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German Pages 11 [20] Year 1847
Vortrag über die
durch den Beschluß der fünften Hauptversammlung des Gustav-Adolf-Vereins erfolgte Ausschließung
des Dr. Rupp, gehalten in der Versammlung des Berliner Orts-Vereins
am Ilten December 1846
von
W. Ionas, Geheimem Revision« - Rath.
Zum Besten des Gustav - Adolf-Vereins.
Berlin.
Druck und Verlag von G. Reimer. 1847.
V o r w o r t. Ä^ehrere Mitglieder des hiesigen Gustav-Adolf-Vereins, zu denen
ich selbst gehörte, hatten den Verwaltungs-Rath gebeten „bei der näch sten Vereins - Versammlung einer Besprechung des
von
der fünften
Haupt-Versammlung gefaßten Beschlusses über die Ausschließung des Dr. Rupp Raum zu geben"; sie hatten sich ihrerseits dahin ausgespro
chen, daß sie diesen Beschluß sowohl dem Statut als dem Princip des Vereins widersprechend erachteten und den Antrag gestellt:
„zur Aufhebung desselben die erforderlichen Schritte einzuleiten". Die Majorität des Verwaltungsraths hatte vorweg diesen Antrag für
unzulässig erachtet und der Wirkliche Geheime Ober-Justiz-Rath Herr
Dr. Bornemann hat in seinem bekannten, dem Druck übergebenen Voto die Gründe für diesen Beschluß entwickelt.
Es war keine Zeit
mehr, dieses Votum in einer Gegenschrift zu beleuchten, es mußte dem nach, was ohnehin beabsichtigt wurde, vorbehalten bleiben, in der Ver
sammlung selbst den obenerwähnten Antrag zu rechtfertigen.
Das habe
ich versucht und mich dazu geflissentlich des schriftlich ausgearbeiteten
Vortrags bedient, obgleich ich wohl weiß, daß dadurch der augenblick
liche Eindruck gewiß vermindert ist. —
Ich zweifle nicht daran, daß
diejenigen Mitglieder der Haupt-Versammlung, welche gegen den Dr. Rupp stimmten, so wie alle diejenigen,
welche diesen Besckluß für
gerechtfertigt hielten, ihrer gewissenhaften Ueberzeugung gemäß gehan delt haben und das ist unter allen Umständen, subjectiv betrachtet, das
Rechte, aber dieselbe Gerechtigkeit, welche ich übe, nehme ich auch für mich in Anspruch.
Auch ich habe als ein
Mann meine Ueberzeugung ausgesprochen;
freier
und selbstständiger
ich wünsche nichts weiter,
als daß man sie als eine solche annehme, und mir zutraue, daß ich in
der Sache selbst lediglich und allein das Wohl des Vereins im Auge
hatte, dessen Verfall ich tief beklagen wurde.
4 Wenn ich mir die Aufmerksamkeit der hochgeehrten Versammlung für einen etwas umfassenderen Vortrag über den Gegenstand der heu tigen Berathung erbitte, so geschieht dies in der festen Ueberzeugung, daß das bloße Auf- und Herausgreifen einzelner Gesichtspunkte die
Debatte zu einer endlosen und doch nicht überzeugenden machen würde. Je gründlicher die Sache gleich von vorne herein in ihrem ganzen Zu sammenhänge, von allen Gesichtspunkten aus ausgefaßt und vorgetra
gen wird, um so leichter wird es nachher werden, das Erhebliche von dem Unerheblichen zu sondern und einen festen Anhalt für die Beur theilung zu gewinnen,
was besonders für so große Versammlungen,
wie die heutige, von großer Wichtigkeit ist.
Der Beschluß der 5ten Haupt-Versammlung des evangelischen
Gustav-Adolf-Vereins in Betreff der Ausschließung des Dr. Rupp muß einer doppelten Beurtheilung unterworfen werden, nämlich
1) ist die Competenz dieser Versammlung zu einem solchen Be
schluß und 2) sind die Gründe für denselben in materieller Beziehung zu prüfen. Ich will nicht vorweg die Ansicht aufstellen, daß die Geschäfte der
Haupt-Versammlung in dem 8.28. der sogenannten Frankfurter Satzun
gen^) so vollständig spezifizirt sind, daß ihre Competenz sich durchaus darauf beschränkt, allein ich behaupte, daß der Gesammtverein nicht so
organisirt ist, daß er aus einer Vereinigung von Individuen besteht, vielmehr ist er lediglich eine Verbindung mehrerer, hinsichts ihrer in
nern Einrichtung vollkommen freier und unabhängiger Vereine zu ge meinschaftlicher Wirksamkeit für einen bestimmten Zweck.
Darum heißt
es im § 5. jener Satzungen auch nicht, daß die Gesammtheit der regel mäßig beisteuernden Mitglieder die Gustav-Adolf-Stiftung, als Ein
heit gedacht, bilde, sondern erstere verbinden sich danach zu Zweig oder Hülfs- und diese zu Haupt-Vereinen, und der gemeinschaftliche
Mittelpunkt aller einzelnen Vereine für die Verwaltung soll der
Central-Vorstand sein.
Darum heißt es ferner im §. 6.:
„daß jedem Verein die nähere Bestimmung über seine innere
Einrichtung überlassen bleibe"
*) Der §. 28. wurde vorgelesen. Die citirten §§ der Satzungen find in einem Anhänge zu dieser Schrift abgedruckt.
5 und darum endlich werden Mitglieder überhaupt lediglich von den ZweigVereinen ausgenommen.
Sonach besteht neben der organischen Verbin
dung aller Zweig-Vereine zu Haupt-Vereinen, und aller Haupt-Ver
eine untereinander, — jedoch lediglich zn gemeinsamer Wirksam
keit — die vollständige Selbstständigkeit der Einzel-Vereine, die dem nach ihre Beschränkung nur in dem einwüthigen Zusammenwirken zu einem und demselben Zwecke findet.
