119 55 13MB
German Pages 156 [157] Year 1993
Herausgeber: Professor Dr. Horst Hartmann
Praxisreihe
Einkauf Materialwirtschaft Band
3 Reese I Spohrer
Vorteilhafte
Vertragsgestaltung für erfolgreiches Einkaufen
Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH
Vorteilhafte Vertragsgestaltung für erfolgreiches Einkaufen
Jürgen Reese · Hans Spohrer
Vorteilhafte Vertragsgestaltung für erfolgreiches Einkaufen
Band 3 Praxisreihe Einkauf/Materialwirtschaft herausgegeben von Professor Dr. Horst Hartmann
Deutscher Betriebswirte-Verlag, Gernsbach
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Reese, Jürgen: Vorteilhafte Vertragsgestaltung für erfolgreiches Einkaufen / Jürgen Reese ; Hans Spohrer. - Gernsbach : Dt. BetriebswirteVerl., 1993 (Praxisreihe Einkauf/Materialwirtschaft; Bd. 3) ISBN 3-88640-057-3
NE: Spohrer, Hans:; GT
© Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH, Gernsbach 1993 Satz: Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH, Gernsbach Druck: Holzmann Druck, Bad Wörishofen ISBN: 3-88640-057-3
Inhalt Verzeichnis der Abbildungen
9
Verzeichnis der Fallbeispiele
10
Vorwort
11
1.
1.1. 1.2.
Wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung einwandfreier Verträge für die Beschaffung Die betriebswirtschaftliche Bedeutung der Verträge permanente Beeinflussung der Materialbewirtschaftungskosten Partnerschaftliche Zusammenarbeit und Erfolg durch ausgewogene Verträge
13 13 14
2.
Aktuelle rechtliche Grundlagen für den Einkauf
16
2.1. 2.1.1. 2.1.2. 2.1.3. 2.1.4. 2.1.5. 2.1.6. 2.1.7. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 2.2.3.1. 2.2.3.2. 2.2.3.3. 2.2.3.4. 2.2.3.5. 2.2.3.6. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.3.2.1. 2.3.2.2.
Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Einbeziehung in den Vertrag Besonderheiten für den kaufmännischen Geschäftsverkehr Überraschungsklauseln Auslegungsregeln Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von AGB Inhaltskontrolle Kaufvertrag Pflichten des Verkäufers beim Sachkauf Pflichten des Käufers Leistungsstörungen beim Kauf Wandelung Minderung Neulieferung einer mangelfreien Sache Nachbesserung Garantiehaftung Schadenersatz wegen Nichterfüllung Werkvertrag Vertretbare Sachen Nicht vertretbare Sachen Pflichten des Lieferanten und des Bestellers Leistungsstörungen
16 16 17 18 20 20 21 21 22 23 23 24 29 29 30 30 31 31 34 34 35 35 36
5
2.4. 2.4.1. 2.4.1.1. 2.4.1.2. 2.4.1.3. 2.4.2. 2.4.3. 2.4.3.1. 2.4.4. 2.4.5. 2.4.6. 2.5. 2.5.1. 2.5.2. 2.5.3. 2.5.4. 2.5.4.1. 2.5.5. 2.5.6. 2.6.
Allgemeine Leistungsstörungen Verschulden Haftung für Erfüllungsgehilfen Haftung bei Gattungsschuld Haftungsbeschränkungen und -ausschlüsse Unmöglichkeit Verzug des Schuldners Fixgeschäft Annahmeverzug Positive Vertragsverletzung Verschulden bei Vertragsverhandlungen (c.i.c.) Produkthaftung und Produzentenhaftung Produzentenhaftung Produkthaftung Voraussetzungen der Produkthaftungsansprüche Schaden Weiterverarbeitung mangelhafter Teilprodukte Verantwortliche Haftung mehrerer Ersatzpflichtiger Preisgleitklauseln
37 38 38 38 39 40 40 41 42 43 44 45 45 46 46 47 47 49 49 54
3.
Rahmenvertrag zur sukzessiven oder unregelmäßigen Belieferung
56
3.1. 3.2. 3.3.
Betriebswirtschaftliche Ziele Muster eines Rahmenvertrages Rechtliche Hinweise
56 59 62
4.
Rahmenvertrag zur Just-In-Time-Versorgung
66
4.1. 4.2. 4.3.
Betriebswirtschaftliche Ziele Muster eines Rahmenvertrages zur Just-In-Time-Versorgung Rechtliche Hinweise
66 67 72
5.
Fremdbevorratungsvertrag (Ergänzung zu einem Rahmenvertrag^
5.1. 5.2.
Betriebswirtschaftliche Ziele Muster eines Fremdbevorratungsvertrages in Verbindung mit einem Rahmenabkommen Rechtliche Hinweise
5.3.
6
77 78 81
6.
6.1. 6.2.
Konsignationslagervertrag (Ergänzung zu einem Rahmenvertrag)
82
Betriebswirtschaftliche Ziele Muster eines Konsignationslagervertrages in Verbindung mit einem Rahmenabkommen Rechtliche Hinweise
86 88
Vertrag für den Kauf eines Investitionsgutes nach Spezifikation und Zeichnung des Kunden
89
7.1. 7.2. 7.3.
Betriebswirtschaftliche Ziele Muster eines Vertrages für den Kauf einer Maschine Rechtliche Hinweise
89 92 97
8.
Rahmenvertrag für die Ersatzteilversorgung (des eigenen Maschinenparks)
99
6.3. 7.
8.1. 8.2.
82
8.3.
Betriebswirtschaftliche Ziele Muster eines Rahmenvertrages für die Ersatzteilversorgung des eigenen Maschinenparks Rechtliche Hinweise
99 101 105
9.
Rahmenvertrag für regelmäßig wiederkehrende Leistungen
106
9.1. 9.2. 9.3.
Betriebswirtschaftliche Ziele 106 Muster eines Rahmenvertrages für regelmäßig wiederkehrende Leistungen 109 Rechtliche Hinweise 116
10.
Vertrag mit einer Arbeitsgemeinschaft
118
10.1. 10.2. 10.3.
Betriebswirtschaftliche Ziele Vertrag mit einer Arbeitsgemeinschaft/Musterklauseln Rechtliche Hinweise
118 120 122
7
11.
Geschäftsbesorgungsvertrag
124
11.1. 11.2. 11.3. 11.3.1. 11.3.2. 11.3.3.
Betriebswirtschaftliche Ziele Muster eines Geschäftsbesorgungsvertrages Rechtliche Hinweise Rechtsnatur des Geschäftsbesorgungsvertrages Die Rechte und Pflichten der Parteien Erteilung eines Rates oder einer Empfehlung
124 125 133 133 133 134
12.
Kooperationsvertrag
135
12.1. 12.1.1. 12.1.2. 12.2. 12.3. 12.3.1. 12.3.2.
Betriebswirtschaftliche Ziele 135 Zusammenarbeit unter Federführung eines starken Partners 135 Kooperation in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts136 Muster eines Kooperationsvertrages 138 Rechtliche Hinweise 141 Wettbewerbsrechtliche Aspekte 141 Rechtsnatur des Kooperationsvertrages 141
13.
Leasingvertrag
142
13.1.
Betriebswirtschaftliche Ziele des Hersteller- und Operatingleasing Muster eines (mietvertragsgleichen) Leasingvertrages Betriebswirtschaftliche Ziele des Finanzierungsleasing Empfehlungen zum Vertrag für Finanzierungsleasing Rechtliche Hinweise Allgemeines Operatingleasing Finanzierungsleasing Herstellerleasing Vertragsmuster Sachmängel
142 143 145 147 148 148 149 149 149 150 150
13.2. 13.3. 13.3.1. 13.4. 13.4.1. 13.4.2. 13.4.3. 13.4.4. 13.4.5. 13.4.6. Anhang
Literaturverzeichnis
152
Stichwortverzeichnis
154
8
Verzeichnis der
b i l e
Abb. 1 :
Einfluß der EDV auf kreativen und administrativen Einkauf
Abb. 2:
Informations- und Materialfluß bei Just-in-Time-Belieferung
68
Abb. 3:
Informations- und Materialfluß bei Fremdbevorratung durch Lieferanten
79
Informations- und Materialfluß bei Einrichtung eines Konsignationslagers im Betrieb des Kunden
84
Bestandsentwicklung nach Bevorratungsindex / Auswirkungen der speziellen Verträge mit bestandssenkenden Wirkungen
85
Abb. 6:
Kostengrafik für den Fall der Auftrags-Stornierung
90
Abb. 7:
Anlagendatei für die Instandhaltung (aus SAP)
92
Abb. 8:
Ersatzteilstückliste (in Verbindung mit Anlagendatei
Abb. 4:
Abb. 5:
Abb. 9:
58
aus SAP)
101
Reservierte Bestände, für den Verwender blockiert
102
Abb.10: Preisliste Leistungen aus dem Isolierer-Gewerk
112
Abb.11 : Aufmaßblatt für Rohrleitungsarbeiten
113
Abb. 12: Lohnstundennachweis zum Werkvertrag
115
Abb.13: Übersicht Finanzierungsleasing
151
Abb. 14: Übersicht Ansprüche bei Sachmängeln
151
9
Verzeichnis der Fallbeispiele
Fallbeispiel 1
(AGB / Geltung für künftige Aufträge)
18
Fallbeispiel 2
(kollidierende AGB)
19
Fallbeispiel 3
(Falschlieferung)
24
Fallbeispiel 4
(Minderungsberechnung)
30
Fallbeispiel 5
(Eigenschaftszusicherung / "Dieselkraftstoff - Fall")
32
Fallbeispiel 6
(pVV / Verrat von fremden Geschäftsgeheimnissen)
43
Fallbeispiel 7
(c.i.c. / falsche Beratung)
44
Fallbeispiel 8
(Weiterfresserschäden / PKW - Reifen)
47
Fallbeispiel 9
(Eigentumsverletzung / "Möbellack - Fall")
48
Fallbeispiel 10
(Produzentenhaftung / Antiblockiersystem)
48
Fallbeispiel 11
(Zuliefererhaftung / Industriefilter)
50
Fallbeispiel 12
(horizontale Arbeitsteilung / "Expander-Fall")
50
Fallbeispiel 13
(Zuliefererhaftung / "Kohlebürsten - Fall")
51
10
Vorwort Das vorliegende Buch soll dem Leser eine Orientierungshilfe für eine ausgewogene Vertragsgestaltung bieten, jedoch kein Patentrezept für alle Problemfälle. Dabei werden dem Einkäufer Vertragsmuster - die natürlich stets an die spezifischen Erfordernisse des jeweiligen Unternehmens anzupassen sind - an die Hand gegeben, die ihn in die Lage versetzen sollen, sich seiner Rechtsposition besser bewußt zu werden und günstigere Verhandlungsergebnisse zu erzielen. Gleichzeitig wird er bei der Durchsetzung seiner Ansprüche mehr Erfolg haben und so zur Senkung der Beschaffungskosten beitragen. Die Autoren sind bemüht, auch die Interessen der Lieferanten zu berücksichtigen, denn nur eine faire Zusammenarbeit bringt den für beide Parteien notwendigen Erfolg, wenn eine längerfristige Beziehung angestrebt wird. Zwar mögen im Einzelfall vielleicht ein höherer Gewinn oder eine stärkere Rechtsposition erreichbar erscheinen, auf Dauer ist aber der Einkäufer (und damit "sein" Unternehmen) erfolgreicher, der offen und fair verhandelt und ausgewogene Verträge abschließt. Besonderes Augenmerk wird auf die Vertragsmuster gelegt, für die es bisher noch keine festen rechtlichen Konturen gibt und deren Zuordnung zu den gesetzlich vorgegebenen Vertragstypen nicht eindeutig ist, die aber im heutigen Wirtschaftsleben zunehmende Bedeutung erlangen, insbesondere • Rahmenverträge zur Just-in-Time Beschaffung • Fremdbevorratungsverträge • Qualitätssicherung beim Lieferanten • Bestandsarme Ersatzteilversorgung u.a.m. Für Ergänzungen, Anregungen und Kritik sind die Autoren dankbar. Kiel, im September 1993 Der Herausgeber
11
1.
Wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung einwandfreier Verträge für die Beschaffung
Der Wert der in der Bundesrepublik durch Verträge erworbenen Materialien, Dienstleistungen und Investitionsgüter nimmt ständig zu. Der Grund hierfür sind tiefgreifende Strukturänderungen zur Kostensenkung in den Industrieunternehmen, jüngste Stichworte sind Advanced Purchasing und Lean Production, die in erster Linie auf Senkung der Fertigungstiefe und erhöhten Zukauf hinauslaufen. Die Verträge zur Beschaffung sind häufig ohne feste rechtliche Konturen. Oft sind es Dauerschuldverhältnisse, die keinem der in BGB und HGB geregelten Vertragstypen eindeutig zugeordnet werden können. Eine Vielfalt gesetzlicher Regelungen spielt hinein: AGB-Gesetz, Produkthaftungsgesetz, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, Urhebergesetz. Hinzu kommen öffentlich-rechtliche Vorschriften, wie Umweltschutz und Arbeitsicherheit.
1.1.
Die betriebswirtschaftliche Bedeutung der Verträge permanente Beeinflussung der Materialbewirtschaftungskosten
Wie auch immer die Einkaufsfunktion in der Aufbauorganisation des Unternehmens gegliedert ist, ob integrierte Materialwirtschaft oder Einkauf und Logistik, die Facheinkäufer tragen die Verantwortung und sind, nach juristischer Prüfung, letzte Instanz für einwandfreie, funktionierende Verträge. Unter dem Druck existenznotwendiger Kostensenkungen schlagen sich in den Verträgen eine Reihe von Maßnahmen nieder, die sorgfältig ausgehandelt, protokolliert und ausformuliert sein müssen, um sowohl bei der laufenden Abwicklung wie erst recht bei Vertragsstörungen einen wirksamen Schutz vor Verlusten aller Art zu gewähren. Die Umsetzung von Einkaufspolitik durch eine gezielte Einkaufsstrategie führt zwangsläufig zu Methoden, die eine partnerschaftliche Haltung, Augenmaß, Sorgfalt und juristische Beratung erfordern. Als besonders problembehaftete Vorgänge sind zu nennen:
13
Einbeziehung des Lieferanten in den gemeinsamen Entwicklungsprozess, sog. Initialeinkauf oder Advanced Purchasing. Alleinige Entwicklung durch den Lieferanten. Permanente Kostenoptimierung durch gemeinsame Wertanalyse. Qualitätssicherung beim Lieferanten. Konzentration auf einen Lieferanten, sog. Single Sourcing. Lieferung von montagefertigen Baugruppen durch einen Zulieferer mit Sublieferanten, sog. Modular Sourcing. Langfristige Zusammenarbeit bzw. Integration in die Wertschöpfungskette. Gemeinsame Produktionsplanung, Vorratsfertigung beim Lieferanten. Just-in-Time Anlieferung. Bestandsarme Ersatzteilversorgung. Recycling von Restmaterial. Entsorgung von Abfall u.a. Die komplexen Verträge mit A- und B-Lieferanten sind in der Regel nicht vorformuliert. Einkaufsbedingungen (AGB) werden nur teilweise in diese Verträge einbezogen. Hierbei handelt es sich vorwiegend um Qualitätsvorschriften. Es liegt auf der Hand, daß alle speziellen Klauseln zur Regelung obengenannter Vorgänge zum Ziel haben, durch Optimierung der "Cost of Ownership", Beschleunigung des Materialflusses und Rationalisierung aller innerbetrieblichen Verrichtungen die Materialbewirtschaftungskosten zu senken. 1.2.
Partnerschaftliche Zusammenarbeit und Erfolg durch ausgewogene Verträge
Das Verhältnis zwischen Einkauf und Lieferant hat sich grundlegend verändert. War die Beziehung zu den Lieferanten früher durch Distanz und das Bemühen geprägt, gegenseitige Abhängigkeit weitestgehend zu vermeiden, um so den Wettbewerb zwischen mehreren potentiellen Anbietern zu erhalten und zu schüren, so wird der Lieferant heute mehr als ein Partner verstanden, mit dem man das eigene Schicksal für eine gewisse Wegstrecke verknüpft. Der Wettbewerb auf den Einkaufsmärkten ist damit weniger durch kurzatmigen Lieferantenwechsel sondern mehr durch langfristige Allianzen gekennzeichnet. Steht der wirtschaftlich schwächere Lieferant zu sehr unter dem Preisdruck des Kunden, sind Probleme in den Beziehungen schon vorprogrammiert. Die seit mehr als einem Jahrzehnt vorherrschenden Käufermärkte haben dem Einkauf die Preisbeeinflussung oft leicht gemacht. Einseitige Abmachungen, die dem Lieferanten auf Dauer keinen angemessenen Gewinn erwirtschaften lassen,
14
mindern auf Dauer die Leistungsfähigkeit und führen zum Ende der Zusammenarbeit. •
Nur eine faire und offene Partnerschaft bringt unter den heutigen Strategien einer modernen industriellen Beschaffung für beide Parteien den notwendigen Erfolg. Spiegelfechterei und Verhandlungstricks aus der Mottenkiste sind fehl am Platz. Sie schaden dem Ansehen des Einkäufers und damit nachweislich seinem Unternehmen.
Deshalb müssen alle speziellen Vereinbarungen, für die in Gesetzen und Verordnungen keine Regelung zu finden ist, in partnerschaftlicher und rechtlich einwandfreier Weise formuliert werden.
15
Aktuelle rechtliche Grundlagen für den Einkauf
2.
Die Verträge zur Beschaffung lassen sich nicht alle eindeutig den gesetzlich vorgegebenen Formen (insbesondere Kaufvertrag, Werkvertrag und Werklieferungsvertrag) zuordnen. Das BGB ermöglicht es im weiten Umfang, von den in ihm normierten Vertragstypen abzuweichen und sogar Verträge eigener Art zu entwickeln (vgl. § 305 BGB). Gleichwohl dürften die hier in Rede stehenden Verträge überwiegend als Kauf- oder Werklieferungsverträge anzusehen sein, wenn auch mit mehr oder weniger erheblichen Abweichungen von den gesetzlichen Bestimmungen. Sehr häufig werden dem Vertragsschluß Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zugrunde gelegt. Derartige Verträge unterliegen den Bestimmungen des AGBG 1, das besondere Schutzvorschriften zugunsten des Vertragspartners des Verwenders von AGB enthält.
2.1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen
2.1.1.
Allgemeines
AGB sind für eine Vielzahl von Verwendungsfällen bestimmte, vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei ( l/e/wenate/) der anderen beim Vertragsabschluß ste//f (vgl. § 1 AGBG). Durch AGB wird das dispositive Recht des BGB weitgehend verdrängt. Gründe für die Aufstellung von AGB sind: • Rationalisierung der Abschlußtätigkeit • Vereinheitlichung und Begrenzung von Haftung, Gewährleistung und anderen Risiken • Erleichterung der unternehmerischen Kalkulation Das Kriterium "Vielzahl·' ist nach der Rechtsprechung des BGH2 bereits dann erfüllt, wenn der Verwender diese Bestimmungen in mindestens drei Fällen gegenüber seinen Vertragspartnern zur Anwendung bringt. Verwendervon AGB kann nicht nur der Anbieter von Waren oder Leistungen (z.B. Lieferant, Zulieferer, Leasinggeber etc.) sein, sondern auch der Abnehmer (Besteller, Auftraggeber). AGB liegen nicht ν or, wenn die Vertragsbedingungen im einzelnen ausgehandelt worden sind (§ 1 II AGBG). "Aushandeln" in diesem Sinne ist mehr als reines
Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 9.12.1976 (AGB-Gesetz) BGH WM 1984, 1610 16
l/e/handeln, sondern der AGB-Verwender muß die Bestimmungen "inhaltlich ernsthaft zur Disposition" stellen, seinem Vertragspartner also "die reale Möglichkeit" gewähren, "die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen" 3. Diese Abänderungsbereitschaft muß sich nach Ansicht des BGH "in aller Regel" auch "in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes" niederschlagen 4. Bei ausgehandelten Vertragsbedingungen ist das AGBG nicht anwendbar mit der Folge, daß die Vertragsparteien viel mehr Freiheit in der inhaltlichen Gestaltung ihrer Vereinbarungen haben. Diese Gestaltungsfreiheit ist dann nur durch allgemeine Vorschriften eingeschränkt (z.B. durch gesetzliche Verbote, Sittenwidrigkeit etc. [§§ 134, 138 BGB]).
2.1.2.
Einbeziehung in den Vertrag
§ 2 AGBG macht die Einbeziehung von AGB in den einzelnen Vertrag von bestimmten Voraussetzungen abhängig: Der Verwender muß bei Vertragsabschluß • • •
ausdrücklich auf die AGB hinweisen (Ausnahme: in bestimmten Fällen, z.B. Bargeschäfte des täglichen Lebens, genügt ein deutlich sichtbarer Aushang) dem Partner die Kenntnisnahme der AGB ermöglichen (z.B. durch Aushändigung) der Partner muß mit der Geltung einverstanden sein.
AGB werden also nur durch eine besondere Einigung der Parteien (Einbeziehungsvereinbarung) Vertragsbestandteil. Daraus folgt, daß spätere (einseitige) Änderungen für frühere Verträge nicht gelten. Zu beachten ist aber, daß das Einverständnis auch stillschweigend (für zukünftige Geschäfte) erteilt werden kann. Beispiel: Bank sendet ihren Kunden neue AGB zu (gültig ab 1.1.). Kunden setzen die Geschäftsbeziehung über den 1.1. hinaus fort. Dann gelten die AGB für alle nach dem 1.1. getätigten Geschäfte 5.
3 4 5
BGH ZIP 1986, 1466 (1467) BGH ebenda vgl. Nr. 2 der AGB der Sparkassen i.d.F. von 1993 17
2.1.3.
