muss, dass der Stift wegen giftiger Beimischungen in der Karbonmine gerade zurückgerufen wurde oder, dass das Medikament Nebenwirkungen schwerster Art hat. Eine solche Reduktion von Rechtspflichten aus der Perspektive der Gegenleistung ist dem allgemeinen Schuldrecht fremd. Reiff verweist zutreffend darauf, dass es Versicherungsprodukte mit sehr niedrigen Prämien aber gefährlichen Deckungs64 65 66 67 68
Beenken/Sandkühler 71. Beenken/Sandkühler 71. Beenken/Sandkühler 71. Beenken/Sandkühler 71. Vertiefend und weiterführend auch zu um-
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69 70
fassenden Risikoanalysen Beenken/Sandkühler 72 ff., 74 Ziff. 3.4.5. BTDrucks. 16/1935, S. 24. BTDrucks. 16/1935, S. 24.
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Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers
§ 61
lücken gibt. Als Beispiel verweist er auf Reisekrankenversicherungen mit einer Nachleistungsklausel von 28 Tagen.71 Richtig ist, dass einfache und verständliche Produkte nur einen geringen Beratungs- 34 aufwand verursachen und folglich preiswert angeboten werden können. Will ein Vermittler demgegenüber ein kompliziertes Kombiprodukt verkaufen, so wird er nicht umhin kommen, den Beratungsaufwand in seine Preisgestaltung einzubeziehen. Das bedeutet, der Beratungsaufwand richtet sich nach dem Produkt und dessen Komplexität und nicht nach der zu zahlenden Prämie. Genauso ist auch die Vermittlerrichtlinie konzipiert – die entgegenstehende Einschränkung des deutschen Gesetzes erweist sich als europarechtswidrig und nichtig.72 Auch der Bundesrat hat darauf hingewiesen, dass relativ preisgünstige Versicherungen für den einzelnen VN erhebliche finanzielle Risiken mit sich bringen können, ohne dass diesen ein entsprechender Nutzen gegenüberstünde. Das Kriterium eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der zu zahlenden Prämie sei daher häufig nicht sachgerecht und solle aus dem Gesetz gestrichen werden. Es solle besser an die Risiken des Auftraggebers angeknüpft werden.73 Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung vom 30.8.200674 darauf hingewiesen, dass die Höhe der Prämie lediglich eines von mehreren Kriterien sei. Wenn anlassbezogen ersichtlich sei, dass Beratungsbedarf bestehe, dann müsse dem auch Rechnung getragen werden. Das Kriterium der Prämienhöhe sei wichtig, um zu verhindern, dass bei einfachen Produkten ein unverhältnismäßiger Beratungs- und Dokumentationsaufwand betrieben werden müsse, der die Prämienhöhe um ein Vielfaches übersteige. Das bedeutet, dass auch nach Meinung der Bundesregierung immer dann Beratung 35 geschuldet ist, wenn dies der jeweilige Anlass mit sich bringt. Das ist allerdings ohnehin selbstverständlich, sodass der Hinweis auf die Prämienhöhe letztlich leer läuft. 5. Rat Weiterhin muss der Vermittler die Gründe für seinen Rat angeben, den er dem Kunden 36 hinsichtlich einer bestimmten Versicherung erteilt.75 Dies setzt voraus, dass der Vermittler zunächst den von ihm erteilten Rat angibt. Ein Bedürfnis dafür, eine entsprechende Angabepflicht gesetzlich festzulegen, ist nicht ersichtlich; auch die Richtlinie sieht dies nicht vor.76 Der anzugebende Rat wird sich in erster Linie auf den vom Vermittler angebotenen VV beziehen. Die Pflicht zur Angabe der Gründe gilt aber auch für jeden weiteren Rat, den der Vermittler zu einer bestimmten Versicherung erteilt.77 Der Umfang der Angaben bestimmt sich u.a. auch nach dem Schwierigkeitsgrad, also der Vielschichtigkeit und Verständlichkeit des angebotenen Versicherungsproduktes.78 Die anzugebenden Gründe werden sich nach dem jeweiligen Vermittlertyp unterscheiden.79 Ein Vermittler, der ausschließlich einen VR vertritt, muss nur über das Produkt dieses Unternehmens informieren und braucht nicht zu begründen, warum er einen VV mit diesem Unternehmen vorschlägt. Dagegen ist beim Versicherungsmakler die Entscheidung für einen bestimmten VR für den Kunden ein wesentlicher Punkt, weshalb der Versicherungsmakler seine Empfehlung v.a. unter dem Aspekt des Verhältnisses von Preis/Leistung einschließlich aller anderen für den Kunden relevanten Kriterien genau begründen muss.80
71 72 73 74 75
Reiff 81. Wie hier Römer VersR 2006 740, 743. BRDrucks. 303/06 16.6.2006 S. 9. BTDrucks. 16/2475, S. 5 f. BTDrucks. 16/1935, S. 24.
76 77 78 79 80
BTDrucks. 16/1935, S. 24. BTDrucks. 16/1935, S. 24. BTDrucks. 16/1935, S. 24. BTDrucks. 16/1935, S. 24. BTDrucks. 16/1935, S. 24.
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§ 61
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
6. Dokumentation Der Vermittler hat die Beratung sowie die Gründe für jeden, zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat nach § 61 Abs. 1 S. 2 zu dokumentieren. Zeitpunkt und Form der Dokumentation ergeben sich aus § 62. Die Dokumentation hat die Komplexität des angebotenen Vertrages zu berücksichtigen. Der Hinweis auf die Komplexität des angebotenen VV meint, dass die Dokumentation die Komplexität des Produktes widerspiegeln muss. Wünscht der Kunde eine schlichte Teilkaskoversicherung für sein Auto, so genügt bei der Dokumentation der Hinweis auf diese Tatsache – was eine Teilkaskoversicherung ist, was sie im Regelfall umfasst. Das wissen die Kunden, die Gerichte und die sonstigen Beteiligten im Versicherungsrecht. Wünscht der Kunde dagegen eine umfassende Altersvorsorge, so muss die Dokumentation diesen Wunsch und die daraus resultierenden objektiven Bedürfnisse widerspiegeln. Wie weit die Dokumentation die Risikoanalyse aufnehmen muss, ist eine bisher offene Frage. Sinnvoll erscheint es, die Risikoanalyse der Dokumentation beizufügen, damit später im etwaigen Deckungs- und/oder Haftungsprozess die Frage leicht zu klären ist, welche Fragen im Beratungsgespräch erörtert wurden und welche nicht.81 Die Dokumentation muss den wesentlichen Gang des Beratungsgesprächs wieder38 geben, andernfalls ist sie als Beweis- und Legitimationsgrundlage für den Rat, der gegeben wurde, nicht geeignet. Verbreitet ist folgende Dokumentationsstruktur: – Name und Anschrift dessen, der die Dokumentation vorgelegt hat – Ort und Datum der Beratung – Personen, die anwesend waren – Vollständige Statusinformation (§ 11 VersVermV) – Anlass des Beratungsgesprächs – Wünsche und Bedürfnisse des Kunden – Risikoanalyse/Risikobewertung – Rat/Empfehlung – Entscheidung des Kunden – insbesondere Gründe, warum Kunde dem Rat nicht oder nur eingeschränkt folgt – Unterschrift von Kunde und Vermittler82 Die Dokumentation ist dem Kunden auszuhändigen. Sie ist Grundlage des vermittel39 ten Vertrags und damit Teil der gegenseitigen Willensbildung – mehr also als die Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB. Die Dokumentation ergänzt mithin den Antrag und ist zu Auslegungszwecken, etwa bei der Frage, ob ein offener oder verdeckter Dissens vorliegt (§§ 154, 155 BGB), heranzuziehen. Aus diesem Grunde teilt die Dokumentation das Schicksal des Gesamtvertrages, sie ist folglich so lange aufzubewahren, wie die gesamten Vertragsunterlagen. Es wäre deshalb nicht sinnvoll, auf die Dokumentation die Aufbewahrungsvorschriften für Handelsbriefe (6-jährige Aufbewahrungspflicht: § 257 Abs. 4 HGB) anzuwenden.83 Die Dokumentation hat in Papierform (Textform) zu erfolgen (§ 62 Abs. 1). Sie kann ergänzend elektronisch archiviert werden.
37
81 82
Ähnlich Beenken/Sandkühler 72. Die Dokumentation muss nach der Richtlinie zwar nicht unterschrieben werden – die Unterschrift ist aber zweckmäßig – sie erhöht den Beweiswert.
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83
Ähnlich Looschelders/Pohlmann/Baumann § 61 Rn. 24.
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II. Beratungs- und Dokumentationsverzicht (§ 61 Abs. 2) § 61 Abs. 2 eröffnet die Möglichkeit, durch Vereinbarung auf die Beratung oder die 40 Dokumentation nach Abs. 1 oder auf beides zusammen zu verzichten. Um dem Kunden den Verzicht bewusst vor Augen zu führen, muss die Verzichtserklärung zum Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung in einem eigenen Dokument gemacht und vom Kunden unterschrieben werden.84 Der Kunde ist dabei vom Vermittler ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des VN auswirken kann, gegen den Vermittler einen Schadensersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen. Mit Sinn und Zweck der Richtlinie ist es, so der Gesetzgeber in der Begründung, vereinbar, dem VN als mündigem Verbraucher die Möglichkeit einzuräumen, unter diesen besonderen Bedingungen auf seine Rechte zu verzichten.85 Die bloße Verweigerung von Auskünften auf Befragung durch den Vermittler stellt keinen solchen Verzicht dar; allerdings beschränken sich in diesem Fall die Pflichten des Vermittlers und seine Haftung auf das vom VN ausdrücklich gewünschte Versicherungsprodukt, da eine weitergehende Beratungspflicht in diesem Fall mangels Anlasses nicht besteht.86 Mit diesem Hinweis weist der Gesetzgeber in die richtige Richtung. Ein Kunde, der nicht 41 beraten werden will, z.B. weil er ein ganz bestimmtes Versicherungsprodukt von einem ganz bestimmten VR zu erwerben wünscht, muss keinen Beratungsverzicht erklären. Vielmehr wird die Tatsache, dass der VN bestimmte Wünsche und Bedürfnisse hat, die einer weiteren Beratung nicht bedürfen, dokumentiert. Auf diese Weise erfüllt der Vermittler seine Beratungs- und Dokumentationspflicht in vollem Umfang – er geht also kein Haftungsrisiko ein. Gleichzeitig erhält der VN das Versicherungsprodukt, das er wünscht, ohne weitere Beratung. Ein darüber hinausgehender Beratungs- und Dokumentationsverzicht, wie ihn § 61 42 Abs. 2 vorsieht, ist in der Vermittlerrichtlinie nicht vorgesehen. Dies bedeutet, dass die Vermittlerrichtlinie davon ausgeht, dass die jeweiligen Wünsche und Bedürfnisse des Kunden dokumentiert werden. So wird beispielsweise dokumentiert, dass der Kunde ein ganz bestimmtes Versicherungsprodukt von einem ganz bestimmten VR wünscht und keine weitere Beratung mehr benötigt. Ein solcher „Beratungsverzicht“ ist etwas anderes als der Beratungsverzicht, der im deutschen VVG in § 61 Abs. 2 formuliert ist. Nach deutschem Recht ist es möglich, dass ein Kunde auf die Beratung verzichtet, obwohl er – wie der Vermittler durch die Befragung feststellen würde – Beratung braucht. Ein Kunde, der nicht erkennt, dass er Beratung benötigt, würde dies im Beratungsgespräch, wie es nach der Vermittlerrichtlinie vorgesehen ist, erfahren. Findet ein solches Beratungsgespräch nicht statt, so wird der Kunde verzichten, weil er nicht weiß, was er tut. Dieses Konzept des von der Dokumentation losgelösten, eigenständigen Beratungsverzichts, kann von Vermittlern – gelegentlich hört man den Hinweis auf Strukturvertriebe – dazu ausgenutzt werden, dem Kunden zunächst einmal das Formular mit dem Beratungsverzicht vorzulegen, weil man auf diese Weise das viele Kleingedruckte, das für den Kunden doch ohnehin unverständlich sei, zur Seite legen könne. In Ermangelung einer Dokumentation wird der Kunde Schwierigkeiten haben, diesen Sachverhalt bei späteren Haftungsprozessen zu beweisen. Der Vermittler wird vortragen, der Kunde habe den Beratungsund Dokumentationsverzicht gewünscht, weil die Zeit für ein umfassendes Beratungsgespräch zu knapp gewesen sei. Dies bedeutet, dass ein Beratungsverzicht nach § 61 Abs. 2 dazu führen kann, dass Kunden, die eine Beratung benötigen, auf sie verzichten, ohne die 84 85
BTDrucks. 16/1935, S. 24. BTDrucks. 16/1934, S. 24/25.
86
BTDrucks. 16/1935, S. 25.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
Folgen und Wirkungen ihres Verzichtes hinreichend übersehen zu können. Der Gesetzgeber bietet geradezu einen Anreiz zur Umgehung der Beratung und Dokumentation, indem suggeriert wird, ein Kunde, der eine separate Verzichtserklärung unterschreibe und dabei darauf hingewiesen werde, dass dies haftungsrechtliche Nachteile für ihn haben könne, wisse in jedem Falle, was er tue. Eine solche gesetzliche Verzichtskonzeption ist mit der Vermittlerrichtlinie nicht mehr 43 zu vereinbaren. Dabei ist es nicht so, dass die Vermittlerrichtlinie womöglich den mündigen Kunden bevormundet. Denn auch nach der Vermittlerrichtlinie kann der Kunde jederzeit auf eine weitergehende Beratung verzichten. Dieser vom Kunden gewünschte Beratungsverzicht und die Begründung dafür werden nach der Konzeption der Vermittlerrichtlinie dokumentiert, sodass bei einem späteren Haftungsprozess jederzeit nachweisbar ist, aus welchem Grunde der Vermittler den Kunden über andere alternative VV nicht beraten hat. Umgekehrt vermeidet die Vermittlerrichtlinie einen Beratungsverzicht in den Fällen, in denen das Beratungsgespräch ergibt, dass der Kunde sehr wohl Beratungsbedarf hat, diesen zunächst aber nicht erkannte. Die über dieses auf Stärkung der Privatautonomie des Kunden bedachte, an Informationstransparenz anknüpfende, Dokumentationsmodell der Richtlinie hinausgehende, Verzichtsmodell des deutschen Rechtes ist nach Meinung des überwiegenden Schrifttums europarechtswidrig.87 Der Beratungs- und Dokumentationsverzicht nach § 61 Abs. 2 passt zum Berufsbild 44 des Versicherungsmaklers nicht. Der Versicherungsmakler ist Sachwalter und Interessenvertreter des Kunden, er schuldet ihm gegenüber angemessene und hinreichende Beratung – der Beratungsverzicht kann nur eine extreme Ausnahme, etwa dann sein, wenn der Kunde vom Makler einen ganz bestimmten VV, womöglich von einem bestimmten VR haben will, der Makler ihn darauf hinweist, dass nach seiner Meinung etwas „Besseres am Markt“ zu haben sei, der Kunde aber dennoch auf der Vermittlung gerade seines Wunschvertrages besteht. Für diesen Fall kann die Verzichtserklärung sinnvoll sein, um dem Kunden deutlich vor Augen zu führen, dass der Beratungsverzicht für ihn zugleich haftungsrechtlich negative Folgen hat. Noch besser wäre es in diesem Fall, wenn der Makler die Vermittlung des Vertrages ganz ablehnen würde. Der Makler, der in einer solchen Situation einen Dokumentationsverzicht vom Kunden verlangt, sollte ergänzend dokumentieren, warum er auf der Verzichtserklärung bestanden und damit seine Sachwalterrolle verlassen hat. Ganz grundsätzlich gilt aber, dass der Beratungs- und Dokumentationsverzicht zur 45 Rolle des Maklers als Sachwalter des Kunden nicht passt. Zugleich folgt daraus, dass ein Beratungs- und Dokumentationsverzicht bei Vermittlung durch einen Makler zwar keinen Beratungsfehler indiziert, aber doch im Wege einer (widerleglichen) Vermutung einen solchen nahe legt. Dies bedeutet, dass ein Makler, der von seinem Kunden einen Beratungs- und Dokumentationsverzicht entgegennimmt, damit zugleich gegen das Rollenverständnis eines Maklers verstößt und nunmehr seinerseits Sachgründe dafür vortragen muss, die den Beratungs- und Dokumentationsverzicht ausnahmsweise einmal rechtfertigen. Die Rechtfertigung liegt regelmäßig nicht darin, dass der Kunde seine Versicherungssachen durch den Makler erledigen lässt. Für Fälle dieser Art ist die Maklervollmacht das geeignete Mittel. Der Kunde bevollmächtigt seinen Makler, Erklärungen für ihn gegenüber dem VR abzugeben und anzunehmen. Der Makler ist folglich Stellvertre-
87
Ebers VersWissStud 26, 123, 145; Römer VersR 2006 740; ders. VuR 2007 94, 95; Langer/Rosenow Liber amicorum Stauder
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195, 214; Dörner/Staudinger WM 2006 1710, 1711; Schwintowski ZRP 2006 139, 141.
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Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers
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ter des Kunden (§§ 164, 166 BGB). Die Kenntnisse und das Wissen des Maklers werden dem Kunden wie eigene Kenntnisse und eigenes Wissen zugerechnet. Es bedarf folglich keines Dokumentations- und Beratungsverzichtes, denn über die Maklervollmacht ist der Kunde im Rechtssinne umfassend informiert. Der Beratungs- und Dokumentationsverzicht ist demgegenüber mit der Rolle des Ver- 46 sicherungsvertreters, der nicht im Lager des VN, sondern auf der Seite des VR steht, eher zu vereinbaren. Aber auch er muss, wie jeder Vermittler, dafür sorgen, dass dem VN vor Abgabe von dessen Vertragserklärung die vorgeschriebenen Mitteilungen nach § 7 i.V.m. VVG-InfoV übermittelt werden.88 Der VR wird deshalb im Vertretervertrag eine entsprechende Verpflichtung des Vertreters festlegen.89 Für die Versicherungsmakler wird dies in der Praxis in den üblichen Rahmenabkommen zwischen VR und Maklern bestimmt.90 Auf die Mitteilungen nach § 7 kann der VN nicht verzichten. Das gilt selbst dann, wenn der Vertrag auf Verlangen des VN telefonisch oder unter Verwendung eines anderen Kommunikationsmittels geschlossen wurde. In diesen Fällen muss die Information unverzüglich nach Vertragsschluss nachgeholt werden. Dies gilt auch, wenn der VN durch eine gesonderte schriftliche Erklärung auf eine Information vor Abgabe seiner Vertragserklärung ausdrücklich verzichtet (§ 7 Abs. 1 a.E.). Zu den Informationen, die der Vermittler dem VN nach der VVG-InfoV zu geben hat, 47 gehört auch das Produktinformationsblatt (§ 4 VVG-InfoV). Dieses Produktinformationsblatt enthält diejenigen Informationen, die für den Abschluss oder die Erfüllung des VV von besonderer Bedeutung sind. Auf dieses Produktinformationsblatt muss der Vermittler den Kunden in jedem Falle hinweisen – auch, wenn der Kunde einen Beratungsund Dokumentationsverzicht unterschrieben hat. Das bedeutet, dass auch der Vertreter über grundlegende Strukturmerkmale des VV informiert – im Zweifel durch Aushändigung des Produktinformationsblattes. In dieser Situation wäre es nahe liegend zu dokumentieren, dass der Kunde eine weitergehende Beratung über das Produktinformationsblatt unter Einbeziehung der AVB nicht wünscht, weil er das Produkt kennt oder weil er im Augenblick für vertiefte Informationen keine Zeit hat und diese später nachholen möchte. Damit wäre geklärt, warum ein Kunde, der über die Grundstruktur des VV ohnehin informiert wird, weitergehende Beratung nicht will. Auch aus der Perspektive eines Versicherungsvertreters, der nur die Produkte des von ihm vertretenen VR anbieten kann, leuchtet es deshalb nicht ein, einen Beratungs- und Dokumentationsverzicht zu vereinbaren, daneben aber die (vielfältigen) Informationspflichten des § 7 und der VVGInfoV zu erfüllen. Das Informationsmodell des § 7 verträgt sich nicht mit einem Dokumentations- und Beratungsverzicht, wie er in § 61 Abs. 2 vorgesehen ist, und zwar nicht nur aus der Perspektive eines Versicherungsmaklers, sondern auch aus derjenigen eines Versicherungsvertreters. Insoweit muss hinzugefügt werden, dass auch der partielle Informationsverzicht, wie in § 7 Abs. 1 eröffnet, mit den europarechtlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren ist.91 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 12 Abs. 1 Fernabsatzrichtlinie II ausdrücklich besagt, dass der Verbraucher auf die ihm durch die Richtlinie eingeräumten Rechte nicht verzichten kann. Auch Art. 36 Abs. 1 der Lebensversicherungsrichtlinie sieht keine Verzichtsmöglichkeit vor. Mit Blick auf die hier gemeinten Verzichtsmöglichkeiten liegt schließlich keine Entmündigung des Verbrauchers vor. Er kann nämlich im Rahmen der Dokumentierung erklären, warum er ein ganz bestimmtes Produkt von einem ganz bestimmten VR ohne weitere Beratung erwerben will. 88 89 90
BTDrucks. 16/3945, S. 59. BTDrucks. 16/3945, S. 59. BTDrucks. 16/3945, S. 59.
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Wie hier Dörner/Staudinger WM 2006 1710, 1712; Schimikowski RuS 2007 133, 136.
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§ 62
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
§ 62 Zeitpunkt und Form der Information (1) Dem Versicherungsnehmer sind die Informationen nach § 60 Abs. 2 vor Abgabe seiner Vertragserklärung, die Informationen nach § 61 Abs. 1 vor dem Abschluss des Vertrags klar und verständlich in Textform zu übermitteln. (2) 1Die Informationen nach Absatz 1 dürfen mündlich übermittelt werden, wenn der Versicherungsnehmer dies wünscht oder wenn und soweit der Versicherer vorläufige Deckung gewährt. 2In diesen Fällen sind die Informationen unverzüglich nach Vertragsschluss, spätestens mit dem Versicherungsschein dem Versicherungsnehmer in Textform zu übermitteln; dies gilt nicht für Verträge über vorläufige Deckung bei Pflichtversicherungen.
Schrifttum Reiff Das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts, VersR 2007 717; Römer Zu ausgewählten Problemen der VVG-Reform nach dem Referentenentwurf vom 13. März 2006 (Teil 1), VersR 2006 740.
Übersicht Rn. A. I. II. B.
Einführung . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung Spezielle Kommentierung . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
Rn.
1 1 2 3
I. Tatbestandsvoraussetzungen von § 62 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsvoraussetzungen von § 62 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 9
A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1
Mit § 62 wird Art. 13 Vermittlerrichtlinie umgesetzt. Hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem die Mitteilungen und Angaben dem Kunden spätestens übermittelt werden müssen, orientiert sich die Umsetzung an der Vorgabe in Art. 12 Abs. 1 und 3 der Vermittlerrichtlinie.1
II. Inhalt und Zweck der Regelung 2
Um dem Zweck der Richtlinie zu entsprechen, den VN in die Lage zu versetzen, das Vertragsangebot zu beurteilen und seine Entscheidung in Kenntnis der wesentlichen Umstände zu treffen, bevor er seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung abgibt, wird für die Angaben nach § 60 Abs. 2 (Hinweis auf die eingeschränkte Beratungsgrundlage) vorgeschrieben, dass die Information vor Abgabe der Vertragserklärung des VN erfolgen muss.2 Für die Beratungs- und Dokumentationspflicht nach § 61
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BTDrucks. 16/1935, S. 25.
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BTDrucks. 16/1935, S. 25.
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Zeitpunkt und Form der Information
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Abs. 1 bleibt es entsprechend der Richtlinie dabei, dass diese dem VN erst bei Vertragsschluss zur Verfügung stehen muss. Eine Vorverlegung bereits auf den Zeitpunkt der Abgabe der Vertragserklärung durch den Kunden würde die Versicherungsvermittler vor eine praktisch kaum lösbare Aufgabe stellen, da diese ständig umfassende Materialien für alle von ihnen vermittelten Versicherungsprodukte bei sich führen müssten, um diese dem Kunden gegebenenfalls bei Abgabe einer Vertragserklärung geben zu können.3
B. Spezielle Kommentierung I. Tatbestandsvoraussetzungen von § 62 Abs. 1 Der Vermittler ist zur Dokumentation in Textform (§ 126b BGB) verpflichtet. Damit wird dem Formerfordernis des Art. 13 Abs. 1a Vermittlerrichtlinie Rechnung getragen.4 Die Dokumentation muss klar und verständlich sein. D.h. unter anderem, dass sie in deutscher oder in einer anderen von den Parteien vereinbarten Sprache erfolgen muss.5 Das entspricht den Vorgaben von Art. 13 Abs. 1b und c Vermittlerrichtlinie. I.d.R. wird der Vermittler die Daten in einem Schriftstück dokumentieren und sich den Empfang durch Unterschrift des Kunden bestätigen lassen.6 Es ist zu erwarten, dass von der Praxis jedenfalls für den Normalfall Beratungsprotokolle in Formularform entwickelt werden. Auf gesetzliche Vorgaben für solche Formulare wird in Anbetracht der sich ständig ändernden Produkte verzichtet.7 Hinsichtlich des Zeitpunktes, für den die Mitteilungen und Angaben dem Kunden spätestens übermittelt werden müssen, orientiert sich die Umsetzung an der Vorgabe in Art. 12 Abs. 1 und 3 Vermittlerrichtlinie.8 Die Angaben, mit denen die Vermittler dem VN mitteilen, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage sie ihre Leistung erbringen (§ 60 Abs. 2), müssen vor Abgabe der Vertragserklärung des VN erfolgen. Dies entspricht der Übermittlung der Informationspflichten nach § 7. Demgegenüber muss die Dokumentation der Beratung nicht schon vor Abgabe der Vertragserklärung, sondern erst vor Abschluss des Vertrags übermittelt werden.9 Der Gesetzgeber verweist darauf, dass eine Vorverlegung bereits auf den Zeitpunkt der Abgabe der Vertragserklärung durch den Kunden die Versicherungsvermittler vor eine praktisch kaum lösbare Aufgabe stellen würde, da diese ständig umfassende Materialien für alle von ihnen vermittelten Versicherungsprodukte bei sich führen müssten, um diese dem Kunden gegebenenfalls bei Abgabe einer Vertragserklärung geben zu können.10 Es entspreche der allgemeinen Praxis, dass der Kunde zum Zeitpunkt seiner Vertragserklärung in zusammengefasster Weise über das Versicherungsprodukt informiert werde. In Anbetracht der Befragungspflicht des Versicherungsvermittlers sei der Kunde hinreichend geschützt, wenn er die vollständigen Unterlagen erst zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erhalte, die ihm dann als Grundlage zur Geltendmachung etwaiger Rechte dienten.11 Die Hinweise des Gesetzgebers auf die praktischen Schwierigkeiten für die Versicherungsvermittler sind nur schwer nachzuvollziehen. Es geht in § 61 Abs. 1 nicht um die 3 4 5 6 7 8
BTDrucks. 16/1935, S. 25. BTDrucks. 16/1935, S. 25. BTDrucks. 16/1935, S. 25. BTDrucks. 16/1935, S. 25. BTDrucks. 16/1935, S. 25. BTDrucks. 16/1935, S. 25.
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BTDrucks. 16/1935, S. 25, dazu kritisch Reiff VersR 2007 717; zustimmend Römer VersR 2006 740. BTDrucks. 16/1935, S. 25. BTDrucks. 16/1935, S. 25.
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Vertragsbestimmungen und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Insoweit wäre es nahe liegender gewesen, die Übermittlung der Materialien auf den Zeitpunkt vor Abschluss des VV zu verschieben. Tatsächlich hat der Gesetzgeber aber in § 7 festgelegt, dass die Vertragsbestimmungen und die AVB vor Abgabe der Vertragserklärung des VN diesem zu übergeben sind. Das bedeutet, dass der Versicherungsvermittler, der im Vorfeld nicht weiß, welchen VV der Kunde möglicherweise abschließen möchte, in der Tat alle von ihm vermittelten Versicherungsprodukte bei sich führen muss. Ob er das in Papier leisten kann oder ob es in Zeiten der modernen Informationstechnik möglicherweise sinnvoller ist, das Ganze über eine CD zu bewältigen, sei dahingestellt. Wieso ein Vermittler, der sämtliche Vertragserklärungen und AVB zu dem vermittelten Vertrag dem Kunden ohnehin zur Verfügung stellen muss, die Dokumentation des Beratungsgespräches erst später, nämlich bei Vertragsschluss zur Verfügung zu stellen hat, ist schwer nachzuvollziehen. Gerade die Dokumentation des Rates, den der Vermittler dem Kunden erteilt, ist für diesen besonders wichtig. Auf der Grundlage dieses Rates und der Argumente pro und contra soll der Kunde seine (informierte) Entscheidung für die ihn bindende Vertragserklärung treffen. Wenn er seine Vertragserklärung aber abgibt, obwohl er die Dokumentation mit dem Rat des Vermittlers nicht in den Händen hält, so kann er eine einmal gegebene verbindliche Vertragserklärung nur noch schwer korrigieren – er muss den Vertrag später widerrufen. Die Vermittlerrichtlinie enthält keine differenzierenden Zeitpunkte zwischen den In7 formationen, die dem Kunden vor Abgabe seiner bindenden Vertragserklärung zu geben sind. Auch dies spricht dafür, dem Kunden vor allem die Dokumentation vor Abgabe der Vertragserklärung auszuhändigen. Nach dem Wortlaut des § 62 Abs. 1 ist die Dokumentation vor dem Abschluss des 8 Vertrages klar und verständlich in Textform zu übermitteln. Gemeint ist, dass sie spätestens vor dem Abschluss des Vertrages vorzuliegen hat. Im Normalfall ergibt sich aber aus der Notwendigkeit einer sachgerechten und fehlerfreien Beratung, dass der Kunde die ihn bindende Vertragserklärung unter Berücksichtigung des schriftlich dokumentierten Rates des Vermittlers abgibt. Man wird aus § 62 Abs. 1 unter Berücksichtigung der gesetzlichen Begründung folgern können, dass ein Vermittler dem Kunden die schriftliche Dokumentation jedenfalls dann vor Abgabe von dessen Vertragserklärung auszuhändigen hat, wenn dies für den Vermittler ohne Schwierigkeiten möglich ist. Nur dann, wenn der Vermittler technische Probleme hat, auf die die gesetzliche Begründung hinweist, ist es ihm (ausnahmsweise) erlaubt, die schriftliche Dokumentation vor Abschluss des Vertrages nachzureichen.
II. Tatbestandsvoraussetzungen von § 62 Abs. 2 9
Wenn der Kunde es wünscht, dürfen die Angaben statt in Textform auch mündlich übermittelt werden. Die inhaltlichen Anforderungen an die Information bleiben ohne Einschränkung bestehen.12 Die mit einer mündlichen Übermittlung verbundenen Einschränkungen des Kundenschutzes erscheinen bei Wunsch des Kunden und – über Art. 13 Abs. 2 der Vermittlerrichtlinie hinausgehend – nicht generell bei Vereinbarung einer Sofortdeckung, sondern nur bei Gewährung einer vorläufigen Deckung, notwendig und sachlich gerechtfertigt.13
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Die Übermittlung der Informationen in Textform ist in diesen Fällen unverzüglich 10 nach Vertragsschluss, spätestens mit Übermittlung des Versicherungsscheins, nachzuholen, sofern der VN nicht nach § 60 Abs. 3 oder § 61 Abs. 2 verzichtet hat. Beide Verzichtsmöglichkeiten könnten allerdings europarechtswidrig sein und folglich keine Rechtswirkungen entfalten. Nach § 62 Abs. 2 S. 3 ist die Übermittlung in Textform nicht nachzuholen, soweit es 11 sich um eine vorläufige Deckungszusage im Rahmen einer Pflichtversicherung handelt. Da nach der Rechtsprechung schon eine Deckungskarte einen eigenständigen Vertrag darstellt, wäre ansonsten die Dokumentation für die Deckungskarte und dann nochmals für den „Folgevertrag“ zu erstellen.14 Auch nach Sinn und Zweck des Art. 13 Abs. 2 der Vermittlerrichtlinie muss aber aufgrund der engen Verknüpfung der beiden Verträge eine einmalige Dokumentation in Fällen von Pflichtversicherungen ausreichen.15 Die vorläufige Deckung wird sich dabei ohnehin regelmäßig auf das gesetzlich erforderliche Mindestmaß beschränken.16 Diese Regelungen korrespondieren mit § 49 Abs. 1, wonach vereinbart werden kann, dass dem VN die Vertragsbestimmungen und die Informationen nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 nur auf Anforderung und spätestens mit dem Versicherungsschein vom VR zu übermitteln sind. In solchen Fällen werden die AVB, die der VR zu diesem Zeitpunkt für den vorläufigen Versicherungsschutz üblicherweise verwendet, bei Fehlen solcher Bedingungen die für den Hauptvertrag vom VR verwendeten Bedingungen, Vertragsbestandteil (§ 49 Abs. 2).
§ 63 Schadensersatzpflicht 1 Der
Versicherungsvermittler ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Versicherungsnehmer durch die Verletzung einer Pflicht nach § 60 oder § 61 entsteht. 2Dies gilt nicht, wenn der Versicherungsvermittler die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
Schrifttum Abram Schützt das neue Recht den Versicherungsnehmer gegen Folgen einer Pflichtverletzung seines Versicherungsvermittlers? VersR 2008 724; Armbrüster Zur Verantwortung für die Festlegung des bedarfsgerechten Versicherungswertes in der Gebäudeversicherung, VersR 1997 931; Dörner/Staudinger Kritische Bemerkungen zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts 2006 1710; Herzog Kapitalversicherungsbetrug? Grenzen und Möglichkeiten des strafrechtlichen Verbraucherschutzes, VersWissStud Band 26 (2004); Kieninger Aufklärungspflichten bei fremdfinanzierter Lebensversicherung als Kapitalanlage, NVersZ 1999 118; Kindhäuser Strafrecht- Besonderer Teil II – Straftaten gegen Vermögensrechte (2008); Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. (2006) (zit. LPK-StGB); Küper Strafrecht Besonderer Teil, 5. Aufl. 2002; Lorenz Die „gewohnheitsrechtliche“ Erfüllungshaftung des Versicherers im bisherigen und im zukünftigen Versicherungsvertragsrecht, FS Canaris 2007 757; Römer culpa in contrahendo; Versicherungsrecht, VersR 1998 1313; Römer/Langheid Versicherungsvertragsgesetz VVG Kommentar, 2. Aufl. (2003); Rüffer/Halbach/Schimikowski Versicherungsvertragsgesetz – Handkommentar (2009); Schönke/Schröder/Cramer Kommentar zum StGB, 27. Aufl. 2006; Schwintowski Umfang
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des Versicherungsschutzes bei Aushändigung der Doppelkarte, VuR 2007 31; Schwintowski/Ebers Lebensversicherung – stille Reserven – Überschussbeteiligung, ZVersWiss 2002, 393; Schwintowski Vertragsverletzung, Anlageberatung, Lebensversicherung, VuR 1997 83; Tiedemann Wirtschaftsbetrug (1999).
