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German Pages 430 [432] Year 2023
Tristan Spillmann Von intellektuellen Kriegen und Gelehrtengerichten
Transformationen der Antike
Herausgegeben von Hartmut Böhme, Horst Bredekamp, Johannes Helmrath, Christoph Markschies, Ernst Osterkamp, Dominik Perler, Ulrich Schmitzer
Wissenschaftlicher Beirat Frank Fehrenbach, Niklaus Largier, Martin Mulsow, Wolfgang Proß, Ernst A. Schmidt, Jürgen Paul Schwindt
Band 68
Tristan Spillmann
Von intellektuellen Kriegen und Gelehrtengerichten Zur Konventionalität der humanistischen imitatio im Streit zwischen Lorenzo Valla und Poggio Bracciolini
Diese Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen.
ISBN 978-3-11-132340-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-132455-5 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-132464-7 ISSN 1864-5208 Library of Congress Control Number: 2023941463 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Vorwort „On n’habite pas un pays, on habite une langue. Une patrie, c’est cela et rien d’autre.“ Emil Cioran, Aveux et Anathèmes, Paris 1987, S. 21.
Gelehrte streiten. Dies scheint nicht allein ein Kennzeichen von postulierter Gelehrsamkeit zu sein, sondern stellt ebenso eine Grundkonstante von Gruppen dar, die sich wissenschaftlich oder künstlerisch betätigen. Ein Merkmal des Gelehrtenstreits ist es zudem, dass er in aller Regel – mit wenigen Ausnahmen – nicht physisch, sondern sprachlich, nicht mit Gewalt, sondern mit Argumenten ausgetragen wird und die Öffentlichkeit sucht, ob nun innerhalb der jeweiligen Gemeinschaft oder auch jenseits ihrer Grenzen. Wenn Gelehrte streiten, ist allen Beteiligten bewusst, und dies kann ihnen ohne Weiteres unterstellt werden, dass Sprache immer auf mehreren Bedeutungsebenen Inhalte zu transportieren vermag, dass der Sinn verbalisierter Gedanken auch von Ambiguität geprägt sein kann, dass mehrdeutige Aussagen getroffen werden können, die aufgrund des Sprachgebrauches, der zwangsläufig vom soziokulturellen Kontext abhängig sein muss, unterschiedliche Semantiken übermitteln kann. Daher ist Sprache stets ein Konfliktpotential inhärent, das sich im Gelehrtenstreit für gewöhnlich implizit wie explizit entlädt und der ursprünglichen Ausgangssituation eine weitere Dimension verleiht. Deutungshoheit über Begrifflichkeiten und über den Wortgebrauch gehören nolens volens zu den Zielen derartiger Auseinandersetzungen, was insbesondere die Kontroverse um den kamerunischen Historiker und Politologen Achille Mbembe (*1957) im Jahr 2020 belegt, die jedoch schnell von den globalen Ereignissen überschattet und in den Hintergrund der öffentlichen Aufmerksamkeit rücken musste. Auch im Konflikt zwischen den beiden Humanisten Lorenzo Valla (1406– 1457) und Poggio Bracciolini (1380–1459) in der Mitte des 15. Jahrhunderts ist die Frage nach Bedeutung und Sinn von Worten omnipräsent, ja, Sprache stellt letztlich den Hauptgegenstand ihres Disputs dar: Die lateinische Sprache selbst steht in ihrem lateinisch (!) geführten Konflikt zur Debatte. Konkret suchten beide Gelehrte nach Möglichkeiten, ein „gutes“, d.h. präzises, rhetorisch effizientes und „klassisches“ Latein zu erzielen, wofür sie die seit dem Altertum etablierte literarische Nachahmung, die imitatio, als Denkfigur und Kompositionstechnik ihrem Vorhaben zugrunde legten. Dass die Frage nach der idealen lateinischen Sprache mehrere Implikationen aufwies, die soziale, (sprach-)philosophische, kulturhistorische und letztlich auch konkret politische Themen tangierte, spiegelt sich in der diskursiven Breite ihres mehrschichtigen Schlagabtausches wider. Auch, um auf den obigen, bislang noch unkommentierten Aphorismus des rumänischen Philosophen Emil Cioran (1911–1995) endlich einzugehen, betrachteten die Humanisten das Lateinische als Ausdruck ihrer kulturellen und intellektuellen Selbstverortung – sie identifizierten sich mit der Latinitas und applizierten sie als soziales Erkennungszeichen. Ferner diente sie ihnen als sinnund gemeinschaftsstiftendes Kulturgut und Wissensspeicher, als unabdingbares Axiom https://doi.org/10.1515/9783111324555-202
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Vorwort
ihres Selbstverständnisses. Sie „lebten“ förmlich in der lateinischen Sprache, um Ciorans Worte zu nutzen. All diese Aspekte stellten Poggio und Valla in ihrem Streit implizit wie explizit zur Disposition. Beiden war jedoch, logischerweise, überhaupt nicht bewusst, dass sie einen Diskurs in Gang setzten, ja, gleichsam einen Präzedenzfall vorlegten, der konstitutiv für die nachfolgenden Literaturdebatten des ausgehenden Jahrhunderts wurde und sodann im Cinquecento in der brieflichen Diskussion zwischen Gianfrancesco Pico della Mirandola (1469–1533) und Pietro Bembo (1470–1547) um 1515 eine neue reflexive Stufe erreichte. Bracciolini und Valla antizipierten bereits wesentliche Streitpunkte der späteren Auseinandersetzungen, wenngleich ihr noch unausgereiftes Vokabular und ihre ostentative Schwierigkeit, alle ihre Gedanken zur (lateinischen) Sprache adäquat und verständlich zu verbalisieren (!), den Streitdiskursiv noch in gewissen Grenzen hielt. Vielleicht ist nirgendwo im ereignisreichen und im vielfachen Wandel begriffenen 15. Jahrhundert der Rahmen des Denkbaren so deutlich zu erkennen wie in der Bracciolini-Valla-Kontroverse, die, trotz ihres immensen Einflusses auf die Auffassung von Sprache und Literatur, letztlich auch von den globalen Ereignissen überschattet und nur temporär die Aufmerksamkeit der italienischen Intellektuellen für sich reklamieren konnte. Diesen Gelehrtenstreit, der ein zunächst seltsam anmutendes Konglomerat aus Witz, Spott, Insultation, Obszönität, akribischer Philologie, bemerkenswerter (sprach-)philosophischer und historischer Reflexionen und literarischem Einfallsreichtum darstellt, habe ich in meiner Dissertation systematisch untersucht und mithilfe des von mir kalibrierten Konzeptes der Konventionalität als konstitutives Element des Renaissance-Humanismus eingestuft. Ich möchte mich zunächst bei meinen beiden Betreuern, Prof. Dr. Peter Orth und Prof. Dr. Gernot Michael Müller, für ihre umfassende Unterstützung bedanken, die auch in den turbulenten und von sozialer Isolation geprägten Jahren 2020 und 2021 nicht nachgelassen hat. Ihre Anmerkungen, ihre Hilfe bei teils eigentümlichen lateinischen Formulierungen, aber auch ihre ideelle Betreuung hatten wesentlichen Einfluss auf die Konzeption und Fertigstellung der Arbeit. Ebenfalls möchte ich meinen Dank gegenüber meiner Prüfungskommission aussprechen, zu der Prof. Dr. Peter Schenk als Prüfungsvorsitzender, Prof. Dr. Karl Ubl, Jun.-Prof. Dr. Étienne Doublier und PD Dr. Susanna Fischer gehörten. Ebenso danke ich dem Kölner Graduiertenkolleg 2212 „Dynamiken der Konventionalität 400–1550“, das mir überhaupt erst die Arbeit an meiner Dissertation nicht allein aufgrund der finanziellen, sondern insbesondere auch aufgrund der ideellen Förderung ermöglicht hat. Meinen damaligen Kolleginnen und Kollegen möchte ich in diesem Zusammenhang ebenso für ihre kritischen Meinungen, ihre wunderbare Kollegialität wie auch für die gemeinsame Übung meiner Disputatio meinen Dank aussprechen. Prof. Dr. Johannes Helmrath danke ich dafür, dass er vorgeschlagen hat, meine Dissertation in der von ihm mitherausgegebenen Reihe „Transformationen der Antike“ aufzunehmen. Sein Kommentar zum ersten fertiggestellten Kapitel meiner Arbeit im Januar 2021 im Rahmen eines vom Graduiertenkolleg organisierten „Response-Workshops“ hat einen ungemeinen Einfluss auf den finalen Darstellungsmodus der Arbeit
Vorwort
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gehabt. Ich freue mich sehr, dass meine Dissertation, die sich letztlich mit der kompositorischen Transformation antiker Literatur auseinandersetzt, in dieser Reihe erscheint. Dem De Gruyter-Verlag drücke ich ebenfalls meinen Dank für die Veröffentlichung meiner Dissertation aus. Insbesondere Katharina Legutke, Carla Schmidt und Anne Stroka seien an dieser Stelle für ihre Unterstützung hervorgehoben. Ebenso möchte ich mich bei meinen akademischen Lehrern aus meiner Wuppertaler Studienzeit bedanken: Prof. Dr. Gerrit Walther und Prof. Dr. Elisabeth Stein haben mir den außergewöhnlichen Weg zum Renaissance-Humanismus gezeigt, während Prof. Dr. Jochen Johrendt und Dr. Rolf Kuithan mich für das Mittelalter begeistert und letztlich auch gewonnen haben. Lorenzo Valla konnte auf den apostolischen Bibliothekar Giovanni Tortelli, Poggio Bracciolini auf den als strengen Literaturkritiker bekannten Niccolò Niccoli als intellektuelle Unterstützer zählen. Diese Rollen übernahmen für mich Sabine Strupp und Mădălina Guzun, mit denen ich in bester humanistischer Tradition aus der Ferne über meine Arbeit gesprochen habe. Ihnen möchte ich für ihre Anmerkungen und Kritik, aber vor allem für ihre Freundschaft danken. Die Arbeit ist meiner Mutter Angelika, die stets meinen Überlegungen zu den beiden Humanisten lauschen musste, und Merlin, der mich bei diesem Unterfangen auf Schritt und Tritt begleitet und niemals im Stich gelassen hat, gewidmet. Abschließend möchte ich an dieser Stelle mein Gedenken an meinen Vater Markus und meinen Großvater Siegfried bewahren, die leider nicht mehr die Veröffentlichung meiner Dissertation miterleben konnten. Bonn, 22.8.2023
Inhaltsverzeichnis Vorwort
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1 Einleitung 1 1.1 Auf der Suche nach klassischer Latinität 1 1.1.1 Meinungsverschiedenheiten an der Kurie im 15. Jahrhundert 1.1.2 Die Pathologie einer Feindschaft 11 1.1.2.1 Koexistenz und Konfrontation der Antagonisten 11 1.1.2.2 Der chronologische Verlauf der Bracciolini-Valla-Kontroverse 1.2 Methodische Vorgehensweise: Konventionalität als Analysemodell 21 1.2.1 Das Nachahmungsverfahren als sozio-literarische Konvention 1.2.1.1 Sozio-literarische Voraussetzungen des Humanismus 21 1.2.1.2 Humanistische Nachahmungsverständnisse bis 1450 32 1.2.2 Die Invektive und die konventionalisierte Streitkultur des Humanismus 42
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2 Die Versachlichung des literarischen Nachahmungsverfahrens 55 2.1 Die imitatio zwischen Theorie und Praxis 55 2.1.1 Der usus loquendi als neues Paradigma 57 2.1.2 Die invektive Stilkritik 71 2.1.3 latine oder grammatice loqui? 85 2.2 Sprachphilosophische und soziokulturelle Prämissen 100 2.2.1 Das Spannungsverhältnis von ratio und auctoritas 100 2.2.1.1 Eingriffe in die Überlieferungsträger 102 2.2.1.2 Das vallianische Originalitätsprinzip 113 2.2.2 Agonale Sprach- und Geschichtsverständnisse 119 2.2.3 Latinität als soziokulturelles Sakrament 134 2.2.3.1 Lorenzo Vallas „Sprachimperium“ 134 2.2.3.2 Rom gegen Florenz? Zur Politisierung der Sprachverständnisse 139 2.3 Humanistische Gegenwartsgestaltung 145 2.3.1 Vallas repastinatio der (Moral-)Philosophie 145 2.3.1.1 Aristoteles und die Grenzen der imitatio 146 2.3.1.2 Kritik an De libero arbitrio und De vero bono 151 2.3.1.3 Philologie als Universallehre 155 2.3.2 Semantische Aktualisierung der Jurisprudenz 163 2.3.3 Philologisierung der Theologie 173 2.4 Zusammenfassung: ein Kampf um dogmatische Herrschaft 182
X
Inhaltsverzeichnis
3 Die vituperatio als praktische Umsetzung der imitatio 186 3.1 Rhetorische Voraussetzungen der vituperatio 186 3.1.1 Invektive Topik 186 3.1.2 Verbalinjurien 190 3.1.3 Der virtuelle Gerichtsprozess 195 3.2 Konformitätsprüfung und Inszenierungsformen 200 3.2.1 Reputationsverteidigung und invektive Motivation 201 3.2.2 Intellektuelle Kriege und historische Analogien 213 3.2.3 Die Häresieanklage 221 3.2.4 Unterweltsfahrten und Totengerichte 231 3.3 Diskreditierung von vita und mores 236 3.3.1 Herabsetzungs- und Verteidigungstechniken 236 3.3.1.1 Bracciolinis Herabsetzungsstrategien 239 3.3.1.2 Vallas Verteidigungsstrategien 243 3.3.1.3 Das gemeinsame Herabsetzungsrepertoire 244 3.3.2 Vorwürfe tätlicher Verbrechen 246 3.3.3 Hypersexualität und Völlerei als Leitmotive 253 3.4 Moralische Verstöße und rhetorische Vergehen 264 3.4.1 Moralische Aufladung der Latinitas 264 3.4.1.1 Der erste Akt des Apologus 264 3.4.1.2 Bracciolinis Facetiae 270 3.4.2 Die rhetorische Metakritik als invektive Technik 275 3.4.2.1 Bracciolinis fünfte Rede 275 3.4.2.2 Der zweite Akt von Vallas Apologus 279 3.5 Zusammenfassung: Der kompetitive Charakter der imitatio
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4 Die Aushandlungsphase: Intellektuelle Bündnisschlüsse 289 4.1 Frontenbildung und der Aufruf von Leumundszeugen 289 4.1.1 Argumentations- und Vernetzungsstrategien 289 4.1.2 Die Kurie als Austragungsort 294 4.1.2.1 Der römisch-florentinische Gelehrtenkreis um 1450 294 4.1.2.2 Die neapolitanische Front 297 4.1.2.3 Das Meinungsspektrum in Rom 300 4.1.2.4 Bracciolinis Strategien als florentinischer Kanzler 305 4.2 Vom „self-fashioning“ zum „community-fashioning“ 309 4.2.1 Vallas Bündnisstrategien am Beispiel Venedigs 312 4.2.2 Bracciolinis Lachgemeinschaft in Ferrara 322 4.2.3 Die bolognesischen Stellvertreterkonflikte 328 4.2.3.1 Niccolò Perotti gegen Poggio Bracciolini 328 4.2.3.2 Die Teilnahmen Niccolò Volpes und Benedetto Morandis 336
Inhaltsverzeichnis
4.2.4 4.3
Das Ende der Bracciolini-Valla-Kontroverse 340 Zusammenfassung: Der Streit als virtuelles Forum
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Schlussbetrachtung
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Appendix: Antidotum secundum, Autograph, ms. Par. Lat. 8691, fol. 105r–107r 361
Quellen- und Literaturverzeichnis Register
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XI
1 Einleitung 1.1 Auf der Suche nach klassischer Latinität 1.1.1 Meinungsverschiedenheiten an der Kurie im 15. Jahrhundert Was ist Humanismus? Dass diese zunächst naiv anmutende Frage durchaus ihre Berechtigung hat, belegt die bereits kaum zu überblickende Anzahl an moderner Forschungsliteratur zum Renaissance-Humanismus, die höchst unterschiedliche Antworten gibt. Abhängig von der Disziplin, von den jeweiligen Ansätzen und Fragestellungen, aber auch von den konkreten Untersuchungszeiträumen und ihren Akteuren ergeben sich dabei teils widersprüchliche Definitionen. Zwei zentrale Leitprinzipien scheinen jedoch allen Bestimmungsversuchen gemein zu sein: Die Idealisierung des griechisch-römischen Altertums sowie die Herleitung einer elaborierten Ausdrucksweise aus den antiken Sprachen, die zunächst vom 14. bis zum Ende des 15. Jahrhundert im Lateinischen, ab dem 16. Jahrhundert sodann vermehrt in den jeweiligen Volkssprachen kultiviert werden sollte1. Die Schwierigkeit einer eindeutigen Festlegung des Humanismus ist indes nicht Der Verfasser bezieht sich, der berechtigten Mahnung Walter Rüeggs 1946, S. 1 f. folgend, am Anfang einer Arbeit zum Renaissance-Humanismus den Begriff unmittelbar zu bestimmen, auf die umfassende Definition von Gerrit Walther 2007, Sp. 665–692 in der „Enzyklopädie der Neuzeit“, der kritisch die Ergebnisse der bisherigen zweihundertjährigen Humanismusforschung zu vereinen weiß und daher eine gute und ausbaufähige Arbeitsgrundlage bietet. Walther, bes. Sp. 665 f., definiert den Humanismus als nicht-institutionalisierte intellektuelle Bewegung, die durch das intensive Studium der antiken Sprachen Latein und Griechisch eine kulturelle Reform zu initiieren versuchte. Ihre Absicht bestand darin, jegliche wissenschaftliche und künstlerische Disziplinen mit einem ethischen Ideal zu verbinden, an das von ihnen postulierte Vorbild der antiken Kultur anzupassen und letztlich zu etwas Neuem zu transformieren. Vgl. auch den dieselbe Tendenz aufweisenden Artikel von Rüegg 2003 im „Lexikon des Mittelalters“. Anregend auch zur Definitionsfrage King 2015. Zur nicht unterschätzbaren Bedeutung der Sprache für die Humanisten siehe den Essay von Fubini 2003, S. 9–42 und bes. die Monographie von Celenza 2018. Zur Genese des Humanismus als Bewegung am Anfang des 15. Jahrhunderts vgl. den anregenden Aufsatz von Revest 2013. Eine angemessene Würdigung der bisherigen Forschung zum Humanismus ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Zur Begriffs- und Forschungsgeschichte und der damit oft in Zusammenhang gebrachten Epochenbezeichnung „Renaissance“ auf einer Metaebene siehe Muhlack 2017. Als Überblick zu den verschiedenen Tendenzen und Paradigmen der Humanismusforschung siehe das ausführliche Kapitel bei de Boer 2017, S. 25–52, der sich ebenso den neuesten Ansätzen der letzten Jahrzehnte widmet und eine wichtige Einführung zum Forschungsstand bietet. Siehe außerdem die Überblicksdarstellung von Helmrath 2013. Zu aktuellen Interpretationen vgl. der von Angelo Mazzocco (2006) herausgegebene Sammelband „Interpretations of Renaissance-Humanism“ mit internationaler Perspektive. Eine Übersicht zur Renaissanceforschung einschließlich des Humanismus als Ausdruck der Epoche im Allgemeinen bietet Martin 2003, zu den stilistischen Anfängen der Bewegung ist die Arbeit von Witt 2003 unerlässlich, der sowohl die in der Forschung als „Protohumanisten“ bezeichneten Gelehrten als auch die frühen Vertreter bis einschließlich Leonardo Bruni betrachtet. Die Impulse zur Humanismusforschung gehen seit Beginn dieses Jahrhunderts meist aus dem angelsächsischen und angloamerikanischen Sprachraum hervor. https://doi.org/10.1515/9783111324555-001
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1 Einleitung
neu und beschäftigte bereits diejenigen Akteure, die aus der Retrospektive als Humanisten, d. h. als Vertreter dieser spezifischen, sich im 14. und 15. Jahrhundert herausbildenden Gelehrtenkultur gemeinhin klassifiziert werden. Der apostolische Sekretär Paolo Cortesi (1465–1510) suchte gegen Ende des ereignisreichen Quattrocentos nach den historischen Ursprüngen dessen, was heute als Humanismus bezeichnet wird. Er identifizierte die theoretische wie praktische Grundlage in der Rekonstruktion und Applikation der eloquentia, d. h. eines lateinischen Sprachideals, das er, wie seine Zeitgenossen, in das Altertum verortete und hauptsächlich mit dem römischen Redner Cicero verknüpfte. In seiner um 1489 entstandenen Schrift De hominibus doctis, einem am ciceronianischen Brutus orientierten Dialog, lässt er drei dramatis personae, einen gewissen Antonius, sich selbst und Alessandro Farnese (1469–1549), den zukünftigen Papst Paul III. (1534–1549), über die Erforschung der Latinität diskutieren. Die Sprecher skizzieren dabei die Beiträge und Distinktionsmerkmale der als Pioniere gezeichneten Humanisten aus den letzten zwei Jahrhunderten2. Dabei fällt insbesondere der Abriss zum Wirken des Gelehrten Lorenzo Vallas (1406–1457) ins Auge, der seine Karriere ebenso in Rom als apostolischer Sekretär zweiunddreißig Jahre zuvor beendete. Im Gegensatz zu anderen Kurzbiographien leitet er den Abschnitt zu Vallas Errungenschaften mit einer Charakterisierung ein, die ihn als außergewöhnlichen (egregius), jedoch „strengen“ (acer), „lästigen“ (molestus), „unwirschen“ (stomachosus) und vor allem „schmähsüchtigen“ (maledicus) Schriftsteller zeichnet. Das Urteil Cortesis fällt auch hinsichtlich seiner Leistungen ambivalent aus und widerspricht, so wendet der Sprecher Alessandro ein, der allgemeinen Wahrnehmung Vallas, die dem „Scharfsinn seines Geistes“ (acumen ingenii) die Wiederbelebung Italiens (recreare) zuschreibt3. Obwohl er als Lehrer „sorgfältig“ über die ratio verborum Latino-
Neuere Ansätze und Schwerpunkte aus Deutschland umfassen unter anderem die Beiträge der drei Sammelbände „Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten“ (hrsg. von Johannes Helmrath, Ulrich Muhlack und Gerrit Walther), „Funktionen des Humanismus. Studien zum Nutzen des Neuen in der humanistischen Kultur“ (hrsg. von Thomas Maissen und Gerrit Walther) und „Späthumanismus. Studien über das Ende einer kulturhistorischen Epoche“ (hrsg. von Notker Hammerstein und Gerrit Walther). Siehe auch jüngst den von 2005 bis 2016 von der DFG geförderte Sonderforschungsbereich 664 „Transformationen der Antike“, der sich ebenso der Antikerezeption der Humanisten widmete. Dazu bes. der von Patrick Baker, Johannes Helmrath und Craig Kallendorf herausgegebene Sammelband „Beyond Reception. Renaissance Humanism and the Transformation of Classical Antiquity“. Eine philosophie-historische und überaus quellenreiche, den aktuellen Forschungsstand berücksichtigende Überblicksdarstellung über den Humanismus bietet Leinkauf 2017. Nach wie vor prägen die Deutungsansätze Hans Barons, Eugenio Garins und Paul Oskar Kristellers das Humanismusverständnis internationaler Studien. Zu den Interpretationen der drei führenden Humanismusforschern des 20. Jahrhunderts überblickend Hankins 2001b und 2003. Zur Renaissance als Epoche jüngst die umfangreiche Gesamtdarstellung von Roeck 2018. Zur Bewahrung der Übersicht innerhalb des Anmerkungsapparats wird im Folgenden die hier applizierte Kurzzitation verwendet, die mithilfe des Quellen- und Literaturverzeichnisses aufgelöst werden kann. Vgl. Baker 2015, hier S. 134 f. Cortesi 1979, De hominibus doctis, S. 142–144, hier S. 142: Horum aetatibus adiunctus est Laurentius Valla, scriptor egregie doctus, cuius ingenii acumine constare inter omnes audio Italiam esse recreatam,
1.1 Auf der Suche nach klassischer Latinität
3
rum geschrieben habe, weise sein eigener Stil deutliche Mängel auf, was die persona Antonius mit der vermeintlichen Diskrepanz zwischen Vallas theoretischer Lehre und ihrer praktischen Umsetzung zu erklären versucht4. Er resümiert: „Jener blühende, sowohl angenehme als auch unverdorbene lateinische Ausdruck benötigt nämlich freilich eine gewisse Zusammenfügung und Verknüpfung der Worte, durch welche eine klangorientierte Harmonie erzeugt wird“5. Dass die ideale Redeweise eine Verschränkung von stofflicher und auditiver Ordnung voraussetze, wie Cicero im Brutus und Orator lehrt, habe Valla entweder übersehen oder bewusst ignoriert. Nichtsdestoweniger soll er einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der zeitgenössischen Auffassung von Latinität geleistet haben. Die von ihm erwähnte Schmähsucht deutet zwar auf diverse Konflikte hin, doch interessanterweise übergeht Cortesi in seinem Dialog die in den 1450er an der Kurie stattgefundene Debatte zwischen ihm und dem apostolischen Sekretär und prominenten Gelehrten Poggio Bracciolini (1380–1459), einem aus seiner Sicht weiteren Wegbereiter der eloquentia, den er in seinem dialogus verewigte. Cortesis Urteil über ihn fällt wesentlich positiver aus, wenngleich es auch nicht unkritisch ist: Bracciolini sei seinerzeit als Bild der Eloquenz (species eloquentiae) erschienen, der in seinen Reden seine Beredsamkeit (facundia) und die bewundernswerte Gewandtheit seines Geistes (facilitas ingenii mirifica) gezeigt habe. Aber auch in seinen Schriften sei ein Kontrast zwischen der rhetorischen Kunstfertigkeit (artificium) und seiner natürlichen Schreibart (ingenium) festzustellen. Er habe Cicero zwar als theoretisches Modell seinem Schaffen zugrunde gelegt, in praxi jedoch keinen ciceronianischen Stil umsetzen können. Dennoch sei ihm sein Imitationsversuch hoch anzurechnen6. Isoliert betrachtet suggeriert Cortesis Darstellung eine teleologische Richtung des Humanismus, der erst am Ende des Quattrocentos seine Ziele endlich erreicht zu haben schien. Zugleich präsentiert er sich selbst als versierter Exponent des Ciceronianismus, der sich mit seinem Dialog die Deutungshoheit über die intellektuelle Bewegung zuzuweisen beabsichtigte.
sed erat acer et maledicus et toto genere paulo asperior, diligentissimus tamen Romanarum rerum atque verborum investigator. Molestus erat et stomachosus: nihil admodum alienum laudabat, sua vero cum diligentia tum acri quodam iudicio expendebat. Dazu Celenza 2009, S. 242. Cortesi 1979, De hominibus doctis, S. 144: Alex. Quid ergo est causae, si tam diligenter Valla de ratione verborum Latinorum scripserit, ipse non bene satis loqui Latine videatur? Ant. Non est enim, Alexander, eadem ratio scribendi quam praecipiendi. Cortesi 1979, De hominibus doctis, S. 144: Florens enim ille et suavis et incorruptus Latinus sermo postulat sane conglutinationem et comprehensionem quandam verborum, quibus conficitur ipsa concinnitas ad sonum. Cortesi 1979, De hominibus doctis, S. 135–136, hier S. 135 f.: Nam illis temporibus in Poggio Florentino quaedam species eloquentiae apparuit, in quo si tale artificium fuisset quale ingenium ad scribendum fuit, omnes profecto eius aequales dicendi gloria vicisset. Is orationes reliquit, quae et facundiam et mirificam ingenii facilitatem ostendunt: tendebat toto animo et quotidiano quodam usu ad effingendum M. Tullium; sed habet hoc dilucida illa divini hominis in dicendo copia, ut existimanti se imitabilem praebeat, experienti spem imitationis eripiat. Eam igitur dicendi laudem Poggius, si non facultate, at certe voluntate complectebatur [...]. Dazu McLaughlin 1995, S. 131.
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1 Einleitung
Die hier genannten Aspekte, die theoretischen Voraussetzungen, die praktische Anwendung sowie die Verbindlichkeit Ciceros als imitatives Modell, wurden bereits umfassend zwischen Lorenzo Valla und Poggio Bracciolini zu Beginn der 1450er Jahre an der römischen Kurie in einer öffentlichen Auseinandersetzung zur Disposition gestellt. Ihr Streit offenbarte eine tiefe stilistisch-rhetorische Kluft, die von Cortesi in seinem Dialog ostentativ verschwiegen wurde, da sie den Humanismus als eine äußerst heterogene Gemeinschaft mit unterschiedlichen literarischen Interessen und Zielsetzungen hätte erscheinen lassen können. Die intellektuelle Bewegung befand sich im 15. Jahrhundert in einer Konsolidierungsphase, die von interner Rivalität und mehrschichtigen Deutungskämpfen um ihre programmatische Ausrichtung geprägt war, wie Cortesis eigener, zwischen 1485 und 1491 stattgefundener Disput mit dem florentinischen Gelehrten Angelo Poliziano (1454–1494) bezeugt7. Die Aufarbeitung der Rhetorik und die Restauration der klassischen Latinität stellten für ihre Anhänger dabei nicht allein ein literarisch-wissenschaftliches Projekt dar. Die lateinische Sprache wurde als genuin italienisches Kulturgut wahrgenommen und ihre Pflege und Kultivierung gleichsam als moralisch fundierte Berufung aufgefasst, was sich insbesondere in der Vehemenz der Bracciolini-Valla-Kontroverse äußerte, die, mit den Worten des wegweisenden Humanismus-Spezialisten Salvatore Camporeale, auf eine „risonanza nazionale“ stieß. Sie mobilisierte eine Vielzahl an Humanisten und zwang sie letztlich zu einer öffentlichen Positionierung8. Der Anlass für ihren Konflikt schien aus der Retrospektive zunächst banal: Mit Entsetzen fand Bracciolini in einem seiner herausgegebenen Briefbände korrigierende Marginalien vor, die sich an dem von Valla vorgeschlagenen Regelsystem seines 1449 vollendeten Monumentalwerkes, den aus sechs Büchern bestehenden Elegantiae linguae latinae, orientierten und ihm ein schlechtes Zeugnis hinsichtlich seiner Ausdrucksweise ausstellten. Folglich machte er den deutlich jüngeren apostolischen Schreiber für diese als Schmach wahrgenommene Tat verantwortlich; tatsächlich soll er sogar zunächst einen Mordanschlag auf seinen Rivalen geplant haben, vor dem ihn jedoch ihr gemeinsamer Kollege Georg von Trapezunt (1395–1486) eindringlich warnte9. Was aus moderner Sicht als oberflächliche
Dazu unter anderem McLaughlin 1995, S. 187–227, Godman 1998, S. 45–51, Robert 2011, S. 14–17, Celenza 2018, S. 372–383. Vgl. Camporeale 1972, S. 328. Zu den italienischen Rezeptionsräumen des Konfliktes vgl. auch De Blasi/De Vincentiis 2010. Der Brief Georgs ist abgedruckt in Walser 1914, S. 506–514, Nr. 67, hier S. 512: An credis forsan immemorem me esse adeo ut non meminerim quando in re puerili vere in multis a Valla fuisses reprensus: ita te exarsisse ut vitam eius extinguere constistueris? Particeps ego tum ut amicus eram consiliorum tuorum et hortabar ut nihil curares quoniam magnitudo animi in negligendo non in ulciscendo perspicitur, vel si ulcisci velles scriptis id ageres. Equum esset si scriptis laesit ut scriptis ledatur. Ferro cum illo esse agendum non calamo exclamabas. Deinde cum ad scribendum versus esses, laudabam te quod consilium mutasses, ‚Quid tu ita me credis quasi puerum moneri?‘ cum indignatione respondisti. Der Gelehrte Francesco Filelfo (1398–1471) scheint, jedoch in einer politisch angespannten Situation in Florenz, Opfer von mehreren tatsächlichen Anschlagsversuchen gewesen zu sein, was er auch in seinen Saty-
1.1 Auf der Suche nach klassischer Latinität
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Kritik erscheinen mag, die einen Mangel an sachlicher Argumentation kompensieren soll, kann im intellektuellen Klima der Kurie des Quattrocentos jedoch nicht bagatellisiert werden, wie Poggios sichtlich überzogene, aber dennoch bis zu einem gewissen Grad ernstzunehmende Morddrohung bezeugt. Das Lateinische galt den dort beschäftigten Gelehrten ebenso als soziales wie als geistiges Distinktionsmerkmal, ferner als integraler Bestandteil ihrer literarisch betriebenen Selbstinszenierung, ihres „selffashioning“ das sie zur sozialen wie diskursiven Selbstautorisierung, aber auch zur Anmeldung ihrer Gestaltungsansprüche in den sich überschneidenden sozialen Räumen der Kirchenpolitik und der Literatur applizierten10. Es handelte sich nicht um eine vernachlässigbare Hyperkritik oder um Wortklauberei, sondern um einen für alle Beteiligten essentiellen Streitpunkt. Des Weiteren musste der korrigierende Eingriff in das lateinische Ausdrucksvermögen Poggios als versuchter Rufmord wahrgenommen werden, der gemäß der Eigenlogik ihrer intellektuellen Bewegung einer öffentlichen Klärung bedurfte. Beide Gelehrten inszenierten ihren Streit als virtuellen Gerichtsprozess und präsentierten sich, in bewusster Anlehnung an antike Verhandlungen, als Redner (oratores), die auf dem Forum ihrer Gelehrtenrepublik einerseits um „Wahrheitsfindung“ rangen und andererseits ihren eigenen „Fall“ zu gewinnen beabsichtigten. Bei den immer wieder unmittelbar angesprochenen und in die jeweiligen Schriften als Sprecher integrierten „Richtern“ handelte es sich um Mitglieder der humanistischen Bewegung, die jedoch nicht allein den öffentlich ausgetragenen Streit passiv beobachteten, sondern ebenso brieflich partizipierten, Partei ergriffen und sich sogar mitunter selbst mit Streitschriften gegen jeweils einen der beiden Gelehrten engagierten. Obwohl die physische Vernichtung des Gegners nur verbal angedroht wurde, galt es nichtsdestoweniger die Reputation des anderen nachhaltig zu beschädigen. Wie die biographische Skizze Cortesis bereits suggeriert, geriet Poggio mit einer überaus streitbaren Person aneinander, die sich als radikaler Reformer literarisch in Szene setzte. Valla warf seinem zweiundsiebzigjährigen Gegner altersbedingte Engstirnigkeit vor und wähnte sich in einem Generationskonflikt, der ihm zufolge allein durch den Rückzug seines Gegenspielers deeskaliert werden konnte. Der Autor der Elegantiae nahm für sich in Anspruch, die wahre Latinität rekonstruiert zu haben, weshalb er nicht davor Halt machte, zeitgenössische Gelehrte für ihre mutmaßlich „falsche“ Ausdrucksweise zu tadeln. Sein distinktives Charakteristikum drückte sich in seiner provokativen Kritik an anerkannten Autoritäten und zeitgenössischen Fachgrößen aus, denen er sprachliche Irrtümer vorwarf, die in letzter Konsequenz auch ihre jeweiligen Lehren in Frage stellen sollten. Als umstrittener
rae verarbeitet, dazu umfassend Rao 2007, S. 58–70, Zippel 1979, S. 215–253 und Davies 1984a, S. 298–307. Bracciolini und Georg selbst gerieten ebenso physisch aneinander und sollen sich geprügelt haben, vgl. ausführlich Monfasani 1976, S. 104–114, 121–124. Zur Überschneidung von (Kirchen-)Politik und dem humanistischen Feld vgl. bes. Blanchard 2007, hier bes. S. 1108 ff. in Hinblick auf die Situation in Florenz in der ersten Hälfte des Quattrocentos. Zum „self-fashioning“ als literarische Praktik vgl. Greenblatt 1980, zur Definition S. 1–9.
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Gelehrter brach Valla mit seinen Schriften nicht allein die Konventionen der mittelalterlichen Gelehrtenwelt, was besonders in seiner radikalen Abwendung von der scholastischen Terminologie manifest wurde11, sondern er korrigierte auch die von den Humanisten vorgebrachten antiken Vorbilder, die ihnen als Bezugsinstanzen für ihr Selbstverständnis und ihr Schaffen dienten. Ebenso dehnte er die humanistischen Disziplinen (studia humanitatis) auf andere Bereiche wie die Jurisprudenz, Philosophie und Theologie aus und eröffnete erstmalig den Diskurs über Möglichkeiten und Grenzen der imitatio als literarisches Leitprinzip12. Recht schnell brachten ihm seine Beiträge den Ruf eines „Aufrührers“ oder sogar eines „Häretikers“ ein, was ihn nicht davon abhielt, diese negativen Fremdzuschreibungen als positive Attribute in seine Selbstdarstellung zu integrieren13. Sein permanenter Widerspruch, den W. Scott Blanchard als „negative Dialektik“ bezeichnet, rief weiteren Widerspruch seitens seiner Leser hervor und perpetuierte die von ihm intendierte Aufmerksamkeitsspirale, sodass er die jeweiligen Diskurse entscheidend mitzuprägen und zu seinen Gunsten zu verändern vermochte14. Dabei stilisierte er sich selbst zu einer Galionsfigur einer neuen Epoche und reklamierte für sich eine Führungsposition innerhalb der humanistischen Bewegung, die er mit seinen Elegantiae zu besiegeln versuchte. Er bewarb seinen Beitrag als Leistung, die ihn zu einem „zweiten Camillus“ erheben sollte – in dieser Rolle rief er zur Rettung des gesamten römischen Erbes auf, das in der lateinischen Sprache gespeichert sei. Durch „barbarische“ Einflüsse sei die ursprüngliche Latinität angegriffen worden, weshalb es einer „Rückeroberung“ bedürfe, die mit einer grundlegenden kulturellen Umorientierung verbunden war. Er legte spezifische Regeln vor, welche die lateinische Diktion regulieren und an den faktischen Sprachgebrauch (usus loquendi) der alten Schriftsteller anpassen sollten. Bereits die Ankündigung seines Vorhabens mitsamt den ersten vorgestellten Fassungen seines Werkes spaltete die humanistische Gemeinschaft in zwei Lager auf: Einige feierten die schiere philologische Genauigkeit (diligentia) und die Nützlichkeit (utilitas) für die Komposition lateinischer Schriftstücke, während andere das Werk aufgrund der vermeintlichen Verwerfung anerkannter Autoren ablehnten. Letztere Partei vertrat prominent Poggio Bracciolini, der einen schädlichen Einfluss auf die bislang kultivierte Latinität identifiziert haben wollte und die öffentliche Auseinandersetzung entsprechend suchte. Ihre Zeitgenossen, ob Unterstützer oder Gegner, waren sich unisono einig, dass mit den Elegantiae ein neues Instrument zur Erschließung und Anwendung der lateinischen Sprache entwickelt worden sei. Wird Vallas linguistisches
Vgl. u. a. einführend Gerl 1982, Keßler 1988, Grassi 1991, Copenhaver 2011, Traninger 2012, Wadephul 2017. Zur problematischen Definition der Polemik, die bisher noch nicht als rhetorische Verfahrensweise kategorisiert und untersucht worden ist, siehe u. a. Braungart 1992 und Stauffer 2003. Siehe beispielsweise Poggio Bracciolinis oratio prima und secunda gegen Valla, in der er Valla als Feind aller Gelehrten (doctorum omnium hostes) zu zeichnen versucht: Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 190 und deutlicher Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 217. Vgl. Blanchard 2000, S. 151 f.
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Werk im Sinne Randall Collins als Ausdruck eines „intellektuellen Wandels“ begriffen, d. h. eines Paradigmenwechsels (Thomas S. Kuhn) oder eines neuen Denkstils (Ludwik Fleck) innerhalb intellektueller Schaffensprozesse, so muss die Rivalität als notwendiger Mechanismus innerhalb der jeweiligen Gelehrtengemeinschaft betrachtet werden. In derartigen Konstellationen ist die Kreativität maßgeblich von sozialen Verflechtungen und „kreativer Energie“, d. h. von persönlichen Spannungen abhängig, die jede Neuerung oder Veränderung bis dato anerkannter Ideen und Methoden bedingt15. Trotz anfänglicher Widerstände seiner Zeitgenossen etablierte Valla langfristig ein neues Paradigma, das sich für die grundsätzliche Transformation des akademischen Triviums verantwortlich zeigte und neue philologische Ansätze hervorbrachte16. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet kann die Kontroverse zwischen Poggio und Valla als Autorisierungs- und Prüfungsphase betrachtet werden, durch welche die Elegantiae ihre allgemeine Akzeptanz und Diffusion erfuhren. Der Disput zwischen den beiden Gelehrten wird von der Forschung mittlerweile als erste Literaturdebatte und als „humanistischer“ Richtungsstreit gedeutet, in der beide die jeweiligen philologischen Methoden, ihr Verhältnis zum Altertum und zum Christentum zu verteidigen versuchten. Nach dieser Lesart habe Bracciolini die „ältere“ humanistische Schule gegen die jüngere Vallas vertreten17. Auch die jeweiligen philolo-
Vgl. Collins 1998, bes. S. 379–383. Gesamtdeutungen, die nach wie vor die Lesarten von Vallas Œuvre prägen, liefern Gerl 1974, wenngleich mittlerweile punktuell deutlich überholt; Camporeale 1972, Nauta 2009; siehe auch einführend Gerl–Falkovitz 1994, 97–106, Moss 2003, S. 35 f., Leinkauf 2017, 1, S. 345–362. Die moderne Humanismusforschung zog lange Zeit in Hinblick auf Vallas offensive Selbstdarstellung eine ambivalente Bilanz. Zwar glaubt sie nach wie vor in Valla das provokative und streitbare „enfant terrible“ des Humanismus zu erkennen, betrachtet ihn rezent aber verstärkt „not merely as a brilliant philologist, but also, for better or worse, as an innovative thinker – a paradigm shifter [...].“ Vgl. Kraye 2001, S. 48. Kraye arbeitet in ihrem Aufsatz die Tendenzen der Vallaschen Spezialforschung im Vergleich zu den vorherrschenden Paradigmata der Renaissance- und Humanismusforschung im Allgemeinen auf. Vgl. bes. Camporeale 1972, S. 311–403; zum vermeintlich disparaten Verhältnis zwischen antiquitas und modernitas vgl. Trinkaus 1987. Zur florentinischen Sprachdebatte vgl. mit ausführlichen Betrachtungen der einschlägigen Werke Bracciolinis und Vallas Tavoni 1984, S. 105–169, korrigierend in Hinblick auf Vallas Apologus, der mehr zur Delegitimierung der poggianischen Position als zur inhaltlichen Debatte beitrug Mazzocco 1993, S. 206 f.; siehe auch Coseriu/Meisterfeld 2003, Kapitel 4.1, S. 168–171. Eine detaillierte Analyse des jeweiligen Sprachstils und der philologischen Debatte innerhalb der Invektiven bieten bereits Cesarini Martinelli 1980; McLaughlin 1995, S. 126–146 und Rizzo 2004, S. 53–65. Helmrath 2011 liefert einen ersten Systematisierungsversuch des humanistischen Streits und formuliert wichtige Thesen, die in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt und ausgebaut werden. Einen inhaltlichen Überblick zum Streit bietet zudem Rao 2007, S. 87–98, der sich im Anschluss an eine Klassifizerung der Invektiven wagt. Leider wird nach wie vor der dem Streit von 1452/1453 vorausgehende Konflikt zwischen Valla und Bartholomeo Facio (mit Unterstützung von Antonio Panormita Beccadelli) übersehen, der Bracciolini inhaltlich als Vorbild diente. Geringschätzig im Bezug auf die Bracciolini-Valla-Kontroverse ist das Urteil von Zintzen 2009, S. 63: „Die Polemik war sozusagen das psychologisch bedingte Abfallprodukt einer hohen Gelehrsamkeit, die glaubte, in der sich neu herausbildenden Kulturlandschaft permanent in einem Kampf um den Primat zu stehen.“
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gischen Methoden der beiden Gelehrten sind ausführlicher behandelt worden. Vallas Sprachverständnis wird überwiegend als modern und wegweisend für die klassische Philologie gewertet, wenn nicht gar als Gründungsmoment gefasst. Poggios (mittel-)lateinischer Stil hingegen wird nach wie vor tendenziell als rückständig erachtet, wobei hier mittlerweile punktuelle Korrekturen zu finden sind, die sein Ausdrucksvermögen als lebendig und sogar dem Vallas im Sinne eines natürlicheren und poetisch reicheren Stils als überlegen würdigen18. Jedoch sind bislang weder die Streitgegenstände im Einzelnen noch die jeweiligen Argumentationsstrategien oder Verlaufsformen der Auseinandersetzung systematisch untersucht worden. Salvatore Camporeale, der nach wie vor den Deutungsrahmen der vallianischen Schriften vorgibt, wies in seinem Standardwerk zu Vallas Humanismus vor allem auf die divergierenden Gelehrsamkeitsverständnisse der beiden Gelehrten im Hinblick auf den Umgang und die Interpretation christlicher Schriften hin. Im Angesicht der umfassenden intellektuellen, politischen und sozialen Wendungen des Quattrocentos, die sich auf das Christentum auszuwirken begangen, habe Poggio diese „Krise“ in das vallianische Gesamtwerk hineinprojiziert19. Bei dieser Deutung erscheint der apostolische Sekretär als rückständiger und konservativer Humanist, der nicht mehr in der Lage zu sein schien, dem deutlich jüngeren Valla intellektuell folgen zu können. Auch Christopher Celenza griff in seiner jüngsten Monographie zum Humanismus die von Camporeale skizzierten Grundlinien auf, hebt aber, mit besonderem Blick auf die Vorworte der Elegantiae, die unterschiedliche Auffassung der lateinischen Sprache der beiden Kontrahenten hervor: Poggio habe das Lateinische bereits als „tote“ Sprache erachtet, die allein über die antiken Zeugnisse erlernt werden könne, während Valla von einer „lebendigen“ Sprache ausgegangen sei, die permanenter Aktualisierung bedurfte20. Celenza, der sich hauptsächlich auf letzteren Humanisten konzentriert, berührt hier bereits die inkomparablen sprach-historischen Sichtweisen, die innerhalb des Streits zum Vorschein kamen. Prinzipiell ließ die Bracciolini-Valla-Kontroverse einen Grundkonflikt sichtbar werden, der sich in der Frage nach dem korrekten und angemessenen Nachahmungsverfahren entlud und die verschiedenen Auffassungen dieser in der Renaissance zentralen Denkfigur hervorbrachte21. Zugleich traten die politischen,
Mit Besprechung der bisherigen einschlägigen Untersuchungen vgl. Canfora 2007 und jüngst Mori 2020b mit positiver Würdigung Poggios. Zum Stil Vallas u. a. Ijsewijn 1975 und Ijsewijn 1990, S. 22 f., Zintzen 1994. Vgl. Camporeale 1972, S. 374–403, hier S. 402 f.: „La denunzia del Bracciolini, infatti, situava quell’ opera nelle autentiche dimensioni della cultura umanistica contemporanea, e la indicava, nell’ambito della ricerca teologica, quale clamorosa manifestazione di quella crisi che incominciava a pervadere tutta la Cristianità con la svolta intellettuale[,] sociale e politica del ʼ400.“ Siehe auch Camporeale 2001 und eine Synthese von Vallas Humanismus in ders. 2014. Eine ähnliche Interpretation liefert Trinkaus 1987 und 1989. Vgl. Celenza 2018, S. 157–227, hier bes. S. 182 f. u. S. 198 f. Hingegen überging Thomas M. Greene den Streit zwischen Valla und Poggio in seiner wichtigen Monographie zur humanistischen imitatio mit der Bemerkung, dass „[s]omewhat more surprisingly, it [scil. the new wave of humanistic energy] failed to produce interesting discussions of imitation. This
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soziokulturellen und sprachphilosophischen Implikationen der lateinischen Sprache, die sich grundlegend in divergenten Sprachverständnissen manifestierten und in ihre jeweiligen Selbstpräsentationen eingearbeitet wurden, offen zutage und sorgten für eine Versachlichung ihrer literarischen Grundlagen einerseits und einen Vereinheitlichungsversuch der bisherigen intellektuellen Tätigkeiten andererseits. Bracciolini stellte eine von Valla vorgestellte klassische Rekonfiguration der lateinischen Sprache zur Disposition, die als humanistischer Denkstil22 die bisherigen Denkströmungen vereinheitlichen und dem Humanismus sowohl als Bewegung als auch als Gelehrsamkeitsform ein stringentes Gedankengebäude verleihen sollte. Diesen von Valla in vielerlei Hinsicht mitgeprägten intellektuellen Wandel, der sich maßgeblich in den Elegantiae ausdrückte, sowie die Einsprüche Poggios gegen dessen Schriften, sollen im Folgenden sowohl in Hinblick auf den primären Streitgegenstand, das literarische Nachahmungsverfahren, als auch auf die sozialen Mechanismen und diskursiven Strategien untersucht werden. Die Studie soll einen Beitrag zur Funktionalität von derartigen Konflikten innerhalb der humanistischen Gemeinschaft des 15. Jahrhunderts leisten. Craig Kallendorf hat in einem bislang nicht allzu beachteten Redebeitrag auf die soziale Bedingtheit der humanistischen Latinitas-Konzeptionen hingewiesen, die maßgeblich durch das Verhältnis von Autor und Publikum, d. h. dem Anliegen des ersteren und der antizipierten Erwartungshaltung des letzteren geprägt war23. Die Verschränkung der Nachahmungslehre als solche mit der sozialkonstruktiven Ebene, auf der sie rezipiert, bewertet und schließlich verwertet wurde, lässt sich mit dem Begriff der Konventionalität näher erfassen und in der Bracciolini-Valla-Kontroverse paradigmatisch als für den Humanismus als Gelehrsamkeitsform und intellektuelle Bewegung konstituierendes Gefüge beleuchten. Konventionalität meint die gemeinschaftliche Herausbildung und Anwendung von Konventionen, zu denen die humanistische imitatio als eine sozio-literarische Variante gezählt werden kann. Mit der Schwerpunktsetzung auf den besagten Disput soll ein bedeutsames Desiderat der Humanismusforschung adressiert und in Hinblick auf die divergierenden Imitationslehren der beiden Streitakteure geschlossen werden. Valla legte erstmals in der humanistischen Gemeinschaft ein systematisiertes, d. h. regelbasiertes Verfahren zur imitatio vor, die bis zu seinem Beitrag noch keinen Normierungsversuch erfahren hatte. Bracciolini wiederum wurde bislang allein peripher als für die Anfangsphase der Bewegung wichtiger, aber letztlich überholter Gelehrter behandelt, dessen philologische Kenntnisse nicht mit denen seines Gegenspielers mithalten konnten. Das entwicklungsreiche Stadium der imitatio und die einhergehende Genese einer „klassischen“ Latinität zwischen Francesco Petrarca und der von der Forschung als erste Nachahmungsdebatte eingestuften Diskussion zwischen
failure may be due in part to the pedagogic method of the commonplace book, which tended to foster syncretic textures of fragmentary allusions or topoi and left little room for extended reflection.“ Vgl. Greene 1982, S. 147. Zum Begriff Denkstil vgl. anregend Werle 2005. Siehe den Beitrag von Kallendorf in Helander 2001, S. 64 f.
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Angelo Poliziano und Paolo Cortesi ist bislang nur ausschnittsweise von Ronald G. Witt (von den „Protohumanisten“ bis in die 1420er Jahre) und Martin L. McLaughlin behandelt worden24. Der von Valla erfolgte und für die humanistische Nachahmung essentielle, im Streit mit Bracciolini letztlich besiegelte Zwischenschritt erfuhr daher nur begrenzte Aufmerksamkeit, obwohl seine Bedeutung für die intellektuelle Bewegung stets unterstrichen wird25. In der Arbeit soll eine neue Interpretation des Konflikts vorgelegt und sowohl die vielschichtigen Diskursebenen als auch den Streit als befristetes Ereignis in Form eines Aushandlungs- und Autorisierungsprozesses in den Blick genommen werden. Der Humanismus wird dabei als eigenständiges soziales Subfeld nach dem Modell Pierre Bourdieus gefasst, das dem literarischen Feld untergeordnet ist26. Methodisch wird mit dem Konzept der Konventionalität ein neuer Ansatz gewählt, der die bislang in der Forschung tendenziell getrennt behandelte inhaltliche mit der sozialkonstruktiven Ebene des Humanismus unter einem Gesichtspunkt zusammenzuführen sucht27.
Zur Debatte zwischen Paolo Cortesi und Angelo Poliziano vgl. jüngst Celenza 2018, S. 372–400; siehe auch Godman 1998, S. 45–51 und McLaughlin 1995, S. 202–206. Beispielsweise Rizzo 2004, Robert 2011, S. 12, mit Rekurs auf Jaumann 1995, S. 134 und McLaughlin 1995, 126–146, Abbamonte 2019, S. 36–43. Ohne Systematisierungsversuch auch Camporeale 1997. Soziale Felder meinen eigenständige, virtuelle Räume, die über objektive Beziehungen zwischen ihren jeweiligen Akteuren instituiert werden. Die Feldteilnehmer internalisieren spezifische Konventionen und Interessen, die ihre Interaktionen prägen und das Feld als solches stabilisieren. Der Begriff Feld, wie Joseph Jurt 1995, S. 75 formuliert, „evoziert die Fläche in ihrer horizontalen Dimension; es dient dazu, Positionen anzuzeigen, die zunächst nicht werthaltig sind.“ Die Verlautbarung oder Annahme von Positionen erfolgt über den Einsatz unterschiedlicher Kapitalien, mit denen die feldspezifischen Ressourcen gemeint sind, die erst durch einen internen Bewertungsprozess ihre Bedeutung als Leitwährung erhalten können. Zu den für diese Studie relevanten Kapitalien gehört das kulturelle Kapital in seiner verobjektivierten Form, mit dem die literarischen Beiträge gemeint sind, das soziale Kapital, das Beziehungen, Kontakte und Freundschaften zu anderen Feldteilnehmern denotiert, und das symbolische Kapital, mit dem die Zuschreibung von Relevanz, Bedeutung, Autorität, Anerkennung oder einzelne (literarische) Errungenschaften beschrieben werden soll. Aus der Kapitalienakquisation ergibt sich letztlich die feldinterne Stellung, die über Macht in Form von Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten entscheidet. Vgl. Jurt 1995, S. 88–96, Schwingel 1997, S. 119–124 und Bohn 1991, S. 26–30. Grundlegend zum literarischen Feld bes. Bourdieu 1999. Zu den (sprachlich bedingten) Interaktionen Bourdieu 2005, siehe auch die Einleitung von Thompson 2005; zu den Kapitalien zusammenfassend Bourdieu 2015. Zu den dominanten Ansätzen in der Humanismusforschung vgl. Müller 2006, S. 23–32, zusammenfassend ders. 2010, S. 121. Bereits Schirrmeister 2003, S. 23–25, wandte das Feldmodell auf den Humanismus an, ordnete die humanistische Bewegung aber grundsätzlich dem literarischen Feld zu, was für den Untersuchungsrahmen des 16. Jahrhunderts treffend ist, da die Handlungsräume von Humanisten und anderen Schriftstellern sich im Laufe der Zeit immer mehr überschneiden sollten. Wie noch zu präzisieren sein wird ist der Humanismus in dieser Arbeit als Subfeld des literarischen Feldes zu verstehen, das sich im 15. Jahrhundert nur bedingt der Eigenlogik des übergeordneten Feldes unterwerfen musste.
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1.1.2 Die Pathologie einer Feindschaft 1.1.2.1 Koexistenz und Konfrontation der Antagonisten Der Konfrontation der beiden Gelehrten zwischen 1452 und 1453 gingen latente Spannungen voraus, deren Beginn in die späten 1420er Jahre verortet werden kann. Um das Jahr 1428 verfasste der zweiundzwanzigjährige und bis dahin noch nicht öffentlich in Erscheinung getretene Lorenzo Valla28, der Neffe des apostolischen Sekretärs Melchiorre Scrivani (†1429/1430), im kurialen Gelehrtenkreis sein Erstlingswerk. Sein Schriftstück war adressiert an den politisch einflussreichen Gelehrten und florentinischen Politiker Carlo Marsuppini (1399–1453), der den Beitrag bewerten und weiterzirkulieren lassen sollte29. Parallel erhielt er ein Empfehlungsschreiben von Vallas Freund und geistigem Förderer Antonio Beccadelli, auch „Panormita“ genannt (1394–1471), der im selben Zeitraum sich selbst als Poet zu profilieren beabsichtigte. Während Vallas literarisches Debüt mit dem Titel Comparatio Ciceronis Quintilianique nicht überliefert bzw. noch nicht wiedergefunden wurde, ist der Brief Beccadellis erhalten geblieben und gibt Auskunft über den Duktus sowie inhaltliche Aspekte der Schrift, die dem Schreiber rechtfertigungswürdig erschienen. So habe Valla laut Beccadelli einen „hasserfüllten Vergleich“ zwischen Cicero und Quintilian angestellt, den er dem „literarischen Vermächtnis“ übergeben wolle. Das der Schrift zugrundeliegende Anliegen sei dennoch zu entschuldigen, da er allein seine geistigen Fähigkeiten zu schärfen versuche und bestimmte Leute „aus ihrem Schlaf“ aufwecken wolle, wofür eben auch zuweilen „Lärm“ nötig sei. Becadelli versichert dem Adressaten, dass Valla nichtsdestoweniger die „Vortrefflichkeit unseres Ciceros“ voll und ganz anerkenne, ihn verehre, sich mit ihm beschäftige und bemüht sei, dessen Beispiel zu folgen. Quintilian sei als hervorragender Rhetoriklehrer hoch einzuschätzen, wenngleich dieser, so insistiert er, Cicero, dem „Fürsten der lateinischen Beredsamkeit“, weder vorgezogen noch gleichgestellt werden dürfe30. Trotz Ablehnung des Resultats, in dem Zu Vallas Leben nach wie vor die drei Biographien Mancini 1891, Barozzi und Sabbadini 1891, mit ausführlichem Quellenmaterial, sowie Wolff 1893. Intellektuelle Biographien liefern Fois 1969, Di Napoli 1971 und Camporeale 1972 und weiterführend 2002, die das heutige Valla-Bild nachhaltig geprägt haben. Einführende Überblicke zu Leben und Werk bieten Kristeller 1986, Kap. 2, S. 17–32; de Panizza Lorch 1988, Bezner 2005 und Nauta 2007a sowie 2011. Eine wichtige Übersicht zu Beiträgen und längeren Abschnitten oder Kapiteln zu Valla zwischen 1845 und 2007 stellt Marielisa Rossi 2007 zusammen, die allein 367 Titel benennt. Valla schreibt, dass er zu Lebzeiten seines Oheims die Comparatio an Carlo verschickt habe: Valla 1981, Antidotum in Facium 4, 10 S. 373: [...] quo [scil. Melchiorre Scrivani] vivente comparationem Ciceronis et Quintiliani Florentiam ad Carolum misi. Zu Carlo Marsuppini siehe Martines 1963, S. 127–131, Black 1985, S. 72 und Cook 2013, Appendix II, S. 331 f. Der Brief ist abgedruckt bei Vahlen 1869, S. 36–37, Antonio Becadelli an Carlo Marsuppini: [Gaudentius Vanius] facit ac monumentis litterarum tradit quandam inter M. T. Ciceronem et M. F. Quintilianum comparationem, odiosam quidem illam sed proinde excusandam, quia solum ut sese exerceat, tum ut quosdam a somno ecitet id agere respondet. Praestantiam vero nostri Ciceronis cognitam habet illamque et observat et colit ac pro virili sua sequi magnopere studet; afficitur tamen in primis ad F. Quintilianum, qui tametsi mirifice instituerit vel ipsis incunabulis oratorem et causas sive mavis de-
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Valla Quintilian zu einem zumindest gleichberechtigten Ideal erhebt und beide Redner gegeneinander ausspielt, lobt Becadelli seinen Freund und akzentuiert insbesondere die vermeintliche Intention, die hinter dieser Übung stehe. Der zu dieser Zeit für Provokationen berüchtigte Antonio Beccadelli, der im Winter 1425/1426 Bekanntheit durch seinen skandalträchtigen Hermaphroditus erlangt hatte und hierdurch einen nachhaltigen Distinktionsprofit für sich zu reklamieren vermochte, konnte sich durchaus mit dem vermeintlich offensiven Unterton von Vallas Vergleich arrangieren31. Entsprechend empfahl er seinen Mitstreiter im einflussreichen, mit Rom verbundenen florentinischen Gelehrtenkreis weiter. Er sah sich dennoch gezwungen, das Werk als gelungenen, aber unseriösen Streich zu relativieren, da die Autorität Ciceros aus Sicht der Wortführer der humanistischen Gemeinschaft, zu der sich Beccadelli und Valla zugehörig fühlten und an dieser teilzunehmen versuchten, nicht übertroffen werden konnte. In Fragen der Rhetorik, Stilistik und Gelehrsamkeit galt der Römische Redner den humanistischen Anhängern als mustergültige Referenzgröße und als Verkörperung dessen, was sie an der Antike bewunderten und literarisch zu imitieren beabsichtigten. Diesem Quintilian als gleichrangige, wenn nicht sogar überlegene Bezugsinstanz entgegenzustellen und dadurch von der als „Quelle der Beredsamkeit“ (fons eloquentiae) stilisierten Cicero abzurücken, erwies sich als eklatanter Fehltritt, den dazu ein intellektueller Neuzugang ohne vorherige Errungenschaften oder ohne einer anerkannten sozialen Stellung beging32. Nichtsdestoweniger erzielte Valla eine beachtliche Wirkung: Die von Beccadelli implizit genannten Adressaten wurden tatsächlich aus „ihrem Schlaf geweckt“, wie ihre Reaktionen bezeugen33. Die beiden apostolischen Sekretäre Poggio Bracciolini und Antonio Loschi (1368–1441), die wissensgenealogisch in unmittelbarer Nachfolge der beiden humanis-
clamationes scripserit etiam egregie, tamen Quintiliani et Gaudentii [scil. Laurentii] pace dixerim nequaquam Ciceroni latinae eloquentiae principi fuerat non dico praeponendus sed ne aequandus quidem [...]. [...] interdum enim quos summissa voce non possumus, clamore ac manibus excitamus. Zur Comparatio siehe auch Camporeale 1972, S. 89–100. Zur Bedeutung Quintilians für Valla und seine Rezeption der Institutio oratoria siehe Regoliosi 2010b, umfassend jüngst Dreischmeier 2017, mit Blick auf das 15. Jahrhundert auch Cox 2021. Allgemein zur Quintilianrezeption im 15. Jahrhundert vgl. Monfasani 1992a, der eine Ablehnung Quintilians identifiziert hat, die sich vor allem in Georg von Trebizonds Anfang der 1430er fertiggestellten Rhetoricorum libri V wiederspiegelt. Vgl. ebd., S. 120 f. Zur Selbstskandalisierung Beccadellis mit seinen obszön-erotisierenden Epigrammen siehe bes. Roick 2014. Vgl. u. a. nach wie vor Sabbadini 1885, Zielinski 1967, bes. S. 170–203, siehe auch Seigel 1968b, Pigman 1981 und Classen 1994. Zum „Fehltritt“ als Kategorie vgl. bes. Moos 2001a und 2001b und in Hinblick auf den Gelehrtenhabitus anregend Algazi 2001 in demselben Band. Siehe dazu u. a. den Brief Poggios an Guarino da Verona vom 17. Oktober 1433, in dem er nicht nur vor Valla warnt, sondern auch seine beiden bisherigen Schriften, die Comparatio und seinen Dialog De voluptate bzw. De vero bono heftig kritisiert und ihm jegliche philosophische Kompetenz abspricht. Bracciolini 1984, Lettere 2, Ep. 4, 14, S. 178–180, hier S. 178: Non est mirandum eum, qui Ciceronem arguit in arte dicendi et oratoria facultate [...]. Poggio spricht ferner von novi mores und einer loquendi arrogantia Vallas. Vgl. zu dem Brief auch Norbedo 2017, S. 74 ff.
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tischen Gründungsfiguren Francesco Petrarca (1304–1374) und Coluccio Salutati (1331–1406)34 standen und den dominanten römisch-florentinischen Gelehrtenstrang repräsentierten, sahen sich dazu veranlasst, auf Vallas Schrift einzugehen und ermöglichten ihm, ob bewusst oder unbewusst, an ihren exklusiven Gelehrtendiskursen teilzunehmen35. Sie nahmen die Herausforderung an und inszenierten sich selbst als Wahrer der Orthodoxie ihres sozialen Feldes. Loschi konnte sich bereits unter anderem durch seinen um 1395 veröffentlichten und stark rezipierten Kommentar Inquisitio super XI orationes Ciceronis einen Namen machen und um die Jahrhundertwende zur Festigung eines „ersten Ciceronianismus“ (Ronald G. Witt) beitragen36. Bracciolini dagegen befand sich noch im Anfangsstadium seiner Karriere, die jedoch durch seine zahlreichen Handschriftenfunde während des Konstanzer Konzils (1414–1418) einen starken Auftrieb erfuhr – seine Entdeckungen sollten seinen innergemeinschaftlichen wie sozialen Aufstieg erheblich begünstigen. Den jungen und bis dato unbekannten Valla erachtete er nichtsdestoweniger als unmittelbaren Rivalen, der mit ihm um die begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen ihres Feldes – Aufmerksamkeit und Sozialprestige – kämpfte. Ihre erste Auseinandersetzung vermochte er durch gezielte Interventionen bei Papst Martin V. (1417–1431) für sich zu entscheiden, wie Valla ihm retrospektiv ankreiden sollte: Seine ständigen Dispute mit Poggio und den anderen Sekretären sollen ihn dazu bewogen haben, Rom zu verlassen, was jedoch insbesondere durch seine gescheiterte Bewerbung um die durch den Tod seines Oheims um 1430 vakant gewordene Sekretariatsstelle
Über den Forschungsstand zu Petrarca kann an dieser Stelle keine befriedigende Zusammenstellung geboten werden. Aus sprachlicher Perspektive bes. Witt 2000, S. 230–291, zur petrarkistischen imitatio siehe weiterführend unten, Kap. 1.2.1. Zur Bedeutung Petrarcas das pointierte Urteil Ullmans 1973, S. 35: „If Petrarch was the father of humanism, Cicero was its grandfather.“ Zu Petrarcas Idealisierung von Cicero vgl. umfassend Rüegg 1946, S. 7–63, bes. S. 35 ff. Vgl. auch überblickend Dotti 1987; Monfasani 1999 und jüngst Celenza 2017. In den Hintergrund der Forschung gerät nach wie vor Coluccio Salutati, der die eigentliche humanistische Bewegung als solche ins Leben gerufen hat, vgl. bes. Martin 1916, Ullmann 1963, Keßler 1968, zur politischen Rolle Langkabel 1981, hinsichtlich der sprachlichen reformatio Witt 2000, S. 292–337. Zu Coluccio Salutati selbst nach wie vor Martin 1916 und Witt 1983 und für aktualisierte Untersuchungen die Aufsätze in den von Concetta Bianca (2010) und Roberto Cardini und Paolo Viti (2012) herausgegebenen Sammelbänden. Zu humanistischen Aktivitäten an der Kurie und zum florentinisch-römischen Humanistenkreis siehe bes. Holmes 1969, Kap. 3, S. 68–105. Siehe außerdem d’Amico 1984, bes. S. 84 ff. und überblickend, auf d’Amico aufbauend, Studt 2017. Zur künstlerischen Patronage der Päpste Martin V, Eugen IV. und Nikolaus V. auch Wohl 1984. Zum kulturellen Wandel, der von Florenz aus im 15. Jh. ebenso auf die übrigen Städte Italiens übergreifen sollte, vgl. Larner 1971, Kap. 10, S. 235–284, in Hinblick auf Rom S. 251–255. Allgemein zum Beginn der Renaissance in Rom mit Betrachtungen der an der Kurie tätigen Humanisten siehe Brezzi 1984 und Esch 2016. Zu Loschi überblickend Mack 2011, S. 33–34, siehe auch Classen 1968, S. 203 und 205, Mack 1996, S. 84 und Monfasani 1999, S. 451.
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bedingt war37. Hier überlappten die beiden sozialen Felder der Kirchenpolitik und des Humanismus, was sich als ein Wesensmerkmal der neuen intellektuellen Bewegung erwies, die dezidiert in Verwaltungsapparate vorrückte und Herrschernähe zur finanziellen Förderung einerseits und zur Ermöglichung kultureller Gegenwartsgestaltung andererseits suchte. Valla musste den an der Kurie tätigen Gelehrtenkreis vorerst verlassen, um sich außerhalb Roms innerhalb des lombardischen Soziotops, wo er unter Mithilfe Becadellis eine Stelle als Rhetorikprofessor erhalten konnte, neu aufzustellen. Obwohl ihm eine finanziell gut ausgestattete und politisch bedeutsame Position zunächst verwehrt blieb, hielt er an dem eingeschlagenen Kurs der Comparatio fest. Als intellektueller Vagabund musste Valla während seiner Laufbahn in den Dienst mehrerer Höfe und Städte treten, wo er an zahlreichen Auseinandersetzungen partizipierte und sich einflussreiche Feinde sowohl bei weltlichen wie auch geistlichen Eliten machte. Zunächst war er nach seinem Weggang aus Rom für zwei Jahre an der Universität von Pavia als Rhetoriklehrer tätig38, ehe er seine Stelle aufgrund von öffentlichen Streitigkeiten mit der Juristenfakultät verlor, gegen die er im Vorfeld eine Invektive verfasste39. Nach erfolglosen Bewerbungen im florentinischen Gelehrtenkreis um Leonardo Bruni (1369–1444) und Ambrogio Traversari (1386–1439), denen er seinen mehrheitlich als epikureisch aufgefassten moralphilosophischen Dialog De vero bono vorlegte, versuchte er ebenso eine Stelle oder Finanzierung bei dem temporär in Florenz verweilenden Papst Eugen IV. zu ergattern. Gegen 1435/1436 wurde er in das Gefolge König Alfons V. von Aragón (1396–1458) aufgenommen. Alfons erhob ihn zu einem königlichen Sekretär und führte ihn auf seiner erfolgreichen Militärkampagne gegen Neapel mit40. Dort vollendete Valla die ersten Fassungen seiner beiden Hauptwerke, die sprachphilosophische Repastinatio dialecticae et philosophiae, in der er sich polemisch mit Teilen des aristotelischen Organon auseinandersetzte, und seine besagte linguistische Untersu-
Vgl. dazu bes. Voigt 1960, 2, S. 148 und der Brief Beccadellis an Valla, der ihn dazu ermutigt, Rom zu verlassen und die von ihm organisierte Rhetorikprofessur in Pavia anzunehmen. Valla 2013, Correspondence, Ep. 0B, Antonio Beccadelli an Lorenzo Valla, Stradella (Sommer 1431), S. 6–11. Zu den Konflikten an der Kurie siehe Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 352: [...] At ego priusquam adii unquam Papiam, tecum millies locutus fueram, tecum etiam altercatus, tecum et cum omnibus secretariis de facundia certabam quippe de comparatione Cicerionis Quintilianique conscripseram [...]. Zu Poggios und Loschis Intervention beim Papst [...] eoque defunctio [scil. auunculo meo] petivi secretariatum quatuor et viginti annos natus, quem ne impetrarem tu ... apud Martinum me accusati tanquam ceteros secretarios utique in illo flore etatis contempturum, quod diceres una cum Antonio Lusco collega tuo mea usum reprehendere. Antonio Beccadelli vermittelte Valla eine Rhetorikprofessur an der pavesischen Universität und ermöglichte ihm den Eintritt in den lombardischen Gelehrtenkreis. Vgl. Fubini 2003, Kap. 5, S. 140–173. Valla 1997, Epistola contra Bartolum, S. 1532–1571, ed. Regoliosi; zur Entstehungsgeschichte und Überlieferungslage vgl. ebd, S. 1501–1531. Jüngst zur Epistola contra Bartolum siehe den Aufsatz von Mackenzie 2019, die sich vor allem der philologisch-visuellen Implikationen des Briefes widmet. Einführend zu Alfons V. von Aragón, einem der wichtigsten Förderer humanistischer Kultur im Quattrocento, Ryder 1990; delle Donne 2015, zum Humanismus in Neapel nach wie vor Bentley 1987.
1.1 Auf der Suche nach klassischer Latinität
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chung Elegantiae linguae latinae41. 1440 verfasste er, möglicherweise im Auftrag seines Dienstherren, seine berüchtigte Rede gegen die Konstantinische Schenkung42, die sich expressis verbis gegen Papst Eugen IV. richtete und das besagte Rechtsdokument als Fälschung entlarvte. Ebenso komponierte er seinen gegen Boethius gerichteten Dialog De libero arbitrio, seinen hierarchiekritischen und das Mönchtum angreifenden Dialog De professione religiosorum sowie eine Geschichte über den Vater König Alfons V., Ferdinand I. von Antequera (1380–1416); das Werk führte jedoch aufgrund ihrer expliziten Inhalte und Abweichungen gegenüber den bisher im Humanismus akzeptierten historiographischen Normen zu starker Ablehnung am Hof43. Nach diversen Konflikten mit dem neapolitanischen Klerus, die sich hauptsächlich um die Authentizität von als sakral und autoritativ aufgefassten Texten drehte, wurde er 1444 zu einer inquisitorischen Vorverhandlung geladen. Ebenso geriet er mit seinem einstigen Mentor und nun feindlich gesinnten Kollegen Antonio Beccadelli aneinander. Dieser war seit 1434 unter König Alfons tätig und fungierte als politisch einflussreicher Sekretär und Wortführer im neapolitanischen Gelehrtenkreis44. Beccadelli unterstützte seinen Freund, den Sekretär und Historiographen Bartholomeo Facio (ca. 1405–1457) gegen Valla. Facio und Valla fanden sich in einem durch königliche Auftragsarbeiten bedingten Konkurrenzverhältnis wieder: Ersterer richtete mit Unterstützung von Beccadelli eine vierbändige Invektive gegen Valla und versuchte diesen aus dem Gelehrtenkreis am Hofe zu exkludieren. Streitgegenstände waren neben Vallas Geschichtswerk die grundlegende Autoritätskritik seiner Schriften. Dagegen wehrte sich Valla mit einem vierbändigen Antidotum in Facium, das darüber hinaus seine Liviusemendationen als Ausweis seiner philologischen Kenntnisse enthielt45. Im Jahr 1448 konnte Valla schließlich nach Rom unter dem neu gewählten Papst Nikolaus V. (1447–1455) zurückkehren und das Amt eines apostolischen scriptor übernehmen; bereits im darauffolgenden Jahr veröffentlichte er die finale Version seiner Elegantiae. Parallel unterrichtete er sowohl am römischen studium als auch als Privatlehrer. 1455 wurde er sodann unter Papst Kalixt III. (1455–1458) zum apostolischen Sekretär berufen. Kurz vor seinem Tod am 1. August 1457 hielt er noch am 7. März ein Enkomion auf den wirkmächtigen Theologen
Valla 1982, Repastinatio dialectice et philosophie, ed. Zippel. Valla 1999, De linguae latinae elegantia, ed. López Moreda. Zu Vallas Philosophie umfassend Gerl 1974 (unter Hinzunahme von Vallas Ethik), Waswo 1979, Laffranchi 1999 und besonders Nauta 2009. Zur Waswo-Monfasani Kontroverse um die (sprach-)philosophische Interpretation Vallas vgl. Monfasani 1989 und die Replik Waswos 1989. Zur Kontroverse um die Schrift bei seinen Zeitgenossen vgl. Blanchard 2000. Zur christlichen Deutung der Philosophie Vallas umfassend Camporeale 1972 und 2014. Valla 1986, De falso credita et ementitia Constantini donatione, ed. Setz. Valla 1987, De libero arbitrio, ed. Keßler. Zu seiner Position bes. Ryder 1976. Valla 1981, Antidotum in Facium, ed. Regoliosi. Zu Beccadellis und Facios Geschichtsverständnis in Hinblick auf Herrscherportraits vgl. Schadee 2016a, zu den historiographischen Differenzen zwischen Facio und Valla bes. Baker 2016 und delle Donne 2018.
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Thomas von Aquin (1225–1274), was sich als sein letzter intellektueller Streich erweisen sollte: Er lobte Thomas zwar als Heiligen, als Gelehrten verspottete er ihn jedoch aufgrund seiner scholastischen Schriften vor den dominikanischen Zuhörern46. Anders als Vallas Lebenslauf war die Karriere seines Gegenspielers nur von wenigen beruflichen Diskontinuitäten geprägt47. Der 1380 im florentinischen Terranova geborene Gian Francesco Poggio Bracciolini wurde während seiner Ausbildung zum Notar um 1402 vom florentinischen Kanzler und humanistischen Wortführer Coluccio Salutati entdeckt und fortan gefördert. Salutati, der das petrarkistische Programm fortführte und in neue Bahnen lenkte, vermittelte Poggio sowie Leonardo Bruni 1404 an die römische Kurie, wo sie Sekretariatsstellen angenommen haben. Mit dieser geschickten Einflussnahme auf die kuriale Personalpolitik rief Salutati den römisch-florentinischen Humanistenkreis ins Leben, der maßgeblich von beiden Gelehrten der neuen Generation geprägt werden sollte48. Anders als Bruni, der 1427 nach Florenz abgerufen und zum Kanzler erhoben wurde, verblieb Bracciolini als apostolischer Sekretär in Rom und diente für über 50 Jahre beinahe ununterbrochen unter acht Päpsten, was sich für sein Sendungsbewusstsein und seinen literarischen wie politischen Wirkungsgrad als höchst zuträglich erwies. Während des Konstanzer Konzils (1414–1418), an dem er für den (Gegen-)Papst Johannes XXIII. (1410–1415) partizipierte, unternahm er als Expeditionen stilisierte Recherchearbeiten in nahegelegenen Klöstern, wo er nach antiken Texten forschte und bedeutende Funde für sich reklamieren konnte. Unter anderem konnte er Abschriften von Lukrezens Lehrgedicht De rerum natura, eine vollständige Kopie der Institutio oratoria Quintilians, die Punica des Silius Italicus wie auch weitere ciceroniani-
Valla 2008, Encomion Sancti Thome Aquinatis, ed. Cartei. Vgl. u. a. Gray 1965. Ausführliche (theologische) Interpretation der Rede bei Camporeale 2014, S. 164–230, der sie darüber hinaus in das vallianische Œuvre einordnet. Zu Bracciolinis Leben und Werk nach wie vor die überaus reiche Biographie von Walser 1914; eindeutig veraltet, aber für einzelne Aspekte noch hilfreich ist Shepherd 1837. Einen guten Überblick bietet der Lexikonartikel von Davies 1999. Mit Blick auf die Sozialisierung und Karriere Poggios vgl. Martines 1963, S. 123–127. Oppel 1972, Jennings 1972, Folts 1976 und Lim 2004 bieten intellektuelle Biographien und untersuchen Poggios Werke hinsichtlich der für den Humanismus als zentrale Themen identifizierte Gegenstände. OPPEL konzentriert sich bei seiner Betrachtung auf das von Hans Baron formulierte Konzept des civic humanism [zu dem Konzept von Baron vgl. Hankins 2003]; Jennings legt das Augenmerk auf De vera nobilitate und die soziale Dimension des Humanismus, während Folts beide Ansätze zu vereinigen versucht. Krantz 1971, S. 206–304, widmet sich in einem umfangreichen Kapitel Bracciolinis Auffassung der Jurisprudenz; Lim konzentriert sich auf das „selffashioning“ Poggios und ordnet diese Praxis in das 15. Jahrhundert ein. Wenngleich mittlerweile viele Werke Poggios ediert erschienen sind, fehlt es an systematischen Studien und Einordnungen in das intellektuelle Panorama des Quattrocentos. Abrisse zu Biographie und Wirken Bracciolinis finden sich hingegen in nahezu allen Überblicksdarstellungen zum Humanismus des 15. Jahrhunderts. Zum päpstlichen Sekretariat nach wie vor Hofmann 1914, 1, S. 142–157; zu den humanistischen Aktivitäten an der Kurie bes. Studt 2017. Zur Bedeutung Poggios für die humanistische Schriftentwicklung siehe Ullmann 1960, S. 21–57. Zu Salutatis Personalpolitik Ullmann 1963, S. 117–126.
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sche Reden entdecken49. Im Zuge der Wahl Papst Martins V. und der Beilegung des Abendländischen Schismas fungierte Poggio zwischen 1419 und 1423 als Sekretär unter dem humanistisch interessierten Bischof Henry Beaufort von Winchester (1375–1447) und folgte diesem nach England, ehe er 1423 an der Kurie seine alte Stelle erneut antrat. Neben einer umfangreichen Sammlung von über 600 Briefen, die detaillierte Einblicke in seine sozialen Verflechtungen, seine intellektuellen Tätigkeiten und sein (kultur-)politisches Wirken gewähren50, verfasste er ebenso diverse Schriften zu ethischen, literarischen, historischen und politischen Themen. Er versuchte sich überdies als Übersetzer griechischer Schriften und übertrug unter anderem einige Satiren Lukians ins Lateinische. Ein weiteres Wesensmerkmal seines literarischen Profils bilden seine zahlreichen Invektiven gegen Kollegen und politische Gegner, die er als Briefe oder Reden verbreiten ließ51. Seine bevorzugte Textgattung war jedoch der Dialog, der Ausdruck seiner literarischen wie sozialen Nachahmung Ciceros war: 1429 veröffentlichte Poggio De avaritia, in dem er die Vor- und Nachteile der Habsucht (avaritia) vor einem städtisch-merkantilen Hintergrund diskutiert52. Zwischen 1440 und 1449 folgten vier weitere moralphilosophische Dialoge, die jedoch stets auch politische, gesellschaftlich-kulturelle und (zeit-)historische Themen abdeckten. 1439/1440 publizierte er De vera nobilitate, in dem Bracciolini den wahren Adel meritokratisch deutet und für eine persönliche Tugendlehre plädiert; kurz darauf folgte die Schrift De infelicitate principum, in dem er vordergründig nach dem Schicksal hoher kirchlicher wie weltlicher Amtsträger fragt, de facto jedoch eine umfassende Gegenwartskritik an politischen Verwerfungen und Amtsmissbrauch äußert53. Bei dem zwischen 1443 und 1446 entstandenen vierbändigen Werk De varietate fortunae handelt es sich um eine äußerst komplexe Schrift, in der sein Verfasser eigene Erfahrungen mit Ereignissen der italienischen Zeitgeschichte und den Reiseberichten des in den Nahen Osten und bis nach Indien gereisten venezianischen Kaufmanns Niccolò deʼ Conti (1395–1469) verknüpft. Diese scheinbar unzusammenhängenden Themenbereite kommentiert er unter dem Gesichtspunkt der Denkfiguren des casus, des fatum und der Fortuna, die
Vgl. bes. Gordan 1974; Flores 1980; Reynolds/Wilson 2013, S. 136–140. Zum Fund von Lukrezens De rerum natura und seiner Bedeutung für die gesamte Renaissance vgl. ausführlich Greenblatt 2013 und jüngst Wulfram 2019. Bracciolini 1984–1987, Lettere, 3 Bde., ed. Harth. Zu Poggios Konflikten jüngst die Dissertation von Sasso 2023. Viele seiner Invektiven thematisiert Valla knapp in seinem ersten Antidotum, siehe unten, Kap. 4.1.2. Eine Übersicht findet sich im Anhang der Edition von Wesseling 1978, S. 245–251. Siehe Helmrath 2013, S. 346. Bracciolini 1994, De avaritia, ed. Germano. Zu der Bedeutung Poggios für die humanistische Dialogizität bes. Marsh 1980b, S. 38–54; umfassend zur Genese von De avaritia der umfangreiche Aufsatz von Bausi 2009 und die Analyse von Ebbersmeyer 2010, S. 189–222, siehe auch Goldbrunner 1979. Jüngst Wulfram 2020b. Anregend auch Howard 2018. Bracciolini 1998, De infelicitate principum, ed. Canfora.
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er um astrologische Überlegungen ergänzt54. Zwischen 1447 und 1449 entstand der Dialog Contra Hypocritas, in dem Bracciolini eine Kritik an Bettelmönchen und insbesondere an seinem ehemaligen Dienstherrn Papst Eugen IV. vorbrachte55. Allen Schriften ist ein pessimistisches Weltbild gemein, das er mit einer Gegenwartsanalyse verband und rhetorisch, d. h. über historische exempla, konfigurierte. Er ließ sich selbst und seine Sprecher in Anlehnung an die Gesprächssituationen der ciceronianischen Dialoge nach pragmatischen Lösungen für die zeitgenössischen Verwerfungen wie Krieg, Korruption, Amtsmissbrauch und Krankheit suchen. Die Gespräche selbst lockerte er durch einen genuinen Humor auf, der sich mitunter aus komischen und absurden Einschüben auszeichnet, ein für seine Invektiven wichtiges Stilelement, das es noch gesondert herauszuarbeiten gilt. Die Antike selbst fungiert in seinem Werk zwar in gewisser Hinsicht als Ideal, wird aber von Bracciolini ebenso kritisch begutachtet und nicht selten in Hinblick auf kriegerische Taten dezidiert dekonstruiert56. Im Jahr 1435 heiratete Bracciolini fünfundfünzigjährig die achtzehnjährige Vaggia Buondelmonti, was ihn 1437 dazu veranlasste, den Altersunterschied mit dem Dialog An seni sit uxor ducenda zu rechtfertigen57. Um 1450/1451 veröffentlichte er seine Historia disceptativa tripartita convivalis, die sich aus drei Dialogen zusammensetzt: Thematisiert werden jeweils die korrekte Danksagung, der Status der Disziplinen Medizin und Jurisprudenz sowie die gesprochenen Lateinvariationen im Altertum58. Im selben Zeitraum stellte er seinen europaweit stark rezipierten Liber facetiarum fertig, bei dem es sich um eine Sammlung von komischen Anekdoten und Fabeln handelt59. 1453 wurde schließlich Poggio selbst zum florentinischen Kanzler befördert. In seinen letzten Lebensjahren blieb er dennoch weiterhin literarisch tätig: 1455 komponierte er den zweibändigen Dialog De miseria humanae con-
Bracciolini 1993, De varietate fortvnae, ed. Merisalo. Zu Poggios Verständnis von Schicksal mit kurzer Einordnung in die intellektuellen Debatten des Quattrocentos Kajanto 1988. Zusammenfassungen und eine Identifizierung der Leitmotive findet sich bei Walser 1914, S. 234–243 sowie in der Edition von Merisalo 1993, S. 9–24. Siehe auch zur Bedeutung von geographisch-historischer Lokalisierung in dem Dialog Sensburg 1906. Bracciolini 2008, Contra Hypocritas, ed. Canfora. Siehe besonders die umfangreichen Kapitel zu Bracciolini bei Struever 1970, S. 144–200 und Fubini 2003, S. 89–139. Vgl. bes. Wulfram 2020, S. 221, der den Dialog als „kaum verhohlene, durchaus selbstironische Oratio pro domo“ charakterisiert, die „gar nicht erst versucht die sich aufdrängende Vergleichswelt der plautinischen Komödien zu verstecken, sondern sie in einem kreativen Wechselspiel aus Partizipation und Differenz in betont rationale, wenn man so will: ciceronische Diskurse einbindet, die beanspruchen praktische Lebenshilfe zu geben.“ Auch dieses Werk zeichnet sich durch sein genuines, ciceronianisch geprägtes Humorverständnis aus. Dazu ausführlicher unten, Kap. 2.2.2. Bracciolini 2019, Historia disceptativa tripartita convivalis, ed. Delle Donne/Armignacco. Vgl. u. a. Fubini 2003, S. 9–42. Ausführlicher zu den einzelnen Dialogen siehe unten, Kap. 2.3.2. und 3.2.4.2., zur Sprachdebatte des dritten Dialoges siehe Kap. 2.1.3. mit weiterführender Literatur. Bracciolini 1983, Facezie, ed. Ciccuto; Zu den Facetiae u. a. Tateo 1982, zur literarischen Gestaltung bes. Bisanti 2011. Mit Blick auf die Fazetienliteratur im deutschen Sprachraum unter Berücksichtigung von Poggios Werk siehe Kipf 2010.
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ditionis, in dem er ausgehend von der Eroberung Konstantinopels 1453 durch den osmanischen Sultan Mehmed II. (1432–1481) die Leitmotive seiner übrigen Werke noch einmal in einer Synthese zusammenführte; ebenso begann er eine Fortsetzung von Brunis bedeutenden Historiae Florentini populi, die jedoch unvollendet blieb60. Nach Meinungsverschiedenheiten mit der politischen Führungsriege um die Medici veröffentlichte er kurz vor seinem Tod noch ein Städtelob auf die Republik Venedig, ehe er am 30. Oktober 1459 verstarb. Die hier grob gezeichneten intellektuellen Lebensläufe verdeutlichen die unterschiedlichen Karrieren und literarischen Interessen der beiden Agonisten. Lorenzo Valla zeichnete sich durch philologisch-philosophische Studien aus, während Poggio Bracciolini sich vor allem auf zeitgenössische und moralphilosophische Beiträge konzentrierte. Ihre unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen, die mit divergenten Gelehrsamkeitsvorstellungen und Auffassungen von ihrer intellektuellen Bewegung einhergingen, aber auch ihre streitbaren Persönlichkeiten und Werdegänge trugen erheblich zur Heftigkeit ihres Streits bei. Ihre Gegnerschaft blieb zwischen 1430 und 1452 latent bestehen und sollte erst nach Vallas Rückkehr zur Kurie 1448 unter veränderten Vorzeichen eskalieren. Beide Gelehrte waren am Anfang der 1450er Jahre auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren angelangt und konnten jeweils ein umfassendes intellektuelles Portfolio vorweisen, das sie als kulturelles Kapital einzusetzen wussten. Während ersterer die finanziell gut ausgestattete Sekretariatsstelle und ihre institutionelle Reichweite für seine umfassenden sozialen Beziehungen und die Diffusion seiner Beiträge auszunutzen wusste, musste letzterer 1448 als apostolischer Schreiber und kurialer Neuzugang die hierarchisch niedrigere Stellung einnehmen. Dieser Umstand wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Situation vor Ort verschärft haben. Beide reklamierten Führungspositionen innerhalb der humanistischen Gemeinschaft, was letztlich in eine öffentliche Eskalation münden musste. Bei ihrer Konfrontation ist vor allem der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichungen in Betracht zu ziehen: Valla veröffentlichte seine Elegantiae, die als Korrektiv für die lateinische Sprache fungieren sollten, im Jahr 1449; Bracciolini vollendete im Folgejahr seine Historia disceptativa tripartita convivalis sowie seine sich bereits partiell im Umlauf befindlichen Facetiae. Thematisch überschnitten sich alle drei Beiträge nicht, lieferten aber auf sprachlicher Ebene unterschiedliche Zugänge zur Altertumsrezeption, was sich im Verlaufe des Streitdiskurses durchaus bemerkbar machen sollte. 1.1.2.2 Der chronologische Verlauf der Bracciolini-Valla-Kontroverse Der mit insgesamt acht Schmähschriften ausgetragene Konflikt zwischen beiden Agonisten fand zwischen den Jahren 1452 und 1454 statt und wurde von Bracciolini mit sei-
Zu Poggios Historiae, die nur bedingt als Fortsetzung von Brunis Geschichtswerk betrachtet werden können, siehe Merisalo 2020.
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ner ersten oratio im Februar 1452 initiiert61. Valla beantwortete Bracciolinis Rede mit seinem aus drei Büchern bestehenden und quantitativ asymmetrischen Antidotum primum zwischen Mai und Juni 1452. Innerhalb der nächsten sechs Monate verfasste Poggio eine Trilogie von orationes und setzte damit gleichsam eine Eskalationsspirale in den Gang, die fortan hauptsächlich von persönlichen Angriffen geprägt war. Die jeweilig veröffentlichten Schriften rückten ostentativ in den Hintergrund und nahmen innerhalb der Schmähschriften eine andere Funktion ein, wie noch ausführlich zu zeigen sein wird. Zwischenzeitlich verbreitete Valla den ersten Akt des als zweiteilig geplanten Apologus gegen den apostolischen Sekretär. Auf diesen reagierte Bracciolini mit einer fünften und letzten oratio Ende Januar bzw. Anfang Februar 1453. Valla verfasste abschließend nach verspätetem Zugang zur zweiten Invektive Poggios sein zwischen März und April 1453 komponiertes Antidotum secundum, wofür er die Arbeit am zweiten Akt des Apologus aufgrund der von seinem Widersacher aufgeworfenen Anschuldigungen gegen seinen Lebenswandel einstellte und offenbar nicht wieder aufgriff. Nach dem Tode des florentinischen Kanzlers Carlo Marsuppinis im April 1453 übernahm Poggio die vakant gewordene Stelle in der Stadtrepublik und verließ die Kurie, was jedoch
Zur Datierung und zu der komplexen Veröffentlichungsspanne vgl. Wesseling 1978, S. 1–54; zur Einführung, bes. S. 34–36. Vgl. auch Camporeale 2001, S. 29, Bonmatí Sánchez 2006, S. 26–40, Rao 2007, S. 87–97 und Helmrath 2011, S. 266–267. Vallas Antidotum primum ist von A. Wesseling ediert worden, vgl. Valla 1978. Der erste Akt seines Apologus mitsamt spanischer Übersetzung wurde von Virginia Bonmatí Sánchez besorgt, vgl. Valla 2006. Der zweite Akt ist von Camporeale 1972, S. 503–534 abgedruckt worden und enthält überdies nützliche Annotationen. Vallas zweites Antidotum ist nach wie vor in der von Eugenio Garin neu herausgegebenen Opera Omnia-Ausgabe von 1527 heranzuziehen, siehe Valla 1962, Opera omnia I, S. 325–366. Ebenso muss, worauf Wesseling 1986, S. 134–136, hingewiesen hat, der Autograph von Valla Par. Bib. 8691 für die handschriftliche Fassung des Antidotum secundum benutzt werden, da die Kritik an Poggios Facetiae in der Opera Omnia-Ausgabe fehlt. Die von Wesseling angekündigte Edition des zweiten Antidotum wird nicht mehr erscheinen; allerdings hat Alessio Patané in seiner im Frühjahr 2022 fertiggestellten Dissertation eine kritische Edition vorgelegt, auf die der Verfasser leider keinen Zugriff mehr erhielt. Zur Zensur von Vallas zweitem Antidotum seitens des Herausgebers und zum Autograph ausführlicher unten, Kapitel 6, wo ebenso ein Lesetext des entfernten Abschnittes zu finden ist. Bracciolinis orationes sind nach wie vor unediert und in der von Ricardo Fubini 1964 neu herausgebrachten Opera Omnia-Ausgabe von 1526 heranzuziehen: Orationes I, II, III und V sind zu finden in Bracciolini 1964b, 1964c und 1964d, Opera omnia I, S. 195–251, Oratio IV in Bracciolini 1966b, Opera omnia II, S. 869–885, die zudem mit hilfreichen Anmerkungen und Korrekturen von Fubini versehen ist. Die fünfte Invektive Poggios mit knapper Kommentierung ist in Bonmatí Sánchezʼ Edition zu Vallas erstem Apologus als Anhang abgedruckt, vgl. Bracciolini 2006, S. 106–135. Alle fünf orationes sind in der Handschrift Florenz, Bibl. Laurenziana, Plut. 90 sup. 7, fol. 15r–80r, überliefert; der Verfasser bereitet momentan sowohl eine Edition als auch eine deutsche Übersetzung der poggianischen Invektiven gegen Valla vor. Kürzungen werden in den Zitaten aus den Druckversionen aufgelöst; ebenso werden die e caudatae in der klassischen Schreibweise wiedergegeben. Korrekturen von sichtlichen Schreibfehlern werden markiert. Der Verfasser greift folgendermaßen in die Druckversionen ein, um das Leseverständnis zu erleichtern: Guillemets («») werden zur Markierung von Zitaten aus der antiken Literatur oder aus den Werken des Gegners genutzt; einfache Anführungszeichen (,‘) dienen der Hervorhebung einzelner Worte.
1.2 Methodische Vorgehensweise: Konventionalität als Analysemodell
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nur bedingt zur Entschärfung des Streits beigetraten hat. Im Anschluss warben beide Agonisten brieflich um ein positives Urteil in ihrer Gemeinschaft, was zu einer Verlagerung des Disputs führte und mehrere Stellvertreterkonflikte auslöste, in die Bracciolini und Valla bis zum Jahr 1455 noch verwickelt wurden. Die unmittelbare Kommunikation beider Agonisten endete bereits mit dem Weggang Bracciolinis und wurde trotz Vermittlungsversuche der beteiligten Akteure nicht wieder aufgegriffen.
1.2 Methodische Vorgehensweise: Konventionalität als Analysemodell Die Bracciolini-Valla-Kontroverse gewährt einen wertvollen Einblick in die Konsolidierungs- und Findungsphase des italienischen Humanismus des Quattrocentos, in der die imitatio auf mehreren Diskursebenen einen zentralen Stellenwert einnahm. Der Verfasser möchte die Diskussion und den simultan im gemeinschaftlichen Rahmen in Gang gesetzten Aushandlungsprozess untersuchen und einen Beitrag zu den für den Humanismus konstitutiven Nachahmungsdebatten liefern, die überdies die Funktionslogik des Humanismus als eigenständiges soziales Feld offenbaren. Zur Erschließung der Kontroverse soll das Konzept der Konventionalität als Analysemodell verwendet werden, das im Folgenden im Hinblick auf die imitatio einerseits und die aus dieser hervorgegangenen Invektive als literarische Ausprägung des humanistischen Streites andererseits vorgestellt wird. Die Arbeit selbst orientiert sich an drei konstitutiven Segmenten des Konventionalitätsmodells: Sie umfasst erstens die durch den mutmaßlichen Konventionsbruch oder Skandal initiierte Versachlichung der imitatio als literarische Konvention, die eine Metadiskussion über ihre Voraussetzungen und theoretischen Grundlagen eröffnete, zweitens ihre praktische Umsetzung, die sich in der affektiv ausgerichteten vituperatio manifestierte und sowohl der Zurschaustellung der eigenen imitativen Fähigkeiten als auch der Herabsetzung des Gegners diente, sowie drittens die Aushandlung des Streits auf der Sozialebene, die über intellektuelle Bündnisschlüsse besiegelt werden sollte. Im abschließenden Kapitel sollen die Resultate zusammengestellt und auf mehreren Abstraktionsebenen reflektiert werden. Dazu gehören der im Disput vollzogene Versachlichungs- und Aushandlungsprozess, die kulturpolitischen Implikationen der imitatio und ihre Konsequenzen für den Humanismus als intellektuelle Bewegung.
1.2.1 Das Nachahmungsverfahren als sozio-literarische Konvention 1.2.1.1 Sozio-literarische Voraussetzungen des Humanismus Bracciolini und Valla wurden, wenngleich zeitlich versetzt, im römisch-florentinischen Humanistenkreis intellektuell sozialisiert und gehörten wissensgenealogisch zur dritten respektive vierten Gelehrtengeneration seit dem bereits zeitgenössisch als Gründungs-
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vater stilisierten Francesco Petrarca62. Dementsprechend teilten sie zwar die Grundzüge seiner auf die Literatur des Altertums fixierten Weltanschauung, verstanden es aber ebenso, ihre eigenen Akzente zu setzen. Beide Agonisten wirkten innerhalb einer intellektuellen Bewegung, die sich nach wie vor in einer Experimentierphase befand und sich durch eine Vielzahl an unterschiedlichen Interessen auszeichnete. Ihre Mitglieder identifizierten und verständigten sich aufgrund ihrer fehlenden Institutionszugehörigkeit und kodifizierten Vorgaben über einen kulturellen Code, den sie aus den Schriften des römischen und griechischen Altertums ableiteten und sich als Gemeinschaft sowohl explizit in Form von Debatten als auch implizit über die wiederholende Ausübung der Chiffre einigten. Dieser Code lässt sich nach Gerrit Walther als ein „emphatisch praktizierter Kanon rhetorischer und histor[ischer] Disziplinen beschreiben, als ein spezifischer Stil des Sprechens, Schreibens und Verhaltens, als eine Kommunikationsform [...]“.63 Diese sprachlichen und nicht-sprachlichen Praktiken, die sie aus den antiken Quellen erschlossen, wurden von ihnen habituell inkorporiert und dienten ihnen zugleich als Erkennungsmerkmal, gar als konstitutives Bindeglied ihrer „Konsensgemeinschaft“, wie Harald Müller die intellektuelle Bewegung charakterisiert. Wenngleich die Vorbildhaftigkeit des Altertums sowie die besondere Stellung der Rhetorik von allen Gelehrtensträngen axiomatisch anerkannt wurden, ist der Humanismus nichtsdestoweniger als ein heterogenes Gefüge verschiedener Ideen mit gemeinsamer Basis zu verstehen64. Daher ist in den letzten Jahrzehnten ein überaus ertragreicher sozialkonstruktiver Ansatz appliziert worden, um die neue Gelehrsamkeitsform als Bewegung bzw. soziale Gruppe zu beschreiben und sie in die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontexte der Übergangsphase vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit zu verorten. Ursprünglich als ironische Antwort formuliert bestimmt Robert Black aufgrund der Definitionsschwierigkeiten überaus treffend diejenigen Akteure als Humanisten, die sich als solche erkannten. Diese kurze Definition wählte Patrick Baker jüngst zum Ausgangs Siehe so u. a. das Urteil von Flavio Biondo (1392–1463) in seiner Italia illustrata aus der Mitte des 15. Jahrhunderts: Biondo 2005, Italia illustrata VI, 26, S. 300–302: Primus vero omnium Franciscus Petrarcha, magno vir ingenio maiorique diligentia, et poesim et eloquentiam excitare coepit. Walther 2007, Sp. 668. Zum „kulturellen Code“ in Hinblick auf die potentiellen Funktionen des Humanismus vgl. Walther 2006, S. 15 f. Die intellektuelle Bewegung, bereits von Paul Oskar Kristeller als solche klassifiziert, präzisiert Müller 2006, S. 65, als soziale Gruppe und zieht Otto Gerhard Oexles Definition für seine Untersuchung des monastischen Humanismus nördlich der Alpen heran, siehe auch pointiert Müller 2010, S. 122. Oexle 1998, zusammenfassend S. 17, charakterisiert soziale Gruppen nach vier Prinzipien: Erstens müssen Regeln und Normen von den jeweiligen Akteuren explizit oder implizit aufgestellt bzw. befolgt werden, zweitens muss die Gruppe in abgrenzenden „Wechselbeziehungen zu anderen Gruppen“ stehen, drittens muss eine gewisse innere Organisiertheit vorherrschen, in der bestimmte „soziale Rollen“ zugewiesen und übernommen werden und viertens wird die Gruppe von einer „relative[n] Dauer und Kontinuität der Zeit“ konfiguriert. Siehe in ähnlicher Stoßrichtung auch Black 1998. Zur Gemeinschaftsbildung vor allem nördlich der Alpen siehe die wichtige Arbeit von Treml 1989. Hinsichtlich des humanistischen Selbstverständnisses vgl. nach wie vor Mommsen 1942. Zum Begriff (h)umanista, der gegen Ende des 15. Jahrhunderts Verwendung fand, vgl. Campana 1956.
1.2 Methodische Vorgehensweise: Konventionalität als Analysemodell
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punkt seiner Untersuchung und nahm die Selbstwahrnehmung prominenter Humanisten im 15. Jahrhundert in den Blick. Er destillierte dabei die grundsätzliche Schwerpunktlegung auf die Rekonstruktion von Eloquenz (eloquentia) heraus, die sich aus Sicht der Humanisten in der klassischen Rhetorik und im lateinischen Ausdrucksvermögen manifestierte, was Konsequenzen für ihre Tätigkeiten wie auch die Verfasstheit ihrer informellen Gesellschaft nach sich zog65. Mit ihren Beiträgen schufen die Humanisten ein virtuelles Forum, das sie bereits im 15. Jahrhundert als eine landes- und ständeübergreifende „Gelehrtenrepublik“ (respublica litteraria) bezeichneten und durch einen ausgeprägten Freundschaftskult instituierten 66. Die für einen breiten Adressatenkreis gedachten Briefe dienten ihnen als mediales Bindeglied, um in die öffentliche Sphäre der Städte, Universitäten und Höfe vordringen zu können67. Der Definition Ciceros folgend, der den Brief als ein Gespräch mit einem Freund in Abwesenheit (amicorum colloquia absentium) definiert, wurde nahezu jedes Thema in dieser Textgattung diskutiert und konnte auch die Struktur anderer literarischer Phänotypen annehmen68. Neben dem virtuell inszenierten Gespräch diente der Brief ebenso der literarischen Selbstpräsentation, durch welche die Knüpfung und Stabilisierung von Kontakten und Beziehungsgeflechten ermöglicht wurde. Als „öffentliche Verlautbarung“ (Helene Harth) wurde dieser als authentischer Ausdruck ihrer propagierten humanistischen Gelehrsamkeit (doctrina, humanitas) und Freundschaft (amicitia) verstanden69. Jeder publizierte Text wurde gleichsam als eine für die (innergemeinschaftliche) Öffentlichkeit inszenierte Rede oder als ein Gespräch in Form eines Sprechaktes stilisiert, weshalb die
Vgl. Black 1998, S. 252: „A humanist is thus someone who acts like other humanists; this is how contemporaries would have identified humanism.“ Zur Selbstwahrnehmung der Humanisten im 15. Jh. vgl. Baker 2015. Dabei muss bedacht werden, dass die Begriffe „Humanismus“, „humanistisch“ und „Humanisten“ im Folgenden ausschließlich im heuristischen Sinne verstanden werden dürfen; zur wissenschaftlichen Diskursivierung ist es jedoch unablässig, sich fester Begrifflichkeiten zu bedienen, um die in den Blick genommenen Akteure benennen und in ihre sozialen Kontexte einordnen zu können. Vgl. u. a. Wels 2000 und Thouard 2010, S. 4 f. Vgl. Rüegg 1979; zum literarisch vollzogenen Ritual der Freundschaft Treml 1989, S. 77–99; Müller 2006, S. 69 ff.; Enenkel 2015, S. 500–519. Zur Idee der Respublica litteraria vgl. Waquet 2017. Zu den Netzwerkstrukturen in Europa Rundle 2012; zur humanistischen Öffentlichkeit und den literarischen Kreisen vgl. Schalk 1955, S. 20 ff. Cic. Phil. 2,7. Eine systematische Analyse des humanistischen Briefes, die auch die Gattung und ihre Hybridität in den Blick nimmt, fehlt nach wie vor, eine Bemerkung, die sich mittlerweile selbst als ein Topos in Überblicksdarstellungen zum Humanismus erweist. Wichtige Überlegungen und Beobachtungen zur humanistischen Epistolographie und ihrem öffentlichen Charakter vgl. bes. die Beiträge von Harth 1983a, 1983b, 1984, 1998; siehe außerdem Constable 1976, S. 39–41; Schmidt 1983; Henderson 2002, Papy 2015 und Glomski 2017. Zu den antiken Grundlagen des humanistischen Briefes vgl. nach wie vor Thraede 1970, zu Ciceros epistolographisches Verständnis S. 27–47, Konstan 1997, bes, S. 1–23 und S. 122–148. Vgl. bes. Harth 1998 am Beispiel der Poggio-Korrespondenz, bes. S. 133. Siehe auch Treml 1989, S. 77–98; Schirrmeister 2003, S. 134–149. Vgl. zu begleitenden Briefen auch Clough 1976, S. 35 f.; zur ciceronianischen Freundschaft bes. Rüegg 1979 und Schmidt 1983. Zu humanistischen Vorworten ausführlich Enenkel 2015.
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Rhetorik als wesentliches humanistisches Distinktionsmerkmal betrachtet werden kann70. Leonid Batkin fasst dieses Phänomen daher als den „dialogischen Charakter des humanistischen Denkens“71 zusammen. Die Betonung ihrer durch das Gespräch ermöglichten pragmatischen Heranführung an eine anwendungsorientierte Ethik bewarben sie als Alternative zur traditionellen, auf Logik und Dialektik basierenden Scholastik72. Die permanent hervorgehobene Performativität ihrer Schriften spiegelte gleichermaßen die tatsächliche kommunikative Praxis der intellektuellen Bewegung und zugleich ihre Herangehensweise an politisch-ethische und wissenschaftliche Problemstellungen wider, die Nancy Struever „pragmatische Theorie“ nennt73. So gesehen wurde die Mündlichkeit, gleichsam als Ausdruck der antiken Idealgemeinschaft, in das Schriftliche integriert und die Vorstellung eines öffentlichen Forums, auf dem Probleme dialogisch durch die Rede oder das Gespräch gelöst werden, virtuell inszeniert und als konstante Praktik instituiert74. Die Genese ihres genuinen kulturellen Codes war durch die für die Renaissance als Epoche gemeinhin konstitutive Nachahmung (imitatio, μίμησις) bedingt, die sowohl als theoretische Denkfigur als auch als praktisches Verfahren die humanistischen
Vgl. bes. Harth 1998, S. 133, die exemplarisch an den Briefen Poggio Bracciolinis zeigt, dass die humanistischen Schreiben, ganz gleich welcher Form, zumindest dem Anspruch nach für eine breite Öffentlichkeit bestimmt waren. Dazu auch umfassend Struever 1992, Kapitel 1, S. 3–56. Zur Sprechakttheorie nach wie vor grundlegend Austin 1972. Batkin 1979, S. 268 und zur Erläuterung des Begriffs ebd. Anmerkung 9. Batkin betont jedoch allein den Dialog, der mit Sicherheit eine große Rolle für die humanistische Kultur gespielt hat, jedoch bereits nach rein quantitativen Maßstäben hinter dem Briefverkehr zurückgeblieben ist. Nichtsdestoweniger ist natürlich auch der Brief eine Form eines Dialogs. Dazu auch Rüegg 1946, S. 39 ff., zum Dialog als Methode bes. S. 49 f. und im Anschluss an den Brief als Weiterführung des Dialogs S. 53 ff. Weiterführend auch bes. Traninger 2012, Kap. IV. mit Blick auf die Wechselwirkung von (scholastischer) Dialektik und (humanistischem) Dialog. Anregend zum dialogus Hempfer 2002. Grundlegend immer noch Kristeller 1945 und seine Studiensammlung ders. 1956–1996; einführend Hankins 2007. Zur Interdependenz von Humanismus und Scholastik Schmidt-Biggemann 1983 und Hempfer 1993; zur Synthese von Humanismus und Scholastik neben Mack 1993 (einschließlich einer Untersuchung von Valla) bes. Traninger 2012. Vgl. Struever 1992 spricht im Hinblick auf die sprachbasierte Herleitung einer Moralphilosophie von einer „theory as practice“. Überblickend zum dialogischen Prinzip Guthmüller/Müller 2004 und bes. Müller 2004 sowie die restlichen Beiträge in dem von Bodo Guthmüller und Wolfgang G. Müller herausgegebenen Sammelband „Dialog und Gesprächskultur in der Renaissance“. In Bezug auf den humanistischen Dialog neben Batkin 1979 vor allem auch Marsh 1980b, zur dialogischen Methode der Humanisten bes. Cox 1992, S. 6 f. und Häsner 2004; mit Schwerpunkt auf die Performativität der dialogischen Kultur siehe den von Hempfer/Pfeiffer 2002 herausgegebenen Sammelband; siehe auch Hempfer/Häsner/Müller/Föcking 2001 und zur Begrifflichkeit von Performativität und Performanz Hempfer 2011. Vgl. u. a. Quillen 2010, S. 372–374. Johannes Helmrath spricht im Hinblick auf den Pentalogus Enea Silvio Piccolominis von einer „Theorie des Primats der Mündlichkeit“. Vgl. Helmrath 1994, 1, S. 131. Zur Stellung der Rede im Humanismus auch Helmrath 2006. Vgl. zur Bedeutung der Sprache Batkin 1979. S. 267 und im Bezug auf die spätere Renaissance Garin 1947. Dazu auch aus einer sprachphilosophischen Perspektive Gerl-Falkowitz 1994.
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Kompositionen und Diskurse auf mehreren Ebenen strukturierte und daher eine eindeutige Definition oder Eingrenzung ihrer Funktionen erschwert75. Für den in der Studie behandelten frühen italienischen Humanismus bis zum Ende des 15. Jahrhunderts kann der Begriff auf die literarische Nachahmung, konkret auf die „sprachlich-stilistische bzw. gattungs- und stoffbezogene Nachahmung normativer rhetorischer oder literarischer exempla“76 eingegrenzt werden, die zeitgenössisch als imitatio auctorum bzw. veterum gefasst wurde. Das literarische Nachahmungsverfahren, bereits in der literarischen Praxis des griechischen und römischen Altertums fest verankert77, muss als kreativer Verwertungsprozess verstanden werden, in welchem sich der Imitator aus den Schriften von als vorbildhaft stilisierten Autoren rhetorische Techniken, Ausdrucksweisen, Stoffe, Zitate und im weitesten Sinne Ideen und Lehren für seine eigene Kompositionen bemächtigt78. Dabei stehen die hermeneutische Erschließung der literarischen
Grundsätzlich wird bei jedem Klassifizierungsversuch zwischen erstens der Nachahmung der Natur (imitatio naturae), die mit den platonischen und aristotelischen Nachahmungsverständnissen assoziiert wird, zweitens der literarischen (imitatio auctorum) und drittens der moralischen (imitatio morum) Imitation unterschieden. Entsprechend wählte die bisherige Forschung verschiedene Zugänge und Annäherungsversuche, die nach disziplinärer Ausrichtung, Methodik und Paradigmen eine höchst heterogene Fachterminologie vorlegte. Siehe zur Einführung den Artikel von Kaminski/De Rentiis 1998, Sp. 235–303, hier bes. Kaminski 1998, Sp. 235–285; aus romanistischer Perspektive mit Blick auf die Autoren Dante und Petrarca Gmelin 1932, S. 83–360; zur Nachahmung im Cinquecento unter dem Eindruck der aristotelischen Poetik immer noch Ulivi 1959 und Weinberg 1961, auf hohem Abstraktionslevel zur poetischen imitatio Greene 1982; Pigman 1980 unterscheidet zwischen drei Versionen, die zwischen der imitatio und aemulatio oszillieren; zur poetologischen Hinwendung, die sich mitunter bereits bei Angelo Poliziano (1454–1494) abzeichnete, vgl. Godman 1998, S. 60 ff. Zur Nachahmung aus komparatistischer Perspektive in Antike und Mittelalter Cizek 1994, der jedoch eine gewisse imitative Kontinuität voraussetzt; siehe auch die Übersicht von Fera 2004. Zu moderneren Ansätzen siehe Hempfer 1993, bes. S. 12–17 und Penzenstadler 1993. Kaminski 1998, S. 236. Vgl. für diese Definition auch Greene 1986, S. 1 f.; McLaughlin 1995, S. 1 f.; Witt 2000, S. 22–28 u. Fantazzi 2014, S. 141. Siehe auch überblickend den Aufsatz von Ackerman 2000. Siehe nach wie vor nützlich Norden 1915 und Reiff 1959 mit Analyse der Begriffe interpretatio, imitatio und aemulatio; einführend Russell 1979; überblickend und auf den Humanismus ausgerichtet Greene 1982, S. 54–80 und Kinney 1989, S. 3–45. Anregend mit Blick auf Cicero und Quintilian Fantham 1978a und 1978b. Die imitatio wird in dieser Studie primär als kompositorische Verwertung von Vorlagen verstanden, wenngleich der, wie aufzuzeigen sein wird, Systematisierungs- und Vereinheitlichungsversuch der vallianischen Elegantiae den humanistischen Nachahmungsdiskurs nachhaltig prägen und für weitreichende Implikationen eröffnen sollte. Daher sind die für die Nachahmungsdebatten des 16. Jahrhunderts angelegten und auf Intertextualität fußenden Forschungsansätze, beispielsweise von Klaus Hempfer und Franz Penzenstadler, für den experimentellen Frühhumanismus ohne systematisierte Imitationstechniken nur eingeschränkt nutzbar. Franz Penzenstadler 1993, S. 82f. bezeichnet die humanistische imitatio als Wiederherstellung eines historisch abgeschlossenen, eigenständigen Referenzsystems, das auf einen oder mehrere gesonderte Diskurse verarbeitend zurückgreift. Dabei unterteilt er die Nachahmung in eine „Systemaktualisierung“ und eine „Systemerwähnung“. Systemaktualisierung meint, „daß ein Textproduzent bei der Erzeugung eines Textes ein semiotisches System benutzt; [...] Systemaktualisierung [bedeutet] zudem nicht einfach die Reproduktion von Elementen und Strukturen des Systems, sondern die Applikation und Einhaltung von teils präskriptiven, teils restriktiven Regeln.“ Ferner unterscheidet er die System-
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Quellen und die Komposition eines neuen Textes in einer unmittelbaren Wechselwirkung, wodurch ein dialogisch ausgerichteter Transformationsprozess der jeweilig herausgefilterten und imitierten Elemente eingeläutet wird79. Dieser Vorgang bringt eine Hierarchie zwischen dem Imitator und dem zur Autorität (auctoritas) erhobenen Vorbild zum Vorschein, was, wie Andreas Kablitz mit Rekurs auf Thomas Greene darlegt, „das Eigene in die Botmäßigkeit gegenüber dem Fremden“ zwingt. Nichtsdestoweniger wird eine schöpferische Auseinandersetzung in Gang gesetzt, die einerseits Verbindlichkeit zum Modell und andererseits gewisse Originalität voraussetzt80. Daher ist der imitatio bis zu einem gewissen Grad stets die aemulatio inhärent, welche die Vorlage nicht bloß als Orientierungsinstanz auswählt, sondern diese bei simultaner Wiedererkennung zu übertreffen und als Modell abzulösen versucht81. Die aemulatio äußert sich
aktualisierung von der bloßen Systemerwähnung, bei der er eine Reflexion des entsprechenden Systems bzw. eine Metadiskussion meint, die nicht für die Textkonstitution herangezogen wird. Zur Systemreferenz vgl. Pfister 1985. Hempfer 1993 spricht von der Reetablierung antiker Diskurssysteme, in denen der „zunächst diskursbezogene imitatio-Begriff zu einer allgemeinen Verhaltenskategorie ausgeweitet wurde, die nicht nur das eigene Reden, sondern auch das eigene Handeln als Reetablierung antiker Normativität begreift.“ Ebd., S. 17. Vgl. zur Problematik von Intertextualität und modernen Literaturtheorien für den Humanismus bereits Pigman 1980, S. 15, dazu Kablitz 1986a, S. 33–35 und auch Müller 1999b, S. 22: „Beide [scil. imitatio und aemulatio] sind auf ein verbindliches Modell des Nachzuahmenden bezogen; durch diese normative Orientierung unterscheiden sich Poesie und Rhetorik des Humanismus grundsätzlich von postmoderner Intertextualität.“ Zum grundsätzlichen Wandel des Sprachverständnisses in der Renaissance Percival 1982. Vgl. Cizek 1994, S. 12; dazu u. a. die Kapitel zu Petrarca bei Scholz 2005a und 2005b, Moser 2006, Kapitel X–XI, S. 579–726. Zur anvisierten Öffentlichkeit und Überzeitlichkeit der humanistischen Schriften, exemplarisch an Petrarcas Briefen dargestellt, vgl. Struever 1992, S. 12 f. Zum Begriff Transformation, der im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 644 „Transformationen der Antike“ Anwendung fand, vgl. einführend Bergemann/Dönike/Schirrmeister/Toepfer/Walter/Weitbrecht 2011. Vgl. Kablitz 1997, S. 96 und zur Hermeneutik Greene 1976, hier bes. S. 208. Kritischer über den von Greene verwendeten Intertextualitätsbegriff Kablitz 1985. Pointiert Robert 2007a, S. 76: „Rhetorische Nachahmung lebt dabei von der kontinuierlichen, palimspestartigen Spannung zwischen Original und Nachahmung, ‚Prätext‘ und „‚Mimotext‘.“ Siehe auch Gouwens 1998, S. 64, S. 66: „In sum, the humanists sought not just to appropriate and deploy the written monuments of the past but also to recover its spirit and culture. Howsoever conveniently certain ancient texts may have served them as commodities they could hawk or as gifts they could leverage in a prestige economy, they read and imitated less salable literary models as well and engaged in a remarkable variety of activities. [...] Yet the recent emphasis on humanists‘ ways of reading texts, while salutary in its focus on perception, has tended to distract attention from the wide range of the recovery of antiquity to which they devoted themselves.“ Siehe auch Cave 1979, S. 35–77. Vgl. bes. Pigman 1980, hier S. 23 ff. der anhand antiker Autoren darlegen kann, dass imitatio und aemulatio nicht zwangsläufig als getrennte Phänomene oder Ausprägungen von kompositorischen Anliegen eingestuft werden dürfen. Oftmals wurden beide Begriffe, wie bei Plinius d. J. (beispielsweise epist. 1,2) synonym verwendet. Wichtig ist jedoch, und dies muss bei jedem Text neu bestimmt werden, die Funktion der imitatio bzw. aemulatio, ebd., S. 26: „Regardless of whether one distinguishes two or three species of imitation, aemulatio includes the attempt to surpass the model, and this attempt generally has important consequences for a reader of imitative poetry because it conflicts with dissimulative advice. Aemulatio
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nicht allein in der Frage nach Gleichberechtigung von Original und Imitation, sondern ebenso, wie Barbara Bauer betont, in der Literaturfehde82, in welcher mitunter Prämissen, Regeln und Verfahren der Imitation explizit oder implizit ausgehandelt werden. Die imitatio stellt folglich nicht allein ein auf vertikaler Ebene verlaufendes Wetteifern mit antiken Vorbildern, sondern ebenso ein mit Zeitgenossen auf horizontaler Ebene ausgetragenen Konkurrenzkampf dar, der subversiv oder offen geführt werden konnte, ein Aspekt, auf den unten näher einzugehen sein wird. Als Prämisse lag der Nachahmung die Idealisierung einer Epoche und ihrer Schriftsteller zugrunde, die aus stilistisch-ästhetischen bzw. moralischen Gründen als normative Blaupausen für das eigene Schaffen gewählt worden sind. Der konkreten imitativen Umsetzung als solcher gingen theoretische Reflexionen voraus, deren Gegenstände sich als kontingent erwiesen und sowohl abhängig von individuellen Fähigkeiten und Zielsetzungen als auch im besonderen Maße von den historisch bedingten Erwartungs- und Wahrnehmungshorizonten des anvisierten literarischen Resonanzraumes waren. Daher fehlte es nicht allein an standardisierten Skalen und Orientierungsrastern, sondern ebenso an vereinheitlichten Verfahren, was nicht nur diachrone, sondern auch synchrone Diskrepanzen hinsichtlich ihrer konkreten Ausführungen offenbart. Sprachphilosophische Voraussetzungen, Aussageabsichten, das das Verfahren fundierende Sprachverständnis im weitesten Sinne, die Kanonwahl, der Modellmodus (ein oder mehrere Vorbilder) und insbesondere die dem Verfahren zugrunde gelegte Axiologie, die eine Balance zwischen der als notwendig erachteten individuellen Distinktion und der simultanen Wahrung der authentischen Züge des Originals erfordert, mussten zwangsläufig zu ambivalenten und konkurrierenden Ansätzen führen. Die antiken Schriftsteller boten den Humanisten zwar Betrachtungen über die Voraussetzungen und literarischen Funktionen der imitatio, stellten aber keine einheitlichen Leitfäden oder Regelwerke zur Verfügung. Ciceros Reflexionen über die Nachahmung waren beispielsweise widersprüchlich: In seinem Frühwerk De inventione spricht er sich für einen eklektischen Zugang zur Rhetorik aus, der das eigene Urteilsvermögen (iudicium, verknüpft mit dem ingenium) des Imitators beansprucht und die Originalität der individuellen Komposition unterstreicht83. Seine historische Einordnung der griechischen Redekunst in De Oratore wiederum betont den Erfolg der Einarbeitung eines singulären Modells,
calls attention to itself and deliberately challenges comparison with its model. The relation between text and model becomes an important element in the text itself.” Vgl. zur aemulatio auch Bauer 1992. Vgl. Bauer 1992, Sp. 141 f. Vgl. Cic. inv. 2,1–4, hier bes. 2,4: Quod quoniam nobis quoque voluntatis accidit, ut artem dicendi perscriberemus, non unum aliquod proposuimus exemplum, cuius omnes partes, quocumque essent in genere, exprimendae nobis necessarie viderentur; sed omnibus unum in locum coactis scriptoribus, quod quisque commodissime praecipere videbatur, excerpsimus et ex variis ingeniis excellentissima quaeque libavimus. ex iis enim, qui nomine et memoria digni sunt, nec nihil optime nec omnia praeclarissime quisquam dicere nobis videbatur. quapropter stultitia visa est aut a bene inventis alicuius recedere, si quo in vitio eius offenderemur, aut ad vitia eius quoque accedere, cuius aliquo bene praecepto duceremur. Zu dieser Stelle Kinney 1989, S. 15 f.
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das aufgrund einer strikten, sukzessiven Verwertung stets auf den griechischen Redner Perikles zurückzuführen sei84. Andere Autoren wie Horaz, Quintilian, der ältere Seneca und Plinius der Jüngere befürworteten hingegen eine pluralistische imitatio und akzentuierten die Schaffung einer eigenständigen Komposition, die ihre Grundlagen jedoch nicht verleugnen sollte. Plinius spricht sich sogar in einem Brief an Fuscus dafür aus, dass der Imitator sich nach genauem Studium der ausgewählten Vorbilder an eine aemulatio heranwagen könne85. Einigkeit bestand hingegen in der Vorannahme, dass das eigene Urteilsvermögen den ausschlaggebenden Faktor einer auf Neuschöpfung ausgerichteten Nachahmung bilde und, wie insbesondere Horaz unterstreicht, „auf eine sklavische“ Abhängigkeit, d. h. eine Kopie verzichtet werden müsse86. Der Imitator stand darüber hinaus stets in einem unmittelbaren Abhängigkeitsverhältnis zur anvisierten Leserschaft, deren sozialisierungsbedingte Erwartungen
Cic. de orat. 2, 93: Antiquissimi fere sunt, quorum quidem scripta constent, Pericles atque Alcibiades et eadem aetate Thucydides, subtiles, acuti, breves, sententiisque magis quam verbis abundantes: non potuisset accidere, ut unum genus esset omnium, nisi aliquem sibi proponerent ad imitandum. Consecuti sunt hos Critias, Theramenes, Lysias: multa Lysiae scripta sunt; non nulla Critiae; de Theramene audimus; omnes etiam tum retinebant illum Pericli sucum, sed erant paulo uberiore filo. Ciceros Nachahmungsverständnis unterscheidet sich ebenso in seinen späteren Werken Brutus und Orator. Plin. epist. 7,9: Nihil offuerit quae legeris hactenus, ut rem argumentumque teneas, quasi aemulum scribere lectisque conferre, ac sedulo pensitare, quid tu quid ille commodius. Magna gratulatio si non nulla tu, magnus pudor si cuncta ille melius. Licebit interdum et notissima eligere et certare cum electis. Siehe auch epist. 1,2, wo Plinius seine rhetorischen Vorbilder benennt. Vgl. zu Plinius auch Pigman 1980, S. 24: „For Pliny aemulatio refers to the author’s emotional attitude and motivation, not to a literary technique.“ Exemplarisch Horaz, epist. 1, 19–34, der sowohl explizit wie implizit auf die Nachahmung verschiedener Modelle setzt und sein Imitationsverständnis poetisch verarbeitet: o imitatores, servum pecus, ut mihi saepe bilem, saepe iocum vestri movere tumultus! Libera per vacuum posui vestigia princeps, non aliena meo pressi pede. qui sibi fidet, dux reget examen. Parios ego primus iambos ostendi Latio, numeros animosque secutus Archilochi, non res et agentia verba Lycamben. ac ne me foliis ideo brevi oribus ornes, quod timui mutare modos et carminis artem, temperat Archilochi Musam pede mascula Sappho, temperat Alcaeus, sed rebus et ordine dispar, nec socerum quaerit, quem versibus oblinat atris, nec sponsae laqueum famoso carmine nectit, hunc ego, non alio dictum prius ore, Latinus volgavi fidicen. iuvat immemorata ferentem ingenuis oculisque legi manibusque teneri. Dazu insbesondere die Analyse von Greene 1982, S. 69 ff. Vgl. auch Robert 2007a, S. 76.
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und Interessen abgedeckt werden mussten. Schwerpunktlegungen, Methoden und die praktische Umsetzung weisen daher im Frühhumanismus eine gewisse Arbitrarität auf, die eine einheitliche Perspektivierung erschweren. Die humanistische imitatio war zwar grundlegend auf die Restauration der antiken Rhetorik ausgerichtet, brachte aber höchst heterogene Resultate hervor, die nur schwerlich vereinheitlicht werden können, weshalb bisherige Studien zur Beschreibung des Phänomens in der Regel biographische Ansätze wählten, um verzerrenden Verallgemeinerungen vorzubeugen. Bei dieser Vorgehensweise geht jedoch der Blick auf die sozialkonstruktive Dimension der imitatio und ihre kontemporäre Wahrnehmung verloren, die für den Humanismus als Interpretationsgemeinschaft konstitutiv war und nicht allein über Akzeptanz und Erfolg der jeweilig veröffentlichten Kompositionen entschied, sondern maßgeblichen Einfluss auf die Nachahmung als literarisches Verfahren ausübte87. Der Verfasser stuft die imitatio daher als sozio-literarische Konvention ein, deren Erschließung über das Konzept der Konventionalität vollzogen werden kann. Konventionen meinen implizit wie explizit ausgehandelte sprachliche und nicht-sprachliche Praktiken und Denkformate88, die innerhalb eines nicht-institutionalisierten sozialen Feldes89 von seinen Teilnehmern entweder habitualisiert oder über wiederholte
Zur Interpretationsgemeinschaft („interpretive community“) siehe Fish 1980, eine kritische Besprechung dazu in Weninger 1994, S. 59–64. Die Interpretationsgemeinschaft wird, wie unten zu zeigen sein wird, mit den Begriffen der feldspezifischen Orthodoxie und Heterodoxie erfasst werden. Damit ist hier das Deutungsspektrum gemeint, in dem sich eine Komposition innerhalb einer literarischen Gemeinschaft bewegen muss. Siehe auch zum Verhältnis zwischen Autor und seiner zu berücksichtigenden Publikumserwartung Rabinowitz 1986. Jede einzelne, aus Praktiken oder Denkformaten bestehende Konvention setzt sich wiederum aus einem Gefüge sogenannter „Metakonventionen“ (Robert Weninger, der auf Hayden White zurückgreift) oder „Tiefenkonventionen“ (Andrei Marmor) zusammen, die derartig mit dem Weltbild bzw. der Perzeption verwoben sind, dass sie stets vorausgesetzt werden und allein bei einem drastischen Bruch sichtbar werden. Vgl. Weninger 1994, S. 67–74; Marmor 2007. Zu dieser Art von Konvention gehört beispielsweise der Glaube, dass das Altertum ein Ideal bildet und imitiert werden müsse. Keinem der Humanisten wäre eingefallen, die mittelalterliche Literatur als Leitbild auszuwählen. Zu dem Begriff Praktiken vgl. Reckwitz 2020, S. 49, der Praktiken als „eine sozial geregelte, typisierte, routinierte Form des körperlichen Verhaltens (einschließlich des zeichenverwendenden Verhaltens)“ versteht, die „spezifische Formen des Wissens, des know how, des Interpretierens, der Motivation und der Emotion“ umfasst. Siehe auch Burke 2014, der Praktiken im intellektuellen Bereich weiter spezifiziert und kulturgeschichtlich zu definieren versucht. Zur Präzisierung und Applikation des Konzeptes soll die Konventionalität mit dem Feld- und Kapitalmodell Pierre Bourdieus verknüpft werden, zu dem auch der Habitus als integrales Element gehört. Ein soziales Feld meint ein um eine illusio, d. h. einem Einsatz konstituiertes, informelles Areal von sozialen Relationen und Kräfteverhältnissen zwischen seinen Teilnehmern, die miteinander in Konkurrenz stehen und um die limitierten Ressourcen ihres Feldes, sogenannte Kapitalien, kämpfen. Zur Feldtheorie überblickend Rehbein/Saalmann 2014; anregend der kritische Beitrag von Schwingel 1997, zum literarischen Feld bes. Jurt 1995, S. 69–108; siehe auch Thompson 2005, bes. S. 19, zur Kapitalienakkumulation Thompson 1984, S. 49 f. und ders. 2005, S. 16; zur „Symbiose“ zwischen Habitus und Feld vgl. Bohn 1991, S. 25–34.
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Einübungen gewohnheitsbedingt internalisiert und als regulative wie orientierungsgebende Denk- und Handlungsmuster befolgt werden90. Sie dienen grundsätzlich einer pragmatischen Kontingenzreduktion, d. h. sie ermöglichen eine Simplifizierung unterschiedlicher Abläufe und Schaffensvorgängen, die darüber hinaus zur reziproken Rekognition der Feldakteure und gleichsam zur Autorisierung für die feldspezifischen Diskurse herangezogen werden. Aufgrund der informellen Verfasstheit eines Feldes können Konventionen von keiner übergeordneten Instanz erzwungen werden, weshalb sie sich als dynamische, stets vorläufige und permanenten Aushandlungen unterworfene Regeln erweisen und sich praxeologisch auf ein verinnerlichtes Wissen beziehen91. Ihre Herausbildung und Inkorporierung kann wechselseitig über Wiederholung der jeweiligen Praktiken und Denkformate erfolgen, während Veränderungen gängiger Konventionen implizit durch subversive Modifikationen und Verwerfungen oder explizit in offenen Auseinandersetzungen vollzogen werden können. Entsprechend oszillieren Konventionen zwischen Beharrung auf eine eingespielte Form und einem distinktionsorientierten Wandel; sie setzen folglich Konflikte voraus, die das Feld als solches mitsamt seinen Diskursen und den notwendigen Spannungsverhältnissen zwischen den Feldteilnehmern zusammenhalten92. Die beiden Pole Beharrung und Wandel werden zudem durch persönliche Rivalität und den steten Akquisationsversuchen von fremdreferentiell bewerteten kulturellen Kapitals bedingt93, was die drei primären Faktoren von Konventionalität – die Dynamik von Konventionen, die von den Rahmenbedingungen und der individuellen Auslegung abhängige Arbitrarität ihrer Ausprägungen und die Reziprozität ihrer Aushandlung – zum Vorschein bringt. Konventionalität meint folglich die gemeinschaftliche Herausbildung von Konventionen, deren Aushandlung sich hauptsächlich latent über ihre praktische Anwendung, im Falle ihrer Missachtung oder Umdeutung jedoch ebenso ausdrücklich über ihre konkrete Versachlichung vollstrecken kann. Diese Bestimmung des Begriffes Konvention orientiert sich an den von Udo Friedrich 2021, S. 22–41 genannten Kategorien, weiterführend Friedrich/Krusenbaum-Verheugen 2021, die Konventionalität praxeologisch auslegen. Siehe zu einer sozio-philosophischen Annäherung an Konventionen bes. Marmor 2007 und ausführlich 2009, der die kategorischen Grundlagen für das von Friedrich verwendete Konzept von Konventionalität festlegt. Dazu zählen die Arbitrarität und Reziprozität von Konventionen, die sich durch strikte Befolgung (compliance) auszeichnen, über Wiederholung eingeübt und gleichsam in den gruppenspezifischen Habitus inkorporiert werden. Zum Habitus Kastl 2007; zur Habitualisierung von sozialem Wissen vgl. Reckwitz 2011, S. 43–48. Vgl. bereits Georg Simmel 2018, S. 78, der den Begriff „Sitte“ für das internalisierte und regulative Wissen verwendet: „Durch die Sitte nun sichert sich ein Kreis das ihm angemessene Verhalten seiner Mitglieder da, wo der Zwang des Rechtes unzulässig und die individuelle Sittlichkeit unzuverlässig ist.“ Zu den Kräfteverhältnissen im Feld vgl. auch Bohn 1991, S. 26–35. Zur Praxeologie einleitend Freist 2015. Vgl. dazu Collins 1998, S. 30–37. Kulturelles Kapital muss in jedem Feld gesondert definiert werden. Im Folgenden ist darunter die humanistische Literatur als lizenzbedürftige Beiträge gemeint, wie noch unten näher erläutert wird.
1.2 Methodische Vorgehensweise: Konventionalität als Analysemodell
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Als konventionalisierte Praktik erwies sich die imitatio im Humanismus als literarisches wie sozialkonstruktives Leitprinzip seines sozialen Feldes, das als dynamische Konstante einer Vielzahl an Umdeutungen und Neuausrichtungen unterzogen wurde. Jedes Nachahmungsmodell drehte sich jedoch konsequenterweise um den hermeneutischen wie transformatorischen Umgang mit der jeweilig zugrunde gelegten auctoritas, die entweder als singuläres oder plurales Modell für die eigene Komposition analysiert wurde. Obgleich mehrere, jedoch teils widersprüchliche Reflexionen über die imitatio in den antiken Quellen zur Verfügung standen, musste die konkrete Umsetzung konsequenterweise fakultativ erfolgen und daher innerhalb des gemeinschaftlichen Rahmens eingeübt werden. Entsprechend prägten die jeweiligen Sozialisierungs- und Wirkungsräume ihre Aneignung und Ausführung. Allen Spielarten der humanistischen imitatio war grundsätzlich gemein, dass sie einen pragmatischen Zweck erfüllen und als konkretisierter Ausdruck einer moralisch-kulturellen Reform dienen sollte. Die Humanisten strebten tendenziell eine rhetorische wie stilistisch-ästhetische Restauration der akademischen Künste und Wissenschaften an, in denen sie auf eine moralische Erneuerung abzielten. Als „Sprachfetischisten“ (Johannes Helmrath) und „Kommunikationsspezialisten“ (JanDirk Müller) erachteten sie die antiken veteres als für spezifische Themenfelder mustergültige Referenzgrößen, denen sie Überzeugungskraft in Form von Eloquenz, moralische Vorbildhaftigkeit und hieraus resultierende Deutungshoheit zugewiesen haben94. Wissenserzeugung und praktische Wissensapplikation in Form von moralischer Belehrung wurde ihnen zufolge erst durch das (imitative) Gespräch fruchtbar, weshalb die klassische Rhetorik, d. h. die Kunst oder Lehre des Sprechens (ars loquendi, ars dicendi, ars rhetorica) und der damit verbundenen Persuasion auf der einen und der Wahrheitssuche auf der anderen Seite eine derartig bedeutende Stellung innerhalb ihres Kultur- und Bildungsprogrammes einnahm95. Die sprachlich fundierten studia humanitatis, d. h. die Grammatik, Rhetorik, Moralphilosophie, Geschichtsschreibung und Poesie können, wie Paul Oskar Kristeller aufgezeigt hat, als primärer, jedoch nicht ausschließlicher Fächerkanon betrachtet werden 96. Die lateinische Sprache
Vgl. Helmrath 2010, S. 265; Müller 1999, S. 20. Zu den veteres als auctoritas siehe Vollmann/Čizmić 2003, hier S. 107. Zur Kanonisierung von Autoren vgl. u. a. Celenza 2004a am Beispiel von Angelo Decembrios De politia litterara. Siehe ebenso Kristeller 1988; Ramminger 2014, S. 21; auch Penzenstadler 1993, S. 84, Anmerkung 24 und zur Kanonisierungsfrage Müller 1999a, zum Humanismus 429–432, hier S. 431 und ebenfalls Robert 2007b. Vgl. den nach wie vor wichtigen Aufsatz von Gray 1963, bes. S. 502 ff.; zum Stellenwert der Rhetorik in der Renaissance ausführlich Rebhorn 1995, dazu auch aus pädagogischer Sicht Böhme 1984. Studien zur humanistischen Rhetorik sind Legion, weshalb hier nur eine knappe Auswahl gegeben werden soll. Einführend v. a. Mack 1993 und jüngst 2011; Helmrath 2006. Eine sehr gute epochenübergreifende Einführung in die Rhetorik bietet Stroh 2011. Zum Wissenschaftsbegriff und zur humanistischen Wissenschaftsverständnis vgl. bes. Schmidt-Biggemann 1983. Zu der unauflöslichen Verknüpfung von Wissenschaft und Literatur bei den Humanisten vgl. Kristeller 1969, Buck 1973 und Grimm 1983, S. 60 ff. Vgl. überblickend Kristeller 1988. Dass es sich um eine Neuinterpretation des ciceronianischen Bildungsprogrammes handelte, hat Cranz 2001 in seinem viel zu wenig beachteten Aufsatz an Leonardo
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1 Einleitung
lag im 14. und 15. Jahrhundert tendenziell jeglichen humanistischen Aktivitäten zugrunde, obgleich das volgare einen steten Zulauf erfuhr und sich langfristig durchzusetzen vermochte97. Als Untersuchungsgegenstand, als Kommunikationsmedium, als kultureller Speicher und ebenso als Signum sozialer Distinktion kam der lingua latina eine polyvalente Funktion zu, die das intellektuelle Panorama des Humanismus bildete. Jegliche Lehren, Tätigkeiten oder Ideen, die mit den Schriftstellern des Altertums assoziiert wurden, waren über eine umfassende Nachahmung zu studieren, anzueignen und in praxi neu zu verwerten. Die imitatio diente nicht allein als Kompositionstechnik für die eigenen Schriften, sondern ebenso als reziproker Rekognitionsschlüssel, mit dem die Humanisten sich gegenseitig als solche identifizieren und sich symbolische Sprechlizenzen für ihre Diskurse ausstellen konnten98. Sie waren grundsätzlich bestrebt, die klassische Diktion zu reaktualisieren99. Im ausgehenden 15. Jahrhundert herrschte gar die Absicht, eine allen Disziplinen übergeordnete, an der klassischen Ausdrucksweise orientierte Semiotik zu installieren, was ihren hegemonialen Anspruch auf Bildung, Kultur und Politik offen zum Ausdruck brachte100. 1.2.1.2 Humanistische Nachahmungsverständnisse bis 1450 Francesco Petrarcas Wirken kam bei der humanistischen Konventionalisierung der imitatio als Verfahren, als intellektuelle Blaupause und als sozialkonstruktives Bindeglied eine nicht überschätzbare Rolle zu. Obgleich er hinsichtlich der stilistischen Vorbildhaftigkeit
Brunis Bildungstraktat De studiis et litteris aufgezeigt. Während Cicero unter seinen studia humanitatis die Gesamtheit aller Wissenschaften verstand, teilte Bruni diese zwischen den studia humanitatis bzw. litterae und der (naturwissenschaftlichen) scientia zu Gunsten der ersteren auf. Vgl. aus einer anregenden Makroperspektive Waquet 2001. Siehe auch zur Entwicklung des Lateinischen Sidwell 2015. Vgl. Celenza 2009, S. 242 in Bezug auf die späteren Humanisten, aber bereits ab dem Beginn des 15. Jahrhunderts anwendbar: „One trajectory, then, that members of Poliziano’s generation could follow was that of Latinity as code, whereby one created a scholarly community both real and imagined, by weaving together a rich texture of allusions, quotations, and intertextual gestures that could be recognized by the community’s members.“ Siehe auch Revest 2013, bes. S. 424, 454 ff. Der Verfasser folgt Witt 2000, S. 28 und nutzt die Kategorie „klassisch“ heuristisch für das, im weitesten Sinne und vor allem von den hier behandelten Autoren mit Cicero assoziierte Latein des Altertums. Eine sprachhistorische Periodisierung, die zwangsläufig eine Kanonisierung voraussetzte, wird erstmals von Valla konkret vorgelegt. Wenngleich Reflexionen über die Sprachentwicklung die frühhumanistischen Diskurse stets begleiteten, hatten diese de facto kaum einen Einfluss auf das Nachahmungsverfahren per se. Wie Black 2004, zusammenfassend auf S. 273–274, aufzeigen konnte, griff der Lateinunterricht unter humanistischen Vorzeichen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts nach wie vor auch auf spätantike Autoren zurück und applizierte, neben Boethius, insbesondere die spätantiken Grammatiker Priscianus, Donatus und Servius, worauf noch unten näher einzugehen sein wird. Zum Latinitätsverständnis bzw. zur Genese des Neulateinischen siehe auch Pade 2014a. Vgl. Penzenstadler 1993, bes. S. 80–96, der jedoch bereits aus einer späteren Perspektive des ausgehenden 15. Jahrhunderts die mittlerweile systematisierte und mit konkreten Gestaltungsabsichten ausgestattete imitatio betrachtet. Zum „hegemonialen Humanismus“ de Boer 2017.