Besonderheiten für den kaufmännischen Geschäftsverkehr
§ 2 AGBG gilt gem. § 24 S.1 Nr. 1 AGBG im kaufmännischen Geschäftsverkehr (Vertragspartner muß Kaufmann i.S.d. HGB sein) nicht, also • ausdrücklicher Hinweis auf die AGB • Kenntnisverschaffung sind nicht zwingend erforderlich. Die Einbeziehungsvereinbarung muß nach allgemeinen Grundsätzen aber auch hier vorliegen; sie kann konkludent getroffen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht es "regelmäßig" aus, daß der Verwender im Zusammenhang mit dem Vertragsschluß auf seine AGB hinweist und der Vertragspartner ihrer Geltung nicht widerspricht 6. Der BGH hat in diesem Urteil jedoch klargestellt, daß auch im kaufmännischen Verkehr AGB nur kraft rechtsgeschäftlicher Vereinbarung Vertragsbestandteil werden können. Dazu ist seiner Ansicht nach erforderlich, daß "der eine Teil zum Ausdruck bringt, neben dem individualvertraglich Vereinbarten sollten auch bestimmte AGB Vertragsbestandteil werden, und der andere Teil damit einverstanden ist"7. Fallbeispiel 1 (AGB / Geltung für künftige Aufträge): In dem vom BGH8 entschiedenen Fall hatte die Klägerin die Beklagte im Rahmen einer neu angebahnten Geschäftsbeziehung zweimal - aufgrund der Verträge vom 15 3. und 28.5.1988 - beliefert. Die Annahme des ersten Vertrages erfolgte "unter Zugrundelegung unserer [der Klägerin] bekannten und beigefügten AGB", die u.a. folgende Klausel enthielt: "Allen Angeboten, Verträgen, Lieferungen und sonstigen Leistungen - auch zukünftigen - liegen unsere Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen zugrunde". Im zweiten Auftrag hat die Klägerin auf diese AGB nicht hingewiesen. Der BGH hat es abgelehnt, die AGB auch auf diesen Vertrag anzuwenden: Der bloße Hinweis auf AGB im Zusammenhang mit einem Vertragsschluß habe grundsätzlich nur Bedeutung für dieses konkrete Rechtsgeschäft 9. Die Einbeziehung von AGB in zukünftige Verträge kann aber nach ständiger Rechtsprechung des BGH 10 auch ohne ausdrückliche erneute Bezugnahme dadurch erfolgen, daß
BGH, Urt. v. 12.2.92 - Vili ZR 94/81 - NJW 1992, 1232 BGH ebenda BGH ebenda BGH ebenda BGH LM AGB Nr. 47; BGH NJW 1992, 1232 (1233) 18
• •
Kaufleute in laufender Geschäftsbeziehung zueinander stehen, dabei frühere Verträge zwischen ihnen stets zu den AGB der einen Partei abgeschlossen worden sind und • diese Partei unmißverständlich zu erkennen gegeben hat, daß sie regelmäßig Geschäfte nur auf der Grundlage ihrer AGB tätigen will. Branchenübliche AGB (z.B. ADSp, ADS [Seeversicherung], AGB-Banken u.a.) gelten als Handelsbrauch auch ohne ausdrücklichen oder stillschweigenden Hinweis11 . AGB können auch durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben Vertragsbestandteil werden. Häufig verwenden sowohl der Anbieter als auch der Nachfrager von Waren oder gewerblichen Leistungen AGB. Im Kollisionsfall stellt sich dann das Problem, ob und ggf. welche AGB Vertragsbestandteil sind. Zunächst ist zu prüfen, ob überhaupt ein Vertrag zustande gekommen ist, da ein offener (§ 154 BGB) oder versteckter Dissens (§ 155 BGB) vorliegt. Fallbeispiel 2 (kollidierende AGB): Der Käufer bestellt unter Zugrundelegung seiner AEB. Der Verkäufer nimmt diesen Antrag an und weist dabei auf seine Allgemeinen Verkaufs- und Lieferungsbedingungen (AVB) hin (rechtlich: Ablehnung des Antrags des Käufers, verbunden mit einem neuen Antrag gem. § 150 II BGB). Dieser Antrag kann vom Käufer angenommen oder abgelehnt werden; sein Schweigen ist noch keine Annahme. Wird die Lieferung ausgeführt und widerspruchslos entgegengenommen, ist umstritten, ob überhaupt ein Vertrag zustandegekommen ist und bejahendenfalls mit welchem Inhalt. Die ältere Rechtsprechung 12 (sog. "Theorie des letzten Wortes") hat angenommen, daß nur die AGB desjenigen, der zuletzt auf sie hingewiesen hat, Geltung erlangen. Der Vollzug des Vertrages wurde als stillschweigende Annahme des neuen (§ 150 II BGB) Angebots angesehen. Die neuere Rechtsprechung 13 hält den Vertrag dann für wirksam, wenn die eine Partei bereits mit seiner Ausführung begonnen und die andere dem nicht widersprochen hat. Wenn der Besteller bereits in seinen AEB oder sonst zum Ausdruck gebracht hat, daß er grundsätzlich nur zu seinen AGB beziehe und AGB des Lieferanten nicht anerkenne (Abwehrklausel), soll in der widerspruchslosen Hinnahme der AVB des Lieferanten ein Einverständnis des Bestellers mit
11 12 13
BGH NJW 1992, 1232 (1233) z.B. BGHZ 18, 212 BGHZ 61, S. 282 ff. 19
der modifizierten Annahme nicht zu sehen sein. Wenn das Verhalten der Parteien, insbesondere durch Lieferung und deren Annahme, ihren Willen erkennen lasse, die Wirksamkeit des Vertrages nicht von einer Einigung über die jeweiligen AGB abhängig zu machen, müsse der Vertragsschluß als solcher an diesem Dissens nicht scheitern. Die Berufung auf die §§ 150 II, 154, 155 BGB sei dann nach § 242 BGB unzulässig. Der Vertrag ist nach dieser Rechtsprechung dann zu folgenden Bedingungen zustande gekommen: Es gelten (in dieser Reihenfolge): (1 ) Individualvereinbarungen (2) AGB, soweit sie übereinstimmen (3) AGB, soweit Handelsbrauch (es sei denn, die AGB eines Partners widersprechen dem ausdrücklich) (4) das dispositive Gesetzesrecht. Dem Einkäufer zu empfehlen ist in jedem Fall, in seine AEB eine sog. "qualifizierte Abwehrklausef aufzunehmen, die beispielsweise wie folgt lauten könnte: "Unsere Aufträge erfolgen auf Grund unserer Einkaufsbedingungen. Anderslautende formularmäßige Bedingungen des Auftragnehmers sind nur dann gültig, wenn sie von uns schriftlich bestätigt werden. "
2.1.4.
Überraschungsklauseln
Überraschende Klauseln werden gem. § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil, wenn • sie objektiv ungewöhnlich sind und • der Vertragspartner subjektiv hiervon überrascht wird ("Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt"); die Diskrepanz zwischen den Erwartungen des Partners und dem Inhalt der Klausel muß erheblich sein. Beispiele hierfür sind etwa eine Dauer-Wartungsverpflichtung beim Kauf oder die Konzernvorbehaltsklausel (beim Eigentumsvorbehalt). Rechtsfolge: Der Vertrag kommt ohne diese Klausel zustande; bei einer sich ergebenden Lücke gilt das dispositive Gesetzesrecht (§ 6 AGBG).
2.1.5.
Auslegungsregeln
(1) Dem Vertragspartner lästige AGB sind eng (restriktiv) auszulegen. (2) Die Individualabrede hat Vorrang vor AGB (§ 4 AGBG). (3) Unklarheiten in AGB gehen zu Lasten des Verwenders (§ 5 AGBG) 20
2.1.6.
Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von AGB
§ 6 AGBG geht (im Gegensatz zu § 139 BGB) von der grundsätzlichen Wirksamkeit des Vertrages aus; d.h., der Vertrag kommt ohne diese Klausel(n) zustande. An Stelle der unwirksamen oder nicht einbezogenen Klauseln tritt das dispositive Gesetz. Stehen gesetzliche Bestimmungen nicht zur Verfügung, muß die entstandene Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden ("Was hätten die Parteien billigerweise vereinbart, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel gekannt hätten?"). Problemstellung: Der Verwender hat sich z.B. in seinen AGB zu hohe Schadenersatzpauschalen versprechen lassen (unzulässig gem. § 11 Nr. 5 a AGBG). Ist diese Pauschale völlig unwirksam (Folge: Wegfall; Schadensersatz nur nach den allgemeinen Bestimmungen bei konkretem Nachweis) oder kann sie auf das angemessene Maß zurückgeführt (reduziert) werden? Diese Frage ist strittig; m.E. ist die geltungserhaltende Reduktion abzulehnen, weil sie im Gesetz keine Stütze findet. Der Verstoß gegen das AGBG führt zur Nichtigkeit der Klausel insgesamt14.
2.1.7.
Inhaltskontrolle
Die § § 9 - 1 1 AGBG gelten nur für Klauseln, durch die von Rechtsvorschriften abgewichen wird (§ 8 AGBG); sie ermöglichen keine allgemeine Preis- und Leistungskontrolle. Nach der Generalklausel des § 9 AGBG sind unangemessene Benachteiligungen des Vertragspartners unwirksam. Diese liegen im Zweifel dann vor, wenn • gegen wesentliche Grundgedanken des Gesetzes verstoßen wird (§ 9 II Nr. 1 AGBG) oder • die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird. § 9 AGBG gilt auch im kaufmännischen Verkehr. Der allgemeine Grundgedanke des § 9 AGBG wird in den Klauselverboten der §§ 10 und 11 AGBG konkretisiert. Die §§ 10 und 11 AGBG finden im kaufmännischen Verkehr keine Anwendung (§ 24 AGBG). Zu beachten ist jedoch, daß eine Klausel, die nach den §§ 10 oder 11 AGBG unwirksam ist, auch bei Verwendung gegenüber einem Kaufmann unwirksam sein kann, wenn sie (gleichzeitig) gegen
14
BGHZ 84, 109 [115]; BGH NJW 1992, 1096 [1097] 21
§ 9 verstößt (§ 24 S.2 AGBG). Im Ergebnis bedeutet das, daß die §§ 10 und 11 AGBG im kaufmännischen Geschäftsverkehr zwar nicht unmittelbar, aber größtenteils doch analog angewendet werden. Allerdings kann diese Anwendung nicht schematisch erfolgen, sondern es ist im Einzelfall zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche eine nach §§ 10 und 11 AGBG im Verkehr mit Nichtkaufleuten unwirksame Klausel eine unangemessene Benachteiligung des kaufmännischen Vertragspartners darstellt. Für die Verbote des § 10 AGBG ist kennzeichnend, daß sie unbestimmte Rechtsbegriffe ("unangemessen lange" etc.) verwenden; die Feststellung der Unwirksamkeit erfordert also eine Wertung. Die Klauselverbote des § 11 erfordern eine solche Wertung nicht. Von besonderer praktischer Bedeutung sind die unzulässigen Einschränkungen der gesetzlichen Gewährleistung in § 11 Nr. 10 AGBG. Einzelne typische Klauseln, die gegen die §§ 9 bis 11 AGBG verstoßen können, werden - soweit im Rahmen dieser Abhandlung von Interesse - im Zusammenhang mit den jeweiligen Vertragsarten oder Vertragsmustern behandelt.
2.2.
Kaufvertrag
Wesensmerkmal des Kaufvertrages ist, daß sich der Verkäufer (Lieferant) zur Veräußerung eines Vermögensgegenstandes (Sache, Recht oder anderes verkehrsfähiges Gut, ζ. B. Elektrizität) auf Dauer und der Käufer zur Zahlung einer Geldsumme verpflichtet. Auch eine zukünftige Sache, die zur Zeit des Vertragsschlusses noch gar nicht existiert, kann verkauft werden. Durch den Kauf als schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft wird die sachenrechtliche Zuordnung des Kaufgegenstandes nicht verändert; das Eigentum an der Kaufsache geht vielmehr erst durch die Übereignung (vgl. §§ 929 ff. BGB) vom Verkäufer auf den Käufer über. Übersicht: Kauf Hauptpflichten der Parteien Kaufqegenstand Sachen, Rechte, sonstige Güter
22
Gegenleistung Kaufpreis, Abnahme
Leistungs- und Abwicklungsmodalitäten Leistungsort Leistungszeit Versendung
Haftungsbeschränkungen Gewährleistung Garantie
2.2.1.
Pflichten des Verkäufers beim Sachkauf
Die wichtigsten Pflichten sind in § 433 I BGB geregelt. Die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenpflichten ist deshalb wichtig, weil die andere Vertragspartei nach § 326 BGB (Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung) nur dann vorgehen kann, wenn eine Hauptpflicht verletzt wird. Hauptpflichten sind: • Pflicht zur Eigentumsverschaffung frei von Rechten Dritter • Pflicht zur Übergabe (Besitzverschaffung) Nebenpflichten: Daneben können sich für den Verkäufer aus dem Gesetz oder durch Vertragsauslegung Nebenpflichten ergeben, insbesondere • Geheimhaltungspflichten • Verpacken der Ware • Erteilen von Auskünften. Wenn vereinbart: • Dulden von Qualitätskontrollen in seinem Betrieb (z.B. bei Just-in-Time -Verträgen) • Übernahme der Transportkosten • Übernahme des Transports
2.2.2.
Pflichten des Käufers
Hauptpflicht: •
Pflicht zur Kaufpreiszahlung (§ 433 I BGB)
Nebenpflichten: • Abnahmepflicht (kann ausnahmsweise auch Hauptpflicht sein) • Bezahlung der Abnahme- und der Transportkosten (§ 448 I 2. HS BGB) • Rückgabe des Verpackungsmaterials (wenn vereinbart) • Wahrung der Betriebsgeheimnisse des Verkäufers (insbesondere bei Auditierung des Lieferanten)
23
2.2.3.
Leistungsstörungen beim Kauf
Gem. § 459 BGB haftet der Verkäufer dem Käufer dafür, daß die Kaufsache nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern. Nach der herrschenden subjektiven Auffassung 15 ist eine Sache fehlerhaft, wenn sie von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht und dadurch ihr Wert oder ihre Tauglichkeit zum vertraglich vorausgesetzten Gebrauch aufgehoben oder gemindert ist. Die Beschaffenheit kann ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart werden; mangels besonderer Absprachen ist auf den "gewöhnlichen Gebrauch" abzustellen. Fehler ist jede dem Käufer nachteilige Abweichung der Istbeschaffenheitvon der Sollbeschaffenheit Eine Falschlieferung {aliud) stellt keinen Fehler dar; der Käufer behält also seinen Erfüllungsanspruch und kann die Rechte aus den §§ 320 ff. BGB geltend machen. Beim Stückkauf\\eg\ eine Falschlieferung nur vor, wenn statt der gekauften Sache eine andere geliefert wird (Identitätsabweichung). Beim Gattungskauf liegt eine Falschlieferung vor, wenn die gelieferte Sache nicht der vertraglich vereinbarten Gattung angehört. Dagegen ist ein Fehler gegeben, wenn die zur richtigen Gattung gehörige Sache einen Qualitätsmangel aufweist. In der Praxis bereitet die Abgrenzung von Falschlieferung und Qualitätsmangel jedoch Schwierigkeiten, wie folgender Fall zeigt: Fallbeispiel 3 (Falschlieferung)·. Κ bestellt bei V nordische Fichte. Geliefert wird polnische Fichte. Ist polnische Fichte "fehlerhafte" nordische Fichte oder ein aliud? - Nach herrschender Meinung wird zur Abgrenzung der Gedanke des § 378 HGB herangezogen: Die gelieferte Ware ist (bloß) fehlerhaft, wenn sie von der geschuldeten nicht so erheblich abweicht, daß der Verkäufer die Genehmigung als ausgeschlossen betrachten mußte. Dann kann der Käufer nur seine Ansprüche aus den §§ 459 ff. BGB geltend machen. Wenn der Verkäufer aber mit einer Genehmigung der Abweichung nicht rechnen konnte, bleibt der Erfüllungsanspruch des Käufers (mit der Regelverjährung 30 Jahre!) unberührt 16.
15 16
24
vgl. Brox, Besonderes Schuldrecht, 13. Aufl., München 1987, Rdnr. 61 BGH NJW 1969, S. 787
Bei Lieferung einer mangelhaften Kaufsache hat der Käufer folgende Ansprüche (nach seiner Wahl): • • • •
Wandelung (§§ 462, 465, 467, 346 ff. BGB) Minderung (§§ 462, 465, 472 BGB) Schadenersatz [nur bei Verschulden des Verkäufers und bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft] (§ 463 BGB) Umtausch [nur beim Gattungskauf] (§ 480 BGB)
Die Ansprüche des Käufers bei Sachmängeln verjähren in sechs Monaten (bei Grundstücken in einem Jahr) ab Übergabe der Kaufsache (§ 477 BGB). Beim Handelskauf gilt diese Verjährungsfrist im Prinzip auch, der Käufer muß aber die Kaufsachen unverzüglich nach Lieferung untersuchen und sich hierbei zeigende Mängel rügen, andernfalls verliert er seine Gewährleistungsansprüche (§§ 377 f. HGB). Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschriften ist ein beiderseitiges Handelsgeschäft, d. h. sowohl Käufer als auch Verkäufer müssen "Kaufmann" im Sinne des HGB sein und das Geschäft muß zum Betriebe ihres Handelsgewerbes gehören (§ 343 HGB). Die Untersuchungs- und Rügepflicht besteht gemäß § 381 HGB auch beim Werklieferungsvertrag (§ 651 BGB). Soweit hier die Lieferung vertretbarer Sachen in Rede steht, ergibt sich das bereits aus § 651 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die Vorschriften über den Kaufvertrag und damit auch über die Untersuchungs- und Rügepflicht entsprechende Anwendung finden. Sind nicht vertretbare Sachen herzustellen, ergibt sich die Untersuchungs- und Rügepflicht aus § 381 Abs. 2 HGB. Die §§ 377, 378 HGB gelten bei drei Arten fehlerhafter Lieferung: 1. die Ware hat einen "Mangel" (§ 377 HGB, Schlechtlieferung) 2. bei Lieferung einer anderen als der bedungenen Ware (§ 378 HGB, Falschlieferung, aliud) 3. Zuviel- oder Zuweniglieferung (§ 378 HGB, Quantitätsmängel) Der Käufer muß zur Wahrung seiner Rechte nach Empfang der Ware diese unverzüglich untersuchen. "Unverzüglich" bedeutet: ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB). Im Interesse der Schnelligkeit des Handelsverkehrs wird dieser Begriff streng ausgelegt. Unverzüglich ist die Untersuchung, soweit nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich, also dem Käufer zumutbar. Dabei ist zunächst die Art der Ware wichtig, ζ . B. erfordern Maschinen eine längere und verderbliche Lebensmittel eine sehr kurze Untersuchungszeit. Zu beachten sind insbesondere • das Erfordernis technischer Kenntnisse • technische Vorbereitung
25
• •
Notwendigkeit der Zuziehung Dritter die Frage, ob bei bestimmungsgemäßer Weiterverarbeitung besonders hohe Mangelschäden möglich sind. In diesem Fall besteht eine verschärfte Untersuchungspflicht. Zu beachten ist auch ein gegebenenfalls vorhandener Handelsbrauch 17. Bei Lieferung einer größeren Warenmenge sind Stichproben zu nehmen. Bei einem Sukzessivliefervertrag ist in der Regel jede Einzellieferung zu untersuchen 13. Eine vorangegangene, zufriedenstellende Probelieferung befreit nicht von der Pflicht zur Untersuchung der weiteren Lieferungen 19. Wird bei der Untersuchung ein Mangel entdeckt, muß dieser unverzüglich dem Verkäufer angezeigt werden. Unterbleibt diese Anzeige, gilt die Ware als genehmigt, d.h. sie wird jetzt als vertragsgemäß angesehen. Wegen einer derartigen Ware stehen dem Käufer keinerlei Gewährleistungsrechte mehr zu. Dies gilt jedoch nur für solche Mängel, die bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung erkennbar waren (offene Mängel). Andere Fehler, die mit einer vorschriftsmäßigen Eingangskontrolle nicht erkennbar waren, sind versteckte Mängel. Derartige Mängel sind unverzüglich nach ihrer Entdeckung zu rügen. Auch diese müssen aber spätestens innerhalb der Verjährungsfrist (§ 477 BGB) gerügt und ggf. gerichtlich geltend gemacht werden. Zeigt sich der Mangel erst nach Ablauf dieser Frist, kann sich der Verkäufer auch im Hinblick auf diesen Mangel auf die Einrede der Verjährung berufen. Das gilt selbst dann, wenn dieser Mangel innerhalb der Verjährungsfrist überhaupt nicht entdeckt werden konnte. Wenn eine (kürzere oder längere) Gewährleistungsfrist vereinbart ist, muß der versteckte Mangel innerhalb dieser Zeit angezeigt werden. Ausnahmen gelten bei Arglist des Lieferanten (§§ 477 I S.1 2. Halbsatz, 478 II BGB, 377 V HGB): Der Käufer kann seine Ansprüche trotz fehlender Rüge geltend machen; seine Ansprüche verjähren erst in 30 Jahren (§ 195 BGB). Aus Sicht des Käufers besteht ein erhebliches Interesse daran, die §§ 377, 378 HGB abzubedingen. Das ist vom Grundsatz her möglich; die §§ 377, 378 HGB sind dispositiv. Die Rügepflicht kann verschärft, genau umschrieben, gemildert oder aufgehoben werden. Dies geschieht zum Beispiel mit Freizeichnungsklauseln wie:
17 18 19
26
BGH BB 70, 1416; NJW 1976 , 625, WM 1977, 822 BGHZ 101, 339 OLG Köln BB 55,942
Wareneingangsprüfung Von einer Wareneingangsprüfung nach § 377 HGB sind wir ausdrücklich freigestellt Oder: Der Verkäufer wird den Einwand der verspäteten Mängelrüge nicht erheben Oder: Der Verkäufer hat auch ohne rechtzeitige Mängelrüge Gewähr zu leisten. Derartige Bestimmungen sind aber nur in Einzelvereinbarungen oder durch Handelsbrauch möglich. Soweit sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), z.B. in Allgemeinen Einkaufsbedingungen (AEB), enthalten sind, werden derartige Bestimmungen allerdings überwiegend als unzulässig angesehen. Nach § 9 Abs. 1 AGBG, der auch unter Kaufleuten gilt, sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das ist nach § 9 Abs. 2 AGBG anzunehmen, wenn eine Klausel in AGB mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Nach Auffassung der Rechtsprechung dient die unverzügliche Mängelrüge "dem allgemeinen Interesse an einer raschen Abwicklung der Rechtsgeschäfte im Handelsverkehr" 20. Der Verkäufer soll in überschaubarer Zeit etwaige Gewährleistungsansprüche überblicken können 21 . Der BGH betont dazu ausdrücklich, daß die Anforderungen auch einer interessengemäßen Risikoverteilung zwischen Käufer und Verkäufer im Handelsverkehr dienen 22 . Da Versehen immer wieder vorkämen, müsse der Käufer durch die unverzügliche Untersuchung und Rüge darin mitwirken, daß sich die Folgen solcher Versehen möglichst in Grenzen halten. In vielen Fällen könnten Mangelfolgeschäden durch die Feststellung des Mangels bei der Eingangskontrollen vermieden werden. Bei Transportschäden ist die Eingangskontrolle des Käufers sogar die einzige Kontrollinstanz, worauf Schmidt zutreffend hinweist23. Zu beachten ist auch, daß bei einem "Verzicht" des Lieferanten auf die Obliegenheiten der §§ 377, 378 HGB der Deckungsschutz sowohl seiner Betriebshaftpflicht- als auch seiner Produkthaftpflichtversicherung entfällt (§ 4 I
20 21 22 23
BGH NJW 1985, S. 2417 f. BGH LM § 377 HGB Nr. 13; BGH Ζ 101, 337(345) BGH NJW 1975, 2011 Detlev Schmidt, Qualitätsvereinbarungen und ihr rechtlicher Rahmen, NJW 1991 S. 144 ff.(149) 27
Ziff. 1 AHB 24 ), weil der Lieferant (Versicherungsnehmer) bei einer solchen Klauselgestaltung von der gesetzlichen Risikoverteilung zumindest dadurch abweicht, daß der Besteller vom Vorwurf eines Mitverschuldens gem. § 254 BGB freigezeichnet wird. Damit wird zugleich das Risiko des Versicherers erhöht, was dieser unter dem Gesichtspunkt des § 4 AHB nicht hinnehmen muß 25 . Nur bei einer Sondervereinbarung mit dem Versicherer kann auch in diesen Fällen Deckungsschutz erlangt werden. Ein völliger Ausschluß der Untersuchungsobliegenheit des Käufers ist in AGB daher auch im Hinblick auf den Wegfall des Versicherungsschutzes des Lieferanten bedenklich26. In der Literatur mehren sich jedoch neuerdings - jedenfalls für Just-in-TimeLieferbeziehungen - Gegenstimmen, nach denen eine Vorverlagerung der Qualitätskontrolle auf den Lieferanten bei gleichzeitigem formularmäßigen Verzicht auf die Wareneingangskontrolle beim Besteller keine unangemessene Benachteiligung des Lieferanten darstellt 27. Hierauf wird im Rahmen der Erläuterungen zum Just-in-Time-Mustervertrag näher eingegangen (unten 4.3.). Zulässig ist es aber, die Untersuchungs- und Rügepflicht zeitlich festzulegen und auszudehnen, soweit der Zeitraum dem Grundgedanken der §§ 377/378 HGB noch gerecht wird. Rechtsprechung zur maximalen Ausdehnung dieses Zeitrahmens liegt nicht vor; in der Literatur werden Fristen von zwei oder drei Wochen für akzeptabel gehalten28. Dem ist zuzustimmen, weil hierdurch lediglich ein unbestimmter Rechtsbegriff ("unverzüglich") näher präzisiert wird. Nur wenn der Zeitraum unvertretbar lang bemessen wird, hält diese Zeitbestimmung einer Überprüfung nach § 9 AGBG nicht stand.