Dieser Zweck ist nach §. 1. der
erwähnten Satzungen kein anderer — und die Gegner Rupps wollen
selbst keinen anderen gelten lassen —
als
die Noth
der
Glaubens
genossen in und außer Deutschland nach allen Kräften zu heben, und
von diesem Gesichtspunkte aus wüßte ich in der That nicht, daß die
Hauptversammlung Geschäfte haben könnte, die sich, sofern die Selbst
ständigkeit der Zweig- und Haupt-Vereine geachtet wird, nicht unter die im §. 28. der Satzungen spezisizirten bringen ließen*).
Ganz be
sonders ist nun aber diese Selbstständigkeit der einzelnen Zweig- und Haupt-Vereine Preußens neben der organischen Verbindung zu gemein
samer Förderung des obenerwähnten Zwecks bewahrt.
Nach der aller
höchsten CabinetS-Ordre v. 14. Februar 1844 soll zwar zur Erhal
tung der Einheit die Verbindung der preußichen Vereine mit der StiftungS-Direktion in Leipzig festgehalten werden, jedoch so, daß für die
gesammten preußischen Vereine eine vollkommne Selbstständigkeit be wahrt wird und dieser allerhöchste Befehl besteht in voller Kraft.
Als
die Deputirten sämmtlicher preußischer Vereine zur Verhandlung über den Anschluß an
den Gesammt-Verein zusammentraten,
achteten sie
sich nach diesem Befehl und beschlossen
daß die vollkommene Selbstständigkeit der gesammten preußischen *) Man hat den Satz aufgestellt, daß nach §. 28. die Versammlung über eingehende Anträge beschließen könne, und da nun auf Ausschließung des Dr. Rupp angetragen sei, habe man also auch darüber beschließen können. Man vergißt aber, daß hier jedenfalls nur Anträge gemeint find, welche die Wirksamkeit des Vereins betreffen, denn sonst müßte die Versammlung auch materiell über Anträge politischer Natur be schließen können, während fie doch gewiß ihre Entscheidung nur formell dahin abgeben würde, daß dergleichen Angelegenheiten vor den Verein nicht gehören. Eben so mußte aus die Anträge wegen Ausschließung des Dr. Rupp, da dieselben nicht die Wirksamkeit des Gesammt-Vereins betrafen, zwar allerdings ein Bescheid erfolgen, aber nur formell, näm lich dahin: „daß diese Anträge nicht vor die Haupt-Versammlung gehören".
6 Vereine nur in der Nothwendigkeit eines einmüthigen Zusam menwirkens zu dem Zwecke der Unterstützung hilfsbedürftiger
Glaubensgenossen eine Beschränkung finde, ja es wurde noch ein Gefammt-Ausschuß für die sämmtlichen Provin zial-Vereine in Preußen gebildet, dessen Hauptzweck war, als Organ für die Gesammtheit der preußischen Vereine zu dienen und namentlich
den Verein in Preußen
in den gemeinschaftlichen Beziehungen zum
Staate zu vertreten und die Vermittelung des Verhältnisses zur Staats behörde zu besorgen.
Betraf nun aber die Frage:
ob Dr. R u p p noch Mitglied eines Vereins sein könne oder
nicht?
die gemeinsame Wirksamkeit des Gesammt-Vereins zur Unterstützung bedürftiger Glaubensgenossen, zu welchem Zweck allein die organische
Verbindung aller Vereine besteht?
Eine solche Behauptung habe ich
in dem Protokolle über die Sitzung der 5hm Hauptversammlung nicht
gefunden, sie würde auch ihre Widerlegung in sich selbst tragen.
Denn
die Frage war eine rein persönliche, die sich nach dem vorhingesagten von selbst dahin erledigte:
daß bei der Selbstständigkeit der einzelnen Vereine die HauptVersammlung, die ja nicht einmal ein Mitglied aufnehmeu sann,
auch ein solches nicht ausschließen darf.
Dagegen steht ihr allerdings die Befugniß zu, gegen einen ganzen Ver ein, der ihrer Meinung nach das gemeinschaftliche Statut verletzt, ein
zuschreiten, denn diese liegt in der Natur der Sache und der geordne ten Gliederung des Vereins; diese letztere aber darf nie übersehen wer
den und die Haupt-Versammlung kann und darf sich, da sie mit dem Einzelnen gar nichts zu thun bat, nie veranlaßt finden, ihre Verfügung gegen einen solchen zu richten, namentlich aber kann sie den Deputirten
eines Haupt-Vereins nicht zurückwcisen, so lange sie diesen selbst an erkennt und in Gemeinschaft mit ihm bleiben will.
aber, daß hauptsächlich nur das Verhältniß,
Dazu kommt nun
in welchem Dr. Rupp
und die freie evangelische Gemeine zu Königsberg zum Staate stehen,
den Grund zu seiner Ausschließung hergegeben hat und damit in die Thätigkeit des für die Provinzial-Vereine in Preußen bestehenden Aus schusses eingegriffen ist.
Man hat nun, um diesen Consequenzen zu entgehen, zwischen der Qualität „Mitglied eines Zweig-Vereins" oder „Abgesand-
7 ter eines Haupt-Vereins" zu sein unterscheiden wollen, allein dazu ist noch viel weniger Grund vorhanden.
Es giebt keine unmit
telbaren Mitglieder des Gesammt-Vereins, der, wie gedacht, nur aus
den Haupt-Vereinen besteht, sondern jeder, welcher zur Gustav-Adolf Stiftung gehört, ist zunächst nur Mitglied eines Zweig- oder OrtsVereins.