1.2 Methodische Vorgehensweise: Konventionalität als Analysemodell
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antiker Autoren, wie Ronald G. Witt in seiner bedeutenden Monographie herausgearbeitet hat, die Vorleistungen der Paduaer „Frühhumanisten“ Lovato dei Lovati (1241–1309) und Albertino Mussato (1261–1329) aufgegriffen hatte, legte er als Angehöriger der dritten intellektuellen Generation erstmalig eine theoretische Basis vor, die als Konvention von seinen Nachfolgern übernommen und verwertet worden ist101. Er skizzierte ein permissives Imitationsverfahren, das durch die Leitkategorien stilistische Einheit, Originalität und eklektische Aneignung gekennzeichnet war. Ausdrücklich warnte er vor einfachen Kopien und strebte stattdessen eine Neuschöpfung an, die nichtsdestoweniger durch die jeweiligen Vorbilder fundiert wurde102. Er beabsichtigte die Kultivierung einer individualisierten Ausdrucksweise, die mithilfe der hermeneutischen Quellenerschließung die klassische Eloquenz als solche wiederherstellen sollte. Konkret zielte er auf eine den ausgewählten Sachgegenständen angemessene und die Leserschaft überzeugende Verbalisierung von Gedanken, Realität und Selbstdarstellung durch eine stoffliche Transformation und rhetorische Aufarbeitung ab. Simultan diente die imitative Auseinandersetzung der soziokulturellen Sinnstiftung und der sprachlich-historisch ausgerichteten Wahrheitssuche. Dabei wählte Petrarca Cicero als primäre Bezugsinstanz und Vertreter für seine Sprachauffassung wie auch für seine eigene Wahrnehmung als Gelehrter. Ciceros Erschließung der griechischen Philosophie und Rhetorik parallelisierten er und seine humanistischen Nachfolger mit ihrer eigenen Gegenwart, in welcher die Wiederentdeckung und Restauration einer vergangenen literarischen Hochphase als kulturelles Projekt propagiert wurde. Obgleich Petrarca den römischen Redner als Primärmodell wählte, sollte dieser weniger lexikalisch als vielmehr ideell nachgeahmt werden und einen gewissen Wiedererkennungswert bei gleichzeitiger Neuschöpfung beibehalten103. Die imitatio als Technik beschreibt er mit dem topischen Gleichnis von Bienen, die aus diversen Blumen den benötigten Nektar für die Honigproduktion entnehmen, was sich auf die stilistisch-rhetorische und stoffliche Übernahme aus Büchern Vgl. Witt 2003, S. 81–183. Witt lehnt den Begriff „Frühhumanismus“ oder „Protohumanismus“ ab, da hier eine Distinktion geschaffen wird, die sich auf inhaltlich-stilistischer Ebene nicht belegen lasse. Nichtsdestoweniger muss Francesco Petrarca aus Sicht der humanistischen Historiographie die Rolle der Gründungsfigur zugewiesen werden, da offenkundig für seine Nachfolger mit Petrarca ein klarer Bruch und damit zusammenhängender Wandel identifiziert wurde. Vgl. Greene 1982, S. 98 ff.; Kinney 1989, S. 18. De Rentiis 1996, S. 135: „Diese Form von Nachahmung ist für ihn deshalb «gut und richtig», weil sie es ermöglicht, eine spezifische Differenz zwischen Nachahmungsvorlage und Nachahmungsergebnis, zwischen Vorbild und Nachahmer zu stiften und deutlich zu markieren, und weil sie somit garantiert, daß die umfassende und uneingeschränkte familiaritas mit den Werken eines auctor und die den ganzen Menschen involvierende und transformierende imitatio dieses auctor nicht zu einer «imitatio ut deum» ausartet.“ Siehe auch Eden 2007. Vgl. Kinney 1989, S. 18; in Bezug auf Petrarcas Cicero-Interpretation und die Betonung des hierdurch gewonnenen individuellen Stils Rüegg 1946, S. 33 ff. und u. a. Leonhardt 2005. Vgl. auch Buck 1981a, der die selektive und transformierende Interpretation der antiken auctores seitens der Humanisten hervorhebt und darauf verweist, dass immer nur einzelne Elemente aus dem Altertum verwendet und für ihre Schriften appliziert wurden. Zur petrarkistischen, auf Ciceros Werken basierenden Sprachideologie Apel 1980, S. 168 ff.
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übertragen lässt und den eigenen kreativen Verwertungsprozess visualisiert104. Daher muss Petrarcas Hinwendung zu Cicero hauptsächlich als Gattungsvorlage gefasst werden: Die ciceronianische geprägte oratio fungierte als mustergültiges Schema, das nicht allein in der Rede als solche, sondern ebenso in den einzelnen Gesprächsbeiträgen des Dialoges, der Historiographie oder dem Brief appliziert werden konnte105. Sie stellte einen Grundriss für jegliche prosaische Texte zur Verfügung, zu der insbesondere auch die Invektive gehörte, auf die im nachfolgenden Unterkapitel einzugehen sein wird. Des Weiteren ergänzte Petrarca die stilistisch-rhetorische imitatio auctorum um eine ethische imitatio morum, was für das Kultur- und Bildungsprogramm der humanistischen Gemeinschaft konstitutiv wurde und bei der humanistischen Nachahmung das ideologische Fundament bildete106. Dieser wichtige Schritt sah die Zusammenführung von sapientia, d. h. praktischer Weisheit, und eloquentia in Form einer persuasiven und pragmatisch orientierten Redeweise vor107. Der individuelle, aus den antiken Quellen verwertete Stil reflektierte ein moralisches Ideal, das sich in der literarischen Komposition einerseits und in der wiederum primär literarisch inszenierten Lebensweise andererseits auszudrücken hatte.
Petrarca 1933, Epistulae familiares 1, 8, 4, S. 163: Sed illud affirmo: elegantioris esse solertie, ut, apium imitatores, nostris verbis quamvis aliorum hominum sententias proferamus. Ebd., 1, 8, 23 f., S. 173: Neve diutius apud te qualia decerpseris maneant, cave: nulla quidem esset apibus gloria, nisi in aliud et in melius inventa converterent. Tibi quoque, siqua legendi meditandique studio reppereris, in favum stilo redigenda suadeo. Das Gleichnis findet sich bei Sen. epist. 11, 84,3–4: Apes, ut aiunt, debemus imitari, quae vagantur et flores ad mel faciendum idoneos carpunt, deinde quidquid attulere disponunt ac per favos digerunt et, ut Vergilius noster ait, liquentia mella stipant et dulci distendunt nectare cellas [Verg. Aen. 1, 432–433]. De illis non satis constat utrum sucum ex floribus ducant qui protinus mel sit, an quae collegerunt in hunc saporem mixtura quadam et proprietate spiritus sui mutent. Quibusdam enim placet non faciendi mellis scientiam esse illis sed colligendi. Zum Bienengleichnis vgl. Stackelberg 1956; siehe auch Schuld 1994, S. 636. Zu Petrarcas Interpretation vgl. auch Greene 1982, S. 99 f.; McLaughlin 1995, S. 26 f. und De Rentiis 1996, S. 134–137. Weitere Reflexionen Petrarcas über die imitatio finden sich in seinen Briefen Epistulae familiares, 22, 2 und 23, 19 jeweils an Giovanni Boccaccio (1313–1375), zu beiden Schriftstücken ausführlich McLaughlin 1995, S. 27–34. Dieter Mertens spricht in Hinblick auf Petrarcas Applikation des Bienengleichnisses von einer „Überschreibung“; Petrarca berücksichtigte auch einen Brief Peters von Blois (ca. 1130–1211) (ep. 101), siehe Mertens 2004. Zum komplexen und ambivalenten Verhältnis zwischen Petrarca und Cicero bzw. imitativen Modellen insgesamt vgl. u. a. zusammenfassend Leonhardt 2005, S. 37 f. und auch Mertens 2004. Siehe De Rentiis 1996, Kap. 4.3., S. 104–137, hier S. 137: „Petrarca ist nicht deshalb so bestimmend für die Geschichte der imitatio im Renaissance-Humanismus, weil er etwa als Genie [...] eine besonders konsequente oder radikal neue [...] imitatio-Auffassung vertreten hätte, sondern weil er die imitatio-Problematik als eine der zentralen moralphilosophischen und rhetorisch-poetologischen Fragen seiner Zeit erkannt, präzisiert, problematisiert und reflektiert hat und weil er mit seiner [...] Arbeit dazu beigetragen hat, ein begriffliches, textuelles und argumentatives Fundament für die weitere Reflexion über diese eminent wichtige Frage zu schaffen.“ Vgl. auch Apel 1980, S. 168 f. Vgl. zum Verhältnis zwischen Humanisten und den antiken Autoren u. a. Buck 1981a und Vollmann/ Čizmić 2003.
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Die Rezeption der petrarkistischen Konzeption ist von zahlreichen Kontinuitäten und Diskontinuitäten geprägt, wie Ronald Witt mitunter hinsichtlich der Frage nach religiöschristlicher oder säkular-paganer Orientierung des Humanismus ausführlich aufgezeigt hat. Die imitative Umsetzung stellt bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts ein uneinheitliches Bild einer stilistisch-literarischen Findungsphase dar, die jedoch noch keinen Bedarf an einer Normierung eines Latinitätsideals oder einer restriktiven imitatio nach strengen Regeln vorsah. Ebenso lassen sich bis zur Mitte des Quattrocentos noch keine Absichten erkennen, eine vollständige Tilgung mittellateinischer Variationen oder etablierter Formeln herbeizuführen, geschweige denn eine streng restaurativ ausgelegte Semiotik einzuführen. Die maßgeblichen, sukzessiv vorgenommenen stilistischen Änderungen lassen sich zunächst in der Poesie und dann hauptsächlich in der Historiographie und Epistolographie sowie ab dem beginnenden Quattrocento ferner in der grundsätzlichen Hinwendung zur Oratorik und zum Dialog fassen – letztere drei Bereiche waren konsequenterweise durch die Wiederentdeckung und Aufarbeitung der ciceronianischen Schriften bedingt und legten das Grundgerüst der humanistischen Studien im 15. Jahrhundert. Die hier behandelten Autoren konzentrierten sich auf eine Aufarbeitung und Perfektionierung der Rhetorik und richteten ihre Aufmerksamkeit folglich primär auf prosaische Gattungen, was jedoch nicht bedeutet, dass die humanistischen Diskurse die Dichtung außer Acht ließen108. Die imitative Erprobung der Poesie verlief parallel zu der rhetorischen Erschließung und wurde im humanistischen Bildungsprogramm als integraler Bestandteil vorausgesetzt; explizite Reflexionen über die Dichtung als genuines Ausdrucksmittel fanden jedoch erst ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vermehrt statt und kulminierten mit der lateinischen Übersetzung der aristotelischen Poetik am Ende des Jahrhunderts, was weitreichende Folgen für den Nachahmungsdiskurs des Cinquecentos haben sollte109. Petrarca, der sowohl poetische als auch prosaische Kompositionen vorweisen konnte, führte eine für diese Phase charakteristische laissez-faire-Haltung ein: Die Nachahmung wurde als fakultativ auslegbare und daher dynamische Konvention einem innerhumanistischen Wettbewerb freigegeben. Als publikumsorientierte Beiträge mussten sich die ausgewählten Schaffensmodelle entsprechend in den Grenzen des Erwartungs- und Wahrnehmungshorizonts der übrigen humanistischen Akteure als Interpretationsgemeinschaft bewegen. Dieser Rahmen kann axiologisch mit dem Bourdieuschen Begriffen der Orthodoxie und Heterodoxie präzisiert werden: Orthodoxie meint das in einem Feld von der Mehrheit getragene Denk- und Handlungsspektrum, welcher gleichsam als Regulator und Korrektiv sowohl das Zusammenwirken der individuellen Praktiken ermöglicht als auch einen gemeinsamen Perzeptionsraum instituiert110. Als Gegenbegriff ist die Heterodoxie zu nennen, welche subversive bzw. umstrittene Ele Vgl. Witt 2000, S. 498 ff.; siehe auch Huber-Rebenich 2006. Vgl. Weinberg 1961, S. 349 f.; Aguzzi-Barbagli 1988, S. 92 f.; Godman 1998, S. 59 ff.; grundsätzlich Greene 1982. Vgl. Bourdieu 1976, S. 318–334, bes. S. 325. Siehe auch Friedrich 2021, S. 14 f.
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mente in die Felddiskurse einführt und, abhängig von ihrer Akzeptanz, die orthodoxen Sichtweisen verändern kann. Die Orthodoxie stellt ein Gefüge aus einer Vielzahl an sich gegenseitig bedingenden Konventionen dar, die erst durch den offenkundigen Bruch, den „Fehltritt“ (Peter von Moos) sichtbar und versachlicht werden können111. Was jedoch als Regelüberschreitung anerkannt wird, hängt wiederum von der Feldposition der jeweiligen Teilnehmer und ihren sozial bedingten Stellungen ab. Der Konventionsverstoß kann von einem anerkannten Wortführer beispielsweise als bewusste Missachtung von den übrigen Feldteilnehmern lizenziert und als neue Konvention anerkannt werden, sofern dieser überhaupt als diskussionswürdiger Bruch identifiziert wird. Der ausdrücklich wahrgenommene Fehltritt erweist sich im konkurrenzorientierten Feld stets als Bedrohung für den Status der übrigen Akteure und zugleich als Chance zur Verbesserung der eigenen Stellung: Die Orthodoxiewahrer verteidigen die vorherrschende Ordnung und signalisieren den übrigen Beteiligten, dass sie sich konform verhalten. Letztlich ist die Wortführerschaft das eigentliche Ziel der Teilnehmer des literarischen Feldes, es geht, mit den Worten Bourdieus, um „die Produktion des „common sense“ oder, genauer, um das Monopol auf legitime Benennung als offizielle – das heißt explizite und öffentliche – Durchsetzung einer legitimen Sicht von sozialer Welt“, wofür die Akteure „jeweils das in den vorausgegangenen Kämpfen erworbene Kapital ein[setzen]“112. Im literarisch ausgerichteten Feld des Humanismus ging das konventionalisierte Nachahmungsverfahren je nach Interessen und sozialen Kontexten mit verbindlichen Kategorien oder textuellen „Signalen“ einher, die es als kompositorische Vorannahmen zu befolgen galt. Das dominante Signal bildete in den humanistischen Diskursen die Primärkategorie auctoritas, die unterschiedliche Verwertungsmöglichkeiten eröffnete und der Leserschaft beispielsweise über eine stilistische oder stoffliche Nachahmung oder über die Einarbeitung eines Zitates oder einer Allusion übermittelt werden konnte113. Für die mehrschichtige Abhängigkeit des humanistischen Autors von seinem Zum sogenannten „Fehltritt“ als Analysekategorie anregend Moos 2001a. Vgl. Bourdieu 1985, S. 23. Siehe auch Schwingel 1997. Siehe auch im Bezug auf den Klassizismus Föcking/Schindler 2020, S. 9 f.: „Sie verwenden dabei autorisierte Stil- und Gattungsmerkmale, die als konventionalisierte ‚Klassizismus-Signale‘ fungieren und die tiefenstrukturellen Eigenschaften von Klassizismus indizieren können, dies aber nicht zwingend tun müssen. Explizite und implizite Verweise auf die klassischen Referenztexte sind ein häufiger Marker klassizistischer Texte. Klassizismus-Signale sind jedoch nicht in jedem Text in gleicher Dichte vorhanden Sie lassen sich quantitativ skalieren und mit anderen (a-klassizistischen) Elementen mischen. Der ‚Klassizismus-Grad‘ eines Textes kann sich daher nach einem ‚Mehr‘ oder ‚Weniger‘ bemessen lassen. Hinzu kommt, dass Gattungen mit unterschiedlich starken Normrestriktionen ausgestattet sind, so dass sie quantitativ unterschiedliche ‚Signalmengen‘ bereitstellen. [...] Der Zeitindex dieser ‚Klassizismus-Signale‘ ändert sich, je nachdem von welcher historischen Warte sie betrachtet werden.“ Siehe auch Link 1988, der von Kollektivsymbolen spricht, siehe seine Definition auf S. 286: „Unter Kollektivsymbolen möchte ich Sinn-Bilder (komplexe, ikonische, motivierte Zeichen) verstehen, deren kollektive Verankerung sich aus ihrer sozialhistorischen, z. B. technohistorischen Relevanz ergibt, und die gleichermaßen metaphorisch wie repräsentativ-synekdochisch und nicht zuletzt pragmatisch verwendbar sind.“
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Publikum spricht insbesondere die im humanistischen Briefverkehr omnipräsente Widmungs- und Evaluierungspraxis, welche die Konventionalität des Nachahmungsverfahrens als literarisches wie sozialkonstruktives Phänomen untermauert. Jeder zur Begutachtung freigegebene Beitrag, der gleichsam als kulturelles Kapital fungierte und als diskursiver Einsatz zur Verlautbarung der eigenen Ansprüche eingesetzt wurde114, musste sich zwangsläufig zwischen den beiden Polen der Orthodoxie und Heterodoxie bewegen und der Leserschaft die Entscheidung über ihren (kulturellen) Wert übertragen. Die positive Beurteilung der eigenen Schriften, entweder durch die Widmung bzw. Vorrede oder durch eine konkrete briefliche Anfrage verlangt, autorisierten diese gleichsam als dem orthodoxen Anforderungsrahmen entsprechende Texte. In Form einer ihm geneigten Bewertung bzw. der daraus abgeleiteten Anerkennung (gloria, laus) bescheinigte der Gutachter dem Bittsteller seine literarischen Fähigkeiten, d. h. er bestätigte ihm seine grundsätzliche Eignung als humanistischer Autor und trug auf diese Weise zu seinem Ruf (fama, nomen) bei115. Bei der Evaluation, die idealerweise von anerkannten Wortführern vorgenommen werden sollte, handelte es sich folglich um einen für die diskursive Teilnahme notwendigen Autorisierungsprozess, die bisweilen als schriftliches Gutachten in das eigene Werk inseriert bzw. in Briefsammlungen als Zeugnis der eigenen Kompetenzen öffentlich zur Verfügung gestellt worden ist116. Der imitative Wettbewerb des frühen Humanismus wurde weniger durch theoretische Reflexionen als vielmehr durch praktische Umsetzung vollzogen und etablierte Überblickend zu den Kapitalien und ihren Einsetzungsmöglichkeiten im Feld Rehbein/Saalmann 2014. Siehe auch zusammenfassend Bourdieu 2015, S. 49–79 und weiterführend Thompson 2005, S. 16; zur Autorisierung auch Bourdieu 1985, S. 24 f. Vgl. Kablitz 1986a, S. 34. Jüngst auch Enenkel 2015, bes. S. 347–380, hier S. 354: „Der Autorschaftsanspruch soll also durch eine ‚Approbation‘ eines etablierten Literators oder Gelehrten durchgesetzt werden. Die Art [...] ähnelt ein wenig dem modernen ‚peer reviewing‘. Durch das positive Urteil von ‚peers‘ erwerben Wissenschaftler das Recht zur öffentlichen Rede, erwirken, dass ihr Werk publiziert wird. Derjenige, dessen Schriften den ‚peers‘ nicht gefallen, tut sich schwer, als Autor anerkannt zu werden.“ Siehe auch die paradigmatische Bemerkung Poggio Bracciolinis in einem Brief an den bolognesischen Politiker Alberto Parisi aus dem Frühjahr 1454, dem er eine Autorenliste für sein Literaturstudium empfiehlt: Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 19, S. 204–205, hier S. 205: [...] quos [scil. eine Liste an antiken auctores] audis vulgo ab omnibus comprobari. Nam communis de viris doctis opinio raro fallitur. Mit den viri docti sind in der Regel humanistisch geprägte Gelehrte gemeint. Ein Blick auf die in dieser Studie behandelten Humanisten genügt, um eine ausgeprägte Praxis identifizieren zu können. Regelmäßig bat Bracciolini um Gutachten zu seinen Werken, so in Hinblick auf seinen Dialog De avaritia, siehe dazu exemplarisch seinen Brief an Ambrogio Traversari, Bracciolini 1984, Lettere 2, Ep. 2, 20, S. 88–89. Valla sendete seinen moralphilosophischen Dialog De vero bono zu mehreren Gelehrten nach Florenz und hoffte auf Zuspruch, der in soziales wie wirtschaftliches Kapital umgewandelt werden konnte. Mit seinen Liviusemendationen versuche Valla sogar vor ihrer Auseinandersetzung von Bracciolini selbst seine Meinung einzuholen. Vgl. Valla 1981, Antidotum in Facium 4, 5, 3, S. 336: Hunc locum Pogius, ad quem Antonius et Bartholomeus suas in me invectivas miserant, cum superioribus diebus has emendationes ostenderem [...]. Antonio Beccadelli wiederum fügte in spätere Fassungen seines provokanten Hermaphroditus beispielsweise die positiven Beurteilungen von Guarino da Verona und Poggio Bracciolini als Inserate bei. Vgl. Parker 2010, S. ix, Guarinos Brief findet sich in Bec-
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unterschiedliche stilistisch-literarische Paradigmata, die jeweils eigene Anhängerschaften nach sich zogen. Darunter fällt insbesondere das zu Beginn des Quattrocentos wirkmächtige, im florentinisch-römischen Gelehrtenkreis etablierte und von Witt „erster Ciceronianismus“ genannte Nachahmungsformat, das prominent von Gasparino Barzizza (1360–1431), Antonio Loschi (1368–1441), Leonardo Bruni, Guarino da Verona (1374–1460), Poggio Bracciolini und Georg von Trapezunt verkörpert wurde und von Witt der generic imitation zugeordnet wird117. Der Schwerpunkt wurde auf die Imitation der ciceronianischen Rhetorik gelegt, die unterschiedliche Nachahmungsvariationen in prosaischen Beiträgen ermöglichte, während der individuelle Stil nach wie vor eklektisch, d. h. auf dem eigenen iudicium beruhend aus einer Vielzahl an lateinischen Autoren geschöpft werden konnte, wie zahlreiche Bildungstraktate aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts bezeugen118. Der römische Redner galt als Garant einer effektiven eloquentia und als Lehrer der ars dicendi, d. h. seine Schriften konnten als skalierbare Schablone eingesetzt und um die Einarbeitung weiterer Referenzgrößen ergänzt werden. Die vier virtutes elocutionis, d. h. die grammatische
cadelli 2010, The Hermaphrodite, S. 2–5; Poggios Brief auf S. 57–59. Beide Schreiben belegen zudem, dass die Werke untereinander ausgetauscht und in ihren Gelehrtenkreisen besprochen worden sind. Siehe auch Harth 1967, S. 29 f., zur Rolle Niccolò Niccolis als führender humanistischer Zensor, dessen Bewertungen auch zu mehreren Konflikten geführt haben. Zur Evaluationspraxis siehe auch Grafton 2002, S. 300 f. Zu Autorisierungsstrategien vgl. Dunn 1994, ausführlich Enenkel 2015 mit umfassender Betrachtung der bisherigen Literatur zu neulateinischen Vorworten und ihren Funktionen zur Autorisierung und zur Konstituierung und Bestärkung von Abhängigkeitsverhältnissen. Für den Frühhumanismus zwischen Lovato Lovati und Gasparino Barzizza legt Witt eine Nachahmungsklassifizierung vor, die er in vier Unterkategorien aufschlüsselt. Er zählt hier erstens die Gattungsnachahmung (imitation of genre) auf, zweitens die Nachahmung rhetorischer Techniken (imitation of technique), die von den Humanisten frequentierter und im Gegensatz zu ihren mittelalterlichen Vorgängern gezielter aufgegriffen und verarbeitet worden sind. Die dritte Unterkategorie übernimmt Witt von Thomas M. Greene, die er Stilnachahmung (imitation of style) nennt und sich wiederum in vier Subkategorien gliedern lässt. Diese ist wiederum unterteilt in (a) eine sakramentale Imitation, die dem Originaltext einen unnachahmbaren Status zuweist und allein ein direktes Zitat zu erzeugen vermag, (b) eine ausbeuterische bzw. reproduktive Nachahmung, die eine Vielzahl an Quellen in unterschiedlichen Formen verarbeitet und (c) die heuristische Nachahmung, die in einem impliziten Verhältnis zum Modelltext steht. Die letzte Unterkategorie (d) wird als dialektische Nachahmung bezeichnet und meint eine gegensätzliche, vor allem in Parodien verwendete Nachahmung, die auf Gegensätze bzw. Kontraste zum Original setzt und sich erst ab dem 16. Jahrhundert vollständig entfalten sollte. Die vierte Kategorie umfasst die bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts dominante generische imitatio (generic imitation), die hier als permissives Nachahmungsverfahren bezeichnet wird. Diese zeichnet sich durch eine Kombination der verschiedenen Nachahmungsprinzipien aus. Exemplarisch Bruni 2002, De studiis et litteris liber, 8, S. 98: Sive saecularibus delectetur, Tullium arripiet; quem virum, deus immortalis! Quanta facundia! Quanta copia! Quam perfectum in litteris! Quam in omni genere laudis singularem! Proximus huic Vergilius erit, decus ac deliciae litterarum nostrarum. Livius deinde et Sallustius et alii poetaeque et scriptores suo ordine subsequentur. His se maxime imbuet atque alet curabitque diligenter ut, quotiens ei vel loquendum sit aliquid vel scribendum, nullum ponat verbum quod non in aliquo istorum ante reppererit. Vgl. auch Vollmann/ Čizmić 2003.
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Tugend der Latinitas und die drei rhetorischen Kategorien perspicuitas, ornatus und aptum wurden in der im Quattrocento nach wie vor Cicero zugewiesenen HerenniusRhetorik, in Ciceros De Oratore und in Quintilians Institutio oratoria ausführlich reflektiert und standen dabei zusammen mit den genera dicendi im Mittelpunkt der humanistischen Stilsynthesen. Je nach Anforderung, Gattung und Kontext wurde einzelnen Aspekten größere Gewichtung beigemessen; bisweilen wurden einzelne virtutes auch aufgegriffen und in eigenen Rhetoriklehren verarbeitet. Die Rhetoricorum libri des Georg von Trapezunt beispielsweise stechen als innovative Rhetorik hervor, in der sich ihr Autor nicht allein auf die Rezeption der klassischen Tradition beschränkte, sondern anhand der ihm zur Verfügung stehenden Lehrbücher neue Ansätze und Techniken hervorzubringen versuchte119. Cicero diente den Imitatoren des Quattrocentos auch als intellektueller Fundus, aus dem sie nicht allein stilistische oder rhetorische, sondern insbesondere auch stoffliche Elemente für ihre Kompositionen entnehmen konnten. Leonardo Bruni, einer der einflussreichsten Schriftsteller des Quattrocentos und gemeinhin von seinen Zeitgenossen als ein „zweiter Cicero“ anerkannt 120 , setzte in seinen Briefen, Dialogen und (moralphilosophischen) Übersetzungen aus dem Griechischen auf eine stilistische Similarität zu den jeweils kongruenten ciceronianischen Vorlagen, während er sich in seinen Biographien und seinem Geschichtswerk an Plutarch respektive Livius und Sallust orientierte. Seine ciceronianisch geprägte Nachahmung wurde zu einem Wesensmerkmal seines Schaffens, das jedoch nur bedingt von anderen kontemporären Gelehrten in derselben Weise aufgegriffen wurde, was den permissiven Charakter des ersten Ciceronianismus von der zweiten, am Ende des Quattrocentos entstehenden restriktiven Version unterscheidet121. Aber auch Brunis Stil wies sichtlich eigenständige Merkmale auf, die insbesondere die Kürze und Prägnanz (perspicuitas) seiner Formulierungen betrafen. Er verzichtete in seinen Schriften auf komplexe Satzkonstruktionen oder umfangreiche Zitateinschübe und konzentrierte sich auf eine präzise Verbalisierung der jeweiligen Sachgegen-
Cic. de orat. 3, 37–55, hier 3, 37: Quinam igitur dicendi est modus melior [...] quam ut Latine, ut plane, ut ornate, ut ad id, quodcumque agetur, apte congruenterque dicamus? Vgl. auch Rhet. Her. 4, 12, 17 mit der Einteilung in elegantia, compositio und dignitas, die jedoch grundsätzlich dieselben Aspekte benennen. Siehe auch Quint. inst. 11, 3, 30: [oratio] emendata, dilucida, ornata, apta esse debet. Dazu Lausberg 1990, überblickend S. 249 f., §§ 458–461. Vgl. auch Möller 2004, S. 138–152. Zur humanistischen Rhetorik bes. Monfasani 1991; überblickend jüngst Mack 2011, S. 33–55; Zu Georgs Rhetorik bes. Monfasani 1976, S. 241–337. Siehe beispielsweise die paradigmatische Wertung Enea Silvio Piccolominis in seiner unveröffentlichten Sammelbiographie Piccolomini 1991, De viris illustribus, De Leonardo Aretino, S. 36: Sed omnes [scil. die übrigen aufgezählten Humanisten, darunter Guarino da Verona und Poggio Bracciolini] scribendo superauit Aretinus; nam simillimus Ciceroni fuit nec etas nostra parem inuenit. Vgl. dazu Baker 2015, S. 38–53. Zur Sprachauffassung Brunis vgl. Seigel 1968b, S. 99–136 und Struever 1970, S. 101–143, mit Fokus auf die imitatio McLaughlin 1995, S. 81–97; mit Blick auf die sozio-politischen Implikationen Witt 2000, S. 392–442 und Dellaneva/Duvick 2007, S. xvif. Vgl. auch Sabbadini 1885, S. 11–18.
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stände122. Die Imitation des ersten Ciceronianismus bestand folglich nicht aus einer limitierten stilistisch-rhetorischen Übernahme oder Annäherung, sondern umfasste vor allem die Verwertung der Rhetoriklehren des römischen Redners, die in unterschiedlichen (prosaischen) Genres und Kontexten eingesetzt werden konnte. Die Aktualisierung der Oratorik stellte den Humanisten eine Ausdrucksform zur Verfügung, mit dem sie für ihre Tätigkeits- und Einflussgebiete relevante Themen, zu denen insbesondere historisch-ethische und (kultur-)politische Fragestellungen gehörten, in eine spezifisch codierte Form brachten und zur Debatte stellten123 Die imitatio war zudem konstitutiv für das humanistische „self-fashioning“, mit dem die Gelehrten ihre eigenen Interessen, Geltungspostulate und Gestaltungsabsichten in einer konventionell anerkannten Chiffre auszudrücken vermochten124. Darüber hin-
Zur Ausdrucksweise Brunis vgl. Baron 1928, S. XXIV–XXV, bes. S. XXV: „Vor beinahe allen zeitgenössischen humanistischen Werken zeichnen sie [scil. die lateinischen Schriften Brunis] sich aus durch ihre Abneigung gegen umfangreiches Zitieren und durch die Vorliebe, nur mittels treffender Beiwörter und Vergleiche durchsichtige und einprägsame Formulierungen zu gewinnen, statt mit eleganten logischen Satzgefügen und rhetorischen Zieraten zu glänzen.“ Zur Komplexität von Brunis Sprachverständnis, speziell zu seiner ornatus-Theorie und seinen Reflexionen zur Übersetzung vgl. Gerl 1981, S. 100–120. Vgl. Witt 2000, S. 440: „The principal achievement of Bruniʼs generation was to add a public or political dimension to humanism by classicizing oratory. [...] Bruni succeeded [...] by molding his style into a generic imitation of Cicero’s oratorical language that was startlingly different from the eclectic styles of preceding humanists.“ Mit dem Begriff „self-fashioning“ bezeichnet Greenblatt eine spezifische soziale Handlung, die von einer nichtadeligen „Mittelklasse“ angewandt wurde, die weder einen Titel geerbt, noch sich in eine Familientradition einreihen oder einen hierarchischen Status für sich reklamieren konnte. Die Annahme dieses sprachlich konstruierten „Selbst“ bzw. dieser Identität erfolgte über die Unterwerfung unter eine „absolute Macht“ oder eine Autorität, die partiell außerhalb des Selbst situiert sein musste. Dieser Akt vollzog sich, so Greenblatt, wenn ein Individuum sich zwischen einer Autorität und etwas Fremden oder potentiell Feindlichen wiedergefunden hat. Seine literarisch konstruierte Identität diente dazu, das als fremd oder feindlich Aufgefasste anzugreifen und sich seiner eigens gewählten Autorität unterzuordnen und in dessen Geltungsrahmen zu wirken. Zum einen ging es dem Akteur darum, seine intellektuellen Errungenschaften zu bewerben und sich entsprechend zu profilieren. Zum anderen intendierte er mit seiner Selbstinszenierung dem Bild eines sozialen Typus bzw. einer konventionell anerkannten Kategorie zu entsprechen, zu dem er sich zugehörig fühlte oder von dem er sich Anerkennung versprach. Entsprechend muss „self-fashioning“ sowohl als individuelles als auch als gruppenspezifisches Phänomen in Form eines „community-fashioning“ betrachtet werden, das als politisches und soziales Instrument zur Persuasion des jeweils anvisierten Publikums fungierte. Vgl. Kirwan 2013, S. 9 und Greenblatt 1980, S. 9: „To sum up [...] we may say that self-fashioning occurs at the point of encounter between an authority and an alien, that what is produced in this encounter partakes of both the authority and the alien that is marked for attack, and hence that any achieved identity always contains within itself the signs of its own subversion or loss.“ Das Konzept wird dem sogenannten „New Historicism“ zugeordnet. Hierzu vor allem Laden 1999. Mit dem Begriff des „self-fashioning“ lässt sich die lange Zeit in der Forschung als entscheidendes Charakteristikum der Renaissance benannte „Individualisierung“ bzw. die „Entdeckung des Individuums“ deutlich präziser fassen – was jedoch nicht heißt, dass das „Individuum“, das heißt der Mensch als weltliches und natürliches Geschöpf mit eigener Geschichte und eigenem Profil, nicht verstärkt in die intellektuellen
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aus sind mit ihr ganze Lebens- und Gelehrsamkeitsentwürfe verknüpft, die mit Wissenserschließung und ihrer Vermittlung einerseits und ethischen, für die vita activa ausgerichteten Konzepten andererseits einhergingen und in nahezu allen gesellschaftlichen Feldern ihren Ausdruck fanden125. Eine endgültige Einigung auf eine für alle Schriftsteller verbindliche Deutung und Umsetzung konnte folglich nicht das Ziel humanistischer Gelehrter sein, wenngleich eine gewisse Konformität im orthodoxen Rahmen für die gemeinsame Rekognition vorausgesetzt wurde und soziale Felder per se zu Dissonanzreduktionen tendieren. Entsprechend konkurrierten unterschiedliche Auffassungen des petrarkistischen Nachahmungsparadigmas miteinander, welche die Arbitrarität und das ihr inhärente Konfliktpotential einer nicht-institutionalisierten und daher auslegungsbedürftigen Konvention verdeutlichen126. Die Nachahmung als solche wurde innerhalb des humanistischen Feldes niemals in Frage gestellt, was ihren Status als feldspezifische „doxa“, d. h. als Axiom offenbart, „also dessen, was stillschweigend als selbstverständlich hingenommen wird“127. Allerdings mussten die unterschiedlichen Voraussetzungen und konkreten Ausführungen der imitatio in einem von Rivalität geprägten Raum zu permanenten Konfrontationen führen und notwendigerweise in Aporien münden. Weder lässt sich ein spezifisicher Autorenkanon noch ein imitatives Modell mithilfe objektiver Kriterien begründen, was die Kontingenz und Vorläu-
Diskurse des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit rückte. Vgl. dazu überblickend mit Fokus auf Burckhardts Beobachtungen zur Individualisierung in der Renaissance Cohn, Jr. 2003. Dazu auch mit psychologischem Ansatz Greenblatt 2003 und im Bezug auf die humanistische Autobiographik Enenkel 2008, der die Metapher des “Ankleidens” ebenso verwendet, vgl. ebd., S. 31. Vgl. zu diesem Aspekt der imitatio auch Müller 2007, der eine anregende anthropologische Deutung vorlegt. Siehe auch Robert 2001, S. 598–604; Müller/Robert 2007, S. 21; mit Augenmerk auf antike Autoren und unter dem Aspekt der Intimität Eden 2012, bes. 11–48. Zur imitativen „Nachfolge“ siehe auch Quintilian, inst. 10, 2, 2: atque omnis vitae ratio sic constat, ut quae probamus in aliis facere ipsi velimus. sic litterarum ductus, ut scribendi fiat usus, pueri sequuntur, sic musici vocem docentium, pictores opera priorum, rustici probatam experimento culturam in exemplum intuentur; omnis denique disciplinae initia ad propositum sibi praescriptum formari videmus. Die fehlende Regulationsinstanz grenzt den Begriff „Konventionalität“ von der „Institution“ ab, die begrifflich im Dresdner Sonderforschungsbereich 537 „Institutionalität und Geschichtlichkeit“ appliziert wurde. Rehberg 2001, S. 10, sagt, dass Institutionen, die nicht per se mit Organisationen oder formal strukturierten Zusammenschlüssen gleichzusetzen und auf „Mechanismen der Durchsetzung und Eigengeltung angewiesen“ sind. „Unterstellt wird nicht die „Dauer“ einer Einrichtung, stattdessen werden Formen einer zeitlichen Kontinuitätsherstellung analysiert. Im Mittelpunkt [...] steht die (mehr oder weniger erfolgreiche) Behauptung von Dauer [kursive Hervorhebung im Original].“ Im Gegensatz dazu zeichnet sich die Konventionalität durch eine arbiträre und daher dynamische Auslegung von Konventionen aus, wie beispielhaft an der humanistischen imitatio gezeigt werden soll, die als Prinzip feststeht, ihre Umsetzung jedoch abhängig von den einzelnen Akteuren, ihrem Umfeld und ihren Interessen ist. Weder lässt sich eine regulative Formel noch ein einheitliches Sanktionsregime feststellen. Auch der humanistische Streit als solcher, der zwar über ein internalisiertes Regelwerk strukturiert ist, erweist sich als eine von mehreren Optionen zur Bewältigung von Differenzen und Konventionsbrüchen. Bourdieu 1976, S. 327. Visuell dargestellt im Verhältnis zur Orthodoxie und Heterodoxie ebd., S. 330.
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figkeit gängiger Paradigmata unterstreicht und den konventionellen Charakter der imitatio aufzeigt. Die temporäre Durchsetzung gewisser imitativer Auslegungen war von den innergemeinschaftlichen Rahmenbedingungen und der Streitkonstellation abhängig, was in der Bracciolini-Valla-Kontroverse zur Gründung von einzelnen „communities“ oder Parteien führte, die sich einer Nachahmungslehre verschrieben und sich ferner für ihre Weiterverbreitung eingesetzt haben128.
1.2.2 Die Invektive und die konventionalisierte Streitkultur des Humanismus Die sozial bedingte Vorläufigkeit von Konventionen offenbart das ein jedes soziale Feld konstituierende Spannungsverhältnis zwischen seinen Akteuren, die um die begrenzten Ressourcen in Form von Kapitalien ringen. Ihre Akkumulation ist maßgeblich von der erfolgreichen Ausführung der feldspezifischen Anforderungen abhängig, die über die eigene Position und die einhergehenden Gestaltungsmöglichkeiten entscheiden. Dazu gehören konventionalisierte Verfahren, Verhaltensweisen und Denkmuster, die angeeignet, internalisiert und dem orthodoxen Rahmen entsprechend eingesetzt werden müssen. Die imitatio erfüllte für das humanistische Feld des 15. Jahrhunderts die Funktion eines konventionellen Schaffensprinzips und eines sozialen Rekognitionsschlüssels, der die Teilnahme an den jeweiligen Diskursen autorisieren und die Akteure als Mitglieder identifizieren sollte. Aufgrund fehlender Regulierungen musste die konkrete Auslegung der Nachahmung in Form einer implizit oder explizit formulierten Lehre permanent den anderen Feldteilnehmer zur Begutachtung vorgelegt werden. Das gewählte Imitationsmodell beeinflusste notwendigerweise die Ausdrucksweise der eigenen diskursiven Beiträge, weshalb die Akteure sich über ihr betriebenes „self-fashioning“ gleichsam selbst zur Disposition stellen mussten. Die eigene Position drückte sich entweder in der Durchsetzung einer neuen Nachahmungsauslegung oder aber auch in der Wahrung eines bereits etablierten Paradigmas aus; der Feldstatus wurde fremdreferentiell über zugewiesene Sozialkategorien wie Anerkennung und Ruhm (gloria, laudes) fundiert129 und setzte eine erfolgreiche Einhaltung der Orthodoxie bzw. eine überzeugende, d. h. von anderen Teilnehmern akzeptierte heterodoxe Haltung voraus. Alfred von Martin bezeichnet den für die Renaissance als Epoche charakteristischen Zug als
Vgl. zu diesem Aspekt Müller 1999a, S. 430 f.: „Die Rede, die sich auf die auctoritas der Antike insgesamt beruft, kann nicht begründen, warum sie diesem besonderem auctor folgt. Indem die schiere copia der Tradition die Abhängigkeit von jeder bestimmten Autorität lockert, eröffnen sich Wahlmöglichkeiten, die nur durch das decorum begrenzt sind und das iudicium des Autors herausfordern, deshalb zwar ästhetitsch begründet, nicht aber autoritativ legitimiert werden können. Der Spielraum ist erweitert, seine Nutzung aber nurmehr Geschmacksnormen unterworfen und insofern ad libitum.“ Siehe auch Müller 1999b, S. 22 f.; bereits Kablitz 1992, S. 33. Vgl. zu den humanistischen Sozialkategorien auch Enenkel 2010, S. 122.
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„geistigen Konkurrenzkampf“, der sich innerhalb der humanistischen Bewegung in einer mehrschichtigen Auseinandersetzung um Deutungshoheit bzw. dogmatische Autorität manifestierte, die nicht allein über den sozialen Status, sondern ebenso über Karrieren und politische Macht entscheiden konnte130. Die stetig wachsende Zahl an Humanisten sorgte zwangsläufig für eine Verknappung von Mitteln, d. h. konkret Stellen, Finanzierungsmöglichkeiten und Aufmerksamkeit, weshalb sich der neue Gelehrtentypus nicht allein in seinem eigenen humanistischen Subfeld, sondern ebenso in den konkurrenzorientierten Höfen, Stadtstaaten und Universitäten abdeckenden literarischen Feld wiederfand. Was als performatives Spiel eine identitätsstiftende Praktik ex negativo konstituierte, wie Johannes Helmrath in Bezug auf die ausgeprägte humanistische Invektivenliteratur mit indirektem Bezug auf Georg Simmel feststellt131, war zugleich auch Ausdruck ihrer meritokratisch ausgerichteten Gesellschaft des spätmittelalterlichen Italiens, in der pekuniäre bzw. materialistische Sachzwänge und (berufliche) Interessen als grundlegende Parameter fungierten132. Die Humanisten, die in der Regel als intellektuelle Funktionselite insbesondere in Verwaltungsapparaten133 wirkten, mussten sich ebenso nach politischen Interessen und Ideologien ausrichten, um in den jeweiligen sozialen Räumen ihre Handlungsoptionen wahren bzw. ausbauen zu können134. Ferner standen sie vor der Herausforderung, sich als neue Experten in einer bereits bestehenden und ausdifferenzierten Wissenskultur zu etablieren und durchzusetzen. Entsprechend ihres ausgeprägten Sendungsbewusstseins zeichneten sich ihre Schriften durch offensive Selbstdarstellungen und oftmals polemische Unter-
Vgl. Martin 1949, S. 61. Dazu bes. auch Studt 1995 und Wengorz 2013, S. 8 f. Wengorz zeigt in ihrer Dissertation ausführlich, wie Enea Silvio Piccolomini (1405–1464), der spätere Papst und „Humanistenapostel“ Pius II. (1458–1464), mit seinem Pentalogus eine Hofkarriere anstrebte, die ihn letztlich zur Spitze des Christentums befördern sollte. Vgl. Helmrath 2010, S. 285. Zum Streit als Vergesellschaftungsform Simmel 2018, Kap. IV, S. 197–266, hier v. a. S. 197. Zum für den Humanismus wichtigen Mäzenatentum vgl. überblickend für Italien den von F.W. Kent, Patricia Simons und J.C. Eade herausgegebenen Sammelband „Patronage, Art, and Society in Renaissance Italy“, daraus einleitend Kent/Simons 1987, in Hinblick auf die sozialen Strukturen bes. Weissman 1987 und bezüglich horizontaler und vertikaler Beziehungen Lytle 1987. Zum Problem des Begriffes des „Intellektuellen“ vgl. auch Franzmann 2007. Anregend, jedoch im Untersuchungsrahmen deutlich später angesetzt, Fohrmann 2005, S. 325–350. Eine Gesamtdarstellung der sozialen Strukturen der Renaissance bietet Martin 1949. Mit Blick auf die gesamte „kreative Elite“ der Renaissance einschließlich des Humanismus und ein mögliches Erklärungsmodell für seine Konjunktur vgl. Burke 1984. Hinsichtlich der sozio-ökonomischen Faktoren ist das Fallbeispiel Florenz als Wiege der kulturellen Wende besonders gut erforscht. Zu Florenz nach wie vor Brucker 1962, Martines 1963 und Larner 1971. Zur italienischen Wirtschaft siehe überblickend Reinhard 1983, zum Zusammenhang zwischen künstlerischen Tätigkeiten und Ökonomie siehe Esch 1983. Zum Humanismus im monastischen Milieu vgl. die Habilitationsschrift von Harald Müller 2006 und noch einmal weiterführend zum „humanistischen“ Habitus Müller 2010. Zu den sozialen Faktoren und zur Organisation des deutschen Humanismus ab 1500 vgl. Treml 1989; im Quattrocento in Bezug auf Florenz Maxson 2014, mit allgemeinen mit Blick auf Europa Rico 2002.
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streichungen der eigenen literarischen Alleinstellungsmerkmale aus135. So diente ihr habitualisiertes „self-fashioning“ der „Konstruktion, der Regulation und dem Kampf um Identität, Status und Rang“ innerhalb der hierarchisierten Gesellschaftsordnung136. Mit diesem literarisch vollzogenen Akt präsentierten die Humanisten ihren sozialen Körper, der einerseits zur Bildung einer humanistischen Gruppenidentität und andererseits zum Austragen von Konflikten um die eigenen Geltungsansprüche innerhalb des literarischen Feldes einschließlich des humanistischen Subfelds appliziert werden konnte137. Auf der Apeninnenhalbinsel im 15. Jahrhundert wurde die humanistische Bewegung stets von einer überschaubaren Avantgarde oder „Corona“ (Helmrath) von ungefähr ein Dutzend Gelehrten getragen, die brieflich im engen Kontakt standen und wiederum „sekundäre“ Akteure um sich scharten138. Soziales Ansehen und die daraus resultierende diskursive Teilnahmeberechtigung sowohl innerhalb der Binnenhierarchie ihrer Gruppe als auch gegenüber den übrigen Feldakteuren musste auf horizontaler und vertikaler Ebene erworben werden. So galt es für jeden Teilnehmer, sich als distinguierter Experte sowohl gegenüber den gleichrangigen Akteuren als auch gegenüber den jeweiligen herrschenden und zum Teil auch selbst partizipierenden Eliten, beide jeweils über komplexe Konstellationen und Abhängigkeitsverhältnisse miteinander verwoben, seine Geltungsansprüche durchzusetzen. Wenngleich sich die Humanisten einen isolierten Bereich schufen, drangen sie nichtsdestoweniger simultan in einen bereits bestehenden, ausdifferenzierten und hierarchisierten Raum der akademischen, städtischen und höfischen Akteure ein und eröffneten entweder eigene Diskurse oder nahmen an bereits existierenden Debatten teil, die sie langfristig im Laufe des Quattrocentos mit ihrem eigenen kulturellen Code in Bezug auf Sprache und Bildung partiell umzuschreiben vermochten. Dies führte sowohl zu Synergieeffekten als auch zu Rivalitäten mit bereits bestehenden Kultur- und Gelehrsamkeitsformen. Diese
In der jüngsten Forschung wurden einzelne Vertreter der humanistischen Bewegung ebenso unter den Begriffen „Expertenkulturen“ und „Expertenwissen“ untersucht, siehe allgemein Rexroth, 2012, Rexroth/Schröder-Stapper 2018. Im Hinblick auf Humanismus und seine beiden wirkmächtigsten Vertreter Petrarca und Erasmus siehe bes. Roick 2012, Schirrmeister 2018 und Traninger 2018. Kirwan 2013, S. 8. Zur hierarchisierten Gesellschaftsordnung u. a. mit soziologischer Ausrichtung nach wie vor Luhmann 1998. Zum Begriff „Inszenierung“ vgl. Fischer-Lichte 2003, S. 41–47. Nichtsdestoweniger darf der Humanismus nicht allein auf seine vielfachen Funktionen, ob diese nun intendiert oder arbiträr entstanden sind, reduziert werden. Ruhm oder Sozialprestige als basale, immaterielle Kategorien wurden auch, in Anlehnung an die eigenen antiken Vorbilder, ihrer selbst wegen angestrebt, wobei den Anhängern der Bewegung durchaus auch Interesse an ihrem kreativen Schaffen unterstellt werden darf. Ferner partizipierten ebenso Adlige, kirchliche Amtsträger oder Mönche an den jeweiligen Diskursen, die weder auf Stellen noch auf finanzielle Zuwendungen angewiesen waren. Gestaltungsmöglichkeiten und das Erlangen autoritativer Geltung in spezifischen sozialen Räumen (Hof, Universität, informeller Kreis im urbanen Milieu) oder transspatialen Debatten in Form von fremdreferentiell zugewiesener Anerkennung dürfen ebenso nicht ausgeblendet werden. Vgl. zu diesem Punkt auch Laureys/Simons 2013, Helmrath 2010 und Roick 2016, S. 216. Vgl. Helmrath 2013, S. 343 und Maxson 2014, S. 9 ff.
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Konflikte konnten sowohl einmütig, subversiv als auch agonal bestritten werden und brachten letztlich neue intellektuelle Praktiken und Ideen hervor139. Als genaues Gegenteil zu der vielbeschworenen humanistischen amicitia kann daher die inimicitia erachtet werden, die sich in einer ausgeprägten „Streitkultur“ mit einer genuinen Eigenlogik äußerte140. Diesem Aspekt wurde in der Forschung erst in den letzten zwanzig Jahren eine größere Aufmerksamkeit zuteil, wenngleich es nach wie vor an systematischen Arbeiten sowohl zum humanistischen Agon als sozialem Phänomen als auch zu seiner literarischen Ausdrucksform, der sogenannten Invektive (invectiva), mangelt. Von Georg Voigt und Jacob Burckhardt noch als beschämendes und dem Ideal der humanitas entgegengesetztes Prinzip nur pejorativ am Rande betrachtet, gehörte die Invektive und der einhergehende Disput ebenso zu den humanistischen Praktiken wie der briefliche Freundschaftsschluss. Daher muss er als essentieller Teil des humanistischen Gelehrsamkeitsverständnisses aufgefasst werden141. Eine
Aufgrund sich teils überschneidender Quellencorpora oder aufgrund einer Umgewichtung von Autoritäten waren Konflikte zwischen dem Humanismus und traditionellen und institutionalisierten Gelehrsamkeitsformen vorprogrammiert. So sorgte beispielsweise Leonardo Brunis ciceronianischrhetorische Neuübersetzung der Nikomachischen Ethik des Aristoteles von 1417 für eine Auseinandersetzung mit dem spanischen Scholastiker Alonso Garcia da Cartagena (1384–1456), der hauptsächlich die sprachliche Umcodierung kritisierte und darin eine methodische Substitution zu erkennen glaubte. Die wirkmächtige Autorität Aristoteles selbst, die synekdochisch mit den universitären Peripatetikern der Philosophie und Theologie in Verbindung gesetzt wurde, bildete einen Streitgegenstand zwischen, idealtypisch formuliert, Humanisten und Scholastikern, die den griechischen Philosophen jeweils für sich reklamierten. Zu Brunis Übersetzung und dem darauffolgenden Konflikt Birkenmajer 1922. Vgl. zur Übersetzung Brunis nach wie vor Gerl 1981, zum Konflikt S. 24; siehe auch Hankins 2001a und Lawrence 2018. Zum Spannungsverhältnis von Humanismus und Scholastik vgl. Buck 1973. Siehe auch Müller 1999, S. 22 f. sowie S. 22, Anmerkung 4, der auf die begriffliche Differenzierung in den zeitgenössischen Texten zwischen auctores und auctoritates hinweist. Zur Auseinandersetzung zwischen Humanismus und „scholastischer“ Kultur ausführlich Rummel 1995. Zum Verhältnis von Humanismus und Christentum nach wie vor die umfangreiche zweibändige Studie von Trinkaus 1970, der die bis heute gängige Einteilung zwischen einem „christlichen“ und „nicht-christlichem“ Humanismus mitfundierte. Siehe außerdem den von Hamm/Kaufmann 2013 herausgegebenen Sammelband zur Frage der Frömmigkeit bei Humanisten. Zu den Einflusskämpfen am Beispiel des florentinischen Humanismus unter Salutati Field 2017. Anregend zur humanistischen Hagiographie und ihren Verhältnissen zu auctores vgl. Frazier 2004. Vgl. auch Collins 1998, S. 37–40, der im Streit eine „opportunity structure“ erkennt, hier S. 38: „A person can pick a quarrel with someone else, contradicting what the other is saying. That will gain an audience of at least one; and if the argument is loud enough, it might attract a crowd.“ Voigt 1960, 2, S. 147: „Stellen wir uns nun die oben genannten Italiener, einen Valla, Perotti, Poggio, Decembrio, stellen wir uns die ebengenannten und andere Griechen an einem Hofe vereinigt vor, jeden wieder von Schülern und Anhängern umgeben, fast alle in derselben Situation, nämlich Curialbeamte und Hofgelehrte, alle auf dieselbe Beschäftigung gerichtet, nämlich auf Uebersetzungen aus dem Griechischen, alle zu den vollen Geldsäckeln und Gnaden des Papstes aufschauend – was natürlicher, als dass Eifersucht und Zänkereien, Verleumdung und Schimpf diesen Kreis erfüllten. Lateiner und Griechen gegen einander, die Griechen unter sich und die Lateiner unter sich führten Jahre lang
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moderne Geschichte der Invektive oder gar eine genaue Klassifizierung oder Formbestimmung stehen nach wie vor aus142. Im Rahmen des Dresdener Sonderforschungsbereichs „Invektivität“ wurde jüngst ein neuer Annäherungsversuch an das kommunikative Phänomen und ihre sozialkonstruktiven Funktionen vorgenommen143. Bei der humanistischen Invektive handelt es sich, so die These des Verfassers, um eine genuine Textgattung, die in formeller Hinsicht keine eindeutige Bestimmung zulässt. Der Begriff, der seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. zunächst als Adjektiv invectivus, „schmähend“, verwendet und später von Tyrannius Rufinus von Aquileia (ca. 345–410), dem Grammatiker Diomedes (zweite Hälfte des 4. Jh.) und Cledonius (5. Jh.) zur invectiva substantiviert wurde, diente in der Spätantike der Klassifizierung spezifischer literarischer Werke, zu denen mitunter die catilinarischen orationes Ciceros oder die Appendix Sallustiana gehörten. Mit dem Begriff erfassten sie (Übungs-)Reden, die sich gegen einen Adressaten richteten und diesen zu diskreditieren versuchten. Bei den genannten Schriften handelt es sich um Texte, die für die Renaissance-Humanisten zusammen mit den Schmähschriften des Kirchenvaters Hieronymus für ihr Verständnis der invectiva konstitutiv waren, wie mitunter Poggio Bracciolini und Francesco Filelfo bezeugen144. Wird die Invektive zunächst allgemein als Schmährede gefasst, die in unterschiedlichen literarischen Phänotypen zum
bittere Fehden.“ Burckhardt 1988, S. 119: „In der Tat war Italien eine Lästerschule geworden, wie die Welt seitdem keine zweite mehr aufzuweisen gehabt hat, selbst in dem Frankreich Voltaires nicht.“ Die einzige Gesamtdarstellung zur Invektivenliteratur bietet Nisard 1860. Siehe für erste (moderne) Versuche zur systematischen Betrachtung von Schmähschriften den wichtigen Beitrag von Laureys/Simons/Becker 2015. Davis 1984 betrachtet frühe Invektiven im 15. Jahrhundert, während Rutherford 2005 sich in einer eigenen Studie dem Konflikt zwischen Antonio Beccadelli und Antonio da Rho Anfang der 1430er Jahre widmet. Langsam wird sich dieser vielseitigen Gattung in der Forschung angenommen, siehe so beispielsweise den von Uwe Baumann, Arnold Becker und Marc Laureys herausgegebenen Sammelband zur „Polemik im Dialog des Renaissance-Humanismus“ von 2015, dazu die Einleitung Baumann/Becker/Laureys 2015. Jüngst auch Sasso 2023. Nach wie vor fehlt es aber an einer modernen Gesamtdarstellung zur humanistischen Invektive. Ebenso sind die meisten humanistischen Schriften, die dieser Gattung zugeordnet werden können, noch unediert, geschweige denn erfasst. Siehe insbesondere den konzeptionellen Abriss von Ellerbrock/Koch/Müller-Mall/Münkler/Scharloth/ Schrage/Schwerhoff 2017. Zum Renaissance-Humanismus siehe die Einleitung von Israel/Kraus/Sasso 2021, zur Definition von „Invektivität“ bes. S. 7: „‚Invektivität‘ kann für alle Formen von Beleidigung und Schmähung bis hin zu den Mikroaggressionen des Alltags stehen. Die gemeinsame Eigenschaft oder den Modus dieser lebensweltlichen Phänomene bezeichnen wir in diesem Kontext als ‚das Invektive’, ein einzelnes Kommunikationsereignis als ‚eine Invektive‘. Invektiven destruieren oder produzieren, dynamisieren oder eskalieren soziale Verhältnisse.“ Diese Bestimmung ist für den hiesigen Untersuchungsrahmen leider zu ungenau und verkennt dabei die imitativen Strukturen der humanistischen Invektive. Vgl. Koster 1980, S. 1–5 zur Bestimmung des Begriffes, hier S. 1. Auf Koster aufbauend Arena 2007, S. 149 ff. und Novokhatko 2009, S.12 ff. Siehe exemplarisch die Einordnungen von Francesco Filelfo oder Poggio Bracciolini: Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 217: Scripsit Cicero in Pisonem, in Marcum Crassum, in Marcum Antonium, in Catilinam, in consulatus competitores. Scripsit beatus Hieronymus in suos detractores, multique alii id egerunt egregii doctrina uiri. Fuit enim semper sui defendendi ratio honestissima. Vgl auch der Brief Francesco Filelfos an Bracciolini und Valla, Valla 2013, Correspondence, Ep. 51A, S. 266–273, hier S. 272: Non modo me Sallustius iis non delectat, que scripsit in
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Ausdruck gebracht werden konnte, müssen insbesondere die Argumentations- und Darstellungsformen in den Blick genommen und mit der primären Aussageabsicht, der Schmähung bzw. dem Tadel (vituperatio), abgeglichen werden. In der antiken Gerichtsrede (genus iudiciale), mit welcher die Invektive prinzipiell assoziiert wird, dienten gesellschaftliche und ethische Konventionen als grundsätzliche Parameter, gegen die der jeweilige Antagonist mutmaßlich verstoßen habe und die mithilfe spezifischer, von Publikumsseite vorausgesetzter Topoi benannt wurden145. Formal ist die Invektive nach antiker Theorie folglich dem genus demonstrativum bzw. der epideiktischen Rhetorik zuzuordnen, in der die vituperatio den vernunftsbasierten, im logos ausgedrückten Fall um das pathos ergänzt, um die Sachebene über gezielte ad hominem-Angriffe zu emotionalisieren, wie der Sprecher Antonius exemplarisch in Ciceros De oratore erläutert146. Ihre Argumentation zielt auf eine affektive Persuasion ab, die eine Entsachlichung der vorliegenden causa anhand von normativen Herabsetzungskategorien anstrebt, aufgrund ihrer Regelhaftigkeit jedoch die persönliche Ebene wiederum bis zu einem gewissen Grad versachlicht147. Die vituperatio wird knapp in Ciceros De inventione und systematisch in der Rhetorica ad Herennium diskutiert und als integraler Bestandteil von forensischen wie auch deliberativen genera behandelt148. In der Herennius-Rhetorik werden drei Bereiche vorgestellt, die sowohl für die Strukturierung einer Lob- als auch Schmährede dienen konnten: Erstens die externen Dinge (res externarum), zu denen die Geburt (genus), Bildung (educatio), Vermögen (divitiae), politische Macht (potestates), Errungenschaften (gloriae), Bürgerrecht (civitas), Freundschaften (amicitiae) und ähnliches stehen, zweitens das physische Erscheinungsbild (res corporis), zu dem neben dem Aussehen die Gesundheit und der Körperlichkeit zuzuord-
M. Tullium Ciceronem, nec item omnino que Cicero in Antonium, aut in Timarchum Philippumque Demosthenes; sed etiam vir sanctissimus ac disertissimus, Hieronymus, non sine molestia a me legitur, cum invehitur in Rufinum [...]. Vgl. Koster 1980, S. 38 f.; Arena 2007, S. 149–151. Cic. de orat. 2,178: [...] nihil est enim in dicendo, Catule, maius, quam ut faveat oratori is, qui audiet, utique ipse sic moveatur, ut impetu quodam animi et perturbatione magis quam iudicio aut consilio regatur: plura enim multo homines iudicant odio aut amore aut cupiditate aut iracundia aut dolore aut laetitia aut spe aut timore aut errore aut aliqua permotione mentis quam veritate aut praescripto aut iuris norma aliqua aut iudici formula aut legibus. Vgl. Walton 1998; Riggsby 2004 und bes. Craig 2004. Ausführlicher zu den Herabsetzungskategorien unten, Kap. 3.1.1.1. Quintilian verweist überdies auf die Bemerkung des Aristoteles (rhet. 1, 9), dass der Autor einer Schmährede die Wertvorstellung des Publikums genau einschätzen müsse, damit die jeweilige Rede auf Resonanz stoßen könne, siehe Quint. inst. 3, 7, 23: Interesse tamen Aristoteles putat, ubi quidque laudetur aut vituperetur. Nam plurimum refert qui sint audientium mores, quae publice recepta persuasio, ut illa maxime, quae probant, esse in eo, qui laudabitur, credant, aut in eo, contra quem dicemus, ea quae oderunt: ita non dubium erit iudicium, quod orationem praecesserit. Cic. inv. 2, 177–178; Rhet. Her. 3, 10–15. Siehe auch Craig 2004, S. 188 ff.; überblickend auch Rutherford 2005, S. 4–7. Siehe auch die Äußerung in Rhet. Her. 3, 15: [...] et si separatim haec causa minus saepe tractatur, at in iudicialibus et in deliberativis causis saepe magnae partes versantur laudis aut vituperationis. quare in hoc quoque causae genere nonnihil industriae consumendum putemus.
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nende Attribute gehören (valetudo, velocitas, vires, dignitas) sowie drittens die Charaktereigenschaften (res animi). Unter diesen sind Klugheit (prudentia), Gerechtigkeit (iustitia), Stärke (fortitudo) und Selbstbeherrschung (modestia) zu finden. Zu allen Kategorien lassen sich überdies die jeweiligen Gegenbegriffe und andere Subkategorien hinzufügen. Alle drei Areale eigneten sich dazu, die Fremdwahrnehmung der Zielperson positiv oder negativ zu beeinflussen und sie den jeweiligen konventionellen Anforderungen entweder als kongruent oder inkongruent erscheinen zu lassen149. Entsprechend fungierte das genus demonstrativum der affektiv-geprägten Wahrnehmungskontrolle, mit der die sachliche Argumentation unterstützt oder auch dezidiert verschleiert werden konnte. Ebenso wird aus den Themenbereichen ersichtlich, dass es sich erstens um grundlegend zeitlose bzw. jeweils an das Zeitgeschehen anzupassende Kategorien handelt und zweitens, dass die Publikumszentrierung konstitutiv für die laus bzw. vituperatio war und sich nur sekundär an die Zielperson richtete. Die humanistischen Invektiven des 14. und 15. Jahrhunderts orientierten sich tendenziell am klassischen Aufbau einer (ciceronianischen) oratio, konnten jedoch ebenfalls andere Textgattungen wie den Dialog oder auch Verse einarbeiten, wie bereits Ennio I. Rao dargestellt hat. Er schlug daher vor, von einer eigenständigen Gattung zu sprechen150. Der formellen Textgestaltung waren aus humanistischer Sicht keine Grenzen gesetzt. Sie wurde weniger über ihre Form als durch ihren offensiven Inhalt bestimmt – der Begriff invectiva war sogar in spezifischen Kontexten pejorativ konnotiert und meinte einen ungerechtfertigten, da nicht-provozierten Angriff, der eine Gegenrede (oftmals als oratio, refutatio oder antidotum bezeichnet) erforderte und die Schmähung als unmoralischen Akt in einer Verteidigung ausdrücklich erlaubte. Diese Eigenlogik begründete die topischen Formeln der Provokation und Reaktion in den humanistischen Invektiven, die für die Selbstinszenierung und folglich für die Publikumswahrnehmung der Agonisten von großer Bedeutung waren151. Der Vorstoß, gegen jemanden eine auf Demütigung und Herabsetzung ausgerichtete Schrift zu veröffentlichen, d. h. einer gewissen Leserschaft zur Verfügung zu stellen, wurde in der Regel über die Verbindung der Präpositionen in oder contra zusammen mit den Verben scripsere und edere zum Ausdruck gebracht. Typische Wortfelder, die im Kontext der Invektive verwendet wur Vgl. dazu auch bes. Merrill 1975, S. 4–18 und Novokhatko 2009, S. 14f. Siehe für seinen Bestimmungsversuch anhand der Invektiven des 15. Jahrhunderts Rao 2007, S. 99–120, zusammenfassend S. 115: „[...] the humanistic invective is a composition in prose or verse whose chief purpose is to denigrate or accuse an adversary, dead or alive, or to answer charges received against one’s person, family, country or any other object of personal affection. Its usual means of publication was by distribution among mutual friends and acquaintances, seldom to the object of the work. It came in a variety of forms, most often than of an undelivered oration. In many instances, the invective took the form of an open letter sent to a third party.“ Siehe auch Rao 2016, S. 147 ff. Überblickend zur Geschichte der Invektive der Aufsatz von Laureys 2003. Vgl. mit Bezug auf Bracciolini, Guarino und Georg von Trapezunt Alexander 2013, S. 240–249, bes. S. 248 f.
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den, berühren den Bereich der Beschimpfung, der Herabsetzung, der Beleidigung und der Kränkung, die in den Texten insbesondere durch die Verben detrahere, maledicere, offendere, lacerare und ihre korrespondierenden Adjektive und Nomina versachlicht wurden. Verbalinjurien, die oft aus den terentianischen und plautinischen Komödien entnommen worden sind, konfigurierten, je nach Schwere und individueller Antipathie der Konfliktteilnehmer, den allgemeinen Duktus der Invektiven. Zu diesen sprachlichen Erscheinungsformen können ebenso die Ironie, die Satire und der Witz gezählt werden, die von den Agonisten ihrer persönlichen Ausdrucksweisen entsprechend unterschiedlich gehandhabt worden sind, wie noch im Einzelnen anhand der Bracciolini-Valla-Kontroverse aufzuschlüsseln sein wird152. Abhängig vom Anlass und den behandelten Themen bestehen die humanistischen Invektiven zudem „aus einem inter-kontextuellen Geflecht von Zitaten gegnerischer Schriften, deren Grammatik, Stil und Lexik rüde bis satirisch kastigiert werden.“153 Die Humanisten integrierten in ihre invectivae entsprechend auch den Kommentar, der in gewisser Hinsicht eine dialektische bzw. „bilaterale“ Abfolge in Gang setzte und die jeweiligen Gegenstände ausdrücklich versachlichte. Mithilfe der Schmähschriften simulierten die Streitakteure performativ ein Streitgespräch und riefen auf diese Weise ein virtuelles Forum ins Leben, das ihre Gemeinschaft repräsentieren sollte. Auch auf diesen wichtigen Aspekt wird noch im Einzelnen einzugehen sein154. Die humanistische invectiva erweist sich als eine hybride Textsorte, welche die konventionelle Ausprägung ihrer gesamten Bewegung widerspiegelte: Sie war dezidiert publikumsorientiert und richtete sich entsprechend nach dem Erwartungshorizont der Leserschaft, die es von der eigenen Position zu überzeugen galt. Auch bei der Einführung dieser Textgattung spielte Francesco Petrarca eine zentrale Rolle: Er legte insgesamt vier Invektiven vor, die Karl Enenkel zufolge dem Humanismus nicht nur eine auf Konfrontation ausgerichtete Ausdrucksform zur Verfügung stellte, sondern eine humanistische Streitkultur als solche etablierte155. Als Wesensmerkmal der neuen Gelehrtenkultur wurde die invectiva sowohl nach Außen, gegen Vertreter traditioneller Gelehrtenkulturen, als auch nach Innen gegen innergemeinschaftliche Konkurrenten appliziert156. Ennio Rao zählt allein zwischen 1352 und 1453 neunundfünfzig invektive Kompositionen, übersieht dabei jedoch bereits die zahlreichen, meist brieflich
Zu lateinischen Schimpfwörtern nach wie vor Opelt 1965, zu ihrer Funktion bes. S. 17–22. Zu der sprachlichen Gestaltung der Invektiven und den Funktionen der Verbalinjurien vgl. unten, Kapitel 3.1.1. Helmrath 2013, S. 345. Vgl. Helmrath 2010, S. 272 und ders. 2013, S. 245, der von einer „Zitatregie“ und einer „Dialogisierung“ spricht. Vgl. Enenkel 2010, bes. S. 122: „Der Streit um den »Namen«, d. h. um den literarischen Ruhm, führt in Petrarcas Invective contra medicum die Diskursregel der antiken Invektive in eine zeitgenössische Kontroverse zwischen intellektuellen Gruppierungen um das Recht zur Autorrede hinüber.“ Siehe auch zu Petrarca Anheim 2009. Laureys/Simons/Becker 2013, S. 5 f.; Anheim 2009, S. 127 ff.
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ausgetragenen Konflikte Poggio Bracciolinis157. Auch thematisch lassen sich die Invektiven nur schwerlich eingrenzen, wenngleich stets die Gelehrsamkeit, d. h. das Wissen über die römisch-griechische Literatur und die der imitatio inhärenten stilistischrhetorischen Fähigkeiten als für die humanistischen Diskurse notwendige Kompetenzen zur Disposition gestellt worden sind158. Jedoch wurden auch historische Diskordanzen, wie die Scipio-Caesar-Kontroverse zwischen Guarino da Verona und Bracciolini, politische Gegnerschaften wie zwischen Coluccio Salutati und seinem ehemaligen Schüler Antonio Loschi (ca. 1368–1441), die jeweils Florenz respektive Mailand auf der literarischen Bühne verteidigten, aber auch politisch-akademische Konflikte wie zwischen Francesco Filelfo und der florentinischen Elite um Cosimo de‘ Medici (1389–1464)159 ausgefochten. Ebenso diente die Invektive der Auseinandersetzung mit Vertretern der akademischen Disziplinen, wie beispielsweise Petrarcas De sui ipsius et multorum ignorantia, in der er sich gegen scholastisch geprägte Universitätsangehörige und Gelehrte zur Wehr setzte160, oder Lorenzo Vallas Epistula contra Bartolum, in der er einen tractatus des wirkmächtigen Juristen Bartolo de Sassoferrato (1313–1357) kritisierte und die kontemporäre Jurisprudenz offen angriff161. Diese wenigen Beispiele weisen bereits auf die Vielfältigkeit der Invektive hin, die oftmals in Form einer oratio das rhetorische Äquivalent zu den philosophischen oder juristischen, logisch strukturierten tractatus bildete. Im 16. Jahrhundert wurde diese sodann um explizit religiöse Inhalte im Zuge der Reformation und Religionskriege sichtlich erweitert, wie ein Blick auf die zahlreichen Dispute von Erasmus von Rotterdam (ca. 1466–1536) zeigt162. Die agonale Ausrichtung der Invektive ermöglichte es den humanistischen Akteuren einerseits, ihre Gelehrsamkeitsverständnisse ex negativo zu skizzieren und andererseits, ihre (sozialen) Interessen, die primär über Abgrenzung und Herabsetzung geäußert wurden, zu wahren. Die rhetorische Determinante des invektiven Argumentationsgebäudes kann daher als polemisch klassifiziert werden. Der moderne Begriff Polemik soll als eine agonale, nicht auf Verständigung oder gleichberechtigten Austausch abzielende Argumentationsform begriffen werden, die den Widersacher als Sprecher sowohl in diskursi-
Vgl. Rao 2007, S. 143–145. Siehe außerdem anregend den Aufsatz von Davies 1984a, der die zahlreichen Konflikte um und mit dem florentinischen Humanisten Niccolò Niccoli in Augenschein nimmt. Zu den Konflikten Bracciolinis, die ebenso eine Rolle in seiner Auseinandersetzung mit Valla spielen, siehe unten, Kap. 4.1.2. Zu den humanistischen Kernkompetenzen Schaller 2002, S. 179; Helmrath 2010., S. 275; Israel/ Kraus/Sasso 2021, S. 9 f. Vgl. zum Konflikt zwischen Bracciolini und Filelfo Keyser 2015, zu Filelfos Invektiven Marsh 2019b und zur politischen Dimension der Auseinandersetzungen Filelfos Blanchard 2007 und Field 2017, S. 187–230. Petrarca 2003, De sui ipsius et multorum ignorantia; zum philosophischen Programm bes. Kamp 1989. Siehe auch aus dem Blickwinkel der Invektive Marsh 2015 und ders. 2016. Valla 1997, Epistola contra Bartolum; dazu jüngst bes. Mackenzie 2019. Siehe z. B. die zweibändige Darstellung von Rummel 1989; mit Augenmerk auf die humanistische Ausprägung der Streitschriften bes. Laureys 2008.
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ver als auch sozialer Hinsicht auszuschalten versucht. Sie stellt ein komplexes Gefüge aus unterschiedlichen rhetorischen Techniken dar, das durch ein Wechselspiel von Insinuation und Depravation geprägt ist163. Diese Doppelhelix dient der eigenen Autorisierung, die infolge der simultan durchgeführten De-Autorisierung des Opponenten ermöglicht wird. Die Polemik ist durchgehend destruktiv gehalten und soll beim anvisierten Publikum sowohl die persönliche Integrität als auch die intellektuellen Kompetenzen des Gegners, literarisch im „self-fashioning“ öffentlich zur Schau gestellt, schädigen oder gänzlich liquidieren164. In der humanistischen Invektive lässt sich ein komplementärer Verdrängungsversuch herauskristallisieren, der über zwei Etappen erfolgte. Zunächst wurde versucht, dem Sprecher seinen Status als gleichberechtigter Diskursteilnehmer zu entziehen, was über eine grundlegende Herabsetzung zur Herstellung eines hierarchischen Ungleichgewichtes erzeugt werden sollte. Während ein Akteur die Superiorität beanspruchte, wurde dem anderen die Unterlegenheit über einen dezidierten Demütigungsversuch zugewiesen. Erst nach der Abwertung der Zielperson konnte diese aufgrund ihrer entzogenen Gleichberechtigung sodann diskursiv und konsequenterweise auch in Folge des Sprechlizenzverlustes sozial ausgeschaltet werden165. Georg Braungart konkludiert in seinem Annäherungsversuch an die Polemik, dass die licentia polemica „keine auch nur irgendwie verbindliche Gattungsnorm garantieren“ kann, weshalb eine eindeutige Klassifizierung sich seiner Ansicht nach als unmöglich erweist. Nichtsdestoweniger ist die Destruktionsabsicht der Polemik essentiell zum Verständnis ihrer Wirkungsabsicht und zur Abgrenzung zum akademischen Streitgespräch, das integrativ ausgerichtet war und grundsätzlich auf Konsens abzielte. Dass auf keine Einigung hingearbeitet wurde und die Invektiven auf inhaltlicher Ebene als solche ausdrücklich nicht konstruktiv gestaltet waren bzw. die Wahrheitssuche bei einem Sachgegenstand bestenfalls sekundär von Bedeutung war, zeigt die aus der lateinischen Rhetorik übernommene Terminologie in der Bracciolini-Valla-Kontroverse: Der Triumph (triumphus, triumphare) oder der Sieg (victora, vicere) über den Gegner, beide aus militärischen Wortfeldern geschöpft und von der
Braungart 1992, S. 20. Zur Polemik auch Stenzel 1986 und Rohner 1987, S. 211–236. Siehe auch Baumann/Becker/Laureys 2015, hier S. 13: „Unter Polemik, der zweiten Untersuchungsperspektive dieses Bandes und der zugrundeliegenden Tagung, wird eine aggressive Rede- und Schreibweise verstanden, die nicht ausschließlich an sachlicher Auseinandersetzung orientiert ist, sondern auch auf weitere Wirkungen insbesondere im Kontext von soziopolitischen Formierungsprozessen abzielt. Infolge dieser Funktion sind Polemiken außer durch ihre argumentative Struktur durch den spezifischen Bezug auf das adressierte Publikum gekennzeichnet.“ Vgl. zu den einzelnen Tendenzen Braungart 1992, S. 1; Vgl. auch Rohner 1987, S. 30; Stauffer 2003, S. 30 f.; siehe zu den militärischen Wortfeldern auch Rebhorn 1995, bes. S. 35–37. Dazu Stenzel 1986, S. 7: „Der Polemiker soll samt seiner Position in den Augen der polemischen Instanz [scil. dem Publikum] als wertvoll erscheinen, der Angegriffene und seine Position als minderwertig. Polemik folgt dem Schema eines säkularisierten Manichäismus, das die Beteiligten in die Extremregionen von Licht und Finsternis auseinandertreibt. Sei es ein Individuum oder eine Gruppe – das polemische Objekt soll geschwächt und zum sozialen Außenseiter oder gar Feind gestempelt werden, dem die geschlossene Front von Polemiker und Publikum gegenübersteht.“
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Wertung des Publikums abhängig gemacht, sollte den Streit entscheiden; der Sieg durch Ausschaltung oder Verdrängung des anderen wurde als Zweck vorausgesetzt und verdeutlicht, dass es sich um keine ergebnisoffene Debatte handeln sollte. Die eigene Sichtweise oder Position galt es mit allen verfügbaren sprachlichen Mitteln durchzusetzen. Sieg und Niederlage waren bedingt durch das Durchsetzungsvermögen des jeweiligen Streiters, was letztlich abstrahiert als diskursiver Machtkampf bzw. als Auseinandersetzung um die Deutungshoheit präzisiert werden kann. Die Invektiven waren, wie der humanistische Freundschaftsbrief, immer auf die humanistische Öffentlichkeit ausgerichtet und sollten als solche, wie die zahlreichen direkten Adressierungen innerhalb der Schmähschriften bezeugen, zu einer innergemeinschaftlichen Diskussion über die jeweilig vorgetragenen Streitpunkte beitragen. Die Initiatoren eines Literaturstreites benötigen für ihre beabsichtigte Aufmerksamkeitsund Positionierungsabsichten immer eine aktive Leserschaft, die direkt über eigene literarische Verlautbarungen oder indirekt über Weiterverbreitung der Schmähschriften den Ablauf eines öffentlichen Konfliktes ermöglicht166. Aus der erfolgreichen Persuasion des Publikums sollten sich intellektuelle Bündnisse, d. h. Freundschaftsschlüsse mit den Adressaten ergeben. Die erfolgreiche Zusammenstellung von Parteigängern, d. h., abstrakt formuliert, die Akkumulation von sozialem Kapital, das dem Gegner simultan als endliche Ressource entzogen wurde, sollte den Entscheidungsprozess des Publikums beeinflussen. Die Invektiven waren daher primär an die humanistische Leserschaft und nur sekundär an die jeweiligen Zielpersonen gerichtet. Daher stellt der Austausch von Invektiven weitaus mehr als verbalisierte Schmähversuche dar. Sie konstituierten ein virtuelles Forum, das nicht allein dem Agon zwischen zwei oder mehreren Streitern Raum gab, sondern der humanistischen Gemeinschaft eine Kommunikationsplattform zur Verfügung stellte, über die Bündnisse geschlossen, Kontakte hergestellt, Schriften ausgetauscht und neue Leser gewonnen werden konnten. Des Weiteren griff der Streit die konventionalisierte Evaluationspraxis auf und setzte eine öffentliche Begutachtung in Gang: Die jeweiligen Beiträge und das einhergehende „self-fashioning“ wurden auf den Prüfstand gestellt und von der zur richterlichen Instanz berufenen Leserschaft anhand der orthodoxen Voraussetzungen und vorherrschenden literarischen Kriterien beurteilt. Konventionsbrüche und heterodoxe Elemente konnten auf diese Weise versachlicht und zur Disposition gestellt werden. Die Orthodoxie, d. h. das bisherige Denk- und Handlungsraster, konnte im Verlauf des Konfliktes entweder bestätigt oder auch aktualisiert werden. Der humanistische Streit ermöglichte entsprechend eine Diskussion über die jeweils explizit vorgetragenen oder implizit vorausgesetzten ge-
Siehe Stenzer 1986, S. 5 f.: „Der indirekte oder direkte Adressat polemischer Rede ist die polemische Instanz, worunter wir nach dem Muster der Rechtssprache das als entscheidungsmächtig vorgestellte Publikum begreifen. Der polemische Prozeß handelt von einem polemischen Thema. Dieses Thema muß kontrovers sein und eine ausgiebige Energiequelle für Aggressionen, es muß also intensive Wertgefühle aktivieren können.“ Siehe auch die graphische Darstellung der Relationen zwischen den jeweiligen Streitern und dem Publikum bei Stenzer 1986, S. 6.
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meinschaftlichen Konventionen, zu der insbesondere die imitatio als literarisches Leitprinzip zählte. Aufgrund ihrer Bedeutung für die Kompositionen selbst, die auf eine imitative Beziehung zu den jeweilig zugrunde gelegten Modellen setzten, wurde in der Nachahmungsdebatte ferner eine Metaebene präsupponiert, auf der literarische Grundsätze ebenso ausgehandelt wurden. Die invectiva erweist sich als eine der experimentellsten Textgattungen der humanistischen Bewegung, in der die jeweiligen Agonisten ihre literarischen Fähigkeiten, stets in expliziter Abgrenzung zum Gegner, unter Beweis stellen und ihr Nachahmungsverständnis pragmatisch vorstellen und einsetzen konnten. Daher muss der durch die Schmähschriften initiierte Streit stets als aemulatio verstanden werden, in welcher die jeweiligen Akteure ihre individuellen Nachahmungsverfahren in praxi zur Diskreditierung einsetzten und gleichsam zur Disposition stellten. Die Invektive signalisierte die eigene Positionierung im orthodoxen oder heterodoxen Spektrum und ist als symbolischer Akt zu verstehen, mit dem der jeweilige Akteur sich von seinem Kontrahenten durch eine ausgeschmückte Selbstinszenierung abgrenzte und simultan einen diskursiven Geltungsanspruch anmeldete. Ferner instituierte der über die jeweiligen Invektiven ausgefochtene Streit eine besondere Form des Gesprächs: er simulierte gleichsam den humanistischen Gelehrtendialog, der im 15. Jahrhundert zumeist durch eine feste Sprecherkonstellation geprägt war. Den jeweiligen „Zuschauern“ wurde in aller Regel ein Fall, d. h. ein Sachgegenstand vorgelegt, der bewiesen oder widerlegt werden musste, während eine dritte Instanz eine richterliche Funktion einnahm und ein Verdikt über die jeweiligen Darstellungsmodi – und nicht über die jeweiligen Gegenstände selbst – aussprach. Funktional muss die Invektive überdies ebenso als programmatischer Ausdruck des eigenen Nachahmungs- und Gelehrsamkeitsverständnisses betrachtet werden, der durch die Anklage bzw. Verteidigung ex negativo erfolgte und eine Zielperson skandalisierte. Dieser Akt setzte eine spezifische Aufführung in Gang, die mithilfe der auf Pierre Bourdieus Feldmodell basierenden Theorie von André Haller präziser als intendierter Skandal gefasst werden kann, der keine Ausnahmeerscheinung oder gar eine strukturelle Krise innerhalb eines sozialen Feldes darstellt, sondern sich vielmehr ein zur Aufmerksamkeitsgenerierung initiiertes Kommunikationsereignis erweist167. Mit Skandal ist grundsätzlich die Überschreitung von sozialen Grenzen – oder Konventionen – gemeint, der in eine öffentlich inszenierte Empörungsspirale mündet. An einem derartigen Eklat nehmen drei Instanzen teil, die „Skandaltriade“ genannt werden: Der Skandalisierer deckt eine Orthodoxieverletzung auf und identifiziert den als Missstand gezeichneten Konventions-
Vgl. zur politischen Skandalisierung Haller 2014a, überblickend ders. 2014b, S. 48 ff. Wenngleich Haller auf moderne, politische Skandale blickt, eignet sich sein Modell, um den humanistischen Streit als intendierte (Selbst-)Skandalisierung zu betrachten. Er unterteilt Skandale in „medialisierte“ und „lokale“ Vorkomnisse, die sich hinsichtlich ihrer Öffentlichkeitsebene unterscheiden. Der Humanismus als eigenständiges Subfeld des literarischen Feldes muss folglich als „lokaler“ Skandal verstanden werden, der eine eingeschränkte Öffentlichkeit adressierte.
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bruch. Er adressiert den mit der jeweiligen Tat in Verbindung gebrachten Skandalisierten als Verursacher und klagt diesen performativ vor einem Skandalpublikum an. Aus dieser Konstellation entsteht das dynamische und von den jeweiligen Relationen einerseits und den soziokulturellen Bedingungen andererseits abhängige Skandalereignis, in dem grundsätzlich, so Haller, um Aufmerksamkeit gerungen wird. Aufmerksamkeit stellt aufgrund unterschiedlicher Faktoren ein limitiertes kommunikatives Gut dar, das alle öffentlichen, d. h. auf gemeinschaftlicher Ebene vollzogenen Transaktionen bedingt168. Im Falle des humanistischen Feldes diente der in einen Streit mündende Skandal der Institution eines virtuellen Forums, das die in Italien lokalisierten Gelehrtenkreise brieflich zusammenzuführen versuchte, um einen Austausch und eine einhergehende Begutachtung der jeweils zur Disposition gestellten Gegenstände zu ermöglichen. Die dadurch gewonnene Aufmerksamkeit wurde von allen drei Instanzen – Skandalisierer, Skandalisierter und dem Skandalpublikum – zur Evaluation der vorherrschenden Orthodoxie, zur Profilierung und zur Vernetzung genutzt. Als Resultat bildeten sich neue Interessensgemeinschaften („communities“), die sich über ihre unterschiedlichen Nachahmungsverständnisse identifizierten und sich gegenseitig unterstützten, was den Humanismus langfristig als eigenes soziales Feld stabilisieren sollte und ein Austarieren der gegensätzlichen Positionen begünstigte. Dieser mehrschichtige, konventionalisierte Kommunikationsprozess soll im Folgenden untersucht werden.
Vgl. Haller 2014b, S. 59, 63 f.; Haller nennt neurobiologische Grenzen der menschlichen Wahrnehmung, eine grundsätzliche Informationsflut (in der modernen medialisierten Gesellschaft) und ein mediales Überangebot als Gründe für eingeschränkte Aufmerksamkeitsspannen. Der Verfasser möchte noch im Falle des humanistischen Feldes erstens auf intellektuelle Konjunkturen und zweitens auf veränderte Rahmenbedingungen hinweisen, die jeweils Aufmerksamkeit beansprucht bzw. Interessen verschoben haben.
2 Die Versachlichung des literarischen Nachahmungsverfahrens 2.1 Die imitatio zwischen Theorie und Praxis Bracciolinis fünf orationes in Laurentium Vallam sind auf Person und Werk Vallas zentriert. Sie behandeln auf der Sachebene das von seinem Gegner vorgeschlagene Nachahmungsverfahren, das auf einer spezifischen semiotischen Rekonfiguration der lateinischen Sprache beruht. Diese Neuausrichtung verurteilte er als eklatanten Verstoß gegen die bislang akzeptierte Imitationspraxis der humanistischen Bewegung. Der konkrete Auslöser für seinen Unmut waren korrigierende Marginalien in seiner zweiten veröffentlichten Briefsammlung, die tatsächlich nicht von Valla selbst, sondern von dessen katalanischem Schüler Francesco Rosio stammten. Dieser berief sich bei seinen Anmerkungen jedoch explizit auf die linguistischen Regeln der Elegantiae linguae latinae. Poggio stufte die Anmerkungen als ungerechtfertigten Eingriff und folglich als Verletzung seines literarischen Schaffens wie auch seines intellektuellen Rufes (existimationis laus aut ingenii fama) ein, wofür er den Autor der Elegantiae verantwortlich machte. Die dem Angriff zugewiesene Schwere erklärt sich aus der Signifikanz der Korrespondenz als eigenständiger, für die humanistische Öffentlichkeit gedachter Beitrag: In seinen Briefen inszenierte sich Poggio als Gelehrter und Politiker, in dem er Stellung zu zeitgeschichtlichen Ereignissen bezog, sein eigenes literarisches Schaffen kommentierte, sein europaweites Beziehungsgeflecht pflegte und der Leserschaft offen zur Schau stellte. Bei dem fraglichen Briefband handelte es sich um eine Zusammenstellung der an den humanistischen Handschriftensammler und literarischen Zensor Niccolò Niccoli (1364–1437) adressierten Briefe, in denen Bracciolini mitunter von seinen Handschriftenentdeckungen bericht, d. h. der Beitrag behandelte eine für seinen Werdegang und Ruf äußert bedeutsame Phase1. Die sprachlichen Korrekturen seines lateinischen Ausdruckvermögens, das essentielle Distinktionsmerkmal der humanistischen Bewegung, musste er entsprechend als versuchte Entwertung seiner Briefe und seiner beanspruchten Position als langjährigen Gelehrten und Wortführer wahrnehmen2. Doch mit Empörung und Missbilligung war es aus der Sicht Bracciolinis noch nicht getan. Konsequent setzte er die als Aggression aufgefassten Korrekturen syn-
Vgl. bes. Gordan 1974, S. 5–16; Harth 1998, S. 134–137, allgemein zur brieflichen Freundschaft Treml 1989, S. 77–98. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 190: Pari stulticia uel potius amentia arbitratur noster Valla, ex caeterorum omnium explosione, ad se unum omnis doctrinae, omnis eloquentiae, omnium liberalium artium facultatis famam et gloriam peruenturam, solumque se futurum cui pro uiro doctissimo assurgatur, cui dicendi artis palma deseratur, qui salutetur in foro, celebretur in theatris tanquam unicus Mineruae filius in musarum gremio educatus. Sed nescit homo insulsus quanta eum doctorum uirorum derisio et subsannatio ob eius tam apertam iactantiam subsequatur. https://doi.org/10.1515/9783111324555-002
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ekdochisch mit Vallas grundsätzlichem Umgang mit antiken Bezugsinstanzen und gemeinhin anerkannten Schriftstellern gleich, die Poggio für seinen lateinischen Stil als Referenzgrößen herangezogen hat. Die Verschränkung von persönlicher Betroffenheit und dem heterodoxen Verhalten seines Gegenspielers bedingt seine als pflichtmäßig gezeichnete Verteidigung seiner fama, die in eine konkrete Anklage gegen Valla mündete. Folglich wurde der vermeintlich rein persönliche Schlagabtausch zu einem für die gesamte humanistische Gemeinschaft relevanten Gegenstand erhoben, der unmittelbar ihre sozioliterarischen Grundlagen betraf, nämlich die korrekte Erfassung und Applikation der Latinität, d. h. einer idealen, rhetorisch angemessenen lateinischen Ausdrucksweise3. Die imitatio wurde nicht auf individuelle und stilkundliche Fragen oder konkrete Nachahmungsmodelle reduziert, sondern mit der lateinischen Sprache selbst gleichgesetzt, wie die verwendete Terminologie bezeugt: Beide Agonisten diskutierten über die lingua latina, über das „lateinisch“ sprechen (loqui, dicere), während die Begriffe, welche die eigentlichen Imitationstechniken benennen, d. h. imitari, sequi und effingere, deutlich seltener verwendet werden4. Den Hauptgegentand des gesamten Disputs bildete die Primärkategorie auctoritas, die als linguistische, doktrinäre und soziale Kategorie eine Vielzahl an Implikationen aufweist und im Streit durchgehend problematisiert worden ist. Die auctoritas fungierte ferner als Diskurssignal, d. h. als Ausdruck der humanistischen Orthodoxie, mit der die imitatio als literarische Technik, als Denkfigur und als sozialer Rekognitionsschlüssel markiert wurde5. Im Hinblick auf die sachliche Argumentation muss zudem konstatiert werden, dass einzig die Nachahmung der elocutio debattiert wurde, während, wie Bracciolini selbst mehrfach anmerken sollte, die Bereiche der inventio oder der dispositio außer Acht gelassen worden sind. Allerdings sollten beide Antagonisten die auf der pragmatisch ausgerichteten Affektebene sowohl die inventio als auch die dispositio in praxi imitativ verarbeiten. Mit seiner ersten Rede eröffnete Bracciolini den Streitdiskurs und unterzog Vallas Schrift einer pejorativ ausgerichteten Untersuchung mit dem Ziel, das besagte Regelwerk zu dekonstruieren und seinen Gegner als humanistischen Gelehrten diskursiv wie sozial auszuschalten. Die sachliche Auseinandersetzung mit den Elegantiae findet hauptsächlich in der ersten oratio statt, die um einzelne Anmerkungen in den nachfolgenden Reden ergänzt wird. Seine zweigeteilte confutatio besteht aus einer Ausein Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 188: Si quibus in rebus honestum est consensuque omnium permissum, iniuriam propulsare, in his maxime prudentis officium hominis esse debet, ut contumeliam depellat, in quibus honoris et existimationis laus aut ingenii fama a maliuolis in discrimen adduci uideatur. Zur Terminologie der späteren Nachahmungsdebatten vgl. vor allem Robert 2007a, S. 76, Anmerkung 5; siehe auch Robert 2003 mit Bezug auf Erasmus von Rotterdam. Anders als in den späteren Nachahmungsdebatten finden sich interessanterweise mit einer Ausnahme keine figurativen Umschreibungen der imitatio. Vgl. Arnold/Reitz 2021, S. 20 f. Bracciolini setzte jedoch das imitative Aushandlungsverfahren mit einem Dialog zwischen dem Imitator und den Altvorderen bzw., im übertragenen Sinn, zwischen Imitator und der humanistischen Gemeinschaft vor einem Tribunal auf den elysischen Feldern gleich. Bracciolini 1966b, Invectiva quarta; siehe unten Kap. 3.2.4.
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andersetzung mit sechzehn korrigierten Beispielen aus seinem betroffenen Briefband und einem aus zweiundfünfzig Allegationen bestehenden Kommentar zu Vallas Werk. Bei der poggianischen Analyse handelt es sich nicht um eine systematische, sondern um eine stark assoziativ geprägte Beurteilung einzelner Ausschnitte, die sich lose an der Ratio der jeweilig behandelten Schriftstücke orientiert, aber erst in ihrer Gesamtbetrachtung eine stringent strukturierte Kritik offenbart.
2.1.1 Der usus loquendi als neues Paradigma Ehe die einzelnen Kritikpunkte und Argumentationsmodi in Augenschein genommen werden, müssen die Elegantiae methodisch vorgestellt werden. In seinen Elegantiae linguae latinae, die in ihrer finalen Fassung im Jahr 1449 veröffentlicht und von Rom aus verbreitet worden sind6, beschäftigt sich Valla mit den elegantiae der lateinischen Sprache, die als „semantische Nuancen“ oder „präzise Ausdrucksformen“ übersetzt werden können7. Primär stehen Bedeutungsbestimmungen, d. h. die significatio bzw. die vis verborum von Einzelworten oder Phrasemen im Vordergrund, wenngleich bisweilen auch grundsätzliche linguistische Probleme, darunter grammatische, syntaktische, morphologische und stilistische Fragen untersucht und in Hinblick auf ihre Verwendung in den antiken Texten kommentiert werden. Prinzipiell stellten die Elegantiae ein Handbuch dar, in dem Valla die von ihm als korrekturbedürftig eingestuf Die aufgrund der Vielzahl an Handschriften äußerst komplexe Entstehungsgeschichte der Elegantiae, die mehrere Redaktionen und eine frühe, nicht-lizenzierte Raubkopie umfassen, hat Mariangela Regoliosi weitestgehend aufgearbeitet. Vgl. Regoliosi 1993, S. 1–35. Die Zwischenschritte müssen hauptsächlich über die Briefe Vallas und den Vorworten der Elegantiae rekonstruiert werden. Ihr Autor muss recht früh in den 1430er Jahren mit der Konzeption begonnen haben; augenscheinlich ließ er sich von den lombardischen Gelehrten beeinflussen. Während seiner Wanderjahre nach seinem Ausschluss aus der Universität von Pavia legte Valla bei seinem Halt in Florenz zwischen den Jahren 1434 und 1435 eine erste Fassung den beiden Gelehrten Giovanni Aurispa (1390–1459), der zu dieser Zeit als apostolischer Sekretär zusammen mit Papst Eugen IV. (1431–1447) in Florenz verweilte, und dem florentinischen Kanzler und Wortführer des dort ansäßigen Gelehrtenkreises Leonardo Bruni vor. Er hoffte, neben Rat und der Festigung seiner intellektuellen Beziehungen, eine Stelle oder Finanzierung für sein Vorhaben zu erhalten, wie ebenso die Zusendung seines moralphilosophischen Dialogs an florentinische Gelehrte, einschließlich Papst Eugens IV., belegt. Die Hauptbearbeitungsphase begann am neapolitanischen Hof, wo Valla im engen Austausch mit seinem Freund und Kritiker Giovanni Tortelli (ca. 1400–1466) stand, dem er ebenso die erste Fassung vorlegte. Eine ungenehmigte Veröffentlichung der ersten Redaktion durch Aurispa erfolgte im Jahr 1441, worauf Valla eine zweite Redaktion anfertigte. Siehe die Zusammenfassung von Bezner 2005, S. 361–365; grundsätzlich Regoloiosi 1993 und López Moreda 1999, S. 23–43. Valla widmete das Werk letztlich Giovanni Tortelli, der wiederum als autorisierender Vermittler zwischen ihm und Papst Nikolaus V. auftreten sollte. Vgl. dazu Enenkel 2015, S. 145–148 und Marsico 2018, S. 60 f. Wolfram Ax 2006, S. 135–139, legt eine hilfreiche Gliederung der Elegantiae vor, deren Aufbau sich erst bei genauerer Durchsicht offenbart, wenngleich die Binnenstruktur der einzelnen libri sich in der Regel als unsystematisch erweist. Siehe auch Chomarat 1979, S. 209 f. und auch Moss 2003, S. 41.
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ten philologischen Phänomene, die er aus den Schriften vornehmlich spätantiker Schriftsteller entnimmt, richtigstellt und aus den Korrekturen eine Anleitung für eine ideale lateinische Ausdrucksweise vorlegt. Die Genese des Werkes lässt sich in das lombardische Soziotop verfolgen, wo Gasparino Barzizza (1360–1431), eigentlich ein Verfechter des ersten Ciceronianismus, den Grundstein für ein neues Nachahmungsparadigma legte8. Er etablierte mit seinem Vocabularium die synchrone Erschließung der klassischen Semantik über einen induktiv-empirischen Zugang: Er stellte nach semantischen Wortfeldern sortierte Listen her, in denen die jeweiligen Bedeutungen indiziert werden9. Seine Schüler griffen diesen Ansatz auf und haben „aus der Normativität der Gebräuchlichkeit der Sprache ihre Historizität abgeleitet und aus dieser wieder eine neue Verbindlichkeit der ursprünglichen Bedeutungen der Worte gefolgert“10. Neben Barzizza veröffentlichten der Anfang der 1430er aufstrebende Dichter und Jurist Maffeo Vegio (1407–1458)11, der humanistisch orientierte Gelehrte, Diplomat und Sekretär des mailändischen Herzogs Filippo Maria Visconti (1392–1447) Pier Candido Decembrio (1399–1477)12 sowie der mailändische Franziskaner und Rhetoriklehrer Antonio da Rho (1395–1447)13 ähnliche Werke. Sie orientierten sich an der Vorgehensweise Barziz-
Valla trat in Pavia in die Nachfolge von Gasparino Barzizza, der die Professur bis zu seinem Tode 1431 innehatte und antike Literatur mit dem Schwerpunkt auf Cicero lehrte. Auch Barzizza war zuvor als apostolischer Sekretär unter Papst Martin V. tätig und unterhielt engere Kontakte mit Antonio Loschi. Als Haupt des lombardischen Humanistenkreises initiierte er die Erforschung der lateinischen Linguistik, die großen Einfluss auf die dort situierten Gelehrten haben sollte. Vgl. zu Barzizza Mercer 1979, zu seiner Rhetorik- und Imitationslehre S. 91–105. Er war überdies der Lehrer von Vittorino da Feltre (1378–1446) und Leon Battista Alberti (1404–1472). Zu seiner Ciceroforschung und imitatio-Lehre vgl. Pigman 1981 und 1982. Zum pavesisch-lombardischen Soziotop Gavinelli 1991, S. 157; bes. Keßler 2004, S. XXVII–XXXIII. Keßler 2004, S. XXVIII; siehe auch Grafton 2015, S. 158 ff. In seiner Schrift De significatio verborum beabsichtigte Vegio die klassische rechtswissenschaftliche Terminologie semantisch zu rekonstruieren und ebenfalls listenartig zu sammeln. Vgl. bes. Speroni 1976 und Percival 1985. Decembrio verfasste seine zweibändige Grammatik mit den jeweiligen Titeln De usus antiquitate scribendi und De proprietate latinorum verborum, in denen er semantisch präzisierte Formulierungen zusammenstellte. In ähnlicher Weise applizierte der humanistisch interessierte Jurist Catone Sacco (1394/1397–1463) die semantische Analyse in seinen Originum libri, von denen jedoch allein der erste liber vollendet bzw. überliefert worden ist. Sacco war ein Freund Vallas, den der Autor der Elegantiae in seiner zweiten Fassung von De vero bono verewigte; auch lobt er den Juristen in seiner Invektive gegen Bartolo de Sassoferrato. Vgl. bes. Adorno 1962; auch Garin 1955, S. 571–608; Gravelle 1988, S. 370–372; Keßler 2004, S. XXIX. Eine Analyse der „Vorgängerwerke“ ist dringend notwendig. Antonio da Rho publizierte 1433 die Imitationes eloquentiae bzw. Imitationes rhetoricae, in denen er von „den berühmtesten“ Schriftstellern die elegantia abzuleiten versuchte, um sich der Eloquenz anzunähern. Vgl. Rutherford 2005, Keßler 2004, S. XXVIII. Mit da Rho war Valla während seines Aufenthaltes in Pavia bis ca. 1433 befreundet, was sich unter anderem in der ihm zugewiesenen Rolle in seinem überarbeiteten Dialog De vero bono und seiner öffentlichen Parteinahme da Rhos in dessen Auseinandersetzung mit Antonio Beccadelli ausdrückt. Dazu Rutherford 2005, S. S. 1–40, Als der Franziskaner vermeintliche Auszüge aus Vallas Vorlesung in seinen Imitationes einarbeitete, scheint es zu
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zas; die Zusammenstellungen von Wortbedeutungen waren pragmatisch auf den Lateinunterricht ausgerichtet und dienten der Komplexitätsreduktion, die sowohl die Arbeit mit den verfügbaren Grammatiken als auch das Studium der antiken Autoren unterstützen und erleichtern sollten. Der lombardische Ansatz legte letztlich die Grundlage eines restriktiven Sprachklassizismus vor, der sich sowohl gegen das permissiv-ciceronianisch geprägte Nachahmungsparadigma des florentinischen Gelehrtenkreises als auch gegen den universitären scholastischen „Begriffsformalismus“ richtete. Diese theoretischen Grundlagen griff Valla methodisch auf und übertrug diese auf die gesamte lateinische Prosa14. Die Elegantiae bilden zusammen mit der Repastinatio dialecticae et philosophiae das Fundament seines linguistischen Programmes, das auf eine grundlegende Restauration einer „klassischen“ Sprachlehre abzielte. Aus der Verschränkung von Latinität und einer verwissenschaftlichten Rhetorik intendierte er, eine universal anwendbare Wissenstheorie und Methodik vorzulegen15. Als primäre Quellen für Vallas Verständnis von elegantia dienten ihm, wie David Marsh herausgestellt hat, die nach wie vor im 15. Jahrhundert Cicero zugeschriebene Schrift Rhetorica ad Herennium, die Noctes Atticae des Aulus Gellius
einem Streit zwischen den beiden gekommen zu sein, der sich jedoch in keinem publizistischen Konflikt entlud und allein latent geführt wurde. Vgl. Rutherford 1988, S. 191–196 und 2005, S. 12–15. Die Rivalität der beiden Gelehrten bezeugt jedoch die Relevanz ihrer Forschungsinteressen für die humanistische Gemeinschaft: Urheberschaft auf intellektuelle Erfolge und originelle, für den pragmatischen Gebrauch nützliche Beiträge entschieden sowohl über die beruflichen Chancen als auch die Möglichkeiten, Einfluss auf die jeweiligen Diskurse ausüben zu können. Einen Widerhall findet dieses Konkurrenzverhältnis einerseits in einer abschätzigen Bemerkung in seinen Elegantiae gegenüber einem nicht näher genannten Rivalen, der seine Ergebnisse plagiiert habe, sowie andererseits in seinen Ende der 1440er Jahren veröffentlichten Raudensianae notae, die erst nach dem Tode da Rhos veröffentlicht und allein philologische Korrekturen und Kommentare der Imitationes aufweisen. Zur Edition Valla 2007, Raudensiane note, ed. Corrias. Zu Vallas Aufenthalt in Pavia und Mailand vgl. bes. Fois 1969, S. 46–94. Vgl. Revest 2013, S. 438 und Kessler 2004, S. XXVIII. Bereits Petrarca stellte die scholastischen Autoritäten, insbesondere Aristoteles, sowie die Logik und Dialektik als primäre akademische Instrumente in Frage. Er warb stattdessen für Cicero als personifizierter Inbegriff der Rhetorik. Bei Petrarcas Widerspruch standen jedoch vielmehr die scholastische Praxis und die etablierten lateinischen Übersetzungen des aristotelischen Organon im Vordergrund und weniger die eigentlichen Lehren, was Leonardo Bruni unter anderem mit seiner Neuübertragung der Nikomachischen Ethik adressierte. Valla radikalisierte diese bestehenden Ansätze, was unten in Kap. 2.3.1. noch diskutiert wird. Vgl. die Forschungsliteratur zum vallianischen Sprachverständnis zusammenfassend Leinkauf 2017 1, S. 345–363, hier S. 345 f.; mit besonderem Augenmerk auf die Repastinatio dialecticae et philosophiae Nauta 2009; eine Interpretation der Repastinatio und Eleganiae als zusammengehörige Werke bieten u. a. Gerl 1974, Mack 1993, S. 74–116 und auch Moss 2003, S. 35–63, an; kritisch zu den bisherigen Arbeiten zu Vallas Sprachprogramm Perreiah 2014, S. 41–86. Zu den Elegantiae nach wie vor auch die Arbeit von Stevens, Jr. 1973.
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sowie die Digestae, vor allem die Traktate Ulpians und Pomponiusʼ16. Die Institutio oratoria Quintilians fungierte als intellektueller Ausgangspunkt seines gesamten Wirkens und lieferte ihm das methodische Instrumentarium für seine linguistische Arbeit17. Die elegantia als distinktiver Begriff wird nachweislich erstmals von dem unbekannten Verfasser der Herennius-Rhetorik als Unterkategorie des rednerischen Stils (elocutio) neben der Wortstellung (compositio) und der Würde (dignitas) eingeführt18. Die elegantia selbst wiederum unterteilt er in Latinitas und explanatio. Ersteres meint die formelle Korrektheit und Reinheit der Sprache, die durch Vermeiden von Solözismen und Barbarismen erlangt wird; die „explanatio [...] bewirkt das apertum, indem Wörter eingesetzt werden, die einerseits intersubjektiv mit der alltäglichen Redeweise der Sprachgemeinschaft zusammenstimmen und andererseits objektiv mit der Tatsächlichkeit derjenigen res, auf die sie sich beziehen“.19 Eine bislang weniger beachtete Quelle für Vallas elegantia-Konzeption bietet zudem Ciceros Brutus, der im Verlauf des 15. Jahrhunderts äußert breit rezipiert worden ist20. In dem Dialog skizziert Cicero die von Gaius Julius Caesar über die ratio getätigte Reinigung des zeitgenössischen Sprachgebrauches, den er als fehlerhaft und korrumpiert abwertet (consuetudo vitiosa et corrupta). Dadurch habe Caesar die frühere „reine und unverfälschte“ Sprachgewohnheit (consuetudo pura et incorrupta), die er mit Gaius Laelius und Scipio den Jüngeren verbindet, rekonstruiert und eine Präzision der lateinischen Worte (elegantia verborumn Latinorum) erzielt21. Valla appliziert den Begriff elegantia zur Bezeichnung des sprachlich korrekten, allgemein verständlichen und präzisen Ausdruckes, der sich in der Semantik Vgl. Marsh 1979, S. 100 mit ausführlichen Verweisen auf Vallas Werk. Siehe Gell. 2, 9, 5: Has enim curas vocum verborumque elegantias non modo non sectatur Epicurus, sed etiam insectatur. Die Juristen Ulpian und Pomponius ziehen das Adjektiv bzw. das Adverb ferner zur genauen Distinktion der juristischen Terminologie heran, was für den von Valla angestrebten rechtswissenschaftlichen Rezeptionsraum von großer Bedeutung ist. Siehe dazu unten, Kap. 2.3.2. Vgl. auch Dreischmeier 2017, S. 52. Ausführlich zu Vallas „Quintilianismus“ Dreischmeier 2017, bes. zum Sprachverständnis Kap. II und III, S. 37–98, auf dessen Ertrag der Verfasser im Folgenden seine Darlegung größtenteils basiert. Rhet. Her. 4, 12, 17–13,8: Quae [scil. elocutio] maxime admodum oratori accomodata est tres res in se debet habere: elegantiam, compositionem, dignitatem. Elegantia est quae facit ut unum quidque pure et aperte dici videatur. Haec distribuitur in Latinitatem et explanationem. Latinitas est quae sermonem purum conservat ab omni vitio remotum. Vitia in sermone, quo minus is Latinus sit, duo possunt esse: soloecismus et barbarismus [...]. Explanatio est quae reddit apertam et dilucidam orationem. Ea comparatur duabus rebus, uistatis verbis et propriis. Usitata sunt ea quae versantur in sermone et consuetudine cotidiana. Propria quae eius rei verba sunt aut esse possunt qua de loquemur. Siehe auch zum elegantia-Konzept De Caprio 2008. Vgl. Dreischmeier 2017, S. 48. Vgl. Mazzocco 1993, S. 64 f., dazu Anmerkung 61. Cic. Brut. 75, 261: Caesar autem rationem adhibens consuetudinem vitiosam et corruptam pura et incorrupta consuetudine emendat. Itaque cum ad hanc elegantiam verborum Latinorum – quae, etiam si orator non sis et sis ingenuus civis Romanus, tamen necessaria est – adiungit illa oratoria ornamenta dicendi, tum videtur tamquam tabulas bene pictas conlocare in bono lumine. Zum idealen Sprachgebrauch siehe ebd., 74, 258. Auf die besagte Stelle verweist Valla in seinem Antidotum secundum selbst, um Poggios Sprachverständnis, das ebenso auf Brutus aufbaut, zu widerlegen. Siehe dazu Kap. 2.2.2.
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der Einzelworte bzw. von Phrasemen manifestiert22. Er intendierte, die sprachlichen Nuancen herauszuarbeiten, um eine unmissverständliche prosaische Diktion zu generieren. Kriterien für die Elegantiae erwähnt er in seinen Annotationen zur quintilianischen Institutio oratoria mit besonderem Augenmerk auf die juristische Fachsprache: Eleganter est proprie, vere ac recte, ut in iure civili adeo frequenter, ut pene sola hac voce in approbandis aliorum sententiis iurisconsulti utantur23. Die res sollte durch angemessene, treffsichere und der Wahrheit (verum, veritas), d. h. dem Gegenstand selbst entsprechende verba adäquat signifiziert werden, um polysemen Formulierungen – das von Valla identifizierte Grundproblem seiner Gegenwart – vorzubeugen und einen der Sache zweckdienlichen Diskurs durch eine Univozitätsannäherung zu ermöglichen24. Wenngleich Valla mehrfach signalisiert, dass er sich nicht mit der eloquentia per se beschäftigt, sollte die Rekonstruktion der lateinischen elegantia als linguistisches Fundament zur Erschließung und Aneignung einer effektiven Beredsamkeit fungieren, wodurch er einen eigenständigen Zugang zum humanistischen Wiederherstellungsvorhaben der antiken Rhetorik wählte25. Die Restauration der lateinischen elegantiae erfolgt induktiv-empirisch durch die Herleitung des Sprachgebrauches, d. h. der consuetudo bzw. des usus loquendi einer gewissen Anzahl an lateinischen Autoren, denen Valla in Bezug auf ihren Sprachstil auctoritas beimaß, wenngleich er die Überprüfung und Verwertung von allen ihm verfügbaren lateinischen Schriftstellern anstrebte26. Mit dem Sprachgebrauch ist nicht die allgemeine, im (antiken) römischen Volk verbreitete Sprachgewohnheit, sondern die zwangsläufig künstlich hergeleitete Ausdrucksart einer gewissen Bildungselite gemeint. Die Erschließung der elegantiae sollte die Basis der prosaischen, für den Redner bestimmten Latinitas legen, die sich aus formaler Sprachrichtigkeit und individuellen Redeweisen zusammensetzt27. Valla fasst die Latinität als reziprok entstandene kommu-
Vgl. auch Stevens, Jr. 1973, S. 3–5. Bei Quintilian, und zuvor schon bei Cicero, wird elegantia auch als ästhetische Qualität verstanden, die in einem „Spannungsfeld verschiedener stilistisch-ästhetisch-moralischer Eigenschaften“ verharrt und sich relativierend bedingen. Vgl. Dreischmeier 2017, S. 49 f. Die relevanten Belegstellen sind Cic. Brut. 89; Cic. de orat. 3, 141, wo Cicero die Ästhetik als Kriterium für eine funktionale, d. h. persuasive Rede betont; Quint. inst. 12, 10, 11, wo Quintilian elegantia als Qualität des idealen Redners benennt. In welchem Maß elegantia als ästhetisches Kriterium bei Valla zu verstehen ist, bleibt unsicher. Dreischmeier, ebd., S. 50, weiß hierfür zwei Belegstellen zu nennen (Valla 1984, Epistole, Ep. 36, S. 290 und Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, 30, S. 246), in denen elegantia bzw. elegans in Bezug auf „unschöne“ Wortwiederholungen u. a. verwendet wird. Wiederholungen als solche können jedoch ebenso durch die von Valla intendierte Präzisierung und Straffung jeglicher Formulierungen als Verstoß eingestuft werden, da es seinem beanspruchten Ideal der treffsicheren Ausdrucksweise zuwiderläuft. Valla 1996, Le postille all’Institutio oratoria di Quintiliano, ad inst. 9, 2, 98, S. 191. Vgl. Moss 2003, S. 37, S. 41; auch Dreischmeier 2017, S. 51 f. Siehe u. a. Stevens, Jr. 1973, S. 1–19, Marsh 1979, S. 101 und Dreischmeier 2017, S. 54 f. Überblickend mit Berücksichtigung der anderen Werke Regoliosi 2001. Zu Vallas Verständnis vom usus loquendi und seiner Latinitätsauffassung vgl. Stevens, Jr. 1973, S. 58 ff.; López Moreda 1996, Regoliosi 2000 und 2010 und jüngst Nauta 2018. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 14, S. 110: Sed ego ad altiora ducente stylo transeo, et ad ea quae oratorum magis sunt quam grammaticorum, et magis Latine eleganterque loqui volentium quam
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nikative Ausdrucksweise einer Gelehrtengemeinschaft, weshalb er einen pluralistischen Zugang zum Sprachgebrauch wählte und daher mindestens zwei oder mehrere Schriftsteller berücksichtigen musste, um eine sichere Aussage zum usus treffen zu können28. Die Gedankenfigur consuetudo bzw. usus entlehnt er von Quintilian, der die Latinität (Latinitas), d. h. die „idiomatisch korrekte Ausdrucksweise“29 des Lateinischen, in vier Grundprinzipien unterteilt, die ratio, vetustas, auctoritas und die consuetudo, wobei der Schwerpunkt bei vorsichtiger und abwägender Prüfung (iudicium) auf letzteres Prinzip gelegt wird30. Die auctoritas wird beispielhaften und allgemein anerkannten Autoren zugeschrieben. Entscheidend für alle drei Kategorien ist Quintilian zufolge die consuetudo, unter dem er den empirischen, kongruenten Sprachgebrauch der Gelehrten (eruditi) versteht, deren stilistisches Ideal sich aus der impliziten Übereinkunft ihrer Gewohnheit ergibt und soziokulturell, in der quintilianischen Metapher der gemeinsamen Währung, konstituiert wird31. Abstrakt formuliert setzt sich der usus loquendi aus einer Summe an verschiedenen Diktionen zusammen, aus denen ein Regelkatalog für spezifische Phraseme, Konstruktionen und Begriffsverwendungen abgeleitet wird32. Die
eorum, qui ad normam grammaticae periti esse contenti sunt. Quare separemus ea, quae de hac re dicenda supersunt, et eis suum locum assignemus; quae etsi possent posterius tractari, tamen quia ad materiam graduum pertinent, in hoc potissimum loco exequemur rem dignam auribus studiosorum de exactissima antiquorum Latinitate et elegantia a M.T. Cicerone Marcoque Fabio Quintiliano praecipue observata, duobus luminibus atque oculis quum omnis sapientiae, tum vero eloquentiae Latinae. Ebd. 1, 19, S. 122: Neque tamen in hoc toto meo opere tam licentiam poetarum consector, quam usum oratorum. Neque si quid aliter penes auctores reperiatur, mihi obesse debet, qui non legem scribo, quasi nunquam aliter factum sit, sed quod frequentissime factitatum est, praesertim a M. T. Marcoque Fabio [...]. Vgl. auch Stevens, Jr. 1973, S. 7. Vgl. Ijsewijn 1975, S. 92 u. S. 96, wo Ijsewijn darstellt, dass Valla bei fehlenden Belegstellen sogleich zu falschen Annahmen kommt. Siehe auch Abbamonte 2012, S. 29–60; mit Fokus auf die einzelnen Autoren vgl. Abbamonte 2019. Lausberg 1990, S. 254, § 363. Quint. inst. 1, 6, 1: sermo constat ratione, vetustate, auctoritate, consuetudine. Inst. 1, 6, 3: consuetudo vero certissima loquendi magistra, [...]. omnia tamen haec exigunt acre iudicium [...]. Die ratio basiert auf der logischen Schlussfolgerung, die sich aus dem Aufbau der Sprache ableiten lässt. Er unterteilt sie in analogia und etymologia. Zum iudicium zur stilistischen Synthese bereits Cicero, Brut. 285 f. im Kontext des Attizismusdiskurses. Weiterführend zur Problematik einer individuellen Stilgenese im Zuge der imitatio auch Möller 2004, S. 150. Quint. inst. 1, 6, 45; dazu Lausberg 1990, S. 256, § 469. Zur sprachphilosophischen Bedeutung des usus loquendi bei Valla vgl. u. a. zum Dualismus von ratio und usus Regoliosi 2010a; mit besonderem Augenmerk auf die ahistorischen Vergleiche mit der „Ordinary Language Philosophy“ Nauta 2015. Zur Münzmetapher inst. 1, 6, 3: consuetudo vero vertissima loquendi magistra, utendumque plane sermone ut nummo, cui publica forma est. Dazu Camporeale 2014, S. 95 f.; auch umfassend mit Blick auf die sprachphilosophischen Implikationen Nauta 2009, S. 274–291; ders. 2015, bes. S. 147 ff. Vgl. bes. Percival 1976, S. 81 f.; Moss 2003, S. 5. Siehe Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 1, S. 64: Sed ego de usu loquendi disputo, non de abusu. Zu dieser Stelle Percival 1988, S. 76 und Lim 2004, S. 71.
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einzelnen Vorschriften (praecepta) sind jedoch nicht allein als linguistische Regulation, sondern ebenso als eine Vereinfachung der bisherigen humanistischen Nachahmungsverfahren zu verstehen. Die Elegantiae sollten dem Imitator eine ökonomisierte und kommentierte copia dicendi zu Verfügung stellen, bei der es sich jedoch, wie Valla selbst betont, um eine empirische Zusammenstellung der gängigen (klassischen) Redensweisen handelt33. Die vallianische Herleitung des Sprachgebrauchs ist durch eine Neukanonisierung bedingt, die auf eine partielle Dekonstruktion der im mittelalterlichen Schulunterricht und nach wie vor im 14. und 15. Jahrhundert gemeinhin eingesetzten Autorenkataloge34 abzielte. Er teilte die Schriftsteller in autoritative auctores, korrekturbedürftige scriptores und die aus seiner Sicht stilistisch verkommenen mittelalterlichen interpretes und recentiores ein35. Ausgangspunkt der Elegantiae bildet die etablierte Schulgrammatik um die Ars minor des Donatus, die Institutiones grammatices des Priscianus und Serviusʼ Vergilkommentar, die er hinsichtlich spezifischer linguistischer Probleme überprüft, kommentiert und über einen eigenständigen, auf dem usus loquendi basierenden Regelkatalog überschreibt36. Ergänzt werden die drei Grammatiker hauptsächlich um Ma-
Hier folgt Valla einer grundlegenden Tendenz seiner Zeitgenossen, die durch eine Reduktion und Vereinfachung der (grammatischen) Quellen bedingt war. Beispielhaft sei auf Guarino da Veronas Regulae grammaticales verwiesen. Vgl. Percival 1996, S. 135 f. Umfassend zum mittelalterlichen Lateinunterricht Black 2001, für das Quattrocento bes. S. 225– 270; siehe auch Pinborg 1967, S. 21–30; zu Unterrichtspraktiken und dem Lernprozess des Lateinischen auch anregend Reynolds 1996. Vgl. Marsico 2017, S. 395 f. Zur Binnendifferenzierung innerhalb der jeweiligen Gruppen vgl. Ax 2006, S. 143 f., ausführlich Dreischmeier 2017, S. 108–141. Aufgrund ihrer als degeneriert gezeichneten lateinischen Ausdrucksweise und ihrer vermeintlich unselbstständigen Arbeiten könne den interpretes und recentiores keine stilistische Autorität mehr zugewiesen werden. Ihre „barbarisierte“ Latinität sei einerseits durch die bewusste Abweichung vom usus loquendi der antiken auctores, andererseits durch die scholastische, d. h. logische Erschließung und ihrer fachterminologischen Einbettung bedingt. Letzteres bringt Valla hauptsächlich mit der modistischen Sprachtheorie in Verbindung, ohne diese jedoch in seinen Schriften ausführlicher zu behandeln. Zum sprachtheoretischen Begriff modus significandi der Grammatica speculativa vgl. Pinborg 1967, S. 30–46, und zur humanistischen Dekonstruktion ebd., S. 210–212. Einführend zur Grammatica speculativa vgl. Kobusch 1996, S. 77–94, Ax 2006, S. 47 ff. mit Blick auf die Elegantiae, siehe außerdem Struever 1990, S. 95–133 mit Diskussion der dominanten Deutungen des vallianischen Sprachverständnisses. Vgl. Ax 2006, S. 142. Zur Analyse des vallianischen Autorenkatalogs Dreischmeier 2017, S. 108–141. Valla schreibt den von ihm aufgelisteten auctores aufgrund ihres fremdreferentiell zugewiesenen Status, der den Humanisten bisweilen nur nach Außen hin in Bezug auf ihre (moralphilosophischen) Lehren als rechtfertigungswürdig erschien, eine mustergültige und nachahmenswerte (sprachliche) ratio zu, die er aufgrund ihrer auctoritas nicht weiter zu begründen brauchte. Den scriptores kommt jedoch in der Regel allein eine sekundäre Beleg- und Kontrollfunktion zu. Aufgrund ihrer Arbeitsweise besitzen die spätantiken Grammatiker selbst, so erläutert Valla in seinem Antidotum gegen Bartholomeo Facio, keine eigene Autorität, da sie ihre Regeln (praecepta) von den „Zeugnissen“ der Altvorderen abgeleitet und kein neues (linguistisches) Wissen als solches erzeugt haben sollen – eine Parallele zu seinem eigenen Vorgehen ist offensichtlich, wird von ihm aber nicht reflektiert. Auch die
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crobius, Aulus Gellius, Boethius, die christlichen Autoren Laktanz und Hieronymus sowie die Autoren der Digesten37. Der hergeleitete Sprachgebrauch hauptsächlich prosaischer Autoren, die jedoch durchgehend mit poetischen Schriftstellern abgeglichen werden, stand entsprechend in einem gewissen Spannungsverhältnis mit spezifischen Grammatikregeln und grundsätzlich spätantiken Ausdrucksweisen. Seine Zeitgenossen fassten dies einerseits als Autoritätskritik und andererseits als eine semiotische Neuschöpfung38. Die Diskrepanz zwischen der klassischen Latinität, die Valla zu rekonstruierten beabsichtigte, und dem vermeintlich unzureichenden Zustand des Lateinischen seiner Epoche adressiert er im zweiten Vorwort seines Werkes. Die Brücke zwischen dem idealen und dem kontemporären Sprachzustand verortet Valla in dem grammatischen „Triumvirat“ des Donatus, Servius und Priscianus, das jedoch aufgrund der mittelalterlichen Ignoranz einer umfassenden Aktualisierung bedürfe39. Wenngleich Valla in den Elegantiae sich oftmals despektierlich über die mutmaßlichen Fehler der scriptores äußert, richtet sich seine primäre Kritik gegen mittelalterliche Gelehrte, insbesondere gegen Autoren, die sich mit der lateinischen Sprache auseinandergesetzt haben und in den kontemporären Lateinschulen und Universitäten hohe Popularität genossen. Neben dem dominikanischen Grammatiker und Autor Johannes Balbus (†1298), der das bis weit in das 15. Jahrhundert breit rezipierte und das zur Bibelauslegung verwendete lexikographische Werk Catholicon verfasste, benennt
ecclesiastici besitzen zwar dogmatische Autorität, sind jedoch Valla zufolge aufgrund ihres lateinischen Stils nur unter Vorbehalt und genauer Abgleichung mit den auctores zu berücksichtigen, was sich überdies in ihren punktuellen Abweichungen vom usus loquendi der veteres belegen lasse. Valla 1981, Antidotum in Facium 1, 5, 22, S. 30: Ait preterea ʻauctore Priscianoʼ, cum sciamus Priscianum ceterosque grammaticos et prope omnes artifices ab aliis petere preceptorum suorum, non ipsos habere auctoritatem, hoc est non esse auctores, ideoque que tradunt ea omnia superiorum testimoniis confirmare. Valla antwortet hier auf Facio 1977, Invective in Laurentium Vallam 1, S. 63. Vgl. dazu auch Marsico 2017, S. 391. Kritisch zur Frage nach dem Verhältnis der Elegantiae zur Grammatik Regoliosi 2000. Dazu auch bes. Abbamonte 2012, bes. S. 36–52. Pointiert formuliert von Moss 2003, S. 42: „But what exactly is the language in use? It is in effect an artificial amalgram of the surviving literary documents from a rather select number of mainly prose authors writing roughly in the period between Cicero and Quintilian, with occasional excursions into the language of the Fathers and the Latin jurists of the Digest, and, even more occasionally, new words for completely new things (bombarda is the example usually cited).“ Zum Grammatikverständnis von Valla siehe Gavinelli 1988 und 1991. Zu Vallas Sprachauffassung auch jüngst Regoliosi 2019. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, Praef., S. 184: [...] aut tres illi tamquam triunviri, de quorum principatu inter eruditos quaeritur, Donatus, Servius, Priscianus; quibus ego tantum tribuo, ut post eos quicunque aliquid de Latinitate scripserunt, balbutire videantur [...]. Dazu Abbamonte 2012, S. 36 ff.; Celenza 2018, S. 186ff. und Gavinelli 1991, S. 159fff. Zur Vorgehensweise Vallas vgl. Ax 2006, hier S. 134, siehe auch 141 und S. 146; Ijsewijn 1975, S. 90; jüngst bes. die drei Beiträge im ersten Buch des Sammelbands „La riforma della lingua e della logica“, von Harto Trujillo 2010, der im Anhang, S. 46–49 eine erste, und aufgrund der Editionslage – die Edition von Morena basiert einzig auf den ersten Drucken – vorläufige Identifizerung und Zählung der von Valla zitierten grammatischen Autoren beifügt, vgl. dazu auch Regoliosi 2008, S. 301; siehe ebenfalls die anderen Aufsätze von Lo Monaco 2010 und Villalba Álvarez 2010.
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Valla noch als Personifizierungen barbarischen Ausdruckvermögens den Autor der wirkmächtigen Etymologiae, Isidor von Sevilla (560–636), den Kanoniker Uguccione da Pisa (†1210) und den Benediktiner Heiricus von Auxerre (ca. 841–875). Die Schriften der ersten beiden Autoren wurden im Quattrocento nach wie vor als Grundlage des Lateinstudiums verwendet40. Anhand dieser prominenten Schriftsteller, die allesamt enzyklopädisch, d. h. universalistisch angelegte und den Elegantiae strukturell ähnliche Werke komponierten41, identifiziert Valla die grundlegenden Traditionslinien der etablierten Lehrsysteme. Diese Schriftsteller, die er in einem wichtigen Brief, seiner epistula apologetica von 1440, den „Goten“ und „Galliern“ zuordnet, haben seinen Worten nach einen „Auswurf“ (fex) an „Büchern über Grammatik, Rhetorik, Semantik und Kommentaren zu den alten Autoren“ hinterlassen, derer er sich schämen würde: Francesco da Buti, Giovanni da Soncino, Everard de Béthune, Martin von Dacia, der Bücher über die modi significandi ausspieh, Alexander von Villadei, der die Regeln des Lateinischen von Priscianus sich angeeignet und in barbarische Verse umgearbeitet und selbst viele Fehler hinzugefügt hat; Alain de Lille, Ventura da Bergamo, Ugguccione da Pisa, das Catholicon, Azzo da Bologna, Dionigi da Borgo San Sepolcro, Nicholas Trevet und der Mönch Benvenutus. Dann die Rechtsgelehrten: Francesco d’Accorso, Bartolo de Sassoferrato, Baldo degli Ubaldi und Cino da Pistoia. Die Dialektiker: Albertus Magnus, Albert von Sachsen, Ralph Strode, William von Ockham und Paul von Venedig42.
Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, Praef., S. 184: [...] Isidorus, indoctorum arrogantissimus, qui quum nihil sciat, omnia praecipit. Post hunc Papias, aliique indoctiores: Eberardus, Huguitio, Catholicon, Aymo, et caeteri indigni qui nominentur, magna mercede docentes nihil scire, aut stultiorem reddentes discipulum, quam acceperunt. Vermutlich dienten Valla die aufgezählten „schlechten“ Autoren als negative Referenzen innerhalb der Elegantiae, wie Marsico 2018, S. 89 f. anhand des Kapitels über die semantische Bestimmung des Nomens indoles in Valla 1999, De linguae latinae elegantia 4, 46, S. 472–473 aufzuzeigen vermag. In diesem Kapitel greift Valla mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Ugucciones Derivationes zurück. Dieser Aspekt müsste in Zukunft sowohl im Hinblick auf die Elegantiae als auch auf die übrigen Werke Vallas detaillierter untersucht werden. Siehe auch Valla 1978, Antidotum primum 1, 177–179, S. 122–124, hier 178 f., S. 123 f.: Nam quod dixi «meliores Accursianis», si videtur tibi arrogans, non est causa quin etiam arrogantem me statuas quod omni me plebi imperite antepono: Catholiconibus, Ugutionibus, Aimonibus ceterisque huius generis hominibus, qui non minus intellexerunt linguam Latinam quam Accursii et Accursiani omnes, qui Latinitatem iuris civilis exponere ausi sunt ipsi male Latini. Beim vermutlich im Jahr 1286 entstandenen Catholicon seu summa prosodiae des Johannes Balbus handelt es sich um ein zur Bibelstudie komponiertes Wörterbuch. Der bolognesische Jurist Uguccione da Pisa, bei dem mitunter Lotario da Segni (der spätere Papst Innozenz III.) studierte, verfasste unter anderem die grammatischen Magnae Derivationes. Zu dieser Schrift bes. Riessner 1965 und zur Bedeutung der beiden Autoren Black 2001, S. 54–55 und Abbamonte 2012, S. 61–63. Heiricus von Auxerre gehörte zu den bedeutensten Autoren der karolingischen Zeit und zeichnete sich unter anderem durch philosophische Glossen (Categoriae decem) und einem aus klassischen Zitaten bestehenden Florilegium (Collectaeum) aus. Vgl. zur enzyklopädistischen Struktur der Elegantiae jüngst Marsico 2018, allgemein zu mittelalterlichen Enzyklopädien bes. Keen 2013 und mit Blick auf die Renaissance Blair 2013. Valla 1984, Epistole, Ep. 13, S 193–209, hier S. 200 f.: Zu der Identifizierung der von Valla erwähnten Autoren, die hier in die Übersetzung berücksichtigt wurden, vgl. Valla 1984, S. 198–200, Anm. 138–155.
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Die genannten Autoren macht er mitunter für den Sprachverfall verantwortlich und stigmatisiert sie als indoktrinierte Barbaren, die das verkommene Latein durch ihre Schriften weiter perpetuiert und auf diese Weise zum Untergang des Römischen Reiches sowohl in politischer als auch kultureller Hinsicht beigetragen haben sollen. Wenngleich Vallas Polemik teils heftig ausfällt, behandelt er die von ihm als weniger vertrauenswürdig klassifizierten scriptores und recentiores nichtsdestoweniger als mit allgemeiner Geltung versehene Wissensträger. Deshalb kann auch nicht, wie Clementina Marsico seine Ambitionen überspitzt zusammenfasst, von dem Versuch einer vollständigen Tilgung des „Mittelalters“, d. h. „seiner Sprache, seiner Autoren und ihren Werken“ seitens Vallas gesprochen werden. Marsico zeigt selbst die verschiedenen „mittelalterlichen“ Traditionen auf, auf die Valla in seinen linguistischen Abhandlungen zurückgriff. Des Weiteren muss der Aufbau der Elegantiae berücksichtigt werden: Weder formulierte ihr Autor eine neue Grammatik noch ein neues Unterrichtsmodell. Vielmehr sollten sie parallel zu den Standardlektüren als Korrektiv herangezogen werden, um die Primärtexte angemessen studieren zu können43. Ein Blick auf ein umfangreiches Kapitel aus dem ersten Buch, das in einer Reihe von Untersuchungen zur Steigerung und ihrer adverbiell-konjunktionellen Verbindungen steht, bietet einen idealen Einblick in die Vorgehensweise Vallas44. In Kapitel 1,
Vgl. auch Gavinelli 1991, S. 157–159. Für Vallas engen Freund und Kollegen Giovanni Tortelli diente das Catholicon als strukturelles Vorbild für seine Orthographia, in der er ebenso auf Ugucciones Derivationes zurückgriff, vgl. Tomè 2018, S. 111 ff. u. S. 124 ff. Anregend auch der (inhaltliche) Vergleich zwischen Vallas Elegantiae und Balbus’ Catholicon von Miguel Franco 2010. Zum Sprachverfall u. a. Law 2003, S. 226 f. Siehe außerdem seine an Papst Eugen IV. gerichtete apologia, um sich für seine Standpunkte während der inquisitorischen Begutachtung in Neapel zu rechtfertigen. Dort wurde ebenso seine Kritik am Catholicon und Uguccione da Pisa behandelt: Valla 1962b, Apologia ad Eugenium IIII, S. 799: Super opere De elegantia: Catholiconem Ugutionemque et similes null[u]m vocabulum recte exposuisse, nisi quod aut expositum inuenerunt, aut de quo nemo dubitat, praeterea barbariem loquendi docere, non linguam Latinam. Der für Vallas intellektuelles Profil wichtige Brief Ep. 13 an Johannes Serra wird unter anderem ausführlich bei Blanchard 2007 besprochen. Siehe auch den Aufsatz von Torrent 2007. Vgl. Marsico 2017, S. 401–406, hier S. 401: „In the Elegantiae, therefore, Valla tries to eliminate every trace of the Middle Ages: its language, its authors, and their works.“ Percival 1976, S. 80 ff. Gavinelli 1991, S. 159 ff.; Sánchez Salor 1996, S. 18–24, Bonmatí Sánchez 2006, S. 23. Die polemische Abgrenzung zur mittelalterlichen Praxis, die jedoch grundsätzlich symbolisch erfolgte, war bis dato einzigartig und wurde auch in den unmittelbar darauffolgenden grammatischen Schriften erst einmal nicht weiter aufgegriffen. Vgl. Ijsewijn 1975, S. 97 und Percival 1986, S. 78–82. Percival nennt noch die Praecepta brevia des Gasparo da Verona und die Rudimenta Grammatices von Vallas Schüler Niccolò Perotti. Siehe auch für die spätere Nutzung der Elegantiae Moss 2003, S. 43 ff. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 19, S. 120–129. Vgl. auch Ax 2006, S. 35, der die Kapitel 12–19 als „exkursartigen“ Sonderteil innerhalb des ersten Buches bezeichnet. Siehe auch seine ausführliche Besprechung von Kapitel I, 13, ders., S. 39–43. In den Elegantiae finden sich jedoch mehrere Kapitelreihen, die thematisch aufeinander aufbauen. Auch Gavinelli 1991, S. 174–175.
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19 mit dem Titel De Per et Quam cum gradibus beschäftigt sich der Autor mit der Bedeutung und korrekten Nutzung der Adverbien quam, ut und mit der Einsetzung des Präfixes per; des Weiteren finden sich hier wichtige Bemerkungen zu seiner Methodik, die sich für das Verständnis seiner elegantia-Konzeption als essentiell erweisen. Seine Regelaufstellung beinhaltet zumeist Korrekturen von scriptores, darunter häufig die spätantiken Grammatiker, die er sodann mit Belegstellen aus den Schriften der auctores zu fundieren sucht. Die kritische Behandlung der antiken Quellen schließt jedoch auch Abweichungen ein, die wiederum Erklärungsversuche und Exkurse einführen und, je nach Erklärungen, ebenfalls zu alternativen Regeln oder, sofern Valla genügend Evidenz für seine Ausführungen vorlegen kann, zu Emendationen der jeweiligen Schriftträger führen. Zunächst stellt er apodiktisch fest, dass das Präfix per allein mit dem Positiv und das Adverb quam mit dem Superlativ stehen kann. Wird quam mit dem Superlativ verknüpft, so nimmt es die Bedeutung der Adverbien valde oder vehementer an; drückt quam jedoch den Sinn von quantum aus, darf es nicht mit dem Superlativ, sondern allein mit dem Positiv stehen, wofür er Cicero anführt. Ausnahmen finden sich mitunter in figurativen Formulierungen, die beispielsweise scherzhaft ausgedrückt werden, wofür er die Beispiele quam cito venisti und quam suavis homo es angibt45. Sonderformen ermöglicht beispielsweise das Verb posse, weshalb quam mit dem Superlativ stehen kann, wie in Scribas quam optime potes, was jedoch durch die Verbindung von quam mit dem Verb lizenziert wird, woraus sich die Regel ergibt: Recte ergo pones quam pro quantum cum positivo et superlativo intercedente verbo Possum; male autem cum comparativo [...]. Es finden sich ebenso Diskussionen zum Gebrauch des Adverbs perquam und ebenso zu selteneren Verbindungen, die an dieser Stelle nicht weiter besprochen werden müssen. Seine Resultate gleicht er ferner mit Gegenbeispielen aus den Schriften Boethiusʼ, Priscianusʼ und Laktanzens ab, die er als Abweichungen vom klassischen usus loquendi einstuft und entsprechend korrigiert. Zentral dabei ist seine Formulierung: Er bietet „lateinischere“ (latinius), d. h. präzisere und aus seiner Sicht den beabsichtigten Sinn entsprechende Ausdrucksformen an46. Die Stufung suggeriert eine ideale Redeweise, welche die richtige und treffende Signifikation für die jeweiligen Sach-
Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 19, S. 122: At contra, quam pro quantum nunquam cum superlativo, sed semper cum positivo; ut Cicero: Quam morosi sint, qui amant, vel ex hoc intelligere potes [Cic., Ad fam. 1, 1]. Vides ut quam pro quantum non potest adiungi verbo principali, duntaxat in recto modo loquendi; hoc est, quando non figurate loquimur, ut exprobandi deridendive causa, hoc modo: quam cito venisti, quam suavis homo es. Siehe auch die weiteren Einschränkungen: Loquor autem, quotiens duo verba in eadem oratione insunt, semper cum verbo non principali iungi quam pro quantum; quam pro valde frequenter uno verbo contentum esse; et in duobus, principali potius gaudere, nonnunquam altero; ut, Ubi est lucrum, eo quam primum advolas; et, Ibi est lucrum, quo tu quam primum advolas. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 19, S. 124: Nam cur non saepius quam pro valde cum positivo in illis reperiremus, si probassent potius quam respuissent? Quare in hac re non verebor reprehendere Boethium, Priscianum et elegantiorem utroque Lactantium.
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gegenstände transportiert47. Dieser Aspekt ist zentral für Vallas Sprachverständnis: Der mögliche Bedeutungshorizont, der für eine Verbalisierung von Gedanken und Welterfassung nötig sei, ist seiner Ansicht nach mit den Schriften der klassischen Autoren abgeschlossen worden. Einzig für neuartige Gegenstände, die nicht adäquat mit bereits vorhandenen, in den antiken Texten belegten Worten ausgedrückt werden können, seien Wortneuschöpfungen erforderlich48. Der hier zum Vorschein kommende Klassizismus49 ist folglich nicht ästhetischer, sondern allein semiotischer Art; Diskrepanzen zum klassischen usus loquendi sind Valla zufolge als „barbarisch“, d. h. als semantisch unsinnig einzuordnen. Dieser Restriktionsgrad und seine Implikationen für die imitatio werden in der Bracciolini-Valla-Kontroverse ausführlich behandelt und in den nachfolgenden Kapiteln in mehreren Zusammenhängen diskutiert. Valla widmet sich in dem besagten Kapitel jedoch auch Abweichungen von seinen Befunden, die bei klassischen auctores vorzufinden sind. Beim Dichter Terenz lokalisiert er in der Andria und im Eunuchus Formulierungen, die seinen Regeln augenscheinlich zuwiderlaufen50. Diesen Umstand erklärt er mit der licentia poetarum, die, anders als der von ihm analysierte usus oratorum, ein breiteres Bedeutungsspektrum und entsprechend auch freiere Schreibweisen erlaube51. Dabei betont er einerseits den anvisierten Sprachgebrauch seiner beiden Primärmodelle Cicero und Quintilian und reflektiert andererseits, und diese Formulierung hat in der Forschung für Irritationen gesorgt, seine sprachliche Restauration, die keine von ihm festgelegten Präskriptionen (lex), sondern vielmehr Deskriptionen der am häufigsten verwendeten
Vgl. zu diesem Aspekt auch Robert 2007b, S. 204, der das Sprachverständnis von Erasmus von Rotterdam in seinem Ciceronianus thematisiert: „Erasmusʼ Überlegungen zum sprachlichen aptum sind in ihrem Kern semiotisch motiviert. Sie gehen von der doppelten Voraussetzung aus, daß es nicht nur für alle Dinge (auch die ‚neuen‘) einen Namen gibt, sondern einen Namen, d. h. eine eindeutige und ‚eigentliche‘ Signifikation.“ Ebd., S. 205: „Erasmus setzt voraus, daß die Wörter mit den Dingen einen substantiellen, jeweils durch die sachlichen wie historischen Kontexte festgelegten Verbund eingehen.“ Das prominenteste Beispiel ist das Wort für „Kanone“ (bombarda), das Valla in seinen Gesta Ferdinandi regis appliziert und für das er sich in seiner Auseinandersetzung mit Facio rechtfertigen musste. Eine knappe, eigenständige Abhandlung zu Neologismen findet sich ebenso als Anhang zu seinem Geschichtswerk. Libellus de novis rebus antiquitati prorsus ignotis, in: Valla 1973, Laurentii Valle Gesta Ferdinandi regis Aragonum, S. 194–204, hier S. 194: Et certe necesse est ut docti aliquando constituant quibus vocabulis appellande sint ee res que non ita multo superioribus temporibus sunt excogitate. Zur Überlieferung und zum Disput vgl. Besomi 1966, bes. S. 85 und 89 ff. Zu Neologismen bei Valla vgl. Dreischmeier 2017, S. 307–310; zur Bildung von Neologismen vgl. Morcillo Léon 2010, bes. S. 366– 370. Konsequenzen für die Bedeutungsbestimmung als solche Waswo 1987, S. 98 ff. Zum Begriff Klassizismus jüngst Föcking/Schindler 2020, bes. S. 9 f. Siehe Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 19, S. 122. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 19, S. 122: Neque tamen in hoc toto meo opere tam licentiam poetarum consector; quam usum oratorum. Neque si quid aliter penes auctores reperiatur, mihi obesse debet, qui non legem scribo, quasi nunquam aliter factum sit, sed quod frequentissime factitatum est, praesertim a M. T. Marcoque Fabio [...].