Übersicht Rn. A. I. II. B.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . Kommentierung der Tatbestandsmerkmale des § 63 . . . . . . . . . . . . . I. Abgrenzung zur gewohnheitsrechtlichen Erfüllungshaftung . . . . . . . . . . . II. Pflichtverletzungen des Versicherungsmaklers nach § 60 . . . . . . . . . . . 1. Verletzung einer Pflicht nach § 60 Abs. 1 S. 1 . . . . . . . . . . . . . 2. Verletzung einer Pflicht nach § 60 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 2 . . . . . . 3. Verschulden . . . . . . . . . . . . . 4. Schaden . . . . . . . . . . . . . . .
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Rn. III. Pflichtverletzungen der Versicherungsvermittler nach § 61 . . . . . . . . . . . 1. Beratungsverzicht . . . . . . . . . . . 2. Verletzung der Dokumentationspflicht 3. Verletzung der Beratungspflicht . . . . IV. Fallgruppen für Beratungsfehler . . . . . 1. Deckungsumfang . . . . . . . . . . . 2. Vorläufige Deckung . . . . . . . . . . 3. Kfz-Versicherung . . . . . . . . . . . 4. Haftpflichtversicherung . . . . . . . . 5. Weitere Versicherungszweige . . . . . 6. Krankenversicherung . . . . . . . . . 7. Lebensversicherung . . . . . . . . . . IV. Strafrechtliche Relevanz von Beratungsfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1
Erstmals enthält das deutsche VVG eine Norm, die den Versicherungsvermittler – also nicht nur den Makler wie bisher – zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem VN durch die Verletzung einer Pflicht nach § 60 (Beratungsgrundlagen) oder nach § 61 (Dokumentations- und Beratungspflicht) entsteht. Die Schadensersatzpflicht des Vermittlers ist ausgeschlossen, wenn der Vermittler die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. 2 Mit § 63 wird Art. 8 Abs. 3 Vermittlerrichtlinie umgesetzt, wonach die Mitgliedstaaten angemessene Sanktionen für den Fall vorsehen, dass ein Versicherungsvermittler nationale Rechtsvorschriften nicht einhält, die aufgrund dieser Richtlinie erlassen wurden.
II. Inhalt und Zweck der Regelung 3
Im Interesse des Schutzes der VN muss eine Sanktion für den Fall vorgesehen werden, dass der Vermittler eine ihm im Zusammenhang mit seiner Beratungstätigkeit nach den §§ 60, 61 obliegende Pflicht schuldhaft verletzt.1 Hierfür bietet es sich an, dem VN einen Schadensersatzanspruch einzuräumen. 4 Adressat der Schadensersatzpflicht ist in erster Linie der Versicherungsmakler, der sich keinen ausreichenden Marktüberblick verschafft hat und deswegen einen für den VN nach der Marktsituation objektiv ungünstigen oder ungeeigneten VV empfiehlt.2 Bei Beratungsfehlern, die auf einer Verletzung der Beratungs- und Dokumentationspflicht 1
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(§ 61) beruhen, sind nicht nur die Versicherungsmakler, sondern auch die (gebundenen) Versicherungsvertreter zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet.3 Durch diese für das deutsche Recht neue Schadensersatzverpflichtung des Versicherungsvertreters entstehen Überschneidungen zum gewohnheitsrechtlichen Erfüllungsanspruch und zur Schadensersatzpflicht des VR nach § 6 Abs. 5, wenn und soweit sich der VR eines Vermittlers bedient. § 63 ist halbzwingend; der Vermittler kann sich also nicht für schuldhaft begangene 5 Beratungsfehler, auch nicht seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB), freizeichnen.4
B. Tatbestandsmerkmale I. Abgrenzung zur gewohnheitsrechtlichen Erfüllungshaftung Das VVG enthält erstmals eine Schadensersatzverpflichtung des Vermittlers bei be- 6 stimmten Informations- oder Beratungsfehlern. Daneben enthält das VVG – ebenfalls erstmals – eine Schadensersatzverpflichtung des VR für den Fall, dass er seine Informations- und Beratungspflichten nach § 6 Abs. 1, 2 oder 4 verletzt (§ 6 Abs. 5). Durch dieses Nebeneinander zweier Schadensersatzansprüche von VR und Vermittlern ist die Frage entstanden, ob die bereits vom Reichsgericht 5 entwickelte und später vom BGH 6 fortgeführte gewohnheitsrechtliche Erfüllungshaftung möglicherweise überwunden ist.7 Diese Frage hat der BGH am 20.6.1963 aus der Perspektive des alten Rechtes ebenfalls gestellt und dahingehend beantwortet, dass es neben der Schadensersatzpflicht des VR aus bestimmten Gründen auch eine Erfüllungshaftung geben müsse.8 Die Gründe, die den BGH bewogen, ein Nebeneinander von Schadensersatzverpflichtung und Erfüllungshaftung anzunehmen, gelten auch für das neue Recht fort – insoweit haben sich die Grundgedanken nicht geändert. Der BGH stellt am 20.6.1963 zunächst einmal fest, dass die Schadensersatzverpflich- 7 tung eines VR wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (heute: § 311 BGB) nicht durch die gewohnheitsrechtlich anerkannte Erfüllungshaftung ausgeschlossen oder eingeschränkt werde. Dies gelte auch dann, wenn der Schadensersatzanspruch des VN darauf gestützt sei, dass der Versicherungsvertreter es schuldhaft unterlassen habe, den VN über den Umfang der Versicherung aufzuklären.9 Die beiden Ansprüche – so führt der BGH fort – haben verschiedene Voraussetzungen, sie führen verschiedene Rechtsfolgen herbei. I.R.d. Erfüllungshaftung müsse der VR den Versicherungsschutz nach den irrigen Vorstellungen des VN gewähren. Der VN könne den VR auch dann in Anspruch nehmen, wenn der VR das Wagnis, über dessen Versicherung sich der VN geirrt habe, nicht versichert hätte und wenn andere VR eine derartige Versicherung ebenfalls abgelehnt hätten. Der VR müsse im Übrigen auch dann Versicherungsschutz gewähren, wenn den Versicherungsvertreter kein Verschulden treffen sollte. Die Haftung des VR sei also streng. Dem entspreche es, dass sie in vollem Umfang wegfalle, wenn den VN ein erhebliches eigenes Verschulden an seinem Irrtum treffe. Die Grundsätze des § 254 BGB seien nicht anwendbar.10 3 4 5 6 7
BTDrucks. 16/1935, S. 25. BTDrucks. 16/1935, S. 26. RG 19.1.1915 RGZ 86 128. BGH 9.5.1951 BGHZ 2 87. Lorenz FS Canaris (2007) 757; Dörner/Staudinger WM 2006 1710.
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BGH 20.6.1963 VersR 1963 768. BGH 20.6.1963 VersR 1963 768, 769 m.w.N. BGH 20.6.1963 VersR 1963 768, 769.
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Der Schadensersatzanspruch habe demgegenüber zur Voraussetzung, dass der Versicherungsvertreter in seiner Eigenschaft als Erfüllungsgehilfe des VR schuldhaft handele und durch dieses Verhalten ein Schaden des VN eintrete. Eine Haftung scheide vor allem aus, wenn der VR eine Versicherung, wie der VN sie sich irrig vorgestellt habe, nicht übernehme und der VN, falls er hierüber aufgeklärt worden wäre, auch bei anderen VR eine derartige Versicherung nicht hätte abschließen können oder nicht abgeschlossen hätte. Die Haftung des VR sei also weniger streng. Dem entspreche es, dass eine Haftung des VR nicht in vollem Umfang wegfalle, wenn den VN an seinem Irrtum ein erhebliches eigenes Verschulden treffe. Es ist dann vielmehr § 254 BGB anzuwenden.11 Die gewohnheitsrechtliche Erfüllungshaftung wolle dem VN Rechte gewähren; sie 9 wolle ihn besser stellen als er stünde, wenn ausschließlich die gesetzliche (Schadensersatz-) Regelung gälte. Es bestehe kein Anlass für die Annahme, dass sie ihm Rechte entziehen wolle, die ihm kraft Gesetzes (heute §§ 6, 63) zustünden. Hieran ändere nichts, dass das Reichsgericht den gewohnheitsrechtlichen Satz zu einer Zeit aufgestellt habe, als die Grundsätze über die Haftung aufgrund eines Verschuldens bei Vertragsschluss noch nicht, jedenfalls nicht in dem Ausmaß entwickelt waren, wie sie heute gelten. Liegen also die Voraussetzungen der gewohnheitsrechtlichen Haftung nicht vor, weil den VN ein erhebliches eigenes Verschulden treffe, so schließe dies nicht aus, dass dem VN ein Anspruch auf Schadensersatz zustehe, wenn die Voraussetzungen für die Entstehung eines solchen Anspruchs gegeben seien.12 Diese Grundsätze, die der BGH und die ihm folgende Rechtsprechung der Instanzge10 richtes bis in die neueste Zeit hinein immer wieder bestätigt hat13, gelten auch und gerade nach Inkrafttreten der §§ 6, 63 in vollem Umfang fort. Die nunmehr im VVG geregelten Schadensersatzansprüche gegen den VR und/oder den Vermittler haben im Gegensatz zur Erfüllungshaftung verschiedene Voraussetzungen und führen verschiedene Rechtsfolgen herbei. Der VR steht i.R.d. Erfüllungshaftung für Erklärungen des Vermittlers ein, die dieser, möglicherweise ohne Verschulden, über den Versicherungsumfang abgegeben hat.14 Erklärt der Versicherungsvertreter beispielsweise, der VN habe in einem bestimmten Teil der Welt Versicherungsschutz, so steht der VR für diese Erklärung sowohl nach den Grundsätzen der Erfüllungshaftung als auch nach denjenigen der Augeund-Ohr-Doktrin15 ein. Dies würde selbst dann gelten, wenn der VR in keinem Falle bereit ist, Deckungsschutz für diesen Teil der Welt zu gewähren und wenn dies auch kein anderer VR anböte. Die Tatsache, dass ein an den VR gebundener Vertreter einen bestimmten Deckungsumfang bestätigt, bindet also den VR. Ein Schadensersatzanspruch würde dem VN in diesem Falle nicht weiterhelfen, wenn weder der VR noch der Vermittler schuldhaft gehandelt haben. Hat der VN in diesem Falle vor der Erklärung des Vermittlers bei einer Vielzahl ande11 rer VR und möglicherweise auch Makler Deckungsschutz erbeten und immer den Hinweis erhalten, für diesen Teil der Welt gewähre man keinen Versicherungsschutz, so entfällt die Erfüllungshaftung des VR wegen erheblichen eigenen Verschuldens des VN. Er hätte in dem Moment, in dem der Vermittler ihm den Deckungsschutz für den betreffen-
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BGH 20.6.1963 VersR 1963 768, 769. BGH 20.6.1963 VersR 1963 768. BGH 26.9.2001 NVersZ 2002 64 sowie die Nachweise bei Römer/Langheid 2. Aufl. VVG § 43 Rn. 39. Instruktiv der Fall, den der BGH am 28.10.1963 VersR 1964 36 entschied, wo der
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BGH klarstellte, dass ein falscher Rat des Vertreters der unterlassenen Aufklärung des VN über einen offensichtlich verfehlten Versicherungsantrag gleichstehe. Der BGH hat die Auge-und-Ohr-Doktrin mit Urteil vom 11.11.1987 VersR 1988 234 erstmals begründet und seither vielfach bestätigt.
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den Teil der Welt bestätigte, nachfragen müssen, ob sich der Vermittler wirklich sicher sei, ob sein VR tatsächlich Versicherungsschutz gewähren wolle, obwohl alle anderen von ihm angefragten VR dies nicht täten. Umgekehrt wird ein Schadensersatzanspruch des VN gegen den VR oder den Vermitt- 12 ler durch das Bestehen der gewohnheitsrechtlichen Erfüllungshaftung nicht ausgeschlossen. In dem Fall, den der BGH am 20.6.1963 entschied, ging es um einen Türken, der in Deutschland studierte und sich einen Pkw kaufte, um nach Ankara zu fahren. Die finanzierende Bank, die zugleich die Kfz-Haftpflichtversicherung vermittelte, wies den jungen Mann nicht darauf hin, dass er in der Umgebung von Ankara keinen Versicherungsschutz habe. Der BGH entschied, dass der Vermittler hätte erkennen müssen, dass sich der Türke über den Umfang der Versicherung irrige Vorstellungen macht. Eine derartige Verpflichtung bestehe auch dann, wenn der Vermittler zwar nicht mit Sicherheit zu erkennen brauche, dass der VN sich irrige Vorstellungen mache, er aber mit der nahe liegenden Möglichkeit eines derartigen Irrtums rechnen müsse. Im vorliegenden Fall hätte der Vermittler den jungen Mann darauf hinweisen müssen, dass er nur im europäischen Teil der Türkei, nicht aber in Ankara Versicherungsschutz habe, obwohl er dem Vermittler ausdrücklich erklärt hatte, er wolle mit dem Wagen nach Ankara fahren.16 Zwar könne, so der BGH weiter, der VN in diesem Fall den VR nicht nach den Grundsätzen der Erfüllungshaftung in Anspruch nehmen, weil der Vermittler über den Umfang des Deckungsschutzes gerade nichts erklärt hatte. Der BGH bejahte aber die Haftung des VR aus Verschulden bei Vertragsabschluss (heute § 6 Abs. 5), weil der Versicherungsvertreter als Erfüllungsgehilfe des VR die Verpflichtung schuldhaft verletzt hatte, den VN über den Umfang der Versicherung oder das Bestehen des Risikoausschlusses (kein Versicherungsschutz im außereuropäischen Teil der Türkei) aufzuklären.17 Im Ergebnis kann man deshalb festhalten, dass die Grundsätze der gewohnheitsrecht- 13 lichen Erfüllungshaftung auch nach Inkrafttreten der §§ 6, 63 weiter gelten. Die diese Erfüllungshaftung tragenden Sachgründe bestehen nach wie vor fort. Neben der gewohnheitsrechtlichen Erfüllungshaftung steht die Haftung des VR auf Schadensersatz, wenn er selbst seine Pflichten nach § 6 Abs. 1, 2 und 4 verletzt (§ 6 Abs. 5). Dabei steht der VR für das Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) ein. Der für den VR tätige Versicherungsvertreter ist, wenn er mit dem VN über den Abschluss eines VV verhandelt, zugleich Erfüllungsgehilfe des VR. Neben dieser Haftung des VR steht die eigene Haftung auf Schadensersatz des Vertreters nach § 63. VR und Vertreter haften in einem solchen Falle dem VN als Gesamtschuldner auf Schadensersatz – es steht im Belieben des VN, welchen der Gesamtschuldner er in welchem Umfang in Anspruch nimmt (§§ 421, 426 BGB). Eine hiervon zu trennende Frage ist diejenige, wie der Innenausgleich zwischen VR und Vertreter vorzunehmen ist – insoweit ist auf die Vereinbarungen im Vertretervertrag zu verweisen. Wird der VV über einen Versicherungsmakler vermittelt, so scheidet eine Erfüllungs- 14 haftung des VR für das Verhalten des Maklers aus, weil der Makler Sachwalter und Interessenvertreter des VN, nicht aber Vertreter des VR ist. Zugleich scheidet ein Schadensersatzanspruch des VN gegen den VR wegen Fehlberatung durch den Makler aus, weil der Makler nicht Erfüllungsgehilfe des VR ist. Bei Vermittlung eines VV durch einen Makler gibt es also für den VN „nur“ die Schadensersatzpflicht gegen den Makler nach § 63. Dies ist ein möglicherweise überraschendes, aber konsequentes Ergebnis, das aus der Tatsache resultiert, dass der Versicherungsvertreter quasi als verlängerter Arm des
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VR tätig wird und folglich dieser für Erklärungen des Vertreters wie für eigene einzustehen hat. Eine vergleichbare Beziehung zwischen dem VR und dem Makler gibt es nicht – so gesehen kann es für den VN zu haftungsrechtlichen Nachteilen führen, wenn er sich für die Vermittlung seines VV eines Maklers bedient. Die gleichen Grundsätze gelten für den Fall, dass der VN einen Versicherungsberater (§§ 59 Abs. 4, 68) konsultiert. Auch für diesen steht der VR nicht ein, weil der Versicherungsberater vom VR völlig unabhängig ist.
II. Pflichtverletzungen des Versicherungsmaklers nach § 60 1. Verletzung einer Pflicht nach § 60 Abs. 1 S. 1
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Adressat der Schadensersatzpflicht ist in erster Linie der Versicherungsmakler, der sich keinen ausreichenden Marktüberblick verschafft hat (§ 60 Abs. 1) und deswegen einen für den VN nach der Marktsituation objektiv ungünstigen oder ungeeigneten VV empfiehlt.18 Entscheidend ist, dass der Makler seinem Rat keine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen VV und VR zugrunde gelegt hat. Im Zusammenhang mit § 60 wurde erörtert, dass der Markt nach sachlichen, örtlichen und zeitlichen Kriterien abzugrenzen ist. Hinreichend ist die Zahl der angebotenen Verträge und VR, wenn sie objektiv geeignet ist, nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abzugeben, welcher VV geeignet ist, die Bedürfnisse des VN zu erfüllen. Erteilt der Versicherungsmakler eine Empfehlung ohne ausreichenden Marktüberblick, so ist er noch nicht automatisch schadensersatzpflichtig. Der mangelhafte Marktüberblick muss für den VN zu einem objektiv ungünstigen oder ungeeigneten VV führen – d.h., der mangelnde Marktüberblick muss für den daraus resultierenden Schaden kausal sein. Aus der Tatsache, dass sich der Versicherungsmakler nach § 60 Abs. 1 einen hinrei16 chenden Marktüberblick verschaffen muss und darauf aufbauend erst eine Empfehlung abgeben darf, folgt, dass es an ihm ist, darzutun und zu beweisen, dass die Verletzung der Marktüberblickspflicht beim VN keinen Schaden herbeigeführt hat. Die Verletzung der Marktüberblickspflicht schafft somit einen Anschein (prima facie) aus dem die (widerlegliche) Vermutung der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem beim VN eingetretenen Schaden resultiert. 2. Verletzung einer Pflicht nach § 60 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 2
17
Ein Makler, der auf eine eingeschränkte VR- und Vertragsauswahl hinweist (§ 60 Abs. 1 S. 2), ist einer Haftung dann ausgesetzt, wenn er unrichtige Angaben über die berücksichtigten VR- und VV macht und dem VN durch Abschluss eines für ihn ungünstigen VV ein Schaden entsteht.19 Steht die Verletzung der Informationspflicht des Maklers objektiv fest, so wird die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden (widerleglich) vermutet. Soweit es um den Beweis der Pflichtverletzung geht, können die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Beweislastverteilung nach Gefahren- und Verantwortungsbereichen herangezogen werden.20 Es ist davon auszugehen, dass sich der VN aufklärungsrichtig verhalten hätte.21 Hiervon ausgehend ist es gerechtfertigt, dem Versicherungsmakler die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass
18 19
BTDrucks. 16/1935, S. 25. BTDrucks. 16/1935, S. 25.
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BTDrucks. 16/1935, S. 25/26. BGH Urteil vom 12.5.09 XI ZR 586/07.
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durch die Verletzung seiner Hinweispflichten dem VN kein Schaden entstanden ist. Es ist Sache des Maklers, diejenigen Umstände darzutun und zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass der VN den für ihn ungünstigen VV in jedem Falle geschlossen hätte oder dass der VV in Wirklichkeit gar nicht ungünstig ist. Die Haftung des Versicherungsmaklers entfällt nicht, auch wenn der VN auf die Mit- 18 teilungen und Angaben nach § 60 Abs. 3 durch gesonderte schriftliche Erklärung verzichtet hat. Dieser Verzicht bezieht sich nur auf die Mitteilung der Markt- und Informationsgrundlage sowie der Namen der dem Rat zugrunde gelegten VR. Hat der VN auf diese Hinweise verzichtet, so ändert dies nichts daran, dass der Makler, der auf eine eingeschränkte VR- und Vertragsauswahl hingewiesen hat, verpflichtet ist, mit Blick auf diese generelle Einschränkung keine unrichtigen Angaben zu machen. So wäre es beispielsweise fehlerhaft, wenn der Makler darauf hinweist, dass er mit fünf VR zusammenarbeitet, obwohl es nur zwei sind, mit der Folge, dass der VN einer Empfehlung folgt, die lediglich auf der Auswahl von zwei VR beruht. 3. Verschulden Der Makler haftet dann nicht auf Schadensersatz, wenn er die Pflichtverletzung nicht 19 zu vertreten hat (§ 63 S. 2). Die Beweislast ist im Einklang mit § 280 Abs. 1 BGB geregelt.22 Der Versicherungsvermittler muss dartun, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.23 Diese Regelung trägt insbesondere dem Umstand Rechnung, dass es dem Kunden in der Praxis regelmäßig nicht möglich sein wird, ein Verschulden auf Seiten des zu Beratung und Dokumentation verpflichteten Versicherungsvermittlers nachzuweisen und erleichtert im Interesse des Verbraucherschutzes die Geltendmachung berechtigter Schadensersatzansprüche.24 Von den Regelungen in § 63 kann nicht zum Nachteil des VN abgewichen werden (§ 67). Der Versicherungsvermittler kann sich also nicht für schuldhaft begangene Beratungsfehler, auch nicht seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB), freizeichnen.25 Ein Mitverschulden des VN scheidet in den Fällen fehlerhafter Beratung und Information regelmäßig aus, da es nicht Sache des VN ist, sich selbst zu informieren und zu beraten.26 4. Schaden Der Versicherungsmakler ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem VN durch 20 die Verletzung seiner Hinweispflichten nach § 60 entsteht. Zu fragen ist also, welchen Rat der Versicherungsmakler auf der Grundlage eines hinreichenden Marktüberblicks oder auf der Grundlage einer zutreffend eingeschränkten VR- oder Vertragsauswahl hätte geben müssen. Es besteht die Vermutung, dass sich der VN beratungsrichtig verhalten hätte.27 Der Versicherungsmakler hat also den Schaden zu ersetzen, der sich aus der Differenz zwischen seinem fehlerhaften Rat und einem gedachten zutreffenden Rat ergibt. Es kann sein, dass bei inhaltlich gleichem Deckungsschutz eine günstigere Prämie möglich gewesen wäre, es kann aber auch sein, dass ein Risiko mitversichert gewesen wäre, für das der VN nunmehr im Schadensfall keine Deckung hat. Der Versicherungsmakler schuldet als Schadensersatz den Betrag, den der VR bei Mitversicherung des Risikos
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BTDrucks. 16/1935, S. 25. BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26.
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Ähnlich Looschelders/Pohlmann/Baumann § 63 Rn. 12. BTDrucks. 16/1935, S. 26.
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getragen hätte. Es kann sein, dass die Lücke im Deckungsschutz entdeckt wird, ohne dass ein Schaden eingetreten ist. Der Versicherungsmakler ist dann verpflichtet, für die Schließung der Deckungslücke zu sorgen – die dadurch entstehende möglicherweise höhere Prämie im Vergleich zu derjenigen, die bei Abschluss des Vertrages möglich gewesen wäre, schuldet der Makler dem VN als Schadensersatz.
III. Pflichtverletzungen der Versicherungsvermittler nach § 61 21
Im Falle von Beratungsfehlern, die auf einer Verletzung der Beratungs- und Dokumentationspflicht nach § 61 zur Feststellung und Dokumentation der Wünsche und Bedürfnisse des VN sowie zur Angabe der Gründe für den erteilten Rat beruhen, sind Versicherungsvermittler – also Vertreter und Makler gleichermaßen – zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet.28 1. Beratungsverzicht
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Eine Haftung des Vermittlers entfällt, soweit der VN vor Abschluss des VV nach § 61 Abs. 2 auf eine Beratung verzichtet hat. Dies gilt allerdings nicht, wenn und soweit der Beratungsverzicht selbst durch einen Beratungsfehler hervorgerufen wurde. Dies wird (widerleglich) vermutet, wenn der Vermittler keinen überzeugenden Sachgrund für den Beratungsverzicht dartun kann. Ein solcher Sachgrund besteht jedenfalls nicht in dem Wunsch des Maklers, sich durch eine vorformulierte Vertragsklausel von seiner Haftung völlig freizuzeichnen. In einer solchen Haftungsfreizeichnung liegt objektiv eine Pflichtverletzung.29 Dies bedeutet im Regelfall, dass ein Beratungs- und ein damit verbundener Haftungsverzicht mit der Rolle des Maklers als Sachwalter des VN nicht zu vereinbaren ist. Ein Sachgrund für einen Beratungsverzicht kann aber beispielsweise darin bestehen, dass der VN auf Abschluss eines bestimmten VV besteht, obwohl der Vermittler der Auffassung ist, ein anderer Vertrag wäre für ihn günstiger. Auch Zeitmangel kann ein solcher Sachgrund sein. Ein Gericht, das einen Wegfall der Haftung des Vermittlers wegen des Beratungs- und Dokumentationsverzichts nach § 61 Abs. 2 annehmen will, müsste den Fall allerdings zunächst einmal dem EuGH nach Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorlegen, denn es sprechen eine Vielzahl von Gründen dafür, dass der im deutschen Recht ermöglichte – in der Richtlinie aber nicht vorgegebene – Beratungs- und Dokumentationsverzicht mit den Zielen der Vermittlerrichtlinie nicht zu vereinbaren ist. 2. Verletzung der Dokumentationspflicht
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Der Vermittler ist nach § 61 Abs. 1 S. 2 verpflichtet, die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat zu dokumentieren. Verletzt er diese Dokumentationspflicht, etwa indem er auf die Dokumentation verzichtet oder eine unzureichende Dokumentation erarbeitet, so ist er zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Unzureichend ist die Dokumentation etwa dann, wenn sie die Wünsche oder Bedürfnisse des VN nicht oder nur ansatzweise wiedergibt, wenn der Rat nicht begründet ist oder wenn die Dokumentation die Komplexität des angebotenen VV nicht oder nur ansatzweise widerspiegelt. So muss ein Vertrag, der die Altersvorsorge zum Gegenstand hat – z.B. eine Riester-Rente – nicht nur die steuerlichen Vorteile widerspiegeln,
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sondern auch zu erkennen geben, wie sich der Vertrag in das Gesamtkonzept der Altersvorsorge für den VN einbettet, warum es für ihn also sinnvoll ist, trotz der wahrscheinlich bestehenden gesetzlichen Altersvorsorge einen privaten Baustein hinzuzufügen. In diesem Zusammenhang müsste die Dokumentation auch darauf eingehen, ob der VN schon eine Absicherung i.R.d. betrieblichen Altersvorsorge hat und ob es für ihn eventuell zweckmäßiger ist, an die Stelle der privaten Riester-Rente eine betriebliche RiesterRente zu setzen. Die Dokumentation kann weitgehend standardisiert sein, muss aber auf die individuellen Bedürfnisse des einzelnen VN eingehen. Im Zweifel muss sie durch individuelle Textergänzungen angereichert und vervollständigt werden. Die Dokumentation muss die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden widerspiegeln, sie muss also aus der Perspektive des Kunden entwickelt sein. Aus diesem Grund ist ein Antrag, den der Kunde unterschreibt, nicht zugleich eine Dokumentation. Der Antrag ist das Resultat eines Rats, den der Vermittler i.R.d. Beratungsgespräches aus den Wünschen und Bedürfnissen entwickelt. Die Dokumentation ist dem Antrag gedanklich vorgelagert, wenngleich sie nach § 62 Abs. 1 dem VN nach Antragstellung, aber vor Abschluss des Vertrags, übermittelt werden darf. Fehlt die Dokumentation gänzlich oder ist sie in wesentlichen Teilen lückenhaft, so verletzt der Vermittler seine Rechtspflichten aus § 61. Soweit es um den Beweis dieser Pflichtverletzung geht, können die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Beweislastverteilung nach Gefahren- und Verantwortungsbereichen herangezogen werden.30 Da es Sache des Vermittlers ist, das Beratungsgespräch zu dokumentieren, liegt es bei fehlender Dokumentation oder Lücken in der Dokumentation an ihm, darzutun und zu beweisen, dass die Dokumentation ausnahmsweise – z.B. wegen Dokumentationsverzichtes – hinreichend war. Ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht kann Beweiserleichterungen zugunsten des VN rechtfertigen.31 Fehlt es an einer Dokumentation oder ist die Dokumentation stark lückenhaft, so wird man daraus zugunsten des VN schließen dürfen, dass die Widergabe des Beratungsgespräches, so wie sie der VN vorträgt, zunächst einmal inhaltlich zutreffend ist. Etwas anderes kann gelten, wenn sich der VN in Widersprüche verwickelt und dadurch seinerseits bei der Wiedergabe des Beratungsgespräches unglaubwürdig erscheint. Der Versicherungsvermittler, der die Dokumentationspflicht verletzt, ist beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten entstanden wäre.32 Es besteht die Vermutung, dass sich der VN beratungsrichtig verhalten hätte.33 Der Versicherungsvermittler muss ferner dartun, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.34 Diese Regelung trägt insbesondere dem Umstand Rechnung, dass es dem Kunden in der Praxis regelmäßig nicht möglich sein wird, ein Verschulden auf Seiten des zur Beratung und Dokumentation verpflichteten Versicherungsvermittlers nachzuweisen, und erleichtert im Interesse des Verbraucherschutzes die Geltendmachung berechtigter Schadensersatzansprüche.35 Die Regelung ist nach § 67 halbzwingend; der Versicherungsvermittler kann sich also nicht für schuldhaft begangene Dokumentationsfehler, auch nicht seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB), freizeichnen.36 Ein Vermittler, der nicht nur im Einzelfall, sondern womöglich generell nicht oder nur unzureichend dokumentiert, der durch sein Verhalten also zum Ausdruck bringt, dass er 30 31 32
BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26 unter Hinweis auf die Beratungspflichten, für die Gleiches gilt.
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die ihm nach § 61 auferlegte Dokumentationspflicht nicht einzuhalten gedenkt, riskiert seine Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO. Die bewusste und gewollte Hinwegsetzung über die Dokumentationspflicht nach § 61 ist eine Tatsache, die die Annahme rechtfertigt, dass der Vermittler die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt (§ 34d Abs. 2 GewO). Die IHK hat ihm folglich die Gewerbeerlaubnis zu entziehen. Mit einem solchen Vermittler darf ein VR nach § 80 Abs. 2 VAG mangels Zuverlässigkeit nicht zusammenarbeiten. Andernfalls droht nach § 144 Abs. 1a Nr. 3a VAG ein Bußgeld. Daneben kann die BaFin wegen eines Missstandes nach § 81 Abs. 2 VAG gegen das VU einschreiten. 3. Verletzung der Beratungspflicht
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Der Vermittler ist – ebenso wie der VR nach § 6 Abs. 5 – auch zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem VN durch die Verletzung der Beratungspflicht nach § 61 Abs. 1 S. 1 entsteht. Dies gilt nicht, wenn der Versicherungsvermittler die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Die Norm ist halbzwingend (§ 67). Der Vermittler kann sich also nicht für schuldhaft begangene Beratungsfehler, auch nicht seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB), freizeichnen.37 Eine Haftung des Vermittlers entfällt, soweit der VN vor Abschluss des VV nach § 61 Abs. 2 auf eine Beratung verzichtet hat.38 Dies gilt allerdings nur insoweit, als der Beratungsverzicht selbst nicht auf einer Pflichtverletzung des Vermittlers beruhte und soweit der Beratungsverzicht mit dem Europarecht vereinbar ist. Die Beweislast ist im Einklang mit § 280 Abs. 1 BGB geregelt. Soweit es um den Beweis der Pflichtverletzung geht, können die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Beweislastverteilung nach Gefahren- und Verantwortungsbereichen herangezogen werden.39 Der Versicherungsvermittler, der Beratungspflichten verletzt, ist beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten entstanden wäre.40 Entspricht der VV umgekehrt trotz der Pflichtverletzung den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden, so fehlt es sowohl an der Kausalität als auch am Schaden. Korrigiert der Vermittler seine fehlerhafte Beratung so rechtzeitig, dass dem VN ein angemessener Zeitraum verbleibt, sich anderweitig um Versicherungsschutz zu bemühen, soll dies die Kausalität ausschließen.41 Grundsätzlich besteht die Vermutung, dass sich der VN beratungsrichtig verhalten hätte.42 Der Versicherungsvermittler muss dartun, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.43 Diese Regelung trägt insbesondere dem Umstand Rechnung, dass es dem Kunden in der Praxis regelmäßig nicht möglich sein wird, ein Verschulden auf Seiten des zur Beratung und Dokumentation verpflichteten Versicherungsvermittlers nachzuweisen und erleichtert im Interesse des Verbraucherschutzes die Geltendmachung berechtigter Schadensersatzansprüche.44 Der VN ist so zu stellen, als wäre er nicht falsch beraten – oder im Fall der unterlassenen Beratung – als wäre er richtig beraten worden. Gegenstand des Schadensersatzanspruches ist also das negative Interesse. Der Vertrauensschaden ist – anders als in den Fällen der §§ 122, 179 BGB – der Höhe nach aber nicht auf das Erfüllungsinteresse
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BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 25. BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26.
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LG Köln 5.12.1984 VersR 1985 381. BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26.
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beschränkt.45 Der Vertrauensschaden kann mit dem Erfüllungsinteresse identisch sein, wenn feststeht, dass der VN ohne den Beratungsfehler vollen Versicherungsschutz erhalten hätte.46 Das Gleiche gilt, wenn der VN beweist, dass er den gewünschten Versicherungsschutz bei einem anderen VR zu vergleichbaren Bedingungen erhalten hätte.47 In diesen Fällen kann der VN die Erstattung der bezahlten Prämien verlangen.48 Hätte der VN ohne das schuldhafte Verhalten des Vermittlers einen Vertrag mit einem anderen VR geschlossen, gehört zum negativen Interesse auch der aus diesem Vertrag entgangene Gewinn bzw. die entgangene Versicherungsleistung. Das Erfüllungsinteresse ist zu ersetzen, wenn der Vertrag ohne das Beratungsverschul- 33 den mit dem VR zu günstigeren Bedingungen zustande gekommen wäre.49 Ist der Vertrag infolge des Beratungsfehlers zu ungünstigen Bedingungen zustande gekommen, hält der VN aber gleichwohl am Vertrag fest, gibt ihm die Rechtsprechung einen Anspruch auf Vertragsanpassung. Er kann Herabsetzung seiner Leistung auf das angemessene Maß und Rückzahlung des Mehrbetrages der überzahlten Prämie fordern.50 Ein Mitverschulden des VN ist bei der Haftung des Vermittlers nach § 254 BGB zu berücksichtigen.51
IV. Fallgruppen für Beratungsfehler 1. Deckungsumfang Nach früherer Rechtsprechung52 war der Vermittler nicht generell verpflichtet, auf 34 einen in den AVB enthaltenen Risikoausschluss (Schäden am Kamin und Schornstein in der Gebäudeversicherung ausgenommen) gesondert hinzuweisen und Versicherungsschutz insoweit anzubieten, solange der VN nicht danach fragte. Inzwischen ist der Vermittler i.R.d. Produktinformationsblattes nach § 4 VVG-InfoV verpflichtet, den VN zumindest auf die wichtigsten Risikoausschlüsse hinzuweisen. Weist der Vermittler auf den Risikoausschluss hin, so ist er als Makler und damit Sachwalter verpflichtet zu fragen, ob der VN insoweit Versicherungsschutz benötigt, jedenfalls dann, wenn es VR gibt, die diesen Versicherungsschutz anbieten. Der Vertreter muss auf den Risikoausschluss hinweisen und jedenfalls dann Versicherungsschutz anbieten, wenn dies nach den Bedingungen des von ihm vertretenen VR möglich ist. Eine Frage dieser Art erübrigt sich allerdings, wenn der VN zu verstehen gibt, dass er Umfang und Wirkweise des Risikoausschlusses verstanden hat und an keinerlei weiterem Versicherungsschutz interessiert ist. Das Reisebüro, das nach § 34d Abs. 9 Nr. 1 GewO von der Erlaubnispflicht befreit 35 ist, hat den Reisenden bei einer Reiserücktritts-, Reisegepäck- oder Reisekrankenversicherung nur insoweit zu beraten und aufzuklären, dass überhaupt Versicherungsschutz gewährt wird. Dies ergibt sich nicht aus § 61, da diese Norm nach § 67 auf das Reisebüro nicht anwendbar ist, sondern aus allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts (§§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB). Das Reisebüro braucht nicht darauf hinzuweisen, dass ein Konkurrent ein Risiko versichert, für das es selbst keinen Versicherungsschutz bie-
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BGH 28.10.1977 BGHZ 57 191, 193; BGH 25.5.1977 BGHZ 69 53, 56. OLG Hamm 24.10.1990 VersR 1991 914. OLG Köln 30.8.1990 RuS 1990 325; OLG Frankfurt/M 5.4.1989 VersR 1990 782; OLG Karlsruhe 3.3.1988 VersR 1990 889. OLG Nürnberg 11.11.1993 RuS 1994 81.