"... der Versicherungsschutz [bezieht sich] nicht auf: 1. Haftpflichtansprüche, soweit sie auf Grund Vertrags oder besonderer Zusagen über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des Versicherungsnehmers hinausgehen." vgl. Produkthaftungshandbuch / Graf von Westphalen a.a.O. § 17 Rdn. 66 Schmidt a.a.O. m.w.N. ; ebenso Zirkel, Das Verhältnis zwischen Zulieferer und Assembler - eine Vertragsart sui generis? NJW 1990, S. 345 ff. (347); Graf von Westphalen, Rechtsprobleme der "Just-in-Time-Delivery", CR 1990, 1849 ff. Nagel, Schuldrechtliche Probleme bei Just-in-Time-Lieferbeziehungen, DB 1991, 319 ff. (323); Lehmann, Just in time: Handels- und AGB-rechtliche Probleme, BB 1990, 1849 ff. Schmidt a.a.O. S. 150 m.w.N. 28
Zusammenfassung: •
• • •
Im kaufmännischen Geschäftsverkehr hat der Käufer gem. §§ 377, 378 HGB die Obliegenheiten, die gelieferte Ware unverzüglich zu untersuchen und etwaige Mängel unverzüglich zu rügen. Diese Untersuchungs- und Rügepflicht kann zwar einzelvertraglich, nicht aber in AEB abbedungen werden. Eine Modifizierung dieser Obliegenheiten ist im angemessenen Rahmen auch in AEB möglich. Bei einem Verzicht auf die Obliegenheiten der §§ 377, 378 HGB verliert der Lieferant seinen Versicherungsschutz aus der Betriebshaftpflicht- und Produkthaftpflichtversicherung.
2.2.3.1.
Wandelung
Wandelung ist ein Rücktritt vom Kaufvertrag, auf den gem. § 467 BGB die Rücktrittsvorschriften der §§ 346 - 348, 350 - 354, 356 BGB entsprechend anzuwenden sind. Die Durchführung der Wandelung erfordert gem. § 465 BGB: (1) Wandelungserklärung des Käufers und (2) Einverständnis des Verkäufers (oder Klage des Käufers auf Wandelung.) Rechtsfolgen der Wandelung: (1) Rückzahlung des Kaufpreises (inkl. Zinsen, § 347 S.3 BGB) (2) Rückgabe der Kaufsache (3) ggf. Nutzungsentschädigung (4) Ersatz der Vertragskosten durch den Verkäufer (§ 467 S.2 BGB) 2.2.3.2.
Minderung
Die Minderung ist die nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises in dem Verhältnis, in dem zur Zeit des Kaufes der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirkliche Wert gestanden haben würde (§ 472 I BGB).
29
Fallbeispiel 4 (Minderungsberechnung): Bei einem vereinbarten Kaufpreis von 1.400 DM soll der - erforderlichenfalls durch Sachverständige zu ermittelnde - Wert der geschuldeten (mangelfreien) Sache 1.500 DM, der Wert der gelieferten (mangelbehaften) Sache 1.200 DM betragen. Die Berechnungsformel für die Minderung lautet: 1500 : 1200 = 1400 : X (geminderter Preis) X =1120 (Minderung: 280 DM) Selbstverständlich ist es möglich (und in der Praxis üblich), den Minderungsbetrag einvernehmlich anders zu ermitteln, z.B. die Kosten einer etwa erforderlichen Nacharbeitung zugrunde zu legen.
2.2.3.3.
Neulieferung einer mangelfreien Sache
Der Anspruch des Käufers auf Neulieferung einer mangelfreien Sache (§ 480 BGB) besteht nur beim Gattungskauf. Hierauf finden die für die Wandelung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
2.2.3.4.
Nachbesserung
Im Gegensatz zum Werkvertragsrecht (§ 633 II BGB) sieht das Kaufrecht keinen gesetzlichen Nachbesserungsanspruch vor. Allerdings wird häufig an Stelle der gesetzlichen Gewährleistungsansprüche ein Recht des Käufers auf Nachbesserung vereinbart. Hierbei ist § 11 Nr. 10 b AGBG zu beachten: Die Gewährleistungsansprüche dürfen in AGB nicht auf Nachbesserungs- oder Ersatzlieferungsansprüche beschränkt werden, sofern nicht dem Käufer ausdrücklich das Recht vorbehalten wird, bei Fehlschlagen der Nachbesserung oder Ersatzlieferung Wandelung oder Minderung zu verlangen. § 11 Nr. 10 b AGBG findet gegenüber Kaufleuten zwar keine unmittelbare Anwendung, gilt aber nach der Rechtsprechung des BGH 29 über §§ 24 S.2, 9 AGBG entsprechend. Wenn unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte eine wirksame Nachbesserungsvereinbarung getroffen worden ist, hat der Verkäufer gem. § 476 a BGB die zum Zwecke der Nachbesserung erforderlichen Aufwendungen des Käufers (z.B. Transportkosten, Aus- und Einbaukosten etc.) zu tragen. § 476 a BGB findet auch beim Werkvertrag Anwendung.
29
30
BGHZ 93, 62; BGH NJW 1981, S 1501
2.2.3.5.
Garantiehaftung
Das Kaufrecht des BGB enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen über die Haftung des Warenherstellers gegenüber dem Endabnehmer. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Übernahme einer derartigen Garantie besteht nicht; der Garantievertrag ist gem. § 305 BGB (Vertragsfreiheit) als sog. Vertrag sui generis selbstverständlich zulässig. Der Garantievertrag kommt regelmäßig dadurch zustande, daß Zwischenhändler (= Verkäufer) bei Abschluß des jeweiligen Kaufvertrages mit seinem Kunden (= Käufer) eine ordnungsgemäß ausgefüllte Garantiekarte des Herstellers übergibt (rechtlich: Angebot des Herstellers [Importeurs], vertreten durch den Zwischenhändler, auf Abschluß eines Garantievertrages). Die Annahme dieses Vertrages durch den Käufer erfolgt stillschweigend; auf den Zugang der Annahmeerklärung wird regelmäßig gem. § 151 BGB verzichtet. Der Kunde hat dann neben seinen gesetzlichen Ansprüchen gegen den Verkäufer einen unmittelbaren Anspruch gegen den Hersteller aus dem Garantievertrag entsprechend den Garantiebestimmungen.
2.2.3.6. Schadenersatz wegen Nichterfüllung Anspruchsgrundlagen für Schadenersatzansprüche bei Lieferung mangelhafter Kaufsachen sind die §§ 463, 480 II BGB. Voraussetzungen hierfür sind • Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft (§ 459 II BGB) - § 463 BGB: zur Zeit des Kaufs (= Vertragsabschluß) - § 480 II BGB: zur Zeit des Gefahrübergangs (= Lieferung) oder • arglistiges Verschweigen von Mängeln oder • arglistiges Vorspiegeln nicht vorhandener Eigenschaften (analoge Anwendung). Unter "Eigenschaff' ist dabei nach der Rechtsprechung zu verstehen "jedes dem Kaufgegenstand auf gewisse Dauer anhaftende Merkmal, das für den Wert, den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch oder aus sonstigen Gründen für den Käufer erheblich ist" 30 . Beispiele: - Bezeichnung als "fabrikneu" - Einhaltung der Bestimmungen des GerSiG 31
30 31
BGHZ 87, S. 302 (307) Gerätesicherheitsgesetz (Gesetz über technische Arbeitsmittel) 31
Das Fehlen einer Eigenschaft führt nur dann zu einer Haftung nach § 463 BGB, wenn ihr Vorhandensein vom Verkäufer zugesichert worden ist und diese Zusicherung Vertragsbestandteil geworden ist. Eine Zusicherung kann ausdrücklich oder stillschweigend (konkludent) abgegeben werden. Die Rechtsprechung ist bei der Annahme einer stillschweigend abgegebenen Zusicherung allerdings sehr zurückhaltend. KeineZusicherungen sind insbesondere reklamehafte Anpreisungen, bloße Warenbezeichnungen und Beschaffenheitsangaben, auch wenn diese einer DIN entsprechen müßten32. Fallbeispiel 5 (Eigenschaftszusicherung / "Dieselkraftstoff - Fall"): Der Verkäufer verkauft an einen Käufer Dieselkraftstoff, der infolge DIN-widriger Beschaffenheit die Motoren des Käufers zerstört. Der Käufer verlangt vom Verkäufer Schadensersatz. Der BGH 33 hat in der Bezeichnung "Dieselkraftstoff" nur eine Beschaffenheitsangabe, nicht aber die Zusicherung der Eignung für Dieselmotoren gesehen. Der Käufer sei daher auf seine Rechte aus §§ 462, 480 I BGB beschränkt. Dagegen wird eine Zusicherung bei Verwendung eines Gütezeichens (z.B. RAL 34 ) angenommen. Auch kann sich aus dem Bestehen eines entsprechenden Handelsbrauchs (§ 346 HGB) eine Zusicherung ergeben 35. Bei einem Kauf nach Probe oder nach Muster (§ 494 BGB) gelten die Eigenschaften der Probe oder des Musters gesetzlich als zugesichert. In AEB ist eine Klausel, nach der alle Angaben des Lieferanten als zugesichert gelten, unwirksam, weil sie gegen § 9 AGBG verstößt 36. Dasselbe gilt für die Begründung einer verschuldensunabhängigen Schadenersatzpflicht außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 463, 480 BGB, weil sie gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung verstößt 37. Der Schadenersatzanspruch ist auf das positive Interesse gerichtet. "Positives Interesse" bedeutet, daß der Geschädigte finanziell so gestellt werden muß, als ob der Vertrag von vornherein ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Der Käufer
32 33 34 35 36 37
32
BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. zuletzt NJW 1981, S. 1501 BGH NJW 1968, S. 2238 ff. RAL: Reichs - Ausschuß für Lieferbedingungen; vgl. z.B. das Gütezeichen "RAL - Software" [RAL - GZ 901] BGH MDR 1955, S. 31 (Pfefferminzöl - Reinheit) Palandt - Heinrichs, BGB, 49. Aufl., § 9 AGBG Anm. 7) g) Palandt - Heinrichs,a.a.O., § 9 AGBG Anm. 7) g)
kann entweder die mangelhafte Sache zurückgeben und seinen vollen Nichterfüllungsschaden geltend machen oder die Sache behalten und nur den Ersatz dessen fordern, was er bei Mangelfreiheit zusätzlich hätte. Nicht alle Schäden des Käufers, die durch Mängel der Kaufsache hervorgerufen werden, fallen unter den Anwendungsbereich der §§ 463, 480 II BGB. Die Rechtsprechung unterscheidet hier zwischen unmittelbaren Mangelschäden und mittelbaren (Mangel- ) Folgeschäden: Unmittelbare Schäden sind (nur) nach den §§ 463, 480 II BGB ersatzpflichtig. Soweit die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht vorliegen, besteht kein Schadenersatzanspruch. Unmittelbare Schäden sind dabei alle Schäden, die dem Käufer durch die mangelnde Nutzbarkeit der Kaufsache entstehen. Anders ausgedrückt: §§ 463, 480 II BGB schützen die Interessen des Käufers an dem Erlangen der vertragsgemäßen Leistung ("Äquivalenzinteresse"), nicht aber sein Interesse am Schutz seiner sonstigen Güter vor Schädigung durch eine mangelhafte Kaufsache ("Integritätsinteresse") 38. Das Integritätsinteresse umfaßt daher nicht die Schäden, die auch bei "reiner" Nichterfüllung entstanden wären. Mangelfolgeschäden sind im Rahmen der §§ 463, 480 BGB jedoch dann ersatzpflichtig, wenn sich die Zusicherung auch auf das Risiko etwaiger Mangelfolgeschäden erstreckte 39. Mangelschäden40 sind danach insbesondere: • Kosten des Gutachtens, das zur Feststellung des Mangels erforderlich ist • Reparaturkosten • Minderwert, der nach der Reparatur verbleibt • Nutzungsausfall • entgangener Gewinn, der auf dem Ausfall der Kaufsache beruht Nach § 252 BGB umfaßt der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Häufig wird in der Praxis jedoch vereinbart, die Haftung in soweit
38 39
40
Produkthaftungshandbuch, Hrsg. Graf von Westphalen, Band 1, München 1989 / Graf von Westphalen, § 4 Rdnr. 3 BGHZ 50, 200 ff. (204): Der Mangelfolgeschaden ist zu ersetzen, "wenn die Auslegung ergibt, daß die Zusicherung nicht nur zu dem Zweck gegeben wurde, den Käufer zu einem ungestörten Genuß der Kaufsache zu verhelfen, sondern daß sie darüber hinaus auch das Ziel verfolgte, ihn gegen auftretende Mangelfolgeschäden abzusichern ...". vgl. grundlegend BGH NJW 1978, 2241 - Hinterradfelge 33
auszuschließen oder summenmäßig zu begrenzen, um das Risiko des Lieferanten kalkulierbar zu halten. Mangelfolgeschäden sind demgegenüber alle die Schäden, die dem Käufer an seinen sonstigen Rechtsgütern außerhalb der Kaufsache entstehen, ζ . B. dadurch, daß der Käufer durch den Gebrauch der Kaufsache einen Gesundheitsschaden erleidet oder die fehlerhafte Sache verarbeitet und dadurch ein mit Mängeln behaftetes Werk herstellt. Die Ersatzpflicht kann sich aber auch aus positiver Vertragsverletzung oder aus § 823 BGB ergeben, sofern die jeweiligen Voraussetzungen (insbesondere Verschulden) erfüllt sind. Beispiel: Ein Mangelfolgeschaden liegt vor, wenn der Käufer eine fehlerhafte Kaufsache weiterverarbeitet und dadurch ein mit Mängeln behaftetes Werk herstellt. Mangelfolgeschäden sind hierbei u.a. • die Kosten der Neuherstellung, • die Kosten einer etwa erforderlichen Rückrufaktion, • Schadenersatzansprüche Dritter gegen den Käufer
2.3. Werkvertrag In den hier in Rede stehenden Vertragsbeziehungen wird nur ganz ausnahmsweise ein reiner Werkvertrag in Frage kommen, weil der Lieferant 41 in aller Regel die zu liefernden Gegenstände aus von ihm selbst zu beschaffenden Stoffen herzustellen haben wird. Deshalb liegen Werklieferungsverträge gem. § 651 I BGB vor. Hier ist zu differenzieren:
2.3.1.
Vertretbare Sachen
Vertretbare Sachen sind gem. § 91 BGB "bewegliche Sachen, die im Verkehre nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegen", also z.B. serienmäßig hergestellte Sachen. Sind vertretbare Sachen herzustellen, gilt ausschließlich Kaufrecht.
Aus Gründen der Einheitlichkeit wird hier durchgehend vom "Lieferanten" gesprochen; das Werkvertragsrecht nennt ihn "Unternehmer". 34
2.3.2.
Nicht vertretbare Sachen
Nicht vertretbare Sachen, z.B. Spezialanfertigungen für den Besteller, sind solche, die durch die Art ihrer Herstellung den Bestellerwünschen angepaßt sind und die individuelle Merkmale besitzen, nicht austauschbar und für den Lieferanten anderweitig schwer oder überhaupt nicht absetzbar sind 42 . Sind nicht vertretbare Sachen herzustellen, gilt weitgehend Werkvertragsrecht, insbesondere hinsichtlich der Herstellungs- und Abnahmepflicht, Haftung für Werkmängel, Verzögerung, Gefahrübergang, Rücktritt und Kündigung. Im einzelnen gilt folgendes: 2.3.2.1.
Pflichten des Lieferanten und des Bestellers
Hauptpflicht des Lieferanten: • Herstellung einer mangelfreien Sache Nebenpflichten des Lieferanten: • ähnlich wie beim Kauf; außerdem: • Hinweispflicht bei drohender Überschreitung eines unverbindlichen Kostenanschlags Hauptpflichten des Bestellers: • Vergütungspflicht • Abnahmepflicht (Abnahme ist die reale Entgegennahme und Billigung des Werks als vertragsgemäß. Sie ist Voraussetzung für die Fälligkeit der Vergütung [§ 641 BGB].) Nebenpflichten des Bestellers: • ähnlich wie beim Kauf • Mitwirkungspflicht gem. § 642 BGB (als Gläubigerobliegenheit)
42
BGH NJW 1966, S. 2307; OLG Hamm BB 1986, S. 555 35
2.3.2.2.
Leistungsstörungen
Stellt der Lieferant die geschuldete Sache nicht oder nur mangelhaft her, dann stehen dem Besteller primär Ansprüche auf Erfüllung zu, die bei mangelhafter Leistung auf Neuherstellung oder Nachbesserung gehen. Sekundär kann er Wandlung, Minderung und u.U. Schadenersatz verlangen. Welche Rechte er im einzelnen hat, hängt davon ab, ob die Abnahme bereits erfolgt ist. Vorder Abnahme: Der Besteller kann uneingeschränkt Erfüllung, d.h. (Neu-) Herstellung eines einwandfreien Werks, verlangen. Er braucht sich nicht auf Nachbesserung oder Wandelung, Minderung oder Schadenersatz verweisen zu lassen. Allerdings verbietet der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) es, auch dann auf Neuherstellung zu bestehen, wenn durch Nachbesserung mit geringem Aufwand eine einwandfreie Beschaffenheit des Werkes erreicht werden kann. Der Anspruch auf Neuherstellung oder Beseitigung des Mangels erlischt, wenn der Besteller hierzu eine Frist mit der Erklärung gesetzt hat, daß er die Beseitigung des Mangels nach Ablauf der Frist ablehne, und diese Frist ergebnislos verstrichen ist. Nach der Abnahme: Nach der Abnahme hat der Besteller folgende Rechte: • Nachbesserung (§ 633 BGB) • Wandelung (§ 634 I S.3 BGB) • Minderung (§ 634 I S.3 BGB) • Schadenersatz (§ 635 BGB) - nur bei Verschulden des Lieferanten Für Wandelung und Minderung gelten die kaufrechtlichen Vorschriften entsprechend (§ 634 IV BGB). Allerdings ist beim Werkvertrag - anders als beim Kauf - erforderlich, • daß der Besteller eine Frist zur Beseitigung des Mangels mit der Erklärung gesetzt hat, daß er die Beseitigung des Mangels nach Ablauf der Frist ablehne, und • diese Frist ergebnislos verstrichen ist. Ausnahmsweise kann diese Fristsetzung unterbleiben, • wenn die Mangelbeseitigung unmöglich ist, • vom Lieferanten verweigert wird oder • wenn die sofortige Geltendmachung des Anspruchs auf Wandelung oder Minderung durch ein "besonderes Interesse" des Bestellers gerechtfertigt wird (§ 634 II BGB).