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Diktionen darstellen würden52. Bei seiner Aussage handelt es sich jedoch um eine rhetorische Relativierung der nomothetischen Ausrichtung seines Werkes, mit der er die durch die Pluralisierung des Sprachgebrauches bedingte Dekonstruktion der auctoritas der einzelnen auctores und (herabgestuften) scriptores wiederherzustellen und auf seine elegantia-Konzeption zu übertragen versucht. Über die Bezugsgrößen legitimiert er überdies die Emendationen der Überlieferungsträger, ein Umstand, der, obwohl methodisch über mehrere Belege und Begründungen abgesichert, Valla rechtfertigungswürdig erschien und bei seinen Zeitgenossen für heftigen Widerspruch sorgte, wie noch im Einzelnen aufzuzeigen sein wird53. Ein weiteres Beispiel soll den normativen Charakter seiner elegantia-Konzeption illustrieren. Im ersten Kapitel des zweiten Buches behandelt Valla die korrekte Nutzung und Bedeutung der Genitivformen der Personalpronomina mei, tui und sui. Das gesamte Kapitel ist auf eine Kritik an Priscianus ausgerichtet, der keine semantische Differenz zwischen den Genitivformen der Personalpronomina und den Possessiva feststellt und sie daher für austauschbar hält54. Valla stellt in diesem Abschnitt Regeln für ein linguistisches Phänomen auf, das im gesamten antiken Sprachgebrauch nicht einheitlich reguliert war, von Priscianus jedoch als für den Lateinunterricht basalen Autor vereinheitlicht wurde. Der Autor der Elegantiae bemängelt, dass der Grammatiker seinen Befund nicht mit Verweisen auf die „besten“ Autoren belegt habe, was die
Beispielsweise Gravelle 1981, S. 200: „Valla understands that language is not regulated by grammar fixed by authority but is changing, historical, and living.“ Zur kontroversen Frage, ob Valla in seinen Elegantiae deskriptive oder präskriptive Regeln zusammenträgt, vgl. neben Marsh 1979 und Regoliosi 2000 auch Percival 1996, S. 146; jüngst ausführlich Mori 2020b, 151 f. und S. 156 f., Nauta 2015, S. 142 f.; ders. 2018, S. 16, Marsico 2017, S. 400; Corrias 2007 S. 92–96, Perreiah 2016, S. 36 f. Zur zwangsläufigen Ambivalenz der Rekonstruktionsversuche eines historischen Ideals einer bereits seit über 1500 Jahren im Wandel befindlichen Sprache auch Ginzburg 2001, S. 72 f. In seinen Vorworten macht Valla deutlich, dass er eine reformatio, d. h. eine Rückkehr zur „klassischen“ Latinität beabsichtigt, bei der es sich, wie bereits besprochen, zwangsläufig um ein Konstrukt handelt. Die Tendenz, seine Regeln zur Korrektur der Schriften seiner Gegner zu verwenden, findet sich bereits in seinem Antidotum in Facium und seinen gegen Antonio da Rho gerichteten Raudensianae Notae. Vgl. zu diesem Aspekt auch Mori 2020b, S. 163.: „This aspect of Valla’s grammar [scil. die präskriptive Rekonstruktion einer „idealen“ Latinität] is essential for the comprehension of the invectives by Facio and Poggio. Moreover, by considering Facio’s and Poggio’s criticism as a reaction against Valla’s perceived prescriptiveness, one can also understand why they concentrated their attack on grammar, despite it being Valla’s strong suit. Although Facio’s and Poggio’s grammatical criticism of specific passages in Valla’s works is often unconvincing, their attacks gain force when they are considered as a whole, with reference to the normative and prescriptive quality of Valla’s Elegantiæ.“ Exemplarisch Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 19, S. 122: [...] ausim affirmare mendose scriptum; ut in proemio de Oratore: Quam boni perdiu nulli, quasi de valde bonis, et non potius de bonis loquatur. Vera scriptura erat: Boni perquam diu nulli, aut potius ʻCum boni perdiu nulliʼ aliter enim videtur non congrue dici [Cic. de orat. 1, 8]. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, 1, S. 188. Umfassend zu diesem Kapitel Cesarini Martinelli 1980, S. 71–76; Ax 2006, S. 43–45 u. Celenza 2018, S. 197 f.
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Ausgangslage des Kapitels bildet55. Valla unterteilt jeden Genitiv in eine aktive und passive Variante, die um eine possessive Form erweitert werden kann. Als Beispiele für den aktiven Genitiv nennt er providentia Dei (die Vorsehung Gottes) und bonitas Dei (die Güte Gottes), während der passive Genetiv durch timor Dei (Die Furcht vor Gott) und cultus Dei (die Verehrung von Gott) ausgedrückt wird. Die Possession wird mit sedes und regnum Dei exemplifiziert56. Die Genitivformen der Personalpronomina mei, tui, und sui seien allein für den „passiven“, d. h. objektiven Gebrauch zu verwenden, während die Possessiva meus, tuus und suus die aktive bzw. subjektive Funktion erfüllen: Amor meus bedeutet „meine Liebe für jemanden“, amor mei denotiert demnach die „Liebe eines anderen zu mir“. Vallas elegantia-Konzeption kann als Meilenstein innerhalb des Humanismus und der renaissancistischen Kultur im Allgemeinen eingestuft werden: Er bot erstmals in nach-klassischer Zeit eine aus einem festen Kanon hergeleitete, durch konkrete exempla fundierte Latinitätsdefinition an, die sprachliche Präzision sicherstellen und prosaische Univozität durch eine dezidierte Äquivozitätsreduktion erzielen sollte. Bei seinem Beitrag handelt es sich zudem um die erste nomothetisch ausgerichtete Versachlichung des Nachahmungsverfahrens, das den bisherigen Rahmen theoretischer Reflexionen über Voraussetzungen, Zielbestimmungen und rhetorisch-poetischen Bedingungen deutlich überschritt und einen konkretisierten Regelkatalog mit stilistischen Beispielen vorlegte57. Die einhergehenden Implikationen einer semiotischen Rekonfiguration mit deutlich restriktiver Ausrichtung läuteten einen intellektuellen Wandel auf literarisch-kultureller Ebene ein, der ferner sprachphilosophische und epistemologische Fragen hinsichtlich des Nachahmungsverfahrens aufwarf und von Ann Moss als latin language turn bezeichnet wurde. Dieser Wandel machte sich zunächst in der nach wie vor noch nicht ausreichend untersuchten Diffusion und späte-
Bracciolini kritisiert diese vermeintlich ungrammatische Regel grob verkürzend, Bracciolini 1966, Invectiva quarta, S. 876, wo er Valla im Elysium gegen das grammatische Dreigestirn sprechen lässt: Verum, ut aliquid degustetis ex medulla phoebei capitis, quod gravius pleniusque est quam existimetis, assero non equus meus, sed mei, non equus suus, sed sui dicendum esse [...]. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, 1, S. 188–206, hier S. 188 ff.: Genitivus omnis, ut taceam, si qui sint alii modi, aut active aut passive accipitur; adde etiam possessive, quod pene pro active accipio. Active, ut providentia Dei, bonitas Dei. Passive, ut timor Dei, cultus Dei. Ibi Deus providet et benigne agit, non ipsi providetur et benigne fit; hic timetur et colitur; non timet nec colit. Possessive, ut sedes Dei, regnum Dei. Atque in huiusmodi amor dei, charitas patris, suspicio uxoris; dubium est de utro loquaris an de amore, quem Deus in nos habet, an de eo, quem nos in eum; de charitate patris in filios, an filiorum in patrem; de suspicione maritali, an de suspicione uxoria. Vallas Elegantiae stehen am Anfang einer essentiellen Phase der Normierung, Rationalisierung und Wissensökonomisierung, die ab dem Ende des 15. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Drucktechnik an Fahrt aufgenommen hat. Siehe dazu bes. Müller/Robert 2007, v. a. S. 22 ff.; Robert 2007b mit Blick auf die Lexikographie, S. 210, zum Forschungsstand mit der Bemerkung, dass die Lexikographie „in neueren Darstellungen der Nachahmungsdebatte ebensowenig Niederschlag [findet] wie diese umgekehrt in den meist linguistisch perspektivierten Untersuchungen zur frühneuzeitlichen Lexikographie.“ Für die weitere Entwicklung Moss 2003, speziell für den französischen Raum S. 43–63.
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ren Supplementierung der Elegantiae in ganz Europa bemerkbar58. Die imitatio wurde durch den induktiv-empirischen Ansatz und der daraus resultierenden Regelerschließung erstmalig methodisch abgesichert, systematisiert und folglich verwissenschaftlicht. Der usus loquendi, der zwar schon vor der Veröffentlichung von Vallas linguistischer Schrift als noch unreflektierter Leitbegriff in der humanistischen Stilgenese fungierte, erhielt nun einen neuen Stellenwert59. Über einzelne Aspekte der elegantia-Konzepte und ihrer Implikationen wird im Rahmen der Streitanalyse ausführlicher einzugehen sein.
2.1.2 Die invektive Stilkritik Bracciolinis hauptsächlicher Einspruch gegenüber Vallas Elegantiae betrifft seinen methodischen Umgang mit den antiken Bezugsgrößen, den er als Autoritätskritik (reprehensio) prinzipiell zurückweist. In Vallas semiotischer Rekonfiguration der lateinischen Sprache will er ein auf Herabsetzung ausgelegtes System erkennen, das er ironisch als doctrina, nova ars dicendi, facultas (dicendi) und mos novus dicendi denotiert, d. h. Lehren, Ausdrucksweisen oder gar eine Sprache, die im strengen Gegensatz zur wahren Latinität der antiken Referenzgrößen stehen. Mit der Akzentuierung der Neuartigkeit möchte er zeigen, dass Vallas elegantia-Konzept keine Restauration, sondern eine Neuschöpfung darstellt, die durch gezielte Dekonstruktion der bisherigen Wissensträger erfolgt60. Valla sei ein Mensch, der [...] all jene ehrwürdigen, höchst gelehrten Männer, deren Andenken zu allen Zeiten mit größter Anerkennung verehrt wurde, mit einer solch wilden, grausamen Unverschämtheit verschmäht,
Vgl. Moss 2003, S. 42 ff.; Donald Kelley spricht in Hinblick auf Vallas Methodik von einer „praxeologischen“ Hinwendung, die sich insbesondere auch in der Historiographie im 16. Jahrhundert widerspiegelt, Kelley 1970a, S. 45 f.; jüngst auch zur Diffusion der Elegantiae und ihrer Rezeption Abbamonte 2019, bes. S. 36–44. Bis ins 18. Jahrhundert wurde das Werk im Lateinunterricht verwendet und seit seiner Veröffentlichung 1449 mit zahlreichen Kommentaren, Supplementen und Erweiterungen als Referenzwerk herangezogen und vervielfertigt. Karl-Otto Apel meint, dass der „lateinische Sprachformalismus“ mit den Elegantiae seinen Höhepunkt erreicht habe, wobei er allerdings den späteren und restriktiveren Ciceronianismus ignoriert. Vgl. Apel 1980, S. 183. Die Elegantiae waren für die Entwicklung der Klassischen Philologie als Disziplin von immenser Bedeutung. Siehe auch das Fazit von Abbamonte 2012, S. 59: „Le importanti novità che Valla aveva introdotto nell’esame del latino, come la precedenza data all’usus sulla norma e l’atteggiamento non ossequente nei confronti dei grammatici antichi, furono colte in tutta la loro portata rivoluzionaria dal suo amico Tortelli, il quale si preoccupò di trasmettere l’eredità delle opere e delle dottrine valliane agli umanisti della generazione successiva.“ Beispielhaft der Vorwurf gegenüber Laktanz, Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 198: Quis hunc bipedalem non rideat asellum, qui etiam Lactantium corrigat? Vnde huic stulto tanta doctrina, tam noua dicendi ars, tam exquisita facultas innata est, ut nouum dicendi morem aliis incognitum introducat? Nesciuit Lactantius latinam linguam et ei Laurentio Valla opus fuit emendatore. Dazu die Antwort Valla 1978, Antidotum primum 2, 144, S. 160 f.
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kritisiert, beschuldigt und ablehnt, gleichsam als ob er das Rad der Fortuna in seinen Händen hält, dreht er alles auf und nieder wie er mag und macht alles seinem Willen gefügig61.
Er verstoße Poggio zufolge gegen den konventionellen Umgang mit Autoritäten, die „in allen Zeiten“ verehrt worden seien, d. h. er missachte die opinio communis der überzeitlichen Gelehrtenwelt. Seine „wilde, grausame Unverschämtheit“ lokalisiert er in seinem studium bzw. seiner libido detrahendi, die sein Nachahmungsverfahren prägen: Valla rüge in der Grammatik das Dreigestirn Priscianus, Donatus und Servius sowie Pompeius Festus, Nonius Marcellus und „selbst Marcus Varro“; in der Dialektik und Philosophie sollen sich Aristoteles und Boethius in vielen Dingen geirrt haben. Titus Livius62, Sallust, Laktanz und viele andere „hervorragende Autoren“ hätten Valla zufolge keinen „eleganten“ Stil besessen und an vielen Stellen die „Bedeutung der Worte“ nicht richtig erfasst. Des Weiteren behaupte er, dass die „altehrwürdigen Rechtsgelehrten“ oftmals die lateinische Semantik nicht beherrscht haben. Cicero, den „Lehrer der Rhetorik und der Redekunst“ (praeceptor eloquentiae et artis dicendi), stelle er als unwissend dar; mit Ausnahme Quintilians, der jedoch selbst ein Anhänger Ciceros gewesen sei, lehne Valla alle anderen Gelehrten ab, womit Poggio sowohl auf die erste Schrift seines Gegenspielers, die als polemisch wahrgenommene Comparatio Ciceronis Quintilianique, als auch auf seine in seinem gesamten Œuvre verteilten positiven Bemerkungen zum römischen rhetor anspielt63. Der unverhohlene Widerspruch
Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 189: [...] omnes priscos illos doctissimos uiros, quorum memoria omnibus seculis summa laudis celebratione uenerata est, fera quadam immani proteruitate contemnit, reprehendit, culpat, aspernatur, tanquam fortunae rotam in manu tenens sursum deorsum uoluit et uersat omnia et ad suum arbitrium trahit. Bracciolini kritisiert Vallas Liviusemendationen einschließlich der chronologischen Korrektur des römischen Historikers sowie sein König Alfons V. gewidmetes Geschichtswerk, bei dem es sich um eine Biographie des Vaters König Ferdinands I. des Gerechten von Antequera (1380–1416) handelt. Beide Kritikpunkte sind dem neapolitanischen Konflikt zwischen Valla und Bartholomeo Facio entnommen und dienen allein als weiterer Beleg für Vallas vermeintlich respektlosen Umgang mit den lateinischen Schriftstellern. Der Rekurs wird noch unten aus sozialkonstruktiver Sicht näher zu beurteilen sein. An dieser Stelle genügt der Hinweis, dass Bracciolini die wesentlichen Streitpunkte, die mutmaßlich „barbarische“, ahistorische und unwürdige Ausdrucksweise der Historia Ferdinandis regis, die umfassenden Emendationen von Liviusʼ Ab urbe condita und die inhaltliche Kritik anführt und ebenso der Autoritätskritik als solche zuordnet. Vgl. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 212: Miror cur non addideris ad iactantiae tuae cumulum, te Titum Liuium (ut in te gloriari soles) emendasse, ut alii rectius sentiunt corrupisse. Esset longior futura oratio si omnes locos recensere uelim, in quibus illum historiae parentem emendare uolens, sacrilega manu uerum sensum peruertisti. Ebd., S. 223: Multi enim super his redarguendis libri essent conficiendi. Bartholomaeus Fatius eos solos comprehendens, quos in historia illa tua praeclara de gestis regis Ar[a]gonum a te aedita et in Bibliothecam posita, quam tamen iam uermes et mures ob eius celebritatem corroserunt, in testimonium ignorantiae aedisti, magnum uolumen contexuit. Vgl. zum Streit um Vallas historia insbesondere Worstbrock 2004, Baker 2016 und Abbamonte 2021. Zur Comparatio und ihre unmittelbare Rezeption siehe oben, Kap. 1.1.1.; zum Status von Quintilian in der Renaissance vgl. Monfasani 1992a, Robert 2011 und Cox 2021. Mit Sicherheit orientierte sich
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seines Kontrahenten richte sich ebenso gegen die Kirchenväter Hieronymus hinsichtlich seiner vermeintlich fehlerhaften Bibelübersetzung sowie gegen Augustinus, der falsche Vorstellungen der Prädestinationslehre, der Dreieinigkeit und der göttlichen Vorsehung, d. h. der dogmatischen Grundprinzipien des Christentums, geäußert habe64. Geringfügig modifizierte Benennungen dieser Autoren erfolgen in allen orationes und bilden den Hauptvorwurf, der alle weiteren Kritikpunkte an Vallas Werk und Leben bedingt65. Die hier angeführten Schriftsteller nennt Poggio mit den positiv konnotierten Epitheta egregius, doctissimus, priscus und die christlichen Autoren mit dem konventionellen beatus, die den übergeordneten und zeitlosen Rang sowie die Autorität der jeweiligen Autoren zum Ausdruck bringt. Variationen dieses Autoren- und Fächerkanons dienen augenscheinlich dazu, Vallas mutmaßliche Ablehnung des Altertums in seiner Gesamtheit kumulierend zu demonstrieren und den Vorwurf der Autoritätskritik bei den Lesern permanent ins Gedächtnis zu rufen; ferner evoziert die listenartige Nen-
Bracciolini an Vallas Brief an Giovanni Tortelli (Valla 1984, Epistole, Ep. 17, S. 214–217), in dem ersterer sich für seine Autoritätskritik rühmt. Der Brief wird in Kapitel 2.3.1.1. noch näher untersucht werden. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 189: Vt uero a grammaticis incipiam: Priscianum in primis, Donatum, Seruium, Pompeium Festum, Nonium Marcellum, ipsum denique Marcum Varronem in grammaticis arguit. In dialecticis ac philosophia Aristotelem ac Boetium multis in locis errasse affirmat. Ciceronem ut eloquentiae et praeceptorem artis dicendi inscium praedicat. Titum Liuium, Salustium, Lactantium, caeterosque egregios latinae linguae autores neque elegantes fuisse et plurimis in locis sensa uerborum non recte posuisse testatur. Priscos iurisconsultos plurimum uerborum significationem ingnorasse affirmat. Omnes damnat praeter unum Quintilianum, quem doctissimum omnium qui unquam fuerunt et ipsi Ciceroni in eloquendi arte praefert, homo fanaticus asseruerat. Non legit opinior Quintilianum scribentem diuino quodam nomine Ciceronem natum, ut esset in quo uires suas omni ex parte eloquentia experiretur. Non legit, non Quintilianum, sed Ciceronem a beato Hieronymo aurum flumen eloquentiae appellari. Quanquam et Hieronymum improbat, asserens multa ab eo perperam in sacra scriptura esse in latinum traducta. Et beatum Augustinum (tanta est hominis uel beluae potius stulticia) de fato, de trinitate et diuina prouidentia non recte sensisse fatetur. Omnesque tam gentiles, quam Christianos uiros in omni doctrinarum genere praestantes sub una eademque inscitiae nebula comprehendit. Den mutmaßlichen Nachweis, dass Valla in diesen drei Aspekten Augustinus widerspreche, erbringt Poggio erst, wie er am Ende der ersten Rede ankündigt, in seiner oratio secunda. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 205: Describetur uita, omnis haeresis patefiet. [...] Ostendet quomodo Boetium de Trinitate, quomodo Augustinum de Fato, de diuina prouidentia belua improuida reprehendat. Dazu unten, Kapitel 2.3.3. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 193 f.: Nam ut a leuioribus ordior: Priscianum, Donatum, Seruium, Pompeium Festum, Nonium Marcellum, Aulum Gellium, ipsum Marcum Varronem latinae linguae principem in grammaticis probro insectatur et infinitis fere in rebus sua furibunda praesumptione innixus redarguit. Aristotelis, Boetii, Augustini, Hieronymi, Lactantii inscitiam fastidit. Ciceroni se praefert in elegantia. Salustii uerba ut non latine posita immutat. [...] Am Schluss der argumentatio, S. 201: Non fuit ei satis linguae latinae Autores, Oratores, Historicos, Theologos, Iurisconsultos falsis maledictis lacessere, addidit philosophos. [...] Quantum errent philosophi nostri quorum est Albertus, cum de comparatione Dialecticae et Rhetoricae disputant, huius uerbi significationem nescientes, quisquis illos legerit intelliget. Primo Boetium (quem Albertus philosophum Latinum appellat) tum ipsum Albertum redarguit homo accutissimi ingenii, qui plus somniando didicerit quam reliqui legendo, hic solum se uerborum conscium interpretem somniat, cum ipse in multis aberret.
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nung der antiken Bezugsgrößen die im Humanismus üblichen pädagogischen Zusammenstellungen, was Vallas vermeintliche Gegnerschaft gegenüber dem Altertum, aber auch gegenüber der humanistischen Gelehrtengemeinschaft illustrieren sollte. Die scheinbare Ablehnung der für die Nachahmung notwendigen Kategorie auctoritas musste folglich als Fehlschlag des literarischen Nachahmungsverfahrens, d. h. als Bruch mit der humanistischen Orthodoxie wahrgenommen werden66. Die Autoritätskritik exemplifiziert Bracciolini zunächst anhand der Zurückweisung seiner Briefbandkorrekturen, die er als Ausgangspunkt seiner invektiven Reaktion zeichnet. Er gibt die Emendationen wieder und lizenziert über konkrete Belegstellen aus den antiken Wissensträgern seine lateinische Ausdrucksweise. Prinzipiell lässt er die jeweiligen Beanstandungen als mutmaßliche Unkenntnis der zitierten Vorlagen und als bewusste Verletzung der von den antiken Bezugsgrößen gesetzten sprachlichen Normen erscheinen. Drei Beispiele sollen diese Argumentationsweise verdeutlichen: So setzt Bracciolini die Nomina volumen und codex gleich und versteht unter dem Begriff einen Band, der in verschiedene Bücher (libri) aufgeteilt werden kann, was jedoch in einem seiner Briefe zu volumina korrigiert wird. Bei der von Valla beanstandeten semantischen Unterscheidung zwischen den Präpositionen apud und coram verweist Poggio auf Livius und Vergil und konkludiert, dass Valla keinen der beiden auctores gelesen habe – aufgrund seiner „Herabsetzungsbegierde“ habe er ohne saubere Überprüfung gearbeitet, weshalb er „straucheln würde, wo sogar Kinder feststehen.“67 Ferner behaupte Valla, dass das Verb recolo nicht existiere. Hier weiß Bracciolini sogar drei Belege zu erbringen, jeweils einen Nachweis von Ovid und Cicero sowie aus der als
Prominent noch einmal in Poggios fünfter oratio, Bracciolini 2006, Invectiva quinta, S. 118 ff.: [...] qui [scil. Valla] quotidie et quidem publice Ciceronem in Rhetoricae praeceptis redarguat, eloquentiam increpet, in arte oratoria culpet, qui Aristotelem et caeteros graecos, e nostris Albertum Magnum et Thomam Aquinatem ut ignaros philosophiae reprehendat, qui beatum Hieronymum et Augustinum, duo fidei nostrae luminaria, male de doctrina Christiana sensisse suis prophanissimis uocibus et scriptis dictitet, qui omnes historicos, poetas, grammaticos insectetur [...]. Ebd., S. 122: [...] qui Aristotelem in philosophia, Ciceronem in arte oratoria reprehendat. [...] quis umquam stultus tam fuit, in amentiam profusus ac perditus, qui Aristotelem praeter Vallam in philosophia reprobaret? Quis unquam praeter Valleam stultitiam Ciceronem in dicendi copia et elegantia culpauit? Solus Valla [...], singulis ferme diebus Vergilii carmina et Ciceronis dicta reprehendit, alterius ut parum diligentis poetae, alterius ut parum compti oratoris et parum in artis Rhetoricae praeceptis instituti. Neben Glossatoren des 13. und 14. Jahrhunderts fügt Poggio vor allem Albertus Magnus und Thomas von Aquin als einzige mittelalterliche Autoren hinzu und ordnet sie in die Reihe „unserer“ Philosophen (nostri philosophi) ein. Diesen misst er folglich einen Sonderstatus bei. Poggio greift bei der bloßen Aufzählung auf einen humanistischen Topos zurück, der die Auflistung vorbildhafter antiker Autoren beinhaltet. Er nutzt diesen ex negativo, um Valla als Gegner prominenter Vertreter des humanistischen Kanons erscheinen zu lassen. Vgl. zu den Listen vorbildhafter Autoren v. a. Vollmann/Čizmić 2003 und zur imitatio auctorum ferner De Rentiis 1996, S. 137–148. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 191: Sed haec belua fanatico spiritu ducta, cui sola detrahendi facultas est nota, impetu quodam uesano fertur in praeceps et prae libidine detrahendi labitur, ubi etiam pueri consistere solent.
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officia divina bezeichneten liturgischen Formel68. Entsprechend vermag er Valla nicht allein der Inkompetenz bezüglich philologischer Untersuchungen, sondern ebenso der Ablehnung christlicher Schriften zu belasten69. Die Besprechung der sechzehn Korrekturen gewährt einen einzigartigen Einblick in Bracciolinis imitativen Kompositionsvorgang, der seinen stilistischen Synkretismus offenbart. Die Rechtfertigung seiner Wortwahl lehnt er oberflächlich an Vallas Prinzip der empirischen Herleitung verschiedener Autoren an; er differenziert jedoch nicht zwischen Prosa und Vers, den historischen Sprachentwicklungen oder den semantischen Kontexten der jeweiligen Fundorte. Der Verweis auf einen „mittelalterlichen“, d. h. explizit nachklassischen Text, wie im vorherigen Beispiel, bleibt jedoch singulär. Fünfzehn der hier von Bracciolini angefochtenen Kritikpunkte diskutiert Valla ausführlich in seinen Elegantiae, während er die Unterscheidung zwischen den Präpositionen coram und apud erstmals in seinem Antidotum in Facium adressiert70. Wenngleich Valla mehrfach auf den Umstand hinweist, dass die Korrekturen nicht von ihm, sondern von seinem katalanischen Schüler Francesco Rosio stammen, übernimmt er dessen Verteidigung und unterzieht die Anmerkungen einer kritischen Überprüfung, die er mit Verweisen auf die entsprechenden Kapitel der Elegantiae mit einigen Ausnahmen bestätigt oder zu erklären versucht. Bei der Frage nach Bracciolinis Gebrauch des Nomens urbs vermag Valla die Kritik seines Schülers beispielsweise nicht zu erklären; er unterstreicht augenscheinlich seinen Widerspruch gegenüber Rosio, was die grundsätzlich sachliche Herangehensweise an Poggios lateinischen Stil belegt71. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 192: Cum scripsissem ʻnon recoloʼ, id uerbum non inueniri nouellus sphinx protulit. At Ouidius (nescio an Valla doctior) haec tua iam «recolo quondam germana canebat» [Ov. Epist. (her.) 5, 113]. Item Cicero in prooemio oratoris: «Internasque recolendas artes» scribit [Cic. de orat. 1, 2], quod uerbum a recolo proficisci necesse est. In officiis quoque diuinis ‚recolimus‘ scriptum legimus, ut illud est: «ut dum eorum merita recolimus». Bei dem Zitat ut dum eorum merita recolimus handelt es sich um eine liturgische Formel, womit Poggio ostentativ von der antiken Ausdrucksweise abrückt und mit einer mittelalterlichen Autorität seinen lateinischen Stil zu rechtfertigen versucht. Über die mittellateinischen Tendenzen in Poggios Stil vgl. Kajanto 1987, S. 21–27. Im Anschluss bringt er dies auch expressis verbis zum Ausdruck und stigmatisiert ihn als „Häretiker“ und als „Feind aller Religion“: Sed non mirum hominem haereticum, omnis hostem religionis prophanum non reminisci eius uerbi quod uel non audit, uel non libenter intelligit Vgl. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 192. Vgl. zur Anspielung bzgl. hostis omnium religionis Cic. dom. 54, 139. Zu dieser imitativen Strategie ausführlich Kapitel 3. Vgl. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 191. Für die Unterscheidung zwischen coram und apud vgl. Valla 1981, Antidotum in Facium 2, 1,11, S. 124. Dort stellt Valla eine Regel im Zuge der Korrektur von der gegen ihn gerichteten Invektive Facios auf. Bei der Frage, ob Rom als urbs oder civitas bezeichnet werden sollte, legitimiert Poggio seinen Gebrauch mit einem etymologischen Schluss. In einem seiner Briefe sprach Poggio von urbis omnium celeberrimae, während Valla für ciuitas plädiert haben soll. Nach Belegen bei Vergil und Sallust, die er nicht namentlich nennt, begründet Poggio anschließend seine Wortwahl mit der vermeintlich etymologischen Herkunft des Nomens urbs, das, dem ebenfalls nicht benannten Grammatiker Servius in seinem Aeneis-Kommentar zufolge, von dem Wort orbis abstamme und den Mauerring von befestigten Städten denotiere. Poggio argumentiert folglich mit den Primärquellen der antiken auctores sowie
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Bei den oben genannten Beispielen in Bezug auf das Verb recolere, das Nomen volumen und die Differenzierung zwischen den Präpositionen apud und coram kann Valla die elegantia als semantische Präzisierung des usus auctorum mit umfassenden exempla darlegen und Poggio implizit in die kritikwürdige Reihe der vom Sprachgebrauch der Altvorderen abweichenden scriptores setzen. recolere sei ihm zufolge im klassischen Gebrauch nicht mit der Bedeutung von recordari, d. h. im Sinne von „erinnern“ gleichzusetzen, sondern mit „überdenken“, „erneut ins Gedächtnis rufen“ oder „überlegen“, wofür gleichermaßen die Verben repetere, reputare und meditari eingesetzt werden können72. Bei den semantischen Nuancen von apud und coram vermag Valla anhand akribischer Kontextualisierungen einen Bedeutungsunterschied hinsichtlich der lokalen Bedingungen festlegen73. In Bezug auf das Nomen volumen versucht Valla zu argumentieren, dass der Begriff in einem bestimmten quantitativen Verhältnis zu den jeweils integrierten libri stehen muss74. Hierfür
den Sekundärtexten der spätantiken grammatici, um seinen lateinischen Stil zu legitimieren und vor Angriffen zu verteidigen. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 193: Scripsi ‚urbis omnium celeberrimaeʼ. At ille circulator disseminare uerba inter pueros solitus, ciuitatis ascripsit, tanquam male a me esset positum urbis nomen. [...] Non legit: «Vrbs antiqua fuit» et «Vrbem quam dicunt Romam» [Verg. Aen. 2, 363 u. Verg. Ecl. (bucol.) 1, 19]. Et item: «Vrbem Romam sicut ego accepi» [Sall. Cat. 6], multaque praeterea, ubi reperitur urbis, non ciuitatis nomen. Neque enim urbs et ciuitas idem sunt, cum ciuitas sit conuentus hominum in re et lege uiuentium, quae in syluis et sine moenibus esse potest. «‚Vrbs‘ uero ab orbe dicta muros», portas, turres et munimenta habet [Serv. Aen. (A.) 1, 12]. Dicimus praeterea urbem desertam ciuibus, non autem ciuitatem. Itaque urbis omnium celeberrimae, propter aedificiorum magnificentiam ac pulchritudinem recte assero a me scriptum, ab illo autem fanatico asinario male me esse reprehensum. Vgl. Serv. Aen. (A.) 1, 12: urbs antiqua fuit urbs dicta ab orbe, quod antiquae civitates in orbem fiebant; vel ab urvo, parte aratri, quo muri designabantur. Valla 1978, Antidotum primum 2, 73–75, S. 142, hier 75: Verum cur, inquies, ille reprehendit? Miror equidem, cum nulla reprehendendi causa subesse videatur. Quo minus verisimile est me peccasse in eo in quo etiam puerum peccasse miramur. Dicamus tamen eum forsitan putasse te dicere debuisse ‘civitatem’ potius quam ‘urbem’ suumque pro tuo errorem ostendisse. Valla 1978, Antidotum primum 2, 76–79, S. 142–143; Zu diesem Beispiel auch MCLAUGHLIN 1995, S. 133. Valla rügt an dieser Stelle auch seinen Rivalen Antonio Beccadelli und „viele andere“, die das Verb recolere im Sinne von recordari verwenden würden. Er wiederholt die Kritik im dritten Buch an weiteren Beispielen aus Poggios Briefen, siehe Antidotum primum 3, 39, S. 188 und 334, S. 240. Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 2, 91–96, S. 146–147. Um die Bedeutung und Verwendung von volumen wird in insgesamt vier Invektiven gerungen. Valla 1999 De linguae latinae elegantia 6, 43, S. 762–764: Si cui, Ulpianus inquit, centum libri sunt legati, centum volumina ei dabimus, non centum, quae quis ingenio suo metitus sit, quae ad libri scripturam sufficerent; ut puta quum haberet Homerum totum in uno volumine, non quadriginta octo libros computabimus. Sed hoc unum Homeri volumen pro libro accipiendum est. [Dig. 50, 16, 30, 2,1] Ulpianus Homeri opus nunc unum librum, nunc quadraginta et octo libros nominat. Nec tamen ait librum duo significare, ipsum opus, et certam operis partem. Praeterea opus sive opera Homeri librum appellat, et volumen, quorum utrumque inauditum est. Vergilii Aeneis, non liber est, sed duodecim libri. Georgica, non sunt item liber, sed libri quattuor. Bucolica unus liber est, idemque unum volumen. Georgica quattuor volumina; Aeneis, duodecim. Ovidius: Sunt quoque mututae, ter quinque volumina, formae [Ov. Trist. 3, 14, 19]. Valla 1978, Antidotum primum 2, 45–48, S. 136; Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 224: Instas quoque corrupter
2.1 Die imitatio zwischen Theorie und Praxis
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weiß er mitunter Plinius d. Jüngeren anzuführen, der davon berichtet, dass er die drei Bücher (libri) seines Onkels in sechs Bände (volumina) unterteilt habe. Entsprechend identifiziert er quantitative Differenzen und Einteilungseinheiten zwischen volumen und liber, wie er anhand der konventionellen Zählweise der Werke Homers und Vergils aufzeigt. Daher können ihm zufolge Poggios zehn Bücher seiner gesammelten Korrespondenz (decem libri) unmöglich einen einzigen Band (volumen) bilden. Grundsätzlich nutzt Valla die refutatio der Vorwürfe seines Gegners sowie die Korrekturen seines Schülers, um sein philologisches acumen umfassend darzulegen und die Regeln seiner Elegantiae, die er ausschnittsweise zitiert und erläutert, zur Schau zu stellen. Die Erschließung der philologischen Diskussion wird durch zwei Faktoren erschwert: Bracciolini gibt grundsätzlich die Kritikpunkte von Vallas Schüler Rosio wieder, bei denen es sich teilweise um sichtlich falsche Ableitungen der vallianischen Regeln handelt. Darüber hinaus missversteht Poggio mehrere Kapitel der Elegantiae und operiert in seinen Anklagen dementsprechend mit Fehlschlüssen und verzerrten bzw. unbelegten Beschuldigungen. So verwendet Poggio in seinen Briefen durchgängig das Adverb instar, um eine Ähnlichkeit (similitudo) zum Ausdruck zu bringen. Den Gebrauch lizenziert er mit Verweis auf Vergil, Aen. 2, 15 (instar montis equum) und dem dazugehörigen Kommentar Serviusʼ, dem Valla jedoch in den Elegantiae widerspricht und die Bedeutung von instar prinzipiell auf die Gleichwertigkeit (aequiperatio) und Größenverhältnisse (mensura) eingrenzt75. Bracciolini prangert die Valla zugeschriebene Verbesserung Rosios an, der anstelle von instar die Konstruktion ad siminoster in uoluminis errore inquiens, quomodo decem libros uolumen appellat? O belua insensata, cum scripsi eam epistolam uolumen illud erat, sicut et hodie est minime in libros distinctum. At postmodum cum plures aliae epistolae a me essent conscriptae, decem librorum codicem effeci, detractis multis epistolis quae in priori uolumine continebantur. Possem omnia quae a te obiiciuntur confutare facillime, si ocium esset in uerbulis commorandi. Sed eam curam relinquo doctioribus, qui rectius quam tu iudicabunt. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 229: Ego in superiore responsione ostendi: te in isto uocabulo ab adolescentulo [scil. Francesco Rosio], non a me, fuisse reprehensum. Negaui tamen decem libros posse dici volumen. Tu, quod ita sentiam, me beluam insensatam appellas? Velim scire, quid tu inuicem sentias belua sensata. Estne volumen opus decem siue plurimum librorum, an non? Si est, cur excusas tunc non fuisse distinctum uolumen in libros? Si non est, cur me arguis? Cur conuicio prosequeris, qui idem, quod tu, sentio? Adde, si illud, quod uolumen appellas, plura continebat opuscula, qua ratione non erat in libros distinctum, cum singula opuscula sint, aut plures aut singuli libri. Iterum ac saepius sensata te bestia interrogo, quis nam sensus est tuorum uerborum? Si uolumen illud necdum hodie distinctum est in libros, quo pacto ex eo postmodum effecisti codicem decem librorum? An aliquid est hodierno tempore posterius: Ergo mentiris non fuisse tunc decem libros, quos quia non audes ingenue volumen appellare, palam est te male, sicut aliis mille in locis, plures libros hoc nomine apellasse. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 192: ‚Instar eorum dixi qui neque uirtutem esse‘ et reliqua. Hic hallucinator soloecismum dicit esse et ‚similitudinem‘ loco ‚instar‘ subdidit. O impudentem ceruicem garrulatoris insani. Instar montis equum [Verg. Aen. 2, 15] in Vergilio legimus, quod similitudinem significare et Seruius [ad loc.] et Donatus et caeteri gram[m]atici testantur. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 6, 18, S. 712–714, hier S. 712: instar potius significat ad aequiparationem, vel ad mensuram [...]. Er gibt jedoch selbst zu, dass in gewissen Kontexten das Adverb instar auch Ähnlichkeiten signifizieren kann. Seine Antwort auf Poggio findet sich in Valla 1978, Antidotum primum 1, 77–86, S. 100–102.
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litudinem einzusetzen vorschlug. Valla distanzierte sich an mehreren Stellen explizit von den Anmerkungen seines Schülers, die er als fehlerhafte Deutung zurückwies und zu korrigieren versuchte76. Im Hinblick auf seinen mutmaßlich fehlerhaften Gebrauch des Adverbs quantocius verknüpfte Poggio die an ihm geübte Kritik mit dem bereits oben besprochenen Kapitel zur korrekten Anwendung von per und quam, um eines der umfangreichsten Kapitel der Elegantiae als fehlerhaft entlarven zu können. Er wirft seinem Widersacher vor, dass quantocius sich nicht aus quam und ocius zusammensetze, was Valla jedoch in dem besagten Kapitel an keiner Stelle behauptet. Im Anschluss beschäftigt sich Poggio mit den einzelnen Anwendungen von quam in Verbindung mit dem Positiv respektive Superlativ und bespricht äußerst irrführend die jeweiligen Regelfälle. Die falsche Wiedergabe ermöglichte es Valla, Poggio fehlende Lesekompetenz und linguistische Ahnungslosigkeit vorwerfen zu können, was er geflissentlich auszunutzen wusste77. Bei den beiden Beispielen handelt es sich um Strohmann-Trugschlüsse78, die in diesen konkreten Fällen durch offensichtliche Missverständnisse und falsche Zuordnungen entstanden sind. Auch hinsichtlich der Bedeutungsbestimmung der beiden Adjektive preclarus und bonus, die Valla als synonym einstuft, zeigen sich Verständnisprobleme seitens Poggios. Anhand des Ausrufes aus Ciceros Philippica (3, 11, 27) O praeclarum custodem ovium, ut aiunt, lupum! erklärt Valla, dass „nicht die Helligkeit (claritas) im Wächter gewünscht wird, sondern die Rechtschaffenheit (probitas)“, weshalb praeclarus auch die Bedeutung von bonus zugewiesen werden könne79. Bracciolini hält diese Schlussfolgerung für falsch, Siehe unter anderem seinen Distanzierungsversuch im zweiten Antidotum, Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 328: Ego probaui illas notationes tuarum epistolarum in multis non magis contra tuas epistolas esse, quam contra Elegantias meas, in quibus, ut ipse legisti, diuersa tradideram. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 193: Dixi aliquando ‚quantocius‘. Ille id culpat, asserens ‚quam‘ nunquam nisi cum superlatiuo coniungi, qua in re summa eius ignorantia deprehenditur. At id uerbum ex ‚quanto‘ et ‚ocius‘ est compositum. Itaque non ex ‚quam‘ et ‚tocius‘, quod nil significat, [...] iungitur. Sed fac quam iunctum esse, nunquid non et Cicero «quam primum ad nos recurras» [Cic. Ep. ad fam. 7, 7] ad arbitrium scribit et ‚quantopere‘, ‚quam prudentis‘, ‚quam multi officii‘, ‚quam singulari officio‘, non iungens quam superlatiuo ut somniat Valla. Et Terentius «flens» ait, «reiecit se in eum quam familiariter» [Ter. Andr. 5, 135–137]. Et «quam pulchre adueniens principium dedit» [Ter. Eun. 457–458]. Sed hic demens etiam Terentium male scripsisse arguit [...]. Bracciolini versucht offenbar vor allem seine etymologischen Kenntnisse zur Schau zu stellen. Vgl. dazu Harth 1984, S. CXVIff.; Walser 1914, S. 261, Apel 1980, S. 179 und Marsh 1984, S. 96 f. Siehe Vallas Replik, 1978, Antidotum primum 2, 63–69, S. 140– 141, hier bes. die spöttische Bemerkung zu Beginn seiner Richtigstellung, S. 140: Profecto aut ipse singulari sum preditus ingenii celeritate aut, quod multo magis reor, Pogius singulari ingenii tarditate, ni forte livor, malivolentia, morum perversitas oculos eius premit atque prestringit, ut in meridiana luce non videat. [...] O Pogi [...] non est mirum si adolescentes te reprehendunt, centum annorum puerum! Strohmann-Trugschlüsse bezeichnen manipulierte Argumente des Gegners, die gegen diesen vorgebracht und im Anschluss widerlegt werden. Diese Argumentationsform entsteht entweder durch eine Fehlinterpretation oder bewusste Verkürzung, Entkontextualisierung bzw. Fälschung und kann dem informellen Fehlschluss zugeordnet werden. Die Grenzziehung zwischen einer Fehlinterpretation und einer intendierten falschen Wiedergabe ist äußerst schwierig und nicht immer zweifelsfrei zu belegen. Vgl. zu dieser Argumentationsform bes. Macagno/Walton 2018, S. 1–33. Vgl. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 4, 91, S. 520–522.
2.1 Die imitatio zwischen Theorie und Praxis
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weil Cicero die Aussage gegenüber Marcus Antonius ironisch gemeint habe, was jedoch, wie der Autor der Elegantiae richtig stellt, keinen Einfluss auf die Semantik der jeweilig verwendeten Einzelworte hat 80. Aus der Argumentation Poggios lässt sich nicht eindeutig erschließen, wo sein Verständnisproblem lag 81. Offenkundig versuchte er seinem Gegenspieler eine Fehldeutung der ciceronianischen Reden nachzuweisen. Derartige Trugschlüsse könnten sich aus dem Umstand ergeben haben, dass Poggio nur eingeschränkten Einblick in die Elegantiae erhielt und möglicherweise aus dem Gedächtnis zitieren musste. Bei anderen Strohmann-Argumenten handelte sich hingegen um bewusste Verkürzungen der jeweiligen Stellen, wie noch unten ausführlicher diskutiert wird. Valla fügte dem dritten Buch seines ersten Antidotum eine eigenständige Stilkritik an Braccciolinis Briefen mit dreihundert Auszügen an, um die von seinem einstigen Schüler vorgenommene, jedoch tendenziell unzureichende und bisweilen auch fehlerhafte Analyse zu vollenden und seine als Korrektiv ausgerichtete elegantia-Konzeption in praxi vorzustellen. Punktuell korrigierte er auch in Form einer philologischen vituperatio die jeweiligen Invektiven seines Gegners82. Während Valla in den ersten zwei Büchern noch zusätzliche Verweise auf die antiken Quellentexte angibt, zieht er im dritten Buch hauptsächlich sein eigenes Werk als Referenzgröße heran. So kritisiert er dort beispielsweise aus semantischen Gründen Poggios Gebrauch des Adverbs communiter, wofür er das Adverb fere hätte verwenden müssen, was er „in seinen Elegantiae“ bespreche83. Ähnliche Formulierungen, die sein Werk als autoritatives
Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 201: Verbum ‚praeclarum‘ ‚bonum‘ quandoque significare dicit. Affert testem Ciceronem, quem minime intelligit. «O praeclarum custodem ouium, lupum». «Non claritas in custode» ait, «desideratur, sed probitas». Ergo ‚praeclarum‘ pro ‚bono‘ posuit. O praeclaram crassamque dementiam. Et iam pueris hoc patet, praeclarum per ironiam dictum, cum contra Marcum Antonium loqueretur, at id ignorantiae magister in laudem dictum putat. Dazu Valla 1978, Antidotum primum 2, 205–208, S. 177–178, hier S. 177: Nunquid verba per ironiam dicta non idem quod sine ironia significant? [...] Vides, ut ironia nihil immutat? Eventuell könnten derartige Verständnisschwierigkeiten auch mit Poggios Augenproblemen zu tun gehabt haben, die ihn seit den 1430ern plagten und seine Lese- und Schreibfähigkeiten ohnehin erschwert haben. Vgl. zu den Augenproblemen Canfora 2007, S. 58. Marsh 1979, S. 108, nennt Vallas Analyse von Poggios Briefen „[...] the first historical analysis of humanist Latin.“ Dazu auch bes. Henderson 2001, S. 258 f. und weiterführend Henderson 2002, S. 31 f. zu der Diffussion von Vallas Elegantiae und seinen Briefkorrekturen des Antidotum primum. Henderson zieht in Betracht, dass die Briefkorrekturen einen nachhaltigen Einfluss auf Vallas Schüler Niccolò Perotti ausgeübt haben, der in seinen Rudimenta Grammatices von 1468 ein eigenes Kapitel zur Epistolographie einfügte – Perottis Grammatikwerk wurde mit Vallas Elegantiae ab den 1470ern vermehrt zusammen verbreitet. Vgl. ebd., S. 31. Zu Perottis Rudimenta Grammatices auch u. a. Worstbrock 2001 und Stok 2004. Valla 1978, Antidotum primum 3, 19, S. 186: Ex libro primo: «Post verba que primo congressu communiter haberi solent.» ‘Communiter’ accipis more barbare loquentium pro ‘fere’, de quo dixi in Elegantiis. Nam ‘communiter’ est ‘pariter omnes’ ut: ‘communiter in hanc rem concurrerunt’. Der besagte Brief ist Poggio 1984, Lettere 2, Ep. 5, S. 14–19, hier S. 14: Cum visitassem pridie abbatem monasterii Rosacensis,
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Lehrbuch ausweisen sollen, finden sich oftmals als Abschlussbemerkung in den jeweiligen Korrekturen in allen drei libri, primär im dritten Buch84. Er zieht die Elegantiae allein im dritten Buch des ersten Antidots explizit fünfundvierzig Mal heran und verwendet die von ihm aufgestellten Regeln apodiktisch, was sich an der Ahndung der von ihm identifizierten Abweichungen sichtbar machen lässt. In schmähender Weise fragt Valla Bracciolini ebenso rhetorisch, ob er einsehe, dass seine Elegantiae über ihn triumphieren würden85. Die akribischen Briefkorrekturen stellen eine philologische Tour de force dar, mit denen Valla seine linguistische Überlegenheit demonstrieren konnte. Er dreht den Vorwurf seines Gegners um und tadelt ihn dafür, die auctoritas des antiken Sprachgebrauchs in seinem Ausdrucksvermögen grundsätzlich zu missachten86. Derartige polemische und sowohl zur Diffamierung als auch zur Entwertung des poggianischen Beitrages verwendeten Bemerkungen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Valla die Schriften seines Gegners tatsächlich als literarische Beiträge ernst genommen hat. Trotz beleidigender Einschübe übt er durchgehend eine sachorientierte Stilkritik, wie seine differenzierten Kommentare zu Poggios zweiter Briefsammlung deutlich machen. Dies lässt sich exemplarisch an dem poggianischen Satz A te avellatur funditus, postmodum vero neminem de tuis vidi quin de te rogem zeigen: Valla beanstandet hier die Formulierung quin de te rogem und schlägt stattdessen die Tilgung der Präpositionalobjektkonstruktion einschließlich der Subjunktion quin vor, wofür stattdessen die kürzere Formulierung mit Einsetzung des direkten Objekts quem non rogem bzw. quem non rogarim verwendet werden sollte. Bei dem Adverb funditus empfiehlt er hingegen die Alternative radicitus, ohne jedoch ers-
qui hac iter fecit iturus pro legato in Picenum, post verba, que primo congressu communiter haberi solent [...]. Derartige Formulierungen sind u. a. ut in Elegantiis, que in Elegantiis traditur differentia, ut dixi bzw. tradidi oder sogar mit Betonung seiner Lehre docui in Elegantiis bzw. einfach ut docui. Des Weiteren ermahnt er Poggio mehrfach dazu, seine Elegantiae nicht herabzusetzen, sondern sie stattdessen als Vorbild zu verwenden: [...] et tamen Elegantiis meis detrahis, ubi differentiam [scil. inter ‚veluti‘ et ‚sicuti‘] hanc doceri potes; [q]uot res in Elegantiis meis didicit nunquam sibi auditas, et tamen eas carpit! und [q]ue quid differant [scil. die Unterschiede zwischen quippe und quidem sowie congratulandum und gaudendum] Elegantie mee te docebunt, Elegantiae docent oder die Aufforderung, sie prinzipiell in seiner Ausdrucksweise zu berücksichtigen: Lege Elegantias meas [...] quia legisti, iam imitare [...] Die jeweiligen Belege sind Valla 1978, Antidotum primum 1, 76, S. 100; 3, 19, 20, 29, S. 186 u. a.; 3, 139, S. 204; 3, 292, S. 323; 3, 183 u. 191, S. 212. Einmal verweist er auch auf seine dialektischen Untersuchungen: Valla 1978, Antidotum primum 3, 67, S. 192: [...] que in Dialecticis disputavi [...]. Zu diesem Beispiel vgl. die jeweiligen Stellen in Valla 1982, Repastinatio dialectice et philosophie 2, 5–10, bes. 9, 1–2. Ebenso Valla 1999, De linguae latinae elegantia 3, 16, S. 322–235 und 63, S. 382–383. Valla 1978, Antidotum primum 3, 305, S. 234: Vides, Pogi, ut de te mee triumphant Elegantiae? Das Verb triumphare soll auf den von Poggio am Ende seiner oratio prima beschriebenen Triumphzug anspielen. Dazu auch im prooemium des dritten Buches 3, 1–19, S. 182–186. Zu den hier applizierten militärischen Wortfeldern und der diskursiven Figuration ausführlich unten, Kap. 3.2.2. Exemplarisch Valla 1978, Antidotum primum 3, 104, S. 198: In litteris quas ad exemplum imitari volentibus referendas in libros censuisti, utrum Ciceronem an vulgus imitaris [...]?
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teres, wie er hervorhebt, zu bemängeln87. In Vallas Anmerkungen finden sich neben grammatischen, syntaktischen, phraseologischen und stilistischen Einwänden auch orthographische Korrekturen sowie Entfernungen von vermeintlichen Redundanzen, die er ganz im Sinne seines sprachlichen Leitprinzips der elegantia auf die wesentlichen Aussagen reduziert88. Poggios Latein bewertet er als unklassisch, schmähend als „barbarisch“ und von einer volkssprachlichen und nachklassischen Lexik durchdrungen89. Ferner arbeite er die Sprechweise der „Ungelehrten“ (indocti) ein, mit denen er den Stil der kontemporären Juristen und Philosophen meint90. Die Korrekturen setzen einen Maßstab voraus, den Valla über seine elegantia-Konzeption zu etablieren versuchte. Der Restriktionsgrad lässt sich an Formulierungen aufzeigen, für die geeignete Präzedenzen bei klassischen Autoren vorliegen und daher keine Neuschöpfungen benötigen. Beispielsweise kritisiert Valla Poggios Satz Pridem habui litteras a te ex Chio duplicatas; antea habueram alias, quibus respondi. Neben einer allgemeinen Bemerkung, dass Poggio zwischen den Adverbien pridem, iam pridem, nuper, dudum und iamdudum semantisch nicht unterscheiden würde, empfiehlt er stattdessen „nach Sitte der Altvorderen“ nuper accepi litteras oder Proxime accepi abs te litteras zu schreiben, da Bracciolinis Ausdruck durch keinen antiken Autor belegt sei91. Mehrfach
Valla 1978, Antidotum primum 3, 309, S. 236: «A te avellatur funditus. Postmodum vero neminem de tuis vidi quin de te rogem.» ‘Quem non rogem’ dicendum fuit vel potius ‘quem non rogarim’. Si enim diceres ‘neminem de tuis video’, dicendum foret ‘quem non rogem’. Illud non reprehendo ‘funditus’, sed ego dixissem ‘radicitus’. Der besagte Brief ist Bracciolini 1984, Lettere 2, Ep. 9, 22, S. 386–388, hier S. 386. Korrekturen von Poggios Invektive finden sich vereinzelt auch innerhalb der ersten beiden Bücher des Antidotum, die je nach Kritik auch im dritten Buch in anderen Kontexten aufgegriffen werden. Beispielsweise bemängelt Valla bei Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 198, die Formulierung fugitivus servus, da ein fugitivus zwangsläufig ein servus sein müsse und so ein unnötiger Pleonasmus entstehe (mit erklärendem Verweis auf Quint. inst. 7, 4, 14), während er in dem Satz [...] quem [scil. Terentium] omnes propter proprietatem latinae linguae ab ipso prae caeteris seruatam primum inter comicos ascribant? die Worte ab ipso als redundant bezeichnet. Weitere Korrekturen an diesem Abschnitt betreffen auch die Konstruktion mit dem Verb ascribere, das die Präposition ante benötige, weshalb es primum ante alios comicos ascribunt heißen müsse. Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 41–42, S. 92. Eine exemplarische Auflistung von Bracciolinis vermeintlichen errores findet sich bei Dreischmeier 2017, S. 314, Anmerkung 145. Valla 1978, Antidotum primum 3, 92, S. 196: ʻRecommendoʼ non est Latinum vocabulum. [...] Que si totiens a te barbare posita reprehendere velim quotiens reperio, faciam rem non modo legentibus, sed mihiquoque scribenti odiosam. Ebd. 107, S. 198: Peream, si ullum huiuscemodi vocabulum quod vulgus ignorat, tu nosti. Quomodo enim barbarius potuit poni ʻquippeʼ, quod semper cause redditivum est? Valla 1978, Antidotum primum 3, 111, S. 200: Sic enim nunc indocti loquuntur. Ebd. 174–175, S. 210: De quilibet aliquid exemplorum afferam [...] ut intelligas me magis intelligere ius civile quam Accursium, Bartholum, Baldum, quorum tu tanquam magnorum quorundam mihi umbram opponis, et quam ceteros iuris studiosos. [...] Et licet in hoc vocabulo cuncti pene philosophi novi errant, tamen ut in iure civili, ita in omni Aristotelis translatione, saltem logice, physicorum metaque physicorum ac similum, semper ʻquilibetʼ reperitur particulare, non universale. Valla 1978, Antidotum primum 3, 102, S. 198. Zur „reaktionären“ Haltung Vallas vgl. auch Dreischmeier 2017, S. 68.
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führt Valla ins Feld, dass Bracciolini keine empirischen Studien vorzuweisen vermöge und sich in der Regel allein auf die Autorität der spätantiken Grammatiker berufe. Der ältere Humanist unterscheidet nicht zwischen den älteren auctores und jüngeren scriptores und greift zur hermeneutischen Erschließung der ersteren auf die Kommentare von Priscianus, Servius und Donatus zurück. Tatsächlich liegt zwischen Poggios theoretischen Anmerkungen in seinen orationes und seinem faktischen Stil eine unübersehbare Diskrepanz, wofür Valla ihn mehrfach zu rügen und auf seine Missachtung der spätantiken Grammatiker hinzuweisen weiß. Ersterer unterscheidet in seinem Schaffen konsequent zwischen der konkreten Nachahmungspraxis selbst und dem Metadiskurs über die angemessene imitatio92. Dies legt eine argumentative Schwäche von Poggios Einspruch offen. Er konzentriert sich allein auf die Identifizierung der Autoritätskritik und apostrophiert in Hinblick auf das grammatische Dreigestirn die etablierten Grammatikregeln einschließlich der ihr zugrundeliegenden Analogieschlüsse. Er selbst lässt jedoch, insbesondere hinsichtlich der Syntax und der Nutzung von Phrasemen seine angeführten Bezugsinstanzen oftmals unberücksichtigt. Die pluralisierende Herleitung eines auf einem vermeintlich linguistischen Gemeinsinn beruhenden Sprachgebrauchs einer eng gefassten Epoche ist Bracciolini zufolge ein imitativer Fehlschluss, der nicht weiter begründet werden muss93. Dieser Prämisse widerspricht Valla mehrfach, beispielsweise recht deutlich anhand der Negativbeispiele aus den Werken der spätantiken Autoren wie Boethius und Laktanz. In Kapitel 16 des ersten Buches der Elegantiae stellt Valla beispielsweise Regeln zur Verwendung des Indefinitpronomens quisque sowie des Adverbs omnis in Verbindung mit der Komparation auf. Anhand einer Vielzahl an Belegen kann er darlegen, dass quisque allein mit dem Superlativ und omnis mit dem Positiv bzw. Komparativ stehen könne. In seinen Ausführungen kritisiert er mitunter einen Auszug aus Laktanzʼ De opificio Dei94, was Poggio als klaren Ver-
Hier verdeutlicht sich die Diskrepanz zwischen der von Penzenstadler 1993, S. 81 f. vorgenommenen Differenzierung zwischen der Systemaktualisierung, welche die Reproduktion von Elementen und Strukturen der antiken Semiotik meint, und der Systemerwähnung. Beide Systemreferenzen fallen bei Valla zusammen. Siehe exemplarisch in Hinblick auf Hieronymus, Valla 1978, Antidotum primum 1, 142, S. 114: Ego me nego talem locutionem audisse, tu, qui te ais, profer vel unum exemplum. Beispielhaft Valla 1978, Antidotum primum 2, 127, S. 156: Ecce auctores Pogiani, ecce copia exemplorum huius qui ait linguam Latinam constare exemplis auctorum! Ecce hominis ingeniosi rationes atque argumenta! [...] Ironisch fragt er: Si non affero auctores ego, Pogi, et hoc in me vituperas, cur eos ipse non affers? Ebenso geht Valla in dem Kapitel auf die numeralia ein und bespricht ebenso die Sonderfälle quotus, das mit quisque verwendet werden könne, sowie unusquisque, das wiederum mit dem Positiv stehe. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 16, S. 110 ff.: At vero comparativo non quisque convenit, sed omnis. Vegetius tamen, non perpolitus sane scriptor, inquit: «Honestiores quique milites [Veg. 3, 47]»; pro honestissimi quique. Et Lactantius de Opificio: «Nam si ita esset, placidiora quaeque animalia vel nihil fellis omnino, vel minus haberent quam ferae [Lact. opif. 14, 6]». Maluissem ego dicere ‚placidiora omnia animalia‘; ut Quintilianus in Aegro redempto: «Rus, servulos, penates et omnia utiliora properanti festinatione parenti addixit [Ps.-Quint. Declam. maior 5,4]»
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stoß gegen die auctoritas des christlichen Autors wertet95. Das argumentum ad verecundiam lässt Valla jedoch nicht gelten und spezifiziert die von ihm vorgenommene Neukanonisierung der lateinischen Autoren: Bracciolini habe weder aus Cicero, noch aus Quintilian, Sallust, Livius oder einem anderen beliebigen auctor einen eigenen Beleg vorgebracht und nehme dennoch „unwissend“ die Verteidigung (patrocinium) der jeweiligen Schriftsteller auf sich96. Laktanz, Valla zufolge als spätantiker scriptor hinsichtlich seiner Sprache nicht mehr allzu vertrauenswürdig, kann aus seiner Sicht nicht als von den anderen Autoren unabhängiges Vorbild für die klassische Latinität herangezogen werden, wodurch er die historisch bedingten stilistischen Unterschiede zwischen den einzelnen Schriftstellergenerationen verdeutlicht. Er beschreibt die Formulierungen der auctores als „lateinischer“ (latinius) als diejenigen der scriptores, wodurch er die jeweils identifizierten Divergenzen als Abweichungen eines Ideals fasst. Bracciolini lehnt diese Abstufung entschieden ab. An mehreren Stellen spottet er über den vermeintlichen Versuch seines Gegenspielers, lateinischen Autoren wie Boethius, den Valla in seinen Elegantiae polemisch bezichtigt, dass er mit seinen Schriften eine barbarische Sprache lehre, korrektes Latein beibringen wolle97. Den einhergehenden Superioritätsanspruch Vallas brachte Poggio mit dessen mutmaßlicher philologischer und sozialer libido detrahendi in Verbindung. Die vallianische reprehensio erweist sich, wie gezeigt, sowohl als sachorientierte Kritik als auch als Herabsetzungstechnik, deren Übergänge fließend sind. W. Scott Blanchard bezeichnet diese für Valla genuine Vorgehensweise als „negative Dialektik“: Damit ist der Widerspruch bzw. der Dissens als Ausdruck von Innovation und intellektuellem Wandel gemeint, die erst durch Opposition zu etablierten Epistemen und Konventionen erzeugt werden können. Besonders akzentuiert Blanchard die allgemeinen Dekonstruk-
Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 195: Sequitur uesaniam suam Valla, in Salustium atque Lactantium incursans. Alterum corrigit, qui ait «placidiora quaeque animalia [Lact. opif. 14, 6] «omnia placidiora animalia» scribendum asserens. Valla 1978, Antidotum primum 2, 140–148, S. 160, hier 142, S. 160: Nonne ais, Pogi, linguam Latinam constare auctorum exemplis? Nonne, ut ostendi paulo ante, me et si falso tamen accusabas quod ratione mallem niti quam auctoritate? En ego omnium auctorum pro me contra hos tres affero exempla. Tu ne tibi repugnes affer pro his tribus vel unum aut ex Cicerone aut ex Quintiliano aut ex Salustio aut ex Livio aut uno quolibet veterum auctorum. Hoc non facis et tamen illorum suscipis patrocinium, et quia nihil habes quo et illos protegas et me vulneres [...]. Siehe auch u. a. Antidotum primum 2, 135, S. 158: Vides, scelerate Pogi, ut semper nitor auctoritate et universorum scriptorum exemplis, confutans quoad possum ratione etiam opinionem grammatice preceptorum? Siehe zum Beispiel in Bezug auf Boethius, Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 200: O rem ridendam. Boetius uir omnium doctissimus Barbare loquitur. Valla imperitissimus conuitiator Latine Boetium loqui docet [...]. «Sed huic homini Romano ostendam» (inquit Laurentius) «Romane loqui nescire». [...] Boetium arguit, quod Romane loqui nesciuerit. Quid mirum nescisse linguam Boetium quam non norat? Latine tunc homines loquebantur, non Romane. Si quidem Romanam linguam dicimus, qua hodie Romani utuntur procul a latina. Ita et Florentine Florentini loquuntur, Perusine Perusini. [...] Et paulo post: «Non ut Boetius uoluit, qui nos Barbare loqui docuit». Auf die Auseinandersetzung über Vallas Gleichsetzung von Latine und Romane loqui wird in Kapitel 2.1.3. und 2.2.3. näher einzugehen sein.
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tionstendenzen seiner Beiträge, die scheinbar weniger Wert auf die Konstruktion einer alternativen Lehre oder Idee legen als vielmehr die Destruktion gängiger Vorstellungen bevorzugen98. Dass Valla mithilfe der Dekonstruktion des „Mittellateinischen“, d. h. der explizit nicht-klassischen Latinität, eine Alternative vorstellte, belegen jedoch seine sachlichen Ausführungen zu Poggios elocutio: Seine Beiträge werden nicht vollständig verworfen, sondern einer Korrektur unterzogen, wenngleich seine Schmähkritik nichtsdestoweniger parallel zur diskursiven Ausschaltung seines Widersachers innerhalb des Streites diente und folglich eine, aus moderner Sicht, ungewöhnliche und widersprüchliche Kombination bildete. Entsprechend darf die Polemik einschließlich des invektiven Darstellungsmodus der vallianischen Schriften bei der philologischen Untersuchung nicht zu stark bewertet werden. Vielmehr lässt sich hier eine noch im Anfangsstadium befindlichen ars critica identifizieren, die sich tatsächlich durch eine Dekonstruktion der bislang vorgenommenen Sinn- und Bedeutungsbestimmung auszeichnet. Allerdings – und dies ist entscheidend – werden alternative und auf seiner elegantia-Konzeption beruhende Formulierungen vorgeschlagen, um eine „bereinigte“, d. h. klassische Ausdrucksweise zu rekonstruieren. Die Kommentierung von Poggios Briefband ist ebenso als Sublimierung seiner Elegantiae zu fassen, mit der er demonstrativ die Richtigkeit seiner Ausführungen zu beweisen versuchte. Valla warb für den praxisbezogenen Gebrauch seines linguistischen Werkes, das aus seiner Sicht fortwährend als Korrektiv für jegliche lateinische Prosakompositionen heranzuziehen sei99. Öffentlichkeitswirksam setzte er sein Programm durch die vorgenommene philologische vituperatio seiner Zeitgenossen in Szene, was ihm einen Distinktionsprofit ermöglichen, d. h. ein Alleinstellungsmerkmal wie auch Aufmerksamkeit des anvisierten Publikums sichern sollte. Demzufolge können Vallas Invektiven nicht allein unter den konventionellen Gesichtspunkten und Funktionen dieser Gattung betrachtet werden, sondern müssen ebenso als pragmatische Umsetzung seiner ausgearbeiteten sprachlichen Vorschriften verstanden werden. Explizit betont Valla pathetisch, dass seine Anmerkungen einem höheren Ziel dienen: Als Lehrer wolle er die „Jugend“ vor der „barbarischen“ Diktion Poggios warnen und stattdessen ein korrigiertes und sprachlich „richtiges“ Modell anbieten. Der Korrespondenz seines Gegners wies er folglich eine Vorbildsfunktion und Wirkkraft zu, die er zu dekonstruieren suchte. Derartig verunglimpfende Bemerkungen fungierten nicht allein als Tadel, sondern ebenso als Autorisierungsgesuch beim Publikum, um die potentiell ungünstige Auffassung derartig vorgebrachter Stilkritik zu lizenzieren. Auf diese Weise konnte er sich zudem als grammaticus und rhetor prä-
Vgl. Blanchard 2000, u. a. S. 160 zur Dekonstruktion. Blanchard psychologisiert Vallas intellektuelles Profil, weshalb er den konstruktiven Charakter seines Schaffens tendenziell ausblendet. Zu den Konsequenzen, die sich aus dem linguistischen Paradigma Vallas für die Philologie konkret ergeben sollten vgl. bes. Moss 2003, S. 35–63.
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sentieren100. Die sechs Bücher der Elegantiae sollten, nach Vallas Eigenaussage, zusammen mit seinen bis dato verfassten Invektiven, dem vierbändigen Antidotum in Facium und seinen zweibändigen Raudensianae notae, als einheitliches pädagogisches Werk veröffentlicht werden101.
2.1.3 latine oder grammatice loqui? Mit den Elegantiae legte Valla einen umfangreichen und empirisch fundierten Zugang zu einer klassisch konfigurierten Latinität vor, d. h. er konstruierte eine Ausdrucksweise, die auf einer abstrahierten Summe an Redeweisen einer begrenzten Anzahl an Autoren aus einem spezifischen Zeitraum basiert102. Im Hinblick auf den Quellenreichtum der Elegantiae und ihre analytische Durchdringung sorgte Bracciolinis Angriff in der Forschung aufgrund seines eigenen unzureichenden klassischen Latinitätsverständnisses für Irritationen. Insbesondere Lucia Cesarini Martinelli und jüngst, auf der Studie von ihr aufbauend, Giuliano Mori haben sich diesem Umstand gewidmet. Sie verknüpfen den poggianischen Einspruch mit der Frage, in welchem Grad Vallas Grammatik Normativität beanspruchte und, weiterführend, auf welche zeitgenössische Resonanz seine Regulationsabsicht stieß103. Obwohl Martinelli und Mori den Erwartungshorizont des humanistischen Publikums erwähnen, spielt das bis zur Veröffentlichung der Elegantiae dominante Nachahmungsverständnis in ihren Beiträgen nur eine untergeordnete Rolle, was jedoch weder die Reaktionen von Bracciolini und seinen Mitstreitern noch die von Valla ausgelöste Zäsur adäquat zu erklären vermag. Die humanistische Gemeinschaft kannte bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts noch keine schriftlich normierte Latinitätsdefinition und wählte stattdessen einen pragmati-
Valla 1978, Antidotum primum 3, 109, S. 199: Subinde admoneo huius peccati, tum ne omnino non peccasse amplius putaretur Pogius, si omnino nihil adderemus, tum quia non solum Pogii reprehendendi causa hec annotamus, sed etiam docende iuventutis. Zur geplanten Veröffentlichung des linguistischen Corpus, das mit seinen insgesamt zwölf Bänden sicherlich den Umfang der Aeneis evozieren sollte, ausführlich Regoliosi 1993, bes. S. 1–35, hier S. 22 ff. und darauf aufbauend Corrias 2007, S. 39–50 und Abbamonte 2021, S. 44–47. Entsprechend gehören auch seine Invektiven zu seinem sprachlich-kulturellen Projekt. Zur Zusammenstellung der Invektiven gegen Poggio vgl. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 326: Detegam enim iam tuto post latam sententiam, mei rationem facti. Primus liber meae responsionis ab litera N., secundus a Q., tertius a P. Vnde nomen, cognomen, agnomen tuum incipit. Nicolaus Quintus Papa. Sicut et hic quartus a T, quae prima tui proprii sive priuati nominis litera est. Ita quatuor libri erunt, atque adeo sex, si duos illos libellos addamus [scil. die zwei Akte des Apologus], quibus per dialogum totidem opera Podii, ut barbara, ut absurda, ut omnibus uitiis plena, reprehendi, ut ea uitia iuuenes studiosi deuitare possent. Für Poggios Invektiven wurden Vallas Korrekturen in die Druckausgaben eingearbeitet und entsprechend in seinem Sinne verwendet. Grundsätzlich Kelley 1970a, S. 19–50 und Jaumann 1995, S. 134 f. Siehe Marsh 1979, S. 96–97; Regoliosi 2000; Cesarini Martinelli 1980, S. 42 f. und jüngst Mori 2020b, S. 157 ff. und S. 160 ff.
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schen Zugang, der etappenweise systematischere Aufarbeitungen des antiken Quellenmaterials leisten konnte, ein Umstand, der zunehmend in der Lexikographie seinen Ausdruck fand104. Nichtsdestoweniger verzerrt diese in der Forschung gängige teleologische Lesart die realen imitativen Vorgehensweisen, da sie retrospektiv unter dem Eindruck des sich letztlich historisch durchsetzenden Ciceronianismus auf die humanistische Entwicklung blickt105. Bei diesem als Ciceronianismus (nach Witt der „zweite“ Ciceronianismus) bezeichneten Nachahmungsparadigma handelte es sich um eine simplifizierte Spielart der vallianischen elegantia-Konzeption und der permissiven, mit Cicero legitimierten imitatio: Die pluralistischen und auf dem eigenen iudicium basierenden Auswahlund Korrekturverfahren der Elegantiae wurden gestrichen; stattdessen jedoch wurde der usus loquendi als Leitprinzip allein auf die Diktion des römischen Redners appliziert und beschränkte sich, zumindest in der Theorie, auf das bereits von Petrarca instituierte Primärmodell. Die prominenten Einsprüche von Angelo Poliziano und Erasmus von Rotterdam belegen jedoch, dass auch dieses Paradigma durch Alternativmodelle unter Druck gesetzt wurde und daher nicht das Ergebnis einer linearen Latinitätsgenese war106. Grundsätzlich stufte Valla die im mittelalterlichen Lateinunterricht etablierte Grammatik mit seiner Methodik herab und verdeutlichte darüber hinaus durch die Restauration des klassischen Sprachgebrauchs die Kontingenz linguistischer Regelsysteme107. Der eigentliche Bruch erfolgte durch die Stilabstraktion und seine vorgenommene Neukanonisierung, die, wie gezeigt, eine Herabstufung spätantiker Autoren und Grammatiker zu sekundären Bezugsgrößen vorsah. Als linguistischen Imperativ begriff Valla die quintilianische Bemerkung, den faktischen Sprachgebrauch vorbildhafter Autoren, das latine loqui, dem grammatischen Regelsystem, das grammatice loqui, vorzuziehen, um ein auf einem elitär ausgerichteten sozio-linguistischen Gemeinsinn („common sense“) basierendes Ideal zu erreichen. Quintilian unterscheidet zwischen der formell korrekten, d. h. grammatischen Sprechweise (grammatica) und der stilistisch präzisen und „eleganten“ Ausdrucksform (Latinitas), die sich aus der consuetudo loquendi der eruditi ergibt und nicht zwangsläufig mit den grammatischen Normen kongruent sein muss108. Diese Differenzierung führte zu einem terminologischen Missverständnis zwischen beiden humanistischen Gelehrten, was aus der mittelalterlichen Gleichsetzung der lingua latina mit der lingua grammatica herrührte. Braccio Vgl. bes. Ramminger 2014. Zur Lexikographie mit Blick auf Frankreich bes. Bierbach 1997; Moss 2003, S. 15–34. Zur Systematisierung dieser Phase unter dem Begriff der Pluralisierung, die um die Wende zum 16. Jahrhundert sichtlichen Einfluss auf die humanistischen Diskurse nahm, siehe Müller/ Robert 2007. Vgl. überblickend zum Ciceronianismus bes. Robert 2011, der die wichtigsten Zwischenstufen erläutert. Vgl. Godman 1998, S. 45–51; Celenza 2018, S. 372–383; Rizzo 2002, S. 102 f.; Robert 2007a, S. 76–78. Vgl. Grendler 1989, S. 162–202; ausführlich Black 2001. Das mittelalterliche Grammatikverständnis beruhte auf der Definition Isidors von Sevilla (ca. 570–636), der die Sprachkorrektheit apostrophierte, siehe Isid. orig. 1, 5, 1–2: Grammatica est scientia recte loquendi et origo et fundamentum liberalium litterarum. Zum quintilianischen Verständnis von usus bzw. consuetudo Percival 1996, S. 136–138.
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lini erkannte ganz im Sinne der humanistischen Orthodoxie einzig die vorwiegend durch die spätantiken Grammatiker instituierte grammatica als linguistische Grundlage an, die explizit von Vallas Herleitung partiell überschrieben wurde. Die äußerst stark rezipierten und für den Lateinunterricht ausgelegten Regulae grammaticales (um 1418) des Guarino da Verona zementierten für die kommenden Jahrzehnte noch einmal die mittelalterliche Grammatiktradition, die von den humanistischen Studien absorbiert und für den Unterricht simplifiziert worden ist109. Die mutmaßliche Dysfunktion der vallianischen Nachahmungslehre identifiziert Bracciolini daher in der Falschauslegung der quintilianischen Weisung, den Sprachgebrauch der Gebildeten (latine loqui) dem grammatischen Regelsystem (grammatice loqui) vorzuziehen110. Poggio missversteht die besagte Stelle der Institutio oratoria und deutet das grammatice loqui als gelehrte und ideale Ausdrucksform, während er das latine loqui als ungrammatisches und vom einfachen Volk verwendetes Idiom erachtet111. Diesen Aspekt bespricht Valla primär in seinem zu Lebzeiten unveröffentlichten zweiten Akt seines Apologus, in dem er mitunter die Eigenlogik sowie die Terminologie von Bracciolinis dritter Disceptatio seiner 1450 veröffentlichten Historia disceptativa tripartita convivalis kritisiert112. Im dritten Dialog greift Poggio die sogenannte florentinische Sprachdebatte auf, in der nach der Verbreitung des Lateinischen und nach den potentiellen Unterschieden zwischen gelehrten und ungelehrten Idiomen bzw. dem Verhältnis zum (antiken) volgare gefragt wurde. Dieser Themenkomplex lässt sich bis Dante Alighieri (1265–1321) zurückverfolgen und brachte seit 1435 mehrere Beiträge innerhalb der humanistischen Gelehrtenkreise hervor. Initiiert wurde die Diskussion in Florenz bei einem Zusammentreffen von Flavio Biondo (1392–1463), Leonardo Bruni, Antonio Loschi, Andrea Fiocchi (†1452), Cencio Rustici (1390–1445) und Poggio selbst; in den nachfolgenden Jahrzehnten wurde sie auch von anderen Gelehrten wie Guarino und
Eine Innovation bei Guarino lässt sich einzig in Hinblick auf die modalistischen Konzepte und Terminologie sowie linguistische Kategorisierung erkennen, die sichtlich zurückgefahren respektive reduziert worden sind. Zu den Grammatikstudien Guarinos bes. Sabbadini 1896, S. 38–47; ausführlich die Studien von Percival 1972, S. 263–284; ders. 1973, S. 76–78; ders. 1978, S. 241–254; Black 2001, S. 124– 129. Zur Relevanz der spätantiken Grammatiker bei Guarino und auch Leonardo Bruni vgl. Abbamonte 2012, S. 36, Anmerkung 22. Vgl. Quint. inst. 1, 6, 27: quid de aliis dicam, cum senatus ʻsenatiʼ an ʻsenatusʼ faciat incertum sit? Quare mihi non invenuste dici videtur, aliud esse Latine, aliud grammatice loqui. Ac de analogia nimium. Zu dieser Fehldeutung bes. Mazzocco 1992, S. 64 f. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 330, wo Valla von der Absicht spricht, das Werk nach Venedig zu schicken, dies jedoch zum Zeitpunkt des zweiten Antidots noch nicht geschehen ist: Aduersus quem librum, ut scias, nuper ita rescripsi, ut te somniare, non latine, aut grammatice loqui ostenderem, quod meum opusculum necdum absolutum Venetias misi. Auch im zweiten Antidotum gegen Poggio widmet er sich der terminologischen Differenzierung in Hinblick auf seinen Umgang mit der Vulgataüberarbeitung des Hieronymus.
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Francesco Filelfo mit einer Reihe von Schriften fortgeführt113. Im dritten Dialog der Historia disceptativa versuchte Bracciolini die Bilingualismusthese Brunis, der von zwei distinktiven, simultan gesprochenen Sprachen im römischen Altertum ausging, zu dekonstruieren, wogegen Valla pejorativ anschrieb. Die Ausganglage des zweiten Aktes des Apologus bildet die mutmaßlich fehlerhafte, dem antiken usus loquendi entgegenstehende Wortwahl und die daraus resultierende Sinnbildung. Bereits aus der Anwendung beider Begriffe zur Unterscheidung zwischen einem gelehrten und ungelehrten Idiom ergibt sich Valla zufolge – und aus einer rein formell-terminologischen Perspektive liegt er hier richtig – ein falscher Sinnzusammenhang, der den Sachverhalt nicht adäquat wiederzugeben vermag114. Mit latine loqui meint Quintilian einen korrekten, präzisen und auf dem Sprachgebrauch (consuetudo) der Gelehrten basierenden Stil, der nicht auf Analogie (ratio) beruht, was er wiederum mit der grammatica verbindet. Beide Begriffe werden jedoch in der Institutio oratoria allein zur Differenzierung von verschiedenen elocutiones und nicht von fehlerfreien oder feh-
Nach wie vor sorgt der zweite Akt für divergierende Interpretationen und unbefriedigende Resultate. Dies ist dadurch begründet, dass Valla eine, Angelo Mazzocco zufolge, zutiefst sophistische und bisweilen völlig kontradiktorische Argumentation vorlegt, die es nicht erlaubt, ein stringentes Bild von seinem Verständnis der lateinischen Sprache zu zeichnen. Mazzocco wies korrigierend hinsichtlich früherer Beiträge, besonders von Mirko Tavoni, auf den Umstand hin, dass Vallas einziges Interesse darin bestand, mithilfe von Strohmann-Argumenten und einer grundlegenden reductio ad absurdum die Position Poggios zu karikieren. Folglich, so die Schlussfolgerung, habe er keinen Wert auf eine sachliche Auseinandersetzung mit Bracciolinis Ansichten gelegt, was auch Eugenio Coseriu und Mariangela Regoliosi affirmierend aufgegriffen haben. Vgl. Mazzocco 1993, S. 70: „Valla’s Apologus II is neither as novel nor as central to the issues raised by the Florentine debate as these scholars [scil. u. a. Mirko Tavoni] claim. Indeed, a close reading of the work reveals that much of Valla’s argument is peripheral to the Florentine debate. Unlike the treatises of Biondo, Bruni, Guarino, Poggio, and Filelfo, Apologus II results not so much from a genuine interest in the linguistic state of antiquity, but from a need to vilify Poggio’s personal life and scholarship.“ Coseriu/ Meisterfeld 2003, S. 169–171, Regoliosi 2000, S. 331: „Va inoltre aggiunto che ricavare un’idea positiva di ciò che il Valla pensasse circa l’origine del latino dall’Apologus contro Poggio è veramente arduo e rischioso. L’Apologus è un testo dichiaratamente polemico, che quindi non intende svolgere un discorso propositivo, ma soprattutto aspira – secondo le regole della confutatio – a contrastare il punto di vista del rivale, mostrandone sofisticamente le interne contraddizioni.“ Zusammenfassend zu Vallas Verständnis von der lateinischen Sprache und dem volgare auch Rizzo 2002, S. 87–106 und jüngst Dreischmeier 2017, S. 187–191. Ausführlich zur florentinischen Sprachdebatte vgl. Tavoni 1984, S. 105–169; Mazzocco 1993, S. 13–105; Wels 2000, S. 50–56; Coseriu/ Meisterfeld 2003, S. 149–171; Fubini 2003, S. 9–42; Celenza 2009, bes. S. 230–236 und 2018, S. 178–199. Einzelkapitel zu dieser vermeintlichen Sprachdebatte zwischen Bracciolini und Valla finden sich in einer Vielzahl an humanistischen Forschungsbeiträgen, die jedoch grundsätzlich auf Tavoni und Mazzocco zurückgreifen und selten die jeweiligen Quellentexte erneut ausführlicher konsultieren. Siehe Bracciolini 2019, Historia disceptativa tripartitia convivalis, Disceptatio 3, 4, 3, S. 142: Quibus constat verbis [Quint. inst. 1, 1, 6] omnes Latine, sed non omnes grammatice loqui solitos, cum Latinam linguam omnibus tribuat, grammaticam, hoc est loquendi doctrinam, litterarum peritis. Latine igitur omnes, sed emendatius docti loquebantur, a quibus senatum quartae declinationis dici affirmat, ab indoctis secundae. Docti enim ratione iudicabant quod alii usu assequebantur, nulla suorum verborum ratione habita. Vgl. dazu auch Field 1988, S. 94–96.
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lerhaften Sprechweisen verwendet115. Poggio übernimmt die quintilianische Nomenklatur und entkontextualisiert sie aus ihrem ursprünglichen Sinnzusammenhang, um seine korrekten Beobachtungen sowohl mit einer antiken Autorität als auch einem Zeitzeugen zu zementieren und seine Konzepte von differenten Sprechweisen begrifflich zu fassen. Valla beanstandete auch die übrige Terminologie zur Denotation der beiden von Bruni besprochenen Idiome. So paraphrasiert Poggio Brunis Bilingualismusthese einmal mit den Worten locutio popularis und locutio eruditorum, an anderer Stelle mit sermo vulgaris und sermo litteratus, was Valla zu der Behauptung verleitet, dass Bruni an keiner Stelle bestritten habe, dass den Römern eine einzige Sprache gemein gewesen sei116. Dies leitet Valla bereits aus dem Umstand ab, dass jedes Volk die Sprachbezeichnung von der Stadt- bzw. Lokalitätsbenennung übernommen habe. An einer sprach-historischen Differenzierung ist er in seinem Argumentationsgang jedoch nicht interessiert; einzig relevant für Valla erscheint die Beobachtung, dass der Terminus sermo vulgaris innerhalb der klassischen Latinität keine von der lingua latina distinktive Sprache denotiert, sondern eine binnensprachliche Variation meint – dem kontemporären volgare kommt bei seiner Kritik kaum eine Bedeutung zu und dient ihm allein dazu, eine Kontinuität zwischen dem Lateinischen und der seiner Ansicht nach immer noch als lateinisch zu fassenden römischen Volkssprache herzustellen117. Dies lässt sich schlicht damit erklären, dass seine Elegantiae die linguistische
Bes. Quint. inst. 1, 6, 12 und deutlich 1, 6, 3: consuetudo vero certissima loquendi magistra, utendumque plane sermone ut nummo cui publica forma est. Vgl. dazu Mazzocco 1993, S. 64. Valla 1972, Apologus 2, S. 520 f.: Pog.: Dic quid sentias de opinione mea, quod prisci romani latine loquebantur omnes. Laur.: Quis istuc negabat? Pog.: Leonardus ipse, nonne legisti? Laur.: Non animadverti. [...] Laur.: Sed legamus iterum: «Probare nititur non fuisse eam linguam omnibus communem sed aliam popularem, aliam eruditorum fuisse locutionem» [Poggio 2019, Historia disceptativa tripartitia convivalis, Disceptatio 3, I, 2, S. 138]. Et iterum. «Nam levibus argumentis ostendere [nititur] alium vulgarem, alium litteratum ut suis utar verbis sermonem extitisse» [Ebd., 13,2, S. 168]. En non negat latinum sermonem fuisse vulgarem atque popularem. Pog.: O tardissimo ingenio virum. Cum negat linguam eruditorum fuisse eandem popularem, nonne negat vulgus latine locutum fuisse, cum eruditi latine loquerentur? Laur.: Nondum istuc video. Die relevanten Aussagen finden sich in Leonardo Brunis Brief an Flavio Biondo, dem Poggio zu widersprechen gedachte: Bruni 1741, Epistolarum libri VIII, Ep. 6, 10, S. 62–68, hier S. 62: Ego autem, ut nunc est, sic etiam tunc distinctam fuisse vulgarem linguam a litterata existimo. Ebd., S. 66: [...] Atque latina lingua a vulgari in multis differt, plurimum tamen terminatione, inflexione, significatione, constructione et accentu [...]. Bruni geht eindeutig von zwei distinktiven Sprachen aus, weshalb Vallas Behauptung nicht haltbar ist. Zum Brief und der dazugehörigen Debatte mit Flavio Biondo ausführlich Tavoni 1986, S. 3–41 und Rizzi 2013, bes. S. 245 f. Valla 1972, Apologus 2, S. 522: Laur.: Si romani latini sunt, et a gente nominatur lingua, non ergo lingua romanorum alia nunc est quam latina, sicut et olim fuit; quemadmodum ab omnibus aliis nationibus appellatur. Siquidem italica lingua, quae olim diversa ac multiplex fuit, et mox propter romanas
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Devianz überbrücken und die lingua latina vollständig, bei simultaner Aufrechterhaltung der kulturpolitischen Bedeutung Roms, restaurieren sollten. Poggios eigentliche Feststellung, dass im Altertum zwischen einem gelehrten (was er grammatice loqui bzw. lingua grammatica nennt) und ungelehrten Idiom (latine loqui) unterschieden werden muss, die er von der Fähigkeit abhängig macht, grammatikalische Sätze bilden zu können, weiß Valla auf dieselbe Weise zu dekonstruieren. Dabei beruft er sich sowohl auf die fehlerhafte Wiedergabe der besagten Stelle aus der Institutio oratoria als auch auf die Implikationen, die sich aus der jeweiligen Begriffswahl ergeben. Die Grammatikkenntnisse erweisen sich Quintilian zufolge als notwendige Bedingung für die Sprachbeherrschung (grammatica sit locutionis); latine loqui hingegen bildet als rhetorische virtus die ideale Ausdrucksweise (Latinitas elocutionis) der Gelehrten und muss aus dem usus loquendi der besten Autoren abstrahiert werden. Wenn die lateinische Sprache ohne hinreichende Einführung in die Grammatik im Kindesalter über bloße Nachahmung erlernt werden könne, so argumentiert Valla gegen Poggios Terminologie, dann hätte es in der Antike keinen Bedarf an Lehrern oder Schulen gegeben und die grammatica wäre nicht als zu erlernende ars zu begreifen gewesen118. Im Dialog lässt er sodann die Figur Poggio mehrfach versuchen, die vorgenommene Differenzierung zu rechtfertigen. Er legt dem Charakter triviale und ostentativ widersprüchliche Aussagen in den Mund, die sich nach wie vor an der vermeintlich fehlerhaften Nomenklatur orientieren119. Dieser Exkurs erfolgt allein dazu, gegen den selbstentworfenen Strohmann zu argumentieren und das von ihm propagierte Sprachverständnis, d. h. latine loqui, als ideale Sprech- und Denkweise des orator, als einzig richtige Erfassung der korrekten Latinität zu bestätigen120. Wenngleich begrifflich nicht explizit genannt, missachtet die Figur Poggio das vallianische elegantia-Gebot, weshalb die jeweiligen Thesen sich aufgrund der un-
colonias ac romanorum consuetudinem, in linguam romanam concessit idest latinam, ab exteris gentibus non nisi latina nominatur. Itaque non modo quondam loquebantur, verum etiam nunc vulgo latine romani loquuuntur. Dazu Rizzo 2002, S. 98 f., grundsätzlich auch Tavoni 1984, S. 117–169 und 1986, S. 199–216. Jüngst auch Perreiah 2014, S. 56 f. und Celenza 2018. Valla 1972, Apologus 2, S. 524: Laur.: Vides ut latine loqui est oratorum et eruditorum, et plus etiam quam grammatice. Ideoque latine loqui inter virtutes rhetoricae ponitur, ut grammatica sit locutionis, latinitas elocutionis. Haec est inter grammatice ac latine loqui differentia, non quam tu constituis, et quam tu bis falsa ratione conaris probare [...]. Beispielhaft Valla 1972, Apologus 2, S. 529: Lau.: Ergo grammatice locutos fuisse confiteris infantes? Pog.: Sentio et confiteor. Laur.: Cur igitur ad praesceptorem grammatices mittebantur? Pog.: Ut discerent linguae quam norant rationes et causas. Hier wird die poggianische Begriffsverwendung völlig überspitzt dargestellt und gänzlich ad absurdum geführt. Exemplarisch Valla 1972, Apologus 2, S. 525: Pog.: Ut ista vera sint [scil. Vallas Richtigstellung der Stelle in der inst. 1, 6, 3], tu propositum meum tueris, non alium fuisse latinum, alium grammaticum sermonem, de quo a me disputatio fuit instituta. Nam qui latine, iidem grammatice loquebantur. [...] Pog.: An non ego dixi omnes romanos latine locutos, sed emendatius doctos? Laur.: Cur dicas emendatius non video, alius alio ornatius, sublimius, eloquentius, fateor, sed non latinius, si omnium romanorum sic erat communis lingua latina [...]. Dazu auch Mazzocco 1993, S. 77.
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scharfen Wortwahl bereits a priori als falsch erweisen müssen. Obwohl Valla seinem Widersacher im Hinblick auf die zwei Sprechweisen implizit Recht zu geben scheint, vermeidet er direkte Aussagen zu Bracciolinis umfassend belegter Untersuchung. Interessanterweise führt erst Vallas kasuistische Argumentation zu einer semantischen Fehldeutung, die er seinen eigenen Prinzipien nach unbedingt zu vermeiden beabsichtigte: Durch die Persistenz auf den von ihm herausgearbeiteten usus loquendi schränkt er das Bedeutungsspektrum deutlich ein und übersieht dabei die fundierten Schlussfolgerungen seines Kontrahenten. Valla schließt den Akt mit einer weiteren philologischen reprehensio der Historia disceptativa und nennt im Zuge dessen Poggios Sprechweise „semibarbarisch“ oder „semilateinisch“, womit er zwei Begrifflichkeiten einführt, die das von Bracciolini thematisierte Phänomen adäquat ausdrücken sollen. Poggio wirft Valla mehrmals vor, wohlwissend, dass die Elegantiae auf Quintilian aufbauen, den rhetor falsch interpretiert, ferner, seine Worte plagiiert zu haben, um aus dieser Fehldeutung letztlich seine der lateinischen Sprache destruierenden Regeln herzuleiten. Anhand seines eigenen semiotischen Systems beurteile und verwerfe sein Gegner die Ausdrucksweise der Altvorderen, prominent am Kirchenvater Hieronymus demonstriert, den er aufgrund seiner ungrammatischen Sprechweise mehrfach angegriffen und korrigiert habe121. Die Vehemenz von Vallas Antwort deutet auf die bislang nur spärlich erfolgte Rezeption des quintilianischen Werkes bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts hin, weshalb er eine genaue Kenntnis der Institutio oratoria nicht voraussetzen konnte. Ebenso ist Bracciolinis Grammatikverständnis paradigmatisch für die bislang erfolgte humanistische Gleichsetzung der lingua latina mit der lingua grammatica, die auf Ciceros Brutus zurückzuführen ist, in welchem die grammatisch korrekte Ausdrucksweise als integrales Kriterium für den Redner vorausgesetzt wird122. Daher galt es für Valla, den poggianischen Fehlschluss umfassend richtigzustellen und simultan seine eigene Arbeit, die maßgeblich von der Institutio geprägt wurde, zu verteidigen. Das Ideal des latine loqui rechtfertigt er ebenso mit Ciceros Brutus und zitiert
Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 231: Unum e multis insigne stulticiae testimonium quo es manifesti criminis reus non praeteribo. Culpaui te reprehendentem beatum Hieronymum, quod latine loqui maluerit, quam grammatice. O caput asinium. O stolidam ac praeduram ceruicem. O cerebrum omni sale uacuum. Hic latrator furibundus uerba fundit insani more, quicquid in buccam uenit expuit ex tempore tanquam pueri solent cum quid nimis calidum degunstarint. Legit totiens Quintilianum obliuiosus ille fanaticus, in coeno stulticiae demersus, neque tenet quid ea uerba importent quae furatus est a Quintiliano. Errorem detractoribus purgans, crimen contraxit ignorantiae. Et sane consulto id egit. Maius est scelus uirum sanctum et doctum accusare ignorantiae, quam se profiteri ignorantem. Ait praeclarius esse ac doctius latine quam grammatice loqui. At tuus non hoc sentit Quintilianus. Vult enim latine loqui omnium esse, doctorum pariter et indoctorum, uulgi etiam ignobilis esse loqui latine, grammatice uero solum eruditorum, qui non tantum usu, sed etiam arte quadam et uerborum praeceptis uterentur, loquendi consuetudinem qua omnes utebantur, ab arte quam docti sequebantur uoluit differre. Vgl. Mazzocco 1992, S. 64 f. und zur Gleichsetzung von latina lingua und latina grammatica ebd., S. 182–184; ferner Reynolds 1996, bes. S. 55. Zur zunächst problematischen Rezeption Quintilians im 15. Jahrhundert bes. Monfasani 1992a und Cox 2021, S. 362 ff.
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die Stelle, in welcher der römische Redner Gaius Julius Caesar für seine außerordentliche Sprachbeherrschung lobt: Dieser habe über die ratio eine pura et incorrupta consuetudo wiederhergestellt und so die sprachliche Präzision – elegantia verborum Latinorum realisiert123. Beispielhaft spricht Cicero von der überall florierenden lateinischen Sprachbeherrschung, illustriert an Gaius Laelius und Publius Scipio, die jedoch in jüngster Zeit durch „barbarische“ Einflüsse fremder Besucher in Rom verdorben worden sei124. Daher müsse – und hier zieht Valla geschickt eine historische Analogie und stellt sich entsprechend in die Tradition der als vorbildhaft gezeichneten römischen Redner – die schlechte Sprachgewohnheit über die ratio gereinigt werden, damit der elegante Sprachgebrauch der nachahmenswerten Autoren rekonstruiert werden könne. latine loqui wird von Valla, in Anlehnung an Quintilian, zugleich als Qualifikationskriterium für den Redner einerseits und als notwendigen und die innere Geisteshaltung konfigurierenden „humanistischen“ Denkstil andererseits vorausgesetzt – letzteren verbindet er regelrecht mit der lateinischen bzw. römischen Sprache in ihrer Gesamtheit. In diesem Zusammenhang muss auch auf das Spannungsverhältnis zwischen der bislang breit akzeptierten und von Bracciolini permanent apostrophierten Superiorität Ciceros und Vallas demonstrative Herausforderung des Paradigmas durch den Einführungsversuch Quintilians als gleichberechtigte Autorität eingegangen werden. Cicero fungierte für die humanistische Bewegung, wie oben dargestellt, als mustergültige Bezugsinstanz für ihr auf der imitatio begründetes literarisches Schaffen; zugleich markierte der römische Redner synekdochisch die mit ihm assoziierten Lehren und diente den Humanisten als soziales Erkennungszeichen. Für Bracciolini und die Mehrheit seiner Mitstreiter galt Cicero als praeceptor und parens eloquentie et artis dicendi, d. h. er stellte das Modell für „Eloquenz“ und „Sprechkunst“ dar, der für prosaische Kompositionen mustergültige Orientierung bot und darüber hinaus, wie be-
Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 230 f.: Sed ut paucis, ne eadem replicem, respondeam, si praeclarius est grammatice loqui, quam latine, cur nemo laudatus est, quam grammatice, plurimi quod latine loquerentur?. Rursus, nullus orator reprehensus, quod parum grammatice, sed quod parum latine eloqueretur. Si latine loqui constat ex consuetudine et usu, cur de latine loquendo tam multa praecepta sunt? Et cum alii tum uero Caesar de ratione latine loquendi accuratissime scripsit? Quod opus M. Tullius magnopere laudat, et ipsum Caesarem inter primos, qui latine sunt locuti, ponit [vgl. Cic. Brut. 72, 253 und auch 75, 261]. Ideoque Quintilianus, de cuius uerbis intelligendis quaestio est, pro consuetudine loquendi contra analogiam, id est, contra rationem grammaticae disputans, inquit: Ideoque non inuenuste dici uidetur: aliud est latine, aliud grammatice loqui [Quint. inst. 1, 6, 27]. Siehe die für das Selbstverständnis der Humanisten zentrale Stelle Cic. Brut. 74, 258: Solum quidem, inquit ille [scil. Caesar] et quasi fundamentum oratoris vides, locutionem emendatam et Latinam, cuius penes quos laus adhuc fuit, non fuit rationis aut scientiae, sed quasi bonae consuetudinis. Mitto C. Laelium P. Scipionem: aetatis illius ista fuit laus tamquam innocentiae sic Latine loquendi – nec omnium tamen, nam illorum aequalis Caecilium et Pacuvium male locutos videmus -, sed omnes tum fere, qui nec extra urbem hanc vixerant neque eos aliqua barbaries domestica infuscaverat, recte loquebantur. Sed hanc certe rem deteriorem vetustas fecit et Romae et in Graecia. Confluxerunt enim et Athenas et in hanc urbem multi inquinate loquentes ex diversis locis. Quo magis expurgandus est sermo et adhibenda tamquam obrussa ratio, quae mutari non potest, nec utendum pravissima consuetudinis regula.
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reits oben bemerkt, um weitere Muster erweitert werden konnte. In einem Brief an Guarino, in dem Poggio ihm von seiner Entdeckung der Quintilianhandschrift berichtet, fasst er die für das vorherrschende Nachahmungsparadigma konstitutive Sprachauffassung deutlich zusammen: Cicero als Quelle und Fürst der Beredsamkeit, aber auch als einer der zentralen Erfinder der Freien Künste (inventores liberalium artium), habe „Sprachregeln“ (precepta dicendi) und eine „gewisse Norm der vollkommenen Rede“ festgelegt, die sich in der ratio und im usus dicendi manifestiere; beides müssen sie über die Anleitung des römischen Redners als Imitatoren einüben125. Die poggianische Generation des römisch-florentinischen Gelehrtenstranges verzichtete auf stilistische Präskriptionen und konzentrierte sich stattdessen allein auf die für prosaische Kompositionen hilfreichen Rhetorikzusammenstellungen, die, wie bereits gezeigt, im intellektuellen Soziotop der Lombardei ab den 1420er Jahren schrittweise um stilistischphraseologische Sammlungen ergänzt wurden und letztlich in die enzyklopädisch strukturierten Elegantiae mündeten. Wenngleich augenscheinlich klassizistische Ausdrucksweisen in bestimmten Gattungen angestrebt wurden und insbesondere der Verzicht auf volkssprachliche Elemente bzw. unklassische Lexik einschließlich retrograder Bedeutungsverschiebungen gewisser Worte im Vordergrund ihrer Stilgenesen standen, verblieb die grundlegende humanistische Diktion eklektisch und musste sich in gewissen vorgezeichneten Linien einer nach wie vor aktiv im Gebrauch befindlichen (mittel)lateinischen lingua franca bewegen126. Bracciolini stellte sich zwar ausdrücklich in die Tradition der antiken Autoren, einschließlich der für den mittelalterlichen Schulunterricht basalen spätantiken Grammatiker, und bestätigte beinahe rituell den Vorrang Ciceros in Fragen von Sprachausübung und Gelehrsamkeit. Jedoch war er nichtsdestoweniger nicht imstande oder gewillt, einen strikten ciceronianischen Stil nachzuahmen, geschweige denn sein Ausdrucksvermögen allein auf klassizistische Formulierungen einzugrenzen. Er bediente sich stattdessen einer situativen Latinität, was auch schon von anderen Zeitgenossen angemerkt wurde. Mehrmals sah er sich dazu gezwungen, sich für den einfachen Stil seiner Briefe und Dialoge zu rechtfertigen, so unter anderem bei seinen florentinischen Freunden, dem Gelehrten und in humanistischen Kreisen als literarischer Zensor tätigen Niccolò Niccoli und dem Übersetzer und Theologen Ambrogio Traversari. Bewusst habe er den lexikalischen Ausschmückungs Bracciolini 1984, Lettere 2, Ep. 4, 5, S. 153–156, hier S. 153 f.: Nam cum generi humano rerum parens natura dederit intellectum atque rationem tanquam egregios duces ad bene beateque vivendum, quibus nihil queat prestantius excogitari, tum haud scio an sit omnium prestantissimum quod ea nobis elargita est, usum atque rationem dicendi sine quibus neque ratio ipsa neque intellectus quicquam ferme valerent. [...] Permagna igitur habenda est gratia tum reliquarum liberalium artium inventoribus, tum vel precipue iis qui dicendi precepta et normam quandam perfecte loquendi suo studio et diligentia nobis tradiderunt. Dazu auch Apel 1980, S. 179. Vgl. u. a. Tavoni 1984, S. 117 f.; Mout 1998, S. 110; Coseriu/Meisterfeld 2003, S. 169; Ramminger 2014, bes. S. 23 ff. Siehe auch den wichtigen Aufsatz von Horster 2016, in dem sie anhand der Subjunktion quia aufzeigt, wie dreizehn Humanisten sich mit ihrer klassischen Anwendung auseinandergesetzt haben.
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grad (ornatus) seiner Ausdrucksweise schlicht und nüchtern gehalten, was er explizit über sein literarisches Primärmodell Cicero zu lizenzieren versuchte: Die Dialoge des römischen Redners seien tranquilla quadam et pacata [...] eloquentia, die im Gegensatz zu seinen Briefen durch sichtliche Mäßigung charakterisiert seien127. Die Imitation zeichnet sich aus Poggios Sicht im Hinblick auf den ornatus nicht durch eine wortwörtliche Kopie oder Beschränkung auf den ciceronianischen Wortschätz aus, sondern manifestiert sich in der Nachahmung der schablonenhaft eingesetzten Redestruktur Ciceros einerseits und seinen rhetorischen Lehren und moralphilosophischen Reflexionen andererseits. Die Diskrepanz zwischen Bracciolinis und Vallas Nachahmungsverfahren äußert sich daher in der konkreten Auslegung des imitativen Verbindlichkeitsgrades. Poggio setzte auf eine stilistische Similarität zwischen Original und Imitation, was er in seinen Schriften mit dem Begriff vetustas, von Ronald Witt als flavor of Antiquity übersetzt128, zum Ausdruck brachte. Seine Auffassung entsprach durchaus dem Perzeptionsrahmen seiner Zeitgenossen. In Leonardo Brunis Gutachten von Vallas moralphilosophischen Dialog De vero bono aus dem Jahr 1433 findet sich beispielsweise eine explizite Beurteilung seines Stils, die auf die in den humanistischen Diskursen wiederkehrenden Wahrnehmungskategorien verweist und die feldspezifische Orthodoxie als solche prägte129. Bruni lobte die lexikalische Gestaltung (copia und varietas), ferner die rhetorische Ausschmückung (tropi und figuare), welche die antike Ausdrucksstärke und Ästhetik, verbaliter „Würde und Schönheit der Altvorderen“ (veterum dignitas et amenitas), zur Schau stellen130. Eine die vetustas bzw. dignitas und amenitas berücksichtigende Komposition musste einen Wiedererkennungswert zu den antiken
Bracciolini 1984, Lettere 1, Ep. 43 an Niccolò Niccoli, S. 115–118, hier S. 117: Quod autem hunc sermonem inferiorem epistolis meis iudicas, id sentis recte, et ita esse concedo; verum de industria a me factum est. Non solum enim non accersivi, sed in multis rebus declinavi ornatum dicendi. Lege opera Ciceronis nostri, hoc est dialogos suos omnes, De oratore excipio; tranquilla quadam et pacata sunt eloquentia, si orationes consideres aut epistolas suas. Nolui videri nimium elaboratus, aut qui expiscatus fuerim dicendi flosculos et ornamenta omnia. Bracciolini 1984, Lettere 2, Ep. 2, 20, S. 88–89, an Ambrogio Traversari, hier S. 88: [...] idque a Cicerone observari video, cuius eloquentia, si licet parvis componere maxima, longe redundantior copiosiorque est in epistolis quam in suis dialogis exceptis libris De oratore. Temperatum est neque redundans, sed quietum et pacatum scribendi genus dialogorum, epistole autem ornatiores uberioresque videntur; quod idem ab reliquis priscis illis doctissimis viris usitatum videmus. Vgl. dazu McLaughlin 1995, S. 127 f. und Canfora 2007, S. 57 ff. Vgl. Witt 2000, S. 28. Auf den Brief wird unten in Kapitel 2.3.1. noch einzugehen sein. Valla 2013, Correspondence, Ep. 2B, Leonardo Bruni an Valla, S. 22–24, hier S. 24: De verbis autem, hoc est de figura dicendi, dico tibi aperte quantum intelligo. Stilus ipse tuus mihi laudabilis probandusque videtur: habet enim et copiam et varietatem, et intersunt tropi quidam ac figure veterum dignitatem et amenitatem quandam pre se ferentes, complexioque ipsa et ambitus plerisque in locis numerose cadit. Auch hebt Bruni die in seinem Rhetorikverständnis äußerst wichtige periodische Struktur hervor, ein Aspekt, der in der Bracciolini-Valla-Kontroverse jedoch nicht versachlicht wurde und auch im vallianischen Werk eine untergeordnete Rolle einnimmt. Witt 2000, S. 27 f. bringt vetustas explizit mit der generic imitation in Verbindung, d. h. mit dem „ersten“ Ciceronianismus.
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Vorbildern beinhalten, die durch syntaktische und lexikalische Übernahmen, rhetorische Ausschmückungen, topische Wendungen und (un)markierte Zitationen erworben werden konnte. Allerdings, und dies ist elementar zum Verständnis der vorherrschenden Imitationstechnik, existierte keine strikte Formel oder ein standardisiertes Bewertungsschema, die eine bestimmte Latinitätsauslegung voraussetzten. Der Authentizitätsgrad der angestrebten, bislang jedoch nicht normierten Latinitas musste folglich permanent geprüft und aktualisiert werden; folglich war sie steten Veränderungen unterworfen. Vallas imitatio dagegen setzte eine strikte Verbindlichkeit zu in der antiken lateinischen Literatur belegten Redeweisen, d. h. zur Lexik und zu Phrasemen voraus, die wiederum für prosaische Texte auf kongruente Modelle beschränkt sein mussten. Diese Divergenz markiert den tiefgreifenden Einschnitt im frühhumanistischen Nachahmungsdiskurs, der sich in der Bracciolini-Valla-Kontroverse als Paradigmenwechsel äußerte und sowohl die Nachahmung als Verfahren als auch die Debatten über ihre Ausführungen und Voraussetzungen konfigurierte. Bracciolini und die Mehrheit seiner Zeitgenossen assoziierten das petrarkistische Nachahmungsverfahren vorwiegend mit Cicero; seinen Briefen, Reden und Dialogen, aber auch seiner grundsätzlichen Methodik wie auch seinen Lehren wiesen sie Modellcharakter zu131. Daher musste Vallas polemisierte Hiwendung zu Quintilian, allen voran in seiner heute verschollenen Comparatio Ciceronis Quintilianique formuliert, als bewusst artikulierte Provokation aufgefasst werden132. Er stellte Quintilian neben
Vgl. auch Apel 1980, S. 180 f. In der dritten oratio Poggios finden sich womöglich Aussagen aus der bislang verschollenen Comparatio Ciceroni Quintilianique, wofür die positive Hervorhebung Quintilians und die ostentative Herabsetzung Ciceros als „erster Redner“ spricht. Über letzteren Punkt empört er sich sichtlich und weist zu Recht auf die lange Tradition römischer wie griechischer Redner hin, die von Cicero selbst erwähnt werden. Mit großer Sicherheit entkontextualisiert er auch hier die Aussage seines Kontrahenten. Plausibler erscheint, dass Valla auf den Umstand hinwies, dass Cicero der erste Redner war, der ein umfassend überliefertes Werk über die lateinische Rhetorik hinterlassen hat. Bracciolini 1964d, Invectiva tertia, S. 241: Dicit Ciceronem non recte dixisse, qui scripserit in prooemio librorum ad Herennium: «Etsi negociis familiaribus impediti» [Rhet. Her. 1, 1], non enim tantum familiae negociis, sed multo magis rebus publicis erat impeditus. Itaque ‚familiaribus et publicis negociis‘ scribendum fuisse ait. «In philosophia consumere consueuimus» Cicero ait. Non ‚consueuimus‘, sed ‚decreuimus‘ ponendum fuisse, asserit nouus ceruus noster loquax. Denique in singulis paginis aut in arte dicendi, aut in uerbis latinis non recte positis multa Ciceroni uitia ascribit et melius suo modo scribi debuisse proclamat. Asserit eum primum oratorem fuisse, ut non mirum sit, si in multis errauit. Quintilianum uero posteriorem ideo longe praestantiorem extitisse Cicerone, inquit multis illum correxisse. O quanta est furentis beluae coecitas. Vbinam didicit Tullium primum fuisse oratorem? Dicit more insani, ad firmandam stultitiam quicquid temere opinatur. Sed ubinam reperit Tullium primum oratorem fuisse? Cum Crassus, Caesar, Antonius, quos in libris de oratore tantopere laudat. Gracchi quoque et alii plures, quos in Bruto nominat, summi praeclarique oratores antea extiterint. Möglich ist auch, dass Bracciolini hier eine vallianische Vorlesung wiedergibt, siehe dazu den Hinweis in seinem Brief an Bartolomeo Ghiselardi, Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 26, S. 220–221, hier S. 220: Etiam anno preterito [scil. 1453] dum Rome
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Cicero als gleichrangige Referenzgröße und brach hierdurch eine bislang akzeptierte humanistische Denkkonvention, die zum Zeitpunkt des Streites noch eine weitestgehend symbolische und weniger inhaltliche oder stilistische Diskussion zur Folge hatte. Vallas mutmaßliche Kritik an Cicero, die Poggio mehrfach in seinen orationes anführt, erweitert er um eine kultisch anmutende Verehrung Quintilians, die das Werk seines Gegners kennzeichne133. Auf diesen Vorwurf reagierte Valla konkret und ohne Ausflüchte: Er bekannte sich zu beiden seiner Ansicht nach intellektuell gegenseitig bedingenden Schriftstellern. In seiner Rechtfertigung spricht er von einer notwendigen Verflechtung der beiden Bezugsgrößen. Cicero stellt er unmissverständlich Quintilian zur Seite und wirbt an dieser Stelle für einen pluralistischen Zugang sowohl zum lateinischen Ausdruck als solchen als auch zur Rhetoriklehre, was jedoch die von Poggio und anderen Zeitgenossen propagierte Rangfolge der veteres veränderte und den gemeinhin anerkannten Status Ciceros faktisch verminderte134. Für Poggio und die Mehrheit der zeitgenössischen Humanisten stellte Cicero die essentielle „Quelle“ (fons) der Rhetorik dar; Quintilian wurde als systematisierender Interpret oder bild-
essem, cum Virgilium et Ciceronis ad Herennium libros legeret, utrumque acriter quotidie reprehendebat [...]. Wenngleich Valla Bracciolini zufolge die quintilianische Überlegenheit stets betone, so könne sein Gegner selbst dann nicht von seinen „Misshandlungen“ ablassen, wie er anhand eines Beleges zu demonstrieren versucht: In Bezug auf die Verwendung des Adverbs adeo vermag Valla im entsprechenden Kapitel seiner Elegantiae nachzuweisen, dass auf adeo nicht zwangsläufig die Subjunktion ut folgen müsse, was er mit einer alternativen Formulierung aus dem zwölften Buch der Institutio oratoria aufzeigt. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 200: Quintilianum suum, quem omnibus ingeniis sine controuersia et ipso Varrone doctiorem affirmat, nequaquam eximit a contumelia caeterorum, neque passus est suae dicacitati licuisse sic dicere inquit adeo expertem. Qui cum scripserit «adeo ut paulominus promptis etiam noceat scripsisse» [Quint. inst. 12, 9, 16, 4] licuisse sic dicere inquit, adeo paulominus promptis etiam nocet scripsisse. Vgl. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, 45, S. 266–268, hier S. 266: Significat [scil. adeo] etiam ‚in tantum‘ nonnunquam sequente ‚ut‘, nonnunquam non sequente [...]. Zu Vallas Antwort mit stilisierter Empörung siehe Valla 1978, Antidotum primum 1, 109–118, S. 106–108, hier 115, S. 108. Zu diesem Beispiel ausführlicher unten, Kap. 2.2.2.1. Valla 1978, Antidotum primum 1, 116–118, S. 108: [...] de quo [scil. Cicerone] Quintilianus cum alia multa, tum vero illud: «Ille – inquit – se profecisse sciat cui Cicero valde placebit.» [Quint. inst. 10, 1, 112] Ex quo palam est me quidem, cui si Quintilianus placet nimirum et Cicero valde placet, profecisse, tibi vero, qui nihil profecisti, neque Quintilianum placere neque Ciceronem. De quibus duobus ita sentio, ne alia attingam que ad utriusque laudes pertinent, neminem posse neque Quintilianum intelligere, nisi Ciceronem optime teneat, nec Ciceronem probe sequi, nisi Quintiliano pareat, nec unquam fuisse quempiam eloquentem post Quintilianum nec esse posse nisi qui se totum arti eius formandum imitationique tradiderit. Et qui talis non est, huic ego me, quantuscunque is fuerit, in dicendo longe antepono. Vides, quantum Quintiliano tribuo? Zur Bewertung der beiden auctores im vallianischen Gesamtwerk bes. Dreischmeier 2017, S. 141–143. Zu der Anzahl der am häufigsten zitierten Autoren in den Elegantiae vgl. Bonmatí Sánchez 2006, S. 23 f. und Dreischmeier 2017, S. 109, Anm. 46, Cicero wird 557 (elf davon sind der Herennius-Rhetorik zuzuordnen), Quintilian 527 Mal herangezogen. Dies hängt natürlich auch unweigerlich mit der Viezahl an überlieferten ciceronianischen Schriften und ihrem breiten Themenspektrum zusammen.
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lich als einer der „Bächlein“ (rivuli) herabgestuft, der allein aus dem princeps eloquentiae schöpfte und daher keinen authentischen Zugang zur Beredsamkeit habe bieten können135. Vallas Insistieren auf eine Gleichstellung beider Redner läutete einen Wandel im humanistischen Autoritätsverständnis ein und antizipierte bereits die in späteren Disputen diskutierte Frage nach stilistischen und rhetorischen Modellinstitutionen, die sich entweder auf ein einziges Vorbild, wie im (zweiten) Ciceronianismus, oder auf ein eklektisches Gefüge mehrerer kongruenter Autoren stützten136. Die Reaktion Bracciolinis auf seine Briefkorrekturen, aber auch die von Valla mündlich vorgenommenen Verbesserungen der Redebeiträge seines Rivalen Antonio Beccadelli im neapolitanischen Gelehrtenkreis unter königlichem Vorsitz, die sodann in Facios Invektiven als maßgeblicher Konventionsbruch beklagt wurden, belegen den Stellenwert und die sozialkonstruktive Dimension der Latinitätsaushandlung innerhalb des humanistischen Feldes137. Eine elaborierte, von seinen Mitgliedern als angemessen eingestufte lateinische Ausdrucksweise musste „konventionell“, d. h. reziprok durch eine implizite Übereinkunft ermittelt und ständig evaluiert werden. Über den Erfolg oder Misserfolg der imitatio sollte, wie Bracciolini mehrfach betont, die Leserschaft entscheiden, deren Auffassung von Latinität von ihrer intellektuellen Sozialisierung und den sozio-kulturellen Rahmenbedingungen abhängig war138. Widerspruch
Siehe bes. den Brief Poggios an Domenico Sabino, der temporär am florentinischen studium Vorlesungen hielt und sich eindeutig zu Cicero bekannte. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 7, 16, S. 344–345: Ego in primis tuum ingenium laudo et simul approbo consilium a te optime institutum, ut in perdiscenda eloquentie facultate non rivulos, ut nonnulli insulsi, sectatus sis, sed ipsum eloquentie fontem, a quo omnis ad posteros dicendi ornatus et copia emanavit. [...] Das humanistische Credo ad fontem wurde in diesem Zusammenhang evoziert. Siehe dazu Poggios eigenes Bekenntnis, ebd. S. 345: Quicquid tamen in me est, hoc totum acceptum refero Ciceroni, quem eligi ad eloquentiam docendam cupis. Zum Brief im Hinblick auf die Kontroverse am florentinischen studium, die zwei Jahre nach dem Streit zwischen Poggio und Valla stattfand, Field 1988, hier S. 96 f. Vgl. Cesarini Martinelli 1980, hier S. 43 f.; pointiert Mori 2020b, S. 165.: „Based on his programmatic statements alone, Valla would certainly appear as an anti-Ciceronian. Yet, in practice, the opposite is true. [...] Conversely, Poggio considers Cicero as the greatest of all Latin authors, even though his own Latin style is fairly un-Ciceronian, being characterzied by a remarkable degree of stylistic hybridization.“ Hier muss nicht allein die Diskrepanz zwischen stilistischem Anspruch und Wirklichkeit in Betracht gezogen werden, sondern vor allem der symbolische Gehalt derartiger Bekenntnisse, was sich an der Kontroverse um Vallas Comparatio deutlich zeigen lässt. Vgl. zu den Kontroversen um den zweiten Ciceronianismus am Ende des 15. Jahrhunderts bes. Celenza 2018, S. 372–400. Facio 1978, Invective in Laurentium Vallam 1, S. 90: Quotiens ego te vidi, legente Antonio Panormita, eruditissimo viro, Livium apud hunc excellentissimum regem nostrum [scil. König Alfons V.], ceteris qui aderant per summum silentium audientibus, illum a te interpellari et molestas disputationes a te inferri, nec tempori certe nec loco consentaneas? Ut sepe miratus sim tam patientes esse regis aures, quin te sublimem rapi ac loris cedi, tanquam loquacem ac molestum interpellatorem iusserit. Dazu Vallas Antwort, Valla 1981, Antidotum in Facium 4, 1, 5 ff., S. 303 f. Beispielweise Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 224: Sed eam curam relinquo doctioribus, qui rectius quam tu iudicabunt. Ebd., S. 225 f.: Sed ego eius loquacitati nequaquam respondi, relinquens iudicium eorum quae dixi doctioribus qui ea legerint. [...] Doctorum ego uirorum scientiae acquiescam, qui
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gegenüber der opinio communis wurde als schwerer Fehltritt geahndet, wie das Beispiel Beccadellis bezeugt. Sein Ruf als humanistischer Poet war, wie Facio betont, gefestigt, weshalb Vallas öffentlich vorgetragene und daher simultan als Herabsetzungsversuch wahrgenommene Kritik einen Eklat auslöste139. Auch Poggios stilistischer Synkretismus war ohne Vorbehalt mit der humanistischen Orthodoxie vereinbar. Weder zweifelten seine Zeitgenossen an der sprachlichen Gestaltung seiner Kompositionen noch an seiner intellektuellen Eignung. Dieser Umstand verdeutlicht, dass eine restriktive Auffassung der Latinität, die allein klassisch belegte Formulierungen, Phraseme oder Semantiken erlaubte, bis zur Mitte des Quattrocentos keine diskursive Vorbedingung darstellte oder gar einen axiomatischen Grundsatz bildete. Vallas nomothetisch ausgerichteten Elegantiae können folglich auch als sozialer „Fehltritt“ eingestuft werden, welcher die eingespielte Praxis einer gemeinschaftlich konstituierten Latinität störte und zu ersetzen suchte. Batholomeo Facio, Antonio Becadelli und Bracciolini fochten öffentlichkeitswirksam eine diktierte Regulation des lateinischen Sprachgebrauchs sowie die einhergehende Neukanonisierung der antiken Autoren in Form einer vermeintlich neuartigen Semiotik unter dem Latinitas-Index vallianischer Prägung an. Sie schrieben der elegantia-Konzeption, den vorgebrachten Herabwürdigungen zum Trotz, eine starke Wirkkraft zu, was die diskursive Sprengkraft der Elegantiae anschaulich sichtbar werden lässt. Pejorativ spricht Facio in seinen Invektiven von einer grammatica Laurentiana, die ihm zufolge einerseits den etablierten Grammatikregeln der spätantiken Grammatiker zuwiderlaufe, andererseits eine neue Normierung festlege, die durch keine Autorität lizenziert worden sei140. Die Namensgebung lässt nicht allein die abwertend gezeichnete Eigenart der vermeint-
grauius et maturius a nobis dicta ponderabunt. Ebd, S. 231: Sed ea peritiorum quastioni et iudicio relinquo. Seine mehrfach im Verlauf des Streits vorgenommene symbolische Delegation kommt jedoch implizit einem Eingeständnis seiner begrenzten Kompetenzen in diesem Themenkomplex gleich, was sein Widersacher genüsslich im prooemium seines Apologus zu apostrophieren weiß. Valla 2006, Apologus 1, 1, S. 46: In qua nihil admodum de iure causae suae disputat, quasi plane victus superatusque, sed totus in maledictis conviciisque versatur. [...] Qui enim adversus argumenta, rationes, probationes, non argumentis sed opprobriis, non rationibus sed conviciis, non probationibus sed spurciciis agit, is certe declarat se imparem ac victum esse [...]. Zum Zeitpunkt der Komposition hat Valla, wie er selbst sagt ([e]am [scil. invectivam] nondum ego habere potui), die oratio secunda noch nicht selbst lesen können, scheint aber ausreichend über ihren Inhalt informiert worden zu sein. Vgl. zur Delegation auch Martinelli 1980, S. 42 f.; Mori 2020b, S.149 ff. und Mout 1998, S. 56 ff. Facio 1978, Invective in Laurentium Vallam 1, S. 91: Antonium Panormitam, singularem poetam (et quo magis vituperandus es) optime de te meritum, a rege atque adeo ab omnibus prestantissimum iudicatum et in magno honore habitum, irrides atque despicis. Vallas Feindschaft gegenüber Beccadelli wird sodann mit seiner Autoritätskritik in Verbindung gebracht: Sed quid mirandum est illos a te sperni, qui nostra etate nati sunt, quorum laudes propter invidiam equis auribus ferre non potes, cum etiam antiquis auctoribus, et his quidem probatissimis et clarissimis, detrahas? Exemplarisch Facio 1978, Invective in Laurentium Vallam 1, S. 66: Et hoc quoque ex illa tua Laurentiana grammatica depromptum est [...]. Ebd., S. 67: Potest enim satis intelligi ac iudicari ex his qualis grammaticus sis, qui te in ea re Prisciano superiorem putas. Ebd., S. 91: Priscianum, optimum grammatice auctorem, nescisse grammaticam arguis, cuius te plus quam ducentos errores correxisse gloriaris [...]. Zu
2.1 Die imitatio zwischen Theorie und Praxis
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lich neuen linguistischen Lehre Vallas zu Tage treten, sondern auch die autoritätskritische, d. h. mutmaßlich gegen die antiken Schriftsteller gerichtete Stoßrichtung. In seiner Dokumentation von Vallas mutmaßlichen linguistischen Fehlschlüssen kontert Facio ebenso wie Poggio mit maximal zwei Belegstellen aus den Schriften der klassischen auctores, während er ohne zusätzliche Überprüfung die spätantiken Grammatiker als regelsetzende Instanzen anführt141. Die Verfahrensweisen von Facio und Bracciolini sowohl hinsichtlich ihrer Stilverteidigung als auch ihrer Kritik an Valla ähneln sich stark und verdeutlichen die von ihnen und ihren Zeitgenossen wahrgenommene Problematik in Hinblick auf die De-Autorisierung der spätantiken Grammatiker und sonstiger, bislang dem „klassischen“ Altertum zugerechneten Schriftsteller wie Boethius oder den Kirchenvätern142. Sie plädierten für die Fortsetzung eines individuell-eklektischen Zuganges zur lateinischen Sprache im Sinne der von Petrarca herausgearbeiteten imitativen Leitlinien: Die individuelle Autorität der jeweiligen Autoren sollte berücksichtigt werden, während potentielle Diskrepanzen als persönliche Eigenart nicht nur zugelassen, sondern sogar ausdrücklich für eine erfolgreiche, d. h. nicht kopierende Nachahmung erwartet worden sind143. Ein Blick auf zeitgenössische, zumeist in Briefform formulierte Bildungstraktate weist noch auf einen weiteren Konventionsbruch hin, der sich aus der apodiktischen Institution eines normierten Latinitätsverständnisses ergab. Für die individuelle Stilgenese plädierten namenhaften Humanisten wie Leonardo Bruni oder Enea Silvio Piccolomini, nach wie vor den Grundzügen der petrarkistischen imitatio folgend, für ein selbstständiges Studium der antiken Literatur. Die Auseinandersetzung mit den auctores sollte zwar von einem Grammatikunterricht flankiert werden, aber den intimen
Facios philologischer Methode, die tendenziell dem zeitgenössischen Stand entsprach und daher im Konflikt gegen Valla argumentativ überzeugend sein musste, ausführlich VITI 2007. Vgl. bes. Viti 2007, S. 159 ff.; Mori 2020b, S. 151 ff. und Worstbrock 2004, S. 103 ff., bes. S. 107 f. Poggio kompensiert seine ihm offenbar bewusste argumentative Schwäche ebenso mit einem Rückgriff auf die neapolitanische Auseinandersetzung, in welcher ihm zufolge Facio zur Genüge die sprachlichen Fehler Vallas dokumentiert habe. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 224: Vgl. nach wie vor die umfangreiche Einführung zum vallianischen Antidotum in Facium von Regoliosi 1981, S. XIII–LXXXIV, bes. in Hinblick auf die Gesta Ferdinandi regis S. XXXIV–XLVI; zu Facios Invectiven vgl. Rao 1978, S. 35–42. Zu den disparaten historiographischen Verständnissen von Facio und Valla Baker 2016. Jüngst auch Abbamonte 2021. Vgl. in Bezug auf Poggio bes. Struever 1970, S. 146 ff., hier S. 148: „But if there is a continuity between Petrarchan and classical ideas of imitation, there is also a connection between Petrarch and Poggio in their sense of free literary identity.“ Siehe auch Ulivi 1959, S. 7–25, hier zu Poggio S. 16 f. Bereits ByungChul Lim 2004, S. 71 f., wies in seiner Dissertation auf den offensichtlichen Bruch Vallas mit Petrarcas imitatio-Verständnis hin. Vgl. zum Einfluss Petrarcas Apel 1980, S. 183 und Anm. 274. Valla sollte den von den Humanisten als geistigen Vater ihrer Bewegung stilisierten Gelehrten ebenso wegen seines lateinischen Ausdrucks ebenso schelten und als Negativbeispiel anführen, vgl. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, 1, S. 200: Quem imitari Petrarcha si scivisset, non titulum operi suo indidisset ʻDe sui et aliorum ignorantiaʼ, sed de sua. Aliud namque est ignorantia sui, aliud ignorantia sua. Si tamen sensit de ignorantia, quam de se habuit, recte dixit. Zu Vallas Kritik an Petrarca im Kontext des Sprachdiskurses auch Celenza 2005b, S. 521. Zur Frage nach der Künstlichkeit von Vallas Rekonstruktion bes. Regoliosi 2001.
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Dialog zwischen Imitator und den jeweiligen Bezugsgrößen unangetastet lassen, um die individuelle Erfahrung mit dem Altertum erhalten zu können144. Vallas Elegantiae sollten weder den Lateinunterricht als solchen noch das eigenverantwortliche Literaturstudium ersetzen, sondern allein als (autoritativer) Leitfaden korrigierend unterstützen. Nichtsdestoweniger musste es die in diversen humanistischen Bildungstraktaten implizierte Autonomie des Imitators beschneiden und das Aneignungsverfahren erheblich vereinfachen. Komplexitätsreduktionen gehen konsequenterweise mit einem Verlust von Selbstständigkeit und intellektueller Mündigkeit einher, einen Umstand, den Vallas Zeitgenossen als arrogantia oder insolentia vehement ablehnten und hierdurch ihr eigenes literarisches Schaffen in Bedrängnis wähnten.
2.2 Sprachphilosophische und soziokulturelle Prämissen 2.2.1 Das Spannungsverhältnis von ratio und auctoritas Die Thematisierung der sprachphilosophischen Prämissen fällt im Vergleich zur Versachlichung ihrer jeweiligen Nachahmungsverfahren oberflächlich aus; die Verbalisierung ihrer Standpunkte mutet schwerfällig an, was auf eine fehlende Fachterminologie hindeutet. Grundsätzlich kollidierten zwei divergente Sprachverständnisse, ihre Auffassungen von konkreten Ausdrucksabsichten, von Sinnkonstitution und von der sprachlichen Darstellungsfunktion hinsichtlich der verba-res-Dichotomie, d. h. von dem Verhältnis zwischen sprachlicher Form und den jeweils artikulierten Inhalten. Die Revision von bislang etablierten Bedeutungsbestimmungen (vis verborum) über den artifiziell rekonstruierten und pluralisierenden usus loquendi stuft Poggio als grundlegende Missachtung der lateinischen Sprache ein. Wie sein Widersacher verortet er das Wissen über das Lateinische in den jeweiligen Schriften der antiken auctores. Er präzisiert Vallas Gebrauch der ratio für seine Regulationsvorschläge in den Elegantiae, die er als alternative, d. h. in Opposition zu den einzelnen Autoren stehende Grundlage einer eigenen Semiotik versteht:
Siehe die Hinweise auf die Eigenständigkeit und das eigene iudicium, Bruni 2002, De studiis et literis liber, 8, S. 98: Sive saecularibus delectetur, Tullium arripiet [...]. Quanta facundia! Quanta copia! Quam perfectum in litteris! Quam in omni genere laudis singularem! Proximus huic Vergilius erit, decus ac deliciae litterarum nostrarum. Livius deinde et Sallustius et alii poetaeque et scriptores suo ordine subsequentur. His se maxime imbuet atque alet curabitque diligenter ut, quotiens ei vel loquendum sit aliquid vel scribendum, nullum ponat verbum quod non in aliquo istorum ante reppererit. Piccolomini 2002, De liberorum educatione, 56, S. 202: Auctoritas ab oratoribus vel historicis peti solet, nec minus a poetis [...]. Nam etsi potest videri nihil peccare qui utitur his verbis quae summi auctores tradiderunt, multum tamen refert, non solum quid dixerint animadvertere, sed etiam quid persuaserint. Ebd., 58, S. 204: Sed est hic quoque iudicium necessarium, ne passim vulgus imitemur. Piccolimini rezipiert in seinem Bildungsbrief bereits umfassend die Institutio oratoria Quintilians. Vgl. bes. Greene 1976, S. 7 f.; S. 213; Gouwens 1998, S. 63 f. und Lim 2004, S. 74.
2.2 Sprachphilosophische und soziokulturelle Prämissen
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Die Eigenschaft (propietas), die Bedeutung (vis), der Sinn (significatio), die syntaktische Zusammensetzung (constructio) der lateinischen Worte ist nicht so sehr durch Vernunft (ratio) als durch die Autorität (auctoritas) der alten Schreiber festgelegt. Durch die Wegnahme der Autorität ist es unabdingbar, dass das Fundament und der Grundpfeiler der lateinischen Sprache verloren gehen. Der lateinische Sprachgebrauch (loquendi usus) war nämlich immer der Lehrer, der allein in den Büchern und Schriften der altehrwürdigen Autoren bewahrt wird. Dieser wahnsinnige Lästerer fügt, nachdem er die Autorität aller Altvorderen beseitigt hat, den Worten neue Bedeutungen zu. Er erklärt eine neue Art des Schreibens [und] er bedient sich einer so großen Anmaßung, dass er sich allein mehr Autorität zuteilt als all den übrigen.145
Der äquivoke Begriff ratio meint als philologischer Fachbegriff die analogische Schlussfolgerung, die Valla jedoch ausdrücklich als fehleranfällige Methode zurückweist146. Bracciolini denotiert jedoch an dieser Stelle mit ratio die induktive Ableitung, die unmittelbar mit dem eigenen Urteilsvermögen (iudicium) zusammenhängt147. Aufgrund der Tatsache, Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 203: Latinorum uerborum proprietas, uis, significatio, constructio non tantum ratione, quantum ueterum scriptorum autoritate constant. Qua sublata latinae linguae fundamentum et sustentaculum pereat necesse est. Latine enim loquendi usus semper fuit magister, qui solum autorum priscorum libris et scriptis continetur. Iste uesanus conuitiator, superiorum omnium autoritate semota, noua sensa uerbis indidit, nouum scribendi morem introducit, tanta praesumptione usus, ut sibi soli plusquam reliquis omnibus tribuat autoritatis. Siehe bes. die Anklänge an Cic. Brut. 258: Solum quidem, inquit ille [scil. Pomponius], et quasi fundamentum oratoris vides, locutionem emendatam et Latinam, cuius penes quos laus adhuc fuit, non fuit rationis aut scientiae, sed quasi bonae consuetudinis. [...] Quo magis expurgandus est sermo et adhibenda tamquam obrussa ratio, quae mutari non potest, nec utendum pravissima consuetudinis regula. Salvatore Camporeale 1972, S. 180–192, hier S. 181 f. stellt hier einen Widerspruch Poggios zu seinem dritten Dialog seiner Historia disceptativa tripartitia convivalis fest. Dort argumentiert Bracciolini, dass die antiken Gelehrten die Sprache über die ratio erlernt und entsprechend „grammatisch“ und „gelehrt“ gesprochen haben (grammatice loqui bzw. loquendi doctrina), während alle übrigen Römer den Zugang zur lingua latina allein über den Sprachgebrauch (usus) erhalten haben, was seiner hiesigen Aussage in seiner oratio prima scheinbar zuwiderläuft. Camporeale übersieht jedoch, dass Poggio hier von der ratio der antiken docti, d. h. von den auctores prisci und veteres spricht, während er in Vallas ratio eine ungeeignete, der auctoritas und entsprechend ihrer ratio gegensätzliche Vorgehensweise zu erkennen glaubt. Zu dieser Stelle bes. Cesarini Martinelli 1980, S. 46 f.; siehe auch Lim 2004, S. 37 f. und 40 ff. und Mori 2020b, S. 156 ff. Zum komplexen Verhältnis von auctoritas und ratio bei Valla bes. De Caprio 1978, zur Wechselwirkung von usus und ratio Percival 1996 und Regoliosi 2010a. Siehe auch Field 1988, S. 93–96. Vgl. u. a. Wels 2000, S. 37–56. Cesarini Martinelli 1980, S. 71–76, hier S. 75 f., kommt in ihrer Analyse des oben, Kap. 2.1.1. besprochenen Kapitels 2,1 der Elegantiae zu dem Schluss, dass Valla letztlich eine künstliche Sprache herleite, die weniger auf dem usus als vielmehr auf der ratio basiere: „Se si cerca di comprendere che cosa sia veramente, per Valla, la regola, si ricava l’impressione che essa sia qualcosa di piú consistente che una specie di legge fondata sulla statistica. Di fatto l’uso maggioritario di una forma linguistica presso gli auctores sembra avere anche una sua legittimazione teorica: se gli antichi hanno usato molto una certa espressione, e poco un’altradifferente, ciò significa che approvavano la prima e meno la seconda, che sarà perciò più prudente evitare.“ Widerspruch kommt von Regoliosi 2000 und dies. 2010, bes. S. 128, die insbesondere auf die empirische Grundlage Vallas verweist und letztlich seine eigene Begründung übernimmt, bloß einen Sprachgebrauch abzuleiten und nicht eigene Regeln aufzustellen. Dazu auch Moss 2003, S. 42.
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dass Valla auf seine eigene ratio setze, um die Semantik der lateinische Sprache zu bestimmen, unterminiere er hierdurch die Autorität (auctoritas) der antiken Autoren. Durch dieses Vorgehen beanspruche er, sich selbst zu einer bedeutungskonstituierenden Autorität zu erheben, die neue Regeln zum Gebrauch und zur Sinnerschließung des Lateinischen aufstellt. Hier muss gründlich auf die von Poggio verwendete Gebäudemetapher geachtet werden: Das „Fundament“ und der „Grundpfeiler“ des Lateinischen würden „verloren gehen“, die Autorität selbst „beseitigt“ und „neue Formen des Sprechens“ eingeführt werden, sobald der „Sprachgebrauch“ der einzelnen Autoren missachtet werde. Valla entziehe dem lateinischen Sprachgebäude seine Grundlagen, wodurch die Sprache in sich zusammenbreche. Poggio stellt zudem ein Spannungsverhältnis zwischen antiker Autorität, die einem unangefochtenen und ewigen Ideal entspricht, auf der einen und der zeitgenössischen Interpretation seitens Vallas mit einhergehender Autorisierung auf der anderen Seite fest, die er selbst zu Gunsten seiner Position implizit als „Verteidiger“ der Altvorderen auszuhandeln versuche. Ferner wirft er zudem indirekt die Frage auf, wer über die Definitionsmacht über das Altertum und seiner Wissensträger verfügt, welche Deutungsmöglichkeiten dieser Anspruch umfasst und welche Applikationen und Modifikationen im Verhältnis zu dem sprachlich gespeicherten Wissen legitim erscheinen. Er streitet Vallas Geltungspostulat ab, als von ihm als präskriptiv deklarierte Regeln aus den Schriften der auctores abzuleiten, da er durch die Analyse und Synthese der antiken Texte sich selbst eine dem autoritativen Status der Schriftsteller übersteigende Interpretationsmacht zuschreibe und eine artifizielle Sprache erschaffe, die mit dem historisch tatsächlich gesprochenen und geschriebenen Latein nichts mehr gemein habe. Der Vorwurf, Valla habe „neue“ Bedeutungen und Schreibarten aufgestellt, steht folglich im Gegensatz zu der ursprünglichen, d. h. von der jeweiligen Autorität festgelegten Semantik, was, nach Bracciolinis Empfinden, konsequenterweise zu einer fehlerhaften Interpretation der lateinischen Sprache führen müsse. Implizit wird hier zudem das kontemporäre Sprachverständnis mitgedacht: Die Berücksichtigung der den einzelnen Autoren zugeschriebenen Sprechweisen ermögliche erst eine reziproke Verständigung, die durch den vallianischen Ansatz jedoch verworfen wird. Deutet Valla den usus loquendi als Summe von Redestilen verschiedener Autoren, bezieht Poggio den Sprachgebrauch auf die individuellen Ausdrucksweisen der jeweiligen Schriftsteller, die konsequenterweise nebeneinander stehen und jeweils als linguistischer Fundus fungieren können. Konkret lehnt er Vallas eigenwillige und auf seinen propagierten praecepta basierende Neuinterpretation des Lateinischen gemäß seiner restriktiven ratio ab. 2.2.1.1 Eingriffe in die Überlieferungsträger Die ratio bzw. das ihr inhärente iudicium erweist sich in Vallas elegantia-Konzeption als de-autorisierendes Moment, das auch in der späteren Ciceronianismus-Debatte den Diskurs prägen sollte und in der vorliegenden Kontroverse bereits umfänglich vorwegge-
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nommen wurde148. Bei dieser Verfahrensweise musste Valla zwangsläufig die teils unvereinbaren phraseologischen Variationen einer kritischen Prüfung unterziehen und bestimmten Ausdrucksweisen Vorzug geben. Dieser Umstand führte zu individuellen Präferenzen, die sich in Bewertungen und Korrekturen unterschiedlicher Formulierungen ausdrückten und die antiken Quellen als autoritative, unveränderliche Episteme in gewisser Weise zur Disposition stellten149. Dies lässt sich an einem Beispiel aus dem dritten Buch der Elegantiae, Kapitel 23, illustrieren, in dem explizit die Historia naturalis Pliniusʼ des Älteren einer Sprachkritik unterzogen wird. In dem besagten Kapitel behandelt Valla die korrekte Verwendung des Vokativs und stuft Formulierungen wie Defende me, domine; adiuva me, optime vir; tace, imperite homo als fehlerhaft ein, da stattdessen der Nominativ eingesetzt werden müsse. Nach der Besprechung der korrekten Nutzung kritisiert er zunächst den Vokativ appellate bei Plinius, Nat. hist. 7, 30, 117 (Salve primus omnium parens patriae appellate), der ostentativ nicht kongruent zu primus ist, weshalb er appellatus vorschlägt. Aber auch dies sei nicht plane latinum gewesen, weil der Vokativ prime anstatt primus hätte verwendet werden müssen. Allein durch einen Attributsatz könne die erste Variante lizenziert werden, wie Valla mit dem Beispiel Salve Marce Tulli, primus omnium parens patriae appellatus demonstriert. Dass sein Widerspruch gegenüber dem auctor Plinius zu Verwerfungen mit seinen Zeitgenossen führen wird, antizipiert er bereits polemisch in dem Abschnitt: quod etiam imperitiis ad reprehensionem patet150. An einer anderen Stelle der Elegantiae, wo Plinius erneut korrigiert wird, rechtfertigt sich Valla für sein Vorgehen, seinem iudicium, das er hier bereits implizit mit der Bemerkung non placet mihi evoziert, den Vorzug zu geben: Nach der Berichtigung einer stilistischen Diskrepanz in Hinblick auf die Verwendung des Ablativs respektive Genitivs als qualifizierende Phrase – dies zeigt er anhand der Formulierungen magna auctoritate est vir und magnae auctoritatis est vir – legitimiert er seine offensichtliche Abweichung vom usus loquendi im Anschluss: „Obwohl ich all das, was sich auf die Eleganz bezieht und den großen Autoren gefällt, als Gesetz annehme [Hervorhebung durch den Verfasser]“151. Valla agiert als selbstbewusster und letztlich autonomer Philologe, der die auctoritas nur noch bedingt als axiomatisch voraussetzt und sein eigenes Urteil über die Redeweisen der antiken auctores fällt. Er wertet seine pluralistische elegantia-Konzeption, die sich aus der abgeleiteten Summe der Ausdrucksweisen der auctores zusammensetzt, als lateinisches Ideal, an dem sich letztlich auch die antiken Schriftsteller selbst
Vgl. zur Problematik von Autoritätskanonisierungen Müller 1999a, S. 431. Siehe auch im Hinblick auf Erasmus von Rotterdam, der das vallianische Projekt explizit weiterführte, Dunn 1994, S. 21, ferner Schoeck 1993. Mit ausführlichem Beispiel Percival 1996, S. 141–143. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 3, 23, S. 334. Vgl. dazu die Kritik von Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 198; Percival 1996, S. 141 ff. behandelt eine ähnliche Kritik an Plinius d. Ä. zur Illustration von Vallas iudicium. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 3, 17, S. 324–326. Die Stelle hat Percival musterhaft analysiert und ebenso die Gewichtung des eigenen iudicium apostrophiert. Vgl. Percival 1996, S. 141 ff.
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messen lassen müssen – durch diesen Schritt setzte er sein iudicium über dasjenige der antiken Autoren. Seiner elegantia schreibt er folglich einen autoritativen Status zu, den er implizit mit seiner eigenen Person verknüpfte. Diesen linguistischen Abgleich verurteilte Bracciolini als Eingriff in die autoritativen Quellenbestände. Die aus seiner Sicht bloß als Emendationen getarnten Modifikationen der Wissensträger schlüsselt er in seiner confutatio der Elegantiae auf, wo er die einzelnen vallianischen Regularien als destruktives Verfahren ahndet. Er wertet vereinfachend jegliche analytische Anmerkung, Kommentar oder Modifizierung Vallas als Autoritätskritik, die er reprehensio nennt bzw. mit den Verben reprehendere und detrahere denotiert und als integralen Bestandteil seines studium bzw. seiner libido detrahendi erachtet. Diese Begriffe meinen die vermeintlich vorgenommene Revision von grammatischen Regeln oder Begriffsbestimmungen, die er als Dekonstruktion von Autorität fasst. Mithilfe der De-Autorisierung antiker und vereinzelt auch mittelalterlicher Schriftsteller soll Valla, laut Poggio, beabsichtigt haben, der gesamten Gelehrtenwelt seine eigenen linguistischen Gesetze (praecepta) aufzuoktroyieren und die Wissensträger an seine Sprachauffassung anzupassen, bzw. sie de facto umzuschreiben. In diesem Kontext muss Bracciolinis Argumentationsmodus näher beleuchtet werden. Johannes Helmrath hat in Hinblick auf die Bracciolini-Valla-Kontroverse bereits festgestellt, dass die gegnerischen Zitate der Invektiven oftmals „entkontextualisiert“ und „manchmal durchaus auch verkürzt, mithin verfälscht“ worden sind.152 Die Dimension dieser Verfälschungen bzw. der hieraus entstandenen Strohmann-Trugschlüsse, die sich zwangsläufig aus der falschen Wiedergabe ergeben, ist von der Forschung bisher nur punktuell bemerkt und für die Bewertung des Streits nicht weiter beachtet worden153. Von den insgesamt fünfzig Kritikpunkten in seiner ersten Rede, von denen einundvierzig explizit die Einzelkapitel der Elegantiae betreffen, nutzt Poggio vierzehn eindeutig als Strohmann-Argumente zu klassifizierende Kritikpunkte, während er die übrigen Auszüge ohne weitere Einordnung grob verkürzend zitiert154: Vallas explizite Widerrede gegen
Vgl. Helmrath 2010, S. 272: „Das Zitat – entkontextualisiert – und manchmal durchaus auch verkürzt, mithin verfälscht, erscheint dennoch als Dokumentationsgrundlage eines so begründeten wissenschaftlichen Dialogs (Zitataustausch mit Kommentar). Es enthält aber zugleich die Funktion des Prangers, das den Gegner gleichsam portionsweise, in Serie, zur Schau stellt.“ Die Nichtbeachtung der Strohmann-Argumentation lässt sich sicherlich vor allem damit begründen, dass Vallas philologische Kommentiererung in der Forschung bislang die größte Aufmerksamkeit erhalten hat und seine eigenen Klagen gegen Poggios Zitierweise, die er stets seinen Betrachtungen vorausschickt, womöglich als bloße Gegenangriffe ohne Grundlage gewertet wurden. Neben Helmrath 2010, S. 272, haben vor allem beiläufig Marsh 1984, S. 109, Field 1988, S. 94, und, in Bezug auf Vallas zweiten Akt seines Apologus, Mazzocco 1991, S. 70 ff. auf die verfälschenden und entkontextualisierten Wiedergaben hingewiesen. Siehe zu den jeweiligen Antworten auf Bracciolinis Strohmann-Argumenten gemäß der Reihenfolge in Poggios erster Invektive Valla 1978, Antidotum primum 1, 104–108, S. 105; 1, 87–92, S. 102; 1, 43, S. 92; 1, 72–76, S. 99; 1, 64–71, S. 98; 1, 51–56, S. 94; 1, 46–50, S. 93; 1, 37–41, S. 91 f.; 1, 99–103, S. 104; 1, 119– 129, S. 108; 1, 145, S. 114; 1, 109–118, S. 106 und 1, 93–98, S. 103.