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BGH 4.6.1989 BGHZ 108 200; BGH 24.6.1989 NJW 1989 2900. BGH 6.4.2001 NJW 2001 2878. BGH 4.3.1968 VersR 1968 467; OLG Köln 4.10.1990 RuS 1991 113. OLG Hamm 13.11.1992 RuS 1993 108, 109.
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tet.53 Einem Reisebüromitarbeiter ist es nicht zumutbar, den Kunden nach eventuellen schweren Erkrankungen zu fragen, die zur Privatsphäre des Kunden gehören und nach außen nicht erkennbar sind.54 Verwendet ein Vermittler Versicherungsbedingungen, nach denen die Bestimmung des 36 richtigen Versicherungswertes (hier: Versicherungswert 1914) so schwierig ist, dass sie selbst ein Fachmann nur mit Mühe treffen kann, überlässt er aber die Bestimmung dieses Wertes dem VN, so treffen ihn nach Treu und Glauben gesteigerte Hinweis- und Beratungspflichten. Er muss in geeigneter Form auf die Schwierigkeiten der richtigen Festsetzung des Versicherungswertes und auf die Gefahr einer falschen Festsetzung hinweisen. Dazu gehört auch der Hinweis, dass es sich empfehlen kann, einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Der VR kann seiner Hinweispflicht auch dadurch genügen, dass er dem VN eine eigene fachkundige Beratung anbietet.55 Bedient sich der VN bei der Feststellung des Versicherungswertes 1914 eines sachverständigen Dritten, so hat er keinen Anspruch gegen den VR aus Beratungsverschulden, wenn dieser den Wert zu niedrig bestimmt.56 In der Maschinenversicherung ergibt sich die ausreichende Versicherungssumme nicht aus dem Anschaffungspreis, sondern aus dem jeweils gültigen Listenpreis.57 Unterlässt der Versicherungsvertreter es schuldhaft, den Antragsteller auf den Zusammenhang zwischen Versicherungssumme und Versicherungswert hinzuweisen, so hat der VN einen Schadensersatzanspruch aus der so eingetretenen Unterversicherung, muss sich aber möglicherweise einen Mitverschuldensanteil anrechnen lassen.58 War der VN in der Ursprungspolice darüber informiert, was eine Unterversicherung 37 ist, so braucht der Vertreter auch bei Erhöhung der Versicherungssumme nicht noch einmal ausdrücklich auf die Risiken der eigenen Wertermittlung hinzuweisen.59 Das ist anders, wenn bei Vertragsänderung der Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung aufgehoben wird und der Vertreter es unterlässt, den VN darauf hinzuweisen, dass die Ermittlung einer hinreichenden Versicherungssumme erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann.60 Ein Versicherungsvertreter, der einen VN bei der Feststellung und Abdeckung einer Industrie-Unterversicherung berät, muss den VN über die richtige Form und über den gebotenen Umfang der Nachversicherung zutreffend unterrichten.61 Der Vertreter muss den VN nicht auf eine mögliche Unterversicherung hinweisen, wenn diese nach einem Eigentumswechsel daraus entstehen kann, dass der Erwerber anders als der Veräußerer nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist.62 Bei einem Makler kann dies wegen seiner Sachwalterposition anders sein.
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OLG Saarbrücken 14.4.1999 VersR 1999 1367. AG München 12.10.2005 VersR 2006 1492. BGH 7.12.1988 VersR 1989 472 = NJW-RR 1989 410; ähnlich OLG Hamm 14.6.1991 VersR 1992 49; LG Köln 30.9.1992 RuS 1994 187; OLG Karlsruhe 5.11.1992 VersR 1994 1169 = RuS 1994 264; OLG Celle 3.3.1994 VersR 1995 333 = RuS 1994 225; OLG Koblenz 25.10.1996 VersR 1997 1226 = RuS 1997 93; OLG Koblenz 14.1.2000 NVersZ 2000 581 = VersR 2001 51; abgrenzend OLG Frankfurt/M. 12.9.2001 NVersZ 2002 90; OLG Frankfurt/M. 21.11.2001
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NVersZ 2002 272; vertiefend Armbrüster VersR 1997 931. OLG Oldenburg 19.8.1992 VersR 1993 1226; ähnlich AG Köln 15.2.1995 VersR 1996 613. AG Kassel 14.5.1996, RuS 1997 44 = ZfS 1997 19. OLG Köln 12.11.1996, VersR 1997 1530 = VuR 1998 193 m. Anm. Schwintowski. OLG Düsseldorf 17.12.1996, VersR 1998 845 = RuS 1998 290. OLG Hamm 14.7.1995, RuS 1995 389. BGH 28.10.1963 VersR 1964 36 = NJW 1964 244. OLG Köln 12.5.1995 RuS 1995 267.
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Wünscht der Kunde gegenüber dem Versicherungsvertreter, der ihn abzuwerben ver- 38 sucht, einen Versicherungsschutz wie bisher bei seinem alten VR und vermittelt der Vertreter diesen Umfang nicht hinreichend mit der Folge, dass der Kunde bei dem neuen VR einen weniger weit reichenden Versicherungsschutz hat, so haftet der Vermittler aus § 63 auf Schadensersatz, wenn ein Ereignis eintritt, das nach dem alten Vertrag versichert gewesen wäre, nach dem neuen aber nicht versichert ist. Auch der VR, der von seinem Vermittler vertreten wurde, muss in diesem Fall unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes grundsätzlich Deckung gewähren.63 Ermittelt der Vermittler auf ausdrückliche Bitte des VN, die Versicherungssumme so 39 zu wählen, dass das Unternehmen des VN gegen Betriebsunterbrechungsschäden richtig versichert ist, die Versicherungssumme falsch, sodass im Ergebnis eine Unterversicherung eintritt, so haftet er für den daraus entstehenden Schaden.64 2. Vorläufige Deckung Vorläufige Deckung kann für den Fall gewährt werden, dass der VN dem VR einen bestimmten Versicherungsantrag zufaxt. Akzeptiert der VR dieses Verfahren nicht, so muss der Vermittler den VN hiervon unterrichten. Unterlässt der Vermittler dies, so haftet der Vermittler, neben dem VR (§ 6 Abs. 5) für diese Unterlassung in Höhe der Versicherungsleistung.65 Verspricht der VR vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung ab Antragstellung, wenn der Antrag nicht vom Geschäftsplan abweicht, dann muss der VR dafür Sorge tragen, dass der Vermittler des Antrags mit den notwendigen Informationen ausgestattet ist, die einen mit dem Geschäftsplan in Übereinstimmung stehenden Antrag ermöglichen.66 Erklärt ein Vertreter dem Antragsteller objektiv zu Unrecht und schuldhaft, es bestehe vorläufige Deckung, so haftet der Vermittler, neben dem VR (§ 6 Abs. 5) aus § 63 auf Ersatz der Schäden, die durch die unrichtige Auskunft verursacht werden.67 Unterlässt es der Vertreter bei Antragstellung auf die Möglichkeit einer vorläufigen Deckung hinzuweisen, kann ein Schadensersatzanspruch aus § 63 in Betracht kommen. Dieser ist, wenn der Vertreter dem VN keine vorläufige Deckung hätte anbieten können, nicht auf das Erfüllungsinteresse, sondern auf das Vertrauensinteresse gerichtet. Der VN hat folglich zu beweisen, dass er bei richtiger Beratung noch anderweitig hätte Versicherungsschutz erlangen können. Kann der VN dies nicht beweisen, so fehlt es an der erforderlichen Kausalität zwischen der Fehlberatung und dem eingetretenen Schaden.68 Ist ein Mitarbeiter einer Direktversicherung befugt, bereits am Telefon verbindliche Erklärungen abzugeben, hat er die gleichen Beratungspflichten wie ein Versicherungsvertreter oder ein angestellter Außendienstmitarbeiter. Erkennt er, dass der VN falsche Vorstellungen über den Beginn der vorläufigen Deckung hat, so ist er verpflichtet, ihn aufzuklären und ihn auf die Möglichkeit einer Sondervereinbarung aufmerksam zu machen.69 War für den Versicherungsvermittler nicht zu erkennen, dass der Antragsteller gerade für die Zeit zwischen dem im Versicherungsantrag angegebenen Beginn und dem Zugang des 63 64 65 66
OLG Koblenz 27.10.2006 VersR 2007 482. OLG Saarbrücken 8.9.2004 VersR 2005 1686. OLG Hamm 28.5.1997 RuS 1999 128 = ZfS 1999 111. OLG Hamm 29.12.1993 VersR 1994 1095 = RuS 1994 273.
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LG Köln 5.12.1984 VersR 1985 381. OLG Köln 30.8.1990 RuS 1990 325 = ZfS 1990 414. OLG Köln 29.4.1997 VersR 1998 180.
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Antrags beim VR vorläufigen Deckungsschutz erhalten wollte, kann dem Vermittler kein Beratungsverschulden angelastet werden.70 Erweckt der Vertreter bei dem VN den Eindruck, der Versicherungsschutz aus einem früher abgeschlossenen VV laufe bis zum Abschluss eines neu beantragten Vertrages ohne Unterbrechung weiter, so liegt darin keine Deckungszusage, sondern eine Aufklärung über den Geltungsbereich der alten Versicherung, für die der Vermittler nach § 63, neben dem VR nach § 6 Abs. 5, einzustehen hat.71 Nach § 9 Kfz-PflVV gewährt der VR in der Kfz-Versicherung durch Aushändigung 44 der Versicherungsdoppelkarte vorläufigen Versicherungsschutz. Von der Kasko-Versicherung ist in § 9 Kfz-PflVV keine Rede. Stellt der VN jedoch einen einheitlichen Antrag auf Abschluss einer Haftpflicht- und einer Fahrzeugversicherung, so führt dies nach ständiger Rechtsprechung des BGH 72 regelmäßig dazu, dass der Vermittler, neben dem VR (§ 6 Abs. 5) verpflichtet ist, den VN so zu stellen, als wäre vorläufige Deckung in der Fahrzeugversicherung gewährt worden. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Vermittler deutlich darauf hinweist, dass vorläufige Deckung nur in der Haftpflichtversicherung gewährt wird.73 Dies gilt auch dann, wenn der VN dem Vermittler den Wunsch nach Kaskoversicherungsschutz in dem noch abzuschließenden Hauptvertrag telefonisch oder sonst mündlich mitgeteilt hat.74 Datieren der VN und der Vermittler in kollusivem Zusammenwirken die vorläufige 45 Deckung in Kenntnis des bereits eingetretenen Versicherungsfalls zurück, so ist die vorläufige Deckung nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.75 3. Kfz-Versicherung
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Der Vermittler hat bei Abschluss einer Kfz-Kaskoversicherung einen der deutschen Sprache kaum mächtigen türkischen Staatsangehörigen auf geeignete Weise darauf hinzuweisen, dass der Versicherungsschutz nur für Europa bzw. den europäischen Teil der Türkei gilt. Wenn der Vermittler in einer solchen Situation die Aufklärung unterlässt, haftet er, möglicherweise neben dem VR (§ 6 Abs. 5) auf Schadensersatz.76 Dies gilt auch mit Blick auf die Haftpflichtdeckung, so dass die grüne Karte auch für den asiatischen Teil der Türkei gilt, wenn der Vermittler nicht darüber aufgeklärt hat, dass sie nur für den europäischen Teil gelten solle.77 Dies gilt auch mit Blick auf die Insassenunfallversicherung78 und die Fahrzeugversicherung.79 Händigt ein Vermittler dem VN eine grüne Karte aus, die – nach der Rechtsprechung 47 – Haftpflichtdeckung auch für den asiatischen Teil der Türkei bietet, so hat er den VN gleichzeitig ausdrücklich darüber zu belehren, dass in der Kaskoversicherung der Ver-
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OLG Köln 9.7.1996 RuS 1996 337. BGH 9.5.1951 BGHZ 2 87. Seit BGH 19.3.1986 VersR 1986 541. Bestätigt in BGH 14.7.1986 VersR 1999 1274. BGH 19.3.1986 VersR 1986 541; OLG Saarbrücken 20.4.2006 VuR 2007 30 m. Anm. Schwintowski. BGH 26.9.1985 VersR 1986 181. OLG Karlsruhe 13.3.1987 VersR 1988 486. BGH 28.10.1992 BGHZ 120 87 = VersR 1993 88 = NJW 1993 1007; so auch OLG
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Köln 15.9.1988 RuS 1989 3; OLG Hamm 30.11.1990 VersR 1991 1238; OLG Köln 30.8.1990 RuS 1990 400; OLG Stuttgart 24.9.1992 VersR 1993 347; OLG Innsbruck 13.12.1990 VersR 1992 600; OGH 13.7.1994 VersR 1995 943; OLG Stuttgart 8.4.1993 Schaden-Praxis 1993 188; OLG Frankfurt/M. 20.11.1997 NVersZ 1998 38 = VersR 1998 1103. OLG Frankfurt 14.3.1985 NJW-RR 1986 1410. BGH 13.4.2005 VersR 2005 824.
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sicherungsschutz auf den europäischen Teil der Türkei beschränkt bleiben soll.80 Unterlässt er diese Hinweise, so haftet er auf Schadensersatz nach § 63. Durch die fehlerhafte Auskunft eines Vermittlers über einen Kfz-Tarif kann aber keine Vertrauensposition geschaffen werden, die den jeweils geltenden Gesetzen widerspricht.81 Wird das Kfz eines Familienangehörigen als Zweitwagen bei ein und demselben VN versichert, so ist dieser darüber aufzuklären, dass gegenseitige Schäden an den beiden versicherten Fahrzeugen nun nicht mehr mitversichert sind (§ 11 Nr. 2 AKB).82 Füllt ein Versicherungsmakler für den VN die Schadensanzeige nach einem Kfz-Diebstahl aus und rät ihm dabei, einen Vorschaden zu verschweigen, so haftet er für den sich aus diesem Rat folgenden Ausfall der Versicherungsleistung gegenüber dem VN nicht, wenn er diesem die Risiken einer derartigen Obliegenheitsverletzung deutlich vor Augen geführt hatte.83 Wird ein Kfz als Mietfahrzeug versichert, so soll der Vermittler nicht verpflichtet sein, darauf hinzuweisen, dass die von ihm angebotene Kaskoversicherung das Risiko der Unterschlagung durch den Mieter nicht abdeckt.84 Aus der Perspektive von § 4 VVGInfoV (Produktinformationsblatt) ist diese Rechtsprechung nicht mehr zu halten, denn der Vermittler muss den VN – hier: Vermieter des Fahrzeugs – auf die wichtigsten Risikoausschlüsse hinweisen. Stellt ein VR dem VN eine grüne Karte zur Verfügung und weiß der Vermittler, dass es dem VN um Versicherungsschutz in der Türkischen Republik Nord-Zypern geht, so muss der Vermittler darauf hinweisen, dass die grüne Karte keinen Versicherungsschutz für Nord-Zypern begründet. Versäumt der Vermittler diesen Hinweis, so ist er, neben dem VR (§ 6 Abs. 5) auf Schadensersatz nach § 63 verpflichtet.85
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4. Haftpflichtversicherung Wer eine Haftpflichtversicherung eingehen will, muss mit dem Bestehen von Risiko- 52 ausschlüssen rechnen und kann sich über deren Inhalt und Umfang durch Einsichtnahme in die Versicherungsbedingungen und, wenn er dann noch Zweifel hat, durch Rückfrage beim VR oder dessen Vermittler vergewissern.86 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Vermittler nach § 4 VVG-InfoV i.R.d. Aufklärung über das Produktinformationsblatt den VN über die wesentlichsten Risikoausschlüsse hinzuweisen hat. In jedem Fall muss ein Versicherungsvermittler, der erkennt, dass sich der VN über einen wesentlichen Punkt des VV falsche Vorstellungen macht, diese richtig stellen.87 Wünscht ein VN umfassenden Versicherungsschutz für sein Gebäude, so muss der Vermittler darauf hinweisen, wenn das Anlagenrisiko Gewässerschäden nicht umfasst.88 Erklärt der Vermittler auf Nachfrage des VN, wo der VS bleibe, er brauche sich keine Sorgen zu machen, weil er versichert sei, so löst dies die Erfüllungshaftung des Vermittlers nach § 63 und des VR wegen Verschuldens seines Vermittlers bei den Verhandlungen über den Abschluss eines VV (§ 6 Abs. 5) aus.89 80 81 82
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OLG Oldenburg 29.9.1999 NVersZ 2000 388; BGH VersR 2005 824. OLG Düsseldorf 28.4.1998 VersR 1998 1366 = RuS 1998 361. OLG Stuttgart 18.4.1986 NJW-RR 1986 904; etwas eingeschränkter AG Trier 9.2.2002 NVersZ 2002 231. OLG Hamm 19.6.2000, NVersZ 2001 68 = VersR 2001 583 m. Anm. Wandt.
84 85 86 87 88 89
OLG Köln 19.9.1995 VersR 1996 1265. BGH 4.7.1989 BGHZ 108 200 = VersR 1989 948. BGH 19.11.1956 VersR 1956 787, 791. BGH 9.5.1951 BGHZ 2 87 = VersR 1951 166. OLG Hamm 23.11.1983 VersR 1984 853. BGH 29.1.1986 VersR 1986 329.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
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Der Vermittler hat ein Rohrreinigungsunternehmen bei den Verhandlungen über den Abschluss einer Haftpflichtversicherung darauf hinzuweisen, dass der für dieses Unternehmen wesentliche Risikoausschluss „Abwasser“ abbedungen werden kann.90 Wird in der Tierhalterhaftpflichtversicherung der Versicherungsschutz durch eine Neufassung der AVB erweitert, dann verletzt der Vermittler seine Beratungspflicht, wenn er den VN nicht auf die Möglichkeit für einen erweiterten Versicherungsschutz hinweist. Im Schadensfall hat er ihn so zu stellen, als sei die Neufassung Vertragsinhalt geworden.91 Der Vermittler haftet auf Schadensersatz nach § 63, wenn der VV entgegen dem für den Vermittler erkennbaren Wunsch des VN umfassend gesichert zu sein, bestimmte Risiken nicht abdeckt. Eine solche Haftung ist gegeben, wenn der Vermittler nach einer Besichtigung aller Räume eines Anwesens erklärt, es sei ausreichender Versicherungsschutz in der schon bestehenden Hausrat- und Haftpflichtversicherung gegeben, obwohl wegen eines unübersehbaren 2000-Liter-Öltanks der Heizungsanlage die zusätzliche Versicherung des Anlagenrisikos angezeigt gewesen wäre.92 Der Vermittler ist verpflichtet, auf eine für einen durchschnittlichen VN nicht erkenn54 bare Deckungslücke zwischen Betriebs- und Kfz-Haftpflichtversicherung hinzuweisen. Unterlässt er einen derartigen Hinweis, so kann er sich auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Kfz-Ausschlussklausel (§ 6.1.2.1 der AVB zur Betriebshaftpflichtversicherung) selbst dann nicht berufen, wenn sich ein typisches Wagnis der Kfz-Haftpflichtversicherung verwirklicht hat.93 Der Versicherungsmakler hat einen Arzt über die geänderte Rechtsprechung des 55 BGH 94 zum Unterhaltsaufwand für ein ungewolltes Kind als Vermögensschaden zu unterrichten.95 Werden bestehende AHB (1969) durch neue AHB (1981) ersetzt, so hat der Vermittler 56 hierauf hinzuweisen, wenn die neueren AVB nicht nur per Saldo günstiger sind. Ein Schadensersatzanspruch besteht jedoch nicht, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der VN seinen Vertrag nicht umgestellt hätte, weil er auch auf zahlreiche spätere Anregungen des Vermittlers nicht reagierte.96 Ein Gabelstapler, der regelmäßig auf öffentlichen Straßen benutzt wird, muss im Rahmen einer Kfz-Haftpflichtversicherung versichert werden. In der Betriebs-Haftpflichtversicherung ist er nicht versicherungsfähig. Hierauf muss ein Kaufmann vom Vermittler allenfalls dann hingewiesen werden, wenn der VN dem Vermittler bereits bei Vertragsschluss mitteilt, einen Gabelstapler anschaffen zu wollen.97 5. Weitere Versicherungszweige
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Teilt ein VN dem Vermittler bei bestehender Einbruchdiebstahlversicherung einen beabsichtigten Umzug mit, ist dieser verpflichtet auf den drohenden Verlust des Versicherungsschutzes hinzuweisen und den VN zu belehren. Fehlende Nachfrage durch den VN kann nach § 254 BGB den Anspruch mindern.98 Die Sturmversicherung deckt Schäden durch eindringendes Regenwasser nicht. Wird dieser beim VN bestehende Irrtum für den Vermittler nicht erkennbar, so kann ihm kein Beratungsverschulden vorgeworfen wer-
90 91 92 93 94
OLG Köln 12.6.1986 RuS 1986 273. LG Bad Kreuznach 26.2.1991 NJW-RR 1991 1503. OLG Köln 14.1.1993 VersR 1993 1385. OLG Köln 17.9.1992 VersR 1993 304. BGH 18.3.1980 NJW 1980 1450.
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95 96 97 98
OLG Hamm 11.5.1995 MedR 1997 463. OLG Hamm 21.1.2000 NVersZ 2000 349 = VersR 2000 1231. OLG Köln 9.3.1999 VersR 2000 352 = RuS 1999 272 m. Anm. Schimikowski. OLG Hamm 3.6.1998 VersR 1999 708.
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Schadensersatzpflicht
§ 63
den.99 Erklärt der VN, dass er sein mit Lagerhallen und einem Bürogebäude bebautes Grundstück „so gut wie möglich versichert haben“ will und wird ihm auf Nachfrage versichert, dass „kein Restrisiko“ mehr bestehe, so liegt hierin ein Beratungsfehler, wenn das Risiko des Hagelschadens nicht mitversichert ist.100 In der Reisegepäckversicherung muss der Vermittler den VN belehren, wenn er die 58 „Kofferraumklausel“ auch bei der Benutzung von Pkws anwenden will, die einen verschlossenen Kofferraum im klassischen Sinne nicht haben. Andernfalls können sich Vermittler und VR auf die Verletzung von Obliegenheiten des VN nicht berufen.101 Erklärt der geschäftlich erfahrene VN, dass der neu abzuschließende Rechtsschutzversicherungsvertrag nach Inhalt und Prämie dem alten bei einem anderen VR geschlossenen VV entsprechen soll, so sind der Vermittler und der VR hieran gebunden. Es liegt kein Beratungsfehler vor, wenn sich später herausstellt, dass im alten wie im neuen VV der Vertragsrechtsschutz nicht mitversichert ist.102 Bei positiver Kenntnis hat der Vermittler eine Beratungspflicht über eine bestehende 59 Unterversicherung gegenüber dem VN.103 Besondere Hinweis- und Beratungspflichten treffen den Vermittler bei der Vereinbarung des Versicherungswertes 1914.104 Ein Beratungsbedürfnis des VN in Bezug auf den Versicherungswert besteht nicht, wenn er sich zur Ermittlung des Versicherungswertes eines Architekturbüros als Erfüllungsgehilfen bedient.105 6. Krankenversicherung Für den Vermittler einer privaten Krankenversicherung besteht keine Verpflichtung auf 60 eine Doppelversicherung hinzuweisen, wenn der Vermittler von einer Kenntnis der maßgeblichen Umstände beim VN ausgehen kann.106 Klärt der Vermittler den VN bei Abschluss des Vertrages nicht darüber auf, dass bei der Inanspruchnahme eines Heilpraktikers nicht alle, sondern nur einige Leistungen unter den VV fallen, macht sich der Vermittler, neben dem VR (§ 6 Abs. 5) schadensersatzpflichtig. Dem VN ist in diesem Fall ein hälftiges Mitverschulden anzulasten, wenn er es unterlässt, sich durch Einsichtnahme in die AVB Klarheit darüber zu verschaffen, ob Heilpraktikerkosten unter den vertraglichen Leistungskatalog fallen.107 Durch die Mitteilung des VN über die Beendigung des VV seiner Tochter wegen Auf- 61 nahme eines krankenversicherungspflichtigen Ausbildungsverhältnisses wird für den Vermittler nicht ohne weiteres erkennbar, dass sich daraus Auswirkungen auf den Beihilfeanspruch der Ehefrau des VN ergeben können. Es ist deshalb kein Beratungsfehler, wenn der Vermittler auf diese für ihn nicht erkennbaren Auswirkungen nicht hinweist.108 Wechselt eine kinderlose verheiratete Frau von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung, so besteht grundsätzlich keine Pflicht des Vermittlers, ohne besonderen Anlass von sich aus darauf hinzuweisen, dass die Kosten für eine Schwangerschaftsbehandlung nicht übernommen werden, wenn die alleinige Ursache für die Kinderlosigkeit die Fortpflanzungsunfähigkeit des Partners ist.109
99 100 101 102 103
OLG Köln 6.6.1974 VersR 1974 990. OLG Hamm 23.8.2000 NVersZ 2001 88 = NJW-RR 2001 239. BGH 13.12.1978 VersR 1979 343. OLG Düsseldorf 12.8.1997 RuS 1998 510. OLG Hamm 15.10.2004 VersR 2005 685; LG Mainz vom 13.10.2005 (AZ: 4 O 49/05).
104 105 106 107 108 109
OLG Düsseldorf 13.12.2005 RuS 2006 331. OLG Saarbrücken 18.1.2006 RuS 2006 197. LG Arnsberg 30.6.1989 RuS 1990 319. OLG Köln 21.3.1991 VersR 1991 1279. OLG Saarbrücken 20.9.1995 RuS 1997 208. OLG Stuttgart 12.11.1998 NVersZ 1999 218 = VersR 1999 1268.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
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Ein Versicherungsvermittler muss einen Lehrer, der wegen Wegfalls seiner Beihilfeberechtigung bei Ausscheiden aus dem Schuldienst eine Änderung des Krankenversicherungstarifes wünscht, nicht ungefragt über die Möglichkeit abgeleiteter Beihilfeansprüche belehren, wenn er von deren Voraussetzungen keine Kenntnis hat.110 Es ist in der Regel nicht Aufgabe eines Vermittlers, den VN bei Abschluss eines VV auf jede Bestimmung der umfangreichen Satzung einer Krankenkasse hinzuweisen. Vielmehr genügt es grundsätzlich, wenn der Vermittler dem VN die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Satzung Kenntnis zu nehmen (hier: Aufklärung über eine zu berücksichtigende Wartezeit).111 Der Verlust der Alterungsrückstellung beim Wechsel des privaten Krankenversicherers 63 ist für sich allein kein vom Versicherungsmakler in Fällen fehlerhafter Beratung zu ersetzender Schaden. Der VN und Maklerkunde ist vielmehr darauf verwiesen, eine etwaige Prämiendifferenz als konkreten Vermögensschaden geltend zu machen.112 Eine Pflicht des Vermittlers, den VN darauf hinzuweisen, dass er eine Beitragspflicht für die Sozialversicherungssysteme aufgrund einer Gesetzesänderung umgehen könne, besteht nicht.113 Die gesetzliche Krankenversicherung hat auf die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung für Selbständige hinzuweisen, wenn der VN ausdrücklich darum bittet, freiwillig versichert zu werden.114 In der Pflegeversicherung besteht eine besondere Hinweispflicht des Vermittlers, wenn für ihn erkennbar ist, dass der VN über die Reichweite des bestehenden Versicherungsschutzes wegen unwirksamer Kündigung, irrige Vorstellungen hat.115 Dem für einen privaten KrankenVR handelnden Vertreter trifft beim Abschluss eines 64 KrankheitskostenV für den VN und dessen Familienangehörige grundsätzlich keine Pflicht, diesen ungefragt und umfassend über die Vor- und Nachteile zu beraten, die sich aus dem Wechsel von der gesetzlichen in die private KV ergeben können, insbesondere soweit sich Änderungen aus der Familienplanung oder der Absicht der Ehefrau zur Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit oder zur Betreuung der Kinder ergeben. Anderes kommt nur in Betracht, wenn im Einzelfall ein besonderes Auskunfts- oder Beratungsbedürfnis erkennbar ist oder wenn konkrete Vergleichsberechnungen bzgl. der künftigen Kosten in der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung aufgestellt werden.116 7. Lebensversicherung
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Bei der Verbindung einer Kapitallebensversicherung (im folgenden: KLV) mit einem Kreditvertrag (die Kredite sind während der Laufzeit tilgungsfrei) sind bei der Prüfung der marktüblichen Konditionen nach § 138 Abs. 1 BGB auch die zu erwartenden Gewinnbeteiligungen und die Steuervergünstigungen bei der LV zu berücksichtigen.117 Erhält ein Verbraucher statt eines Ratenkredits einen mit einer KLV verbundenen Festkredit, so kann seine Gesamtbelastung aus Kreditzinsen und Versicherungsprämien bei Effektivzinsvergleich gemäß § 138 Abs. 1 BGB der marktüblichen Belastung aus einem Ratenkredit mit Restschuldversicherung gegenübergestellt werden. Auch wenn die Vertragsverbindung nach dem Ergebnis des Zinsvergleichs und der Gesamtwürdigung nicht sittenwidrig
110 111 112 113 114
OLG Hamm 25.8.1999 NVersZ 2000 125 = RuS 2000 211. OLG Schleswig 25.5.1984 VersR 1984 1170. BGH 11.5.2006 RuS 2006 351. LG Bielefeld 14.7.2006 (AZ: 3 O 13/06). OLG München 1.6.2006 OLGR München 2007 160.
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115 116 117
BSG 29.11.2006 RuS 2007 144. OLG Zelle 7.2.2008 NJOZ 2008 1496. BGH 14.1.1988 VersR 1988 349 (im Ergebnis wirksame KLV).
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Schadensersatzpflicht
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erscheint, kann der Kreditnehmer von der Bank Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluss verlangen, wenn er nicht über die speziellen Nachteile und Risiken der Vertragsverbindung aufgeklärt worden ist.118 Eine Aufklärungspflicht entfällt aber dann, wenn der VN (Kreditnehmer) bei Anbahnung des Kredit- und VV durch einen sachkundigen Finanz- und Vermögensberater betreut wurde und für den Vermittler nach den Umständen des Einzelfalls bereits objektiv kein Anlass für erneute oder ergänzende Beratung bestanden hat.119 Bei einem Verbraucherkredit, dessen Fälligkeit von der Auszahlung eines Bausparvertrages oder einer KLV abhängt, durch die der Kredit ganz oder teilweise getilgt werden soll, muss die vom Verbraucher zu unterzeichnende Vertragserklärung den Gesamtbetrag aller von ihm zu erbringenden Leistungen angeben.120 Vermittelt ein Vertreter eine KLV zum Zwecke der Umschuldung einer bestehenden Finanzierung, so hat er darüber aufzuklären, dass der Darlehensnehmer der Bank für die vorzeitige Darlehensbeendigung eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen hat.121 Ein Versicherungsmakler, der einem Kunden eine (fondsgebundene) Lebensversicherung mit Nettopolice vermittelt, kann in der vorformulierten „Vermittlungsgebührenvereinbarung“ seine Pflicht zur umfassenden Beratung nicht ausschließen und sich nicht von einer Haftung freizeichnen. Wenn seine Beratung mangelhaft ist, weil der vermittelte Vertrag ein für den Bedarf des Kunden ungeeignetes Produkt ist und weil der Kunde durch eine empfohlene Kündigung alter Lebensversicherungen erhebliche Nachteile erlitten hat, ist eine Haftung des Versicherungsmaklers aus § 63 in Betracht zu ziehen. Der Schaden des Kunden besteht dann jedenfalls in der Provision des Maklers.122 Bei der Finanzierung eines steuersparenden Erwerbermodells kann die Bank als Vermittlerin eines Lebensversicherungsvertrages, ausnahmsweise zur Risikoaufklärung verpflichtet sein, wenn ihr Kunde kein „professioneller Kapitalanleger“ ist, sondern ein Angestellter mit einem relativ geringen Einkommen, für den die Notwendigkeit der Steuerersparnis fern liegt. Dabei trifft die Bank eine Aufklärungspflicht über die spezifischen Vor- und Nachteile, die mit einer Darlehenstilgung durch eine KLV verbunden sind, weil dieses komplizierte Finanzierungsprodukt für den durchschnittlichen Kreditbewerber weitgehend undurchschaubar ist.123 Weiß der Vermittler, dass die Finanzierung eines Realkredits durch eine Lebensversicherung wegen der bei Vertragsabschluss bestehenden Zinssituation unweigerlich zu einem Verlust führen muss, so verletzt er seine Beratungspflicht, wenn er dieses Kreditfinanzierungsmodell trotzdem empfiehlt. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Kunde in der Vertragsanbahnungsphase die Versprechungen des Vermittlers nicht hinterfragt, insbesondere nicht aufgeklärt hat, wie hoch das Beitragsdepot verzinst werden sollte (hier: 6%).124 Der VN hat aus § 63 Anspruch auf Rückzahlung seiner Beiträge in der Fondslebensversicherung, wenn ihm gegenüber bei Abschluss des VV das Anlagerisiko verharmlost
118 119
120
BGH 3.4.1990 BGHZ 111 117 = VersR 1990 744 = NJW 1990 1844. OLG Koblenz 16.6.2000 NVersZ 2001 16 (im Anschluss an BGH 27.2.1996 NJW 1996 1744 – Anlageberatung einer Bank) = VersR 2000 1268. BGH 18.12.2001 BGHZ 149 302 = NJW 2002 957 = VuR 2002 134.