36
Ein derartiges Interesse besteht vor allem dann, wenn das für den konkreten Vertrag unerläßliche Vertrauen des Bestellers in die Leistungsfähigkeit des Unternehmers erschüttert ist 43 . Der Schadenersatzanspruch nach § 635 BGB setzt voraus, daß der Mangel vom Lieferanten zu vertreten ist. Zu vertreten hat er eigenes Verschulden (Vorsatz und Fahrlässigkeit, § 276 BGB) und das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB). Als Erfüllungsgehilfen sieht die Rechtsprechung hier grundsätzlich nur die mit der Herstellung selbst befaßten Personen an, nicht aber z.B. die Lieferanten von Rohstoffen oder einzubauenden Einzel- oder Ersatzteilen, da diese in Erfüllung einer eigenen Verpflichtung gegenüber dem Hersteller, nicht aber in Erfüllung von dessen Verbindlichkeit gegenüber dem Besteller liefern 44. Der Schadenersatzanspruch aus § 635 BGB erfaßt nach der Rechtsprechung 45 - ihr folgend die herrschende Meinung 46 - zum einen Wertbeeinträchtigungen, die dem Werk unmittelbar anhaften (unmittelbare Mangelschäden), darüber hinaus aber auch solche Schäden, die unmittelbar durch den Mangel des Werks verursacht sind und eng mit ihm zusammenhängen, weil es unbrauchbar, wertlos oder minderwertig ist ("enge Mangelfolgeschäden" 47). Hierunter fällt auch der dem Besteller entgangene Gewinn 48 . Beispielsweise fallen jedenfalls die Mängelbeseitigungskosten in den Anwendungsbereich des § 635 BGB 49 .
2.4. Allgemeine Leistungsstörungen Als weitere Leistungsstörungen kommen in Frage: • Unmöglichkeit • Verzug des Schuldners • Verzug des Gläubigers • andere Arten der Schlechterfüllung
43 44 45 46 47 48 49
BGHZ 46, S. 242 BGH NJW 1978, S. 1157; vgl. Palandt - Thomas, BGB, 49. Aufl. München 1990, § 631 Anm. 2 a) BGH NJW 1986, S. 2307; BGHZ 46, S. 238; BGHZ 80, S. 284 Palandt - Thomas a.a.O. Vorbem. vor §§ 633 ff. Anm. 4 e) m.w.N BGH NJW 1986, S. 2307 BGH NJW 1983, S. 2440 f. BGHZ 46, S. 238 f. 37
Der Schuldner muß für Störungen im Schuldverhältnis nur dann eintreten, wenn er sie zu vertreten hat. Der Schuldner muß vertreten: • eigenes Verschulden (§ 276 BGB) • das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) - nur bei bereits bestehenden Schuldverhältnissen • das Verschulden seiner Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) - bei unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff. BGB) • Unvermögen bei Gattungsschulden (§ 279 BGB)
2.4.1.
Verschulden
Schuldhaft handelt, wer sich vorsätzlich oder fahrlässig verhält. Der Begriff "Vorsatz" wird im Gesetz nicht definiert. Nach der Rechtsprechung und herrschender Meinung handelt vorsätzlich, wer (mindestens) mit dem Eintritt einer bestimmten Folge rechnet und diese billigend in Kauf nimmt. Die Haftung für Vorsatz kann nicht ausgeschlossen werden. Fahrlässigkeit ist das Ausserachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Der Schuldner muß sich so sorgfältig verhalten, wie es das jeweilige Schuldverhältnis zur Vermeidung von Schaden anderer verlangt. Nach § 276 I BGB haftet der Schuldner für jeden Sorgfaltsverstoß.
2.4.1.1.
Haftung für Erfüllungsgehilfen
Im Rahmen eines bestehenden (einschließlich eines vorvertraglichen) Schuldverhältnisses haftet der Schuldner gem. § 278 BGB für ein Verschulden seiner gesetzlichen Vertreter (z.B. Geschäftsführer) und seiner Erfüllungsgehilfen, also der Personen, die der Schuldner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten herangezogen hat, ζ. B. seiner Angestellten oder Subunternehmer.
2.4.1.2.
Haftung bei Gattungsschuld
Gem. § 279 BGB haftet der Schuldner bei einer Gattungsschuld auch dann, wenn er unverschuldet nicht leisten kann, solange eine Leistung aus der Gattung noch möglich ist. Ihn trifft also eine Beschaffungspflicht. Erst mit der Konkretisierung gem. § 243 II BGB haftet er nur noch gem. §§ 276, 278 BGB.
38
2.4.1.3.
Haftungsbeschränkungen und -ausschlüsse
Die Haftung kann vertraglich oder gesetzlich eingeschränkt oder ausgeschlossen sein. Gesetzliche Haftungsbeschränkungen finden sich vor allem im Rahmen von personenrechtlichen Sonderbeziehungen (z.B. §§ 708 [BGB - Gesellschaft], 1359 BGB [Eheleute]) und Gefälligkeitsverhältnissen (z.B.: § 680 BGB) sowie während des Annahmeverzugs des Gläubigers (§ 300 BGB). Vertraglich kann die Haftung für Vorsatz des Schuldners nicht im voraus ausgeschlossen werden. Durch Individualvertrag sind Haftungsausschlüsse möglich für fahrlässiges (auch grob fahrlässiges) Verhalten des Schuldners selbst sowie für vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen. In AGB kann gegenüber Nichtkaufleuten die Haftung weder für Vorsatz noch für grobe Fahrlässigkeit des Schuldners selbst oder seiner Erfüllungsgehilfen ausgeschlossen werden (§ 11 Nr. 7 AGBG). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist 50 . Das ist dann anzunehmen, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten mußte. Außerordentlich umstritten ist, ob § 11 Nr. 7 AGBG auch im kaufmännischen Verkehr analog (über §§ 24 S.2, 9 AGBG) anzuwenden ist. Der BGH hält eine Haftungsfreizeichnung für grobe Fahrlässigkeit jedenfalls dann für unwirksam, wenn sie sich bezieht auf grobes Verschulden • des Verwenders selbst • seines gesetzlichen Vertreters • seiner leitenden Angestellten • seiner "einfachen" Erfüllungsgehilfen dann, wenn es sich um die Verletzung sogenannter "Kardinalpflichten" (Hauptpflichten) handelt51. Ob § 11 Nr. 7 AGBG darüber hinaus generell auch im kaufmännischen Verkehr anzuwenden ist, hat der BGH bisher offengelassen. Die herrschende Meinung52 ist hier zu Recht für eine grundsätzliche Anwendung der Nr. 7, weil es aus Sicht des Vertragspartners unerheblich und nicht beeinflußbar ist, ob der Verwender der AGB selbst handelt oder Dritte beauftragt, auf deren Auswahl der Vertragspartner keinerlei Einfluß ausüben kann. Ausnahmen gelten jedoch für branchentypische und allseits anerkannte Freizeichnungen (z.B. ADSp) 53 .
50 51 52 53
BGHZ 89, S. 161 BGHZ 89, 367; BGH NJW 1984, 1350 Nachweise bei Palandt - Heinrichs a.a.O. § 11 AGBG Anm. 7) e) BGH NJW 1986, 1435) 39
2.4.2.
Unmöglichkeit
Wenn der Schuldner die ihm obliegende Leistung (endgültig) nicht erbringen kann, liegt Unmöglichkeit vor. Das Gesetz unterscheidet zwischen anfänglicher und nachträglicher sowie zwischen objektiver und subjektiver (= Unvermögen) Unmöglichkeit.
2.4.3.
Verzug des Schuldners
Erbringt der Schuldner die ihm mögliche Leistung nicht rechtzeitig, gerät er unter folgenden Voraussetzungen in Verzug (§ 284 BGB): (1) (2) (3) (4) (5)
Möglichkeit der Leistung Fälligkeit der Leistung (§ 271 BGB) Mahnung nach Fälligkeit Nichtleistung nach Mahnung Vertretenmüssen der Nichtleistung (§ 285 BGB)
Die Mahnung ist entbehrlich, wenn die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt ist (§ 284 II BGB). Rechtsfolge des Verzuges ist die Verpflichtung zum Ersatz des Verzögerungsschadens (§ 286 BGB). Gem. § 286 II BGB kann der Gläubiger die Leistung des Schuldners ablehnen und Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn sie infolge des Verzuges kein Interesse mehr für den Gläubiger hat. § 286 II BGB wird aber bei gegenseitigen Verträgen durch die Spezialregelung des § 326 BGB verdrängt, kann also nur auf solche Verpflichtungen Anwendung finden, die nicht als Hauptleistungspflichten auf gegenseitigen Verträgen beruhen. § 326 BGB gibt dem Gläubiger die (zusätzliche) Möglichkeit, bei Verzug des Schuldners vom Vertrag zurückzutreten oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Voraussetzungen hierfür sind: (1 ) Gegenseitiger Vertrag (also z.B. Kauf- und Werklieferungsvertrag) (2) Verzug des Schuldners mit einer Hauptleistungspflicht Es müssen alle Verzugsvoraussetzungen erfüllt sein. Allerdings kann die Mahnung mit der Fristsetzung verbunden werden.
40
(3) Fristsetzung Der Gläubiger muß dem Schuldner eine angemessene Nachfrist setzen, innerhalb der er die Leistung nachholen kann. Eine unangemessen kurze Fristsetzung ist aber nicht wirkungslos, sondern setzt die "angemessene" Frist in Lauf. (4) Ablehnungsandrohung Zusammen mit der Fristsetzung muß der Gläubiger dem Schuldner unmißverständlich deutlich machen, daß er nach Fristablauf die Annahme der Leistung ablehne. Nicht erforderlich ist, bereits jetzt zu erklären, ob dann vom Vertrag zurückgetreten oder Schadenersatz verlangt werde. Gem. § 326 II BGB ist eine Nachfristsetzung (ausnahmsweise) dann nicht erforderlich, wenn die Erfüllung des Vertrages für den Gläubiger objektiv kein Interesse mehr hat. Beispiel: Verzug mit der Lieferung von Saisonartikeln 54. (5) Fruchtloser Ablauf der Nachfrist
2.4.3.1.
Fixgeschäft
Die verspätete Leistung kann ausnahmsweise auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 326 BGB den Gläubiger zum Rücktritt berechtigen, wenn ein Fixgeschäft (§ 361 BGB) vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn die Leistung genau zu einer festbestimmten Zeit oder innerhalb einer festbestimmten Frist erfolgen soll (§ 361 BGB). Wird die Leistung nicht zeitgerecht bewirkt, ist der Gläubiger - unabhängig von einem Verschulden des Schuldners und ohne Nachfristsetzung - "im Zweifel" zum Rücktritt berechtigt. Zu beachten ist, daß über den Wortlaut des § 361 BGB hinaus ein Fixgeschäft nur dann angenommen wird, wenn die Einhaltung der Leistungszeit wesentlicher Inhalt der vertraglichen Leistungspflicht ist, dergestalt "daß mit der zeitgerechten Leistung das Geschäft stehen und fallen soll" 55 . Beim Handelskauf gilt die Sondervorschrift des § 376 HGB. Hier muß der Käufer sofort nach Ablauf der Zeit anzeigen, daß er weiterhin auf Erfüllung bestehe; andernfalls verliert er seinen Erfüllungsanspruch und kann bei Verzug des Schuldners Schadenersatz wegen Nichterfüllung - auch ohne vorangegangene Nachfristsetzung - beanspruchen.
54 55
BGH LM Nr. 3 zu § 326 BGB BGH Betr. 1983, 385 41
Eine Just-in-Time-Delivery ist als Fixgeschäft i.S. dieser Vorschriften anzusehen, jedoch werden in der Praxis die §§ 361 BGB, 376 HGB durch spezielle vertragliche Regelungen ersetzt, da der Besteller im Regelfall trotz Fristüberschreitung auf die Lieferungen angewiesen sein dürfte und ihm mit einem Rücktritt vom Vertrag nicht gedient wäre.
2.4.4.
Annahmeverzug
Nimmt der Gläubiger eine ihm ordnungsgemäß angebotene Leistung nicht an oder unterläßt er eine sonstige zur Erfüllung erforderliche Mitwirkungshandlung, gerät er in Annahmeverzug (= Gläubigerverzug). Voraussetzung hierfür ist ein tatsächliches Leistungsangebot des Lieferanten, d.h. die Leistung muß ordnungsgemäß sein und zur rechten Zeit am rechten Ort (= Leistungsort) angeboten werden. Ausnahmsweise genügt nach § 295 BGB ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger bereits vorher erklärt hat, daß er die Leistung nicht annehmen werde oder wenn er eine erforderliche Mitwirkungshandlung unterläßt (Beispiel: Holschuld). Auch dieses ist gem. § 296 BGB entbehrlich, wenn für diese Mitwirkungshandlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Auf die Gründe für die Nichtannahme der Leistung kommt es nicht an; insbesondere ist ein Verschulden des Gläubigers nicht erforderlich. Der Gläubiger gerät auch dadurch in Annahmeverzug, daß er die geschuldete und fällige Gegenleistung nicht erbringen will oder kann (§ 298 BGB). Eine nur vorübergehende Annahmeverhinderung begründet nach § 299 BGB keinen Gläubigerverzug, es sei denn, daß der Schuldner die Leistung eine angemessene Zeit vorher angekündigt hat.
Folgen des Annahmeverzuges: • Der Schuldner kann die geschuldete Sache hinterlegen. • Die Haftung des Schuldners wird gem. § 300 I BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. • Bei Gattungsschulden geht die Leistungsgefahr gem. § 300 II BGB auf den Gläubiger über. Der Schuldner haftet also nicht mehr nach § 279 BGB. • Die Preisgefahr geht nach § 324 II BGB ebenfalls auf den Gläubiger über. • Der Gläubiger muß dem Schuldner die Mehraufwendungen, die dieser infolge des Gläubigerverzuges machen mußte, ersetzen (§ 304 BGB). Der Schuldner wird jedoch von seiner Leistungspflicht nicht frei.
42
2,4.5.
Positive Vertragsverletzung
Die positive Vertragsverletzung (pVV) beinhaltet die gesetzlich nicht geregelten Fälle schuldhafter Pflichtverletzungen im Rahmen eines Schuldverhältnisses. Sie ist heute gewohnheitsrechtlich anerkannt 56; der Schuldner haftet analog §§ 280, 282, 286 BGB bzw. - bei gegenseitigen Verträgen - auch in entsprechender Anwendung der §§ 325 f. BGB. Die Regeln der pVV sind nicht anzuwenden, wenn in soweit spezielle gesetzliche Regelungen bestehen, insbesondere also die Vorschriften über die Unmöglichkeit, den Verzug oder die Mängelgewährleistung (§§ 434 ff., 459 ff., 633 ff. BGB) eingreifen. Voraussetzungen: • Vorliegen eines Schuldverhältnisses (Vertrag) • Verletzung einer sich hieraus ergebenden Pflicht In Frage kommen insbesondere (a) Schlechterfüllung einer vertraglichen Hauptpflicht (b) Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, wie sich insbesondere auch aus § 242 BGB ergeben können, ζ. B. Obhuts-, Auskunfts- und Geheimhaltungspflichten • Verschulden des Schuldners oder seines Erfüllungsgehilfen (§§ 276, 278 BGB); auch hier gilt die Umkehr der Beweislast (§ 282 BGB analog) • hierdurch Verursachen eines Vermögenschadens Immaterieller Schaden kann nicht ersetzt verlangt werden (§ 253 BGB); § 847 BGB setzt eine unerlaubte Handlung gem. §§ 823 ff. BGB voraus. • Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden Rechtsfolge: Schadenersatzpflicht (§§ 280, 286 ff. BGB). Bei gegenseitigen Verträgen kann der Gläubiger auch gem. § 326 BGB vorgehen, wenn sich die Pflichtverletzung auf das gesamte Schuldverhältnis auswirkt. Fallbeispiel 6 (pVV/ Verrat von fremden Geschäftsgeheimnissen): Anläßlich einer Auditierung werden dem Kunden Geschäftsgeheimnisse des Lieferanten bekannt. Offenbart er diese Dritten, macht er sich schadenersatzpflichtig. Wenn durch die Verletzung der Geheimhaltungspflicht das Vertrauensverhältnis der Vertragsparteien so gestört ist, daß nach Treu und Glauben eine weitere Zusammenarbeit nicht zumutbar ist, kann der Lieferant außerdem eine weitere Vertragsdurchführung verweigern und Schadenersatz wegen Nichterfüllung des gesamten Vertrages (einschließlich des entgangenen Gewinns) verlangen.
56
vgl. BGHZ 11, S. 80 ff. 43
2.4.6.
Verschulden bei Vertragsverhandlungen (c.i.c.)
Die Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo c.i.c.) wurde von der Rechtsprechung entwickelt als ein "in Ergänzung des geschriebenen Rechts geschaffenes gesetzliches Schuldverhältnis" mit einer "Haftung nach Vertragsgrundsätzen" 57. Heute ist c.i.c. auch gesetzlich anerkannt (vgl. § 11 Nr. 7 AGBG). Voraussetzungen einer Haftung aus c. i. c. sind: • Entstehen eines unmittelbaren geschäftlichen Kontakts • Schuldhafte Verletzung einer sich hieraus ergebenden Verhaltenspflicht. Als solche kommen insbesondere in Betracht: • Obhuts- und Sorgfaltspflichten insbesondere: Schutz- und Fürsorgepflichten für Leben, Gesundheit und Eigentum des potentiellen Vertragspartners • Aufklärungs-, Hinweis- und Mitteilungspflichten Beispielsweise hat die Rechtsprechung Aufklärungs-, Hinweis- und Mitteilungspflichten angenommen im Hinblick auf • Formbedürftigkeit des beabsichtigten Vertrages • Erfordernis behördlicher Genehmigungen • Inhalt und Tragweite umfangreicher AGB Rechtsfolge der c.i.c. ist der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens, d. h., der Schädiger ist verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn die Verhaltenspflicht nicht verletzt worden wäre. Fallbeispiel 7 (c.i.c. / falsche Beratung): Ein Hersteller von Hard- und Software berät einen Kunden auf dessen Wunsch darüber, welche Kombination von Hard- und Software der gestellten innerbetrieblichen Organisationsaufgabe gerecht werde; der Kunde verläßt sich auf die überlegene Sachkunde des Herstellers. Die vom Hersteller angebotene Problemlösung erweist sich als unzureichend 58. Die Pflichtverletzung liegt vor Vertragsabschluß, sodaß eine Haftung aus c.i.c. in Frage kommt. Der geschädigte Kunde kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne die Pflichtverletzung stünde. Hätte er bei richtiger Beratung den Liefervertrag nicht geschlossen, kann er Rückgängigmachung des Vertrages und Ersatz der Kosten verlangen, die ihm aus Anlaß des Vertragsschlusses und
57 58
44
BGHZ 6, S. 330 ff. [333] vgl. BGH, Urteil vom 6.6.1984, NJW 1984, 2938
seiner Durchführung entstanden sind, z.B. Schulungskosten seines Personals, Finanzierungskosten, Transport- und Versicherungskosten u.a.
2.5. Produkthaftung und Produzentenhaftung Die Begriffe Produkthaftung und Produzentenhaftung werden ζ. T. beide synonym verwendet und bezeichnen die Haftung des Herstellers eines Produktes für Schäden, die Benutzer dieses Produktes durch Produktmängel erlitten haben. Im engeren Sinne wird unter Produzentenhaftung die verschuldensabhängige Haftung des Warenherstellers nach den Vorschriften des Deliktsrechts (§§ 823 ff BGB) verstanden, während unter dem Begriff Produkthaftung die verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers oder Importeurs einer Ware nach dem Produkthaftungsgesetz zu verstehen ist. Die folgenden Ausführungen legen diese Terminologie zugrunde.
2.5.1.
Produzentenhaftung
Der Hersteller, der ein fehlerhaftes Produkt auf den Markt bringt, das bei dem Verbraucher, Benutzer oder Dritten Personen- oder Sachschäden verursacht, haftet den Geschädigten auf Schadenersatz aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB), wenn ihn hieran ein Verschulden trifft. Diese Haftung besteht neben der Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz und neben etwaigen vertraglichen Schadenersatzansprüchen. Die Produkthaftung setzt eine vertragliche Beziehung zwischen Hersteller und Geschädigten nicht voraus, kann jedoch auch innerhalb einer bestehenden Vertragsbeziehung eintreten. Hier besteht zu den Gewährleistungsansprüchen Anspruchskonkurrenz 59. In diesem Fall führt sogar die Verletzung handelsrechtlicher Obliegenheiten (§§ 377, 378 HGB) nicht zum Verlust der Produkthaftungsansprüche 60. Eine Haftung nach Deliktsrecht (§§ 823 ff BGB) setzt voraus, daß dem in Anspruch Genommenen ein Schuldvorwurf (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) gemacht werden kann. Nach § 823 I BGB wird nur für solche Schäden gehaftet, die aus der Verletzung der dort näher beschriebenen absolut geschützten Rechtsgüter (Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder sonstige - absolute - Rechte eines Anderen) entstehen. Ein sonstiger Vermögenschaden, der nicht Folge einer
59 60
BGHZ 66, 315 (319) - Schwimmerschalter BGH NJW 1988, 52 45
Verletzung eines absoluten Rechtes ist, fällt nicht unter den Anwendungsbereich des § 823 I BGB. Die Haftung besteht gegenüber jedermann. Im einzelnen setzt die Haftung nach § 823 I BGB voraus: • Verletzung eines absoluten Rechts (z.B. Leben, Gesundheit, Eigentum) • Pflichtwidrigkeit • Kausalität der Pflichtwidrigkeit für die Verletzung • Verschulden 2.5.2.