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Aussagen der spätantiken Grammatiker lässt Poggio oftmals als Kritik an den autoritativen auctores erscheinen, während er Vallas vorgenommenen Emendationen an den Textzeugen als Eingriffe in die Quellentexte selbst interpretiert. Ebenfalls deutet er alternative Formulierungen als Angriff auf den jeweiligen Autor durch bewusste Entkontextualisierung der herangezogenen Stelle um. Dies lässt sich besonders an mutmaßlichen Verbesserungen von Terenz, Sallust, Plinius d. Ä. und Cicero darstellen. So beschuldigt Poggio Valla, dass er sich das Recht herausgenommen habe, Terenz zu korrigieren und wie einen „Schüler zu züchtigen“155. Der Dichter hätte in seinem Eunuchus Valla zufolge anstelle von Ecce autem alterum / nescio quid de amore loquitur den Akkusativ alterum durch den Nominativ alter ersetzen müssen, was sich jedoch als Verfälschung erweist, da Valla sich explizit von einer direkten Kritik an Terenz distanziert. Seinen Texteingriff drückt er im Präsens aus und beruft sich ebenso auf den dazugehörigen Donatus-Kommentar: ‚alter‘ scribi debet, non ‚alterum‘, Donato quoque probante156, während Poggio explizit ‚alter‘ scribi debuisse ait ohne weiteren Hinweis auf den Grammatiker schreibt. Terenz derartig zu verbessern, der als primus inter comicos bei allen gelte, sei ihm zufolge entsprechend zu bestrafen: „Welchen Kerker, welche Peitschenhiebe, welches Kreuz verdient dieser flüchtige Sklave, der seine Muttersprache nicht beherrscht, der ihm [scil. Terenz] vorwirft, dass er nicht lateinisch geschrieben habe [...]?“157 Ähnlich verfälscht Poggio eine Korrektur Vallas in Donatusʼ Kommentar zum Eunuchus, die er als Emendation der besagten Stelle des Dichters ausgibt158. Er verzichtet auch darauf, Vallas eigene Erklärungen und bisweilen auch Relativierungen seiner abstrahierten Regeln zu zitieren, wie dies bei einer von ihm als seltene Abweichung des Sprachgebrauchs eingestufte Beobachtung bei Terenz bezüglich der Nutzung der Possessivpronomina respektive der Genitivformen der Personalpronomina der Fall ist159.
Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 196: His statim addidit et Terentium, quem ut puerum castigat. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, 15, S. 220: Cum accusativo autem non memini me apud oratores legisse, sed ne apud poetas quidem; nam illud apud Terentium in Eunucho, «Ecce autem alterum» [Ter. Eun. 297] nescio quid de amore loquitur, ‚alter‘ scribi debet, non ‚alterum‘, Donato quoque probante [Don. comm. Ter. 297]. Am Ende von Kapitel 15 konzediert Valla, dass die licentia poetarum den Akkusativ mit ecce durchaus zulassen könne und betont, dass seine Regel allein für prosaische Texte gelte: Sed de prosa magis dubitare me dico. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 198: Quem carcerem, quae flagella, quam crucem meretur hic fugitiuus seruus maternae linguae inscius, qui eum non latine scripsisse arguit, quem omnes propter proprietatem latinae linguae ab ipso prae caeteris seruatam primum inter comicos ascribant? Dazu auch Dreischmeier 2017, S. 316. In der handschriftlichen Invektive steht quod carcer, was Valla in seinem Antidotum kritisiert und zu quem carcerem verbessert. Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 37, S. 91 f. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 196: Nam cum ille dixisset ‚ut unusquisque miser est‘, hic noster ‚ut quisque maxime miser‘ rectius ait poni potuisse. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 198: Sequitur iter suae impudentiae Laurentius inuehendo in reliquos praestantissimos autores. Non enim dicas ut pro eodem ‚dolorem tui‘ et ‚dolorem tuum‘, ut
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Aus einer rein philologischen Perspektive wirken die mit einer Vielzahl an Belegstellen vorgebrachten Einsprüche Poggios eindimensional und unreflektiert, da er sich einzig auf die linguistischen Kategorien auctoritas und, deutlich vermindert, auf die ratio konzentrierte. Seine confutatio ist dezidiert auf die orthodoxe Wahrnehmung der humanistischen Gemeinschaft zugeschnitten, weshalb seine Zitatverfälschungen oftmals als absichtlich einzustufen sind. Die auctoritas stellte einerseits die Leitkategorie für die imitatio dar und denotierte andererseits die grundsätzlichen Wissensträger, deren Erschließung und kritische Auseinandersetzung ebenso einem orthodoxen, d. h. gemeinhin anerkannten Denk- und Handlungsraster unterworfen wurden. Dezidierte Veränderungen an den Schriftquellen, die sich an der eigenen Sprachauffassung orientierten, missachteten den bisherigen Umgang mit den antiken auctores. Poggios Einwände täuschen eine sachliche Auseinandersetzung mit Vallas elegantia-Konzeption vor; faktisch erweisen sie sich als tendenziöse Verfälschungen, die nichtsdestoweniger die diskursive Richtung des Streits vorgaben. Interessanterweise problematisiert Bracciolini tatsächlich vorgenommene Modifikationen, führt hierfür jedoch unpassende Zitate an und vermeidet jegliche Reflexionen zu Vallas Emendationsverfahren. Dennoch zwang er seinen Rivalen erfolgreich zu einer Stellungnahme; die poggianischen Einwände konnten aus Vallas Sicht offensichtlich als potentiell schlüssige Kritik wahrgenommen werden. Der Autor der Elegantiae versuchte, die von Bracciolini erhobenen Anklagepunkte entweder gänzlich abzustreiten oder im Einzelnen zu entkräften und simultan die applizierte Methodik seiner linguistischen Abhandlung umfassend darzulegen. Letzterer Aspekt verdeutlicht den Legitimationsdruck auf seiner Seite, den er durch die Invektive Poggios hervorgerufen sah. Die vallianische reprehensio in den Elegantiae ist, wie oben gezeigt und anders als Poggio seinen Lesern zu vermitteln versuchte, weitaus differenzierter zu betrachten und muss einerseits als Dualismus zwischen den von Valla als auctores und scriptores klassifizierten Schriftstellern sowie den abstrahierten Regeln bzw. der faktischen Umsetzung des als axiomatisch vorausgesetzten Sprachgebrauches der ersteren verstanden werden160. Den auctores schreibt er, wie oben ausgeführt, (sprachliche) Autorität zu, die sich in ihrer Urheberschaft von neuen Erkenntnissen manifestiert, während letztere sich von dem Wissen der Autoritäten bzw. ihrem usus loquendi aus verschiedenen Gründen entfernt und daher ihre Vertrauenswürdigkeit, allen voran bezüglich ihrer Ausdrucksweisen, eingebüßt haben sollen. An dieser binären Einteilung orientiert
dixit Terentius, quod ipse non dicerem. Vgl. dazu die Stelle in Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, 1, S. 192: Nam ultimum ubi passive positum est hoc pronomen derivativum, quod quidem rarum est, non magis contra me facit, quam contra veteres omnes, qui haec pronomina possessiva vocaverunt, id est possessionem significantia, quod (ut dixi) rarum est; ideoque non passim hoc reperias. Non enim dicas pro eodem ‚Dolorem tuum‘, et ‚dolorem tui‘; ut dixit Terentius ‚Desiderium tuum‘, pro ‚tui‘; quod scilicet ipse non dicerem [Ter. Heaut. 307]. Zu Kapitel 2, 1 der Elegantiae oben, Kap. 2.1.1. Zum Umgang mit den einzelnen scriptores in den Elegantiae vgl. bes. Marsico 2017, S. 394 ff.
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sich die argumentative Struktur von Vallas Entgegnungen161. Allen herabsetzenden Einschüben und Gegenklagen zum Trotz war Valla darauf bedacht, seine Ergebnisse und die daraus abstrahierten Regeln akribisch mit einer Vielzahl an Belegen aus den antiken Wissensträgern zu fundieren. Anhand der Gegenüberstellung der Zitate aus der oratio Poggios mit Auszügen aus seinen Elegantiae vermag Valla aufzuzeigen, dass sein Gegner entweder argumentative Strohmänner oder erheblich verkürzte Belegstellen wiedergibt162. Seine Antwort auf Poggios Tadel, er korrigiere in den Elegantiae einen Auszug aus Ciceros Dialog Cato maior, ist dazu geeignet, seine Vorgehensweise exemplarisch zu illustrieren: In dem Kapitel mit dem Titel Quum verbum significans pro significante accipitur bespricht er, ausgehend von einer abgekürzten Wiedergabe der an Cato d. Ä. gerichteten Aussage Scipios (vgl. Cic. Cato 2, 4: Saepe admirari soleo [...], quod nunquam tibi gravem senectutem esse senserim [...]) den potentiellen Fehlschluss, der zwischen den Verben admirari und senserim hergestellt werden kann, d. h. zwischen dem Signifikant und dem Signifikat163. Im Anschluss spricht er darauf spöttisch Scipio selbst an: Quid miraris, Scipio, te non sensisse, quod sentire non posses? Quippe quod nunquam fuit. Semantisch würde diese Lesart keinen Sinn ergeben, da Scipio demzufolge über seine Wahrnehmung einer von ihm nicht wahrnehmbaren Sache (d. h. Catos hohes Alter) staune. Valla löst diese Zweideutigkeit mit einer erklärenden Umformulierung auf: Miror senectutem tibi, ut sentio, non esse gravem [Hervorhebung durch den Verfasser], in der ut sentio ein Bereits Wesseling 1978, S. 29 f. wies in seiner Einführung zu der Edition des Antidotum auf diese Gliederung hin, ohne jedoch weitere Konsequenzen aus dieser Beobachtung zu ziehen. Die graduelle Abstufung der jeweils behandelten Schriftsteller sowohl aus hierarchischer als auch chronologischer Sicht, mit Ausnahme von Hieronymus, ist ebenfalls mit dem Aufbau des Antidotum kongruent und lässt Poggio an letzter Stelle im dritten Buch stehen. Valla apostrophiert die auctores Terenz, Cicero, Sallust, Varro, Festus, Plinius d. Ä., Quintilian und Macrobius, die (älteren) iurisconsulti und Hieronymus. Zu den Vorwürfen in Bezug auf Cicero Valla 1978, Antidotum primum 1, 51–77, S. 94–100. Cicero gilt auch bei Valla, trotz offen artikulierter (und von Poggio als Provokation aufgefasster) Affinität zu Quintilian, als Garant sprachlicher Richtigkeit und seiner zu rekonstruierenden elegantia. Deshalb unterstreicht er vor allem seine Aufrufe zur Nachahmung des römischen Redners; darüber hinaus beabsichtigte er darzulegen, dass er nicht von bestimmten Normen der humanistischen Orthodoxie abweicht. Exemplarisch hinsichtlich der vermeintlichen Korrektur Ciceros, Valla 1978, Antidotum primum 1, 53, S. 96: Nam quomodo me probas corrigere Ciceronem, tympanizator tympanizande? Verba id tua non ostendunt. Subiiciamus mea ad litteram, quod tu facere debebas ut appareret, an Ciceronem vere reprehenderim. Que hec sunt: [...]. Daraufhin folgt das exakte Zitat aus den Elegantiae (Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, 27, S. 240–244). In dem besagten Kapitel möchte Valla die Differenz zwischen dem Adverb quippe und der Subjunktion quoniam und ihre jeweilige Verwendung anhand alternativer Formulierungen aufzeigen, was Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 197, als Korrektur darzustellen versucht und sich ostentativ eines Strohmannes bedient. Ähnlich auch in Bezug auf die Verwendung des Adverbs quidem, vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 65, S. 98: Quid agis, Pogi tympanista? Sunt ne ista que posuisti mea verba? [...] Non igitur istud ego scripsi, sed tu me scripsisse mentitus es. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, 40, S. 262–263. Die weiteren Beispiele stammen aus Cic. off. 1, 61; Cic. Lael. 15; Cic. Philip. 1, 37, 8; Rhet. Her. 1, 1, 7 und Quint. inst. 2, 17, 4.
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deutig unabhängig von miror steht. Ähnliche Zweifelsfälle identifiziert er noch in weiteren ciceronianischen Auszügen, der Cicero zugeschriebenen Rhetorica ad Herennium sowie bei Quintilian. Poggio wirft Valla vor, ein corrector Ciceros zu sein und den „Fürsten der Beredsamkeit“ übertrumpfen zu wollen164, worauf Valla umfänglich, und nicht ohne Schelte gegen seinen Widersacher, das vermeintliche Verständnisproblem erläutert. Zunächst erklärt er den Vorwurf der Korrektur richtigerweise als unhaltbar und belegt die Verfälschung seitens Poggios. Ausweichend betont er darüber hinaus, dass er allein über die Sache und nicht über die facultas dicendi oder die scientia Ciceros „zu sprechen scheine“ (videor loqui). Daraufhin legt er zwei weitere Sätze vor, um die Doppeldeutigkeit des Auszuges näher zu erläutern165. Die spöttische Bemerkung gegenüber der persona Scipios habe Valla allein aus Gründen der Ästhetik und Erheiterung hinzugefügt (ut venustior ac festivior foret oratio)166. Eine derartige Rechtfertigung seiner polemischen Behandlung von antiken Persönlichkeiten bleibt in seinem Werk jedoch singulär, wodurch er dem Vorwurf seines Gegners offensichtlich Relevanz zuschreibt. Abschließend hebt er den Sprachgebrauch aller auctores hervor, den er in seinen Werken nachahme und spielt ebenso mit dem vermeintlichen Tadel an Cicero:
Bracciolini 1962, Invectiva prima, S. 197 f.: O preclarum Ciceronis correctorem! [...] qui Ciceronis autoritati suam praeferat vanitatem? [...] Marcum Tullium Ciceronem, qui semper in eloquentia tenuit principatum, a quo veluti fonte omnes dicendi ornatum et copiam hauserunt, audeat [scil. Valla] velut infantem et inscium accusare? Valla 1978, Antidotum primum 1, 61–62, S. 97. Als erstes Beispiel gibt Valla Doleo, quod te egrotum video an, wo der Signifikant doleo nicht video signifiziert, sondern sich auf te egrotum bezieht, was er mit der alternativen Konjunktion doleo, quod egrotus es, ut video [Hervorhebungen durch den Verfasser] durch Hinzufügung der Konjunktion ut und einer augenscheinlich abseitigen Positionierung im Satzgefüge vereindeutigt. Das andere Beispiel ist ähnlich konstruiert: indignor, quod semper audio te rixari, was er mit der entsprechenden Umformulierung indignor, quod semper rixaris, ut audio darzustellen versucht. Auch hier wird die Mehrdeutigkeit durch die Konjunktion ut aufgelöst. An diesem semantischen Problem lässt sich ebenso das Grundprinzip der elegantia veranschaulichen: Mehrdeutigkeiten und unklare Formulierungen sollen über eine „elegante“, d. h. sprachlich präzise und dem jeweiligen Sachgegenstand (res) entsprechende Ausdrucksweise vermieden werden. Auf diese Weise soll die Dichotomie zwischen verba und res aufgelöst und so zum ursprünglichen Ausdrucksvermögen der über die Jahrhunderte „verschlechterten“ Latinität zurückgeführt werden. Grundlegend nach wie vor Seigel 1968b, zu Valla bes. S. 137–169 und Seigel 1968a. Siehe auch zu diesem Aspekt jüngst, unter Rückgriff auf Umberto Ecos „Die Suche nach der vollkommenen Sprache“, Perreiah 2014, Kap. 2–3, S. 41–86, der jedoch weniger die Elegantiae als vielmehr die Repastinatio dialecticae et philosophiae betrachtet. Deutliche Kritik an Perreiah in Bezug auf dessen Wertung von Vallas scholastischen Kenntnissen äußert Leinkauf 2017, 1, S. 354, Anm. 140. Des Weiteren fügt er hinzu, dass er sich explizit Scipio und nicht Cicero zugewendet habe, Valla 1978, Antidotum primum 1, 60–61, S. 97: Quid hoc ad correctionem facundie Tulliane? De re videor, non de facultate dicendi, de facto, non de scientia loqui. [...] Nec dixi: «Cur sic dixisti, Cicero?», quasi de ipsius elegantia dubitarem, sed: «Cur, Scipio, admiraris?»
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Schließlich, wenn ich nicht fast immer diese Redeweise (modus dicendi) zu erreichen erstrebe, die sich bei allen Autoren (auctores) findet, sowohl anderswo als auch besonders in den „Eleganzen“, die du selbst durchgelesen hast, weise ich nicht zurück, dass es so scheinen möge, als ob ich Cicero wie ein Kind und Unwissenden getadelt habe, wie du sagst.167
Die Akzentuierung des modus dicendi aller auctores verdeutlicht die pluralisierenden Tendenzen der Elegantiae, in denen zwar Cicero als auctor und rhetorischer praeceptor nach wie vor eine Sonderstellung zukommt, dessen Ausdrucksvermögen bei Valla jedoch nicht absolut gesetzt wird und mit den modi dicendi der anderen auctores zur Rekonstruktion der elegantia ver- und abgeglichen werden muss. Valla korrigiert die besagte ciceronianische Stelle im Cato maior de facto nicht, sondern präsentiert eine zur Bedeutungsklärung alternative Formulierung, die unter dem von ihm propagierten Leitprinzip der elegantia verfasst wurde, d. h. die sich durch eine straffe und Fehlinterpretationen vermeidende Ausdrucksweise auszeichnet. Insofern liegt Poggio mit seiner Äußerung nicht gänzlich falsch, dass Valla hier implizite Kritik an Cicero übt, der in dem besagten Textauszug seinen Vorstellungen von sprachlicher Präzision nicht genügt. Seinem elegantia-Gebot schlägt er dementsprechend eine eindeutigere und kürzere Variante vor, mit der er – diese Lesart ist nur konsequent – Cicero im Sinne der aemulatio zu übertreffen versuchte. Wenngleich ersterer in seinem Vorwurf fälschlich – und offensichtlich beabsichtigt – von einer Korrektur ausgeht, die sich in den Elegantiae in Bezug auf Cicero nachweislich nicht finden lässt168, verleiht Valla nach Poggios Lesart an dieser Stelle seiner ratio mehr Gewicht als der auctoritas des römischen Redners. Dementsprechend leitet er eine auf seinem iudicium basie-
Valla 1978, Antidotum primum 1, 63, S. 97: Denique, nisi frequenter hunc dicendi modum, qui est apud omnes auctores, emulatus sum, cum alibi, tum in Elegantiis, quas ipse perlegisti, non recuso quin Ciceronem videar, ut tu ais, tanquam infantem et inscium accusasse. Denselben Strohmann – eine alternative Formulierung zur Darlegung einer abstrahierten Regel oder zur Illustration einer Satzfunktion als Korrektur umzudeuten – setzt Poggio auch in Bezug auf Quintilian ein. Hinsichtlich der Verwendung des Adverbs adeo vermag Valla im entsprechenden Kapitel seiner Elegantiae nachzuweisen, dass auf adeo nicht zwangsläufig die Subjunktion ut folgen müsse, was er mit einer alternativen Formulierung aus dem zwölften Buch der Institutio oratoria aufzeigt. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 200: Quintilianum suum, quem omnibus ingeniis sine controuersia et ipso Varrone doctiorem affirmat, nequaquam eximit a contumelia caeterorum, neque passus est suae dicacitati licuisse sic dicere inquit adeo expertem. Qui cum scripserit «adeo ut paulominus promptis etiam noceat scripsisse» [Quint. inst. 12, 9, 16, 4] licuisse sic dicere inquit ‚adeo paulominus promptis etiam nocet scripsisse‘. Vgl. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, 45, S. 266–268, hier S. 266: Significat [scil. adeo] etiam ‚in tantum‘ nonnunquam sequente ‚ut‘, nonnunquam non sequente [...]. Zu Vallas Antwort mit stilisierter Empörung siehe Valla 1978, Antidotum primum 1, 109–118, S. 106–108, hier 115, S. 108: Quid ego reprehendo in Quintiliano, Pogi venefice, – quanquam ita stolidus es ut ex verbis tuis quid reprehendas non constet – sed quid me reprehendisse significas? An quod interponendum sit ‚ut‘? At id exemplo eiusdem probo. An quod non sit interponendum? At ipse nonnunquam non interponi posse eiusdem exemplo confiteor. Preterea, cum dicas hunc locum a me reprehendi, cur non et superiorem, qui similis est, reprehendi dicis? Mit dem superiorem locum ist ein anderes (Ps.-)quintilianisches Beispiel [Ps.-Quint. decl. 7, 4, 15] gemeint.
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rende Idealformulierung ab, die ein neues Selbstverständnis in Bezug auf die antiken Bezugsgrößen offenbart: Exemplarisch lässt sich an diesem Streitpunkt die kulturhistorische Zäsur markieren, die sowohl eine neue Transformationsstufe der antiken Wissensträger als auch eine neue Form intellektueller Selbstermächtigung umfasst. Er lizenzierte sich über sein kritisches Urteilsvermögen eo ipso dazu, eine Standardisierung nicht allein für den lateinischen Gebrauch seiner Gegenwart, sondern ebenso – und dies führte zum Eklat – für das Altertum selbst vorzulegen; das auf seinem iudicium basierende elegantia-Konzept wird zugleich als qualitativer Maßstab eingeführt169. Auch Vallas Emendationstechnik stellte Bracciolini zur Disposition und ordnete diese grundsätzlich den ungerechtfertigten Eingriffen in die Wissensträger zu, die seiner Ansicht nach nicht aus Gründen der Textwiederherstellung erfolgten, sondern vielmehr aus Vallas Verlangen, die antiken Referenzgrößen zu tadeln und seine eigene Latinitätsvorstellung retrospektiv durchzusetzen. Seine Verbesserungen an den handschriftlich überlieferten Texten, die sich ihm zufolge explizit nicht gegen die auctores richten, werden von Poggio als eindeutige Angriffe auf Autoritäten interpretiert – diese zitiert er derartig, dass sein vorgetragener Vorwurf als fundiert und berechtigt erscheint. Im Kapitel zu Verbindungen von dem Indefinitpronomen quisque und dem Adjektiv omnis mit dem Superlativ respektive Positiv bzw. Komparativ emendiert Valla zur Unterstützung seiner Beobachtung Sallust und weist umgehend darauf hin, dass einige Handschriften ihn hinsichtlich seiner Korrektur bestätigen: Sallustius in Catilina: «Nam strenuus quisque aut occiderat in proelio, aut graviter vulneratus discesserat». Ipse mallem dicere ‚Strenuissimus quisque‘, ‚Piissimus quisque‘. Quidam tamen Sallustiani codices scriptum habent strenuissimus170. Poggio ignoriert Vallas Vermerk zu den quidam codices und schreibt grob verkürzend Alterum qui scripsit strenuus quisque ipse, ut non recte dictum ‚strenuissimus quisque‘ emendat171. Auch bei Vallas Emendation von einer Stelle bei Plinius d. Ä., bei der er einen möglichen Fehler seitens des Kopisten in den Raum stellt, um seine Kritik zu entschärfen, zitiert Poggio allein den textuellen Eingriff seines Widersachers und kürzt die Stelle erheblich ab: Plinium his adiungit, quem ignorantiae notet. Ait enim: Illud Plinianum VII naturalis historiae non placet mihi. «Salue primus omnium parens patriae appellate» et ‚appellatus‘ dicendum censet172. Ob-
Siehe auch Percival 1996, S. 146, der anhand einer Analyse der Elegantiae die intellektuelle Selbstermächtigung als Meilenstein bezeichnet und Abbamonte 2019, zusammenfassend S. 43–44, der den transformativen Charakter von Vallas neuer Methode akzentuiert. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 16, S. 112. Die besagte Stelle stammt aus Sall. Catil. 61, 7. Vgl. zu dieser Stelle auch GAVINELLI 1991, S. 173. Vgl. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 196. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 198. Poggio wird im Anschluss sogar recht derb: At ego male scriptum putarem, si ei placeret qui cloacam pro stomacho gerat. Vgl. dazu die Stelle in Valla 1999, De linguae latinae elegantia 3, 23, S. 334: Quare illud Plinianum in libro VII de naturali historia, nisi menda librarii est, non placet mihi: «Salve primus omnium parens patriae appellate»; ubi non modo appellate a primus in casu discordat, (quod etiam imperitis ad reprehensionem patet) sed ne appellatus quidem si diceretur, plane Latinum foret, quum fuerit dicendum prime; sive sic; sed ita scriptum ab auctore fuisse
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gleich Valla hier eindeutig Korrekturen an den jeweiligen Handschriften vornimmt, die als Überlieferungsträger der antiken Autoren dienen und folglich nicht dem Ursprungstext entsprechen mussten, verfälscht Poggio nichtsdestoweniger die jeweiligen Zitate seines Gegners, um seine Beschuldigung bestmöglich zuzuspitzen und seine Anklage zu bestärken. Ebenso manipuliert er die Auszüge, in denen Valla sich mit Cicero beschäftigt. Er lässt die Erklärungsversuche Vallas oder die zur Darlegung seiner Regeln vorgenommenen alternativen Formulierungen durch Wiedergabeverkürzungen als Emendationen erscheinen, obwohl hier eindeutig keine Verbesserungen nachzuweisen sind173. Ähnlich verfährt Poggio bei Beispielen, in denen Valla seine Unsicherheit hinsichtlich der verfügbaren Befunde betont und diese ostentativ unerwähnt lässt. Bracciolinis Ziel lag darin, die Autoritätskritik derartig hochzuspielen und sie im schlechtmöglichsten Licht erscheinen zu lassen. Die Überbetonung zeugt von der Relevanz der auctoritas als essentielle Kategorie für die imitatio als literarisches Schaffensprinzip und als integraler Bestandteil des „self-fashioning“. Entsprechend kombiniert die Debatte um die Wissensträger argumenta ad rem wie auch ad hominem und verschränkt diese dermaßen, dass sie nur schwierig voneinander zu trennen sind. Ferner untermauert Bracciolini seine Dokumentation mit einem Rekurs auf Facios philologische Kritik an Vallas Liviusemendationen sowie der als Brief an König Alfons V. gerichteten Korrektur des chronologischen Fehlers hinsichtlich der zwei römischen Könige mit dem Namen Tarquinius, mit der sich Valla mehrfach rühmte174. Er geht jedoch nicht näher auf die genauen Einzelheiten ein, was dafür spricht, dass er bei seinen Lesern eine grundsätzliche Kenntnis
suspicari libet, nam et illo modo dicere licuisset: Salve Marce Tulli, primus omnium parens patriae appellatus; quod ita scriptum fuisse coniectatum non est ex caeteris verbis quibus paulo ante auctor utitur; sive, Salve tu primus omnium parens patriae appellatus; sive, Salve tu prime omnium parens patriae appellate. Est enim illud parens vocativus. Im Kapitel ubi infinitivo, ubi Gerundio potius utendum sit beispielsweise zitiert Valla eine Stelle aus Ciceros Briefen, um einen singulären Befund in sein Regelsystem zu integrieren. Bei der entsprechenden Stelle Cum in animo haberem navigandi, die sich im Übrigen nicht in den überlieferten Handschriften finden lässt, müsse Valla zufolge das Gerundium navigandi durch den Infinitiv navigare ersetzt werden. Er beschreibt diese Ausdrucksweise als einen sprachlichen novus modus, der sich durch die inhärente Absichtserklärung (propositum sive voluntas) erklären lassen könne, wofür er andere Beispiele heranzieht. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 27, S. 150–154: Cicero tamen ad uxorem novo quodam modo locutus est: Cum ‚in animo haberem navigandi‘; pro eo quod est ‚navigare‘. [...] Ita hic propositum, sive voluntas ut sit cum haberem in animo propositum navigandi.) Poggio zitiert einzig die vermeintliche Korrektur und unterschlägt Vallas dazugehörigen Erklärungsansatz, der vielmehr dazu dient, den ciceronianischen Befund zu legitimieren. Vgl. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 197. Da Poggio keinen Einspruch gegen die zitierte Stelle einlegt, kann davon ausgegangen werden, dass die Stelle Cum in animo haberem navigandi in mehreren Handschriften der ciceronianischen Briefe zu finden war. Siehe zu seiner Epistula de duobus Tarquiniis einführend Lo Monaco 2009, S. 21–74, der auch die Edition des Briefes sowie der zwei Invektiven gegen Benedetto Morandi besorgt hat. Morandi legte nach der Bracciolini-Valla-Kontroverse Einspruch gegen Vallas Kritik an Livius ein. Dazu ausführlicher unten, Kap. 4.2.3.2.
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der Sachverhalte vorausgesetzt hat oder zumindest Interesse an diesen zu evozieren beabsichtigte175. Die Eingriffe weiß Valla mit Verweis auf unvollständig zitierte Auszüge aus den Elegantiae zurückzuweisen; die Korrekturen versucht er jedoch mit zusätzlichen Rechtfertigungen und demonstrativer Vorsicht zu fundieren. Die Emendation von Terenzens Eunuchus legitimiert er über das ihn selbst affirmierende Zeugnis des Donatus, was darüber hinaus die nach wie vor den spätantiken Grammatikern zugewiesene Geltung seitens Vallas belegt. Er bekräftigt hier, dass es sich nicht um eine Korrektur an Terenz, sondern um eine Verbesserung des vom vermeintlichen Original abweichenden Überlieferungsträgers handle176. Ähnlich argumentiert Valla in Hinblick auf seine textuellen Eingriffe bei Sallust und Plinius d. Ä., deren Begründungen Poggio nachweislich verkürzt wiedergegeben und die Anmerkungen zur unsicheren Tradierung in der Dokumentation nicht berücksichtigt hat177. Letztlich lehnt Valla den Begriff emendare ab, weil nicht mit Sicherheit gesagt werden könne, welche Variante die korrekte sei und allein mit Plausibilitätserwägungen gearbeitet werden könne. Diese habe auf Basis der ratio und der auctoritas plurium zu erfolgen, was er methodisch unter die Patronanz von Quintilian und Cicero stellt. Dabei distanziert er sich demonstrativ von textuellen Änderungen und akzentuiert die Problematik von Handschriftenvarianten; umfassen-
Die eigentliche Richtigstellung und Identifizierung der jeweiligen Könige erörtert er in einem an König Alfons V. adressierten Brief, über den er sich gleichsam für diese Richtigstellung autorisiert. Auch in seiner Invektive gegen Facio wird diese als anmaßender Eingriff gewertete Quellenkritik thematisiert, was Poggio an dieser Stelle noch einmal aufgreift, um auf diese Weise die Streitgegenstände der neapolitanischen Auseinandersetzung in den aktuellen Streitdiskurs zu integrieren. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 212: Miror cur non addideris ad iactantiae tuae cumulum, te Titum Liuium (ut in te gloriari soles) emendasse, ut alii rectius sentiunt corrupisse. Esset longior futura oratio si omnes locos recensere uelim, in quibus illum historiae parentem emendare uolens, sacrilega manu uerum sensum peruertisti. [...] S. 223: Ego in tuis erroribus explicandis qui pene sunt infiniti nequaquam immorabor. Multi enim super his redarguendis libri essent conficiendi. Bartholomaeus Fatius eos solos comprehendens, quos in historia illa tua praeclara de gestis regis Ar[a]gonum a te aedita et in Bibliothecam posita, quam tamen iam uermes et mures ob eius celebritatem corroserunt, in testimonium ignorantiae aedisti, magnum uolumen contexuit. Itaque si omnes tuos libellos scrutaremur, aut errores in lingua latina permultos aut haeresim deprehenderemus. Vgl. zu Vallas Liviusemendationen bes. Linde 2010. Valla 1978, Antidotum primum 1, 37–41, S. 91 f., hier S. 92: Non enim dixi scribi debuisse, sed scribi debere, hoc est non a Terentio erratum esse, sed a nobis errari, qui ab ipso Terentio deficimus et quodammodo Terentium emendamus atque reprehendimus. Neque ita scribendum esse de meo sensu dixi, Pogi scelestissime, sed Donatum [Don. Comm. Ter. Eun. 297–298], qui comentum super Terentium fecit, dicentem retuli. Über die Erörterung in seinen Elegantiae hinausgehend hebt er ebenso die „Klarheit“ und „Eleganz“ hervor, die durch das Einsetzen des Nominativs entstehe, und verweist ebenso auf das Metrum, das hierdurch eingehalten werde, vgl. ebd.: Quanquam velim mihi respondeas, Pogio – ut taceam quod apertius atque elegantius est «Ecce alter! [...]» quam ‘alterum’ – idem in versu pollere existimas ‘alterum’ et ‘alter’ et perinde rationem metri constare? Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 87–92, S. 102, exemplarisch: Nam quomodo videri possum emendare Salustium, qui incertum est, an sic scriptum reliquerit ut me tu ais emendare voluisse?
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dere Reflexionen zur paläographischen Erschließung und Emendationstechnik lassen sich im Streit jedoch nicht feststellen und waren auch ostentativ für beide Agonisten nicht von Belang178. Auch in dieser Hinsicht standen allein die Legitimation und Verträglichkeit der vallianischen elegantia-Konzeption mit der Orthodoxie der bislang akzeptierten imitativen Praxis im Vordergrund. 2.2.1.2 Das vallianische Originalitätsprinzip In den theoretischen Reflexionen über die imitatio musste zwangsläufig das Spannungsverhältnis zwischen der vorausgesetzten Verbindlichkeit zur Vorlage und der individuellen Kreativität, konkret zwischen Wiedererkennungswert und Originalität behandelt werden. Die Problematisierung dieser Ambivalenz mündete zwangsläufig aufgrund der subjektiven Wahrnehmung der jeweiligen Kategorien und der fehlenden objektiven Kriterien in eine Aporie, die sich im Humanismus zudem unter den kompetitiven Bedingungen ihrer sozialen Verfassung perpetuierte und je nach Gewichtung neue Konflikte entfachte179. In seiner Rechtfertigung bezüglich seiner Eingriffe warf Valla peripher ein, dass Modifikationen der Überlieferungsträger auch unabhängig von potentiellen Schreibfehlern der Kopisten berechtigt seien können. Auch einem derartig bedeutenden Autor wie Plinius dem Älteren können in einem umfangreichen Werk Fehler unterlaufen sein, was Valla interessanterweise nicht mit dem deutlich negativ konnotierten und an anderen Stellen verwendeten Ausdruck vitium, sondern mit dem weniger vorwurfsvollen Verb labi formuliert, das mehr Flüchtigkeitsfehler denn linguistische oder gedankliche Inkorrektheiten denotiert. Die Fehleranfälligkeit von literarischen Werken weiß er mit Verweisen auf Horaz in Hinblick auf Homer und (Ps.-)Asconius Pedianus hinsichtlich Ciceros zu rechtfertigen und autorisiert sich entsprechend, einem Horaz oder Asconius gleichtuend, über die Texte der auctores zu urteilen und potentielle Fehler als solche zu korrigieren. Hierdurch weist er sich eine semantische Definitionsmacht zu, die sich aus der historisch-empirischen Rekonstruktion der Latinitas ergibt180. Obgleich er sachlich seine Verfahrens Valla 1978, Antidotum primum 1, 90, S. 102: At cur prepono – inquies – illam scripturam que in paucioribus codicibus est? Prepono non ut Salustium emendem, sed ut admoneam sequendum quod ratio, quod plurium confirmat auctoritas. Prepono, quia non protinus quod in pluribus codicibus legitur id et verius est [...]. Valla verweist sodann mit ausführlichen Zitaten auf Quintilians Widerspruch gegenüber verbreiteten Emendationen von Liv. 1, 1 (Quint. inst. 9, 4, 74) sowie Ciceros Übertragung von Platon (Cic. Cato 3, 8). Siehe auch Antidotum primum 2, 144–148, S. 160–162 in Bezug auf Laktanz, wo Valla erneut auf Poggios verkürzende Wiedergabe seiner Korrektur hinweist und die besagte Stelle in den Elegantiae, Valla 1999, De linguae latinae elegantia 3, 27, S. 340 [...] nisi forte culpa librarii est korrekt zitiert. Vgl. zu diesem Vorgehen auch bezüglich seiner Liviusemendationen Linde 2010, bes. S. 206–208. Vgl. auch Robert 2007a, S. 76. Valla 1978, Antidotum primum 1, 93–98, S. 104: An parum modestie id addere: «Sed sic scriptum ab auctore suspicari libet», cum presertim, quod tu non ignoras, vix ulli sint codices corruptius scripti quam Pliniani? Non dicam hoc loco – quod non est institute de calumnia disputationis – fieri posse ut
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weise zu erklären weiß und diese mit antiken Autoritäten zu bekräftigen vermag, legitimiert er jede Form der Kritik, d. h. die Emendation der Handschriften, aber auch Verbesserungen der Ausdrucksweise nach seinem eigenen elegantia-Maßstab. Diese Praktik lizenziert er schrittweise und in der Regel erst im Anschluss an den eigentlichen Argumentationsgang, ohne jedoch in Bezug auf die auctores offen für eine reprehensio einzustehen, was den orthodoxen Rahmen, in dem sich Valla trotz seines artikulierten Korrekturanspruches nach wie vor bewegen musste, sichtbar werden lässt. Wenngleich Valla die verbindliche Autorität der auctores permanent akzentuiert, trägt er nichtsdestoweniger camoufliert seine sich zugeschriebene Berechtigung vor, die Komposition autoritativer Texte offen zur Disposition zu stellen. In seiner Verteidigung gegenüber der poggianischen Klage, er selbst fühle sich sogar Varro in sapientia et doctrina überlegen, obwohl sowohl Cicero als auch der Heilige Augustinus ihn allen übrigen lateinischen Schriftstellern vorziehen, lehnt er den ihnen zugewiesenen Absolutheitsanspruch vehement ab: Cicero und Augustinus können konsequenterweise nur über vergangene Schriftsteller ein Urteil gefällt haben; mit ihren Bewertungen könnten sie keinen kausalen Einfluss auf nachfolgende Gelehrte ausüben, weshalb die Altvorderen ohne weiteres von jüngeren Schriftstellern übertroffen werden können – analog sieht sich Valla aus einer nach-klassischen Perspektive dazu berufen, vergangene Autoren zu bewerten181. In Hinblick auf die von ihm als scriptores eingestuften Schriftsteller verifiziert Valla ausdrücklich, dass er sie „mit Recht“ (iure) gerügt habe. Dies stellt seine intellektuelle Selbstermächtigung demonstrativ zur Schau182. Sein negativer Schriftstellerkatalog in den Invektiven beinhaltet die jüngeren Autoren Priscianus, Donatus, Servius, Aulus Gellius, Laktanz, Boethius, einige mittelalterliche Grammatiker und Juristen sowie Albertus Magnus. Hier gibt er den Autorenkatalog des sechs-
Plinius utique in tam grandi opere lapsus sit; ut inquit Horatius: «Nanque opera in longo fas est obrepere somnum, et sepe bonus dormitat Homerus [Hor. ars 359–360].» Cum etiam Cicero, ne de aliis plurimis auctoribus taceam, insignem admiserit solecismum in Oratione de accusatore constituendo, ut Pedianus notat: «Siquis, iudices, forte miratur me ad accusandum descenderim [gemeint ist Cic. div. in Caec. 1, 1; dazu Ps.-Ascon., ad loc.]». Zur Kompetenz der Bedeutungskonstitution, die sich der grammaticus zuschreibt, Jaumann 1995, S. 134 f. Vgl. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 6, 31, S. 734–736; Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 189: [...] cum se ipsum maioris doctrine quam Marcus Varro fuerit palam praedicet seque nulla in facultate illi cedere, quem Cicero et beatus Augustinus omnibus Latinis praeferunt sapientia et doctrina [vgl. Aug. civ. 6, 2]? Valla 1978, Antidotum primum 1, 174, S. 122: Sed quid plura de stultitia tua, qui ais me non posse me ipsum preferre Varroni – quod verbum sicut cetera abs te confictum est – quod Cicero et beatus Augustinus illum preferant omnibus Latinis sapientia et doctrina, quasi vero – o incredibilem amentiam! – hi duo sententiam tulerint de futuris hominibus et non de iis solum qui fuerant aut erant. Quid enim, si post illos existat aliquis Varrone doctior aut Virgilio prestantior aut Salustio Livioque melior historicus: negabis tu eum esse doctiorem, prestantiorem, meliorem, quod non ita veteres iudicarint? Valla 1978, Antidotum primum 1, 154, S. 118: [...] ad confutandam primam calumniam tuam, qua me insectabaris tanquam reprehensorem Terentii, Ciceronis, Salustii, Varronis, Festi, Plinii, Quintiliani, Macrobii, iurisconsultorum, Hieronymi [...] ubi quosdam a me iure fuisse reprehensos ostendam. Vgl. Ax 2006, S. 145 ff.
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ten Vorwortes seiner Elegantiae wieder und knüpft ebenso partiell an der oben besprochenen Aufzählung aus seiner epistula apologetica von 1440 an183. Die mediocres homines wie Priscianus, Servius und Donatus seien bisweilen, so weiß er an anderer Stelle zu erläutern, sprachlich von der auctoritas der höchsten Schriftsteller abgewichen, wodurch sich eine Diskrepanz zwischen diesen Autoren ergeben habe, die er mit seinen Elegantiae zu schließen beabsichtige184. Hier wiederholt er leicht modifiziert die Grundzüge seiner epistula apologetica, wenngleich er in seiner Invektive den polemischen Ton gegenüber den spätantiken Grammatikern eindeutig gesteigert hat. Vallas ambivalente Argumentationsstrategie liefert Poggio jedoch die nötige Bestätigung für seine primären Anklagen, die er in seinen nachfolgenden orationes wiederholt vorträgt. Die camouflierte Ermächtigung zu einer umfassenden Autoritätskritik, die Valla nur stufenweise und implizit vorzubringen weiß, deutet Poggio als Ablenkung von seinen eigentlichen destruktiven Absichten und als ein grundsätzliches Zögern, sich zu seinem Verhalten offen zu bekennen185. Auch hinsichtlich potentieller Übertragungsfehler von Kopisten wirft Poggio ihm sodann vor, diese als „dümmliche“ Ausflüchte zu verwenden, um seine reprehensio zu verschleiern186. Treffend vermag Poggio das Argumentationsmuster seines Widersachers zu identifizieren; er fordert ihn in seiner zweiten Rede auf, deutlich und ohne Irreführungen auf den Vorwurf einzugehen187. An diesem Punkt verblieb der Diskurs je-
Valla 1984, Epistole, Ep. 13, S. 193–209. Valla 1978, Antidotum primum 1, 117, S. 154: Fateor equidem me reprehendisse quosdam mediocres homines veluti Priscianum, Servium, Donatum, quod in arte quam summorum scriptorum auctoritate confirmant nonnihil dixerint discrepans ab illorum auctoritate, quemadmodum exemplis doceo, ut mihi necesse fuerit aut maximos quosque auctores aut istos et pauculos et mediocres sequi. Vgl. dazu auch bes. Marsico 2017. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 230 f.: Quanquam laterem lauas, quo magis a te dicta diluis, eo apertius tuam proteruitatem ostendis. Rationes affers multas tuarum obiurgationum. In multis excusas tuam insanam temeritatem. In pluribus declinas forum, in nonnullis tergiuersaris, in quibusdam te praebes transfugam manifestum. Tanta uero traheris insania, ut etiam in te excusando summus detractor existas. Sed oro te, uerane an falsa sunt quae tanto studio reprehendis? Si uera, cur non perstas in sententia? Si falsa, cur non errorem recognoscis? Cur non errati ueniam petis? Affers tuae opinionis testes, qui omni ex parte contra te testificantur. Est quippe tuae stulticiae, ut plura tuimet immemor inuicem contraria scribas. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 226: Cum uero uerba a me referuntur quibus in illos priscos inuehitur, in arcem confugit stultorum, asserens codices esse mendosos et aliter quam nunc legantur ab illis scriptum fuisse. [...] Itidem noster stupidus Valla, cum testibus suam ignorantiam conuictam uidet, librariorum culpae crimen ascribit. Darauf wiederholt Valla in seinem zweiten Antidotum seine Differenzierung zwischen den auctores wie Cicero, Sallust, Quintilian und „den übrigen“; hingegen affirmiert er offen, dass er Priscian und „seinesgleichen“ kritisiert habe und auch zu seinen Aussagen ohne weiteres stehe, Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 331: Negas me perstare in sententia reprehendi, quae ais tanto studio reprehendere: Quod enim aliud tantum studium quam perstare in eadem sententia: Ego negaui me reprehendisse Ciceronem, Salustium, Quintilianum, caeterosque, ut liquet in mea responsione. Affirmaui me reprehendisse Priscianum cum quibusdam aliis. In hoc reprehendendi studio, in hac persto sententia. Tu me non
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doch letztlich im Stillstand, da beide Streitakteure ihre gegensätzlichen Positionen nicht veränderten und nicht bereit waren, die Argumente des jeweils anderen sachlich zu beurteilen. Martin Dreischmeier verweist ebenso auf den Umstand, dass Valla seine Autoritätskritik in den jeweiligen Invektiven abgemildert bzw. sogar gänzlich abstritt188. Dabei handelt es sich jedoch um eine gezielt eingesetzte Strategie: Er stand von dem augenscheinlichen Problem, einerseits mit seiner partiellen oder vollständigen De-Autorisierung anerkannter Schriftsteller und der daraus resultierenden Neukanonisierung polemisch zu spielen und seine als Innovation propagierten Ergebnisse als Brüche zu bewerben. Andererseits musste er sich zur konventionellen Autoritätsaffirmation der maßgeblichen Schriftsteller bekennen, um sein Werk als legitimen Beitrag innerhalb der humanistischen Gemeinschaft anmelden zu können. Parallel hielt er sich nichtsdestoweniger die Möglichkeit einer reprehensio und emendatio jeglicher Autoritäten offen und leitete eine licentia reprehendendi vom faktischen usus der antiken Referenzgrößen ab. Dabei oszillieren seine Repliken zwischen sachgedeckten Rechtfertigungen und eindeutigen Ausreden – letztere klassifiziert Franz Hundsnurscher gemeinhin als „fehlgeschlagene Rechtfertigungsversuche“189. Im Falle von Vallas Ausflüchten müssen diese jedoch als bewusst eingesetzte rhetorische Technik verstanden werden. Diese bestand darin, das zuvor Gesagte, das offenkundig als gewagt und anstößig, d. h. im direkten Widerspruch zur Orthodoxie stehend erachtet werden musste, durch eine scheinbare Entschärfung zu entkräften. Dabei blieb die zuvor getätigte Äußerung jedoch diskursiv erhalten und konnte als solche nicht mehr zurückgenommen werden. Die Parameter des Sagbaren wurden entsprechend verschoben, während heterodoxe Aussagen Einzug in die Orthodoxie erhielten und als solche notwendigerweise durch Einzug lizenziert worden sind. Der von Valla noch behutsam und meist subversiv vorgebrachte Versuch, sich als gleichrangige Instanz neben den anerkannten Autoritäten durchzusetzen und seine Gestaltungsansprüche anzumelden, offenbart sein Selbstverständnis als normsetzender Interpret190. Um seine Methodik zu legitimieren, beruft er sich auf intellektuelle Schaffensprozesse, die durch das Zeugnis der autoritativen Autoren selbst beglaubigt worden seien. Nach seinem Verständnis ist die Autorität als notwendige Grundlage zu
perstare quomodo doces, aut non uera dixisse: Scis tu ea esse falsa, cur non probas, nescis, cur me reprehendis? Sed nimirum, ut es omnium nescius, et tui quoque ipsius ignarus, qualia sint, quae a me dicuntur ignoras, et ideo a me interrogas: Equidem tibi respondeo illa esse uera, se abs te, qui nescis, uicissim interrogo: si uera putas, quae a me tanto studio reprehenduntur, cur postulas, ut ea ipsa tanquam errata mea agnoscam et ob id ueniam petam? Sin falsa, cur reprehendis, quod in sententia utique falsa non perstem? Dreischmeier 2017, S. 321: „Die seltene Kritik, welche die Elegantiae an klassischen Autoren explizit äußern, spielt Valla in den Invektiven gänzlich herunter.“ Dazu Anmkerung 175: „Man vergleiche die wiederholt in gesellschaftspolitischen Debatten von P. Sloterdijk angewandte Taktik, sich nachträglich von gewagten Thesen zu distanzieren.“ Vgl. Hundsnurscher 1997, S. 198. Vgl. Jaumann 1995, S. 122–136.
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beachten, dürfe jedoch nicht als absolut und unanfechtbar eingestuft werden. Neue Erkenntnisse, die entweder durch die Aufdeckung und Korrektur von Fehlern oder durch konkreten Widerspruch gegenüber bisherigen Annahmen entstehen, seien die eigentliche Triebfeder geistiger Tätigkeiten. Sie bilden die causa scribendi jeglicher künstlerischer und wissenschaftlicher Studien, was er in Bezug auf die Grammatik mit dem Vermerk von Priscianus, den er selbst oftmals polemisch attackiert, rechtfertigt191. Mit dieser abstrahierten licentia des Widerspruchs, die stets auf die auctoritas zurückzuführen ist, kann er folglich Poggio, der Priscianus als grammatische Autorität anerkennt, ihm diesen selbst argumentativ vorhalten. Im Gegensatz zu ihm selbst habe Poggio, so tadelt Valla seinen Widersacher, keine neuen Erkenntnisse hervorgebracht, was eine neue diskursive Kategorie einführt und über die Rezeption bzw. imitatio hinausgeht. Valla legitimiert seine reprehensio entsprechend durch ein Prinzip der intellektuellen Genealogie, in der sukzessiv angehende Gelehrte ihren Vorgängern widersprechen und auf diese Weise neues Wissen, fundiert durch die bereits vorhandenen Quellenbestände, generieren192. Valla habe, zum „Nutzen der späteren Epochen“, niemanden „fälschlich“ kritisiert und dies allein in dem Maße (prout) getan, wie seine Vorgänger mit den Schriften ihrer jeweiligen Vorläufer umgegangen seien – ein Recht, dass er auch Poggio hinsichtlich seiner Elegantiae explizit einräumt193. Das
Valla 1978, Antidotum primum 2, 119, S. 154: Itane, Pogi, non nitor ego veterum scriptorum auctoritate, sed mea? Si adversus Priscianum et ceteros grammaticos aliquando disputans ego respuerem auctores quos illi afferunt, certe non tam grammaticis quam auctoribus adversarer, omnibus scriptoribus bellum indicerem et, repudiata lingua Latina, aut alia uterer aut novam introducerem. Hoc si neque facio neque quempiam facturum esse credibile est, sequitur ut aliquid ego argutius profundiusque in usu auctorum animadverterim quam isti fecerunt, sicut et ipsi multa prudentius quam superiores fecerant; nam alioquin post illos non scripsissent. Cum presertim dicat Priscianus [inst. gramm. Pr. 1, 2, 1]: «Vetustissima etas maxime in grammatica arte arguitur peccasse. Cuius auctores, quanto sunt iuniores, tanto perspicaciores et ingeniis floruisse et diligentia valuisse omnium iudicio confirmatur eruditissimorum.» Terminologisch greift Valla nichtsdestoweniger auf die traditionelle Grammatik zurück und übernimmt trotz Polemik die Grundzüge der spätantiken Grammatiker, weshalb es sich bei seiner elegantia-Konzeption definitiv nicht, wie Poggio zu suggerieren versucht, um eine vollständige Ablehnung dieser linguistischen Tradition handelt. Siehe ebenso Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, Praef., S. 186: Neque vero aliquis hoc loco expectet, ut dicam, non esse contumeliosum prioribus, si quid ad illorum inventa posteriores adiiciant. Nulli unquam ab antiquis ad eundem cursum conficiendum viam fuisse praeclusam. Nihil usque quaque perfectum. Non omnia posse omnes. Non dicam id, quod Priscianus ait, artis grammaticae vetustissimos quosque autores maxime errasse, recentissimos vero et ingenio et diligentia longe praestitisse. Vgl. auch Marsico 2017, S. 401–406. Zu dieser Stelle auch Dreischmeier 2017, S. 296–300. Valla 1978, Antidotum primum 2, 121, S. 154: Quare noli mirari, Pogi, quia tu nihil invenis novi, me quippiam novi invenisse nec palam calumniari quod nullius auctoritatem sequar. Im Kontext des von ihm beschworenen Generationskonflikts, den er pejorativ zur Herabsetzung Poggios heranzieht, erläutert er das Originalitätsprinzip. Siehe dazu unten, Kap. 3.2.1. Valla 1978, Antidotum primum 2, 176, S. 170: Satis ut spero planum feci non falso me quosdam veterum ob utilitatem pos[t]erorum reprehendisse in Elegantiarum libris, prout et ipsi in superiores fecerant, reprehensuri hecquoque in quibuscunque aliis si ea animadvertissent. Hoc etiam Pogius in his ipsis
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hier ausformulierte Originalitätsprinzip intellektueller Schaffensprozesse, d. h. die notwendige Differenz zwischen der jüngeren und älteren Generation, durchzieht das gesamte erste Antidotum als Motiv, das Valla in mehreren Zusammenhängen gegen Poggio und simultan zur eigenen Verteidigung appliziert. Dabei, so versichert er, handle es sich nicht um die Herabsetzung vorheriger Leistungen, sondern einzig um die Wahrheitssuche, eine Aussage, die jedoch seiner faktischen Polemik sichtbar zuwiderläuft. In den Kategorien „Gelehrsamkeit“, „Kompetenz“, „Eleganz“, „Latinität“ und „Weisheit“ erklärt er sich den namentlich nicht genannten Vorgängern überlegen und zwar nicht eo ipso aus seiner eigenen Perzeption heraus, sondern durch das Zeugnis vieler Gelehrter wie Leonardo Bruni, Guarino da Verona und Giovanni Aurispa194. Seine elegantia-Konzeption erachtete er demzufolge, dem allein zur Verstärkung seiner Aussage herangezogenen argumentum ad verecundiam zum Trotz, als objektiven Befund, wenngleich er sich explizit auf die konventionelle Evaluationspraxis des humanistischen Feldes berief, um im orthodoxen Rahmen verbleiben zu können. Der Status der hier verhandelten Episteme, d. h. die Ontologie des hergeleiteten Sprachgebrauches, aber auch die Implikationen der Induktion als Technik, die Bedeutung der Wissensträger oder ihrer Korrekturen, wurden im Streit einzig angedeutet, jedoch nicht weiter ausgeführt. Die sich hier deutlich herauskristallisierenden Problematiken spielten für beide Agonisten noch keine relevante Rolle, was einerseits durch die in den 1450er Jahren vorherrschenden intellektuellen Konjunkturen und andererseits durch das noch nicht zur Verfügung stehende Vokabular bedingt war, welches erst noch gefunden und geprägt werden musste195. Beide Gelehrte setzten ostentativ auf einen pragmatischen Zugang zur lateinischen Sprache, der keine gesonderten Reflexionen über die epistemologischen Voraussetzungen benötigte, durch die augenscheinliche Nichtbehandlung jedoch auch implizit eine Lücke identifizierte, die später
meis Elegantiarum libris fecit. Sed rectene an secus, dispiciamus, que est secunda de imperitia questio. Ubi si recte me ille reprehendit, ego, sin secus, ipse iudicetur imperitus. Valla 1978, Antidotum primum 2, 127 ff., S. 156: Contra omnes contraque plures, si plures essent, afferrem, non quia quicquam velim ex illorum laude detractum, sed ut veritas eruatur. Sunt enim, ut tuis verbis utar, docti illi quidem, peritissimi, elegantes, Latini et, si vis, etiam sapientes, verum ego doctior, peritior, elegantior, Latinior et, si verum dixisti de illis, etiam sapientior. Neque id ratione quam mox subiiciam constat, verum etiam multorum hominum testimonio, putas dicam Leonardi, Guarini, Aurispe aliorumque plurimorum qui de operis mei laude scripserunt, ego dico tuo tuorumque similium, qui cum refutare nequeatis hoc preceptum, profecto comprobatis. Anders in den späteren Nachahmungsdebatten, wie Kablitz 1986a und 1986b; ders. 1999 und auch Robert 2001 in Bezug auf erkenntnistheoretische Prämissen musterhaft gezeigt haben; zu den Resultaten aus der Quattrocentodebatte Robert 2010. Siehe auch aus der Perspektive des beginnenden 16. Jahrhunderts Cave 1979, S. 35–77. Bei den späteren Debatten um die Wende zum 16. Jahrhundert fällt auf, dass die Akteure technische Begriffe und Metaphern zur Durchdringung und Reflexion der imitatio systematischer applizierten und nun ausdrücklich die epistemologischen Implikationen und sprachphilosophischen Prämissen der Nachahmung thematisierten, Aspekte, die in der Bracciolini-VallaKontroverse allein angedeutet worden sind.
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in den Debatten zwischen Paolo Cortesi und Angelo Poliziano sowie Pico della Mirandola (1463–1494) und Pietro Bembo (1470–1547) adressiert werden sollte.
2.2.2 Agonale Sprach- und Geschichtsverständnisse Von großer Bedeutung sind die über ihre Referenzgrößen artikulierten Positionierungen, die ihre divergenten Sprachverständnisse markierten und ein grundsätzliches Missverständnis hinsichtlich der linguistischen wie sprachphilosophischen Sinnkonstitution offenbaren. Die semantische Erschließung der lateinischen Sprache einschließlich der einhergehenden philosophischen Implikationen waren essentiell für das vallianische Gesamtwerk und wurden von Bracciolini als grobe Verletzung der bisherigen Bedeutungsbestimmung geahndet. Wenngleich ihre unterschiedlichen Lateinauffassungen ihre jeweiligen Argumentationen bedingen, findet sich eine ausdrückliche Reflexion darüber einzig im zweiten, unvollendeten Akt von Vallas Apologus. Der Beurteilung der Historia disceptativa, die Valla in dieser Invektive vornimmt, liegt implizit die Frage zugrunde, wie eine effektive Rhetorik, worauf sowohl Vallas Elegantiae als auch Poggios eigenen Beiträge grundsätzlich abzielten, realisiert und welche Bedeutung dieser als „praktische Philosophie“ in Bezug auf die Zusammenführung von sapientia und eloquentia einerseits und als Abbildungsfunktion andererseits zugewiesen werden kann. Dabei steht die Dichotomie von rhetorischer Form und Inhalt, d. h. die konkrete Verbalisierung von Gegenständen im Vordergrund, wenngleich die verba-res-Problematik ebenso anklingt196. In der dialogisch strukturierten Konfrontation des zweiten Aktes zwischen den beiden Agonisten verlangt die als einfältig gezeichnete persona Poggio, dass ihr Kontrahent Valla von seiner üblichen Verfahrensweise ablässt und keine philologische, d. h. die verba betreffende, sondern eine inhaltliche Kritik (res atque sententia) üben solle, was sie jedoch nach den ersten zwei Bemängelungen Vallas auf eine reine Bewertung der ratio componendi beschränkt wissen möchte197 An dieser Stelle kristallisiert sich die Divergenz ihrer Sprach- und Rhetorikverständnisse heraus, die in die Frage nach der korrekten Bedeutungsbestimmung mündet, was Valla hier unter
Prägnant formuliert in Cic. de orat. 1, 34. Vgl. allgemein zur sapientia Rice Jr. 1959, umfassend nach wie vor Seigel 1968b, begrifflich einführend S. xi–xvii und mit neuerer Forschungsliteratur auch Wadephul 2017. Konkret zu den einzelnen Bestrebungen bei Poggio und Valla Struever 1970, S. 144– 199 (Poggio); Struever 1992, S. 95–133 und Mariani Zini 2001 (Valla). Ausführlich zur verba-res-Problematik überblickend Eggs 2005. In dieser Debatte macht sich die persona Poggio durch inkonsistente Begründungen und absurden Vergleichen ihrer Bücher mit diversen Tieren lächerlich: Valla 1972, Apologus 2, S. 505 f.: Pog.: Melius ego mea quam tu nosti. Mihi crede nullum possem e meis libris meliorem eligere. Neque te debeo permittere, eligere pessimum. Vide quam tecum agam amice. Si de gallinis, anatibus, anseribus, columbis, turturibus meis velles eligere pessimam, id te non sinerem facere, sed pro te eligerem optimam. [...] Valla 1972, Apologus 2, S. 507: Pog.: Probe inquis Guarine. Sed nolim Laurentium sectari atque insectari verba sed res atque sententias.
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dem Begriff sensus, d. h. den historisch bedingten Bedeutungszusammenhang des usus loquendi fasst, in dem ein „wahrer“ Redner sich aus seiner Sicht bewegen müsse198. Ihm zufolge könne erst die philologische Erschließung die tatsächlich ausgedrückten Sachgegenstände und Aussagen (res und sententiae) freilegen, weshalb eine Analyse der verba unumgänglich sei199. Die mutmaßlich fehlerhafte, unklassisch geprägte Ausdrucksweise Poggios zeigt Valla mitunter am Beispiel der „Ehre“ (honor) auf, deren Bedeutung er von einem argumentum ad populum ableite200. Die Figur Bracciolini legitimiert ihr Verständnis des honor zunächst durch den vermeintlichen Gemeinsinn des ungebildeten Volkes und, nach Mahnung Vallas, sodann mit der dominanten Deutung der modernen (scholastischen) Philosophen. In diesem Zusammenhang muss auf die implizit vollzogene Transition zwischen der linguistischen, formellen und inhaltlichen Ebene geachtet werden, die sich in dem Verb sentire manifestiert: sentire wird unmittelbar mit den sententiae einerseits und der korrekten semantischen Erfassung der verba andererseits verbunden. Die unvollständige Übersetzung Bracciolinis ergebe sich durch seine unzureichenden Griechischkenntnisse und seinen grundsätzlichen Mangel an Wissen über das Altertum, das er durch populäre respektive scholastische Semantiken zu kompensieren versuche201. Im antiken Sprachgebrauch sind Valla zufolge Sprech- und Denkweise vereint zu fassen, eine korrekte, d. h. den res entsprechende Bedeutungszuschreibung sei allein über die klassische Semantik zu ergründen, nach-klassische Sinnerschließungen hingegen per se abzulehnen. Der von Valla abgeleitete antike Sprachgebrauch bildet, wie Poggio kritisiert, ein historisch abgeschlossenes semiotisches System, das darüber hinaus kulturell aufgeladen wird und zwischen der klassischen, „idealen“ Latinität und dem „barbarischen“ Mittellateinischen unterscheidet. Dass Valla demzufolge der klassischen Semantik einen grundsätzlichen Wahrheitsgehalt zuweist, d. h. das Potential, Realität und Inhalt adäquat
Das Verb sentire wird im Dialog in unmittelbarer Wechselwirkung mit den Verben loqui oder dicere verwendet. Valla 1972, Apologus 2, S. 507: Lau.: Etiam ne hoc postulas Pogi, idque eo in opere quod ais a Minerva dictatum? Pog.: Minervae non de verbis curae est sed de sententiis. Lau.: Itane parum momenti in verbis est? In quibus si non insunt sententiae, tamen insunt sensus, quos negligendos esse ne Minerva quidem dixerit nec Apollo nec Juppiter. Bracciolini 2019, Historia disceptativa tripartitia convivalis, Disceptatio 1, 4.10, S. 82: Id quoque mecum sentire arbitror sententiam videlicet Aristotelis tibi notam, qua honorem inquit esse honorantis. Apud illum igitur, penes quem honor remanet, necesse est et gratiam residere; ergo et convivii magistro gratia mihi videtur habenda. Valla 1972, Apologus 2, S. 516: Lau.: [...] Aristoteles non sentit honorem aut esse honorantis aut non esse honorati. Cuius haec verba sunt «δοκεῖ γὰρ ἐν τοῖς τιμῶσι μᾶλλον εἶναι ἢ ἐν τῷ τιμωμένῳ» [Aristot. NE 1, 5, 4 1095b23]. Quod sic potest interpretari: «Videtur honor in honorantibus potius esse quam in eo qui honoratur». Hoc est, videtur esse in potestate dantis non autem accipientis. [...] Ebd., S. 517: Pog.: Atqui ita vulgo accipiunt honorem non esse honorati sed honorantis. Ferner will Valla noch die fehlenden Altertumskenntnisse Bracciolinis durch seine Verwechslung der Götter Apollo und Mercur belegt wissen. Valla 1972, Apologus 2, S. 517–518.
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sprachlich wiederzugeben, wird in seinen Schriften prinzipiell vorausgesetzt202; warum mittellateinische Variationen wiederum untauglich für eine angemessene Verbalisierung erscheinen, wird aus sprachphilosophischer Sicht nicht thematisiert. Beide Prämissen werden im Streit ausdrücklich nicht diskutiert und erst in späteren Nachahmungsdebatten aufgegriffen, wenngleich Valla die vermeintliche Vorrangstellung der Latinitas kulturhistorisch begründet, was im nächsten Unterkapitel gesondert in den Blick genommen wird203. Die eigentliche Diskrepanz ihrer Sprachverständnisse, die konstitutiv für ihre jeweiligen Nachahmungsverfahren sind, lässt sich in ihren unterschiedlichen Auffassungen von der Wechselbeziehung von Sprache und Realität bzw. Form und Inhalt verorten. Valla verarbeitet in seiner Kritik im zweiten Akt des Apologus unmarkiert zwei Bemerkungen Bracciolinis aus den ersten beiden disceptationes, die von seiner grundsätzlichen Trennung von der sprachlichen bzw. rhetorischen Gestaltung, dem ornatus und splendor verborum, einerseits (zusammengefasst unter verba) und den Sachgegenständen bzw. Aussagen, d. h. den eigentlichen Gegenständen oder Inhalten andererseits (res/sententia) zeugen204. Die Trennung zwischen verbaler Form und sinngebenden Inhalt wird am Ende des 15. Jahrhunderts mitunter von Giovanni Pico della Mirandola (1463–1494) und Angelo Poliziano weitergeführt und deutete sich umfassend in der Bracciolini-Valla-Kontroverse an205. Beispielhaft nennt Poggio die Schriften der Rechtsgelehrten und Philosophen, die überaus gewichtige Inhalte behandeln, aber nichtsdestoweniger stilistische Mängel aufweisen würden206. Daher wirft er seinem Gegenspieler mehrfach vor, dass er mit ihm allein über Worte (verba), aber nicht über die „gewichtigen Aussagen“ (gravissimae sententiae) streite und daher nicht die nötigen Eigenschaften (sapientia, doctrina, eloquentia, facultas) eines Gelehrten vorweisen könne. Die Elegantiae seien „barbarische kleine Abhandlungen von Worten, gleichsam von Dummheit, ein gewisser Haufen, ohne
Vgl. auch Laffranchi 1999, S. 59–77. Zum Verhältnis von imitatio zur Wahrheit(ssuche) siehe den anregenden Aufsatz von Kablitz 1997. Siehe unten, Kap. 2.2.3.2. Valla 1972, Apologus 2, S. 507: Lau.: Etiam ne hoc postulas Pogi, idque eo in opere quod ais a Minerva dictatum? Pog.: Minervae non de verbis curae est sed de sententiis. Lau.: Itane parum momenti in verbis est? In quibus si non insunt sententiae, tamen insunt sensus, quos negligendos esse ne Minerva quidem dixerit nec Apollo nec Juppiter. Vgl. Godman 1998, bes. Kap. III, S. 80–133, hier S. 101 ff. Vgl. umfassend zum Begriff ornatus bei Leonardo Bruni, der das für den Humanismus zentrale Spannungsverhältnis von verba und res/sententia umfassend antizipiert Gerl 1981, S. 107–121; zusammengefasst Gerl-Falkovitz 1994, S. 86–96. Zur Monfasani-Waswo-Kontroverse über die Frage, ob Valla Realität, wie Waswo suggeriert, als sprachlich konstruiert betrachtet, dem Monfasani vehement widerspricht und dem Römer allzu radikale oder revolutionäre Ideen abspricht, siehe die einzelnen Beiträge Monfasani 1989 und die nicht weniger überzeugende Replik von Waswo 1989. Zur Rolle von Sprache mit Blick auf die Kontroverse und die verschiedenen Lesarten Nauta 2015, S. 138–142. Bracciolini 2019, Historia disceptativa tripartitia convivalis, Disceptatio 2, 22.2, S. 132: [...] qui sententias magis quam verborum ornatum aucupantur. Nam si nil tibi placet nisi splendide et ornate dictum, tuos et philosophorum omnium libros contemnes.
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Sinn (sine sensu), ohne Verstand, ohne Geschmack, mit Streitereien, Misshandlungen, voll mit Absurdität, in denen sich nichts befindet außer eine Lehre von Prahlerei und Witzeleien. Durch das Lesen der vallianischen Dummheit bin ich selbst fast ungelehrter gemacht worden [...] [Hervorhebung durch den Verfasser].“207 Das Werk besteht ihm zufolge allein aus inhaltlosen Worthülsen bzw. aus kleinlichen grammatischen Untersuchungen ohne faktischen Gehalt oder Relevanz für sachliche, d. h. sinnverwertende Diskussionen208. Die Wortwahl ordnet er einzig dem Stil zu, der eine ästhetische Funktion, abhängig von der Wirkungsabsicht einerseits und dem Publikum andererseits, erfüllt und nach diesen Kriterien auszuwählen sei. Seine Auffassung von Form und Inhalt war ohne weiteres mit dem zeitgenössischen Verständnis in Einklang zu bringen, wie beispielsweise der Sohn von Guarino da Verona, Battista Guarino (1434–ca. 1503), der als einflussreicher Lehrer in die Fußstapfen seines Vaters trat, bestätigt: In einem 1459 in Briefform veröffentlichten Bildungstraktat hob er die Priorität der Inhalte gegenüber der sprachlichen Form eindeutig hervor209. Für seine eigenen Dialoge setzt Bracciolini, wie oben gezeigt, auf einen „leichten“ Stil, der aus seiner Sicht auch für weniger „ernste“ Sachverhalte geeignet sein könne. Diese Form der elocutio zeichnet sich durch „geistreichen Humor“ (sal) aus, der sich simultan an weniger gebildete Leser richtet, aber nichtsdestoweniger wertvolle sententiae zu verbalisieren vermag210. Den Begriff sal, der sich als ein rhetorisches
Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 190: [...] discutiamus paulum suorum uerborum pondus et grauitatem. Ebd., Invectiva secunda, S. 223: Ita ego cum legerim tuas non Elegantias, sed uerborum disputatiunculas barbaras, ueluti stulticiae, congeriem quandam, sine sensu, sine sale, sine sapore, iurgiis, contumeliis, absurditate plenas, quibus nulla inest nisi iactantiae et dicacitatis doctrina, ipse legendo stulticiam Valleam sum pene factus indoctior [...]. Ähnliche Herabsetzungen des Werkes finden sich in allen orationes verteilt. Bracciolini lehnt nicht linguistische Diskussionen per se ab, sondern sieht eine unnötige Penibilität und Wortklauberei in den Schriften seines Gegners, die explizit die eigentliche Bedeutungsebene bzw. die Sinnstiftung des Gesagten unberücksichtigt lässt. Exemplarisch Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 223: Quo in loco primum respondeo, turpissimum mihi ducere cum insano garrulo disputare de Grammaticae quaestiunculis, in quibus Paedagogus ille ab infantia immersus iacuit, solitus semper de eiusmodi ineptiis cum puerulis garrire. [...] Ita ego cum legerim tuas non Elegantias, sed uerborum disputatiunculas barbaras, ueluti stulticiae, congeriem quandam, sine sensu, sine sale, sine sapore, iurgiis, contumeliis, absurditate plenas, quibus nulla inest nisi iactantiae et dicacitatis doctrina, ipse legendo stulticiam Valleam sum pene factus indoctior [...]. Ähnlich auch Bracciolini 2006, Invectiva quinta 9, S. 132: Cum uero non de uerborum insulsitate tecum, sed de grauissimis sententiis contendam, tunc non verbis, sed manibus faces incensas subdam. Guarino 2001, De ordine docendi et studendi, S. 298: Nec faciant quod superioribus annis quendam in legendis De oratore Ciceronis libris facere audivimus, qui verba tantum et dictionis ordinatum admirabatur, sensa vero penitus omittebat; sed imitandi sunt qui vehementer sitiunt: ii enim non prius toreumata et poculorum insignia contemplantur, quam ardorem sitis restrinxerint; ita studiosi primum sententias moresque decerpant, deinde ad dictionis florem convertantur. Battista Guarino verwertet hier nach wie vor die für Reflexionen über die imitatio typischen floralen Wortfelder. Bracciolini 2019, Historia disceptativa tripartitia convivalis, Disceptatio Proem. 2.2, S. 72: Verum, cum non semper maioribus in rebus studia nostra versari possint, laudanda quoque aut certe non repudianda sunt humiliora exercitia, praesertim cum non omnino salis vacua, et remissius quoddam orationis
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Grundprinzip im poggianischen Œuvre erweist, entnimmt er mitunter Ciceros Orator, wo sal wiederum in facetia und dicacitas aufgegliedert wird211. Prominent kommt der Kategorie facetia in Poggios stark rezipierten und im selben Zeitraum (um 1450) fertiggestellten Liber facetiarum eine wichtige Bedeutung zu. Bei seinen Facetiae handelt es sich um eine Sammlung von Anekdoten, Sentenzen oder Witzen, die sich durch ihre Kürze, ihre einfach gehaltene Sprachgestaltung und ihre teils obszönen Inhalte auszeichnet. Alle Kurzgeschichten beinhalten eine humoristische Pointe. Sie zielten grundsätzlich nicht primär auf eine moralische Belehrung ab, sondern illustrierten vielmehr zur Belustigung dienende Momentaufnahmen eigenartiger oder alltäglicher Situationen212. Diese konnten jedoch auch gegenwärtige Missstände adressieren und entsprachen tendenziell, trotz komischer Elemente, Poggios „historischem Realismus“213. Historischer Realismus meint eine nüchterne, pointierte und vor allem ungeschönte Wiedergabe der von ihm wahrgenommenen Geschichte und Gegenwart. Seine Weltanschauung ist grundsätzlich durch eine pessimistische Grundhaltung geprägt, die allein im Altertum und seinen literarischen Zeugnissen eine gewisse Idealität vorfindet. Seine analytische Ausrichtung wird durch seinen humoristischen Darstellungsmodus jedoch entschärft; die Inhalte werden mit Witz aufgearbeitet und ermöglichen simultan eine Unterhaltung der Leserschaft. Im Vorwort der Facetiae skizziert er seinen experimentellen Zugang zur Beredsamkeit (eloquentia), den er als legitimationsbedürftig stilisiert214. Topisch entschuldigt er sich zunächst für die vermeintliche „Dürftigkeit der
genus [...]. [...] mandavi litteris sermonem superiori anno inter doctissimos viros habitum, qui tres continet disputatiunculas haud sane graves, sed quae ad legendum non mediocriter homines possint allicere. Siehe auch beispielhaft das Vorwort zu seinem Dialog De nobilitate, Bracciolini 2004, De vera nobilitate, Praef.: Quod ut conentur qui id per doctrinam et eloquentiam possunt uehementer hortor, ob utilitatem communem. Hoc enim maxime modo latinae linguae splendorem ac decus augebit disserentium industria, mihique in primis gratias agent, quod meis ineptiis illos ad scribendi studium et laudem prouocarim. A lectoribus autem ueniam peto, si non eam quam uel rei dignitas, aut opinio eorum inquirit scientiam et elegantiam praestiti, malui enim ruditer atque indocte, quam nihil scribere, praesertim ociosus et ea de re in cuius existimatione pauci uidentur recta sentire. Vgl. dazu zum antiken Textyp Kipf 2010, S. 19–22. Vgl. auch anregend zum Witz als Ausdruck von Intellektualität Röcke 1999. Siehe zur facetia und dem risum im allgemeinen Cic. de orat. 2, 218–293; komprimiert in Cic. orat. 87–90; Quint. inst. 6, 3. Barner 1987, S. 101; Bisanti 2011, zur Gestaltung bes. S. 1–52; die Textsorte hat grundlegend Kipf 2010 aufgearbeitet, zur Erzählsituation bes. S. 81 ff. Vgl. Trinkaus 1970 1, S. 258–270, zusammenfassend S. 270. Der Begriff „historischer Realismus“ zur Charakterisierung von Bracciolinis Gedankengebäude ist von der Forschung fest übernommen worden, vgl. u. a. Struever 1970, S. 144 ff.; eine enge Verwandschaft zwischen Poggios historischem Realismus, der ebenso auf eine genaue Analyse der (sprachlichen) Praxis setzt und Valla, der diese Methode umfassend ausbauen sollte, will Marsh 1979, S. 96 f. und 1980, S. 50 identifiziert haben. Cic. orat. 87: huic generi orationis aspergentur etiam sales, qui in dicendo nimium quantum valent; quorum duo genera sunt, unum facetiarum, alterum dicacitatis. Utetur utroque; sed altero in narrando aliquid venuste, altero in iaciendo mittendoque ridiculo, cuius genera plura sunt; sed nunc aliud agimus. Dazu Rabbie 2007, hier S. 209 f. Siehe auch Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 223 und Bracciolini
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Eloquenz“; sein primäres Ziel sei es, die lateinische Sprache seiner Zeit (in hac nostra aetate) in „leichteren Sachverhalten“, die in einem gelehrten Idiom schwierig auszudrücken seien, zu erschließen und lexikalisch zu bereichern. Die Übung fasst er pädagogisch als einen Beitrag zur doctrina eloquentiae. Er wünscht sich, dass seine Facetiae von „geistreichen“ und „kultivierten“ Lesern gelesen werden, was nur scheinbar den Aussagen seiner Dialoge widerspricht. Geschickt verbindet Poggio den zuvor erwähnten Humor (sal) mit dem vorgebrachten Bescheidenheitstopos, um seine rhetorische Herangehensweise beim Publikum auf gewitzte Weise zu lizenzieren. Die Sinnerschließung und Deutung sind folglich dem Leser überlassen, der, je nach Bildungsgrad, sich entweder rudimentär an den skurrilen Darstellungen erfreut oder nach einem tieferen Sinn sucht und die sententiae in den Einzelgeschichten freizulegen vermag. Anders als in der konventionellen exemplaEthik müssen Poggios Leser selbstständig eine tiefere Moral ex negativo erschließen215. Die Betonung der lateinischen Sprache „unseres Zeitalters“ ist ebenso von Bedeutung. Poggio rekonstruierte nicht die lingua latina einer vergangenen Epoche, sondern intendierte sowohl den Wortschatz als auch die stilistischen Varianten einer historisch bedingten, aber nach wie vor im Gebrauch befindlichen Sprache zu vergrößern. Auch für diesen Ansatz fungierte Cicero als Ideengeber, der im Brutus und in De Oratore von genuinen Epochenstilen spricht, die simultan die Sittlichkeit ihrer Sprecher widerspiegeln216. Der stilistische Ausschmückungsgrad der verba korreliert aus seiner Sichtweise, und hier verbleibt er im konventionellen Rahmen der Rhetoriklehre, mit den jeweiligen Sachgegenständen und impliziert die Sprachtugend des aptum. Das gelehrte Idiom beschränkte sich seiner Ansicht nach bislang auf bestimmte intellektuelle Diskurse, während mithilfe des ungelehrten Idioms auch vermeintlich weniger gewichtige oder witzige Dinge, die jedoch geistreiche und daher diskussionswürdige (moralische) Werturteile beinhalten, verständlicher artikuliert werden können. Ein Blick in eine der
2006, Invectiva quinta 2, S. 108, wo er sal neben sensus und sapor als rhetorische Qualitätsmerkmale benennt. Bracciolini 1983, Facezie, Praef. S. 108, 110: Ne aemuli carpant Facetiarum opus, propter eloquentiae tenuitatem. [...] Modo ipsi eadem ornatius politiusque describant, quod ut faciant exhortor, quo lingua Latina etiam levioribus in rebus hac nostra aetate fiat opulentior. Proderit enim ad eloquentiae doctrinam ea scribendi exercitatio. Ego quidem experiri volui, an multa quae Latine dici difficulter existimantur, non absurde scribi posse viderentur, in quibus cum nullus ornatus, nulla amplitudo sermonis adhiberi queat, satis erit ingenio nostro, si non inconcinne omnino videbuntur a me referri. [...] A facetis enim et humanis (sicut Lucilius a Consentini et Tarentinis) legi cupio. Zu dieser Stelle auch Fubini 2003, S. 34; Kipf 2010, S. 88 f. mit kritischer Auseinandersetzung der bisherigen Literatur; zum Stil bes. Tateo 1982, S. 221. Zum facetia-Verständnis Poggios vgl. Koj 1969, S. 39–47 und Röcke 1999, S. 92–96. Cic. Brut. 258; de orat. 2,92: Quid enim causae censetis esse cur aetates extulerint singulae singula prope genera dicendi? Dazu bes. Möller 2004, S. 150 ff. Canfora 2007, S. 61 zieht die Möglichkeit in Betracht, dass Poggio von Leon Battista Alberti (1404–1472) beeinflusst wurde, der im dritten Buch seiner Della famiglia die humanistische Rekonstruktion der klassischen Latinität für gescheitert erklärte. Vgl. Alberti‚ Della famiglia, 3, Proemio, S. 233.
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frivolen Geschichten reicht, um die sprachliche Gestaltung und die typischen Charakteristika der Facetiae aufzuzeigen: Von einem Prediger, der lieber zehn Jungfrauen als eine verheiratete Frau auswählt. Ein zu wenig besonnener Mönch aus Tivoli predigte zum Volk und verwünschte den Ehebruch, den er mit vielen Worten noch drückender machte. Unter anderem sagte er auch, dass dieser eine so schwere Sünde sei, dass er lieber mit zehn Jungfrauen schlafen wolle als mit einer verheirateten Frau. Das hätten auch viele der Anwesenden (so) ausgewählt.217
Die einzelnen Erzählungen sind, wie das Beispiel bezeugt, stilistisch einfach gehalten; die schlichten Satzkonstruktionen orientieren sich oftmals am volgare und sollen ein gesprochenes Latein simulieren218. Das jeweilige Geschehen wird seriell ohne Ausschmückungen oder nähere Beschreibungen geschildert und ist auf die humorvolle Pointe am Schluss ausgerichtet. Oberflächlich erfüllt die jeweilige facetia so ihren Zweck und regt das Publikum zum Lachen an. Bei genauerer Betrachtung des oben wiedergegebenen Witzes finden sich jedoch mehrere Bedeutungsebenen, die von der Leserschaft freigelegt werden können. Der Mönch richtet sich offenbar an eine Menge, die sich unzureichend an das Ehegelübde gehalten hat. Dass er als Geistlicher den Geschlechtsverkehr überhaupt als Möglichkeit in Betracht zieht und diesen mit zehn Jungfrauen außerhalb der Ehe (!) einem Ehebruch vorzieht, legt seine Gedankenwelt offen und demonstriert ebenso seine implizite Missachtung der gesellschaftlichen und religiösen Normen. Durch die Zustimmung seiner unbedachten Äußerung wird das hierarchische Verhältnis zwischen dem Prediger und dem Volk aufgelöst; der frater wird der Lächerlichkeit preisgegeben und als Heuchler entlarvt, was seine zu Beginn vorgenommene Charakterisierung als parum consideratus in einem neuen Licht erscheinen lässt. Neben der komischen Situation verbergen sich in dieser Geschichte eine Institutionskritik und die Adressierung kontemporärer Verwerfungen; auch ein humanistisch geprägter Tadel an der rhetorischen Unfähigkeit des besagten Predigers lässt sich identifizieren, was sich im Quattrocento in eine Reihe häufig geäußerter Topoi einreiht, die auf eine Bemängelung der rednerischen Kompetenzen von Wanderpredigern abzielte219. Von
Bracciolini 1983, Facezie, S. 164, 44: De praedicatore qui potius decem virgines quam nuptam unam eligebat. Praedicabat Tibure Frater parum consideratus ad populum, aggravans multis verbis ac detestans adulterium, dixitque inter caetera, adeo esse grave peccatum, ut mallet decem virgines cognoscere quam unicam mulierem nuptam. Hoc et multi, qui aderant, elegissent. Siehe dazu bes. Tateo 1982; Canfora 2006 und ders. 2007, S. 60 ff. Diese Darstellungsform, die auf eine derbe und ungeschönte Wortwahl setzt, lehnte Valla für moralische Belehrungen aufgrund ihrer Schamlosigkeit (impudentia) entschiedend ab, was darüber hinaus seinem Sprachverständnis eine ästhetisch-moralische Komponente verleiht, die er jedoch in seinen Schriften nur oberflächlich behandelt und zur Diskreditierung seines Gegners appliziert. Siehe die verstreuten Äußerungen in Vallas zweitem Antidotum, Valla, Antidotum secundum ms. Autograph, fol. 105r, Appendix S. 363: En probitas senis, en oratoria sanctitas. Ex tua ista loquendi impudentia dignus es, Podi [...]. Ebd., fol. 105v, Appendix S. 365: O elegantem philosophum, o alterum Esopum qui ad extremum fabule sententiam subijcit. [...] Morale preceptum, et aureis litteris scribi dignum. Et si me
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einem Einzelfall, einem exemplum, lässt sich induktiv auf das Größere schließen, ohne, dass der Autor der Leserschaft die enthaltenen sententiae explizit aufzwingt220. Auch in Bezug auf Bracciolinis Historia disceptativa dürfen weder die angemeldete Einfachheit noch die vermeintliche Abstufung der von ihm behandelten Themenkomplexe über ihre inhaltliche Relevanz hinwegtäuschen. In seinem dreiteiligen Dialog befasst sich Bracciolini mit der korrekten Danksagung und ihren moralphilosophischen Implikationen, mit der Funktionsweise und Bedeutung der Jurisprudenz und Medizin im historischen Vergleich sowie den lateinischen Sprachvariationen im Altertum221. Es handelt sich also durchaus um gewichtige Gegenstände, die in den humanistischen Diskursen auf große Resonanz stießen. Poggio knüpft an Ciceros Orator an, in dem der römische Redner die Realisierung der wahren eloquentia durch die Beherrschung der drei Stilarten (genera dicendi) diskutiert, die mit den drei Stoffarten nach ihrer Angemessenheit (decorum) zu einem „Stoff-Stilschema“ in Einklang gebracht werden müssen. Der Humanist beabsichtigte eine Vereinfachung des rednerischen Darstellungsmodus in praxi umzusetzen. Seine an den officia oratoris orientierte Stilsynthese sollte, dem Anliegen Vallas nicht gänzlich unähnlich, eine publikumszentrierte, effiziente und reduktionistische Exposition der jeweiligen Sachgegenstände bzw. Aussagen ermöglichen222. Entsprechend setzt er literarische Verschlüsselungen auf einer vom Literalsinn partiell unabhängigen, gleichsam „hinter den Worten“ stehenden
homines audient, has tam morales fabellas cum illis æsopianis eodem in codice copulabunt. Ausführlicher zu Vallas Kritik an den Facetiae siehe unten, Kap. 3.1.3.2. Vgl. zum Begrif sententia auch Quint inst. 8, 5, 1–2, der von Poggio jedoch breiter ausgelegt wird und Aussagen oder Belehrungen im Allgemeinen meint. Vgl. zur humanistischen Beschäftigung mit der Jurisprudenz im Frühhumanismus bes. Krantz 1971 und 1987 mit Blick u. a. auf Bracciolini; überblickend Kelley 1970b; 1976 und 1979; zu Coluccio Salutatis wichtigem Traktat siehe die Einleitungen von Keßler 1990, S. VII–XXV und Grassi 1990 XXVI– XXXVII. Grundsätzlich auch MacLean 1992. Cic. orat. 69: erit igitur eloquens [...] is qui in foro causisque civilibus ita dicet, ut probet, ut delectet, ut flectat. Probare necessitatis est, delectare, suavitatis, flectere victoriae: nam id unum ex omnibus ad obtinendas causas potest plurium. Sed quot officia oratoris, tot sunt genera dicendi: subtile in probando, modicum in delectando, vehemens in flectendo, in quo uno vis omnis oratoris est. orat. 100: is est igitur eloquens, ut idem illud iteremus, qui poterit parva summisse, modica temperate, magna graviter dicere. Siehe auch Cic. de orat. 2, 236, wo die Vorzüge der Humoranwendung für den Redner besprochen werden und ebenso von Poggio eingearbeitet worden sind. Zu den officina oratoris Quadlbauer 1983, S. 80 f. Siehe auch zu Poggios Stil McLaughlin 1995, S. 130; Tateo 1982, S. 221. Die Kombination kann er ebenso auf Ciceros Ermahnung zurückführen, dass die verschiedenen Stile mitunter abgeglichen und gewechselt werden müssen. Dass der antike Redner selbstredend die kontemporären Sprachvariationen des Lateinischen meint, wird von Poggio übergangen; er überträgt die Stillehre in seine Gegenwart und schöpft folglich aus dem volgare und anderen lateinischen Derivationen. Cic. orat. 99: Ille enim summissus, quod acute et veteratorie dicit, sapiens iam, medius suavis, hic autem copiosissimus, si nihil aliud est, vix satis sanus videri solet. Qui enim nihil potest tranquille, nihil leniter, nihil partite definite distince facete dicere, praesertim cum causae partim totae sint eo modo partim aliqua ex parte tractandae si is non praeparatis auribus inflammare rem coepit, furere apud sanos et quasi inter sobrios bacchari vinulentus videtur. Siehe außerdem Cic. de orat. 1, 12 zum sermo vulgaris und dem Imperativ, von diesem in der
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Bedeutungsebene voraus, die in einem mehrstufigen hermeneutischen Verfahren dechiffriert werden müssen. Diese Sinnebenen können jedoch über eine effektiv angewandte Rhetorik, die auf übermäßige Stilisierung verzichtet, freigelegt und adäquat vermittelt werden223. Die Interpretation bleibt jedoch in seinem äquivoken Bedeutungsmodell tendenziell der Leserschaft überlassen, wenngleich der Redner dafür Sorge tragen muss, dass den Adressaten der Zugang zu allen möglichen Sinnebenen offensteht. Riccardo Fubini spricht in diesem Zusammenhang von einer „De-Rhetorisierung“ (derhetoricization) des Lateinischen, was beispielsweise im direkten Vergleich zu seinem Freund, dem humanistischen Wortführer Leonardo Bruni und seiner ornatus-Theorie sowie dem konkreten Ausschmückungsrad seiner Schriften plausibel erscheint224. Allerdings wertet er Bracciolinis Bescheidenheitstopoi zu stark und übersieht den Rückgriff auf Cicero: Poggio beabsichtigte vielmehr Elemente des „ungelehrten“ Idioms zu „rhetorisieren“ und in die als gelehrt erachtete Ausdrucksweise zu integrieren, um den jeweiligen Inhalten eine angemessene sprachliche Abbildung zu ermöglichen. Seinen Stil hielt er, wie Iiro Kajanto gezeigt hat, bewusst schlicht und markant, um den intendierten Sinn bzw. die zu transportierenden Aussagen wirkungsvoll kommunizieren zu können225. Bracciolini zielte, und dies ist essentiell für einen Vergleich mit seinem Rivalen, nicht auf eine Rekonstruktion der klassischen Latinität ab, für die er keinen Bedarf sah. Vielmehr konzentrierte er sich auf die Identifikation der rhetorischen Spielarten, die es herauszuarbeiten und pragmatisch im kontemporären Mittellateinischen zu verwerten galt. Bracciolionis permissives Sprachverständnis unterscheidet sich stark von Vallas restriktiver Auffassung des Lateinischen: Letzterer geht von einem historisch notwendigen und semiotisch unüberbrückbaren Konnex von verba und res bzw. sententiae aus, der durch etwaige Ungenauigkeit oder Abweichung von dem von ihm beschworenen antiken usus loquendi einen Bedeutungsverlust der verba bewirkt und die Sachgegenstände im Lateinischen nicht mehr adäquat abzubilden vermag226. Folglich weist
Komposition der Rede nicht abzusehen, was auch Quintilian übernimmt, siehe inst. 10, 1, 9. Dazu Müller 2001, S. 155–156, hier S. 155 und Ueding/Steinbrink 1994, S. 226–229. Zur mittelalterlichen Hermeneutik grundsätzlich Brinkmann 1980. Vgl. Fubini 2003, S. 35: „Among the other analogous tracts, Poggio’s contribution (1450) [scil. die Historia disceptativa] stands out as a more decisive step, so to speak, in the “de-rhetoricization” of Latin.“ Siehe auch die Bemerkung in Bracciolini 2019, Historia disceptativa tripartitia convivalis, Disceptatio 3, 3.1, S. 138: Longum esset referre Latina verba, quae sunt in eorum vulgari sermone: sunt pene infinita! Illud dicam, multa me Romae didicisse inter loquendum Latina vocabula, quae antea ignorabam. Vgl. grundsätzlich Gerl 1981, bes. S. 107–109. Vgl. Kajanto 1987, S. 22 f.: „Highly wrought rhetoric is, however, exceptional in Poggio. He even suggests that excessive rhetoric smacks of adulation.“ S. 23: „Though Poggio had raised Cicero as his model, in reality he did not exert himself to imitate Cicero’s Latinity. His plain and vigorous style was largely his own creation.“ Dieses Verständnis entnimmt Valla Quintilians Definition der für die Sprache maßgeblichen proprietas: Quint. inst. 8, 2, 1 und 3: Perspicuitas in verbis praecipuam habet proprietatem, sed proprietas
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er unabhängig von der klassischen Wortbedeutung existierende, gleichsam metaphysische Sinnzuschreibungen, die aprioristisch innerhalb nach-klassischer Lehrsysteme die Bedeutung ahistorisch vorgeben und allein deduktiv ableitbar sind, entschieden ab. Bei der klassischen Latinität handelt es sich aus seiner Perspektive um eine hermetische Semiotik, die durch ihre Historizität bedingt ist und sich demzufolge eo ipso von unklassischen Derivationen abgrenzt227. Sein Sprachverständnis ist eindeutig von Leonardo Bruni beeinflusst, der bereits die unauflösbare Verschränkung von Wort und Sachlichkeit voraussetzte. Valla radikalisierte Brunis Ansatz jedoch und beabsichtigte den der Sprache inhärenten Bedeutungsverschiebungen durch eine limitative Anzahl an Auslegungsmöglichkeiten entgegenzuwirken228. Die von ihm angestrebte Univozitätsreduktion lässt sich an einem weiteren Kritikpunkt an Bracciolinis Ausdrucksweise aufzeigen. Valla wirft Poggio einen falschen Gebrauch des Partizips desuetus vor, das mit „entwöhnt“, „aus dem Gebrauch“ bzw. „aus der Übung gebracht“ übersetzt werden kann. In seiner ersten oratio gegen seinen Gegenspieler spricht Poggio im Allgemeinen von „drei Arten der Tüchtigkeit, die „abgewöhnt“ bzw. „verlernt“ worden seien (tres species fortitudinis desuetas): Daher meine ich, dass es sehr oft nötig ist, die Wahnsinnigen zu züchtigen, damit die Übrigen bedächtiger mit Beleidigungen umgehen, und hier folge ich der Meinung des Volkes, das glaubt, dass es gerechtfertigt sei, dass der Angegriffene auf die Beleidigung mit Wiedervergeltung reagiert. Es gibt überdies in der alltäglichen Sprache eine humorvolle Redensweise, die von drei verlernten Arten von Tüchtigkeit ausgeht: Es gilt erstens eine schmähsüchtige und schimpfliche Frau, zweitens einen alten Verleumder und Lästerer und drittens einen Verrückten und Geisteskranken zu züchtigen. All diese nämlich, von denen die einen auf das Vorrecht des Geschlechts
ipsa non simpliciter accipitur. Primus enim intellectus est sua cuiusque rei appellatio, qua non semper utemur. [...] in hac autem propietatis specie, quae nominibus ipsis cuiusque rei utitur, nulla virtus est, at, quod ei contrarium est, vitium. Seine Sprachauffassung skizziert er bereits in seiner Invektive gegen die pavesische Juristenfakultät von 1433, in welcher er sich mit dem Traktat De insigniis et armis der juristischen Fachgröße Bartolo de Sassoferrato (1313–1357) auseinandersetzt. Er berichtet in seiner Schrift von einem Treffen mit einem mutmaßlichen Juristen, der das Sprachverständnis Poggios teilt: Valla 1997, Epistola contra Bartolum, S. 1538: Ego [scil. Valla], qui non penitus abhorreo ab intelligentia verborum [...]. Ebd., S. 1540: Non est nobis [scil. der namenlos Jurist] cura de verbis, sed de sententiis, non de frondibus arborum, sed de pomis et fructibus, quemadmodum vobis oratoribus, qui verba aucupamini, vim atque utilitatem sententiarum omittitis et semper in ridiculis et rebus inanibus occupati estis [...]. Die dem Juristen in den Mund gelegte Analogie zwischen Worten als Laub bzw. belaubte Zweige (frondes) und Aussagen bzw. Inhalte als Obst und Früchte (poma und fructus) sieht eine Trennung von verbalen Ausschmückungen und Beiwerk und den scheinbar von der Semantik unabhängigen Bedeutungszuschreibungen vor, gegen die Valla ausdrücklich anschreibt. Vgl. Gerl 1981, S. 119: „Brunis Denken des ornatus kreist also nicht um ein peripheres Problem, sondern führt zu der prinzipiell verstandenen These: daß höchste Sachlichkeit der Aussage erst im ornatus des Wortes bewahrt und bewahrheitet wird.“
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oder des Alters, die anderen auf das der Dummheit vertrauen, reden und tun vieles, was nicht hinzunehmen ist. Als ungeübte Tugend wird bisweilen erachtet, diese mit einem Prügel zu zähmen. [Hervorhebungen durch den Verfasser]229
Valla rügt Poggio für seine „barbarische Wortwahl“ und plädiert anstelle des Partizips das Adjektiv insuetas einzusetzen, da er die fortitudo zunächst als „verlernt“ (desueta) charakterisiert, im Anschluss jedoch die konkrete Züchtigung als „ungeübte Tugend“ (insueta virtus) beschreibt230. Poggio legitimiert seinen Ausdruck mit einer Stelle aus der Aeneis (Aen., 7, 693, Iam pridem resides populos desuetaque bello Agmina in arma uocat) und weist auf den Umstand hin, dass die besagten Scharen aufgrund ihrer fehlenden Kriegserfahrung im Kampfe „ungeübt“ seien. Diese Lesart widerlegt Valla und schlüsselt sowohl mit dem Kommentar Serviusʼ als auch mit einer genauen Kontextualisierung der besagten Stelle in der Aeneis die exakte Wortbedeutung von desuetus auf: desuetus setzt vorherige Kenntnisse voraus, die „entwöhnt“, „verlernt“ worden oder aus der Übung gekommen sind, während insuetus gänzlich „ungewohnte“ und „ungeübte“, d. h. nicht vorhandene Kenntnisse oder Erfahrungen meint. Die semantische Differenz zwischen beiden Worten ist evident und von Valla korrekt aufgeschlüsselt. Auch stellt er einen Bedeutungsunterschied zwischen den Verben castigare und reprimere fest, der sich auf die jeweilige Tätigkeit bezieht: castigare (züchtigen) sei im
Vgl. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 188: Itaque existimans persaepe necessarium esse castigare insanos, quo caeteri sint ad iniuriam tardiores, sequar uulgi opinionem, qui iustum putant lacessitum iniuria parem gratiam referre. Est praeterea in sermone quotidiano uulgata ridendi gratia sententia, tres esse species fortitudinis desuetas. Vnam, si mulierem maledicam ac contumeliosam, alteram, si senem detractorem conuiciatoremque, tertiam, si dementem atque insanum castiges. Hi enim omnes partim sexus, partim aetatis, partim stulticiae licentia confisi, multa dicunt aguntque non ferenda, quos fuste reprimere aliquando insueta uirtus existimatur. Valla 1978, Antidotum primum 1, 8, S. 84: [...] ut barbaris eius verbis utar: «desueta est fortitudo talem senem castigare», cum ‘desuetum’ sit ‘a consuetudine iam remotum’ [Vgl. Serv. Aen. (A.) 6, 814]. Scilicet accipit rem desuetam pro insueta, quod mox ostendit, ut semper repetit eadem et inculcat orationemque perturbat inquiens «quos fuste reprimere insueta virtus existimatur» [...]. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 224: Exclamat statim barbarismum in meis dictis reperiri. ‚Desuetum‘ pro ‚insuetum‘ a me positum culpat. Sed huic barbaro latinum opponam. Vergilius enim in Aeneidis: «Iam pridem resides populos desuetaque bello Agmina in arma uocat» [Verg. Aen. 7, 693]. Resides populos, eos appellat qui in armis antea non fuerint uersati, ideoque desueta agmina uocat, id est, bello non antea assueta. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 328 f.: Quis ita, ut tu, istum locum exponit? An Seruius? Minime. Sed neque aliter Seruius exponit, inquies. Cur ergo reliquit in expositum? Certe id non fecisset, si aliter iste locus acciperetur, atque ille: «residesque mouebit Tullus in arma uiros et tam desueta triumphis Agmina» [Verg., Aen. 6, 813–815]. Quae loca cum ex eisdem pene uerbis constent, Seruius satis putauit, se istum tuum e libro septimo locum exposuisse, cum alterum in sexto exposuit: inquiens, ‚Desueta‘ triumphis: id est: a consuetudine triumphandi remota [Serv. Aen. (A.) 6, 814]. Ergo desueta bello, a consuetudine bellandi remota. [...]. Poggio übersieht, dass König Mesappus zuvor mit seinem Volk Kriege geführt hat, jedoch aufgrund längerer Friedenszeiten und ihrer Sesshaftigkeit „aus der Übung gekommen ist“ bzw. sich von Militärkampagnen „entwöhnt hat“. Siehe auch die knappe Bemerkung von McLaughlin 1995, S. 142.
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verbalen, reprimere (zähmen) im physischen Sinn zu verstehen231. Nichtsdestoweniger führt Poggios Gebrauch von desuetus oder castigare zu keinem Verständnisproblem, da die Anwendung beider Worte im Kontext ihrer Äußerungen eine eindeutige Interpretation der Aussage zulässt. Bracciolini setzte entsprechend eine situative, reziprok bedingte, d. h. durch Autor und Leser horizontal erfolgte Auslegung voraus, die mitunter äquivok ausfallen konnte. Seine Bedeutungskonstitution ließ bei einer genauen Wortanalyse einen gewissen interpretativen Spielraum offen, der jedoch allein aus einer streng klassizistischen Perspektive die Lesart erschweren konnte. Der Autor der Elegantiae rügt seinen Widersacher mehrfach für seine „poetische“ Ausdrucksweise, die ihm zufolge ein breiteres Spektrum an Bedeutungszuweisungen und Formulierungen auf Kosten der Präzision zulässt. Er setzte dagegen auf eine vertikale, d. h. hierarchisierte Bedeutungsbestimmung, welche den antiken usus loquendi als semiotischen Index installierte und die Aushandlung bzw. Konstitution einer nach-klassisch bedingten Semantik ausschloss232. Grundsätzlich fasst er die von ihm behandelte lingua latina als elitäre Sprache der Gebildeten und Redner (eruditi und oratores) und stuft implizit die von diesem Ideal abweichenden Sprechweisen als semibarbare oder semilatine ein. Poggio orienterte sich trotz der sichtlich klassizistischen Elemente seiner Beiträge an dem kontemporären Sprachgebrauch der humanistischen Gemeinschaft, was Valla nichtsdestoweniger pejorativ als ad populum-Argument klassifiziert233. Beide Gelehrte berufen sich implizit auf Cicero respektive Quintilian, welche die jeweilig gegenwärtige Redeweise (volgari genus orationis) und das ihr inhärente Sinnverständnis (consuetudo communis sensus) für die Rhetorik als axiomatisch bewerten234. Valla deutet die Stelle anachronistisch als Restauration eines vergangenen Sprachverständnisses; Poggio dagegen wendet die Weisung korrekterweise auf die eigene Gegenwart an235. Hier verläuft die grundlegende Trennlinie zwischen ihren Sprachverständnissen wie auch ihren Rollen als oratores, die im Streitverlauf mehrfach impliziert, aber insbeson Valla 1978, Antidotum primum 1, 8, S. 84: [...] et ʻcastigareʼ pro ʻcoercereʼ, cum ʻcastigareʼ sit ʻreprehendereʼ, quod nec insuetum nec difficile est. Valla bemerkt, dass Poggios Stil nicht den antiken Rednern oder Historikern entspreche, sondern ebenso poetische Elemente einarbeite, was jedoch mit dem prosaischen usus loquendi nicht vereinbar sei, siehe beispielsweise seine Kritik an Poggios Formulierung Tercentum quadraginta diebus, anstelle von tercentum hätte er trecentis diebus setzen müssen, was „gebräuchlicher“ (usitatus) sei, Valla 1978, Antidotum primum 3, 156, S. 206: Illud vero pene poeticum. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 328: Differo parumper de exemplo tuo disserere. Ita ne tu prosa oratione scribens iis uocabulis uteris, quibus non oratores aut historici, sed poetae utuntur [...]. Vgl. McLaughlin 1995, S. 131–136. Siehe auch Tateo 1982 mit Blick auf Poggios Facetiae. Zu Valla als Ciceronianer avant la lettre ebd., S. 126 f. Scherzhaft und völlig überspitzt im zweiten Akt des Apologus zur Sprache gebracht, als die persona Poggio anstelle von coena das Nomen prandium eingesetzt hat, weil es „viele tun“: Valla 1972, Apologus 2, S. 510: Pog. Immo vero coenam pro prandio posui, ut multi fecerunt. Lau.: Qui sunt isti multi, profecto si qui sunt, non nisi poetae fuere. Quint. inst. 8, Proem. 25: atqui satis aperte Cicero praeceperat, ʻin dicendo vitium vel maximum esse a volgari genere orationis atque a consuetudine communis sensus abhorrereʼ [vgl. Cic. de orat. 1, 12]. Vgl. aus rhetorischer Sicht auf die Gewohnheit auch jüngst Friedrich 2021, S. 32 ff.
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dere im zweiten Akt des Apologus konkretisiert wird. Die lateinische Sprache ist für Bracciolini ein Instrument zur Artikulation von Gedanken und Ideen, die stilistisch für verschiedene Adressaten und Themenbereiche variieren und grundsätzlich allen offenstehen kann. Anders formuliert ist die Sprache das Vehikel zur Distribution von Ideen und Aussagen, die als solche ausgelegt werden müssen und daher von den Interpretationen der Adressaten zu einem gewissen Grad abhängig sind, während für Valla Sprache und Inhalt unmittelbar zusammenfallen und unter klassischen Parametern miteinander verschränkt sind. Das Lateinische als ideales Idiom müsse daher zwangsläufig auf eine gebildete Leserschaft abgestimmt sein, die seiner Ansicht nach in Bezug auf prosaische Beiträge semantische Eindeutigkeit erwartet. Für den Autor der Elegantiae bildet das Lateinische eine grammatik-basierte, „de-ontologisierte“ Metaphysik, dessen Grundlinien aus dem Dualismus von der lateinischen Grammatik und, stärker gewichtet, dem usus loquendi geschöpft werden und induktiv herzuleiten sind236. Entsprechend muss der antike Sprachgebrauch, wird dieser als grundsätzlicher Index vorausgesetzt, die verfügbaren, nachklassischen Darstellungsmodi einschließlich ihrer Semantiken von vornherein einschränken237. Eine stilistische Variation, die nicht mehr dem Sprachgebrauch der antiken Schriftsteller entspricht, lehnt Valla als „unlateinische“ Modulation ab; Verstöße gegen den lateinischen usus loquendi werden von ihm polemisch geahndet und mit einer agonalen Lexik markiert, welche die stilistische Diskrepanz zwischen der idealen Antiquitas und der barbarischen Modernitas zum Ausdruck bringen sollte. Ebenso geht Bracciolini, und hier muss mit Francesco Tateo Christopher Celenza widersprochen werden, von einer „lebendigen“, d. h. veränderlichen Sprache aus, welche
Seine Argumentationskonzeption bzw. seine scientia loquendi bespricht Valla ausführlich in seiner Repastinatio dialecticae et philosophiae, die im zweiten Akt des Apologus jedoch nur indirekt adressiert wird. Vgl. zu Vallas komplexer Sprachphilosophie Kölmel 1981, bes. S. 665; Struever 1992, S. 95–133, bes. 101 ff.; Regoliosi 2005, S. 531 ff. Mariani Zini 2008, S. 65 ff. u. bes. Leinkauf 2017, 1, S. 346, S. 349 ff. Die verba-res-Problematik wird in Vallas Repastinatio dialecticae et philosophiae adressiert und sorgte für eine Forschungskontroverse zwischen John Monfasani und Richard Waswo, die Lodi Nauta in seiner umfassenden philosophie-historischen Analyse richtigzustellen beabsichtigte. Vgl. Nauta 2009, S. 48–82; mit genauem Blick auf die Kontroverse S. 274–280. Zur verba-res-Dichotomie auch überblickend Eggs 2005. Weniger steht an dieser Stelle die verba-res-Problematik als viel mehr die Applikation und die weitreichenden semantischen Implikationen des usus loquendi im Vordergrund, der nun zum Denkstil avanciert. Vgl. Jaumann 1995, S. 134 f., hier S. 135: „Er [scil. Valla bzw. der polizianische grammaticus] ist es nun, der kraft eigener Autorität Bedeutungen festlegt und alte Bedeutungen verwirft, weil er – und dem Anspruch nach nur er – in der Lage ist, die (historisch usf.) wahre Bedeutung der Texte zu erschließen. Es ist auch nicht so, daß der ʻganze Humanismusʼ von diesem Sprachverständnis getragen gewesen wäre.“ Letztere wichtige Beobachtung von Jaumann lässt sich musterhaft im Konflikt zwischen Bracciolini und Valla, aber bereits schon zwischen letzterem und Bartolomeo Facio erkennen. Siehe auch Ijsewijn 1975, S. 97. Vgl. außerdem die Analyse des vallianischen Sprachverständnisses aus philosophischer Perspektive von Mori 2020b.
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die Inhalte mithilfe verschiedener elocutiones wiedergeben kann238. Valla hingegen setzt aufgrund der historischen Bedingtheit der idealen Latinitas eine begrenzte Anzahl an Ausdrucksmöglichkeiten voraus, mit denen die jeweiligen Sachgegenstände hinreichend verbalisiert werden können. Die Absicht, das lateinische Ausdrucksvermögen nach dem Maßstab antiker auctoritas und eigenem Urteilsvermögen sowohl zu vereinheitlichen als auch zu begrenzen, wendet sich gegen die von Valla selbst erfasste natürliche Sprachentwicklung und –veränderung und musste folglich die jeglichen Sprachen inhärente Eigendynamik einschränken. Sein Bedeutungsmodell ist auf Präzision ausgerichtet und strebte zur Vermeidung von Fehlinterpretationen univoke Aussagen an, was zwangsläufig eine gewisse semantische Statik voraussetzte. Entsprechend konkludiert Regoliosi, dass „il Valla blocca la vitalità all’inizio dell’Età Media: alla lingua non è concesso nessun legittimo sviluppo.“239 Das Ausdrucksvermögen grenzt er jedoch nicht derartig ein, wie seine praecepta suggerieren mögen. Oftmals bietet er für Umformulierungen oder Korrekturen mehrere Beispiele an, während er bei einigen exempla auch seine Unsicherheit akzentuiert und dementsprechend, je nach Quellenlage, einen vorsichtigen Annäherungsversuch an den usus loquendi wagt. Der rigorose Restriktionsgrad lässt sich erst in seinen Invektiven feststellen und muss unter den diskursiven Vorzeichen des Streits betrachtet werden. Valla selbst stand einerseits unter Rechtfertigungsdruck, während er andererseits
Christopher S. Celenza zufolge behandle Poggio das Lateinische als „tote“ Sprache, da der Sprachgebrauch allein aus den überlieferten libri und scripta abzuleiten sei, was jedoch gegen Poggios praktisch angewandten Redestil spricht. Im Gegensatz zu ihm habe Valla eine permanente linguistische Restauration befürwortet, die zwangsläufig neue Regelsysteme hervorbringen müsse. Vgl. Celenza 2018, S. 182 u. 198: „Take the phrase ‚Only in the in the books [sic.] and writings of ancient authors.‘ Nowhere does Poggio say that Latin is now a „dead“ language – indeed, for him as for the rest of his fifteenth-century colleagues, the terminological distinction of a „living“ versus a „dead“ language was still decades away. But conceiving of a language whose proper usage was present only in books carried with it obvious implications, or rather, one obvious implication: Latin was a dead language. Discovering as they did through research that ancient Latin had been a living natural language, humanists came to understand the notion of a dead language. [...] Valla is different from Poggio precisely because Valla does not think that „only the books and writings of ancient authors,“ as Poggio had put it, served as the authoritative foundation upon which one might build the edifice of proper Latinity. Instead, human reason and the practice of language – which never ends – must also play a role.“ Celenza übersieht die von Bracciolini benannten „Fundamente“ der lateinischen Sprache, die er als Prämisse für die korrekte Latinität erachtet und denen Valla, vor allem hinsichtlich seiner Einsprüche gegenüber den spätantiken Grammatikern, schaden und durch eigene Regeln ersetzen wolle. Dazu Tateo 1982: „Ma la premessa di quello sviluppo – come si sa – è nel Valla, cioè nella consapevolezza che il latino degli avi non possa ormai offrire che una pluralità distinta di modelli stilistici. Per Poggio invece – ed è qui la più profonda e significativa differenza – il corredo letterario latino è ancora fonte cui attingere, e il latino degli antichi rappresenta una fonte più viva e più fresca.“ Siehe auch Canfora 2007, S. 53. Regoliosi 1993, S. 109. Siehe auch zu den Unterschieden zwischen Quintilians Ansatz zur sprachlichen consuetudo und Vallas Interpretation Stevens, Jr. 1973, S. 63 und Dreischmeier 2017, S. 114, der den rigiden Klassizismus Vallas hervorhebt.
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seine elegantia-Konzeption als einzig richtige Grundlage der lateinischen Sprache, im Sinne seiner explizit geäußerten Geltungsansprüche, bewerben musste240. Im Gegensatz dazu sah Poggio keine Limitation an Redeweisen; einziger Gradmesser war seiner Ansicht nach die Effektivität der Gegenstandsvermittlung, die vom Publikum und seinem Sinnverständnis abhängig gemacht werden musste. Rafael Arnold und Christiane Reitz haben jüngst in ihrer Einführung zur Debatte zwischen Gianfrancesco Pico della Mirandola und Pietro Bembo (1470–1547) zu Beginn des 16. Jahrhunderts die divergenten Sprachverständnisse auf die Formel „Autoritätsgläubigkeit, Klassizismus und Norm versus Autonomie, Individualstil und Freiheit“ gebracht, die mit Ausnahme der Kategorie „Autoritätsgläubigkeit“, die für beide Streitakteure gleichsam Geltung besaß, auch auf die Bracciolini-Valla-Kontroverse übertragbar ist241. Zusammenfassend lassen sich beide Sprachverständnisse wie folgt skizzieren: Bracciolini plädierte für ein permissives, anforderungsorientiertes Nachahmungsverfahren, das primär zum Austausch verwendet werden und autonome Fachterminologien mit eigenen sprach-historischen Genesen ausdrücklich zulassen sollte. Interpretationsspielräume wurden der Leserschaft aufgezeigt, was eine gewisse horizontale Gleichberechtigung zwischen Autor und Adressat impliziert und die Bedeutungskonstitution in eine reziproke Aushandlung überführte. Valla trat für eine restriktive, universal gültige und vereinheitliche imitatio ein, die nach-klassische Entwicklungen und Variationen prinzipiell ausschloss und allein Neologismen für neuartige Gegenstände oder Sachverhalte erlaubte. Die auf Klarheit abgestimmte Bedeutungskonstitution musste eingeschränkt und vertikal vom klassischen Sprachgebrauch hergeleitet werden. Dabei muss bedacht werden, dass beide Humanisten nicht allein um ein bloßes Theorem stritten, sondern um die konkreten sprachlichen Gestaltungsmöglichkeiten jeglicher lateinisch komponierter Prosa, d. h. um das Arrangement der durch die jeweiligen Schriften erzeugten Diskurse und die ihr inhärenten Ideen. Beiden Agonisten waren sich bewusst, dass eine präskriptive Konfiguration des lateinischen Ausdrucksvermögens dem Regulator eine nicht überschätzbare diskursive Einflussnahme ermöglichte und die fakultative Redeweise der jeweiligen Gesprächsteilnehmer deutlich einschränken konnte. Kurzum lässt sich festhalten, dass beide nicht allein um die Deutungshoheit, d. h. die korrekte Auslegung und Anwendung der antiken Quellen stritten, sondern insbesondere um die konkrete Verfasstheit ihrer lateinisch verbalisierten Diskurse wie auch die Auswirkungen auf ihre jeweilig ausgedrückten Inhalte rangen.
Dagegen Cesarini Martinelli 1980, S. 75 f.; auch Mori 2020b, S. 164, betont den Restriktionsgrad der vallianischen praecepta, der sich insbesondere in den Invektiven manifestiert. Arnold/Reitz 2021, S. 24. Pico war von Platon und dem florentinischen Neuplatonismus beeinflusst. Er ging von einer innatistischen Idee (idea) einer gelungenen Ausdrucksweise aus, die erst durch eine eklektische Autorenwahl komplementiert werden könne. Bembo dagegen plädierte als Vertreter des bislang dominanten Ciceronianismus für die Beschränkung auf ein einziges Vorbild zur Vermeidung eines stilistisch inkonsequenten Synkretismus. Er wählte Cicero für die Prosa, Vergil für die Dichtung als Vorbilder.
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2.2.3 Latinität als soziokulturelles Sakrament 2.2.3.1 Lorenzo Vallas „Sprachimperium“ Mit seinen Zeitgenossen teilte Valla die Vorstellung, dass die klassische Latinität eine außergewöhnliche Ausdrucksform darstelle, die eine elaborierte und ästhetisch ansprechende Verbalisierung jeglicher Sachgegenstände ermöglichen und die in der Philosophie postulierte Dichotomie von eloquentia und sapienta überbrücken könne242. Warum die Verschränkung von persuasiver Aussagekraft und ethischer Pragmatik ausgerechnet im antiken Sprachgebrauch zu finden und die Latinitas als eine gleichsam perfektionierte Sprache zu betrachten war, lässt sich jedoch philosophisch nicht begründen und wurde in den humanistischen Diskursen axiomatisch vorausgesetzt. Nichtsdestoweniger sieht sich Valla veranlasst, die von ihm restaurierte, als „elegant“ klassifizierte Ausprägung der lingua Latina als vollkommene Sprache zu legitimieren. Im Zuge dessen greift er auf ein kulturhistorisches Argument zurück, um ihre Vormachtstellung wortwörtlich zu fundieren und darüber hinaus die Sprache als Erkennungszeichen, d. h. als soziokulturelles Sakrament aufzuladen243. Die Vorworte der Elegantiae, insbesondere das erste, sind von der Forschung oft als schillerndster Ausdruck der humanistischen Sprachauffassung betrachtet worden244. Erstmals wird in diesen das sprachzentrierte Paradigma der intellektuellen Bewegung mit einer energischen Nachdrücklichkeit ausformuliert und das von Francesco Petrarca bereits agonal gezeichnete Verhältnis der „neuen“ studia humanitatis gegenüber den etablierten, „mittelalterlichen“ Gelehrsamkeitsverständnissen programmatisch festgehalten245. Daher dienen die Vorworte der Elegantiae nicht allein der Begründung und Einführung in die linguistische Thematik des Werkes. Sie können ferner als kulturpolitisches Manifest gelesen werden, das bisherige Ideen zu einer einheitlichen, auf der klassischen Latinität basierenden Sprachideologie zusammenführen sollte246. Mit anderen Die in Anlehnung an das philosophisch-sprachliche Programm Ciceros intendierte Zusammenführung von Eloquenz und Weisheit (eloquentia und sapientia), von praktisch-ethischem Wissen und sprachlich-ästhetischer Präzision, pointiert in Cic., de orat. 1, 20 zusammengefasst, lässt sich als paradigmatische Basis des humanistischen Programmes fassen. Vgl. umfangreich Seigel 1968b, zur ciceronianischen Auffassung S. 3–30. Siehe auch Keßler 2012. Erste Ansätze in Hinblick auf die kulturgeschichtliche Erforschung der lateinischen Sprache bei Gravelle 1988, S. 370 f. und S. 371, bes. Anm. 13. Einzelkapitel oder Aufsätze zu den Vorworten sind Legion; siehe unter anderem grundlegend Stevens, Jr. 1973, der die Vorworte mit der vallianischen Methodik verknüpft; Marsh 1979, S. 92–95; De Caprio 1984; zur Imperiummetapher Fisher 1990; ausführlich Gerl 1974, S. 236–250; Gerl-Falkovitz 1994, S. 97–105; Zintzen 1994; Kendrick 2005 und jüngst auch mit Blick auf den enzyklopädischen Rahmen der Elegantiae Marscio 2018; Dreischmeier 2017, S. 375–377; ebenso Celenza 2018, S. 183–196. Zur petrarkistischen Mittelalterkonstruktion vgl. immer noch Mommsen 1942; zur kulturellen Identität Pade 2012, S. 3–6. Vgl. Harth 1970, S. 122, der die Elegantiae als „philologisch-ideologisches Manifest“ bezeichnet. Von einer Sprachideologie spricht auch Apel 1980, zu Valla bes. 183 ff., der gar von einem „Sprachkult“ spricht.
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Worten intendierte Valla den heterogenen Humanismus über sein Fundament – die lateinische Sprache – zu homogenisieren und gleichsam eine symbolische Gründungsakte vorzulegen. Neben seiner Ankündigung und der geäußerten Verpflichtung, die klassische Latinitas wiederherzustellen und zu wahren, sollte sein Werk eine identitätsstiftende und konstituierende Wirkung entfalten. Er begründet die Superiorität der klassischen Ausdrucksweise mit ihrer breit erfolgten Diffusion in Europa, Afrika und Asien. Die Verbreitung erfolgte zwar zunächst militärisch, wurde jedoch nicht, wie er unterstreicht, durch die territorialen Verluste und den faktischen Untergang des Römischen Reiches unterbrochen. Die Sprache selbst sei als dem Gemeinwohl dienendes Gut zu betrachten, das die Freien Künste eingerichtet, die „besten“ Gesetze gelehrt, den Weg zu „jeder Weisheit“ gelegt und die Völker zivilisiert, d. h. aus dem Barbarenstand erhoben habe. Dem Lateinischen werden folglich die Kultivierung von Wissenschaften und Künste, die Konstitution von Staatlichkeit, der Zugang zur Ethik sowie die Zivilisierung im Allgemeinen zugewiesen247. Grundsätzlich deutet Valla die lateinische Sprache als Instrumentarium imperialer, durch Gerichtsbarkeit definierte Macht (dicio), pointiert in der Behauptung zusammengefasst, dass das Römische Reich überall dort (fort)bestehe, wo die römische Sprache herrsche248. Er setzt die Sprache mit der dignitas und maiestas Romanorum gleich, was sich ebenso in der Sprachbezeichnung ausdrückt: Die lingua Latina ist als lingua Romana zu fassen; Rom als historisches imperium, das nun zu einer im Lateinischen gespeicherten Idee transformiert wird, besteht mitsamt der ihr inhärenten Kultur in der Latinitas fort. Die Gleichsetzung von Sprache und dem römischen Reich war für Valla von großer Bedeutung, wie Marianne Pade anhand der quantitativen Einsetzung der Begriffe lingua Romana, sermo romanus und romane loqui aufgezeigt hat249. Die politische wie sprachliche Einheit des imperium Romanum, die mit den fünf griechischen Dialekten
Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, Praef., S. 56: Haec enim gentes illas populosque omnes omnibus artibus, quae liberales vocantur, instituit; haec optimas leges edocuit; haec viam eisdem ad omnem sapientiam munivit; haec denique praestitit, ne barbari amplius dici possent. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, Praef., S. 60: Ibi namque Romanum imperium est, ubicunque Romana lingua dominatur. Die imperial-militärischen Wortfelder applizierte er auch, wie oben angerissen, in den Vorworten seiner Repastinatio dialecticae et philosophiae, wo er die rhetorische Transformation des aristotelischen Organon mit einem von der Wahrheit (veritas) geführten Feldzug gegen die von der Scholastik perpetuierten „Falschheiten“ verglich und mithilfe der diskursiven Figuration des Krieges die vermeintliche Radikalität seines Projektes pathetisch auflud. Exemplarisch Valla 1982, Repastinatio dialectice et philosophie 3, Proem. 2, 277: Non enim hostes inter nos sumus cum disputamus, ut illi cum pugnant, sed sub eodem imperatore, que est veritas, utrique militamus. Itaque quisquis verum loquenti contradicit, is a suo imperatore deficit et ad hostes transit, relinquens sapientie castra et ad spineta ignorantie se conferens, ut quantum in ipso est lumen tenebre occupent et malitia virtutem de possessione deiciat, et mors enecet vitam [...]. Vgl. auch in Hinblick auf die Elegantiae Fisher 1993, S. 304 ff. Vgl. Pade 2012, S. 11. Sie konkludiert, ebd. S. 13: „It is difficult to say whether one should see Valla’s text as an expression of Roman “city-humanism” or Italian national pride, but to me there is no doubt that he links humanist Latin to a Roman or Italian cultural identity.“
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kontrastiert und den Römern als Vorteil ausgelegt wird, deutet Valla als treibenden Faktor für den Erfolg des Reiches einerseits und die überdauernde Prosperität aller (lateinischer) Disziplinen andererseits250. Die Superiorität der lingua Latina werde ferner durch ihren göttlichen Status zementiert. Das Lateinische sei wie „Getreide“, das von den Römern den Völkern als Wohltat überreicht worden sei, was nicht mehr als menschliche, sondern als göttliche Handlung und Errungenschaft anerkannt werden solle, weshalb die Sprecher des Lateinischen unter die Götter aufgenommen werden müssten251. Valla bezeichnet die Sprache sowohl als numen als auch als sacramentum und adressiert entsprechend ihre schöpferische wie sozialbedingte Kraft; ferner oszillieren beide Begriffe semantisch zwischen den klassisch-paganen und christlichen Bedeutungsfeldern und suggerieren eine ungebrochene religiöse Traditionslinie252. Die christliche Aufladung der Sprache steigert er durch die Behauptung, dass das Lateinische nicht nur für die Expansion der Respublica und maiestas des römischen Volkes, sondern insbesondere für die Mehrung des Heils für die Erde (salus orbis terrarum) zuständig gewesen sei253. Jeder von Valla behandelte Aspekt, die Wissenschaften und Künste, das Rechtssystem, die Kultur im Allgemeinen, aber auch implizit die militärische Stärke und die ihr inhärente Herrschaftslegitimation seien ihm zufolge in der Latinitas gespeichert worden. Demzufolge sind aus dieser Perspektive die sprachlich bedingte Welterschließung und ihre zivilisatorischen Möglichkeiten in der lateinischen Sprache abgeschlossen worden, d. h. die semantische Sinnkonstitution sei bereits umfassend erfolgt. Es bedürfe seiner Ansicht nach einzig noch der Aktualisierung der kontemporären Sprache, d. h. seine elegantia-Konzeption müsse angenommen und zur linguistischen Restauration des hier primär kulturell gefassten Römischen Reiches appliziert werden. Vallas Weltbild ist, im Gegensatz zu seinem Gegner, optimistisch ausgerichtet, wenngleich auch er einen sprachbedingten Verfallsprozess voraussetzt, dem jedoch
Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, Praef., S. 60: Apud nos, id est, apud multas nationes, nemo nisi Romane, in qua disciplinae cunctae libero homine dignae continentur, sicut in sua multiplici apud Graecos. Qua vigente, quis ignorat studia omnia disciplinasque vigere? occidente, occidere? Es sei auf die durch das nos markierte Abgrenzung zu den Griechen und ihrer uneinheitlichen Sprache hingewiesen. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, Praef., S. 56: Et, quod ad ipsas provincias attinet, velut optimam quandam frugem mortalibus ad faciendam sementem praebuerunt; opus nimirum multo praeclarius multoque speciosius quam ipsum imperium propagasse. Quid enim imperium augent, magno illi quidem honore affici solent, atque Imperatores nominantur; qui autem beneficia aliqua in homines contulerunt, ii non humana, sed divina potius, laude celebrantur; quippe qui non suae tantum urbis amplitudini ac gloriae consulant, sed publicae quoque hominum utilitati ac saluti. Vgl. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, Praef., S. 58. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, Praef., S. 58: Magnum igitur Latini sermonis sacramentum est, magnum profecto numen, quod apud peregrinos, apud barbaros, apud hostes, sancte ac religiose per tot saecula custoditur, ut non tam dolendum nobis Romanis, quam gaudendum sit, atque ipso etiam orbe terrarum exaudiente gloriandum.
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über die Aneignung humanistischer Gelehrsamkeit Einhalt geboten werden könne. Die Rekonstruktion der klassischen Latinität ist ihm zufolge durch barbarische Interferenzen nötig geworden, die er mit der gallischen Belagerung des Römischen Reiches gleichsetzt. Diese historische Zäsur soll seiner Ansicht nach den sprachlich-kulturellen Verfall des Imperium Romanum ausgelöst haben. Dieser Einschnitt erweist sich als konstitutiv für sein linguistisches Vorhaben: In dieser Analogie fasst Valla das Lateinische als von Invasoren belagertes Gut, das es über eine linguistische Befreiungsaktion zurückzuerobern gilt254. Den gallischen Gegnern werden noch die Goten und Vandalen zur Seite gestellt, die symbolisch für verschiedene Gelehrsamkeitstraditionen stehen: Die Goten können als die bolognesischen und für die Rechtspraxis maßgebenden Glossatoren identifiziert werden, während die Gallier die mit der Universität von Paris assoziierten Scholastiker meint. Die Vandalen stehen hingegen allgemein für die „unrömischen“ intellektuellen Praktiken, die in das Lateinische integriert worden sind. In diesem gezeichneten Bild ist das politische, aber auch virtuelle, sprachlich konstruierte Römische Reich mitsamt seinen Bürgern unterjocht und durch barbarische Einflüsse indoktriniert worden255. Der Sprachverfall habe zu Verständnisproblemen der antiken Quellen geführt und nachwirkende Konsequenzen für die gesamte Kultur als solche gehabt – weder könne in der Gegenwart, so suggeriert Valla, „römisch“ gesprochen, noch gedacht werden und das „gute Sprechen“ sei vollends in Vergessenheit geraten256. Der kulturpessimistischen Ausgangslage, zu der sich bereits unter anderem Leonardo Bruni prominent in seinen Dialogi ad Petrum Paulum Histrum zu Beginn des Quattrocentos äußerte257, wird jedoch das Beispiel des Feldherrn
Vgl. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, Praef., S. 58: Nam quis litterarum, quis publici boni amator a lachrymis temperet, quum videat hanc in eo statu esse, quo olim Roma capta a Gallis? Omnia everta, incensa, diruta, ut vix Capitolina supersit arx. Vgl. auch Celenza 2018, S. 189 f. Zu den Bezeichnungen littere antice, littere Longobarde bzw. littere gothice siehe Rizzo 1973, S. 114. Siehe den starken Kontrast der Gelehrtenkulturen Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, Praef., S. 184: [...] Donatus, Servius, Priscianus; quibus ego tantum tribuo, ut post eos quicunque aliquid de Latinitate scripserunt, balbutire videantur; quorum primus est Isidorus, indoctorum arrogantissimus, qui quum nihil sciat, omnia praescipit. Post hunc Papias, aliique indoctiores: Eberardus, Huguitio, Catholicon, Aymo, et caeteri indigni qui nominentur, magna mercede docentes nihil scire, aut stultiorem reddentes discipulum, quam acceperunt. Siehe auch ebd., 3, Praef., S. 292 zur „barbarischen“ Rechtspraxis. Vgl. zur Identifizierung der „feindlichen“ Gelehrtenkulturen Moss 2003, S. 36, dazu Anmerkung 4 und S. 39; Pade 2016, S. 44. Auch Flavio Biondo und Leon Battista Alberti bedienten sich des Topos ausländischer Invasoren, die für den vermeintlichen Sprachverfall verantwortlich gewesen seien, vgl. Coseriu/Meisterfeld 2003, S. 156 ff. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, Praef., S. 60: Siquidem multis iam saeculis non modo Latine nemo locutus est, sed ne Latina quidem legens intellexit; non philosophiae studiosi philosophos, non causidici oratores, non legulei iurisconsultos, non caeteri lectores veterum libros perceptos habuerunt, aut habent; quasi, amisso Romano imperio, non deceat Romane nec loqui, nec sapere; fulgorem illum Latinitatis situ ac rubigine passi obsolescere. Siehe die Aussage des Sprechers Niccolò Niccoli in Bruni 1994, Dialogi ad Petrum Paulum Histrum, 17, S. 243: Ego quidem, Coluci, in hac facere temporum atque in hac tanta librorum desideratione, quam
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Camillus entgegengestellt, der in seinem Heldenmut und Tatendrang vollständig imitiert werden müsse, um die Latinitas als Sprech- und Denkstil zu reaktivieren. Das Römische Reich transzendiert der Autor der Elegantiae zu einem intellektuellen Reich, womit die Sprache selbst mitsamt der damit assoziierten und in ihr ausgedrückten Kultur gemeint ist. Im Zuge dessen erhebt er die „Verehrer“ der römischen Sprache (cultores Romanae linguae) zu wahren Bürgern (quirites) des Imperium Romanum. Die quirites sind wiederum von den „zugewanderten“ und der Sprache nicht-mächtigen Bewohnern (inquilini) abzugrenzen, die in dieser Analogie als Scholastiker nicht das volle Bürgerrecht besitzen und daher qua ihres Status keine politische bzw. intellektuelle Herrschaft beanspruchen können. Mit diesem ostentativ vorgetragenen hierarchischen Gefälle postuliert er die Hegemonie der Latinitas und ihrer Sprecher, die innerhalb der artes liberales und nicht näher definierten disciplinae auszuüben sei – politische Macht in Form von Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten müssen jedoch aufgrund der zuvor vorgenommenen Vereinheitlichung von imperium und lingua mitgedacht werden. Seine (literarischen) Landsleute ruft Valla auf, sich gegen die barbarischen Einflüsse zu wehren und das eigene „lateinische“ Reich zurückzuerobern, um intellektuelle Souveränität zurückzuerlangen258. Die Latinitas ist folglich eine Ausdrucksform von geistiger Macht und kann
quis facultatem disputandi assequi possit non video. Nam quae bona ars, quae doctrina reperiri potest in hoc tempore quae non aut loco mota sit, aut omnino profligata? Pone tibi ante oculos unamquamque earum quam velis, et quid nunc sit quidve olim fuerit considera: iam intelliges eo deductas esse omnes, ut penitus desperandum sit. Valla greift in seinem Vorwort eindeutig auf Motive aus Brunis Dialogi zurück, so beispielsweise auf das gegenwärtige, sprachbedingte Verständnisproblem der antiken Philosophie. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, Praef., S. 62: Quousque tandem, Quirites, (litteratos appello et Romanae linguae cultores, qui et veri et soli Quirites sunt, caeteri enim potius inquilini) quousque inquam, Quirites, urbem vestram, non dico domicilium imperii, sed parentem litterarum a Gallis esse captam patiemini? Hoc est, Latinitatem a barbaria oppressam? Quousque profanata omnia duris et pene impiis conspicietis oculis? An dum fundamentorum reliquiae vix appareant? Monfasani weist auf eine vermeintliche „Absurdität“ von Vallas „imperialer“ Deklaration hin, die darin bestehe, dass er das volgare als degenerierte Form des Lateinischen fasse und demzufolge bestätigt, dass die römische Herrschaft sich nach wie vor in den Händen der Römer befinde, wenngleich er von einem Verlust spricht. Vgl. Monfasani 2001, S. 236 f.: „Cependant Valla soutenait la thèse absurde que les Romains contemporains parlaient latin, quoique de manière fautive et grossière, parce que cʼétait la seule façon por eux, bien plus que pour les Romains de lʼAntiquité, de prétendre à l’empire «plus splendide» du latin sur tant dʼautres peuples. Cʼest pourquoi il sʼest adressé aux Romains [...] dans la préface aux Elegantiae. Nous comprenons aisément que Valla se réfère à lʼancien héritage romain, dʼautant plus que lʼalternative se révélerait saugrenue, à savoiur quʼil se adresserait aux contemporains comme sʼils possédaient encore un vaste empire linguistique.“ Jedoch muss das Vorwort im gesamten Kontext seines linguistischen Programmes und der übrigen, von der Forschung oft übergangenen Vorworten gelesen werden. Valla verweist, wie oben dargelegt, auf die „Barbarenthese“: Bedingt durch die Völkerwanderung habe sich das Lateinische mit nicht-lateinischen Mundarten vermischt. An dieser Stelle muss jedoch weniger eine sprachhistorische als eine kulturelle Lesart appliziert werden, denn Valla bezieht sich, wie er im zweiten und dritten Vorwort schildert, explizit auf die „Barbaren“, mit denen er jedoch synekdochisch die scholastischen und juristischen Denkströmungen meint, die er als
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als solche von den oratores, an die sich die Elegantiae zur Aneignung eines oratorisch fundierten prosaischen Stils primär richten, zur Gegenwartsgestaltung eingesetzt werden259. Die Forschung apostrophiert primär den proto-nationalistischen Charakter der hier gezeichneten Kulturpolitik Vallas: Sprache wird als kulturpolitisches Instrumentum und Argument appliziert und den in den politischen Diskursen des Tre- und Quattrocentos oftmals artikulierten italienischen Einheitsbestrebungen zugeordnet260. Diese codiert Valla mit seinem humanistischen elegantia-Programm um und lieferte den Herrschaftseliten der Apenninenhalbinsel eine vielfach einsetzbare, historisch begründete und auch für die italienischen Intellektuellen ansprechende Sprachideologie. Valla dachte Italien als unmittelbare Nachfolgerin des Römischen Reiches und kontrastierte das Land, der politischen Fragmentierung zum Trotz, als kulturell zusammengehörige Entität, die er unter Rom als symbolische Kulturhauptstadt vereint wissen wollte; das Lateinische fungiert in diesem Bild folglich als unifizierende Kraft. Die für eine wirkungsvolle Ideologie unabdingbaren Gegner wurden historisch mit den Galliern und Goten identifiziert, die auf die Gegenwart des 15. Jahrhunderts übertragen die als Invasoren gezeichneten Gelehrtenkulturen Frankreichs und des Heiligen Römischen Reiches meinen. Hier wird nicht allein eine Konkurrenzsituation zwischen politischen Gefügen und ihren distinktiven intellektuellen Strömungen hergeschrieben, sondern eine kulturhistorisch bedingte Eigenständigkeit Italiens verkündet. Unter dem Banner der „römischen“ Sprache wird ferner ein hegemonialer Anspruch auf das lateinisch-sprechende Europa erhoben; die klassische Latinität wird zu einem soziokultuellen Sakrament aufgeladen, mit dem eine exklusive intellektuelle Kommunion ermöglicht wird. Grundsätzlich setzt der Autor der Elegantiae die philologische Restauration des antiken Sprachgebrauches mit der kultur-politischen Restauration des Imperium Romanum gleich. Den in unklassischen Redeweisen, Fachbegriffen und Semantiken manifest gewordenen Invasoren muss in diesem Bild mit einem linguistischen „Feldzug“ begegnet werden, den Valla als zweiten Camillus anführt. 2.2.3.2 Rom gegen Florenz? Zur Politisierung der Sprachverständnisse Die bildreiche Konstitution eines lateinischen „Sprachimperiums“ blieb nicht ohne Widerspruch seitens Bracciolinis, der die Implikationen der vallianischen Metaphorik eindeutig erkannt hat. Allerdings, und dies muss ebenso betont werden, kritisierte er einzig zwei Aspekte aus dem ersten Vorwort, woraus geschlossen werden kann, dass
fehleranfällige und schädliche Verunreinigungen der lateinischen Sprache fasst. Diese beabsichtigt er durch eine Hinwendung zum antiken und genuin „römischen“ usus loquendi zu entfernen. Vgl. zur Besonderheit der lateinischen Sprache Gerl 1974, S. 237–250. In seinem moralphilosophischen Dialog nennt Valla den orator ferner als rector et dux populi, wodurch die Rolle der Latinitas als ideale Ausdrucksweise für den Redner präzisiert wird. Vgl. McNally 1969 und Rebhorn 1995, S. 37. Besonders Hirschi 2005, zu Valla und seinem Kollegen Flavio Biondo S. 236–242.
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er den übrigen Bemerkungen zur lateinischen Sprache durchaus zustimmte. Poggio zog vor allem die Aussage zur sprachlichen Hegemonie ins Lächerliche und stufte diese als „barbarische“ Ausdrucksweise ein, wodurch er die von Valla applizierte topische Dichotomie von römischer Zivilisation und Barbarentum sowohl auf sprachlicher als auch kultureller Ebene umkehrte und gegen ihn wendete: Weder könne Sprache „herrschen“, noch denotiere der Ausdruck „römische Sprache“ (lingua Romana) das Lateinische, sondern vielmehr die römische Volksprache, die allein in Rom gesprochen werde. Die lateinische Sprache (lingua Latina) herrsche über niemanden – stattdessen werde sie von vielen „genutzt und hochgeschätzt“, womit er der von seinem Opponenten aufgeworfenen Politisierung eine deutliche Absage erteilte261. Er verwarf folglich die oben skizzierte vallianische Kulturpolitik und die ihr inhärente „Romidee“. Das Lateinische wollte er als universales Kommunikationsmedium in Form einer, zumindest für die geistige Elite, egalitären lingua franca und nicht als „imperiales“ Werkzeug oder gar als eine kulturpolitische Ideologie begreifen. Bracciolini löste das Lateinische entsprechend von seinem kulturhistorischen Ursprungsort und berücksichtigte seine Diffusion in Europa als allen Gebildeten zugängliche Ausdrucksmöglichkeit, worin auch sein Vorteil begründet liege. Vorsichtig formuliert kollidierten die kosmopolitische Sichtweise des apostolischen Sekretärs Poggio, der international vernetzt und mehrere Auslandreisen bestritt, mit der deutlich eingeschränkteren Perspektive des apostolischen Schreibers Valla, der allein innerhalb von Italien verreiste und das Lateinische als „nationale“ Errungenschaft eines nach wie vor ideell fortbestehenden römischen Imperiums betrachtete262. In diesem Zusammenhang muss auch Vallas Sprachbenennung verstanden werden. Zur Begründung seiner Wortwahl in Bezug auf die lingua Romana, die er als alternative Bezeichnung für lingua Latina verwendet, differenziert Valla nicht zwischen dem kontemporären volgare und dem Lateinischen263. Neben der historisch-geographischen Tradition der Stadtbenen-
Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 195: Dixit ‚Romanum [imperium] ibi esse ubi Romana lingua dominatur‘. Quis hoc unquam, mordo insolentissima bestia, locutus est? Vbi nam legit ʻRomanam linguamʼ dici pro ʻLatinaʼ? Vbi nam audiuit linguam Romanam dominari? Dominantur homines, non lingua. Praeterea lingua Romana est et ea uulgaris qua sola utuntur Romani, ut si quibus dominetur Romanis ubi est in usu, non aliis dominetur. At linguam latinam dicere uoluit stultissimus barbarus, quae nemini dominatur, sed in usu est et in precio apud multos. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 195: Dicit insuper se imitaturum esse Camillum, ut sicut ille urbem a Gallis captam restituit, ita ipse literas latinas exules, profugas atque aberrantes urbi restituat. O caput insulsum. O cymbalum resonans sine sensu. Comprimat os insanum et istam suam fanaticam iactantiam conterat. Ob von den Agonisten hier eine monachistische respektive republikanische Auffassung vertreten wird, die sich in ihren restriktiven bzw. permissiven Nachahmungsparadigmata widerspiegelt, muss an dieser Stelle offenbleiben. Valla 1978, Antidotum primum 2, 185–194, S. 172–174, hier 186, S. 172: «At – inquies – ea fuit lingua Latina, non Romana, sicut nunc lingua Romana non est Latina, sed vulgaris, que vulgaris olim non fuit». An fuerit diversa olim lingua eruditorum et ineruditorum, quam tu questionem inscientissime tractavisti in libello convivali, alias disputabimus. An dieser Stelle kündigte Valla bereits die Diskussion
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nung sei ihm zufolge der Begriff lingua Romana vor allem dadurch gängig, weil dieser im Altertum wegen der maiestas Romanorum verbreitet worden sei und die dignitas Romanorum angenommen habe, womit Valla die ideologischen Nuancen seines Sprachverständnisses weiter präzisiert264. Sein Verständnis des Lateinischen als Vehikel politisch-kultureller Ideen exponiert er mit Auszügen aus dem Johannesevangelium, aus Cicero, Vergil, Horaz, Properz, Lucian, Quintilian, Seneca, Macrobius, Hieronymus und Boethius – dieser Autorenkatalog unterstreicht die Relevanz seines Rombezuges innerhalb der Elegantiae, belegt aber auch, dass Bracciolinis Einspruch Quis hoc unquam [...] locutus est offensichtlich einen strittigen Punkt offengelegt hat. Tendenziell wird in den vorgebrachten exempla der Begriff Romana lingua verwendet, um das Römische Reich mitsamt seiner Kultur von anderen politischen Entitäten und ihren Völkern bzw. Kulturen abzuheben und die vermeintliche Überlegenheit Roms zu propagieren265, womit Valla formell betrachtet, d. h. aus historischer Perspektive, Poggios Position eindeutig widerlegen kann. Dass es Valla jedoch nicht allein um die korrekte historische Bezeichnung ging, macht er im Anschluss mit seiner Rechtfertigung für die Herrschaftsmetapher deutlich: Die Romana lingua sei als Tropus zu verstehen und stellvertretend für das römische Volk eingesetzt, womit er die Diffusion des Lateinischen im Zuge der römischen Expansionen umschreibt. Valla zitiert die entsprechende Passage aus dem ersten Vorwort der Elegantiae, in der er sowohl die historische Sprachverbreitung anspricht als auch die deklarative Bestandsaufnahme im Präsens tätigt, dass diverse europäische nationes unter „unserer“ Herrschaft stehen (nostra est Italia, nostra Gallia, [...] [Hervorhebung durch den Verfasser]). Der Verweis auf ciceronianische und quintilianische Beispiele zur Legitimation seiner Metapher kann ebenso als argumentatives Ablenkungsmanöver gelesen werden, da Poggio nicht die Metapher als Stilmittel ablehnt, sondern einerseits die ideologischen Implikationen, die mit der Verwendung des Verbes dominari einhergehen, und andererseits die metaphorisch vollzogene Verknüpfung des Herrschens als Tätigkeit mit der Anwendung von Sprache, die allein im übertragenen Sinn politisch-juristische oder physische Gewalt ausüben könne. Folglich verstößt die sprachliche Figur, so suggeriert Bracciolini, gegen Vallas elegantia-Gebot einer deutlichen, dem Sachverhalt entsprechenden Wortwahl, die scheinbar keine Präzedenz in den antiken Schriftquellen
von Poggios dritter Historia disceptativa an, die er im zweiten Akt seines Apologus ausführt. Wie im Falle Poggios deutet dies auf eine bereits zuvor festgelegte Publikationsstrategie hin. Valla 1978, Antidotum primum 2, 187, S. 172. Zu diesem Abschnitt auch in Bezug auf die Volkssprache Coseriu/Meisterfeld 2003, S. 170–171 und Bonmatí Sánchez 2004, S. 309 f. Auch in seinen übrigen Werken spricht Valla von der Romana lingua und hebt die Benennung des Lateinischen eindeutig hervor. Siehe auch Rizzo 2002, S. 102–105. Valla 1978, Antidotum primum 2, 187, S. 172: Latina quidem, quia Latinorum fuit, unde Romani oriundi sunt; Romana autem, quia propter Romanorum maiestatem propagata est et dignitatem accepit, et presertim quod necessarium est linguam civitatis ab ipsa civitate nomen accipere: ut Florentinam a Florentia et Senensem a Sena et Campanam a Capua, ita Romanam a Roma. Vgl. auch Bonmatí Sánchez 2006, S. 25–27 unter dem Eindruck der florentinischen Sprachdebatte, siehe auch Dreischmeier 2017, S. 181; zu den Sprachbezeichnungen vgl. Kramer 1998, S. 70–77.