121 122 123 124
LG Freiburg 26.4.1996 VuR 1998 301. BGH 19.5.2005 NJW-RR 2005 1425. OLG Frankfurt/M. 23.8.2001 WM 2002 549. BGH 9.7.1998 NVersZ 1998 32 = NJW 1998 2898 = VuR 1998 415 m. Anm. Schwintowski; dazu Kieninger NVersZ 1999 118.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
wurde und der Vermittler sich das zurechnen lassen muss.125 Hat der VN eine fondsgebundene Lebensversicherung abgeschlossen und wollte er nach dem Vertrag ersichtlich die Versicherungsprämien aus dem angelegten Kapital finanzieren, ist ihm der Vermittler wegen Beratungsverschuldens zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er auf die Risiken der Wertanlage in einem Aktienfonds nicht hingewiesen hat.126 Liegt es nahe oder drängt es sich auf, dass der Kunde durch den Abschluss der Fondslebensversicherung finanziell überfordert wird, so muss der Vermittler dem Kunden vom Vertragsschluss abraten.127 Der Versicherungsmakler ist zur Beratung und Betreuung seines Kunden in Bezug auf 71 den zu vermittelnden Versicherungsvertrag verpflichtet. Dies bedeutet, dass der Versicherungsmakler von sich aus das Risiko untersucht, das Objekt prüft und den VN als seinen Auftraggeber ständig, unverzüglich und ungefragt über die für ihn wichtigen Zwischenund Endergebnisse seiner Bemühungen, das aufgegebene Risiko zu platzieren, unterrichten muss. Wegen dieser umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich des Versicherungsverhältnisses, des von ihm betreuten VN als dessen treuhänderischer Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden.128 Diese weit gespannten Betreuungs- und Beratungspflichten des Versicherungsmaklers betreffen allerdings nur die dem Makler übertragene vertragliche Leistung, d.h. das von ihm zu vermittelnde Versicherungsverhältnis. In Bezug auf den Abschluss des vorgelagerten Maklervertrags stehen sich hingegen der Versicherungsmakler und sein Kunde wie bei anderen Verträgen mit entgegengesetzten Interessen selbständig gegenüber. In solchen Fällen besteht regelmäßig keine Pflicht einer Partei, von sich aus – ungefragt – den anderen vor oder bei Vertragsschluss über die damit verbundenen Risiken zu unterrichten. Jedermann darf grundsätzlich davon ausgehen, dass sich sein künftiger Vertragspartner selbst über die Umstände, die für dessen Vertragsentscheidung maßgeblich sind, sowie über Art und Umfang seiner Vertragspflichten im eigenen Interesse Klarheit verschafft hat. Aus diesen Gründen muss der Versicherungsmakler über den Inhalt des vorgelagerten Maklervertrages auch bei der Vermittlung eines Lebensversicherungsvertrags mit Nettopolice nur ausnahmsweise aufklären.129 Im Streitfall ging es um eine Vermittlungsgebührenvereinbarung im Zusammenhang mit der Vermittlung einer Nettopolice. Der Makler hatte klargestellt, dass das bislang übliche Modell einer Bruttopolice, bei der der VR aus den eingehenden Versicherungsprämien eine Provision an den Versicherungsmakler leistet, zwischen ihm und dem Kunden nicht gelten sollte. Der Kunde verpflichtete sich vielmehr zur Zahlung einer Vergütung an den Makler in der berechneten Höhe. Diese Abrede entsprach – so der BGH – dem gesetzlichen Leitbild des Maklervertrages (§ 652 BGB), bei dem der Provisionsanspruch vom späteren Schicksal des Hauptvertrags grundsätzlich unabhängig ist. Dies dürfe der Makler als allgemein bekannt voraussetzen. In diesem Punkt ist dem BGH zu widersprechen. Der Unterschied zwischen der Bruttopolice und der Nettopolice ist den Antragstellern jedenfalls im Recht der Lebensversicherung keinesfalls geläufig, da die Nettopolice in der bisherigen Vermittlungspraxis die absolute Ausnahme ist. Für den durchschnittlichen verständigen VN ergibt sich aus der langjährig geübten Praxis der Bruttopolice der Eindruck, als sei die Beratung durch den Makler oder Vertreter für ihn „kostenlos“. Ihm ist nicht bewusst, dass er die Provision nach § 652 BGB dem Makler schuldet. Insoweit unterscheiden sich die Verhältnisse im Privatversicherungsrecht von denen im Bereich der Immobilienmakelei. Aus diesen Gründen ist es geboten, dass der Makler den durchschnittlichen VN zunächst einmal über die Wirkungen der Nettopolice aufklärt und insbesondere klarstellt, dass der Kunde die Pro125 126 127
OLG Düsseldorf 30.4.2004 VersR 2005 62. OLG Celle 24.11.2005 Nds.Rpfl. 2006 209. LG Stuttgart 19.4.2006 VuR 2006 269.
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BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127 m.w.N. BGH 14.6.2007 VersR 2007 1127.
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Schadensersatzpflicht
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vision auch dann schuldet, wenn der Vertrag vorzeitig storniert werden sollte. Der Makler hat für diesen Fall auch darauf hinzuweisen, dass die gleichförmige Verteilung der Abschlusskosten auf die ersten fünf Jahre, wie in § 169 Abs. 3 vorgesehen, nicht stattfindet, sodass der Kunde im Fall des Frühstornos mit ganz beträchtlichen finanziellen Nachteilen rechnen muss. Hat der Makler auf diese Nachteile nicht hingewiesen, so kommt seine Haftung für die daraus entstehenden finanziellen Folgen für den VN nach § 63 in Betracht. In der Rentenversicherung ist der Erblasser auch über den Tarif zu unterrichten, der die Möglichkeit bietet, dass bei Eintritt des Todes vor Ablauf der Garantiezeit das eingesetzte Kapital abzüglich der geleisteten Rentenzahlungen an die Erben ausgekehrt wird.130 Kündigt der VN einen bestehenden LV und schließt gleichzeitig einen neuen ab, so muss der Vertreter nicht von sich aus darauf hinweisen, dass die Ausschlussfrist für Selbsttötungen (§ 8 ALB) erneut zu laufen beginnt.131 Ob bei einem erkennbar suizidgefährdeten Vertragspartner etwas anderes gilt, bleibt offen.132 Äußert der VN gegenüber dem Vermittler den Wunsch, die LV wegen vorübergehender Einkommenslosigkeit auf die Dauer von zehn Monaten beitragsfrei zu stellen, kann dies nicht als Antrag auf Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung, sondern nur als Antrag, die Versicherung für kurze Zeit zum Ruhen zu bringen, verstanden werden. Hat der Vermittler diesen Wunsch als Antrag auf Umwandlung in eine prämienfreie LV bewertet und den VN nicht auf die Folgen hingewiesen, haftet er aus § 63. Dem VN, der es unterlassen hat, von sich aus Rechtsrat einzuholen, ist in diesem Fall kein Mitverschuldensanteil anzulasten.133 Schuldhaft falsche Erklärungen des Vermittlers über die steuerliche Anerkennung von LV-Prämien als betriebliche Ausgaben führen zu einem Schadensersatzanspruch des VN gegen den Vermittler aus § 63. Den VN trifft in diesem Fall ein Mitverschulden von 50 %, wenn er sich „blindlings“ auf die Angaben des Vermittlers verlässt, ohne einen ansonsten konsultierten Steuerberater zu befragen.134 Wenn ein Vermittler den VN bei Abschluss einer LV steuerrechtlich falsch berät (hier: die in voller Höhe auszuzahlende Versicherungssumme werde nicht versteuert), haftet der VR angeblich weder aus dem Institut der gewohnheitsrechtlichen Vertrauenshaftung noch aus Verschulden bei Vertragsschluss, weil er nicht zur Aufklärung über Steuerpflichten verpflichtet sei.135 Es liegt kein schuldhafter Beratungsfehler vor, wenn der Vermittler bei Vertragsschluss hinsichtlich der Frage der steuerlichen Absetzbarkeit von Prämien als Betriebsausgaben eine zum damaligen Zeitpunkt zutreffende Auskunft erteilt und dabei eine sich noch nicht konkret abzeichnende Änderung der Rechtsprechung des BFH nicht vorhergesehen hat.136 Erklärt der Vermittler bei Aufnahme des Antrags fälschlicherweise, dass die vom VN benannten erheblichen Vorerkrankungen nicht relevant seien, so liegt hierin ein Verschulden vor Vertragsschluss, das einen Schadensersatzanspruch auslöst.137 Fragt der VN in einem Beratungsgespräch bei Abschluss eines Rentenversicherungsvertrags ausdrücklich danach, was mit dem eingezahlten Kapitalbetrag nach seinem Tode passiere, so hat der Vermittler unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass bei einem 130 131 132 133 134 135
OLG Stuttgart 21.8.2006 VersR 2007 1069. OLG Hamm 8.8.1986 RuS 1986 247. OLG Hamm 18.8.1986 VersR 1988 51. OLG Köln 16.5.1991 RuS 1992 138. OLG Hamm 10.4.1987 VersR 1988 623. LG München 16.9.1992 RuS 1994 156 (spätestens überholt durch Anlage D zum VAG,
136 137
Abschnitt I 2 f, wonach allgemeine Angaben über die Steuerregelung in der LV vorgeschrieben sind). OLG Karlsruhe 19.1.1995 VersR 1996 1001. OLG Nürnberg 11.11.1993 VersR 1994 585 = NJW-RR 1994 1515.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
Ableben des VN vor Ablauf der Rentengarantiezeit der noch nicht verbrauchte Rest des Kapitals verloren ist. Verletzt der Vermittler diese Aufklärungspflicht und erteilt die falsche Auskunft, dass im Todesfalle das für die Rentenzahlungen nicht verbrauchte Geld vollständig zurückgezahlt werde, so haftet der Vermittler, neben dem VR (§ 6 Abs. 5) den Erben aus § 63 in Höhe des verlorenen Teils des eingezahlten Kapitals, wenn der VN bei richtiger Aufklärung den VV nicht abgeschlossen hätte. Die Erben müssen sich ein Mitverschulden des VN anrechnen lassen, wenn dieser beim Lesen der Anträge hätte erkennen können, dass die AVB keinen Anspruch auf Rückzahlung des „Restkapitals“ vorsehen.138 Die Erklärung des Vermittlers, es handele sich bei dem LVV um eine „gute Geldanlage“, vermag einen Beratungsfehler angeblich nicht zu begründen, da es sich um eine bloße Anpreisung handele, die für den Empfänger ersichtlich nicht verbindlich gemeint sei.139 Erklärt der Vermittler dem VN bei einer KLV mit vorgezogener Leistung bei schwerer 76 Krankheit, dass die Versicherungssumme schon dann ausgezahlt wird, wenn der VN mindestens zwei Monate hintereinander schwer krank sei, während in den AVB die Leistung erst bei einer Querschnittslähmung gewährt wird, liegt ein krasser Widerspruch zwischen der Beratung und den AVB vor. Derartigen Anpreisungen darf der VN keinen Glauben schenken, tut er es doch, so soll – nach Einschätzung des LG Oldenburg – sein grobes Eigenverschulden den Beratungsfehler des Vermittlers völlig verdrängen.140 Diese Entscheidung ist nicht nachvollziehbar – die Haftung des Vermittlers für seinen Beratungsfehler läuft praktisch leer. Es geht im vorliegenden Fall auch nicht um einen Beratungsfehler, sondern darum, dass ein Vermittler als Auge-und-Ohr des VR für diesen erklärt hat, die Versicherungssumme werde schon dann ausgezahlt, wenn der VN mindestens zwei Monate hintereinander schwer krank ist. Dies muss sich der VR wie eine eigene Erklärung zurechnen lassen. Die Erklärung des Vermittlers hat die AVB abgeändert. Der VN hat Versicherungsschutz in dem Umfang, den der Vermittler ihm gewährt hat. Die Frage, ob der Vermittler im Innenverhältnis dem VR wegen Überschreiten der ihm eingeräumten Erklärungsgrenzen auf Schadensersatz haftet, hängt von der Ausgestaltung des Vertretervertrages mit dem VR ab. Eine allgemeine Pflicht des Vermittlers bei Abschluss einer KLV auch auf die Mög77 lichkeit einer ergänzenden BUZ hinzuweisen, besteht nicht.141 Der Vermittler einer privaten Renten-VR haftet aus § 63 auf Schadensersatz (Rückzahlung der Beiträge und entgangener Gewinn), wenn sein VR Prognosen über die künftige (unverbindliche) Gewinnbeteiligung abgegeben hat, obwohl für den VR klar war, dass die zugrunde gelegten Sterbetafeln (DAV R 1987) nicht mehr stimmten und in Kürze durch neue Sterbetafeln (DAV R 1994) abgelöst werden sollten.142 Dabei soll der VN nur den Ersatz des Vertrauensschadens verlangen dürfen und nicht so gestellt werden, dass die bei Vertragsschluss in Aussicht gestellte Gewinnbeteiligung gewährt wird.143 Damit steht die Entscheidung im Gegensatz zu den Urteilen des OLG Koblenz144 und des OLG Düssel138 139 140 141
OLG Oldenburg 25.6.1997 VersR 1998 220 = RuS 1999 166. OLG Frankfurt/M. 1.7.1999 NVersZ 2000 18 = VersR 1999 1397. LG Oldenburg 3.4.1998 RuS 1999 139. LG Bochum 20.11.1997 RuS 2000 85 (unter dem Eindruck der Vermittlerrichtlinie, die den Vermittler zwingt Wünsche und Bedürfnisse des Kunden zu erfragen, dürfte der Satz in dieser Allgemeinheit
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in Zukunft nicht mehr Bestand haben). OLG Düsseldorf 15.8.2000 VersR 2001 705; OLG Koblenz 26.5.2000 VersR 2000 1357, 1358, dazu Schwintowski/Ebers ZVersWiss 2002 393, 437 ff. OLG Düsseldorf 15.12.2000 NVersZ 2001 354 = VersR 2002 299. OLG Koblenz 26.5.2000 VersR 2000 1357 = NVersZ 2000 423.
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§ 63
dorf145, die entweder den Erfüllungsschaden oder das positive Interesse gewähren, also den Vermittler und neben ihm den VR (§ 6 Abs. 5) verpflichten, für die Falschberatung des VN einzustehen. Verweist man demgegenüber den VN auf das negative Interesse, so wirft das die Frage auf, ob der VN bei einem anderen VR oder einer anderen Bank eine gewinnbringendere Anlagemöglichkeit gehabt hätte. Da dies vielfach nicht der Fall sein wird, bleibt der Beratungsfehler für den Vermittler und für den VR folgenlos, eine Tatsache, die geradezu einen Anreiz darstellt, Kunden durch Falschberatung zunächst einmal einzufangen (ex ante opportunism). Empfiehlt der Versicherungsmakler seinem Kunden langfristige LVV, die den Kunden 78 wegen der hohen Beiträge finanziell überfordern, so kann sich daraus ein Schadensersatzanspruch gegen den Makler ergeben, wenn die bis dahin gezahlten Beiträge des Kunden bei einer vorzeitigen Stornierung der Verträge ganz oder teilweise verloren gehen.146 Bei langfristigen Lebensversicherungen mit ungewöhnlich hohen Beiträgen kann es für den VR Anhaltspunkte dafür geben, dass der Makler das eigene Provisionsinteresse möglicherweise über die Interessen des Kunden gestellt hat. In einem solchen Falle kann auch den VR – neben dem Makler – eine vorvertragliche Aufklärungspflicht gegenüber dem VN treffen, wenn dieser durch die Beitragsverpflichtungen möglicherweise finanziell überfordert wird.147
IV. Strafrechtliche Relevanz von Beratungsfehlern Aus zivilrechtlichen Pflichten zur Aufklärung und Beratung können sich strafrechtliche 79 Sanktionen ergeben, wenn das Fehlverhalten den Tatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) erfüllt. Grundlegend ist ein Urteil des BGH aus dem Jahre 1952148 in dem der Vermittler den zukünftigen VN bestimmte, einen Krankenversicherungsvertrag abzuschließen und die Aufnahmegebühr sowie die ersten Monatsbeiträge als Provision an ihn zu bezahlen. Er erreichte dies durch Täuschung über die Höhe der zu entrichtenden Prämien und über die Höhe von Leistungen. Der BGH bejahte einen Eingehungsbetrug, weil die VN zeitweise die doppelte Prämie entrichteten und zeitweise ohne Versicherungsschutz waren. Das Strafrecht enthält keine speziellen Aufklärungs- oder Beratungspflichten für VR 80 oder Vermittler, so dass sich allenfalls umgekehrt die Frage stellen kann, ob bei Verletzung zivilrechtlicher Beratungs- und Aufklärungspflichten eine Strafbarkeit nach § 263 StGB in Betracht kommt. Der Tatbestand des Kapitalanlagebetruges (§ 264a StGB) kommt nicht in Betracht, weil der Kapitallebensversicherungsvertrag kein taugliches Bezugsobjekt darstelle. Der objektive Tatbestand erfordert eine Täuschungshandlung – also unrichtige vorteilhafte Angaben oder das Verschweigen nachteiliger Tatsachen – bezüglich der in § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB abschließend aufgezählten Anlagewerte. Wertpapiere sind danach „Urkunden über Rechte, die der Kapitalanlage (und Kapitalschöpfung durch den Emittenten) dienen und bei massenhafter Ausgabe und Vertretbarkeit handelbar (umlauffähig), insbesondere mit Gutglaubensschutz versehen und nicht bloße Beweisurkunden sind.“149 Unter diese Definition fällt eine Lebensversicherungspolice nicht.150 Ob die in § 264a StGB genannten Bezugsrechte mit dem Bezugsrecht in § 166 145 146 147
OLG Düsseldorf 18.8.2000 VersR 2001 705 = NVersZ 2001 15. OLG Karlsruhe 29.5.2007 NJOZ 2008 1523. OLG Karlsruhe 29.5.2007 NJOZ 2008 1522.
148 149 150
BGH 22.4.1952 MDR 1952 407, 409. Tiedemann Wirtschaftsbetrug, Berlin 1999, § 264a Rn. 22. Herzog VersWissStud. Bd. 26 (2004), 65, 72.
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§ 63
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
VVG auch dann nicht vergleichbar sind, wenn es sich um ein unwiderrufliches Bezugsrecht handelt, müsste im Einzelfall diskutiert werden.151 Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des klas81 sischen Betruges (§ 263 StGB) bei der Verletzung von Beratungs- und Aufklärungspflichten in Betracht kommen, wenn die besonders strengen Anwendungsvoraussetzungen des Strafrechts ausnahmsweise einmal vorliegen. Der Tatbestand des Betruges erfordert vier Merkmale, nämlich eine Vermögensschädigung, die aus einer Vermögensverfügung resultiert, die ihrerseits auf einem Irrtum beruht, für den der Täter aufgrund seiner Täuschung verantwortlich ist.152 Die Täuschung kann durch ausdrückliche Fehlinformation erfolgen, dem Getäuschten kann eine falsche Wahrheit untergeschoben werden (konkludente Täuschung) oder die Täuschung erfolgt durch das pflichtwidrige Unterlassen der Aufklärung (§ 13 StGB) über die wahre Tatsachenlage. Die Grenze zwischen Täuschung durch Unterlassen und konkludenter Täuschung ist fließend. So wird das Verschweigen einzelner Tatsachen im Rahmen einer mit Anspruch auf Vollständigkeit auftretenden Erklärung als Fall des konkludenten Tuns angesehen, was die für die Unterlassensstrafbarkeit notwendige Garantenstellung im Sinne des § 13 StGB entbehrlich macht.153 Nicht ganz unwichtig ist es, dass die Leichtgläubigkeit des Opfers auch bei erkennbar absurden Tatsachenbehauptungen für die Frage der Irrtumserregung keine Rolle spielt.154 Die wahrheitsgemäße Kundenberatung bei Abschluss einer KLV muss sich somit streng an die Tatsachen halten und jede übertreibende oder überzogene und damit irreführende Bewertung oder Anpreisung des Produktes vermeiden.155 Bei einer Täuschung durch Unterlassen besteht eine mit Strafe bewehrte Aufklärungs82 pflicht nur dann, wenn der Täter eine vermögensbezogene Garantenstellung innehat.156 Der BGH hat seine frühere Rechtsprechung, dass Garantenpflichten unmittelbar aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet werden könnten157, mittlerweile aufgegeben und fordert nunmehr ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien.158 In Betracht kommen z.B. Verträge, die in erster Linie Informations- oder Beratungspflichten zum Gegenstand haben, etwa bei der Beratung in Steuer- oder Rechtsfragen oder Vermögensangelegenheiten.159 Ob und in welchem Umfang der Vermittler Vertrauen in Anspruch nimmt, hängt vom Einzelfall, insbesondere davon ab, ob über die bloße Information und Aufklärung hinaus auch ein Beratungsvertrag geschlossen wurde. Bei der Bestimmung des Vermögensschadens kommt es auf den persönlichen Scha83 denseinschlag an.160 Es wird gefragt, ob die Gegenleistung für den Betroffenen nicht oder nicht in vollem Umfang für den von ihm vorausgesetzten Zweck zu verwenden ist (Schädigung kraft „mangelnder individueller Verwendbarkeit“)161, ob der Kunde in erhebliche finanzielle Bedrängnis gerät, weil er durch die eingegangene Verpflichtung zu vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt wird, oder ob dem Betroffenen Mittel entzogen werden, die für die Aufrechterhaltung einer angemessenen Lebensführung unerlässlich sind (Schädigung durch Beschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit)162 Die erste
151 152 153 154 155
Insoweit evtl. zu kurz, Tiedemann, a.a.O., § 264a Rn. 27. Kindhäuser Strafrecht BT 2, 274. Schönke/Schröder/Cramer StGB, § 263 Rn. 18. BGH 22.10.1986 BGHSt 34 199 Hollywood-Lifting-Bad. Herzog a.a.O., VersWissStud Bd. 2b, 2004, 73.
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156 157 158 159
160 161 162
Kindhäuser LPK-StGB, § 263 Rn. 83. BGH 15.6.1954 BGHSt 6 198, 199. BGH 16.11.1993 BGHSt 39 392, 400. BGH 16.2.1981 NJW 1981 1266, 1267; Schönke/Schröder/Cramer StGB, § 263 Rn. 22. BGH 16.8.1961 BGHSt 16 321, 325 ff. Küper Strafrecht BT, 2002, 357. Küper a.a.O.
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Schadensersatzpflicht
§ 63
Fallgruppe kann in Betracht kommen, wenn mit der abgeschlossenen KLV das angestrebte Anlageziel nicht erreicht werden kann oder die abgeschlossene KLV für den VN in keiner Weise interessengerecht ist.163 Die zweite Fallgruppe ist in Betracht zu ziehen, wenn der VN einen erheblich belastenden Kreditvertrag abschließt, um die Versicherungsprämie zu zahlen (fremdfinanzierte Kapitallebensversicherung.164 Bei der dritten Fallgruppe ist an Konstellationen zu denken, in denen der finanzielle Spielraum eine Dauerbelastung durch die zu zahlenden Prämien nicht zulässt und unter das Sozialhilfeniveau absinkt.165 In all diesen Fällen kommt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nur für denjenigen in Betracht, der mit Vorsatz handelt, also im Bewusstsein und mit dem Willen der Täuschung beim Beratungsgespräch vorgeht und zumindest billigend in Kauf nimmt, dass ein individueller Schadens eintritt.166 Ergänzend ist auf die Provisionsvertreterfälle hinzuweisen. Hier wird der Betrugstatbestand zweimal verwirklicht. Zum einen betrügt der Täter das Opfer mit Drittbereicherungsabsicht, zum anderen wird dann das VU um die nicht zu beanspruchende Provision betrogen.167 So bejahte der BGH zu Lasten eines VN, der bei acht verschiedenen VU Unfallversicherung abgeschlossen hatte, ohne auf die Vorversicherungen hinzuweisen, eine Täuschung durch Unterlassen.168 Umgekehrt wird man fragen können, ob ein Vermittler, der eine kapitalbildende Lebensversicherung mit langer Laufzeit für einen alten Menschen verkauft, dies möglicherweise nur tut, um selbst Provision zu verdienen. Die Person benötigt weder einen Todesfallschutz, da niemand zu versorgen ist, noch Versicherungsschutz für die Zeit nach Ablauf des Vertrages, da dieser Ablaufzeitpunkt aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr erreicht werden kann.169 Auch die Verbindung eines Festkredites mit einer Kapitallebensversicherung statt eines Verbraucherkredites mit einer Restschuldversicherung kann die Frage aufwerfen, ob der Vermittler ein solches für den VN regelmäßig nachteiliges Geschäft nur deshalb anbietet, um Provision zu verdienen, sich also auf Kosten des VN einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.170 Strafrechtlich relevant sind Fälle, in denen Verträge auf Kosten eines VN geschlossen werden, sodass dieser in akute wirtschaftliche Bedrängnis gerät. In Betracht kommt der Verkauf einer KLV an einen Spätaussiedler mit hohen Sprach- und Integrationsproblemen, bei dem klar ist, dass er die Prämie nur aus den Sozialhilfebeiträgen finanzieren kann.171 Römer berichtet von dem Fall des Abschlusses einer KLV sowie einer Unfall-, Haftpflicht- und Hausratversicherung mit einem alkoholkranken Langzeitarbeitslosen, wobei die Prämien mehr als 25% seiner Arbeitslosenhilfe ausmachten.172 Strafrechtlich relevant kann auch die Falschberatung einer Familie mit kleinen Kindern sein, wenn nur einer der beiden Partner arbeitet und das Familieneinkommen niedrig ist. In dieser Situation benötigt die junge Familie keine teure KLV, sondern eine möglichst hohe Risikolebensversicherung für den Fall des Vorversterbens des Ernährers.173 Eindeutig betugsrelevante Konstellationen können bei fremdfinanzierten Kapitallebensversicherung entstehen. Der Sachverhalt der Entscheidung des BGH vom 9. Juli 1998174 163 164 165 166 167 168 169
Herzog a.a.O., S. 75. Herzog a.a.O., S. 75. Herzog a.a.O., S. 75. Herzog a.a.O., S. 75. Kindhäuser LPK-StGB, § 263 Rn. 216. BGH 23.1.1985 NJW 1985 1563, 1564. Ähnlich OLG Köln 27.1.1976 NJW 1976 1222; BGH 16.7.1970 NJW 1970 1932 m. Anm. Graba, NJW 1970 2221.
170 171 172 173
174
OLG Koblenz 16.6.2000 NVersZ 2001 16 = VersR 2000 1268. Schwintowski VuR 1997 83, 89. Römer VersR 1998 1313, 1317; vertiefend Herzog, a.a.O., S. 76. Die Rechtsprechung bejaht in diesen Fällen des Provisionsbetruges die Stoffgleichheit, vgl. BGH 10.1.1961 NJW 1961 684; vertiefend Herzog a.a.O., S. 76. BGH 9.7.1998 VuR 1998 413.
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§ 64
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
beschreibt in klassischer Weise den Fall des individuellen Schadeneinschlags, wenn der Betroffene infolge der eingegangen Verpflichtung zu anderweitigen vermögensmindernden Maßnahmen gezwungen ist.175 Auf der Täuschungsseite ist für die Kopplung eines KLV mit einem Kreditvertrag eine besondere Pflicht zu richtiger und vollständiger Information gegeben.176 Wird die Intransparenz aus der Kopplung beider Produkte bewusst aufrechterhalten, werden falsche Berechnungen in der Beratung vorgeführt oder werden Risiken beschönigt, dann liegen aktive Täuschungshandlungen vor; jede Verletzung der Kenntnisverschaffungspflichten legt hier eine strafrechtlich relevante Täuschung durch Unterlassen nahe.177 Auf der Schadensseite sind die Finanzierungskosten zu dem Ertrag der KLV in Verbindung zu setzen. Steht danach fest, dass die Finanzierungskosten unweigerlich zu einem Verlust führen müssen, dann liegt – trotz isoliert betrachtet marktüblicher Konditionen der beiden Produkte – eine tatbestandsmäßige Vermögensschädigung vor.178
§ 64 Zahlungssicherung zugunsten des Versicherungsnehmers Eine Bevollmächtigung des Versicherungsvermittlers durch den Versicherungsnehmer zur Annahme von Leistungen des Versicherers, die dieser auf Grund eines Versicherungsvertrags an den Versicherungsnehmer zu erbringen hat, bedarf einer gesonderten schriftlichen Erklärung des Versicherungsnehmers.
Schrifttum Beenken/Sandkühler Das neue Versicherungsvermittlergesetz (2007).
Übersicht Rn. A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . .
Rn.
1 1
II. Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . B. Spezielle Kommentierung . . . . . . . .
3 4
A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1
Die Regelung über die Sicherung von Geldern, die der Vermittler vom Kunden oder für den Kunden entgegennimmt, dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 4 Vermittlerrichtlinie. § 64 enthält nur einen Teil der den VN sichernden Regelungen. Die weiteren Sicherungsmaßnahmen enthält § 69 Abs. 2, sowie § 12 VersVermV und zwar auf der Grundlage des § 34d Abs. 8 S. 2 GewO. 2 Das Grundkonzept der Sicherungsmaßnahmen besteht darin, dass der Vermittler nur dann zur Entgegennahme von Zahlungen des VN oder von Zahlungen an den VN auf175 176
BGH 16.8.1961 BGHSt 16 321, 328. Herzog, a.a.O., S. 76.
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177 178
Herzog, a.a.O., S. 76. Herzog, a.a.O., S. 77.
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Zahlungssicherung zugunsten des Versicherungsnehmers
§ 64
grund des VV berechtigt ist, wenn er dazu bevollmächtigt ist. Das ergibt sich für die Entgegennahme von Zahlungen des VN aus § 69 Abs. 2 BGB (Vollmachtsfiktion), sowie § 12 Abs. 1 VersVermV und für die Annahme von Leistungen des VR zugunsten des VN aus § 64.
II. Inhalt und Zweck der Regelung Nach dem Wortlaut der Richtlinie geht es darum, die Kunden dagegen zu schützen, 3 dass der Versicherungsvermittler nicht in der Lage ist, die Prämie an das Versicherungsunternehmen oder den Erstattungsbetrag (im Versicherungsfall) oder eine Prämienvergütung durch den VR an den VN weiterzuleiten.1 Die Vermittlerrichtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten eine Reihe von Maßnahmen, von denen eine oder mehrere ergriffen werden dürfen. Zulässig wären Vorschriften, nach denen vom Kunden an den Vermittler gezahlte Gelder so behandelt werden, als seien sie direkt an das Unternehmen gezahlt worden (Art. 4 Vermittlerrichtlinie). Eine solche Zugangsfiktion enthält § 69 Abs. 2.2
B. Spezielle Kommentierung Die Richtlinie erlaubt weiterhin Regelungen, wonach Gelder, die das Unternehmen an 4 den Vermittler zahlt, erst dann so behandelt werden, als seien sie an den Verbraucher gezahlt worden, wenn der Verbraucher sie tatsächlich erhält (Art. 4a Vermittlerrichtlinie). Das deutsche Recht setzt diesen Gedanken durch eine Vollmachtsregelung um. Der VN muss den Vermittler zur Annahme von Leistungen des VR, die dieser aufgrund eines VV an den VN zu erbringen hat, bevollmächtigt haben. Diese Vollmacht bedarf einer gesonderten schriftlichen Erklärung des VN. Ferner erlaubt die Richtlinie Vorschriften, nach denen Versicherungsvermittler über 5 eine finanzielle Leistungsfähigkeit zu verfügen haben, die jederzeit vier Prozent der Summe ihrer jährlichen Prämieneinnahmen, mindestens jedoch 15.000 € entspricht. Hieran knüpft § 12 Abs. 1 VersVermV. Danach darf der Vermittler für das VU Zahlungen, die der VN im Zusammenhang mit der Vermittlung oder dem Abschluss eines VV an ihn leistet, nur annehmen, wenn er zuvor eine Sicherheit geleistet oder eine geeignete Versicherung abgeschlossen hat, die den VN dagegen schützt, dass der Gewerbetreibende die Zahlung nicht an das VU weiterleiten kann. Dies gilt allerdings nicht, soweit der Gewerbetreibende zur Entgegennahme von Zahlungen des VN nach § 69 Abs. 2 bevollmächtigt ist. Für den Fall, dass die Vollmacht nach § 69 Abs. 2 für den VN erkennbar beschränkt 6 ist, darf der Vermittler Zahlungen nur entgegennehmen, wenn er eine Sicherheit geleistet oder eine geeignete Versicherung zugunsten des VN abgeschlossen hat. In § 12 Abs. 2 wird geregelt, dass die Sicherheit durch die Stellung einer Bürgschaft oder andere vergleichbare Sicherheiten geleistet werden kann. Ergänzend wird klargestellt, dass nur Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Sitz im Inland als Bürge in Betracht kommen, daneben Kreditinstitute, die im Inland zum Geschäftsbetrieb befugt sind, sowie VU, die zum Betrieb der Kautionsversicherung im Inland befugt sind. 1 2
Art. 4 Abs. 4 Vermittlerrichtlinie. BTDrucks. 16/1935, S. 11, die Begründung dazu S. 26 (ursprünglich § 42f Abs. 1).
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
Schließt der Vermittler eine Versicherung zugunsten des VN ab, so sind nach § 12 Abs. 3 VersVermV Versicherungen dann geeignet, wenn das VU zum Betrieb der Vertrauensschadenversicherung im Inland befugt ist und die AVB dem Zweck der VersVermV gerecht werden, insbesondere den VN aus dem VV auch in den Fällen der Insolvenz des Vermittlers unmittelbar berechtigen. Sicherheiten und Versicherungen können nach § 12 Abs. 4 VersVermV nebeneinander geleistet und abgeschlossen werden. Sie können für jedes einzelne Vermittlungsgeschäft oder für mehrere gemeinsam geleistet oder abgeschlossen werden. Insgesamt hat die Versicherungssumme vier Prozent der jährlichen, vom Gewerbetreibenden entgegengenommenen, Prämieneinnahmen zu entsprechen, mindestens jedoch 15.000 €. Vorbild für die Sicherheitsleistung ist § 2 der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV).3 Die Grundsätze über die Sicherheitsleistung oder den Abschluss einer geeigneten Versicherung gelten auch dann, wenn der Vermittler Leistungen des VU annimmt, die aufgrund eines VV an den VN zu erbringen sind (§ 12 Abs. 6 VersVermV). Allerdings bedarf es weder einer Sicherheitsleistung noch eines VV zugunsten des VN, wenn dieser den Vermittler zur Entgegennahme von Leistungen des VU gesondert und schriftlich nach § 64 bevollmächtigt hat. Zum Schutz des VN bestimmt § 64, dass der VR an den Versicherungsvermittler nur dann Zahlungen mit befreiender Wirkung gegenüber dem VN leisten kann, wenn dieser den Versicherungsvermittler entsprechend bevollmächtigt hat.4 Um den VN davor zu schützen, dass eine solche Bevollmächtigung z.B. in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Maklers versteckt ist, verlangt § 64 als Warnfunktion eine gesonderte schriftliche Erklärung.5 Fehlt es an einer gesonderten schriftlichen Bevollmächtigung durch den VN, so darf der Vermittler nur dann Leistungen des VR an den VN aufgrund eines VV annehmen, wenn eine Sicherheit oder ein VV zugunsten des VN i.S.d. § 12 Abs. 6 VersVermV besteht. Zahlt der VR an einen vollmachtlosen Vermittler, so tritt mit dieser Zahlung gegenüber dem VN noch keine Erfüllung ein – der VN kann vom VR (erneut) Zahlung verlangen. Vorschriften, nach denen Kundengelder über streng getrennte Kundenkonten weitergeleitet werden müssen und diese Konten im Fall der Insolvenz nicht zur Entschädigung anderer Gläubiger herangezogen werden dürfen, wären nach Art. 4 Abs. 4c Vermittlerrichtlinie zulässig gewesen. Davon hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht. Das gilt auch für Vorschriften, nach denen ein Garantiefonds eingerichtet werden müsste (Art. 4 Abs. 4d Vermittlerrichtlinie).