Wenn nun der §. 10. der Statuten besagt:
„daß der Vorstand jedes Haupt-Vereins das Recht habe, sich durch einen gehörig legitimsten Abgeordneten in den Haupt
versammlungen vertreten zu lassen, der frei aus allen Mit
gliedern des Gesammt-Vereins gewählt werden kann,"
so folgt hieraus dreierlei: 1. daß die Worte „aus allen Mitgliedern des Gesammt-Vereins"
nichts anderes bedeuten, als „aus allen Mitgliedern al ler 3 weig-Vereine;"
2. daß wer Mitglied irgend eines Zweig-Vereins ist, deshalb
auch zur Haupt-Versammlung gewählt werden kann, und
3. daß bei der freien Wahl aus allen Mitgliedern aller Orts vereine die Prüfung des Legitimations-Punktes bei der Haupt-
Versammlung sich lediglich darauf erstrecken kann und darf, a. ob der Gesandte Mitglied irgend eines recipirten ZweigVereins und
b. ob seine Vollmacht formell richtig ist?
Von der Richtigkeit dieser Sätze bin ich so vollständig überzeugt und durchdrungen, daß ich selbst gegen meinen Wunsch mich denselben habe
hingeben müssen.
Ich gestehe, daß ich gern die Competenzfrage bei
Seite gesetzt haben würde, allein sie liegt zu klar und ich müßte ge
radehin meine innigste Ueberzeugung verleugnen, wenn ich mich nicht dahin aussprechen sollte:
daß die Haupt - Versammlung zu dem in Beziehung auf den Dr. Rupp gefaßten Beschlusse auf keine Weise kompetent war, mithin schon in dieser Beziehung die Statuten und die statuta rische Selbstständigkeit eines preußischen Haupt-Vereins ver
letzt hat. Aber auch abgesehen von der Competenzfrage beruht dieser Beschluß auf durchaus unrichtigen Principien.
Der §. 1. der Frankfurter Sat
zungen bestimmt: „daß der evangelische Verein der Gustav-Adolf-Stiftung eine
8 Vereinigung von Gliedern der evangelisch-protestantischen Kirche sei,"
und die Frage, welche der Beurtheilung vorliegt, ist demnach:
ob Dr. Rupp, nachdem er seinen Austritt aus der preußischen Landeskirche erklärt hat, und in eine vom Staate nicht geneh migte oder anerkannte, sogenannte freie evangelische Gemeine
getreten ist, aufgehört hat, ein Mitglied der evangelischen Kirche überhaupt zu sein?
Man hat sich nun daraus berufen, daß nach staats- und kirchenrecht lichen Grundsätzen die evangelisch-protestantische Kirche in Deutschland
lediglich aus den sogenannten Landeskirchen bestehe.
Es wurde gesagt:
„der Begriff der evangelischen Kirche schwebt nicht in der Luft,
die evangelische Kirche besteht in Deutschland auö den Landes kirchen und sämmtliche Landeskirchen haben ihren Schutz unter ihren Landesherren.
Diese haben dem Gustav - Adolf - Verein
ihren Schutz in der Voraussetzung zugesagt, daß er an der Lan deskirche halte und wenn daher jemand aus dieser austritt, so
gehört er nicht mehr zur evangelischen Kirche überhaupt."
Ich habe aus dem Protocoll über die Sitzung der hiesigen Haupt-
Versammlung nicht einen einzigen, nur einigermaßen scheinbaren Grund für die Ausschließung des Dr. Rupp entnehmen können, der nicht in diesen Worten des Pfarrers Lipp old enthalten wäre*), und ich für
meine Person zweifle nicht daran, daß auf diesen Sätzen der Beschluß beruht.
Der Begriff der christlichen Kirche als der äußern Erscheinung des geistigen Reichs, welches Christus gegründet hat, ist im Allgemei
nen bei allen Confessionen derselbe, alle glauben an eine heilige christ liche Kirche, alle wollen ihr angehören, alle wollen sie darstellen und
jede glaubt die reine Lehre zu haben.
Nun bildete aber die christliche
Kirche von ihrer Entstehung an auch einen Verein zur Ausübung der Religion, mit einem geordneten gesellschaftlichen Verhältniß, und die Bedeutung dieses letzteren ist es, die auf ganz verschiedene Weise auf
gefaßt wird.
Die katholische Kirche betrachtet die äußere Form, in der
*) Ich überging demnach auch die behauptete mutatio personae in per sona, die gleich schlagend widerlegt wurde und durch die spätern Er eignisse noch mehr widerlegt ist.
9 sie besteht, die Gliederung in derselben, als unmittelbar göttlichen Ursprungs dergestalt, daß die geistige und die äußere Gemeinschaft voll
kommen zusammenfallen.
Darum ist unmöglich, die äußere Gemeinschaft
verlassen und die innere beibehalten zu wollen, und wer den Pabst ver läßt, der verläßt unbedingt die katholische Kirche.
Die evangelische
Kirche setzt dagegen das Wesen derselben in die geistige Vereinigung, welche durch die Gemeinschaft des Glaubens und der Sacramente be gründet wird.
Das Dasein einer äußern Gesellschaft ist ihr zwar eine
durchaus nothwendige Folge, allein die äußern Einrichtungen, welche
die Kirche im Laufe der Jahrhunderte erhalten hat, beruhen auf mensch licher, nicht göttlicher Anordnung und können deshalb füglich dem
Wechsel und der Aenderung unterliegen, ohne daß das Wesentliche der Kirche davon berührt wird.
Wer an der Richtigkeit dieser Sätze zwei
felt, der lese den Artikel 7 der Augsburgischen Consession, wo es sehr
deutlich geschrieben steht.
Luther selbst sagt:
„Darum, um wahren Verstands und der Kürze willen, wollen „wir die zwo Kirchen nennen mit unterschiedlichen Namen, die
„erste, die natürlich, gründlich, wesentlich und wahr„haftig ist, wollen wir heißen eine geistliche, innerliche
„Christenheit; die andere, die gemacht und äußerlich ist,
„wollen wir heißen eine leibliche, äußere Christenheit rc. „Aus alle dem folget, daß die erste Christenheit, die allein ist „die wahrhaftige Kirche, mag und kann kein ander Haupt
„auf Erden haben und von niemand auf Erden, weder Bischof „noch Pabst regieret mag werden, sondern allein Christus im „Himmel ist hie das Haupt und regieret allein" *). Das ist der evangelische Lehrbegriff der Kirche und das ist zugleich der
evangelisch-kirchenrechtliche, denn das Kirchenrecht kann und darf nicht
mit der Kirchenlehre im Widerspruche stehen.