Produkthaftung
Nach dem Produkthaftungsgesetz vom 15.12.1989 (im folgenden abgekürzt als "ProdHaftG") ist der Hersteller eines fehlerhaften Produktes zum Schadenersatz verpflichtet, wenn durch das Produkt jemand getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Dieses Gesetz basiert auf der EG-Richtlinie Produkthaftung vom 27.05.1985 (85/374 EWG). Das ProdHaftG knüpft nicht an das Verschulden des Herstellers bzw. seiner Mitarbeiter an, sondern basiert auf einer verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung des Herstellers.
2.5.3.
Voraussetzungen der Produkthaftungsansprüche
Voraussetzung für jeden Produkthaftungsanspruch ist zunächst das Vorliegen eines Produktfehlers. Produkt im Sinne des Gesetzes ist jede bewegliche Sache sowie Elektrizität mit Ausnahme landwirtschaftlicher Naturprodukte vor ihrer ersten Verarbeitung (§ 2 ProdHaftG). Ein Produktfehler liegt vor, wenn das Produkt nicht die Sicherheit bietet, die berechtigterweise erwartet werden kann. Das Produkt muß mit anderen Worten so beschaffen sein, daß es die körperliche Unversehrtheit des Benutzers oder eines Dritten nicht beeinträchtigt und sein sonstiges Privateigentum nicht beschädigt (§3 ProdHaftG) 61. Als Fehlerkategorien kommen insbesondere in Frage • • • • •
61
46
Konstruktionsfehler Fabrikationsfehler Instruktionsfehler wie mangelhafte Warnungen, Gebrauchsanleitungen u. ä. Entwicklungsfehler Produktbeobachtungsfehler
vgl. Palandt-Thomas, ProdHaftG § 3, Anmerkung 3 a
2.5.4.
Schaden
Gemäß § 1 I 2 ProdHaftG ist im Falle einer Sachbeschädigung Schadenersatz nur zu leisten, wenn "eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird und diese andere Sache ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden ist". Die Beschränkung der Haftung auf andere Sachen als die fehlerhafte Sache geht zurück auf die EG-Richtlinie und stellt eine vom deutschen Gesetzgeber nachvollzogene rechtspolitische Entscheidung dar 62 . Im Gegensatz zur Haftung aus der Produzentenhaftung (§ 823 I BGB), bei der der Hersteller unter Umständen auch für Schäden an der von ihm hergestellten Sache bei sogenannten "Weiterfresserschäden" haften muß 63 ist nach dem ProdHaftG eine Schadenersatzpflicht dann ausgeschlossen, wenn die erworbene Sache selbst gebrauchsunfähig wird, sich selbst beschädigt oder zerstört, auch wenn zunächst nur ein Produktteil fehlerhaft war. Möglich ist allerdings, den Hersteller des defekten Produktteiles in Anspruch zu nehmen, wenn durch Fehler dieses Teiles andere Teile der Gesamtsache beschädigt oder zerstört werden 64 . Fallbeispiel 8 (Weiterfresserschäden / PKW - Reifen): Ein fabrikneuer PKW wird mit defekten Reifen ausgeliefert. Infolge des Reifendefektes kommt es zu einem Unfall, bei dem der PKW erheblich beschädigt und der Besitzer verletzt wird. Der PKW-Hersteller kann nach dem ProdHaftG nur wegen des Körperschadens, nicht jedoch wegen des Sachschadens in Anspruch genommen werden. Möglich ist aber, den Reifenhersteller (sofern nicht mit dem PKWHersteller identisch) auch wegen des Schadens am PKW (ohne Reifen) in Anspruch zu nehmen.
2.5.4.1. Weiterverarbeitung mangelhafter Teilprodukte Durch die Verbindung von mangelhaften mit mangelfreien Teilprodukten können dem Endhersteller erhebliche Schäden entstehen. Nach dem ProdHaftG kann er den Zulieferer nicht in Anspruch nehmen, weil sich in diese Schäden bei Sachen
62 63
64
vgl. Kullmann, Kommentar zum ProdHaftG, Berlin 1990, S. 29 vgl. BGH Urteil vom 18.01.1983 - PKW Gaszug - BGHZ 86 256; Urteil vom 14.05.1985 - Kompressor - VersR 1985, 837; Urteil vom 24.03.1992 PKW Austauschmotor - NJW 1992, S. 1678 Kullmann, ProdHaftG a.a.O. S .29; ebenso Landscheidt - Das neue Produkthaftungsrecht, Herne/Berlin 1990, S. 10 47
ergeben, die gewöhnlich für den gewerblichen oder beruflichen Gebrauch bestimmt sind. In Frage kommt in soweit also nur die Produzentenhaftung aus § 823 I BGB. Die Rechtsprechung hat sich wiederholt mit diesem Problemkreis befaßt: Fallbeispiel 9 (Eigentumsverletzung / "Möbellack - Fall"): In dem dem Urteil des BGH vom 26.02.1991 zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Möbelhersteller von einem Lackhersteller einen neuentwickelten "EinKomponenten-Lack" bezogen und ihn für die Beschichtung der Holzflächen von Küchenmöbel verwendet. Später traten bei Kunden Nässeschäden am Holzwerk der Möbel auf. Der BGH bejahte eine von dem Lackhersteller bewirkte Eigentumsverletzung an dem Holz der Möbel. Die Schadenersatzansprüche scheiterten allerdings am fehlenden Verschulden des Lackherstellers. Das Eigentum des Möbelherstellers ist nach Ansicht des BGH bereits in dem Zeitpunkt verletzt worden, als die Möbelstücke mit dem Lack behandelt worden sind 65 . Fallbeispiel 10 (Produzentenhaftung / Antiblockiersystem): In einem anderen Fall hatte der Hersteller von Reglern für Antiblockiersysteme für Bremsen von seinem Zulieferer in einer langjährigen Geschäftsbeziehung etwa 2 Millionen Keramik-Mehrschichten-Kondensatoren zum Stückpreis von 7,6 Pfennig bezogen und sie in die Regler eingebaut. Später traten in Kraftfahrzeugen, die ABS mit diesen Reglern enthielten, Ausfälle beim Bremsen auf, die auf Funktionsstörungen in den Reglern zurückgeführt wurden. In einer Rückrufaktion wurden die Regler wieder zurückgenommen; es wurde festgestellt, daß die Kondensatoren fehlerhaft waren. Die Kondensatoren mußten durch andere ersetzt werden, wobei andere Teile des Reglers, z.B. der Rahmen, beschädigt werden mußten. Die Gesamtkosten der Rückrufaktion beliefen sich auf ca. 1,6 Millionen DM. Der BGH hat auch hier eine Eigentumsverletzung mit der Begründung bejaht, daß bei den später vorgenommenen Reparaturarbeiten die Kondensatoren nur unter Beschädigung oder Zerstörung anderer Teile der Regler ausgebaut werden konnten66.
65 66
48
BGH NJW - RR 1992, 284 BGH Urteil v. 02.12.1992, NJW 1992 S. 1225
2.5.5. Nach • • •
• •
2.5.6.
Verantwortliche § 4 des Produkthaftungsgesetzes ist Hersteller der Hersteller des Endproduktes der Hersteller eines Teilproduktes der Quasi-Hersteller (das ist derjenige, der sich als Hersteller ausgibt, ζ. B. durch Anbringen seines Warenzeichens oder anderer unterscheidungskräftiger Kennzeichen) der Importeur, der das Produkt von außen in die EG einführt der Lieferant, sofern der Hersteller oder Importeur nicht feststellbar ist (§ 4 ProdHaftG)
Haftung mehrerer Ersatzpflichtiger
Nach § 5 des Produkthaftungsgesetzes haften mehrere Ersatzpflichtige dem Geschädigten als Gesamtschuldner. Die Haftung kann im Außenverhältnis weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig (§ 14 ProdHaftG). Aus Sicht des Einkäufers ist von besonderer Bedeutung, inwieweit er im Verhältnis zum Lieferanten von Teilprodukten oder Grundstoffen die Verantwortlichkeit für Fehler der von ihnen gelieferten Teile auf diese übertragen kann. Eine derartige Übertragung ist möglich; § 5 ProdHaftG bestimmt, daß im Verhältnis der Ersatzpflichtigen zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen abhängt, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, soweit nichts anderes bestimmt ist Wir empfehlen deshalb, in Verträgen mit dem Zulieferer zu vereinbaren, daß dieser jeden Schaden zu tragen hat, der auf der Verwendung des von ihm gelieferten Materials zurückzuführen ist. Dies gilt sowohl für Schadenersatzleistungen, die der Endhersteller aus dem Gesichtspunkt der Produkt- oder Produzentenhaftung heraus an einen Dritten zu leisten hat, als auch für die Kosten einer etwaigen Rückrufaktion. Problematisch bleiben damit aber die Sachverhalte, in denen nicht klar erkennbar ist, welcher der Beteiligten mit welchem Anteil den Produktfehler verursacht hat. Im Rahmen eines Zulieferer-Assembler-Vertrages können Produktfehler des Endproduktes beruhen auf: • • •
Konstruktionsfehler des Endherstellers Konstruktionsfehler des Zulieferers Produktionsfehler des Zulieferers
49
• •
unzureichende Qualitätskontrolle des Zulieferers unzureichende Wareneingangskontrolle des Endherstellers
Die Rechtsprechung hat in einer Reihe von Fällen zur Verantwortlichkeit von Zulieferer und Endhersteller Stellung genommen. Fallbeispiel 11 (Zuliefererhaftung / Industriefilter): In einem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall ging es um die Lieferung von Industriefiltern für eine Maschine zur Herstellung von bestimmten Folien. Der Endhersteller dieser Maschine bestellte bei dem Filterhersteller für eine Dauertemperatur von 220° C bestimmte Filter, die er zur Umluftfiltrierung in diese Maschine einbaute. Der Filterhersteller bezog seinerseits zur Anfertigung dieser Filter einen von einem weiteren Zulieferer hergestellten Klebstoff. Bei einer Temperatur von nur 180° C entstanden chlorhaltige Dämpfe, die zu Korrosionsschäden an den in der Produktionshalle aufgestellten anderen Maschinen des Kunden führten. Das war darauf zurückzuführen, daß sich der vom Filterhersteller verarbeitete Kleber bereits bei einer Erhitzung auf 140° bis 150° C zersetzte und Chior abspaltete. Der Erwerber der Maschine hat deshalb Schadenersatz von dem Filterhersteller verlangt. Das OLG Frankfurt hat die Klage für gerechtfertigt erklärt mit der Begründung, der Hersteller habe keinen Leim verwenden dürfen, dessen Eigenschaften er nicht genau kannte bzw. ausgetestet hatte. Der Verwender von Zuliefererprodukten muß genau prüfen, ob die fremdproduzierten Teile für den von ihm beabsichtigten Zweck grundsätzlich geeignet sind und ob sie den zu stellenden Anforderungen genügen 6 '. Der BGH hat die gegen dieses Urteil eingelegte Revision nicht zur Entscheidung angenommen68. Fallbeispiel 12 (horizontale Arbeitsteilung / "Expander-Fall") Im Rahmen einer horizontalen Arbeitsteilung bei der Produktherstellung hat der BGH im sogenannten "Expander Fair Stellung genommen69. Horizontale Arbeitsteilung liegt dann vor, wenn der Endhersteller sich die von ihm benötigten Werkstoffe, Halbfertigwaren oder Einzelteile nicht aus dem vorhandenen Angebot des Marktes aussucht (das ist vertikale Arbeitsteilung), sondern sich auf derselben Stufe der Herstellung (horizontal) die Produktion mit einem anderen Hersteller teilt, indem er bestimmte Arbeitsgänge oder Produktionsphasen wie die Fabrikation von Einzelteilen nicht von eigenen Leuten durchführen läßt sondern damit einen anderen Unternehmer beauftragt 70. Die Verantwortung für die Kon-
67 68 69 70
50
OLG Fankfurt VersR 1990 S.981 BGH, Beschl. v. 09.01.1990, -VI ZR 345/88BGH NJW-RR 1990, 406 Kullmann, Die Rechtsprechung des BGH zum Produkthaftpflichtrecht in den Jahren 1989/90, NJW 1991, S. 675 ff. (678)
struktion liegt hier grundsätzlich beim Besteller, während der Auftragsfertiger die Fabrikationsverantwortung trägt. Der BGH hatte zu entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang auch der Auftragsfertiger eine Verantwortung für die Konstruktion des von ihm hergestellten Produktes trägt. Im Expander-Fall hatte ein Sportartikelhersteller einen Expander konstruiert, der in seinem Unternehmen auch zusammengebaut und, unter Beifügung einer Gebrauchsanweisung, verpackt und über den Einzelhandel verkauft wurde. Die Kunststoffgriffe für den Expander ließ der Hersteller von einem anderen Unternehmen im Spritzgußverfahren fertigen. Der Hersteller bestimmte das Material und stellte dem Auftragsfertiger auch die Formen für den Guß der Griffe zur Verfügung. Die Prüfstelle des TÜV Rheinland hatte nach einer Bauartprüfung für dieses Gerät das GS-Zeichen ("geprüfte Sicherheit") vergeben. Die Klägerin dieses Verfahrens wurde beim Gebrauch des Expanders verletzt, als sie den rechten unbeschuhten Fuß in einen Griff gestellt und mit dem rechten Arm den anderen Griff nach oben gezogen hat. Dabei ist der untere Griff gebrochen und der Expander daraufhin hochgeschnellt und hat ihr rechtes Auge so unglücklich getroffen, daß sie auf diesem Auge erblindet ist. Der Endhersteller wurde zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von DM 50.000 verurteilt; vom OLG wurde auch der Auftragsfertiger in diese Verurteilung mit einbezogen. Der BGH hat die Klage gegen den Auftragsfertiger abgewiesen. Zwar sei der Auftragsfertiger nicht von jeder Verantwortung für die Konstruktion des von ihm hergestellten Teil- oder Endprodukts freigestellt; zur Gefahrenabwehr müsse er dann beitragen, wenn er bei der Ausführung der ihm übertragenen Tätigkeit die Gefährlichkeit der Konstruktion erkennen kann, und sofern er konkreten Anlaß für die Annahme haben muß, daß der für die Konstruktion Verantwortliche diesem Umstand nicht genügend Rechnung getragen hat. Er muß aber nicht die Konstruktion insgesamt auf ihre Gefährlichkeit überprüfen und konnte sich im vorliegenden Fall damit entlasten, daß das Gerät von einer zugelassenen Prüfstelle auf seine Sicherheit untersucht worden ist 71 . Der BGH hat wiederholt zur Pflicht des Endherstellers, sich von der ordnungsgemäßen Beschaffenheit der Zulieferteile zu überzeugen, Stellung genommen. Grundsätzlich darf nach Ansicht des BGH der Endhersteller keine Teile verwenden, von deren mangelfreien Beschaffenheit er nicht überzeugt sein darf. Der Endhersteller muß danach entweder die Zuverlässigkeit des Zulieferers oder die Güte des Materials prüfen 72. Fallbeispiel 13 (Zuliefererhaftung / "Kohlebürsten - Fall"): In einem vom OLG Köln entschiedenen Fall ging es um den Hersteller von Zubehörteilen für Elektromotoren, der u. a. Kohlebürsten herstellte. Das
71 72
BGH NJW-RR 1990, 406 BGH VersR 1972 S. 559 (560) 51
Rohmaterial wurde ihm von einem Zulieferer geliefert. Daraus fertigte der Bürstenhersteller die bei ihm bestellten Kohlebürsten und lieferte sie aus. Diese wurden dann von einem anderen Hersteller in einen Elektromotor eingebaut. Kurz danach brannte der Motor infolge eines Kurzschlusses durch, weil die gelieferten Kohlebürsten einem abnormen Verschleiß unterlagen. Gegen den Hersteller der Kohlebürsten wurden Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Die Klage wurde vom OLG Köln abgewiesen; der BGH hat die Revision nicht angenommen 73 . Das OLG hat hierzu die Auffassung vertreten, ein Produzent, der Zulieferteile verwende, genüge grundsätzlich seiner Gefahrabwendungspflicht, wenn er entweder die Güte des Materials oder die Verläßlichkeit des Zulieferers prüfe. Beziehe er Teile von einem ihm aus langjähriger Geschäftsbeziehung als zuverlässig bekannten Vorlieferanten, so brauche er die Tauglichkeit der gelieferten Produkte nicht in Zweifel zu ziehen, wenn ihm diese von seinem Zulieferer bescheinigt werde. Er sei in einem solchen Fall grundsätzlich nur zu der Prüfung verpflichtet, ob die Lieferung der Bestellung entspreche. Im vorliegenden Fall gab es keine zumutbaren Prüfungsmethoden, um festzustellen, ob die gelieferten Kohleplatten der bestellten Qualität entsprachen. Auch in der Literatur wird die Meinung vertreten, daß der Endproduktehersteller von Qualitätskontrollen bezüglich der einzelnen zugelieferten Teile dann freigestellt ist, wenn es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, sie einer Überprüfung zu unterziehen, und er die Produkte von einem als zuverlässig bekannten Fachunternehmen bezieht oder er die Verläßlichkeit besonders geprüft hat 74 . Zu beachten ist jedoch, daß die oben zitierten Entscheidungen allesamt die deliktische Produzentenhaftung aus § 823 BGB betreffen. Zum neuen Produkthaftungsrecht liegen, soweit erkennbar, noch keine höchstrichterlichen Entscheidungen vor. Für Ansprüche, die auf dieses Gesetz gestützt werden, ist zu beachten, daß der Hersteller des Endproduktes nur dann nicht ersatzpflichtig ist, wenn "der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte" (§ 1 II Nr. 5 ProdHaftG). Für den Hersteller eines Teilproduktes ist die Ersatzpflicht dann ausgeschlossen, "wenn der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in welches das Teilprodukt eingearbeitet wurde, oder durch die Anleitungen des Herstellers des Produkts verursacht worden ist". Das gilt auch für den Hersteller eines Grundstoffs.
BGH NJW RR 1990, 414 Kulimann, in: Kullmann-Pfister, Handbuch Produzentenhaftung, Kennz. 3250, S. 10 52
Im Verhältnis zwischen Endhersteller und Zulieferer können die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien über die interne Verantwortlichkeit für Produktfehler jedoch weiter angewendet werden. Von wesentlicher Bedeutung ist zunächst die Abgrenzung der jeweiligen Pflichtenkreise. Haften dem Geschädigten mehrere Unternehmen, die das im Ergebnis fehlerhafte Produkt in industrieller Arbeitsteilung fertigen, so ist maßgeblich, welches Unternehmen für die Sicherheit des fehlerhaften Teils nach der Absprache der Beteiligten verantwortlich sein sollte, dem aber nicht entsprach. Ohne Belang ist dagegen, daß dem Geschädigten gegenüber im Ergebnis alle Beteiligten haften 75. Bei dieser Abwägung spielen folgende Gesichtspunkte eine Rolle: •
Welches an der Produktion beteiligte Unternehmen war kraft einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Absprache für die Qualität des fehlerhaften Teils hauptsächlich verantwortlich?
•
Welches an der Produktion beteiligte Unternehmen war mangels einer Absprache kraft allgemeiner Verkehrssicherungspflicht für die Qualität des fehlerhaften Teils hauptsächlich verantwortlich?
•
Ist einem nach dem Obenstehenden weniger verantwortlichen Unternehmen eine Nachlässigkeit vorzuhalten, die neben dem Pflichtverstoß des hauptverantwortlichen Unternehmens immerhin ins Gewicht fällt?
•
Enthalten Pflichtverstöße der an der Produktion beteiligten Unternehmen ein besonderes Gewicht durch das jeweilige Verschulden?
•
Beruht die gesamtschuldnerische Haftung eines Schädigers auf Deliktsrecht, Vertragsrecht oder einer Gefährdungshaftung?
•
Werden die maßgebenden Umstände lediglich vermutet oder sind sie bewiesen76?
75 76
vgl. Produkthaftungs - Handbuch / Foerste § 42, RN 47 vgl. Foerste a.a.O. RN 49 - 55 53
2.6.