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hat. Hier bedient sich Poggio der philologischen Methodik seines Gegners, um ihn selbst einer poetischen, d. h. einer zu bildhaften Sprachanwendung anklagen zu können266. Die Betonung des „wir“, mit dem die gegenwärtigen Römer einschließlich seiner selbst gemeint sind, kann überdies als Abgrenzung zu Poggio als Florentiner bzw. als mit dem florentinischen Gelehrtenkreis assoziierten Humanisten verstanden werden. Valla nutzte den Rombezug für seine Selbstinszenierung und führte durch das offene Bekenntnis zur „römischen“ Zugehörigkeit ein genuines Distinktionsmerkmal ein, das auf breite Resonanz stieß, wie noch im vierten Kapitel in Hinblick auf die unmittelbare Streitrezeption und die Positionierungen der Leserschaft darzustellen sein wird267. In einem Brief an Giovanni Tortelli im Oktober 1451 beschwerte sich Valla über seine von Papst Nikolaus V. mutmaßlich angeordnete Stellenstreichung am römischen studium. Zukünftige Lehraufträge sollten einzig nur noch römischen Bürgern offen stehen, wogegen Valla protestierte und sich dafür rühmte, Rom mit seinen Elegantiae „römischer“ und folglich „lateinischer“ gemacht zu haben268. Er bat seinen Freund Tortelli um Intervention, die sich als erfolgreich herausstellen sollte. Die hier applizierte Selbstdarstellung als Wahrer eines genuin römischen Erbes muss demzufolge durchaus ernstgenommen und im Hinblick auf die Wettbewerbsbedingungen des humanistischen Feldes betrachtet werden. Valla reklamierte das Lateinische für seine Gelehrsamkeitsvorstellung und ordnete die Sprache der römischen Kultur zu – mit „römisch“ ist in diesem Zusammenhang sowohl das historische, aus Rom hervorgegange imperium als auch das zeitgenössische, päpstlich geprägte Rom als politische Entität zu verstehen. Durch die implizite Gleichset-
Valla 1978, Antidotum primum 2, 195–198, S. 174–175, hier 195, S. 174: [...] nam pro ‘Romanis’ dixi ‘linguam Romanam’ quantum ad propagationem lingue Romane pertinebat. Qui tropus est vel frequentissimus [...]. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, praef., S. 60: Nostra est Italia, nostra Gallia, nostra Hispania, Germania, Pannonia, Dalmatia, Illyricum, multaeque aliae nationes. Die Nutzung von Tropen weiß er mit Cic. de orat. 3, 167 einschließlich einiger der dort aufgeführten Beispiele zu legitimieren. Cicero betrachtet im Übrigen den gesamten Text als Metapher, wenngleich diese vom jeweiligen Einzelwort abhängt, in Vallas Fall von lingua Romana als metaphorischer Ersatz für das römische Volk, das die lateinische Sprache spricht. Vgl. zu Ciceros Metapherverständnis bes. Lau 2006, hier S. 329. Aus Cic. Phil. 9, 7 wählt Valla ferner Ciceros Vorwurf, Marcus Antonius sei die „Ursache“ (causa) für den Tod des Servius Sulpicius gewesen, als zusätzliches Beispiel für seine Metapherwahl. Valla 1978, Antidotum primum 2, 196, S. 174: Non enim ita abrupte illa verba dixi, sed quemadmodum Cicero post multa de morte Servii Sulpitii, qui in itinere ad Marcum Antonium fuerat defunctus, intulit: «Is enim profecto mortem attulit qui causa mortis fuit» [...]. Die Romana lingua ist folglich ebenso als causa und Instrument der Römer für ihren militärisch-kulturellen Erfolg zu verstehen. Es folgen ferner noch Verweise auf Quint. inst. 8, 6, 12; 4, 27; 9, 2,7 und 11, 3, 166, sowie Cic. Pro. Arch. 16 zur Untermauerung seiner Tropenapplikation. Vgl. auch Celenza 2018, S. 185. Valla 1984, Epistole, Ep. 50, S. 354–355, hier S. 354: [...] et qui de nomine romano, quantum ad litteras pertinet, vel uno Elegantiarum proemio, magis meritus sum quam ceteri omnes. Ebd., S. 355: [...] cur non ipse, qui Romam hoc tempore feci magis romanam, idest latiniorem, sim etiam preter ceteros romanus? Ferner vergleicht sich Valla mit Demosthenes, der laut Cicero Athen „attischer“ gemacht habe, vgl. Cic. orat. 23–24.
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zung bezog Valla Stellung gegen den bislang führenden Gelehrtenstrang, der sich mit Florenz identifizierte und die Stadt am Arno als politisches wie kulturelles Zentrum der studia humanitatis stilisierte. In dieser Hinsicht können die Vorreden der Elegantiae als direkte Antwort auf Brunis stark rezipierte Laudatio Florentinae Urbis von 1403/1404 gelesen werden, in welcher der Humanist Florenz als legitime politische Erbin Roms und mitunter als Wiege der humanistischen Gelehrsamkeit zeichnete269. Auch Bracciolini lobte in seinem Œuvre durchgehend die zu seiner Heimatstadt erkorene Republik und unterstrich ihre Relevanz für die Neukultivierung der humanistischen Disziplinen270. Lucia Cesarini Martinelli verwies in ihrer Streitanalyse bereits auf die vermeintlich politischen und die binnenitalienische Konstellation widerspiegelnde Diskordanzen der beiden Streitakteure, die sie als eine der zentralen Ursachen der Auseinandersetzung deutet. Das römische Papsttum operierte ebenso als weltliche Instanz und fand sich als solche im Zuge des 15. Jahrhunderts zunehmend in einem Konkurrenzverhältnis zu den übrigen Stadtstaaten und Reichen wieder, was unweigerliche Auswirkung auf die Selbstwahrnehmung der jeweiligen humanistischen Akteure hatte271. Die These einer politischweltanschaulichen Auseinandersetzung greift jedoch zu kurz, wie die Erschließung der philologischen Streitfragen deutlich gemacht hat272. In der Bracciolini-Valla-Kontroverse führten nicht, wie beispielsweise prominent Coluccio Salutati, in der Rolle als florentinischer Kanzler, und sein ehemaliger Schüler und im mailändischen Dienst befindliche Antonio Loschi zwischen 1401 und 1403 einen für ihre jeweiligen Städte geführten propagandistischen Schlagabtausch. Wenngleich sich auch dieser Konflikt als
Vgl. Bruni 2000, Laudatio Florentinae urbis, 32–33; dazu Baron 1968, S. 151–171; Hankins 2017 und ausführlicher aus Sicht der Hankinschen „Tugendpolitik“ Hankins 2019a und 2019b, zu Brunis Laudatio, S. 218–237. Siehe auch jüngst zum Genre des Städtelobs Baldassarri 2017. Vgl. bes. seinen Brief an den mailändischen Herzog Filippo Maria Angelo Visconti vom 15. September 1438, Bracciolini 2020, Ep. 2, S. 11–14, hier S. 13, wo eine deutliche Abgrenzung zum bisherigen florentinischen Erzfeind Mailand gezeichnet wird: Nam si quis ea esset immanitate, ut laudem sibi quaereret ex nostra oppressione, viam verae laudis ignoraret, et vivus odio mortalium omnium et mortuus execratione dignissimus. Quis enim non omnium saeculorum oblivioni damnandus esset, qui gentis Etruscae decus, magnum Italiae splendorem, hanc virtutum aemulam libertatem appeteret extinguere? laudatur bello ac pace virtus Etruriae atque amplitudo omnibus tum Graecis litteris, tum Latinis; emanavit enim eius nomen et gloria ob res magnifice gestas etiam ad exteras nationes. Sed ab eorum gestis et virtute nequaquam Florentini ulla ex parte degeneravere, quin potius partam a suis maioribus nobilitatem et laudem prae ceteris auxerunt. Zum Brief mit Einführung und editorischer Neuerschließung Mullaney/Zaggia 2020. Zur Konkurrenzsituation zwischen Florenz und Mailand siehe auch Lentzen 1986, zur Funktion des Städtelobes als diplomatische Kommunikationsplattform anregend Komorowski 2012. Vgl. Cesarini Martinelli 1980, S. 34–42. Siehe auch zur politischen Situation Fubini 1995. Gegen diese Deutung auch Lim 2004, S. 48, Anmerkung 50. Zu den politischen Implikationen des Streits zwischen Bracciolini und Valla vgl. Trinkaus 1987, weiter ausgeführt Trinkaus 1989 sowie Camporale 2001. Zur politischen Dimension von Invektiven im Allgemeinen vgl. auch Helmrath 2010, S. 280–284; zur kulturellen Führungsrolle des florentinischen Gelehrtenkreises nach wie vor Holmes 1969, bes. 36–105; Monfasani 2001, S. 236 und bes. Field 2017, in Hinblick auf die Rolle von Bracciolini S. 276–319.
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mehrschichtige Auseinandersetzung entpuppen sollte, spielte die politische Dimension hier eine weitaus größere Rolle273. Nichtsdestoweniger müssen die Assoziationen mit den jeweiligen italienischen Gemeinwesen, d. h. in diesem Fall Rom und Florenz, als Ausdruck ihres individuellen „self-fashioning“ verstanden werden, mit dem sie die eigene Positionierung und die disponiblen Bündnisse mit der Herrschaftselite und den jeweilig aktiven Gelehrten postulieren konnten274. Sie integrierten, sowohl aus politisch-ideologischen als auch aus kulturellen Gründen, ihre Herkunft und Sozialisation in ihre Selbstdarstellungen und führten einen vermeintlich symbolischen „Stellvertreterkrieg“, der propagandistisch ausgenutzt werden konnte. Im diesem Sinne wurde die individuelle Selbstinszenierung in ein kollektives „community-fashioning“ umgewandelt, das eigenständige humanistische Gelehrtenstränge, ihre jeweiligen Förderer und ihre Dienstherren markieren konnte, ein Umstand, der unten noch in Kapitel 4 näher untersucht wird. Über die Politisierung des Gelehrsamkeitsverständnisses und der einhergehenden Selbst- und Gruppeninszenierung wurde zum einen den Herrschaftseliten verwertbares Material für ihre Kommunikation geliefert. Zum anderen diente sie den Humanisten der symbolischen Kennzeichnung ihrer jeweiligen „communities“ bzw. Gelehrtenkreise. Diese siedelten sich in den jeweiligen Städten und Höfen an, wo die Humanisten über Förderungen oder Ämtervergaben mehrschichtige Beziehungen zu den dort aktiven Eliten unterhielten275. Valla forderte ostentativ die kulturelle Führerschaft der Stadt Florenz heraus und stellte ihr einen „römisch“ stilisierten Humanismus entgegen, mit dem er die lingua Latina – als römische Erfindung und, begriffsgeschichtlich durchaus korrekt, als lingua Romana – reklamierte und dem florentinischen Humanismus streitig zu machen versuchte. Die Sprache wurde zum immateriellen Kulturgut aufgeladen, das über Zugehörigkeit und den eigenen innergemeinschaftlichen Rang entscheiden sollte. Dass der „römische“ Humanismus ein wirkmächtiges Argument für eine gesamtitalienische Identität oder eines italienischen „Nationalgedankens“ im vormodernen Sinne lieferte, d. h. eines geographisch und kulturell definierten Einheitsgedankens, hat Caspar Hirschi umfassend herausgearbeitet276. Im Kontext der Bracciolini-Valla-Kontroverse spielt dieser Umstand jedoch, wie gezeigt, nur eine untergeordnete Rolle und wird allein in den ersten beiden Invektiven explizit diskutiert, wenngleich die Rezeption des „Sprachimperiums“ für die zeitgenössische Bewertung des Streits, aber auch für die späteren humanistischen Richtungskämpfe von großer Bedeutung war277.
Vgl. zum invektiven Schlagabtausch bes. Baldassarri 2012. Zur Bedeutung Poggios als Repräsentant und Vorzeigemodell für die florentinische Herrscherelite vgl. Martines 1963, S. 258, allgemein zur symbolischen Funktion von Humanisten, ebd. S. 245–262. Vgl. u. a. Almási 2006 und Mertens 2006. Zur Bildung von „communities“ siehe unten, Kap. 4.2. Siehe Hirschi 2005, bes. Kapitel 3, S. 175–250. Zu patriotischen Lesarten im (antiquarischen) Humanismus anregend vgl. Mazzocco 2014/2015, S. 125. Vgl. Baker 2015, S. 189–200.
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2.3 Humanistische Gegenwartsgestaltung 2.3.1 Vallas repastinatio der (Moral-)Philosophie Valla beschränkte sich in seinem Œuvre nicht allein auf philologische Untersuchungen, sondern nahm für sich grundsätzlich in Anspruch, über eine dezidierte Sprachkritik revidierende oder modifizierende Eingriffe in gängige Lehrmeinungen und Methoden vornehmen zu können, bzw. sogar gänzlich neue Aussagen über etablierte Lehrgebäude zu formulieren. Sein linguistisches Programm sollte für eine universal gültige sprachliche Aktualisierung und Harmonisierung der akademischen Fächer herangezogen werden278. Der agonale Nachahmungsdiskurs war folglich nicht allein auf die Disziplinen der studia humanitatis begrenzt, sondern schloss auch das gesamte universitäre Spektrum explizit mit ein, was Bracciolini als eklatanten Konventionsbruch, konkret als Überschreiten der bislang akzeptierten Grenzen ihres humanistischen Tätigkeitsbereiches ahndete. Die diskrepanten Auffassungen ihrer jeweils wahrgenommenen Geltungsbereiche deuten Salvatore Camporeale und Charles Trinkaus als Ausdruck ihrer gegensätzlichen Geschichtsauffassungen: Sie wollen einen Grundsatzkonflikt zwischen dem „florentinischen“, von Poggio repräsentierten und dem vallianischen, von Trinkaus jedoch als „lombardisch“ klassifizierten Humanismus identifiziert haben. Bracciolini erkenne hinsichtlich paganer und christlicher Schriften eine intellektuelle Kontinuität, die sich in der antiken Metaphysik, Logik und Dialektik manifestiere und sich entsprechend unter christlichen Vorzeichen mit der Theologie überschneide. Daher sind auch mittelalterlich-scholastische Autoren und ihre Sprache als autoritative Instanzen für ihre jeweiligen Lehrsysteme anzuerkennen. Die studia humanitatis, unter dem Begriff Ethik subsumiert, seien der heidnischen Rhetorik und Literatur inhärent und bilden ihm zufolge das ausschließliche Tätigkeitsfeld des humanistischen Gelehrten bzw. orator. Valla wiederum habe Camporeale und Trinkaus zufolge ein wesentlich radikaleres Programm verfolgt und die historische Kontingenz hinsichtlich kultureller Entwicklungen stärker betont. So soll er für eine schriftbasierte „kreationistische“ Auffassung von Mensch und Welt plädiert haben, weshalb er explizit die Metaphysik und die scholasti-
Vgl. auch Moss 2003, S. 42. Siehe auch Cic. de orat. 2, 5, der die Prämisse von Vallas Sprachprogramm liefert: [...] neminem eloquentia non modo sine dicendi doctrina, sed ne sine omni quidem sapientia florere umquam et praestare potuisse. Etenim ceterae fere artes se ispae per se tuentur singulae; bene dicere autem, quod est scienter et perite et ornate dicere, non habet definitam aliquam regionem, cuius terminis saepta teneatur: omnia, quaecumque in hominum disceptationem cadere possunt, bene sunt ei dicenda, qui hoc se posse profitetur, aut eloquentiae nomen relinquendum est. Während Valla aus dieser Passage das Gebot ableitet, in die Disziplinen sprachkritisch selbst einzugreifen, deutet Poggio hingegen die Aussage als Möglichkeit, sich über die Themenkomplexe der jeweiligen Künste und Wissenschaften ohne Modifikationen zu äußern.
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schen Methoden mitsamt ihren Begriffen ablehnend gegenüberstand279. In dieser Interpretation erscheint Bracciolini vielmehr als „moderner“ Gelehrter, der die im Mittelalter etablierten Wissenssysteme und Gelehrsamkeitsverständnisse bewahrt wissen mochte, während Valla eine „reaktionäre“ Auffassung vertrat und die idealisierten Verhältnisse des Altertums in allen Disziplinen über seine elegantia-Konzeption umzugestalten beabsichtigte. Werden die Streitpunkte einzeln aufgeschlüsselt, zeigt sich jedoch deutlich, anders als Camporeale und Trinkaus argumentieren, dass weniger philosophische oder theologische Differenzen im Vordergrund ihres Disputs standen und beide Themenbereiche rein oberflächlich diskutiert worden sind. Vielmehr wurde das Verhältnis zur auctoritas als doktrinäre Kategorie, d. h. als synekdochische Bezeichnung für die einzelnen Lehren, Ideen und Methoden, die mit den jeweiligen Autoren assoziiert worden sind, zur Disposition gestellt und zwar innerhalb des literarischen Nachahmungsdiskurses. Diesem Streitpunkt lag prinzipiell die Frage zugrunde, welchen Restriktionen die imitatio als humanistisches Kompositionsprinzip unterlag. Dabei kristallisiert sich zudem der scholastisch-philosophische Grundkonflikt von ratio und auctoritas unter humanistischen Parametern heraus, d. h. das notwendige Spannungsverhältnis zwischen der jeweiligen autoritativen Instanz und dem Imitator wurde implizit adressiert und auf weitere intellektuelle Bereiche im universitären Rahmen ausgedehnt. JanHendrik de Boer spricht, jedoch ab dem ausgehenden 15. Jahrhundert, im Hinblick auf die dezidierten Einflussnahmen auf die traditionelle Gelehrtenwelt von einem „hegemonialen“ Humanismus. Dieser verließ ausdrücklich seinen eigenen Fächerkanon und übertrug das eigene Gelehrsamkeitsverständnis einschließlich der jeweiligen philologisch-literarischen Methoden auf die akademischen Disziplinen mit einem ausdrücklichen Superioritätsanspruch. Die Synthese von humanistischen Grammatik- und Rhetorikstudien und scholastischer Logik und Dialektik leitete einen Transformationsprozess an den Universitäten ein, der in der Bracciolini-Valla-Kontroverse bereits anklang und gleichsam, für die späteren (institutionellen wie nicht-institutionellen) Auseinandersetzungen des Humanismus von großer Bedeutung war280. 2.3.1.1 Aristoteles und die Grenzen der imitatio Als erster humanistischer Vertreter postulierte Valla das Recht, sich nicht allein zur Jurisprudenz, Philosophie und Theologie äußern zu können, sondern aktiv in die Disziplinen mit weitestgehend semantischen Modifikationen eingreifen zu dürfen. Die Kritik seiner Zeitgenossen und Vorgänger aufgreifend visierte er insbesondere die scholastische Me-
Vgl. Trinkaus 1989, S. 33 f., der ferner auf Bouwsma 1975 aufbaut. Siehe dieselbe Stoßrichtung von Camporeale 2001, S. 34 ff. und mit Schwerpunktsetzung auf die unterschiedlichen Sprachverständnisse Celenza 2018, bes. S. 178–182. Siehe auch Fois 1969, S. 62–64. Vgl. explizit zu Valla de Boer 2017, S. 11–12. Zur auctoritas als grundsätzliche Kategorie jeglicher künstlerischer oder wissenschaftlicher Beschäftigungen in Antike und Mittelalter, mit Bezug auf das scholastische Spannungsverhältnis zwischen auctoritas und ratio siehe bes. Köhler 2001.
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thodik als solche an, d. h. die formalisierten Verfahrensweisen von Dialektik und Logik, die seit Petrarcas Invektiven oftmals aufgrund ihrer künstlichen und unklassischen Terminologie dem Spott preisgegeben wurden281. Nichtsdestoweniger erkannte die humanistische Gemeinschaft die Scholastik als methodisches Grundgerüst und ihre dazugehörigen Vertreter als integrale Bestandteile der Gelehrtenwelt ohne weiteres an; die bislang geäußerten injuriösen Aburteilungen konnten bis zu Vallas Schriften primär als Seitenhiebe zur soziokulturellen Abgrenzung eingestuft werden282. Der Autor der Elegantiae griff die Kritikpunkte seiner Vorgänger auf und integrierte sie in sein linguistisches Restaurationsprogramm. Ausführlich äußert er sich zu seinem multidisziplinären Vorhaben in den sechs Vorworten der Elegantiae und in seiner Epistula apologetica, wo er vom allgemeinen usus der antiken Schriftsteller spricht. Dieser denotiert in diesem Zusammenhang nicht nur den Sprachgebrauch, sondern meint die grundlegende intellektuelle Praxis, d. h. die Lehren und Denkgebäude der auctores283. Die Zusammenführung von linguistischer und doktrinärer auctoritas wird sodann prominent in seiner mehrfach überarbeiteten Repastinatio dialecticae et philosophiae vollzogen. Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine reduktionistische Umstrukturierung des aristotelischen Organon unter dem Primat der Rhetorik284. Durch eine rhetorische Transformation des Triviums, dessen linguistische Grundlagen von der semantischen Erschließung der Elegantiae gelegt werden sollten, gedachte Valla, in den drei höheren universitären Disziplinen der Jurisprudenz, Theologie und Philosophie (mit ostentativem Auslassen der scholastisch fundierten Medizin) einen neuen linguistischen Ansatz einschließlich einer terminologischen Umcodierung der jeweiligen Lehren durchzusetzen. Simplifiziert ausgedrückt trat er für einen wissenschaftlichen Paradigmenwechsel an den Universitäten ein, der die formalisierte
Exemplarisch Petrarca 2003, De sui ipsius et multorum ignorantia, 2, 11, S. 232: Non denique scientiam aut eloquentiam, quarum primam penitus nullam michi esse confirmant; altera, si qua esset, apud illos hoc moderno philosophico more contemnitur et quasi literatis uiris indigna respuitur. Sic iam sola philosophantis infantia et perplexa balbuties, uni nitens supercilio atque oscitans, ut Cicero uocat, sapientia, in honore est, nec redit ad memoriam Plato eloquentissimus hominum, nec, ut sileam reliquos, dulcis ac suauis, sed ab his scaber factus Aristoteles. Vgl. Rummel 1995, S. 156–158, 177–181; mit besonderem Blick auf das Reich nördlich der Alpen ausführlich de Boer 2017, zur Rolle der Rhetorik in diesen Auseinandersetzungen zwischen Humanismus und Scholastik Rebhorn 1995, der auch punktuell das 15. Jahrhundert in den Blick nimmt. Valla 1984, Epistole, Ep. 13, S. 193–209, hier S. 198: Hoc quanquam perraro facio, tamen quis ita iniquus rerum estimator est qui hoc mihi vitio dandum potius quam laudi putet, siquem ostendo ab usu illorum principum, quos recensui, discrepare, ut non tam hos corripiam quam illos defendam merearque hanc, nisi fallor, laudem, ut superiores honorasse, posteriores videar docuisse? Vgl. u. a. Seigel 1968a; Keßler 1988; zur Genese der Repastinatio bzw. Retractatio vgl. Zippel 1982, S. IX–CXXIV, vgl. auch Monfasani 1984; Laffranchi 1999, S. 35–48. Vgl. auch zur Rhetorik als primäre Methodik bes. Camporeale 2014, S. 186–191, S. 203–153 und Laffranchi 1999, S. 6–34. Grundsätzlich zu Vallas Philosophie Celenza 2005a. Anregend zur Frage, ob Valla einen neuen Wahrheitsbegriff zu etablieren versuchte Gravelle 1989. Jüngst auch Mori 2020c.
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scholastische Methodik vornehmlich durch Philologie, d. h. Grammatik und Rhetorik, ablösen sollte285. Den Erneuerungsbedarf sieht Valla durch sprachliche, vom usus loquendi (die Rhetorik mit eingeschlossen) abweichende Verwerfungen und Fehler legitimiert, die Missverständnisse erzeugt und zu den schweren intellektuellen Krisen ihrer Gegenwart geführt haben sollen. Thomas Leinkauf resümiert, dass Valla die akademischen Disziplinen unter den „Index der Sprache, d. h. der lingua latina“ stellte. Seine pointierte Zusammenstellung muss jedoch präzisiert werden: Nicht die lateinische Sprache per se ist im vallianischen Programm gemeint, in der die akademischen Disziplinen ohnehin ausgedrückt worden sind. Vielmehr handelt es sich um den Index der klassischen Latinitas, d. h. des stilistisch-rhetorischen Ideals, das Valla über die Herleitung des klassischen Sprachgebrauchs zu rekonstruieren versuchte286. Er beabsichtigte zunächst eine Reduktion und Simplifizierung der Terminologie des aristotelischen Organon unter Berücksichtigung des usus loquendi, was jedoch zum Teil weitreichende Implikationen für die Lehren und Methoden selbst aufweisen sollte: Die Dialektik unterstellte er der Rhetorik, während er für diese Verfahrensweise eine überarbeitete Logik, die er hochmütig als logica Laurentiana bezeichnete, formulierte287. Auch die etablierte Fachsprache der Jurisprudenz sowie die Vulgata als höchste autoritative Schrift des Christentums unterzog er einer philologischen, auf die klassische Latinitas ausgerichteten Revision. Dabei muss bedacht werden, dass Valla nicht grundsätzlich eine „tote“ Sprache zu reaktivieren beabsichtigte. Er intendierte eine aktiv im Gebrauch befindliche, im akademisch-intellektuellen Bereich fest etablierte lingua franca mit langer Tradition umzugestalten und ihren jeweiligen Begrifflichkeiten umzucodieren. Dabei differenzierte er nicht zwischen den einzelnen Disziplinen und ihrer jeweils ausgeprägten Fachterminologien, die eigene historische Genesen mitsamt dem dazugehörigen Sprachgebrauch aufwiesen und spezifische Anforderungen bedienten. Mit seinen Ele-
Bislang waren Humanisten zwar vereinzelt als akademische Lehrer tätig bzw. konnten mitunter ein Universitätsstudium vorweisen, behandelten aber, mit Ausnahme des Triviums, ausdrücklich keine Disziplinen der höheren Fakultäten. Als Bewegung selbst konstituierte sie sich im 15. Jahrhundert ostentativ außerhalb des universitären Raumes, wenngleich sie enge Kontakte zur akademischen Elite unterhielt. Vallas unverkennbar auf die Universität ausgerichtetes Programm signalisierte ein neues humanistisches Selbstverständnis, das ebenso als Konventionsbruch von seinen Zeitgenossen geahndet wurde. Dazu Grendler 2002, S. 199–248; Ebenso für den hier betrachteten zeitlichen wie räumlichen Rahmen überblickend Sottili 1994 und 2002. Vgl. Leinkauf 2017, 1, S. 346: „Die alte Artes-Struktur der unteren Fakultät ist transformiert zu einer auf das Trivium konzentrierten (Grammatik, Oratorik, Poetik, Metrik), wenn auch durch Historik und Philosophie angerichterten Form, die der oberen Fakultäten ohne Medizin, dafür aber mit Metaphysik versehen. Aber er [scil. Valla] stellt dieses ganze Corpus unter den Index der Sprache, d. h. der lingua latina [...].“ Vgl. auch grundsätzlich mit breiterem Blick auf den Humanismus Wels 2000. Siehe u. a. die Aussage in seiner Apologia an Papst Eugen IV, wo er sich im Anschluss an die Inquisitionsbefragung für seine Werke gesondert beim Heiligen Stuhl zu rechtfertigen versuchte: Valla 1962b, Contra calumniatores apologia, S. 799: [...] denique maximam partem logicae latinae falsam esse; ueramque esse logicam Laurentianam [...]. Ausführlich zur Repastinatio Mack 1993, S. 22–116; Laffranchi 1999 und Nauta 2009.
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gantiae und seiner Repastinatio gedachte er, jegliche sprachbasierte Diskurse der klassischen Latinitas unterzuordnen und zu überschreiben. Bracciolini thematisiert an verschiedenen Stellen in seinen Invektiven die in der Repastinatio formulierten Reduktionsvorschläge der zur Erschließung der Realität etablierten zehn Kategorien (praedicamenta, Aristot. Cat. 4; 3a19 ff.) auf drei, namentlich substantia, qualitas und actio, die in Vallas Überarbeitung in Analogie zum Subjekt, zum Adjektiv und zum Prädikat stehen – seine alternative Realitätserschließung wird folglich philologisiert, d. h. in dezidiert grammatischen Kategorien gedacht288. Sein Programm schmückt Valla ebenfalls mit einem deutlichen Tadel an Aristoteles für seine vermeintlichen Irrtürmer aus, ein Gesichtspunkt, den Poggio durchweg als Hybris und Impertinenz verurteilt. In diesem Kontext weiß er auch Vallas reprehensio gegen die philosophischen und theologischen Autoritäten Albertus Magnus und Thomas von Aquin und allgemein gegen die mittelalterlichen nostri philosophi zu benennen, womit sein Gegner, so suggeriert er, gegen das universitäre Feld in seiner Gesamtheit protestiere289. Bracciolini zählt allein die Widersprüche seines Kontrahenten auf, ohne gesondert dessen Lehrgebäude als solches anzugreifen290. Dieses Vorgehen entspricht der grundsätzlichen zeitgenössischen Rezeption der Repastinatio, die zwar als anti-aristoteli-
Vgl. bereits Kristeller 1964, S. 34; Laffranchi 1999, S. 243–264; Nauta 2009, hier bes. S. 45. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 201: Primo Boetium (quem Albertus philosophum Latinum appellat) tum ipsum Albertum redarguit homo accutissimi ingenii, qui plus somniando didicerit quam reliqui legendo, hic solum se uerborum conscium interpretem somniat, cum ipse in multis aberret. [...] Aedidit librum in dialecticis, asserens, non esse dialecticam praeter Laurentianam, qui liber nil continet nisi ignorantiae eius doctrinam, ab omnibus reprobatus atque explosus, ut qui ab homine eius doctrinae penitus inscio sit profectus. In philosophicis nescio quid latrauit, damnans Aristotelem, atque asserens tria tantum esse praedicamenta, ut qui a philosophiae habitaculo longe aberrare uelit, hunc habeat itineris ducem. Vgl. zu der Stelle in Valla 1999, De linguae latinae elegantia 5, 30, S. 588–593, hier S. 592. Vallas Einwände gegen Aristoteles und Albertus Magnus wiederholt er erneut in seiner vierten Invektive, Bracciolini 1966b, Invectiva quarta, S. 875: [...] qui beatum Thomam de Aquino inanem disputatorem fuisse asseveret; qui contra Aristotelis dialecticam contraque naturalem eius philosophiam scripserit [...]. Zu Vallas Protest gegen den akademischen Betrieb bes. Blanchard 2000, S. 159 f. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 201: Aedidit librum in dialecticis, asserens, non esse dialecticam praeter Laurentianam, qui liber nil continet nisi ignorantiae eius doctrinam, ab omnibus reprobatus atque explosus, ut qui ab homine eius doctrinae penitus inscio sit profectus. In philosophicis nescio quid latrauit, damnans Aristotelem, atque asserens tria tantum esse praedicamenta, ut qui a philosophiae habitaculo longe aberrare uelit, hunc habeat itineris ducem. Zu dem Vorwurf bes. Camporeale 2001, S. 34 f. Es existiert eine Vielzahl an Beiträgen zu Vallas Dialektik, die aufgrund ihrer vermeintlichen Radikalität nach wie vor große Aufmerksamkeit generiert und zu unterschiedlichen Interpretationen führt. Zu Vallas Verständnis der Kategorien siehe u. a. Trinkaus 1978, S. 75–101 u. 279–325; mit theologischen Implikationen Camporeale 1972, S. 33–87, S. 149–171 und S. 235–249; Mack 1993, S. 37–73, bes. auch Laffranchi 1999, S. 79–112 unter Einbezug seiner späteren Werke; Nauta 2009, S. 14–47 und S. 82–125, wo Nauta auch die Unterschiede der Redaktionen adressiert und ebenso auf vorherige Deutungen blickt; Vasoli 2010, S. 377–415 und jüngst Perreiah 2014, S. 43–61, der jedoch mit seinem Dekonstruktionsversuch der vorherigen Studien keine neuen Erkenntnisse vorzulegen vermag. Zu Poggios Einspruch in der oratio prima auch Celenza 2018, S. 167–169.
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sche Schrift wahrgenommen und dafür tendenziell abgelehnt wurde, aber interessanterweise in Italien zu keiner ausführlicheren Auseinandersetzung führte. Poggio selbst verweist auf das Mahnschreiben des venezianischen Humanisten und Grammatiklehrers Lauro Quirini (1420–1480), der im August 1445 von Valla eine Stellungnahme bezüglich seiner Autoritätskritik einforderte. Quirini nahm Bezug auf einen apologetischen Brief Vallas, den er an seinen Freund Giovanni Tortelli vier Jahre zuvor (August 1441) richtete. In dem besagten Schriftstück gibt der Autor der Elegantiae seinen Widerspruch gegenüber angesehenen Referenzgrößen triumphierend zum Besten und listet seine bisherigen Schriften mit kurzer Erläuterung auf. Insbesondere seine mutmaßliche Errungenschaft, die gesamte sapientia veterum umgestürzt (evertere) zu haben, erregte nicht nur bei Quirini, sondern auch bei seinen Freunden und ihm gegenüber aufgeschlossenen Gelehrten wie Francesco Filelfo (1398–1481) und Maffeo Vegio (1407–1458) für Aufsehen291. Quirini sprach, ohne das vallianische Œuvre inhaltlich zu kennen, ebenfalls von einer nova scientia, die Valla zu etablieren versuche. Vegio dagegen warnte seinen Freund ausdrücklich davor, die sapientia veterum zu hinterfragen und betonte den kanonischen Status von Autoren wie Aristoteles und ihre soziale wie institutionelle Bedeutung. Er fasste Aristoteles als Garanten einer für die gesamte Gelehrtenwelt konstitutiven Wissensordnung. Der Stagirit wurde zwar scholastisch vereinnahmt, aber nichtsdestoweniger handelte es sich bei ihm um einen antiken Schriftsteller, der zweifelsfrei zum humanistischen Autorenkanon gehörte. Eine allzu tiefgehende Analyse, mit dem eindringlichen Verb penetrare ausgedrückt, von allgemein akzeptierten, von Autoritäten verkörperten Epistemen erwies sich Vegio zufolge als unangemessen; seiner Ansicht nach zerstöre Vallas Umgang mit Aristoteles und den scholastischen Schriften den Rahmen der imitatio, da nicht mehr das Verständnis und die Verwertung, sondern die Modifikation und die reduktionistische Umdeutung im Vordergrund stehe292. Eine ähnliche, wenngleich ironisch kompo-
Valla 1984, Epistole, Ep. 17, S. 214–217, hier exemplarisch S. 215: Qui omnem veterum sapientiam meis operibus everto, qui possum in minoribus rebus et, ut sic dicam, extraordinariis opinionibus non libere loqui? Vidisti in libris De vero bono, quod ad mores pertinet, me ab omnibus dissentire; quod etiam in libris De institutione philosophie feci [...]. Adde huc libros De elegantia lingue latine, in quibus Priscianum, Servium, Donatum, Macrobium, Aulum Gellium, Marcellum, iurisconsultos, Lactantium, Hieronymum (quos non?) reprehendi, neque aliter, salva fide operis, facere potui. Valla 2013, Correspondence, Ep. 29A, Lauro Quirini an Valla, S. 178–185, hier S. 178: [...] in qua [scil. der besagte Brief an Tortelli] affirmabas te tuis scriptis omnem veterum sapientiam evertisse quodam dolore affecti fuimus. Nam vel te omnia scire nova quadam scientia putavimus, nos vero omnia ignorare, vel, quod verius visum fuit, te cuncta ignorare, nos aliqua noscere. Vgl. zu der Wahrnehmung von Vallas Autoritätskritik in der humanistischen Gemeinschaft bes. Blanchard 2000, zu Quirini und Vegios Reaktionen S. 161–164. Valla 2013, Correspondence, Ep. 17A, Maffeo Vegio an Valla, S. 112–125, hier S. 116: [...] putas dignum laude haberi, cum multa videris, multa legeris, penetresque omnia sublimi ingenio tuo, altius tamen penetrare quam conveniat, conarique nunc philosophos, nunc logicos, nunc theologos evertere? [...] Sed quam recte facias improbare que tot seculis suscepta, confirmata, probataque ab omnibus sint [...] [Hervorhebungen durch den Verfasser]. Auch Vegio nimmt ausdrücklich Bezug auf Ep. 17, der offenbar in bestimmten humanistischen Kreisen hohe Wellen schlug und mit Sicherheit den zwiespältigen Ruf Vallas stark prägte.
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nierte Kritik findet sich ebenso in Filelfos Satyrae: Er warnt Valla davor, das seit Jahrhunderten gefestigte und von zahlreichen Autoritäten anerkannte Wissen zur Disposition zu stellen und zwar nicht unbedingt aus epistemologischen Gründen, welche die auctoritas axiomatisch als unumstößlich zeichnet, sondern aufgrund der sozio-intellektuellen Konsequenzen, die sich aus der Autoritätskritik ergeben können293. Die kontemporäre Auseinandersetzung mit Vallas Repastinatio verblieb hingegen in einer oberflächlichen Auseinandersetzung mit seinem Widerspruch gegenüber dem griechischen Philosophen. Bracciolini folgte hier den bereits geäußerten Ermahnungen Quirinis, Vegios und Filelfos und verurteilte Vallas Polemik als heterodoxes Gedankengut; er konkretisierte zwar ihre Einsprüche mit Zitaten aus dem Werk, ohne jedoch die Implikationen der einzelnen Punkte zu thematisieren. 2.3.1.2 Kritik an De libero arbitrio und De vero bono Mit Rekursen auf Vallas (moral-)philosophische Dialoge De libero arbitrio und De vero bono, die ebenso auf einen „Umsturz“ nach Eigenaussagen ihres Verfassers abzielten, beabsichtigte Bracciolini überdies eine Dekonstruktion der gesamten philosophischen Gedankengebäudes seines Gegners zu vollziehen. In De libero arbitrio behauptet Valla, eine Lösung für das Paradoxon von menschlicher Willensfreiheit und einem allwissenden Gott anbieten zu können. Zielscheibe seiner Kritik ist das fünfte Buch der Consolatio philosophiae des Boethius und, Poggio zufolge, auch des Kirchenvaters Augustinus, gegen welchen Valla überdies einen liber de fato diuinaque providentia294 verfasst habe295. Zur Illustration seiner Anklage zitiert der ältere Humanist gegen Boethius gerichtete Schelten, die im Dialog De libero arbitrio jedoch von der persona seines Dialogpartners Antonio Glera vorgetragen werden, wie Valla in seiner Verteidigung erläutert296. Ausdrücklich schreibt Valla sich, an seinem Originalitätsprinzip orientierend,
Filelfo 2005, Satyrae 1, 2,4. S. 94–98, hier S. 95: Valla, vide ne dum cunctos in proelia poscis / incautus pereas ac fias fabula vulgi; S. 96: Tu nec Arisoteli parcis, Ciceronis adulter / et status et ratio dicendo saepe videri; [...] Homines simus, non numina caeli! / Ridiculum sane quod nos, aetate minores / nec virtute pares, ullos damnare velimus / quos tot saecula probent, quos totus laudibus orbis / efferat [...]. Dazu auch die Analyse von Blanchard 2007, S. 1136–1138. Valla streitet einen derartigen Beitrag ab; von Poggios Aussagen her ist nicht zu erschließen, ob er damit nach wie vor De libero arbitrio meint oder es sich schlicht um eine Erfindung im Sinne eines weiteren Strohmann-Arguments handelt. Vgl. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 205: [...] quomodo Augustinum de Fato, de diuina prouidentia belua improuida reprehendat. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 233: Citetur praeterea liber de fato diuinaque prouidentia, in quibus palam beatum Augustinum, omnesque doctores improbans blasphemus est in Deum et nouae haeresis autor existit. Vgl. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 226 f., wo er aus Valla 1987, De libero arbitrio, unzusammenhänged die Ausschnitte 47, 96–101, 137, 151–156 und 807–821 zitiert. Zu De libero arbitrio bes. Fois 1969, S. 180–194, Keßler 1987 und jüngst Leinkauf 2017, 1, S. 675–680. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 344: Sunt ne ista sceleste mea uerba, qui respondeo, an Antonii Glerae collocutoris, qui instituit quaestionem et quasi diuersas in acie partes tuentis. Ille ut alii plurimi, incertum habebat de libero arbitrio, nec alicui assentiebatur, tanquam plane hanc quaestionem
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die Möglichkeit zu, sich auch an derartig schwierige Themenkomplexe heranwagen zu dürfen297. Einer inhaltlichen Rechtfertigung verwehrt er sich; seine Behandlung der Willensfreiheit wird augenscheinlich nicht problematisiert, wodurch er in dem von seinem Opponenten gesetzten diskursiven Rahmen verbleibt. In seinem moralphilosophischen Dialog De vero bono wiederum konzentrierte sich Valla auf die bislang in humanistischen Kreisen vorherrschenden stoischen und peripatetischen Tugendlehren, die er polemisch verwarf und stattdessen eine Synthese der epikureischen voluptas mit der christlichen caritas vorschlug298. Der mehrfach überarbeitete und an die jeweilig anvisierten Gelehrtenkreise angepasste Dialog wurde zwiespältig von der Leserschaft aufgenommen und erzeugt auch in der modernen Forschung nach wie vor unterschiedliche Deutungen. Zeitgenössisch sorgte einerseits die mutmaßlich ironische Favorisierung der epikureischen Lust (voluptas) für Aufsehen, die er in der ersten Fassung noch dem Sprecher Antonio Beccadelli, in der zweiten Version jedoch Maffeo Vegio in den Mund legte. Andererseits hielten die Kritiker die polemische Ablehnung der stoischen bzw. peripatetischen Lehren, die Valla in einer abfälligen und simplifizierten Art behandelt, für problematisch, wie die brieflichen Gutachten florentinischer Gelehrter 1433 bezeugen. Leonardo Bruni apostrophierte in seiner äußerst kurz gehaltenen brieflichen Rezension die aristotelische Autorität und bekannte sich zur peripatetischen Tugendlehre. Wenngleich er De vero bono stilistisch lobte – und auf dieses Urteil rekurrierte Valla in seiner Auseinandersetzung mit Bracciolini – distanzierte er sich von Vallas Synthese von epikureischer voluptas und christlicher caritas299. Dagegen gestand der Theologe, Übersetzer und päpstliche Legat Ambrogio Traversari (ca. 1386–1439) dem Autor des Dialoges durchaus abweichende Meinungen von philosophischen Autoritäten zu, wenngleich auch
explicanti. Itaque eius mihi, ut in dialogis sit, ad instituendam disputationem fuerunt uerba repetenda, quae, etsi in illo reprehendenda non sunt, tamen tu calumniose mihi attribuis. Ecce crimen meum, quod Augustinum insector, quem ne nominavi quidem. Vgl. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 344: Neque enim uetamur quaestiones a summis uiris disputatas, nos, quantulicumque sumus, agitare, ut uidere licet in iure ciuili, in medicina, philosophia, in theologia, in caeteris artibus, atque scientiis. Zur Methode des Dialoges siehe bes. Kahn 1983. Zur Synthese bes. Vickers 1986. Grundsätzlich zu De vero bono nach wie vor die Studie von de Panizza Lorch 1985, zur Verteidigung der voluptas de Panizza Lorch 1976; zum Schauplatz des Dialoges in den beiden Fassungen und seine Bedeutung für den primären Sachgegenstand dies. 1984. Allgemein zu De voluptate Fubini 1987 sowie erweitert ders. 2003. Aus philosophischer Sicht zur problematischen Reduktion der voluptas Nauta 2007b. Valla 2013, Correspondence, Ep. 2B, S. 22–24, Leonardo Bruni an Valla, hier S. 22 ff.: Ego tamen dicam de summo bono in quantum hominis, nam post mortem non est homo amplius. Aristoteles, cum de felicitate hominis disputat, ait alterius considerationis esse an felicitas sit appetenda propter voluptatem an voluptas propter delectationem, et de hac questione non diiudicat. Verum cum ipse in eodem loco dixerit operationes secundum virtutem efficere vitam beatam, hec a me quoque probatur sententia [...]. Ebd., S. 24: [...] idest quod ipse [scil. Aristoteles] aperte dixit, quam illud quod aperte non dixit, malo meo iudicio confirmare. Et de rebus quidem ita sentio.
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er demonstrativ von einer Thematisierung der voluptas-Lehre absah300. Carlo Marsuppini hingegen, der Empfänger von Vallas Comparatio Ende der 1420er Jahre, lobte De vero bono ausführlich, wenngleich auch er die von Bruni in seinem Isagogicon moralis disciplinae von 1421/1424 vollzogene Zusammenführung der stoischen, epikureischen und peripathetischen Schulen in seiner Besprechung sichtlich unterstrich und die vallianische Ethik mit der humanistisch-orthodoxen Sichtweise abzugleichen versuchte301. Bei Brunis Isagogicon handelt es sich um eine Abhandlung über die drei einflussreichen antiken Philosophiestränge, die für die frühhumanistische Moralphilosophie konstitutiv war und gleichsam den ethischen Denkrahmen fixierte. Bruni identifizierte allein begriffliche Unterschiede in allen drei Schulen und versuchte eine Synthese zu formulieren302. Bracciolini griff die kontemporäre Kritik an den Schriften seines Rivalen auf und verknüpfte diese mit seiner Anklage gegen dessen Autoritätskritik: Poggio gibt Aussagen der dramatis persona Maffeo Vegio wieder, der die epikureische Schule innerhalb der Diskussion um das höchste Gut vertritt, und unsterstellt Valla schlicht, dass er die Jungfräulichkeit von Nonnen (sanctimoniales) als für die menschliche Fortpflanzung schädliche Enthaltung zurückweist und stattdessen der Prostitution einen höheren
Valla 2013, Correspondence, Ep. 2A, S. 21–23, Ambrogio Traversari an Valla vom 4. September 1433, hier S. 20: Materia digna profecto abs te commode satis, quantum ego sentio, tractate est, stilus ipse gratus, et facilis, et materie accommodatus. Ebd., S. 20f.: Quod si usquam a sententiis veterum discrepat opinio tua, quis tam severus est arbiter quin facile et libenter ignoscat, cum liceat cuique pro captu suo disserere atque sentire, videamusque hanc licentiam veteres quoque vendicasse sibi, ut contra vel maiores vel equales etiam suos dissererent fueritque liberum semper cuique et tueri et constanter asserere opiniones suas. [...] Non itaque improbo si quid contra philosophorum sentiamus inventa, si modo nostra probabilibus verisque rationibus muniamus. Hec habui que de opere ipso afferrem. Traversari stellte seine lateinische Übersetzung der doxographisch-biographischen Schrift des Diogenes Laertios (3. Jh.) 1433 fertig. Das Projekt wurde mitunter von Niccolò Niccoli und Cosimo deʼ Medici (1389–1464) unterstüzt. Mit De vero bono versuchte Valla dezidiert am moralphilosophischen Diskurs in Florenz teilzunehmen und sowohl gegen Bruni als auch Poggio anzuschreiben – letzterer veröffentlichte kurz zuvor seinen ersten Dialog De avaritia. Ausführlich zu Traversari und seinem Wirken in Florenz Pontone 2010, S. 1–45 und ebenso Stinger 1977. Zur Übersetzung der Vitae philosophorum ausführlich Kaiser 2019, S. 225–235. Bis 1437 arbeitete Traversari überdies an der Übersetzung des Pseudo-Dionysius Areopagita. Siehe auch zur Rezeption von De vero bono im florentinischen Gelehrtenkreis Kaiser 2019, S. 265–281, bes. S. 279–281. Valla 2013, Correspondence, Ep. 2C, Carlo Marsuppini an Valla, S. 24–29, hier S. 24 : Res verbo de quibus disseris propemodum pervicerunt, immo persuaserunt quo nihil iam mali quam voluptatem sequi. Zum Isagogicon Brunis vgl. Ebbersmeyer 2010, S. 173–181. Die Kritik an Bruni wird in der ersten Fassung von De vero bono, noch als De voluptate bezeichnet, recht deutlich, wie Gernot Michael Müller 2002 anhand der Figurenkonstellation gezeigt hat, in welcher Bruni als Vertreter der stoisch-peripathetischen Lehre auftritt. Siehe auch de Panizza Lorch 1976 und auf die Differenz zwischen einem „römischen“ und „florentinischen“ Ansatz, der sich im Dialog widerspiegelt, auch Holmes 1969, S. 128 f.; zur Argumentationsstruktur Westermann 2006. Zur voluptas als skandalträchtige moralphilosophische Kategorie auch Roick 2014. Siehe auch für die Aufarbeitung der epikureischen Schule den wichtigen Gelehrten Cosma Raimondi (1400–1435), vgl. Davies 1987.
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Nutzen für die Menschheit zuweise als keuschlebenden Frauen303. Mit inszenierter Empörung ordnet er ihn einer pervertierten Form des Epikureismus zu, die seiner Ansicht nach weder Epikur selbst noch die Heiden jemals unterstützt hätten. Auch die paradox anmutende Lobrede auf den Weingenuss zeichnet er als Ausdruck von Vallas kontroverse und als unchristlich einzustufende causa Epicureorum304. Er verzichtet hinsichtlich der Wiedergabe auf jegliche Einordnung der dialogischen Gesprächssituation. Poggio weist die Sprechbeiträge der dramatis persona unmittelbar seinem Kontrahenten zu und ignoriert augenscheinlich das in utramque partem disputareVerfahren, das Valla im Dialog apostrophiert, um die teils skandalträchtigen Thesen abmildern und versachlichen zu können, eine Strategie, der sich auch Poggio selbst und andere Humanisten stets bedienten305. Entsprechend vermag Valla auch an dieser Stelle auf die augenscheinliche Entkontextualisierung hinweisen und Poggio der Strohmann-Argumentation anklagen zu können, die an dieser Stelle mit einem klaren Bekenntnis zu Jesus Christus und den christlichen Idealen der virginitas und abstinentia einhergeht; ferner versuchte er die gemeinschaftliche wie christliche Orthodoxie seiner Schrift über die positiven Beurteilungen von Guarino da Verona, Leonardo
Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 232: Verum non una in re tantum, neque uno in crimine conuinceris haereticus et impius esse. Sed in primo libro quem De Vero Bono scripsisti, uerba quidem sacrilega et scelerata nimium quae a me referentur ista posuisti. Inquis enim: «Ego uero inde quanta libertate ac licentia respondeam, sic statuo: Quisque uirgines sanctimoniales primus inuenit, abominandum atque in ultimas terras exterminandum morem in ciuitatem induxisse, licet nomen religionis imponat, quae potius est superstitio, licet has uirgines sacerdotes sanctimonialesque appellent.» Et paulo post ais: «Melius merentur scorta et prostibula de genere humano, quam sanctimoniales et continentes» [Valla 1970b, De vero falsoque bono, 1, 43, 1, S. 122.]. Et deinde subdis: «Nolo aliquid contumeliosius loqui in homines qui sacerdotia muliebria in honore habent. Hoc dixerim: qui haec laudant aut insanos esse; aut pauperes aut auaros» [Valla 1970b, De vero falsoque bono, 1, 45, 12, S. 128]. Vgl. zum Jungfrauendiskurs auch Roick 2014, S. 133–140 und Norbedo 2017. Zu dem bereits von Leonardo Bruni verwerteten Motiv der Prostitution als dem Menschheitsgeschlecht dienliche Einrichtung siehe Marsh 2000b und Wulfram 2016. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 218 f.: Nunc sane uideo, cur in quodam tuo opusculo, in quo Epicureorum causam quantum datur tutaris, uinum tantopere laudasti. «Ipsum» (ut uerbis tuis utar) «laeticiae parentem, gaudiorum magistrum, felicis temporis comitem, solatium aduersi, pacis, concordiae, amicitiae arbitrium»: appellas: bacchum compotatoresque adeo profuse laudans, ut epicureolum quendam ebrietatis assertorem te esse profiteraris. «Salue» inquit «omnis aetas, omnis sexus [vgl. Apul. met. 7, 13] certae assiduaeque delitiae. [Valla 1970b, De vero falsoque bono, 1, 24, 4, S. 30]» Denique postquam plures qui uino indulserunt laudasti, addis et partes tuas. Zum Epikureismus in der Renaissance vgl. Zintzen 2000. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 232: Haec tua sancta professio, haec tuae religionis opinio, haec confessio habetur. O deterior Iouiniano. O uirginitatis hostis. O pudoris expugnator, tutaris sententiam Epicuri, sit hoc uitae tuae testimonium. Quid contra uiginitatem insurgis, quod nunquam fecit Epicurus? Tu prostitutas et prostibula laudas, quod ne gentiles quidem unquam fecerunt. Non uerbis oris tui sacrilegi labes, sed igne est expurganda, quem spero te non euasurum. Nihil unquam scripsisti, quin aliquid peruersae haeresis inseres.
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Bruni, Ambroiso Traversari und Carlo Marsuppini, d. h. über ein argumentum ad verecundiam, zu belegen306. 2.3.1.3 Philologie als Universallehre Die tadelnde Korrektur der autoritativen Bezugsgrößen ging Bracciolini zufolge mit einem Geltungsanspruch einher, der jegliches menschliches Fassungsvermögen übertreffen müsse. Valla selbst halte sich für einen fons doctrinarum, für den doctissimus omnium artium liberalium und einen magister nature et morum, der durch göttliche Intervention seine irdische Stellung als Universalgelehrten erhalten habe307. Bracciolini polemisierte insbesondere gegen Vallas philologisierende Methodik, mit welcher er alle von ihm behandelten Disziplinen kritisch in den Blick nahm. In seiner auf dem usus loquendi basierenden elegantia-Konzeption will Poggio eine apodiktische Universallehre erkannt haben, die sein Gegenspieler als einzige Wissensquelle (fons doctrinarum) bildhaft zu einer unter seiner Führerschaft stehenden „Arche“ zu erheben beabsichtige. Infolgedessen beseitige er die Autorität der antiken Wissensträger und ersetze sie mit seinen eigenen Schriften308. Zum einen richtete sich sein Einspruch gegen die enzyklopädisch ausgerichteten Elegantiae, die aufgrund der Herleitung aus den Ausdrucksweisen unterschiedlicher Schriftsteller die jeweilige auctoritas, wie oben gezeigt, partiell de-autorisiert. Zum anderen formulierte Bracciolini eine Kritik an der vallianischen Methode, die insbesondere in der Repastinatio zum Vorschein kommt. Der Sprachgebrauch (usus loquendi) erweist sich, wie Poggio richtig identifi-
Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 343: Nonne dixi in prooemio, cur Epicureos abiectos homines et contemptos induxissem loquentes? Nonne in tertio libro quidam ex ordine minorum, sub cuius persona meam dico sententiam, contra Maphaeum ueluti Epicureum sententiam fert? Quo ex libro cur tu uerba repetebas, ubi causam Christianam ago? Ubi gentiles cunctos impugno? Ubi gaudia depingo paradisi, quem locum Candidus cum laudat, nihil se ait legisse floridius? Quo ex opere non minorem apud elegantes Guarinum, Leonardum, Ambrosium, Carolum ad quos detuli, nitoris atque facundiae, quam apud sanctos ac religiosos pietatis et sanctimoniae adeptus sum laudem, ut ob id uel magnam expectem ab Iesu Christo, cui imprimis uirginitas et abstinentia grata est, mercedem atque remunerationem. Et tu continentiae et abstinentiae perpetuus hostis, libros illos ausus es mihi obiectare, tuae fraudis et tuae tibi calumniae conscius? Non enim ignorabas contraria libro primo, in tertio contineri, quid sperabas? Quid optabas reticendo ueritatem? [...] Nam quid facilius quam te confutare, hominem tardum, hebetem, luteum, terrcum, puluereum? Bracciolini 1964d, Invectiva tertia, S. 239: Ad se omnes ueluti doctrinarum fontem (ita enim se appellat) ire iubet, se omnium artium liberalium doctissimum et ueluti magistrum nature et morum, inter stultos hymnum licenter iactat. Sibi datum esse soli ut poetarum sensa, Rhetorum praecepta, philosophorum doctrinam, omnium artium facultates explicare queat, ceteros inanem esse fabellam, nil scire, nil neque legendo, neque dicendo prodesse, solum se diuinitus ueluti e coelo demissum, ac Deorum munere datum, qui lucem mentibus traderet, reliquos infantes esse, rudes, inscios latinae linguae, aurea sua uerba et magni ponderanda furibundus detractor praedicat et se priscis uiris doctissimis comparandum. Bracciolini 1964d, Invectiva tertia, S. 240: Denique arcam Noe se esse fatetur, in qua genera non ferarum, sed scientiarum singula sint reclusa, ad quae pandenda non coruo, non columba opus existat [...].
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zierte, als primäre Denkfigur in Vallas Œuvre, die zwangsläufig mit dem von ihm abschätzig verworfenen ontologischen Instrumentarium der Philosophie kollidieren musste309. Valla hingegen erachtete die Beherrschung der klassischen Latinität als umfassenden Autorisierungsschlüssel, der den Sprecher dazu berechtigte, sich in allen Künsten und Wissenschaften, allen voran in den gesellschaftlich äußerst relevanten Disziplinen der Jurisprudenz und Philosophie bzw. Theologie, kritisch mit den jeweiligen Sachgegenständen befassen zu dürfen, was einerseits akademische Approbationen überging und andererseits ein neues humanistisches Selbstbewusstsein zur Schau stellte310. Das von Valla anvisierte disziplinäre Spektrum verleitete Bracciolini dazu, dessen Selbstwahrnehmung als Universalgelehrter und seiner neuen doctrina kontinuierlich in jeder Invektive mit variierenden enumerationes ironisch ad absurdum zu führen und mit seiner Autoritätskritik zu verbinden311. Er würdigte Valla als unbedeutenden grammaticus und rhetor herab, der weder die nötige Berechtigung noch das Wissen habe, sich jenseits seiner eigenen Tätigkeitsbereiche mit kritischen Beiträgen über die angesprochenen Themenkomplexe äußern zu dürfen. Poggios vermeintlich inkorrektes Verständnis
Zu diesem Punkt bes. Nauta 2009, S. 276–280; ders. 2015, S. 143 ff. und ders. 2018, hier S. 16. Valla 1978, Antidotum primum 1, 30, S. 90: Ostendam itaque eum [...] malum quidem virum, [...]. Dicendi autem imperitum, non quod nihil dialectice, nihil astronomie, geometrie, musice, nihil iuris vel civilis vel pontificii, nihil nec philosophie nec theologie attigit, [...] quod parum grammatice, minus poetice, minimum rhetorice novit [...]. Vgl. bes. Mariani Zini 2010, zu Valla bes. S. 24 f. und zur Philologie als Methode zur Wissensreformierung, S. 30 ff. Im Grunde wird im Exkurs über das Disziplinenspektrum des Redners – bereits von Cicero im ersten Buch von De oratore problematisiert – ebenso das Spannungsverhältnis zwischen auctoritas und ratio aktiviert; die ratio wird um den usus loquendi ergänzt, und zwar den Sprachgebrauch der antiken Schriftsteller, während die auctoritas in Bezug auf die drei Disziplinen Jurisprudenz, Philosophie und Theologie neben Aristoteles und Boethius hauptsächlich mittelalterliche Referenzgrößen meint. Exemplarisch als direkte Anwort auf Vallas Vorwurf Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 224 f.: Nam scribis me inscium latinae linguae, dicendi imperitum, nihil Dialecticae, nihil Astronomiae, Geometriae, Musicae, Iurisciuilis uel Pontificii, nihil Philosophiae, nihil Theologiae attigisse, quasi ego instar tui me earum artium doctrinam profitear tenere. Tua istaec est professio, tua ostentatio, quem nectare Iouis imbutum, quem Mineruae lacte educatum, didasculum uere possumus appellare. Nam ita linguam tenes latinam, ut barbarus stultissimus uidearis. Ita es in dicendo peritus, ut nihil sit absurdius tua inani uerbositate. Ita Dialectiam calles, ut eam tuo egregio opere insulso tractans, auribus ut aiunt lupum teneas [vgl. Suet. Tib. 25, 1]. Ita existis in Astronomia uersatus summa cum perspicuitate, ut lanam sole minime discernas. In Geometria ita peritum dicunt, ut neque domum tuam, neque praedium ullum metiri queas. Musicam certe nosti et ea causa est cur te domi quotidie cantantem docentemque tuam Psaltriam audiamus. Iuris certe ciuilis tantum percepisti, ut te Acursio asseras doctiorem. Cuius rei nuper periculum fecisti. Nam in iudicio quodam mulae (tute nosti quid dicam) cum sine aduocato causam tuam coram senatore orares, primo congressu confusus, conuictus, superatus cum risu omnium ab ea causa decidisti. Quid loquar de philosophia? Cuius scientiam tibi concendo: Aristotelem enim tanquam errantem reprehendis. Ita omnium rerum naturam nosti, ut tuam omnino fueris oblitus. In Theologiae cognitione certe palmam mereris, cum nihil a te scriptum sit in quo non aliquod haeresis crimen admisceatur.
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der lateinischen Semantik führte Valla wiederum unmittelbar auf den Einfluss mittelalterlicher Autoren der besagten Disziplinen zurück, wie er mit punktuell vorgebrachten Korrekturen seiner Vorwürfe zu verdeutlichen versuchte312. Grundsätzlich griffen beide Agonisten einen Diskurs auf, den Bracciolini bereits unter anderen Vorzeichen in jungen Jahren mit seinem Mentor und dem damaligen Haupte des florentinischen Humanismus Coluccio Salutati zwischen den Jahren 1405 und 1406 führte. Salutati befürwortete eine grundsätzliche aemulatio, d. h. er betrachtete das Altertum zwar als Ideal, das jedoch durch eine innovative Nachahmung in der Gegenwart übertroffen werden konnte, wie Valla selbst argumentieren sollte. In der gegenwärtigen Gelehrsamkeit (eruditio nostra) verortete er die erfolgreiche Zusammenführung von effizienter eloquentia und christlich fundierter sapientia, die er im Œuvre Francesco Petrarcas bestätigt und in praxi verwirklicht sah; infolgedessen relativierte er den Status der antiken Schriftsteller als zeitlose und unübertreffbare Referenzgrößen. Dabei widersprach er seinen früheren Aussagen über die Superiorität antiker Autoren, die er unter ciceronianischem Vorsitz als federführend hinsichtlich der Beredsamkeit erachtete. Gegen Salutatis mutmaßlich vollzogene Meinungsänderung legte Poggio brieflich Protest ein, auf den sein Mentor defensiv antwortete313. Der einseitig überlieferte Briefwechsel zwischen den beiden Gelehrten – allein Salutatis Schreiben sind noch vorhanden – sorgte in der Forschung für Deutungsschwierigkeiten, da der florentinische Kanzler scheinbar von seiner humanistischen Überzeugung am Ende seines Lebens abzurücken schien314. Grundsätzlich wird seine Verteidigung als rhetorische Übung gefasst, mit welcher er zugleich die neu eingeschlagene intellektuelle Richtung Bracciolinis und auch Leonardo Brunis für ihre vermeintliche Abwertung der kontemporären Gelehrtenkultur kritisierte315. Ausgehend von dem Brief Salutatis scheint der in der Forschung gemeinhin als „Petrarca-Kontroverse“ bezeichnete Disput die Frage nach den Grenzen der literarischen imitatio und ihrer Artikulationsmöglichkeiten aufgeworfen zu haben. Dabei wurde das Verhältnis zwischen klassischer Beredsamkeit als universalgültige Idealsprache und der jeweiligen Fachsprachen der scholastisch geprägten Disziplinen zu bestimmen versucht, aus der konsequenterweise nicht allein die Rangfolge der jeweiligen Fächer, sondern insbesondere auch ihre gesellschaftliche Funktionen zur Disposition gestellt werden mussten. Salutati scheint die Problematik eines noch implizit vorgetragenen Hegemonialanspruches der humanistisch orientierten Gelehrten für die traditionelle Ge-
Exemplarisch Valla 1978, Antidotum primum 1, 179, S. 124: Qualis tu es qui dicis ‘vestigium’ pro ‘indicium’, cum ‘vestigium’ sit tantum rei geste signum, ex illo sumptum quod ex pedis impressione relinquitur. Siehe auch dazu Marsico 2017, S. 395 f. Der Konflikt fand in den letzten Lebensjahren Salutatis zwischen 1405 und 1406 statt. Vgl. Salutati 1905, Epistolario 4, Ep. 14, 19, S. 126–145 und Ep. 14, 22, S. 158–170. Dazu Trinkaus 1987, S. 16 ff. Vgl. Witt 2000, S. 399 f. Ausführlich Seigel 1968b, S. 63–98, speziell zu Poggio S. 89 ff. und Witt 2000, S. 398–403. Zum Verhältnis zwischen Salutati und Bracciolini vgl. jüngst Baldassarri 2020.
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lehrtenwelt erkannt zu haben. Als Lösung schlug er eine Umgewichtung der beiden intellektuellen Leitkategorien eloquentia und sapientia zu Gunsten der letzteren vor, eine Strategie, die sich auch Bracciolini in der Auseinandersetzung mit Valla zunutze machen sollte. Auch in Leonardo Brunis um 1406 veröffentlichten Dialogi ad Petrum Paulum Histrum wird die kulturelle Funktion des Humanismus im Verhältnis zu etablierten Gelehrsamkeitsverständnissen einschließlich ihrer Lehrsysteme mit Blick auf die Errungenschaften der tre corone Dante, Petrarca und Giovanni Boccaccio (1313–1375) diskutiert. Bruni nahm jedoch als Sprecher in seinem Dialog eine „moderate Position“ ein, wie Giuliano Mori überzeugend herausgearbeitet hat. Diese Position erlaubte zwar eine Inkorporierung mittelalterlich-traditioneller Züge in den Humanismus, aber postulierte nichtsdestoweniger im linguistischen Bereich die Superiorität der Altvorderen316. Tendenziell deutet die Forschung diese Auseinandersetzungen nach wie vor aus der Perspektive der frühneuzeitlichen querelle des Anciens et de Modernes, womit zumindest die humanistische Grundsatzdebatte über die Potentiale und Limitationen der imitatio und ihrem Verhältnis zur aemulatio richtig erfasst wird317. Allerdings wird die Reduktion auf das Verhältnis zwischen Antike und Moderne weder dem Streit zwischen Poggio und Salutati, noch Poggios Disput mit Valla gerecht. In diesen drei Debatten versuchten alle beteiligten Akteure den Humanismus als eigene Gelehrsamkeitsform innerhalb eines ausdifferenzierten literarischen Feldes zu lokalisieren und sein Verhältnis zu den führenden scholastischen Disziplinen zu bestimmen. Dies erforderte eine Auseinandersetzung mit den etablierten Autoritäten, denen der eigene Autorenkatalog entgegengestellt wurde. Darüber hinaus kollidierten die gegensätzlichen Methoden von Scholastik und Humanismus, die auf Dialektik und Logik respektive Rhetorik setzten. Allen voran Humanisten des römisch-florentinischen Gelehrtenkreises intendierten das Verhältnis zu den scholastisch vereinnahmten Schriften des Aristoteles zu aktualisieren 318. Auch in dieser Hinsicht erweist sich die auctoritas als konstitutive Hauptkategorie, die Fragen über den zugrunde gelegten Kanon, über die Auslegungspraktiken und über den grundsätzlichen Anwendungsbereich ihrer jeweils imitierten Lehren auf-
Bruni 1994, Dialogi ad Petrum Paulum Histrum, ed. Baldassari. Vgl. Mori 2020a, zusammenfassend S. 342: „The moderate and inclusivist conception of culture emblematized by Basil and advised by Bruni can be regarded, I believe, as Bruni’s most important legacy for the history of humanism. Throughout the fifteenth century, a moderate ideal of humanism comparable to Bruni’s coexisted with an extremist one that closely resembled Niccoli’s.“ Zu den Dialogen Brunis außerdem Seigel 1968b, S. 109–115; Witt 2000, S. 292–337, zu Salutatis letzten Lebensjahren und seiner veränderten Sichtweise auf das Verhältnis von Humanismus und Christentum ders., S. 334–337; Fubini 2001, S. 75– 103 und hauptsächlich aus politischer Sicht Field 2017, S. 127–186. Zur Auseinandersetzung mit der Scholastik, allen voran mit Aristoteles S. 159 ff. Vgl. auch Baron 1966, S. 225–244; Trinkaus 1970, 1, S. 51– 102. Siehe vor allem Trinkaus 1987. Außerdem grundsätzlich zur querelle in der Renaissance Buck 1981c. Siehe Ebbersmeyer 2003, die einen Funktionswechsel der auctoritas in der Ethik identifiziert.
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warf319. Als Gegenentwurf zur theoretisch gezeichneten Scholastik als unscharfe Sammelbezeichnung für die akademischen Fächer beabsichtigten humanistisch orientierte Gelehrte eine praktische Ethik bzw. eine universelle Anthropologie zu formulieren, um Einfluss auf ihre soziokulturelle Umgebung ausüben zu können 320. Bracciolini und Valla stritten um den konkreten Ansatz, ihre Gegenwartsgestaltung in praxi mithilfe der imitatio zu realisieren. Ausdrücklich meldete Valla den Anspruch an, die humanistische Bewegung als solche zu normieren und ihr über die Wiederherstellung der klassischen Sprache einen Gründungsmoment zu stiften. Bracciolini hingegen befürwortete, wie Bruni zuvor, eine Koexistenz zwischen Exponenten der studia humanitatis und Vertretern der traditionellen Gelehrtenkulturen, die unterschiedliche Bereiche und gesellschaftliche Funktionen abdecken sollten. Als Schriftsteller, der hauptsächlich in Brief- und Dialogform (zeit-)geschichtliche Themen reflektierte und hier eine sozio-literarische Nachahmung Ciceros betrieb, nahm sich Poggio jedoch ebenso das Recht heraus, die akademischen Fächer für jegliche Verfehlungen zu rügen oder sich zu ihren jeweils behandelten Themen zu äußern. Dies erfolgte jedoch aus einer Außenperspektive: Er mischte sich ostentativ nicht in dogmatische Diskurse ein, sondern diskutierte stattdessen ihre soziokulturellen Implikationen für die Gegenwart, was nichtsdestoweniger eine gewisse hegemoniale Selbstwahrnehmung voraussetzte. Er thematisierte hauptsächlich Korruption, Amtsmissbrauch und sittenwidriges Verhalten in historischen und kontemporären Herrschaftssystemen. Dabei psychologisierte er das Verhalten einzelner Akteure und beabsichtigte daraus ex negativo eine praxisorientierte, stoisch gefärbte Ethik herzuleiten, die in einer kontingenten Welt unter dem Einfluss von fatum bzw. von Fortuna dem Leser gewisse Handlungsmöglichkeiten eröffnen sollte321. Wie exemplarisch an seinen Facetiae aufgezeigt, handelte es sich bei seinen moralphilosophischen Überlegungen nicht um konkrete Tugendkataloge oder um einen Formulierungsversuch einer einheitlichen Lehre, wie Riccardo Fubini unterstreicht, sondern um situativ bedingte Analysen spezifischer Fälle, die Verfehlungen und Laster aufdecken, aber der Leserschaft das letzte Urteil überlassen sollten. Diese rhetorisch geprägte Herangehensweise an die Ethik wurde in seinen dezidiert
Vgl. im Hinblick auf den römisch-florentinischen Gelehrtenkreis bes. Field 2017, S. 75–126. Vgl. überblickend u. a. Buck 1979, Lines 2001, ders. 2007, 2013a und 2013, in Bezug auf die scholastische Auffassung von Ethik 2007; überblickend auch Lines/Kraye 2013; Hankins 2007 und Ebbersmeyer 2010 mit Diskussionen der Humanisten Petrarca, Salutati, Bruni, Poggio, Valla und Leon Battista Alberti; überblickend Leinkauf 2017, 1, S. 605–628 mit nachfolgenden Spezialkapiteln. Dazu Kajanto 1988, bes. S. 69 ff. Poggio nutzte die Begriffe fatum und Fortuna in der Regel synonym in seinen Schriften und ignorierte dabei die christlich-theologischen Implikationen wie auch die Frage nach der Willensfreiheit. Zu seiner Ableitung moralischen Verhaltens ex negativo siehe auch Fubini 2003, S. 99: „In fact, Poggio’s entire literary production is infused with negative ethics – precisely ad refellendum – in the twofold sense of denouncing the most corrupting vices while also revealing the deceptive appearances of virtue.“ Zum poggianischen Weltbild auch Trinkaus 1970, 1, S. 258– 270.
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moralphilosophischen Schriften durch die offene Dialogform verstärkt322. Bracciolini zeichnete sich zudem durch eine polemische Institutionskritik aus, die er allen voran in seinen Facetiae äußerte. Während seine Verurteilungen von Simonie sich im traditionellmittelalterlichen Rahmen bewegen, finden sich auch deutliche Worte gegen (kirchen-)politische Entscheidungsträger, unter anderem ausdrückliche Herabsetzungsversuche seines eigenen Dienstherren Papst Eugens IV., den er beispielsweise in einer facetia als unfähig und ungelehrt darstellte323. Autoritätskritik sowohl gegen institutionelle als auch dogmatische bzw. linguistische Instanzen war den Humanisten prinzipiell nicht fremd, wie vor allem Petrarcas Invektiven gegen Repräsentanten der scholastischen Fächer, aber auch das Wirken Francesco Filelfos (1398–1481) oder die Dialogi in Lactantium des Rhetoriklehrers und Franziskaners Antonio da Rho bezeugen324. Tatsächlich muss die reprehensio von Autorität als Fortsetzung des scholastischen Spannungsverhältnisses zwischen ratio und auctoritas gefasst und als integraler Bestandteil der humanistischen imitatio betrachtet werden. Anders als die Forschung bislang behauptet, missbilligte auch Poggio nicht grundsätzlich die Äußerung von Autoritätskritik, wenn auch seine orationes gegen Valla zunächst eine gegensätzliche Haltung suggerieren mögen. Er selbst zögerte in seinen Schriften nicht, antike Autoren inhaltlich zu widerlegen oder gar zu tadeln325. Exemplarisch sei hier auf seinen Einwand gegenüber der aristotelischen Bestimmung von Adel (nobilitas) hingewiesen, die er seinem Freund Niccolò Niccoli in seinem um 1440 vollendeten Dialog De vera nobilitate in den Mund legt. Der Ausspruch Niccolòs, dass er dem Stagiriten seiner Autorität zum Trotz widersprechen werde, um sich der Wahrheit annähern zu können, erinnert stark an Vallas Originalitätsprinzip326. Auch hinsichtlich polemischer Ausdrucksweisen stand er seinem Gegenspieler in nichts nach, wie die persona Niccolò bezeugt, die auf vermeintliche Absurditäten in der aristoteli-
Vgl. Fubini 2003, S. 89. Vgl. zu der Offenheit von Poggios Darstellungsweise auch Kajanto 1988, S. 72, der diese literarische Technik anhand der historiographischen Schriften einzuorden sucht. Exemplarisch Bracciolini 1983, Facezie 27, S. 144: De amico qui aegre ferebat multos sibi praeferri doctrina et probitate inferiores. In Curia Romana ut plurimum Fortuna dominatur, cum perraro locus sit vel ingenio, vel virtuti; sed ambitione et opportunitate parantur omnia, ut de nummis sileam, qui ubique terrarum imperare videntur. Amicus quidam, qui aegre ferebat praeferri sibi multos doctrina et probitate inferiores, querebatur apud Angelottum Cardinalem Sancti Marci [gemeint ist Angelotto Fosco (1378–1444), der unter Papst Eugen IV. zum Kardinal ernannt wurde], nullam haberi suae virtutis rationem, seque postponi his, qui nulla in re sibi pares essent. Sua insuper studia commemoravit, et in discendo labores. Tum promptus ad lacessendum Curiae vitia Cardinalis, «Hic scientia et doctrina» inquit «nihil prosunt. Sed perge et aliquod tempus ad dediscendum et addiscendum vitia vaca, si vis Pontifici acceptus esse.» Zu Filelfo bes. den ausführlichen Aufsatz von Blanchard 2007, zu Antonio da Rho und sein Verhältnis zu Laktanz siehe die Dissertation von Rutherford 1988. Siehe u. a. Camporeale 2001, S. 30, Rao 2007, S. 91 f. und Helmrath 2011, S. 267. Bracciolini 2002, De vera nobilitate 46, S. 21–22: «Fateor» Nicolaus inquit «istum principem appellari philosophorum, sed in me nulla cuiusvis impediet auctoritas quin, quod michi simile vero videatur, et loquar et sentiam». Zum Dialog Trinkaus 1940, S. 87 ff.; ausführlich Oppel 1972, S. 78–133. Siehe auch Leinkauf 2017, 1, S. 859–867.
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schen Adelsdefinition hinweist und die genealogische Weitergabe von nobilitas in Form eines immateriellen Gutes als unsinnig verwirft327. Wenngleich Poggio die Autoritätskritik innerhalb des Dialoges über einen anderen Sprecher äußerte, blieb er nichtsdestoweniger der Urheber dieser Aussagen bzw. derjenige, der sie schriftlich festhielt. Auffällig ist jedoch der Rahmen, in dem die Adelsdefinition zur Disposition gestellt wurde. Hier handelt es sich um eine kritische Auseinandersetzung mit der Nikomachischen Ethik, die folglich in den moralphilosophischen Kernbereich der studia humanitatis fällt; die übrigen aristotelischen, für die Scholastik essentiellen Schriften bzw. der dort vorgelegten Methoden und Lehrgebäude attackierte er hingegen nicht. Auch verzichtete er auf philologische Korrekturen antiker Wissensträger und beanspruchte nicht, anders als sein Gegenspieler, nomothetische Schriften in Hinblick auf das lateinische Ausdrucksvermögen zu veröffentlichen und die in ihr verbalisierten Diskurse nach eigenen Vorstellungen zu normieren. Die Deutungshoheit durfte ihm zufolge allein auf der inhaltlichen und nicht auf der linguistischen Ebene ausgehandelt werden. Autoritätskritik als solche war seiner Ansicht nach im Bereich der Ethik, der politischen Philosophie wie auch der Geschichtsschreibung explizit gestattet, wie er mitunter in seiner Laudatio urbis für die Republik Venedig im Jahr 1459 verdeutlichte. Er forderte in dieser Schrift eine explizite aemulatio im Hinblick auf die politische Verfassung von (Stadt-)Staaten ein. Seine Lobrede setzte nicht nur ein positives Gegenwartsverständnis voraus, sondern markiert auch eine Emanzipation von einem idealisierten und hierdurch entrückten Altertum, das zwar als Vorbild studiert werden sollte, aber nichtsdestoweniger auch (politisch wie gesellschaftlich) übertroffen werden konnte328. Ähnlich äußerte er sich bereits 1433 in einem Brief an seinen Freund Niccolò Niccoli, in dem er
Bracciolini 2002, De vera nobilitate 49, S. 22: [Nicolaus inquit] «Dicit [scil. Aristoteles] affere nobilitatem virtutes cum divitiis coniunctas. Ergo virtus absque bonorum fortuitorum copia nobilitate carebit, quod nullus vel mediocriter doctus concedat, Aristotelis nomine et auctoritate remota.» Ebd., 51, S. 23: «Sed sit nobilis secundum Aristotelem, qui ex parentibus virtuosis oriatur ac divitibus, ipse quoque paternam virtutem et opes consecutus. Attende que ex Aristotelis definitione absurditas subsequatur. Nam cum divitie sint bona fortuita, que dari et auferri queunt, erit in fortune arbitrio sita nobilitas, quoniam abeuntibus copiis et illa ex parte simul cum divitiis abibitur, rursus illis redeuntibus reintegrabitur.» Bracciolini 1966a, In laudem Reipublicae Venetorum, hier S. 925: Singularem rei publicae Venetorum in omni virtutum genere praestantiam quibus possem laudibus prosequi cupientem [...]. Nunc vero maiori fretus ocio, et simul animo versans fortes a fortuna adiuvari solitos, quod antea mente conceperam explicare litteris decrevi, ut et tam praeclara civitas meritis a nobis laudibus celebretur, et reliquae ad imitandas tam bene moratae rei publicae institutiones ex illarum memoria et laude incitentur. So zeichnet er Venedig als eine ideale Republik, die alle vorherigen Gemeinwesen, darunter Athen und Rom (!), sowohl in konstitutioneller als auch in moralischer Hinsicht übertreffe. Platon und Aristoteles fungieren als wichtige Bezugsinstanzen, repräsentieren aber aus Poggios Sicht eine historisch abgeschlossene Epoche. Wenngleich es sich hierbei um eine politische Rede handelt, die sich wohl auch aufgrund von Verstimmungen zwischen Poggio und der florentinischen Elite allen voran gegen die Stadt am Arno richtete, muss Bracciolinis Argumentation ernstgenommen werden, da er sowohl auf die imitatio als auch aemulatio als Grundprinzipien zurückgreift und so den politischen Diskurs nach den humanistischen Parametern ausrichtete. Diese intellektuelle Emanzipation manifestiert sich zu
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die Kaiserkrönung des römisch-deutschen Königs Sigismund (1368–1437) beschrieb. Wie schon Bruni zuvor trat er für eine gemäßigte Haltung gegenüber mittelalterliche Traditionen und Gelehrtenkulturen ein und verkörperte entsprechend einen moderaten Klassizismus329. Als Denkfigur gab die imitatio beiden Agonisten die Möglichkeit, ihren Gestaltungsansprüchen eine orthodoxe, d. h. gemeinhin anerkannte sprachliche Chiffre zu geben. Das Altertum sollte nicht allein sprachlich, sondern auch ideell nachgeahmt werden. Während Bracciolini sich auf eine moralphilosophische Kritik an Verwerfungen in Geschichte und Gegenwart konzentrierte, um seine Realität sprachlich zu erschließen und nach praxisorientierten Lösungen zu suchen, identifizierte Valla im akademischen Bereich den Ausgangspunkt gegenwärtiger Fehlentwicklungen. Als Antwort formulierte er seine elegantia-Lehre und hoffte, durch die Rekonfiguration der lateinischen Semiotik das ursprüngliche Bedeutungsspektrum des Altertums rekonstruieren zu können, was auch eine klassisch-orientierte Moral berücksichtigte. Auch ihre Ansätze zur literarisch betriebenen Gegenwartsgestaltung reflektieren ihre divergenten Sprachverständnisse und Weltbilder, die, und beide Begriffe sind in diesem Zusammenhang wertfrei zu verstehen, bei Bracciolini progressiv, bei Valla restaurativ ausgerichtet waren. Valla glaubte, dass durch eine Rückkehr zur klassischen Latinität, in der auch die als zivilisatorische Errungenschaften gezeichneten Gesetze, Sitten, Bräuche und politische Macht gespeichert seien, eine positive Umgestaltung ihrer Gegenwart ermöglicht werden könne. Bracciolinis Weltbild dagegen war deutlich negativer ausgerichtet, was jedoch nicht bedeutete, dass nicht eine grundsätzliche (moralische) Erneuerung eingeleitet werden könne. Die durchaus stoisch gefärbte Konzentration auf den Handlungsspielraum des Einzelnen, der auch auf Stadtstaaten ausgeweitet werden konnte, vermochte aus seiner Sicht Einfluss auf eine grundsätzlich von Verwerfungen und Lastern geprägte Welt zu nehmen. Beide Grundeinstellungen wurden innerhalb des Streits allein impliziert; im Laufe des ausgehenden 15. Jahrhunderts wurden beide Positionen jedoch in mehreren Auseinandersetzungen zur Disposition gestellt. Auch in dieser Hinsicht antizipierte die Bracciolini-Valla-Kontroverse essentielle Themenbereiche des Humanismus, ohne diese selbst ausführlicher zu behandeln330.
Beginn des 16. Jahrhunderts u. a. in den Schriften von Angelo Poliziano und Marcello Virgilio (1464– 1521), vgl. bes. Godman 1998, S. 199 ff. und auch Komorowski 2012. Bracciolini 1984, Lettere 1, Ep. 44, S. 119–125, hier S. 119: Quanquam sciam, mi Nicolae, non admodum probari tibi hec nostri temporis facta, referenti, ut opinor, animum ad illa priscorum virorum gesta, magnifica quidem atque omni laude digna, tamen recentiora etiam minime tibi arbitror contemnenda, ea presertim, que perraro et cum aliqua extimatione nominis ac rerum dignitate fieri solent. Scio quippe permaxi iudicanda illa, que legimus, que admirari citius quam imitari nostri homines possunt. Sed tamen nonnihil ad eorum dignitatem atque amplitudinem scriptorum ingenia contulere, qui etiam parva quedam ita luculenter describunt, ut habeantur pro maximis. Trinkaus 1970, 1, S. 171–458 mit einer Auswahl an Debatten, siehe auch zusammenfassend Trinkaus 1987, bes. S. 20 f.
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2.3.2 Semantische Aktualisierung der Jurisprudenz Der Jurisprudenz kommt innerhalb des Konfliktes eine Sonderstellung zu, die sich unmittelbar aus der von beiden Humanisten betriebenen Rednerinszenierung ergab331. Diese brachte das historisch bedingte Spannungsverhältnis des professionellen und im antiken Staatswesen für Rechtsprozesse etablierten orator und des Humanisten als selbsternannten, zwangsläufig anachronistischen und institutionell ungebundenen orator zum Vorschein. Dabei wurde die Beziehung zwischen humanistischer Gelehrsamkeit und der Rechtswissenschaft, aber auch die Frage nach dem eigenen sozialen Stand und dem Aufgabenfeld des kontemporären Redners thematisiert. Vordergründig verurteilte Bracciolini Vallas Eingriffe in die jeweiligen Wissensträger. Er prangerte die semantischen Modifikationen und die einhergehende Autoritätskritik an und sprach ihm aufgrund seiner fehlenden juristischen Ausbildung jegliche Legitimation für sein Handeln ab. Die Liste der mutmaßlich geschmähten Rechtsgelehrten beinhaltet Sextus Pomponius (2. Jh.), Gaius (2. Jh.), Ulpianus (ca. 170–228), Julius Paulus (3. Jh.) und ebenso die zeitgenössischen Juristen. Zu diesen gehören der für die italienische Jurisprudenz höchst bedeutende Accursius (ca. 1182–1263) sowie die einflussreichen Juristen Bartholo de Sassoferrato (1313–1357) und Baldus de Ubaldis (1327–1400). Ausgehend von Accursius, der das spätantike Corpus iuris civilis umfassend kommentierte und gleichsam als wissensgenealogischer Erblasser die nachfolgenden italienischen Rechtsgelehrten prägte, zeichnet Poggio eine Traditionslinie von der Antike bis ins 15. Jahrhundert, die Valla vollständig ablehne und sich stattdessen an die Spitze der gesamten Jurisprudenz setze332. Die gegenwärtig in Gebrauch befindlichen Fachbegriffe der
Umfassend zur Jurisprudenz mit Blick auf den humanistischen Einfluss Grendler 2002, S. 430– 476, ferner überblickend Schoeck 1988. Zum Juristen als Gelehrter und als Teil der geistlichen wie weltlichen Funktionselite vgl. Wetzstein 2010. Zu Vallas Auseinandersetzung siehe bes. den ausführlichen Aufsatz von Rossi 2008. Zur antiken Verschränkung von Rhetorik und Jurisprudenz siehe auch Grafton/Jardine 1982, S. 55–61. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 200: Idem iurisconsultos omnes et legum scriptores eodem loco habet quo et reliquos. Pomponium, Caium, Vlpianum, Paulum, ex nouis Acursium, Bartholum, Baldum in uerborum significatione reprehendit. [...] seque [scil. Valla] illis in cognitione iuris ciuilis anteponit. Vgl. Mackenzie 2019, S. 1188 f. Die Invektive richtete er gegen Bartolo de Sassoferrato und speziell gegen sein Traktat De insigniis et armis. Zur Edition des Traktats, einschließlich einer Analyse und weiterführenden Texten siehe Cavallar/Degenring/Kirshner 1994. Zum Einfluss auf gesamteuropäischer Ebene vgl. Velasco 1996. Zur Leserschaft und Rezeption der Schriften Bartolos Quaglioni 1992. Zur hier angeschnittenen Frage nach der Semantik im Humanismus vgl. bes. Waswo 1987, S. 48–82, hinsichtlich Valla S. 88–112 und allgemein innerhalb der Rechtswissenschaften vgl. die Studie von Maclean 1992. Siehe außerdem Krantz 1987, S. 145 f., Anmerkung 114. In seiner Invektive gegen Facio (Valla 1981, Antidotum in Facium 4, 13, 24, S. 392) behauptet Valla jedoch, den Brief an Catone Sacco geschickt zu haben, was die Adressierung an Decembrio jedoch nicht ausschließt, da der Römer in der Invektive seine Stellungsnahme zu seinen antijuristischen Äußerungen argumentativ zu untermauern versucht und den pavesischen Juristen, der eine positive Beurteilung abgegeben habe, gleichsam als „Zeugen“ heranzieht. Zu diesem Punkt auch Regoliosi 1997, S. 1502 f., Anmerkung 3. Zu Accursius und
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Jurisprudenz seien Valla zufolge schlichtweg falsch erfasst worden, was von der Inkompetenz der modernen Rechtsgelehrten zeuge333. Die humanistische Beschäftigung mit der Jurisprudenz stellte indes keine Neuheit dar, wenngleich Valla de facto eine neue Stufe der Auseinandersetzung initiierte. Bracciolini selbst wie auch Leonardo Bruni befassten sich in verschiedenen Schriften mit den Rechtswissenschaften und folgten dabei den Spuren ihres Mentors Coluccio Salutatis334. In seiner Schrift De nobilitate legum et medicinae von 1399, in der Salutati beide Disziplinen anhand ihrer Wissenschaftlichkeit verglich, urteilte er zugunsten der Jurisprudenz gegenüber der scholastischen Medizin und lieferte in vielerlei Hinsicht die Grundlage für die von späteren Generationen ausformulierte Kritik an der Scholastik als wissenschaftliches Paradigma335. Wie oben dargestellt, beschäftigten sich die lombardischen Humanisten, prominent Maffeo Vegio wie auch Catone Sacco, umfänglich mit dem Corpus iuris civilis und nutzten dieses als linguistische wie kulturelle Quelle336. Anders als Valla, der auf eine Substitution bzw. Aktualisierung bislang gebräuchlicher Begriffe bestand und parallel eine neue empirisch-historische Methodik zur Quellenerschließung vorbrachte, beurteilten seine Vorgänger allein die Rechtspraxis aus historisch-moralphilosophischer Perspektive ohne Modifikationsabsichten. Bracciolini,
seine Bedeutung für die Jurisprudenz vgl. u. a. Kisch 1969, Kap. I, S. 17–97. Accursius kommentierte das gesamte Corpus, wodurch ihm autoritative Geltung sowohl im Unterricht als auch in der Rechtspraxis zugesprochen wurde. So würden Valla zufolge die iurisconsulti nicht den semantischen (und für juristische Belange relevanten) Unterschied zwischen munus und donum kennen. Selbst Kaiser Justinian, so akzentuiert Poggio, der das Corpus iuris civilis hat zusammenstellen lassen, sei nach Vallas Worten der lateinischen Sprache nicht mächtig gewesen, da er, ebenso wie die Juristen, testamentum nach etymologischer Lesart als testatio mentis interpretiert und die gewichtige Differenz zwischen den Begriffen nicht erkannt haben soll. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 200: Nescisse ait eos, tum alia permulta, tum quod munus differat a dono. Dazu Valla 1999, De linguae latinae elegantia 6, 39, S. 750 f. Vgl. auch MARSH 1984, S. 101. Weiterführend ROSSI 2008, S. 528–537. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 201: Iustinianum dicit et reliquos male sensisse, cum ʻtestamentumʼ scripserint esse quasi ʻmentis testationemʼ. Siehe auch Valla 1999, De linguae latinae elegantia 6, 36, S. 748, wo er die Praxis der spätantiken und im Mittelalter fortgeführten etymologischen Erschließung kritisiert und diese am Beispiel oratio ad absurdum führt. Kaiser Justinian erwähnt Valla in diesem Kapitel jedoch nicht ausdrücklich, wie Poggio behauptet. Nichtsdestoweniger war die Definition für die Rechtswissenschaften entscheidend und findet sich ebenso im Corpus iuris civilis. Valla kritisiert Justinian jedoch explizit in seiner Invektive gegen Bartolo de Sassoferrato. Vgl. Valla 1997, Epistola contra Bartolum 1, 7–8, S. 1533 f.: Dii itaque tibi male faciant, Iustiniane iniustissime, qui potentia Romani imperii in Romanorum perniciem bonorumque et clarorum civium abusus es! Nam quid te vel iniustius si, per invidiam, ornatissimos illos iurisconsultos abolendos curasti, cupiens ut Constantinopolim, quo nostri imperii domicilium commigraverat, ne librorum quidem copia et scriptorum auctoritate vinceremus, vel imprudentius, si posteriora secula a commentariis temperatura speravisti? Vgl. Zu Leonardo Bruni vgl. das Kapitel bei Krantz 1971, S. 99–205. Siehe auch Walser 1914, S. 248– 258. Ein guter Überblick zum Vergleich von Medizin und Rechtswissenschaften nach wie vor Thorndike 1929, S. 24–58. Vgl. die beiden Einführungen von Keßler 1990, S. VII–XXV und Grassi 1990, S. XXVI–XXXVII. Zu Maffeo Vegio bes. Speroni 1976.
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Bruni, Salutati und die anderen Humanisten erkannten die Jurisprudenz als eigenständige Disziplin an, wenngleich sie mitunter stilistische oder methodisch-inhaltliche Kritik an ihr äußerten337. Für seine rechtswissenschaftlichen Kommentare und semantischen Aktualisierungen autorisiert sich Valla im dritten Vorwort der Elegantiae mithilfe eines expliziten Vergleiches mit Cicero338. Dieser behauptet in seiner Rede Pro Murena spöttisch gegenüber der römischen Rechtspraxis dass er, falls provoziert, sich selbstständig in nur drei Jahren (triennium) zu einem Rechtsgelehrten ausbilden könne, was Valla, geschickt auf seine Gegenwart übertragen, auch für sich beansprucht. Darüber hinaus rühmt er sich, „nützlichere“ Glossen als die Autorität Accursius anfertigen zu können, was einer eindeutigen Herabsetzung der gesamten mittelalterlichen Rechtstradition gleichkommt339. In der dritten praefatio verdeutlicht Valla, dass die imitatio und das Leitprinzip des antiken usus sich nicht allein auf die lateinische Sprache beschränkt, sondern ebenso auf die berufliche Tätigkeit Ciceros auszuweiten ist. Poggios Reaktion auf die vallianische Polemik fällt entsprechend aus: „Dieses Merkmal der Dummheit ist keine Kleinigkeit, wenn er wagt, sich dasselbe zu erlauben, was Tullius sich zugestanden hat“, bemerkt er mit stilisierter Empörung und verteidigt im Anschluss die kontemporäre Jurisprudenz, die mit den sozialen Kategorien der höchsten Ehre (summus honor), der Dignität (summa dignitas) ausgestattet sei und darüber hinaus finanzielle Verdienstmöglichkeiten (summa quaerendae pecuniae facultas) ermögliche, während Valla hingegen nach den exakten Gegensätzen strebe und vielmehr unter Knaben verkehre als sich mit würdevolleren Dingen unter Erwachsenen zu beschäftigen oder gar als Jurist selbst tätig zu werden. Bei dieser Aussage handelt es sich nicht nur um eine verdeckte Anspielung auf Vallas fehlendes Universitätsstudium, sondern auch auf seine deutlich weniger prestigeträchtige Lehrstelle am römischen studium340. In seinen Invektiven präsen-
Siehe beispielsweise die Schelte Petrarcas gegen die Jurisprudenz in seinen Epistulae familiares, Petrarca 1933, Epistulae familiares 20, 4. Zu Petrarcas Auffassung der Jurisprudenz bes. Lupinetti 1995 und Manzin 1995, bes. S. 151–230. Zum dritten Vorwort vgl. auch Marsh 1984, S. 94 f., Rossi 2008, S. 522–528 und Celenza 2018, S. 188–190; zum Verhältnis von Jurisprudenz und Rhetorik aus der Sicht Vallas siehe auch Dreischmeier 2017, S. 265–266. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 3, Praef., S. 292: Quod si Cicero ait, sibi homine vehementer occupato, si stomachum moveant, triduo se Iurisconsultum fore [Cic. Mur. 28, 13], nonne et ipse audebo dicere, si Iurisperiti, nolo dicere Iuris imperiti, stomachum mihi moveant, aut etiam sine stomacho, me glossas in Digesta triennio conscripturum, longe utiliores Acursianis? Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 200 f.: Inquit enim in prooemio libri tertii, cum multa iactantia, se omnes libros Digestorum legisse, dixisset, post multorum uerborum congeriem. «Quid si Cicero ait, sibi homini uehementer occupato stomachum mouerint, triduo se iurisconsultum fore? Et ideo et ipse audebo dicere, si iurisperiti stomachum mihi moueant, aut etiam sine stomacho me glosas in Digesta triennio conscripturum longe meliores Acursianis?» Non paruum est hoc stulticiae uestigium, cum sibi idem quod Tullio licere praesumat. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 201: Non paruum est hoc stulticiae uestigium, cum sibi idem quod Tullio licere praesumat. Sed miror tanti uiri consilium praeposterum, qui cum se Acursio in iuris
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tierte sich Bracciolini, der selbst eine juristische Notarausbildung genossen hat, als eindeutiger Verfechter der modernen Rechtswissenschaften, denen er eine hohe gesellschaftliche Stellung beimaß und entsprechend in ihrer Herabwürdigung einen Angriff auf das soziale Gefüge zu erkennen glaubte341. Nichtsdestoweniger charakterisierte Bracciolini die Juristen nicht mit Attributen der Gelehrsamkeit, des Wissens oder der Weisheit, die er allein den humanistisch orientierten Gelehrten vorenthielt. In diesem Tadel geht es einzig um ihren gesellschaftliche Status, den er durch die terminologischen Modifikationen der Elegantiae als gefährdet erachtete. Aus seiner eigenen Stellung als apostolischer Sekretär heraus, der zur (kirchen-)politischen Funktionselite gehörte, scheint er sich eine gewisse Verpflichtung zugeschrieben zu haben, den Juristenstand als solchen zu verteidigen. Sein Gegner stellte demzufolge traditionelle soziale Status und das hierarchische Gefüge der Gelehrtenwelt zur Disposition. Zugleich wies sich Valla selbst juristische Kompetenzen zu und beanspruchte die damit einhergehende Autorität, ohne jedoch institutionell als Jurist approbiert worden zu sein. Dieser Umstand markiert aus Poggios Perspektive ein eindeutiges Überschreiten der Tätigkeitsfelder, aber auch eine Missachtung der akademischen Abläufe als solche. Er wollte eine klare Trennung zwischen der Jurisprudenz als altehrwürdige und gesellschaftlich fest verankerte Disziplin und den studia humanitatis gewahrt wissen, wenngleich er implizit die letzteren als moralisch überlegen erachtete. Valla ging in seiner Replik in die Offensive über und merkte an, dass sein Gegenspieler selbst ein zwiespältiges Verhältnis zum Rechtswesen unterhalte und sich auch mehrfach negativ über die akademische Disziplin geäußert habe. Hierfür weiß er auf den zweiten Dialog von Bracciolinis Historia disceptativa zu verweisen, in dem Poggio an den
ciuilis peritia anteponat, cur non potius more optimi iurisconsulti, exercitio quod est praeclarissimum, quam ludi puerilis studio uacet. Ibi enim summus honor, summa dignitas, summa quaerendae pecuniae facultas, hic inter pueros summa indignitas, uilis exercitatio, leuis doctrina, lucri parum. [...] Sed credo illum iuris facultatem spernere, ut suo ingenio, suae doctrinae, suae sapientiae impares et malle inter pueros quam inter uiros uersari. Der Vorwurf, dass Valla alleine mit ungebildeten Knaben und nicht mit gebildeten Männern diskutiere, sollte Poggio in den nachfolgenden orationes als ein sukzessives Motiv applizieren, das er mit dem Vorwurf der Päderastie und expliziter Gewaltanwendung noch steigerte. Vgl. dazu unten, Kap. 3.3.2. und 3.3.3. Die Dokumentation von Vallas vermeintlicher Ablehnung der Rechtswissenschaften wiederholt Poggio in seiner vierten oratio, in der er Valla mit einer nicht näher definierten cohors iurisconsultorum konfrontieren lässt, die sich einen dialogischen Schlagabtausch im Elysium liefern, Bracciolini 1966b, Invectiva quarta, S. 879: Accurit interim iurisconsultorum cohors, quos ille mordendo culparat. «Quid – inquiunt – nobis obiicisti, qui triennium te plusquam iurisconsultum futurum esse testaris et tam praeclara te iactas commenta editurum?» «Non recte vos sensisse dico, tum in multis, tum in verborum – ait [scil. Valla] – significatione aberrare a vero, cum dicitis ʻtestamentumʼ esse ʻmentis testationemʼ, et nescire vos ad hanc diem quid sit inter ʻmunusʼ et ʻdomumʼ, et plura a vobis dici quae comprehenduntur omnia in Elegantiis meis, in quibus fons est totius linguae latinae». Vgl. ausführlich Krantz 1971, S. 206–304 und zusammenfassend und mit neueren Erkenntnissen Krantz 1987, der sich ausführlich mit Poggios Rechtsverständnis und seinen eigenen Rechtsstudien auseinandersetzt.
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von Salutati vollzogenen Vergleich zwischen der Medizin und Jurisprudenz anknüpft. Er konzentrierte sich jedoch primär auf die Rechtswissenschaften, die er einer moralischhistorischen Überprüfung unterzog342. Poggio selbst greift jedoch nicht in die normativen leges oder die Auslegetechniken der Juristen ein, sondern beurteilt allein als Außenstehender in der Rolle des Historikers und des Moralisten die Rechtstradition als solche. Nichtsdestoweniger kommt er zu einem für die Jurisprudenz ungünstigen Ergebnis: Aus einer Vielzahl an historischen Fallbeispielen, so mitunter aus der römischen Geschichte, zieht er den Schluss, dass die Rechtswissenschaften keine Gerechtigkeit (iustitia) erzeugen können, sondern dass sie vielmehr als stabilisierende Instanz jegliche Herrschaftssysteme von Innen absichern würden. Rechtsverordnungen müssen aufgrund der realen politischen Verhältnisse zwangsläufig der Willkür der Herrscher unterworfen sein – dieses Urteil wird von der Forschung zumeist als „proto-machiavellische“ Sichtweise klassifiziert343. Valla legte dieses Fazit seinem Gegenspieler zur Last. Explizit verurteilt er einen von ihm entkontextualisierten Redebeitrag des Arztes Niccolò da Foligno, der die These aufstellt, dass vielmehr die Herrschenden, d. h. die Fürsten, das kodifizierte Recht fakultativ zu ihren Gunsten verändern und ihren Willen auch illegal mit Gewalt durchsetzen würden, was ein nominell auf Gerechtigkeit ausgerichtetes System ad absurdum führe. Für derartige Aussagen gehöre sein Gegenspieler, so empört sich Valla, mit einem Knüppel erschlagen, da er sich gegen jegliche Gesetzgebung richte, die konsensual durch einen intellektuell-zivilisatorischen Schaffensprozess zustande gekommen sei. Bracciolini zeichnet er als einen mit Phalaris, den Dionysii und Verres gleichkommenden Tyrannen und Vaterlandsverräter; er dreht gleichsam die Anklage seines Widersachers um und beschuldigt ihn der tatsächlichen Missachtung der Jurisprudenz. Das hier gezeichnete Portrait Poggios ist ebenso in die imperiale Ästhetik seines „Sprachimperiums“ eingebettet und wird noch im zweiten Hauptkapitel im Kontext der affektiven vituperatio näher diskutiert344. Die vermeintliche Geringschätzung der altehrwürdigen, d. h. der klassischen Vgl. umfassend Krantz 1971, S. 272–290, Oppel 1972, S. 3–26; Krantz 1987, S. 143–151. Bracciolini 2019, Historia disceptativa tripartitia convivalis 2, 17, 1, S. 120–122: Sola plebecula et infirmiores urbis tenentur legibus vestris, quorum est de agrorum limitibus tuendis, arcenda aqua pluvia et tectorum stillicidiis et his similibus controversiis vestram operam implorare. Eius modi homines vetris iuribus sunt astricti; potentiores et civitatum principes illorum vires transgrediuntur, ut non immerito Anarcharsis leges comparaverit aranearum telis, quae imbecilliora quaeque detinent, a valentioribus franguntur. Equidem nunquam legi, nusquam vidi, nusquam audivi ullam rem publicam, ullos reges, ullos maiores principes vestris paruisse legibus neque eis datas esse, quippe qui videamus et res publicas per vim ad summum imperium pervenisse et regna non legibus, sed viribus et manu, quae sunt inimica legibus, comparata. Dazu OPPEL 1972, S. 5 ff. Bracciolini 2019, Historia disceptativa tripartitia convivalis 2, 17, 4–18,1, S. 124: Omnia enim praeclara et memoratu digna ab iniuria atque iniustitia contemptis sunt legibus profecta. Ut vero descendamus ad nostra, quid hac aetate? [...] Credo, cum Florentinus populus aut Veneti alicui bellum inferunt, advocant iuris peritos et eorum consilio indicunt bella an potius utilitate et augmento suae rei publicae ducuntur? Valla 1972, Apologus 2, S. 507 f.: Lau.: Et alia in hanc sententiam permulta. Quorum verborum scriptor fustuarium meretur atque in furcam suspendi, et illic non modo ab iis qui nominati sunt, ducibus, venetis, florentinis, sed ab omni humano genere lapidari. Hoc non Phalaris, non Dionysius, non Ver-
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Jurisprudenz, die er explizit von der modernen Auslegungspraxis abhebt, weiß er mit seinem eigenen Programm und der Rhetorik als humanistische Königsdisziplin geschickt zu verbinden345. Bracciolini verurteilt er, die historische Analogie zur Tyrannenherrschaft fortführend, als parricida facundiae, der sich letztlich als Verräter der humanistischen Gelehrsamkeit zu erkennen gebe und die Rhetorik selbst ablehne346. Valla stellt sich ausdrücklich in die Tradition sowohl der antiken als auch der kontemporären rhetores und konstruiert so eine intellektuelle Genealogie zwischen den Rhetorikern des Altertums und den humanistisch orientierten Lehrern seiner Gegenwart, welche Poggio gleichsam mit seiner Kritik treffen würde. Pointiert setzt der Autor der Elegantiae sich ein weiteres Mal mit Cicero gleich und erklärt freimütig: „Wenn du nämlich meine Tätigkeit (officium) tadelst, so tadelst du alle Rhetoriklehrer. [...] Cicero nämlich, Cicero wird von dir getadelt, wenn du mich tadelst!“ Die von ihm in diesem Zusammenhang aufgelisteten Gelehrten können der humanistischen Corona der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zugerechnet werden, die ihre Bewegung maßgeblich geprägt hat: Guarino da Verona, Gasparino Barzizza, der als Vorgänger Vallas die Rhetorikprofessur an der Universität von Pavia innehatte, Vittorino da Feltre (1378–1446), der sowohl Schüler von Guarino als auch von Gasparino war, der zu Zeiten des Konfliktes in Mailand angestellte Francesco Filelfo, der apostolische Sekretär und ehemalige Lehrer am römischen studium Georg von Trapezunt, Rinuccio Aretino da Castiglione Fiorentino sowie der florenti-
res, non alius quispiam aut tyrannus aut latro dixit, ausus ius divinum humanumque damnare, cum omnes in quocunque litterarum genere libri de iure gentium, de iure bellorum, societatum, civium, hospitumque uno ore consentiant. Vgl. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 201. Besonders im Vorwort seines Geschichtswerkes Gesta Ferdinandi regis ordnet er expressis verbis die Historiographie der Rhetorik unter und impliziert ebenso eine Hierarchie der Disziplinen. Die Philosophie, ebenso als Unterdisziplin zu fassen, stilisiert er als ein mit Abstraktionen operierendes Fach, das unter die sich mit Realien auseinandersetzende Geschichtswissenschaft einzuordnen sei. Die eloquentia als Hauptkategorie für die Jurisprudenz benennt Valla bereits in seiner Invektive gegen Bartolo de Sassoferrato, Valla 1997, Epistola contra Bartolo, 1, 4, S. 1532 f.: Ea est ineruditio in illis [scil. iurisperitis] omnium doctrinarum que sunt libero homine digne, et presertim eloquentie, cui omnes iurisconsulti diligentissime studuerunt et sine qua ipsorum libri intelligi non possunt [...]. Valla spielt mit parricida auf Cic. Phil. 2, 31 und Sall. Cat. 51, 25 an, wodurch er die poggianischen Vorwürfe gegen ihn selbst einsetzt. Valla 1978, Antidotum primum 2, 107–108, S. 150: Cui tu ut detraheres laudasti ius civile, non ut illud laudares, quod et ipsum perosus es; nam et in illo opusculo convivali sub persona medici petulantissimis, ut tuum ingenium fert, verbis lacerasti, sicut non minus medicinam sub iurisperiti persona, et in primo epistolarum libro exclamas: «O scientiam iuris civilis ignorandam et venalem! Reiicio hanc facultatem. Abi hinc ad barbaros procul!» [Bracciolini 1984, Lettere 2, Ep. 14, S. 38–44, hier S. 42], et alia multa tuo more furiosa. Cur ego nunc illud laudas, vir inconstantissime et loquens semper ad tempus? [...] Totam etatem, si tibi credimus, in arte oratoria consumpsisti et eam vituperas. Laudas Ciceronem ac reliquos oratores atque rhetoricos et tamen preceptorem rhetorice postponis aliis, Ciceronem inquam, a quo prelatos legisti oratores iuris non solum peritis, sed etiam consultis. [...] Cicero nanque abs te, Cicero, cum me vituperas, vituperatur! Siehe auch Krantz 1971, S. 206– 304, zum zweiten Dialog der Historia disceptativa tripartita convivalis bes. S. 274–290.
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nische Kanzler Carlo Marsuppini347. Mit Rekurs auf die als Rhetoriklehrer tätigen Humanisten versuchte Valla eine Brücke zwischen der Lehrpraxis des Altertums und der Gegenwart zu schlagen und ihre im akademischen Feld bislang noch im Vergleich zur Jurisprudenz weniger prestigeträchtige Disziplin aufzuwerten348. Die linguistische imitatio auctorum ergänzte er um eine soziale imitatio officii, weshalb Valla seinem Widersacher zudem vorhalten konnte, dass er, anders als ihre Mitstreiter, eine unvollendete Nachahmung internalisiert und folglich eine Außenseiterrolle eingenommen habe. Beide Humanisten behaupteten, die Jurisprudenz als zeitgenössische Redner zu verteidigen und schrieben sich auch explizit eine derartige Aufgabe zu. Während Poggio sich als Fürsprecher der modernen Rechtstradition inszenierte, sah Valla einen Bedarf an einer philologischen Umcodierung der Disziplin unter dem Leitprinzip der elegantia, d. h. einer ausdrücklichen Rückbesinnung auf die klassische Terminologie349. Anhand der von ihm als degeneriert gezeichneten kontemporären Jurisprudenz will Valla aufzeigen, welchen Stellenwert seine Untersuchungen, und speziell die Elegantiae, für die universitäre Praxis konkret einnehmen konnten350. Auf die herabsetzende Bemerkung Poggios, Valla verkehre lieber mit Kindern in seiner Schule als sich mit „würdevolleren“ Dingen zu beschäftigen und selbst als Anwalt aktiv zu werden, antwortet dieser mit einer umfassenden Rechtfertigung seiner Rhetoriklehre, die er mit einer Tätigkeitsbeschreibung verknüpft. Dabei überführt er die von ihm verkörperten antiken Professionen des orator und rhetor in die Gegenwart und sieht, in Analogie zu seinem linguistischen Programm, einen Bedarf an einer Aktualisierung dieser Berufsstände. Den orator zeichnet er als öffentlichen Universalgelehrten, der in der Gegenwart zwar keinen eigenen Berufsstand als solchen mehr bilde, jedoch aufgrund seiner eloquentia den idealen Rechtsexperten darstelle und daher bereits
Valla 1978, Antidotum primum 2, 107, S. 150: Sed quid de me dico et non de genere universo quod abs te reprehenditur? Cum enim meum officium vituperas, omnes rhetores vituperas: Guarinum, bone Deus, quantum virum, Gasparinumque ac Venturinum, qui nuper vita excessere, quorum tanta extitit gloria ut tanquam clarissime quedam stelle in Transpadano orbe splenduerint, Franciscum Philelphum per multas Italie urbes celeberrimum, Georgium Trapezuntium tuum collegam et te multo doctiorem, qui superiore anno a docendo cessavit, itemque collegam tuum Rinucium, qui si meliore valitudine esset adhuc legeret, Carolum Arretinum cancellarium Florentinum, qui in illius muneris petitione tibi prelatus est, nunc cum magna dignitate magnoque salario Florentie profitentem. Vgl. zur naiven humanistischen Auffassung der Jurisprudenz Grendler 2002, S. 436–443, hier S. 438 zusammenfassend zu Valla: „Valla’s notion of interpreting the terms, that is, understanding the language in its original philological and historical meaning, was hopelessly incomplete for law. That the vast majority of fifteenth-century legists took no account of humanistic criticism is understandable.“ Vgl. für den synergetischen Ansatz Vallas Gerl 1974, zusammenfassend Gerl-Falkovitz 1994, S. 97 f. Siehe mit deutlich einhergehender Selbstinszenierung Valla 1978, Antidotum primum 2, 171, S. 168: Accipe, Poggio, preterea quod nescio an maius sit quam illud Donati, quod in iurisconsultis eiusdem materie reprehendo, ut intelligas me in omni doctrinarum genere non tecum tuique similibus, sed cum summis quibusque contendere, nec Bartholo, Baldo, Accursio ceterisque recentibus iurisconsultis, sed veteribus equandum.
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den Juristen in der Vergangenheit als „Rechtsberater“ übergeordnet gewesen sei351. Im historischen Rückblick habe der Redner stets große Bewunderung hervorgerufen und eine wichtige, dem Kriegsdienst gleichkommende soziale Stellung im Römischen Reich eingenommen, was Valla als Argument zur Verteidigung seines aktuellen sozialen Standes verwendet352. Anders als bei den kontemporären Wanderpredigern (predicatores), denen Valla „Autorität“, „Einfluss“ und „Erhabenheit“ zuweist, und hier sowohl seiner Rolle als im päpstlich-kirchlichem Dienst stehender Schreiber gerecht wird als auch eine Schelte gegen den gegenüber Wanderpredigern kritisch eingestellten Poggio vorbringt, fehlen den kontemporären Rechtsgelehrten jene sozialen Attribute und fallen stattdessen aufgrund ihrer Ignoranz gegenüber „ihres eigenen Rechts“ auf353. Folglich identifiziert Valla das Problem in dem modernen Verständnis der sich selbst bloß als Rechtsgelehrte bezeichneten Juristen, die der Eloquenz und dem antiken usus in seiner Gesamtheit abgeschworen haben. Daher haben sie sich, dem in humanistischen Diskursen ubiquitären Gemeinplatz des fortschreitenden Verfalls entsprechend, zwangsläufig einer defizitären Rechtspraxis verschrieben, in der sie ihre eigenen Rechtsquellen nicht mehr verstehen und anwenden können. Konsequenterweise verlieren sie aufgrund dieser Dekadenz an Ansehen bei ihren Mitmenschen. Dagegen seien die alten Redner zu imitieren, die sich öffentlich als oratores betrachtet haben und als solche von ihren Mitmenschen anerkannt worden seien. Für diesen Ansehensverlust weiß Valla jedoch keine Belege vorzubringen und greift hierfür ostentativ auf diverse zeitgenössische Topoi der „Juristenschelte“ zurück, die er selbst maßgeblich geprägt hat354. Zugleich bekräftigt er gemeinschaftsstiftend, an sein humanistisch orientiertes Publikum gerichtet,
Vgl. auch Dreischmeier 2017, S. 265. Dazu ebenso die Hervorhebung des orator als öffentlicher Universalgelehrter siehe Valla 1999, De linguae latinae elegantia 4, 48, S. 474: Qui vero legem fert ad populum, fere orator est, aut praesidio oratoris indigens, ut appareat quanto praestantior orator est quam Iurisconsultus, quum hic sit quasi illius scriba; aut ille praeceptor, hic paedagogus, ille dux, hic ducis legatus atque asseda. Für diese Behauptung verweist Valla auf zwei Kaiser Iustinian zugeschriebenen Zitate aus dem Corpus iuris civilis. Valla 1978, Antidotum primum 2, 109, S. 150 und 112 f., S. 152. Vgl. Corp. iur. civ., Cod. Iust. 11, 19, 2 und 4, in dem die Rolle der Redner und der Grammatiker für die Jurisprudenz hervorgehoben werden und 2, 7, 14, wo Valla die Redner mit den in dem Ausschnitt benannten advocati gleichsetzt, die gleichsam als Verteidiger des Römischen Reiches dienten. Darüber hinaus stellt er die vermeintlich geschichtlich bedingten Unterschiede zwischen den Rednern (oratores), den Rechtsgelehrten (iurisperiti bzw. iurisconsulti) und den Rechtsanwälten (advocati) heraus, der sich in der konkreten Praxis manifestiere: Während der advocatus Prozesse führe, so sei der iurisperitus für die Rechtslehre verantwortlich gewesen. Valla 1978, Antidotum primum 2, 112, S. 152: Nihil nunc loquor de illo alio genere oratorum quos vulgo predicatores vocant. Quanta in illis auctoritas, quanta vis, quanta maiestas inest! De iurisperitis tantum nunc ago, qui non solum ea que dixi, sed etiam ius suum ignorant nec intelligunt [...]. Vgl. Wetzstein 2010, S. 296.
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die Überlegenheit der Rhetorik und wirbt hier unmarkiert für seine übrigen Schriften mit eindeutiger Hervorhebung Ciceros355. Zur Untermauerung seiner sozialen Stellung betont Valla ferner die juristischen Tätigkeiten seines Vaters, um sich in eine juristische Genealogie zu stellen. Zudem erwähnt er seine persönliche Berufung „unseres Kaisers“ (qui noster imperator est), d. h. Papst Nikolaus’ V., der ihm die Rhetorikprofessur am römischen studium mit einem stattlichen Gehalt eingerichtet habe. Auf diese Weise versucht er die zuvor umfänglich erörterten Kategorien des Ansehens, der Autorität, des Einflusses und des Sozialprestiges (auctoritas, vis, maiestas, admiratio bzw. admirabile), welche die Stellung der antiken Redner bzw. Rhetoriklehrer fundamentiert haben sollen und die Poggio ihm abgesprochen hat, auf sich zu übertragen. Zugleich codiert er die Gegenwart mitsamt ihren Akteuren humanistisch, d. h. mit antiken Institutionen und Ämtern, um und spielt ebenso auf das von ihm ausgerufene intellektuelle Sprachimperium an, in welchem er dem Papst eine dem antiken Kaiser gleichkommende Sonderrolle zuweist. Die Quantität der vallianischen Replik auf die vergleichsweise knapp formulierten Anschuldigungen Poggios lässt die Bedeutung des Sachverhalts deutlich werden, die Valla den rechtswissenschaftlichen Erörterungen in den Elegantiae beigemessen hat. Sein Selbstverständnis als Rhetoriklehrer – und aus seinem Verständnis heraus als Universalgelehrter – wurde von seinem Gegner ausdrücklich infrage gestellt, was seiner präsupponierten Außenwahrnehmung als am studium angestellten rhetor Schaden hätte zufügen können356. Auf die wortreiche Erwiderung Vallas verweist Poggio auf den Umstand, dass Valla niemals einen gerichtlichen Prozess geführt oder überhaupt als orator faktisch aufgetreten sei. Einem rhetoriunculus gleichkommend
Valla 1978, Antidotum primum 2, 110–114, S. 152: Docebo hoc non solum te, Pogi, sed etiam ipsos iuris peritos, et cur se illi oratoribus preferendos et cur falso arbitrantur. Non sunt isti qui se tantum iuris peritos vocant solum tales, sed etiam oratores, et si artem oratoriam nesciant, quales illi primi homines fuere. Siquidem priores fuerunt qui causas oraverunt quam qui artem orandi litteris mandaverunt aut qui ex arte oraverunt. Et quia hanc ignorant, non se vocant oratores, sed advocatos, quasi aliud hoc ab illo sit et non potius aliud a iurisperito sive iurisconsulto. Advocatus enim causarum est qui causas agit, iurisconsultus qui de iure respondet, non qui causas agit, ut ex toto iuris civilis corpore datur intelligi. [...] Certe id eis [scil. iurisconsultis] plus confert quod norunt quam quod ignorant. Plus tamen conferret eius eloquentia, si eam tenerent. [...] Tales Cicero, Cesar, Quintilianus, omnes consules ac prestantissimi viri, tales Demostehens, Eschines, Hiperides et ceteri qui oratores vocati sunt extitere, non qui vocati sunt iurisconsulti, quorum nemo unquam in magna apud homines fuit admiratione. Quare intelligant isti advocati nostri se aut non esse admirabiles viros aut si sunt, id maxime debere oratorie arti sive oratorie exercitationi. Zu Vallas Vater vgl. Fois 1969, S. 6. Siehe ebenso die von Valla am Anfang des akademischen Jahres 1455/1456 gehaltene Rede, in dem er seine humanistische Romidee weiterausführt und dem Papst eine herausragende Stellung in der Sicherung antiker Wissensbestände zuweist. Siehe Valla 1994, Oratio habita in principio studii. Vgl. Dreischmeier 2017, S. 391–403. Siehe auch die Verteidigung seiner Kritik an den Rechtswissenschaften in seiner Invektive gegen Bartholomeo Facio, in der er ebenso auf seinen Vater eingeht und dessen Rechtskundigkeit betont, Valla 1981, Antidotum in Facium 4, 22, S. 391 f.: [...] cuius studiosissimum scirem fuisse parentem meum utriusque iuris antistitem et consistorii apostolici advocatum.
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mache er sich stattdessen dem Verbrechen schuldig, seinen Schülern bewusst falsche Regeln und Lehren beizubringen und sie, in Bezug auf seine Elegantiae, in eine „unelegante“ Ausdrucksweise zu unterweisen. Auch dieser Vorwurf zielte auf Vallas Verständnis als Lehrer ab und sollte ihn für potentielle Jurastudenten untragbar erscheinen lassen357. Das besonders hervorgehobene Sozialprestige verdeutlicht die Prozessualität, die mit der Integration des Humanismus als neuen Gelehrtentypus in ein ausdifferenziertes und hierarchisiertes Feld einherging. Die Jurisprudenz beschäftigte sich qua Tätigkeitsanforderungen mit den römischen Rechtstexten und führte die von den Humanisten beanspruchte Erforschung und Interpretation antiker Wissensträger, obgleich mit anderen Methoden und Absichten, bereits seit mehreren Jahrhunderten erfolgreich aus. Die Juristen bildeten einen für die Funktionalität der politischen Entitäten Italiens essentiellen Gelehrtenstand, der zunehmend – und hier war Valla federführend – unter Druck einer neuen Denkrichtung geriet358. Hervorzuheben ist jedoch die Tatsache, dass der Widerstand gegenüber den von Valla angemeldeten Ansprüchen nicht primär von Rechtswissenschaftlern geäußert wurde. Diese reagierten vielmehr im Kontext ihrer Fakultät in Pavia pragmatisch und entließen den als Aufrührer betrachteten Rhetorikprofessor von seinem Lehrstuhl. Ausdrückliche Ablehnung äußerten Humanisten wie Poggio und zuvor prominent Beccadelli und Facio, die eine auf Modifikation ausgerichtete Verschränkung beider Disziplinen, d. h. der Jurisprudenz und der (humanistischen) Rhetorik, strikt ablehnten. Hier drückt sich, idealtypisch formuliert, ein in Bezug auf Institutionen „konservativer“ Humanist wie Bracciolini und der Herrschaftselite zugehöriger Kirchenpolitiker aus, der zwar für eine grundlegende humanistische Bildung mitsamt den dazugehörigen Beschäftigungen warb, jedoch die bisherigen Disziplinen nicht substantiell modifiziert oder verworfen sehen und die traditionelle Hierarchie intakt wissen mochte. Valla hingegen kämpfte für eine öffentliche Aufwertung des Rhetoriklehrers und richtete sich programmatisch explizit an die gesellschaftlich anerkannten Juristen, auf die er Einfluss auszuüben versuchte. Die Elegantiae bewarb er als unabdingbares Handbuch für die Rechtswissenschaften und das obligatorische Quellenstudium, das ihm zugleich Sozialprestige als rhetor sichern sollte. Dass die Jurisprudenz sich bereits umfänglich als eine funktionsfähige Disziplin entwickelte und effektive Methoden zur Erschließung der spätantiken Rechtssammlungen entwarf, wurde von Valla bewusst übergangen; erst seine Restitution der klassischen
Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 229: Tu te oratorem facis, qui nullam unquam partem oratoriae facultatis attigeris, nullam oraris causam, nunquam in eloquentiae certamen descenderis, sed ueluti rhetoriunculus quidam ignobilis a barbaris rediens, de infimis artis praeceptis inter stultos pueros stultior ille, insulse, aride, ieiune, contempte disputas, ut discipulos tuos non eloquentiae, sed infantiae, non doctrinae, sed inscitiae, non dicendi, sed tacendi artem docere uidearis. Vgl. Wetzstein 2010, S. 287: „Sie [scil. „jene Geringschätzung der juristischen Methodik“] sollte sich unter dem Einfluss der Humanisten, insbesondere im Italien des 15. Jahrhunderts, noch weitaus massiver artikulieren und die gesamte textliche Basis des Rechtsunterrichts einschließlich der ahistorischen Auslegungsmethode des mos italicus in Frage stellen.“ Siehe auch Kelley 1970b, S. 176 ff.
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Semantik dürfte zu Verständnisproblemen geführt haben, die er den Juristen prinzipiell vorwarf. Die Problematik einer semantischen Vereinheitlichung und Aktualisierung in semiotischen Subsystemen verschiedener Disziplinen wird auch im nachfolgenden Unterkapitel im Zusammenhang mit der theologischen Fachterminologie zu diskutieren sein.
2.3.3 Philologisierung der Theologie Die Autoritätskritik und die einhergehende Umcodierung als solche erhielten vor allem hinsichtlich Vallas theologischer Beiträge eine Brisanz, die 1444 zu einer inquisitorischen Befragung führte und von Bracciolini als deutliches Zeugnis der den vallianischen Schriften mutmaßlich inhärenten Dekonstruktionsabsichten ins Feld geführt wurde. Die mehrfach vorgebrachte Häresieanklage gegen seinen Widersacher präzisiert er mit konkreten Beispielen. Er behandelt die vallianische Kritik an Hieronymusʼ Bibelübersetzung und die persona-Definition des Boethius, wofür Poggio vereinzelt ebenso argumentative Strohmänner und Verkürzungen vorbringt359. Als Vorlage für seine Anschuldigungen diente ihm eindeutig die Invektive Bartholomeo Facios, in der die Thematisierung der Häresie jedoch allein peripher zur Sprache gebracht wurde. Im Gegensatz zu Facio dokumentiert Poggio ausführlich die einzelnen Kritikpunkte mit Auszügen aus Vallas Elegantiae, um seinem Gegner ein (im religiösen Kontext) heterodoxes Gedankengut nachzuweisen360. Die von Poggio im Zusammenhang mit der Autoritätskritik korrekt identifizierte Ambivalenz der vallianischen Rechtfertigungen wird insbesondere in Bezug auf Vallas bibelphilologischen Kommentare deutlich, bei denen letzterer seine mehrmals hervorgehobene Zurückhaltung und seinen vermeintlich respektvollen Umgang mit angesehenen Schriftstellern konterkariert. Valla formuliert ausdrücklich den Anspruch, eine korrigierte und folglich bessere Übersetzung als die sich im Umlauf befindliche und bis dato verwendete Vulgatafassung anfertigen zu wollen, die zukünftig als Referenzwerk herangezogen werden müsse361. Damit bestätigt er jedoch den Wi-
Neun Kritikpunkte listet Poggio in Hinblick auf Hieronymus auf, während er zwei Zitate gegen Boethius vorlegt. Vgl. zum „christlichen Humanismus“ Vallas u. a. Trinkaus 1970, 2, S. 571–578 und ders. 1988; Buck 1984; Bentley 1983, S. 32–69, Camporeale 1993; mit Blick auf alle Werke Vallas Blum 2004, in Bezug auf seine philologische Methode ders. 2010, S. 77–93; Amos 2003; Celenza 2004c, S. 80– 114, 2014 und 2018, S. 200–228 sowie Dreischmeier 2017, S. 359–361. Facio 1978, Invective in Laurentium Vallam 1, S. 91: Boetium quoque, eruditissimum virum, mordere ausus es, illum de predestinatione male sensisse arguens. [...] Augustinum quoque, sive Hieronymum, quibus nihil habet religio nostra prestantius, carpis nec verbis modo, sed etiam scriptis erratum a se dictitans. Exemplarisch Poggios Kritik in Bezug auf Matt. 5, 17, Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 199: Scripturam sacram hic homo prophanus adeo contemnit, ut plura in ea non recte scripta asseueret. Notaui pauca e multis. In quibus beatum Hieronymum ut malum interpretem culpat. ‘Non ueni soluere legem, sed adimplere’ [Matt. 5, 17], ‘ad soluendum legem’ dicendum fuisse ait. ‘Putatis quia ueni soluere
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derspruch Poggios, er greife modifizierend in autoritative Texte ein und wolle selbst die Position einer Bezugsinstanz einnehmen, d. h. die damit verbundene Deutungshoheit für sich reklamieren362. Bei der Auswahl an Belegen handelt es sich um Identifi-
legem’? Non ‘quia’, sed ‘quod’ ponendum dixit. In conuertendo Dominus captiuitatem Sion [Ps. 125, 1.], inauditam locutionem dixit et non latinam. Die besagte Stelle ist Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 25, S. 154; Valla 1978, Antidotum primum 1, 138, S. 112: Tuum est, Pogi, docere hanc esse Hieronymi interpretationem et cuius illa sit quam Augustinus, quam Ambrosius, quam Hilarius, quam Cyprianus, quam veteres alii sequuntur. Ego me fateor, ut in Elegantiis dixi, potius translaturum fuisse ‘Putatis quod venerim’ sive ‘Putatis me venisse ad legem solvendam’ sive ‘ut solvam legem: non veni ad solvendam, sed ad implendam’ sive ‘non veni ut solvam, sed ut impleam’. Et hoc opinor futurum fuisse Latinius et perinde apertius nec minus verum. Es sei auf die relativierende Formulierung potius translaturum fuisse und die Bekräftigung am Schluss hingewiesen, dass der Kern seiner Vorschläge latinius, apertius und nec minus verum sei. Die rhetorische Frage, welche genaue Version der Heiligen Schrift von den übrigen Kirchenvätern herangezogen wurde, findet sich in abgewandelter Form auch im Vorwort der Collatio Novi Testamenti und wird im Antidotum secundum wiederholt, Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 339. In der Collatio wendet er sich spöttisch an Hieronymus selbst und fragt ihn, ob die anderen Kirchenväter kein authentisches Exemplar der Heiligen Schrift besessen hätten: Valla 1970a, Collatio Novi Testamenti, Praefatio, S. 5: Ergo de omnibus pronuntiare non licet, presertim cum maximorum virorum contumelia, non modo ipsius summi sacerdotis, sed etiam Hilarii, Ambrosii, Augustini aliorumque plurimorum, quorum neminem vis habere sincerum exemplar, tanquam aut negligant habere aut non habere se nesciant. Offener betont Valla seine Korrektur in Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, 26, S. 240; Valla 1978, Antidotum primum 1, 140–141, S. 114, hinsichtlich der falschen Übertragung von ἐὰν μή in Bezug auf Luk. 10, 6 und 13, 9, bei der es sich um eine Negation handele und folglich nicht mit sin autem übersetzt werden könne. Stattdessen schlägt Valla sin minus vor. Vgl. ebd. 1, 141, S. 114: Inelegans itaque dicebam esse pro ‘sin minus’ dicere ‘sin autem’. Die Formulierung ἐὰν μή findet sich jedoch interessanterweise nicht in den griechischen Handschriften; in beiden Versen wird stattdessen εἰ δὲ μήγε verwendet, wie Valla selbst richtig zu Luk. 13, 9 in der Collatio annotiert, siehe Valla 1970a, Collatio Novi Testamenti, S. 122, ad loc.: «Et siquidem fecerit fructum, sin autem in futurum succides eam [Luk. 13,9]». Hoc, ut superius dixi, magis librarii vitium est, aut alicuius eorum, qui cum emendare quod legunt volunt mendosum de emendato codicem faciunt, quam interpretis. Eundem locum paulo post exponit per ‘alioquin’, ubi dicitur «Alioquin illo longe agente, legationem mittens [Luk. 14, 32]». Valla 1978, Antidotum primum 1, 133–153, S. 110–118, hier 134, S. 112: Merito ais me, Pogio, contemnere Scripturam Sacram, qui eam ipse tantopere verearis, cum Herculem, cum Iovem, cum deos omnes testeris. Sed quid est per deos bonos, ut tecum tuis verbis agam, Scriptura Sacra? Omnis ne Veteris Novique Testamenti interpretatio? At ista multiplex est et varia atque hec illi magnopere repugnans. An ignoras ex Hebreo in Grecum primam translationem fuisse septuaginta duorum interpretum, secundam Aquile, tertiam Theodotionis ac deinceps perventum usque ad sextam atque ita apud Grecos Latinosque fuisse incerta omnia? Ubi quid dicas tu esse Sacram Scripturam? Certe nullam nisi veram interpretationem. At hec que sit incertum est. Ita in Testamento Novo, cuius multi fuere interpretes, ut ex veteribus scriptoribus licet cognoscere. At – inquies – Hieronymus utrunque Testamentum postea transtulit. Utinam quidem utrunque sincerum haberemus, si modo eum omnes ecclesie receperunt! Sed cur in multis eum non frequentamus veluti in Psalmis secundum Hebraicam veritatem? Quanquam Novum ipse non transtulit, sed aliquotiens repurgavit, non tam in verbis quam in sententiis. Quod rursus, ut opinor, si revivisceret, in quibusdam depravatum vitiatumque corrigeret, quemadmodum in opere meo de Collatione Novi Testamenti, quod tu opus in invidiam vocas, ostendo. Itaque, ne multus sim, siquid emendo non Scripturam Sacram emendo, sed illius interpretationem, neque in eam contumeliosus sum, sed pius
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zierungen von ungenauen Übertragungen innerhalb der Vulgata (Altes wie Neues Testament), die Valla sodann in seinen Elegantiae als Negativbeispiele anführt und anhand seiner eigenen Regeln korrigiert363. Die Aufzählung von Bemängelungen an dem Kirchenvater schließt Poggio mit dem Hinweis, dass Valla ein „Werklein“ veröffentlicht habe, in dem er Hieronymus und seine Übersetzung der Heiligen Schrift in multis locis kritisiert und er sich erdreistet habe, sich gegen den „höchst heiligen und gelehrten, in allen Zeiten und von allen Völkern anerkannten Mann“ zu stellen364. Hier spielt er auf die zu diesem Zeitpunkt noch in Bearbeitung befindliche Collatio Novi Testamenti an, die jedoch im Kreis der kurialen Mitarbeiter bereits kursiert haben muss und in einer Vorabversion bei Verbündeten wie auch Gegnern Vallas seit ca. 1441 bekannt gewesen war365. Wenngleich besonders Salvatore Camporeale der Collatio eine größere Gewichtung innerhalb der Auseinandersetzung zuwies, hat John
potius, nec aliud facio nisi quod melius quam prior interpres transfero, ut mea translatio si vera fuerit sit appellanda Sancta Scriptura, non illius. Et si proprie Scriptura Sancta sit ea que sancti ipsi vel Hebraice vel Grece scripserunt, nam Latinum nihil tale est. Siehe auch die letzte Replik auf die Anschuldigung Poggios, Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 330: Tantam ne uerborum contumeliam unius loci meretur ignoratio? Quis non uidet, et si hoc ego, quod uni sibi compertum esse Podius ait, ignorassem, insani hominis esse; ignorationem hanc conuiciis tantis insectari: De Hieronymo reprehenso et in superiore Antidoto [scil. Antidoto primo] satisfeci, et posterius, cum libros de collatione Noui Testamenti, non haereticos, ut ais: sed pios esse demonstrabo, satisfaciam. Vgl. zur Collatio nach wie vor neben Camporeale 1972 auch Fois 1969, S. 397–440. Zum christlichen Ideengebäude Vallas vgl. seine bisherigen Studien zusammenfassend Camporeale 2014. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 199: Scripturam sacram hic homo prophanus adeo contemnit, ut plura in ea non recte scripta asseueret. [...] In quibus beatum Hieronymum ut malum interpretem culpat. Als Beispiel genügt Vallas Kritik an Ps. 125, 1: Er lehnt die Konstruktion In convertendo Dominus captivitatem Sion [...] [Hervorhebung durch den Verfasser] ab, für die er keinen Beleg finden könne. Stattdessen schlägt er Dum converteret Dominus captivitatem oder Convertente Domino captivitatem Sion vor, was Poggio ohne weitere Begründung strikt ablehnt. Vgl. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 29, S. 156–166, hier S. 156 ff.: Nam eiusmodi lectio, qualis est: In convertendo Dominus captivitatem Sion [...]; inaudita est Graeca figura decipiente, ut in aliis multis, interpretem. Graeci enim hoc loco infinitivum habent, quod vult ante se accusativum. Quod multis modis transferri poterat [...] et aliis, ut dixi, multis modis. Vgl. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 199 f.: Opusculum praeterea aedidit, in quo uirum sanctissimum doctissimumque reprehendit multis in locis sacrae scripturae, tanquam ab eo male interpretatis [...]. Contra Hieronymum ne Vallea praesumptio hiscere audet, uirum sanctissimum doctissimumque, omnibus saeculis, ab omnibus gentibus comprobatum? Zur Überlieferung, Genese und Einordnung vgl. bes. nach wie vor die wichtige Arbeit von Camporeale 1972, S. 277–403; zu den Vorworten der beiden Versionen Celenza 2012 und 2014; Camporeale 2001, S. 45, Anmerkung 16, geht davon aus, dass Poggio über die erste Version spricht. Valla wirft Poggio hingegen in seinem Antidotum primum vor, dass er keine qualifizierte Aussage über seine Collatio machen könne, da er sie noch nicht gelesen habe. Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 152–153, S. 118: [...] plane mentiris, cum nondum illud publicaverim nec tu unquam inspexeris, in quo tamen ais a me reprehendi Hieronymum. Da Poggio bestens über Vallas Tätigkeiten an der Kurie informiert war, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit über seine zweite Fassung gesprochen und vermutlich durch Hörensagen bezüglich der ersten Fassung seine Schlüsse gezogen haben. Zur Collatio vgl. bes. Monfasani
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Monfasani richtigerweise darauf hingewiesen, dass es sich bei dem hiesigen Kritikpunkt in erster Linie um eine weitere Anklage gegen Vallas Autoritätskritik handelt. Diese stieß auch im Vergleich zu seinen übrigen Schriften auf weitaus weniger zeitgenössischen Widerstand, was aber auch durch den Umstand bedingt ist, dass die Collatio in ihren beiden Fassungen noch keine allzu große Verbreitung erfuhr366. Bracciolinis Rüge darf dennoch nicht heruntergespielt werden, da sie basal für seine Argumentation gegen Eingriffe in Wissensbestände und die daraus potentiell entstehenden Konsequenzen für die Gegenwart ist. Die reprehensio des Hieronymus selbst streitet Valla mit Verweis auf die komplexe Tradierungs- und Übersetzungsgeschichte ab und stellt die Autorschaft der Vulgataübertragung korrekterweise in Frage. Dadurch versucht er dem Vorwurf der Autoritätskritik an einem Kirchenvater zu entgehen367. In Bezug auf seine Bibelstudien liegt die ihm oft von der Forschung attestierte „Radikalität“ tatsächlich nicht unbedingt in den einzelnen Korrekturen, die tendenziell rein philologischer Art sind, wie John Monfasani mit Blick auf die Valla-Forschung festgestellt hat – dem wiederum Christopher Celenza mit starken Argumenten widerspricht – sondern in dem Anspruch begründet, die über tausend Jahre alte traditionelle Vulgatafassung des Neuen Testaments, dessen Autorität er ihr aufgrund der historisch bedingten Genese graduell abspricht, durch die mit dem eigenen Namen versehene Überarbeitung als NichtTheologe zu ersetzen368. Gegen Poggios verkürzte Widergabe von Vallas Postulat, dass mea translatio si vera fuerit sit appellanda Sancta scriptura, non illius (scil. des vorherigen Übersetzers), entschärft er seine Aussage in seiner gewohnten Manier und versucht diese
2008, der die rein grammatischen Korrekturen Vallas betont. Zur Methode auch Linde 2012. Zum intellektuellen Kontext von Vallas Collatio vgl. den Haan 2016, S. 27 ff. Vgl. Camporeale 1970, Kap. 3, S. 207–403 mit zahlreichen Verweisen auf die Kontroverse zwischen Bracciolini und Valla, aus deren Streitgegenstände er den christlichen Humanismus des letzteren mitunter abzuleiten versucht, dabei jedoch Poggios Schriften deutlich vernachlässigt. Dazu treffend Monfasani 2008, S. 28: „Pace those who stress Valla’s polemics with Poggio Bracciolini, the Collatio did not in fact provoke much contemporary controversy. Only at four points in 64 pages of anti-Vallian invective, and then only briefly each time, did Poggio touch on the Collatio, and in all instances, Poggio did hardly more than express outrage at Valla’s audacity to treat Jerome as ignorant of Latin.“ Zu Hieronymus’ biblischen Studien vgl. u. a. Sparks 1970, bes. S. 513 ff., 517 ff. Vgl. Monfasani 2008, S. bes. 21–28 mit Besprechung der vorherigen Wertungen von Vallas biblischem Humanismus, der in der Collatio keine inhaltlichen Modifizierungen erkennt. Dagegen Celenza 2012, der subversive Implikationen in seinen Vulgatakorrekturen zu identifizieren glaubt. Vgl. auch Camporeale 2001, S. 34, der Vallas De-Autorisierung der lateinischen Bibelübersetzungen zugunsten der griechischen Originale betont, jedoch in Bezug auf den Konflikt zwischen Valla und Bracciolini übersieht, dass Valla sich ostentativ als neuer, autoritativer Übersetzer zu etablieren versuchte und letzterer diese Selbstermächtigung vehement zurückwies. Auch an dieser Stelle findet weniger eine inhaltliche oder methodische Debatte als vielmehr eine Diskussion über das Verhältnis zwischen kontemporären Autoren und den Altvorderen sowie die Frage nach dem richtigen Verhalten innerhalb der Gelehrtenwelt statt. Beide Bereiche schlossen das gesamte literarische Feld mit ein.