Wer nun die Behaup
tung aufstellt:
„daß die evangelische Kirche als eine geistige Vereinigung in der Luft stehe, daß sie nur Halt und Realität gewinne durch die
*) Christus sagt: „Wo zwei oder drei versammelt sind in mei nem Namen, da bin ich mitten unter ihnen/' Das heißt, die Gemeinschaft in ihm muß äußerlich dargestellt werden, aber die Form ist vollkommen gleichgültig und insonderheit kommt es gar nicht darauf an, ob sie eine organifirte ist oder nicht l
10 äußere, gemachte Form,
mit dieser dergestalt zusammentreffe,
daß ein Austrcten aus einer gegebenen äußern Verbindung zu gleich das Verlassen der geistigen innerlichen Kirche — die nach
Luther allein die wahrhaftige Kirche ist — in sich schließt," der steht nach kirchlichen und kirchenrechtlichen Grundsätzen
auf katholischem Standpunkte. Einen staatsrechtlichen Begriff der evangelischen Kirche giebt es nicht.
Das deutsche Kirchenstaatsrecht enthält nur die Lehre von dem
Verhältniß der Kirchen zum Staat überhaupt.
Es ist bekannt, daß
das Kirchen - Regiment, welches nach den bewährtesten Kirchenrechts-
Lehrern von der Staatsgewalt wesentlich zu unterscheiden ist, in Be ziehung auf die evangelische Kirche nur in denjenigen deutschen Ländern
den Landesherren zusteht, wo diese zur evangelischen Confession gehören. In den deutschen Ländern, wo die Landesherren zur katholischen Religion
gehören, haben sie keine Gewalt über die evangelische Kirche und diese steht unter ihnen nur in sofern, als sie als ein äußerer Verein unter
dem Schutz der Gesetze steht.
Darum sind seit dem westphälischen
Frieden in vielen Ländern einzelne, lediglich ihrer Autonomie überlas
sene Gemeinen, ohne äußere Verbindung untereinander und ohne ge meinschaftliches Kirchen-Regiment vorhanden gewesen, deren Angehö rigkeit zur evangelischen Kirche dessenungeachtet nie in Zweifel gestellt
ist, und erst in neuerer Zeit ist in Deutschland überall die gleiche äu ßere Berechtigung der evangelischen Consession neben der katholischen
festgestellt, woraus sich dann erst die organische Verbindung der Ge
meinen in jedem Lande von selbst gebildet hat.
Daraus folgt, daß die
Angehörigkeit zur evangelischen Kirche in Deutschland überhaupt nicht abhängig ist davon, ob der Landesherr das Kirchenregiment hat
oder nicht.
Es ist ferner bekannt, daß die evangelischen Kirchen der
verschiedenen deutschen Länder durchaus keine äußere Gemeinschaft mit einander haben und daraus folgt wiederum, daß wenn man von einer evangelischen Kirche in Deutschland — als Einheit gedacht — spricht,
darunter nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch nicht die Kirche in ih rer äußern gesellschaftlichen Form verstanden werden kann — denn eine
solche hat sie nicht, die sie zu einer Einheit machte — sondern daß darunter nur die Kirche zu verstehen ist, welche Luther die geistliche
innerliche Christenheit nennt.
Wer mit dieser Kirche in der Gemein
schaft des Glaubens und der Sacramente steht, also auch äußerlich
11 keiner andern angehört, der gehört ihr an und zwar nicht nur
in Deutschland, sondern über den ganzen Erdboden, wie sich auch die äußere Form und das Verhältniß zum Staat gestalten mögen.
So ge
hört die englische Hochkirche so gut, wie die schottische Presbyterial-
Kirche der allgemeinen evangelisch-protestantischen Kirche ganz
unbe
stritten an.
Nun steht aber der Staatsgewalt, nicht dem Kirchen-Regi
ment, ganz allgemein und ganz unbestritten das Recht zu, die Bildung
neuer Religionsgesellschaften überhaupt und neuer Kirchengesellschasten insbesondere zu überwachen und solche wird überall als von der Ge
nehmigung des Staats abhängig betrachtet.
Dr. Rupp gehört nicht
einer neuen Religionsgesellschaft, sondern nur einer neuen Ge
meine an, welche diese Genehmigung vom Staate nicht erhalten hat und deshalb sagt man:
Nicht darum, weil er aus der Landeskirche ausgetreten sei, habe
er aufgehört zur evangelischen Kirche überhaupt zu gehören, son dern weil er in keine andere rechtlich bestehende eingetreten sei, also zu gar keiner Kirche gehöre und jetzt ebensogut ein Maho-
medaner als ein Christ sein könne*). Das ist eine Vermischung des Staats mit der Kirche.
Die staatliche
Genehmigung giebt keine kirchlichen Rechte im Verhältniß zu andern
Kirchengesellschaften, sie betrifft nicht die geistige innere Gemeinschaft, sondern die äußere öffentliche Religionsübung, und wenn man die Sache
von dieser rein äußeren Seite nehmen will, so führt sie zu einem ganz anderen Schluß.
Denn rein äußerlich und vom äußerlichen Rechte auö
betrachtet ist gar nicht möglich, aus einer der vom Staat genehmigten
Kirchengesellschaften auszutreten, ohne in eine andere genehmigte oder erlaubte Gesellschaft einzutreten.
Innerlich mag jeder glauben was er
will, oder gar nichts glauben, äußerlich muß er einer der im Staat
rechtlich bestehenden Religionsgesellschaften
angehören und namentlich
ist im preußischen Staat bis jetzt rechtlich kein anderes Verhältniß be gründet.
Darum ist der Staat zur Zeit vollkommen im Recht, wenn
*) Ueber diesen letzten Satz habe ich mich jeder weitern Auslassung ent halten, ich bitte aber jeden Leser sich den Unterschied zwischen neuen Religionsgesellschaften und neuen Gemeinen, d. h. Kirchengesellschasten klar zu machen. Sie verhalten sich zu einander wie Religion zur Kirche, wie das Innere zum Aeußern.