§ 65 Großrisiken Die §§ 60 bis 63 gelten nicht für die Vermittlung von Versicherungsverträgen über Großrisiken im Sinn des § 210 Absatz 2. Schrifttum Looschelders/Smarowos Das Internationale Versicherungsvertragsrecht nach Inkrafttreten der Rom-I-Verordnung, VersR 2010, 1. 3 4
BRDrucks. 207/07, S. 32. BTDrucks. 16/1935, S. 26.
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5
Beispiel für eine solche Vollmacht bei Beenken/Sandkühler 91.
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Sonstige Ausnahmen
§ 66
A. Einführung § 65 macht von der Möglichkeit, die Art. 12 Abs. 4 Vermittlerrichtlinie vorsieht, Ge- 1 brauch, Vermittler von Großrisiken von den Informations- und Dokumentationspflichten zu befreien.1
B. Tatbestand im Einzelnen Der Verweis in § 65 stellt klar, dass unter Großrisiko ein VV i.S.v. § 210 Abs. 2 zu 2 verstehen ist. Hintergrund ist der Gedanke, dass der VN bei Großrisiken über umfangreiche geschäftliche Erfahrungen verfügt und deshalb nicht schutzbedürftig ist.2 Die Freistellung der Versicherungsvermittler bei Verträgen über Großrisiken bezieht 3 sich aber nur auf die dem Kundenschutz dienenden besonderen Verpflichtungen nach § 60 (Beratungsgrundlage), § 61 (Beratungs- und Dokumentationspflichten), Zeitpunkt und Form der Information (§ 62) sowie die Schadensersatzpflicht (§ 63). Unberührt bleiben die Regelungen über die Zahlungssicherung zugunsten des VN (§ 64) und die Verpflichtungen des Versicherungsmaklers, die sich aus dem Maklervertrag und der hieraus nach der Rechtsprechung folgenden Sachwalterposition des Maklers ergeben.3 Dies gilt auch für die gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätze der Erfüllungshaftung des VR für Verhalten des Vermittlers. Nach § 209 gelten die Vorschriften des VVG generell nicht für die Rückversicherung 4 und die Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt und damit auch nicht für die Rückversicherungsvermittlung oder die Seeversicherungsvermittlung.4
§ 66 Sonstige Ausnahmen Die §§ 60 bis 64, 69 Abs. 2 und § 214 gelten nicht für Versicherungsvermittler im Sinn von § 34d Abs. 9 Nr. 1 der Gewerbeordnung.
A. Einführung § 66 geht auf einen Vorschlag des Bundesrates1 zurück. Die ursprünglich vorgeschla- 1 gene Fassung, die sowohl nicht gewerbsmäßig tätige Versicherungsvermittler als auch Versicherungsvermittler i.S.d. § 34d Abs. 9 GewO in die Vorschriften des VVG über Beratungs- und Dokumentationspflichten, Kundengeldsicherung und die Schlichtungsstelle einbezog, ging über die Vorgaben der Vermittlerrichtlinie 2002/92/EG hinaus. Die Änderung gewährleistet eine 1:1 Umsetzung der Richtlinie und vermeidet zusätzliche Belastungen für die nach der Richtlinie Privilegierten.
1 2
BTDrucks. 16/1935, S. 26. Looschelders/Smarowos VersR 2010, 1, 4 m.w.N.; Fricke VersR 2009, 429; Thume VersR 2009, 1342.
3 4
BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26.
1
BTDrucks. 16/3162, S. 10.
Hans-Peter Schwintowski
461
§ 67
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
B. Tatbestand im Einzelnen 2
Mit § 66 wird Art. 1 Abs. 2 Vermittlerrichtlinie umgesetzt. Danach sind gewisse Vermittlungstätigkeiten vom Anwendungsbereich der Vermittlerrichtlinie ausgenommen. Es handelt sich um Tätigkeiten, die in § 34 Abs. 9 Nr. 1 GewO bezeichnet sind. Es sind Tätigkeiten, bei denen aufgrund des unbeachtlichen Umfangs, des geringen Risikos sowie der geringen Höhe der Versicherungsprämie, die an die Person des Vermittlers gestellten Anforderungen unverhältnismäßig wären.2 Die einzelnen Ausnahmetatbestände der Richtlinie wurden weitgehend unverändert in § 34d Abs. 9 Nr. 1 GewO übernommen. Die Voraussetzungen der Buchstaben a bis f müssen kumulativ vorliegen. Regelmäßig werden die folgenden Personengruppen den Ausnahmetatbestand erfüllen, was der Gewerbetreibende gegebenenfalls nachweisen muss: – Kreditkartenvermittler, z.B. Arbeitslosigkeitsversicherung; – Brillenhändler (z.B. Kaskoversicherung); – Reifenhändler (z.B. Reifenversicherung); – Versand- und Einzelhandel (z.B. Garantieversicherung zur Verlängerung der Gewährleistung); – Elektrohändler (z.B. Garantie- und Reparaturversicherung); – Fahrradhändler, Fahrradhersteller (z.B. Unfall- und Diebstahlversicherung); – Reisebüros (z.B. Reiserücktritts- und Reisekrankenversicherung).3 Für diese Personengruppen, die keiner gewerberechtlichen Erlaubnis für die Versicherungsvermittlung bedürfen, gelten weder die Vorschriften über die Beratungsgrundlage (§ 60), noch die Regeln über die Beratungs- und Dokumentationspflichten (§ 61), den Zeitpunkt und die Form der Information (§ 62), die Schadensersatzpflicht (§ 63), die Zahlungssicherung (§ 64), die Zugangsfiktion (§ 69 Abs. 2) und die Regelungen über die Schlichtungsstelle (§ 214). Beratungs- und Aufklärungspflichten können sich allerdings nach allgemeinem Zivilrecht ergeben.4
§ 67 Abweichende Vereinbarungen Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.
1
Die Vorschrift stellt klar, dass durch eine Vereinbarung zwischen Vermittler und VN nicht zum Nachteil des VN von den Vorschriften der §§ 60 bis 66 abgewichen werden kann. Diese Normen sind mithin halbzwingend – Abweichungen zum Vorteil des VN sind zulässig. Es wird nicht zwischen Individualvereinbarungen und Klauselvereinbarungen differenziert – das heißt Abweichungen zum Nachteil des VN sind generell unwirksam. Damit sind auch haftungsbeschränkende Vereinbarungen, etwa z.B. die Vereinbarung einer Haftungshöchstsumme oder die Verkürzung einer Verjährungsfrist, mit § 67 nicht zu vereinbaren.1 2 3 4
BTDrucks. 16/1935, S. 20. BTDrucks. 16/1935, S. 20. Looschelders/Pohlmann/Baumann § 66 Rn. 3.
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1
Wie hier Schwintowski/Brömmelmeyer/ Michaelis § 67 Rn. 4; a.A. Looschelders/Pohlmann/Baumann § 67 Rn. 3.
Hans-Peter Schwintowski
Versicherungsberater
§ 68
§ 68 Versicherungsberater 1Die für Versicherungsmakler geltenden Vorschriften des § 60 Abs. 1 Satz 1, des § 61 Abs. 1 und der §§ 62 bis 65 und 67 sind auf Versicherungsberater entsprechend anzuwenden. 2 Weitergehende Pflichten des Versicherungsberaters aus dem Auftragsverhältnis bleiben unberührt.
Schrifttum Durstin/Peters Versicherungsberater und Versicherungsmakler in der rechtspolitischen Entwicklung, VersR 2007 1456.
Da die Versicherungsberater von der Vermittlerrichtlinie erfasst werden1, bestimmt 1 § 68, dass die für Versicherungsmakler geltenden Vorschriften auf Versicherungsberater entsprechend anzuwenden sind.2 In zwei Punkten sind allerdings Ausnahmen erforderlich, um dem vom Versicherungsmakler abweichenden besonderen Berufsbild des Versicherungsberaters Rechnung zu tragen.3 Zum einen soll dem Versicherungsberater nicht die Möglichkeit nach § 60 Abs. 1 S. 2 eingeräumt werden, seine Beratungsgrundlage gegenüber seinem Kunden einzuschränken. Diese Auffassung des Gesetzgebers ist i.R.d. Kommentierung zu § 59 Abs. 4 als nicht überzeugend diskutiert worden.4 Zum anderen kommt bei einem Vertrag mit einem Versicherungsberater ein Verzicht des Kunden nach § 61 Abs. 2 nicht in Betracht.5 Aus dem Vertragsverhältnis mit dem Versicherungsberater werden sich i.d.R. Ver- 2 pflichtungen des Versicherungsberaters gegenüber dem Kunden ergeben, die über die von der Richtlinie vorgeschriebenen Pflichten hinausgehen. In § 68 S. 2 wird daher klargestellt, dass diese weitergehenden Verpflichtungen unberührt bleiben.6
1
2
Vgl. die Einzelheiten bei der Kommentierung zu § 59 Abs. 4; sowie Durstin/Peters VersR 2007 1456. BTDrucks. 16/1935, S. 26.
3 4 5 6
BTDrucks. 16/1935, S. 26. Zur Komm § 59. BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 27.
Hans-Peter Schwintowski
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Unterabschnitt 2 Vertretungsmacht § 69 Gesetzliche Vollmacht (1) Der Versicherungsvertreter gilt als bevollmächtigt, 1. Anträge, die auf den Abschluss eines Versicherungsvertrags gerichtet sind, und deren Widerruf sowie die vor Vertragsschluss abzugebenden Anzeigen und sonstigen Erklärungen vom Versicherungsnehmer entgegenzunehmen, 2. Anträge auf Verlängerung oder Änderung eines Versicherungsvertrags und deren Widerruf, die Kündigung, den Rücktritt und sonstige das Versicherungsverhältnis betreffende Erklärungen sowie die während der Dauer des Versicherungsverhältnisses zu erstattenden Anzeigen vom Versicherungsnehmer entgegenzunehmen und 3. die vom Versicherer ausgefertigten Versicherungsscheine oder Verlängerungsscheine dem Versicherungsnehmer zu übermitteln. (2) 1Der Versicherungsvertreter gilt als bevollmächtigt, Zahlungen, die der Versicherungsnehmer im Zusammenhang mit der Vermittlung oder dem Abschluss eines Versicherungsvertrags an ihn leistet, anzunehmen. 2 Eine Beschränkung dieser Vollmacht muss der Versicherungsnehmer nur gegen sich gelten lassen, wenn er die Beschränkung bei der Vornahme der Zahlung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. (3) 1Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast für die Abgabe oder den Inhalt eines Antrags oder einer sonstigen Willenserklärung nach Absatz 1 Nr. 1 und 2. 2 Die Beweislast für die Verletzung der Anzeigepflicht oder einer Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer trägt der Versicherer.
Schrifttum Fricke Beweislast und Beweisführung bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht – eine kritische Würdigung der Rechtsprechung des BGH, VersR 2007 1614; Niederleithinger Auf dem Weg zu einer VVG-Reform, VersR 2006 437; Rixecker VVG 2008 – Eine Einführung, ZfS 2008 669; Rüffer/Halbach/Schimikowski Versicherungsvertragsgesetz – Handkommentar (2009); Schwintowski/Brömmelmeyer Praxiskommentar zum Versicherungsrecht, 1. Aufl. (2008).
Übersicht Rn. A. I. II. III. B. I.
Einführung . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . Rechtsnatur der Vertretungsmacht . Spezielle Kommentierung . . . . . Der Begriff Versicherungsvertreter in § 69 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . II. Die Empfangsvollmacht nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . 1. Der Antrag . . . . . . . . . . .
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Rn.
1 1 2 11 15 III.
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IV. V. VI.
2. Vor Vertragsschluss abgegebene Anzeigen und Erklärungen des VN . 3. Der Widerruf des Antrags . . . . . . 4. Anzeigen vor Vertragsschluss/ sonstige Erklärungen . . . . . . . . Die Empfangsvollmacht nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . Übermittlung von Versicherungsscheinen Die Inkassovollmacht (§ 69 Abs. 2) . . Die Beweislast (§ 69 Abs. 3) . . . . . .
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A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Die §§ 69–73 knüpfen an die bis 31.12.2007 geltenden §§ 43–48 VVG a.F. an und 1 tragen der Tatsache Rechnung, dass VV – vom Direkt- und Internetvertrieb abgesehen – auch heute noch typischerweise durch Versicherungsmakler oder Versicherungsvertreter vermittelt werden. Durch das Zwischenschalten eines Vermittlers entsteht notwendigerweise die Frage, ob der Vermittler zugleich Stellvertreter des VR ist, ob also Willenserklärungen, die der Vermittler abgibt, unmittelbar für und gegen den VR wirken (§ 164 Abs. 1 BGB).
II. Inhalt und Zweck der Regelung Die Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass VV typischerweise durch einen zwi- 2 schengeschalteten Dritten vermittelt werden. Daraus entsteht im Rechtsverkehr das Bedürfnis nach Rechtssicherheit bei der Frage, ob und in welchem Umfang der Vermittler zugleich Stellvertreter des VR ist. Da der Vermittler nicht Organ des VR und damit auch nicht gesetzlicher Vertreter des VR ist, hat sich der Gesetzgeber entschlossen, Unklarheiten über das Bestehen und den Umfang der Vertretungsmacht des Vermittlers zugunsten der VN durch Schaffung einer gesetzlichen Vollmacht zu begegnen. Die gesetzliche Vollmacht des § 69 gilt für den Versicherungsvertreter und knüpft damit konzeptionell an die gesetzlichen Vollmachten des Handelsrechtes, etwa die Prokura (§§ 48–53 HGB), die Handlungsvollmacht (§ 54 HGB), die Abschlussvollmacht (§ 55 HGB) und die Vollmacht des Ladenangestellten (§ 56 HGB) an. In allen Fällen geht es um den Schutz des Rechtsverkehrs durch Vorgabe einer gesetzlichen Vollmacht. Anders als im Vertretungsrecht des BGB (§ 166 Abs. 2 BGB) ergibt sich der Umfang der Vollmacht nicht aus der rechtsgeschäftlichen Abrede zwischen VR und Vermittler, sondern aus dem Gesetz – der Rechtsverkehr kann sich folglich auf den Umfang der Vertretungsmacht einstellen und auf etwaige Nachfragen über Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht, die i.R.d. bürgerlich-rechtlichen Vertretungsrechtes erforderlich sind, verzichten. Konzeptionell beschränkt sich die gesetzliche Vollmacht des § 69 auf den Versiche- 3 rungsvertreter (§ 59 Abs. 2). Eine vergleichbare gesetzliche Vollmacht gibt es für den Versicherungsmakler oder den Versicherungsberater nicht. Dafür besteht auch kein Sachgrund, denn sowohl der Versicherungsmakler (Sachwalter des VN) als auch der Versicherungsberater (§ 59 Abs. 4) sind für den VN und nicht für den VR tätig. Das schließt nicht aus, dass der Makler im Einzelfall nicht treuhänderischer Sachwalter des VN, sondern (rechtsgeschäftlicher) Vertreter des VR und damit i.S.d. § 69 bevollmächtigt ist.1 Die Regelung über die dem Versicherungsvertreter kraft Gesetzes zustehende Voll- 4 macht ist wie bisher (§ 43 VVG a.F.) sowohl auf Abschlussvertreter (§ 71) als auch auf bloße Versicherungsvertreter (§ 59 Abs. 2) anzuwenden.2 Dabei ist Versicherungsvertreter nach § 59 Abs. 2, wer von einem VR oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig VV zu vermitteln oder abzuschließen.
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BGH 17.1.2001 VersR 2001 368, 369; Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 59 m.w.N.
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BTDrucks. 16/3945, S. 77.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
Die frühere Beschränkung der gesetzlichen Vollmacht auf den Versicherungszweig, in dem der Vertreter vertraglich tätig ist (§ 43 S. 1 VVG a.F.) ist in § 69 Abs. 1 entfallen, da sie dem Schutzbedürfnis des VN widerspricht.3 Durch sorgfältige Auswahl seiner Vertreter habe der VR es in der Hand, sicherzustellen, dass sich sein Vertreter an den ihm vorgegebenen Rahmen seiner vertraglichen Vertretungsmacht halte.4 Ergänzt und stabilisiert wird § 69 durch § 70, wonach die Kenntnis des Versicherungsvertreters der Kenntnis des VR gleichsteht. Dies entspricht konzeptionell § 166 Abs. 1 BGB. Außerdem kann die gesetzliche Vollmacht des Versicherungsvertreters nicht durch AVB eingeschränkt werden – die §§ 69, 71 sind insoweit nicht abdingbar (§ 72). Schließlich stellt § 73 klar, dass die §§ 69–72 auch auf Angestellte eines VR und auf nicht gewerbsmäßig tätige Vermittler anzuwenden sind. In § 69 Nr. 1 und 2 wird die Auge-und-Ohr-Rechtsprechung des BGH5 berücksichtigt, auf deren Grundlage bereits im bis zum 31.12.2007 geltenden Recht von einer gegenüber dem Gesetzeswortlaut erweiterten Empfangsvollmacht auszugehen ist.6 Aus Gründen der Übersichtlichkeit und besseren Lesbarkeit wird in der Nr. 1 und 2 zwischen der Sachlage vor und nach Vertragsschluss klarer als nach dem Wortlaut in § 43 VVG a.F. unterschieden.7 In Nr. 1 werden daher nur der Antrag auf Abschluss des Vertrages, nicht die Verlängerung und Änderung aufgeführt. Hierunter fällt auch, wie bereits im geltenden Recht, die Annahmeerklärung des VN.8 Zusätzlich werden Anzeigen, zu denen der VN, insbesondere nach § 19 vor Vertragsschluss, verpflichtet ist, sowie alle sonstigen Erklärungen des VN im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrages erfasst.9 Nr. 2 berücksichtigt alle Anträge, Erklärungen oder Anzeigen, die vom VN nach Vertragsschluss gegenüber dem VR abgegeben werden.10 Die Ermächtigung des Vertreters nach Nr. 3 stimmt mit der Regelung bis zum 31.12.2007 überein. Sie erfasst auch Einzelpolicen und Versicherungszertifikate nach § 55, die bei laufenden Versicherungen vom VR ausgestellt werden.11 Mit § 69 Abs. 2 werden – ergänzt durch § 64 – die Vorgaben der Vermittlerrichtlinie zur Zahlungssicherung zugunsten des VN umgesetzt.12 Die Frage der Beweislastverteilung wird in Abs. 3 entsprechend den vom BGH entwickelten Grundsätzen klargestellt. Danach trifft den VR die Beweislast dafür, dass der VN seine vorvertragliche Anzeigepflicht nach § 19 oder eine Obliegenheit verletzt hat.13 Bei allen anderen Willenserklärungen nach Abs. 1 Nr. 1 und 2 liegt die Beweislast beim VN, wenn die Abgabe oder der Inhalt der Erklärung streitig ist.14
III. Rechtsnatur der Vertretungsmacht 11
Es handelt sich in § 69 um eine gesetzliche Vollmacht, nicht aber um eine gesetzliche Vertretungsmacht i.S.e. absoluten Rechtes, wie sie etwa von § 1626 Abs. 1 BGB den Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern eingeräumt wird. Es bedarf folglich einer
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BTDrucks. 16/3945, S. 77. BTDrucks. 16/3945, S. 77. Erstmals BGH 11.11.1987 VersR 1988 234. BTDrucks. 16/3945, S. 77. BTDrucks. 16/3945, S. 77. BTDrucks. 16/3945, S. 77.
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rechtsgeschäftlichen Vollmacht. Die Erteilung der Vollmacht erfolgt, indem der VR einen Versicherungsvertreter damit betraut, gewerbsmäßig VV zu vermitteln oder abzuschließen (§ 59 Abs. 2). Im Regelfall wird die Vollmacht also als Innenvollmacht vom VR gegenüber dem Versicherungsvertreter erteilt (§ 167 Abs. 1 BGB). Das schließt nicht aus, dass der VR auch gegenüber einem Dritten oder durch öffentliche Bekanntmachung erklären kann, dass eine Person von ihm mit der Vermittlung oder dem Abschluss von VV betraut worden ist (Außenvollmacht). Die Bevollmächtigung ist formfrei, sie kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (§ 168 S. 1 BGB). Da es sich bei § 69 um eine gesetzliche Vollmacht handelt, ist diese Vollmacht – entgegen § 168 S. 2 BGB – nicht widerruflich und nach § 72 durch AGB nicht beschränkbar. Die gesetzliche Vollmacht entsteht, wenn der VR einen Versicherungsvertreter damit 12 betraut, gewerbsmäßig VV zu vermitteln oder abzuschließen (§ 59 Abs. 2). Mit dieser Betrauung gilt der Versicherungsvertreter als bevollmächtigt, bestimmte Erklärungen und Zahlungen des VN entgegenzunehmen und Versicherungsscheine dem VN zu übermitteln. Nach § 165 BGB ist die Wirksamkeit einer von oder gegenüber dem Vertreter abgege- 13 benen Willenserklärung nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Vertreter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Kommt der Vertretervertrag, beispielsweise wegen fehlender Genehmigung des gesetzlichen Vertreters (§ 108 Abs. 1 BGB) mit dem Minderjährigen nicht zustande, so wird der VR i.R.d. §§ 69, 70 dennoch gebunden, wenn der Minderjährige im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertretervertrages mit der Vermittlungstätigkeit begonnen haben sollte.15 Neben der gesetzlichen Vollmacht des § 69 steht die rechtsgeschäftliche, die dem Ver- 14 tretervertrag zwischen VR und dem an ihn gebundenen Vermittler immanent ist. Nimmt der VR für die Vermittlung von VV die Dienste von Versicherungsvertretern in Anspruch, so erfüllt der Vertreter damit gleichzeitig die Pflichten des VR nach § 6 Abs. 1 S. 1.16 Er handelt aufgrund des Vertretervertrages mit dem VR für und gegen diesen (§§ 164, 166 BGB) – einer gesetzlichen Regelung bedarf es nach Meinung des Gesetzgebers deshalb nicht.17 Dies bedeutet, dass sich die gesetzliche (Empfangs-)Vollmacht des § 69 mit der rechtsgeschäftlichen Vollmacht aus dem Vertretervertrag überlagert und ergänzt. Die gesetzliche Vollmacht des § 69 bildet dabei den Mindeststandard, der nicht unterschritten werden kann, während die rechtsgeschäftliche Vollmacht aus dem Vertretervertrag darüber hinausgehend die Vertretungsmacht des gebundenen Vermittlers insoweit erweitert, als er Pflichten des VR nach § 6 erfüllt. Daraus folgt, dass eine Empfehlung, die der Versicherungsvertreter im Beratungsgespräch erteilt, zugleich eine Empfehlung des VR nach § 6 Abs. 1 ist. Soweit der Versicherungsvertreter seinen Rat dokumentiert, bindet diese Dokumentation zugleich auch den VR (§ 7 Abs. 1 S. 2). Vergleichbare Bindungen entstehen nach Vertragsschluss, soweit ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des VN erkennbar ist und anstelle des VR der Versicherungsvertreter tätig wird (§ 6 Abs. 4). Verletzt der Vertreter des VR eine Verpflichtung nach § 6 Abs. 1, 2 oder 4, so ist der VR dem VN zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet (§ 6 Abs. 5), wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hatte. Dabei wird das Verhalten des Vertreters dem VR nach § 278 BGB zugerechnet.
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Bruck/Möller/Möller § 43 Rn. 10. BTDrucks. 16/3945, S. 58.
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BTDrucks. 16/3945, S. 58.
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B. Spezielle Kommentierung I. Der Begriff Versicherungsvertreter in § 69 Abs. 1 Der Begriff des Versicherungsvertreters wird in § 69 Abs. 1 vorausgesetzt – es wird an die Definition in § 59 Abs. 2 angeknüpft. Dort heißt es, dass Versicherungsvertreter i.S.d. Gesetzes ist, wer von einem VR oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig VV zu vermitteln oder abzuschließen. Daraus folgt, dass ein Versicherungsvertreter i.S.d. § 59 Abs. 2 automatisch über die gesetzliche Vollmacht des § 69 Abs. 1 verfügt. Dies gilt auch für Versicherungsvermittler nach § 34d Abs. 9 Nr. 1 GewO. Dies ergibt sich aus § 66, der § 59 Abs. 2 für Vermittler dieser Art für anwendbar erklärt. Das Gleiche gilt für Vermittler nach § 34d Abs. 3 GewO, der zwar von der nach § 34d Abs. 1 GewO notwendigen Erlaubnis auf Antrag befreit werden kann, dessen ungeachtet aber Versicherungsvertreter i.S.d. § 59 Abs. 2 ist. Gemeint sind Gewerbetreibende, die die Versicherung als Ergänzung der i.R. ihrer Haupttätigkeit gelieferten Waren oder Dienstleistungen vermitteln. Die Vermittlung der Versicherungen erfolgt also produktakzessorisch, z.B. die Haftpflicht- oder Kaskoversicherung beim Kfz-Kauf oder der Abschluss einer Lebensversicherung als Sicherheit für einen Darlehensvertrag.18 Ebenfalls umfasst sind Angestellte eines VR, die mit der Vermittlung oder dem Ab16 schluss von VV betraut sind und nicht gewerbsmäßig tätige Vermittler, wie § 73 klarstellt. Demgegenüber wird der Versicherungsmakler nicht nach § 59 Abs. 2, sondern nach 17 § 59 Abs. 3 tätig – er ist Sachwalter für den VN.19 Auf ihn erstreckt sich die gesetzliche Vollmacht des § 69 nicht.20 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Makler – ausnahmsweise – einmal rechtsgeschäftlicher Vertreter (Vollmacht nach § 167 BGB: Sog. Maklerklausel)21 des VR ist.22 Dies wurde vom BGH in einem Fall bejaht, in dem der Makler alle Rechtshandlungen des VR als dessen Vertreter vornahm, einschließlich der Leistungsablehnung mit Androhung der Ausschlussfrist (§ 12 Abs. 3 VVG a.F.).23 Dies hatte zur Folge, dass die Unklarheiten der – vom Makler aufgestellten – AVB nicht zu Lasten des VN, sondern zu Lasten des VR gingen.24 Genau besehen agiert der Makler in Fällen dieser Art weder im Verhältnis zum VN noch im Verhältnis zum VR als Makler, sondern als (gebundener) Vertreter. So gesehen ist er Versicherungsvertreter nach § 59 Abs. 2. Es geht in einem solchen Fall nicht um eine Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 69, sondern darum zu erkennen, dass der Makler in bestimmten Ausnahmefällen seinen Status überwindet und stattdessen als Vertreter tätig wird.25 Er riskiert allerdings seine Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO als Makler. Ein Versicherungsvertreter kann ausnahmsweise auch einmal rechtsgeschäftlicher Ver18 treter des VN gegenüber dem VR (sog. Pseudomakler) sein. In einem solchen Fall wird der Vertreter nicht nach § 59 Abs. 2 für den VR, sondern nach § 59 Abs. 3 für den VN als Makler tätig. In diesem Sinne entschied der BGH, als ein Hauseigentümer „seine“ Hausverwaltung darum bat, einen neuen Gebäudeversicherungsvertrag abzuschließen. Die Hausverwaltung, die nach § 59 Abs. 2 an einen bestimmten VR gebunden war, verhandelte – wegen der Weisungen des Hauseigentümers – für ihn mit mehreren VR,
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BTDrucks. 16/1935, S. 19; vertiefend Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 52. BTDrucks. 16/3945, S. 58. HK-VVG/Münkel § 69 Rn. 7 m.w.N. HK-VVG/Münkel § 69 Rn. 8. BGH 17.1.2001 VersR 2001 368, 369.
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BGH 17.1.2001 VersR 2001 368, 369 unter II.1. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 59. Dies übersieht HK-VVG/Münkel § 69 Rn. 10 ff.
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gerierte sich also als Makler.26 Für den VN war die Hausverwaltung folglich nicht als Versicherungsvertreter, sondern als Versicherungsmakler tätig. Ob die Hausverwaltung durch ihre Tätigkeit für den VN den zwischen ihr und dem VR bestehenden Vertretervertrag schuldhaft verletzt hatte (§ 280 Abs. 1 BGB), ist eine andere Frage. Aus der Tatsache, dass der Versicherungsvertreter in diesen Fällen als Pseudomakler 19 tätig wird, folgt allerdings nicht, dass § 69 keine Anwendung findet. Auch wenn sich der Vertreter als Makler geriert, ist er im Verhältnis zum VR dennoch Vertreter und verfügt als solcher über die Vollmacht nach § 69 VVG. Das heißt im Verhältnis zum VR nimmt der Vertreter die Erklärungen des VN wirksam entgegen, auch wenn er sich gegenüber dem VN als Makler geriert hat.27 Der Grund hierfür liegt in der Zuweisung der gesetzlichen Vollmacht durch § 69. Diese gesetzliche Zuweisung ist nicht privatautonom disponibel – das heißt, ein Versicherungsvertreter, der diese Vollmacht hat, kann sie nicht einfach dadurch abstreifen, indem er sich des Mantels des Maklers bedient.28 Dies ergibt sich auch aus § 72, wonach eine Beschränkung der dem Versicherungsvertreter nach den §§ 69 und 71 zustehenden Vertretungsmacht durch AVB gegenüber dem VN und Dritten unwirksam ist. Dieses Beschränkungsverbot gilt auch dann, wenn der Versicherungsvertreter – wahrheitswidrig – seinen Status als Makler beschreibt und dem VN auf diese Weise den Schutz des § 69 entzieht. Auch in diesem Fall kann der VN, wie im Falle des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, auf den Inhalt der Erklärungen des Vermittlers keinen Einfluss nehmen, bedarf also des Schutzes, den § 72 vermitteln soll. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Vermittler die Beschränkung der Vertretungsmacht mit dem VN im Einzelnen aushandelt und dabei offen legt, dass er von seinem mit dem VR für den Normalfall verabredeten Status in diesem Ausnahmefall individuell abweichen will.
II. Die Empfangsvollmacht nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 Der Versicherungsvertreter gilt als bevollmächtigt, Anträge, die auf den Abschluss 20 eines VV gerichtet sind und deren Widerruf entgegenzunehmen. Das Gleiche gilt für die vor Vertragsschluss abzugebenden Anzeigen und sonstigen Erklärungen des VN. 1. Der Antrag Der Begriff Antrag, der in § 69 Abs. 1 Nr. 1 ebenso wie in § 5 Abs. 1 gebraucht wird, 21 beinhaltet, wie sich aus dem Kontext zu §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1, 19 Abs. 1 ergibt, jene Willenserklärung des VN, mit der er gegenüber dem VR bindend erklärt, mit diesem auf der Grundlage der im Antrag niedergelegten Einzelheiten einen VV zu schließen. Der Versicherungsvertreter ist folglich bevollmächtigt, diesen Antrag, also die Vertragserklärung des VN, mit Wirkung für und gegen den VR entgegenzunehmen. Bis zur Grundsatzentscheidung des BGH im Jahre 198729 war unklar, ob der Antrag auch die bei dieser Gelegenheit vom Antragsteller abgegebenen mündlichen Erläuterungen umfasste. Der BGH hat dies bejaht und entschieden: „Die Entgegennahme eines Antrages auf Abschluss eines VV und die Kenntnisnahme der von dem Antragsteller bei dieser Gelegenheit abgegebenen – mündlichen – Erklärungen zu den ihm im Antragsformular des VR gestellten Fra26
27
BGH 19.9.2001 VersR 2001 1498, 1499 unter II.2; Beckmann/Matusche-Beckmann/ Reiff § 5 Rn. 58. Schimikowski RuS 1999 485, 488; ders. R&S 2000 353, 358; Beckmann/Matusche-
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Beckmann RuS 1998 89, 91; HK-VVG/Münkel § 69 Rn. 9. HK-VVG/Münkel § 69 Rn. 9. BGH 11.11.1987 VersR 1988 234; bestätigt durch BVerfG 25.6.1998 VersR 1998 1137.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
gen stellen einen einheitlichen Lebensvorgang dar, der keine juristische Aufspaltung erlaubt. Bei der Entgegennahme eines Antrages auf Abschluss eines VV steht dem Antragsteller – auf alleinige Veranlassung des VR – der Empfangsbevollmächtigte Vermittlungsagent bildlich gesprochen als das Auge und Ohr des VR gegenüber. Was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem VR gesagt und vorgelegt worden.“30 Ausgehend von dieser, inzwischen in Literatur und Rechtsprechung vielfach bestätig22 ten, Auge-und-Ohr-Doktrin bilden das Antragsformular und die bei Abgabe dieses Formulars an den Vermittler abgegebenen mündlichen Erklärungen des VN eine Einheit. Der Antrag besteht nicht nur aus dem Formular, sondern auch aus den Erklärungen des VN an den Vermittler, wobei der VN darlegen und beweisen muss, bestimmte Erklärungen abgegeben zu haben. Weicht der Versicherungsschein, der später vom VR ausgefertigt wird, von diesem (einheitlichen) Antrag ab, ohne dass der VN vom VR hierauf durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein aufmerksam gemacht wird, so gilt der Vertrag als mit dem Inhalt des (einheitlichen) Antrags des VN geschlossen (§ 5 Abs. 3). Fälle dieser Art sind möglich, wenn der Versicherungsvertreter die (mündlichen) Erklärungen des VN weder im Antrag (schriftlich) festhält, noch sonst dokumentiert und dem VR ausschließlich den (schriftlichen) Antrag weitergibt, sodass beim VR der Eindruck entsteht, als sei die Vertragserklärung des VN im schriftlichen Antrag vollständig enthalten. 2. Vor Vertragsschluss abgegebene Anzeigen und Erklärungen des VN In § 69 Abs. 1 Nr. 1 wird darüber hinaus klargestellt, dass der Versicherungsvertreter als bevollmächtigt gilt, die vor Vertragsschluss abzugebenden Anzeigen und sonstigen Erklärungen vom VN entgegenzunehmen. Mit dieser Neufassung wollte der Gesetzgeber die Auge-und-Ohr-Rechtsprechung berücksichtigen, auf deren Grundlage bereits im geltenden Recht (bis 31.12.2007) von einer gegenüber dem Gesetzeswortlaut erweiterten Empfangsvollmacht auszugehen war.31 Der Wortlaut der ab 1.1.2008 geltenden Nr. 1 umfasst folglich die Vertragserklärung des VN, den diese Erklärung begleitenden (schriftlichen oder mündlichen) Antrag sowie alle von dem Antragsteller bei dieser Gelegenheit abgegebenen – auch nur mündlichen – Erklärungen zu den dem VN im Antragsformular gestellten Fragen sowie die vor Vertragsschluss abzugebenden Anzeigen (insbesondere nach § 19) und sonstigen Erklärungen (z.B. nach § 28). Dies bedeutet, dass auch Erklärungen des VN zu den im Antragsformular gestellten Fragen, die weder unter § 19 noch unter den Terminus sonstige Erklärungen zu subsumieren sind, vom Versicherungsvertreter als Auge und Ohr des VR entgegengenommen werden. Benutzt der VR ein schriftliches Antragsformular, so kann dieses durch den Versiche24 rungsvertreter inhaltlich verändert werden. Der Versicherungsvertreter kann beispielsweise Antragsfragen wegstreichen oder weglassen oder ergänzen. In einem solchen Fall besteht der Antrag in der vom Versicherungsvertreter modifizierten Form. Der VR muss sich die Modifikationen i.R.v. § 6 zurechnen lassen. Dies gilt etwa dann, wenn der Versicherungsvertreter das Antragsformular ausgefüllt hat und der VN substantiiert behauptet, den Vermittler mündlich zutreffend unterrichtet zu haben.32 In diesem Fall muss der VR beweisen, dass der VN den Vertreter nicht zutreffend unterrichtet hat.33
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BGH 11.11.1987 VersR 1988 234 Rn. 35. BTDrucks. 16/3945, S. 77. Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle § 19 Rn. 66.