Preisgleitklauseln
Der Lieferant hat ein berechtigtes Interesse daran, den Wert seiner Forderung bei einem Dauerschuldverhältnis auch in Zukunft zu erhalten. Der Kaufkraftschwund der DM bewirkt eine laufende Verringerung des Realwertes von Geldforderungen. Die Sicherung der Wertbeständigkeit von Forderungen wird mittels Wertsicherungsklauseln erreicht. Dadurch wird der Wert einer Forderung dem Wert bestimmter Güter oder Leistungen fortlaufend angepaßt. Währungspolitisch und volkswirtschaftlich ist es allerdings unerwünscht, durch übermäßiges und unkontrolliertes Überhandnehmen solcher Sicherungsklauseln ein Mißtrauen in die Stabilität der Währung zu zeigen. Deshalb hat der Gesetzgeber in § 3 des Währungsgesetzes bestimmt: " Geldschulden dürfen nur mit Genehmigung der für die Erteilung von Devisengenehmigungen zuständigen Stellen in einer anderen Währung als in Deutscher Mark eingegangen werden. Das Gleiche gilt für Geldschulden, deren Betrag in Deutscher Mark durch den Kurs einer solchen anderen Währung oder durch den Preis oder eine Menge von Feingold, von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt werden soll" Ergänzt wird § 3 Währungsgesetz durch § 49 Außenwirtschaftsgesetz, der wie folgt lautet: "(1) § 3 ,1 des Währungsgesetzes findet auf Rechtsgeschäfte zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden keine Anwendung. (2) Für die Erteilung von Genehmigungen nach § 3 Währungsgesetz ist die Deutsche Bundesbank zuständig Die Deutsche Bundesbank hat zu § 3 Währungsgesetz Genehmigungsrichtlinien 77 erlassen. Sie erhalten eine Negativliste nicht genehmigungsfähiger Wertsicherungsklauseln. Nicht alle Wertsicherungsklauseln sind genehmigungsbedürftig. Genehmigungsfrei sind insbesondere sogenannte Kostenelementeklauseln im engeren Sinne, aufgrund deren der Preis des Wirtschaftsgutes sich anteilig in dem gleichen Maße ändern soll, wie die Preise einiger Kostenelemente dieses Gutes sich ändern. Die Änderung eines Kostenelements wird hierdurch auf den Lieferungsempfänger abgewälzt78. Genehmigungsfrei sind weiterhin solche Wertsicherungsklauseln, die bei Änderung bestimmter Kostenelemente lediglich die Möglichkeit eröffnen, in erneute
abgedruckt im Bundesanzeiger Nr. 109 v. 05.06.1978 zur Genehmigungsfreiheit dieser Klausel vergi. BGH BB 1979, S. 1213 54
Preisverhandlungen zu treten. Bei solchen Klauseln ist allerdings auch zu regeln, wie bei einem Scheitern der Verhandlungen verfahren werden soll. • Ist das Vertragsverhältnis zu den alten Bedingungen fortzusetzen? • Besteht für eine oder beide Vertragsparteien die Möglichkeit, das Vertragsverhältnis zu beenden? • Kann eine Partei (insbesondere der Lieferant) den Preis der Leistung entsprechend §§ 315 f. BGB allein festlegen? • Wird die Bestimmung der (Gegen-) Leistung einem Dritten (Schiedsgutachter) gemäß § 317 BGB überlassen? Sofern die Leistungsbestimmung einer Partei überlassen wird, besteht gemäß § 315 BGB die Möglichkeit, die Bestimmung durch Gerichtsurteil treffen zu lassen, falls die Leistungsbestimmung "nicht der Billigkeit" entspricht. Dasselbe gilt gemäß §319 BGB bei einer Leistungsbestimmung durch einen Dritten, wenn diese Leistungsbestimmung offenbar unbillig ist. Demgegenüber sind solche Wertsicherungsklauseln genehmigungsbedürftig, aufgrund derer sich der Preis am Liefertag insgesamt im gleichen Maße ändern soll, wie sich ein bestimmtes Element verändert hat, sich also die prozentuale Veränderung, die nur bei einem Kostenelement eingetreten ist, mit der prozentualen Veränderung des gesamten Verkaufspreises deckt (z. B. Koppeiung des Endpreises an die prozentuale Erhöhung der Lohnkosten). Es kann der Interessenlage insbesondere des Einkäufers entsprechen, den Vertrag zu dem Zeitpunkt durch Kündigung zu beenden, zu dem der neue Preis wirksam werden soll. Eine derartige Klausel könnte z. B. wie folgt lauten: "Soweit unter den Voraussetzungen des § ... eine Preisänderung gefordert werden kann und sich Lieferant und Abnehmer nicht innerhalb eines Zeitraumes von ... auf einen neuen Preis einigen, endet das Vertragsverhältnis mit Ablauf des auf die Preisänderungsforderung folgenden Monats. Der Abnehmer kann jedoch für die nächsten 30 Tage weiterhin Leistung zu dem ursprünglichen Preis verlangen. Aus einer aus dieser Vorschrift resultierenden Beendigung des Vertragsverhältnisse können Schadenersatzansprüche nicht hergeleitet werden. "
55
3.
Rahmenvertrag zur sukzessiven oder unregelmässigen Belieferung
3.1. Betriebswirtschaftliche Ziele Erklärtes strategisches Ziel ist die Senkung der Material- und Materialbewirtschaftungskosten durch Bündelung des Bedarfs zur Preisbeeinflussung, längerfristige Bindung der Lieferanten zur Stabilisierung des Preises und der Versorgungssicherheit, bei Material nach Werksnorm / Spezifikation, Baugruppen oder Modulen Einbeziehung des Lieferanten in die Entwicklung, Qualitätssicherung durch den Lieferanten nach den Richtlinien des Kunden, gemeinsame Wertanalyse bei Weiterentwicklung, Just-in-Time-Belieferung, u.a.m. Eine deutliche Senkung der Gemeinkosten innerhalb der Materialwirtschaft ist möglich durch rationelle Abrufverfahren, z.B. EDI (= Electronic Data Interchange), Einbeziehung des Lieferanten in die Bedarfsplanung zur Minimierung der Bestände auf beiden Seiten, monatliche Sammelrechnung zur Reduzierung der Buchungsvorgänge in der Finanzbuchhaltung. Eine erfolgreiche Anwendung von Rahmenverträgen kann selbstverständlich nur erfolgen, wenn ein Minimum an Analysen im einkaufenden Unternehmen vorliegt. Die ABC-Analyse ist die wichtigste Voraussetzung zur Bestimmung der AMaterialien und Güter mit hohen, das Betriebsergebnis deutlich beeinflussenden Verbrauchswerten 79. Rahmenverträge für Α-Objekte zielen in erster Linie auf Versorgungssicherheit und Preisbeeinflussung ab. Aber auch Massenartikel mit geringem Verbrauchswert lassen sich per Rahmenabkommen vorteilhaft einkaufen. Hierbei liegt die Einsparung in der rationellen Abwicklung, wobei in der Regel der Einkauf den an das EDV-System angeschlossenen Bedarfsstellen im Betrieb die Abrufdurchführung überträgt.
79
56
Vgl. H.Hartmann, Materialwirtschaft, 6. Auflage, Gernsbach 1992, S. 142 ff.
Eine positive Beeinflussung entsteht durch die XYZ-Analyse in Verbindung mit der ABC-Analyse 80. In dieser Kombination wird die Vorhersagegenauigkeit des Materialverbrauchs analysiert. Die Erkenntnisse über hohe bzw. niedrige Präzision der Bedarfsprognose führt direkt zu kapitalschonenden Vereinbarungen zum Vorteil beider Partner. Elektronische Datenverarbeitung und Kommunikationssysteme entlasten den administrativen Einkauf durch weitgehende automatisierbare Abwicklung und automatische Informationsgewinnung über die Liefersituation, gelieferte Qualität und Terminverhalten. Ein hoher Automatisierungsgrad in Dialogsystemen reduziert den administrativen Arbeitsanteil im Einkauf zugunsten kreativer und produktiver Aktivitäten (vgl. Abb.1). Selbstverständlich gibt es auch Risiken durch langfristige Verträge: • Zeitweiser Verzicht auf Wettbewerb kann Preisnachteile bringen. Die Marktbeobachtung darf nicht vernachlässigt werden. •
Bei Rohstoffen und Norm-Artikeln können, bedingt durch Überschüsse im Markt, gelegentlich günstigere Preise erzielt werden.
•
Für diese Situation kann sich der Einkäufer gewisse Mengen freihalten, ohne die Versorgung zu gefährden.
Zu Qualitätssicherungsvereinbarungen hat der BDI 81 im Arbeitskreis "Zulieferfragen" Leitsätze formuliert, die beim Entwurf solcher Vereinbarungen hilfreich sein können: "Qualitätssicherungsvereinbarungen werden zwischen Zulieferern und ihren Abnehmern abgeschlossen, um erwartete Produktqualität schon von der Planung des Produkts an sicherzustellen. Zur Verwirklichung dieses Ziels bedarf es Qualitätsicherungssysteme. Solche Systeme dürfen sowohl nationale wie internationale Anerkennung beanspruchen, wenn sie den Normen DIN ISO 9000 ff. bzw. EN 29 000 ff. entsprechen und / oder ihre Anwendung daneben durch Audits einer akkreditierten Zertifizierungsstelle in angemessenen Zeitabständen bestätigt wird.
Vgl. H.Hartmann, Materialdisposition in der Praxis, Gernsbach 1992, S.40 ff. Vgl. H. Höfer, Partnerschaft drückt sich in fairen Abkommen aus, in: Handelsblatt, Düsseldorf, 2.9.1992 57
(%)
Prozentuale ArbeitszeI tante I I e für E I nkäufer-/ Innen Kreative
und p r o d u k t i v e
Aktivitäten:
Planung» Beschaffungsmarktforschung, Lieferantenaudltierung, Angebotsauswertung, VertragsgestaItung, Verhandlungsführung, Preisanalyse, Wertanalyse, Make-or-Buy-AnaIyse, Bestandsoptimierung, Normierung, Standardisierung.
Adm i η i s t r a t i ve Akt i v i t f l t e m
Anforderungen bearbeiten, Anfragen, Bestellen. Abrufen, Termin sichern. Mahnen Karteiführung, Fehlersuche, Kontrollieren, Ablegen, Heraussuchen, Stammdaten pflegen, Postversand.
1960 Abb. 1:
1965
1970
1975
1980
1985
1990
(Ziel)
1995
Einfluß der EDV auf kreativen und administrativen Einkauf - Beispiel aus einem Unternehmen der Mineralölindustrie -
Liegen diese Voraussetzungen im Einzelfall vor, haben daneben in der Regel Kundenaudits nur noch in Form von Verfahrens- oder Produktaudits Platz, die ausschließlich kundenspezifische Verfahren, Prozesse und Produkte in angemessenen Zeitabständen oder aus berechtigtem Anlaß beurteilen. Dies vorausgeschickt, liegen faire Qualitätssicherungsvereinbarungen vor, wenn sie •
zwischen Spezifikation einer Zulieferleistung (Qualitätsmerkmale) und Qualitätssicherungsmethode zur Sicherstellung der spezifizierten Qualitätsmerkmale klar unterscheiden;
•
einvernehmlich und eindeutig definierte Spezifikationen enthalten, ohne diesen den Rang zugesicherter Eigenschaften oder Garantien beizulegen;
•
wegen Regelungen, wie beispielsweise über Prüfabläufe und Prüfinhalte, Dokumentation und Aufbewahrungsfristen, Einsichtnahme in Prüfaufzeichnungen,
58
gegenseitige Informationspfüchten bei Änderungen von Produkt bzw. Prozeß bei Auftreten von Qualitätsproblemen, sofern sie für vorausgesetzte Produkteigenschaften überhaupt relevant sind, Vorgehen bei Qualitätsabweichungen und -kontrollen, keinem Beteiligten unangemessene Auflagen und Kosten, vor allem nicht nachträglich, auferlegen; •
sich jeglicher Aussage über Gewährleistungs- oder produkthaftrechtliche Ansprüche beziehungsweise über die Verteilung solcher im innenverhältnis enthalten, da sich als erwarteter Regelungsort dafür der Liefervertrag oder die AGB anbieten;
•
berechtigtem Verlangen nach Schutz gegen unentgeltlichen KnowhowTransfer durch ein verbindliches Angebot zum Abschluß von Geheimhaltungsabkommen für diese Fälle begegnen;
•
sich jeder Regelung enthalten, die den Haftpflichtversicherungsschutz eines Beteiligten nachteilig beeinflußt, zum Beispiel durch die Abbedingung von Wareneingangskontrollen beim Abnehmer."
3.2. Muster eines Rahmenvertrages zur sukzessiven oder unregelmäßigen Belieferung Varianten sind jeweils in (...) gesetzt. Unter Bezug auf Ihr Angebot vom ... und das Verhandlungsprotokoll vom ... schließen wir mit Ihnen folgendes Rahmenabkommen zur (sukzessiven) Lieferung gegen Abrufbestellungen ab:
1.
Allgemeine Bedingungen (Vgl. 3.3.-1.) Es werden der technische Teil unserer Einkaufsbedingungen und unsere Qualitätsvorschriften It. Anlage sowie ihre kaufmännischen Verkaufsbedingungen in diesen Vertrag einbezogen. (Es gelten unsere beigefügten Einkaufsbedingungen, auch wenn von Ihnen andere Lieferbedingungen folgen. Dieser Auftrag wird erst dann gültig, wenn
59
die beigefügte Bestellrückmeldung mit Ihrer Kommissions-Nr., Ihrem Firmenstempel und Ihrer Unterschrift wieder vorliegt.) 2.
Gültigkeitsdauer (Vgl. 3.3.-2.) ...Jahre ab Abschlußdatum. Es kann nur aus wichtigem Grund mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden.
3.
Objekt (Vgl.3.3.-3.) Netzstecker, 32-polig, mit vergoldeten Stiften, gemäß übergebenem Muster.
4.
Preis und Preisstellung DM 410,- pro Stück, einschließlich Fracht frei Hamburg im Bahnbehälter, der von uns frachtfrei zurückgesandt wird.
5.
Preisveränderungen (Vgl. 3.3.-4.) Wünsche nach Preisveränderungen sind 1 Monat vor dem Inkrafttreten mitzuteilen und bedürfen der schriftlichen Bestätigung. Anstelle einer Bestätigung kann eine Verhandlung gewünscht werden. Ebenso finden wir Sie verhandlungsbereit, wenn uns von anderer Seite deutlich günstigere Angebote zugehen. Zur Zeit gelten folgende Kostenanteile als Grundlage für Preis Verhandlungen: 20% Fixkosten, 10% Goldanteil (Z.Z. DM 25,- pro Gramm), 20% übriges Material, 50% Lohnanteil. Preisschwankungen von weniger als 2% auf den Endpreis werden nicht zu Preisänderungen während der Laufzeit des Vertrages führen.
6.
Abnahmemenge Die geplante Menge beträgt ca. 360 St. pro Jahr. Zur gesamten Abnahme sind wir jedoch nicht verpflichtet. Verbindliche Lieferpläne werden monatlich vorgelegt.
7.
Erfüllungsort und Gefahrübergang (Vgl. 3.3.-5.) Erfüllungsort ist der Sitz unseres Werkes in
60
8.
Gewährleistung (Vgl.3.3.-6.) Alle Zeichnungsmaße und Leistungsdaten gemäß Ihrem Angebot gelten als zugesicherte Eigenschaften im Sinne des Gesetzes. Die Gewährleistungsfrist beträgt 12 Monate ab Lieferung.
9.
Qualitätssicherung Gemäß obengenannten Bedingungen ist eine entsprechende Sicherungsvereinbarung hiermit abgeschlossen. (Sie haben eine dem neuesten Stand der Technik entsprechende Qualitätssicherung auf Basis der ISO 900. durchzuführen und uns auf Anforderung nachzuweisen.)
10. Produkthaftung Werden wir wegen Verletzung behördlicher Sicherheitsvorschriften oder Produkthaftungsregelungen in Anspruch genommen, die auf Ihre Produkte zurückzuführen ist, dann sind wir berechtigt, Ersatz des Schadens zu verlangen, der auch die Kosten einer Rückrufaktion umfaßt. (Sie werden den Liefergegenstand so kennzeichnen, daß er dauerhaft als Ihr Erzeugnis erkennbar ist.) 11. Lieferung Für die Lieferung erteilen wir Abrufbestellungen zum Versand innerhalb von 3 Tagen ab Eingang (per Telex, per Telefax, über EDI, über DATEX-P) (...nach monatlichen Lieferplänen.)
12. Zahlung Zahlung erfolgt innerhalb von 14 Tagen ab Rechungseingang unter Abzug von 2 % Skonto. 13. Auftragsbestätigung (Vgl. 3.3.-8.) Wir bitten um Rücksendung der beigefügten Bestätigung mit Ihrer Kommissionsnummer, Firmenstempel und Unterschrift.
61
3.3. Rechtliche Hinweise Das Vertragsmuster stellt eine Rahmenvereinbarung i.S.v. § 2 II AGBG dar, bei der die Parteien im voraus die Geltung der hierin genannten Bedingungen für alle zukünftigen Abrufbestellungen vereinbaren. Ein erneuter Hinweis hierauf jeweils bei Abruf ist nicht erforderlich. 1.
Allgemeine Bedingungen Wenn möglich, ist die Durchsetzung der eigenen Allgemeinen Einkaufsbedingungen82 vorzuziehen. Andere Formulierungsmöglichkeit: "Unsere Aufträge erfolgen aufgrund unserer Einkaufsbedingungen; anderslautende formularmäßige Bedingungen des Auftragnehmers sind nur dann gültig, wenn sie von uns schriftlich bestätigt werden".
2.
Gültigkeitsdauer Der Vertrag ist ein Dauerschuldverhältnis, das nicht - wie der "einfache" Kauf - bereits mit Erbringen der vertragsgemäßen Leistung erlischt (§ 362 BGB), sondern entweder automatisch durch Zeitablauf, wenn eine feste Laufzeit vereinbart ist, oder - einseitig - nach vorangegangener Kündigung. Möglich ist bei allen Schuldverhältnissen selbstverständlich auch eine einvernehmliche Vertragsaufhebung durch Aufhebungsvertrag. Eine Kündigung aus wichtigem Gruna ist - auch ohne besondere Vereinbarung - bei allen Dauerschuldverhältnissen möglich und dann zulässig, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse auch der anderen Vertragspartei nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt dem Kündigenden nicht mehr zumutbar erscheint. Was im einzelnen als "wichtiger Grund" anzusehen ist, läßt sich nicht abschließend aufzählen. Beispiele: grobe Pflichtverletzung einer Vertragspartei Unzuverlässigkeit oder Unfähigkeit des Lieferanten, etwa bei wiederholter Lieferung erheblich mangelhafter Ware
Zu der Frage, wessen Allgemeine Geschäftsbedingungen dann gelten, wenn die eine Vertragspartei unter Bezugnahme auf ihre eigenen Einkaufsbedingungen bestellt und die andere Vertragspartei unter Hinweis auf ihre Verkaufsbedingungen angenommen hat, vgl. oben 2.1.2. und BGH, Urteil v. 26.09.1973, BGHZ 61,282 62
3.
"Gemäß übergebenem Muster" Diese Formulierung ist für den Einkäufer besonders günstig, da nach § 494 BGB bei einem Kauf nach Probe oder nach Muster die Eigenschaften der Probe oder des Musters als zugesichert anzusehen sind. Bei etwaigen Mängeln der Lieferung kann der Gläubiger dann gem. § 463 BGB Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung geltend machen.
4.
Preisänderungen Die Möglichkeiten zur Durchsetzung von Preisänderungswünschen sind im 2. Kapitel (2.6.) im einzelnen dargestellt. Die hier gewählte Möglichkeit sieht keine automatische Preisanpassung vor, sondern setzt das Einverständnis des Bestellers voraus. Das Vertragsmuster enthält keine Meistbegünstigungsklausel, nach der dem Käufer ohne weiteres sämtliche günstigeren Konditionen anderer Abnehmer eingeräumt werden. Eine derartige Klausel wäre in AGB ebenso als Verstoß gegen § 9 AGBG (unangemessene Benachteiligung) anzusehen83 wie die ebenfalls gelegentlich in AEB anzutreffende Bestimmung, die den Lieferanten verpflichtet, seine Preise an billigere Angebote von Wettbewerbern anzupas-
5.
"Erfüllungsort und Gefahrübergang"(Ziff. 7.): Erfüllungsort ist der Ort, an dem der jeweilige Schuldner seine Leistung erbringen muß. Ohne besondere Vereinbarung hat die Leistung gem. § 269 BGB an dem Orte zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz bzw. seine gewerbliche Niederlassung hatte. Das gilt gem. § 269 III BGB auch dann, wenn der Schuldner (Lieferant) die Kosten der Versendung übernommen hat. Gefahrübergang bedeutet Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung der geschuldeten Lieferung. Normalerweise liegt die Transportgefahr beim Versendungskauf beim Käufer (§ 447 BGB), d.h., der Verkäufer genügt seiner Lieferverpflichtung schon dadurch, daß er die Ware auf den Weg bringt. Aus Sicht des Einkäufers ist deshalb dringend zu empfehlen, eine von den (dispositiven) Vorschriften des BGB abweichende Vereinbarung zu treffen.
83
BGH NJW 1981, 2052; Wolf AGBG a.a.O. § 9 RN E80; Ulmer/Hensen AGBG a.a.O. Anh. § § 9 - 1 1 RN 296 Wolf AGBG a.a.O. § 9 RN E79
84
63
Klauseln, die den vom Käufer festgelegten Bestimmungsort zum Erfüllungsort machen und dadurch die Beförderungsgefahr auf den Lieferanten verlagern, sind auch in AGB unbedenklich85. 6.
Gewährleistung Die gewählte Formulierung ist in AGB im Hinblick auf § 9 AGBG problematisch. Wenn alle Zeichnungsmaße und Leistungsdaten als zugesicherte Eigenschaften gelten, hat das eine verschuldensunabhängige Haftung des Verkäufers nach §§ 463, 480 II BGB zur Folge. Das weicht jedoch von den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab, wonach eine verschuldensunabhängige Haftung nur ausnahmsweise im Rahmen der enggefaßten gesetzlichen Bestimmungen Platz greifen soll. Eine Klausel, wonach alle Angaben als zugesicherte Eigenschaften gelten, ist demgemäß nach allgemeiner Auffassung unwirksam 86. Vorzuziehen ist deshalb der Kauf nach Probe oder nach Muster (wie oben vorgesehen), bei dem dann gesetzlich ohnehin alle Eigenschaften der Probe bzw. des Musters als zugesichert gelten. Einer besonderen Hervorhebung im Vertrag bedarf das nicht. Problematisch kann weiterhin die formularmäßige Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist sein. Die gesetzliche Gewährleistungsfrist beträgt gem. § 477 BGB bei beweglichen Sachen sechs Monate ab Lieferung. Eine maßvolle Verlängerung dieser Frist ist aber auch in AGB zulässig; eine Ausdehnung auf 12 Monate ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten des Käufers oder der Eigenart der Kaufsache (z.B. Zeitdauer der üblichen Zwischenlagerung des eingekauften Materials bis zur Weiterverarbeitung; typischer Zeitpunkt, an dem Fehler erstmals erkennbar werden; komplizierte technische Anlage und Geräte etc.) sachliche Gründe hierfür sprechen 87.