12 er die Deutsch - Katholiken äußerlich noch als zur katholischen Kirche gehörig und die Mitglieder der freien evangelischen Gemeine zn Kö
nigsberg noch als zur Landeskirche gehörig betrachtet, von ihnen die
Erfüllung aller äußern Verbindlichkeiten nach wie vor verlangt, ja bei den Deutsch-Katholiken so weit geht, dieselben — da sie von ihrer Kirche ercommunicirt sind — wegen derjenigen kirchlichen Handlungen,
mit welchen bürgerliche Folgen verknüpft sind, an die evangelische Lan
deskirche zu weisen. rührt.
Das innerliche geistige Verhältniß läßt er unbe
Aeußerlich gehören demnach die Mitglieder der freien evange
lischen Gemeine zu Königsberg — welche rechtlich noch gar nicht eristirt — noch zur evangelischen Landeskirche; ob sie aber zu der
innerlichen geistigen Gemeinschaft der evangelisch-protestantischen Kirche, welche nach evangelischem Begriff allein die wahrhaftige Kirche bildet,
gehören oder nicht? das ist völlig unabhängig von ihrem Verhältniß
zum Staat.
So wenig diese Angehörigkeit durch eine Genehmigung
des Staats in Beziehung auf die öffentliche Religionsübung der freien
evangelischen Gemeine ertheilt werden würde und ertheilt werden könnte, ebenso wenig wird sie durch die fehlende Genehmigung berührt. —
Wir wollen uns dies durch ein Beispiel klar machen.
Als die Union
in Preußen bewirkt wurde, kam es dahin, daß viele Lutheraner, welche derselben nicht beitreten wollten, mit der Regierung in offenen Conflict
geriethen.
Auch sie sagten sich von der Landeskirche los und traten zu
besonderen Gemeinen zusammen, die zuerst auf keine Weise Anerken
nung, ja nicht einmal Duldung erhielten; wem wäre aber je eingefal
len, diese nicht anerkannten, ja nicht einmal de facto geduldeten Ge meinen von der evangelisch-protestantischen Kirche auszuschließen? Der Conflict dieser Gemeinen mit der Regierung war ein rein äußerer, er
betraf durchaus nicht ihre Angehörigkeit zur evangelisch-protestantischen Kirche überhaupt, sondern nur die Form, in der sie neben der Landes kirche bestehen wollten, er hat sich gelöset und alle jetzt hervortretenden
Conflicte werden und müssen sich auch auf eine oder die andere Weise
lösen.
Aber nicht Preußen allein bietet solche Beispiele, wir haben
jetzt auch ein solches an den Waadtländischen Geistlichen, welche die be stehende äußere Organisation der Kirche wegen eines Conflicts mit der Regierung verlassen haben und noch soll jemand auftreten, der ihnen
die Angehörigkeit zur evangelisch-protestantischen Kirche bestreiten wollte. Was aber dem einen recht ist, das ist dem andern billig, und es ist
13 sehr klar, daß solche Ausschließung in Beziehung auf die Königsberger freie Gemeine ihren Grund nicht in staats- und kirchen-rechtlichen
Principien haben kann.
Meine Ueberzeugung ist demnach:
daß die Angehörigkeit zur evangelisch-protestantischen Kirche le diglich und allein abhängig ist von der Gemeinschaft des Glau bens und der Sakramente, und daß, wenn von Gemeinen die
Rede ist, diese Angehörigkeit nicht von dem Standpunkte der
Einzelnen, sondern von dem der Gemeine aus beurtheilt wer
den muß; und daraus ergiebt sich von selbst, daß ein anderes äußeres oder recht liches Merkmal für diese Angehörigkeit weder eristirt noch eristiren kann.
Es ist sehr bekannt, daß man der evangelischen Kirche aus diesem Ver hältnisse von alten Zeiten her einen Vorwurf gemacht hat, allein das
selbe ist so tief in dem Wesen derselben begründet, daß diese äußere
Unbestimmtheit nothwendig auch in dem Gustav-Adolf-Verein hervor treten mußte, wenn er ein treues Bild der Kirche wiedergeben sollte.
Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich eine hochverehrte Versamm
lung mit dieser juristischen Darstellung belästigt habe, sie schien mir aber unvermeidlich, um der Rede von staats- und kirchenrechtlichen Prin cipien auf den Grund zu kommen.
Uebrigens kommen rvir auf dasselbe
Resultat, wenn wir die Statuten des evangelischen Gustav-Adolf-Ver eins der Beurtheilung zum Grunde legen.
Der Dr. Carl Groß
mann giebt zu *), daß der §. 1. der Statuten nur aus dem §. 2. er klärt werden könne und müsse und damit bin ich vollkommen einver standen.
Ursprünglich soll die Fassung des §. 2. dahin projectirt gewe
sen sein: „sectirerische Gemeinen sind von der Unterstützung ausgeschlossen."
Diese Bestimmung soll man aber zu unbestimmt gefunden und um sie deutlicher zu fassen, die jetzige Fassung beschlossen haben, die denselben Sinn haben sollte.
Sie lautet dahin:
„die Wirksamkeit des Vereins umfaßt lutherische, reformirte und unirte, so wie solche Gemeinen, welche ihre Uebereinstim mung mit der evangelischen Kirche sonst glaubhaft
nachweisen."
*) Anch der Wirkliche Geheime Ober-Justiz-Rath Herr Dr. Borne mann giebt es zu.
14 Heißt das nicht offenbar, daß die Wirksamkeit des Vereins keinesweges
auf lutherische, reformirte und unirte Gemeinen beschränkt werden soll, und wird damit nicht geradehin gesagt, daß nur die Uebereinstimmung
mit der evangelischen Kirche allein als das entscheidende Merkmal der
Angehörigkeit zu derselben betrachtet werden solle?