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BGH 23.5.1989, BGHZ 107, 322 16.10.1996 VersR 1996 1529; BGHZ 107, 322 10.10.2001 VersR 2001 1541.
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Gesetzliche Vollmacht
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Der Versicherungsvertreter kann das Antragsformular auch dadurch verändern, in- 25 dem er es selbst ausfüllt oder die Fragen ganz oder teilweise nicht vorliest. In diesem Falle sind die Fragen nicht gestellt worden – sie sind noch nicht einmal zur Kenntnis des VN gelangt, wenn das Antragsformular allein zur Unterzeichnung vorgelegt wird.34 Das Gleiche gilt, wenn der Versicherungsvertreter die Fragen nicht vorliest, sondern mit eigenen Worten wiedergibt.35 Etwas anderes gilt, wenn der Vermittler dem Kunden das Formular nicht nur zur Unterschrift, sondern mit der ausdrücklichen Bitte um vorherige Durchsicht und Überprüfung seiner Eintragungen vorgelegt und ihm die dafür notwendige Zeit eingeräumt hat.36 Werden dem VN komplizierte Fragen vorgelesen, so hat der VR nachzuweisen, dass die Befragung einer sorgsamen, nicht unter Zeitdruck stehenden und gegebenenfalls durch klärende Rückfragen ergänzten Lektüre der Fragen gleichgesetzt werden kann.37 Verdeckt der Vermittler durch relativierende Bemerkungen die Antragsfrage, so gilt die Frage als nicht gestellt.38 Etwaige Fehler in einem rechnergestützen Abfrageprogramm für die Antragsfragen gehen im Zweifel zu Lasten des VR.39 Eine Änderung der vom VR vorformulierten Antragsfragen findet jedoch nicht statt, wenn VN und Versicherungsvermittler zu Lasten des VR kollusiv zusammenwirken, wenn der VN also vom treuwidrigen Verhalten des Versicherungsvermittlers weiß oder sich ein solches Verhalten dem VN geradezu aufdrängt.40 Schaltet der VR – etwa in der LV oder BU – einen Arzt ein, so steht dieser einem Ver- 26 sicherungsvermittler bei der Aufnahme des Versicherungsantrages gleich. Was der VN dem Arzt zur Beantwortung der vom VR vorformulierten Fragen erklärt, hat er dem VR erklärt, auch wenn der Arzt die ihm gegebenen Antworten nicht in seine Erklärung gegenüber dem VR aufnimmt.41 3. Der Widerruf des Antrags Der Versicherungsvertreter gilt auch als bevollmächtigt, den Widerruf eines Antrags, 27 der auf Abschluss eines VV gerichtet ist, entgegenzunehmen. Gemeint ist nicht der Fall des § 130 Abs. 1 BGB, wonach eine Willenserklärung (die Vertragserklärung) nicht wirksam wird, wenn dem anderen (VR) vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Dieser Fall ist bei Abgabe der Vertragserklärung durch den VN nicht möglich, weil der Versicherungsvertreter durch § 69 Abs. 1 Nr. 1 zur Entgegennahme der an den VR gerichteten Vertragserklärung bevollmächtigt ist. Folglich ist die Vertragserklärung, die der Kunde abgibt (z.B. die Unterschrift unter den Antrag) durch Aushändigung an den Vermittler gegenüber dem VR wirksam. Es ist nur noch theoretisch denkbar, dass der Kunde, der gerade unterschrieben hat, mit Übergabe des von ihm unterschriebenen Antrags erklärt, er widerrufe diesen Antrag. In einem solchen, wenig praktischen, Fall
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BGH 13.3.1991 VersR 1991 575; 25.4.1991 NJW-RR 1994 1049; 16.10.1996 VersR 1996 1529; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle § 19 Rn. 67. OLG Stuttgart 15.2.2007 OLGR 2007 753. BGH 25.5.1994 NJW-RR 1994 1049. BGH 11.7.1990 VersR 1990 1002; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle § 19 Rn. 70 m.w.N. BGH 10.10.2001 VersR 2001 1541; OLG Saarbrücken 29.11.1990 VersR 2007 826;
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ähnlich Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle § 19 Rn. 71. OLG Bremen 31.1.2006 VuR 2006 433; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle § 19 Rn. 72. BGH 30.1.02 VersR 2002 425; vertiefend Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle § 19 Rn. 74. BGH 21.11.1989 VersR 1990 77; 16.12.1987 MDR 1988 387; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle § 19 Rn. 75.
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gehen dem VR, vertreten durch seinen Vermittler, Antrag und dessen Widerruf gleichzeitig zu – der Antrag wird nicht wirksam (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Praktische Bedeutung hat das Widerrufsrecht des VN nach § 8. Danach kann der VN 28 seine Vertragserklärung (den Antrag) innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Der Widerruf ist zwar nach § 8 Abs. 1 (in Textform) gegenüber dem VR zu erklären – § 69 Abs. 1 Nr. 1 klärt, dass auch der Versicherungsvertreter als bevollmächtigt gilt, den Widerruf entgegenzunehmen. Dies ist auch dann der Fall, wenn – so wie es § 8 Abs. 2 Nr. 2 vorsieht – der Name und die Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, von dem Namen und der Anschrift des Versicherungsvertreters abweicht. An diesen Grundsätzen wird sich auch dann nichts ändern, wenn das BMJ von der Verordnungsermächtigung nach § 8 Abs. 5 Gebrauch machen und eine Verordnung schaffen sollte, die Inhalt und Gestaltung der dem VN mitzuteilenden Belehrung über das Widerrufsrecht festlegt. Die Empfangsvollmacht des Versicherungsvertreters bezieht sich auch auf Anträge in der Lebensversicherung. Die Sonderregelung in § 152 Abs. 1 ändert nichts am Widerrufsrecht des VN, sondern verlängert nur die Widerrufsfrist von zwei Wochen auf 30 Tage. Weicht der Versicherungsschein vom Antrag des VN oder den getroffenen Verein29 barungen ab und weist der VR den VN bei Übermittlung des Versicherungsscheins darauf hin, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der VN nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht (§ 5 Abs. 1 und 2), so ist der Versicherungsvertreter zur Entgegennahme dieses Widerspruchs nicht nach § 69 Abs. 1 Nr. 1, aber nach Nr. 2 bevollmächtigt. 4. Anzeigen vor Vertragsschluss/sonstige Erklärungen
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Aus Gründen der Übersichtlichkeit und besseren Lesbarkeit wird in den Nr. 1 und 2 zwischen der Sachlage vor und nach Vertragsschluss klarer als nach dem bis zum 31.12.2007 geltenden Wortlaut des VVG unterschieden.42 Erfasst werden von der Nr. 1 auch Anzeigen, zu denen der VN – insbesondere nach § 19 – vor Vertragsschluss verpflichtet ist sowie alle sonstigen Erklärungen des VN im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrages.43 Die Anzeigen, zu denen der VN nach § 19 vor Vertragsschluss verpflichtet ist, sind – 31 wie oben gezeigt – Teil des Antrags, den der VN stellt. So gesehen hat der Wortlaut der Nr. 1 deklaratorische Bedeutung. Zugleich werden aber alle Anzeigen, zu denen der VN vor Vertragsschluss verpflichtet ist, erfasst, auch dann, wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht unter den Begriff Antrag subsumierbar sind. Darüber hinaus sind alle sonstigen Erklärungen des VN im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrages erfasst.44 Dies können Erklärungen sein, die der VN in Ergänzung von Antragsfragen abgibt, die der Vertreter aber weder in den Antrag noch in die Dokumentation aufnimmt, weil die Erklärung – aus seiner Sicht – weder für den Antrag noch für den Abschluss des Vertrages von Relevanz ist. Sollte sich der Vermittler in diesem Punkt geirrt haben, gilt die Erklärung, die der VN ihm gegenüber abgegeben hat, zugleich auch im Verhältnis zum VR als abgegeben. Erklärt der VN beispielsweise bei Anbahnung einer BU oder LV, als Kind jahrelang ständig Kopfschmerzen gehabt zu haben, so ist der Hinweis des Vertreters, dies spiele keine Rolle, weil es keine entsprechende Antragsfrage
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gebe, für die Zurechnung der Erklärung dem VR gegenüber irrelevant. Der VR kennt folglich die Kopfschmerzen, obwohl davon nichts im Antrag steht. Weist der VN darauf hin, dass vor dem Gebäude, das gerade versichert werden soll, monatelang ein Baugerüst stehen wird, so ist die damit verbundene Gefahrerhöhung dem VR bekannt, auch wenn der Vertreter das Baugerüst weder im Antrag noch in der Dokumentation erwähnt. Erklärt der VN, der einen Betrieb versichern will, dass auf dem Nachbargrundstück nach seiner Kenntnis hochexplosive Flüssigkeiten zwischengelagert werden, so ist dem VR dies damit bekannt, auch wenn der Vertreter der Meinung ist, das Nachbargrundstück interessiere bei der Risikoaufnahme nicht. Aus der Perspektive der Beweisbarkeit sollten sowohl der Vermittler als auch der VN 32 Wert darauf legen, dass Erklärungen, die neben oder ergänzend zu den Antragsfragen gegeben wurden, Teil der Dokumentation werden. Im Grundsatz gilt, dass die Beweislast für eine, den schriftlichen Antrag ergänzende, mündliche Willenserklärung auf Erweiterung des Versicherungsschutzes der VN auch dann trägt, wenn der Vertreter des VR den Antrag ausgefüllt hat.45 Ist der VN allerdings in der Lage, seinerseits substantiiert zu behaupten, den Vertreter mündlich zutreffend unterrichtet und damit seine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit erfüllt zu haben, obliegt es nunmehr dem VR darzulegen und zu beweisen, dass der VN den Vertreter auch mündlich unzutreffend unterrichtet hat.46 Denn was dem Vertreter in Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem VR gesagt und vorgelegt worden, auch wenn der Versicherungsvertreter es nicht in das Formular aufgenommen hat.47 Eine Wissenszurechnung ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn der künftige VN 33 nicht schutzwürdig ist.48 Das ist der Fall, wenn er mit dem Versicherungsvertreter arglistig zum Nachteil des VR zusammenwirkt.49 Eine solche Kollusion – als besonders schwerer Fall des Vollmachtsmissbrauchs50 setzt dabei voraus, dass der VN auf die Auskunft des Vertreters, eine erhebliche Vorerkrankung sei nicht anzeigepflichtig, nicht vertraut, sondern im Bewusstsein der Anzeigeobliegenheit erkennt und billigt, dass der VR durch das Vorgehen des Vertreters über seinen Gesundheitszustand getäuscht und dadurch in der Entscheidung über den Abschluss des VV beeinflusst wird und er deshalb – im Einvernehmen mit dem Versicherungsvertreter – will, dass die betreffende Erkrankung im Antragsformular unerwähnt bleibt.51 In der Rechtsprechung des BGH ist seit längerem anerkannt, dass der Vertretene (VR) 34 auch in den Fällen eines Vollmachtsmissbrauchs unterhalb der Schwelle der Kollusion mit dem Vertragspartner im Verhältnis zu diesem geschützt sein kann.52 Voraussetzung dafür ist, dass der Missbrauch aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist.53 Deshalb hat der BGH an die für § 242 BGB geforderte Evidenz des Vollmachtsmissbrauchs durch einen Versicherungsvertreter einen strengen Maßstab angelegt, der dessen besonderer Stellung Rechnung trägt.54 Der VR, der aufgrund des Vertrauensverhältnisses während der Vertragsverhandlungen dem künftigen VN gegenüber zur Auskunft und Beratung verpflichtet ist, soweit sie dieser benötigt, erfüllt diese Pflicht durch Auskünfte
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BGH 3.7.2002 VersR 2002 1098. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 10 unter Hinweis auf BGH 23.5.1989 BGHZ 107 322, 325. BGH 18.12.1991 BGHZ 116 387, 389. BGH 7.3.2001 VersR 2001 620; 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 10. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 10.
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So zutreffend Fricke VersR 2007 1614, 1615. BGH 14.7.2004 VersR 2004 1297; 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 10. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 13. BGH 19.4.1994 NJW 1994 2082 unter II.2.a und 29.6.1999 WM 1999 1617 unter I.2.a. BGH 30.1.2002 VersR 2002 425 unter II.3.c.
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seines Vertreters.55 Dementsprechend darf der Antragsteller davon ausgehen, dass der Vertreter zur Erteilung solcher Auskünfte regelmäßig auch befugt ist. Mit der Vorgabe von Fragen nach gefahrerheblichen Umständen im Antragsformular hat der VR selbst die Anzeigeobliegenheiten so ausgestaltet, dass der künftige VN die Gefahrumstände anhand der ihm gestellten Fragen zu beantworten hat. Unterläuft das der Versicherungsvertreter dadurch, dass er dem Antragsteller durch einschränkende Bemerkungen verdeckt, was auf die jeweilige Frage anzugeben und in das Formular aufzunehmen ist, kann dieses Vertreterverhalten nicht zulasten des künftigen VN gehen.56 Den Vertreter hinsichtlich seiner Auskünfte, was von den offenbarten Umständen in das Formular aufzunehmen ist, zu kontrollieren, ist jedenfalls nicht Sache des künftigen VN.57
III. Die Empfangsvollmacht nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 35
Der Versicherungsvertreter gilt ferner als bevollmächtigt, Anträge auf Verlängerung oder Änderung eines VV oder deren Widerruf, die Kündigung, den Rücktritt und sonstige den VV betreffende Erklärungen sowie die während der Dauer des VV zu erstattenden Anzeigen vom VN entgegenzunehmen (§ 69 Abs. 1 Nr. 2). Erfasst sind sämtliche Erklärungen und Anzeigen, die vom VN nach Vertragsschluss gegenüber dem VR abgegeben werden.58 Die Erklärungen müssen das Versicherungsverhältnis betreffen – informiert der VN seinen Vertreter ganz allgemein darüber, dass in der Straße, in der er wohnt, Bauarbeiten begonnen hätten, so fehlt der Bezug zu einem bestimmten VV. Anders ist es, wenn der VN berichtet, am Haus sei ein Baugerüst aufgestellt worden – daraus ergibt sich für den Vertreter (wie für den VR), dass möglicherweise eine Gefahrerhöhung eingetreten ist. Einer weiteren Anzeige dieser Gefahrerhöhung durch den VN bedarf es folglich nicht mehr. Das Gleiche gilt, wenn der VN seinem Vertreter von einem bevorstehenden Umzug berichtet. Mit dieser Information ist auch der VR entsprechend informiert – ein möglicherweise entgegenstehendes Schriftformerfordernis in den AVB läuft über § 69 Abs. 1 Nr. 2 leer. Das gilt für alle Formerfordernisse, die die AVB für Erklärungen des VN aufstellen, da § 69 Abs. 1 Nr. 2 die Zurechnung von Erklärungen des VN gegenüber dem VR formfrei eröffnet. Der VN kann folglich seine Anzeigen, insbesondere die Schadensanzeige, sowie die Kündigungs-, Rücktritts- oder Anfechtungserklärung mündlich gegenüber seinem Versicherungsvertreter abgeben.59 Der VN erfüllt seine Obliegenheit (§ 30 Abs. 1), den Versicherungsfall unverzüglich anzuzeigen, auch dadurch, dass er die entsprechende Mitteilung mündlich gegenüber seinem Versicherungsvertreter macht, ganz gleichgültig, ob die AVB – was nach § 32 S. 2 zulässig wäre – die Schriftform verlangen. Ein solches Schriftformerfordernis wird über § 69 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 72 verdrängt, weil danach eine Beschränkung der dem Versicherungsvertreter zustehenden Vertretungsmacht durch AVB gegenüber dem VN und Dritten unwirksam ist. Eine Beschränkung der Empfangsvollmacht nach § 69 Abs. 1 liegt auch in einer Klausel, die für Erklärungen des VN gegenüber dem Vertreter die Schriftform oder Textform verlangt.60 Ausgenommen sind die Fälle der Arglist und der Kollusion, ohne dass es hierfür einer ausdrücklichen Bestimmung bedarf.61
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BGH 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 13. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 13; 30.1.2002 VersR 2002 425 unter II.3.c; 10.10.2001 VersR 2001 1541 unter II.1.d. BGH 27.2.2208 VersR 2008 765 Rn. 13.
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BTDrucks. 16/3945, S. 77. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 63. BTDrucks. 16/3945, S. 78. BTDrucks. 16/3945, S. 78.
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Nicht ausgeschlossen sollen Klauseln sein, wonach Anzeigen des VN gegenüber dem 36 VR, z.B. die Änderung eines Bezugsrechts oder die Anzeige einer Abtretung, der Schriftform bedürfen.62 Gegenüber dem Vertreter entfalten Klauseln dieser Art jedenfalls keine Wirkungen, weil Anzeigen, die der VN dem Vertreter gegenüber macht, formfrei zulässig und wirksam sind. Erstattet der VN eine Anzeige nicht seinem Vertreter, sondern direkt dem VR, so soll diese Anzeige nur dann wirksam sein, wenn der VN der Schriftform genügt. Dieselbe Anzeige, die der VN dem Vertreter gegenüber abgibt, ist demgegenüber formfrei wirksam. Damit erweist sich das Schriftformerfordernis in den AVB als überraschend (§ 305c BGB), aber auch als unangemessen nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil das Abweichen der AVB von § 69 Abs. 1 Nr. 2 mit wesentlichen Grundgedanken dieser gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist. Der VR, der vom Versicherungsfall weiß, wenn er seinem Vertreter vom VN oder einem Dritten mündlich oder konkludent angezeigt wurde, handelt treuwidrig, wenn er einwendet, er wisse von nichts, weil dieselbe Anzeige nicht dem Vertreter sondern ihm selbst gegenüber direkt – aber nicht schriftlich, sondern mündlich erfolgte.63 Erfasst sind nach § 69 Nr. 2 nicht nur Anträge auf Verlängerung oder Änderung eines 37 VV und deren Widerruf, die Kündigung, der Rücktritt, sondern auch sonstige das VV betreffende Erklärungen. Damit sind sowohl Wissens- als auch Willenserklärungen gemeint.64 Damit sind alle Auskünfte umfasst, die der VN zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht des VR nach § 31 Abs. 1 S. 1 gibt. Wenn und soweit die AVB vom VN im Verhältnis zum VR nach § 32 S. 2 Schrift- oder Textform vorschreiben, so kollidieren diese Klauseln mit den Wertungen der §§ 69 Abs. 1 Nr. 2, 72 und den Wertungen der §§ 305c, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.65
IV. Übermittlung von Versicherungsscheinen Der Versicherungsvertreter gilt ferner als bevollmächtigt, die vom VR ausgefertigten 38 Versicherungsscheine oder Verlängerungsscheine dem VN zu übermitteln (§ 69 Abs. 1 Nr. 3). Die Ermächtigung des Vertreters stimmt mit der früheren Regelung (§ 43 Nr. 3 VVG a.F.) überein. Sie erfasst auch Einzelpolicen und Versicherungszertifikate nach § 55 Abs. 1, die bei laufenden Versicherungen vom VR ausgestellt werden.66 Der Vertreter gilt als bevollmächtigt, Versicherungs- oder Verlängerungsscheine (§ 4 Abs. 1) dem VN zu übermitteln. Die Vertretungsfiktion des § 69 Abs. 1 Nr. 3 erstreckt sich nicht darauf, einen Versicherungsschein in Vertretung des VR für diesen entgegenzunehmen. So ist der VR nach § 55 Abs. 1 i.R.d. laufenden Versicherung „nur gegen Vorlage der Urkunde zur Leistung verpflichtet“. Liegt die Urkunde dem Versicherungsvertreter, nicht aber dem VR vor, so ist der VR folglich erst dann zur Leistung verpflichtet, wenn der Vertreter ihm die Urkunde weitergibt. Das Gleiche gilt, wenn im Vertrag bestimmt ist, dass der VR nur gegen Rückgabe eines als Urkunde ausgestellten Versicherungsscheines zu leisten hat (§ 4 Abs. 2). Übermittelt der Vertreter für den VR den Versicherungsschein, so trägt der VR das Risiko des Abhandenkommens. In diesem Fall hat der VR seine Verpflichtung aus
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BTDrucks. 16/3945, S. 78. Weiterführend mit einem Praxishinweis Schwintowski/Brömmelmeyer/Schwintowski § 30 Rn. 12. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 63.
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Vertiefend Schwintowski/Brömmelmeyer/ Schwintowski § 31 Rn. 20. BTDrucks. 16/3945, S. 77.
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§ 3 Abs. 1, dem VN einen Versicherungsschein zu übermitteln, nicht erfüllt. Er hat den Originalversicherungsschein folglich noch einmal zu übermitteln und die Kosten dafür zu tragen.67 Es handelt sich nicht um den in § 3 Abs. 3 geregelten Fall, wonach ein Versicherungsschein, der dem VN bereits wirksam zugegangen ist, abhanden kommt oder vernichtet wird. Nur für diesen Fall, in dem der VR seine Pflicht zur Übermittlung des Originalversicherungsscheines erfüllt hat, trägt der VN die Kosten für den Ersatzversicherungsschein nach § 3 Abs. 5.
V. Die Inkassovollmacht (§ 69 Abs. 2) 39
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In § 69 Abs. 2 wird den Versicherungsvertretern – nicht den Maklern68 – durch den Gesetzgeber eine Inkassovollmacht zugewiesen. Zahlungen, die der VN im Zusammenhang mit der Vermittlung oder dem Abschluss eines VV an den Versicherungsvertreter leistet, darf dieser entgegennehmen. Eine Beschränkung dieser Vollmacht muss der VN nur gegen sich gelten lassen, wenn er die Beschränkung bei der Vornahme der Zahlung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Systematisch gehört diese Regelung zu § 64 in den Kontext der Zahlungssicherung zugunsten des VN. Aus diesem Grunde war § 69 Abs. 2 zunächst auch in § 42f VVG a.F. (als Abs. 1) angesiedelt. Mit dem Inkrafttreten des VVG am 1.1.2008 hat sich der Gesetzgeber – aus nicht offen gelegten Gründen – entschlossen, den systematischen Zusammenhang zur Zahlungssicherung aufzugeben und Abs. 1 des früheren § 42f VVG a.F. in § 69 zu integrieren. Für den Leser ist dies verwirrend, weil man erwartet, die Regelungen über die Zahlungssicherung in § 64 vollständig vorzufinden. Inhaltlich setzt § 69 Abs. 2 die in Art. 4 Abs. 4a der Vermittlerrichtlinie vorgesehene Kundengeldsicherung um.69 Hierbei handelt es sich – so der Gesetzgeber – um die unbürokratischste und praktikabelste Alternative.70 Die Zugangsfiktion greift nicht, wenn dem Kunden bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass der Vertreter nicht zur Entgegennahme von Zahlungen bevollmächtigt ist.71 Der Kunde, der z.B. trotz eines deutlichen Hinweises des VR auf das Nichtbestehen einer Inkassovollmacht an den Versicherungsvertreter zahlt, ist regelmäßig nicht schutzwürdig.72 Es liegt jedoch kein Fall grober Fahrlässigkeit vor, wenn es sich lediglich um einen standardisierten Hinweis in den AGB handelt.73 Für die Versicherungsmakler ist eine Inkassovollmacht unangemessen, da der Makler auf Seiten des Kunden steht.74 Soweit Versicherungsvermittler, Makler und Vertreter nicht bevollmächtigt sind oder als bevollmächtigt gelten, wird von der Verordnungsermächtigung in § 34d Abs. 8 Nr. 1b GewO Gebrauch gemacht und ein an die Maklerund Bauträgerverordnung (MaBV) angelehntes Sicherungssystem etabliert.75 Der Versicherungsvertreter darf Zahlungen, die der VN in Zusammenhang mit der Vermittlung oder dem Abschluss eines VV an ihn leistet, annehmen. Damit sind – bei Vermittlung einer Nettopolice – Provisionszahlungen ebenso wie die Zahlung der Erst67
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Bruck/Möller/Möller § 3 Anm. 17; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers PK-VersR § 4 Rn. 27. Für diese gilt die Pflicht zur Sicherheitsleistung nach §§ 12 ff. VersVermV. BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26.
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BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26. BTDrucks. 16/1935, S. 26 – vgl. die Kommentierung zu § 64.
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prämie (§ 37) gemeint. Aber auch Folgeprämien (§ 38) sind erfasst. Sie stehen zwar nicht im Zusammenhang mit dem Abschluss, aber doch im Zusammenhang mit der Vermittlung des VV.76 Dies ergibt im Zweifel eine europarechtskonforme Interpretation des § 69 Abs. 2, denn nach der Vermittlerrichtlinie (Art. 4 Abs. 4a) sollen ganz allgemein Gelder, die vom VN an den Vermittler gezahlt wurden, so behandelt werden, als seien sie direkt an den VR gezahlt worden. Eine Beschränkung der dem Versicherungsvertreter nach § 69 Abs. 2 zustehenden 44 Vertretungsmacht durch AVB ist gegenüber dem VN und Dritten unwirksam (§ 72).77 Folglich kann sich die nach § 69 Abs. 2 S. 2 zulässige Beschränkung der Vertretungsmacht nur auf solche Fälle beziehen, in denen die Beschränkung individuell vereinbart wird. Die hiergegen von Reiff vorgebrachten Bedenken überzeugen nicht.78 Ein deutlich hervorgehobener Hinweis im Antragsformular genügt nicht, weil Antragsfragen, Inhalt und Umfang der Antworten des VN bestimmen, also Grundlage der Risikobewertung durch den VR werden, und damit AVB sind oder doch zumindest zu den den Vertragsschluss begleitenden Umständen (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB) gehören. Auf Letztere ist § 307 BGB anzuwenden.79 Das Gleiche dürfte auch für die den Vertragsschluss begleitenden Statusinformationen nach § 11 Abs. 1 VersVermV gelten, sodass es nicht genügen würde, in der Statusinformation darauf hinzuweisen, dass der Versicherungsvertreter keine Inkassovollmacht hat.80
VI. Die Beweislast (§ 69 Abs. 3) Die Frage der Beweislastverteilung wird in § 69 Abs. 3 entsprechend den vom BGH 45 entwickelten Grundsätzen klargestellt.81 Danach trifft den VR die Beweislast dafür, dass der VN seine vorvertragliche Anzeigepflicht nach § 19 oder eine Obliegenheit verletzt hat. Bei allen anderen Willenserklärungen nach Abs. 1 Nr. 1 und 2 liegt die Beweislast beim VN, wenn die Abgabe oder der Inhalt der Erklärung streitig ist.82 Folglich trifft die Beweislast den VN dann, wenn es um die „Abgabe oder den Inhalt 46 eines Antrages oder einer sonstigen Willenserklärung“ geht. Gemeint ist nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Norm eine vom VN selbst abgegebene Willenserklärung oder ein vom VN stammender Antrag. Behauptet demgegenüber der VR, der VN habe einen Antrag gestellt, der beispielsweise seinen Versicherungsschutz einschränke, so fehlt es an der Abgabe eines Antrags oder einer sonstigen Willenserklärung durch den VN – § 69 Abs. 3 S. 1 ist nicht anwendbar. Für diesen Fall, den Reiff gebildet hat83 enthält § 69 Abs. 3 keine Beweislastregelung – es gelten die allgemeinen Regeln, wonach derjenige, der sich auf eine für ihn günstige Tatsache beruft (hier der VR), diese zu beweisen hat. Dieses Beispiel zeigt, dass § 69 Abs. 3 nur für einige wichtige Fälle die Beweisregeln festlegt, während in anderen Fällen die allgemeinen Grundsätze heranzuziehen sind.
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Wie hier Beckmann/Matusche-Beckmann/ Reiff § 5 Rn. 84; a.A. Niederleithinger VersR 2006 437, 445. BTDrucks. 16/3945, S. 77. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 86, 87. Vertiefend Schwintowski/Brömmelmeyer/ Härle § 19 Rn. 29 ff.
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A.A. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 87. BTDrucks. 16/3945, S. 77. BTDrucks. 16/3945, S. 77. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 89.
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Die Beweislast für die Verletzung der Anzeigepflicht (etwa nach § 19) oder einer Obliegenheit (§ 28) trägt der VR. Der VR hat daher nachzuweisen, dass der VN im maßgeblichen Zeitraum bekannte und erfragte Gefahrumstände nicht angezeigt hat.84 Der VR hat ferner nachzuweisen, dass ein Gefahrumstand so erheblich war, dass der VN ihn hätte anzeigen müssen.85 Die Beweislast dafür, dass der VN im Zuge der Antragstellung eine Obliegenheitsverletzung durch unzutreffende Beantwortung von Gesundheitsfragen begangen hat, liegt stets beim VR.86 Diesen Beweis kann er allerdings nicht allein mit der Vorlage des vom Vertreter ausgefüllten Antragsformulars, sondern regelmäßig nur durch eine Aussage des Versicherungsvertreters führen, sofern der VN substantiiert behauptet, den Vertreter mündlich zutreffend unterrichtet zu haben.87 Damit wird dem VR nur eine andere Art der Beweisführung abverlangt, die aber nicht die Beweislast berührt. Die Beweislast trägt der VR deshalb, weil er sich auf eine Obliegenheitsverletzung beruft, die ihn begünstigt, weil sie ihn zur Anfechtung oder zum Rücktritt berechtigt und somit rechtsvernichtende Wirkung hat.88 I.R. von Obliegenheitsverletzungen vor oder nach dem Versicherungsfall trägt der VR, wenn er Leistungen insgesamt vermeiden will, die Beweislast für Vorsatz.89 Von grober Fahrlässigkeit muss sich dagegen der VN entlasten, wenn er – trotz der objektiven Obliegenheitsverletzung – die volle Leistung des VR erhalten will.90 Andererseits geht es bei Beantwortung von vorformulierten Antragsfragen nicht zulasten des künftigen VN, wenn der Vertreter durch einschränkende Bemerkungen zu den Fragen verdeckt, was auf die jeweilige Frage anzugeben und in das Formular aufzunehmen ist.91 Dies bedeutet, dass der VR allein mit dem Inhalt des von seinem Vertreter ausgefüllten Antragsformulars nicht den Beweis führen kann, der VN habe falsche Angaben gemacht, sofern dieser seinerseits substantiiert behauptet, den Vertreter mündlich zutreffend unterrichtet und damit seine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit erfüllt zu haben.92 Dabei wird in Zukunft die Dokumentation eine bedeutende Rolle spielen, denn aus ihr müsste sich – wenn sie denn gut gemacht ist – ergeben, welche Angaben der VN dem Vertreter gemacht hat und warum im Einzelfall Informationen, die der VN gegeben hat, nicht in den Antrag übernommen wurden. Gelingt es dem VN – z.B. unter Rückgriff auf die Dokumentation – seinerseits substantiiert zu behaupten, den Vertreter mündlich unterrichtet zu haben, so obliegt es dem VR in einem solchen Fall darzulegen und gegebenenfalls – im Regelfall durch die Aussage seines Vertreters – zu beweisen, dass der VN diesen auch mündlich unzutreffend unterrichtet hat.93 Die Gefahr einer einseitigen Beweisbelastung des VR, wie sie von Reiff angedeutet wird („zufällig“ stehen Verwandte und Bekannte des VN als Zeugen zur Verfügung)94 besteht, da der Vertreter Zeuge des VR ist, somit nicht.
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Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle § 19 Rn. 143. Rixecker ZfS 2007 369, 370; Marlow/Spuhl Das neue VVG kompakt 39; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Härle PK-VersR § 19 Rn. 144 m.w.N. BGH 3.7.2002 VersR 2002 1089. BGH 23.5.1989 BGHZ 107 323, 325; 3.7.2002 VersR 2002 1089 Rn. 31. BGH 3.7.2002 VersR 2002 1089 Rn. 31.
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BTDrucks. 16/3945, S. 69. BTDrucks. 16/3945, S. 69. BGH 10.10.2001 VersR 2001 1541. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765; 23.5.1989 BGHZ 107 322, 325; 18.12.1991 BGHZ 116 387, 389. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 91.
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Völlig andere Fragen stellen sich dann, wenn der VN mit dem Versicherungsvertreter 52 arglistig zum Nachteil des VR zusammenwirkt. Eine solche Kollusion – als besonders schwerer Fall des Vollmachtsmissbrauchs95 – setzt dabei voraus, dass der VN auf die Auskunft des Vertreters, eine erhebliche Vorerkrankung sei nicht anzeigepflichtig, nicht vertraut, sondern im Bewusstsein der Anzeigeobliegenheit erkennt und billigt, dass der VR durch das Vorgehen des Vertreters über seinen Gesundheitszustand getäuscht und dadurch in der Entscheidung über den Abschluss des VV beeinflusst wird und er deshalb – im Einvernehmen mit dem Versicherungsvertreter – will, dass die betreffende Erkrankung im Antragsformular unerwähnt bleibt.96 Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des BGH seit längerem anerkannt, dass der 53 Vertretene (VR) auch in Fällen eines Vollmachtmissbrauchs unterhalb der Schwelle der Kollusion mit dem Vertragspartner im Verhältnis zu diesem geschützt sein kann.97 Voraussetzung dafür ist, dass der Missbrauch aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist.98 Dementsprechend hat der BGH an die für § 242 BGB geforderte Evidenz des Vollmachtsmissbrauchs durch einen Versicherungsvertreter einen strengen Maßstab angelegt, der dessen besonderer Stellung Rechnung trägt.99 Der VR, der aufgrund des Vertrauensverhältnisses während der Vertragsverhandlungen dem künftigen VN gegenüber zur Auskunft und Beratung verpflichtet ist, soweit sie dieser benötigt, erfüllt diese Pflicht durch Auskünfte seines Vertreters. Dementsprechend darf der Antragsteller davon ausgehen, dass der Vertreter zur Erteilung solcher Auskünfte regelmäßig auch befugt ist. Mit der Vorgabe von Fragen nach gefahrerheblichen Umständen im Antragsformular hat der VR selbst die Anzeigeobliegenheit so ausgestaltet, dass der künftige VN die Gefahrumstände anhand der ihm gestellten Fragen zu beantworten hat.100 Unterläuft das der Versicherungsvertreter dadurch, dass er dem Antragsteller durch einschränkende Bemerkungen verdeckt, was auf die jeweilige Frage anzugeben und in das Formular aufzunehmen ist, kann dieses Vertreterverhalten nicht zulasten des künftigen VN gehen.101 Den Vertreter hinsichtlich seiner Auskünfte, was von den offenbarten Umständen in das Formular aufzunehmen ist, zu kontrollieren, ist nicht Sache des künftigen VN.102 Mit diesen beweisrechtlichen Grundsätzen verdeutlicht der BGH, dass der Versicherungsvertreter nicht nur Auge-und-Ohr des VR, sondern auch dessen Mund ist, jedenfalls dann, wenn es um die Antragsfragen und die sie ergänzenden, erweiternden oder auch einschränkenden Bemerkungen geht. Das entspricht konzeptionell dem Grundgedanken des § 6, wonach der VR selbst zur Beratung und Dokumentation verpflichtet ist, sich dabei aber durchaus vertreten lassen kann. Dies tut der VR i.d.R. durch seinen Versicherungsvertreter. Bemerkungen, Erläuterungen, Hinweise, Erweiterungen oder Ergänzungen des Versicherungsschutzes, die der Versicherungsvertreter (für den VR) i.R.d. Beratungs- und Dokumentationsgespräches gibt, binden den VR folglich ebenso, wie Anträge oder sonstige Erklärungen, die der Antragsteller dem Vertreter zur Kenntnis gibt. Der Versicherungsvertreter ist somit über § 69 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 hinaus nicht nur Empfangsvertreter des VR, sondern zugleich auch dessen Informations-, Beratungs- und Dokumentationsvertreter. Es gilt nicht nur der Satz: „Was dem Vertreter
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Fricke VersR 2007 1614, 1615. BGH 14.7.2004 VersR 2004 1297; 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 10. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 13. BGH 19.4.1994 NJW 1994 2082 unter II.2.a; 29.6.1999 WM 1999 1617 unter I.2.a.