85
vgl. Wolf in: Wolf / Horn / Lindacher, AGB-Gesetz (Kommentar), 2. Auflage, München 1989, § 9 - Einkaufsbedingungen RN E78; ebenso Hensen in: Ulmer / Brandner / Hensen, AGB-Gesetz (Kommentar), 5. Auflage Köln 1986, Anh. §§ 9 - 11, RN 296 Hensen in: Ulmer / Brandner / Hensen, AGB-Gesetz a.a.O., RN 297 f.; Wolf in: Wolf / Horn / Lindacher, AGB-Gesetz a.a.O. § 9 - Einkaufsbedingungen RN E74; vgl. Palandt a.a.O. AGBG § 9, Anmerkung 7 e; Wolf ebenda (E72); Hensen ebenda (RN 278)
86
87
64
7.
Qualitätssicherung Zur Qualitätssicherungsvereinbarung hat der Bundesverband der deutschen Industrie Leitsätze empfohlen 88.
8.
Auftragsbestätigung Unter Auftragsbestätigung wird hier die Annahmeerklärung verstanden, nicht zu verwechseln mit dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben, durch das ein bereits mündlich abgeschlossener Vertrag nochmals (einseitig) schriftlich bestätigt zu werden pflegt.
in: "Beschaffung aktuell" 9/92 (53); vgl. weiter Schmidt, Qualitätssicherungsvereinbarungen und ihr rechtlicher Rahmen, NJW 1991, 144 ff.; Zirkel, Das Verhältnis zwischen Zulieferer und Assembler, eine Vertragsart sui generis?, in: NJW 1990, 345 ff. 65
4.
Rahmenvertrag zur Just-in-Time-Versorgung
4.1. Betriebswirtschaftliche Ziele Bei den sogenannten JIT-Vereinbarungen ist die Minimierung oder Vermeidung eigener Bestände im Vorratslager oder der Fertigung das erklärte Ziel. Neben der Reduzierung der Kapitalbindung wird die Arbeit des Ein- und Auslagerns vermieden und Lagerfläche eingespart. Bevorzugt werden Materialien und Güter, die im Sinne der ABC-Analyse einen hohen Verbrauchswert haben (A- und B-Material) und wegen der Abmessungen großen Platzbedarf im Lager beanspruchen. In der Kraftfahrzeugindustrie sind zum Beispiel Stoßfänger (Bug und Heckschürzen) oder Reifen typische Beispiele. Für die Öl- und chemische Industrie sind es Eisenfässer und Kunststoffverpackungen, die bei Bevorratung einen erheblichen Platzbedarf und Handlingkosten verursachen. Die Anwendung des JIT-Prinzips ist gemessen am Gesamtvolumen der in der Industrie eingesetzten Materialien erfahrungsgemäß gering: •
3 - 7 % von allen Materialpositionen werden nach JIT-Verfahren gekauft; dies sind allerdings bedeutende A- und B-Artikel.
Das Verfahren kann nur zur Zufriedenheit beider Partner funktionieren, wenn seitens des Einkaufs oder der Logistik sorgfältig ermittelte Plandaten über den Bedarf lang-, mittel- und kurzfristig mit den Zulieferern ausgetauscht werden. Nur auf der Grundlage zuverlässiger Bedarfszahlen kann der Lieferant ebenfalls rationalisieren, d.h. sein Personal, seinen Maschinenpark und seine Vorlieferanten optimal steuern. Unter diesen Voraussetzungen läßt sich auch für ihn durch die übliche, längerfristige Bindung von zumeist mindestens 3 Jahren ein profitables Geschäft gestalten. Bei stochastisch ermitteltem Bedarf wird die Kombination der ABC-Analyse mit der XYZ-Analyse zur Ermittlung der Vorhersagegenauigkeit empfohlen 89. Eine evtl. gewünschte Vorratsproduktion durch den Lieferanten muß naturgemäß abgesichert sein, d.h. für die ihm vorgegebenen Bestände muß eine Abnahmegarantie bestehen.
89
66
Vgl. H.Hartmann, Materialdisposition in der Praxis, a.a.O. S.40 ff.
Die Einhaltung der meist sehr kurzen Liefertermine von bis zu 48 Stunden und die Begrenzung auf wenige Stunden Anlieferzeit setzen voraus, daß der Lieferant nicht weiter als ca. 200 km vom Betrieb des Kunden entfernt ist oder vor Ort über ein Auslieferungslager verfügt. In der Regel werden die Maßnahmen zur Qualitätssicherung zum Lieferanten verlagert. Eine eingehende Prüfung der Fähigkeiten des Lieferanten und eine regelmäßige Überprüfung nach Beginn der Lieferungen sind normale Vorgänge 90 . Da im Materialfluß bei Anlieferung sogenannte Eingangsprüfungen selten möglich sind, wird bei diesen Individual-Verträgen die Wareneingangsprüfung gerne abbedungen. Auf diese umstrittene Maßnahme wird unter 4.3 näher eingegangen. Fortschrittliche Einkaufs- oder Logistikorganisationen haben für den Informationsund Datenaustausch (Abrufe, Lieferpläne, Lieferscheine, Rechnungen etc.) elektronische Medien vorgesehen. In diesen Fällen muß der Lieferant einen passenden Anschluß sicherstellen, da ohne diese Kommunikation eine sicherere Steuerung der Arbeitsabläufe nicht möglich ist. Am weitesten verbreitet ist der Standard EDI = Electronic Data Interchange. (Siehe hierzu auch Abb. 2, Informations- und Materialfluß bei JIT-Belieferung.) 4.2. Muster eines Rahmenvertrages zur Just-in-Time-Versorgung 1.
Wir erteilen Ihnen zu den nachstehend genannten Bedingungen und unter Zugrundelegung der in der Anlage beigefügten Vereinbarungen über die Durchführung der Qualitätssicherung in Ihrem Hause einen Rahmenvertrag, gültig für die Zeit vom
2.
bis
Spezifikation des zu liefernden Materials in Übereinstimmung mit geliefertem Muster.
Vgl. H.Hartmann, H.-J. Pähl, H. Spohrer, Lieferantenbewertung - aber wie?, Gernsbach 1992, S.51 ff. 67
VORLIEFERANT
( O P T I O N DES J I T - K U N D E N FÜR D I R E K T E N VERTRAG) ROHSTOFFE
TT I
VERTRAG (EVTL. MIT J I T * · KUNDE)
JIT-LIEFERANT
KARTONAGEN
ETIKETTEN
—ΓΑ ι
EINKAUF
ABRUF
I
.MATERIALLAGER
1
ι
ι » L-DISPOSITION-
ι
Α
ι
UQUALITÄTS-
I SICHERUNG
I
r
I
I ->rPRODUKTION
ι
I
(-FERTIGWARENLAGER
VERKAUF
I
I -r PLANUNG /\\
I ABRUF
VERTRAG
I I JIT-KUNDE
I rPRODUKTION
EINKAUF
I
V
! .
ι
!
h DISPOSITION^-
KJUALITÄTSI SICHERUNG
ι
L
VERKAUF
Γ
I FERTIGWARENLAGER
INFORMATIONSFLUSS WARENFLUSS
Abb. 2:
68
Informations- und Materialfluß am Beispiel der JIT-Belieferung mit Kunststoffverpackungen
3.
Menge Unser Bedarf für das erste Vertragsjahr vom ... bis... beträgt voraussichtlich St. Zur vollständigen Abnahme dieser Menge sind wir nicht verpflichtet.
4.
Preis und Preisstellung DM ... p. St., frei unserem Werk, Anlieferstelle ..., einschließlich Verpackung, zuzüglich gültiger Mehrwertsteuer.
5.
Gültigkeit des Preises Obengenannter Preis ist ein Festpreis für unsere Abrufbestellungen vom ... bis ... Danach können Preise nur mit einer Frist von 3 Monaten von beiden Seiten gekündigt werden, insbesondere wenn auf dem Verhandlungsweg keine Einigung erzielt wird.
Für Preisänderungen wird nachstehende Preisgleitklausel vereinbart:
Po
100
(F+X'-^-+Y'—) M0 L0
Es bedeuten: Ρ P0 F X M M0 Y L L0
= = = = = = = = =
neuer Preis alter Preis unveränderlicher Fixkostenanteil in % Materialkostenanteil in % Materialkosten nach Erhöhung Materialkosten vor Erhöhung Lohnkostenanteil in % Ecklohn nach Erhöhung Ecklohn vor Erhöhung
Fixkosten, Material und Lohnanteile werden hiermit bis auf weiteres festgelegt: F = ..,. % X = ..,. % Y = ..,. % F + Χ + Y = 100
69
Vereinbarte Preise werden nur geändert, wenn sich aufgrund der Preisgleitklausel Abweichungen von mehr als 2 % ergeben. 6.
Gültigkeit des Vertrags Dieser Vertrag wird für die Dauer von 3 Jahren fest abgeschlossen. Vor Ablauf von 3 Jahren kann er von jeder Vertragspartei mit einer Frist von 3 Monaten aus wichtigem Grund gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn erhebliche wirtschaftliche Veränderungen eintreten, bei einem Wunsch nach Preiskorrektur eine Einigung nicht zustande kommt, wiederholt Sachmängel am gelieferten Material auftreten oder wiederholt Lieferverzug vorkommt. Vor einer Kündigung verpflichten sich beide Parteien, aufgetretene Probleme unverzüglich und vertrauensvoll zu besprechen, um Schaden von beiden Parteien abzuwenden.
7.
Lieferung auf Abruf Die Lieferung erfolgt auf Abruf unseres Werkes (per Telefax, über Electronic Data Interchange), der spätestens 48 Stunden vor dem gewünschten Eintrefftermin erfolgt. Der Eintrefftermin in unserem Betrieb wird mit Werktag und gewünschter Uhrzeit angegeben. Letztere kann +/- 2 Stunden abweichen.
8.
Vorratsproduktion beim Lieferanten Zur Sicherstellung einer termingerechten Anlieferung ist ein Vorrat an versandbereitem Material in folgendem Umfang zu halten: Mindestbestand: Stück Höchstbestand: Stück Diese Bestandsfestlegung kann mit einer Frist von 8 Wochen durch unseren Einkauf geändert werden.
9.
Informationen für die Planung des Lieferanten Im Dezember jeden Jahres wird eine unverbindliche Schätzung unseres Einkaufsvolumens bekanntgegeben. Wesentliche Korrekturen werden im Laufe des Jahres nachgemeldet. Jeweils zum 20. des Vormonats wird der Bedarf im folgenden Monat mitgeteilt, der mit 1-2 Abrufbestellungen pro Woche anzuliefern ist.
70
10.
Materialänderungen / vorübergehender Abnahmestopp Für die Veränderung von Formen und Werkzeugen wird eine Frist von 8 Wochen vereinbart. Die Lieferfreigabe des geänderten Materials erfolgt nach Prüfung und Anerkennung einer Probelieferung von ... Stück. Sollte sich durch unvorhersehbare Situationen ein Abnahmestopp ergeben, so können uns Bestände im Rahmen Ziffer 8 übereignet werden, wenn der Abnahmestopp länger als 30 Tage dauert. Zahlung erfolgt nach Vorlage der Übereignungserklärung und Rechnung innerhalb von 30 Tagen. Eine Weiterproduktion bzw. Weiterlieferung wird von uns schriftlich mitgeteilt. Alsdann sind zuerst die übereigneten Bestände ohne Berechnung zu liefern. Kann das bei Ihnen lagernde Material nicht mehr verwendet werden, so erfolgt Abrechnung zum gültigen Preis abzüglich DM .... per kg wiederverwendbare Rohstoffe.
11.
Qualitätssicherung Die vereinbarte Qualität (Maßhaltigkeit, Funktionen, Materialspezifikation, Gewicht, technische und physikalische Eigenschaften, Farbe etc.) wird durch die mit Ihnen vereinbarten Prüfungen in Ihrem Betrieb (entsprechend den beigefügten Vereinbarungen zur Qualitätssicherung) sichergestellt. Die Kosten hierfür sind im Preis enthalten.
12.
Wareneingangsprüfung (Vgl. 4.3.-2.) (Von einer Wareneingangsprüfung nach § 377 HGB sind wir ausdrücklich freigestellt.)
13.
Werkzeuge / Formen Werkzeuge und Formen sind nach unseren Zeichnungen und technischen Unterlagen separat anzubieten und zu berechnen. Sie bleiben auch nach Beendigung des Vertrages unser Eigentum. (Die Formen sind für uns als Gebrauchsmuster geschützt.)
14.
Gewährleistung (Vgl. 4.3.-3.) Alle technischen Daten des uns übergebenen Musters gelten als zugesicherte Eigenschaften im Sinne des Gesetzes. Die Gewährleistungsfrist
71
beträgt 6 Monate ab Einbau des Materials in unserem Betrieb, längstens 12 Monate ab Lieferdatum. 15.
Produkthaftung Sollten wir wegen in- oder ausländischer Produkthaftungsregelungen in Anspruch genommen werden, die auf die Verwendung des von Ihnen gelieferten Materials zurückzuführen sind, dann sind wir berechtigt, Ersatz des Schadens zu verlangen, auch die evtl. Kosten einer Rückrufaktion. (Zur Abdeckung dieser Risiken haben Sie für die Vertragslaufzeit und Gewährleistungsfrist eine Haftpflichtversicherung bei abgeschlossen.) (Das von Ihnen gelieferte Material ist dauerhaft als Ihr Erzeugnis gekennzeichnet.)
16.
Vertragsstrafen (Vgl. 4.3.-4.) Für Lieferverzug, sofern nicht 24 Stunden vor dem Liefertermin angekündigt, berechnen wir pro Stunde Überschreitung für jede angefangene Stunde 1% Poenale, maximal 10 % auf den Warenwert der Abrufbestellung. Streik gilt nicht als höhere Gewalt. Sachmängel, die zu einer Unterbrechung der Produktion führen, werden mit einer Vertragsstrafe von DM .... pro angefangener Stunde belegt, maximal DM 10.000. Der Schadenersatz für mangelhafte Qualität bleibt hiervon unberührt.
17.
Zahlung Zahlung erfolgt bis zum 15. des der Lieferung folgenden Monats aufgrund einer Monatssammelrechnung.
4.3. Rechtliche Hinweise 1.
Allgemeines: Der Just-in-Time - Rahmenvertrag ist ebenso wie das Rahmenabkommen zur sukzessiven Belieferung ein Dauerschuldverhältnis. Seine Rechtsnatur ist nicht endgültig geklärt; die Auffassungen reichen vom Kauf- oder Werkvertrag bis hin zu gesellschaftsrechtlichen Lösungsansätzen91. Diskutiert wird auch, ob die Just-in-Time-Lieferverbindung als Vertragskonzern oder
vgl. Nagel, Schuldrechtliche Probleme bei Just-in-Time-Lieferbeziehungen, DB 1991, 319 ff. (326) 72
faktischer Konzern angesehen werden muß 92 . Die Rechtsprechung 93 lehnt dies allerdings ab, weil eine durch Austauschbeziehungen begründete rein wirtschaftliche Abhängigkeit zur Begründung einer konzernrechtlichen Abhängigkeit gem. §§ 17 ff. AktG nicht ausreiche, sondern hierfür eine gesellschaftsrechtlich bedingte oder vermittelte Abhängigkeit erforderlich sei. Probleme können auch in kartell- und wettbewerbsrechtlicher Hinsicht entstehen 94 , z.B. wenn der Zulieferer oder der Hersteller "marktbeherrschend" i.S.d. § 22 GWB ist. Insbesondere beim Single-Sourcing (vgl. oben 1.1.) können dritte Anbieter unter den Voraussetzungen der § 26 GWB, Art. 85 EWGV diskriminiert werden. Diese Problematik kann hier allerdings nicht weiter vertieft werden. 2.
Wareneingangsprüfung (Ziff. 12.) Eine vollständige Freizeichnung von der Wareneingangsprüfung nach § 377 HGB in AGB verstößt nach herrschender Meinung95 gegen § 9 AGBG. Die Freistellung kann nach dieser Auffassung nur einzelvertraglich vereinbart oder im einzelnen ausgehandelt werden. Möglich ist auch eine nähere Festlegung der Frist, innerhalb der die Mängelrüge gem. § 377 HGB erfolgen muß. Für Just-in-Time-Lieferbeziehungen wird allerdings - wie bereits erwähnt hiervon abweichend die Auffassung vertreten, daß eine Vorverlagerung der Qualitätskontrolle auf den Lieferanten bei gleichzeitigem formularmäßigen Verzicht auf die Wareneingangskontrolle beim Besteller keine unangemessene Benachteiligung des Lieferanten darstellt 96. Begründet wird diese Meinung von M. Lehmann u.a. damit, daß die Just-inTime-Delivery einen neuen Vertragstyp sui generis darstelle, auf den die auf
ders., Der Lieferant On Line -Unternehmensrechtliche Probleme der Just-inTime-Produktion am Beispiel der Automobilindustrie, DB 1988, 2291 ff. (2292) BGHZ 90, 381 vgl. Lehmann, Just in time: Handels- und AGB-rechtliche Probleme, BB 1990, 1849 ff. (1851) Vgl. Schmidt a.a.O. m.w.N.; ebenso Zirkel, Das Verhältnis zwischen Zulieferer und Assembler - eine Vertragsart sui generis? NJW 1990, S. 345 ff. (347); Graf von Westphalen, Rechtsprobleme der "Just-in-Time-Delivery", CR 1990, 1849 ff. Nagel, Schuldrechtliche Probleme bei Just-in-Time-Lieferbeziehungen, DB 1991, 319 ff. (323); Lehmann, Just in time: Handels- und AGB-rechtliche Probleme, BB 1990, 1849 ff. 73
den Kauf und kaufähnliche Rechtsgeschäfte zugeschnittenen §§ 377 ff. HGB überhaupt nicht zur Anwendung kommen könnten. Außerdem entsprächen Just-in-Time-Strategien im zunehmenden Maße den "im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen", auf die gem. § 9 AGBG angemessen Rücksicht zu nehmen ist. Das Handelsrecht müsse diese Praktiken, da ökonomisch vernünftig, fördern 97. Nagel 98 weist darauf hin, daß die §§ 377 ff. HGB auf den modernen Zulieferprozeß nicht ausgerichtet seien. Die Vorverlagerung der Qualitätskontrolle auf den Zulieferer führe zwar zu weiteren Risiken, andererseits habe dieser aber auch die Möglichkeit, eine "Sonderstellung als Exklusivlieferant und Systemführer" zu erlangen. Auch nach Auffassung von Kreifels" kann die Abbedingung des § 377 HGB gerechtfertigt sein, wenn die Just-in-Time-Vereinbarung im Einzelfall eine insgesamt ausgewogene Regelung enthalte. Unserer Ansicht nach sind diese Argumente überzeugend. Hierfür sprechen technische und wirtschaftliche Erfordernisse. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß der Verzicht auf die Wareneingangskontrolle das Risiko des Zulieferers erhöht. Die Wareneingangskontrolle ist aber nur eine Möglichkeit zur Sicherung der Qualität der Vorprodukte, neben der es noch andere, möglicherweise effektivere Methoden gibt. Es sollte den Vertragspartnern überlassen bleiben, für welche Kontrollmöglichkeiten sie sich entscheiden wollen. Gleichwohl ist die bislang noch herrschende Meinung bei der Formulierung von Just-in-Time-Verträgen in Betracht zu ziehen, nach der der Verzicht auf die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten der §§ 377, 378 HGB unwirksam ist. Soweit erkennbar, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit Just-in-Time-Vereinbarungen zu diesem Problem noch nicht Stellung genommen. Allerdings kann aus der bereits zitierten Entscheidung "Kohlebürsten" 100 - wenn auch im Zusammenhang mit der Produzentenhaftung - hergeleitet werden, daß der Produzent seiner Gefahrabwendungspflicht auch dadurch genügen kann, wenn er die Verläßlichkeit des Zulieferers geprüft hat. Eben das geschieht jedoch bei Vereinbarung einer Just-in-Time-Delivery.
97 98 99
100
74
Lehmann ebenda S. 1852 Nagel ebenda S. 323 Kreifels, Qualitätssicherungsvereinbarungen - Einfluß und Auswirkungen auf die Gewährleistung und Produkthaftung von Hersteller und Zulieferer, ZIP 1990, 489 ff. (495) BGH NJW-RR 1990, 414
3.
Gewährleistung Die pauschale Bezeichnung aller technischen Daten als zugesicherte Eigenschaften ist in AGB nicht möglich (vgl. oben). Eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist auf 18 Monate kann bedenklich sein, wenn nicht erhebliche Gründe im Einzelfall hierfür sprechen, (s. oben).
4.
Vertragsstrafen Die Vertragsstrafe (Konventionalstrafe, Pönalen) bedarf besonderer vertraglicher Vereinbarung und liegt vor, wenn der Schuldner dem Gläubiger für den Fall, daß er seine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise (vor allem nicht rechtzeitig oder mangelhaft) erfüllt, die Zahlung einer Geldsumme als Strafe verspricht (§§ 339 ff. BGB). Die Vertragsstrafe tritt neben den weiter bestehenden Erfüllungsanspruch, wenn sie für den Fall der nicht gehörigen Erfüllung versprochen wurde (§ 341 BGB). Nimmt der Gläubiger die Erfüllung an, so kann er die Vertragsstrafe nur verlangen, wenn er sich das Recht dazu bei der Annahme vorbehält (sog. Vorbehalt der Vertragsstrafe). Gem. § 11 Nr. 6 AGBG können in AGB Vertragsstrafen nicht vereinbart werden. Diese Vorschrift ist auf den kaufmännischen Verkehr allerdings nicht anzuwenden: Strafklauseln sind hier gem. § 9 AGBG jedoch dann unwirksam, wenn sie den Verpflichteten unangemessen benachteiligen. Dabei ist darauf zu achten, daß eine Obergrenze festgelegt wird, wenn die Vertragsstrafe auf einen Prozentsatz des Auftragswertes pro Tag abgestellt ist 101 . Bei einer Konkurrenz zwischen Vertragsstrafe- und Schadenersatzanspruch (z.B. aus §§ 325, 326, 463 BGB, pVV) kann der Gläubiger zwischen Strafe und Schadenersatz wählen. Er kann auch die Strafe als Mindestentschädigung verlangen und später weiteren Schaden geltend machen (§§ 340 II, 341 II BGB). In AGB kann die Anrechnung der Strafe auf den Schadenersatzanspruch nicht wirksam abbedungen werden 102 , soweit es denselben Schadensposten betrifft. Die im Vertragsmuster vorgeschlagene Strafe bezieht sich nur auf den Verzögerungsschaden, daneben können Schadenersatzforderungen aufgrund der Mängel (z.B. aus § 463 BGB, Kosten der Mängelbeseitigung [Rückrufaktionen], Folgeschäden u.a.) ohne Anrechnung der Vertragsstrafe durchgesetzt werden, da es sich um verschiedene Schadensposten handelt. Allerdings sollte auch hier eine Begrenzung der Höhe nach vorgesehen werden.