Lag nicht zu Tage,
daß der Verein seine Unterstützung auch dahin zu senden haben werde, wo die evangelischen Gemeinen gedrückt werden, ja wo sie kämpfen um die bloße Duldung? Was ist nun eine sectirerische Gemeine?
Ist es eine
solche, die nicht die staatliche Genehmigung hat, oder ist es eine solche,
welche nicht in Uebereinstimmung mit der evangelischen Kirche steht?
Soll die neue Fassung des 8-2. die frühere erklären, so ist dies gerade in der Art geschehen, daß die staatliche Genehmigung *) dabei ganz ex
nexu bleibt und lediglich die Uebereinstimmung mit der Kirche entscheidet.
Der Gustav-Adolf-Verein trägt den Satz an der Stirn: „So lasset uns Gutes thun an Jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen,"
dasselbe steht im §. 1. der Statuten als Zweck des Vereins, und nun
soll diese Glaubensgenossenschaft innerhalb des Vereins selbst bei Seite
und an deren Stelle sollen äußere Merkmale gesetzt werden?
Das ist
nimmermehr der Sinn der Statuten.
Steht nun aber Dr. Rupp mit der freien evangelischen Gemeine
in Königsberg in Uebereinstimmung mit der evangelischen Kirche?
Die
hochgeehrte Versammlung fürchte nicht, daß ich mich nun auf das theo logische Gebiet begeben werde.
Ich behaupte abermals, daß die Haupt-
Versammlung — was sie auch ganz richtig gefühlt und deshalb die
Beurtheilung der Sache von diesem Gesichtspunkte aus geradehin zu
rückgewiesen hat — nicht competcnt ist, darüber ein Urtheil zu fällen. Sie repräsentirt nicht die evangelische Kirche, sie kann keine Gemeine
in die Kirche aufnehmen und keine ausschließen.
ihr,
er erklärte feierlich,
Dr. Rupp stand vor
daß er der Evangelischen Kirche angehören
wolle, er ist ein Mann, der weiß, was das bedeutet, die Gemeine, der
er angehört, hat dasselbe öffentlich erklärt, der Zweig-Verein, der ihn
ausgenommen, hat dies angenommen, ein anerkannter Haupt-Verein *) Ich fordere jeden auf, sich den §. 2. des Statuts genau anzusehen und zu prüfen, ob darin von einem äußeren Merkmale nur eine Spur zu finden ist? Weit eher war daraus die bekannte Forderung eines Be kenntnisses herzuleiten.
15 — ein selbstständiges Mitglied des Gesammt-Vereins — schickte ihn als seinen Vertreter, und wer nun behaupten will:
„die Gemeine, der Rupp angehöre, stehe nicht in Uebereinstim mung mit der evangelischen Kirche," der hatte eS abermals nicht mit ihm, sondern mit dem Königsberger
Haupt-Verein zu thun und wenigstens mußte er den Beweis
übernehmen*). Die evangelische Kirche befindet sich unverkennbar in einem Gäh-
rungs- und LäuterungS-Prozeß, und wie unmöglich eS auch ist, daß
die einzelnen Mitglieder des Gustav-Adolf-VereinS nicht Theil neh men sollten an demselben, sofern sie lebendige Mitglieder dieser Kirche sind, der Gustav-Adolf-Verein als solcher ist nicht berufen an dem Kampfe Theil zu nehmen, er soll vielmehr in helfender Liebe vereinen,
waö äußerlich getrennt, ja waö im Kampfe mit einander steht.
Wie
erhebend war eS, als unsere Deputirten von der Göttinger Versamm
lung zurückkamen und uns berichteten, wie durch daö einmüthige Auf treten der preußischen Vereine gegen die Forderung eines Bekenntnisses
von denjenigen Gemeinen, welche unterstützt werden sollten, der Ver such: „dem Verein eine exclusive Richtung zu geben" zurückgewiesen
worden, wie schön ist der Beruf deö Gustav-Adolf-Vereins in dem, von den Abgeordneten der preußischen Provinzial-Vereine an Se. Ma jestät, unsern allergnädigsten König unter dem 7ten September 1844
gerichteten Danksagungsschreiben ausgedrückt, wenn darin gesagt wird: „Jetzt noch führt die Gemeinschaft des Evangeliums mancherlei
Namen aus Streit und Hader; was so getrennt war, wird die frisch und frei helfende Liebe verbinden.
Ist uns noch jeder an
dere Ausdruck evangelischer Gemeinschaft versagt, nun so tritt uns doch schon nahe vor die Augen das Bild jener christ lichen Gemeinen, an welche die erste Rede der Apostel erging,
durch Land und Meer geschieden, aber wie durch das apostolische Wort, so auch durch Steuer und Gabe aushelfender Liebe ver
bunden.
Aber daß wir nun an solchen Bildern und Verhei-
*) DaS ist ein Hauptpunkt. Wollte Nupp erst ausgenommen werden in den Verein, so ließe ich mir eher gefallen, daß man den Beweis von ihm fordere, aber er ist ausgenommen, noch heute in dem Verein und wer ihn nun ausschließen will, der muß Klägers Stelle überneh men und den Ausschließungsgrund beweisen. Siehe Note"*) am Schluß.
16 ßungen der Zukunft unsere evangelischen Herzen erquicken dür fen, daß wir nach so köstlichen Gottesgütern, wie nach leicht er
reichbaren, die Hand ausstrecken, dazu hat Ew. Königl. Maje stät Wort und That mächtig geholfen!!!" Solche Gedanken und Grundsätze waren es, die uns beseelten, als wir
zum Vereine zusammentraten,'sie wurden ausgesprochen vor den Stu
fen des Thrones, sie fanden eine gnädige Aufnahme und der auf die sen Grundsätzen beruhende Verein wurde unbedingt genehmigt.