99 100 101
102
BGH 30.1.2002 VersR 2002 425 unter II.3.c; Fricke VersR 2007 1614, 1615. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 13. BGH 30.1.2002 VersR 2002 425; 10.10.2001 VersR 2001 1541 unter II.1.d; 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 13. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 13.
Hans-Peter Schwintowski
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§ 70
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
gesagt wird, ist dem VR gesagt“, sondern auch der Satz: „Was der Vertreter i.R.d. Beratung und Dokumentation sagt, hat der VR gesagt.“ Das ändert nichts daran, dass die Vollmacht des Vertreters i.S.d. typischen und gebräuchlichen Vermittlungsvollmacht beschränkt ist – die wenigsten Vermittler haben Abschlussvollmacht (§ 71). Diese (typische) Vollmachtsbeschränkung wirkt im Innenverhältnis zwischen Vermittler und VR. Sollte der Versicherungsvertreter allerdings gegenüber dem Antragsteller die Annahme des Antrags erklären oder eine vorläufige Deckung gewähren, ohne eine entsprechende Vollmacht zu haben, so bindet er über § 6 den VR, es sei denn, der Antragsteller weiß von der Vollmachtsbeschränkung oder kann die Vollmachtsbeschränkung – beispielsweise aus den Statusinformationen – unschwer erkennen, sodass die Erklärungen des Vermittlers in einem solchen Fall nach den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht dem VR nicht zugerechnet werden.
§ 70 Kenntnis des Versicherungsvertreters 1 Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis des Versicherers erheblich ist, steht die Kenntnis des Versicherungsvertreters der Kenntnis des Versicherers gleich. 2 Dies gilt nicht für die Kenntnis des Versicherungsvertreters, die er außerhalb seiner Tätigkeit als Vertreter und ohne Zusammenhang mit dem betreffenden Versicherungsvertrag erlangt hat.
Schrifttum Schwintowski Der Versicherungsnehmer als Vermittler? VuR 2008 281.
Übersicht Rn. A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . II. Inhalt und Zweck der Regelung . . . . .
1 1 6
Rn. B. Spezielle Kommentierung . . . . . . . . . I. Zurechnung der Kenntnis (§ 70 S. 1) . . . II. Nichtzurechenbare Kenntnisse (§ 70 S. 2)
9 9 14
A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Mit § 70 VVG will der Gesetzgeber die Auge-und-Ohr-Rechtsprechung des BGH bruchlos im VVG verankern.1 Die frühere Regelung in § 44 VVG a.F., wonach die Kenntnis eines Versicherungsvertreters der Kenntnis des VR nicht gleichstand, wurde aufgegeben – § 70 Abs. 1 stellt klar, dass die Kenntnis des Versicherungsvertreters der Kenntnis des VR gleichsteht, soweit nach dem VVG die Kenntnis des VR erheblich ist. Mit diesem Wortlaut wird – wie es in der Gesetzesbegründung zutreffend heißt – die 2 Auge-und-Ohr-Rechtsprechung des BGH im VVG implementiert.2 In der Entscheidung
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BTDrucks. 16/3945, S. 77. Erstmals BGH 11.11.1987 VersR 1988 234;
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seither immer wieder bestätigt, vgl. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765.
Hans-Peter Schwintowski
Kenntnis des Versicherungsvertreters
§ 70
des BGH vom 11.11.1987 hatte das Gericht zu Missverständnissen über die Reichweite des § 44 VVG a.F. unter Rückgriff auf den ursprünglichen Regierungsentwurf und die Beratungen der VIII. Kommission Stellung genommen. In den Erläuterungen zum Regierungsentwurf zu § 44 VVG a.F. hieß es3: „Übrigens wird durch die Art, wie der § 44 und die anderen hierher gehörigen Vorschriften des Entwurfs die Stellung des Vermittlungsagenten gestaltet haben, nicht der Frage vorgegriffen, inwiefern der VN, um Rechtsnachteile von ihm abzuwenden, sich auf das Verhalten des Agenten berufen kann [...] So können die Umstände des Falles es rechtfertigen, den VN in Bezug auf eine nicht ordnungsgemäß gemachte Anzeige als entschuldigt anzusehen, wenn er den Fragebogen unter der Anleitung des Agenten ausfüllt oder diesem die Ausfüllung überlässt oder wenn der Agent eine an ihn von dem VN erstattete Anzeige ohne Widerspruch entgegennimmt, obwohl ihm die Befugnis zur Entgegennahme von Anzeigen der betreffenden Art entzogen ist.“4 In den Beratungen der VIII. Kommission kam die Reichweite des § 44 VVG a.F. zur Sprache.5 Es heißt dort: „Hierzu gab ein Vertreter der Regierung auf Anfrage hin die Erläuterung, dass § 44 sich nur auf die Kenntnis des Agenten beziehe, die er ohne Anzeige oder Erklärung (i.S.d. § 43) erlangt habe.“ Hieran anknüpfend hat der BGH im Urteil vom 11.11.19876 klargestellt, dass § 44 3 VVG a.F. den in § 166 Abs. 1 BGB allgemein für das Zivilrecht normierten Grundsatz der Kenntniszurechnung nicht außer Kraft setzt. Nach § 166 Abs. 1 BGB kommt es für die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände nicht auf die Person des Vertretenen (VR), sondern auf die Person des Vertreters an. Für diese Klarstellung hat der BGH darauf hingewiesen, dass sich eine am Wortlaut des § 44 VVG a.F. haftende – § 166 Abs. 1 BGB außer Kraft setzende – Interpretation schwer mit dem Umstand vereinbaren ließe, dass im Gesetzgebungsverfahren (gemeint ist das Gesetzgebungsverfahren für das VVG 1908) gerade die Schutzwürdigkeit derjenigen Gruppe von VN gesehen und betont worden ist, der die VR für einen beabsichtigten Vertragsabschluss als allein in betracht kommende Kontaktperson einen zu ihrer passiven Stellvertretung bevollmächtigten Versicherungsvertreter gegenüberstellen. Er sei gewolltermaßen bei der Antragstellung der ausschließliche Empfänger von antragsbezogenen Erklärungen des künftigen VN. Wissen des zur passiven Stellvertretung – nämlich zur Entgegennahme von Erklärun- 4 gen – ermächtigten Versicherungsvertreters, das er in Ausübung der Stellvertretung erlange, schließe es aus, dass der rechtsgeschäftlich vertretene VR unter Berufung auf seine Unkenntnis [...] Rechtsfolgen für seine anschließend erklärte Vertragsannahme geltend machen könnte.7 Dies bedeutet, dass der BGH mit der Auge-und-Ohr-Entscheidung vom 11.11.1987 5 den heutigen Wortlaut von § 70 vorweggenommen hat. Auf der einen Seite steht die Kenntnis des Versicherungsvertreters der Kenntnis des VR gleich, soweit nach dem VVG die Kenntnis des VR erheblich ist. Auf der anderen Seite gilt dies nicht für die Kenntnis des Versicherungsvertreters, die er außerhalb seiner Tätigkeit als Vertreter und ohne Zusammenhang mit dem betreffenden VV erlangt hat.
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Stenografische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, XI. Legislaturperiode II. Zession, 2. Anlagenband, 1906, Aktenstück Nr. 22, S. 1240. So zitiert in BGH 11.11.1987 VersR 1988 234 Rn. 38.
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Verhandlungen des Reichstages XII. Legislaturperiode, I. Zession, Band 242, Anlagen zu den Stenografischen Berichten, S. 216. BGH 11.11.1987 VersR 1988 234 Rn. 41. BGH 11.11.1987 VersR 1988 234 Rn. 42.
Hans-Peter Schwintowski
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§ 70
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
II. Inhalt und Zweck der Regelung Mit § 70 entsteht ein einheitliches Konzept der Kenntniszurechnung im Versicherungsvertragsrecht. Immer dann, wenn nach dem VVG die Kenntnis des VR erheblich ist, steht die Kenntnis des Versicherungsvertreters der Kenntnis des VR gleich. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass dem (gebundenen) Vertrieb des Versicherungsvertreters nach wie vor eine ganz erhebliche Bedeutung in der Praxis zukommt. Wissen des zur passiven Stellvertretung – nämlich zur Entgegennahme von Erklärungen – ermächtigten Versicherungsvertreters, das er in Ausübung der Stellvertretung erlangt, schließt es aus, dass der rechtsgeschäftlich vertretene VR unter Berufung auf seine Unkenntnis bzgl. solcher Umstände, von denen sein Stellvertreter auf die genannte Weise Kenntnis erlangt hat, Rechtsfolgen für seine anschließend erklärte Vertragsannahme geltend machen könnte.8 Der Anwendungsbereich von § 70 umfasst auf der einen Seite die in § 69 Abs. 1 Nr. 1 7 und 2 geregelten Fälle der Empfangsvollmacht – erweist sich insoweit also als deklaratorisch –, geht aber ansonsten über § 69 Abs. 1 Nr. 1 und 2 hinaus. Wissen, das ein Versicherungsvertreter im Zusammenhang mit der Antragstellung – vor oder nach Vertragsschluss – erlangt, wird nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 und 2 zugerechnet. Teilt der VN dem Versicherungsvertreter bei Beantragung einer Krankenversicherung eine Vorerkrankung mündlich mit, so muss sich der VR dieses Wissen über § 69 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 wie eigenes zurechnen lassen – der VN hat seine Anzeigeobliegenheit aus § 19 Abs. 1 erfüllt.9 § 70 hat in diesem Fall nur deklaratorische Funktion. Das Gleiche gilt für sonstige, das Versicherungsverhältnis betreffende Erklärungen (§ 69 Abs. 1 Nr. 2), z.B. die Obliegenheit des VN, den Versicherungsfall unverzüglich anzuzeigen (§ 30 Abs. 1). Informiert der VN seinen Versicherungsvertreter darüber mündlich, so hat er zugleich seine Anzeigepflicht gegenüber dem VR erfüllt – auch in diesem Fall hätte es § 70 nicht bedurft – die Norm verstärkt den Rechtsgedanken des § 69 Abs. 1 Nr. 2.10 Der originäre Anwendungsbereich des § 70 ist jedoch dann eröffnet, wenn der Ver8 sicherungsvertreter Kenntnisse, die nach dem VVG erheblich sind, erlangt, ohne darüber vom Antragsteller oder VN informiert zu sein. Sieht der Vertreter beispielsweise, dass der Antragsteller ein reetgedecktes Haus bewohnt, so muss auf diesen gefahrerheblichen Umstand nach § 19 Abs. 1 i.R.d. Antrags auf eine Gebäudeversicherung nicht mehr ausdrücklich hingewiesen werden. Der VR weiß, dass das Haus reetgedeckt ist, weil der Vertreter es weiß. Das Gleiche gilt für die Verglasung, für die Art der Schlösser oder für die Frage, ob das Haus alleinstehend und damit für Diebe besonders gut zugänglich ist. Betritt der Versicherungsvertreter, der über die Verlängerung einer Hausratversicherung sprechen will, das Gebäude und sieht, dass es gerade eingerüstet wird, so hat damit der VR Kenntnis von diesem gefahrerhöhenden Umstand – einer Anzeige durch den VN nach § 23 Abs. 2 bedarf es nicht mehr. Das Gleiche gilt, wenn der Vertreter eine schwere Erkrankung oder Behinderung des Antragstellers erkennt. Ist eine solche Erkrankung oder Behinderung eindeutig erkennbar, so bedarf es keiner weiteren Anzeige des VN nach § 19 Abs. 1 mehr, weil sein Zustand offensichtlich ist – der VR kennt folglich den Zustand des VN. In einem solchen Fall11 verletzt der VN seine Anzeigepflicht nach § 19
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BGH 11.11.1987 VersR 1988 234 Rn. 42. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 108.
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Wie hier Beckmann/Matusche-Beckmann/ Reiff § 5 Rn. 109. So OLG Hamm 2.2.1993 VersR 1994 294.
Hans-Peter Schwintowski
Kenntnis des Versicherungsvertreters
§ 70
Abs. 1 nicht, weil der VR von seiner Erkrankung/Behinderung Kenntnis hat. Es bedarf also keines Rückgriffs mehr auf § 19 Abs. 5 S. 2.12
B. Spezielle Kommentierung I. Zurechnung der Kenntnis (§ 70 S. 1) In § 70 S. 1 wird ein eigenständiger Zurechnungstatbestand formuliert – eines Rück- 9 griffs auf § 166 Abs. 1 BGB bedarf es folglich nicht mehr.13 Anders als in § 166 Abs. 1 BGB geht es in § 70 S. 1 auch nicht um die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung, sondern ganz generell um Kenntnisse, die „nach diesem Gesetz“ – gemeint ist das VVG – erheblich sind. Damit sind Kenntnisse jeder Art gemeint, ganz gleichgültig, ob man sie im engeren Sinne als Willens- oder Wissenserklärungen einordnet. § 70 S. 1 differenziert auch nicht zwischen dem Vermittlungs- und dem Abschlussvertreter (§ 71). Entscheidend ist allein, ob der Versicherungsvertreter Kenntnisse hat, die nach dem VVG erheblich sind. Ob der Versicherungsvertreter auf der Grundlage dieser Kenntnisse einen gestellten Antrag annehmen oder die Änderung oder Verlängerung eines Vertrages wirksam vereinbaren darf, ist eine davon zu trennende, ganz eigenständige Frage, die unter § 71 fällt. Die Kenntnis des VR ist „nach diesem Gesetz erheblich“, wenn und soweit das VVG 10 oder der an das VVG knüpfende Antrag oder der auf dem VVG beruhende Vertrag den Antragsteller oder VN verpflichtet, den VR über bestimmte Tatsachen oder Umstände in Kenntnis zu setzen. Dies betrifft vor allem die Gefahrumstände, die der VN nach § 19 Abs. 1 dem VR mitzuteilen hat. Ferner geht es um die Anzeige von Gefahrerhöhungen nach § 23 Abs. 2 oder um die Anzeige (§ 30) und die Aufklärung des Versicherungsfalles (§ 31). Mitzuteilen hat der VN ferner eine Änderung seiner Anschrift oder seines Namens (§ 13). Bei der Versicherung für fremde Rechnung ist auch die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten zu berücksichtigen (§ 47 Abs. 1). Hierhin gehört ferner die Anmeldepflicht bei der laufenden Versicherung nach § 53. Gemeint sind auch Kündigungserklärungen – etwa nach dem Versicherungsfall (§ 92) oder nach Veräußerung (§ 96). Auch die Anzeigepflicht des VN nach § 104 in der Haftpflichtversicherung ist gemeint, ebenso der Widerruf nach §§ 8, 152 oder die Einräumung einer Bezugsberechtigung in der Lebensversicherung (§ 159). Neben diesen – nicht abschließenden – Beispielen stehen jene Tatsachen und Umstände, die nach dem zu schließenden oder geschlossenen VV für den VR erkennbar von Bedeutung sind. Soweit es sich um gefahrerhebliche Umstände handelt, stellt § 19 Abs. 1 klar, dass sich die Anzeigepflicht des VN auf solche bekannten Gefahrumstände beschränkt, nach denen der VR in Textform gefragt hat. Auf diese Weise wird die bis zum 31.12.2007 bestandene Unsicherheit darüber, welcher Gefahrumstand für den VR nach seiner Tarifkalkulation als gefahrerheblich gilt, beseitigt. Hat der Versicherungsvertreter – beispielsweise durch die Inaugenscheinnahme des zu 11 versichernden Hauses – Kenntnis von einem Gefahrumstand (z.B. Reetdach), so ändert sich an dieser Kenntnis nichts dadurch, dass der Antragsteller die ihm gestellte Frage: „Harte Bedachung?“ fälschlicherweise bejaht – möglicherweise deshalb, weil ihm der Unterschied zwischen harter und weicher Bedachung als versicherungstechnischer Begriff nicht geläufig ist. In einem solchen Fall ändert sich an der Kenntnis, die der VR durch Zurechnung des Wissens seines Vertreters vom Reetdach hat, nichts – die fehlerhafte 12
Dies verkennt Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 110.
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A.A. Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 112.
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§ 70
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
Aussage des VN, die der Vertreter aus der Perspektive seiner Beratungs- und Dokumentationspflicht nicht unwidersprochen hätte dokumentieren dürfen, beseitigt die positive Kenntnis über den tatsächlichen Zustand des Daches nicht. Auch die Frage einer arglistigen Täuschung (§ 22) stellt sich nicht, weil Vertreter und VR zutreffende Kenntnis haben, sodass es in jedem Fall an der Verletzung der Anzeigepflicht fehlt.14 Zur Frage der Wissenszurechnung bzgl. EDV-gespeicherter Daten bei konzernverbun12 denen Unternehmen verbleibt es bei der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach welcher der VR sich die gespeicherten Kenntnisse eines Konzernunternehmens zurechnen lassen muss, wenn er Veranlassung hatte und in der Lage war, die entsprechende Daten abzurufen.15 Der Vorschlag der VVG-Reformkommission16, wonach sich der VR die Kenntnis eines anderen VR von Daten des VN hätte zurechnen lassen müssen, wenn er Veranlassung hatte und in der Lage war, die bei dem anderen VR gespeicherten Daten abzurufen, ist nicht Gesetz geworden. Grundsätzlich sind dem VR alle Daten über einen VN bekannt, die er in Datenban13 ken gespeichert hat, soweit Anlass besteht, sie abzurufen.17 Ein Anlass, Daten abzurufen, besteht jedenfalls dann, wenn der Antragsteller im Antrag auf das Bestehen eines anderen VV bei dem VR hinweist. Das Gleiche gilt, wenn er auf das Vorhandensein von Daten in der Datensammlung des VR verweist.18 Ein Lebensversicherer kann sich der Kenntnis bestehender Verträge nicht dadurch entziehen, dass er mehrere Verträge für dieselbe Person in verschiedenen Abteilungen so verwaltet, als handele es sich bei diesen um jeweils selbständige Unternehmen, die nichts miteinander zu tun haben.19 Der Hinweis auf die Datensammlung eines anderen VR genügt, wenn der VN im Antragsformular darin eingewilligt hat, auf die im Verbund mit dem anderen VR stehenden Daten zurückgreifen zu dürfen.20 Erlangt der VR über die Uniwagnis-Datei21 Kenntnisse über das Risiko oder den VN, so soll dies die Aufklärungsobliegenheiten des VN derzeit unberührt lassen.22 Dies ist jedenfalls mit § 70 S. 1 nur dann in Einklang zu bringen, wenn die aus der Uniwagnis-Datei gefilterten Kenntnisse keine hinreichenden und sicheren Rückschlüsse auf eine bestimmte Risikosituation des VN erlauben. Sind Zweifel über bestimmte Tatsachen und Umstände hingegen ausgeschlossen, so handelt ein VR treuwidrig, wenn er sich trotz der bestehenden Kenntnis auf Unkenntnis beruft.
II. Nichtzurechenbare Kenntnisse (§ 70 S. 2) 14
Eine Wissenszurechnung findet nach § 70 S. 2 nur dann nicht statt, wenn der Versicherungsvertreter seine Kenntnis außerhalb seiner Vertretertätigkeit und ohne Zusammenhang mit dem betreffenden VV erlangt, d.h. wo es sich um privat erworbenes Wissen handelt.23 So bleibt ein gebäudeversicherter VN, bei Aufstellung eines Baugerüstes, auch 14 15 16 17
18
Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle § 19 Rn. 133. BTDrucks. 16/3945, S. 77. Abschlussbericht vom 19.4.2004, S. 40, 210. BGH 10.9.2003 NJW-RR 2003 1603; 14.7.1993 VersR 1993 1089; 18.12.1991 VersR 1992 217; 13.12.1989 VersR 1990 258; OLG Hamm 10.12.1997 RuS 1998 473. Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 19 Rn. 135.
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22 23
Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 19 Rn. 136 unter Hinweis auf BGH 10.9.2003 NJW-RR 2003 1603. BGH 14.7.1993 VersR 1993 1089; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle § 19 Rn. 137. Ein seit dem Jahr 1993 eingerichtetes Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS); vertiefend dazu Schwintowski VuR 2008 281. BGH 17.1.2007 VersR 2007 481. BTDrucks. 16/3945, S. 77.
Hans-Peter Schwintowski
Abschlussvollmacht
§ 71
dann zur Anzeige der Gefahrerhöhung verpflichtet, wenn der Versicherungsvertreter später erklärt, beim gelegentlichen Durchfahren der Straße das Baugerüst durchaus gesehen zu haben. Bemerkt der Vertreter bei einer familiären Feier, eine schwere Erkrankung oder Behinderung bei einem der Anwesenden, so erlangt er dieses Wissen außerhalb seiner Vertretertätigkeit. Bittet ihn diese Person später – z.B. telefonisch – zum Abschluss einer Krankenversicherung, so wird dieses zunächst privat erworbene Wissen nunmehr in den Zusammenhang mit dem avisierten VV gestellt und insoweit nach § 70 S. 1 zurechenbar.24
§ 71 Abschlussvollmacht Ist der Versicherungsvertreter zum Abschluss von Versicherungsverträgen bevollmächtigt, ist er auch befugt, die Änderung oder Verlängerung solcher Verträge zu vereinbaren sowie Kündigungs- und Rücktrittserklärungen abzugeben.
Schrifttum Voss Zur Frage der Rechtstellung des Versicherungsvertreters bei Verwendung von Blockpolicen, VW 1961 81.
Übersicht Rn. A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . .
Rn.
1 1
II. Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . B. Spezielle Kommentierung . . . . . . . . .
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A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Mit § 71 wird die Regelung des § 45 VVG a.F. unverändert beibehalten.1 Dagegen 1 wird auf die Sonderregelung des § 46 VVG a.F. für den Bezirksvertreter verzichtet, da örtliche Beschränkungen in der Versicherungswirtschaft praktisch nicht vorkommen.2
II. Inhalt und Zweck der Regelung Die Norm klärt, dass der Versicherungsvertreter – nicht der Makler – auch zum Ab- 2 schluss von VV bevollmächtigt sein kann. Verfügt er über eine Abschlussvollmacht, so ist er auch befugt, die Änderung oder Verlängerung solcher Verträge zu vereinbaren, sowie Kündigungs- und Rücktrittserklärungen abzugeben. Damit wird die Abschlussvollmacht, 24
Beckmann/Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 122 unter Hinweis auf OGH 19.3.2003 VersR 2004 538.
1 2
BTDrucks. 16/3945. BTDrucks. 16/3945, S. 78.
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§ 71
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
die rechtsgeschäftlich zu erteilen ist (§ 167 Abs. 1 BGB), in ihrem Umfang gesetzlich präzisiert und standardisiert. Der Gesetzgeber schafft auf diese Weise für den Rechtsverkehr Rechtssicherheit. In der Literatur3 wird darauf hingewiesen, dass die Vorschrift weitgehend überholt 3 sei, nachdem die Rechtsprechung mit der Auge-und-Ohr-Judikatur und der Vertrauenshaftung des VR für seinen Versicherungsvertreter die Befugnisse, die nach dem VVG dem Abschlussagenten zukommen sollen, im Wesentlichen auch auf den Vermittlungsvertreter übertragen habe. Dies ist nicht zutreffend, denn der bloß mit der Vermittlung von VV betraute Vertre4 ter (§ 59 Abs. 2) ist gerade nicht zum Abschluss von VV bevollmächtigt. Er kann auch nicht die Änderung oder Verlängerung solcher Verträge vereinbaren sowie Kündigungsund Rücktrittserklärungen abgeben.
B. Spezielle Kommentierung 5
Die Abschlussvollmacht ist eine dem Versicherungsvertreter – nicht dem Makler – erteilte rechtsgeschäftliche Vollmacht zum Abschluss von VV. Die Erteilung der Vollmacht erfolgt durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder einem Dritten, demgegenüber die Vertretung stattfinden soll (§ 167 Abs. 1 BGB). Hat jemand durch besondere Mitteilung an einen Dritten oder durch öffentliche Bekanntmachung kundgegeben, dass er einen anderen bevollmächtigt habe, so ist dieser aufgrund der Kundgebung im ersteren Falle dem Dritten gegenüber, im letzteren Falle jedem Dritten gegenüber zur Vertretung befugt (§ 171 Abs. 1 BGB). Der besonderen Mitteilung einer Bevollmächtigung durch den Vollmachtgeber steht es gleich, wenn dieser dem Vertreter eine Vollmachtsurkunde ausgehändigt hat und der Vertreter sie dem Dritten vorlegt (§ 172 Abs. 1 BGB). Lässt es der Vertretene (VR) wissentlich geschehen, dass ein bloß mit der Vermittlung 6 betrauter Versicherungsvertreter (§ 59 Abs. 2) für ihn wie ein Abschlussvertreter (§ 71) auftritt, so dass der VN/Antragsteller dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der Versicherungsvertreter Abschlussvollmacht hat, liegt eine Duldungsvollmacht4 vor; das Verhalten des Abschlussvertreters ist dem VR so zuzurechnen, als hätte er eine Abschlussvollmacht nach § 71 erteilt. Eine Abschlussvollmacht kann sich auch aus den Grundsätzen der Anscheinsvoll7 macht ergeben. Eine Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene (VR) das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der andere Teil (VN/Antragsteller) annehmen durfte, der Vertretene (VR) dulde und billige das Handeln des Vertreters.5 Die Tatsache, dass ein Versicherungsvertreter inkassobevollmächtigt ist, ergibt sich bereits aus § 69 Abs. 2 – daraus folgt nicht, dass der Vertreter zugleich Abschlussvollmacht hat.6 Auch aus der Bezeichnung „Generalagentur“ folgt nicht, dass der Vertreter über eine Abschlussvollmacht verfügt.7 Richtig ist, dass ein Versicherungsvertreter, der beispielsweise den Inhalt eines Vertra8 ges auch gegenüber anders lautenden AVB verändert, den VR nach § 6 bindet. Dadurch 3 4 5
Römer/Langheid § 45 Rn. 1. BGH 14.5.2002 NJW 2002 2325; 10.3.2004 NJW-RR 2004 1275, 1277. BGH 12.3.1981 NJW 1981 1728; 5.3.1998 NJW 1998 1854.
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Römer/Langheid § 45 Rn. 2. OLG Köln 30.8.1990 RuS 1990 325; Römer/ Langheid § 45 Rn. 2 m.w.N.
Hans-Peter Schwintowski
Beschränkung der Vertretungsmacht
§ 72
wird er aber nicht zum Abschlussvertreter. Überlässt der VR dem Vermittler dagegen vorformulierte und vom VR bereits unterschriebene Policen (Blockpolicen), sodass es nunmehr in der Hand des Vermittlers liegt, den Vertrag mit Wirkung gegen den VR zu schließen, liegt eine Abschlussvollmacht vor, inhaltlich begrenzt auf den Versicherungszweig, der jeweils betroffen ist (z.B. die Reisegepäckversicherung).8 Die vorläufige Deckung ist ebenfalls ein selbständiger VV, der einen endgültigen VV 9 in Aussicht stellt, aber bereits sofortige Deckung gewährt.9 Versicherungsvertreter haben häufig die Vollmacht, Deckungszusagen zu erteilen. Wenn und soweit dies der Fall ist, sind sie Abschlussvertreter nach § 71. Erteilt der Versicherungsvertreter ohne Berechtigung, Deckungszusagen zu erteilen, diese trotzdem, so ist diese Erklärung nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht dem VR zuzurechnen, es sei denn, der Antragsteller hätte bei pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen können und müssen, dass der Versicherungsvertreter keine Deckungszusage erteilen darf. Der Abschlussagent ist bevollmächtigt, VV abzuschließen, zu ändern oder zu ver- 10 längern. In der Änderung sind auch Verkürzungen erfasst.10 Der Abschlussvertreter kann auch solche Verträge ändern, die nicht von ihm abgeschlossen wurden.11 Darüber hinaus stellt § 71 klar, dass der Abschlussvertreter auch Kündigungs- und Rücktrittserklärungen abgeben darf. Damit ist der Abschlussvertreter zugleich berechtigt, Prämien zu stunden und nach § 38 anzumahnen.12 Regulierungszusagen umfasst die Abschlussvollmacht nicht; der Abschlussvertreter ist auch nicht für den VR zur Prozessführung befugt.13
§ 72 Beschränkung der Vertretungsmacht Eine Beschränkung der dem Versicherungsvertreter nach den §§ 69 und 71 zustehenden Vertretungsmacht durch Allgemeine Versicherungsbedingungen ist gegenüber dem Versicherungsnehmer und Dritten unwirksam.
Schrifttum Fricke Beweislast und Beweisführung bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht – eine kritische Würdigung der Rechtsprechung des BGH, VersR 2007 1614; Leverenz Auswirkungen des „Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr“ auf die Versicherungswirtschaft, VersR 2002 1318.
Übersicht Rn. A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . .
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Rn.
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So AG München vom 12.2.1979 VersR 1979 1052; vertiefend zu Blockpolicen Voss VW 1961 81. RG 16.10.1923 RGZ 107 198; vertiefend Schwintowski/Brömmelmeyer/Schwintowski § 49 Rn. 1 ff.
II. Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . B. Spezielle Kommentierung . . . . . . . . .
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OLG Nürnberg 20.6.1966 VersR 1966 1070. LG Krefeld vom 9.11.1977 RuS 1983 107, 109. Römer/Langheid § 45 Rn. 6 m.w.N. Römer/Langheid § 45 Rn. 6; Beckmann/ Matusche-Beckmann/Reiff § 5 Rn. 105.
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§ 72
Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1
Gegenstand der Regelung ist, wie früher in § 47 VVG a.F., die Frage, inwieweit eine Beschränkung der dem Versicherungsvertreter gesetzlich eingeräumten Vertretungsmacht, die zwischen VR und Versicherungsvertreter vereinbart ist, dem VN oder einem sonstigen Dritten entgegengehalten werden kann.1 Nach § 47 VVG a.F. musste sich ein Dritter eine solche Beschränkung entgegenhalten lassen, wenn er die Beschränkung bei Vornahme des Geschäftes oder der Rechtshandlung kannte oder grob fahrlässig nicht kannte.2 Nach der Rechtsprechung des BGH sind Beschränkungen, die der VR für Erklärungen vor Vertragsschluss durch die vereinbarten AGB durchsetzen will, unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB und damit unwirksam.3
II. Inhalt und Zweck der Regelung Mit § 72 wird diese Rechtsprechung aufgegriffen und erstreckt sich auch auf die Beschränkungen der Empfangsvollmacht des Vertreters für Erklärungen nach Vertragsschluss (§ 69 Abs. 1 Nr. 2), da eine Differenzierung zwischen Erklärungen vor Vertragsschluss und solchen nach Vertragsschluss nicht sachgerecht ist.4 Die Vorschrift schließt daher zum Schutz des VN generell aus, dass ihm Beschränkun3 gen der dem Vertreter nach den §§ 69 und 71 eingeräumten Vollmacht über die AVB entgegengehalten werden können.5 Dies gilt auch im Verhältnis zu Dritten, wie z.B. dem Erwerber nach § 96 Abs. 2.
2
B. Spezielle Kommentierung Eine Beschränkung der dem Versicherungsvertreter nach den §§ 69 und 71 zustehenden Vertretungsmacht durch AVB ist gegenüber dem VN und Dritten unwirksam, so heißt es in § 72. Unter den Begriff AVB fallen alle vom VR vorformulierten Vertragsbedingungen, selbst wenn sie nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, soweit der VN aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Erfasst sind folglich neben den klassischen AVB auch das Antragsformular, der Versicherungsschein oder das Produktinformationsblatt.6 Die Norm schließt zum Schutz des VN generell aus, dass ihm Beschränkungen der Empfangsvollmacht (§ 69) und der Abschlussvollmacht (§ 71) über AVB entgegengehalten werden können.7 Dies gilt auch im Verhältnis zu Dritten, wie beispielsweise dem Erwerber nach § 96 Abs. 2.8 Eine Beschränkung der Empfangsvollmacht nach § 69 Abs. 1 liegt auch in einer Klau5 sel, die für Erklärungen des VN gegenüber dem Vertreter die Schriftform oder Textform
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BTDrucks. 16/3945, S. 78. BTDrucks. 16/3945, S. 78. BTDrucks. 16/3945, S. 78; BGH 18.12.1991 VersR 1992 217; BVerwG 25.6.1998 VersR 1998 1137 m. Anm. Präve. BTDrucks. 16/3945, S. 78.
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BTDrucks. 16/3945. Wie hier Beckmann/Matusche-Beckmann/ Reiff § 5 Rn. 74. BTDrucks. 16/3945, S. 78. BTDrucks. 16/3945, S. 78.
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Beschränkung der Vertretungsmacht
§ 72
verlangt.9 Ausgenommen sind auch hier die Fälle der Arglist und der Kollusion, ohne dass es hierfür einer ausdrücklichen Bestimmung bedarf.10 Die Grundsätze für kollusives Zusammenwirken zwischen Versicherungsvertreter und VN sowie den Vollmachtsmissbrauch hat der BGH im Urteil vom 27.2.2008 entwickelt.11 Eine Kollusion – als besonders schwerer Fall des Vollmachtsmissbrauchs12 – setzt voraus, dass der VN auf die Auskunft des Vertreters, eine erhebliche Vorerkrankung sei nicht anzeigepflichtig, nicht vertraut, sondern im Bewusstsein der Anzeigeobliegenheit erkennt und billigt, dass der VR durch das Vorgehen des Vertreters über seinen Gesundheitszustand getäuscht und dadurch in der Entscheidung über den Abschluss des VV beeinflusst wird und er deshalb – im Einvernehmen mit dem Versicherungsvertreter – will, dass die betreffende Erkrankung im Antragsformular unerwähnt bleibt.13 Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des BGH seit längerem anerkannt, dass der Vertretene (VR) auch in Fällen eines Vollmachtsmissbrauchs unterhalb der Schwelle der Kollusion mit dem Vertragspartner im Verhältnis zu diesem geschützt sein kann. Voraussetzung ist hierfür, dass der Missbrauch aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist.14 Dementsprechend hat der BGH an die für § 242 BGB geforderte Evidenz des Vollmachtsmissbrauchs durch einen Versicherungsvertreter einen strengen Maßstab angelegt, der dessen besonderer Stellung Rechnung trägt.15 Der VR, der aufgrund des Vertrauensverhältnisses zwischen den Vertragsverhandlungen dem künftigen VN gegenüber zur Auskunft und Beratung verpflichtet ist, soweit sie dieser benötigt (§ 6), erfüllt diese Pflicht durch Auskünfte seines Vertreters.16 Folglich darf der Antragsteller davon ausgehen, dass der Vertreter zur Erteilung solcher Auskünfte regelmäßig auch befugt ist.17 Mit der Vorgabe von Fragen nach gefahrerheblichen Umständen im Antragsformular hat der VR selbst die Anzeigeobliegenheit so ausgestaltet, dass der künftige VN die Gefahrumstände anhand der ihm gestellten Fragen zu beantworten hat. Unterläuft das der Versicherungsvertreter dadurch, dass er dem Antragsteller durch einschränkende Bemerkungen verdeckt, was auf die jeweilige Frage anzugeben und in das Formular aufzunehmen ist, kann dieses Vertreterverhalten nicht zu Lasten des künftigen VN gehen.18 Den Vertreter hinsichtlich seiner Auskünfte, was von den offenbarten Umständen in das Formular aufzunehmen ist, zu kontrollieren, ist nicht Sache des künftigen VN.19 Von den Fällen der Kollusion und des Missbrauchs der Vertretungsmacht abgesehen ist eine Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 72 möglich, wenn diese Beschränkung zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt ist – in diesem Fall liegen keine AVB i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB vor. Folglich hat die individuelle Vertragsabrede Vorrang vor AVB (§ 305b BGB).20 Nicht ausgeschlossen sind nach der Gesetzesbegründung Klauseln, wonach bestimmte Willenserklärungen oder Anzeigen des VN gegenüber dem VR, z.B. die Änderung eines Bezugsrechtes oder die Anzeige einer Abtretung, der Schriftform bedürfen.21 Damit 9 10 11 12 13
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BTDrucks. 16/3945, S. 78. BTDrucks. 16/3945, S. 78. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765. Fricke VersR 2007 1614, 1615. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 10 unter Hinweis auf BGH 14.7.2004 VersR 2004 1297. BGH 19.4.1994 NJW 1994 2082 unter II.2.a; 29.6.1999 WM 1999 1617 unter I.2.a; 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn.13.