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als Anmerkung zur allgemeinen Interpretationspraxis herunterzuspielen369. Valla verzichtet in seiner Hieronymus und die Vulgata betreffenden Replik auf eine ausführliche Thematisierung der Häresieanklage, der er sich ostentativ durch Abstreiten jeglicher theologischer Implikationen und durch die positive Begutachtung seitens Kardinals Nikolaus von Kues (1401–1464) und seine Zusammenarbeit mit anderen Theologen zu entziehen versuchte370. Ferner klagt er Poggio dafür an, dass er selbst seine Missachtung gegenüber dem christlichen Glauben in seinen zahlreichen, die heidnischen Götter aufrufenden Apostrophen zum Ausdruck bringe. Folglich verliere seine Anklage an Glaubwürdigkeit, was Poggio als weiteres Ablenkungsmanöver enttarnt haben will371. Die faktische Ketzereianklage führt Bracciolini mit zwei Verweisen auf Vallas Auseinandersetzung mit Boethius in Hinblick auf die persona-Bestimmung ein. Valla definiert persona, anders als der spätantike Philosoph, nicht als substantia, sondern als qualitas, womit er bewusst die scholastisch-theologischen Diskurse aufgriff und
Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 210: Nam cum de Hieronymi ab eo stultissime reprehensi translatione dixissem. Inter caetera quae boator insanus loquitur, haec addidit: Nisi quod melius quam prior interpres transfero, ut mea translatio sit sancta scriptura appellanda. [...] Bibliam credo transtulit hic barbarus furiosus et non uerbulis quibusdam more grammaticorum tanquam in scopo haesit, et omnes interpretes accusans. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 339: Nec ego de mea dixi interpretatione, sed de cuiuscunque. In prima enim et in secunda persona solemus loqui, non de me et de te tantum intelligentes, sed de genere toto. Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 141, S. 114: Ego autem in opere illo non de sententia Evangeliorum agebam, sed de elegantia lingue Latine. Ähnlich, vor allem gegen den heftigen poggianischen Vorwurf (Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 231: Tibi ut uerbis tuis utar, etiam aduersus Christum spicula reseruasse.) gerichtet Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 341: [...] sonum, non sensum. Uerba, non res. At Christi uerba nulla extant, quia Hebraice locutus est, nec aliquid ipse scripsit. At Christi uerba nulla extant, quia Hebraice locutus est, nec aliquid ipse scripsit. Cur ergo reseruarem tela siue, ut tu improprie loqueris, spicula, quod tuum non meum est uerbum, aduersus Christum, in cuius honorem, o te omni diabolo tetriorem, componebatur id opus? Siehe auch zur religiösen Orthodoxie Vallas den anregenden Aufsatz von Celenza 2004b. In Hinblick auf die oben besprochene Formulierung non recolo, die angeblich Valla zufolge, so berichtet Poggio, nicht existiere, weiß Valla diese Behauptung richtigzustellen und die Bezichtigung, ein „Häretiker“ und „Feind aller Religion“ (haereticus, omnis hostes religionis) zu sein, umzudrehen und aus Poggio einen dem Heidentum offenstehenden cultor omnis religionis zu machen, was seine Apostrophen gegenüber paganen Göttern weiter bestätigen würden. Ebenso weiß Valla auf die semantische Unterscheidung zwischen einem Häretiker und einem Feind aller Religionen hinzuweisen – die jeweiligen Zuschreibungen schließen sich logischerweise aus, da ein Häretiker nicht zugleich Religionen als solche abzulehnen vermag. Siehe Valla 1978, Antidotum primum 2, 76–81, S. 142–144, hier 81, S. 144: [...] quodque hereticum vocas quem eundem dicis hostem omnis religionis, quasi qui nullius religionis est, is esse possit hereticus. Ego vero te, Pogi, non hereticum dico, non omnis religionis hostem – non enim ita de te male sentio, non ita in te volo esse contumeliosus – sed omnis religionis cultorem. Cum enim dicas me omnium religionum hostem, consequens est ut te facias omnium religionum cultorem, ut ei quem improbas sis contrarius. Et certe id ipso opere ostendis: qui enim deos testatur, iurat, veretur, is profecto omnium deorum et ob id omnium religionum est cultor.
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eine Lesart aufgeworfen hat, die durchaus aus Sicht der herrschenden Lehre als häretisch eingestuft werden konnte372. Die terminologische Bestimmung diente dazu, Gott als Trinität mit wissenschaftlicher, d. h. scholastisch-philosophischer Methode adäquat, im Sinne des christlichen Dogmas, zu bestimmen. Boethius definiert persona als individuelle Substanz einer unveränderlichen Natur (incommutabilis naturae individua substantia), was Valla aufgrund der Wortherkunft von persona aus der Theaterkunst ablehnt: Schauspieler können verschiedene personae annehmen, während die Substanz des jeweiligen Akteurs unveränderlich bleibt. Daher plädiert er dafür, persona als qualitas zu fassen. In einem weiteren Schritt lehnt er sodann die Bestimmung Boethiusʼ ab, dass die qualitas im jeweiligen Subjekt sowohl vorhanden als auch nicht vorhanden sein könne, ohne das Subjekt, in dem diese verortet wird, als solches zu negieren. Er schreibt Gott drei qualitates zu, die wiederum die drei personae widerspiegeln sollen, und verweist auf das entsprechende Kapitel seiner rhetorisch-dialektischen Untersuchung (Repastinatio dialecticae et philosophiae bzw. Retractatio), wo er sich mit den jeweiligen Definitionen auseinandergesetzt hat373. Die Behauptung Vallas, dass Boethius kein echtes Latein gesprochen und eine falsche Definition des Begriffes persona aufgestellt habe, weist Poggio als absurde und häretische Aussage empört zurück. Er konkludiert hyperbolisch, dass kein Häretiker zuvor jemals größeres und schändlicheres in Bezug auf den christlichen Glauben gesagt habe374. Anhand dieser Umdeutung des Philosophen, dessen Schriften die Scholastik methodisch wie geistig entscheidend mitfundierten375, konnte Bracciolini seinem Gegenspieler seine destruktive, den traditionellen Lehrmeinungen wie auch dem christlichen Glauben entgegenste-
Vgl. Nauta 2009, S. 195. Monfasani 2000, S. 6, betont, dass Vallas Umdeutung des persona-Begriffes der häretisch aufgefassten Lehre des Sabellianismus hätte Vorschub leisten können. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 6, 34, S. 742–744: «Persona est» (inquit Boethius) «incommutabilis naturae individua substantia»; existimans se argumentatione collegisse, quare non sit qualitas nec aliud praedicamentum ullum, sed substantia. Sed huic homini Romano ostendam Romane loqui nescire. Persona namque non est in Deo magis quam in bruto, sicut humanitas, sicut alia plura. Sed demus, ut in Deo etiam sit persona; quaero, quamobrem ea non sit qualitas, sive de homine loquimur, sive de Deo? Nam in homine quidem persona significat qualitatem, qua alius ab alio differimus, tum in animo, tum in corpore [...] quae a rhetoricis enumerantur in attributis personae. [...] quae non sunt singula in singulis, sed plurima [...]. Quo fit, ut adsit mihi multiplex persona ac diversa, sed una tantum substantia. In Deo autem personam ponimus, vel quod nullum aliud vocabulum quadrat [...] vel quod vere in Deo triplex est qualitas. [...] de hac re suo loco in nostro opere de dialectice disseruimus. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 200: [...] nullus unquam haereticus maiora ac perniciosiora in fide dixerit [...]. Es sei auf den klangvollen Wortwitz Poggios am Ende des Abschnittes hingewiesen: Personabit adeo haec auribus suis persona, ut personatus det erroris poenam. Besonders in Hinblick auf die scholastische Terminologie dienten die Schriften Boethius, konkret seine Übersetzungen der aristotelischen Begriffe und des sogenannten „porphyrischen Baums“ als Grundlage der mittelalterlichen Scholastik. Einführend bes. Flasch 2013, S. 56–88, vor allem S. 70 f. Vgl. auch Copenhaver 2011, Copenhaver/Nauta 2012, S. xiff. und Nauta 2007, S. 198 ff.
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hende und in Quellenbestände eingreifende ratio entgegenhalten und seine accusatio konkret an diesem Beispiel glaubhaft verdeutlichen376. Die Diskussion um den personaBegriff ist beispielhaft für die zwangsläufigen Grenzen des historisch bedingten und für gegenwärtige Diskurse applizierten usus loquendi, der auch aus nicht-theologischer Perspektive problematisch ist: Dass innerhalb des vallianischen Gedankengebäudes aufgrund des normgebenden antiken Sprachgebrauchs das Nomen persona nicht für einen diesem fremden Bedeutungsrahmen als Fachbegriff verwendet werden darf, steht im Gegensatz zur notwendigen Dynamik von Sprache und ihrer figurativen Ausdrucksmöglichkeiten, die Valla selbst dezidiert ausschöpft (und als solche auch ausdrücklich bespricht), wie vor allem die Rechtfertigung seines metaphorischen Sprachimperiums bezeugt. Die Bedeutungskonstitution bzw. ihre Sinnverschiebung, die mitunter aufgrund der kontingenten Sprachentwicklung kaum zu kontrollieren ist, lässt sich unmöglich auf einen festgelegten Zeitraum eingrenzen, was zwangsläufig Missverständnisse erzeugen muss. Dieser revidierende Eingriff negiert den kontinuierlichen Gebrauch von persona in philosophisch-theologischen Kontexten und zeugt von der hegemonialen Tendenz seines sprachlichen Referenzsystems377. Der theologische Diskurs wurde von Valla dementsprechend subversiv umcodiert und in seine elegantia-Konzeption integriert, in dem der antike usus loquendi als primärer Ausrichtungsparameter die bisherigen Sinnerfassungen überschreiben sollte. Auch Poggio führt allein anhand sprachlicher Überlegungen zum persona-Begriff den von Valla vereinnahmten Diskurs weiter aus und verbleibt folglich innerhalb der von seinem Gegner gesetzten Rahmenbedingungen. Dasselbe Argumentationsmuster, das Valla in Hinblick auf die von ihm als scriptores klassifizierten Schriftsteller appliziert, wendet er ebenso in seiner Auseinandersetzung mit Boethius und Albertus Magnus an, die er offenkundig der „barbarischen“, d. h. mittelalterlichen Gelehrtenkultur zuordnet und als solche deutlich abwertet378.
Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 200: Valla imperitissimus conuitiator Latine Boetium loqui docet, diffinitionem illius arguit procax belua tanta pertinacitate, ut in haeresim inquam manifestam dilabatur. [...] Dicit praeterea personam significare qualitatem rem omnibus inauditam. Insuper personam asseuerat esse qualitatem in Deo, neque significare substantiam, quod haereticum est. Zu Vallas Auffassung von Sprache und der daraus resultierendne Argumentationsmodi auch bes. Gerl 1982, Nauta 2007 und Mariani Zini 2008, S. 65 ff., in Hinblick auf die Wahrheitssuche Laffranchi 1999, S. 58–64. Zur Kritik an Boethius hinsichtlich der korrekten Applikation von Negation(en) siehe Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 198; Valla 1999, De linguae latinae elegantia 3, 27, S. 340: In quod vitium incidit Boethius libro III in Ciceronis Topica, dicens [Boeth. Comm. in Cic. 3, 5, 25]: «Si non confuse solum, verum etiam distributim, et in suarum partium proprietate noscantur». Dicendum erat: ‚non solum non confuse‘. Valla geht nicht näher auf diesen Vorwurf ein und fragt Poggio rhetorisch erneut nach Belegstellen, die seiner Korrektur widersprechen würden, Valla 1978, Antidotum primum 2, 152, S. 162: Ubi sunt queso, Pogi, que contra me profers exempla? Istud ne est Boetium tutari? Istud est Laurentium refutare? Quis puer istud faceret? Die Besprechung des anderen Vorwurfes gegen Albertus Magnus und „unsere Philosophen“ in Bezug auf die semantische Unterscheidung zwischen den Verben suadere und persuadere ist nur unwesentlich umfangreicher (Vgl. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 5, 30, S. 588–593, hier
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Auch hier bestimmten vordergründig allein die linguistischen Parameter den Diskursrahmen, in dem Valla gegenüber Poggio ebenso auf die Empirie in Form von konkreten exempla auctorum insistiert. Einer Auseinandersetzung der dem persona-Begriff inhärenten theologischen Dimension versucht Valla sichtlich auszuweichen, was dem Duktus seiner vorherigen Schriften wie auch seinem Anspruch, die theologische Terminologie an den antiken usus loquendi anzugleichen, zuwiderläuft. Diese Vorsicht ist eindeutig auf seine aktuelle Stellung an der Kurie zurückzuführen, wo Valla aufgrund seiner inquisitorischen Vorladung, aber auch wegen seiner als antipäpstlich aufgefassten Schrift gegen die Konstantinische Schenkung lange Zeit kritisch beäugt wurde379. Dass Valla sich auch mit kirchenrechtlichen Themen auseinandergesetzt S. 592: ‚Persuadere‘ est in affectu; ‚suadere‘ autem in actu, itemque ‚dissuadere‘. Im Antidotum weist er auf den Umstand hin, dass das Griechische beide Worte unter πείθω fasst, vgl. Valla 1978, Antidotum primum 2, 159–161, hier 161, S. 164: [...] quia Greci pro duobus ‘suadeo’ et ‘persuadeo’ unum habent ‘πείθω’ und teilt gegen die modernen „Peripatetiker“ aus, die des Griechischen nicht mächtig seien: [...] quam haud scio an aut recentium Aristotelis interpretum [...] aut aliquot iam seculis scriptorum aliquis norit. Einen weiteren Übertragungsfehler aus dem Griechischen, den er auch in seiner Repastinatio behandelt, bespricht Valla im dritten Buch seines ersten Antidots, vgl. Valla 1978, Antidotum primum 3, 67, S. 192; Valla 1982, Repastinatio dialectice et philosophie 2, 5–10. Den Philosophen Albertus verwarf er ohnehin als vertrauensunwürdigen Schriftsteller und ordnete ihn den recentes interpretes der aristotelischen Schriften zu, die er als der lateinischen und griechischen Sprachen nicht mächtige moderne Peripatetiker ablehnte. Lakonisch in Valla 1978, Antidotum primum 2, 159–161, hier 160, S. 164: Nunquid iccirco id ego sentio quia dicat Albertus? Ausführlicher artikuliert Valla seine Ablehnung in der epistola apologetica (Valla 1984, Epistole, Ep. 13), im sechsten Vorwort der Elegantiae sowie in den drei Vorworten der Repastinatio. Valla affirmiert, im offen artikulierten Widerspruch zu den Kirchenvätern Hieronymus, Ambrosius, Hilarius und Augustinus, seine Ablehnung des persona-Begriffes. Seine stilisierte Naivität gegenüber den theologischen Implikationen konterkariert er in seiner Rechtfertigung sogleich mit seinem Verweis auf Gal. 2, 6, in dem seiner Ansicht nach πρόσωπον korrekt ins Lateinische als persona übertragen worden sei und sich explizit auf den Menschen als solchen und nicht auf Gott übertragen lasse. Den Häresievorwurf deutet Valla hingegen als weitere argumentative Schwäche von Poggios Beanstandungen, während er selbst die theologische Bedeutung herunterspielt, Valla 1978, Antidotum primum 2, 153–165, hier 156, S. 162 f.: Omnium est doctissimus Boetius? Latine loquendi an aliarum rerum? Si Latine loquendi, cur eum nemo imitatur? Valla 1978, Antidotum primum 2, 157–158, S. 164: An tu putas – quoniam de lingua Latina agimus [Hervorhebung durch den Verfasser] – sic diffiniturum fuisse personam Marcum Tullium ut eam ab hominibus secluderet et ad solum Deum relegaret? Ego ne Hieronymum quidem nec Ambrosium nec Hilarium nec Augustinum puto. Nam persona hominisquoque est, ut ibi [Gal. 6, 2]: «Deus non accipit personam hominis», que vere ac proprie id significat quod Grece πρόσωπον, quod ante usurpatum est in homine quam in Deo. Ausführlich zur Trinität und dem Problem der persona-Umdeutung nach wie vor Camporeale 1972, S. 165–169 und bes. 235–276 (jedoch ohne Bezug auf das Antidotum), Fois 1969 S. 351–359, Trinkaus 1996 und Nauta 2009, S. 191–204, auch Leinkauf 2017, 1, S. 345–363, bes. 352 ff. Ferner Janik 1973. Die Häresieanklage weist er erneut mit dem bereits zuvor eingesetzten Argument ab, dass Poggio derjenige sei, der wie der Antichrist permanent die heidnischen Götter aufrufe, während er gegen Boethius ferner ein schriftlich nicht überliefertes Urteil von Niccolò Niccoli ins Feld führt, dem angesehenen und mit großer Autorität ausgestatteten Humanisten und Freund Poggios, Valla 1978, Antidotum primum 2, 158, S. 164: [...] qui me, contra quem nec rationibus utitur nec exemplis, arbitratur a se sub umbra Boetii oppressum atque hereticum visum iri?
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hat, wirft er nicht allein selbst ein, sondern wird von Bracciolini mehrfach evoziert. Seine berüchtigte Rede gegen das Constitutum Constantini – und informell gegen Papst Eugen IV. gerichtet – wird interessanterweise nicht zur Sprache gebracht, was in Anbetracht von Poggios Häresieklagen und seinen übrigen Vorwürfen schwer verwundert380. Wie auch im Hinblick auf die Jurisprudenz und Philosophie stritten beide Agonisten nicht über die eigentlichen (theologischen) Dogmen, sondern über den Zuständigkeitsbereich und über Vallas philologisierenden Ansatz, den Bracciolini als anmaßenden und letztlich unbefugten Eingriff in die jeweiligen Lehrsysteme ablehnte. Prinzipiell bestand Poggio auf einen qua Disziplinenspektrum limitierten Anwendungsbereich der imitatio. Er akzeptierte im Hinblick auf die Theologie zwar moralische Urteile, allen voran über christliche Institutionen und ihre Amtsträger, stufte jedoch linguistische Modifikationen der dogmatischen Grundsätze sowohl als Verstoß gegen christliche Autoritäten als auch als eindeutige Grenzüberschreitung der humanistischen Disziplinen ein. Valla dagegen sah in der imitatio das Gebot, jegliche Künste und Wissenschaften an den Sprachgebrauch des römischen Altertums anzupassen. Er fasste das Verfahren folglich nicht allein als Kompositionstechnik, sondern als universal gültiges Gestaltungsinstrument.
Cum et ipse tanquam antichristianus deos, Herculem, Iovem ceteraque huismodi nomina invocet et eius conamicissimus Nicolaus Nicoli, vir non minime auctoritatis, Boetium sit appellare solitus «excolaturam bone doctrine», ut nemo mirari debeat, si cum Boetio de lingue Latine proprietate contendo. Die Konstantinische Schenkung erwies sich als ein äußerst schwieriger Themenkomplex innerhalb der zeitgenössischen politischen Diskurse, obgleich das Rechtsdokument gemeinhin als Fälschung betrachtet wurde. Nichtsdestoweniger wirkte sich diese Erkenntnis faktisch nicht negativ auf das päpstliche Geltungspostulat aus, sowohl in der geistlichen als auch weltlichen Sphäre Herrschaft ausüben zu können. Der juristische Status wurde insbesondere auf dem Konzil von Basel von Nikolaus von Kues diskutiert und hatte ebenso Auswirkungen auf die Italienpolitik des zukünftigen Kaisers Friedrichs III., wie Enea Silvio Piccolomini in seinem 1443 entstandenen Pentalogus berichtet. Siehe Piccolomini 2009, Pentalogus, S. 150 ff. Vallas Rede selbst wurde auffälligerweise erst nach seinem Tod explizit thematisiert, so unter anderem in dem biographischen (und wohlwollend formulierten) Abriss seines Feindes Bartholomeo Facios oder von Antonio Cortesi, der eine unvollständige invektive Widerrede (Antivalla) veröffentlichte. An der Kurie war Vallas Beitrag unter dem Kardinalskollegium bekannt und sorgte für offene Ablehnung. Daher kann mit Sicherheit angenommen werden, dass Bracciolini als apostolischer Sekretär über diese Schrift in Kenntnis gesetzt wurde. Vgl. zur zeitgenössischen Rezeption umfassend nach wie vor Setz 1975, S. 100–151, siehe auch Antonazzi 1985 und Camporeale 1996. Zur Bedeutung der Schrift vgl. Black 1995. Siehe auch Pade 2014b; zur satirischen Stoßrichtung der oratio O’Neill 2018, der in Bezug auf den rhetorischen Modus von „intellectual violance“ spricht.
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2.4 Zusammenfassung: ein Kampf um dogmatische Herrschaft Mit der Veröffentlichung der Elegantiae beging Valla Bracciolini zufolge aufgrund seines Normierungsversuches einen Konventionsbruch, da er das bislang implizite Verfahren eines internen Wettbewerbs um eine von der humanistischen Gemeinschaft gemeinhin anerkannte Latinitätsbestimmung einschließlich ihrer praktischen Imitation überging und stattdessen, mutmaßlich ohne Lizenzierung der Wortführer, eine nomothetische Vereinheitlichung des lateinischen Ausdrucksvermögens festzulegen beabsichtigte. Entsprechend ist die Sachebene von einer grundsätzlichen Orthodoxieprüfung geprägt, die sich insbesondere auf die komplexe Kategorie der auctoritas im Spannungsverhältnis zur individuellen ratio konzentrierte. Bei seiner präskriptiven, auf dem usus loquendi beruhenden elegantia-Konzeption handelt es sich um einen pluralistischen Zugang zur Latinität, die letztlich eine künstliche Sprache herleitete und sich aus der Summe einer begrenzten Zahl an klassischen Schriftstellern zusammensetzte. Aus der Sicht Poggios und einiger renommierter Zeitgenossen missachtete Valla nicht allein die spätantike und für den mittelalterlichen Lateinunterricht basale Grammatiktradition, sondern überging darüber hinaus die auctoritas der einzelnen Autoren, deren jeweiligen Ausdrucksweisen er miteinander abglich und punktuell nach seinen eigenen Kriterien beurteilte, in einigen Fällen auch als „unelegant“ verwarf. Der Vereinheitlichungs- und Systematisierungsversuch des Nachahmungsverfahrens erschütterte die bislang praktizierte laissez-faire-Haltung der humanistischen Gemeinschaft, die auf eine implizite, d. h. pragmatisch ausgerichtete Aushandlung setzte und den orthodoxen Erwartungshorizont der anvisierten Leserschaft in die Kompositionsgestaltung einbezog. Bei der Debatte um die korrekte imitatio kristallisierten sich zwei divergente Sprachauffassungen heraus, welche die beiden Agonisten ihren Nachahmungsverständnissen zugrundelegten. Prinzipiell thematisierten sie die Problematik und mögliche Überwindung der verba-res-Dichotomie, d. h. das Verhältnis von sprachlicher Form und Inhalt, die sich aus der Erschließung und Verwertung der lateinischen Literatur ergab. Bracciolini plädierte für eine permissive Sprachauffassung, die sich am petrarkistischen Paradigma orientierte und den Inhalt weniger an eine historischbedingte und daher limitierte Semantik der Einzelworte festmachte, sondern eine reziproke Aushandlung zwischen Autor und Leser voraussetzte und sowohl nach-klassische Bedeutungen als auch poetische, d. h. polyseme Ausdrucksweisen berücksichtigte. Valla dagegen sprach sich für eine restriktive Sprachauffassung aus, die sich einzig am antiken Sprachgebrauch (usus loquendi) orientieren musste. Konsequenterweise wurde der Interpretationsspielraum des Inhalts in prosaischen Kompositionen grundsätzlich eingeschränkt, da Valla einzig auf einen historisch abgeschlossenen Bedeutungshorizont zurückgriff, der auch möglichst auf poetische Polysemie verzichten sollte, um ein präzises Ausdrucksvermögen in allen prosaisch konfigurierten Künsten und Wissenschaften ermöglichen zu können.
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Im Zuge seiner Kritik an den Elegantiae verurteilte Bracciolini ebenso die Anpassung und Modifizierung der als Wissensträger wahrgenommenen antiken Schriftstücke, die sein Gegner mithilfe seiner elegantia-Konzeption vornahm; ferner problematisierte er Vallas umfassend applizierte Philologisierung jeglicher Episteme, die er vor allem in der Repastinatio dialecticae et philosophiae verortete. Poggios Widersacher weitete die imitatio auf die Disziplinen und Methoden der Jurisprudenz, Philosophie und Theologie aus, was der ältere Humanist als ungerechtfertigten Eingriff und Grenzüberschreitung der studia humanitatis wertete. Bei der Anpassung der akademischen Fachterminologien an die vallianische Latinitätsauffassung handelte es sich um einen dezidierten Umcodierungsversuch, der Auswirkungen auf das methodische Instrumentarium der Logik und Dialektik haben sollte. Bracciolini erkannte richtigerweise, dass Valla mit seiner Methodik implizit wie explizit den Anspruch anmeldete, als Universalgelehrter die Deutungshoheit über drei universitäre Fächer zu erlangen, die sich als konstitutiv für das kirchen-politische, religiöse und gesellschaftliche Feld erwiesen. Die weitreichenden Implikationen seiner Philologisierung auf die einzelnen Sachgegenstände wurden hingegen nicht näher thematisiert; stattdessen legten die Agonisten ihr Augenmerk erneut auf den imitativen Umgang mit antiker oder kontemporärer Autorität und ihre soziokulturelle Bedeutung für das gesamte literarische Feld. Prinzipiell rangen beide Agonisten um die Grenzen und Möglichkeiten der imitatio und den Kernbereich der studia humanitatis, deren Ausrichtung Poggio auf den moralisch-historischen Bereich beschränkt wissen wollte, während Valla die aus Rhetorik und Grammatik bestehende Philologie als universale Methode auf alle sprachbasierten Fächer auszuweiten gedachte. Bei dieser Aushandlung wird deutlich, welche Form von Autoritätskritik aus zeitgenössischer Sicht zulässig war: Sofern Episteme und Methoden durch nachfolgende Autoritäten Bestätigung erhielten, galten sie als integrale Bestandteile der Orthodoxie sowohl innerhalb des humanistischen Subfeldes als auch im übergeordneten literarischen Feld, zu dem sich auch der Humanismus trotz diverser Abgrenzungsversuche nach wie vor zugehörig fühlte. Das von Bracciolini und anderen zeitgenössischen Gelehrten angeführte argumentum ad verecundiam basierte auf einer Mehrheitsauffassung (opinio communis) der Wortführer, was zugleich die Konventionalität des humanistischen Feldes und die Erkenntnissuche seiner Teilnehmer reflektiert: Der fremdreferentiellen Anerkennung von auctoritas ist notwendigerweise eine sozialkonstruktive Komponente inhärent, die Valla durch seine Kritik ostentativ störte und den gemeinschaftlichen Konsens in Frage stellte. Diesen Umstand führte Poggio auf dessen vermeintlichen, mit seiner philologischen Methode assoziierten Herabsetzungsdrang zurück. Valla dagegen legitimierte seine Vorgehensweise über ein bereits im Altertum etabliertes Originalitätsprinzip, das Autoritätskritik zum Erkenntnisgewinn ausdrücklich voraussetzte. Daher lässt sich Bracciolinis Unmut, der selbst nicht vor Autoritätskritik in seinen Schriften zurückschreckte, vor allem mit dem apodiktischen Duktus Vallas erklären, der das gemeinschaftliche Aushandlungsmodell überging und seine Schriften nicht von den führenden Humanisten lizenzieren ließ – selbstredend betrachtete er sich selbst als Repräsentant der tonangebenden humanistischen Corona, allen voran in der römischen Kurie, wo sein Widersacher die finale Fassung seiner Ele-
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gantiae feierlich veröffentlichte und in das kulturpolitische Programm Papst Nicolausʼ V. eingliederte. Die Sachebene zeichnet sich durch einen polemischen Argumentationsmodus aus, der einen ergebnisoffenen Erkenntnisgewinn a priori verhinderte. Obwohl auch Vallas Duktus auf Konfrontation ausgerichtet war, erwiesen sich seine Ausführungen, im Gegensatz zu seinen Gegenspielern, als philologisch fundiert und trotz pejorativer Einschübe als sachorientiert. Eine distanzierte und objektive Betrachtung wäre seitens seiner Rivalen, zu denen neben Bracciolini insbesondere Bartholomeo Facio, Antonio Beccadelli und Lauro Quirini gehörten, einer Konzession gleichgekommen, die in der humanistischen Auseinandersetzung nicht zum rhetorischen Repertoire gehörte. Die Verteidigung der eigenen Maximalpositionen war allen Streitakteuren gemein, was die diskursive Praxis des Konflikts sichtbar werden lässt. Die Aushandlung von Ansichten und Konventionen war durch ein starres Durchsetzungsvermögen bedingt und wurde maßgeblich vom mehrfach aufgerufenen Publikum abhängig gemacht. Der Verlauf des Streitdiskurses war folglich von der jeweiligen Persistenz der Akteure abhängig, die ihren „Fall“, d. h. ihre Position mit allen rhetorischen Mitteln zu verteidigen versuchten. Bei einem Zugeständnis oder einem partiellen Abrücken ihrer Ansicht hätten sich ihre eigenen bislang veröffentlichten Schriften, den Regeln der Elegantiae zufolge, als inkorrekte und dementsprechend als entwertete Beiträge in ihrer Gelehrtengemeinschaft erwiesen. Valla wurde dagegen das Urteilsvermögen aufgrund seines vermeintlich respektlosen Umganges mit dem Altertum abgesprochen. Seine Verbissenheit und unbestreitbaren philologischen Sachkenntnisse wurden im kompetitiven Feld des Humanismus als Bedrohung angesehen – wie Bracciolini richtig analysierte, forderte Valla seine Zeitgenossen bezüglich ihres literarischen Selbstverständnisses, d. h. ihrer Gelehrsamkeitsvorstellungen, ausdrücklich heraus und legte erstmals in nachklassischer Zeit eine konkrete Definition des idealen lateinischen Stils vor, die zwangsläufig vorherige Annäherungsversuche und eingeübte stilistische Gewohnheiten verwerfen musste. Daher bedurfte es auch seiner Sicht eines neuen, systematischen Nachahmungsverfahrens, das er mit der Schwerpunktsetzung auf den usus loquendi vorlegte. Abstrahiert formuliert setzte Bracciolini einen Evaluierungsprozess in Gang, der über den kulturellen Wert ihrer Schriften entscheiden sollte: Er begutachtete hauptsächlich die Elegantiae, um Valla einen Bruch mit der imitativen Orthodoxie nachzuweisen und seinen Beitrag zu entwerten. Auch Valla tat es seinem Gegner gleich und unterzog dessen Beiträge, vornehmlich seine Briefe und seine Historia disceptativa, einer Überprüfung. Hierfür legte er seine eigene elegantia-Konzeption, die sowohl aus orthodoxen als auch heterodoxen Elementen bestand, als Maßstab an. Dieser Vorgang verdeutlicht, wie Bracciolini die bisherige Orthodoxie aufrechtzuerhalten versuchte, während Valla diese zu seinen Gunsten umzuschreiben beabsichtigte. Kurzum rangen beide um die dogmatische Herrschaft ihrer Gemeinschaft und versuchten die Leserschaft von ihrem jeweiligen Nachahmungsparadigma zu überzeugen. Ihre Gutachten
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stellten sie dem zur richterlichen Instanz erhobenen Publikum zur Verfügung, das über den vorgetragenen „Fall“ mit Bestätigungs- oder Ablehnungsschreiben entscheiden sollte. Im nachfolgenden Kapital soll die vituperatio in Augenschein genommen werden, die einerseits die unsachliche ad hominem-Argumentation und andererseits die praktische Umsetzung der jeweiligen imitationes umfasste.
3 Die vituperatio als praktische Umsetzung der imitatio 3.1 Rhetorische Voraussetzungen der vituperatio In diesem Kapitel soll die affektiv orientierte Streitebene in den Blick genommen werden. Sie umfasst zugleich die praktische Anwendung der imitatio und wird daher sowohl hinsichtlich ihrer vituperatio als auch ihrer kompositorischen Grundlagen untersucht. Das primäre Ziel für beide Agonisten bestand darin, die Publikumswahrnehmung zu kontrollieren, d. h. die Leserschaft von der eigenen Motivation und Positionierung zu überzeugen und die grundlegende Streitperzeption zu beeinflussen. Die Wahrnehmungskontrolle ging mit der auf Laufbahn und Charaktereigenschaften (vita und mores) ausgerichteten vituperatio einher, mit welcher eine diskursive wie soziale Ausschaltung des Gegners beabsichtigt wurde. Folglich wurde die auf der Sachebene diskutierte imitatio auctorum um die komplementäre imitatio morum ergänzt, die auf der Affektebene die moralische Integrität des Gegners in den Vordergrund rückte. Hierfür griffen die Streitakteure auf einen Katalog an spezifischen Herabsetzungsstrategien zurück, die sie wiederum mit ihren eigenen Sprach- und Gelehrsamkeitsverständnissen verschränkten und so zu ihrer Profilierung wie auch zu ihrem eigenen „self-fashioning“ beitrugen. Die vituperatio muss entsprechend als pragmatische Umsetzung ihrer Nachahmungsverfahren aufgefasst werden: Die Theorie wurde in praxi der Leserschaft vorgeführt, was dem Streit zusätzlich eine pädagogische Dimension verlieh und die ad hominem-Ebene in eine imitative Vorführung transformierte. Wie im Einzelnen zu zeigen sein wird, entschied das Publikum über Richtigkeit und „Sieg“ in der Auseinandersetzung. Durch eine erfolgreiche Persuasion, d. h. durch diskursive Herrschaft sollten die Adressaten umworben werden, um intellektuelle Allianzen zu schließen und diese gegen den Kontrahenten in Stellung zu bringen. In diesem Kapitel sollen nacheinander die rhetorischen Parameter der ad hominem-Argumentation sowie die konkreten Strategien zur Wahrnehmungskontrolle und zur Herabsetzung herausgearbeitet werden.
3.1.1 Invektive Topik Das Wechselspiel von Insinuation und Depravation prägte, wie gezeigt, bereits die sachliche Ebene des humanistischen Streitdiskurses in Hinblick auf vermeintlich vernachlässigte oder bewusst gebrochene Schaffenskonventionen, wenngleich beiden Praktiken in der auf die vituperatio ad hominem ausgerichteten Argumentation ein anderer Stellenwert zukam. Wurde auf der Sachebene die inhaltliche Positionierung artikuliert und versucht, den jeweiligen Schriften ihre Lizenzierung als der Orthodoxie entsprechenden Beiträge zu entziehen oder zuzuschreiben, so konzentrierte sich die persönliche vituperatio auf den jeweiligen Autor, seine charakterliche und beruflihttps://doi.org/10.1515/9783111324555-003
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che Integrität und sein über die eigenen Schriften erzeugtes „self-fashioning“, mit dem dieser an den jeweiligen Diskursen sein Handeln bewarb und zu autorisieren versuchte1. Dabei wird jedoch simultan auch die eigene Selbstinszenierung ex negativo betrieben: Beide Streitakteure schärften über die Invektiven ihr eigenes intellektuelles Profil, das sie über ihr jeweiliges Sprach- und Gelehrsamkeitsverständnis zum Ausdruck brachten und konkret zur Herabsetzung des Gegners applizierten. Die rhetorische Präsentation ihres literarisch konstruierten Körpers erfolgte in den Invektiven über die zum Aufgabenbereich des antiken Redners zugeordneten Pflichten, in dessen Tradition die Streitakteure sich ausdrücklich stellten: Untersuchung und Beweisführung, die Unterhaltung und die daraus resultierende Beeinflussung des Publikums2. Die vorgenommene Gewichtung reflektiert ihren jeweiligen Gelehrtentypus, mit dem sie ihre Ansprüche diskursiv anmeldeten. Lorenzo Valla konzentrierte sich ostentativ auf die philologische Belehrung und sah in den Beiträgen seines Gegners eine ideale Zielscheibe zur philologischen Machtdemonstration seiner elegantia-Konzeption, die er mit einer martialischen Lexik ausschmückte. Poggio Bracciolini wiederum wendete den von ihm als Markenzeichen kultivierten Humor (sal) an, um seinen Gegenspieler zu verlachen. Neben einem spezifischen, für beide Agonisten zur Verfügung stehenden Herabsetzungskatalog, den die antiken Schriften bildeten, kristallisieren sich ebenso gewisse rhetorische Parameter als forensische Grundvoraussetzung heraus: Das Ineinandergreifen von Wahrscheinlichkeit (verisimilitudo) und Beständigkeit (constantia) des Dargestellten durchzieht alle Ausführungen und sollte über die Stichhaltigkeit der Argumentation entscheiden. Die Würde (dignitas) der implementierten Personen in Dialogen oder in fingierten Reden musste dem jeweiligen Charakter und seiner eigenen fama entsprechen, während die honestas, d. h. Ehrlichkeit und Anständigkeit als Inbegriff der individuellen mores die Überzeugungskraft des Redners bedingte. Alle drei Kategorien sind miteinander verwoben und wurden gleichsam als Einsatz innerhalb des Konflikts gehandelt. Die Angriffe auf die Integrität des anderen mussten über die Glaubwürdigkeit des vorgetragenen Falles erfolgen; simultan wurde die Redlichkeit der Agonisten angreifbar und von ihrem Erfolg abhängig gemacht. Christopher Craig spricht im Hinblick auf Ciceros Rede Pro Milone, die er für ad hominem-Argumente als paradigmatisch betrachtet, von einem
Grundsätzlich zur Applikation und Wirkungsweise der ad hominem-Arguentation anregend Walton 1998; vgl. mit Blick auf die römische Invektive und dem Charakterportrait Riggsby 2004; Craig 2004, zusammenfassend S. 199. Siehe auch Stenzel 1986, S. 8: „Der Vortrag polemischer Argumente bedient sich schließlich einer möglichst wirksamen Elocutio im Sinne der positiven Selbstdarstellung des Polemikers und der Erzeugung aggressiver Gefühle der polemischen Instanz gegen das polemische Objekt und seine Position.“ Cic. orat. 69: erit igitur eloquens – hunc enim auctore Antonio quaerimus – is qui in foro causisque civilibus ita dicet, ut probet, ut delectet, ut flectat. Probare necessitatis est, delectare suavitatis, flectere victoriae: nam id unum ex omnibus ad obtinendas causas potest plurimum. Cicero, de orat. 2, 115: Ita omnis ratio dicendi tribus ad persuadendum rebus est nixa: ut probemus vera esse, quae defendimus; ut conciliemus eos nobis, qui audiunt; ut animos eorum, ad quemcumque causa postulabit motum, vocemus.
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Nullsummenspiel zur Prestigegewinnung3. Die inhaltliche Rivalität der beiden Gelehrten, aber auch ihr jeweils explizit wie implizit artikulierter Anspruch, als Wortführer ihrer humanistischen Gemeinschaft anerkannt zu werden und dem jeweils anderen seinen Platz streitig zu machen, wurden insbesondere auf der persönlichen Ebene performativ über Herabsetzungstechniken und den damit einhergehenden Oppositionsverhältnissen erzeugt; der Gegensatz wurde ferner über aufmerksamkeitserregende Eskalationen weiter befeuert. Fungierte auf der Sachebene das genus iudiciale als oratorischer Darstellungsmodus, so baut die vituperatio gemäß der klassischen Redegattungslehre auf dem genus demonstrativum auf, was sich in der Konzentration auf den sozialen Körper des Widersachers manifestiert. Wenngleich sie auf den Gegner zentriert ist, richtet sie sich de facto an das Publikum, das von seinem intolerablen Wesen oder seiner mit den orthodoxen Grundsätzen ihrer Gemeinschaft inkompatiblen Haltung überzeugt werden sollte4. In sozialkonstruktiver Hinsicht diente die vituperatio dem Ausschlussversuch, mit dem die gegnerische Position aufgrund ihrer Heterodoxie als untragbar für die eigene Gemeinschaft gezeichnet wurde und als Autor mitsamt seinen Beiträgen ausgeschaltet, d. h. seine vom Publikum implizit gewährte Teilnahmelizenz für die jeweiligen Diskursen entzogen werden sollte. In seiner Dissertation identifiziert Karl. R. Alexander drei invektive Leitmotive, derer sich die Humanisten des 15. Jahrhunderts bedienten. Diese offenbaren ein dem humanistischen Streit inhärentes und verinnerlichtes Regelsystem, das der Streitinszenierung zugrunde gelegt wurde. Ausgehend von diesen Vorschriften, die unter dem Begriff der Konventionalität präziser gefasst werden können, konnte von der Publikumsseite her ein gewisser Erwartungshorizont vorausgesetzt werden, der in der antikisierenden Ausschmückung seinen Ausdruck fand. Den Agonisten wurde Raum für Anpassungen an die Streitsituation und ihre eigene stilistische Originalität überlassen, wodurch, ebenso als Teil der Publikumserwartung, der entscheidende Distinktionsprofit in Form von individuellen Alleinstellungsmerkmalen eingefahren werden konnte. Zu den Leitmotiven zählt Alexander erstens die Rechtfertigung der Streitschriftkomposition, zweitens die Applikation des klassischen Herabsetzungskatalogs, der insbesondere in der Rhetorica ad Herrenium und in De inventione ausführlich beschrieben wird5, sowie drittens den Spott als eigenständige rhetorische Technik, der zur Verhöhnung des Gegners und parallel zur Unterhaltung des Publikums eingesetzt wurde, jedoch im Falle des vorliegenden Konflikts um pathetische Stilisierungen
Craig 2004, S. 199: „Ad hominem argument apart from a judicial question of fact is a means of humiliating political opponents in a zero-sum game of prestige [...].“ Er unterscheidet zwischen drei unterschiedlichen Publikumserwartungen, die sich mitunter widersprechen können. Plausibilität musste meist vorausgesetzt werden, stellte jedoch unter bestimmten Voraussetzungen keine Notwendigkeit dar. Vgl. auch Corbeill 1996, S. 4 und Arena 2007, S. 150 ff. Vgl. Rhet. Her. 3, 10–15 und Cic. inv. 2, 177–178.
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erweitert werden muss6. Diese drei Grundprinzipien wurden in das publikumszentrierte „self-fashioning“ integriert und für den Angriff bzw. die Verteidigung präpariert. Mithilfe der Selbstpräsentation sollte ein genuines, den orthodoxen Feldanforderungen entsprechendes Bild konstruiert werden, um die Wahrnehmung sowohl der eigenen Person als auch diejenige des Gegners zu beeinflussen und die Zuschauer von seiner eigenen Position zu überzeugen. Die Persuasion wurde insbesondere über affektive Manipulation zu erreichen versucht, die, wie prominent Antonius in Ciceros De oratore feststellt, das Publikum wesentlich effizienter bewege als vernunftsorientierte Darlegungen7. Simultan wurde, modern gesprochen, literarisches Marketing betrieben, das einerseits die eigenen, als legitim gezeichneten Alleinstellungsmerkmale hervorheben und andererseits die (moralische) Schlechtigkeit und Heterodoxie des Gegners stigmatisieren sollte. Die humanistische Orthodoxie erforderte eine spezifische Codierung, die sich aus der imitatio der antiken Schmähpraxis ergab und die Gelehrten als Humanisten autorisieren sollte. Entsprechend weist die vituperatio repetitive Muster auf, die auf einen konventionalisierten Quellenkatalog hindeuten, aus dem beide Gelehrte gleichermaßen schöpften und diesen individuell verwerteten. Aufgrund der Tatsache, dass keine Kriterien für eine korrekte Nachahmung bzw. für ein erfolgreiches Ausschlussverfahren existierten und auch die Perzeption der vorherrschenden Orthodoxie stets bis zu einem gewissen Grad vage bleiben musste, waren beide Streitakteure dazu gezwungen, mit Variablen zu rechnen und ihre Schriften auf ein spezifisches Publikum abzustimmen. Unter diesen Voraussetzungen wird die persönliche Ebene in Form der Integrität bis zu einem gewissen Grad versachlicht und einem Wettbewerb unterworfen, der sich allein am Persuasionserfolg der Adressaten bemisst. Ausgehend von den Studien von Wilhelm Süss, Robin G. M. Nisbet und Norman W. Merrill arbeitet Christopher Craig siebzehn von Cicero eingesetzte invektive Topoi heraus, deren Ursprünge in der griechisch-römischen Invektivenliteratur zu finden sind. Folglich griff die humanistische Bezugsinstanz Cicero auf konventionelle Regeln dieser Textgattung zurück, die tendenziell dem Erwartungshorizont des Publikums entsprechen mussten8. Dazu gehören (1) eine blamable Familienherkunft, (2) Unwürdigkeit für die eigene Familie, (3) das physische Erscheinungsbild, (4) ein exzentrischer Kleidungsstil, (5) Prasserei und Alkoholsucht, (6) Heuchelei, (7) Gier, (8) Bestechlichkeit, (9) Anmaßung, (10) sexueller Missbrauch, (11) Familienfeindlichkeit, (12) Feigheit im Krieg, (13) finanzielle oder wirtschaftliche Ver Vgl. Alexander 2013, S. 225–226. Alexander untersucht in seiner Dissertation die Invektiven von Georg von Trapezunt, Bracciolini und Guarino da Verona. Besonders Valla schmückt seine Invektiven mit Pathos aus, wie im nachfolgenden Unterkapitel im direkten Vergleich zum poggianischen Spott ausführlich gezeigt wird. Cic. de orat. 2, 178: [...] plura enim multo homines iudicant odio aut amore aut cupiditate aut iracundia aut dolore aut laetitia aut spe aut timore aut errore aut aliqua permotione mentis quam veritate aut praescriptio aut iuris norma aliqua aut iudici formula aut legibus. Dazu Arena 2007, S. 150 f. Zur strebensethischen Prägung der Persuasion vgl. Robling 2007, S. 197–200. Vgl. Süss 1910; Nisbet 1961 und Merrill 1975; zur invektiven Tradition bes. Merrill 1975, S. 45–98 und Koster 1980 41–96.
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schwendung, (14) pathologisierter Ehrgeiz zu Herrschaft bzw. Tyrannei, (15) Grausamkeit gegenüber Verbündeten und Bürgern, (16) Raub von privaten wie öffentlichen Gütern und (17) rhetorische Inkompetenz9. Mit Ausnahme von (4) und (12) finden die restlichen Vorwürfe im vorliegenden Konflikt Verwendung, wenngleich sie aufgrund der historisch bedingten Streitsituation mitunter modifiziert und an die vorgefundenen Kontexte angepasst worden sind. Die Topoi (8) und (13) werden implizit verarbeitet und vor allem zu Betrug und Dokumentenfälschung abgeändert, die sich aus finanzieller Not ergeben; (2) wird im Hinblick auf die vita activa und die eigene Familie einschließlich etwaiger Liebschaften appliziert. Herrschaftsehrgeiz (14) wird auf die respublica literaria übertragen und vor allem als diskursive Deutungshoheit genutzt, während (15) das grundsätzliche Verhalten gegenüber anderen Gelehrten adressiert. Die einzelnen Techniken beider Agonisten werden im Folgenden noch genauer hinsichtlich ihrer Funktionalität und Wirkungsabsicht zu beleuchten sein. 3.1.2 Verbalinjurien Literarisch ausgeschmückt wurde die vituperatio über den Einsatz von einer Vielzahl an Verbalinjurien, die deviante Abweichungen von den Sprach- und Gelehrsamkeitsverständnissen der Agonisten kennzeichnen und neben bewussten Rekursen auf die antike Literatur auch injuriöse Neuschöpfungen und Namensspiele beinhalten10. Als grundlegende Anreden oder Apostrophen stellen sie das jeweilige Wortregister (copia) zur Schau; ferner erzeugen sie spezifische „Szenarien“ oder „Situationen“, die zur Charakterisierung von Werk und Autor beitragen sollen – insbesondere Terenz, Plautus und Catull dienten beiden Humanisten als Quellen für Beschimpfungen und pejorative Charakterisierungen11. Die situativ bedingten, zur Herabsetzung verwendeten Begriffe wurden von beiden Akteuren gleichermaßen eingesetzt und offenbaren ebenso ein eigenes Sprachspiel bzw. einen Subdiskurs, der über die verschiedenen Beleidigungen geführt wurde. Ferner verstanden sie diese als Sprechakte, die sie mit martialischen Handlungen gleichsetzten. So Vgl. Craig 2004, S. 189–192; ders. 2007, S. 336–337; Arena 2007, S. 150 f. und zusammenfassend Novokhatko 2009, S. 13f. So nennt beispielsweise Poggio Valla in seiner zweiten Invektive mitunter Lepusculus Galeatus, während Valla ihn Podius nennt –das Wortspiel „Pogius – Podius“ geht Wesseling zufolge in Valla 1978, Antidotum primum, S. 137 Anm. 51 auf Sankt Podius von Florenz zurück. Dies wird durch Vallas Kritik an den Facetiae bestätigt, wo er explizit florentinische Witzgeschichten auswählt und mit Poggio als „Florentiner“ in Verbindung bringt. Siehe auch exemplarisch für poggianische Wortwitze Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 192: Id culpat censor noster Valla in stulticie ac cecitatis valle versatus. Thomas Conley 2010, S. 3–9 erklärt diese „Szenarien“ und „Situationen“ anschaulich in seinem Annäherungsversuch an eine Beleidigungsrhetorik. Siehe auch Conley 2016. Analysen der humanistischen Verbalinjurien fehlen bislang, einen ersten Ansatz bietet der wichtige Aufsatz von Dieter Schaller 2002, der eine erste Kategorisierung der poggianischen Beleidigungsrhetorik in seinem Streit mit Niccolò Perotti vorgelegt hat. Eine umfassende Wortregisteruntersuchung ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Zur copia im Humanismus vgl. Cave 1979, S. 3–34.
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sprechen Valla und Poggio beispielsweise von „hineinstürzen“ (irruere), „anstürmen“ (incursare), was oftmals mit Wut (rabies), wahnsinniger Raserei (furor) oder anderen pathologischen Wortfeldern verstärkt und explizit mit den sprachlichen Ausfällen in Verbindung gebracht wird12. Daher trugen die Verbalinjurien ebenso zur performativ erzeugten oppositionellen Ausgangslage bei; sprachlich wird eine „räumliche“ Verschiebung bei simultaner Selbstbehauptung vorgenommen, um ihrer symbolischen Aggression Ausdruck zu verleihen13. Präziser formuliert leiteten beide einen hierarchischen Degradierungsversuch ein, in welchem sie in sachlicher oder moralischer Hinsicht ihre eigene Überlegenheit postulierten. Diese behauptete Vormachtsstellung war jedoch nach der polemischen Eigenlogik nicht hinreichend mit einem ad rem-Argument darzulegen, weshalb sie mithilfe eines ad hominem-Arguments ausgeschmückt werden musste. Poggio trug seine beanspruchte diskursive Dominanz mithilfe von Nominalabstrakta, faktischen Bezichtigungen und nominalen Schimpfwörtern vor14. Die Nominalabstrakta reiht er in der Regel als Asyndeta oft auch pleonastisch aneinander, erweitert diese attributiv und bringt sie in allen Schmähschriften variierend unter. Im direkten Vergleich zu Bracciolini, der laut Schaller einen „quantitative[n] Höhepunkt jener Schimpf- und Schmähorgien des Renaissance-Humanismus“15 markiert, hielt sich Valla mit Verbalinjurien tendenziell zurück und nutzte diese vor allem für die Unterstreichung seiner jeweiligen Argumentationen oder interjektionell zur Stilisierung der jeweiligen philologischen Analysen. Despektierliche Tiervergleiche sind wie bei Poggio häufiger vertreten16. Wenngleich sich Vallas Invektiven durch eine polemische Schärfe auszeichnen, die bis zu Missbrauchs- und Mordvorwürfen reichen, erschöpft sich die Zuspitzung mehr in den einzelnen Beschuldigungen als in Beschimpfungen. Sein relativ gemäßigter Duktus bildet einen ostentativen Gegensatz zu Poggios affektgeladenem Stil, was er
Siehe exemplarisch Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 326: Cur ita, P. Clodi, truculento immanique animo in me irruis? Quid sibi uult ista tanta maledictorum conviciorumque congeries? Vtar uerbis impuri illius apud Terentium hominis, quando quidem tu me infra omnes homines ponis. Vgl. Krämer 2007, bes. S. 44; zum Wechselspiel von Herabsetzung und Selbstbehauptung VendrellFerran 2021. Dieter Schaller 2002, S. 174 ff. hat die Beschimpfungsstrategie Bracciolinis bereits in Hinblick auf dessen Konflikt mit Vallas Schüler Perotti herausgearbeitet – Abweichungen von diesem Duktus lassen sich in seinen Invektiven gegen den Lehrer nicht finden. Es lassen sich deutliche Übereinstimmungen zwischen den Schmähungen gegen Valla und Perotti feststellen, die nur aufgrund ihres Lehrer-Schüler-Verhältnisses und ihres Altersunterschied Differenzen aufweisen. Eine Aufarbeitung der Verbalinjurien würde sich für eine eigene Untersuchung durchaus anbieten und müsste im Rahmen einer grundsätzlichen Erschließung der (invektiven) Intertextualität erfolgen. Schaller 2002, S. 174. Siehe auch die Wertungen von Walser 1914, S. 279 in Bezug auf die schärferen Invektiven gegen Perotti: „Wenn unser Humanist [scil. Poggio] für den Meister Valla seine Phantasie in Unkosten versetzt, so hielt er das für den Jünger Perotti keineswegs für nötig und so ist diese letzte seiner Invektiven ein geistlos ödes Schand- und Schimpfstück.“ Vgl. dazu mit zusätzlichem Blick auf Vallas Invektive gegen Bartholomeo Facio Dreischmeier 2017, S. 319 f., dazu Anm. 166–169.
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ausdrücklich hervorhob17. Auf diese Weise legte er mit seinen Invektiven eine Antithese zu den sardonisch aufgeladenen Reden seines Widersachers vor und reklamierte für sich eine vernunftsbasierte Gegenreaktion, die ihn jedoch nicht von pathetischen Vergleichen abhielt. Mit den Worten Dreischmeiers wird in den vallianischen Invektiven „[m]ittels hochmütiger Vergleiche und absichtlich beleidigender Metaphorik [...] alles aufgefahren, was die antike Mythologie und Historie an Bildmaterial zur Verfügung stellt [...]“18. Valla setzte verstärkt zur Untermauerung seiner Ambitionen auf explizite Gleichnisse: So kleidet er sich literarisch als Gott Neptun oder Jupiter, der den Titanen Typheus in einem epischen Kampf besiegt, während er als Herkules Cerberus mit seinem Knüppel bändigt oder als Odysseus den zwielichtigen Thersites sowohl verbal als auch physisch züchtigt. Den gegnerischen Part des Typheus, Cerberus oder Thersites übernimmt in diesen Bildern selbstredend Poggio19. Auf diese zur Herabsetzung eingesetzten Selbstinszenierungen reagierte Bracciolini seinem Duktus entsprechend mit Sarkamus und zog die pathetischen Vergleiche ins Lächerliche, was unten noch ausführlicher zu betrachten sein wird20. Ein Alleinstellungsmerkmal bildet jedoch Vallas bereits oben skizzierte philologische vituperatio, derer sich auch sein Schüler Perotti in seinen Invektiven bediente. Diese polemische
Valla 1978, Antidotum primum 1, 15, S. 86: Quid in senem qui meus non modo parens, sed etiam avus esse posset ferrum stringo? Delirat iam decrepitus, desipit, repuerascit. [...] Ad me redeo, contineo impetum, cohibeo iracundiam, rationem quam affectum sequi malo. Dreischmeier 2017, S. 318. Valla 1978, Antidotum primum 1, 14, S. 85: Hercules nanque ego huic Cerbero fiam, quem non offa, sicut Sibylla fecit, sed clava ad necem usque soporabo. Zum Göttervergleich ebd. 1, 32–35, S. 90; ebd. 2, 169, S. 166 f.: [...] qui [scil. Pogius] nunquam ad linguam Latinam magis aliquid attulisti quam Thersites ad eloquentiam Grecam. Cuius pena, qua illum Ulixes affecit, te manet, immo iam irrogatur; nam ego in te Ulixes sum teque sceptro illo regali verbero atque illis te dignis verbis increpito: [...]. Im Anschluss folgt zur Demonstration seiner Griechischkenntnisse eine wörtliche Übersetzung der Ilias, Hom. Il. B, 246–248, 250–251, 257–258 und 261–264, in Il. 261 setzt er Poggio explizit ein. Zur vallianischen Prosaübersetzung ins Lateinische vgl. Valla 1978, Antidotum primum 2, 170, S. 169, Anm. 170. Zu Vallas Übersetzungstheorie Dreischmeier 2017, S. 163–166. Im zweiten Antidotum fügt Valla sich selbst und Poggio in Verg. Aen. 5, 446–460 anstelle von Dares und Entellus ein und verlegt die Auseinandersetzung in den kurialen Kontext: Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 327: Quid ais Pogi? Gaudes quod Entellum te significaui esse, me Darem? Ego uero te Darem dico esse, qui animo felicitateque iuuenili es, quique me lacessisti: me autem, qui sum lacessitus, Entellum, qui te pugnis contudi, qui te toto campo praecipitem egi, qui te utraque manu pulsaui, uersauique, qui, nisi pater Aeneas, hoc est, pater sanctus intercedat, faciam, ut te fidi aequales genua tincta trahentem ad sepulturam ducant aeterni silentii ac pudoris. Zur Selbstinszenierung auch Dreischmeier 2017, S. 318 f. An mehreren Stellen rügt er Valla für diese Gleichsetzungen, exemplarisch Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 210: Mitto [...] quod Herculi, quod tridente Neptuini et Iouis fulminibus confossurum se nouus Neptunus et Iupiter minatur. Valla beharrt auf seine Selbstinszenierung und weicht nicht davon ab, siehe Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 336: Nam insectaris meam contra te loquentis insolentiam, quod me Herculem quod me Iovem fecerim [...]. Feci me Herculem, cur ita? Quia te Cerberum. Feci me Iovem, cur ita? [...] At ego, ut dixi, me etiam illis anteferre ausim, quippe qui minori negocio te nostri seculi uel Cerberum uel Typhoeum domui prostrauique, quam aut Hercules suum Cerberum, aut Iupiter suum Typhoeum.
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Sprachkritik sollte sich als neue Herabsetzungstechnik in späteren humanistischen Auseinandersetzungen fest etablieren. Mehrfach korrigierte Valla die Beschimpfungen Bracciolinis und sprach diesen ihren Bedeutungsgehalt aufgrund ihrer Abweichungen vom klassischen Sprachgebrauch ab, d. h. er erhob seine eigene Latinitätskonzeption zum diskursiven Maßstab21. Hier kollidierten der auf Formalismus setzende Philologe und der experimentierfreudige Literat; ihre divergenten Sprachverständnisse wurden dementsprechend auch auf der persönlich-affektiven Ebene kontrastiert und diskursiv zementiert. Besondere Bedeutung kommt der injuriösen Kennzeichnung von Dissens bzw. Nonkonformität im Hinblick auf die humanistische Orthodoxie zu, die wechselseitig dem jeweils anderen zugetragen wurde. Abweichungen vom vermeintlich innergemeinschaftlichen Konsens wurde mit einer Geisteskrankheit assoziiert, ein einmütig ausgehandeltes Sprach- und Nachahmungsverständnis, kurzum eine konsensuale Vorstellung von Gelehrsamkeit wurde folglich präsupponiert. Eine „medizinische“ Heilung war in diesem Zusammenhang selbstredend nicht möglich; die Lösung konnte aus Sicht der Agonisten allein durch performativen Ausschluss in Form von sozialer Ächtung bzw. Anerkennungsentzug erfolgen. Die invektive Krankheitsdiagnose ist auf eine rhetorische Strategie Ciceros zurückzuführen, der seinen Gegnern oftmals wahnhafte oder geistig bedingte und das Staatswohl gefährdende Anomien zuschrieb22. Auch Francesco Petrarca bediente sich dieser Taktik in seiner ersten Invektive, die sich ironischerweise gegen einen Arzt richtete23. Die Diagnose wird über verschiedene Hyponyme von Appellativa geäußert. In Poggios ersten beiden Invektiven kommt das Nomen dementia im direkten Zusammenhang mit Vallas Verhalten allein zweiunddreißigmal vor, insania einundzwanzigmal, während vesania und amentia synonym ebenso zur Charakterisierung herangezogen werden. Die intellektuelle Disharmonie wird auch als Dummheit (stultitia) oder Unwissenheit (imperitia, impudentia), als grundlegende Verkehrtheit (perversitas), Unsinn (ineptia) und Absurdität (absurditas), ferner als Schamlosigkeit (protervitas, impudentia), Unbesonnenheit (temeritas) und Kühnheit (audacia) pejorativ bewertet – letztere drei Kategorien lassen sich unmittelbar als Ausdruck eines zwanghaften Geltungsdranges fassen. Die Kombination von audacia und furor, bzw. die Verbindung von negativen Charaktereigenschaften mit mutmaßlichen Neurosen erweist sich überdies als maßgeblicher Demütigungstopos und wird von Cicero, beispielsweise in seinen Reden gegen Catillina, musterhaft einge-
Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 37–41, S. 91 f.; 1, 163–164, S. 120; 2, 144–148, S. 160–162. Zum letzten Beispiel Dreischmeier 2017, S. 318, Anmerkung 159: „Selbst Iniurien sind erst klassisch zu belegen.“ Zum Krankheitstopos vgl. Opelt 1965, S. 137–145, exemplarisch Cic. Pis. Frag. IV; beispielsweise Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 191; Invectiva secunda, S. 208 u. 214. Vgl. auch Merrill 1975, S. 203 f. Vgl. dazu Enenkel 2010, S. 121. Siehe auch zu dieser Invektive bereits Struever 1993.
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setzt24. Dieser sollte zur Entmenschlichung des Gegners beitragen, dem Beherrschung und rationales, d. h. kontrolliertes Handeln abgesprochen wird25. Der römische Redner warf seinen Gegnern vor, wahnhaft die Herrschaft über die Römische Republik an sich reißen zu wollen und dadurch das Staatswohl zu gefährden. Dazu noch ausführlicher im nachfolgenden Unterkapitel. Der Wahnsinn als Inbegriff von Nonkonformität drückt sich mitunter in der Sprachbeherrschung aus, die sich an dem aristotelischen Diktum orientiert, der Mensch sei durch seine Sprachfähigkeit vom Tier abzugrenzen. Entsprechend gehören (Raub)Tier- und Bestienvergleiche zum topischen Repertoire der Streitakteure26. Beide Gelehrte sprachen sich gegenseitig die Zurechnungsfähigkeit ab, was stets über die Sprachbeherrschung diagnostiziert wurde. Bei Valla manifestiert sich die Indisposition in seiner Autoritätskritik, bei Bracciolini in seiner unklassischen und obszönen, d. h. „barbarischen“ Ausdrucksweise, die Valla ebenso der dementia und vesania zuschrieb, diese Injurien jedoch deutlich gezielter als sein Gegenspieler verwendete27. Auch Begriffe, die grundsätzlich der postulierten Gelehrsamkeit zugeordnet werden können, werden in der Regel mit den dazugehörigen Gegenbegriffen kontrastiert. Topische Attribute, die zur Beschreibung für Mitglieder der humanistischen Gemeinschaft verwendet worden sind und gleichsam die fama konstituierten, umfassen doctus und peritus als allgemeine Auszeichnung für die studia humanitatis, elegans, latinus, facundus oder eloquens für das lateinische Ausdrucksvermögen und sapiens für (moralische) Errungenschaften – besondere Hervorhebungen von Leistungen in diesen Kategorien wurden ferner über den Superlativ ausgedrückt28. Die Herabsetzung folgt über die Einsetzung gegensätzlicher Begriffe bzw. über Negationen (inelegans, indoctus, imperitus, etc.), was gleichsam dem Kontrahenten den sozialen Status innerhalb der humanisti-
Exemplarisch Cic. Verr. 2, 1,7, und Cic. Catil. 1, 1. Vgl. Merrill 1975, S. 14 ff.; Craig 2007, S. 335–339. Beispielhaft Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 191: Quanquam Ciceronis autoritas illius beluae insulsam dementiam compescit. […] Sed effrenata innataque redarguendi libido eo hominem insanum deducit. Exemplarisch auch die praefatio von Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 325: Tandem aliquando Podii altera in nos inuectiua in manus uenit, plane serpentina, non sententiis, sed uenenis, non uerbis, sed sibilis, non simplici, sed trifida lingua utens. Für die Tiervergleiche dienten ebenso die Reden Ciceros als Vorbild, vgl. u. a. Cic. Pis. 31, 37, 69, 72. Exemplarisch im Anschluss an Poggios Tirade, Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 231: O Caput asinum. O stolidam ac praeduram ceruicem. O cerebrum omni sale uacuum, wendet er ein Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 331: Quis enim istiusmodi infinita uel aliunde collecta, uel ex se inuenta, dicere nesciat: Non est ingenii aut copiae ista scire, sed dementiae atque uesania passim, et ubi non est opus, ista dicere. Ferner spielt er mit der Streitteilnahme des humanistisch orientierten Arztes Pietro Tommasis, der den Wahnsinn Poggios gleichsam durch seine briefliche Positionierung heilen soll: Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 335: Addam huc literas Petri Thomasii, qui in scribendo uidetur mihi prae se ferre, qua in curandis aegrotis utitur, circumspectionem. Vgl. exemplarisch Valla 1978, Antidotum primum 2, 127 ff., S. 156, der diese Kategorien als maßgebend voraussetzt; Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 205, der seine Darstellung als latine, facunde und ferner, mit Hervorhebung in Bezug auf seine evidentia-Technik, als aperte beschreibt. Zur evidentia-Technik als Markenzeichen Poggios ausführlicher unten, Kap. 3.3.1.1.
3.1 Rhetorische Voraussetzungen der vituperatio
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schen Gemeinschaft symbolisch aberkennen sollte. Nominale Beschimpfungen runden die Kennzeichnung des pathologisierten Dissens ab: Beide bezeichneten sich gegenseitig mitunter als „Verkleinerer“ (detractator), Faselnder (hallucinator), Verführer (corruptor), Haarspalter (rabula), Prahler (iacator) oder Fabeldichter (fabulator). Die insolente und beleidigende Stoßrichtung der Invektive war aus normativer Sicht mit dem humanistischen Moralismus nicht zu vereinen. Beiden Gelehrten schien es daher essentiell, ihre Streitschriften und die einhergehende briefliche Kampagne, mit der sie ihren Streit begleiteten, zu begründen und als legitimes Verfahren bei ihren Adressaten zu lizenzieren29. Obgleich dies einer klassischen Formel entspricht, spricht ihre Anwendung derartigen Rechtfertigungen nicht ihre Signifikanz ab, sondern verstärkt sie noch vielmehr: Sie trugen ebenso zur Aktualisierung der antiken Rhetorik bei, in dessen Tradition sie sich implizit wie explizit verorteten. Auf diese Weise beabsichtigten sie ein Band zwischen Altertum und Gegenwart zu knüpfen30. Beide appellierten an Vernunft, moralische Integrität und die Orthodoxie der humanistischen Gelehrtenwelt, wodurch sie sich als den präsupponierten Anforderungen konforme Gelehrte zu präsentieren versuchten. Des Weiteren zeugt die Applikation von Schimpfworten und infamen Vorwürfen von einer Selbstermächtigung, die sich gegen die gesellschaftlich auferlegte Selbstregulation richtete. Beide Humanisten autorisierten ihre Handlungsweise eo ipso und stellten sich entsprechend über die vorausgesetzten Verhaltensnormen, um ihren Kontrahenten sozial herabzusetzen, d. h. diesen gleichsam außerhalb der gesellschaftlichen Ordnung mitsamt ihren Regeln zu stellen. Dabei ist diese Form des Konventionsbruches, d. h. die Anwendung obszöner Begriffe oder Themenbereiche, selbst eine konventionalisierte Praktik, die als solche angemahnt, mitunter verurteilt wurde, jedoch keinen Beteiligten davon abhielt, diese selbst zu applizieren.
3.1.3 Der virtuelle Gerichtsprozess Das Ziel der Wahrnehmungskontrolle, d. h. die bei der Leserschaft erzeugte Perzeption sowohl seiner selbst als auch seines Gegners, lag in der kommunikativen Herrschaft über den Diskurs und seinen Verlauf. Die Einsetzung von Kontrasteffekten, mitunter durch Auf- und Abwertung der eigenen Person respektive des Kontrahenten durch Verbalinjurien und Herabsetzungstechniken, sollte die eigene Position bestärken
Dieses Verhalten wird in der Psychologie als „(moral) self-licensing“ bezeichnet und meint das Phänomen, dass zuvor als „gut“ wahrgenommene moralische Handlungen als eine Art Lizenz herangezogen werden, um unmoralische Taten begehen zu können. Vgl. Alexander 2013, S. 240 f., hier S. 241: „Humanists justified invective by casting opponents as arrogant provocateurs and themselves as reluctant and therefore modest defenders of their reptuation and honor.“ Zum Rechtfertigungsverfahren vgl. auch Rao 2007, S. 20 f. und 25. Zum topischen Zögern siehe u. a. Cic. Cael. 2,5–6, dazu Stroup 2010, S. 173–176.
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und das grundlegende Oppositionsverhältnis des Streits verfestigen. Entsprechend richteten sich beide Agonisten primär an das als richterliche Instanz eingesetzte Publikum, das sie auf ihre Seite zu ziehen beabsichtigten. Die Entscheidung der Leserschaft über die vorgebrachten Argumentationen sollte sodann den Streit idealiter besiegeln und den Sieger bestimmen. Im Zuge dieses Evaluationsprozesses und der einhergehenden Profilschärfung kamen zwei diskursiven Figurationen eine bedeutende Rolle zu: Zum einen der Inszenierung einer kriegerischen Auseinandersetzung und zum anderen der Aufführung einer Gerichtsverhandlung. Die Kriegsaufführung, d. h. die Anwendung militärischer Wortfelder und die Stilisierung des Konflikts als Schlacht, verstärkte die Ausgangslage zweier scheinbar unüberbrückbarer Haltungen, denen ein Nebeneinander im diskursiven Rahmen ihrer Gemeinschaft abgesprochen wurde; der Sieg über den Gegner (triumphare, vincere) meint im übertragenen Sinn die argumentative Entkräftigung, die mit diskursiven Ausschlussversuchen oder einer (persuasiven oder durch Exklusionsandrohungen forcierten) Rücknahme bzw. Revision der gegnerischen Überzeugung einhergehen sollte. Die diskursive Figuration des Gelehrtengerichts fungierte darüber hinaus nicht allein als rhetorische Übung und Vorführung der eigenen Fertigkeiten, sondern wurde innerhalb der Invektive als dialogisch strukturiertes argumentum eingesetzt, das eine vermeintliche Objektivität und Wahrscheinlichkeit fingierte und dies innerhalb der für die humanistische Gemeinschaft essentiellen Dialogizität, d. h. des simulierten Gesprächs, vorbrachte. Der gesamte Streitdiskurs wurde forensisch konfiguriert, Anklage und Verteidigung wurden mit der Absicht der symbolischen Verurteilung einerseits und die diesem Verfahren inhärente (juristische) Wahrheitssuche andererseits literarisch betrieben. Beide Gelehrte inszenierten ihren Disput als Gerichtsverhandlung, in der sie sich als antike oratores stilisierten und das Publikum von ihrem Fall zu überzeugen versuchten. Die causa musste sich konsequenterweise an der implizit vorausgesetzten Orthodoxie der humanistischen Gemeinschaft orientieren, wie in der Sachgegenstandsanalyse dargelegt wurde. Als Austragungsort wurde ein virtuelles, über die Invektiven erzeugtes Forum eingerichtet, auf dem der Streit performativ ausgetragen wurde31. Das Aufführungsszenario hatte verschiedene Implikationen für den Konflikt als solchen. Zum einen waren die Schriften primär an die symbolisch zu Richtern ernannten Adressaten und nur sekundär an den jeweiligen Gegner gerichtet. Die Streitakteure kanalisierten entsprechend ihre Aufmerksamkeit auf das Publikum. Diese Per-
Das virtuelle Forum bildet sowohl den diskursiven als auch den sozialen Rahmen, wie Bracciolini und Valla mehrfach im Verlauf des Streits unterstreichen. Siehe exemplarisch Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 230: In pluribus declinas forum, in nonnullis tergiuersaris, in quibusdam te praebes transfugam manifestum.Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 351: Itane causam in forum affers, in qua a scholasticis, a pueris quoque refelli facillime possis? Bereits Leonardo Bruni griff auf die diskursive Figuration des Gelehrtengerichts in seiner Invektive gegen Niccolò Niccoli zurück. Siehe Bruni 1979, Oratio in nebulonem maledicum, S. 129: Vos autem qui auditis iudices eritis huius impudentie ac malignitatis, quos rogo uti quemadmodum adhuc fecistis, me benigne attenteque audiatis. Zur Interdependenz von Rede und Öffentlichkeit Robling 2007, S. 33–35.
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formanz wurde zunächst auf der Darstellungsebene initiiert; semantische Wortfelder aus der forensischen Oratorik evozieren den Gerichtsprozess und präsentieren die Sachgegenstände als sanktionswürdige Themenkomplexe32. Auch auf der inhaltlichen Ebene wurde das Gericht als diskursive Figuration durchgängig eingesetzt, um erstens den Aushandlungsprozess als solchen zu markieren, zweitens, um ein dialogisiertes Argument vorzutragen und drittens, um die eigene Positionierung auf die performative Ebene zu verlagern und die Leserschaft in das Streitgeschehen zu integrieren33. Die Gerichtsfiguration ist folglich als eine spezifische Kommunikationsform zu erachten, welche die humanistische Debattenkultur auf einer Metaebene widerspiegelte und die für den Aushandlungsprozess notwendige Publikumspartizipation aktivierte. Die literarische Verhandlungssimulation verdeutlicht die sozialkonstruktive Dimension der humanistischen Bewegung, die den Handlungs- und Wahrnehmungsrahmen der jeweiligen Akteure vorgab und einen mehrheitsgestützten Konsens hinsichtlich ihrer Schaffenskonventionen, zumindest in der Theorie, voraussetzte. Signifikant für die gesamte Auseinandersetzung ist die Stilisierung der humanistischen Gemeinschaft als Gemeinwesen (respublica), das über staatliche, kriegerische und forensische Wortfelder sowie über historische exempla zum Ausdruck gebracht wurde. Eine respublica literaria, wie sie sich begrifflich zunehmend ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durchzusetzen vermochte, wurde in der Bracciolini-VallaKontroverse bereits implizit mitgedacht und sprachlich über eine antikisierte Ästhetik in Form von spezifischen diskursiven Figurationen konstruiert. Der venezianische Politiker und Humanist Francesco Barbaro (1398–1454) erwies sich nach aktuellem Stand als erster Gelehrter, der diese Analogie zog und sich des Begriffes in einem
Zum Beispiel Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 191, der die ihm vorgeworfenen Stil- und Grammatikfehler als Verbrechen bezeichnet und von Beschuldigungen seitens seines Gegners spricht: Id cupat censor noster Valla [...]. Ebd., S. 193: Haec et sexcentas alias ineptias in me confert ridiculas ille barbarus imberbis, quibus nunc barbarismi crimine, nunc malae coniunctionis, nunc malae sonoritatis arguit homo inconditus [...]. Siehe auch Invectiva secunda, S. 208: In iudicium doctorum hominum uocatus Valla, dum detrahendi bonis et doctis uiris crimen diluere conatur, fungitur officio detractoris et in ipsa criminis purgatione nouum crimen adnectit. Dies lässt sich exemplarisch an Vallas Gerichtsinszenierung im ersten Antidotum und Poggios kritischer Analyse ihrer Gestaltung, d. h. ihres aptum in seiner zweiten oratio illustrieren. So stilisiert Valla beispielsweise in seinem zweiteiligen Dialog Apologus beide Gespräche als Gerichtsverhandlungen, in denen er den berühmten Pädagogen Guarino da Verona als Richter einsetzt. Dieser wird aufgrund seiner einzigartigen humanitas und eruditio ausgesucht. Valla 2006, Apologus 1, 1, 9, S. 48: Laur.: Guarine, quaeso te pro tua singulari et humanitate et eruditione te huic facto iudicem praebeas, tui enim artificii est: de lingua Latina agimus, in qua tradenda tu principatum obtines. Die von Hempfer/Häsner/Müller/ Föcking 2001, S. 68, vorgeschlagene Unterscheidung zwischen „in Texten inszenierte, dargestellte, implizierte usw. Performativität“ sowie „die mit Texten realisierte Performativität” können in Bezug auf die Invektive als verschränkt erachtet werden.
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Brief an Bracciolini bediente34. Poggio griff dieses Konzept auf und trug maßgeblich zu seiner Verbreitung bei. Von großer Bedeutung ist dabei ein Brief an Guarino da Verona von Oktober 1433, in dem Bracciolini das Bild einer in einem internen Machtkampf befindlichen Gelehrtenrepublik zeichnete. In dem Schreiben agitierte Poggio bereits gegen den noch am Anfang seiner Karriere befindlichen Valla: Sein Gegner wolle, so Bracciolini, sich mithilfe eines Putsches über die Unterwanderung der scientia litterarum zu einem der drei „Fürsten der lateinischen Sprache“ (principes lingue latine) neben Leonardo Bruni und Guarino erheben. Mit viel Spott charakterisiert er seinen Gegner als Aufrührer, der einen Bürgerkrieg mit seinen mores novi zu entfachen beabsichtige35. Auch in seinen Invektiven gut achtzehn Jahre später positionierte Bracciolini Guarino und den bereits 1444 verstorbenen Bruni als italienische „Lichter“ oder „Schmuckstücke“ (lumina, ornamenta) gegen Valla und evozierte das Bild eines innergemeinschaftlichen Machtkampfes36. Beide Gelehrte repräsentierten den bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts dominanten römisch-florentinischen Gelehrtenstrang, den Poggio als eigene „Schule“ oder „Akademie“ (scola, academia) bezeichnete37. Mit den im Um-
Vgl. Eisenstein 1979, 1, S. 137, Anm. 287. Eisenstein verweist auf Gordan 1974, Ep. 4 im Anhang, S. 196–203, hier S. 197 Anm. 287. Siehe zur Idee der respublica litteraria auch Scholz 2005a, S. 56–66; Grafton 2009, S. 9–34 und Waquet 2017. Bracciolini 1984, Lettere 2, Ep. 4, 14, an Guarino da Verona vom 17. Oktober 1433, S. 179 : [...] ut cum duabus rebus summa gloria pariatur hominibus, armis scilicet et litterarum scientia, quo in loco olim romani imperii per triumviros partitio facta extitit, nunc eodem a quatuor [...]. In dem Brief spricht Bracciolini noch von einem ihm unbekannten vierten Gelehrten aus der Lombardei. Vgl. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 189: Eorum autem qui nostra aetate fuere, praeclarissimos uiros esse dicebat Leonardum Aretinum, Guarinum Veronensem, se tertium Italiae lumen, cum tamen primum locum mereretur, nisi illis paulum humanitatis gratia cedere uellet. Valla weist in seinem ersten Antidotum auch auf den oben besprochenen Brief Poggios an Guarino hin, in dem sich eine ähnliche Formulierung findet. Er will seinen Gegenspieler aufgrund der veränderten Aussage als Lügner entlarvt haben. Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 173, S. 122. Siehe auch die Formulierung bei Bartholomeo Facio, der ebenso von lumina bzw. ornamenta in Bezug auf Bruni und Guarino spricht, Facio 1978, Invective in Laurentium Vallam 1, S. 90: [...] ut neminem putes preter te unum doctum esse, Guarinum atque Aretinum, duo lumina et ornamenta Italie, te ipso inferiores ducens. Zur Bedeutung Guarinos siehe auch Valla 1981, Antidotum in Facium 1, 5, 48, S. 35. Bereits Antonio Beccadelli versuchte, den Pädagogen gegen Valla aufzuhetzen, als dieser mit seinem Dialog De vero bono im September 1433 nach Ferrara aufbrach, um eine Beurteilung des Pädagogen zu erhalten. Guarino wehrte sich jedoch gegen eine Einflussnahme, siehe Guarino 1916, Epistolario 4, Ep. 618, S. 161–162. Auch dieser Interventionsversuch zeigt die immense Bedeutung Guarinos auf, die ihm gemeinhin zugeschrieben wurde. Siehe die an Guarino gerichteten Briefe Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 37, S. 240 (August 1454) [Hervorhebungen durch den Verfasser]: Adde quod tu solus nobis ex illa priori scola relictus es, quem sepius et animo et mente complectar, in quo solo veteris discipline ac suavissime consuetudinis hominum de nobis benemeritorum memoria resedit. Ebd., Ep. 7, 18, S. 347: Considerabis ex tot egregiis doctrina et eloquentia viris, qui in illa nostra antiqua academia versabantur, te solum superesse nobis, quocum tanquam alterum me, hoc est cum amico, loqui possim. Ebd., Ep. 8, 16, S. 408: [...] quoniam tu solus nobis superstes es ex antiqua doctissimorum hominum schola. Siehe auch ebd., Ep. 4, 4, S. 131–133, hier
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kreis von Coluccio Salutati sozialisierten Bruni und Guarino identifizierte er sein eigenes Gelehrsamkeitsverständnis, das sich insbesondere über den permissiven Ciceronianismus ausdrückte. Bruni gehörte zweifelsohne zu den populärsten und einflussreichsten humanistischen Schriftstellern des Quattrocentos, der seinen Einfluss nach seiner Berufung zum florentinischen Kanzler (1427) noch steigern konnte und der Stadt am Arno als führendes Kulturzentrum im literarischen Bereich ein Gesicht gab. Seine Beiträge sind in zahlreichen Handschriften überliefert und sorgten auch nach seinem Tod bis zum Ende des Quattrocentos für eine ungebrochene Nachfrage38. Guarinos Ruf dagegen beruhte auf seiner Schule in Ferrara, wo er die nachfolgende Generation von Humanisten ausbildete; als grammaticus und rhetor fungierte er als Referenzgröße für das Studium der lateinischen Sprache. Seinem Urteil wurde Gewicht beigemessen, weshalb ihm von beiden Agonisten eine Sonderrolle zugewiesen wurde39. Die Integration von Bruni und Guarino in ihren Konflikt, deren Nennung bereits Assoziationen mit ihren innergemeinschaftlichen Stellungen und ihrer Wirkmacht erzeugen sollte, reflektiert die sozialkonstruktiv bedingten Vorzeichen des Streits als öffentlich inszenierte und nicht mehr allein persönliche Empfindsamkeiten betreffende Auseinandersetzung. Mit der symbolischen Einberufung der beiden lumina initiierten sie einen Richtungsstreit, in dem über das mutmaßlich generationsbedingte Verdrängen der bisherigen Wortführer verhandelt wurde. Im Grunde beanspruchten Bracciolini und Valla implizit den Status des dritten lumen und plädierten entweder für die Wahrung oder die Ablösung des bisherigen intellektuellen Kurses. Enea Silvio Piccolomini (1405–1464), der als Gelehrter die Kirchenlaufbahn eingeschlagen und gleichermaßen schnell an (kirchen-)politischen und intellektuellen Einfluss gewinnen konnte, verortete in seiner zwischen 1445 und 1450 entstandenden, jedoch unveröffentlicht gebliebenen Sammelbiographie De viris illustribus die Wortführerschaft vor allem im römisch-florentinischen Gelehrtenkreis. Er rechnete neben Leonardo Bruni, dem die eigentliche biographische Skizze gewidmet ist, auch Guarino da Verona und Bracciolini selbst zu den viri illustres seiner Gegenwart zu40. Quantitativ
S. 131 an Filippo Tifernate: Est enim Guarinius iam solus ex prisco illo nostro antiquo literrarum consortio [...]. Vgl. auch Camporeale 2001, S. 33. Wenngleich Bruni eine Vielzahl an Schriften hinterlassen hat, fehlt es nach wie vor an Biographien und systematischen Studien zu seinem Wirken. Einführend Vasoli 1972 und Hankins 1999, zur Korrespondenz Luiso 1980 und Viti 1992. Zu Guarino bes. Sabbadini 1891 und 1896; umfassend und oft übersehen Thomson 1969; Schweyen 1973 und zum Unterricht Grafton/Jardine 1982, S. 61–82. Überblickend McCuaig 1999. Als Schüler von Manuel Chrysoloras (1355–1415) geriet Guarino in Kontakt mit den florentinischen Humanisten. Vgl. Grafton/Jardine 1982, S. 52. Piccolomini 1991, De viris illustribus, De Leonardo Aretino, S. 34–37, hier S. 35: floruit et Guarinus Veronensis, qui apud Ferrariam oratoriam docet pluresque discipulos erudiuit, qui et Plutarchum De alendis liberis latinum fecit. Hoc etiam tempore magnus est habitus Poggius, qui licet grece lingue ignarus fuerit, nulli tamen in dicendo fuit inferior. Es folgt eine Liste mit seinen Werken, siehe unter anderem zu seinen Facetiae seine ironische Bemerkung, ebd., S. 36: [...] scripsit et Confabulationes, que suis moribus potius quam fame conueniunt.
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steht das poggianische Portfolio in Piccolominis Darstellung direkt hinter der Darstellung von Brunis Wirken. Valla hingegen fehlt in der Sammelbiographie, was die sozio-intellektuelle Konstellation der beiden Agonisten und die Bedeutung des Konfliktes für ihre innergemeinschaftliche Position verdeutlicht: Bracciolini kämpfte im humanistischen Feld um seine zur Disposition gestellte Stellung, während Valla eine Aufstiegschance wahrnahm, die sich aus dem Behauptungs- bzw. Verdrängungsversuch gegenüber seinem Kontrahenten ergab. Die Stilisierung der humanistischen Bewegung als Gemeinweisen, das konsequenterweise eine interne Hierarchisierung von unterschiedlichen Positionen und Abhängigkeitsverhältnissen impliziert, setzt eine meritokratische Funktionslogik voraus. Führerschaft in Form von sprachlicher Deutungshoheit, wie die Kennzeichnung als princeps lingue latine offenbart, musste im forensisch ausgerichteten Streit ausgehandelt werden. Die Gleichsetzungen ihres Disputs mit kriegerischen Unternehmen und Wettkämpfen schöpften Bracciolini wie Valla aus den ciceronianischen und quintilianischen Schriften41. Die rhetorische Kriegsmetaphorik wurde über juristische wie staatliche Wortfelder ergänzt und umfassend innerhalb der respublica litteraria-Figuration appliziert. Folglich standen aus Sicht der Agonisten die Grundlagen ihrer „Gelehrtenrepublik“ zur Debatte. Ihr literarisches Schaffen in Form von brieflicher oder invektiver Kommunikation bedingte aus ihrer Selbstwahrnehmung heraus die soziale Verfasstheit der humanistischen Bewegung.
3.2 Konformitätsprüfung und Inszenierungsformen Bracciolini und Valla traten als äußerst produktive Schriftsteller in den Streit ein, die eine Vielzahl an Beiträgen vorlegen konnten und entsprechend um die endliche Ressource der Aufmerksamkeit rangen. Ihre literarischen Errungenschaften bewarben sie in einem ausgeprägten „self-fashioning“ als fremdreferentiell bestätigte Leistungen, die ihnen ihre gemeinschaftliche Stellung als Wortführer zuweisen und ihren Ruf (fama, nomen) begründen sollten42. Das dem Streit inhärente Evaluationsverfahren beschränkte sich nicht allein auf die literarischen Meriten, sondern wurde ebenso zur Dekonstruktion ihrer Geltungspostulate appliziert, was auf eine Konformitätsprüfung hinauslief. Beide Agonisten versuchten sowohl die gemeinschaftlich-intellektuelle als auch religiöse Orthodoxie ihres Gegners zu begutachten und zwar allein mit der Absicht, Deviationen und
Beispielsweise Cic. de orat. 2, 293: Summa denique huius generis haec est, ut si in refellendo adversario firmior esse oratio quam in confirmandis nostris rebus potest, omnia in illum tela conferam [...]. Auch Quint. inst. 5, 12, 17: Quod eo diligentius faciendum fuit, quia declamationes, quibus ad pugnam forensem velut praepilatis exerceri solebamus [...]. Dazu mit weiteren Belegstellen Rebhorn 1995, S. 34–35. Dazu auch im Bezug auf Petrarcas Invektive gegen einen Arzt Enenkel 2010, S. 122: „Der Streit um den ‚Namen‘ d. h. um den literarischen Ruhm, führt in Petrarcas Invective contra medicum die Diskursregel der antiken Invektive in eine zeitgenössische Kontroverse zwischen intellektuellen Gruppierungen um das Recht zur Autorrede hinüber.“ Dies gilt selbstredend auch für die innerhumanistischen Konstellationen.
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Fehlverhalten zu identifizieren und im Anschluss anzuprangern. Der eingeforderte Ruf bestand ebenso aus einer moralischen Komponente, weshalb die beiden Gelehrten ihre polemischen und beleidigenden Invektiven zunächst als rechtmäßige Schriften beim Publikum legitimieren mussten. Die Inszenierungsformen sowie die einhergehenden (moralischen) Begutachtungen sollen im Folgenden in den Blick genommen werden.
3.2.1 Reputationsverteidigung und invektive Motivation Bracciolini und Valla bauten die Rechtfertigungen ihrer Invektiven auf zwei Grundmotiven auf: Poggio bezichtigte Valla eines krankhaften Geltungsdranges, der mit einer übertriebenen und seinem Umfeld geringschätzenden Selbstdarstellung einhergehe; ex aequo reflektiere seine Selbstpräsentation sein philologisches Vorgehen, was sowohl die Methodik als auch seine Persönlichkeit delegitimieren sollte. Aus der faktischen Gleichsetzung des Autors mit seinen Schriften resultierten unweigerlich Analogieschlüsse vom persönlichen Lebenswandel auf die Veröffentlichungen und vice versa. Valla warf seinem Gegenspieler dagegen Eifersucht (invidia) auf sein Werk vor, die sich aus seinem altersbedingten geistigen Zerfall ergebe und eine für intellektuelle Schaffensprozesse grundlegende Kluft zwischen den Generationen offenbare. Poggio verteidigte die Veröffentlichung seiner ersten Rede mit dem Umstand, dass er persönlich durch Vallas Briefbandkorrekturen angegriffen worden sei, was, wie oben bereits ausgeführt, eine schriftliche Vergeltung und Wiederherstellung des eigenen, vermeintlich beschädigten Renommees erforderlich mache. Konsequenterweise zeichnete er seinen Gegenspieler als Aggressor. Die Eingriffe in seine Briefsammlung stellten ihm zufolge eine Beleidigung (iniuria) und Schmach (contumelia) dar und seien gegen seine „Verdienste des Ruhmes und Ansehens“ sowie seines „intellektuellen Rufes“ (laus honoris et existimationis und fama ingenii) gerichtet gewesen. Die beinah pleonastisch anmutende Dreifachnennung seines zur Disposition gestellten Sozialprestiges unterstreicht seine Bedeutung als soziale Kategorie und feldspezifische Währung, die für die Beanspruchung und Bestärkung der eigenen Position grundlegend war. Aber auch die Ehre, d. h. die persönliche Integrität und Anerkennung, mit der Poggio als Gelehrter operierte und welche er in sein „self-fashioning“ integrierte, wurde durch die sprachlichen Verbesserungen seines lateinischen Ausdrucksvermögens abgewertet43. Die Begriffe laus,
Als direkte Replik auf Bracciolinis zurückgewiesene Schmähung korrigiert Valla die zur Begründung von Poggios Invektive essentielle Formulierung bezüglich seines vermeintlichen Reputationsverlustes und kürzt den Satz gemäß seiner elegantia-Konzeption erheblich ab. Dies dient nicht nur einer weiteren philologischen Machtdemonstration, sondern sollte dem Anliegen seines Kontrahenten die Relevanz entziehen – eine unelegante Ausdrucksweise konnte dem vallianischen Sprachformalismus zufolge keine bedeutungsvolle oder ernstzunehmende Aussage generieren. Valla 1978, Antidotum primum 3, 10–16, S. 184, wo er den aus siebenunddreißig Worten bestehenden Einleitungssatz der oratio prima, Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 188: Si quibus in rebus honestum est consensuque omnium
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in der Regel im Plural laudes verwendet und als fremdreferentiell zugewiesene Verdienste, (beglaubigte) Leistungen oder als Belobigungen zu übersetzen, gloria als (literarischer) Ruhm und fama oder nomen als allgemeiner Ruf, erwiesen sich als soziale Primärkategorien innerhalb des Streites, welche den innergemeinschaftlichen Stand umschreiben und folglich von beiden Akteuren als symbolische Affirmation ihres Wirkens beansprucht worden sind. Der Begriff gloria wird jedoch unterschiedlich aufgefasst: Valla deutete diesen positiv als höchste Auszeichnung, die er expressis verbis zu erlangen suchte; für Poggio hingegen war die gloria im Streitdiskurs negativ konnotiert: er assoziierte sie allein mit Vallas ehrgeizigen Bestrebungen. Seine durch die Provokation bedingte Reputationsverteidigung lud Bracciolini moralisch auf und schmückte diese mit einer Sentenz Sallusts aus, die besagt, dass der Böse durch Wegschauen an Stärke gewinne, was der erlittenen Schmach eine neue Dimension verleihen und die Grundsätzlichkeit des Konflikts zwischen beiden Gelehrten betonen sollte. Der Leserschaft wurde signalisiert, dass bei dieser Auseinandersetzung weitaus mehr auf dem Spiel stand als die persönliche Betroffenheit, was ein entschiedenes Vorgehen rechtfertigen sollte44. Wie oben gezeigt verband Poggio die Beleidigung gegen sein lateinisches Ausdrucksvermögen mit der vallianischen Autoritätskritik, die weder antike noch kontemporäre Gelehrte von Schmähungen verschone und allein dem eigenen Geltungsdrang zugutekomme. Implizit ordnete er sich dem mehrfach aufgelisteten Autorenkatalog zu, den Valla wahnhaft ablehne; er stilisierte sich als Verteidiger der antiken Schriftsteller, wodurch er sich eo ipso die Rolle eines Wächters über eines der Grundprinzipien der humanistischen Gemeinschaft – die auctoritas – übertrug. Ferner legitimierte er seine defensio über einen Rekurs auf die antiken Bezugsinstanzen: Er verweist explizit auf Ciceros Reden und die Streitschriften des Kirchenvaters Hieronymus, die jeweils zu einer entsprechenden Reaktion provoziert worden seien. Parallel wurde der eigene Streit als intellektuelle
permissum, iniuriam propulsare, in his maxime prudentis officium hominis esse debet, ut contumeliam depellat, in quibus honoris et existimationis laus aut ingenii fama a maliuolis in discrimen adduci uideatur, auf zwanzig Worte verkürzt und die syntaktische Gestaltung erheblich erleichtert: Siquando honestum est consensuque omnium permissum iniuriam propulsare, tunc certe honestum permissumque est, cum honor et existimatio in discrimen aducitur. Vgl. auch zum honor Celenza 2004, S. 115–133, mit Bezug auf Bracciolini und Valla S. 129–130. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 188: Faterer satius esse quandoque tacere aduersus animo et mente captos, nisi secundum Salustii sententiam: Malus fieret improbior ubi negligas [Sall. Iug. 31, 28]. Et satis compertum est saepius ex reticentia animos illis adiici ad contumeliam inferendam. Itaque existimans persaepe necessarium esse castigare insanos, quo caeteri sint ad iniuriam tardiores, sequar uulgi opinionem, qui iustum putant lacessitum iniuria parem gratiam referre. Dazu auch Alexander 2013, S. 244 f.
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Kontinuität der republikanischen und patristischen Zeit ausgeschmückt, was diesem eine hohe historische bzw. epochenmachende Relevanz zuschreiben sollte45. Bracciolini warf seinem Gegenspieler prinzipiell einen wahnhaften Ehrgeiz vor, der sich in einer narzisstischen Hybris manifestiere; sein Anspruch auf Führerschaft in allen Disziplinen sei allein durch Ausschaltung jeglicher antiker wie kontemporärer Konkurrenz möglich. Entsprechend zeichneten sich ihm zufolge Vallas Schriften durch eine grundlegende Polemik aus, in denen er jegliche Abweichungen seiner eigenen Ansichten und Erkenntnisse zu schmähen versuche46. Die Diffamierungen antiker Autoritäten verurteilte Bracciolini als respektloses und einem doctus unwürdiges Verhalten. Die linguistisch-doktrinäre Kategorie auctoritas ist ebenso als moralisch aufgeladener Vorbildsträger zu verstehen, mit dem die Humanisten sich in einem intimen Dialog wähnten. Poggio veranschaulichte die vallianische Verachtung durch die Auswahl an negativ konnotierten Verben der Herabsetzung, Verwerfung und auch der physischen Gewalt: „verachten“ (contemnere), „kritisieren/zurechtweisen“ (reprehendere), „beschuldigen/tadeln“ (culpare), „ablehnen/verschmähen“ (aspernari), „angreifen“ (lacessere), „verdammen“ (damnare) und „züchtigen“ (castigare) – seine Beiträge wurden folglich performativ wahrgenommen und als Sprechakte aufgefasst; Valla attackiert in diesem Bild „tätlich“ jegliche Gelehrte, um ihrem Ruf und ihrer Autorität zu schaden47. Dem invektiven Topos entlehnend bezeichnete Poggio das abnormale Verhalten als facultas, libido, cupiditas oder auch studium detrahendi. Auf diese Weise ließ er Valla dem ciceronianisch geprägten Tyrannen gleichkommen, der Recht und gesellschaftliche Norm für seine eigene Interessenswahrung beugt und von einer anomischen Begierde angetrie-
Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 217: Sed quid mirum fanatice Apollo, si in aliquos sum inuectus ad meam defensionem. Nonne est hoc usitatum? Nonne iure homini concessum? Scripsit Caesar nulla contumelia accepta, sed laudibus Ciceronis permotus contra Marcum Catonem perfectissimum, doctissimum, ac sanctissimum consensu omnium uirum. In quem tu quoque latrans coniicis inuidiae crimen. Scripsit Cicero in Pisonem, in Marcum Crassum, in Marcum Antonium, in Catilinam, in consulatus competitores. Scripsit beatus Hieronymus in suos detractores, multique alii id egerunt egregii doctrina uiri. Fuit enim semper sui defendendi ratio honestissima. Itaque fateor me quoque iusta causa commotum scripsisse in aliquos et in te praesertim rabulam nequissimam, a quo fueram nullam meam ob culpam prouocatus. Der Vorwurf des Geltungsdranges zieht sich durch alle fünf Reden, exemplarisch Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 190: Pari stulticia uel potius amentia arbitiratur noster Valla, ex caeterorum omnium explosione, ad se unum omnis doctrinae, omnis eloquentiae, omnium liberalium artium facultatis famam et gloriam peruenturam, solumque se futurum cui pro uiro doctissimo assurgatur, cui dicendi artis palma deseratur, qui salutetur in foro, celebretur in theatris tanquam unicus Mineruae filius in musarum gremio educatus. Sed nescit homo insulsus quanta eum doctorum uirorum derisio et subsannatio ob eius tam apertam iactantiam subsequatur. Hierfür verarbeitet Bracciolini die von Valla mehrfach geäußerte Selbstwahrnehmung als universaler Zensor. Exemplarisch und besonders anschaulich dargestellt in Bracciolini 1964d, Invectiva tertia, S. 236, wo Valla vor dem Teufel das Versprechen abgibt, dass er [...] tum detracturum mortuorum famae, uiuorum laudem oppugnaturum, ebd. S. 237: Exercitatum se praeterea diutius in corripiendo, damnando, criminando doctos et excellentes uiros.
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ben wird48. Ebenso schwingt hier eine ambitio als sündhaftes Verlangen mit, das mit dem ubiquitären Häresievorwurf korrespondiert. Das als krankhaft gezeichnete Herabsetzungsverlangen Vallas strukturiert motivisch alle Reden Poggios und wird modifizierend in unterschiedlichen Kontexten zur Visualisierung seines Verhaltens appliziert. Vallas Geltungsdrang sei Bracciolini zufolge selbstevident, wofür er primär Auszüge aus seinen Invektiven vorbringt und ihm seine eigenen Rechtfertigungen geschickt vorzuhalten vermag. Mehrfach weist er seinen Gegenspieler für dessen Bemerkung zurecht, er habe den herkulischen Knüppel aus der Hand Priscians entrissen, als er diesem mit einem vergilianischen Beispiel widersprach, um auf diese Weise zwei antike Schriftsteller gegeneinander auszuspielen49; ebenso hebt er Vallas Impertinenz hervor, die sich unter anderem in seiner Gleichsetzung mit Cicero oder auch in seiner Bekundung ausdrückt, „die Unvergänglichkeit des Ruhmes“ für sich reklamiert zu haben50. Die in seinem Ausdrucksvermögen manifest gewordene Respektlosigkeit sollte seinen Hochmut belegen; ferner setzte Poggio den inhaltlichen Widerspruch gegenüber antiken Bezugsinstanzen mit moralischen Vergehen gleich, die er in seiner zweiten oratio noch mit Beispielen aus Vallas Leben auszuschmücken wusste. Auf diesen Punkt wird noch unten ausführlich einzugehen sein. Der großspurige, und doch in seinem Kontext deutlich als ironisch zu klassifizierende Ausspruch Vallas, seine „berühmten“ Elegantiae seien von allen Gelehrten als Pflichtlektüre heranzuziehen sowie die Behauptung, dass seine linguistischen Regeln „vergoldet“ seien, provozierte ebenso entschiedenen Einspruch sei Vgl. beispielsweise Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 191; Invectiva secunda, S. 208 und 214. Siehe Cic. Pis. 16, dazu vgl. MERRILL 1975, S. 203 f. Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 2, 133, S. 158: Extorsi item Herculeam de manu Prisciani clavam dum de verbis desiderativis loquens exemploquoque Virgiliano utitur [...]. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 211: Quippe qui de Prisciani tanquam de Herculis manu clauam eripit, qui mortuum in pugna superat et de manu eius eripit ignorantiae clauam. [...]. S. 229: Tu te clauam herculeam de manu Prisciani extorquentem introducis. Valla 1978, Antidotum primum 2, 123, S. 155: Qua de re tam multa ego tamque egregia tradidi ex summis auctoribus observata ut putem me satis ad eternitatem glorie vel ob id capitulum [scil. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 2, 1, S. 188–206] comparasse et posse inter prestantes enumerari scriptores, quem illiquoque quos reprehendi si reviviscerent admirarentur [...]. Vgl. die Auslassung Poggios, Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 211 f.: Tu inter praestantes scriptores enumerandus, qui ne mulionibus quidem aequiparandus esses. Id solum a te est prolatum uerissime, illos quos reprehendis admiraturos si reuiuiscerent, tantam in te esse dementiam, tantam insaniam, tantam iactabundam proteruitatem, ut tibi uendicare audeas quod in ipso Cicerone uitio datum esset. Elapsum est fere e manibus ob negligentiam ostentationis genus inauditum et admodum praedicandum. Siehe Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 210: Mitto quod ais [Valla 1978, Antidotum primum 2, 108, S. 150]: «Cicero abs te cum me uituperas uituperatur». Magna Ciceronis Vallea consuetudo et cognatio intima, ut alter in alterius uituperatione comprehendatur. Ähnlich auch sein Widerspruch gegenüber Vallas Aufforderung, man solle ihm für seine Mühe, seinen Eifer und sein Werk danken. Illa miror magis, in qua tua insolens iactantia deprehenditur, ais alio in loco [Valla 1978, Antidotum primum 2, 65, S. 140]: «Libet mihi gratulari nonnihil labori, studio, ingenio, operi meo». Nulla in his uerbis iactantia continetur. Sane sibimet solus, postquam ab aliis ea cura abest. Quid est belua, in quo praeter ignorantiam, stulticiam, dementiam et uitae probra gratulari queas? Potius esset certe tuae insaniae miserandum. Illa uero iactantia palinaris.
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tens Poggios, den er mehrfach in seinen Invektiven wiederholte51. Er stellte Vallas Superioritätsanspruch nicht nur in Abrede, sondern zog diesen ins Lächerliche. In Bezug auf die symbolische Veredlung seiner Elegantiae fragte Bracciolini rhetorisch, aus welchem Metall die Regeln der übrigen Autoren wie Aristoteles, Platon, Cicero und Seneca bestehen würden, die er augenscheinlich herabgesetzt habe52. Valla warf ihm sodann wortspielerisch eine für ihn typische Kontextmissachtung vor und stritt vehement ab, dass er sich mit derartigen Aussagen rühmen wolle53. Mit mehreren Zitaten aus Vallas Werken vermag Bracciolini durchaus fundiert seinem Gegner eine übermäßige Konzentration auf die gloria nachzuweisen, die Valla selbst zwar permanent leugnete, nichtsdestoweniger, seiner ambivalenten Argumentationsstrategie folgend, in anderen Zusammenhängen affirmierte und die Vorwürfe de facto bestärkte. Valla beklagte auch in dieser Hinsicht die Anwendung von Strohmännern und hielt seinem Gegner vor, dass er ihn zu solchen hochmütigen Aussagen bewusst provozieren würde. Er kontrastierte seine eigene Prahlerei (iactantia) mit Poggios mehrfach postuliertem, wenngleich weitaus weniger kämpferisch formuliertem Geltungsbedürfnis, das er mit einem Rekurs auf die Historia disceptativa und die Facetiae zu belegen versuchte54. Der Streitverlauf war entsprechend durch ein Wechselspiel von Unterstellungen und Rechtfertigungen bedingt, bei welchem das einzige Ziel darin bestand, die eigene unabänderliche Position zu behaupten. Letztlich konnte durch diese Form der Widerspruchsdialektik keine Konzilianz erreicht werden; stattdessen perpetuierten und verfestigten beide
Valla 1978, Antidotum primum 2, 220, S. 180: O igitur opus ipsum preclarum, o libros omnium lectione dignos, o aurea Laurentii precepta, que in ardentissima fornace Pogiana nihil tamen damni fecerunt! Die Bemerkung findet am Ende des zweiten Buches in der peroratio statt, in der Valla unter anderem Poggio ironisch für seinen Widerspruch dankt und sich ebenso direkt an das Publikum wendet. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 212: Ridere profecto sum coactus ad temerariam huius fatui de se praedicationem. Si aurea huius fatui praecepta sunt censenda, quod metalli genus Aristotelis, Platonis, Ciceronis, Senecae, caeterorumque priscorum praeceptis attribuemus? Plumbum ut opinor. Sed haec dementer ut reliqua. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 338: Tandem ego te esse cum scirem, non fuissem serio gloriatus, quod ex tuo igne autum meum nihil damni fecisset? Itaque sicut tuae imbecillitati per ironiam insultaui, ita per ironiam mea praecepta aurea uocaui. Geschickt spielt Valla mit den verschiedenen Metallen und seiner im gesamten zweiten Antidot verwendeten Gleichsetzung Poggios mit einer fornax. Vgl. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 338; Bracciolini 2019, Historia disceptativa tripartitia convivalis 1, Praef., 1, 1, S. 70: Ego sane, quo me ex eorum vulgo eximerem de quorum otio parum constat, non nulla hactenus conscripsi, quae, iam inter multos diffusa, longiorem mihi paulo post obitum vitam allatura videantur. Bracciolini 1983, Facezie, Praef., S. 108: [...] satis mihi factum ad illorum existimationem [scil. nostri maiorum] putabo. Valla spielt auch auf die Eigenaussage Poggios in seiner zweiten Invektive an, siehe Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 219: At ab reliquis aliquanto quam tu doctioribus probantur, leguntur et in ore et manibus habentur [...] diffusa sint per universam Italiam et ad Gallos usque Hispanos, Germanos, Britannos, caeterasque nationes transmigrarint qui sciant loqui latine.
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Streitakteure die agonale Ausgangslage, um die Eskalationsspirale unvermindert aufrecht erhalten zu können. Seinem Kontrahenten gleichtuend psychologisierte und pathologisierte Valla Poggios Verhalten. In einer sermocinatio fragt er nach der Motivation seines Widersachers, ihn ohne vorherige Provokation angegriffen zu haben. Bei der sermocinatio handelt es sich um eine für eine spezifische Person fingierte Rede, die, um nach klassischer Lehre rhetorisch effektiv sein zu können, sich einerseits am Charakter des Sprechers orientieren und andererseits als wahrscheinlich wahrgenommen werden muss55. Valla legte dem Humanisten und florentinischen Gesandten Giannozzo Manetti (1396–1459) eine Beratungsrede in den Mund, auf die Poggio vor der Komposition seiner ersten Invektive hätte zurückgreifen sollen. Manetti war in Rom zwischen dem 6. Februar und 5. Mai 1452 aus diplomatischen Gründen bei der Kaiserkrönung Friedrichs. III. (1314–1493) anwesend; bei einer Zusammenkunft, wie Valla in seinem zweiten Antidotum erläutert, zog er den Florentiner als Begutachter seines ersten Antidotum heran und erhielt nach Eigenaussage eine positive Rückmeldung56. Bei Manetti, der in diesem Zusammenhang implizit als Leumundszeuge aufgerufen und in den Streit als unbeteiligter Dritter integriert wird, handelte es sich um einen in der humanistischen Gemeinschaft angesehenen und politisch aktiven Gelehrten, der gute Beziehungen zu Papst Nikolaus V. unterhielt und im florentinischen Zirkel verkehrte. Poggio stellte Valla einen eigenen Landsmann entgegen, der sich ebenso als Moralist spezialisierte und im Übrigen andere politische Ansichten als er selbst vertrat57. Über die grundsätzliche argumentative Verwendung von Leumundszeugen wird im vierten Kapitel noch ausführlicher zu sprechen sein. In der sermocinatio legte Valla über die persona Manetti seinem Kontrahenten nahe, auf eine invektive Ahndung aus drei Gründen zu verzichten: Erstens aufgrund seines hohen Alters, zweitens aufgrund der unsicheren Beweislage für die Valla vorgeworfenen Vergehen, namentlich die Briefbandkorrekturen und die Autoritätskritik, und drittens aufgrund der ihm drohenden Konsequenzen. Den ersten Punkt unterstreicht er geflissentlich und rät dem zum Zeitpunkt der Invektive zweiundsiebzigjäh-
Zur rhetorischen Technik der sermocinatio vgl. Rhet. Her. 4, 52, 65 und Quint. inst. 9, 2, 29. Siehe außerdem bes. Lausberg 1990, S. 407–411, §§ 820–825. Vgl. zu Manetti bes. jüngst die erste vollständige Biographie von Marsh 2019a. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 335: Etiam de opere meo Florentia iudicasse dicenda est. Quandoquidem Iannotius Manettus uir eruditissimus, cum legatus Florentinorum hic esset, cui defensionem causae meae [scil. das Antidotum primum] ostendi [...]. Manetti soll ausgerufen haben: «Nonne diuinaui? Nonne praedixi fore, ut Pogium poeniteret? Pogius semper erit Pogius, semper erit fatuus: Pogius patriae nostrae dedecori potius quam decori est». Zu diesem Hintergrund auch Camporeale 1972, S. 377–379 und 459–461. Ari Wesseling 1978, S. 87, Anm. 16, weist in der Edition zum Antidotum primum auf die gegensätzlichen politischen Positionierungen Bracciolinis und Manettis gegenüber den Medici hin, die im Laufe des 15. Jahrhunderts ihren Einfluss in Florenz umfassend auszubauen verstanden. Während ersterer bis kurz vor Ende seines Lebens als offener Sympathisant der florentinischen Dynastie auftrat, kam es zu Spannungen zwischem letzteren und Cosimo de’Medici (1389–1464).
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rigen Poggio, seine Karriere schnellstmöglich zu beenden, ehe er sich durch derartig unbelegte Behauptungen lächerlich mache und seinen Ruf schädige. Dabei greift er auf eine martialische Metaphorik zurück und bezeichnet Poggio einmal als Veteran (veteranus) und einmal als Gladiator, der den Kriegsdienst bzw. die Arena verlassen sollte. Als positive Vorbilder nennt er Entellus und Crassus; in Wirklichkeit, so suggeriert Valla, strebe Poggio altersbedingt nach Ruhe und Sicherheit (quies und securitas) anstelle von forensischen Kämpfen (pugnae). Er solle eine „milde“ und „gelassene“ Redeweise für sich kultivieren, die noch nicht ergraut sei (canescere) wie die seine58. Den zweiten und dritten Punkt schmückt er mit pejorativen Bemerkungen über sein Alter aus und droht ihm – indirekt über Manetti – Vergeltung an59. Dabei nimmt er Bezug auf seine eigenen vorherig stattgefundenen und erfolgreichen „Kämpfe“ und warnt ihn davor, dass eine derartig mit Missgunst und Hass (livor et odium) aufgeladene Invektive negativen Einfluss auf seinen eigenen postumen Ruf haben werde, wie insbesondere seine Streitereien mit angesehen Gelehrten gezeigt haben sollen60. Als Abschlussbemerkung erinnert die persona Manetti ihn daran, nicht als homo maledicus im Gedächtnis seiner Mitmenschen verhaftet zu bleiben61 Valla schreibt seinem Gegenspieler, der, wie er betont, sogar sein Großvater sein könnte, eine altersbedingte Schwachsinnigkeit vor, die sich vor allem durch sein dem Alter unwürdiges und kindisches Verhalten ausdrücke; seine in seinen Invektiven zum Vorschein kommende Bitterkeit werde ferner durch die intellektuelle Superiorität der jüngeren Gelehrten angetrieben und sei grundsätzlich unangebracht und daher abzulehnen62. Wie Bracciolini pathologisierte er seinen Gegner mit dem ciceronianisch geprägten Topos der Geisteskrankheit und erklärte ihn zu einem untragba-
Valla 1978, Antidotum primum 1, 17–26, S. 86–88, hier 1, 17, S. 86. Valla rekurriert auf Verg. Aen. 5, 394–400 und Cic. de orat. 1, 255. Zur cana oratio vgl. Quint. inst. 11, 1, 31 und Cic. Brut. 2, 8. Exemplarisch Valla 1978, Antidotum primum 1, 24, S. 88 in Bezug auf die Autoritätskritik sehr gehässig: «Quanquam o te, Pogi, [...] quid tibi cum causa mortuorum? An quia prope diem ipse moriturus es et ad illos iturus? At ego tibi pro nostra amicicia suadeo ut, et si parum victurus es, tamen vivorum tibi studia concilies, quo te viventem atque defunctum honorifica memoria prosequantur.» Valla 1978, Antidotum primum 1, 24–25, S. 88 mit einer Auflistung an Gelehrten, mit denen Poggio sich zerstritten hat, darunter Francesco Vellata, Francesco Filelfo, Giovanni Aurispa, Tommaso Morroni da Rieti, Guarino da Verona und Jacopo Zeno. Dazu ausführlicher unten, Kap. 4.1.1. Direkt dazu siehe Appendice 1 von Wesselings Edition, Valla 1978, S. 245–251. Valla 1978, Antidotum primum 1, 26, S. 88: «Cave igitur, mi Pogio, saltem in vite extremo, ne si cetera nequeant, hoc saltem possint dicere, te hominem esse maledicum; nam maledico cuncti male volunt. Ex quo illud certo scio assequeris, ut agendo modeste Laurentium cogas in te agere modestum.» Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 325: Se non, quemadmodum multis senibus contingit, senectute deficere, sed indies magis ac magis acerbitate proficere, nec pati, ut a iunioribus superetur. Zum vermeintlich langen Kompositionszeitraum der ersten poggianischen Rede siehe Valla 1978, Antidotum primum 1, 15, S. 86 [...] nam eam [scil. invectivam] plus quam per octo menses utrobique composuit. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 214, sah sich dazu genötigt, diesen Umstand mit beruflichen wie privaten Verpflichtungen (publica et priuata negocia) zu entschuldigen, wodurch er ebenso auf seinen sozialen Stand verwies und einen Kontrast zu Vallas Status zeichnete.
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ren Mitglied der humanistischen Gemeinschaft, das aufgrund seiner ihm aus der Ferne diagnostizierten Demenz sich entweder freiwillig zurückziehen oder explizit ausgeschlossen werden müsse. Über den weitestgehend respektvoll gestalteten Rat Manettis werden ihm zwar intellektuelle Errungenschaften zugestanden, doch die Stoßrichtung ist, Vallas Originalitätsprinzip und Musterargumentation entsprechend, eindeutig: Die ältere Generation müsse über Kritik und Tadel demonstrativ überwunden und den jüngeren Gelehrten, zu denen Valla wie auch der Florentiner Manetti gehören, die Führung überlassen werden. Poggio erscheint im vallianischen Portrait als isolierter und gekränkter Greis, der nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist und die aktuellen Entwicklungen der humanistischen Gemeinschaft nicht mehr nachzuvollziehen vermag. Rekurse auf Poggios Alter werden im Antidotum mehrfach eingesetzt; ferner bestätige Valla zufolge die verzögerte Abfassungszeit seiner ersten oratio seinen geistigen Abbau63. Interessanterweise setzte Valla im Hinblick auf die zahlreichen Dispute, in die Poggio verwickelt gewesen war, auf dasselbe Bild, das sein Kontrahent von ihm durchgängig zeichnete, nämlich als einen bei ihren Zeitgenossen verhassten Unruhestifter, der sich durch Herabsetzung einen Namen zu machen versuche. Dem Publikum wollte Valla suggerieren, dass im Konflikt nicht die Grundsätze der humanistischen Gemeinschaft zur Disposition gestellt werden. Vielmehr habe sich Poggio aufgrund von Eitelkeit und Missgunst fälschlicherweise herabgesetzt gefühlt und ihn daher, stellvertretend für die gesamte von Valla repräsentierte Generation, zu schmähen versucht64. Des Weiteren beklagte er mehrfach, dass Bracciolini letztlich krankhaft seine eigenen Unzulänglichkeiten auf Valla projiziere. Auf die Manetti in den Mund gelegte Beratungsrede reagierte Poggio zweifach: Zunächst legte er eine Metakritik an den rhetorischen Formalitäten vor: Er bezichtigte Valla eines Angriffes auf die dignitas und sapientia Manettis, den er ungerechtfertigterweise als accusator und increpator habe gegen ihn auftreten lassen. Mit der sermo Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 2, 211–214, S. 178. Als Replik auf Poggios Kritik (Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 202) an der Formulierung tertius et prope quartus annus agitur im fünften Vorwort der Elegantiae (Valla 1999, De linguae latinae elegantia 5, Praef., S. 550–552, hier S. 550), wo ihm zufolge prope durch fere aufgrund fehlender Präzision eingesetzt werden müsse, erklärt Valla die Funktion als Zeitangabe (Poggio fasst prope als Adverb zur Ortsangabe). Die klassische Wortbedeutung expliziert er spielerisch – und herabsetzend – mit Bracciolinis Alter und seiner ihm zugeschriebenen Demenz. Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 9–12, S. 84; I 30, S. 90. Den altersbedingten Neidvorwurf weist Poggio indigniert zurück, auszugsweise Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 208–209: Nam cum inuidere, ut Ciceroni placet, animis uidendo sensum trahat, ego autem senex parum uideam, ita ut ocularibus mihi sit opus, non potest hoc uitium uere ascribi mihi. Sed fac me inuidum: Quae inuidia habenda est homini uesano, cui pudor habetur pro impudentia, furioso, stulto, petulanti propter opus illud insulsum a te adeo decantatum, quod omnes qui aliquid sapiunt, ob eius absurditatem in latrinas ad tergendas nates iudicant esse abiiciendum? [...] Non est, non est cur Valla noster me inuidum appellet. Nisi forsan existimet se parum pro sua dignitate a me esse in prima oratione mea laudatum. At bono sit animo, efficiam profecto ut copiosius enarrem uirtutes posthac suas, atque ita ut se bene et opulenter a me neque docto, neque copioso dicendi exceptum putet.
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cinatio habe er seinem geringschätzenden Habitus entsprechend dessen Ansehen, konkret sein nomen, seine fama und seine laus „befleckt“ (coinquinare). Als Gegenschlag schlug er skizzenhaft eine an seinen Gegenspieler gerichtete alternative Beratung vor, die seine ihm vorgeworfene Verhaltensweise, d. h. seine auf Herabsetzung, Lügen und Schaden abzielende Sprache und die damit verknüpfte philologische Methodik (natura maledica, lingua uenefica und scientia detrahendi) in den Vordergrund rückte65. Das poggianische Argumentationsmuster, d. h. die Betonung von Vallas Autoritätskritik und seinem Herabsetzungsdrang, wurde in nahezu jedem Kontext topisch eingesetzt. Über konstante Wiederholung sollte dem Publikum eindringlich ein stimmiges Bild präsentiert werden, das durch Vallas Reaktionen sich selbst perpetuieren und bestätigen sollte. Gegen diese Anschuldigung wehrte sich Valla wiederum mit der Betonung ihres gefestigten Verhältnisses und der vermeintlichen Geringschätzung Manettis gegenüber Bracciolini66. Ebenso formulierte Poggio eine eigenständige Beratungsrede, die er Vallas namenloser Geliebten, der mutmaßlichen Magd seiner Schwester, zuschrieb 67. Die Handlungsanweisung seiner Konkubine fand, so erzählt Bracciolini, unmittelbar nach Vallas Lektüre seiner ersten oratio statt, die ihn niedergeschlagen, „halbtot“ und tief verletzt zurückgelassen habe. Daraufhin munterte sie ihn auf, wofür Poggio Eigenaussagen seines Gegners ironisch verarbeitete. Sie ermahnt ihn, sich publizistisch gegen Poggio zur Wehr zu setzen; ferner appelliert sie an seine Männlichkeit und fordert ihn dazu auf, ausdrücklich Lügen zu verbreiten und Verbrechen zu erdichten, da sie womöglich vom Publikum für wahr gehalten werden können. Die Ideen kommen in
Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 215: Iannotio [M]aneto Florentino uiro clarissimo accusatoris, increpatorisque partes tribuit. Facis haud parui faciendi iniuriam illo uiro doctissimo, qui eius nomen, eius famam, eius laudem tua turpitudine coinquines. Ebd., S. 216 f.: Sed ut ad Iannotii uitia a te conficta reuertar, cur uirum prudentissimum facis impudentem? Cur ueridicum effingis mendacissimum? Cur prudentem stultum? Quid enim stultius quam alterum obiurgare ob rem quae nunquam fuit. Ipse potius pro sua sapientia te accusaret acriter, qui illi partes tribueris mendacis ac fraudulenti. Ipse in te uersus uanitatem tuam accusabit et ut praesumptuosum, amentem, temerarium, furibundum redarguet, praeditum impudentia singulari admonebit, ut parcius tua solita iactantia utaris. Suadebit ut tua probra recognoscas ante oculos prosita, ut rarius falsa in alium comminiscaris [...] Hortaretur ut maledicam naturam reprimeres, linguam ueneficam compesceres [...]. Detrahendi scientiam obliuiscaris. Citius enim quem tibi uitam eripere posse, quam licentiam detractandi. Haec Iannotii sapientiam decent. Haec eius uera sententia futura est. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 336: Et tu eum mihi subiratum fingis, quod se fecerim obiurgantem ineptias tuas: quasi aut tunc, cum legatus erat, aut nuper, cum Romam uenit, mecum de hac re expostulauerit, mendacissimorum impudentissime. Quapropter cum tale sit doctissimorum de meo aduersus te opere iudicium, descendam nunc ad uitiorum, quae tu in eodem opere notas, defensionem, quae non prioris controuersiae est, de qua uictoriam reportaui, ut docui, sed nouae ac recentis. Ais enim, ut tua plurima praeteream conuitia. Vallas Affäre wird noch unten ausführlicher zu beleuchten sein. Dass es sich um keine legitime, d. h. päpstlich abgesegnte Verbindung handelt, gehört zu einem Hauptvorwurf gegen seinen Lebenswandel. Siehe dazu unten, Kap. 3.3.3.
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dieser Darstellung nicht von Valla selbst, sondern werden von seiner Freundin vorgeschlagen, was ihm die (intellektuelle) Selbstständigkeit wie auch seine stets betonte Überlegenheit ostentativ entzieht68. Die variierenden rhetorischen Darstellungsmodi initiierten einen Überbietungswettbewerb, der den diskursiven Streitverlauf als solchen wesentlich prägte, inhaltlich jedoch nur bisherige Kritikpunkte in andere figurative Kontexte übertrug. Der Form wurde deutlich mehr Gewichtung beigemessen als dem Inhalt. Die Korrekturen an seinem Briefband deutete Poggio als satisfaktionsermächtigende Straftat um, die mitsamt den anderen Verbrechen seines Gegners – die Autoritätskritik sowie seine vermeintlich häretischen Beiträge – gerichtlich belangt und entsprechend bestraft werden müssten. Auf die als Anklageschrift stilisierte Rede reagierte Valla mit der Inszenierung einer Gerichtsverhandlung und reproduzierte die diskursive Stoßrichtung, die er simultan mit einer eigenen Akzentsetzung zu kontrollieren suchte. Die Ausgangslage bildete dabei die Suche nach dem faktischen Urheber der Briefbandkorrekturen, deren Anfertigung oder Beauftragung Valla ausdrücklich von sich wies. Dabei nahm Valla die Anschuldigungen seines Gegners durchaus ernst und stimmte implizit überein, dass derartige Korrekturen ein (moralisches) Vergehen darstellen. Er setzte sich selbst, Poggio und nicht namentlich genannte Richter als dramatis personae ein, die in einer narrativ strukturierten Gesprächssituation agieren. Zum einen verdeutlicht die Prozessaufführung die Relevanz der Korrekturen und der tatsächlichen Urheberzuschreibung, zum anderen kann die Performanz als Signal für das humanistische Publikum verstanden werden, eigenständig als indirekt berufene Begutachter die Argumente zu prüfen und sich entsprechend zu positionieren. Valla operiert mit dem genus iudiciale und legt anhand der verwendeten Orthographie der Annotationen zunächst dar, dass diese der Handschrift seines katalanischen Schülers Francesco Rosio zuzuordnen seien; auch handle es sich bei dem besagten Kodex um dessen Eigentum, was dem vermeintlichen Strafbestand ohnehin seine Berechtigung entziehe. Er weiß ebenso auf den Umstand hinzuweisen, dass Bracciolini der Verfas-
Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 215 f.: Muliercula illa fuit quam tecum domi habes, quae tibi mentem atque animum subministrauit. Nam ut audita oratione mea domum Valla rediit, exanimatus, gemens, exanguis, ut uix sibi genua constarent iuxta lectum in cubiculo tacitus assedit et capite ad lecticam reflexio, manibus ad genua demissis, stupidus sine uoce, suspiria ab imo trahens pectore diutius permansit. [...] [scil. muliercula inquit] «Animum sume et te uirum ostenta. Scribe tu quoque in illum, nec cures uera an falsa crimina opponas. Finge ut libet et maledictis illum lacesse. Qui enim a te obiecta legent, nescient te esse mentitum, forsan uera esse iudicabunt.» Zu der sermocinatio Poggios auch Rao 2007, S. 91 f. Auch die Figur von Vallas Freundin scheint ihn nicht ernstnehmen zu können, da sie nach seiner Klage auch lachen muss: Illa ad haec uerba paululum subridens. Alexander 2013, S. 151–218, zusammenfassend S. 217–218, sieht in der Männlichkeitskonstruktion eine zentrale Praktik der humanistischen Invektive. Wenngleich dies in der Bracciolini-Valla-Kontroverse sicherlich eine Rolle spielt, finden derartige Diskurse nur peripher statt; die Gelehrsamkeitskonstruktion steht augenscheinlich im Vordergrund. Zum Topos des schlechten Umganges mit Prostituierten, hier als muliercula bezeichnet, vgl. Opelt 1965, S. 159; exemplarisch Cic. Verr. 2, 3,78.
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ser bekannt gewesen sei, was durch eine gegen Rosio schriftlich festgehaltene Schelte am Ende des Briefbandes belegt wird69. Die Figur Poggio versucht seine Anklage durch eine Modifikation des Sachverhaltes aufrechtzuerhalten und behauptet, dass Valla seinem Schüler die Korrekturen diktiert habe, um ihn aus der Ferne über einen Mittelsmann anzugreifen. Hierfür kann er jedoch weder Zeugen noch sonstige Beweise vorlegen, weshalb er zunächst seine Vermutung anführt, um sodann auf eine Plausibilitätserwägung (si verisimile est) auszuweichen. Dieses Manöver wird von den Richtern als unzureichend und unglaubwürdig verworfen70. Dem Charakter Bracciolini wird sowohl implizit wie explizit ein schlechtes Zeugnis für seine forensischen Fähigkeiten ausgestellt; seine Anschuldigungen sind Valla zufolge unbegründet und lassen sich nicht durch konkrete Beweise fundieren. Ihm wird allein eine vorsichtige Anerkennung für die Ausschmückung seiner auf dem genus demonstrativum basierenden Invektive zuteil, wodurch die Trennlinie zwischen Fiktion und Realität der virtuellen Verhandlung überschritten und die reale Person Poggio ostentativ herausgefordert wird71. Valla stellte mithilfe der Gerichtsinszenierung nicht allein seine rhetorisches Expertise unter Beweis, sondern zeigte dialogisch auf, dass die Anschuldigungen Poggios auf falschen Annahmen beruhen. Auf diese Weise sollte er in Verbindung mit den anderen Kritikpunkten als missgünstiger Verleumder entlarvt werden, dessen Anklage allein auf Hass und Eifersucht basiert, die darüber hinaus durch Unfähigkeit abgerundet wird. Auf diese Brüskierung reagierte Bracciolini hauptsächlich mit einer rhetorischen Metakritik an der Gerichtsdarstellung, wodurch er die ihm abgesprochenen Rhetorikkenntnisse explizit zur Schau stellte und das dialogisch vorgetragene argumentum zu
Valla 1978, Antidotum primum 2, 18–20, S. 130: (Laurentius) [...]. Ceterum quomodo aut ego queam dissimulare manum meam omnibus notam aut quispiam dicere audeat hanc esse? Que preterquam quod nihil simile habet cum mea, nonne per se loquitur ipsa hominis esse Catalani? Cernitis hoc loco s pro c positum: solesismus pro solecismus? Nam sic Catalani pronuntiant [...]. En subscriptio Pogii, que manum ac factum illius confitetur. (iudices): Bene admones; hocquoque legamus. Agnoscimus iam Pogii manum. [...]. Im zweiten Antidot folgt eine kurze Skizzierung von Rosios Lebenslauf, der zuvor drei Jahre bei Gaspare da Verona studiert hat. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 327 f.; vgl. auch Wesseling 1978, S. 26 f. Valla 1978, Antidotum primum 2, 22–24, S. 131 f.: (iudices) «Expectamus abs te ut istud saltem planum facias. Habes ne testes? Nullos. Confitetur adolescens? Minime? Unde igitur scis? » (Pogius) «Ita – inquies – suspicor.» (iudices) «Ita ne suspitionem tuam loco probationis affers? Et quia sic accusator senties, postulas ut nos iudices reum condemnemus? At istud ne regi quidem, etiam si de vita sua suspicaretur, indulgendum putaremus.» (Pogius): «Quid si verisimile est hoc quod obiicio?» inquies. (iudices) [...] «Nec unquam vidimus quempiam dictantem vitia libri alieni sibi ignoti, quem non ipse manu teneret, sed alter, qui in eius marginibus vitia illa annotaret cum dictarentur. Et he quidem cause faciunt nobis non verisimile Laurentium dictasse. Tu autem quid ita putas verisimile?» Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 2, 22, S. 131.
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entkräften versuchte. Die performativen Rahmenbedingungen beanstandet er und weist sie als inkorrekt zurück; die von Valla vorgenommene Richterauswahl, das Fehlen jeglichen Rechtsbeistandes sowie der zur Beweisführung notwendigen Zeugenaussagen bedingen seiner Ansicht nach einen Fehlprozess. Valla lässt, wie Poggio richtig bemerkt, alleine sich selbst als Angeklagten und einzigen Zeugen auftreten, wodurch die dargestellte Gerichtsaufführung, gemessen an den forensischen Aufführungsparametern, tatsächlich sowohl an Glaubwürdigkeit als auch an Wahrscheinlichkeit verliert72. Treffsicher weiß Bracciolini folglich den Vorwurf der fehlenden forensischen Kenntnisse umzukehren. Hinsichtlich des Inhaltes hinterfragt er die Intention des Schülers und weist auf den am Ende seines Briefbandes hinzugefügten Kommentar hin, dass der grammatisch ungebildete Rosio secundum doctrinam et elegantiam seines Lehrers die Korrekturen angefertigt und nach Vallas Ermahnung diese nur unzureichend abrasiert habe. Damit verarbeitet er den von Valla konstruierten Generationskonflikt und vermag den mutmaßlich destruktiven Einfluss seiner Schriften auf die Jugend anschaulich darzulegen, was wiederum seinem vorgebrachten Anliegen, die Gelehrtenwelt vor einem gefährlichen und auf Zerstörung der Wissensordnung abzielenden Hochstapler zu schützen, in die Hände spielt73. Dabei reflektiert die Gerichtsvorführung den Streit als reales Ereignis und repräsentiert das literarisch erzeugte Forum, auf dem beide als oratores zum Publikum sprechen. Wenngleich Valla den Vorwurf der Briefbandkorrekturen und die damit einhergehende Schmähung in der literarischen Gerichtsaufführung von sich weist, bestätigt er Bracciolinis Kritik, dass er mit seinen Elegantiae das mutmaßlich falsche Sprachverständnis der vorherigen Gelehrtengeneration offenlegen und das darauf fußende Geltungspostulat als unfundiert entlarven wolle. Hier lässt sich erneut die ambivalente Argumentationsweise Vallas erkennen, mit welcher er in diversen Streitkontexten ostentativ spielte, um die von Poggio reklamierte Diskurshoheit durch Uneindeutigkeiten zu unterwandern und sich die kommunikative Herrschaft selbst zuzuweisen. Er bettete seinen Gegner geschickt in sein linguistisches Programm ein und applizierte das von ihm vorgebrachte Originalitätsprinzip, das einen Generationskonflikt hinsichtlich ihrer
Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 228: Sed parum consultus in iure fuisti, qui iudices omnes tuo arbitratu elegeris absque aliqua reiectione. Causam solus oras, testes solus producis in tuam laudem ex magna dicendi copia. Iudices uel inuitos compellis. Introducis illos opus laudantes tuum et gratias illis agis pro tanto munere laudandi. [...] ut iudices etiam renitentes, magna uerborum et sententiarum copia, ex ore mellifluo redundante cogeres ad sententiam pro te ferendam. Non est res haec parui ingenii, non paruae doctrinae, non mediocris eloquentiae, esse in ea causa sine aliquo aduocato superiorem, qua nullum praeter teipsum loquatur, nullus obsistat uoluntati tuae. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 225: Quis enim credat adolescentulum indoctum, rudem, qui ne primis quidem labiis grammaticam nouit, adeo impudentem aut stolidum fuisse, ut quae nescierit scripsisset? Qui etiam in fine epistolarum mearum illas male compositas scripsit secundum doctrinam et elegantiam magistri sui, ac ea postmodum a te admonitus abrasit, non tamen ita deletis literis quin legi possent.
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divergenten Sprachverständnisse heraufbeschwor74. Seine Antwort rechtfertigte er folglich nicht allein durch eine erlittene Schmach, sondern insbesondere durch einen von beiden als unabhängig gezeichneten historischen Prozess. Nichtsdestoweniger trug Valla seinen vermeintlichen Widerwillen ausdrücklich vor, sich schriftlich an einem Disput zu beteiligen, was im Angesicht seiner Polemik wenig überzeugend wirkt75. Die Ausgangslage des Konflikts wurde beiderseits mit dem eigenen in Frage gestellten Ruf in Verbindung gebracht. Die Briefbandkorrekturen gaben Bracciolini den Anlass, sich publizistisch gegen Valla zu wenden. Dieser beteuerte seine Unschuld diesbezüglich, was ihn jedoch nicht von einem umfassenden Gegenangriff abhalten sollte. Beide Kontrahenten luden ihre Rechtfertigungen moralisch auf und versuchten die mutmaßlichen Tatbestände über Pathogene, d. h. Vallas vermeintlich wahnhaften Ehrgeiz respektive Poggios mutmaßlich altersbedingte Demenz, zu begründen. Die Moralität wird in diesem Zusammenhang nicht mehr als persönliche Willensentscheidung bzw. Haltung betrachtet, sondern als Krankheit eingestuft und folglich dem eigenen Willen entzogen. Es galt, das deviante Verhalten des anderen zu diagnostizieren und durch Ausschlussforderungen den Gegenspieler, der gleichsam als gesundheitlich unreiner Fremdkörper gezeichnet wurde, aus der Gemeinschaft zu entfernen.
3.2.2 Intellektuelle Kriege und historische Analogien Beide Agonisten analysierten präzise ihre jeweiligen literarischen Alleinstellungsmerkmale. Das jeweils demonstrierte „self-fashioning“ diente ihnen als für die eigene Position gewinnbringenden Angriffspunkt, der es ermöglichte, den beanspruchten Distinktionsprofit des Opponenten durch eine erfolgreiche Herabsetzung auf sich selbst zu übertragen. Für ihre Dekonstruktionsversuche übernahmen Bracciolini und Valla punktuell die rhetorischen Methoden des jeweils anderen, um den literarischen Körper gleichsam mit den eigenen Waffen zu schlagen. Vallas inauguriertem Sprachimperium kam in ihren vituperationes eine große Bedeutung zu, die sich sowohl in
Valla 1978, Antidotum primum 1, 1, S. 82: Non eram nescius iam inde ab initio, cum De lingue Latine elegantia componebam, fore ut quantum favoris apud iuvenes ac ceteros bene dicendi studiosos mihi conciliarem ex illo opere, tantum odii apud eos qui falsam sibi elegantie persuasionem induissent contraherem. Valla evoziert hier bewusst mit dem Beginn sowohl sprachlich als auch inhaltlich Cic. fin. I, 1: Non eram nescius [...] fore ut hic noster labor in varias reprehensiones incurreret [...]. Bracciolini erkennt die Anspielung und konstatiert, dass Vallas Anspruch auch mit den Worten aus Ciceros De finibus bonorum et malorum keine Substanz zugeschrieben werden könne. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 207: Orditur primum librum suae stulticiae furunculus noster uerbis Ciceronis, quibus utitur in prooemio de finibus bonorum et malorum. Credo ut adiiceret autoritatem suae dementiae Ciceronis dignitate. Valla 1978, Antidotum primum 1, 15, S. 86: Sed quid ago? Quo progredior? Quid in refellendo Pogio Pogium imitor? Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 326: Redeo itaque rursus in certamen Clodianum, nolens, inuitus, coactus.
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ihren Herabsetzungsversuchen als auch in der Ausschmückung ihres Streites als Überlebenskampf ihrer Gelehrtenrepublik äußerte. Beide Agonisten implizierten eine Analogie zwischen der späten Römischen Republik und der italienischen Binnenkonstellation des 15. Jahrhunderts mit Rom und Florenz als rivalisierende Mächte. Die Wahrnehmung der humanistischen Gemeinschaft als Gelehrtenrepublik machte sich insbesondere Valla zur Ausschmückung seiner intellektuellen Programmatik zunutze, was eine energische Reaktion seitens Bracciolinis provozierte. Der Autor der Elegantiae propagierte sein Œuvre als genuin „römische“ Kriegskampagne gegen die als „barbarisch“ gezeichneten Sprach- und Gelehrsamkeitsformen der etablierten Disziplinen; er deklarierte, wie oben gezeigt, die Gründung eines symbolischen „Sprachimperiums“. Poggio nahm in diesem Bild die Rolle des „ausländisch“ indoktrinierten Vaterlandsverräters ein, an dem Valla ein deutliches Exempel zu statuieren beabsichtigte76. Die mit dem Sprachimperium evozierten Eroberungs- und Unterwerfungsbilder spiegeln die Verdrängungsabsichten der vallianischen Schriften gegenüber der vorherrschenden Gelehrsamkeitsformen wie auch der ihm entgegenstehenden Haltung Bracciolinis wider77. Ausgangspunkt für Poggios Kritik am vallianischen „self-fashioning“ und seinem als römische Militärkampagne stilisierten Projekt bildet das fünfte Vorwort der Elegantiae, das ihm eine ideale Angriffsfläche bot und die Signifikanz der Selbstinszenierung zur Anmeldung und Behauptung von Ansehen innerhalb des humanistischen Feldes anschaulich belegt. In der besagten praefatio zeichnet sich Valla wortgewaltig als militärisch versierter und den epischen Heldenfiguren Aeneas und Odysseus gleichkommender Autor, der die Genese seines Werkes mit einer Fahrt über „Meer und Land“ vergleicht. Diese pathetisch anmutende Selbstdarstellung ist jedoch ebenso autobiographisch zu lesen: Er rekurriert auf seinen Aufenthalt im Gefolge des neapolitanischen Königs, den er nach eigenen Angaben auf mehreren Feldzügen begleitet und auf diese Weise den Kriegsdienst kennen gelernt habe, was Poggio ironisch als eine übertriebene Personendichtung (prosopopoeia) wertet78. Valla verteidigt sich mit
Exemplarisch Valla 1978, Antidotum primum 3, 1, S. 182: Profligavimus iam Pogianas quinque legiones cum ipso Pogi latronum ac barbarorum duce [...]. Siehe zu den militärischen Wortfeldern als Markenzeichen Vallas auch Dreischmeier 2017, S. 321–323. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 5, Praef., S. 550: Tertius iam mihi et prope quartus annus agitur peregrinanti semper et per omnia maria terrasque volitanti, proxima etiam aestate et quidem tota militiam experto [...]. Das gesamte fünfte Vorwort ist als Allegorie zu lesen, in die Valla ebenso autobiographische Ereignisse einarbeitet und die Genese seiner Elegantiae beschreibt. Vgl. dazu auch ebd., Anm. 2, S. 551. Siehe Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 202: Sed illud dignum Laurentii prosopopoeia, tot maria emensum Vallam fuisse credidi alterum Vlyssem, aut Aeneam ad Italiam longos post errores aduectum, non Vallam, qui nusquam mare, nisi Neapoli uidit, neque est unquam pelagus ingressus. Valla nahm nach eigenen Angaben an mehreren Feldzügen König Alfonsʼ teil, was er ebenso in seinem Antidotum in Facium zu betonen wusste und sich durch externe Belege als plausibel einstufen lässt. Vgl. u. a. Mancini 1891, S. 180; Bentley 1987, S. 110, Ryder 1990, S. 321. Auch in der zweiten oratio geht Poggio noch einmal auf das fünfte Vorwort ein, Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 213 f. Zum fünften Vorwort siehe auch den Aufsatz von Marsico 2014.