Nichts
destoweniger wird jetzt gesagt:
„diese Genehmigung sei unter der Voraussetzung ertheilt, daß der Verein an den Landeskirchen halte,"
ja es wurde behauptet: „die Fürsten Deutschlands und der Gustav-Adolf-Verein hät
ten gewissermaßen mit einander paciscirt und erstere hätten un ter der evangelischen Kirche sich gewiß keine andere gedacht, als welche sie im Lande haben," allein daraus ist folgendes zu erwiedern:
Die Fürsten Deutschlands
stehen weder zum Gustav-Adolf-Verein, noch sonst zu ihren Untertha nen in einem Verhältniß, welches auch nur entfernt als aus einem Vertrage beruhend gedacht werden kann, sie stehen so hoch über ihnen,
daß sie namentlich in Beziehung auf den Gustav-Adolf-Verein nur zu bestimmen haben, unter welchen Modalitäten sie das Fortbestehen des
selben gestatten wollen oder nicht.
Je mehr ich aber davon durchdrun
gen bin, daß der Verein lediglich in ihrer Hand liegt, um so weniger
scheint es mir zulässig, daß einzelne Mitglieder des Vereins sich darauf
berufen, von welchen Voraussetzungen die hohen Proteetoren des Ver eins bei Bestätigung der Statuten ausgegangen sind. Diese liegen uns
vor, sie allein bilden die lex scripta des Vereins und nach ihnen haben
wir uns zu richten.
Dennoch kenne ich eine 'andere Rücksicht, die der
Verein zu nehmen hat und in welcher nach meiner festen Ueberzeugung
alle andern, so weit sie nur irgend von ihm gefordert werden können,
mitbegriffen sind, und das ist die Bewahrung der vollständigsten Neu tralität in Beziehung auf alle religiösen Kämpfe und Wirren der Zeit.
Diese Neutralität liegt recht eigentlich in seinem Berufe und Zweck, sie ist vielfach als Grundprinzip des Vereins ausgesprochen und mit
ihr steht oder fällt er.
Es ist hier nun nicht die Rede von Bewah
rung dieser Neutralität in Beziehung auf diejenigen Gemeinen, welche
17 der Verein unterstützt, soviel ist ater klar, daß sie hier bei weitem eher
verletzt werden könnte, als bei der Frage über Reception eines einzel
Hält man nun fest, daß der Verein ein reiner Liebes
nen Mitgliedes.
Verein ist, daß er zwar aus Mitgliedern der evangelischen Kirche in dem Sinne, wie er oben entwickelt ist, bestehen soll, daß er aber keine kirchliche Behörde ist, so sehe ich nicht wohl ab, wie durch die Aus nahme eines bestimmten Jndividui, sofern dies nur äußerlich nicht
einer Kirche oder Gemeinschaft angehört, die entschieden nicht mit
der
evangelischen Kirche
in Uebereinstimmung
steht, irgend wie die Neutralität verletzt werden könnte, wohl aber ist mir sehr klar, daß sie durch eine Ausschließung sehr empfindlich verletzt
werden kann *).
Auf keinen Fall darf der Verein zu einem Auskunfts
mittel greifen, welches sowohl gegen seine Statuten, als sein Princip verstößt, wie es die Haupt-Versammlung gethan hat.
Daß sie nicht
den richtigen Weg eingeschlagen, zeigt schon der Erfolg.
Um eine
muthmaßliche Demonstration**) abzuwehren, hat sie den Verein auf
geregt in seinem innersten Grunde und ihn dahin geführt, daß er, der
in helfender Liebe vereinigen soll, was in Streit und Hader liegt, nun in sich selbst zu zerfallen droht.
Wem der Verein am Herzen liegt,
der muß dazu helfen, daß dieser Zustand so schnell wie möglich besei tigt und dafür gesorgt werde, daß ein ähnlicher Fall nicht wieder vor kommen kann.
Ich weiß nur einen Weg, wie die Sache in vollkom
mener Uebereinstimmung mit den Statuten und dem Prinzip des Ver eins so zu erledigen ist, daß dieser in seiner Gesammtheit nie mehr Gegenstand einer Demonstration werden, noch selbst jemals eine solche machen oder hervorrufen kann und diese besteht darin:
daß er sich streng an die Statuten haltend die Prüfung der Re ceptionsfähigkeit den Zweig-Vereinen überläßt***). *) Eine völlig in der Hand der Vereine liegende Neutralitäts-Regel, ge gen welche gar nichts zu erinnern wäre, könnte sein: in dubio wird ausgenommen, aber in dubio wird noch keine Unterstützung gegeben. Auf die Aufnahme kann einer nach dem Statut Anspruch machen, auf eine Unterstützung niemals. **) Ich würde das Wort Demonstration gar nicht gebraucht haben, wenn nicht der Dr. Carl Großmann in seiner Schrift offen daraufhin
gedeutet hätte. ***) Daß der Haupt-Versammlung die Einschreitung gegen einen Verein, der die Statuten geradehin verletzt, Vorbehalten bleibt, habe ich schon
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18 Wenn dann auch noch Differenzen in diesen möglich wären, so werden
sie in Beziehung auf den Gesammt-Verein doch so vollkommen auf Null reducirt, daß er davon gar nicht mehr berührt wird.
Zur Glau-
bensrichtcrei wird es in den einzelnen Vereinen nicht kommen, so lange
evangelischer Sinn und evangelisches Bewußtsein in demselben leben,
wollten aber einzelne Vereine sie treiben, so könnte ihnen dies auch fetzt schwerlich gewehrt werden, auf keinen Fall aber würde solches Treiben dem evangelischen Bewußtsein mehr widersprechen, als der fetzt gewählte
Ausweg, wobei denn doch immer die Möglichkeit gegeben bleibt, daß was der eine Verein schlecht macht,
ein anderer wieder gut machen
kann, während Mißgriffe der Haupt-Versammlung gleich die Existenz des ganzen Vereins gefährden.