101 102
BGH NJW-RR 1988, S 146 BGHZ 63, 256; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher AGBG a.a.O. § 11 Nr. 6 RN 34 75
Grundsätzlich erfordert die Verwirkung einer Vertragsstrafe Verschulden (§§ 339, 285 BGB: "Verzug"). Das Verschuldenserfordernis ist zwar dispositiv, jedoch ist die Vereinbarung einer verschuldensunabhängigen Vertragsstrafe in AGB bedenklich und nur dann gerechtfertigt, wenn sie ausnahmsweise als interessengerecht angesehen werden kann 103 . Rechtlich umstritten ist, wie sich das Haftungsrisiko eines bestreikten oder aussperrenden Unternehmens gestaltet. Nach Auffassung von Hanau 104 hat der Schuldner Lieferungsausfälle infolge rechtmäßiger Arbeitskämpfe in seinem Unternehmen nach dem Grundgedanken des § 279 BGB zu vertreten, da die Haftung für arbeitskampfbedingte Leistungsstörungen zum typischen Arbeitgeberrisiko im Arbeitskampf gehöre. Ähnlich argumentiert Emmerich 105: der Schuldner sei "idR 'näher dran', das Risiko von Arbeitskämpfen zu tragen, als der hier idR völlig unbeteiligte Gläubiger". Nach der Gegenmeinung 106 hat das in einen Arbeitskampf verwickelte Unternehmen die durch Arbeitskampf begründeten Lieferausfälle nicht zu vertreten. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde diese Frage in jüngerer Zeit nicht entschieden. Nach unserer Auffassung dürfte die erstgenannte Meinung vorzuziehen sein, da die arbeitskampfbedingten Leistungsstörungen ihre Ursache in der Risikosphäre des Schuldners und nicht des Gläubigers haben. Aufgrund der ungeklärten Rechtslage ist dringend zu empfehlen, die Verteilung dieses Risikos vertraglich zu regeln, also aus Sicht des Einkäufers ganz dem Lieferanten aufzuerlegen. Dies kann auch in AGB, z.B. durch den Satz "Streik [besser: Arbeitskampf] gilt nicht als höhere Gewalf geschehen 107 ; eine unangemessene Benachteiligung liegt dabei nicht vor.
103 104 105 106
107
76
Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher a.a.O. AGBG § 11 Nr. 6 RN 35; Hensen in: Ulmer/ Brandner-/.Hensen, AGBG §11 Nr. 6 RN 14 Hanau in: Münchener Kommentar zum BGB, 2. Auflage , München 1985, § 278 RN 13 Emmerich in: Münchener Kommentar a.a.O., § 275 RN 44 Soergel-Wiedemann, BGB, 12. Auflage Berlin/Köln 1990, 275 RN 3; Richardi, Auswirkungen eines Arbeitskampfes auf Schldverhältnisse mit Dritten, JuS 1984, 825 ff. Soergel-Wiedemann ebenda;
5.
Fremdbevorratungs-Vertrag (Ergänzung zu einem Rahmenvertrag)
5.1. Betriebswirtschaftliche Ziele Langfristige Rahmenverträge, wie sie für Materialien nach Werksnorm, einbaufertige Aggregate oder Ersatzteile für einen großen Maschinenpark gleicher Typen mit nur einem Lieferanten abgeschlossen werden, können unter bestimmten Voraussetzungen zu vorteilhaften Vereinbarungen über die Lagerung der Güter beim Hersteller führen. Voraussetzungen hierfür sind • sorgfältige Bedarfsplanung und Informationsaustausch mit dem Lieferanten, • Festschreibung einer bestimmten Umschlagshäufigkeit im Lager des Lieferanten, • Lagerpflege durch den Lieferanten. Vorab ist auch zu prüfen, ob bei einer Regelmäßigkeit des Bedarfs eine Vereinbarung zur sukkzessiven Lieferung oder Just-in-Time-Versorgung vorzuziehen ist. Um keine unberechtigten Erwartungen zu wecken, sind EDV-gestützte Analysen des Bedarfs unbedingt durchzuführen. Die ABC-Analyse ist erste Voraussetzung, um zu erkennen, ob sich der in Ausführung und ständiger Kontrolle doch arbeitsintensive Vertrag durch entsprechend hohes Beschaffungsvolumen lohnt. Noch bessere Erkenntnisse bringt die XYZ-Analyse bei stochastisch ermitteltem Bedarf in bezug auf die Abweichungen zwischen Prognose und Ist-Verbrauch. Aus der industriellen Praxis liegen Erfahrungen vor, die eine Kostenreduzierung von ca. 9 % der Materialbewirtschaftungskosten nachweisen, wenn durch Fremdbevorratung Lager- und Kapitalbindungskosten gesenkt werden. Eine gewisse Mehrarbeit in der Materialwirtschaft kann dabei vernachlässigt werden, da sich durch die gewollte Langfristigkeit der Verträge auch Routine ergibt. Einrichtung und Auflösung solcher Fremdbevorratungen bringen naturgemäß zusätzlichen Aufwand für die Funktionen der Materialwirtschaft oder Logistik und Einkauf. Ein wesentlicher Unterschied entsteht dabei durch die Art des Materials oder der Güter. Bei einem Standard- oder DIN-Material, auch Ersatzteilen eines Maschinen- oder Gerätelieferanten, kann der Fremdlagerhalter die Lagerpflege dadurch vereinfachen, daß er die vorzuhaltende Menge rechnerisch aufstockt; denn er beliefert auch andere Kunden mit diesen Erzeugnissen. Die Nämlichkeit der Materialien kann ohne Risiko untergehen.
77
Bei der rechtzeitig erkannten und geplanten Auflösung des Vertrages dürften keine wirtschaftlichen Nachteile für den Lieferanten entstehen. Erfahrungsgemäß verursachen Materialien nach Werksnorm bei Kündigung dann Probleme, wenn der Einkauf keine Verwendung hierfür hat und der Lieferant keine anderen Abnehmer findet. Separate Lagerung und Pflege des Bestandes bedeuten für den Lieferanten zusätzlichen Aufwand, der nur durch entsprechendes Umsatzvolumen mit Ertragskraft abgedeckt werden kann. Sollte es zum Vertragsende einen Restbestand nach Werksnorm geben, muß der Kunde diesen übernehmen. Entscheidender Faktor für Erfolg oder Mißerfolg ist die Planung in der Materialwirtschaft des Kunden, die offene Kommunikation über künftigen Bedarf und rechtzeitige Information über Veränderungen am Material oder zu erwartende Umstellungen. (Siehe hierzu auch Abb.3, Informations- und Materialfluß bei Fremdbevorratung durch Lieferanten.)
5.2. Muster eines Fremdbevorratungsvertrages in Verbindung mit einem Rahmenabkommen
Firma nachstehend Lieferant genannt, und Firma nachstehend Kunde genannt, schließen hiermit folgenden Vertrag: 1.
Grundlage dieses Vertrages Unter Bezug auf den Rahmenvertrag Nr vom richtet Lieferant in seinem Betrieb in ein Vorratslager für die in der Anlage aufgeführten Materialien und Stückzahlen ein, um den / die Betriebe des Kunden in bei Abruf sofort beliefern zu können.
78
LIEFERANT
VERKAUF
ρ PRODUKTION
1
ι 1
DISPOSITION-^ A A 1
1 1
FERTIGWARENLAGER
! NORMALBESTAND RESERV. BESTAND
1
:
A ι ι I VERTRAG
KUNDE
I I ι 1 ι EINKAUF I
ί
:
I
«
ί
I
PLANUNG ι
I
ABRUF
I κι
^
,I
ρ WARENEINGANG
-DISPOSITION-
PRODUKTION
oder j
I VERKAUF
INSTANDHALTUNG
f
^QUALITATS1
1
SICHERUNG
I
rFERTIGWARENLAGER
INFORMATIIONSFLUSS MATERIALFLUSS
Abb. 3:
Informations- und Materialfluß bei Fremdbevorratung durch Lieferanten
79
2.
Vertragsdauer und Kündigung Dieser Vertrag beginnt am und läuft auf unbestimmte Zeit. Er ist kündbar mit einer Frist von 3 Monaten. Falls der unter 1. genannte Rahmenvertrag gekündigt wird, endet dieser Fremdbevorratungsvertrag zum gleichen Zeitpunkt. Während der Kündigungsfrist gelten die zum Zeitpunkt der Kündigung vereinbarten Preise. Bei Auflösung dieses Vertrages ist Kunde (nicht) verpflichtet, die noch vorhandenen Bestände abzunehmen.
3.
Einrichtung und Führung des Fremdbevorratungslagers Die beim Lieferanten zu lagernden Artikel, Stückzahlen (Mengen) und die zu erwartende Umschlagshäufigkeit pro Jahre sind aus der beigefügten Liste ersichtlich, die Bestandteil des Vertrages ist. Kunde verpflichtet sich, Änderungen aus seiner Planung, die zu Streichungen, Neuaufnahme, Veränderung des Lagerbestandes führen, jeweils unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Lieferant wird die Veränderungen innerhalb von 4 Wochen durchführen und bestätigen. Die Streichung einzelner Artikel erfolgt analog der Regelung bei Kündigung It. Punkt 2. Die Überwachung und Auffüllung auf vereinbarte Bestandshöhe obliegt dem Lieferant. Beide Parteien verpflichten sich, durch unverzüglichen Austausch von Informationen wirtschaftliche Nachteile so gering wie möglich zu halten.
4.
Lieferung und Berechnung Lieferung erfolgt auf Abrufbestellung des Kunden. Die Lieferzeit wird auf längstens .. Werktage ohne Nachfrist festgelegt, gerechnet vom Eintreffen des Abrufs bis zum Eingang im Betrieb des Kunden. Lieferant erstellt für jeden Abruf eine Rechnung (eine monatliche Sammelrechnung) auf Basis des Rahmenvertrages.
80
5.
Schadenersatz (Vgl. 5.3.) Falls der Lieferant die abgerufenen Artikel und Mengen nicht innerhalb der vereinbarten Zeit liefert, ist der Kunde berechtigt, ohne Nachfristsetzung vom Vertrag zurückzutreten oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, unbeschadet seines Rechts weiterhin auf Lieferung zu bestehen und dem Lieferanten den Verzögerungsschaden in Rechung zu stellen.
6.
Haftung Die für den Kunden vorrätig gehaltenen Bestände lagert Lieferant auf eigenes Risiko.
Lieferant:
Kunde:
Datum / Unterschrift
Datum / Unterschrift
5.3. Rechtliche Hinweise 1.
Vgl. zunächst die rechtlichen Hinweise zum Rahmenabkommen 3.3.
2.
Schadenersatz Die Schadenersatzpflicht im Falle des Lieferverzuges setzt voraus, daß der Lieferant tatsächlich in Verzug geraten ist. Dazu ist entweder eine kalendermäßige Bestimmtheit der Leistung gemäß § 284 II BGB oder eine Mahnung erforderlich. Außerdem ist für die Möglichkeit, die Kosten einer anderweitigen Beschaffung in Rechnung zu stellen, gem. § 326 BGB normalerweise eine Nachfristsetzung nötig. Gemäß Rahmenabkommen (vgl. 3.2. Ziff. 11) ist der Lieferant verpflichtet, die Lieferung innerhalb von drei Tagen ab Eingang der Abrufbestellung vorzunehmen. Er kann und muß sich auf den Lieferumfang und die genaue Einhaltung der Lieferzeit einstellen, sodaß gem. § 284 II S. 2 BGB der Schuldner ohne Mahnung in Verzug kommt, weil der Leistung eine Kündigung vorausgegangen ist und die Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, daß sie sich von der Kündigung ab nach dem Kalender berechnen läßt. Der Vertrag ist als Fixgeschäft (vgl. oben 2.4.3.1.) anzusehen, sodaß - ausnahmsweise - eine Nachfristsetzung für den Rücktritt entbehrlich ist. Allerdings ist für Schadenersatzforderungen schuldhaftes Verhalten des Lieferanten erforderlich (§ 285 BGB).
81
6.
Konsignationslagervertrag (Ergänzung zu einem Rahmenvertrag)
6.1. Betriebswirtschaftliche Ziele Ähnlich dem Fremdbevorratungsvertrag können langfristige Rahmenvereinbarungen durch eine Konsignationslager-Vereinbarung über alle oder nur bestimmte Artikel des Rahmenabkommens abgeschlossen werden. Vorweg muß gesagt werden, daß Konsignationslager beiden Parteien einen verhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand verursachen; dem Lagerhalter, weil er einen Lagerbestand und die sich ergebenden Warenbewegungen in einem fremden Betrieb führen und bewerten muß und dem Konsignationsnehmer, der in seinem Lagerbereich einen Fremdbestand organisatorisch getrennt halten und als solchen auch deutlich abgrenzen und kennzeichnen muß. Die Kostenvorteile für den Konsignationsnehmer liegen deshalb bei mehrjähriger Nutzung des Vertrages zwischen 3 und 5 %. Es sind dies ersparte Zinsen der Kapitalbindung, verrechnet mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand. Geeignet sind Rohstoffe nach DIN, standardisierte Materialien, Verbrauchsmaterial und genormte Ersatzteile. Material nach Werksnorm oder Zeichnung sollte nicht in Konsignation genommen werden. In diesem Zusammenhang tritt zwangsläufig das Problem der Rücknahme der Ware durch den Lieferanten nach Kündigung auf. Für die einzulagernde Ware sollte der Einkauf anhand einer ABC-/ XYZ-Analyse sowohl über den Verbrauchswert als auch über die Prognosegenauigkeit des Verbrauchs informiert sein und sich darüber mit dem Lieferanten austauschen. Die untere Grenze der Umschlagshäufigkeit wird üblicherweise vertraglich festgelegt, um dem Lagerhalter eine Wirtschaftlichkeit erkennen zu lassen. Während für den einkaufenden Betrieb der Vorteil der sofortigen Verfügbarkeit von Material ohne Kapitalbeanspruchung auf der Hand liegt, kann der Lieferant, insbesondere bei großer Entfernung zum Kunden, seine logistischen Kosten durch möglichst große Auffüllmengen senken. Eine optimale Abwicklung zum Vorteil des Lieferanten und Kunden erfordert einen regelmäßigen Informationsaustausch über künftigen Bedarf, der in der Regel stochastisch disponiert wird. Es verursacht auch keine Probleme, wenn zwischendurch ungeplante Mengen benötigt werden. Ist dies häufiger der Fall, dann sollte die Mindestbestandsmenge entsprechend erhöht werden. 82
Zumindest halbjährlich ist eine Abstimmung von Mindest- und Höchstbestand im Konsignationslager notwendig. Wenn es die Platzverhältnisse im Lager und die Umschlagshäufigkeit zulassen, sollte dem Lieferanten die Möglichkeit gegeben werden, in möglichst großen Losen zu produzieren und zu liefern. Überraschend auftretender Mehrbedarf, zum Beispiel ausgelöst durch Störfälle, muß sofort dem Lagerhalter mitgeteilt werden. Die meisten Unternehmen führen Konsignationsbestände, Entnahmen daraus (^Abgänge) und Auffüllungen (^Zugänge) in ihrer Lagerverwaltung wie eigene Bestände, jedoch durch eine Kennziffer oder Kennbuchstaben markiert, um eine versehentliche Aufnahme in die Inventur zu vermeiden. Die Erkenntnis, daß der Bedarf zurückgeht oder in absehbarer Zeit nicht mehr bestehen wird, erfordert umgehende Benachrichtigung des Lieferanten, am besten mit Vorschlägen zur Reduzierung der Mindest- und Höchstbestände. In Abb. 4 sind die Informations- und Warenströme zwischen KonsignationsLagerhalter und Kunde dargestellt. In Abb. 5 wird an einem Praxisbeispiel dargestellt, wie sich die Verträge gemäß Kapitel 4, 5 und 6 auf die Bestandsentwicklung auswirken (können). Bei den in der Spalte F aufgeführten Materialpositionen handelt es sich um Material, das vertragsgemäß beim Lieferanten bevorratet und auf Abruf just-intime angeliefert wird. Von den 771 Materialpositionen in JIT-Verträgen stehen 748 im eigenen Lager auf Nullbestand (97%), d.h. diese Verträge funktionieren ausgezeichnet, denn gewisse Restmengen, evtl. als Sicherheitsbestand, lassen sich nie ganz ausschließen. In der Spalte Κ erkennt man unter "Vorhanden", daß 3.327 Materialpositionen in Konsignation geführt werden. 105 stehen auf "Null", d.h. die Verträge werden ordentlich erfüllt, da nur 3,1% der Materialpositionen im Augenblick nicht greifbar sind. Es wird daran erinnert, daß Konsignationsware sinnvoller Weise wie eigener Bestand erfaßt und dokumentiert wird, um die Disposition der Auffüllung zu erleichtern. Damit wird auch die Meldung der Entnahmen, die vorzugsweise zum Monatsende erfolgt, vereinfacht. Sie soll eine Sammelrechnung beim Lieferanten auslösen, deren Fälligkeit üblicherweise per 15. des Folgemonats lautet.
83
Alles deutet darauf hin, daß Kostenvorteile für beide Parteien ein hohes Maß an Vertrauen auf soliden Informationsaustausch und Zusammenarbeit voraussetzen. Dazu gehört in erster Linie eine gut funktionierende Materialwirtschaft des Abnehmers. An dieser Stelle ist auch auf die Bedeutung des Materialwirtschafts- oder LogistikControlling im Zusammenhang mit den Verträgen hinzuweisen.
VERKAUF
LIEFERANT
t
I
1
DISPOSITION-—FERTIGWARENLAGER I 1
1
1
À!
Α
1 1
,
I
1 1
PLANUNG
VERTRAG
ι 1
1
/Ν ι I 1
I ENTNAHME-
AUFFÜLLUNG
I
MELDUNG '(ZU BERECHNENDE I MENGE) I
I I
Î
Λ
I 1
I i
—I
KUNDE
PRODUKTION
EINKAUF
'
V
1
I
Γ
I
(OHNE BERECHNUNG)
EINGANGSPRÜFUNG
DISPOSITION^, ι MATERIALLAGER
-KONSIGNATIONLAGER L
PRODUKTION
INFORMATIONSFLUSS MATERIALFLUSS
Abb. 4:
84
Informations- und Materialfluß bei Führung eines Konsignationslagers im Betrieb des Kunden
85
Abb. 5:
13
1
4 3
3
7 3
2
B
^
1
38 5
12
5
I
3
958
5,2
^3.l)
1.836
1
3
3ϋ 184
28 ΙΟ
1
31
11
37
6
2
V
2
3
1 2
2
12
80 90,2 1 . 7
1
1
5
1
2 1.553
2
14.790
30
2
2 7
1
10 »6
72 57 84
202
370
22
20.79 1
0
1
896
8
9 4 , 2 5.0 7 . 5
3.463
750
10
4
U
»
9
1 1
330
I
1
1
4.479
336
104
1
8
31,8
1.525
1.209
1 19
11
41 47 ,ü
2
1
1.739
945
207
34
1.916
536
2
12
3
16,6
25,1
18,1 14,2
26 135 38,6
20,1 2 11 9 63
45.253
1 12 8.3 82 219 37,4 60 107 56,0 86 133 64,6
11 18,1
386
4 1,5
5 20.0
2.273
0,0
9,0
23,5 57,1 52,0
79 17,7 32,1 8 34 8 14 49,1
1ÜO.O
10
3.621
14 5 10
34 61,7 40,9 75 93 80,6 22,0 38 38 100,0 23 42 54,7
21
VORM. % NULL
1.781
495
GES.
3.118 10,5 1.816 5.590 32,4 1.228 2.498 49,1 2 167 405 4 1,2 87 196 44,3 11 150 7,3 4 9 177 5,0 2 380 1.184 32,0 392 710 55,2 54 186 29,0 52 242 21,4 13 89 14,6 1 67 131 51,1 667 866 77,0 2 1.95 1 3.222 60,5 8.004 9.012 88,8 11 27 40,7 88 255 34,5 6 24 25,0
2
1.428
Ζ
P fi ü U E V O U U A T U N G S I N D E X
Bestandsentwicklung nach Bevorratungsindex F= Fremdbevorratung; K= Konsignationslager
(93^ίΓ)
1
3
S
149 16 86 1 7 2 5 298 68 381 5 36 11 32 1 9 2 63 2 665 1
57
253
1.747
1.8/6 25 7.941
2 1
Ci 7
f< 21 206 120 1 75 2 1 8 6G 2 38 18 4 887 54 2 16 5 78 U «
1.426 1.142
L
19
10
31 1 5
7
1
1
2
2
3
(£)
N U L L B E S T A E N ü E
90 110 1 9 . 5 8 8
22
36 52
23
1 151 10
444 2
74
45
63
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A N Z A H L
1.549
36 900
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VORM.
GES.
94 95 96 99
93
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89 90
88
öl 83 85 8b 87
80
5ö 59 60 61 64 65 66 67 68 69 70 71 73 74 75 76 77 78 79
ι,Ιί
5 1
44
3