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einer detaillierten Erörterung seines vermeintlichen Kriegsdienstes und benennt die verschiedenen geographischen Stationen der von ihm begleiteten königlichen Expeditionen, die sicherlich die schwierigen Kompositionsbedingungen bis zu einem gewissen Grad reflektieren. Dass Poggio hier einen wunden Punkt seiner Selbstinszenierung getroffen hat, bezeugt Vallas ausführliche Antwort; seine Beziehung zu seinem einstigen Dienstherrn und Förderer stand offen zur Disposition und musste im Kontext seines Fortganges aus Neapel zu potentiellem Zweifel an seinen Ausführungen beitragen79. Aber auch die Überzeichnung seiner Schriften als einzelne Kriegskampagnen fungierte als Ausdruck seiner Selbstwahrnehmung, in welcher er sich als intellektueller Feldherr und Söldner darstellte. Bracciolinis Ablehnung der vallianischen Selbstpräsentation ging ebenso mit stilistischen Einwänden einher, die sich ostentativ an der Methode seines Gegners orientieren. So lehnt er beispielsweise Vallas Formulierung, er sei durch das Meer „umhergeflogen“, als unpassend ab (et per omnia maria terrasque volitanti), da nur jemand, spöttisch formuliert, more Daedali mit angelegten Flügeln als Mensch verbaliter „fliegen“ könne. So soll er nicht allein als lateinischer Philologe delegitimiert, sondern ebenso als Narr dargestellt werden, der an seinen eigenen Ansprüchen, eine elegante, d. h. präzise Formulierung zu verinnerlichen, gescheitert sei80. Mit einem historischen exemplum stellt Valla überdies eine Analogie zum Verhältnis Catos des Jüngeren zu Gaius Julius Caesar her und weist beiden die entsprechenden Rollen zu: Cato, für Poggio stehend, habe aufgrund der gallischen und germanischen Kriegserfolge Caesars, mit dem Valla sich identifiziert, diesen aus reiner Eifersucht heraus vor Gericht anklagen wollen81. Bracciolini ordnet zunächst die Behauptung, dass Cato aus Eifersucht gehandelt habe, Vallas pathologischem Herabsetzungsdrang zu, der nun auch
Vgl. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 202; Valla 1978, Antidotum primum 1, 180–186, S. 124–126. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 202: Nam per maria uolitanti quis unquam se per maria ʻuolitareʼ dixit? Nisi Daedali more alis sumptis per tot maria uolitauit. Rectius cerebrum suum ex plumis confectum dixisset per maria uolitasse. Poggio legt volitare wörtlich aus, was Valla mit Rückgriff auf Cicero, de orat. 1, 173, zurückweisen sollte: Valla 1978, Antidotum primum 2, 215–216, S. 178–179. Ergänzt wird der Vorwurf der unangebrachten und unverhältnismäßigen Selbstdarstellung noch um eine weitere Persiflage, die auf den mutmaßlichen Flugfähigkeiten Vallas aufbaut und diesen als vulgären Marktschreier und Betrüger ausweist. Hier kombiniert Poggio die vallianische Kritik mit seinem eigenen, auf dem ciceronianischen sal basierenden Sprachverständnis Vgl. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 195: Persimilis est Valla noster homini ridiculo, qui cum aliquando se ex quadam turri uolaturum certo die profiteretur, ac populu ad id spectaculum conuenisset homines suspensos uariis alarum ostentationibus usque ad noctem detinuit. Deinde omnibus uolatum cupide expectantibus, populo cultum ostendit. Dazu auch bes. Field 1988, S. 95; dieselbe Geschichte findet sich auch in einem Witz seiner Facetiae, in welchem Papst Gregor XII. den Protagonisten darstellt, der in Bologna mit seinem lächerlichen Verhalten das Abendländische Schisma initiiert. Vgl. Bracciolini 1983, Facezie 50, Cardinalis Burdegalensis de histrione, S. 170–172. Valla 1978, Antidotum primum 1, 3–4, S. 82: Verum multo truculentiorem opinione mea unum comperi Pogium Terrinovanum, qui se plane tenere linguam Latinam iactare solitus, ubi libros De elegantia Latina edidi, mihi extitit ita adversus infensusque ut nunquam dissimulare potuerit tandemque invalescente quotidie operis gloria obviam sibi eundum statuerit, more Marci Catonis qui, cum civitas Caii Cesa-
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den römischen Politiker treffe. Er fragt rhetorisch nach den Quellen, aus denen er diese Aussage entnommen habe und wirft ihm mit Empörung historische Unkenntnis und die Streuung bewusster Fehlinformationen vor82. Valla kann sodann neben den caesarischen Anticatones auf Plutarchs Cato-Biographie und einen von Guarino da Verona an Poggio gerichteten Brief verweisen, der im Kontext der Scipio-Caesar-Kontroverse zwischen beiden Gelehrten entstanden ist83. Um 1435 diskutierten Poggio und Guarino brieflich über die Tugendhaftigkeit von Scipio Africanus und Gaius Julius Caesar – ersterer sah in Caesar einen antirepublikanischen Dikator und pries Scipio an, während letzterer sich für Caesar aussprach. Die Forschung sieht in dieser Debatte tendenziell einen Ausdruck von zwei unterschiedlichen politischen Auffassungen: Poggios „Republikanismus“ (den Hans Baron als Ausdruck des civic humanism deutete) und Guarinos vermeintlich „propagandistisches“ Eintreten für seine Auftraggeber, die Familie d’Este, die darüber hinaus Caesar in ihre Selbstdarstellung integrierte84. Die politische Lage der späten Römischen Republik evozierte Valla bewusst, um ihren Streit zu einem Entscheidungskampf über den Fortbestand ihrer Gelehrtenrepublik zu zeichnen. Dieser sollte simultan die briefliche Debatte zwischen Poggio und Guarino ins Gedächtnis rufen und auf diese Weise eine historische Wertung beider Agonisten erzwingen85.
ris de Gallis Germanisque victorias gaudio, honore, suplicationibus prosequeretur, ipse iuravit ob easdem res gestas illum se capitis accersiturum. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 207–208: Vide quantum maledicendi uoluptas possit et cupiditas detrahendi. Marcum Catonem uirum sanctissimum, de cuius summis laudibus et omnes praedicant et Cicero noster scripsit: Valla Catone melior in crimine inuidiae uocat, ut aut aperte mentiri se, aut inscitia Catonis historiam se nescire fateri cogatur. A quo habes autore dementissime rabula, Catonem decreuisse, Caesarem ob res eius gestas propter inuidiam accusare? Nemo ad hoc tempus hoc uitium Catoni ascripsit praeter temerarium Vallam, tanto est studio, alieni dignitati et laudibus derogandi. Imitatus est Laurentius noster falsissimus et suae stulticiae plenus, furem quendam nobilem, qui cum ad supplicium duceretur, etiam in uia argenteam fibulam a zona pendentem cuidam abscidit. Dazu ausführlich Oppel 1972, S. 167–178, Oppel 1974, Crevatin 1982, Pade 1990; Canfora 2001, McCahill 2015, im Kontext humanistischer Debatten Hankins 2019b, S. 124–152. Eine editorische Ausgabe der Kontroverse bietet Davide Canfora, Bracciolini 2001, La controversia di Poggio Bracciolini e Guarino Veronese su Cesare Scipione. Vgl. bes McCahill 2015, S. 134 ff. Vgl. Bracciolini 1984, Lettere 2, Ep. 4, 14, S. 178–180. Vgl. Plut. Cat. Min. 94, 1–2. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 336: Da mihi ueniam Podi, qui te Catoninae famae tutorem putas, si dixi Catonem Caesari inuidisse, ut Caesar etiam ipse testatus est, cum mortuum audiuit: cum tu in oratione, qua Guarino respondes, Caesarem, quem ego laudaui, omnibus probris laceres. Et miraris, quod inuidisse dixerim Catonem potentiae Caesaris, cum in eum Caesar tanquam in malum uirum, contra Ciceronis opus Anticatones scripserit, quod etiam fateris, homo inconstantissime. At enim nemo id Catonem constituisse tradit. Taceo caeteros scriptores, quorum unus est Plutarchus, qui uitam eius scripsit, nonne Guarinus tibi pro Caesare contradicens, huius rei meminit Podi mente capte? Siehe Guarino 1916, Epistolario 2, Ep. 670, S. 221–254, hier S. 242: Nam gallicas Caesaris victorias et propagatum imperium vel invide vel indignanter ferens, cum cetera civitas et gauderet et gratularetur idque publicis supplicationibus testaretur, Cato iureiurando denuntiavit se Caesaris nomen delaturum et in iudicium vocaturum [...].
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Diesen Subdiskurs verschärfte Valla über den Vorwurf, Braccciolini wolle der lateinischen Sprache und Rhetorik schaden. Diese Anklage bezieht sich letztlich auf das „römische“ Kulturerbe in seiner Gesamtheit und schließt ebenso die imitatio als literarisches Leitprinzip ein. Neben der sprachlichen Ästhetik und des historischen Analogiebezuges verdeutlicht diese Form der Stilisierung insbesondere das vallianische Anliegen, die lateinische Sprache auch als soziokulturelles Gut zu fassen, entsprechend nach klassischem usus umzucodieren und ihre bisherigen Konnotationen innerhalb des „mittelalterlichen“, d. h. politischen wie akademischen Rahmens zu verändern. Ein klassisches, konkret ein „elegantes“ Latein zu sprechen hieß aus Vallas Sicht „römisch“ zu sprechen und sich folglich zu dem politisch wie kulturell aufgeladenen Ausdruck zu bekennen, der sich überdies mühelos in die päpstliche Selbstinszenierung unter dem humanistisch orientierten Papst Nikolaus V. inkorporieren ließ86. Die Latinität in Form der kulturell aufgeladenen Romanitas fungierte dabei als soziales Erkennungszeichen, mit dem er seinen Gelehrtenstrang, einen streng klassizistisch ausgerichteten Humanismus, zu etablieren suchte. Dieses Signum sollte einerseits inkludierend wirken und diejenigen, die sein elegantia-Konzept in ihren Sprachausdruck integrierten, als Anhänger identifizieren. Andererseits diente es auch der Exklusion, wie bereits oben dargestellt wurde: Abweichungen vom usus loquendi der Altvorderen wurden polemisch angemahnt und invektiv geahndet, während der Sprecher zum symbolischen Barbaren und Vertreter einer unzivilisierten Gelehrtenkultur degradiert wurde. Verstärkt wird dieser diskursiv hergestellte Gegensatz ferner durch Vallas Gleichsetzung mit dem römischen Scipio. Bracciolini überträgt er die Rolle des Hannibal oder Pyrrhos I., die historisch als existentielle Feinde des Römischen Reiches auftraten. Obgleich Poggio sich als ein starker „Feldherr der Eloquenz“ erweise, sei er nirgendwo in der Lage gewesen, Vallas Truppen, d. h. seine Argumente, überwältigen bzw. widerlegen zu können. Poggio zeichnet er als fremden Eindringling, den er mit seiner Invektive habe abwehren müssen, um das Römische Reich – und die römische Sprache als Kulturgut – zurückerobern zu können87. Er spricht Bracciolini seine Romanitas, d. h. sein symbolisches „Bür-
Vgl. mitunter De Caprio 2015 und Enenkel 2015, S. 145–148. Valla 1978, Antidotum primum 2, 219, S. 180: Nam alioquin que laus mea foret, si tanquam Scipio Siphacem, non Hannibalem devicissem? Est igitur cum quo pugnavi Pogius velut Hannibal aut Pirrhus, qui bellum Romano populo intulit. Hic tamen tam strenuus, tam fortis ut sic dicam, eloquentie imperator nihil usquam mearum copiarum profligavit, cepit, fugavit. Im zweiten Akt des Apologus wiederholt Valla den Vergleich, Valla 1972, Apologus 2, S. 516: [...] Quoniam isto facto te Hannibalem, me Scipionem esse significas. Sobald Poggio auf Vallas Elegantiae linguae latinae, spöttisch als ignorantia latinae linguae betitelt, zu sprechen kommt, schöpft er ebenso aus militärischem Vokabular und zeichnet das Bild einer (argumentativen) Schlacht, die er schriftlich mit seinem Gegner austrage. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 203: Recensui pauca ex infinitis pene locis [...] non quidem ut mihi desumerem defendendorum priscorum uirorum munus (quippe qui etiam taciti se defendunt, illorumque autoritas satis ex seipsa munita sit omni gentium consensu, aduersum stultam rabulae importunissimi dicacitatem) sed ut tanta audacia, tanta impudentia stultissimae pecudis non esset ignota.
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gerrecht“ ab und stigmatisiert ihn entweder als Hochverräter oder als existentiellen und auswärtigen Feind88. Überdies vergleicht sich Valla an prominenter Stelle im ersten Vorwort seiner Elegantiae mit dem römischen Feldherrn Camillus, der Rom von den Galliern zurückerobert hat und von der römischen Historiographie, namentlich von Titus Livius und Plutarch, zum zweiten Gründer Roms stilisiert wurde89. Die Wiederherstellung der klassischen elegantia stellt er in unmittelbaren Zusammenhang mit der Rückeroberung und „Neugründung“ Roms durch seine eigene Person, was Poggio als Prunksucht und geistlose Selbstüberschätzung empört zurückweist90. Vallas martialisch ausgeschmücktes Projekt verspottete Poggio auf verschiedene Weisen, mitunter durch die Anrede oder die Benennung als „unser Thraso“, dem prahlerischen Soldaten aus Terenzens Eunuchus, der Papst Nikolaus als Hofnarr diene91. Mit einer satirischen, karnevalesken Überzeichnung von Vallas Kriegsrhetorik begegnete er
Der Rombezug ist für Valla derart von Bedeutung, dass er auf eine, im Vergleich zu anderen Vorwürfen, unbedeutende Schmähung hinsichtlich seiner Geburt ausdrücklich seine vermeintlich römische Abstammung apostrophiert und sich mit einer Vielzahl an römischen Feldherren gleichsetzt – auch hier verbleibt die gesamte Argumentation in der martialischen Ästhetik. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 224: Sed ueruex noster in crasso natus aere [Hor. epist. 2, 1, 244] nihil nisi cornu petere, uel pedere potius, didicit. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 329: Quod tu negas, qui uis me non posse esse egregium uirum, quod sim in patria ueruecum et in aere crasso natus. Quanquam, o nefarium hominem, tu ne Romam, in qua ego natus sum, ueruecum patriam uocas? Ergo uerueces fuerunt Camilli, Fabricii, Fabii, Scipiones, Marcelli, Metelli, Pompeii, Cesares, quales reliquus orbis non habuit. Vgl. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, Praef., S. 62 ff.: [...] non modo ut patriam ab hostibus recipiamus, verum etiam ut in ea recipienda quis maxime Camillum imitabitur apparet. Difficillimum quidem praestare, quod ille praestitit, omnium imperatorum mea sententia maximus riteque secundus a Romulo conditor urbis appellatus. Siehe Liv. 5, 49, 7: Dictator reciperata ex hostibus patria triumphans in urbem redit, interque iocos militares, quos inconditos iaciunt, Romulus ac parens patriae conditorque alter urbis haud vanis laudibus appellabatur. Plut. Cam. 1,1: περὶ δὲ Φουρίου Καμίλλου πολλῶν καὶ μεγάλων λεγομένων ἴδιον εἶναι δοκεῖ μάλιστα καὶ παράδοξον, ὅτι πλεῖστα μὲν ἐν ἡγεμονίαις καὶ μέγιστα κατορθώσας, δικτάτωρ δὲ πεντάκις αἱρεθείς, θριαμβεύσας δὲ τετράκις, κτίστης δὲ τῆς Ῥώμης ἀναγραφεὶς δεύτερος, οὐδὲ ἅπαξ ὑπάτευσε. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 195: Dicit insuper se imitaturum esse Camillum, ut sicut ille urbem a Gallis captam restituit, ita ipse literas latinas exules, profugas atque aberrantes urbi restituat. O caput insulsum. O cymbalum resonans sine sensu. Comprimat os insanum et istam suam fanaticam iactantiam conterat. Persimilis est Valla noster homini ridiculo, qui cum aliquando se ex quadam turri uolaturum certo die profiteretur, ac populu ad id spectaculum conuenisset homines suspensos uariis alarum ostentationibus usque ad noctem detinuit. Deinde omnibus uolatum cupide expectantibus, populo cultum ostendit. Ita Laurentius noster, post multas atque ingentes uerborum pollicitationes, post tantam expectationem promissorum, tandem non quidem culum ut ille, sed uolantis cerebri insaniam, uertiginem et pergrandem ignorantiae suppellectilem ostendit. Vgl. Ter. Eun. 3, 1. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 212: Es profecto sibi charus non minus quam Thrasonem illum Terentianum suo regi acceptum legimus. Te saepius accersit scilicet, tecum loquitur, tecum communicat consilium, te charum habet, te doctum, prudentem, modestum, magni consilii uirum secum esse continuo uult, ut tu iam solus apud Pontificem regnes.
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der ostentativen Ernsthaftigkeit seines Gegners, der in seinen Antidota tendenziell weniger auf Humor und mehr auf pathetisch aufgeladene Theatralik setzte92. Die aus den Schriften Vallas entlehnten militärischen Wortfelder geben die Stoßrichtung von Poggios fiktiver Erzählung an93. Er zieht Vallas römisches „Sprachimperium“ und seine kriegerische Selbstinszenierung ins Lächerliche: In seiner ersten Rede versetzt er ihn zunächst in einen satirisch gezeichneten Triumphzug, der sich nach Eigenaussage an einem florentinischen Festritus orientieren soll. Als vermeintlicher Sieger über das Altertum, symbolisiert durch die Altvorderen, die Valla als Gefangene von seiner erfolgreichen Kampagne mitführt, karikiert er die von seinem Gegenspieler umschriebenen Ziele seines Programmes. Darüber hinaus verunglimpft er den sich als Römer stilisierenden Valla auf eine vermeintlich genuin „florentinische“ Weise und bestärkt dadurch implizit die kulturelle Dominanz der Republik Florenz, in dessen politischen und intellektuellen Kreisen er sozialisiert wurde und mit denen er nach wie vor in engem Kontakt stand. Explizit wird der Errettungstopos im Bezug auf die lateinische Sprache adressiert und verhöhnt94. Poggio integrierte seine intellektuelle Herkunft in seine Selbstdarstellung und postulierte hierdurch seine Überlegenheit bei simultaner Herabsetzung von Vallas Ambitionen und seinem „römischen“ Humanismus. Diese Charakteristiken werden als Inbegriff seines Wahnsinns (triumphans dementia) präsentiert. Als Fortsetzung des Triumphzuges überzeichnete der ältere Humanist Vallas Lebensabschnitte als Ausdruck seiner als lächerlich
Bracciolini 1964c, Invectivca secunda, S. 207: Quamuis enim iure humanitatis similes stulti citius miseratione quam irrisione censeantur digni, tamen nescio quo pacto nos eiusmodi homines ad risum potius moueant, quam ad misericordiam. Quis enim non rideat, cum aspiciat quendam personatum, immanem forma humana beluam, publice insanum, tot ludos et iocos aedentem nobis et ea scribentem loquentem, sentientem, quibus etiam mortuis si fieri posset risus excitaretur? Ita est profecto, nullus pestilentior morbus, nullus deterior quam qui non sentitur. Quo accidit, ut animum aegri et mente capti medicum non quaerant, neque appetant sanitatem. Nam cum aegros se non cognoscunt, de recuperanda ualitudine non laborant. Zum Triumphzug auch Camporeale 2001, S. 36–37, hier S. 37: „Thus, with the carnivalesque mockery of the charivari and Katzenmusik, Poggio brings his philippic against Valla to a close.“ und Helmrath 2010, S. 270: „Poggios Invektiven stricken eine veritable Story in Fortsetzungen, «Vallas peinliche Abenteuer».“ Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 203–204: Sed ut homo leuis ex his fatuis qui uulgo per urbes discurrentes se Imperatores esse aut Pontifices asseuerant, sibi persuasit omni scientiarum facultate esse caeteris superiorem, tantamque sibi inesse sapientiam, ut omnibus priscis non solum sit comparandus, sed etiam anteponendus. [...] Itaque ut Florentini solent in festis suis aliquando curru triumphali insanos uehere, quod est iucundissimum spectaculum. Ita nos isti triumphum decernamus tanquam doctorum omnium uictori, ob omnes gentes ingenii acumine superatas [...]. Siehe auch die indirekt wiedergegebene Rede der Figur Valla, in der das fünfte Vorwort der Elegantiae erneut verarbeitet wird: Nam quamuis Romanae linguae imperium longius propagarit, quamuis linguam latinam uagantem errantemque per deuia et fere deperditam a barbarisque oppressam, ipse solus sua opera, impensaque, post multos pelagi terraeque labores cerebro per maria uolitante urbi restituerit, tamen parcius uelle celebrari decantarique laudes suas, cum ipse haud inscius sit, quid esse conserant ad beatam uitam, sapientis animi fortisque esse, de se tacere, non detrahere aliis, laudare omnes, non esse ostentatorem, non uerbosum, non mendacem, non iactatorem, non dicacem, non proteruum.
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und peinlich gezeichneten militärischen Kampagnen (expeditiones), worauf noch unten näher einzugehen sein wird95. Er unterstrich den hochmütig anmutenden Anspruch, sich derartige Würden eigenmächtig zuweisen zu können, die geschichtlich allein durch außergewöhnliche politische oder kriegerische Erfolge verliehen worden sind. Ironisch bemerkt er, dass Vallas sich durch seine „Wortklauberei“ nicht für derartige Ehren qualifizieren könne und offensichtlich nicht über genügend Wissen über das Altertum verfüge96. Seine postulierte Superiorität entspreche einem triumphus exilis: Mit dem Adjektiv exilis evoziert er die von Cicero beschriebene oratio exilis, wodurch der figurative Sieg sich in Analogie zum Beitrag als nichtig erweist97. Er verwandelt Vallas pathetisch aufgeladenes Sprachimperium mitsamt seiner intellektuellen Kriegskampagne in eine unehrenhafte, jedoch unterhaltende Aufführung seines als wahnhaft gezeichneten Nonkonformismus. Der erste „Triumphzug“ empörte Valla sichtlich. Als Reaktion verstärkte er seine Kriegsmetaphorik und deklarierte seinen Sieg über die poggianischen „Legionen“98. Den Stil seines Gegenspielers verurteilte er als „beschmutzend“ und ordnete diesen der Gestaltung der Facetiae zu, deren Kompositionsstrukturen sich stark ähneln. An eine inhaltliche Auseinandersetzung wagte er sich nicht, stattdessen schlug er mit der philologischen vituperatio von Teilen der ersten oratio sowie Poggios Briefband, die er in seine kämpferisch gezeichnete Programmatik integrierte, zurück99. Valla fiel es sichtlich schwer, sich von seinem eigenen Duktus zu lösen und flexibel auf die Herabsetzungsformen seines Gegners zu reagieren. Er beharrte energisch auf seine philologische Überlegenheit und versuchte den Diskurs mithilfe seiner, aus klassizistischer Sicht, durchaus fundierten Stilkritik in ein für sich günstiges Terrain zu bewegen. Dieser Ge-
Vgl. Rao 2007, S. 91: „Although in the preface he promised to defend himself against Valla’s charges of ignorance of the Latin language, Poggio, recognizing Valla’s superiority in matters of grammar, totally avoided the issue, dismissing Valla’s criticism as ‚grammaticae quaestiunculae‘ [vgl. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 223], attacking instead his enemy’s life and character by resorting to his particular specialty, satire.“ Ausführlich zur vituperatio von vita und mores unten, Kap. 3.3. Bracciolini 2006, Invectiva quinta 5, S. 116: Voluisti iterum more priscorum, ut ais, Romanorum triumphare de epistolis meis. Ubi, stultissime rabula, similis triumphi morem apud priscos legisti? Ubi de uerbulis latinis [Hervorhebung durch den Verfasser] triumphum actum audisti? Bracciolini 2006, Invectiva quinta 2, S. 108: [...] Guarino iudice instituisti. Et quia eius sententiam timescebas, adhibuisti ei duos preclaros collegas tibi moribus et conditione proximos quorum auctoritate moueretur, si qua in re forsan titubaret, coquum scilicet et stabularium tuum, ut uerbis ornatis et sententiis grauibus patroni doctrinam redolerent. Valla 1978, Antidotum primum 3, 1, S. 182: Profligavimus iam Pogianas quinque legiones cum ipso Pogio latronum ac barbarorum duce [...]. Ebd., 3, 8, S. 183: Sed quid faciam, Pogi? An mihi denegare triumphum potes post victoriam qui ipse ante conspectum hostem triumphasti? Tecum pugnavi, te vici, te cepi. [...] Triumphabo igitur de te, cui tu ipse per insaniam triumphum ominatus es. Valla 1978, Antidotum primum 3, 19, S. 186: Ostendi latronum ducem. Nunc ipsos latrones quos in prelio habuit quosque in suis quas expugnavimus urbibus collocaverat sub ferro deinceps ostendamus. Zu Vallas expliziter Kritik an den Facetiae siehe unten, Kap. 3.4.1.2.
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genangriff erwies sich nur bedingt als erfolgreich, da Bracciolini diese Stoßrichtung überging und sich auf den Lebenslauf seines Kontrahenten konzentrierte. Die performative Umwandlung der Gelehrtenrepublik in ein monarchistisch geführtes Imperium unter vallianischem Vorsitz – von Bracciolini bemängelt und von Valla gefördert – spiegelte die Ausgangslage des Konflikts in Hinblick auf die eigentlichen Sachgegenstände wider. Zugleich diente sie als eine antikisierende Ästhetik schaffendes decorum. Poggio warf Valla vor, aufgrund seiner intellektuellen Aspirationen die gemeinschaftliche Orthodoxie durch philologische Eingriffe zu beschädigen, um seine eigenen Lehren nomothetisch etablieren und diskursive Herrschaft, d. h. Deutungshoheit über den Streit, über seine Gegenstände wie auch über den Gegner erlangen zu können. Valla wiederum erblickte in seinem Gegner ein zu überwindendes Hindernis, das seinem kulturellen Restaurationsprojekt im Wege stand. Die Kriegsmetaphorik verstärkte dabei den Kontrasteffekt beider Positionen, die aufgrund ihrer jeweils vorgetragenen Absolutheitsansprüche als unüberbrückbar dargeboten wurden. Wenngleich beide Agonisten ihre Überlegenheit und ihren Sieg über den Gegner postulierten, war die endgültige Entscheidung über ihre Argumentationen und Haltungen explizit dem Publikum vorbehalten; die Siegeszuschreibung eo ipso sollte dabei die Gewissheit über die eigene Superiorität diskursiv unterstützen und dadurch persuasiv wirken.
3.2.3 Die Häresieanklage Sowohl Bracciolini als auch Valla klagten sich in all ihren Invektiven gegenseitig der Häresie an, was in ihrem beruflichen wie sozialen Kontext als schwerwiegender Vorwurf gewertet werden kann. Wenngleich ihre auf paganen Schriften basierenden Gelehrsamkeitsverständnisse in einem zwangsläufigen Spannungsverhältnis zum Christentum stehen mussten, galt ihre für ihren gesellschaftlichen Status unabdingbare Religionszugehörigkeit nichtsdestoweniger als relevante und daher angreifbare soziale Kategorie. Grundsätzlich profilierten sich beide Gelehrte mit offener Kritik an kirchlichen Institutionen, insbesondere auch an der Lebens- und Glaubensauffassung der Minoriten oder anderen etablierten religiösen Praktiken und Denkweisen. Daher boten Bracciolini und Valla Angriffsflächen, die sie, als kuriale Mitarbeiter wohlbemerkt, auszunutzen verstanden100. Bracciolinis vituperatio in der zweiten oratio kul-
Siehe u. a. auch Valla 1981, Antidotum in Facium 4, 12, 13, S. 386 wo Valla mitunter behauptet, dass sein Rivale Antonio Beccadelli niemals der Abendsmahlfeier beiwohnen würde: Panormita melius, qui nunquam ad eucharistiam movere precationibus labra a diligentibus notatus est raroque caput adaperire, quanquam, si fas est, in hoc accipienda excusatio ne calvitium puellis, quarum se amatorem facit, ostendat, quarumque, siquid apud se orat, hoc solum deos deasque et precipue Venerem orat, ut lepidissimam quanquam et, ut eius verbo utar, maxime mollicellam convertat in pusionem, quod apud poetas Telethusa de filia nuptiarum die dicitur impetrasse [vgl. Ov. Met. 9, 667–797]. Vgl. auch Dreischmeier 2017, S. 323.
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miniert mit einer Beschreibung des mutmaßlichen Inquistionsprozesses gegen Valla, der 1444 in Neapel in Form einer Befragung stattgefunden hat. Auf dieses Ereignis arbeitet die gesamte zweite Rede mit Anspielungen hin. Seine vermeintlich ketzerische Lehre manifestiert sich Poggio zufolge, wie oben bereits dargestellt, in seinen als antipatristisch eingestuften Schriften, die Collatio Novi Testamenti, die Elegantiae sowie De libero arbitrio. Aus diesen weiß er die passenden Zitate entkontextualisiert vorzulegen. Innerhalb der Argumentationsstruktur fungiert die Darstellung der inquisitorischen Verhandlung zunächst als weiterer Herabsetzungswitz, der die vorherig eingearbeiteten Motive (physische Bestrafung, öffentliche Bloßstellung, Aburteilung von autoritativen Instanzen, die krankhafte Ruhmsucht) fortführt und mit einem realen Ereignis verknüpft. Als Ausdruck seiner sachlichen Argumentation zieht er geschickt ein argumentum ad verecundiam heran, um seine eigenen Anklagen institutionell zu beglaubigen – Poggio inszeniert sich auch hier mehr als Beobachter oder Erzähler, der bloß Fakten sammelt und für das Publikum aufarbeitet. Er weiß auf das Testimonium eines namentlich nicht genannten Adligen (ex maioribus et dignitate) zu rekurrieren, der ihn mit den nötigen Kenntnissen über das neapolitanische Ereignis versorgt haben soll. Die Benennung von namentlich oder nicht-namentlich genannten Zeugen als Authentifizierungsstrategie wird noch im nachfolgenden Hauptkapitel näher beleuchtet werden. Seinem Duktus entsprechend überzeichnet er an dieser Stelle die Befragung und fabriziert einen Prozess, der nach historischer Überprüfung gemäß der poggianischen Darstellung so nicht stattgefunden haben kann101. Vielmehr bot ihm die Befragung eine ideale Gelegenheit, die diskursive Figuration des Gelehrtengerichts zu aktivieren. In seiner Erzählung sei Valla der Häresie für schuldig befunden worden und sollte auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, sofern er sich nicht von seinen Schriften öffentlich distanzieren und der Ketzerei abschwören würde. Zur „reinigenden“ Buße soll der völlig verängstigte Valla im Anschluss ausgepeitscht und allein aufgrund der pietas König Alfonsʼ vor dem Tode bewahrt worden sein102. Die Einzelheiten der Befragung spielen
Vgl. Amabile 1892, S. 78 und di Napoli 1971, S. 309 f. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 232: Res ad inquisitorem defertur. Capitur Valla, causam perfidiae in uinculis dixit. Damnatur pro haeretico. Decernitur illi poena, homo prophanus Regis beneficio, ignis supplicio liberatur. Ea tamen conditione, ut publice ab eo prolata cum reuocasset et damnasset, scopis crimen lueret. Cum in claustro ut aiunt domus Praedicatorum iudices hominem exanguem, exanimatum, pallidum, obsoletum, ut qui mortem expectasset constituunt et ut memoria hominis clarissimi eorum mentibus fixa diutius haereret, posteriora ueste manibusque reuinctis circum claustra illum ducentes, spatulas et tergum religiosi uiri scopis acriter pulsant, uel potius a sordibus infectum corpus mundant, quo nitidius uideretur. Hoc magnificum atque insigne trophaeum a Laurentio nostro gloriae et laudis cupido, Neapoli erectum est, ad famam perpetuae memoriae suis posteris relinquendam. [...] Adest unus ex maioribus natu et dignitate, cuius nomen honoris causa reticeo, qui se affuisse affirmat cum de te sententia ferretur et se causam fuisse praecipuam dicit, ut Regis pietas ad te eximendum deterrimo cruciatu moueretur, qui cum postmodum tuam peruicacitatem et insaniam nouerit, se ut olim salutis, sic aliquando damnationis meritae causam fore asseuerat. Bei dem namenlosen Zeugen handelt es sich um Alfonso de Borgia (1378–1458), dazu ausführlicher unten. Anders als Camporeale 2001, S. 34 f.
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in Bracciolinis Darstellung keine Rolle und werden allein mit seiner mutmaßlich häretischen Autoritätskritik erklärt. Das im Streit ubiquitäre Gelehrtengericht, das hier erstmalig als reales Ereignis stattgefunden haben soll, diente dazu, eine bereits institutionell erfolgte Aufarbeitung einschließlich einer offiziellen Verurteilung der Lehre Vallas zu bestätigen und ihn als im päpstlichen Dienst tätigen Schreiber vollständig zu diskreditieren. Indirekt richtet er sich sowohl an König Alfons V. als auch an Papst Nikolaus V., die er als prominente Opfer der vallianischen Manipulationen präsentierte. Entsprechend beabsichtigte er eine potentielle Wiedereinstellung am königlichen Hof zu verhindern und den Papst zu einer unmittelbaren Entlassung, wenn nicht gar zu einer weiteren inquisitorischen Überprüfung zu bewegen. Auch sollte die Invektive als deutliche Warnung an alle künftigen Geldgeber fungieren und eine Anstellung in städtisch-höfischen Institutionen verhindern. Die mutmaßliche Verurteilung als Ketzer konnte Valla als apostolischer Schreiber nicht unkommentiert stehen lassen. Er nutzte Bracciolinis Schilderung als Auftakt einer anschaulich beschriebenen Gegendarstellung; die Hintergründe gibt er mitunter dialogisch wieder und ordnete die Inquisitionsbefragung den übrigen neapolitanischen Gelehrtendisputen zu. Dadurch deutete er den ihm vorgeworfenen Dissens zu seinen Gunsten als Qualitätsmerkmal um und präsentierte sich als kritischer, den etablierten Experten überlegenen und zu Unrecht beschuldigten Humanisten103. Dass er dabei das institutionelle Verfahren abwertete und als illegitim verwarf, erscheint in seiner Rechtfertigung beinah als Randnotiz. Stattdessen konzentrierte er sich allein auf seine eigene Selbstinszenierung und ließ die übrigen Beteiligten tendenziös als Anhänger einer überkommenen Gelehrtenkultur auftreten. Er komponierte einen pathetisch aufgeladenen Gegenentwurf zur poggianischen Karikatur seiner selbst und warb gleichsam für seinen kritischen, auf philologischen Erschließungen basierenden Zugang zu allen Disziplinen, einschließlich der Theologie und der christlichen Geschichtsschreibung. Die inquisitorische Befragung sei dem apostolischen Schreiber zufolge ein direktes Resultat seiner „zahlreichen“ Konflikte mit anderen Gelehrten am königlichen Hof
suggeriert („[...] in the second Oratio Poggio’s real target is Valla’s criticism of philosophical and theological language and speculation.“), ist die zweite Rede als alleinige vituperatio zu verstehen, in der die ad-rem Argumentation auf ein Minimum heruntergefahren wird und allein Vallas sozialer Körper delegitimiert werden sollte. Vgl. auch Rao 2007, S. 91 f. In seiner vierten und fünften Rede berichtet Poggio im übrigen, dass der Theologe Fernando da Cordoba (1425–1486?) ihn vor dem Tode bewahrt haben soll, womit er sich selbst in seiner zweiten Rede widerspricht. Dort sagt er aus, dass Fernando Valla für seine häretischen Schriften verurteilt habe. Vgl. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 230; Bracciolini 1966b, Invectiva quarta, S. 874 und Bracciolini 2006, Invectiva quinta 9, S. 132. Siehe auch die Aussage Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 355: Tacebo alias disputationes, referam unam breuem. Neben den Konflikten mit Bartholomeo Facio und Antonio Beccadelli lässt sich seit spätestens 1439 die problematische Stellung Vallas am Hofe König Alfonsʼ V. feststellen. Siehe dazu Valla 1984, Epistole, Ep. 13, S. 193–209; vgl. dazu auch Ryder 1990, S. 322–326.
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gewesen104. Sie sollen sich gemeinsam gegen ihn aufgrund seiner intellektuellen Überlegenheit verschworen haben – die Analogie zu seinem Neidvorwurf gegenüber Poggio ist unverkennbar. Den von Bracciolini namentlich nicht genannten Zeugen, den Valla pejorativ mit dem Demonstrativpronomen iste anonym bleiben lässt, beschuldigt er wegen öffentlich ausgetragener rechtswissenschaftlicher Meinungsverschiedenheiten der Falschaussage105. Er habe diesen in einer Auseinandersetzung wortwörtlich „vernichtet“ (confundere), was ihm zufolge den Hass gegen ihn erklären würde. Entsprechend sei die Zeugenaussage, auf der Poggios Darstellung basiert, wertlos106. Alessio Patané konnte mithilfe von Marginalien in einem der Überlieferungsträger die Vermutungen von Riccardo Fubini und D. G. Monrad bestätigen und die namenlose Person als Alfonso de Borgia (1378–1458) identifizieren, den späteren Papst Kalixt III., unter dem Valla zum apostolischen Sekretär befördert werden sollte107. Der Jurist, der 1429 zum Bischof von Valencia und 1444 zum Kardinal erhoben wurde, stand im Dienste König Alfons V. und führte die Verhandlungen mit der Kurie über das Königreich Neapel, was die politische Dimension der Inquisitionsbefragung erahnen lässt. Dies erklärt, warum beide Agonisten eine direkte Benennung vermieden haben, um als apostolische Mitarbeiter einen Eklat in der Kurie zu vermeiden. Nach Ansicht Vallas habe auch bei diesem institutionellen Konflikt mit dem neapolitanischen Klerus hauptsächlich der persönliche Zwist eine entscheidende Rolle gespielt, was bereits den Gegensatz zwischen Vallas propagierter Position und derjenigen seiner Gegner kontrastieren sollte. Implizit standen, so will der Humanist es seiner Leserschaft vermitteln, sein humanistisches Gelehrsamkeitsverständnis und seine geistige Überlegenheit zur Disposition. Anders als sein Kontrahent legte Valla großen Wert auf eine inhaltliche Behandlung der einzelnen Kritikpunkte – folglich affirmierte er die Konfrontation mit der
Siehe auch Casciano 2007, die den Prozess in den neapolitanischen Kontext einordnet. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 355: [...] nolo ego quidem hominem nominare, qui autor illius machinamenti fuit, [...]. Ego si istud, quod mihi obiectum est, hominem haereticum facit, quod non opinor, uos potius, tanquam male de religione Christiana sentientes, esse haereticos spero conuincere, nihil addens ad illa, quae tuae in controuersia fuere uersata. Iste tuus clandestinus mihi minator, de me optime ne dicam pessime meritus, agnosce quam uerus sit, quam bonus, quam doctus. Iam primum de sua, hoc est, de iuris cum ciuilis, tum uero pontificii scientia sic sensit, aut certe sic loquitur, ut eam non modo summam omnium, uerum etiam solam uelit esse, nihil artes liberales, nihil philosophiam, nihil postremo esse theologiam. Quaeris cur ita uelit? Quia nihil omnino illarum degustauit, ut uerum scias esse, quod dicitur, scientia nullum habet hostem, nisi illius imperitum. Siehe zu Vallas Verständnis der Rechtswissenschaften ausführlich oben, Kap. 2.3.2. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 356: [...] ita confudi hominem, ut se uix me salutato in cubiculum abdiderit, semperque me postea odio habuerit et ulcisci cuperet, uir omni muliere uindictae cupidior, praesertim quod audisset paulo post, quandam me rem de iure componere, cuius, si tutum esset, nunc facerem mentionem. Sed non sunt omnia in praesentiarum patefacienda. Mit der nicht näher erläuterten res de iure könnte das Gutachten über die konstantinische Schenkung gemeint sein. Vgl. auch BENTLEY 1987, S. 113 f. Vgl. Patané 2020, bes. S. 9–14. Siehe auch Setz 1975, S. 3 f.
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neapolitanischen Inquisition, wenngleich er eindringlich abstritt, dass er als Häretiker zum Tode verurteilt worden sei108. Nichtsdestoweniger verschwieg er auch gewisse Streitgegenstände, zu denen er anderswo in zwei Schriftstücken, einer vorbereiteten Verteidigungsrede sowie einem Rechtfertigungsschreiben an Papst Eugen IV., Stellung bezog. Zu den bei der Befragung behandelten Kritikpunkten zählten mitunter und am ausführlichsten die voluptas-Lehre in seinem Dialog De vero bono, Aussagen zur aristotelischen Kategorienlehre aus seiner Repastinatio dialecticae et philosophiae, seine Kritik an den spätantiken grammatischen Autoren, seine Kritik an Boethius im Dialog De libero arbitrio sowie seine Ansichten zum monastischen Gelübde in seinem im gesamten Streit interessanterweise unberührten Dialog De professione religiosorum. Letztere Schrift ist in Neapel entstanden und zeichnet sich durch eine philologisch konfigurierte Institutionskritik am Mönchtum aus109. Entsprechend ist davon auszugehen, dass Poggio konkrete Informationen vorlagen, die er, seinem Duktus entsprechend, überzogen verarbeitete und Valla in seiner vituperatio zur Last legte. Im zweiten Antidotum konzentrierte sich der apostolische Schreiber bei seiner Richtigstellung auf die Authentizitätsprüfung kirchlich-theologischer Schriften, namentlich die Beurteilung des mutmaßlichen Briefwechsels zwischen Jesus Christus und König Abgar von Edessa und die Genese der zwölf Artikel des Apostolicum. Ersteren stufte der Humanist als apokryph ein, während er glaubte, die Entstehung des Glaubensbekenntnisses in den Kontext des Konzils von Nicäa im Jahr 325 lokalisieren zu können110. Die theologische Dimension seiner Schriften und seiner öffentlichen Dispute Vgl. zum Ablauf immer noch Amabile 1892, S. 73–79; di Napoli 1971, S. 279–312; Casciano 2007. Zu den einzelnen Streitpunkten, die Valla im zweiten Antidotum, S. 355–362, anspricht vgl. Fubini 2001, S. 136–162; Linde 2011, S. 46–49 und S. 51–58; Speyer 1993, S. 29 f.; grundlegend Fois 1969, S. 359 ff.; Blanchard 2000, S. 168–170 mit Kritik an bisherigen Interpretationen, jüngst Cattaneo 2014. Vallas hier vorgelegte Darstellung kann mit seiner Defensio quaestionium in philosophia (ed. Zippel, vgl. Valla 1970c) und seiner an Papst Eugen IV. gerichteten Bittschrift Pro se et contra calumniatores ad Eugenium IV Apologia, nach wie vor Valla 1962b, Opera Omnia 1, S. 795–800, abgeglichen werden. Vgl. dazu Casciano 2007, S. 73 f. Über die Hintergründe und eine theologische Intepretation der Verhandlungsgegenstände Camporeale 1972, S. 267–276. Dazu Zippel 1970 und Casciano 2007, S. 76 ff. Auch die Frage, ob Hieronymus Römer gewesen sei, wird in diesem Kontext diskutiert. Vgl. Linde 2011, S. 46 ff., v. a. auch zu den Hintergründen des Briefwechsels, dessen Authentizität im Mittelalter nicht unumstritten war. Zum apostolischen Glaubensbekenntnis ausführlich Westra 2002. Siehe auch Setz 1975, S. 3–5; Fubini 1990, S. 308 f. und di Napoli 1971, S. 290–296. Zur Begründung für seine Datierung des Apostolicum rekurriert Valla, wie er berichtet, Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 360, auf Isidor von Sevilla, Etym. 6, 16, 4, was wiederum in das Decretum Gratiani (Dist. 15, c. 1, 1) übernommen wurde und ihm zufolge einen Übertragungsfehler aufweise: Die besagte Stelle im Decretum lautet Sancti Patres in concilio Niceno de omni orbe terrarum convenientes iuxta fidem evangelicam et apostolicam secundum post Apostolos symboloum condiderunt. Valla zufolge müsse die Präposition secundum mit dem Adjektiv secundo ersetzt werden. Valla bezieht sich bei seiner Korrektur auf eine bislang nicht verifizierte Isidorhandschrift, bei der es sich laut Cattaneo 2014, zusammenfassend S. 278, um einen Strohmann, d. h. um einen nicht existenten codex handelt. Valla habe vielmehr, so Cattaneo, das Buch erfunden, um seine Deutung zu belegen und sich gegen den Häresievorwurf zu verteidigen. Dies
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behandelte er allein peripher, wie bereits oben hinsichtlich der Sachgegenstände aufgezeigt wurde. Der informelle Inquisitionsprozess ist von der Forschung vorwiegend als Ausdruck zweier divergenter Glaubensverständnisse, konkret zwischen traditionellscholastischer und modern-humanistischer Weltanschauungen interpretiert worden111. W. Scott Blanchard hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass dogmatische Meinungsverschiedenheiten höchstens eine untergeordnete Rolle gespielt haben112. Vielmehr stand die institutionelle Autorität des Klerus in explizit religiösen Kontexten zur Disposition, den Valla über seinen philologisch-historischen Zugang ostentativ herausgefordert hat. Daher sind für die Untersuchung der Bracciolini-Valla-Kontroverse seine Rechtfertigungsstrategie und ihre Funktion für seine Selbstinszenierung von Belang, die er mit dem ihm vorgeworfenen Nonkonformismus zu vereinen wusste. Er beginnt seine Gegenrede mit einem Hinweis auf seine Differenzen mit dem dominikanischen Bischof Giovanni García, der simultan als Beichtvater König Alfonsʼ V tätig war, und mit dem franziskanischen Mönch Antonio da Bitonto (1385–1465). Beide Gelehrte charakterisiert Valla herabsetzend und diagnostiziert ihnen eine falsche Wahrnehmung ihrer selbst, die wiederum zu Hass auf ihre Kritiker führe: Semper enim imperiti et iidem de se bene, hoc est, falso sentientes, peritis ut a quibus reprehendi solent [...]. Bischof Giovanni García, dem er jegliche humanistische Qualifikation abspricht, habe es als Theologieprofessor nur schwerlich ertragen können, dass Valla sich sowohl in der Jurisprudenz als auch in der Theologie, nach Eigenaussage wohlbemerkt, als versierter als er selbst erwiesen habe. Topisch pathologisiert er dessen auf Jähzorn und Überheblichkeit fundierte Feindschaft ihm gegenüber113. Sein Urteil über Antonio da Bitonto fällt nur unwesentlich milder aus: Als Minoritenprediger wäre er ein hervorragender vociferator,
widerspricht jedoch eindeutig der akkuraten Methodik Vallas. Vielmehr scheint er auf einen Übertragungsfehler innerhalb der besagten Handschrift hereingefallen zu sein und pochte zur Gesichtswahrung im Anschluss auf die Richtigkeit seiner Datierung. Insbesondere Fois 1969; di Napoli 1971 und Camporeale 1972 und 2014 sowie Blum 2010, S. 77–94, sind für die theologische Dimension heranzuziehen. Vgl. Blanchard 2000, S. 168, Anm. 35, wo er insbesondere Camporeale 1972, S. 35–42 und 153–171 widerspricht: „This view [scil. Camporeales Untersuchung] strikes me as placing too much weight on Valla’s strictly theoretical writings. By 1444, he had committed many other acts of intellectual provocation, and the Defensio quaestiorum, which must necessarily reflect the charges against him, spends far more space on the issue of what Valla meant by ʻvoluptasʼ and on issues arising out of Valla’s treatise on the religious (the De professione religiosorum) than on his logic. [...] Clearly he was supected for unorthodox opinion on all of the disputed points – for otherwise he would not have needed to respond to criticisms of works other than the Dialectical Disputations – and perhaps his inquisitors simply felt their case was stronger if it remained focused on technicalities. [...] I suspect that Valla’s ʻheresiesʼ are often read through a Counter-Reformation prism that discovers more precision of definition than existed in 1444.“ Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 356: [...] ut ille superior aegre ferebat, me uersari in iure ciuili, ita hic in theologia, cuius est professor, uersari, inquam, alio modo, quam ipse uersatur, homo nullis bonis literis praeditus, ac plane inermis, nisi quibusdam ineptiis, sed ante omnia adeo iracundus, impatiensque, ut, dum eum uideas, in ipso uultu iracundiam cum superbia sedere existimes.
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wenn er nicht dauernd heiser werden würde. Vielmehr biete er Geschrei zum Verkauf an und, in Analogie zu einer ciceronianischen Bemerkung, „belle“ er mehr als dass er forensisch tätig sei114. Auch ihm spricht Valla entsprechend jegliche humanistische Kernkompetenzen ab; beide Personen sind ihm zufolge als Ungelehrte (indocti, imperiti) zu behandeln, die der von ihm als barbarisch eingestuften scholastischen Gelehrtenkultur nach wie vor anhängen115. Die Divergenz ihrer Weltanschauungen manifestiert sich mitunter in der Kanonisierungsfrage von Autoritäten, anschaulich am Beispiel Bonaventura da Bagnoregio (1221–1274) dargelegt, den Valla im Gegensatz zu Bitonto als Quelle und Bezugsinstanz für historisch-theologische Fragestellungen explizit ablehnte und dessen Anhänger als imperiti verhöhnte116. Aus dem poggianischen Häresievorwurf entwarf er eine Abrechnung mit seinen neapolitanischen Gegnern und integrierte den ihm vorgeworfenen Dissens in sein „selffashioning“, das mitunter die typischen Züge eines ausgeprägten Geltungsdranges enthielt, den Bracciolini ihm vorwarf: Die neapolitanische Verschwörung (conspiratio neapolitana) habe sich für ihn sowohl bei Gott als auch bei den Menschen (apud Deum et homines) vielmehr als ruhmreiches und weniger als entehrendes Unterfangen erwiesen117. Neben einer Richtigstellung der Anschuldigungen und einer Schadensbegrenzung
Rekurs auf Cic. Brut. 15, 58 und Quint. inst. 11, 3. 30. Zum Verhältnis zwischen Valla und Bitonto und der sozialen Verortung letzteren nach wie vor Urbano 1898, für den Vorfall in Neapel S. 37–39. Es sei als unmittelbarer Vergleich insbesondere auf die positiven Attribute hingewiesen, die Valla seinen Verbündeten und Freunden zuschreibt: Bischof Arnoldo Pallas von Urgell bezeichnet er als den nobilissimus aller Bischöfe (wenngleich auch er keine humanistischen Epitheta erhält); den königlichen Sekretär Angellio Campano nennt er wiederum virus et doctus et gravis. In der besagten Darstellung manifestiert sich das vallianische Gedankengebäude hinsichtlich von Autorität, Autoritätskritik und intellektuellem Fortschritt, das bereits oben in Kapitel 2 umfassend dargelegt wurde. Insbesondere sei auf die Kanonisierung von Kirchenlehrern hingewiesen: Für Valla existieren allein vier veri doctores, namentlich Ambrosius, Hieronymus, Augustinus und Gregor der Große, die aus historischer Perspektive als Bezugsinstanzen für geschichtlich-theologische Sachverhalte hinsichtlich des Apostolicum herangezogen werden können. Sein Gegner Antonius da Bitonto insistiert hingegen darauf, dass auch Bonaventura als vertrauenswürdige Quelle fungieren könne. Darauf die programmatische Aussage Vallas 1962a, Antidotum secundum, S. 358: „Si foret“, inquam, „hoc artis meae, non ad te interrogandum uenissem. Verum si tui artificii est, quin potius doces, quam derides?“ Ille perseuerare in ridendo, atque identidem dicere: „Doctores ecclesiae.“ „An non“, inquam, „inter doctorem atque doctorem interest? Tametsi doctores uulgo dicuntur, quicunque aliquid scribere tanquam docti sunt ausi, pluresque sunt iam doctores quam docti. Veri doctores sunt illi, quos ecclesia probauit, ueluti ii quatuor: Ambrosius, Hieronymus, Augustinus, Gregorius. Ad haec ille non ridens, sed iratus. „At non“, inquit, „istis minor est Bonauentura, qui hoc tradit.“ „Esto“, inquam, „Bonauentura tuus etiam maior illis, si libet, addidique, ut hominem uicissim deriderem, etsi semper inter minores numerabitur, tamen in re hac neququam est illis comparandus. Nam in iis, quae ratione constant, potest antiquitatem superare posteritas, ut in Dialectica, Medicina, Philosophia, in notitia autem uetustatis atque in historia superiorum temporum, quo pacto possumus nos maioribus nostri, si modo probabilia tradiderunt, repugnare et antecellere?“ Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 362: [...] pariter et caeteri stulti atque iniqui intelligeretis, illam aduersus me Neapolitanam conspirationem apud deum et homines extitisse mihi gloriosam potius quam ignominiosam [...].
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versuchte Valla sich an einer für ihn positiven Umdeutung der Geschehnisse. Er präsentierte sich als stoischer Einzelkämpfer, der seine Feinde bereits durch sein Rednertalent eingeschüchtert haben soll, weshalb sie ihm zufolge eine öffentliche, „vor der gesamten Stadt“ (tota ciuitas) ausgetragene Disputation unbedingt haben vermeiden wollen118. Die Stoßrichtung seiner Darstellung nimmt die am Ende des 15. Jahrhunderts verstärkt auftretenden, und sodann im 16. Jahrhundert umfänglich praktizierten humanistisch-scholastischen Kontroversen bereits vorweg; gleichsam legte Valla hier einen Präzedenzfall vor, der die hegemoniale Ausrichtung seiner Programmatik noch ausgereifter darlegte als in seinen bislang von der Forschung vorwiegend betrachteten Vorworten der Elegantiae und der Repastinatio119. Prinzipiell lassen sich die Dispute in Neapel als eine Auseinandersetzung über den Status der humanistisch reklamierten Rhetorik in der Fächerhierarchie zusammenfassen: Dem Dualismus seines intellektuellen Programms entsprechend positionierte sich Valla als Verteidiger der Eloquenz, die von den Anhängern der mittelalterlich-scholastischen Kultur angefochten worden sei: Bitonto, der jedoch selbst mit humanistischen Gelehrten wie Guarino da Verona und Francesco Barbaro in engem Kontakt stand und selbst humanistische Interessen verfolgte, soll die rhetorica verworfen und als inkompatibel mit historisch-theologischen Sachverhalten bewertet haben, was Valla nach Eigenaussage zu einer Reaktion provozierte. Der literarisch geführte Streit hat, wie der strukturell ähnliche Vorfall in Pavia belegt, ein mündliches Pendant im öffentlich inszenierten Konflikt, der dieselben Praktiken der polemischen Ausrichtung, d. h. der diskursiven Ausschaltung und der sozialen Herabsetzung, umfasste. Diese Form der offenen Konfrontation muss als Teil des von Valla propagierten humanistischen Selbstverständnisses betrachtet werden, das von der nachfolgenden Humanistengeneration nachgeahmt wurde120. Valla will Juan García wegen des apokryphen Briefwechsels zwischen Christus und König Abgar verlacht und bloßgestellt, Biton-
Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 358: Nullus enim locus in tota urbe erat magis ideoneus, quam illa aula ad Sanctam Mariam cognomine Coronatam. Ibi uideres totam ciuitatem disputationis nostrae expectatione suspensam et aduersarios sollicitos, trepidos, discursantes, timorem suum praeferentes. Fuerunt ex iis, qui confiterentur, hostes meos non fuisse ausos publice mecum omni populo disceptante contendere, ne se obruerem eloquentia. Vgl. u. a. Bollmann 2001, S. 87–89; Siehe auch das treffende Urteil von Blanchard 2000, S. 170, der die Selbstinszenierung mit der von Valla eingeforderten intellektuellen Freiheit in Verbindung setzt: „This repeated pattern of Valla’s portrayal of himself as a singular intellectual surrounded by a world full of enemies is central to an understanding of his pathology but at the same time can be seen as an intellectual strength as well as a psychological indicator.“ Valla 1962, Antidotum secundum, S. 358: „Etiam“, inquit [scil. Antonius Bitontinus], „in mea facultate mecum contendere audes, qui tecum contenderem in tua, quippe qui Rhetoricam legi quindecim omnino natus annos?“ Et cum multa de se homo imperitissimus iactaret, cum multa etiam brachiorum ac totius corporis iactatione, non aliter, quam solet in concionando. Wenngleich ausführlicher behandelt ähnelt die Darstellung des neapolitanischen Disputs seiner Intepretation der Auseinandersetzung mit der Juristenfakultät in Pavia, vgl. Valla 1981, Antidotum in Facium 4, 12, 31, S. 393; dazu Blanchard 2000, S. 164– 170 mit einem Vergleich zwischen den institutionellen Konflikten in Pavia und Neapel; zu Pavia auch Fubini 2003, S. 140–173 und Speroni 1979.
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tos Predigt über das Apostolicum öffentlich in Frage gestellt haben. Als humanistischer Gelehrter, der keine institutionelle oder soziale Approbation für die Behandlung theologischer Sachverhalte besaß, nahm er sich heraus, in diese als Außenstehender einzugreifen und die hierfür ausgebildeten Experten ihre akademisch zugewiesene Autorität abzusprechen. Diesen Vorgang verheimlichte Valla nicht, sondern schmückte sich demonstrativ mit diesem Herabsetzungsversuch, was dem hauptsächlich humanistisch orientierten Publikum eine neue Wahrnehmung ihrer Gelehrtenkultur vermitteln sollte und die „hegemoniale“ Ausrichtung (nach de Boer) seiner Programmatik offenbarte. Die vallianische Wiedergabe der neapolitanischen Konflikte reiht sich in die oben in Bezug auf die konkreten Gestaltungsabsichten besprochenen philologischen Eingriffe in die akademischen Disziplinen ein. Der Autor der Elegantiae beschränkte sich nicht allein auf die Veröffentlichung kritischer Beiträge, sondern er konfrontierte öffentlich die von ihm attackierten Vertreter der Scholastik und forderte sie in ihren eigenen Fachgebieten heraus. Seine Richtigstellung ließ er mit der als Farce gezeichneten Inquisitionsbefragung kulminieren. Nach Verzögerungen und einer Intervention König Alfonsʼ V. habe Valla schließlich seine Ansicht zum Glaubensbekenntnis einschließlich der besagten Korrekturforderung in einem heute verschollenen Brief an das neapolitanische Juristenkolleg verschickt. Der Brief gelang in die Hände des erzbischöflichen Vikars, der sich zusammen mit García gegen ihn verschworen und ihn in ein als öffentliche und ordnungsgemäße Disputation (legitima disputatio) getarntes inquisitorisches Verhör gelockt haben soll, wo er ohne (rechtlichen) Beistand ausgefragt worden sei121. Die Inquisitoren lässt er als ungelehrte und sich selbst entlarvende Amtsträger auftreten, die weder über Textkenntnisse, noch über rhetorische Fähigkeiten verfügen würden. Den Vorgang setzte Valla als Schauprozess herab und zog insbesondere aus damaliger Sicht äußerst gewagte Parallelen zur Verhandlung gegen Jesus Christus: Die Vorsitzenden nannte Valla pejorativ Pharisäer, den leitenden Bischof Johannes Alesanus setzte er sogar mit dem Hohepriester Caiphas gleich. Kurzum sprach er der Inquisition jegliche Legitimität ab, sowohl hinsichtlich ihrer Gelehrsamkeit als auch ihrer institutionellen Autorität122. In einem eingeschobenen Dia-
Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 360 f.: Ita postero die citor, ut eadem hora Vicario Archiepiscopi praesto sim. Ego et si aliquid, non tamen tantum doli suspicatus, pergo ad hominem, sine aduocatis, credens aliquid Altercationis fore. [...] Inter eundum a multis interrogor, quo eam, respondeo, ad Vicarium cum aduersariis disputatum. Ita multi disputationis audiendae cupidi sequuuntur. Vbi peruenio, offendo aliquot pontifices ac pharisaeos, statimque me insecutus est, qui accessum meum expectarat Ioannes episcopus Alesanus, nam ille Caiphas, ut postea accepi, a fenestella quadam episcopi despectabat. Consident illi, ego cum corona sto iam tunc suspicans non esse illam legitimam disputationem. Ibi frater quidam praedicatorum, quem aiebant Inquisitorem, perconctatur, quid de symbolo sentirem, ab Apostolisne conditum, an non. Zum genauen Ablauf mit Einzelheiten u. a. Linde 2011, S. 56–58 und di Napoli 1972, S. S. 290–296. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 360: Es sei auf die hierarchische Kluft verwiesen, die Valla hier darstellt. Siehe auch seine eindeutige Einstufung des Verhörs in seinem Schreiben an Eugen IV., exemplarisch Valla 1962b, Apologia pro se et contra calvmniatores, S. 795: [...] si iudicium dicendum est iudicum conspiratio [...].
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log visualisierte er die mutmaßliche Inkompetenz seiner Gegner: Obwohl Valla sich bereits ausdrücklich zur herrschenden Lehre der Kirche bekannt habe und über die ihm zur Last gelegten Streitgegenstände einlenkend „denkt, was die Mutter Kirche denkt“, verlangten die Inquisitoren von ihm, sich sowohl von seinen Schriften als auch von seinen mündlichen Aussagen zu distanzieren, um einer Verurteilung als Häretiker zu entgehen. Die aufgeworfene Diskrepanz zwischen Denken einerseits und dem schriftlichen oder mündlichen Ausdruck andererseits, zusammengefasst im sensus123, zog er sodann als unsinnige Unterscheidung ins Lächerliche und forderte die Gutachter mit Widerworten heraus, was letztlich innerhalb seiner Darstellung zu einer Blamage für den hierarchisch höher stehenden Inquisitor führte124. Valla antwortete mit lakonischen Bekenntnissen zur Kirche, die der beanspruchten Autorität des Vorsitzenden augenscheinlich zuwiderliefen. In Bezug auf seine Repastinatio dialecticae et philosophiae vermochte er schließlich das philosophische wie theologische Unwissen von Bischof Johannes Alesanus demonstrativ zur Schau zu stellen: In Bezug auf die Reduktion der zehn aristotelischen Kategorien lockte Valla den Inquisitor in eine Falle und sorgte für eine Meinungsverschiedenheit bei den Beteiligten: Den Ausgangspunkt bildete die Frage, in wie weit die Kategorien als christlich-dogmatische Vorschriften zu lesen seien. Geschickt ließ er das im akademischen Bereich breit diskutierte Spannungsverhältnis von paganer Philosophie und christlicher Theologie zutage treten125. Der informelle Prozess wurde sodann durch königliche Gesandte beendet; Valla soll – und dies ist für seine Rechtfertigung essentiell, more confessorum die Absolution erteilt worden sein. Triumphierend fügt er hinzu, dass König Alfons sogar gegen die Inquisitoren aufgrund ihrer Missachtung der königlichen Jurisdiktion vorgegangen sei126. In seiner Darstellung der Ereignisse ging er folglich als eindeutiger Sieger hervor, der die Überlegenheit seiner selbst, aber auch der von ihm repräsentierten studia humanitatis öffentlich verkünden konnte. Weder die bildhaft und übertrieben beschriebene Buße Bracciolinis, noch Vallas prahlerische und überzogene Verteidigung können als authentische Berichte betrachtet werden. Beide Darstellungen müssen als tendenziöse Überzeichnungen eingestuft werden, die einzig der Diffamierung bzw. der Selbstinszenierung dienten. Beide Gelehrte verarbeiteten gekonnt ihre literarischen Markenzeichen: Poggio identifizierte in Vallas
Zu Vallas Verständnis von sensus als Einheit zwischen Denken und Sprechen bzw. Schreiben siehe oben, Kap. 2.2.2. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 361: „De his idem sentio, quod mater ecclesia.“ „Reuoca“, inquit „ille, quod scripsisti de his, quodque dixisti“. „Cur non potius“, inquam, „uos docetis esse reuocandum?“ „Etiam“, inquit, „in prima opinione perstas?“ „An uos“, inquam, „mauultis oris mei quam animi emendationem? Quo enim pacto ego emendor, nisi idem, quod ore fateor, animo sentiam? An hoc quaeritis? Ut iterum uel ira uel imprudentia ex meo sensu loquar et iterum relabar in errorem?“ Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 361: [...] non potui fateor continere impetum, quin imperitiae inimicorum insultarem [...]. „Quid“, inquit Inquisitor, „reuocasne quae scripsisti atque dixisti?“ „De his omnibus“, inquam, „idem sentio, quod mater ecclesia, quemadmodum dixi.“ [...] „Age“, inquam, „etsi ista mater ecclesia ignorat, tamen idem de ipsis credo, quod mater ecclesia.“ Vgl. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 362; dazu u. a. Ryder 1990, S. 323.
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Lebenslauf eine eindeutige Schwachstelle, die er auszunutzen wusste. Er verwertete die Grundmotive seiner zweiten Rede, d. h. das ubiquitäre Gelehrtengericht, um eine öffentliche Erniedrigung in Form einer physischen Strafe sowie sein knappes Entkommen vor einer härteren Verurteilung in den Raum zu stellen. Ebenso konnte er damit rechnen, dass Vallas Konfrontation mit der Inquisition aufgrund der Invektiven Bartholomeo Facios und der effizienten Kommunikationswege der humanistischen Gemeinschaft zumindest partiell bekannt gewesen war, was seiner Darstellung zusätzliche Glaubwürdigkeit verleihen sollte. Ihr kuriales Kollegium dürfte auf jeden Fall Kenntnisse über den Vorfall von 1444 gehabt haben, wenngleich Valla mit Papst Nikolaus V. einen Förderer für sich gewinnen konnte, der seine Stellung abzusichern vermochte. Entsprechend behandelte er in seiner Gegendarstellung die Häresiefrage nur knapp und zeichnete sich hingegen als Vertreter der humanistischen Disziplinen, die gegen ungebildete Repräsentanten der Scholastik verteidigt werden mussten. Trotz theologischer Implikationen, die er weitestgehend umging und selbst auf seine Zurückhaltung verwies127, präsentierte er sich als ein Gelehrter, der einzig an verifizierbaren Tatsachen interessiert schien. Er inszenierte sich als Prototyp eines neuen Gelehrsamkeitsverständnisses, das unabhängig von den bislang etablierten Experten eine Selbstautorisierung über die studia humanitatis, d. h. konkret über die Philologie (Grammatik und Rhetorik) erlaubte und parallel seine Eingriffe in die (theologischen) Wissensträger legitimierte.
3.2.4 Unterweltsfahrten und Totengerichte Der mit den Invektiven eingeleitete Evaluationsprozess wird auf einer eigenen Darstellungsebene in Bracciolinis orationes drei und vier reflektiert. Bei diesen beiden Schmähschriften handelt es sich prinzipiell um eine Nachahmung der menippeischen Satire, was die vielfältigen Möglichkeiten der invectiva als Gattung anschaulich darlegt128. Seine literarischen Vorlagen für beide Schmähschriften sind vielfältig: Geschickt
Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 356: Non licet apertius loqui, forte erunt, qui haec intelligent. Dazu auch Patané 2021, S. 97 f. Vgl. zur vierten Invektive bes. Bonmantí Sánchez 2005a, hier S. 98. Siehe auch Quintilians Definition der Satire, inst. 10, 1, 93 u. 95, der jedoch augenscheinlich den Griechen Menippos unerwähnt lässt: satura quidem tota nostra est, in qua primus insignem laudem adeptus Lucilius quosdam ita deditos sibi adhuc habet amatores, ut eum non eiusdem modo operis auctoribus, sed omnibus poetis praeferre non dubitent. [...] alterum illud etiam prius saturae genus, sed non sola carminum varietate mixtum condidit Terentius Varro, vir Romanorum eruditissimus. Poggio selbst nennt Lucilius als Bezugsinstanz für seine Facetiae, siehe Bracciolini 1983, Facezie, Praef. S. 110: A facetis enim et humanis (sicut Lucilius a Consentinis et Tarentinis) legi cupio. Er stellt ebenso eine Analogie zur Leserschaft des Lucilius, den er aus dem Vorwort von Ciceros Schrift De finibus bonorum et malorum übernahm. Dazu ausführlich die Untersuchung von Pittaluga 1987 und ders. 1993. Vgl. auch Kipf 2010, S. 88.
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verarbeitet Poggio mitunter Deskriptionen und Handlungselemente der lukianischen Totendialoge und Aristophanesʼ Komödie „Die Frösche“ (Βάτραχοι). Die militärische Selbstinszenierung Vallas wird über eine thematische Anlehnung an Claudians Versinvektive In Rufinum und Senecas Apokolokyntosis persifliert, wodurch er den närrisch erscheinenden und selbsternannten Herrführer als Rufinus respektive als zweiten Kaiser Claudius porträtiert129. Chronologisch knüpft Vallas von Harpyien erzwungener descensus in den Hades an der neapolitanischen Inquisitionsbefragung 1444 an, während sein eigenmächtiger ascensus ins Elysium im Anschluss an seine mutmaßliche Niederlage im Disput mit Bracciolini stattgefunden haben soll130. In beiden Unterweltsszenarien wird Valla vor zwei Tribunale gestellt und einer Frömmigkeits- und Eignungsprüfung unterzogen, die durch die Zusammensetzung der Richter antithetisch zueinanderstehen: Im Tartarus wird er unter dem Vorsitz des Teufels vor einer Dämonenversammlung begutachtet und aufgrund seiner häretischen und irrtümlichen Sprachlehren als Handlanger rekrutiert. Als Resultat schickt ihn der Teufel zur Fortführung seiner Herabsetzungskampagne zurück in die Welt der Lebenden131. Seine herostratische Handlungsweise stößt allein im Vgl. auch Bonmantí Sánchez 2005a, S. 99. Siehe auch das Urteil von Walser 1914, S. 274: „Da [scil. die Invektiven drei und vier] werden die weiteren Schicksale Vallas in einer Weise geschildert, die an Schärfe der Satire und an geistvollem Humor ihresgleichen sucht.“ Siehe ebenso Rao 2007, S 93: „Poggio must have taken so much delight in his accomplishment [scil. das Unterweltsgericht in der zweiten Rede] that he followed this oration soon after with two others. [...] Untiring, Poggio created yet another hilarious vignette in the spirit of Aristophanes, Lucian and Seneca [...].“ Mit dem Rekurs auf die mythischen Figuren Orpheus, Herkules und Theseus, die als Positivbeispiele eines heroischen und eigenmächtigen descencus einen Kontrasteffekt zum monstrum Valla erzeugen sollen, markiert Poggio bereits seinen intertextuellen Rekurs mitunter auf Vergil, Ovid, Plutarch, Seneca und Lukian. Auch direkte Anspielungen auf Dantes Comedia lassen sich finden; ebenso ist die Visio Sancti Pauli als thematisches Vorbild denkbar. Zur mittelalterlichen Tradition bes. Korte 2012, einführend S. 9–25. Zur späteren Rezeption der Totendialoge Lukians bei Erasmus von Rotterdam und Ulrich von Hutten anregend Baumbach 2004. Vgl. zur Apokolokyntosis Reiser 2007. Nach seiner Schilderung der Inquisitionsbefragung ruft Bracciolini das Totengericht des Altertums auf: Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 233: Sed quia forsan tardior erit quam tua requirat perfidia iudicatio uiuentium, qui forsan aliquo morbo animi impediti, in te puniendo remissiores erunt quam ratio postulat, ad mortuos iudices recurram procul ab omni odio, amore, inuidia remotos. Sed quinam erunt quibus hoc munus demandetur? Illos decet quos antiquitas iudices apud inferos constituit. Excitemus ergo ex urna electos Aeacum, Rhadamantum, Plutonem, qui licet fidem nostram ignorarint, tamen ex tempore bona fide iudicabunt. Die Begutachtung in der Unterwelt könnte auch eine geschickte Umkehrung von Tertullians De spectaculis darstellen, wo die heidnischen Philosophen plötzlich vor Jesus Christus Rechenschaft ablegen müssen, während der Christ Valla in den Tartarus entsendet wird. Vgl. Tert., spect. 30, 4. Bracciolini 1964d, Invectiva tertia, S. 235: Iudicabant quippe qui perspicatiores uidebantur, satius esse hominem nequam, uesanum, furentem detracotrem, proteruum, qui neque Diis, neque hominibus parceret, apud superos uersari diutine, quo plures sua peruersa ac uirulenta doctrina et lingua mordaci ac perfida inquinaret, nullum esse maius eorum lucrum, quam cum homo homines seducit ad errores [...]. Ante tribunal constitutum bono animo esse iubent, se esse omnium poenam illi si in eorum sectam iuret remissuros, testantur, ac superis reddituros, si boni militis more solita sua expeditione aduersus fidem et homines uti uelit. Vgl. zu Vallas Postulat exemplarisch Valla 1999, De linguae latinae elegantia 6,
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Hades auf positive Resonanz und wird durch seine Haltung gegenüber dem Teufel bestätigt: Valla verlangt mitunter eine ihm mit der Inschrift Laurentio Vallae de inferis commilitoni bene merito gewidmete Statue, die in der Eingangshalle der Hölle aufgestellt werden soll. Im Anschluss führt er seinen Krieg gegen die Gelehrtenwelt fort und sucht sich Poggio als Ziel seiner Rufmordkampagne aus, was sodann ihren realen Disput ausgelöst habe132. Von Vallas Reise ins Elysium zur Erlangung der Dichterkrone als höchste Auszeichnung literarischen Schaffens berichtet Bracciolini in seiner vierten Rede133. Die Figur Valla präsentiert sich als Universalgelehrter, der mit Ausnahme der Dichterkrone alle irdischen Verdienste reklamiert habe134 – die ihm versagte Dichterkrönung im Diesseits spielt auf den Umstand an, dass ihm die Ehre, anders als ihren humanistischen Vorläufern wie Albertino Mussato und Francesco Petrarca, aber auch seinem
Proem., S. 680: Errores maximorum virorum deprehendere, id vero quum doctissimi hominis est, tum opus utilissimum, et quo nullum dici possit utilius. Siehe auch Valla 2007, De falso credita et ementita Constantini donatione, 3, S. 6: [...] sed ut errorem a mentibus hominum convellam, ut eos a vitiis sceleribusque vel admonendo vel increpando summoveam. Valla fordert außerdem vom Dämonenrat, dass die Verbindung mit seiner meretrix trotz päpstlicher Exkommunikation straflos verbleibe; ebenso verlangt er eine Reihe von Leibwächtern (satelles), die sich als personifizierte Laster erweisen und ihm bei seinen Umtrieben Beistand leisten sollen. Vgl. Bracciolini 1964d, Invectiva tertia, S. 236–239. Bracciolini 1966b, Invectiva quarta, S. 872: «Ostendi in meis praeclarissimis Elegantiis, ex quibus omnes dediscendae latinae linguae summam facultatem habent, praeteritos quosque grammaticos multum a vero deviasse, ut merito iudicio meo sim cum summis scriptoribus comparandus. Ego oratorum princeps dici possum, qui Ciceronem in pluribus errasse deprehendi, et multa, quae alii ut stulti admirantur ab eo dicta, ostendi eloquentius dici potuisse. Ego verus sophista naturalem moralemque philosophiam ita calleo, ita eius sensus ventilavi, ut in dialecticis, physicis, moralibus plurima Aristotelis illius et ignorantis dicta correxerim. Ego historias dilucide breviter eloquenter graviter conscripsi, ut Titus Livius et Sallustius a me reprehendantur ut parum culti et nimium verbosi. Ego in componendis ac demetiendis versibus tantum temporis consumpsi, ut haud immerito inter summos poetas queam ascribi.» In der Rede der Figur Valla findet sich eine Vielzahl an paraphrasierten Eigenaussagen. Vgl. mitunter Valla 1999, De linguae latinae elegantia 3, praef., S. 292: An grammaticorum, quorum propositum videtur fuisse ut linguam latinam dedocerent? Vgl. auch zur vierten Invektive Rao 2007, S. 93 f. Vallas zweite Fahrt ins Jenseits sei letztlich aus seiner Niederlage im Streit mit Poggio hervorgegangen: Die Leserschaft habe zugunsten des älteren Humanisten entschieden und dem Autor der Elegantiae für seine Invektiven ein schlechtes Zeugnis ausgestellt, ihn ferner als „geistloses Kind“ (infans insulsus) herabgestuft. Die Poesie sei letztlich seine Zuflucht gewesen, um Poggio in einer anderen Redeweise angreifen zu können. Bracciolini 1966b, Invectiva quarta, S. 880: «[...] Si vero quae me ad poesim causa impulerit quaeritis, scripsi contra quendam [scil. Poggium] meae virtutis aemulum plura volumina soluta oratione, multa fingens falsa, in multis mentiens, quo illius fama a me laederetur. Sed parum profecisse me sentio in eo dicendi genere [scil. oratione]; neque enim mihi fidem adhibent, et ille [scil. Poggius] contra me acrius et, ut aliis videtur, eloquentius insurrexit, ut cum illius orationes contra me legunt, infantem me praedicant et insulsum. Itaque, ut alia ratione hominem aggrediar, ad poesim confugi, illius opem et auxilium imploravi. Nam poetis licet pro veris falsa narrare, sicut tu, Homere et Virgili, fecistis; licet quae nunquam fuerunt fingere, licet mendaciis, dummodo vero similia sint, cum libuerit uti, licet inserere fabulas, licet homines fallaci oratione incessere.
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Schüler Niccolò Perotti im Jahr 1452, nicht zuteil wurde und ihm daher eine für die humanistische Gemeinschaft essentielle, vor allem institutionelle Auszeichnung verwehrt blieb135. Die Figur Valla lässt sich in einem elysischen Prüfungsausschuss, der aus den antiken Autoren besteht und Ähnlichkeiten zum topischen consilium deorum aufweist, mustern. Dabei tritt er in einen offenen Wettkampf mit den Altvorderen, die er seinem Herabsetzungsdrang entsprechend attackiert: Cicero möchte er anhand einer stofflich wie syntaktisch unzusammenhängenden Rede, einer oratio incongrua, seine neue Rhetorik vorstellen, während er seine logica laurentiana in einem Schlagabtausch mit Aristoteles präsentiert: Über schräge Syllogismen kommt er zu dem Schluss, dass er paradoxerweise eine vernunftsbegabte bestia sei136. Die Kulmination der Begutachtung stellen jedoch seine Dichtungsversuche dar. Zweimal versucht er sein Publikum von seiner poetischen Idoneität zu überzeugen. Für seine erste dichterische Vorführung zitiert Bracciolini Ausschnitte aus der 1443/1444 entstandenen, jedoch unvollendet gebliebenen Ars grammatica. Dabei handelt es sich um ein hexametrisches Lehrgedicht, in dem Valla das exordium des Doctrinale von Alexander Villa Dei als Ausgangspunkt einer philologischen Revision nimmt137. Durch die gezielte Entkontextualisierung der wiedergegebenen Verse fehlt der Leserschaft jegliche Verständnismöglichkeit, was Vallas mutmaßlich fehlerhaftes Sprachverständnis zum Ausdruck bringen sollte. Auch der zweite Dichtungsversuch der sichtlich betrunkenen persona Valla schlägt fehl: Hierfür komponierte Poggio eigene, an dem Ausschnitt der Ars grammatica orientierte Verse, die ostentativ keine Kohärenz aufweisen und daher von den Altvorderen umgehend verworfen werden138. Auf alle Versuche, seine intellektuellen Errungenschaften zu präsentieren, reagiert das Tribunal mit Gelächter, wodurch Poggio den vallianischen Geltungsdrang komödienhaft inszeniert: Sein Antagonist wird letztlich mit Hohn und Spott
Zur Dichterkrönung bes. Schirrmeister 2003, Mertens 1996 und Flood 2006; zu Petrarca vor allem Mertens 2004 und Schirrmeister 2005, ders. 2018 zu Dichtern im Hinblick auf das Expertentum. Bracciolini 1966b, Invectiva quarta, S. 878 f.: «Heus tu, stultitiae vallis – Aristoteles ait –, me enim in primis oppugnas, qui Dialecticam, quam laurentianam appellas, edidisti, ut videam quod in ea re sapias: assero te bestiam esse». «Nego vultu erecto» inquit Valla. «Probo id – inquit -. Tu quippe animal es.» «Concedo – ait –; omnis autem bestia est animal.» «Do quoque – ait –; ergo te bestiam vere possumus appelari». Hic Laurentius in stuporem versus: «Concedo – ait – me bestiam esse, sed rationalem.» Vgl. auch Bonmatí Sánchez 2005a, S. 92. Vgl. Valla 1990, Ars grammatica; ausführlich die Einleitung von Casciano 1990, S. XI–XXXIVIII. Zum invektiven Kontext bes. Bonmatí Sánchez 2006, S. 30–33. Siehe auch Rizzo 2002, S. 93 ff. Poggio zitiert den Abschnitt Valla 1990, Ars grammatica, 41–70, S. 6–9. Ausführlich zu dieser Stelle in der Invektive und zur Einordnung der Ars grammatica in Vallas Werk Cesarini Martinelli 1980, S. 47–57. Dazu Bonmantí Sánchez 2005, S. 97.
3.2 Konformitätsprüfung und Inszenierungsformen
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abgestraft139. An dieser Stelle verewigt sich der Autor Bracciolini als im Einklang mit den Altvorderen befindlicher Schriftsteller, der ihr Humorverständnis (sal und facetia) imitiert und sich als dem Altertum konformer Gelehrter präsentiert. Vallas poetische Fähigkeiten erweisen sich nicht nur als lächerliche, sondern vor allem als respektlose Zurschaustellung seines Wahns, die nach einer Verdammung des Totengottes Pluto mit einem ironischen Triumphzug beendet wird: Die Gedärme eines Schafes werden ihm um den Kopf gebunden und zur Eindämmung seiner schändlichen Sprechweise in den Mund gestopft; abschließend wird er auf dem silenischen Esel von den elysischen Feldern zur Welt der Lebenden als Verbannter unter Führung eines Kentaurs zurückgeschickt140. Die Konfrontation mit den antiken Autoren sollte den Konventionsbruch des vallianischen Nachahmungsverfahrens visualisieren: Der Dialog zwischen der persona Valla und den Altvorderen ist nicht auf Verständnis, sondern auf Herabsetzung ausgerichtet. Infolgedessen musste seine imitatio, die aus Bracciolinis Sicht eine respektvolle Auslegung von auctoritas voraussetzt, als kompositorisches Verfahren scheitern, wie seine semantisch unsinnige Rede oder seine unlogische Dialektik bezeugen. Des Weiteren reflektiert die Versammlung der antiken Schriftsteller die humanistischen Nachfolger und den gemeinschaftlichen, d. h. konventionellen Begutachtungsprozess: Die Figur Valla ist trotz ihrer Hybris und ihrer scheinbaren Autonomie auf das Urteil der antiken Schriftsteller angewiesen, um seine postulierte Vorrangstellung von einer zwangsläufig höherstehenden Instanz bestätigen lassen zu können. Poggio erwartete, so suggeriert er in seiner vierten Rede, dass die humanistische Leserschaft es den antiken Schriftstellern gleichtun und auf seine mutmaßlich destruktive Methodik einschließlich seiner einhergehenden Ruhmsucht mit einem (sozialen) Rauswurf reagieren werde. Valla erscheint aufgrund seiner mutmaßlich häretischen Umtriebe als teuflischer Handlanger sowie als einer von den antiken Autoren verschmähter Hochstapler. Seine schädlichen Eigenschaften wie sein Ehrgeiz oder die grundsätzlich komische Verhaltensweise werden vor zwei antithetisch zueinanderstehenden Totengerichten verhandelt: Affirmation und Anerkennung wird der persona Valla allein von der Dämonenversammlung zuteil. Das
Bracciolini 1966b, Invectiva quarta, S. 876: Cum illi sonno, stupore, vino, stultitia, gravissimum plenissimumque caput valleum esse summo risu vociferarentur, [...]. Ebd., S. 877: Hos verborum anfractus cum magno audientium stupore risuque dixisset Valla [...]. Ebd., S. 879: Maximus exortus est risus ad concinnam responsionis conclusionem. Bracciolini 1966b, Invectiva quarta, S. 884: Tum vero omnes omnium doctrinarum antistites illum silere iusserunt, atque una voce hominem fanaticum, amentem, indoctum, praesumptuosum, audacia praecipitem ac furibundum iudicant, ad Plutonemque mittendum, qui hominem damnet insaniae. Ebd., S. 885: Sed ut aliquid beneficii impertrasse labor fatuus videatur, ex mactatore ovis recentibus intestinis coronam sacris crinibus usque ad os pendentibus, ne amplius loqui posset, imponendam decrevit, ut id insigne futuri poetae secum ad superos deportaret. [...] Itaque Sileni asello, qui forte in propinquo prato pascebatur, Laurentium intestinis laureatum imponunt, ita ut facies eius ad asini caudam versa esset, et ne Campos Elysios diutius contagione infausta contaminaret, centauro cuidam mandarunt ut asinum capistro usque ad superos via qua mittuntur in somnia perduceret. Dazu auch Marsh 2007, S. 43.
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Tribunal der Altvorderen, das die humanistische Gemeinschaft als Imitatoren repräsentieren sollte, straft Valla durch Erniedrigung und Verbannung ab, zwei Grundmotive, die Poggio umfänglich in seiner zweiten Rede einführte und die noch im Einzelnen aufzuschlüssen sind. Vallas Nachahmungslehre und der damit verbundene Geltungsdrang (gloria) erweisen sich dabei als deutliche Aggression gegen das personifizierte Altertum. Vallas fama offenbart sich im Portrait Bracciolinis als infamia, die im inszenierten Prüfungsverfahren der Unterweltstribunale als solche nachgewiesen und verurteilt wird. Die vierte Invektive stellt eine äußerst komplexe Komposition dar: Poggio verarbeitete prosaische und poetische Autoren und bediente sich lexikalisch ebenso aus dem volgare, um eine genuine Satire zu schaffen, die seine Facetiae aus rhetorisch-poetologischer Sicht eindeutig in den Schatten stellte141. Er schmückte reale biographische Eckpunkte Vallas mit fiktiven Elementen aus und fügte diese zu einem hyperbolischen Portrait zusammen, das gekonnt die Ambitionen und die pathetische Selbstinszenierung seines Gegners karikiert. Daher verwundert es kaum, dass Valla auf eine direkte Replik verzichtete: In seinem zweiten Antidotum findet sich einzig eine spöttische Bemerkung hinsichtlich der Anzahl an weiteren Invektiven Poggios; es lassen sich keine Bezugsnahmen auf die beiden Totenfahrten in seinen übrigen Schriften finden142.
3.3 Diskreditierung von vita und mores 3.3.1 Herabsetzungs- und Verteidigungstechniken Ein wesentlicher Teil der vituperatio ad hominem ist auf die Lebensumstände und Karrieren (mores und vita) der beiden Agonisten zentriert. Sie setzt sich aus Andeutungen und bisweilen konkret beschriebenen Tatbeständen zusammen, die über namentlich wie nicht-namentlich benannte Zeugen authentisiert werden sollten. Als rhetorische Technik ist die Diskreditierung stärker durch Plausibilität und ihrer Möglichkeit als durch nachprüfbare Begebenheiten, d. h. durch faktische Beweise geprägt. Der Ruf (fama) des Gegners wurde dezidiert angegriffen, um diesen beim Publikum zu zerstören. Der injuriöse Tadel markiert sowohl das invektive Genre als auch den damit einhergehenden Sprechakt der öffentlichen Herabsetzung143. Dabei kommt, wie oben bereits dargelegt, dem Verlachen bzw. dem Spott und der Verhöhnung (deridere, contemnere und insultare) als invektives Leitmotiv eine zentrale Bedeutung zu. An-
Ähnlich das Urteil von Bonmatí Sánchez 2005a, S. 98 f. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 325 f.: Hoc meum silentium diffidentiam interpretatus Podius, ut semper est peruersa stultorum interpretatio, tertiam, ut audio, quartam, quintam inuectiuam edidit. Etiam ne taceat, sextam, septimam, octauam, nonam, ac decimam editurus, quod uidelicet sperat hac se ratione uictoriam reportaturum, si in hoc certamine diutius perseueret. Vgl. dazu auch mit Blick auf die römische Invektive Craig 2004, S. 194–197 und zusammengefasst Craig 2007, S. 336.
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thony Corbeill hat in einer bemerkenswerten Analyse Humor als persuasive Strategie der römischen Invektive der späten Republik gedeutet. Diese Form der Schmähung wirkte sich auf den Wahrnehmungsrahmen des Publikums aus und determinierte gleichsam den Erwartungshorizont. „Aggressiver Humor“, der sich mitunter aus augenscheinlichen Lügen und Diffamierungen zusammensetzt, ist insbesondere in den Reden Ciceros omnipräsent und sticht als solcher ostentativ hervor. Diese Darstellungsweise wurde verstärkt in der humanistischen Invektive aufgegriffen und an die neuen sozialen Rahmenbedingungen angepasst144. Symbolische Erniedrigung durch Entwertung des Rufes, der sich abstrakt aus Lebenswandel und Werk, d. h. aus den einzelnen laudes zusammensetzte und im eigenen „self-fashioning“ publizistisch präsentiert wurde, war wiederum durch simultane Erhöhung bzw. Aufwertung der eigenen Reputation bedingt. Über den Spott wurde versucht, dem Feind seine jeweils beanspruchte Integrität zu entziehen, um ihn auf diese Weise aus der eigenen Gemeinschaft als Fremdkörper zu isolieren und sich selbst als makellosen (d. h. konformen) Diskurswächter zu präsentieren. Das Wechselspiel von Erhöhung und Erniedrigung fällt unter die Wahrnehmungskontrolle und war allein vom Persuasionserfolg des Publikums abhängig – erst die Leserschaft vermochte die vorgenommene Auf- oder Abwertung über ihr Urteil zu lizenzieren145. Die Invektive als performativer Vollzug erhielt ihre symbolische Wirkung erst durch ausreichende Resonanz der Adressaten. Wenngleich die ad hominem-Argumentation bewusst die eigentliche Sachebene verlässt, um den diskursiven Teilnehmer selbst zu diskreditieren, darf diese nicht losgelöst von den jeweiligen Sachgegenständen betrachtet werden. Wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird, wurden Autor und Werk bzw. das damit assoziierte Gedankengebäude als unmittelbar verschränkte Entitäten innerhalb eines literarischen Kontinuums erfasst. Aus humanistischer Perspektive waren die Autoren von ihren Schriften, die als integraler Teil ihres „self-fashioning“ fungierten, nicht zu trennen146. Dies erklärt die literarische Stilisierung und Einbettung in die eigene programmatische Ausrichtung; die vituperatio ist daher, in Anlehnung an die antike Gerichtsrhetorik, auch als beweiskräftige Technik zu verstehen, die den Charakter und die Lebensgeschichte des Beschuldigten mit den vorgeworfenen Taten in Verbindung bringen sollte – auch hier galt der Index der Plausibilität147.
Vgl. Corbeill 1996, bes. S. 5, 8 und 124. Corbeill stellt folgende Kategorien auf: Das durch Missbildungen geprägte physische Erscheinungsbild, pejorative Spitznamen, der unreine Mund als Ausdruck schlechter Sprache, sexueller Praktiken, Prasserei und Effemination. Die ersten drei Kategorien finden Einzug in die poggianischen und vallianischen Invektiven, Effemination spielt hingegen keine explizite Rolle und beschränkt sich allein auf Implikationen. Dazu auch Marsh 2019b, S. 175. Siehe auf Corbeill fußend auch Alexander 2013, S. 225 f. Zum Lachen in der Renaissance bes. nach wie vor Bachtin 1995; anregend aus kulturwissenschaftlicher Sicht Burke 1997, S. 107–128. Vgl. Craig 2004, S. 194–197 mit Blick auf den mutmaßlichen Wahrheitsgehalt. Umfassend, mit Schwerpunktsetzung auf die autobiographischen Schriften des Humanismus Enenkel 2008, einführend S. 11–36. Vgl. auch Müller 1999, S. 429 ff. Vgl. in Hinblick auf Ciceros Rede Pro Milone Riggsby 2004, dazu auch Craig 2004, S. 213.
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Bracciolini hielt sich in seiner ersten Rede noch weitestgehend mit Angriffen auf die Laufbahn seines Gegners zurück. Allerdings deutete er mehrfach die inquisitorische Befragung von 1444 an und betrieb gleichsam ein treffsicheres „foreshadowing“, das seinen Gegner ebenso dazu bewog, auf schwerwiegende Vergehen in Hinblick auf Poggios Amt und Lebenswandel anzuspielen, die der apostolische Sekretär als solche unmittelbar erkennen musste148. Die neue Stoßrichtung seiner nachfolgenden orationes kündigte er bereits in seiner ersten Rede an, die vielmehr seinem allgemeinen invektiven Duktus entsprach149. In seiner zweiten oratio widmet er sich explizit der vermeintlichen vita und den mores seines Gegenspielers, um seinen sozialen Körper anzugreifen. Zugleich sollte Valla für zukünftige Tätigkeiten als untragbarer Gelehrter gezeichnet und gleichsam in gesellschaftlicher Hinsicht geächtet werden. Die humanistische vituperatio zielte folglich nicht allein auf eine diskursive, sondern insbesondere auch auf eine soziale Ausschaltung ab. Aus dem Eigenverständnis der Akteure handelte es sich um ernstzunehmende Anschuldigungen, die einer grundlegenden Rechtfertigung bedurften und nicht unkommentiert stehen bleiben konnten150. Dem Kontrahenten sollte sein gesellschaftlicher Status entzogen werden, was im Hinblick auf den Häresievorwurf potentiell auch physische Konsequenzen nach sich ziehen konnte. Dieser Umstand unterstreicht noch einmal die Signifikanz der Auseinandersetzung, die einen hohen Einsatz erforderte und sich im Hinblick auf die potentiell vorzubringenden Vorwürfe keiner Selbstregulation unterwarf. Wenngleich Helmrath darauf hinweist, dass es den verfügbaren Quellen nach zu urteilen zu keinen juristischen Aufarbeitungen der humanistischen Konflikte gekommen ist, lassen sich nichtsdestoweniger indirekte Konsequenzen erschließen, die von Ansehensverlust bis hin zum sozialen Druck oder zur Ächtung reichten, wie beispielhaft am Streit zwischen Valla und Facio bzw. Beccadelli musterhaft aufgezeigt werden kann151. Auf diesen Punkt wird im nachfolgenden Kapitel noch einzugehen sein, wenn der Stellvertreterkonflikt zwischen Bracciolini und Vallas Unterstützer Niccolò Perotti beleuchtet wird. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die vituperatio für alle Be-
Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 10–12, S. 84. Siehe die peroratio in Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 205: Quod si haec illi parum et minus bene a me compacta uidebuntur, efferam alia in alio dicendi genere, ut longiori forsan oratione alium decernemus triumphum, ut ampliorem illi reprehendendi nos materiam praebeamus. [...] Sed haec satis in primo congressu, in reliquum erimus paratiores et ita, ut unica acie minime nos sentiat esse defessos. Describetur uita, omnis haeresis patefiet. Opus Neapolitanum [scil. die Inquisitionsbefragung] in lucem prodidit. Dicet causam sine aduocato. Ostendet quomodo Boetium de Trinitate, quomodo Augustinum de Fato, de diuina prouidentia belua improuida reprehendat. Quod si caeteri desint, ego eius nomen profitear me in iudicium delaturum. Dies mag auch den Umstand erklären, warum Valla nicht mehr auf Invektiven drei und vier antwortete: Diese beinhalten zwar auch Rekurse auf sein Leben, grundsätzlich sind sie jedoch als fiktive fabulae ohne Wahrscheinlichkeits- oder Ähnlichkeitsanspruch einzustufen. Obgleich Valla vehement abstreitet, dass er aus Neapel vertrieben worden sei, kann davon ausgegangen werden, dass er nach dem Inquisitionsprozess und dem Streit mit Facio und Beccadelli unter einem enormen sozialen Druck stand. Dazu jüngst ABBAMONTE 2021, S. 34.
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teiligten einen ernstzunehmenden Angriff darstellte und sowohl über das intellektuelle Durchsetzungsvermögen zur Beharrung auf die eigene Position als auch über den sozialen Status entschied. Die persönliche Ebene stand ebenfalls unter dem Index der Orthodoxiewahrung; Dissens galt es herauszuarbeiten, pejorativ zu markieren und den Gegner als Störenfried zu stigmatisieren. Hierfür griffen beide Agonisten auf dieselben Herabsetzungstopoi aus den antiken Texten zurück, die sie jedoch unterschiedlich applizierten, wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird. 3.3.1.1 Bracciolinis Herabsetzungsstrategien Bracciolini kommentierte chronologisch unzusammenhängende, inhaltlich jedoch verknüpfte Momentaufnahmen aus Vallas Leben und veranschaulichte seine mutmaßlichen Verbrechen und Betrügereien. Diese vitia bzw. probra spiegeln wiederum Poggio zufolge die heterodoxen Eigenarten der vallianischen Schriften wider. Entsprechend sind Realität und Fiktion miteinander verwoben und erschweren eine Rekonstruktion der tatsächlichen Ereignisse. Dass die provokanten und augenscheinlich oftmals übertriebenen Anklagepunkte nichtsdestoweniger von Belang waren, bezeugte Valla mit seiner ausführlichen Replik. Im zweiten Antidotum, seinem letzten Streitbeitrag, legt er eine autobiographisch ausgerichtete Rechtfertigung vor und zitiert akribisch die poggianischen Vorwürfe, um diese nacheinander mit Richtigstellungen oder polemischen Zurückweisungen zu widerlegen. Entsprechend gewann die Auseinandersetzung an Schärfe; es handelte sich nicht mehr allein um intellektuelle Differenzen, sondern um reale Tatbestände, die von Diebstahl, sexuellem Missbrauch bis hin zu Mordbeschuldigungen reichten. Bracciolini beabsichtigte Valla als humanistischen Gelehrten, als päpstlichen Schreiber und als Lehrer zu verleumden, d. h. drei von ihm verkörperte soziale Positionen anzugehen. Zu den primären Vorwürfen gehören mitunter Päderastie in seiner Schule, Selbstprostitution aufgrund von Geldmangel, mehrfache Dokumentenfälschungen, respektloses Verhalten gegenüber dem Adel, Bücherdiebstahl aus einem Klarissenkloster sowie seine häretischen Umtriebe, die zu einem Inquisitionsverfahren führten152. Sein anomisches Verhalten werde neben dem bereits behandelten Wahnsinn von seinem Sexualdrang, seiner Maßlosigkeit und Alkoholsucht, ferner von seiner unnatürlichen Arroganz und Ruhmsucht angetrieben. Die einzelnen Vergehen schmückt er ganz im Stile seiner Facetiae aus und lässt Valla zum Protagonisten von Witzgeschichten werden, in denen er die vermeintliche Absurdität seines Verhaltens zur Schau stellt. Dabei macht er sich implizit die in Ciceros De officiis be-
Bereits Shepherd 1837, zur Bracciolini-Valla-Kontroverse S. 439–449, hier S. 447 f. ging von reiner Fiktion aus. Seitdem wird die ad hominem-Argumentation der beiden Agonen von der Forschung als rein topischer Schlagabtausch betrachtet und daher in der Regel nur beiläufig erwähnt.
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schriebene Strategie Gaius Julius Caesar Strabos zunutze, der mit sal und facetiae die übrigen Redner erfolgreich besiegt habe153. Die Anomie seines Gegners zeigt Poggio mithilfe der rhetorischen evidentia-Technik auf, die sich nicht allein als Markenzeichen seiner Darstellungsweisen, sondern ebenso als zentrale Strategie für die Aufführungsbedingungen der forensischen Konstellation erweist. Bei der evidentia handelt es sich um eine „lebhaft-detaillierte Schilderung eines rahmenmäßigen Gesamtgegenstandes durch Aufzählung (wirklicher oder in der Phantasie) erfundener sinnenfälliger Einzelheiten“, wie Heinrich Lausberg die von Quintilian (inst. 8, 3, 61; 8, 3, 70 und 9, 2, 40) aufgestellte Definition zusammenfasst154. Das Verfahren ist streng publikumsorientiert und dient dazu, die Zuhörer bzw. Leser an dem in der evidentia beschriebenen Vorgang als unmittelbare Augenzeugen teilhaben zu lassen, d. h. die Sachgegenstände zu veranschaulichen, gleichsam „vor Augen zu führen“ und „Augenscheinlichkeit“ zu fingieren155. Parallel sollen die Zuschauer dazu angeregt werden, aus den vom Redner gegebenen Rahmen die eigenen Schlüsse zu ziehen und das Gehörte weiterzudenken, d. h. mehr zu „sehen“ als faktisch „gezeigt“ wurde156. Für das rhetorische Verfahren gilt ebenso das Gebot der Wahrscheinlichkeit bzw. Möglichkeit, weshalb der Redner sich bei der Applikation mäßigen sollte. Geflissentlich missachtet Bracciolini jedoch die Warnung Quintilians, die evidentia maßlos einzusetzen und die Darstellung in eine künstlich wirkende Aufführung zu verwandeln, um so überaus geschickt einerseits den übertriebenen Inszenierungsgrad des vallianischen „self-fashioning“ demonstrieren zu können und andererseits, um das seinem Widersacher zugeschriebene Verhalten zu theatralisieren und es als absurd erscheinen zu las-
Cicero, off. 1, 133: Sale vero facetiis Caesar [...] vicit omnes, ut in illo ipso forensi genere dicendi contentiones aliorum sermone vinceret. Zum Humor als zentrale Invektivenstrategie siehe auch Cic. de orat. 2, 236 und Quint. inst. 10, 1, 107. Vgl. überblickend bes. Rabbie 2007. Seinen Gegner Filelfo machte Poggio auch zum Protagonisten einiger Fazetien. Vgl. Bracciolini 1983, Facezie 49, 133, 187 und 188, dazu De Keyser 2015; Rao 2007, S. 53–76. Die Herabsetzungstechniken Poggios, die er gegen seine Konkurrenten einsetzte, ähneln sich stark, sind jedoch inhaltlich stets auf den jeweiligen Gegner zugeschnitten. Lausberg 1990, S. 399–407, hier S. 399 f., § 810–819; Ueding/Steinbrink 1994, S. 284–285, Kemmann 1996, Sp. 33–47, hier Sp. 39–41. Siehe auch überblickend Hübner 2010. Vgl. Kemmann 1996, Sp. 39. Beispielsweise Quint. inst. 4, 2, 123: [...] credibilis rerum imago, quae velut in rem praesentem perducere audientes videtur; inst. 9, 2, 40: ilia vero, ut ait Cicero, sub oculos subiectio tum fieri solet, cum res non gesta indicatur, sed ut sit gesta ostenditur, nec universa, sed per partes; quem locum proximo libro subiecimus evidentiae, et Celsus hoc nomen isti figurae dedit. ab allis ὑποτύπωσις dicitur proposita quaedam forma rerum ita expressa verbis, ut cerni potius videatur quam audiri [...]. Siehe auch Rhet. Her. 4, 55, 68: demonstratio est, cum ita verbis res exprimitur, ut geri negotium et res ante oculos esse videatur [...]. Auch Cic. de orat. 3, 202. Cic. de orat. 2, 59, 242: Orator surripiat oportet imitationem, ut is, qui audiet, cogitet plura quam videat; praestet idem ingenuitatem et ruborem suum verborum turpitudine et rerum obscenitate vitanda. Quint. inst. 8, 3, 62: Magna virtus res de quibus loquimur clare atque ut cerni videantur enun-
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sen157. Dabei greift er auf die in seinen Schriften omnipräsente Metapher des theatrum mundi zurück, die Poggio nicht nur als Leitmotiv mit seinem ciceronianischen Humorverständnis (sal) und seiner realistisch ausgerichteten Betrachtungsweise zu einem genuinen Stil zu vereinen wusste, sondern insbesondere als Deutungsmodell für Geschichte und Gegenwart applizierte158. Das Welttheater übernimmt er von Lukian von Samosata, der großen Einfluss auf das literarische Schaffen Bracciolinis ausübte, wie David Marsh und Riccardo Fubini ausschnittsweise an anderen Werken des apostolischen Sekretärs aufgezeigt haben159. In seinen Schmähschriften fasst er das Welttheater vor allem mit den Begriffen spectaculum und comoedia oder mit feststellenden Ausrufen oder Einschätzungen, um Vallas vermeintlich kritikwürdiges Verhalten als komische Performanz erscheinen zu lassen160. In der Figuration des Welttheaters verkörpern die Menschen Schauspieler auf der Weltbühne, die ihre Rollen nach einem mutmaßlich unabänderlichen Manuskript auszufüllen versuchen und sich mitunter in absurden oder dramatischen Situationen wiederfinden, analog zu ihren zu verkörpernden personae. Wenngleich die topische vanitas in seinen Schriften mitschwingt und mitunter im Bezug auf die Fortuna auch eindeutig pessimistisch behandelt wird, vermag das theatrum mundi nichtsdestoweniger für den scharfsinnigen Beobachter eine moralische Belehrung bereitzuhalten. Diese gilt es rhetorisch herauszuarbeiten und zu vermitteln, um einen gewissen individuellen Handlungsspielraum zu offenbaren161. Diese Aufgabe übernimmt Poggio als außenstehender Erzähler, der alleine den Witz vorträgt und auf explizite Instruktionen verzichtet. Den Lesern bleibt es selbst überlassen, Schlüsse oder Sentenzen aus den angebotenen Erzählungen zu zie-
tiare. Non enim satis efficit neque, ut debet, plene dominatur oratio si usque ad aures valet, atque ea sibi iudex de quibus cognoscit narrari credit, non exprimi et oculis mentis ostendi. Zur Warnung vgl. Quint. inst. 9, 2, 42–43. Virginia Bonmatí Sánchez klassifiziert die von Poggio verwendete Darstellungsform als vituperatio irónica, was der grundlegenden Tendenz seiner Invektiven entspricht. Vgl. Bonmatí Sánchez 2005, S. 33 f. Vgl. Marsh 1998, S. 39 und Fubini 2003, S. 100 ff. Die Schriften des griechischen Satirikers wurden im 15. Jahrhundert vielfach ins Lateinische übertragen, so mitunter prominent von Guarino da Verona und Giovanni Aurispa, was eine breite, bislang nur punktuell erschlossene Rezeption einleitete. Poggio hat sich auch an Übersetzungen Lucians gewagt und neben dem Asinus auch Iupiter Confutatus übersetzt. Wichtig sind nach wie vor die Arbeiten von Sidwell 1975, Robinson 1979 und Mattioli 1980; umfassend Marsh 1998 und Marsh 2000a; anregend auch bes. für den englischen Sprachraum hinsichtlich der Totendialoge Keener 1973; vgl. mit Blick auf die Rezeption des deutschen Humanismus Baumbach 2002; siehe auch zur Verwertung bei Erasmus von Rotterdam und Ulrich von Hutten Baumbach 2004 und Rummel 1995, S. 24 ff. Bracciolinis Invektiven fehlen in allen Überblicksdarstellungen zur Rezeptionsgeschichte Lukians und stellen daher ein dringend zu bearbeitendes Desiderat dar. Explizit auch zu Poggios Welttheaterverständnis vgl. Sidwell 1975, S. 29–30 und Marsh 2007, S. 41ff. Zur Theatermetapher u. a. Barner 2002, S. 86–134. Beispielsweise Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 213: Dicit se locum fuisse tutatum. Miror cur non scripsit ut totam comoediam absolueret, se aut uulnera aduersa pectore excepisse, aut donatum corona laurea, aut Imperatorem appellatum. Ebd., S. 218: Dignum profecto risu spectaculum fuit [...]. Vgl. Bracciolini 1993, De varietate fortunae. Dazu auch Kajanto 1988.
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hen, wie oben in Hinblick auf sein Sprachverständnis bereits dargestellt wurde. Das literarische Bindeglied zwischen seinen Facetiae und den jeweiligen Herabsetzungswitzen der Invektiven ist evident und war auch Valla durchaus bewusst162. Zur Einordnung seiner pejorativen Ausführungen muss auf die theatralischen Rahmenbedingungen der Facetiae geblickt werden, die er in der conclusio erläutert. Dort erklärt Poggio die von ihm stilisierte Erzählsituation: Die einzelnen Scherzgeschichten wurden von den apostolischen Sekretären Carlo Razello deʼ Auri, Antonio Loschi, Cincio de‘ Rustici (ca. 1390–1447) und ihm selbst im Anschluss an ihre amtlichen Tätigkeiten zur Belustigung erzählt und in ihrer Bugiale, ihrer „Witzeschmiede“, literarisch in Szene gesetzt163. Ausdrücklich betont er, dass niemand von ihren Schmähungen verschont geblieben sei und sich darunter auch Vertreter der höchsten Institutionen befinden würden164. Die einzelnen facetiae sind entsprechend als in einem Gelehrtenkreis inszenierte Redebeiträge zu verstehen, in denen die Erzähler (fabulatores) aus einer gegenüber der Zielperson entrückten Distanz und folglich hierarchisch höheren Position diese verspotten und dadurch mitunter gesellschaftliche Missstände aufdecken. Die jeweils Betroffenen werden zu Protagonisten ihrer literarischen Kurzaufführungen; beispielhafte Ereignisse aus ihrem Leben oder ihrem Verhalten entsprechende, d. h. mögliche Gegebenheiten werden theatralisierend aufbereitet und zur Unterhaltung ausgeschmückt165. Seinem eigenen Sprachverständnis nach, in Analogie zur verba-res-Dichotomie, muss daher zwischen Form und Inhalt, d. h. zwischen der realen Aufführung einerseits und ihrer inhärenten Bedeutung andererseits unterschieden werden, was seinen einfachen und tendenziell obszönen Stil erklären soll. Im Kontext seiner vituperatio gegen Valla sind mit den spectacula die lebhaft und teils übertrieben beschriebenen Momentaufnahmen aus dessen mutmaßlichen Leben gemeint. Die Figur Valla setzt er in seinen Invektiven spöttisch als Abbild einer wahnhaften Arroganz in Szene. Die von Poggio ausgewählten Lebensabschnitte sind nach wie vor unter dem Index der Wahrscheinlichkeit zu betrachten, was nach ciceronianischem und quintilianischem Zeugnis ebenso in die Beweisführung integriert werden kann – einzig
Vgl. seine abschätzige Bemerkung in Valla 1978, Antidotum primum 3, 4, S. 182 oder auch Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 349: Mira est in te rerum antiquarum notitia. Istarum fabularum, si uel unum uerbum ueritate nititur et si non omnia ex eadem sentina, unde obscoenissimas confabulationes prompsisti [...]. Zu Carlo Razello deʼ Auri und Cincio deʼ Rustici Cencio vgl. Kipf 2010, S. 83–86 mit weiterführender Literatur, zur „Lügenschmiede“ auch Studt 2005, S. 87–88. Bracciolini 1983, Facetiae, Conclusio, S. 406–409, hier S. 406: Visum est mihi eum quoque nostris confabulationibus locum adiicere, in quo plures earum, tanquam in scena, recitatae sunt. Is est Bugiale nostrum, hoc est, mendaciorum veluti officina quaedam, olim a Secretariis institutum, iocandi gratia. [...] Ibi parcebatur nemini, in lacessendo ea quae non probabantur a nobis [...]. Hier finden sich deutliche Anklänge an die recreatio animi in Cic. off. 1, 104. Dazu Koj 1969, S. 47 f.; Wolf 2005, S. 145–148; Studt 2005, S. 91 f. und auch Kipf 2010, S. 53. Zur antiken Tradition auch Corbeill 1996, S. 8 f. Vgl. Kipf 2010, S. 82.
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die beiden Unterweltsfahren sind als fabulae zu klassifizieren, da sie eindeutig fiktive argumenta darstellen und daher mehr auf die spielerische Illustration des Charakters ausgerichtet sind166. Die Anschuldigungen selbst orientieren sich weitgestgehend sowohl konzeptionell als auch lexikalisch an den Reden Ciceros, was von Valla selbst als stilistisches Merkmal identifiziert wird: Anhand von Poggios Vorwurf, sein Rivale habe von Nonnen Bücher „gestohlen“, was er mit dem Verb surripere ausdrückt, stellt der Autor der Elegantiae eine starke Imitation der ciceronianischen Reden fest, hier konkret aus der zweiten Rede gegen Verres167. Die Klagen müssen überdies als geschickte Manipulationen bzw. Ausschmückungen von wahrscheinlichen oder möglichen Ereignissen gefasst werden, die zumindest graduell auf Fakten basierten. Der rhetorische Parameter der verisimilitudo konfiguriert, wie in Bezug auf die zuvor besprochene dialogisierte Gerichtsfiguration und die sermocinationes, die einzelnen Vorwürfe. Referenzpunkt bleibt Vallas Lebenslauf, aus dem Bracciolini punktuell einzelne vermeintliche Verfehlungen extrahiert und zu Herabsetzungswitzen verwertet. Demgemäß siedelt er seine Witze in den geographischen Stationen an, wo Valla zeitweise tätig war, namentlich Pavia und Neapel. Potentielle Konsequenzen für den sozialen Status wie auch den beruflichen Werdegang erklären die Vehemenz der vallianischen Antworten, in denen er seinen Duktus deutlich verschärft. Darüber hinaus übernimmt Bracciolini in seinen Invektiven zwei bis vier die Rolle eines Biographen, der nicht allein ein infames Portrait seines Gegners zeichnet, sondern den Disput selbst als weiteren Abschnitt in dessen Lebensbeschreibung integriert und sich folglich die Deutungshoheit über Vallas vita zu übertragen versucht. 3.3.1.2 Vallas Verteidigungsstrategien Den als Witze (facetiae) verkleideten Vorwürfen begegnet Valla mit einer Kombination aus seiner philologischen Analyse und der quintilianischen refutatio: Anhand des
Vgl. zur Definition der fabula und des fiktiven argumentum Rhet. Her. 1,8, 13: Fabula est quae neque veras neque veri similes continet res, ut eae sunt quae tragoediis traditae sunt. [...] Argumentum est ficta res quae tamen fieri potuit, velut argumenta comoediarum. Mit direktem Rekurs auf Cicero, Mil. 3, 8 weiß Quintilian, inst. 5, 11, 18 von einer erfolgreichen Applikation eines fiktiven exemplum in der Beweisführung zu berichten. Siehe zur rhetorischen Bestimmung auch Lausberg 1990, S. 228–229, §§ 411–414. Zur theatralischen Stilisierung der Invektiven ebenso Helmrath 2010, S. 270 ff. Zur Beweisführung vor Gericht vgl. auch Hübner 2010, S. 122. Vgl. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 222: [...] quosdam libros Graecos, ex coenobio religiosarum sanctae Clarae mutuo concessos per summam fraudem subripuisse et Romam clanculum, asportasse, qui fuerant tuae perfidiae crediti. Kontextuell handle es sich Valla zufolge vielmehr um eine „Unterschlagung“, weshalb der Beschuldigte surripere zu intervertere korrigiert, Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 353: Et ‚surripuisse‘ pro ‚interuertisse‘, quod uerbum cum alibi, tum uero in Veriinis [vgl. Cic. 2. Verr. 1, 4, 10] inuenire potes, quas tu, quoniam totae in accusando uersantur, diceris ex omnibus M. Tullii operibus maxime adamare, amplecti, «in oculis semper atque in ore habere» [Cic. Fam. 5, 16, 2].
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Wahrscheinlichkeitsgrades bewertet Valla die Plausibilität der Anschuldigungen, die er nach Tathergang, Tatort, Beteiligten und Zeugen aufschlüsselt und sodann über das Dihärese-Verfahren in einzelne, konkrete Fragen zur Disposition stellt168. Auch bedient sich Valla implizit des Definitionsverfahrens in inst. 7, 3, 1–5, das er mit seiner philologischen Vorgehensweise abgleicht. Er bemängelt die poggianische Wortwahl und widerlegt die Anklagen anhand der vermeintlich fehlerhaften Semantik, welche eine präzise Bestimmung der einzelnen Anklagepunkte aufgrund sprachlicher Disparitäten verunmöglichen soll – sein lateinisches Sprachverständnis fungiert sowohl als Maßstab als auch als essentieller Bestandteil seiner Verteidigungsstrategie. Mitunter, rekurrierend auf Quintilians mutua accusatio, die sich ebenso als musterhafte Strategie in Ciceros Reden findet, greift Valla seinen Widersacher mit denselben, an ihn gerichteten Vorwürfen an, um die diskursive Stoßrichtung umzukehren und die Rolle des Klägers zu beanspruchen. Gegen die ciceronianisch geprägten Herabsetzungswitze, die er als solche identifiziert und anprangert, führt er entsprechend die quintilianische refutatio ins Feld und beabsichtigt so innerhalb des invektiven Sprachspiels seine rhetorische Überlegenheit anhand seiner defensio zu demonstrieren169. Dadurch vermag er seine Kenntnisse über beide Autoren pragmatisch zur Schau zu stellen. Ebenso findet sich die Tendenz, den vorgebrachten und von Poggio moralisierten Dissens umzudeuten und als intellektuelle Tugend in seine Selbstinszenierung einzuarbeiten, weshalb Vallas Invektiven stets apologetisch ausgerichtet sind – diese Strategie konnte bereits oben in Hinblick auf die inquisitorische Befragung aufgezeigt werden170. 3.3.1.3 Das gemeinsame Herabsetzungsrepertoire Alkoholsucht, sexueller Missbrauch, Betrug bzw. Diebstahl und die Kultivierung häretischer Gedanken bilden die primären Anschuldigungen, derer sich beide Agonisten durchgehend bedienen und an die jeweiligen Kontexte anpassen. Die ersten beiden Vorwürfe sind als Ausdruck einer unmoralischen, affektiv ausgerichteten und pathologischen Lebensweise zu verstehen, die dem idealen Lebensentwurf eines auf ratio setzenden Gelehrten widerspricht; die Falsifikation und die Häresievorwürfe betref-
Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 350 f: Ex hac Podiana loquendi stultitia, Quintiliani uerborum mihi uenit in mentem e libro 7. Explizit zitiert Valla Quint. inst. 7, 2, 54. Quintilian warnt jedoch ausdrücklich vor der schulischen Theorie, die auf die forensische Praxis nicht musterhaft übertragbar sei. Vgl. zur rhetorischen Dihärese Stroh 2011, S. 66 f. Vgl. Quint. inst. 3, 10, 4 und inst. 7, 2, 9; siehe exemplarisch für diese Strategie Cic. Mil.; Q. Rosc.; Cluent. und Sest. Zu dieser Strategie auch Craig 2004, S. 200. Wenngleich die einzelnen Rechtfertigungen nicht den Komplexitätsgrad der in seiner Repastinatio dialecticae et philosophiae konzipierten Argumentationslogik erreicht, scheint hier nichtsdestoweniger dasselbe Paradigma durch, welches dem individuellen acumen bzw. der ratio Vorzug gibt und die Plausibilitätserwägung unter dem Index der Wahrscheinlichkeit bzw. der Kontingenz als rhetorisch ausgerichtete epistemologische Methode lanciert. Vgl. dazu Laffranchi 1999, S. 176–179; jüngst Mori 2019 und ders. 2020a. Zur Apologie vgl. Hilgendorf/Kienzler 1992.
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fen unmittelbar sowohl das Amt als apostolischer Schreiber bzw. Sekretär als auch das Selbstverständnis als Redner und Philologe. Ferner sind alle Anklagen eng mit dem Missbrauch der Rhetorikkenntnisse verknüpft und orientieren sich implizit am Ideal des vir bonus dicendi peritus, den Quintilian in seiner Institutio oratoria 12, 1, 1 auf Cato den Älteren zurückgeführt hat. Dieser wurde jedoch auch von Cicero in seinen Werken zur Rednerausbildung implizit über den orator perfectus propagiert und fand ebenso Einzug in die quintilianische Definition171. Die Humanisten setzten moralische Integrität für die Rhetoriknutzung voraus, wohingegen ein schlechter, d. h. anomischer Lebenswandel sich mitunter im Missbrauch der ars rhetorica manifestieren könne. Wenngleich eine explizite Debatte über die Rhetorik als Instrument zur Wahrheitssuche innerhalb der Bracciolini-Valla-Kontroverse nicht stattfand, wurde die Frage mitunter von ihrem Zeitgenossen Georg von Trapezunt aufgegriffen172. Vor diesem Hintergrund müssen die einzelnen Vorwürfe der beiden Agonisten betrachtet werden. Die Anklagen werden unter den Kategorien fraus, mendacium oder falsum einschließlich ihrer Nominalabstrakta subsumiert bzw. eingeordnet und erzeugen einen Kontrasteffekt, um die Umkehrung von Wahrheit, Richtigkeit und ordentlichem Verhalten zu markieren. Auch hier bildet selbstredend die Sprache den Ausgangspunkt der Anschuldigungen – selbst bei dem Vorwurf der Alkoholsucht wird insbesondere die eingeschränkte Ausdrucksweise des Trunksüchtigen hervorgehoben; der Betrüger wiederum fälscht oder manipuliert mithilfe von Sprache; Häresie manifestiert sich sprachlich, während das sexuelle Fehlverhalten ebenso einer obszönen Wortwahl entspringe. Die Erschließung einer für alle Lebensumstände angemessenen und pragmatischen Ethik, die idealiter rhetorisch erfasst und persuasiv gelehrt werden sollte, offenbart sich im Streit in der auf Anschuldigungen und Ausschlussversuchen gegründeten Wahrheitssuche. Beide Kontrahenten nahmen die Rollen von Sittenwächtern ein und inszenierten sich als anständige Gelehrte, die mithilfe von Lasteridentifikationen und sichtlicher Empörung den Streitdiskurs moralisch aufluden, um eine affektorientierte Reaktion des Publikums zu provozieren. Die historische Rekonstruktion der einzelnen Vorwürfe erweist sich als äußerst schwierig, da sie tendenziös stilisiert, Topoi der klassischen vituperatio verarbeiten und in der Regel auf Andeutungen basieren, die für die damaligen Leser einfacher zu entschlüsseln waren. Daher sollen im Folgenden insbesondere die Darstellungsform und ihre Funktion im Rahmen des „self-fashioning“ sowie die jeweiligen Nachahmungstechniken beleuchtet werden. Beide Agonisten eigneten sich zudem die rhetorische Strategie an, durch den mutmaßlichen Beweis eines Vergehens dem Publikum
Quint. inst. 12, 1, 1: Sit ergo nobis orator, quem constituimus, is, qui a M. Catone finitur, vir bonus dicendi peritus. Vgl. auch Cato, Ad Marcum filium fr. 14 Iordan und auch Sen. Contr. 1, pr. 9. Zum Ideal zusammenfassend Dreischmeier 2017, S. 11 f.; zu Ciceros Verständnis von der Synthese von Philosophie und Rhetorik und dem orator vgl. Seigel 1968b, S. 3–30. Zur moralischen Komponente des orator perfectus vgl. Classen 1994 und Robling 2007, S. 109–115. Vgl. Monfasani 1992a, S. 123 ff.
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zu suggerieren, dass dem Gegner grundsätzlich jegliche Form von Straftaten potentiell zuzutrauen war173. Dies erklärt die schiere Summe an Anklagen und Überführungsversuchen – sobald sich eine Anschuldigung als plausibel erweist, sind alle übrigen Verfehlungen und Verbrechen denkbar und erscheinen als selbstevident. Zu dieser Art der Schlussfolgerung sollte die Leserschaft mithilfe der Invektiven hingeführt und zur öffentlichen Unterstützung mobilisiert werden174.
3.3.2 Vorwürfe tätlicher Verbrechen In ihren vituperationes verschränkten Bracciolini und Valla die auf der Sachebene diskutierten und als intellektuelle Vergehen gezeichneten Gegenstände mit mutmaßlichen Tatbeständen aus der vita und den mores des jeweils anderen. Entsprechend sollte die Affektebene den sachlichen Beweisgang unterstützen. Die Autoritätskritik Vallas verknüpfte Bracciolini mit dessen mutmaßlichen Geltungsdrang und dem einhergehenden Herabsetzungstrieb; Valla hingegen betonte die als „barbarisch“ eingestufte und als anstößig bewertete Sprache seines Gegenspielers, die Rückschlüsse auf seine Verhaltensweise ermögliche. Der allgemeine Duktus der poggianischen Herabsetzungswitze lässt sich exemplarisch an einem mutmaßlichen Zwischenfall am königlichen Hofe Neapels demonstrieren: Bracciolini erzählt, wie Valla von einem gewissen Ritter namens Alfons aufgrund seiner Respektlosigkeit verprügelt worden sei. Daraufhin sei er von König Alfons V. befragt worden, der zunächst verärgert, dann jedoch über das „Spektakel“ habe lachen müssen. Bracciolini beschreibt die Auseinandersetzung recht bildhaft: Valla sei von dem Ritter „mit Füßen und Fäusten“ zu Boden geschlagen worden; nach seiner Niederlage habe er mit „blutbespritztem Haar und Bart“ in einem kläglichen Zustand den König aufgesucht, um sich über den Vorfall zu beklagen175. Die persona Valla zeichnet Poggio als schwachen Gegner, der zwar Autoritäten – in diesem Fall einen Adligen – physisch angegriffen haben soll, jedoch unmittelbar in die Schranken gewiesen und öffentlich gezüchtigt worden sei.
Siehe Cic. inv. 2, 10, 33 und 2, 15, 50; Rhet. Her. 2, 5. Wie eine erfolgreiche öffentliche Ausschaltung durch die Schmähschriften aussehen konnten, lässt sich am Beispiel Niccolò Perottis aufzeigen, der für Valla einen Stellvertreterkonflikt mit Bracciolini initiierte, jedoch letztlich aufgeben und sich für seine Angriffe entschuldigen musste. Siehe dazu unten, Kap. 4.2.4. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 222: Sed heus tu uir huiusmodi bellis assuetus miles Thraso, meministi ne Neapoli in Regi curia cum quendam Alphonsum ex ordine equestri uirum strenuum, ob nescio quod facinus acrius impugnares, te in terram proiectum, calcibus ab illo et pugnis concisum, cum tu postea facie puluerulenta, ore scisso, labentibus dentibus, barbula et crinibus sanguine resparsis ut eras exurgens, pauidus, gemens, uix compos spiritus regem adisti iniuriam questus? Libenter commoror in illa tua expeditione Neapolitana, in qua plura trophaea tuae laudis erecta sunt. In qua nisi quorundam Principum inuidia obstetisset, insigne suis triumphum ob rem domi militiaeque egregie gestam reportaturus, arcum certe triumphalem dicassent tibi.
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Seine anschließende Beschwerde bei seinem Dienstherrn offenbart die theatralischkomödienhafte Situation – nach der physischen Strafe wird er explizit durch das Lachen einer höher stehenden Autorität weiter herabgesetzt und zu einer Witzfigur degradiert. Derartige Vorfälle bezeichnet Poggio ironisch, in Anlehnung an die von Valla applizierten militärischen Wortfelder, als Trophäen seiner Leistungen bzw. als Denkmäler seiner neapolitanischen Expeditionen, die er über seine eigenen Invektiven literarisch konstruiert und verewigt. Poggio leitet die einzelnen Episoden entweder mit einer direkten Anrede (meministine?) ein oder spricht publikumsgewandt in der dritten Person über seinen Widersacher. Als an den geschilderten Ereignissen unbeteiligter Erzähler verweist er stets auf spezifische Zeugen oder Betroffene, um seinen detailreichen Ausführungen Glaubwürdigkeit oder zumindest Wahrscheinlichkeit zu verschaffen. Die evidentia-Technik drückt sich in der Darstellungsweise der jeweiligen Fälle aus, aus denen Poggio einerseits den Charakter seines Gegners zu erschließen und andererseits Belege für seine moralische Verkommenheit zu sammeln versucht: Bracciolini benennt explizit nicht die Autoritätskritik, die Herabschätzung des besagten Adligen oder seinen krankhaften Geltungsdrang. Stattdessen zeigt er anhand eines Handlungsablaufes diese Charaktereigenschaften bzw. Merkmale seiner Schriften auf und visualisiert diese entsprechend in der invektiven Darstellung. Die Leserschaft wird analog zur Theateraufführung auf die virtuelle Tribüne gesetzt, damit sie das Geschehen erfassen und sich im Anschluss ein Urteil über dieses bilden kann. Bei diesem Verfahren steht Poggio mehr mit dem Publikum als mit seinem Gegenspieler im Dialog, was darüber hinaus einen hierarchischen Gegensatz zwischen den beiden erzeugen sollte. Die versuchte Körperverletzung ergänzte der Humanist um weitere schwere Anschuldigungen: Bracciolini versuchte Valla aufgrund von mutmaßlichen Schuldscheinfälschungen in Pavia und Neapel als Betrüger erscheinen zu lassen. Von Bischof Francesco Piccolpassi von Pavia (1427–1435) will er bereits vor ihrer Bekanntschaft an der Kurie erfahren haben, dass sein Widersacher mit einer Fälschermütze öffentlich erniedrigt worden sei. Über den realen universitären Rauswurf und den bischöflichen Haftbefehl, der gegen Valla in der besagten Stadt ausgestellt wurde, schweigt Bracciolini, wenngleich er die nicht-erfolgte Gefangennahme selbst in seinem Witz verarbeitet. Eine Einkerkerung soll ebenfalls in Neapel stattgefunden haben, wo ihm König Alfons letztlich aufgrund von Mitleid die Freiheit geschenkt habe176. Mit dem Vorwurf der Dokumentenfälschung sollte Valla zunächst als apostolischer Schreiber diskreditiert werden: Poggio suggeriert, dass einem Fälscher – der sich auch noch zweimal erwischen ließ! – derartige Ämter nicht anvertraut werden dürften; vorherige Gefängnisaufenthalte beschädigen ebenso die Würde seines apostolischen Amtes. Des Weiteren warf er ihm Missbrauch seiner philologischen Fähigkeiten vor und zeichnete ihn als Dieb und Räuber (praedo und furunculus),
Vgl. zum Fälschungsvorwurf auch Shepherd 1837, S. 446. Vgl. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 220 f.
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zwei Bezeichnungen, die Cicero insbesondere zur Beschimpfung Pisos einsetzte, dessen übles Charakterportrait unmittelbar für die belesenen Zuschauer evoziert werden sollte177. Der Fälschungsvorwurf bezieht sich jedoch auch auf seine philologische Methodik: Bei seinen konkreten Eingriffen in die Wissensträger, die Valla als Korrekturen propagierte, handelte es sich aus Poggios Sicht letztlich um illegitime Modifizierungen von den Schriften anderer, d. h. um bewusste Manipulationen. Entsprechend beschimpfte er Valla in Anlehnung an den plautinischen Kuppler und Verderber als moralischen wie philologischen corruptor und furcifer, indem er ihm die Schändung (corrumpere) der antiken Quellen zur Last legte. Die Anspielung auf Plautus wird ebenso im Kontext sexueller Verfehlungen angewandt178. Allein die potentiellen Suggestionen seiner evidentia-basierten Erzählung gaben der Leserschaft Raum, ihre eigenen, zwangsläufig abwertenden Schlüsse aus den von Bracciolini gelieferten Details zu ziehen179. Valla zufolge seien grundsätzlich alle poggianischen Anklagen in ausdrücklicher Analogie zu seinen Facetiae fabrizierte Produkte seiner Phantasie; sein eigenes Verhalten würde er in ihn selbst projizieren, um „Gleiches mit Gleichem zu vergelten“ (par pari referre). Dabei identifizierte er ebenso die applizierte Welttheatermetapher und versuchte, sich der Strategie seines Kontrahenten zu bedienen. Im Hinblick auf seinen mutmaßlichen Vorfall mit dem Ritter Alfons fragt er nach der konkreten Identität, nach Ort und Zeit des Geschehens – eine derartige Person, so behauptet er, sei am neapolitanischen Hofe König Alfons V. während seines Aufenthalts nicht zugegen gewesen. Vielmehr spiegele die Beschreibung des Vorfalles seine physische Auseinandersetzung mit dem Sekretär Georg von Trapezunt wider, auf die noch unten im Einzelnen einzugehen sein wird180. Dieselbe Strategie wendete er auch im Bezug auf die angeblichen Schuldbrieffälschungen in Pavia und Neapel an und erkundigte sich ex-
furunculus und praedo entnimmt Poggio Cic. Pis. 27, 66 und 40, 96, um aus Valla einen zweiten Piso zu machen; siehe zu den Begriffen Opelt 1965, S. 126, Anmerkung 3 und S. 130. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 212 in Bezug auf seine Liviusemendationen: Miror cur non addideris ad iactantiae tuae cumulum, te Titum Liuium (ut in te gloriari soles) emendasse, ut alii rectius sentiunt corrupisse. Ebd., S. 220 in Bezug auf die Verführung seiner meretrix. Zu corruptor civium und zum furcifer als Betrüger oder Dieb vgl. Plaut. Poen. 816 respektive Poen. 784 f., vgl. Opelt 1965, S. 98 f. Dazu auch Hübner 2010, S. 123 ff. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 350 f.: Idem dico de altera, quam subiicis, fabula, ut par pari referres, quia tuam cum Trapezuntio pugnam retuli, quam negasses, nisi magno theatro gesta essent [...] (Vgl. bereits die Schilderung des Vorfalles in Valla 1978, Antidotum primum 1, 187, S. 126). [...] cum Alphonso quodam equestris ordinis, nec addidit cognomen, ut sibi crederetur, non saltem patriam, aut nationem, ut sciremus, Castellanusne, an Aragonensis, an Valentinus, an Catelanus, an Portugalensis, an Italicus. Nam nullum memini Alphonsum eius ordinis apud Regem fuisse, nisi illu Cardonam a regibus oriundum, qui postea Comes Reginus nuper est mortuus. [...] Sed quaeso, si forte oblitus sum, ut significas quanquam nihil tantopere, quam mala et iniurias recordamur, redige mihi in memoriam, ubi nostra haec pugna gladiatoria gesta est, si pugna dici potest, ubi ego uapulando ille uerberando usque adeo defessi sumus. Caietaene, an Capuae? An Auernae, an Neapoli? An qua in urbe earum, quas adii una cum Rege? Quo anno et ante omnia, quo ille cognomine erat meus Alphonsus? [...] Quid ergo ais Podi orator inuictae et Demosthenica praedite prudentia? Itane causam in forum affers, in qua a scholasticis, a pueris quoque
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plizit nach dem Geldgeber, nach der Summe und den näheren Umständen, um den Vorwurf als unplausibel entlarven zu können181. Anhand der Darstellungsweise, d. h. des inneren aptum, beabsichtigte er den Vorwurf zu dekonstruieren. Am Beispiel des in Pavia verorteten poggianischen Herabsetzungswitzes und Vallas Replik kann überdies der Fiktionalitäts- und Ausschmückungsgrad sowie der aufgrund der schlechten Quellenlage nur schwerlich zu rekonstruierende Hintergrund näher beleuchtet werden. Dass Poggio die Geschichte über Vallas öffentliche Erniedrigung vom pavesischen Bischof Francesco Piccolpassi selbst erfahren haben will, ehe er Vallas Bekanntschaft gemacht hat, weist Valla mit einem ausführlichen autobiographischen Auszug zurück; ferner zählte er eine Reihe von Charakterzeugen auf, mit denen er dort verkehrte: Bischof Johannes Campesius von Piacenza, den Bischof und damaligen Abt von Arras, Joseph Brippius, der darüber hinaus sein Student an der Universität gewesen sei, sowie die in seinem moralphilosophischen Dialog De vero bono integrierten Gelehrten Maffeo Vegio und Pier Candido Decembrio, die ihm zufolge seine Unschuld bestätigen können und von Poggio nicht befragt worden seien182. Darüber hinaus skizzierte er seine Zeit an der Kurie, wo er seinem Rivalen das erste Mal begegnete: Er beschuldigt Bracciolini, seine kuriale Karriere zusammen mit dessen Kollegen und Freund Antonio Loschi aufgrund von literarischen Meinungsverschiedenheiten torpediert zu haben. Valla benennt explizit die „Kämpfe“ über die Beredsamkeit (de facundia), die er mit Poggio und den übrigen Sekretären geführt und die er selbst mit seiner Comparatio Ciceronis Quintilianique provoziert habe; seine Kritik an elogischen Versen Loschis für das Grabmal Bartholomeos de Montepoliciani sollen seiner Ansicht nach ebenso zum intriganten Verhalten beigesteuert haben183. Er machte Bracciolini erneut persönliche Motive, konkret Eitelkeit und Neid, zum Vorwurf, was seine Verbitterung
refelli facillime possis? Quis Alphonsus? Quo in loco? Quo tempore? Quibus praesentibus? Vt in hoc, ita in caeteris. Dazu auch Patané 2021, S. 193 f. Zur mutmaßlichen Fälschung in Neapel, die zur Gefangennahme geführt haben soll siehe Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 352 f.: [...] ‚tabulae‘ non penes debitores sunt, sed penes creditores atque tabelliones. Qua igitur ratione potest eas abradere debitor? Ego, si abradere potuissem tabulas, abscindere atque abolere maluissem, ut nihil potius, quam aliquid deberem, praesertim sine ullo periculo falsitatis. [...] Quis iste mercator? Quis numerus pecuniae abrasus? Quis substitutus? A quo tabellione scriptae tabulae? An ab ipso mercatore? Quem in carcerem coniectus sum? Egone unquam fui coniectus in carcerem? Sed cur non addebas me accusatum, conuictum, damnatum? Vgl. zu den besagten Personen Vahlen 1869, S. 23, 28 ff., zur unklaren Identität des Bischofs von Arras S. 31 ff. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 352: At ego priusquam adii unquam Papiam, tecum millies locutus fueram, tecum etiam altercatus, tecum et cum omnibus secretariis de facundia certabam, quippe ‚De Comparatione Ciceronis Quintilianique‘ conscripseram, quique etiam auunculo meo tibi in secretariatu collega doctior Romae habebar, eoque defuncto petiui secretaratum quatuor et uiginti annos, quem ne impetrarem tu semper bonorum incrementis aduersus, apud Martinum me accusasti, tanquam caeteros secretarios, utique in illo flore aetatis contempturum, quod diceres una cum Antonio Lusco collega tuo, cui tu me accusaueras, mea usum reprehendere scripta illius Antonii, ob id uidelicet, quod apud Cyprianum Pistoriensem ad sepulturam Bartholomei Montepoliciani dixissem carmen in illius mo-
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gegenüber dem jüngeren Valla erklären sollte. Als gewagten Gegenschlag bezichtigt er Poggio ferner, sich des Vorwurfes allein aufgrund seiner eigenen Fälschungen bedient zu haben. Er behauptet, dass der apostolische Sekretär im Namen Papst Eugens IV. ein falsifiziertes breve verfasst haben soll, durch das die Festsetzung und der Tod des Condottieres und Kardinals Giovanni Vitelleschi (ca. 1390–1440) Ende März 1440 ermöglicht worden sei. Vitelleschi, der sich als erfolgreicher päpstlicher Heerführer Einfluss und militärische Macht sichern konnte, wurde zunehmend für die herrschenden Eliten Italiens gefährlich, weshalb florentinische Verschwörer über gefälschte Briefe Misstrauen zwischen dem Condottiere und Eugen IV. zu schüren vermochten. Dieses Komplott endete mit einem Haftbefehl gegen Vitelleschi, der in die Engelsburg gesperrt wurde und dort verstorben ist. Die bewusst hergestellte Analogie zu den Intrigen gegen Valla selbst ist evident. Mit diesem Vorwurf befeuerte Valla noch einmal in seiner letzten Invektive die Eskalationsspirale, um seinen Rivalen als päpstlichen Sekretär in die Bredouille zu bringen – der Mordvorwurf wird außerdem über die Anrede Poggios mit dem von Cicero des Mehrfachmordes beschuldigten Clodius flankiert184. Auch Bracciolinis Vorwurf des Bücherdiebstahls aus einem Klarissenkloster enthielt augenscheinlich einen wahren Kern. Er warf Valla vor, ihm anvertraute griechische Kodizes per summam fraudem gestohlen und heimlich nach Rom transportiert zu haben. Dies habe verständlicherweise bei den Klarissen für einen Eklat gesorgt. In diesem Beispiel rekurriert er gekonnt auf den klassischen Topos des Tempelraubes, der zwischen dem heidnischen templum und dem christlichen coenobium eine historische Analogie herstellen sollte185. Die Entwendung stritt der Beschuldigte vehement ab und sprach stattdessen von einem ordnungsgemäßen Kauf, den er ferner als Bücherrettung inszenierte und sich folglich an der Selbstdarstellung des „Bücherjägers“ Poggios orien-
numento inscriptum ab Antonio compositum uersu elogiaco non esse tam egregium quam alia, quae hexametris uersibus condidisset, melioremque poetam in eo carminis genere Bartholomaeum extitisse et pene omnium optimum. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 351: Quandoquidem tua uesania cogis, ut Podi in lucem proferam [vgl. Eph. 3, 9] scelera tua, ego non dixi, sed significaui, te tuo Breui, quod Eugenium mittere mentitus es, fuisse autorem caedis Alexandrini Patriarchae. Idque cum Eugenius rescisset, teque auidus mulctare uellet, tamen tutela eorum, quibus facinus tuum vendideras, te fuisse elapsum. Quis hoc ignorat, non propinquorum illorum modo, ut Episcopus Cornetinus, Angelus Bocianus ac caeteri, sed Curialium, qui aliquid secretius norint? Breue illud tuum fuisse negare non potes, sed ab Eugenio tibi iussum ais. Si is tibi iusisset, non illum et Patriarcham et Cardinalem et legatum suum captum, uulneratumque fleuisset, nedum paulo post extinctum. Zu der Anschuldigung konkludiert Walser 1914, S. 186–189, hier S. 188 f.: „Inwieweit Poggio bei diesen Ränken mitgesponnen, läßt sich vor Auffindung neuer Belege nicht sagen, immerhin gehörte die Fälschung von Briefen und Dokumenten zu den wilden Gepflogenheiten jener skrupellosen Zeit. [...] Endlich läßt das Epistolar Poggios deutlich erkennen, daß er gerade in der Zeit nach dem Unionskonzil bei Eugen IV. in schwere Ungnade fiel.“ Zu Clodius vgl. Cic. Mil., dazu Craig 2004, S. 206. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 222: Sed hoc non praeteribo tuae gloriae facinus adiiciendum. Meministine sacrilegi furcifer, quosdam libros Graecos, ex coenobio religiosarum sanctae Clarae mutuo concessos per summam fraudem subripuisse et Romam clanculum asportasse, qui fuerant tuae
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tierte186. Die Gerüchte rund um diese Angelegenheit führt er auf seinen Konkurrenten Antonio Beccadelli und den Gelehrten Gregorio Tifernate (1414–1462) zurück, die selbst großes Interesse an den griechischen Büchern gezeigt haben sollen. Bei diesen Schriften handelte es sich um Teile des Corpus Hippocraticum187. Valla erzählt in seiner Richtigstellung ausführlich, wie er selbst und sein Arzt, Antonio Itrano, die Bücher von einem Prior mit dem Namen Gasparo zunächst mit einem Schuldbrief erwarben, damit diese bislang unerforschten Bücher nicht „ungebraucht verfaulen“ würden. Er kontaktierte Gregorio, der ihm bei der Übersetzung des ionischen Dialekts unterstützen sollte; dieser wiederum gedachte, ihm die Bücher aufgrund des medizinischen Inhaltes abzukaufen188. Sowohl aus Liebe zu diesen codices als auch aufgrund des Rates seines Arztes zögerte Valla, worauf Gregorio seinen Feind Beccadelli von dem Sachverhalt unterrichtete. Beccadelli, der Valla zufolge auf alle Gelehrte eifersüchtig sei, die des Griechischen mächtig sind, habe sodann den Preis der Bücher beim Abt in die Höhe getrieben. Valla habe jedoch, um nicht als listiger Geschäftsmann wahrgenommen zu werden, die Bücher dennoch erworben189. Die Quantität der vallianischen Antwort belegt die Relevanz der relativ kurz gehaltenen Anschuldigung Bracciolinis. Mit Sicherheit wurde der apostolische Sekretär über den Vorfall von Beccadelli selbst in Kenntnis gesetzt. Die genauen Hintergründe müssen jedoch aufgrund der gegensätzlichen Aussagen im Dunkeln blei-
perfidiae crediti. Quam rem illi [corr. illae] grauiter ferentes hoc furtum dissimularunt, sed multis tamen uiris hanc iniuriam sunt conquestae. Siehe Cic. Pis. 85; vgl. Craig 2004, S. 191. Erneut leitet er seine Rechtfertigung mit einer philologisch-logischen Kritik ein: Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 353: Si erant mihi libri crediti, quomodo surripui stultissime sycophanta? Aut quomodo poteram a sanctimonialibus illos surripere? [...] Si uero nullam illarum allocutus sum, quomodo ipse mihi libros crediderunt? Ergo Prior illius coenobii mecum egit, non illae foeminae. Qui si mihi libros credidit, qua ratione ego sacrilegus sum, cum praesertim libri illi sacri non essent? Fuerunt autem duo codices, unus operum Hippocratis, alter de cura boum, canum, accipitrum. Eos libros [...] cum diu nemo uellet emere, uir insignis arte medicina Antonius Itranus et meus et illius coenobii medicus, mihi nuntiauit esse uenales et nuntiauit tum coenobii causa, ne libri illic inutiles putrescerent, tum mea, qui amicus eius essem, tum sua quod scire cuperet, quae nam illic Hippocratis opera forent. Siehe zu Gregorio jüngst den Sammelband Butcher/Czortek/Martelli 2017, bes. den Aufsatz von Regoliosi 2017. Der Kodex gehörte Valla zufolge König Robert von Anjou (1278–1343), siehe Valla 1984, Epistole, Ep. 37, S. 305–306; die Handschrift wird noch einmal von Kardinal Bessarion in einem Brief an Valla erwähnt, der ihm diese gerne abkaufen wolle: Valla 2010, Correspondence, Ep. 53A, S. 304– 307, hier S. 306. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 353: «Me non audere transferre librum de medicina, praesertim ionice loquentem, aptiorem ei rei esse Gregorium Castellanum, qui et optime Graeca nosset et multos annos operam medicinae dedisset, daretque», atque ita factum est. Ille ubi talem codicem uidit, qualis nullus fortassis in Graecia est, et eum ipsi accomodatissimum de faucibus suis quodammodo ereptum, primum multis uerbis a me coepit contendere, ut sibi uel pretio uel commutatione traderem, se medicinae semper studuisse, uelleque breui insignia medicinae capere, praeterea ex illis libris quosdam transferre, quod ego non ita facile possem facere, neque illi arti unquam operam dedissem et alia multa. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 353 f.: Adest iam duos hic menses Gregorius, qui refellere me, si mentior, potest. Id cum ego differrem, cum amore codicis, tum uero consilio medici, qui non adeo hominem amaret, ille rem ad Antonium Panhormitam detulit, atque me exiguo pretio mercatum esse
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ben. Poggios Darstellung ist offensichtlich verkürzt und überspitzt, während Vallas komplizierte Schilderung und insbesondere seine Inszenierung als Bücherliebhaber, der die codices vor vermeintlich ungelehrten Männern wie Beccadelli habe schützen wollen, ebenso wenig überzeugend erscheint und vielmehr einen Kontrasteffekt zwischen sich und seinen Gegnern erzeugen sollte. In erster Linie stand hier der Umgang von Büchern als Wissensträger, aber ebenso als wertvolle und für die humanistische Gelehrsamkeit dringend erforderliche Anlageobjekte im Vordergrund190. Die philologische wie paläographisch-kodikologische Erschließung, die Poggio mustergültig mit seiner brieflich dokumentierten Handschriftenjagd bewarb, erwies sich als grundlegendes Merkmal der (früh-)humanistischen Tätigkeiten und ihrer einhergehenden Selbstinszenierung191. Bracciolini versuchte mit dieser Anklage dezidiert, seinem Gegner eine entscheidende humanistische Gelehrsamkeitsqualifikation abzusprechen. Der Vorwurf korreliert darüber hinaus mit Vallas vermeintlicher Missachtung der Jungfräulichkeit und religiösen Gemeinschaften, die er dem epikureischen Sprecher in seinem moralphilosophischen Dialog De vero bono in den Mund legte.
pretiosissimum codicem. Antonius homo non mihi inimicus modo, sed omnibus graecissantibus inuidens, quique Graecos codices emere solet, ne a doctis graecarum literarum emantur, nunquam illos commodaturus, adit Priorem, admonet decuplo charius potuisse codicem uendi, uicinis omnibus narrat circumuentum a me hominem esse. Ne multis agam, ad extremum, ne codice potirentur inimici, neue religiosus ille uir a me astute esse secum actum diceret, adieci aliquot aureos, quo ille nomine mihi gratias egit et omnem inuidorum fabulam patefecit. Im Anschluss folgen noch philologische Kommentare zur Wortwahl Bracciolinis und eine Plausibilitätsprüfung des vermeintlich heimlichen Transports nach Rom Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 355. Valla unterscheidet semantisch zwischen concedere und commodare: Pecuniam, panem, uinum, chartam, similiamque mutuamus: libros, equos, uestes et quae sunt id genus, commodamus. Ebenso korrigiert er Poggios Gebrauch von surripuisse (stehlen, entwenden), wofür ihm zufolge interuertisse (unterschlagen) hätte eingesetzt werden müssen. Im Anschluss berichtet Valla von seiner Teilnahme an einem königlichen Kriegszug, der einen Transport nach Rom verunmöglicht habe. Ebenso ruft er erneut Zeugen auf, so einen gewissen Petrus Bisudunus, den königlichen conseruator. Zur Handschriftenjagd bes. Gordan 1974, zur Einführung S. 1–16; Flores 1980; jüngst Greenblatt 2013, bes. S. 23–60. Zur humanistischen Auffassung von Schriftträgern anregend Schadee 2016b. Vgl. Stein 2006, zu Bracciolini S. 85–92, hier S: 94 f.: „Gilt der Mann aus Florenz doch spätestens seit dem Fund des vollständigen Quintiliantextes im Sommer 1416 unter den Zeitgenossen und den heutigen Experten als der Inbegriff eines erfolgreichen Handschriftenjägers und Retters der antiken Kultur.“ Siehe bes. die Bemerkung Vallas, er habe amore codicis gehandelt und erweise sich als ein Freund der Bücher (amicus eius esse), wodurch er bekannte Redewendungen seiner Vorgänger, u. a. von Petrarca, in seine Selbstdarstellung einarbeitet. Dazu auch Wulfram 2019, S. 256 f.