Meine Meinung ist demnach:
daß bei dem Provinzial-Verein der Antrag gemacht werde, durch den Abgeordneten zur nächsten Haupt-Versammlung die Zurück nahme des Beschlusses wegen der Ausschließung des Dr. Rupp
als dem Statut und Princip des Vereins widersprechend und eine Erklärung der nächsten Haupt-Versammlung dahin bean tragen zu lassen, daß die Prüfung der Receptionsfähigkeit der
Mitglieder den recipircnden Zweig-Vereinen anheim gestellt sei. Daß ich damit nicht verlange, daß die fünfte Haupt-Versammlung un
geschehen gemacht werde, darf ich wohl nicht versichern, ich will nichts mehr und nichts weniger, als daß das, was mit einfacher Majorität in
einer Versammlung von den Deputirten der Haupt-Vereine, ohne daß
solche deshalb befragt worden, beschlossen ist, nunmehr, nachdem die Vereine selbst sich erklärt haben, mit derselben einfachen Majorität, so
fern sie zu erlangen ist, wieder aufgehoben werde, da ich den §. 27. der
Statuten so verstehe, daß ein Beschluß nur so lauge bindend bleibt, bis ein anderer gefaßt wird**).
oben erwähnt, aber in einem solchen Fall muß nicht von diesem ver langt werden, daß er den Nachweis führe „daß das Statut von ihm nicht verletzt sei" sondern die Verletzung muß ihm bewiesen wer den. DaS genügt vollkommen, um den Verein in den Schranken des Statuts zu erhalten, daö ist der allein richtige Gesichtspunkt, der über all festzuhalten ist und bei dessen Festhaltung alle Noth ein Ende ha ben wird. *) Mit einem Wort: ich appellire von der nicht gut unterrichteten HauptVersammlung an die besser zu unterrichtende und finde in den Worten „Aufhebung des Beschlusses" gar nichts anstößiges, denn jede
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A n h a n g. 8. 1.
Wesen und Zweck deS Evangelischen Vereins der
Gustav-Adolf-Stiftung.
Der Evangelische Verein der Gustav-
Adolf- Stiftung ist eine Vereinigung aller derjenigen Glieder der evan gelisch-protestantischen Kirche, welchen die Noth ihrer Brüder, die der
Mittel deö kirchlichen Lebens entbehren und deshalb in Gefahr sind, der Kirche verloren zu gehen, zu Herzen geht, und hat also, eingedenk
des apostolischen Wortes Gat. 6, 10.
„Lasset uns Gutes thun an je
dermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen", zum Zwecke, die Noth dieser Glaubensgenossen in und außer Deutschland, sofern sie im eigenen Vaterlande ausreichende Hülfe nicht erlangen können, nack-
allen Kräften zu heben. §. 2.
Die Wirksamkeit deö Vereins umfaßt lutherische, reformirte
und unirte so wie solche Gemeinden, die ihre Uebereinstimmung mit
der evangelischen Kirche sonst glaubhaft nachweisen. 8.5.
Form des
Adolf-Stift ung.
Mitglieder
Evangelischen Vereins der
Gustav-
Die Gesammtheit der regelmäßig beisteuernden
verbindet sich zu Vereinen (Zweig- oder HülfS- und
Hauptvereinen).
Der gemeinsame Mittelpunkt aller einzelnen Vereine
für die Verwaltung ist der Centralvorstand, welcher seinen fortwäh renden Sitz in Leipzig hat.
§. 6.
Anschluß eines einzelnen Vereines an den Ge-
sammtverein.
Jeder Verein hat behufs seiner Ausnahme in den
Gesammtverein durch den Centralvorstand seinen Zusammentritt dem
selben und bezüglich dem Hauptvereine, welchem er sich anschließt (§. 9.),
sofort anzuzeigen und sich zur vollständigen Befolgung der gegenwär tigen Statuten zu verpflichten, auch jährlich Beiträge an den Central
vorstand einzusenden.
Die näheren Bestimmungen über seine innere
Einrichtung bleiben jedem Vereine überlassen, jedoch hat er eine Ab schrift seiner Statuten an den Centralvorstand zu überschicken. Abänderung eines frühern Beschlusses enthält re vera eine Aufhebung desselben. Darum hätte ich gar nichts dawider, wenn der frühere Be schluß nur nach den von mir gemachten Anträgen abgeändert und le diglich die Wiederwählbarkeit des Dr. Rupp ausgesprochen würde, denn mir ist nichts so sehr zuwider als ein Wortstreit.
20 10.
Stellung
sammtvereine.
der Hauvtvereinsvorstände
im Ge-
Der Vorstand jedes Hauptvereins hat das Recht,
sich durch einen gehörig legitimirten Abgeordneten in den Hauptver
sammlungen (§. 24.) vertreten zu lassen.
Dieser Abgeordnete kann
frei auö allen Mitgliedern des Gesammtvereinö erwählt werden.
§. 27.
Verhandlungsweise.
Stimmenmehrheit gefaßt.
Die Beschlüsse werden nach
Bei Wahlen ist absolute Stimmenmehrheit
erforderlich, wird diese jedoch bei zweimaliger Abstimmung nicht er langt, so entscheidet die relative.
Stimme des Vorsitzenden.
Bei Stimmengleichheit entscheidet die
Ueber alle Verhandlungen und Beschlüsse
ist Protokoll aufzunehmen und es sind dieselben auch für die Vereine
bindend, welche keinen Abgeordneten geschickt haben. $. 28.
Geschäfte der Hauptversammlungen.
Die Ab
geordneten berathen und beschließen über folgende Gegenstände:
1) über die Wirksamkeit sämmtlicher Vereinsvorstände für den Zweck
des Gesammtvereines, namentlich über die Wirksamkeit des Cen tralvorstandes, dessen Rechnung sie justificiren, nachdem sie von
den zu ihrer Prüfung auf je 3 Jahre zu erwählenden Revisoren Bericht erhalten haben; 2) über die Wahl der Mitglieder des Centralvorstandes;
3) über die Anerkennung eines Vereines als Hauptvereins; 4) über die gestellten Anträge, namentlich über Abänderung der
Statuten; 5) über den Ort der nächsten Hauptversammlung.
Bei den Wahlen des Centralvorstandes und der Revisoren hat der Abgeordnete des Centralvorstandes keine Stimme.