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BGH 30.1.2002 VersR 2002 425 unter II.3.c; Fricke VersR 2007 1614, 1615. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 13. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 13. BGH 30.1.2002 VersR 2002 425; 10.10.2001 VersR 2001 1541 unter II.1.d; 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 13. BGH 27.2.2008 VersR 2008 765 Rn. 13. Wie hier Reiff VerR-HB2 § 5 Rn. 74. BTDrucks. 16/3945, S. 78.
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Abschnitt 7. Versicherungsvermittler, Versicherungsberater
knüpft die Gesetzesbegründung an § 32 S. 2 an, wonach für bestimmte Anzeigen (vorvertragliche Gefahrumstände, Obliegenheiten sowie Auskünfte zur Feststellung des Versicherungsfalles) die Schrift- oder die Textform vereinbart werden kann. Allerdings ist eine vergleichbare Beschränkung der dem Versicherungsvertreter zustehenden Vertretungsmacht durch AVB dem VN und dem Dritten gegenüber nach § 72 unwirksam. Dies führt zu einem kaum auflösbaren Wertungswiderspruch. Zeigt der VN dem Vertreter des VR ordnungsgemäß an, so wirkt dies unmittelbar für und gegen den VR. Ausgehend von dieser gesetzlich vorgeschriebenen Wirkung erscheint eine Schriftformklausel in den AVB, die die Schriftform auf den VR beschränkt, für den VN überraschend (§ 305c BGB), aber auch unangemessen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), weil das Abweichen der AVB im Verhältnis zum VR von § 69 Abs. 1 Nr. 2 mit wesentlichen Grundgedanken dieser gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist. Der VR, der Kenntnis hat, wenn seinem Vertreter vom VN oder einem Dritten mündlich oder konkludent Auskunft gegeben wurde, kann sich nicht darauf berufen, er wisse von nichts, wenn dieselbe Anzeige nicht dem Vertreter, sondern ihm gegenüber direkt erfolgte. Für die Anzeige des Versicherungsfalles ergibt sich dies darüber hinaus aus § 30 Abs. 2. Hat der VR durch fehlerhafte Anzeige vom Versicherungsfall i.S.d. § 30 Abs. 2 anderweitig Kenntnis erlangt, so bleiben etwaige Formfehler folgenlos.22 Ist Schriftform vereinbart, so muss der VN die Erklärungen im Regelfall eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigtem Handzeichen unterzeichnen (§§ 127 Abs. 1, 126 Abs. 1 BGB analog). Der Schriftform genügt auch eine E-Mail, ebenso wie ein Telefax oder ein Telegramm.23 Eine eigenhändige Unterschrift ist in diesen Fällen nicht erforderlich, aus der Erklärung muss sich aber eindeutig ergeben, wer sie abgegeben hat und auf welches Versicherungsverhältnis sie sich bezieht.24 Die Schriftform kann durch elektronische Form ersetzt werden.25 Ist Textform vereinbart, so muss die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe von Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Namensunterschrift oder anderes erkennbar gemacht werden.26 Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Anzeigen, die gegenüber dem Versicherungsvertreter mündlich wirksam abgegeben werden können, zugleich auch den VR binden.27 Dies ergibt sich auch aus §§ 19 Abs. 5 S. 2, 26 Abs. 2 S. 1, denn die Kenntnis des VR – gleichgültig, wie sie zu dem VR gelangt ist – schließt Rücktritt, Kündigung und Leistungsfreiheit aus. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn Klauseln vereinbart sind, wonach bestimmte Willenserklärungen oder Anzeigen des VN gegenüber dem VR, also nicht gegenüber dem Versicherungsvertreter, überhaupt nur dann wirksam sind, wenn sie in Schriftform oder Textform abgegeben werden.28 In diesen Fällen wird nicht die Schriftform gegenüber dem Versicherungsvertreter durch AVB verlangt, sondern es wird umgekehrt die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Klauseln sowohl gegenüber dem VR als
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23
So auch BGH 9.12.1965 VersR 1966 152, 154; ähnlich OLG Köln 19.8.1997 VersR 1998 1105; OLG Hamburg 30.3.1982 VersR 1982 1161; Praxishinweise bei Schwintowski/Brömmelmeyer/Schwintowski, § 32, Rn. 6. Palandt/Heinrichs67 § 127 Rn. 2; Leverenz VersR 2002 1318, 1326.
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BGH 21.2.1996 NJW-RR 1996 641. Qualifizierte Signatur: §§ 126 Abs. 3, 126a Abs. 1, 127 Abs. 3 BGB analog. § 126b BGB analog; Leverenz VersR 2002 1318, 1322. BGH 9.12.1965 VersR 1966 153. BTDrucks. 16/3945, S. 78.
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Angestellte und nicht gewerbsmäßig tätige Vermittler
§ 73
auch gegenüber dem Versicherungsvertreter vereinbart. Dies ist, worauf die Gesetzesbegründung ausdrücklich hinweist, zulässig und möglich etwa bei Klauseln, die die Änderung eines Bezugsrechtes oder die Abtretung und Verpfändung von Ansprüchen in der Lebensversicherung beinhalten.29 Auf Klauseln dieser Art, die die Schriftform nicht nur gegenüber dem Versicherungsvertreter und nicht nur gegenüber dem VR vorschreiben, sondern ganz generell die Wirksamkeit einer Anzeige davon abhängig machen, dass Schrift- oder Textform eingehalten wird, ist § 72 seinem Wortlaut und Schutzzweck nach nicht anzuwenden.30
§ 73 Angestellte und nicht gewerbsmäßig tätige Vermittler Die §§ 69 bis 72 sind auf Angestellte eines Versicherers, die mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Versicherungsverträgen betraut sind, und auf Personen, die als Vertreter selbständig Versicherungsverträge vermitteln oder abschließen, ohne gewerbsmäßig tätig zu sein, entsprechend anzuwenden.
A. Einführung Bereits im bis 31.12.2007 geltenden Recht war in Rechtsprechung und Literatur aner- 1 kannt, dass die Vorschriften der §§ 43–48 VVG a.F. nicht nur für selbständige Vertreter, sondern auch für angestellte Vermittler eines VR gelten. Dies wird nunmehr in § 73 ausdrücklich klargestellt.1
B. Spezielle Kommentierung Für die Wissenszurechnung beim VR gilt somit die Auge-und-Ohr-Rechtsprechung 2 auch für die in § 73 genannten Personen.2 Den mit der Vermittlung betrauten Angestellten des VR stehen solche Angestellte gleich, die mit ausdrücklicher oder auch stillschweigender Zustimmung des VR nach außen als Vermittler auftreten.3 Zusätzlich werden zum Schutz der VN die selbständigen Vermittler erfasst, die zwar 3 von einem VR oder einem Versicherungsvertreter mit der Vermittlung oder dem Abschluss von VV betraut sind, ihre Tätigkeit aber nicht gewerbsmäßig ausüben und daher keine Versicherungsvertreter i.S.d. § 59 Abs. 2 sind.4 Die Regelung erstreckt sich nicht auf Personen, die als Makler eine Vermittlungstätigkeit ausüben, da in diesen Fällen die für die Anwendung der §§ 69 bis 72 maßgebliche Verbindung mit dem VR in aller Regel fehlt.5 Das Gleiche gilt für den Versicherungsberater. Ganz generell ist § 73 nicht anwendbar auf die Rückversicherung und die Seeversicherung und damit auch nicht auf Personen, die lediglich selbständig solche Versicherungsverträge vermitteln (§ 209).6
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BTDrucks. 16/3945, S. 78. Wie hier Beckmann/Matusche-Beckmann/ Reiff § 5 Rn. 78 ff.
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BTDrucks. 16/3945, S. 78.
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BTDrucks. 16/3945, S. 78. BTDrucks. 16/3945, S. 78. BTDrucks. 16/3945, S. 78. BTDrucks. 16/3945, S. 78. Looschelders/Pohlmann/Koch § 73, Rn. 3.
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Sachregister Die fetten Zahlen verweisen auf die Paragraphen, die mageren auf die Randnummern.
Aufrechnung durch den Versicherer 35 1 ff. Abzugsmöglichkeit 35 12 Aufrechnungsbefugnis 35 8 ff. Aufrechnungsrecht gegenüber Dritten 35 8 ff. Ausübung 35 14 Qualifizierte Konnexität 35 11 Beitrag 33 12 Beratungsfehler Bestimmung des Versicherungswertes 63 36 Deckungsumfang 63 34 ff. Einbruchdiebstahlversicherung 63 57 Gebäudeversicherung 63 34 Haftpflichtversicherung 63 52 ff. KFZ-Versicherung 63 46 ff. Kofferraumklausel 63 58 Krankenversicherung 63 60 ff. Lebensversicherung 63 65 ff. Maschinenversicherung 63 36 Provisionsvertreter 63 85 Rechtsschutzversicherungsvertrag 63 58 Reisegepäckversicherung 63 35 Reisekrankenversicherung 63 35 Reiserücktrittsversicherung 63 35 Rentenversicherung 63 72 ff. Strafrecht 63 79 ff. Sturmversicherung 63 57 Unterversicherung 63 37; 59 Versicherungsschutz 63 38 Versicherungssumme 63 39 Vorläufige Deckung 63 40 ff. Berufsunfähigkeitsversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 38 Betriebshaftpflichtversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 36 Bewachungsgewerbe Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 35 Bruttoprämie 33 19 Completion Bonds Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 27
Einlösungsprinzip 37 3 Einmalprämie 33 32 Begriff 37 5 Entgelt 33 12 Erfolgsort Prämie 36 8 f. Erstprämie 33 32 siehe auch Zahlungsverzug bei Erstprämie ~ und Folgeprämie 33 33 Abgrenzung zur Folgeprämie 37 8 ff. Abweichungen bei der Prämienzahlung 37 27 ff. Begriff 37 6 f. Fälligkeit 33 1 ff.; 43 ff. geringfügiger Prämienrückstand 37 29 ff. Informationspflicht des VR 37 38 ff. Leistungsanforderung 37 25 Leistungshandlung 37 26 Neuabschluss eines Vertrags 37 9 ff. Nicht rechtzeitige Zahlung 37 25 ff. Nichtzahlung 37 37 quantitative Abweichungen bei der Prämienzahlung 37 28 ff. Ratenzahlung 37 17 Rechtsfolgen des Zahlungsverzugs 37 46 ff. Teilzahlung 37 28 Vertretenmüssen des Zahlungsverzugs 37 41 ff. Wiederherstellung eines bereits beendeten Vertrages 37 22 ff. Zahlungsverzug 37 1 ff. erweiterte Einlösungsklausel 37 65 Folgeprämie 33 4 Abgrenzung zur Erstprämie 37 8 ff. siehe auch Erstprämie Zahlungsverzug 38 14 ff. siehe auch Zahlungsverzug bei Folgeprämie Fremdversicherung vor 43–48 1 ff. siehe auch Versicherung für fremde Rechnung Geschäftsführung ohne Auftrag Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 12 Großrisiko 65 1 ff.
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Gru
Sachregister
Gruppenversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 40 Haftpflichtversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 32, 39 Handelsmakler Versicherungsmakler (Abgrenzung) 59 63 Herabsetzung der Prämie 41 1 ff. Bedeutungslosigkeit von Gefahrumständen 41 6 ff. Gefahrindizien 41 10 Gefahrkompensation 41 6 Gefahrumstand 41 10 Irrtümliche Falschanzeige von Gefahrumständen 41 11 Wegfall von Gefahrumständen 41 6 ff. Inbegriff von Sachen Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 36 Invitatio-Modell 33 50 Invitatioverfahren Anh. 49 ff. KFZ-Halter Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 35 Klinische Forschung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 35 Kommissionsgeschäft Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 9 Krankenversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 25 Kreditversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 41 Kündigung bei Prämienerhöhung 40 1 ff. AGB-Kontrolle 40 27 ff. Anpassungsklausel 40 11 Erhöhung der Versicherungssumme 40 12 Gefahrerhöhung 40 10 Hinweispflichten des VR 40 21 ff. Kündigungsrecht des VN 40 17 ff. Prämienanpassungsklausel 40 27 ff. Prämienerhöhung ohne Änderung des Umfangs des Versicherungsschutzes 40 13 ff. Verminderung des Versicherungsschutzes 40 9, 26 Wirksamkeit der Prämienerhöhung 40 15
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Laufende Versicherung 53 1 ff.; vor 53–58 1 ff. Anmeldepflicht 53 1 ff.; 54 1 ff. Anmeldung 53 31 ff. Anzeigepflicht 56 1 ff. Begriff 53 2 ff. Deckungsformen 53 12 ff. Einzelpolice 55 1 ff. Gefahränderung 57 1 ff. Gestaltungsmöglichkeiten 53 7 ff. Kreditversicherung 53 28 f. Obliegenheitsverletzung 58 1 ff. Prämie 53 40 Transportversicherung 53 24 ff. Versicherbare Interessen 53 23 ff. Versichertes Interesse 53 18 ff. Versicherungsgegenstand 53 18 ff. Versicherungsschutz 53 31 ff. Vertragsbeginn 53 31 ff. Lebensversicherung Allgemeine Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz Anh. 49 ff. Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 33, 42 Leistungsort Prämie 36 6 f. Mahnung des VR ~ bei Verzug mit mehreren Prämien 38 51 ff. Empfänger der Mahnung 38 17 f. Form 38 26 f. Inhalt 38 28 ff. Mahnender 38 16 Qualifizierte ~ 38 15 ff. Zahlungsverzug bei Folgeprämie 38 15 ff. Zeitpunkt 38 50 Zugang 38 19 ff. Makler Pflichten 59 86 ff. Vollmachten 59 89 ff. Maklervertrag 59 81 ff. Mitteilungs- und Beratungspflichten 59 1 ff. Mitversicherung von Kindern Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 26 Nachteil des VN 42 5 ff. Abweichende Vereinbarungen 42 1 ff. Großrisiko 42 4 Nettopolice Provisionsanspruch 59 91 ff. Nettoprämie 33 19 Nießbrauch Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 35
Sachregister PEICL Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 48 Personenversicherungen Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 16 ff. Prämie 33 1 ff. Abschlag 33 21 ff. Begriff 33 10 ff. Beitragshöhe 33 36 Bestandteile 33 13 ff. Bringschuld 36 10 echte Nebengebühren 33 31 Erfolgsort 36 8 f. Erfüllungswirkung der Zahlung 36 44 Feuerschutzsteuer 33 25 f. Gewinnanteil 33 24 Hauptleistungspflicht des VN 33 11 Herabsetzung 41 1 ff. siehe auch Herabsetzung der Prämie Höhe 33 34 ff. Holschuld 36 10 Lastschriftverfahren 36 37 ff. Leistungsort 36 6 f. Nebengebühren 33 27 ff. Nebengebühren im weiteren Sinn Netto/Brutto 33 19 Rabattsystem 33 23 Rechtzeitigkeit der Leistung 36 26 ff. Rechtzeitigkeit der Leistung bei Barzahlung/ Aufrechnung Scheck/Wechsel 36 41 ff. Schickschuld 36 10 Sicherheitszuschlag 33 16, 20 Stundung 33 53; 37 19 Überweisung 36 30 ff. Vereinbarte Zahlung 33 11 Versicherungssteuer 33 25 f. Verwaltungskostenbeitrag 33 19 Verzögerungsgefahr 36 11 ff. Zahlung durch Dritte 34 1 ff. siehe auch Prämienzahlung durch Dritte Zinsen 33 27 ff. Zuschlag 33 16; 33 21 ff. Prämienanpassungsklausel AGB-Kontrolle 40 27 ff. Anforderungen 40 33 ff. Bestimmtheitsgebot 40 56 Geringfügigkeitsgrenze 40 55 Höchstgrenze für Prämienerhöhung 40 55 Inhaltskontrolle 40 33 Kontrollfähigkeit 40 32 Rechtsprechung zu Preis- und Prämienanpassungsklauseln 40 35 ff.
Rüc
Rechtsfolgen unwirksamer Prämienanpassungsklauseln 40 59 ff. Risikospezifische Beurteilung 40 39 Transparenzgebot 40 56 Unabhängiger Treuhänder 40 57 Unternehmer 40 58 Unwirksame ~ 40 59 ff. Prämienerhöhung Anpassungsklausel 40 16 Kündigung bei ~ 40 1 ff. siehe auch Kündigung bei Prämienerhöhung Umfang 40 13 ff. Verminderung des Versicherungsschutzes 40 26 Wirksamkeit 40 15 Prämiengläubiger 33 41 f. Prämienkalkulation 33 16 Prämienrückstand Geringfügiger ~ 37 29 ff. Tilgungsbestimmungen 37 35 f. Prämienschuldner 33 38 ff. Prämienzahlung Beweislast 33 65 f. Prämienzahlung durch Dritte Ablösungsberechtigende Leistungen 34 13 Ablösungsberechtigte Personen 34 8 ff. Annahmepflicht des VR 34 7 ff. Pfandgläubiger 34 10 Pfandrechtserweiterung 34 19 f. Prämienzahlungspflicht Erfüllbarkeit 33 55 Preisanpassungsklausel Bemessungsgrundlage 40 52 Bestimmtheit 40 50 Bestimmtheitsgebot 40 54 Gewinnmaximierung 40 53 Konkretisierungsgebot 40 54 Rechtsprechung 40 35 ff. Rechtsanwalt/Notar Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 35 Rechtsschutzversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 43 Rechtzeitigkeit der Prämienzahlung EuGHEntscheidung vom 3.4.2008 36 15 ff. Rentenversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 44 Risikoprämie 33 18 Rückwärtsversicherung 33 51; 37 20 f., 60 ff.
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Sac
Sachregister
Sachversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 45 Schadensversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 31 Schickschuld Prämie 36 10 Seeversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 28 Sparprämie 33 18 Stellvertretung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 11 Summenversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 24 Transportversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 46 Treuhand Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 14 ff. Unfallversicherung Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 26 Vermittlungsgebührenvereinbarung 59 96 ff. Versicherung für einen Inbegriff von Sachen Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 26 Versicherung für fremde Rechnung 43 1 ff. Anfechtung 43 49 ff. Anzeigepflichten des Versicherten 47 14 Arglistige Täuschung 43 56 ff. Arglistige Täuschung des Versicherten 47 15 Arten vor 43–48 34 ff. Aufklärungsobliegenheiten 47 12 Aufrechnung 44 13 Auskehrungsverpflichtung 46 12 ff. Auskunftsverpflichtung 46 18 Auslandsrecht/PEICL 43 72 f.; 44 39 f.; 45 44; 47 44 f. Ausstellung eines Sicherungsscheins 44 30 ff. Beendigung des Vertrages 43 61 ff. Befriedigungsvorrecht 46 31 ff. Begriff 43 4 Benachrichtigung 47 22 f. Bereicherungsausgleich 45 33 ff. Berufsunfähigkeitsversicherung vor 43–48 38
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Betriebshaftpflichtversicherung vor 43–48 36 Bewachungsgewerbe vor 43–48 35 Bezugsberechtigung 43 12 f. Completion Bonds vor 43–48 28 D&O-Versicherung 44 28; 47 27 Definition vor 43–48 1 Dinglich an der Versicherungsforderung Berechtigte 43 10 Drittschadensliquidation 43 54 Einschränkung der Verfügungsbefugnis des VN 45 17 ff. Eintritt des Versicherungsfalls 46 12 ff. Eintrittsberechtigte 43 15 Einziehungsverpflichtung 46 12 ff. Erlöschen des Vertrages 43 61 f. Ersatzurkunde 44 9 Erwerber der versicherten Sache 43 16 Fehlendes Wissen vom Versicherungsvertrag 47 16 ff. Gefahrsperson 43 11 Geschädigte Dritte in der Haftpflichtversicherung 43 17 Geschäftsführung ohne Auftrag vor 43–48 13; 46 5 Gesetzliches Treuhandverhältnis 46 6 ff. Gleichstellung von Versichertem und VN 47 7 ff. Gruppenversicherung vor 43–48 40 Haftpflichtversicherung vor 43–48 32, 39; 43 34 Handeln in eigenem Namen/Stellvertretung 43 21 ff. Inbegriff von Sachen vor 43–48 36 Insolvenz 44 10 f. Insolvenz des VN 43 65; 45 27 Interesse des Begünstigten 47 10 Irrtumsanfechtung 43 49 ff. Kenntnis und Verhalten des Versicherten 47 1 ff. KFZ-Halter vor 43–48 35 Klinische Forschung vor 43–48 35 Kombinierte Eigen- und Fremdversicherung vor 43–48 6; 47 31 ff. Kommissionsgeschäft vor 43–48 11 Krankenversicherung vor 43–48 26; 44 29 Kreditversicherung vor 43–48 41 Lebensversicherung vor 43–48 33, 42 Leistung an den Versicherten 44 33 ff. Mitversicherung von Kindern vor 43–48 26 Nießbrauch vor 43–48 35 Obliegenheitsverletzung des Versicherten 47 28 Obliegenheitsverletzung des VN 47 29 Partei kraft Amtes 43 23
Sachregister PEICL vor 43–48 48 Personenversicherungen vor 43–48 24 Praktischer Bedarf vor 43–48 30 Prozessführungsbefugnis des VN 45 10 ff. Prozesskostenhilfe 45 16 Prüfungsreihenfolge 43 20 Recht auf Gefahrtragung/Versicherungsleistung 44 4 Rechte aus dem Versicherungsvertrag 44 4 ff. Rechte des Versicherten 44 1 ff. Rechte des VN 45 1 ff. Rechte und Pflichten des VN 44 7 f. Rechteverteilung 47 7 Rechtsanwalt/Notar vor 43–48 35 Rechtsmissbräuchliches Verhalten des VR 44 24 ff. Rechtsnachfolge 44 12 Rechtsnachfolge bzgl. der Verfügungsbefugnis 45 26 Rechtsschutzversicherung vor 43–48 43 Rechtsverhältnis zwischen VN und Versichertem 46 1 ff. Regressvergleich 43 18 Reine Fremdversicherung 47 25 Rentenversicherung vor 43–48 44 Restschuldversicherung 43 11 Rückausnahme 47 20 f. Rückversicherung 43 19 Sacherhaltungsinteresse 43 37 f. Sachersatzinteresse 43 39 ff. Sachversicherung vor 43–48 45; 43 35 f. Schadensabwendungskosten 45 30 Schadensersatz 46 19 Schadensversicherung vor 43–48 31 Schlüsselgewalt 43 25 Schuldverhältnis zwischen VN und Versichertem 46 3 ff. Seeversicherung vor 43–48 29 Stellvertretung vor 43–48 12 Summenversicherung vor 43–48 25; 43 7 Transportversicherung vor 43–48 46 Treuhand vor 43–48 16 ff. Tuns-Obliegenheiten 47 10 Umwandlung in Eigenversicherung 43 63 f. Unfallversicherung vor 43–48 26 Unterlassens-Obliegenheiten 47 10 Veräußerung der versicherten Sache 44 14 f. Verfügungsbefugnis des Versicherten 44 16 ff. Verfügungsbefugnis des VN 45 1 ff. Vermutung für Eigenversicherung 43 66 ff. Versichertes Interesse vor 43–48 4 Versicherung einer fremden Person für eigene Rechnung 43 11
Ver
Versicherung eines eigenen Interesses an fremder Sache 43 6 Versicherung eines eigenen Interesses unter Verzicht auf die Verfügungsbefugnis 43 9 Versicherung eines fremden Interesses 43 30 ff. Versicherung eines fremden Interesses für eigene Rechnung 43 7 Versicherung fremder Sachen 43 42 ff. Versicherung für einen Inbegriff von Sachen vor 43–48 27 Versicherung in Vertretung eines anderen 43 8 Versicherungsschein 44 9, 21 ff. Verteilung des Versicherungserlöses 46 6 ff. Vertrag zugunsten Dritter vor 43–48 9, 14 ff. Vertragsschluss 43 45 ff. Vertragsschluss für einen anderen 43 30 ff. Vertragsschluss in eigenem Namen 43 21 ff. Verzicht des VN auf Verfügungsbefugnis 45 24 f. Verzugsschaden 44 5 VN als Treuhänder 46 11 ff. Wegfall/Nichtbestehen des Interesses 43 33 ff. Wesen vor 43–48 1 ff. Wettversicherung 45 29 Zahlung an den Versicherten 45 35 ff. Zahlung an den VN 45 33 f. Zinsen 44 5 Zurechnung 47 8 Zurückbehaltungsrecht 46 20 ff. Zustimmung 45 28 ff. Zwangsvollstreckung 44 10 f. Zweifelsfälle 43 26 ff. Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ 48 1 ff. Abgrenzung/Versicherung für Rechnung eines unbekannten Dritten 48 16 Aktivenversicherung 48 17 Anwendungsbereich 48 17 ff. Auflösung 48 35 Auslandsrecht/PEICL 48 37 f. CIF-Verkäufer 48 19 Geheimhaltungsinteresse des VN 48 14 Passivenversicherung 48 17 Rechtsfolgen 48 29 ff. Summenversicherung 48 18 Unbestimmtheit des Vertrags 48 15 Vereinbarung 48 20 ff. Versichertes Interesse 48 24 ff. Versicherung alternativer Interessen 48 6 ff. Versicherung kumulativer Interessen 48 11 ff.
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Ver
Sachregister
Versicherung sukzessiver Interessen 48 9 f. Wechsel der Interesseträgerschaft 48 28 Versicherungsberater 59 144 ff.; 68 1 f. Gewerberechtliche Voraussetzungen 59 147 ff. Gewerbsmäßige Beratung 59 153 Provisionsannahmeverbot 59 156, 170 f. Statusinformationen 59 154 Versicherungsfall 59 163 ff. Versicherungsvertragsberatung 59 159 ff. Vertretung gegenüber dem VR 59 167 ff. Versicherungsmakler Bedarfsmarktkonzept 60 13 Begriff 59 63 ff. Eingeschränkte Auswahl 60 21 ff. Gewerberechtliche Voraussetzungen 59 75 ff. Gewerbsmäßigkeit 59 80 Handelsmakler (Abgrenzung) 59 63 ff. Hinreichende Zahl von Angeboten 60 9 ff. Honorarberatung 59 77 Informationsgrundlage 60 18 ff. Keine Betrauung 59 115 ff. Maklereinbruch 59 111 Maklermarkt 60 11 Maklerwechsel 59 109 ff. Marktgrundlage 60 18 ff. Pflichtverletzungen 63 15 ff. Scheinmakler 59 137 ff. Vermittlungsgebührenvereinbarung 59 96 ff. Verschulden 63 19 Versicherungsvertreter (Abgrenzung) 59 63 ff. Vertragsauswahl 60 17 Verwirkung des Provisionsanspruchs 59 106 ff. Verzicht des VN auf Mitteilungen 60 21 ff. Versicherungsschein Zugang 33 64 Versicherungsvermittler Anlassbezogene Beratung 61 10 ff. Ausnahmen von Vermittlungsrichtlinie 66 1 ff. Befragungspflicht 61 6 ff. Begriff 59 8 ff. Begründung des Rates 61 36 Begünstigungsverbot 59 185 ff. Beratungsfehler 63 34 ff. Beratungsgrundlage 60 1 ff. Beratungspflichten 61 1 ff. Beratungsverzicht 61 40 ff.; 63 22 Dokumentation 61 37 ff. Dokumentation in Textform 62 1 ff. Dokumentationspflichten 61 1 ff.
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Dokumentationsverzicht 61 40 ff. Gewohnheitsrechtliche Erfüllungshaftung 63 6 ff. Großrisiken 65 1 ff. Honorarberatung 59 172 ff. Maklervollmacht 61 45 Mindeststandard des Versicherungsschutzes 61 29 Mündliche Angaben 62 9 f. Pflichtverletzungen 63 21 ff. Provisionsabgabeverbot 59 185 ff. Risikoanalyse 61 29 Schadensersatzpflicht 63 1 ff. Sicherheitsleistung 64 1 ff. Sicherung des VN 64 1 ff. Verfehlung des Versicherungszwecks 61 19 Verhältnis zwischen Beratungsaufwand und Prämien 61 32 ff. Verletzung der Beratungspflicht 63 28 ff. Verletzung der Dokumentationspflicht 63 23 ff. Wünsche und Bedürfnisse des VN 61 24 ff. Zeitpunkt und Form der Information 62 1 ff. Versicherungsvertreter Abschlussvollmacht 71 1 ff. Anscheinsvollmacht 71 7 Antrag des VN 69 21 ff. Anzeigen des VN 69 23 ff. Anzeigen des VN vor Vertragsschluss 69 30 ff. Auge-und-Ohr-Doktrin 69 22 Auge-und-Ohr-Rechtsprechung 69 7, 23 Begriff 59 29 ff.; 69 15 ff. Beschränkung der Vertretungsmacht 72 1 ff. Betrauung 59 34 ff. Blockpolice 71 8 Duldungsvollmacht 71 6 Empfangsvollmacht 69 20 ff. Erklärungen des VN 69 23 ff. Gesetzliche Vollmacht 69 1 ff. Gewerberecht 59 55 ff. Gewerbsmäßigkeit 59 54 Inkassovollmacht 69 39 ff. Kenntniszurechnung 70 1 ff. Kundengeldsicherung 69 41 Mehrfachvertreter 59 44 ff. Nicht zurechenbare Kenntnisse 70 14 Produktakzessorischer Vertreter 59 49 f. Pseudomakler 69 19 Übermittlung von Versicherungsscheinen 69 38
Sachregister Versicherungsmakler 69 18 Versicherungsmakler (Abgrenzung) 59 63 Vertretungsmacht 69 11 ff. Vollmachtmissbrauch 69 34 Vollmachtsurkunde 71 5 Vorläufige Deckung 71 9 Widerruf des Antrags des VN 69 27 ff. Wissenszurechnung 73 1 ff. Vertrag zugunsten Dritter Versicherung für fremde Rechnung vor 43–48 13 Vertragsbeendigung Vorzeitige ~ 39 1 ff. siehe auch Vorzeitige Vertragsbeendigung Verzögerungsgefahr bei Prämienzahlung EuGH-Entscheidung vom 3.4.2008 36 15 ff. Vorläufige Deckung 33 51; 37 20 f.; vor 49–52 1 ff. ~ ab Antragsunterzeichnung vor 49–52 26 ~ ab Eingang des Antrags vor 49–52 26 Aktuelle Klauselfassungen vor 49–52 30 Anderweitige ~ 52 2 ff. Anschlussklauseln vor 49–52 27 ff. Arglist vor 49–52 25 Auslegung des Antrags vor 49–52 13 AVB vor 49–52 20 f. Beanstandete Klauseln vor 49–52 29 Beendigung durch Hauptvertrag 52 2 ff. Beginn 51 1 ff. Beginn des Versicherungsschutzes vor 49–52 9 Beratungspflicht vor 49–52 22 f. Einbezug von AVB 49 6 ff. Ende des Versicherungsschutzes vor 49–52 19 Fernabsatz 49 4 Gleichartige Deckung bei einem anderen Versicherer 52 18 Gleichartiger Versicherungsschutz 52 5 ff. Historische Entwicklung vor 49–52 3 ff. Höhe der Prämie 50 3 ff. Informationspflichten 49 2 f. Kraftfahrtversicherung vor 49–52 14 f. Kündigung 52 22 ff. Nachträgliche Rückwärtsversicherung vor 49–52 11 Nachträgliches Erlöschen der anderweitigen Deckung 52 8 ff. Nichtzustandekommen des Hauptvertrags 50 1 ff. Prämienzahlung 51 1 ff. Rechtsnatur des Vertrages vor 49–52 8 Risikoausschlussklauseln vor 49–52 28 Rückwärtsversicherung vor 49–52 9
Zah
Scheitern des Hauptvertrags 52 8 ff. Unterschiede zu anderen Verträgen vor 49–52 9 ff. Verbreitung vor 49–52 7 Versicherungsbeitrag 50 2 Versicherungsschutz/Beginn vor 49–52 10 Vertragsbeendigung 52 1 ff. Vertragsinhalt 49 1 ff. Vorvertragliche Anzeigepflicht vor 49–52 24 ff. Wesen vor 49–52 1 f. Widerruf des Vertrages 52 19 f. Widerspruch wegen Abweichung vom Antrag 52 21 Zahlung des Versicherungsbeitrags 52 11 f. Zusage durch Vermittler vor 49–52 17 Zustandekommen vor 49–52 12 ff. Vorzeitige Vertragsbeendigung 39 1 ff. Allgemeiner Grundsatz der Teilbarkeit der Prämie 39 16 f. Arglistige Täuschung 39 12 f. Beschränkung der Zahlungspflicht 39 14 Einlösungsprinzip 39 16 f. Insolvenz des VR 39 15 Rücktritt 39 12 f. Teilbarkeit der Prämie 39 8 ff., 16 f. Zahlungsverzug bei Erstprämie 37 1 ff.; 37 37 ff. Einlösungsprinzip 37 3 Einmalprämie (Begriff) 37 5 Erstprämie (Begriff) 37 6 f. Fälligkeit 37 26 Leistungsanforderung durch den VR 38 13 Nicht rechtzeitige Zahlung 37 25 ff. Leistungsfreiheit des VR 37 53 ff. Mahnung 37 3 siehe auch Mahnung des VR Ratenzahlung 37 17 Reaktivierung von Verträgen 37 22 f. Rechtsfolgen 37 46 ff. Rücktrittsrecht des VR 37 47 ff. Stundung der zeitlich ersten Prämie 37 19 Vertragsänderung 37 9 Verzugszinsen 37 46 Zahlungspflicht des VN 37 46 Zahlungsverzug bei Folgeprämie 38 1 ff. Befreiung von der Leistungspflicht 38 59 Beweislast 38 84 ff. Isolierte Kündigung 38 67 Kein Verschulden des VN 38 56 ff. Kündigungsrecht des VR 38 59, 65 ff. Leistungsfreiheit des VR 38 60 ff. Pflichthaftpflichtversicherung 38 81
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Zah Reaktivierung des Versicherungsvertrages trotz Kündigung 38 70 Rechtsfolgen 38 59 ff. Ruhen der Versicherung 38 77 Stundung der Folgeprämie 38 72 ff.
500
Sachregister Verbundene Kündigung 38 68 Verzicht des VR 38 78 Voraussetzungen der Kündigung 38 66 Wirkung der Kündigung 38 69 Zahlung innerhalb der Zahlungsfrist 38 55