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3.3.3 Hypersexualität und Völlerei als Leitmotive Der Vorwurf libidinöser Neigungen mit daraus resultierenden sexuellen Übergriffen erweist sich in den Invektiven beider Akteure als eine zentrale Anschuldigung, die sich durch eine deutliche Überzeichnung ausdrückt; die obszöne Wortwahl wird primär der römischen Komödie und Dichtung entnommen. Mit der Anklage sexueller Vergehen, die Cicero oft gegen seine Gegner ins Feld führte, wird dem Kontrahenten Amoralität und fehlende Selbstdisziplinierung, ferner ein pathologischer Drang unterstellt und dadurch jegliche Qualifikation für ein politisches Amt, das nach normativem Verständnis Mäßigung und moralische Integrität (temperantia, moderatio und gravitas) verlangt, abgesprochen192. Der Vorwurf erwies sich als zeitlos und konnte ohne weiteres auf die nun mehr christlich geprägte Gesellschaft des 15. Jahrhunderts übertragen werden: Außerehelicher und mitunter homosexueller Geschlechtsverkehr zur Triebstimulation galt als Bruch christlicher Sexualmoral und wurde öffentlich, zumindest performativ, geächtet und bisweilen sogar in die Nähe von Häresie gerückt193. Ein moralisch einwandfreier Lebenswandel wurde für öffentliche Ämter vorausgesetzt und entschied ebenso über die Reputation bzw. die Wahrnehmung der jeweiligen Person wie auch des jeweils besetzten Amtes. Im Zusammenhang mit Bracciolinis Anschuldigungen müssen diese jedoch auch im übertragenen Sinn verstanden werden, was die mutmaßlich sexuellen Ausschweifungen Vallas in Hinblick auf seine Schüler verdeutlichen. Mit der bildhaft ausgeschmückten vallianischen Päderastie intendierte er das als vergiftet gezeichnete Lehrer-Schüler-Verhältnis zu illustrieren, das durch den Unterricht seines Gegners, aber auch durch sein mutmaßlich falsches Latinitätsverständnis sowie seine geäußerte Autoritätskritik im Allgemeinen bedingt gewesen sein soll. Vallas angeblicher Dissens äußerte sich Poggio zufolge durch seine pathologisierte libido und cupiditas; er stilisierte Valla als Verführer der Jugend, der als Triebtäter seine Schützlinge geistig wie körperlich missbrauche und folglich ein schamloses, dem Anstand (pudor) zuwiderlaufendes Verhalten demonstriere194. Dies beabsichtigte Poggio an zwei konkreten Beispielen zu belegen: Er berichtet an einer Stelle von Vallas nächtlichem Vergewaltigungsversuch in Neapel, der jedoch mit einer Prügelstrafe seiner Schüler geendet haben soll. Sein Annäherungsversuch an einen Vgl. Opelt 1965, S. 154 ff. und Richlin 1992, bes. S. 96–104. Zu den Anfängen christlicher Sexualmoral Brown 1991. Einführend aus einer mentalitätsgeschichtlichen Perspektive Kortüm 1996, S. 269–295. Zur rechtlichen Bewertung von Unzucht im Spätmittelalter bes. Brundage 1987, S. 517–540. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 221: Nam ut omittam Neapolitana probra in quibus tua est cupiditas debacchata, quod paulo post refertur, quid te ad aperiendum ludum (ad quem pueri elicerentur) patefacere coegit? Nisi ut ad tuam pal[a]estram adolescentum greges conuocares, ut tua domus non dimicilium doctrinae, sed libidinis diuersorium uideretur. Possem nominare nonnullos quibus suam pudicitiam per te tutari non licuit, cum hi postea questi sunt, nisi et illorum et meo pudori uellem parcere. Tu ipse nosti scelerum artifex quae fuerit parentum querimonia, cum ad eos tantum facinus est delatum.
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gewissen Hugolino wurde wiederum durch eine öffentliche Demütigung durch seine Studenten vergolten195. Hier kehrte Poggio das hierarchisch strukturierte LehrerSchülerverhältnis komödienhaft um: Der Lehrer Valla soll für sein Verhalten wie ein unerzogener Jüngling behandelt, für seinen Sexual- und Herabsetzungsdrang physisch bestraft und für seine Taten sichtbar von seinen eigenen Schülern bloßgestellt worden sein. Seinen Ruf als Lehrer adliger Kinder, d. h. dem Nachwuchs der Herrschaftseliten, wie Bracciolini explizit zu betonen weiß (bonis ortum parentibus), stellte er sichtlich in Abrede und untermauerte beide Geschehnisse mit mutmaßlich verifizierbaren Fakten – Neapel als Ort, seine Schüler als Zeugen und Beteiligte und ein gewisser Hugolino aus gutem Hause als Opfer. In diesen Beispielen zählen weniger die konkreten, überspitzt formulierten Ereignisse als vielmehr die Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit der vermeintlichen Taten. Die detaillierten Beschreibungen der Züchtigung sowie des mentalen Zustandes Vallas wiegen im affektorientierten evidentia-Verfahren schwerer als eine sachliche Darlegung. Vallas Schule, sowohl als konkreter Ort als auch als theoretisches Lehrgebäude, transformiert Bracciolini in einen Ort der Verführung und Kuppelei (legendi studium pro lenocinio), was seinen Kontrahenten als Pädagogen vollständig disqualifizieren sollte196. Sein Werk, gleichsam als
Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 221 f.: [...] cum adolescenti Neapolitano esses molestior quam illius pudor postulabat, ille tuae uexationis continuae pertoesus [corr. pertaesus], te aliquando domum noctu uenire poscit. Vbi uir militaris et nocturnae pugnae assuetus, ab adolescentis seruis honorifice exceptus es. Nam te dorso unius impositum, eleuatis a posteriori parte uestibus, ut in scholis pueri castigantur, grossioribus loris, quae stafilia appellant, ita nates afflixerunt, ut mense integro sedere nequiueris. [...] Improbissimi questus publica est comoedia ex omni parte confecta, te Hugolinum quendam adolescentem ingenuum, bonis ortum parentibus, ultra quam decet oratorem omnium ac philosophum adamasse. Qui cum te molestius instantem ferre non posset [...] insano te amore ardentem, amentiaque seductum, in quendam uicum noctu iusti secedere, quo cum spe rei potiunde uenisses, uelut in laqueos incidisti, ibi murmure et strepitu expectantium perterritus, in quendam angustum locum repens, ita tamen ut pedes extarent subisti. Cum illi hominem quaererent ac fugisse arbitrarentur, quidam oculatius prospiciens. „Eiice hominem“, exclamauit et tanquam alterum Cacum pauitantem et multa timentem, extractum pedibus ex spelunca in publicum deducunt, ut illud de te Virgilianum rectissime dici posset: «Tum primum Cacum nostri uidere trementem» [Verg. Aen. 8, 190]. Quid ibidem perpessus fueris, quomodo illi te acceperint, qua ignominia, qua contumelia, quo dedecore te mulctarint dicere erubesco. Tute ea nosti, qui propter eam infamiam, nescio quam suscepisti peregrinationem. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 221: Nam cum in ea ciuitate priuatim oratoriae artis tradendae beneficium profitereris, legendi studium pro lenocinio sumpsisti, ut non tantum doctrinae ars quantum pueros tractandi cupiditas te impulerit ad gymnasium. Vgl. u. a. die Anspielung auf Cic. Mur. 35, 74. Seine Kenntnisse fußen mitunter auf Aussagen seiner eigenen Kinder, die von Valla selbst unterrichtet worden sind. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 221: Quod uero quaeris, cur hoedos meos a lupis non custodiam? Credo filios meos a te significari. Sed hi quamuis paruuli sint, tamen cum prope transis, ueluti catuli uigiles licisca latrante [vgl. Verg. Aen. 3, 18], significant lupum famelicum hoedorum diuersorio appropinquare. Zu diesem bemerkenswerten Umstand siehe Camporeale 2001, S. 31: „A reading of his Orationes in the light of the Freudian theory of reaction-formation might suggest that Poggio was simultaneously obsessed and fascinated by Valla’s personality, his originality, and his importance for the new culture. Support for such an interpretation, I think, is provided by the fact that Poggio had
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Tat literarisch stilisiert, markierte Bracciolini als intellektuellen wie sozialen Konventionsbruch und übertrug diesen auf das mutmaßliche Leben seines Gegenspielers. Der Erzähler Poggio, der sich in seinen Invektiven die Deutungshoheit über die Biographie seines Gegners übertrug, sah in den sexuellen Auswüchsen Vallas eine maßgebliche Triebfeder seiner Handlungsweise; er will aus Herabsetzungs- und Sexualdrang ein zentrales Muster identifiziert haben, das die unstete Karriere des apostolischen Schreibers erklären sollte: In seinen Herabsetzungswitzen führen Vallas einzelne „Expeditionen“ ihn von Neapel wiederum nach Rom in die Gegenwart zurück, wodurch die vermeintlich unzusammenhängenden Erzählabschnitte eine deutliche Stringenz offenbaren. Allein durch glückliche Zufälle und insbesondere durch das Mitgefühl und die Freigiebigkeit (pietas, benignitas und liberalitas) von König Alfons V. von Aragón und Papst Nikolaus V. – weltliche wie geistliche Autoritäten (!), die er jedoch geschickt mit seinem Rednertalent zu umgarnen und betrügen weiß – entgeht er dem Tod oder der Gefangennahme. Nach seiner mutmaßlichen Verbannung aus Neapel soll Valla als elendiger und körperlich geschundener Bettler nach Rom gekommen sein197. Zuflucht habe Valla sodann bei seiner Schwester und ihrem Ehemann erhalten, wo er erneut seinen Lüsten unterlag und die dort angestellte Magd verführt haben soll. Bei dieser Person handelt es sich um die oben bereits erwähnte meretrix, die ihm aufgetragen habe, gegen Poggio publizistisch vorzugehen198. Die sexuellen
his children educated by none other than the hated Valla!“ Siehe auch jüngst Patané 2021, S. 102 f.; derselbe Vorwurf der Päderastie findet sich in Bracciolinis Invektive gegen Francesco Filelfo: Bracciolini 1964a, In Philelphum invectiva prima, S. 162–169, hier S. 168: Tu inquam adulescentes non ad scholam doctrinae, sed ad libidinum diuersorium, studiorum ostentatione attrahere consueuisti, quos non solum tuae libidini effrenatae subdis, sed etiam aliis prostituere solitus es, ad ampliorem mercedem salarii consequendam. Exemplarisch in Bezug auf Papst Nikolaus V. und Vallas Ankunft in Rom Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 220 f: Nam propter tua egregia opera, quibus uelut harpyia omnia loca quae tangis turpiter foedas, cum pulsus Neapoli Romam reuertisses, nil tecum ferens praeter esurientem uentrem, macilentum corpus, pallidam faciem, dentes famelicos, genas pilosiores annis, pannisque obsitus, sicut hi solent qui diutius in carceribus fuerunt, omnium uerum praeter quam stulticiae inops, adeo ut non homo, sed phantasma quoddam subrusticum esse uidereris, in domum sororis et mulieris quidem optimae tuique dissimilis diuertisti. Ebd., S. 230: Hoc tantum addam, quinquaginta fere annos ita me uersatum in Curia, ut absque alterius offensione charus, octo Pontificibus continuo in honore et dignitate fuerim, quadriginta ferme secretarium. Te uagum in orbe, tamquam alterum Orestem furiis agitatum, uidimus ita cum rege Arragonum fuisse, ut propter tuas excellentes uirtutes eiectus, ab eo pulsus summo cum dedecore ignominiaque fueris. Ita ad Curiam aduentasse, ut nisi Pontificis liberalitas astitisset tibi, aut haereres in stercore, aut inopia te et mendicitas ad inferos detrusisset. Es sei auf die Betonung von Poggios eigenen kurialen Tätigkeiten hingewiesen. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 220: Cum habeas domi publice meretriculam, meretricem inquam domi habeas scelerum tuorum testem. Nam propter tua egregia opera [...] cum pulsus Neapoli Romam reuertisses, nil tecum ferens praeter esurientem uentrem, macilentum corpus, pallidam faciem, dentes famelicos, genas pilosiores annis, pannisque obsitus, sicut hi solent qui diutius in carceribus fuerunt, omnium uerum praeter quam stulticiae inops, adeo ut non homo, sed phantasma quoddam subrusticum esse uidereris, in domum sororis et mulieris quidem optimae tuique dissimilis diuertisti. Cunque
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Ausschweifungen als Ausdruck amoralischer Verhaltensweisen sind in der antiken Polemik unmittelbar mit dem unreinen, körperlichen Zustand verbunden und unter die res externa zu ordnen – Vallas Nonkonformismus und Anomie sollte der Leserschaft über sein Aussehen und seinen unkontrollierten Trieb, der mit seinem methodischen wie sozialen Herabsetzungsdrang (studium oder libido detrahendi) verschränkt ist, zur Schau gestellt werden199. Bereits als Jugendlicher habe sich Valla aufgrund der ärmlichen Verhältnisse seines Vaters – dessen Vaterschaft jedoch ebenso in Zweifel gezogen wird, um seine Mutter anzugreifen – mit Selbstprostitution über Wasser gehalten, wie Bracciolini selbst beobachtet haben will. Hier weiß er die mutmaßlich unehrenhafte Familienherkunft mit den sexuellen Neigungen überaus geschickt zu einem Psychogramm zu verbinden200. Das ungesunde Verhältnis zu seinen Schülern ergibt sich folglich aus seiner eigenen prekären und unehrenhaften Jugend201. Dass Valla sich selbst in Rom „verkaufen“ musste, ist im übertragenen Sinne auch als Anspielung auf seine fehlgeschlagene Bewerbung auf die Sekretariatsstelle seines Oheims unter Papst Martin V. und seinen Tätigkeiten unter verschiedenen Dienstherren zu verstehen, wie er selbst im Zusammenhang mit seinem Aufenthalt in Pavia genauer aufschlüsselt. Sein Selbstverständnis als im Dienste der Herrschaftseliten wirkender Gelehrter wird durch seine unstete Karriere desavouiert und mit Selbstprostitution gleichgesetzt. Verschränkt mit dieser Form der Manie sind ebenso der topische Alkoholkonsum bzw. die Völlerei und Prasserei im Allgemeinen, die mehrfach in unterschiedlichen Kontexten appliziert werden. Der Mund (os) als Sprechorgan wird durch den Alkoholgenuss
uir eius modestus et probus pietate motus, te omni ope questuque nudatum diutius nutrisset, ancillam eius seruam a te nequissime corruptam, grauidamque factam non rapuisti, sed perfidae praedae per summum scelus subripuisti. Ironisch zeigt Poggio Verständnis und erklärt Vallas Nötigung mit den Umständen: Homo es: Nox, uinum et consuetudo et frequens suasit usus, forsan lacessitus ut uiri fortis est iniuriam repulisti. Vgl. Corbeill 1996, bes. Kap. 1, S. 14–56, hier S. 14 ff. Die Infragestellung des sozialen Status seines Vaters sowie die implizit vorgetragene Schmähung seiner Mutter als promiskuitive Frau wies Valla ebenso scharf zurück und verteidigte das Ansehen seiner Eltern mit einer biographischen Einordnung – auch hier lässt sich eine quantitative Diskrepanz zwischen den knappen Bemerkungen Poggios und den ausführlichen Antworten Vallas feststellen. Siehe Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 346 f. Zur Famile Vallas Mancini 1891, S. 1–6; Fois 1969, S. 6. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 220: Vidi enim te postquam ad Vrbem ueni, uulgare scortum et corpus habens uenale, ita omni turpitudini expositum, ut nulla esset merx in Vrbe emptoribus uulgatior. At necessitate ad id impulsum dices. Adolescentulus enim patre quem appellabas destitutus, mendicus, egenus, aerumnosus, nullius rei praeter quam uermium abundans, domo arens, ubi caput declinares non habebas, egestate coactus ad eum quaestum descendisti summo cum dedecore, qui tibi uictum suppeditaret. Magna necessitatis esset excusatio, nisi in prioris aetatis turpitudine aetas corroborata, sed postea turpius inquinasset. Zur Selbstprostitution als Topos vgl. mitunter Cic. har. resp. 42 und 59; Verr. 2, 1, 32–33, Verr. 2,3, 159–162. Dazu Richlin 1992, S. 98 f.
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missbraucht und gleichsam zu einem niederträchtigen und schamlosen Sprachrohr umfunktioniert202. Den Topos wendete Valla mitunter im ersten Akt des Apologus an, wo die Figur Poggio das von Guarino da Verona instituierte Forum als intellektuellen Ausgtragungsort mit dem Marktplatz verwechselt. Dieses Verständnisproblem wird nicht allein über seine fehlenden Semantikkenntnisse erklärt, sondern vor allem über seine luxuria hergeleitet: Die persona Poggio bestätigt überschwänglich, dass sie sich stets für eine Vielzahl kulinarischer Spezialitäten und „vor allem achtundzwanzig hervorragende Weinsorten“ interessiere, die sie auch bei Bedarf aufzählen wolle. An forensischen Debatten zeigt die Figur hingegen kein Interesse; stattdessen wolle Poggio sich lieber „den Gasthäusern als den (Rechts-)Angelegenheiten“ widmen. Daraufhin aktiviert der Sprecher Guarino stattdessen eine schulische Inszenierung und schickt Poggio verbatim zurück auf die Schulbank, die sie nach Eigenaussage jedoch niemals besucht habe und auch jetzt keinen Grund sehe, dies nachzuholen. Bracciolini wird hier als ungebildeter, begriffsstutziger und einzig dem übermäßigen Genuss unterworfener Mensch gezeichnet, der weder in der Lage zu sein scheint, sich adäquat auszudrücken, noch den humanistischen Gepflogenheiten entsprechend die forensische Auseinandersetzung als solche begrifflich zu erfassen. Ebenso wird sein Bildungshintergrund topisch in Frage gestellt203. Der Rausch suggeriert ferner, dass dem Trinker Zurechnungs- und Urteilsfähigkeit wie auch jegliches Sozialverhalten aus eigenem Antrieb abhandengekommen sei, was wiederum die habituelle Devianz der Zielperson veranschaulichen sollte. Um die Trunkenheitsszene des Marcus Antonius aus Ciceros zweiter Philippica sowie die Festbeschreibung aus In Pisonem siedelten sowohl Bracciolini als auch Valla ihre jeweiligen Vorwürfe und das daraus resultierende Verhalten an. Cicero beschreibt, wie Marcus Antonius sich als militärischer Würdenträger bei der Hochzeit des Hippias aufgrund seines exzessiven Weingenusses vor dem römischen Volk (in populi Romani conspectu) mutmaßlich erbrochen habe204. Von zwei ähnlichen Situationen weiß auch Poggio zu berichten: Er ruft mitunter Antonio Beccadelli als Zeugen auf, der die sogenannten expeditiones vinariae bestätigen könne: Als dieser Valla vor ihrem Zerwürfnis zu einem Essen mit „einigen Gelehrten“ (doctores quidam) in Neapel eingeladen
Vgl. auch mit Blick auf die ciceronianische Applikation von os Richlin 1992, S. 99–100 und Corbeill 1996, S. 99–104. Vgl. Valla 2006, Apologus 1, 1, 10–11, S. 48–50. Zum Topos vgl. Oppelt 1965, S. 157–164. Vgl. Cic. Phil. 2, 63: Tu istis faucibus, istis lateribus, ista gladiatoria totius corporis firmitate tantum vini in Hippiae nuptiis exhauseras, ut tibi necesse esset in populi Romani conspectu vomere postridie. Siehe auch Cic. Pis. 10, 22 als deutliche Vorlage für die Prassereibeschreibungen. Zum expliziten Rekurs auf Marcus Antonius vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 12, S. 84 und 30, S. 90. Poggio greift in seiner zweiten Rede den Vorwurf sichtlich ironisch auf und wendet diesen gegen seinen Gegner, Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 217: Me uinosiorem Marco Antonio temulentumque appellat et inebriari solitum uino rubeo dicit. [...] Cur non potius hic noster maledictorum auceps, uinum Cretense, Corsicum, Genuense, aut Trebianum nostrum, in quibus est aliqua bibendi suauitas et uoluptas protulit, ut ei fides aliqua adhiberetur?
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hat, soll er Vallas Ruhmsucht in einer Art Trinkspiel befriedigt und ihm für jede einzelne Würdigung zum Weintrinken animiert haben. Daraufhin habe sich der Humanist wortwörtlich zunächst zum Affen gemacht, im Anschluss soll er sich sodann wie ein Löwe erhoben haben, um schließlich wie ein Schwein in der Speisekammer einzuschlafen. Die Metamorphose zielte ostentativ auf Vallas Tiervergleiche ab: Wie ein Löwe will er beispielsweise Beccadelli und Bartholomeo Facio in seiner Invektive „zerfleischt“ (lacerare) haben. Seine alkoholbedingte Tierverwandlung ist folglich als Parodie seiner eigenen Aussage zu verstehen205. Auch bei einem bischöflichen Mahl in Rom soll Valla seine Sucht nicht unter Kontrolle gehabt haben und derart betrunken gewesen sein, dass er seine eigene Vorlesung verschlafen habe. Daraufhin sollen seine Schüler in sein Schlafgemach eingedrungen sein. Poggio zufolge haben sie dort ihren sichtlich berauschten und nur „halblebendigen“ Lehrer aufgefunden und mit lauten Stimmen von seiner Trunkenheit aufgeweckt206. Hier wird ein unverantwortlicher, für die Gelehrtenwelt untragbarer Mensch präsentiert, ein triebgesteuerter, offenkundig kranker Mann, der kein respektvolles Verhalten gegenüber Gelehrten, kirchlichen Würdenträgern oder seinen eigenen Schülern zu zeigen vermag. Ferner forderte Poggio mit einem moralischen Appell seine Leserschaft auf, sich Valla entschieden entgegenzustellen. Er benennt explizit die Naturphilosophen, die Vertreter der Freien Künste, die Juristen, die Theologen und ferner jeden Christen, womit er den von Valla beanspruchten Rahmen seiner Elegantiae und seiner übrigen Werke abdeckt. Bracciolini steigert die Gefährlichkeit für alle geistigen Beschäftigungen, die in Vallas vermeintlichem Angriff auf den christlichen Glauben kulminiert. Sein Opponent müsse als „Feind aller Gelehrten“, als „Pest für die Jugendlichen“ und „Schandfleck dieses Zeitalters“ letztlich durch Steinigung physisch vernichtet werden207. Konsequenterweise, so muss die Schlussfolgerung aus den Vorwürfen lauten,
Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 7, S. 84. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 217 f.: Meministine ebrietatis patronus, bibendi laudator, uini defensor, cum te olim uir clarissimus Antonius Panormita ante uestrum discidium ad coenam una cum doctoribus quibusdam inuitasset, te laudando uehementius et uirtutes tuas colendo, ac subinde ad singulas laudes uinum tibi non nigrum, sed graecum subministrando, cum id more graeco fieri diceres, ad tantam produxisse ebrietatem, ut primo uelut simia multos ludos iocosque aederes. Deinde ut leo insurgeres fortior. Tandem ut porcus dormitans, te in triclinio prosterneres resupinum. Die römische Episode schließt Poggio im Anschluss an, ebd. S. 218: At haec Neapolitana uinaria expeditio forsitan obscurior, notior Romana. Annos amplius fere tres in conuiuio cuiusdam episcopi tantum uini esuriens sitiensque absorbuisti, ut cum uesperi lectiturus esset, neque ad horam praestitutam appareres, an ignoras discipulos tuos cum diutius stertentem oratorem suum et exhalantem crapulam expectassent, tandem cubiculum ingressos, te magnis uocibus tanquam a lethargo detentum excitasse? Cum tu semiuiuus, oscitans, stupidus, demens, caput phreneticum somno graue, uino repletum, oculis uix apertis, paulisper enixus cubito eleuasti, linguaque balbutienti, nescio quid latinis graecisque uerbis ebulliens, tum ad cachinnum discipulos mouisses, tu quoque ore obtorto ridenti similis caput demisisti, ut reliquum uini obdormisceres. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 190: Nonne omnes quibus priscorum memoria chara est, qui rerum naturam indagantur, qui artibus liberalibus insudant, qui iuris ciuilis studio indulgent, quibus
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kann diesem Menschen kein Lehramt aufgetragen werden. Poggio greift Vallas Position als Privatlehrer sowie als Professor am römischen studium an und richtet sich mit dieser Darstellung insbesondere an alle aktuellen wie zukünftigen Auftraggeber208. Auch adressiert er indirekt die unmittelbaren Kollegen Vallas, die sich durch Duldung dieser Verhaltensweise eine Kontaktschuld aufladen. Mit dieser Diffamierung zielte er nicht allein auf Rufmord ab, der die Wahrnehmung seines Gegners zu seinen Gunsten verändern sollte, sondern auf eine Ausschaltung seiner gesamten Karriere in Rom. Allein die Möglichkeit derartiger Taten sollte vor allem Druck auf Papst Nikolaus V. ausüben, der sowohl für die apostolischen als auch universitären Ämter des römischen studium verantwortlich war und daher auf die Eignung sowie die Reputation der jeweiligen Amtsträger achten musste. Des Weiteren verknüpft Poggio die einzelnen Episoden mit Auszügen aus den jeweiligen vallianischen Schriften und glaubt aus diesen auf das grundsätzliche Verhalten des Autors schließen zu können. Sein libidinöser Drang und seine Alkoholsucht erklären sich seiner Ansicht nach aus seiner Lobrede auf den Weingenuss wie auch seiner Verherrlichung von Prostituierten, die er in seinem moralphilosophischen Dialog De vero bono im Zuge seiner voluptas-Konzeption von den Sprechern äußern lässt; seine mutmaßliche „Lustlehre“ steht ferner in Einklang mit der Verführung der Magd und dem körperlichen Missbrauch seiner Schüler209. Die Erschleichung von päpstlichem und königlichem Vertrauen und den ihm verliehenen Ämtern, die er in Hinblick auf Vallas Laufbahn stets vorbringt, aber auch seine mutmaßlich epikureische Lebensweise können sowohl als Anspielung auf das von Cicero gezeichnete Bild von Piso als auch auf den plautinischen Kuppler verstanden werden. Überaus geschickt verwertet er die vor allem ciceronianisch geprägten Topoi und setzt sie in einen völlig neuen gesellschaftlichen Rahmen ein, die dem Publikum auch ohne die antiken Textkenntnisse ein verständliches und eindringliches Portrait zu liefern vermochten210
denique nostra fides est cordi, insurgere deberent ad hunc doctorum omnium hostem, ad hanc pestem adolescentum, labem saeculi, ignominiam nominis Itali lapidibus obruendam? Zum römischen studium im 15. Jahrhundert siehe bes. Chambers 1976. Vgl. auch oben, Kap. 2.3.1, im Hinblick auf die mutmaßliche Lehre selbst. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 232:. O deterior Iouiniano. O uirginitatis hostis. O pudoris expugnator, tutaris sententiam Epicuri, sit hoc uitae tuae testimonium. Quid contra uiginitatem insurgis, quod nunquam fecit Epicurus? Tu prostitutas et prostibula laudas, quod ne gentiles quidem unquam fecerunt. Non uerbis oris tui sacrilegi labes, sed igne est expurganda, quem spero te non euasurum. Nihil unquam scripsisti, quin aliquid peruersae haeresis inseres. Iam antiqua haeresi notatus, «ad uomitum ut canis immundus redisti» [Prov. 26, 11; 2 Petr. 2, 22; bereits von Valla 1978, Antidotum primum 1, 6, S. 83 vorgebracht]. Poggio zitiert Valla 1970b, De vero falsoque bono 1, 43, 1, S. 122 und 1, 45, 12, S. 128. Zu De vero bono oben, Kap. 2.3.1.2. Valla alludiert mitunter auf Leonardo Brunis spielerische Oratio Heliogabali ad meretrices, vgl. zu Brunis Rede Marsh 2000b, zu Vallas Allusion S. 420 f. und Wulfram 2016, zu Poggios Verweis, ohne Berücksichtigung der oratio seines Freundes Bruni S. 167, Anmerkung 73. Außerdem Roick 2014, S. 121–126 aus Sicht der Selbstskandalisierung. Vgl. zu den Feierlichkeiten Cic. Pis. 10, 22 u. 28, 68; zum Kuppler exemplarisch Plaut. Pers. 405– 415.
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Valla war sich bewusst, dass es sich bei Poggio um einen Moralisten handelte, der großen Wert auf ethische Betrachtungen und einen reflektierten Lebenswandel legte. Dies bot ihm eine große Angriffsfläche, die er auszunutzen wusste. Dabei griff er auf dieselben Topoi wie sein Gegner zurück und setzte sie in geeigneten Kontexten gegen ihn ein. Im ersten Antidot bringt er diverse Tatbestände vor, ohne diese jedoch zu konkretisieren: Er benennt Poggios vermeintlichen Sexualdrang, der ihn zum Fremdgehen forciert und ihn zu einem professor libidinis und prereptor uxorum alienarum werden lässt; ebenso verweist er auf seine mutmaßliche Alkoholsucht, auf seinen permanenten Rauschzustand211 und auf seine auf Betrug und Lügen ausgerichteten Handlungen, die er mit den nachgewiesenen Strohmann-Fehlschlüssen im Hinblick auf seine Elegantiae zu belegen versucht. Auch nennt er, mit deutlicher Anspielung auf seinen moralphilosophischen Dialog De avaritia, seine angebliche Habsucht, seinen Neid und seine Gottlosigkeit212. Auch der Vorwurf der Dokumentenfälschung wird in diesem Zusammenhang erwähnt. Entsprechend handelt es sich um dieselben, von Bracciolini angewandten Diskreditierungsstrategien, die an die jeweiligen Lebensumstände angepasst und einen präsupponierten Erwartungshorizont erfüllen sollten. Die Bezeichnung professor signalisiert überdies die pädagogische Dimension der eigenen Lebensweise; beide Kontrahenten sprachen sich ihre Vorbildsfunktion dezidiert ab und warfen sich moralische Verkommenheit vor. Dem Vorwurf der Hypersexualität begegnete Valla ebenfalls mit einer philologischrhetorischen Dekonstruktion der einzelnen Anschuldigungen, die er um entsprechende Gegenvorwürfe ergänzte. Die Päderastie und die damit einhergehenden Tatbestände streitet er vollständig ab und ordnet diese der literarischen „Lügenschmiede“ seines Kontrahenten zu, was seiner Ansicht nach durch die fehlende Zeugenangabe bestätigt werde213. Als Gegenschlag richtet er denselben Vorwurf, den er durch seinen kurialen Kollegen, den vir nobilissimus und doctissimus Lampugnano Birago, authentisiert haben
Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 10–12, S. 84. Bracciolini greift den Trunkenheitstopos umfassend in seiner oratio secunda auf und wendet diesen gegen Valla an; im ersten Akt des Apologus wird der Topos ebenso gegen Bracciolini ins Feld geführt. Vgl. Valla 2006, Apologus 1, 1, 10–11, S. 48–50. Valla 1978, Antidotum primum 1, 30, S. 90: Ostendam itaque eum quasi alterum Regulum malum quidem virum, non quod libidinosus ac prope libidinis professor, non quod adulter atque adeo alienarum uxorum prereptor, non quod vinolentus sempter ac potius temulentus, non quod falsarius et quidem convictus, non quod avarus, sacrilegus, periurus, corruptor, spurcus aliaque [...]. Der Vorwurf der fehlenden Frömmigkeit bzw. Gottlosigkeit lässt sich mit Poggios Facetiae in Verbindung bringen, in denen er mutmaßlich eine mit der christlichen Ethik nicht zu vereinbarende frivole Lebensweise propagiert. Diesen Punkt führte Valla im zweiten Antidotum weiter aus, wie unten, Kap. 3.4.1.2. gezeigt wird. Zum ersten Vorwurf Valla 1978, Antidotum primum 1, 9, S. 84: Non potest igitur hic detractor senex atque conviciator nec magis lingua quam animo barbarus ab assueta vita desuescere, qui salsum se visum iri putat, si scurrili utatur et obscena oratione, qualis est liber quem appellavit De confabulationibus, tam spurcus ut eum perlegisse verecundo homini turpe sit. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 349: Testor in hac re omnem ciuitatem Romanam, tu quos testes habes de adolescentulo isto, cuius nec nomen, nec parentem, nec ullum uestigium ostendis?
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will, an Poggio zurück und bezichtigt ihn, unter dem Pontifikat Papst Martins V. ein Bordell bei sich zuhause betrieben zu haben. Womöglich spielt er an dieser Stelle auf den Umstand an, dass sein Rivale temporär den Dienst unter Martin V. unterbrach und nach England übersiedelte, was seine Leserschaft mit dessen mutmaßlichen sexuellen Ausschweifungen assoziieren könnte. Mit einem Rekurs auf Bracciolinis Auseinandersetzung mit Francesco Filelfo, in welchem ebenso Päderastie und sexuelle Unzucht umfassend behandelt und leitmotivisch verarbeitet wurden, vermag Valla nicht allein einen Konflikt seines Gegners zu seinen Gunsten einzusetzen, sondern einen weiteren mutmaßlichen Zeugen für Poggios Untaten aufzurufen214. Die in der humanistischen Invektive häufig genutzte Päderastie-Anschuldigung muss ebenso im Kontext der auf Aushandlung und Verständigung ausgerichteten Diskurspraxis erfasst werden, die einen permanenten, moralisch-pädagogischen Dialog zwischen Autor und Leserschaft im Sinne der imitatio morum herstellen sollte – zur letzteren gehörten zwangsläufig auch Vertreter der jüngeren Generation. Der Missbrauch durch Wort und Tat hat aus dieser Perspektive sodann unmittelbare Auswirkungen auf die Adressaten und muss zwangsläufig das auf Vorbildhaftigkeit ausgerichtete Verhältnis pervertieren. Vallas Liebschaft mit der von Poggio abwertend als Magd bzw. (sexuelle) Dienerin bezeichneten namenlosen Frau gibt dieser ohne Umschweife zu, unterstreicht jedoch ihren freien Geburtsstand und rügt im Zuge seiner Rechtfertigung ein weiteres Mal die Wortwahl seines Kontrahenten215. Ausführlich erklärt er, wieso er auf eine Ehe, jedoch nicht auf die Nachwuchszeugung verzichtet habe. Die Mutter seiner Kinder, die wiederum bei seiner kinderlos gebliebenen Schwester leben, stellt Valla als strengen Gegensatz zu Poggios früherer Beziehung mit der als geldgierig gezeichneten Lucia Pannelli dar, mit der sein Gegner eine Affäre unterhielt und sogar vierzehn Kinder gezeugt haben soll216. Nach seiner Heirat mit Vaggia Buondelmonti soll Poggio
Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 349 f.: Nuper cum quendam e nostro collegio scriptorum, meum pene aequalem et condiscipulum coram pluribus honestis uiris, quorum unus fuit uir nobilissimus atque doctissimus Lapugninus Biragus, percontarer, quod me ab ineunte aetate nouisset, adiuraremque, numquid de me quippiam impudicum audisset, deierauit sancte, se nihil unquam tale audisse; cumque miraretur, quempiam hoc dicere audere, audissetque eum esse Podium. „Podiusne istud“, inquit, „omnium nequissimus? Non tenes memoria, Martini temporibus, cum habitauit in ea domo, ubi nunc habitat Fabritius, qui proxime fuit rescribendarius?“ „Teneo“, inquam. „Illa“, inquit, „domus habitante Podio lupanar extitit puerorum et tu haec ignoras?“ „Ignoraba“, inquam, „tam hoc notum fuit“, inquit, „quam ipse Podius“. Et cum hac ita sint Podi impudicissime, praeceptor pedicatus sentina flagitiorum, audes dicere, quod tuum est. Domum meam libidinis esse diuersorium, ut iam credam atque adeo sciam, quae in te Philelphus scripsit obscoenissima, uera esse. Das allein in diesem Kontext verwendete und auffällige Partizip pedicatus entnimmt Valla aus Catull, 16, 1; 16,7 sowie 21, 4 und Martial, 6, 67. Das Nomen lupanar wird in Catull. 42, 13 explizit für eine Beleidigung herangezogen. Zum Konflikt zwischen Poggio und Filelfo vgl. Rao 2007, S. 53–70, De Keyser 2015; jüngst auch zu Filelfos Invektiven Marsh 2019b. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 362: Licet tu barbarus aliud putes ancillam, aliud seruam, si quidem pro ‚famula‘ posuisti ‚ancillam‘. Zu der Affäre auch FOLTS, JR. 1976, S. 279 f. Kritik an seinem Lebenswandel wurde bereits in den 1430er Jahren von seinem Freund Giuliano Cesarini geäußert, ebd., S. 282 f.
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Lucia sodann mitsamt ihren gemeinsamen Kindern verstoßen und ferner eine päpstliche Legitimationsbulle für einen seiner Söhne vernichtet haben, damit dieser nicht mehr in den Klerikerstand hätte treten können217. Auch wirft Valla ihm vor, ostentativ die an ihn selbst gerichtete Anklage modifizierend, mit der Amme seines Sohnes geschlafen zu haben. Die daraus resultierende Schwangerschaft habe sodann seine namentlich nicht genannte Gattin mit Gift beendet und Poggio dazu gezwungen, die Amme mit seinem Diener zur Vermeidung eines öffentlichen Skandals zu verheiraten218. Seine Ehefrau setzt Valla abwertend mit der römischen Aristokratin Sempronia gleich, die bei Sallust im Kontext der catilinarischen Verschwörung präsentiert wird219. Die Relevanz der eigenen Lebensführung für die Außenwahrnehmung wird durch die von beiden Streitern in Gang gesetzte Eskalationsspirale eindeutig belegt. Sie stellten die praktische Gestaltung der vita activa für die Anhänger der neuen Gelehrtenkultur zur Disposition. Valla erzeugte einen deutlichen Kontrasteffekt zwischen sich und Bracciolini, um ihre unterschiedlichen Lebensgestaltungen zur Bewertung freizugeben. Seine eigene sexuelle Beziehung, aus der Kinder hervorgingen, legitimierte er über den Familienerhalt und versuchte den Verführungsvorwurf durch eine biographische Einordnung abzumildern. Poggio, der sich mit seiner selbstreflexiven Schrift An seni sit uxor ducenda von 1436 mit seiner eigenen Heirat auseinandersetzte und sich ferner als einen der Familie verpflichteten Mann stilisierte220, warf er hingegen nicht allein Ehe-
Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 362 f.: Nunquam te pudebit senex mente capte aperte mentiri, Foeminam ingenuam et honesto loco natam appellare seruam? [...] Itaque cum nonnulli meorum propinquorum me uirginem, siue frigidioris naturae et ob id non idoneum coniugio arbitrarentur, quorum unus erat uir sororis, quodammodo experiri cupiebant. Volui itaque eis ostendere, id quod facerem, non uitium esse corporis, sed animi uirtutem et simul, ut suscepta aliqua prole non esset mihi soror molesta, quae orba liberis est, ad familiam nostram, quae iam extincta est, excitandam descendi ad uenerem, nec, ut tu, ad alienam uxorem, aut ad praecustoditam, aut ad pollutam foeminam adcessi, sed ad eam, quae sui iuris esset, eandem uirginem, quam (cum ex ea intar duos annos suscepissem tres liberos) inhumanissimum est uisum tam ipsius quam liberorum causa, abiicere. Ebd., S. 363: Tametsi illa negat te secum fuisse herniosum, nisi enim nudiustertius, qui eam de te percontaretur (testor deum me nihil prorsus mentiri) dicebat tamen te communes liberos pro nihilo habere, non solum tres mares iam uiros, quos iniustitia tua ablegasses, sed filiam, quae Romae esset, seque, ex qua filios quatuordecim sustulisses, duodecim mares et duas foeminas. Referebat autem iniustitiam atque impietatem tuam hoc modo: quod filios tuos a summo Pontifice legitimandos cum olim curauisses et tuos haeredes nuncupasses post alios ex uxore liberos rescidisti, quod rescindi non poterat. Simulasti enim apud miseram matrem, te uelle unum e tribus filiis clericum esse, ideoque indigere bulla papali, haec recusare diu illam in manus tuas tradere. Ne multis agam, cum essent qui dicerent, non debere matrem filio, quo minus dericus foret, impedimento esse, ita misera bullam tradidit quam tu bonus pater continuo lacerasti. Dazu Walser 1914, S. 160 ff. und Greenblatt 2013, S. 218. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 362: [...] ut te ipsum, qui superiore anno ancillam tuam, eandemque nutricem filii impleueras. Quod cum uxor tua rescisset, coegit mulier religiosa et illam miseram potionibus abigere partum et te prius uerberatum nuptui eam tradere famulo tuo, qui, ut creditur, illam praegnantem fecerat [...]. Vgl. Sall. Cat. 25, 1–5. Vgl. Folts, Jr. 1976, S. 275 ff. Siehe auch allgemein Roth 1998. Jüngst Wulfram 2020, zur stilistischen Wertung bes. S. 221.
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bruch, sondern ein schändliches Verhalten gegenüber seiner einstigen Liebschaft und seinen unehelichen Kindern vor – er erweist sich in diesem Portrait nicht nur als ein untreuer Ehemann und als schlechtes Familienhaupt, sondern ebenso als verantwortungsloser und triebgesteuerter Vater. Bei diesem Themenkomplex wurde ferner das humanistische Ehe- und Familienverständnis tangiert, das insgesamt zur politisch-moralischen Philosophie gezählt werden kann und zu eigenständigen Abhandlungen führte. Als prominente Beispiele aus der ersten Hälfte des Quattrocentos sind Francesco Barbaros Schrift De re uxoria von 1415/1416 sowie Leon Battista Albertis Dialog Della famiglia von 1430 zu nennen. Beide Schriften zeichnen sich durch eine thematische Breite aus: Ethische, politische, wirtschaftliche und pädagogische Überlegungen werden mit der Familiengründung und der vita activa in Verbindung gesetzt 221 . Folglich ist dieser Subdiskurs über die eigenen familiären Verhältnisse sowohl als Ausdruck der Selbstinszenierung als auch als reflexive Behandlung einer pragmatisch ausgerichteten Ethik zu verstehen, die darüber hinaus invektiv aufgeladen und das agonale Verhältnis der beiden Kontrahenten apostrophieren sollte222. Als Angehörige der für die Herrschenden tätigen Funktionselite diskutierten beide Humanisten als soziale Aufsteiger ihre eigene Familienzusammenstellung und nutzten Missstände oder Ungereimtheiten der gegnerischen Lebensläufe als Zielscheibe ihrer Angriffe aus. Nachdrücklich wurden Praktiken der elitären Familienpolitik imitiert und als Ausdruck ihres sozialen Standes in ihr „self-fashioning“ integriert. Die soziale Herkunft war für die humanistischen Gelehrten trotz der meritokratischen Ausrichtung der italienischen Stadtstaaten sowohl für die Fremdwahrnehmung als auch die eigene Selbstinszenierung immer noch von großer Bedeutung223. Dass Valla nicht in den Juristenstand wie sein Vater und Oheim trat und über mehrere Stellen seinen Lebensunterhalt verdienen musste, war, wie der Angriff Bracciolinis und Vallas Replik bezeugen, ein ostentativer Makel an seinem Lebenslauf, den ersterer effizient gegen seinen Kontrahenten einzusetzen vermochte.
Barbaro 1952, De re uxoria; vgl. zu Barbaros Schrift King 1976, S. 31–35; Kohl 1978 mit anschließender englischer Übersetzung, Frick 2004 und Pade 2007, 1, S. 191–201, hier S. 193. Zur Bedeutung von der Heirat innerhalb der Herrschaftselite vgl. Martines 1963, S. 57 ff. und mit Bezug auf Poggio Folts, Jr. 1976, S. 258–313. Überdies gehörten Barbaro wie Alberti zu den engeren Korrespondenzpartnern Bracciolinis; beide waren innerhalb der humanistischen Gemeinschaft für ihre Schriften renomiert. Zu Alberti vgl. überblickend die Biographie von Grafton 2002. Zum Verhältnis zwischen Alberti und Poggio auch jüngst Wulfram 2021, bes. S. 231–232. Vgl. auch Trinkaus 1940, S. 41; zu der sozialen Umgebung innerhalb der Gedankengebäuder humanistischer Moralphilosophie S. 121–140. Vgl. mit Blick auf die florentinische Auffassung von Familie Martines 1963, S. 50–84, zur Heirat 57–62, hier S. 61 f.: „Throughout the century, with members of the upper classes at least, the type of marriage which prevailed was that aimed at greater social distinction or the consolidation of gains in rank.“
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3.4 Moralische Verstöße und rhetorische Vergehen Valla legitimierte sein sprachliches Restaurationsprojekt nicht allein über das mutmaßliche Machtpotential der klassischen Latinität, sondern auch über das humanistische Paradigma, welches Rhetorik und Ethik in einer unüberbrückbaren Wechselwirkung wähnte. Entsprechend lud er seine elegantia-Konzeption moralisch auf: Er zeichnet Bracciolini als „zweiten Regulus“, einem der Sprache nicht mächtigen orator, der in dem Brief Pliniusʼ des Jüngeren an Catius Lepidus über eine Umkehrung der berühmten Definition Catos des Älteren als moralisch schlechter Mensch (orator est vir malus dicendi imperitus) eingestuft wird224 – die poggianischen Abweichungen seiner elegantia-Konzeption sind entsprechend integraler Bestandteil seiner ad hominem-Argumentation und werden in seiner zweiten Invektive, dem sogenannten Apologus, und in seiner Kritik an den Facetiae im Schlussteil seines zweiten Antidotum weiter ausgeführt; ferner werden sie um eine sozio-kulturelle Dimension erweitert, auf die gesondert einzugehen sein wird. Auch Poggio bediente sich derselben Strategie: Anstelle einer philologischen Kritik legt er sein Augenmerk jedoch auf die rhetorische Komposition des ersten Aktes des Apologus und leitet aus den von ihm identifizierten Missgriffen Rückschlüsse auf den vallianischen Charakter ab, die sich nahtlos in das von ihm gezeichnete Portrait fügen. Wenngleich beide Streiter ihre Anschuldigungen und Herabsetzungen ad nauseam wiederholten – ein konstitutives Merkmal der humanistischen Invektive – modifizierten sie nichtsdestoweniger die Darstellungsformen in jeder Veröffentlichung, um die inhaltliche Repetition partiell auszugleichen.
3.4.1 Moralische Aufladung der Latinitas 3.4.1.1 Der erste Akt des Apologus Beim Apologus handelt es sich im Grunde um eine weitere Gerichtssimulation, in welcher Valla sein argumentum dialogisch strukturierte und folglich eine sprecherbezogene Dynamik einarbeitete225. Im ersten Akt setzt er sich ein weiteres Mal stilkritisch mit einer von Poggio herausgegebenen Briefsammlung auseinander. Diese beinhaltet seine Korrespondenz mit seinem engen Freund und prominenten florentinischen Gelehrten Niccolò Niccoli. Dieser Beitrag spiegelte folglich sowohl die symbolisch aufgeladene Freundschaft (amicitia) zwischen den beiden als auch Bracciolinis beanspruchten Ruf als Briefautor wider226. Der Apologus erfüllt als Streitschrift gleich mehrere Funktionen: Zunächst führt er die reprehensio der poggianischen elocutio fort, dessen sachli-
Valla 1978, Antidotum primum 1, 28–29, S. 88 f. Zitiert wird Plin. epist. 4,7, 3–5. Zu Vallas Dialogmodus, hier in Bezug auf De vero bono, Marsh 1980a. Zum sermo vulgaris und berühmten „Küchenlatein“ im Apologus siehe außerdem Burke 1989, zum ersten Akt ausführlich 2006, S. 35–42. Siehe auch die Analyse von Dreischmeier 2017, S. 231–236, der sich auf Vallas Bildungsverständnis konzentriert.
3.4 Moralische Verstöße und rhetorische Vergehen
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chen Kern er mit aus der Sprecherkonstellation resultierenden komischen und herabsetzenden Elementen erweitert227. Schließlich intendierte Valla aufzuzeigen, dass ein auf die elegantia basierender Prosastil auch als soziokulturelles Distinktionsmerkmal zu beachten sei. Dabei konstruiert er eine Dichotomie zwischen sich selbst als idealen Redner und Vertreter des (sprachlich gedachten) Altertums, während er Poggio als einen Repräsentanten der Barbarei und ihrer nichtigen Kultur abzustrafen versuchte228. Die kulturelle Dimension wird ferner moralisch-pädagogisch aufgeladen, was sich am Titel Apologus offenbart. Dieser evoziert einen allegorischen und belehrenden Deutungsrahmen, der dem philologischen Sachgegenstand, die „korrekte“ lateinische Sprache, um eine im Sinne des Rednerideals moralische Komponente ergänzen sollte229. Der Dialog ist dramatisch konzipiert; im primus actus lässt Valla sich selbst, den berühmten Pädagogen Guarino da Verona als Richter und Zensor in einer Doppelrolle und Poggio als dramatis personae auftreten. Hinzu treten im Verlauf des Dialoges noch eindeutig fiktive Charak-
Die philologische Kritik folgt dem Muster des dritten Bandes des Antidotum primum: Einzelne Sätze oder Passagen der Briefe werden zitiert, die mutmaßlichen Fehler markiert und im Anschluss korrigiert. Wie in der vorherigen Briefanalyse identifiziert Valla phonetische, morphologische, verbale, syntaktische und semantische Fehler, d. h. Abweichungen von der von ihm rekonstruierten klassischen Latinitiät, von denen er die Mehrheit in seinen Elegantiae ausführlich bespricht. Er markiert tadelnd das Verlassen des von ihm festgelegten semiotischen Spektrums und signalisiert hierdurch weit über rein linguistische Faktoren hinausgehende Implikationen. Vgl. Bonmatí Sánchez 2006, S. 36–40; Dreischmeier 2017, S. 235, Anm. 185. Die besagten Kapitel aus den Elegantiae sind die folgenden: Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 1–2; 2, 24; 2, 34; 6, 3; 4, 62; 2, 54; 1, 14; 4, 9; 3, 8; 1, 18; 5, 51; 4, 54; 4, 77; 1, 15; 5, 45; 3, 58; 3, 1; 6, 17; 5, 47; 1, 28; 1, 28–29; 1, 6; 4, 82. Viele Korrekturen finden sich bereits im dritten Buch des Antidotum primum. Hier kristallisiert sich ein deutlicher Strategiewechsel heraus, der von der Bedeutung von Poggios Einspruch gegen Vallas Neukanonisierung und de-autorisierender Methodik zeugt. Seine persona tritt innerhalb der philologischen Untersuchung vollständig in den Hintergrund und lässt der Figur Guarino selbst wie auch dessen drei Dienern den Vorzug. Auf diese Weise weist er seinen Ergebnissen einen autonomen Status zu, die unabhängig von seiner Person Gültigkeit beanspruchen. Wenngleich Valla nach den dialogischen Regeln selbstverständlich den veronesischen Lehrer personifiziert, muss innerhalb der dialogischen Inszenierung nichtsdestoweniger eine gewisse Zurückhaltung seinerseits konstatiert werden. Dass Valla jedoch erneut aus der Defensive handelt, belegt sein Vorhaben, seine nach wie vor als umstritten erachtete Methodik der Sprachgebrauchsableitung nach den drei Büchern des Antidotum primum ein weiteres Mal zu rechtfertigen und zwar ohne explizite Betonung seiner eigenen Resultate und Regeln. Zur Ausgangslage des ersten Akts auch Bonmatí Sánchez 2006, S. 35 f. Valla 2006, Apologus 1, Praef. 3, S. 48: Sed quoniam hostis me cogit (si modo hostis appellandus est qui victus atque captus est), peragamus ultionem ac veluti secundo die triunphemus, et quia debellatum est, aliquanto hilarius repraesentantes quodam modo illum priscum Romanorum morem triunphandi. [...] incipientes ab epistolis ad Nicholaum Nicholi missis, sed, quo res sit iucundior legentibus, sub apologo tanquam Guarinus cum schola sua atque domo adsit. Erit autem vel Apologus vel scenicus quidam actus. Zum Begriff apologus vgl. u. a. Cic. inv. 1,24; de orat. 2, 264 und Quint. inst. 6, 3, 44. Zur rhetorischen Klassifizierung, die zu den argumenta a re gehört, vgl. Lausberg 1990, S. 206 f., § 377.
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tere: Guarinos Schüler Dionysius, der Stallknecht Dromo und der Koch Parmeno230. Die Namen des Personals sind nach Sklaven aus plautinischen und terentianischen Komödien benannt und signalisieren die ironische Stoßrichtung der Invektive, die sich vor allem durch das Verhältnis zwischen Bracciolini und den Dienern äußert. Des Weiteren orientiert sich Valla ostentativ an dem im sal zum Ausdruck gebrachten Humorverständnis seines Gegners, das er gegen ihn selbst zu wenden beabsichtigte. Trotz der Verwertung seiner eigenen sprachbasierten Weltanschauung und des Herabsetzungsversuches erscheint der Apologus als heitere Schelte, die sich durch Übertreibungen und Situationskomik auszeichnet. Das Gespräch findet im Haus Guarinos statt, wo er auch seine wirkmächtige Schule eingerichtet hat231. Als Sachgegenstand dient die lateinische Sprache, in der sich Guarino sowohl in Bezug auf die ars grammatica als auch die pädagogische Vermittlung als höchste Autorität erweise232. Explizit wird das simulierte Gespräch einer forensischen Diskussion gleichgestellt, wenngleich die persona Poggio das forum mit dem Marktplatz verwechselt und offensichtlich das genaue Bedeutungsspektrum nicht zu kennen scheint. Während Guarino die Parameter der angestrebten Diskussion mit den Tugenden honestas, ratio und pudor besetzt, strebt Bracciolini einzig nach den sapores des Marktplatzes und, als versierter Weinkenner, insbesondere nach den dort vorzufindenden Gaststätten. Bracciolinis zunächst kindische und irrationale Gesprächsbeiträge, die im Laufe des Dialoges immer kürzer werden und während der Briefanalyse vollständig ausbleiben, werden am Ende des Gesprächs durch seine Trunkenheit erklärt: Aufgrund seines übermäßigen Alkoholkonsums schläft er während des Hauptteils schließlich ein, was ihn nicht allein als ungebildeten, sondern insbesondere als unvernünftigen und respektlosen Greis erscheinen lässt233.
Vgl. Pfeiffer 1931, S. 458 f.; Parmeno und Dromo werden genannt in Ter. Ad., Eun.; Hec. und Plaut. Bacch. 649 (Parmeno); Ter. Andr., Ad., Heaut. und Plaut. Aul. 398, Asin. 441 (Dromo). Zur Rolle Guarinos als Richter auch Prete 1986, S. 342. Vgl. zum in utramque partem disputare bes. Ax 1995, S. 158–164. Zu den dialogischen Darstellungsmodi vgl. Honnacker 2002, S. 22 f. Aufgrund der Einsetzung fiktiver Sprecher, der grundlegenden Herabsetzungsintention und der fehlenden Gegenüberstellung unterschiedlicher Meinungen oder Ideen in Form des in utramque partem disputare kann der Apologus nicht als humanistischer Gelehrtendialog klassifiziert werden. Vielmehr handelt es sich um eine Persiflage dieser Gattung. Zur Schule Guarinos, die als Handlungsort ausgewählt worden ist vgl. u. a. Grafton/Jardine 1982. Valla 2006, Apologus 1, 1, 9, S. 48: Laur.: Guarine, quaeso te pro tua singulari et humanitate et eruditione te huic facto iudicem praebeas, tui enim artificii est: de lingua Latina agimus, in qua tradenda tu principatum obtines. Ebd. 1, 1, 42–44, S. 54: Guar.: Vultisne me castigare censorie vel te, Laurenti, calumniantem vel te, Poggio, male loquentem? Pog.: Accipio conditionem, dum Laurentium more Poggiano, scis quid dicam insecteris. Lau.: Ita volo, sed ut tu vicissim, Guarine, sustineas partes meas, omissis tuis, ut sicubi reperies Poggium barbare loquentem non iudicem agas, sed accusatorem. So warnt Guarino Poggio davor, Ausflüchte jeglicher Art zu suchen, beispielsweise durch Verweis auf mögliche Kopistenfehler, um sich der Kritik zu entziehen. Als Valla sodann die besagte Briefsammlung hervorholt, leugnet Bracciolini, dass es sich um seinen Kodex handelt, worauf Valla entgegnet,
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Die Figurenkonstellation stellt sich als zentraler Schlüssel zum Herabsetzungsmodus einerseits und dem von Valla propagierten Verständnis von latine loqui einschließlich seiner Erschließung durch den vielfach beschworenen usus loquendi andererseits heraus. Ziel der Unterhaltung besteht darin, Bracciolini in einer forensischen Debatte eine barbarische Redensweise nachzuweisen, die wiederum Auskünfte über seine soziale Stellung und kulturelle Gesinnung liefern soll, wenngleich der Schein von Objektivität durch vorherige Aushandlung der Konditionen symbolisch gewahrt wird. Im Hintergrund des Dialogs fungiert die quintilianische Auffassung, dass die Redeweise die geistige Beschaffenheit des Sprechers repräsentiert und in der verwendeten Sprache ihren Ausdruck findet. Entsprechend wird Poggio im Verlauf der Unterhaltung als Vertreter einer rückständigen und barbarischen Gelehrtenkultur identifiziert und gebrandmarkt234. Der Charakter Guarino bemerkt bei seiner Begutachtung recht schnell, dass Poggio Redeweisen verwendet, durch die sich sein Koch und Stallbursche, Parmeno und Dromo, auszeichnen und die sie trotz seiner Belehrungsversuche nicht ablegen würden; Bracciolinis Latein beinhalte sogar Worte, die er noch nie zuvor vernommen habe. Die Ausdrucksweise assoziiert er mit ungebildeten idiotae, deren Diktion nicht mehr als „lateinisch“ klassifiziert werden könne235. Nacheinander treten die Diener hinzu, die sich, anders als Guarino zuvor bemerkte, als durchaus versierte Sprecher des Lateinischen erweisen. Sie können die einzelnen Fehler Poggios nicht nur als solche erkennen, sondern auch unmittelbar korrigieren; ebenso scheinen sie die Elegantiae Vallas studiert zu haben, wenngleich sie diese nicht explizit zitieren236. Dass die Beherrschung der Latinität als Gradmesser für den eigenen sozialen Status fungiert und gleichsam, wie Valla prominent im ersten Vorwort seines linguistischen Werkes deklariert, als Herrschaftsinstrument eingesetzt werden könne, wird durch die Forderungen und die Inszenierung einer hierarchischen Umkehrung zwischen der Dienerschaft und Bracciolini
dass er dann einfach sage, es handle sich um seinen. Draufhin bezichtigt Poggio ihn des Diebstahls, wodurch er seine infantile und offenbar bereits durch Trunkenheit ausgelöste Verhaltensweise zur Schau stellt. Valla 2006, Apologus 1, 1, 22–32, S. 50 ff. Zugleich alludiert die Szene an die Ausgangslage des Streits und der Frage nach dem Verfasser der Korrekturen des zweiten poggianischen Briefbandes. Am Ende des ersten Aktes bemerken die Diener, dass Poggio eingeschlafen ist und nichts von der Debatte mitbekommen hat, Valla 2006, Apologus 1, 6, 1–8, S. 100. Quint. inst. 1, 5, 9: alterum genus barbarismi accipimus, quod fit animi natura, ut is, a quo insolenter quid aut minaciter aut crudeliter dictum sit, barbare locutus existimatur. Valla 2006, Apologus 1, 2, 1, S. 56–58: Guar. Coquum stabulariumque meos saepe sic audio loquentes: [...]. Quos ita loquentes, etsi non Italicos, tamen ridere soleo. [...] coqui mei iste ac stabularii sermo est. [...] Coquus meus Parmeno et stabularius Dromo sic mecum loquuntur, nec dedocere eos possum quin auribus meis inculcent [...] existimantes sic se loqui pereleganter. Exemplarisch Valla 2006, Apologus 1, 2, 1–4, S. 58: Guar.: Adesdum, Dionysi adulescens, ʻignis calescit manus measʼ diciturne latine? Diony.: Minime, mi magister. Guar.: Cur ita? Diony.: Quia inchoativa hunc casum respuunt. Hier verweist Dionysius unmarkiert auf Valla 1999, De linguae latinae elegantia 1, 24, S. 142–48.
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deutlich: Die Figur Parmeno realisiert, dass Poggio „schlechter“ spreche als er selbst. Als Reaktion fordert er seinen Herrn auf, den Florentiner zum Koch zu degradieren, was er mit seiner sprachlichen Idoneität rechtfertigt237. Trotz durchgängiger Ermahnung seitens Guarinos in Richtung des Personals, dass es schweigen oder sich aus der Debatte zurückziehen möge, verbleiben Parmeno und Dromo bei dem Gespräch und kommentieren die jeweiligen vitia Poggios. Seine Ausdrucksweise wird schließlich als „Küchenlatein“ (vocabulum culinarium) klassifiziert238, womit ein Bogen zu seinem zuvor geäußerten Interesse an den kulinarischen Spezialitäten des Marktplatzes geschlagen wird. Bracciolinis Denkweise richtet sich entsprechend allein auf Speisen und nicht auf die Rhetorik, was seine Sprache beispielhaft reflektiert. Wie Rudolf Pfeiffer zeigen konnte, entnimmt Valla die Idee des „Küchenlateins“ einer Stelle der plautinischen Aulularia, in welcher der Koch Lyconides von seinem Herrn Euclio zurück in die Küche geschickt wird, da er für das Kochen und nicht für oratorische Dienste eingestellt worden sei239. Erweist sich bei Plautus der Koch Lyconides noch als unterwürfig, begehren im Apologus die Bediensteten sichtlich auf und legitimieren ihr renitentes Verhalten mithilfe ihrer lateinischen Sprachbeherrschung. Sie fordern, ungeachtet der Mahnungen Guarinos, Bracciolini aus dem Gelehrtenstand zu entfernen und ihn stattdessen in der Küche oder im Stall arbeiten zu lassen; simultan beanspruchen sie dessen soziale Stellung, die er durch seine barbarische Ausdrucksweise verwirkt habe. Die Missachtung der Weisungen Guarinos kommt einem Aufstand gleich; Parmeno ignoriert seinen Herrn und weiß das „Küchenlatein“ Poggios als ernstzunehmende Sprachverfehlung zu rügen: Latinitatem grammaticamque tanquam ollas frangit, quem, nisi prohibeamus, actum est de lingua latina. Et postea Italici nos transalpinos barbaros vocant, quum nemo Italicorum, praeter hunc nostrum herum, grammaticus sit240. Parmeno macht sich als Koch die semantischen Wortfelder seines Metiers zunutze, um Poggios Umgang mit der lingua latina (explizit unterteilt in Latinitas und grammatica, was dem quintilianischen grammatice und latine loqui entspricht) mit dem unachtsamen Gebrauch von Kochtöpfen zu vergleichen. Ähnlich wie im ersten Vorwort zu den Elegantiae wird hier eine durch den mutmaßlichen Sprachverfall be-
Valla 2006, Apologus 1, 2, 5–9, S. 60–62: Guar.: Parmeno, ades huc diciturne hoc grammatice devenerunt in manibus fratris? Parm.: Mi domine, quis hoc dixit? Guar.: Nempe hic Poggius. Parm.: Iste Poggius peius me loquitur. Qui coquinariam factito. Quaeso, mi domine, pro me coquum Poggium facito, namque ad hanc rem videtur mihi sane idoneus ut vultus promittit, aut certe cellarium; nam nescio quid vinaticum prae se fert. Guar.: Abi hinc, improbe Parmeno, in culinam tuam. Zum Koch als abgewerteter Beruf in der Komödie vgl. Opelt 1965, S. 109–11. Valla 2006, Apologus 1, 2, 5, S. 60: Guar.: Et hoc culinarium vocabulum est. Siehe Plaut. Aul. 455: Evcl.: Intro abite, opera huc conducta est vostra, non oratio. Cong.: Heus, senex, pro vapulando hercle ego abs te mercedam petam. Coctum ego, non vapulatum, dudum conductus fui. Valla 2006, Apologus 1, 2, 23–26; 3, 1–9, S. 66. Zu dieser Stelle auch Bonmatí Sánchez 2005b, S. 127 f.
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dingte Gefahr gezeichnet, die zu einem Ansehensverlust einerseits und einer Umkehrung der sozialen Verhältnisse andererseits führen könne, was deutlich an der Figur Poggios exemplifiziert wird. Dieser erweist sich laut Dromo letztlich als attritor und confractor latinarum ollarum, der die Substanz der lateinischen Sprache zersetzen wolle. Bracciolini möchte er daher als ihnen untergeordnete Hilfskraft wissen; diese Ambition wird einzig über die Sprachbeherrschung angemeldet. Darüber hinaus fürchtet er, dass sie, er und Dromo, als transalpini von den Italienern als Barbaren herabgestuft werden, obschon die Italiener selbst kaum noch der Sprache mächtig seien und mit Ausnahme Guarinos keine würdigen grammatici mehr haben. An dieser Stelle kann Guarino seine Autorität einzig in seiner Rolle als Lateinlehrer (grammaticus) wahren, die von seinen Bediensteten auch als solche ohne weiteres anerkannt wird. Die lateinische Sprache ermöglicht im Dialog, die sozial bedingte Hierarchie umzukehren und entsprechend auch Herrschaftsverhältnisse bis zu einem gewissen Grad zu nivellieren. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis erscheint als einzig relevante Rangordnung241. Wird Vallas Idee des Sprachimperiums hinzugezogen, so können auch Nicht-Römer jenseits der Alpen „römisch“ sprechen und denken, d. h. die lateinische Semiotik befolgen und demzufolge die maiestas und dignitas Romanorum annehmen. Dass nun die Dienerschaft ohne explizite Erlaubnis als richterliche Instanz auftritt, heißt die persona Valla für richtig und lobt Parmeno als den gelehrtesten aller Köche, der ihm bislang begegnet sei. Daraufhin verbindet dieser die Kochkünste mit der Sprachbeherrschung und schafft einen unüberbrückbaren Konnex zwischen Sprache, Denken und Handeln als notwendige Trias für den freien und gebildeten Bürger, selbst für vermeintlich sozial niedrigstehende Personen wie Köche und Stallknechte. Die Latinität dient gleichermaßen als Maßstab für Bildung, Fähigkeiten und den beanspruchten sozialen Stand. Der implizit beworbene usus loquendi der antiken Autoren ist demzufolge nicht allein als klassischer Sprachgebrauch zu verstehen, sondern auch als kulturelle Blaupause oder Denkstil, der zur Vollendung jeglicher Praktiken fungiert. Dabei gedenken jedoch weder der Koch noch der Stallknecht ihre Stellen grundsätzlich aufzugeben – ein wie auch immer geartetes revolutionäres Anliegen ist hier tatsächlich nicht gemeint. Stattdessen plädieren sie dafür, innerhalb ihres Tätigkeitsfeldes Leitungspositionen einzunehmen und über Hilfsarbeiter, zu denen sie Poggio fortan zählen, zu verfügen242. Der grammaticus erweist sich hier als wahrer Herrscher; die hier erfolgte Aufwertung sollte zudem für So stellt Dromo, auf einen bekannten Topos zurückgreifend, fest, dass Poggio als alter Mann (senex) nach wie vor als ungebildeter Jüngling (adolescens und puer) durchgeht, während Dionysius sich als Heranwachsender als gelehrter (älterer, d. h. erfahrener) Mann auszeichnet. Valla 2006, Apologus 1, 4, 8–9, S. 84: Dro.: Mi here, hic adulescens tuus senex est, ille vero senex adulescens et puer. Quidni iam discipulus esse, id est, discere amplius non potest? Parm.: Minus dediscere, nam nihil admodum didicit. Dro.: An didicerit nescio. Si didicit, profecto iam dedidicit. Dazu auch Dreischmeier 2017, S. 235, der den Topos der „verkehrten Welt“ identifiziert. Valla 2006, Apologus 1, 3, 18, S. 68ff.: Parm: Quid tu putas bonum coquum esse posse sine lingua et palato? Mihi crede, boni coqui magis lingua palatumque agit quam manus. Non vides ut magister coquorum,
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die nachfolgenden Humanistengenerationen essentiell werden243. Gehört die Dienerschaft offenkundig zum lateinischen (Sprach-)Imperium, so wird Poggio den Barbaren, d. h. den Anhängern der mittelalterlichen Kultur zugeordnet. Beispielhaft wird auf Bartolo de Sassoferratos De insigniis et armis verwiesen, aus dessen unreflektierter imitatio sich die fehlerhafte Bildung des Ablativs sollemniis (statt sollemnibus) ergeben habe244. Parmeno weiß zudem von ihrem Lehrer (magister) Rodolphus Chercheph zu berichten, der ihnen die barbarische Ausdrucksweise ursprünglich beigebracht habe und noch bei seinem Freund und Küchengehilfe Goschalchus seine Wirkung entfaltet. Die fiktive Figur des Rodolphus, offenkundig ein in das Reich nördlich der Alpen zu verortender Anhänger der Scholastik, personifiziert als sichtliche Karikatur die von Valla genannten Gothi und Galli und steht folglich paradigmatisch für die mittelalterliche Gelehrtenkultur mitsamt ihrer unklassischen Lateinauffassung245. Die „Barbaren“ verfügen in diesem Narrativ, wie die Aussage Parmenos belegt, nach wie vor über ein Lehrmonopol, was die Auswirkungen auf den Diener Goschalchus und Poggio demonstriert. Die Italiener (Italici), es sei an die oben beschriebene Gleichsetzung des Sprachverfalls mit der Belagerung Roms erinnert, werden durch die barbarische Redeweise indoktriniert, ihrer sprachbedingten maiestas und dignitas beraubt und zu Sklaven herabgesetzt. Exemplarisch wird dies an Poggio vorexerziert, der sich nicht allein als sozial degradierter und barbarisch verhaltender Italiener erweist, sondern darüber hinaus das barbare loqui, d. h. die servile Abhängigkeit des lateinischen imperium von ihrer Gelehrtenkultur verinnerlicht hat und mit seinen Schriften reproduziert. Hier hilft, so das Urteil der Dienerschaft, allein physische Züchtigung, um ihn nicht nur abzustrafen und die hierarchische Umkehrung de facto umzusetzen, sondern ihm auch das Barbarische auszutreiben246. Folglich wird Bracciolini jegliche Rekognition als humanistischer Gelehrter und orator, der gleichsam aus Vallas Sicht als rector et dux populi zu fungieren habe, abgesprochen247. 3.4.1.2 Bracciolinis Facetiae Im Schlussteil seines zweiten Antidotum kommentierte Valla zehn Witzgeschichten aus Poggios Facetiae, um ihn einer obszönen und einem Gelehrten unwürdige Sprechquem herus meus vocat ʻarchimagirumʼ, non manibus utitur, sed lingua atque palato? Quare, si sapis, sine me tanquam ʻarquimagirumʼ uti lingua in hunc subcoquum meum, qui barbaram linguam habet. Utinam possem et manibus uti! Scisne quando archimagirus utitur manibus? Quando peccantes subcoquos verberat. Prominent von Vallas geistigem Nachfolger Angelo Poliziano fortgeführt, vgl. u. a. Jaumann 1995, S. 134 f.; de Boer 2017, bes. S. 1–13. Mit dem juristischen Traktat De insigniis et armis hat sich Valla 1433 in seiner Invektive gegen die Paveser Juristenfakultät auseinandergesetzt, vgl. Valla 1997, Epistola contra Bartolum. Siehe auch oben, Kap. 2.3.1.3. Valla 2006, Apologus 1, 3, 18, S. 72: Parm.: [...] Nam ita construendum esse magister Rodolphus Chercheph nos docebat. Zu Goschalchus vgl. ebd. 3, 34, S. 74. Valla 2006, Apologus 1, 4, 25, S. 88: Parm.: Cur sic barbare loqueris? Ut tibi prope barbam vellam. [...] ebd., 6, 1, S. 100: Dro.: Imo verberemus! Zum Redner als Herrscher vgl. McNally 1969, S. 171 und Rebhorn 1995, S. 37.
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weise zu überführen; gleichsam versuchte er ihn als amoralischen und gefährlichen Häretiker herabzusetzen248. Die gegen ihn selbst gerichtete Anschuldigung, heterodoxes Gedankengut im religiösen Sinn zu propagieren, drehte er entsprechend um und führte den von Bracciolini eingeleiteten Häresiediskurs oberflächlich, d. h. ohne konkrete theologische Diskussionen, fort. Dabei intendierte er ein wesentliches Markenzeichen seines Gegners, sein Humorverständnis (sal), als Ausdruck seines unmoralischen Verhaltens gegen ihn selbst einzusetzen und die als Fazetien stilisierten Anklagen als Produkt seiner unsittlichen Fantasie zu entlarven. Bezüglich der Facetiae lassen sich zwei Auswahlkriterien herauskristallisieren, welche die Herabsetzungsstrategie Vallas offenbart: Zum einen zitierte er Erzählungen, die über den Austragungsort oder die Charaktere Verbindungen zu Florenz bzw. Poggios Heimat Terra Nova aufweisen. Zum anderen suchte er sich explizit sexualisierte und sichtlich übersteigerte Witze aus, um Poggio Anzüglichkeit und Phantasterei vorwerfen zu können, was ihn als einen ernstzunehmenden und das Gebot der Wahrscheinlichkeit einhaltenden Redner disqualifizieren sollte. Über die Hinzufügung von eigenen Überschriften versuchte Valla überdies, die ausgewählten Geschichten als biographische Erzählungen zu deuten. Den Ausgangspunkt seiner Kritik bildet die Aussage Bracciolinis aus seiner zweiten Rede, er habe sich mit den Facetiae internationalen Ruhm gesichert. Seine Witzgeschichten sollen nicht allein in ganz Italien, sondern auch in Frankreich, Spanien, dem Reich nördlich der Alpen, England und den übrigen nationes positiv aufgenommen worden seien249. Valla zufolge handle es sich aufgrund der fehlenden inhaltlichen Gravität und Ernsthaftigkeit weniger um eine ehrenvolle Anerkennung als vielmehr um spöttischen Beifall seitens seiner Leserschaft, da Braccioni sichtlich private Geschichten verarbeitet habe250. Auch zweifelte er an, dass tatsächlich Gelehrte, wie sein Gegner selbst behauptet,
Valla gibt aus Bracciolini 1983, Facezie, in dieser Reihenfolge die Witze 191 (Facetia cuiusdam qui subagitabat omnes de domo), 181 (De adolescentula laborante ex partu facetum), 183 (De pluribus qui diversa bona sibi optabant), 194 (Cuiusdam tutoris factum), 231 (De adolescentula per senem maritum delusa), 24 (De muliere frenetica), 5 (De homine insulso qui existimavit duos cunnos in uxore), 62 (De Guilhelmo qui habebat priapeam supellectilem formosam), 143 (De Florentino iuvene qui novercam suam subegit) und 170 (De monacho qui misit per foramem tabulae priapum) wieder. Dazu auch Pittaluga 2010, S. 197 f. Eine Transkription der Kritik aus dem Autograph, ms. Par. Lat. 8691, fol. 105r–107r, mit Anmerkungen findet sich in Kapitel 6 in der Appendix. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 219: Sed quid mirum, facetias meas, ex quibus liber constat, non placere homini inhumano, uasto, stupido, agresti, dementi, barbaro, rusticano? At ab reliquis aliquanto quam tu doctioribus probantur, leguntur et in ore et manibus habentur, ut uelis nolis, rumpantur licet tibi Codro ilia [Juv. 3, 303], diffusa sint per universam Italiam et ad Gallos usque Hispanos, Germanos, Britannos, caeterasque nationes transmigrarint qui sciant loqui latine. Libet enim et mihi Valleam iactantiam prae oculis habens paulum gloriari. Poggio antwortet auf Valla 1978, Antidotum primum 1, 9, S. 84. In Poggios Erzählung 191 Facetia cuiusdam qui subagitabat omnes de domo beispielsweise erzählt dieser von einem nicht näher genannten Florentiner, der einen jungen Mann als Hauslehrer angestellt hat. Dieser soll nacheinander mit der Magd, der Amme, der Ehefrau und schließlich auch mit seinen Schülern geschlafen haben. Als der Hausherr dies erfährt, verlangt er von dem jungen Mann ebenso sexuelle Dienste. Valla, die vorherig vorgetragenen Anklagen gegen seinen Kontrahenten auf-
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die Facetiae für gut befunden haben. Er verlangte nach Zeugnissen ihrer Bewertungen und fragte explizit nach der Meinung Guarinos und des venezianischen Politikers Francesco Barbaros – auf diese Aufforderung wird im Hinblick auf die sozialkonstruktive Dimension des Streits im nächsten Kapitel noch ausführlich einzugehen sein251. Die Implementierung von florentinischen Charakteren, die sich einer frivolen Promiskuität hingeben, deutete Valla provokativ als Ausdruck der florentinischen Lebensweise und führte das Verhalten entsprechend auf den Autor zurück. Daher legte er seinem Widersacher zur Last, ein unrühmliches und klägliches Bild seiner vielfach gelobten Heimatstadt gezeichnet zu haben, was eindeutig auf sein „self-fashioning“ und auf die Akzentuierung seiner florentinischen Herkunft sowohl in patriotischer als auch intellektueller Hinsicht abzielte252. Prinzipiell erzeugte er mit seiner Kritik auch an dieser Stelle einen Kontrasteffekt zwischen einem von ihn instituierten römischen und dem bereits etablierten und durch Bracciolini symbolisch verkörperten florentinischen Humanismus253. Ironisch vergleicht er Poggios Facetiae aufgrund des häufig fiktiven Ausschmückungsgrades sowohl mit den zur religionspädagogischen Belehrung komponierten Dialogen Papst Gregors des Großen (590–604) als auch mit Aesops Fabeln; ferner spottet er über die sexualisierten Darstellungen der Witze, in denen der teils explizit geschilderte Geschlechtsakt als Pointe dient. Aus seiner Sicht lassen sich in derartigen Beschreibungen keine moralischen Sentenzen verorten, was eine Voraussetzung schriftstellerischer Tätigkeiten sei. Demzufolge will Valla in Bracciolinis Duktus Parallelen mit dem Festritus der Floralien erkannt haben. Als Konsequenz verurteilt er in der Rolle eines Cato dem Älteren gleichkommenden Zensors die Facetiae als sittenwidriges und eines „mehr als achtzigjährigen“ Literaten, Rhetorikers und apostolischen Sekretärs unwürdiges Werk – Poggio habe seinen Ruf sowohl in sozialer wie beruflicher Hinsicht durch die Veröffentlichung seiner Witzgeschichten selbst verspielt254. Die öffentliche Entblößung, die Valla in literarischer Übertragung seinem Kontrahenten nachsagte, ist als intertextuelle Reaktion auf einen ähnlichen Vorwurf Poggios aus seiner ersten Rede
greifend, mutmaßt, dass Poggio hier aus seinem eigenen Haushalt berichtet und folglich seine unrühmliche und unchristliche Sexualmoral propagiert. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 364: Sed qui sunt isti quaeso reliqui me doctiores, qui te probarunt lectitantque? Nunquid Franciscus Barbarus, quem ausim affirmare ne legisse quidem? Num Guarinus? Num alii docti? Ostende eorum testimonia, ut ego facio. Equidem neminem grauem uirum esse opinor, qui non te cum tuis facetiis detestetur, et facetias appellas? Valla, Antidotum secundum, ms. Autograph, fol. 105r, Appendix S. 364: Optime de urbe florentia qua hic eternus rusticus ac subulcus donatus est, meretur, ut eius ciuitatis preclara facinora per universum terrarum orbem lectitentur. Habemus facete dicta, ut taceam facta, virorum florentinorum ac mulierum. Ebd., fol. 105v, Appendix, S. 365: O elegantem philosophum, o alterum Esopum qui ad extremum fabule sententiam subijcit. Idem facit alio in loco ubi de uere patrie sue laudibus loquitur. Zur Bedeutung von Poggios Ruf im Zuge seiner Amtsausführung in Florenz Martines 1963, S. 258–259. Valla, Antidotum secundum, ms. Autograph, fol. 107r, Appendix, S. 368: Non hoc facit meretrix, non mulier, non iuuenis aliquis, aut uir plebeius, sed Podius octoginta amplius natus annos, homo literatus et si ei credimus, eloquentie princeps, apostolicus secretarius, cui ueluti Catoni, oculos, aut aures tante obscenitati
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zu verstehen, wo dieser Valla beschuldigt, der Leserschaft mit seinen Schriften sein Hinterteil symbolisch vorgezeigt zu haben; die Entblößung erweist sich überdies als wiederkehrendes Motiv in den Facetiae255. Diese Form der Enthüllung ist als Markierung eines provozierenden Konventionsbruches zu verstehen, der bewusst als Affront zur Aufmerksamkeitsgenerierung von beiden Seiten eingesetzt wurde: Bracciolini und Valla skandalisierten sich selbst über anstößige Darstellungsweisen respektive polemische Autoritätskritik und warben gleichsam für ihre literarischen Distinktionsmerkmale. Valla sprach den skandalträchtigen Facetiae jeglichen Wert ab: Nicht nur würden die Witze seiner Ansicht nach einer Prüfung Ciceros und Quintilians nicht standhalten (Nunquid si Cicero Quintilianusque reuiuiscent, eas inter sua ridicula ponent?) und folglich als imitativer Beitrag der humanistischen Orthodoxie widersprechen. Sie würden sich sogar als ernstzunehmende Gefahr für das Christentum (respublica Christiana) und das Seelenheil (salus hominum) erweisen, wodurch er Poggio zum Feind der christlichen Gemeinschaft erklärte. Wie die im 15. Jahrhundert wirkmächtigen Franziskaner und Prediger Roberto Caracciolo da Lecce (1425–1496) und Bernardino von Siena (1380–1444) die von Antonio Beccadelli verfasste Epigrammsammlung mit dem Titel Hermaphroditus in mehreren Städten aufgrund ihres erotisierenden Inhaltes verbrannt haben sollen, so müssen Valla zufolge auch die Facetiae Poggios vernichtet werden256. Mit dieser angestrebten Diskursverschiebung versuchte Valla sich des an ihn artikulierten Häresievorwurfes durch eine mutua accusatio reinzuwaschen und die in den Facetiae teils drastisch
prebere deforme esset, hos ludos nobis agendos prebuit, hec festa Floralia nationes docuit, hanc morum institutionem, tanquam optimam hereditatis partem, filiis relinquit [...]. Bereits in seiner epistula apologetica vergleicht sich Valla explizit mit Cato dem Älteren: Valla 1984, Epistole, Ep. 13, S. 195 f. Es sei an Vallas moralphilosophischen Dialog De vero bono erinnert, in dem Valla der persona Antonio Beccadelli (erste Fassung) bzw. Maffeo Vegio (zweite Fassung) die Erschließung und Verteidigung einer epikureisch geprägten Lustlehre in den Mund legt, die mitunter, wie Bracciolini richtig bemerkt, eine promiskuitive Lebensweise nicht nur toleriert, sondern auch bewirbt. Dazu auch Roick 2014, S. 133–140. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 195: Persimilis est Valla noster homini ridiculo, qui cum aliquando se ex quadam turri uolaturum certo die profiteretur, ac populu ad id spectaculum conuenisset homines suspensos uariis alarum ostentationibus usque ad noctem detinuit. Deinde omnibus uolatum cupide expectantibus, populo cultum ostendit. Ita Laurentius noster, post multas atque ingentes uerborum pollicitationes, post tantam expectationem promissorum, tandem non quidem culum ut ille, sed uolantis cerebri insaniam, uertiginem et pergrandem ignorantiae suppellectilem ostendit. Zu dieser Stelle auch Pittaluga 2010, S. 196 f. In Anspielung auf seinen Inquisitionsprozess ruft Valla seinen neapolitanischen Kontrahenten Antonio Bitonto auf, das vermeintlich unchristliche Werk Poggios öffentlich zu verurteilen und von einer Begutachtung seiner eigenen Schriften endlich abzulassen: Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 364 f.: Vbi sunt qui ad populum frequenter de minimis flagitiis nugisque uociferantur? Vbi tu es Antoni Bitontine, qui in meas de Dialectia opiniones ad populum perorasti? Si pro republica Christiana, si pro hominum salute, si ut deo inseruiatis, concionamini et non aut gloriae, aut auaritiae, aut inimicitiae gratia, cur Podianum opus non accusatis? [...] Cur non in illud peroratis? Cur non autorem librumque ad ignem uocatis? Imitantes Bernardinum et Robertum, qui opus Antonii Panhormita in concione Mediolani, Bononiae ac Ferrariae concremarunt. [...] Ego clamo: Ego uos praedicatores omnes, quanta possum uoce, contestor, ego coelum ac terram testes inuoco, me uos admonere, ut librum nefandissimum et
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dargestellte Verspottung christlicher Riten, der normativen Sexualmoral und priesterlicher Keuschheit der Leserschaft ins Gedächtnis zu rufen257. Wenngleich Valla das stilistische Markenzeichen von Poggios Anklagen richtig identifiziert hat, vermochte er den Facetiae nicht ihren Humor, geschweige denn ihren literarischen Wert absprechen zu können. Er imitierte die moralisierenden Mahnungen Poggios und akzentuierte die obscenitas der Witzgeschichten, ohne sich jedoch mit den Inhalten konkret auseinanderzusetzen. Daher wirkt seine Empörung über die einzelnen Geschichten künstlich und wenig überzeugend; auch übersah Valla absichtlich den überzogenen und auf Überspitzung ausgerichteten Duktus. Der akribische Philologe, der auch an dieser Stelle vor weiteren linguistischen Korrekturen keinen Halt machen konnte, erschien nicht in der Lage, den durchaus als obszön einzustufenden Erzählungen des Literaten Poggios eine fundierte Kritik entgegensetzen zu können. Sein Tadel ging über persönliche Beschimpfungen und Spott nicht hinaus258. Nichtsdestoweniger traf er Bracciolini in seinem literarischen Selbstverständnis, wie er in seinen Briefen mehrfach erwähnt259.
quem Saraceni, quem Scythae, quem omnes gentiles damnarent, exterminandum, extinguendum, sepeliendum curetis. Nihil religioni, nihil pudori, nihil moribus est uirorum mulierumque perniciosius. Zum Hermaphroditus vgl. bes. Parker 2010; Roick 2014, S. 126–132. Der Rekurs auf Beccadelli ist nicht zufällig gewählt. Poggio selbst war in der Genese des Hermaphroditus als Zensor involviert, was Beccadelli mit einem Inserat einer brieflichen Bewertung Poggios verewigte. Zu Poggios Brief siehe Beccadelli 2010, Hermaphroditus 56–59, bes. S. 56: Delectatus sum, mehercle, varietate rerum et elegantia versuum simulque admiratus sum res adeo impudicas, adeo ineptas, tam venuste, tam composite a te dici atque ita exprimi multa turpiuscula ut non enarrari, sed agi videantur, neque ficta iocandi causa, ut existimo, sed acta existimari possint. Siehe dazu vor allem die als Bewertungskriterium herangezogene Plausibilitätskategorie. Dieselbe Vernichtungsaufforderung spricht Valla gegenüber Beccadellis Hermaphroditus aus, siehe Valla 1981, Antidotum in Facium 2, 9, 27–28, S. 193–195. Zur Verteidigung des Werkes bes. O’Conner 1997. Es sei exemplarisch auf die von Valla zitierte Geschichte von Bracciolini 1983, Facetiae 5: De homine insulso qui existimavit duos cunnos in uxore verwiesen, wo ein eindeutig von der christlichen Sexualmoral nicht gedeckter simultan Beischlaf von drei Personen einschließlich eines Priesters erzählt wird. Priester und insbesondere Minoriten sind oftmals Ziel von Bracciolinis Witzen, siehe u. a. Facetiae 144 und 232. Valla, Antidotum secundum, ms. Autograph, fol. 105v, Appendix, S. 365: Et si me homines audient, has tam morales fabellas cum illis æsopianis eodem in codice coupulabunt dum tamen uerba in quibus Podius cecus aut cecutiens deprehenditur prius emendent quale est ʻcausassetʼ, ‘causata fuisset’ [...]. Ceteros barbarismos lectori notandos relinquimus qualis est quod sepius dixit ʻalterʼ pro ʻaliusʼ. Dagegen das Urteil Patanés 2021, S. 101: „Eben im Schlussteil [scil. des Antidotum secundum] gelang es Valla, den Gegner an den Pranger zu stellen, indem er den Lesern Poggios eigene Worte vorlegt. Die Fazetien sind natürlich tendenziös dargestellt, aber Valla beweist die Fähigkeit, mit Poggios farbiger Sprache zu spielen.“ Siehe u. a. Bracciolini 1987, Lettere, 3, Ep. 6, 9, S. 262–264.
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3.4.2 Die rhetorische Metakritik als invektive Technik Die rhetorische Metakritik stellt sich als eine distinktive invektive Technik heraus, die beidseitig zur Dekonstruktion der jeweiligen Angriffs- oder Verteidigungsstrategien und Argumentationsweisen appliziert wurde. Sie fungiert nicht allein als Entkräftungsversuch, sondern ebenso als Herabsetzungspraktik, um dem gegnerischen Beitrag anhand von konventionellen, d. h. nicht verschriftlichten und allein implizit vorausgesetzten Kompositionsregeln seine diskursive Berechtigung abzusprechen. Im Grunde diskutierten beide über das aptum der jeweiligen literarischen Gestaltungen, was weniger auf eine konstruktive Debatte als vielmehr auf eine gezielte De-Autorisierung des Autors und seines „self-fashioning“ abzielte, das über den Dekonstruktionsversuch in der Wahrnehmung des Publikums Schaden nehmen sollte260. Hierfür soll ein näherer Blick auf Poggios fünfte Rede und auf Vallas zweiten Akt des Apologus geworfen werden. 3.4.2.1 Bracciolinis fünfte Rede In seiner fünften und letzten oratio reagierte Bracciolini auf den ersten Akt des Apologus und bezog Stellung zu der dort vorgenommenen Herabstufung seiner Gelehrsamkeit. Bei seinem Gegenschlag handelt es sich, mit Ausnahme von generalisierenden Exkursen zu Vallas Werk und Person, um eine rhetorische Metakritik; sein Schwerpunkt liegt auf der Ratio des dialogisch strukturierten argumentum, das er zu dekonstruieren sucht, um die vituperatio als illegitim erscheinen zu lassen261. Poggio intendierte durch satirische Überspitzung aufzuzeigen, dass Valla die Richtlinien des Gelehrtendialoges bricht, weshalb sich seine vorgenommene Beweisführung (probatio) aus formeller Hinsicht bereits als insuffizient erweise und folglich die vorgebrachten Briefkorrekturen a priori delegitimiere262. Während Valla über eine philologische Kritik das briefliche Ausdrucksvermö-
Siehe auch zum literarischen „Verriss“ Lamping 1986, S. 37: „Auf den Leser als den Adressaten des Verrisses schließlich zielt eine Strategie der Einvernahme. Der verreißende Kritiker will den Leser immer zu seinem Verbündeten machen, allerdings nicht nur auf dem Weg der Argumentation, sondern auch der Affektion.“ Vgl. die bislang einzige Analyse der fünften oratio von Bonmatí Sánchez 2005b, 128–139 und zur aufgearbeiteten Ausgabe der fünften oratio dies. 2006, S. 33–34. Pfeiffer 1931, S. 458/459 konkludiert ohne nähere Betrachtung der Rede: „Poggio hat in seiner Entgegnung umsonst gehöhnt: [...]. Das war nur ein verärgertes Schimpfen im alten Stile. Der Hieb saß, denn Vallas Witz war neu und durch seine Drastik auch einprägsam.“ Das „Küchenlatein“ prägte sich als fester Begriff bis heute ein, was durchaus für seine Schlagkraft spricht. Gemessen an der Ausgangslage vermag Bracciolini nichtsdestoweniger geschickt zurückzuschlagen, wenngleich eine andere, weniger ernste Reaktion durchaus wirksamer hätte ausfallen können. Zum Erfolg des ersten Aktes des Apologus anhand der Drucke vgl. Patané 2021, S. 98–99. Im zweiten Akt des Apologus spricht Valla ausdrücklich von einer consuetudo dialogorum, einem Richtlinienkatalog, der nicht schriftlich festgehalten wurde, sich jedoch insbesondere an den rhetorischen Parametern von Wahrscheinlichkeit und Sprecherdignität orientiert.
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gen Bracciolinis dialogisch zu entwerten beabsichtigte, konzentrierte Bracciolini sich hauptsächlich auf das innere aptum des ersten Aktes, mit Schwerpunktlegung auf die Sprecherwahl, die Figurenkonstellation und den grundsätzlichen Wahrscheinlichkeitsgrad (similitudo) des dargestellten Gesprächs. Grundsätzlich verurteilt Poggio die Einsetzung der Dienerschaft in einer von Gelehrten durchgeführten Diskussion und stuft diese als deplatziert ein263. Dies widerspreche nicht allein der Glaubwürdigkeit, sondern schade auch der Dignität Guarinos als reale Person, der sich überdies in der Realität auf ein derartiges Gespräch nicht eingelassen hätte. Ferner sei der veronesische Lehrer im Verfassungszeitraum auch nicht in Rom anwesend gewesen, was ebenso die Inszenierungsmöglichkeit als solche verunmögliche. Der Rückgriff auf sozial niedrig gestellte und folglich weniger gebildete Figuren, denen jedoch essentielle Redebeiträge und sogar Urteile zugewiesen werden, sei ebenso unter dem Aspekt der Wahrscheinlichkeit als unplausibel abzulehnen. Als integrierte Sprecher für seine dialogisch strukturierte probatio spiegeln sie Poggio zufolge vielmehr Vallas vermeintlich schwache argumentative Ausgangslage wider264. Dies zeuge jedoch, und hier beginnt die moralische vituperatio Poggios, von Vallas grundsätzlich bescheidenem Argumentationsgang; ihm zufolge repräsentieren der Koch und Stallknecht die eigentliche Lebensweise Vallas. Beide Hilfskräfte seien ihm in Bezug auf Eloquenz und Gelehrsamkeit ebenbürtig und aufgrund ihrer sozial bedingten geistigen Verfasstheit als führende Sprecher und Repräsentanten seiner selbst ausgewählt worden265. Durch diesen Griff versucht er das ihm zugewiesene „Küchenlatein“ als Ausdruck einer barbarischen Sprechweise auf den Erfinder selbst zurückzuführen. Er wertet Vallas apologia, wie er die Invektive hinsichtlich der unmarkierten Elegantiae-Verweise einordnet, als unwürdige Witzelei (dicacitas), mit der er gegen das ciceronianische Gebot ihrer Einsetzung verstoße und
Bracciolini 2006, Invectiva quinta, 1, S. 106 f.: Id ut dignitate exercitus nobilitaretur, duos commilitones pari eloquentiae [sic] et doctrina praeditos, coquum uidelicet et stabularium, nescio quos tua disputatione dignos in bello quod adversus me moueres, tibi adhibuisti, ut coquinae nidore, stabuli foetore ad tuum spectaculum homines excitares. Bracciolini 2006, Invectiva quinta 2, S. 110: Quis ergo fuit Laurentii coquus? Valla. Quis stabularius Vallae? Laurentius. Quis Laurentii et Vallae lixa? Idem Laurentius Valla. Cum ergo Laurentium et Vallam dixeris, stabularium, coquum et lixam et seruulum nequissimum nominabis. Die Wahl auf den Koch sei zudem durch die kulinarische Tradition von Vallas Familie väterlicherseits bedingt gewesen, weshalb er auch selbst in den Lagern König Alfons V. in der Küche tätig gewesen sei: Bracciolin 2006, Invectiva quinta 2, S. 110: Quanquam haud iniuria coqui mentionem fecisti, auitae artis memor, cum audierim auum paternum Placentiae coquinariam artem non vulgarem exercuisse; tibi quoque in castris regiis, ut accepimus, culina fuit aliquandiu exercitium adeo illustre ut inter salsamentarios primum locum teneres. Quare cum tibi Regis gratiam conciliasses, reliqui coquinae officio intenti, ob inuidiam credo, nescio quam turpitudinem praeferentes te culinae ministerio priuarunt. Die Beschreibung von Vallas vermeintlicher Tätigkeit als Koch im Heer König Alfons V. ist als Persiflage von Vallas fünftem Vorwort der Elegantiae zu verstehen, in welchem er von seinen Diensten für den spanischen Herrscher berichtet.
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darüber hinaus seine Verteidigung als solche selbst sabotiere266. In Hinblick auf die präsupponierten, aber nicht schriftlich fixierten Normen des Gelehrtendialoges weiß Bracciolini triumphierend auf den Umstand hinzuweisen, dass die als „Weisen“ wahrgenommenen Autoren innerhalb dieser Textgattung, auf Platon und besonders Cicero anspielend, mit Wissen, Dignität und Autorität ausgestattete Personen eingesetzt haben, um der eigenen Argumentation Gewicht zu verleihen. Dementsprechend identifiziert er einen rhetorischen Konventionsbruch, der sich ihm zufolge mühelos in das autoritätskritische und ordnungswidrige vallianische Profil eingliedern lasse267. Wenngleich Valla bewusst auf eine ironische Umgestaltung des Gelehrtendialoges zielte, kann die Einarbeitung der persona Guarinos tatsächlich als problematisch eingestuft werden. Er bietet seinem Gegner hier unweigerlich eine Angriffsfläche, die zwar über die verdeutlichte Erhabenheit und Dignität Guarinos abgemildert wird, dieser aber nichtsdestoweniger in die komisch anmutende Gesprächssituation mit der Dienerschaft eingefügt wurde. Daher „schmerze“ es Poggio, und die Empörung steigert er noch im weiteren Verlauf der Rede, dass Valla einen derart angesehenen Gelehrten durch eine solch schändliche Positionierung zu einem „Schwelger der Schändlichsten“ gemacht habe, wenngleich er ursprünglich seine Ehre und Autorität habe vergrößern wollen268. Entsprechend negativ werde Guarinos Reaktion auf seine Involvierung als Richter in einem „ehrlichen“ Prozess unter „unehrlicheren Zeugen“ ausfallen. Gekonnt leitet er die gegen ihn gerichtete vituperatio auf Guarino um und wertet seine Rollenzuweisung innerhalb der Sprecherkonstellation als Angriff auf seine Person. Durch die feindselige Handlung gegenüber einem Dritten, der unwillentlich – und dazu noch unnötigerweise – in den Streit hineingezogen wurde, wird dem ersten Akt des Apologus grundsätzlich seine Legitimität abgesprochen. Diese Schwachstelle weiß Poggio für seine Verteidigung zu nutzen und versucht die für die Argumentation essentielle Sprecherkonstellation des Dialoges zu torpedieren. Die ungeeigneten Sprecher werde Valla in seinem zweiten Akt,
Bracciolini 2006, Invectiva quinta 2, S. 110: [...] quod apologiam inscribis tuam dicacitatem? Quod cum defensionem designet, tu non defensione uteris, sed turpi conuicio et obprobrio petulanti me persequeris, scurra nequissime. Zur dicacitas vgl. bes. Cic. orat. 87–88. Bracciolini 2006, Invectiva quinta 3, S. 112: Reliqui qui sapientes habiti sunt suis dialogis adhibent personas graues aliqua virtute notas, ut etiam leuiusculae res colloquentium dignitate grauiores esse uideantur. Bracciolini 2006, Invectiva quinta 3, S. 110 ff.: Verum Guarini uicem doleo, quem turpem reddis turpissimorum ganeonum contagione. [...] Ebd. 3, S. 112: Laudo in hoc prudentiam tuam, qui, cum detrahendi mentiendique artem professus esses, noluisti alicuius probi uiri praeterquam Guarini auctoritate abuti in hoc tuo uillissimo officio maledicendi. Qua in re scio Guarinum tibi malas gratias habiturum ac redditurum qui eum iudicem in causa honesta, quae inhonestioribus testibus ageretur, institueris. Sed credo te ob amicitiam, quae est ei tecum praecipua, uoluisse illum hoc tuo honore iudicii reddere nobiliorem. Quid amplius ageres si illi esses palam hostis, quin ut illum socium adiungeres in aliqua causa seruulis nequissimis [...]. Magna profecto uis est conscientiae, quae compellit saepius reprobos uiros suorum scelerum diuerticula comminisci ita insulse quandoque, ut excusatione in praeuaricatoris crimen incidere uideantur. [...].
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so antizipiert Bracciolini ironisch, um ähnliche Figuren wie Prostituierte und Räuber erweitern, um sich weiter ins diskursive Aus zu manövrieren269. In diesem Kontext muss Poggios spielerische Wiedergabe des Titels näher betrachtet werden. Valla war sich durchaus bewusst, dass er die Kriterien des etablierten Gelehrtendialoges mit seinem Beitrag nicht erfüllte, was der Begriff Apologus bereits deutlich signalisiert270. Daher verzichtet Bracciolini auf eine korrekte Wiedergabe des Titels und nennt die Invektive zunächst Apologia, um sie dann als morologia, tragoedia, cacologia und letztlich als fabula einzustufen271. Letztere Klassifikation weist eine besondere Implikation auf: Weder handelt es sich bei dem Dargestellten um etwas historisch verifiziertes, noch um etwas Wahrscheinliches oder Mögliches, wodurch das inszenierte Gespräch als Ausdruck des humanistischen Gelehrtenaustausches delegitimiert und seiner Funktion als argumentum nicht gerecht wird272. Poggio rückt den Dialog in das Fiktionale und Unwahrscheinliche, weshalb er sowohl die dort vorgenommenen philologischen Korrekturen an seinen Briefen als auch die Herabsetzung seiner Person als fabuliert zurückzuweisen vermag. Trotz der Einarbeitung Guarinos handele es sich um keine authentische Darstellung eines intellektuellen Gespräches; ferner erweise sich die Beurteilung als einseitig und überdies unrealistisch, da sie von der Dienerschaft artikuliert wird, was die dialogisch vorgetragenen Argumente aus rhetorischer Sicht, so suggeriert er, entkräften würde. Anhand dieser Umdeutung vermag Poggio die von Valla praktizierte Polemik, die Poggio pejorativ als officium maledicendi bezeichnet und seiner ars detrahendi mentiendique zuordnet, eindrücklich zu illustrieren. Des Weiteren verknüpft er sie mit dessen philologischer Methode, die ebenso auf Herabsetzung und De-Autorisierung anerkannter Persönlichkeiten ausgerichtet sei und exemplarisch seine unmoralische Handlungsweise demonstriere. Die kritischen Einwände gegenüber der Sprecherkonstellation verdeutlichen die Relevanz des humanistischen Gelehrtendialoges als essentieller Teil ihrer Selbstpräsentation mitsamt ihrem Gelehrsamkeitsverständnis auf der einen und ihrer Funktion als dialogisiertes argumentum auf der anderen Seite.
Bracciolini 2006, Invectiva quinta 2, S. 110: Existimo te in alio apologo, quem fabrificabis, itidem notae artis collocutores sumpturum, ad Thrasonis alicuius tui similis ac lenonum, caponularum, lanionum, tabernariorum auxilia confugiens, quibus saepe et perdita et salua re profuisti. Auch Pfeiffer 1931, S. 456/457 stuft den Apologus, ohne Erläuterungen, als (prosaische) Satire ein. Vahlen 1869, S. 21, war sich bei der Wiedergabe des Titels noch unsicher und hielt sowohl einen Fehler als auch ein Wortspiel für möglich. Bereits in seiner dritten oratio verwirft Bracciolini den als fabella bezeichneten Apologus und macht sich über die zielgerichtete Publikation in Venedig lustig, Bracciolini 1964d, Invectiva tertia, S. 239: Ne autem a pristino suo detrahendi usu destitisse putetur, me ignorantiae arguit, suam illam insulsam contra me atque inanem fabellam per plateas tanquam ueteris testamenti tabulos circumfert, ueluti uilissimus pharmacopola, legitque passim omnibus suae stulticiae argumenta [...]. Zur fabula siehe die Definition von Rhet. Her. 1, 8, 13: Fabula est quae neque veras neque veri similes continet res, ut eae sunt, quae tragoediis traditae sunt. Umfassend dazu bes. Price 1975, S. 84–101.
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Auf der forensischen Metaebene des gesamten Konflikts bewertet er Vallas primus actus insgesamt als schwache Verteidigungsschrift, welche die rhetorischen Regeln missachte und aufgrund der unglaubwürdigen Sprecherauswahl und dramatischen Konfiguration eine effektive Rechtfertigung nicht vorbringen könne. Die Integration von realen Personen musste – und dies wurde als unabdingbare Darstellungsregel vorausgesetzt – den jeweiligen Charakterzügen und ihren Kompetenzen entsprechen sowie unter dem Aspekt der Plausibilität adäquat dargestellt werden. Valla trägt seine Argumente über das Haushaltspersonal vor, die Poggio figurativ als „Zeugen“ bezeichnet. Aufgrund ihrer fehlenden Dignität und Autorität, d. h. infolge ihrer nicht zugewiesenen Befähigung und Sprachkompetenzen, sich über einen derartigen Sachgegenstand – die lingua Latina – äußern zu können, verwirft er Vallas Apologus als unzureichenden forensischen Beitrag. Den vorgetragenen Argumenten fehlt es entsprechend an der sprecherabhängigen auctoritas und folglich, auf der Metaebene, an ausreichender inhaltlicher Fundierung. Autorität als Leitkategorie orientiert sich in diesem Fall nicht an den antiken Schriftstellern, sondern meint die Integrität der dramatis personae, die innerhalb der dialogischen Inszenierung ebenso mit Geltung und Reputation versehen sein müssen, um den jeweils vorgetragenen Argumenten Glaubwürdigkeit und Gewicht zu verleihen. Der von Valla vorgebrachte Fall (causa) sei schließlich als genus turpe zu klassifizieren, was die Integration derartiger Sprecher erforderlich mache, dem Gelehrtengespräch als ernstzunehmende Auseinandersetzung jedoch in jeglicher Hinsicht entgegenstehe. Abschließend kündigte Bracciolini Valla einen weiteren ironischen Siegeszug an, der nicht auf dem Forum, aber in den „Küchen“, „Bordellen“, „Kneipen“ und „Schenken“ mit seinesgleichen stattfinden und mit den Bannern der Köche und Stahlknechte begleitet werde, wobei es sich um eine Spiegelung der ihm geäußerten Vorwürfe handelt. Poggio griff, seinem Gegner gleichtuend, auf die Milieukontrastierung zurück und ordnete Valla der sozial am unteren Ende stehenden Umgebung zwielichtiger und einem Gelehrten unwürdigen Etablissements zu, die konsequenterweise, rekurrierend auf Quintilian, Auskunft über seine Mentalität geben müssen273. 3.4.2.2 Der zweite Akt von Vallas Apologus Der zu Lebzeiten nicht veröffentlichte zweite Akt des Apologus führt die forensische Debatte des ersten Aktes fort und verarbeitet dialogisch ebenfalls eine rhetorische Metakritik, die grundsätzlich Bracciolinis Dekonstruktionsversuch des ersten Aktes entspricht. Vollständigkeitshalber und aufgrund der Tatsache, dass die bisherige Bracciolini 2006, Invectiva quinta 1, S. 108: Quamuis optime in tuo opere talium mercennariorum conditio quadret, non enim, nisi fanatici, stulti, temerarii, sermone grauiores personae admisceri debuerunt, sed in turpi causa turpiores concertationes collocari. Ebd., 10, S. 134: Tunc erit tempus quo possis inter uiros praestantissimos collocari, ut comparari Herculi merearis, ut statua tibi decerni postules in aliquo loco celebri ciuitatis. Tunc non a Guarino, sed a populo laudaberis tanquam uir doctissimus, ut musarum patronus. Illum non per forum (nam id tibi displicet), sed per culinas, lupanaria, uiles cauponulas, nota diuerticula magno cum apparatu duces, magna cum gentium expectatione.
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Forschung sich allein auf die am Ende des Dialoges behandelte latine/grammatice loqui-Problematik konzentrierte274, soll ein knapper Exkurs an dieser Stelle erfolgen, der sich den Hauptargumenten des zweiten actus widmet. Im Vordergrund von Vallas Beanstandungen stehen die Glaubwürdigkeit und die oratorische Qualifikation Bracciolinis. Das inszenierte Gespräch spielt sich nun im Säulengang (porticus) des römischen Adligen Marcello Capodiferro zwischen den interlocutores Valla, Guarino, Poggio und seinem Diener Gondisalvus ab275. Im Gegensatz zum satirisch anmutenden Gespräch des ersten Aktes wird gleich zu Beginn die Gravität des Diskussionsortes betont, die allein durch hämische Bemerkungen von Gondislavus gegenüber seinem Herrn und dessen Verhalten gestört wird. Die porticus selbst soll einerseits die Disputationsgewohnheiten der Stoiker und Peripatetiker evozieren, wie Guarino und Valla explizit hervorheben. Letzterer weist zudem auf die „lieblichen Gärten“ hin, die den Handlungsort ausschmücken, wodurch Valla auch die epikureische Tradition benennt. Die Bezugsnahme zum Altertum und seinen philosophischen Richtungen ist evident. Andererseits denotiert die porticus das prätorische Tribunal, womit der den gesamten Streit durchziehende forensische Rahmen auch bei diesem Gespräch aktiviert wird276. Als Sachgegenstand der Verhandlung sollte, erneut unter richterlichem Vorsitz Guarinos, Poggios jüngstes Werk, die Historia disceptativa von 1450, dienen. Valla selbst übernimmt erwartungsgemäß ein weiteres Mal die Rolle des zensorischen Anklägers und tritt durchgehend aktiv als Sprecher auf. Wie im vorherigen actus wird Poggio als selbstsicherer, infantiler, trunksüchtiger und der rhetorischen Kunst nicht versierter Sprecher gezeichnet, der sogar öffentlich von seinem Diener bloßgestellt wird, wodurch die sozialen Differenzen zwischen ihm und dem Personal aufgrund seiner
Siehe dazu die gesonderte Untersuchung oben, Kap. 2.1.3. Helmrath 2010, 271, Anmerkung 69, vermutet, dass mit dem Namen auf den spanischen Frühscholastiker Dominicus Gundissalinus (ca. 1115 – nach 1190) angespielt werden soll, wofür sich im Text jedoch keine Hinweise finden. Die Identifikation des Namensgebers für Poggios Diener wird nicht möglich sein und spielt auch für den secundus actus keine Rolle, da der Sprecher nur spärlich in Erscheinung tritt. Dass es sich um einen Nicht-Italiener handelt, der, wie im ersten Akt, den Gelehrtenstand Poggios aberkennt, ist jedoch aufgrund des Namens nicht von der Hand zu weisen. Valla 1972, Apologus 2, S. 504: Gua.: Sed timeo ne apud stoicos peripateticum agam. [...] Quia stoici a porticu quae graece ut scis dicitur ʻstoaʼ, et peripatetici ex ambulando sunt dicti. Quo fit ut absurdum, duntaxat stoicis, videatur esse in porticu deambulare. [...]. Valla 1972, Apologus 2, S. 505: Lau.: Si volumus epicureis quoque morem gerere, eccos amoenos etiam [h]ortos, qualibus epicurei delectabantur [...]. Es ist bezeichnend, dass Valla seiner eigenen persona den Hinweis auf die epikureische Schule in den Mund legt, ein Umstand, der bei der Interpretation des mehrdeutigen und oftmals als epikureisch bzw. christlich-epikureisch eingestuften Dialoges De vero bono bislang nicht beachtet wurde. Zu De vero bono oben, Kap. 2.3.1.2. Anders als noch in De vero bono (vgl. dazu Müller 2002, S. 199 f.) scheinen die philosophischen Schulen keine Bedeutung für die Positionen der Sprecher zu haben. Weder lassen sich Guarino und Poggio einer Richtung zuweisen, noch gibt der Dialog hierfür in der existierenden Form irgendwelche Anhaltspunkte.
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barbarischen Redeweise erneut umgekehrt werden277. Im direkten Vergleich zum ersten Akt erweist sich die Figurenkonstellation hingegen als weniger dynamisch; Valla weist seiner persona die ausführlichsten Beiträge zu und lässt die übrigen Figuren nur sporadisch auftreten; Gondisalvus äußerst sich beispielsweise allein viermal mit knappen Bemerkungen zu Beginn des Dialoges. Konkret kritisiert Valla das innere aptum der drei Dialoge der Historia disceptativa, d. h. ihren Aufbau, die Anordnung und die stilistische Komposition der jeweiligen Argumentationen, aus denen er Schlüsse auf Poggios rhetorische Fähigkeiten und sein „self-fashioning“ als Redner zieht. Entsprechend ist auch dieser Dialog polemisch konzipiert278. Er will Widersprüche, eine grundlegende Inkonsistenz (inconstantia) und begriffliche Unklarheiten identifiziert haben, die er Poggios fehlerhaftem Sprachverständnis zuschreibt. Systematisch dekonstruiert Valla sowohl den erzählerischen Rahmen der Schrift (narratio) als auch die zentralen Begrifflichkeiten seiner jeweils vorgetragenen Thesen, was in der Identifizierung von Bracciolinis vermeintlich fehlerhaften Fachterminologie im Hinblick auf das quintilianische latine/grammatice loqui in der dritten disceptatio kulminiert und gleichsam seine mutmaßlich barbarische Ausdrucksweise erklären soll. Valla wirft seinem Kontrahenten vor, dass der gesamte Kontext seiner Historia disceptativa erdichtet sei und die von Quintilian zur Fiktion aufgestellten Regeln missachte: Erstens die Möglichkeit des Erzählten, zweitens die Kongruenz von Personen, Zeit und Ort und drittens die innertextliche Eigenlogik – letztere werde mitunter durch die fehlerhafte Terminologie ad absurdum geführt279. Bereits die dargestellte Ausgangslage der drei Gespräche erweise sich Valla zufolge als unglaubwürdig, da sein Gegner die rhetorischen Raster des Dialoges breche: So halte sich Poggio weder an die similitudo des Erzählten, noch an die veritas oder den vorgestellten Personen und Sachgegenständen entsprechenden decor, was
Dies zeigt sich unter anderem in dem Umstand, dass der Figur Poggio seine Bücher, sein Wein und sein Geld kostbarer sind als seine Ehefrau und deshalb selbst seine Historia disceptativa abholen möchte, da er seinem Diener misstraut, Valla 1972, Apologus 2, S. 503 f.: Gua.: Sed quin potius mittis famulum? Pog. Famulum inquis? Tu vero si sapis nunquam famulo aut libros, aut pecuniam, aut vinum credideris, si haec praetiosa sint, caetera si bonus ille est, credere potes. [...] Gon.: Here quid ergo libros et vinum famulo non credes, uxorem credes? Pog.: Quasi vero uxorem possis eripere, ut libros, vinum, pecuniam. Gond.: Atqui tractatio uxoris magis quam librorum, pecuniae, vini periculosa est, etiam magis quam vitri. Darüber hinaus erlaubt die persona Poggio seinem Diener, derartig despektierlich mit ihm zu sprechen und weist die an Gondisalvus gerichtete Ermahnung Guarinos zurück, ebd., S. 504: Pog.: Noli castigare famulum meum Guarine. Habent hanc famuli mei apud me non modo loquendi, sed etiam faciendi licentiam, praeterquam in libris ut dixi, vinoque ac pecunia. Vgl. mit Bezug auf den Dialog Baumann/Becker/Laureys 2015, hier S. 13. Valla 1972, Apologus 2, S. 511: immemor [scil. Pogius] illius praecepti quod Quintilianus tradit: «Prima sit curarum ut id quod fingemus fieri possit, deinde ut et personae et loco et tempori congruat». Et mox iterum: «Curandum praecipue quod fingentibus frequenter accidit, neque inter se pugnent» [Quint. inst. 4, 2, 89–90].
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er anhand des zeitlichen Ablaufs der Unterhaltung und der Rolle der interlocutores feststellen will280. In seinem an Plutarchs Quaestiones conviviales angelehnten Dialog berichtet Bracciolini, wie er in seine Heimatstadt Terra Nova 1449 für einen Familienbesuch zurückgekehrt sei und zufällig auf dem Weg nach Florenz Carlo Marsuppini, Benedicto von Arezzo und Niccolò Fulginas getroffen habe281. Diese lud er sodann in seinen Garten zu einem Abendessen (coena) ein. Unmittelbar nach der Mahlzeit seien die zentralen Gespräche zustande gekommen, die Poggio schriftlich festgehalten haben will. Am Ende ihrer Debatten soll zudem ein gemeinsamer Spaziergang zum Fluss in Angriff genommen worden sein, mit dem der dritte Dialog schließt282. Valla zufolge sei dies jedoch aus zeitlicher Sicht unmöglich: Gemessen an der Länge der Unterhaltung hätte mittlerweile die Sonne untergehen müssen283. Dass die Wortwahl (verba) über den sensus und letztlich auch über die Aussagen (sententiae) der gesamten Komposition entscheidet, zeigt sich daran, dass die zeitliche Diskrepanz primär durch das von Bracciolini verwendete Wort coena ausgelöst wird, welches das Abendessen denotiert. Aus der falschen Wortwahl ergibt sich jedoch eine Konsequenz für den gesamten Handlungsrahmen, der alle nachfolgenden Ereignisse verunmögliche. Die Figur Poggio versucht sich sodann dadurch herauszureden, dass er eigentlich das „Frühstück“ (prandium) gemeint habe, das verbum jedoch arbiträr nach Vorbild „vieler anderer“, d. h. über ein argumentum ad populum, appliziert habe – ausdrücklich sind nicht die antiken Autoren, sondern mittelalterliche oder zeitgenössische Autoren gemeint, was den Beitrag aus seiner elitären Sicht als illegitim erscheinen lässt – ferner evoziert er Bracciolinis Sprachverständnis, das sich am ge-
Valla 1972, Apologus 2, S. 509: Laur.: Agendum Pogi nonne ex arte oratoria iubemur magis verisimilia dicere quam vera servareque ubique in personis ac rebus decorem? Hoc quam abs te praestetur inspiciamus. Legamus librum. Es folgt ein ausführliches Zitat von Poggio 2019, Historia disceptativa, Disceptatio 1, 1,1–1,2, S. 74, das er um die Schlussbemerkung des dritten Gesprächs ergänzt, Disceptatio 3, 14,1, S. 172. Vgl. Marsh 1980, S. 7. Poggio 2019, Historia disceptativa, Disceptatio 1, 1.1–2,1, S. 74: [...] cum me ad Terram Novam, natalem patriam, cum familia contulissem, venit eo postmodum rogatus a me, qui Florentiam ob negotia publica adibat, paulum de via concedens, Carolus Aretinus, vir omni laude ac doctrina praestantissimus; is enim pluresque alii, in quis erant viri doctissimi Benedictus Aretinus iure consultus ac Nicolaus Fulginas insignis philosophia atque arte medicus, Aretium petierant pestis vitandae gratia. Contigit autem ut eodem die et Nicolaus ex Aretio ad curandum aegrum quendam accersitus et Benedictus in patriam iturus simul me convenirent. [...]. Qui omnes, cum hortatu meo in hortulo mecum coenassent, post varios in eo sermones habitos, remota mensa, cum tempus abeundi videretur [...]. Daher scherzt er über diese Missachtung des Erzählrahmens und suggeriert, dass Poggio den Dialog in die nördlichen Lande habe verorten wollen, wo die Nächte kürzer seien, Valla 1972, Apologus 2, S. 510: Laur.: O solem Pogi illo die stabilem nec se moventem. Credo subauscultabat sententiarum suavitatem aut convivio intererat, ut non nisi iussu vestro discederet ad occasum, quemadmodum fecit olim iussu a Josue proeliante [Jos 10, 12–24]. Ad quanto minora colloquia apud Virgilium Sibylla inquit? Nox ruit Aenea, nos fando ducimus horas [Verg. Aen. 6, 539]. Apud te Pogi nulla fuit intervenientis noctis cogitatio. Putabas te fortassis esse ubi aliquando fuisti, in extrema Germania aut Hibernia, ubi noctes brevissimae sunt aestate et speciem diei habentes.
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genwärtigen Bedeutungshorizont orientiert, wie oben gezeigt wurde284. Diese Begründung lassen weder Valla noch der Charakter Guarino gelten, was ersterer deduktiv aufschlüsselt: In einer kalten Jahreszeit hätte der Spaziergang ohnehin nicht am Fluss stattgefunden; da die Mahlzeit im Garten eingenommen wurde, muss vom Sommer ausgegangen werden und folglich hätte sich ein Spaziergang an der frischen Luft, wie die Figur Niccolò Fulginas vorgeschlagen hat, erübrigt. Guarino weiß außerdem auf die florentinische Sitte zu verweisen, Gäste sowohl zum Frühstück als auch zum Abendessen einzuladen, was jeglicher Ausflucht der Figur Poggios entgegensteht und zudem die notwendige kulturhistorische Analyse des usus loquendi voraussetzt285. Auch unter alternativen Gesichtspunkten sei die narratio unglaubwürdig und inkonsistent gestaltet; dasselbe gelte für die Sprecher, die unter fadenscheinigen Begründungen eingearbeitet worden seien und durch das ihnen zugeschriebene Verhalten vielmehr Poggio selbst repräsentie-
Valla 1972, Apologus 2, S. 510: Pog. Immo vero coenam pro prandio posui, ut multi fecerunt. Lau.: Qui sunt isti multi, profecto si qui sunt, non nisi poetae fuere. Die persona Guarino verweist noch auf den Kanoniker und Kardinal Francesco Zabarella (1360– 1417), der als vir eximius et in iure pontificio interpretando nulli secundus charakterisiert wird und in seinem peripatetisch-orientierten Dialog De summo bono selbst die Erzählebene mit der Darstellungsebene verwechselt habe. Die Adjektive und Tätigkeiten verdeutlichen jedoch, dass Zabarella aus Vallas Sicht nicht zur humanistischen Gemeinschaft gezählt werden könne, da er weder als litteratus, doctus, eruditus noch mit eloquentia ausgestattet wird. Darüber hinaus konkludiert Guarino, dass die Gelehrten (docti) derartige Formulierungen nicht heranziehen würden, womit Poggio von der richterlichen Instanz herabgesetzt, einer nicht-humanistischen Gelehrtenkultur zugeordnet und seinem Selbstverständnis als orator letztlich eine Absage erteilt wird. Die Wahl Zabarellas ist nicht zufällig gewählt: Poggio stand zur Zeit des Konstanzer Konzils mit diesem in Kontakt und verfasste seine erste Leichenrede für den 1417 verstorbenen Kardinal mit höchster Ehrerbietung. Valla 1972, Apologus 2, S. 514 f. Mit De summo bono ist sein unter dem Titel De felicitate bekannte Dialog gemeint. Zu seiner Bedeutung als humanistischer Förderer und seinen Verbindungen zum florentinischen Kreis Holmes 1969, S. 61–62. Zu Francesco Zabarella einführend Girgensohn 1993. Zu Bracciolinis Leichenrede für Francesco Zabarella vgl. Walser 1914, S. 69 f.; Zabarella ist ebenso als indirekter Adressat von Vallas De vero bono zu verstehen, in dem sich letzterer explizit gegen die aristotelische Tugendauffassung ausspricht und diese als realitätsfremd verwirft. Ein Vergleich zwischen beiden Schriften ist nach Wissen des Verfassers noch nicht vorgenommen worden. Valla 1972, Apologus 2, S. 510: Pog.: Immo vero coenam pro prandio posui, ut multi fecerunt. Lau.: Qui sunt isti multi, profecto si qui sunt, non nisi poetae fuere. Quanquam non vides te tecum non constare? Si tempus anni erat frigidum, non ad fluvium extra portam aeris gratias issetis. Sin calidum ut magis credibile est, quia in hortulo comedistis, post prandium hoc est in meridie, non suasisset ille medicus ut secum vos ad solem et aestivum et meridianum, e convivio et longis altercationibus deambulatum extra oppidum prodiretis. Gua.: Cave istuc dicas Pogi, non modo qui nunquam pro prandio dixisti coenam, verum etiam quae tua liberalitas est, nequaquam fecisses, ut tales viros et tam tibi familiares in tua patria ad prandium modo et non etiam ad coenam invitares. Ego nunquam amicum meum quempiam prandio accipio, nisi eodem die mecum etiam coenaturum.
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ren würden286. Dass es sich um ein fiktives Gespräch gehandelt haben muss, das jedoch nicht den konventionellen Richtlinien des Dialogs entspricht (consuetudo dialogorum), glaubt Valla ferner dadurch belegen zu können, dass Bracciolini als an der Unterhaltung teilnehmender Autor die Erzählebene mit der Darstellungsebene verwechselt287. Poggio wählt einen narrativen Modus und nimmt selbst als persona an der Unterhaltung teil. Dabei stellt er sich jedoch beliebig entweder als „schreibende“ Instanz, d. h. als derjenige, der die Dialoge schriftlich festgehalten hat, oder als „sprechender“ Teilnehmer der Debatte dar, während er das zuvor Gesagte innerhalb der Gesprächsinszenierung als bereits niedergeschrieben voraussetzt. Der Fehler sei sicherlich, so vermutet Valla, bei der Komposition entstanden, als Poggio sich dazu entschlossen habe, seinen Text in einen Dialog umzuwandeln, allerdings nicht mehr daran dachte, die jeweiligen Verben zu streichen288. Abschließend vergleicht er seinen Gegner mit dem in Ciceros Brutus vorgestellten und seiner Vergesslichkeit wegen bekannten Curio, der jedoch, wie Poggio insistiert, auch wegen seiner bonitas verborum und seiner expedita et profluens celeritas anerkannt wor-
Valla 1972, Apologus 2, S. 510: Lau.: Atqui ego Guarine opinor neque prandium illud neque coenam fuisse, sed a Pogio fictum, ideoque in fingendo allucinatum, ut aliis in multis solet, [...]. Ebd., S. 511: Laur.: [...] Quod secundam coenam variis ut dixi sermonibus traductam, cum iam remota mensa convivae sibi abeundum putarent, atque abitum pararent, introducis eos disputantes, et quasi in causis iudicialibus utrinque orantes, et in secunda causa ita rixantes convitiantesque ut uterque mihi Pogius esse videatur, quod eosdem adeo ociosos facis vel ad loquendum vel ad spatiandum, quasi non unus ad curam aegrorum accersitus esset, alter in patriam properaret, tertius ob publica negocia sibi iniuncta iter faceret. [...] Ebd., S. 512: Lau.: [...] Quod postremo et id nescio an sit omnium maxime indecorum, quod quos feceras in principio libri voluisse abire abs te, eosdem in calce libri facis non abisse, sed tecum portam egressos ad fluvium divertisse deambulatum, oblitos domum reverti, opinor ut ad flumen postquam deambulassetis, iterum disputaretis, quoniam satis diei ad confabulandum supererat. Vgl. zum Verhältnis von dialogisierter Schriftlichkeit und Mündlichkeit auch Häsner 2004, S. 23–29. Valla zitiert folgende Ausschnitte: Poggio 2019, Historia disceptativa, Disceptatio 3, 2.2, S. 136: Et certe is mihi animus semper fuit, ut aliquid contra suam sententiam scriberem, sed variae occupationes fuere hactenus impedimento. Ebd., 13.1, S. 168: Quibus licet Leonardi epistolae satis responsum sit, tamen paucis ad quasdam eius sententias rescribam, quae, pace sua dixerim, nimium a vero aberrare videntur [...]. Ebd. 13.8, S. 172: Multis insuper verbis suam sententiam [scil. Leonardo Brunis] nititur tueri, quae facillime dilui possent. Sed nos superius adeo multis auctoribus exemplisque hanc causam tutati sumus, ut nullum, quantumvis protervum, qui ea legerit, non existimem tantorum virorum auctoritati sententiaeque cessurum. [Hervorhebungen durch den Verfasser] Valla 1972, Apologus 2, S. 513: Laur. [...]: Deinde confutare niteris Leonardi rationes, certe loquendo, non scribendo. Cur ergo te scripturum atque ei rescripturum dixisti [...]? Ebd., S. 514: Laur. [...]: Cum loqueris Pogi ais «qui ista legent». Ergo scribere te significas non loqui. [...] Nemo enim dicit «qui ista legent» nisi de rebus scriptis. Nempe quod ut mea fert opinio, de hac ipsa materia prius sine ulla fictione dialogi composueras, in qua verba ista inerant: ʻscriberemʼ, ʻrescribamʼ, ʻlegentʼ, quae cum per dialogum disputare iocundius existimasti, immutare oblitus es. Sive quia personam tuam ad loquendum cum caeteris introduxeras, neque id colloquium unquam extiterat, excidit tibi te sub persona collocutoris ista disputare, et iam habita abs te verba scribere, sed te tunc primum promere quod sentires in persona auctoris scribentem opinatus es, maiore vitio quam illa quae superius annotavi.
3.4 Moralische Verstöße und rhetorische Vergehen
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den sei. Dadurch offenbart sich die Figur Bracciolini unbeabsichtigt als durchschnittlicher und den antiken Vorbildern wie Cicero nicht gewachsener Redner; überdies gibt er sich auch noch dem Gespött preis289. Leider fehlt das finale Urteil Guarinos am Ende des Apologus; zuvor getätigte Äußerungen stellen dem Charakter Bracciolini jedoch ein schlechtes Zeugnis aus: Die rhetorischen Versäumnisse werden ferner mit dem moralisch-christlich aufgeladenen Wort peccata gerügt, was eindeutig Implikationen für seinen Charakter aufweist: Poggio wird als Sünder gezeichnet, der sich am sacramentum der Latinität vergeht, was zugleich als Allusion an das erste Vorwort seiner Elegantiae zu verstehen ist290. Ferner wird er mehrfach expressis verbis als Lügner und der Wahrheit nicht zugeneigter Sprecher gezeichnet, der seine Schriften dichterisch ausschmückt, dabei jedoch jegliche rhetorische Maßstäbe und Anstand aufgrund seiner inconstantia missen lässt. Die Analyse Vallas lässt sich, wie Mazzocco bereits den zweiten Akt charakterisierte, als sophistisch und partiell als reine Wortklauberei einstufen – besonders seine Strohmannargumentation im letzten Drittel des zweiten Akts entbehrt jeder sachlicher Grundlage und dient allein der Herabsetzung Poggios als Sprecher sowohl im Streitdiskurs als auch in den sprachbezogenen Diskursen, an denen er mit seinem Beitrag partizipierte291. Auch die übrigen Einwände Vallas sind kritisch zu beurteilen: Unter Einbeziehung des rhetorischen Wahrscheinlichkeitsprinzips weist die zeitliche Dimension der narratio der Historia disceptativa tatsächlich einige Fragen auf, die jedoch erst nach einer hyperkritischen und gegen Bracciolini gerichteten Lesart der narrativen Glaubwürdigkeit schaden. Dasselbe gilt für Poggios persona, die er als Autor entweder „schreiben“ oder „sprechen“ lässt. Der vermeintlich willkürliche Wechsel kann als bewusste Überschneidung von der Darstellungs- und Erzählebene gewertet werden, in denen die humanistischen Dialoge sich zwangsläufig als literarische Kompositionen bewegen292. Wenngleich Valla glaubt, über seine philologische Kritik auch die inhaltliche Ebene zu berühren, hat er bei genauem Blick erstaunlich wenig über die Thesen Poggios zu sagen. Die Auseinandersetzung mit der dritten disceptatio bezieht sich einzig auf die unscharfe Begriffsverwendung von grammatice und latine loqui, die, wie Valla richtig argumentiert, den eigentlichen Gegenstand, d. h. die lateinischen Idiome innerhalb des semantischen Spektrums der klassischen Latinität nicht adäquat wiederzugeben vermag, der grundsätzlichen Argumentation aber nicht schadet. Valla zielt bewusst auf vermeintliche Missachtungen der rhetori-
Valla 1972, Apologus 2, S. 515; vgl. Cic. Brut. 218–220. Valla 1972, Apologus 2, S. 512: Laur.: [...] Utrum horum quaeso Guarine maius sentis esse peccatum, quod fidem Pogius an quod decorem non est sectatus? Guar.: Diversa sunt ista peccata, ideoque non facile dixerim utrum utri praestat. Siehe zum Lateinischen als sacramentum oben, Kap. 2.2.3. Vgl. Mazzocco 1993, bes. S. 77. Dazu bes. Häsner 2004, S. 27–29; S. 35–36.
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schen praecepta und dem „semilateinischen“ oder „semibarbarischen“ Sprachgebrauch an, die Poggio als orator – und folglich auch als humanistischen Schriftsteller – disqualifizieren sollten. Bracciolini sei der römischen, d. h. lateinischen Sprache nicht mächtig und dürfe daher nicht als „Bürger“ des literarischen Imperium Romanum angesehen werden. Er wird aus einer von Valla einberufenen Gemeinschaft aufgrund seiner Sprache symbolisch ausgeschlossen, womit die Latinitas zu einem kulturellen wie sozialen Distinktionsmerkmal aufgeladen wurde. Bracciolinis Beiträge erweisen sich nach Vallas Maßstäben aufgrund ihrer sprachlichen wie rhetorischen Fehler – gemessen am klassischen usus loquendi – als tadelnswerte Schriften, was der vituperatio Vallas ihre Legitimität verleihen sollte.
3.5 Zusammenfassung: Der kompetitive Charakter der imitatio Die affektiv orientierte vituperatio zeichnet sich durch zwei maßgebliche Funktionen aus: Zum einen diente sie der Wahrnehmungskontrolle, mit welcher die Agonisten den im „self-fashioning“ zur Schau gestellten Lebenswandel des jeweils anderen attackierten, um das Publikum von der Schlechtigkeit und intellektuellen Untauglichkeit des Gegners zu überzeugen. Simultan unterstützte die ad hominem-Argumentation die Sachebene, da aus humanistischer Perspektive grundsätzlich von einer Verschränkung von Autor und Werk auszugehen war. Ex negativo konnte parallel die eigene Integrität hervorgehoben werden, was zur positiven Perzeption der eigenen Selbstinszenierung beitragen sollte. Mit einem mehrschichtigen Herabsetzungsverfahren versuchten beide Agonisten, das fremdreferentiell zugewiesenes Sozialprestige (gloria, laudes) dem Kontrahenten zu entziehen, d. h. sein nomen und seine fama zu beschädigen, um in einem weiteren Schritt seinen sozialen Körper ausschalten zu können. Auf diese Weise sollte, auf abstrakter Ebene, die Transaktion von kulturellem in soziales Kapital, d. h. die von der Leserschaft durchzuführende Beglaubigung der jeweiligen Beiträge in intellektuelle Bündnisse und die im Anschluss vollzogene symbolische Aufladung der Schriften unterbunden werden. Zum anderen stellte die vituperatio die jeweiligen Nachahmungsverständnisse in praxi zur Schau und verknüpfte die imitatio auctorum mit der imitatio morum. Die Verwertung rhetorischer, stilistischer und stofflicher Elemente aus den antiken Quellen wurde um konkrete Ereignisse aus den Lebensläufen beider Akteure ergänzt, woraus originelle Kompositionen entstanden, die als Imitate ihren Wiedererkennungswert behielten, aber nichtsdestoweniger das literarisch erzeugte Altertum aktualisiert in ihre Gegenwart übertrugen. Bracciolinis permissives Nachahmungsverständnis manifestierte sich in der Transformation ciceronianischer Herabsetzungstopoi, die er geschickt auf die Lebensumstände seines Gegners anpasste und mit seinem genuinen, ebenso auf Cicero fußenden Humorverständnis (sal) kombinierte. Daraus entstanden einzelne facetiae über die zur Witzfigur degradierten persona Valla, die zugleich auf der Bühne des lukianischen Welttheaters die Verwerfungen seiner Gegenwart verkörperte. Valla hingegen setzte sein restriktives Sprachverständnis ein, um
3.5 Zusammenfassung: Der kompetitive Charakter der imitatio
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die poggianische Diktion als Ausdruck „barbarischer“ Indoktrination zu ächten. Er integrierte Bracciolini in seine dualistisch strukturierte Sprachideologie und ordnete ihn den aus seiner Sicht rückständigen mittelalterlichen Gelehrtenkulturen zu. Seine vituperatio war philologisch konfiguriert und stellte eine auf Herabsetzung ausgerichtete Sprachkritik dar. Ihre divergenten imitationes reflektieren entsprechend ihre unterschiedlichen Auffassungen humanistischer Gelehrsamkeit. Prinzipiell trat Bracciolini hauptsächlich als Redner, als orator auf, während Valla sich als criticus oder rhetor zeichnete. Ersterer imitierte vornehmlich die ciceronianische Redeweise, während Valla die quintilianische Analyse invektiv einsetzte. Die Auswertung der ad hominem-Ebene förderte zudem ein gewisses Regelsystem zutage, das sich aus spezifischen Topoi, Motiven und Figurationen aus der antiken Literatur zusammensetzte. Bracciolini und Valla arbeiteten nicht allein alle drei rhetorischen genera in ihre Invektiven ein, sondern griffen auch auf andere Gattungen zurück: Bracciolinis vierte oratio stellt eine Nachahmung der menippeischen Satire dar, während Vallas Apologus dialogisiert ist. Die Invektive gab den Agonisten die Möglichkeit, ihr imitatives Können auf vielfältige Weise unter Beweis zu stellen. Die Applikation der drei Redegattungen (genus demonstrativum, iudiciale und deliberativum) in den jeweiligen Kriegs- und Gerichtsfigurationen spiegeln den dem Disput inhärenten Wettbewerb (aemulatio) wider. Auf jedes von Valla eingesetzte genus reagierte Poggio mit einem Dekonstruktionsversuch oder einer eigenen inhaltlichen Weiterführung, während Valla mit seiner philologischen vituperatio alle Anklagen zu widerlegen versuchte. Den Index dieses Wetteiferns bildete die antike Rhetorik, aus denen beide Agonisten gleichsam schöpften und ihre individuelle Auslegung als Maßstab durchzusetzen beabsichtigten. Wenngleich in erster Linie zur Diffamierung und Diskreditierung eingesetzt und dementsprechend der ad hominem-Ebene zugerechnet, kann diese Debatte, wie Johannes Helmrath bereits zur Diskussion gestellt hat, als Prototyp wissenschaftlicher bzw. in diesem Fall literarischer Kontroversen, als polemisch ausgerichteter „Zeilenkommentar“ oder gar als Rezension gefasst werden293. Die Beschuldigung, heterodoxes Gedankengut zu pflegen, zu verbreiten sowie auch praktisch in die eigene Lebensweise zu integrieren, und zwar sowohl hinsichtlich des christlichen Dogmas als auch hinsichtlich der humanistischen Orthodoxie, mündete stets in einen Überführungsversuch, der den Angeklagten zu einem Delinquenten herabsetzen und gemeinschaftlich ausschließen sollte. Auch die ad hominem-Argumentation führte folglich die omnipräsente Evaluation fort, welche den verachtungsvoll geäußerten Verdacht von intellektuellen Irrtümern, moralischem wie religiösem Fehlverhalten bis hin zu verbrecherischen Taten als notwendige Bedingung ihres gemeinschaftlichen Miteinanders voraussetzte. Demzufolge waren Humanisten stets zur Rechenschaft über ihr Leben und Werk gegenüber ihren Mitstreitern verpflichtet, wodurch sie sich in ein Abhängigkeitsverhältnis zu diesen begaben und sich einer permanenten, reziprok durchgeführten Musterung aussetzten. Bei der Beurteilung erwiesen sich die sozialen Leitkategorien (gloria, laudes) als Parameter ihres so-
Vgl. Helmrath 2010, S. 275. Siehe auch Laureys/Simons/Becker 2013, S. 6.
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3 Die vituperatio als praktische Umsetzung der imitatio
zialen Status bzw. ihres Rufes (fama, nomen), die sich an spezifischen Kompetenzen (die studia humanitatis) und den Lebenslauf orientierten. Dieses Verfahren brachte gleichsam die meritokratische Mentalität des Humanismus zum Ausdruck. Der primäre Streitdiskurs endete beiderseits mit offenen Vorwürfen, auf die keiner der Kontrahenten offenbar mehr zu antworten gewillt war. Das darauffolgende Schweigen markierte das Ende des eigentlichen Konfliktes. Parallel und insbesondere im Anschluss der Veröffentlichung der letzten beiden Invektiven folgte die Aushandlung, die brieflich geführt wurde. Augenscheinlich realisierten beide Gelehrte, dass sie inhaltlich keine neuen Akzente mehr setzen konnten; auch die Herabsetzungsversuche erschöpften sich in Wiederholungen und nur noch graduellen Modifikationen vorheriger Anklagen. Empörung und Skandalisierung der Schriften des Gegners sollten eine moralische Überlegenheit postulieren, die in Anbetracht der Polemik beider Akteure reichlich deplatziert wirkte, nichtsdestoweniger aber eine Eigenlogik des Streits offenbart, nach welcher derartige Reaktionen offensichtlich von den Autoren selbst als notwendige literarische Bestandteile gewertet und von der Leserschaft erwartet worden sind. Im nachfolgenden Kapitel soll abschließend die soziale Dimension der Invektive, d. h. die Aushandlungsebene in den Blick genommen werden.
4 Die Aushandlungsphase: Intellektuelle Bündnisschlüsse 4.1 Frontenbildung und der Aufruf von Leumundszeugen 4.1.1 Argumentations- und Vernetzungsstrategien Die Wahrnehmungskontrolle der vituperatio hatte für die Agonisten das konkrete Ziel, die Leserschaft von der eigenen Position, d. h. vom eigenen Geltungspostulat zu überzeugen, als Verbündete zu rekrutieren und gegen den diskursiv wie sozial zu verdrängenden Gegner in Stellung zu bringen. Zugleich galt es, die eigenen, zur Disposition gestellten Schriften als Ausdruck ihrer intellektuellen Errungenschaften von den Adressaten auf diskursive Signifikanz und gemeinschaftliche wie religiös-soziale Orthodoxie überprüfen und bei simultaner Devaluation der gegnerischen Beiträge aufwerten zu lassen. Die Agonisten integrierten ihr anvisiertes Publikum in den Streit und drängten es zu einer Positionierung und Urteilsverkündung, die durch einen Freundschafts- bzw. Bündnisschluss besiegelt werden sollten. Der bislang allein zwischen den Hauptakteuren ausgefochtene Konflikt wurde auf die gemeinschaftliche Ebene verlagert und initiierte eine Diskussion über die grundsätzliche Ausrichtung der humanistischen Gemeinschaft, die sich in der Ermittlung der informellen, aber orientierungsgebenden Führungsriege, d. h. der Bestimmung ihrer Corona ausdrückte1. Wie die überlieferten Schriftstücke zeigen, kommt dem gezielt angeschriebenen und durch Weitergabe der Invektiven anvisierten Adressatenkreis eine hohe Bedeutung sowohl für die eigene Argumentation als auch für die sozial bedingten Inklusions- und Exklusionsvorgänge ihrer Gemeinschaft zu. Valla fügte Ausschnitte seiner Korrespondenz mit mutmaßlichen Unterstützern in sein abschließendes zweites Antidotum ein, um seinen Rückhalt als externes Argument präsentieren zu können. Bracciolini dagegen initiierte eine eigene Briefkampagne gegen seinen Widersacher, in der er wesentliche Punkte seiner Kritik gestrafft zusammenfasste und um Weiterverbreitung bat. Die Agonisten reaktivierten gefestigte Beziehungen, knüpften neue Kontakte und mussten sich überdies mit alten und auch neuen Feindschaften auseinandersetzen, was eine Eigendynamik innerhalb des humanistischen Feldes auslöste und zugleich einen Ausdifferenzierungsprozess in Gang setzte2. Die permanent beschworene amicitia, welche die humanistische respublica literaria fundierte, wurde gleichsam als Einsatz in
Helmrath bemerkte bereits, dass die Umrisse des innerhumanistischen Resonanzraumes unklar sind und es letztlich fraglich bleiben muss, „ob und wann die geschlossene, ihrerseits wesentlich durch Texte konstituierte Öffentlichkeit der humanistischen Corona sich zu einer breiteren weitet.“ Helmrath 2010, S. 272. Siehe auch zur humanistischen Kommunikationspraxis überblickend McLean 2007, S. 1–34. Vgl. für verschiedene Techniken zur Freundschaftsknüpfung bzw. Festigung von Beziehungen Vgl. Scholz 2005b und Enenkel 2015, S. 500–519. https://doi.org/10.1515/9783111324555-004
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4 Die Aushandlungsphase: Intellektuelle Bündnisschlüsse
Form von sozialem Kapital gehandelt, um die eigene Haltung gegenüber dem Opponenten abzusichern bzw. diese durch symbolische Unterstützung gemeinschaftlich zu festigen. Nach dem Streiteintritt des Valla-Verbündeten Niccolò Perottis 1453 öffnete sich eine weitere Front, die Einfluss auf die Dynamik des Konfliktgeschehens nahm: Perotti bekannte sich nicht allein zu seinem Freund und Mentor Valla, sondern ging auch aktiv gegen Bracciolini mit einer eigenen Briefkampagne und einer Invektive vor3. Der primäre Disput wurde dementsprechend um einen Stellvertreterkonflikt erweitert, an welchem Valla nur noch im Hintergrund beteiligt zu sein schien; er wiederum geriet noch mit dem von Poggio ideell unterstützten bolognesischen Notar Benedetto Morandi im Jahr 1455 in einer eigenen Auseinandersetzung aneinander, welcher jedoch, im Vergleich zum Primärkonflikt, keine allzu große Aufmerksamkeit oder Leserbeteiligung zuteilwurde. Die innergemeinschaftlichen Beziehungen und die vorherrschenden Meinungen über die jeweiligen Opponenten wurden von Bracciolini und Valla in ihren Invektiven einerseits zur Begründung ihres Rückhaltes und andererseits zur Denunziation des Gegners argumentativ eingesetzt. Sie verwiesen auf die Meinung von Leumundszeugen und auf ihre Freundschaften, was die eingespielte Funktionsweise des Konflikts zutage fördert, die aus einem Dualismus von Zurückweisungen der jeweils getätigten Aussagen sowie der Reklamation der postulierten Bündnisse bestand. Sie flankierten ihre Argumentationen überdies mit mutmaßlichen Seitenwechsel und Gerüchten über Sinnesänderungen oder als feindlich einzustufende Aktionen. Aus diesen Strategien wird ersichtlich, dass die im Streit omnipräsenten diskursiven Figurationen der Gerichtsverhandlungen und der intellektuellen Kriege eine pragmatische Dimension erhielten und nicht allein als textuelle, sondern auch als soziale Argumente appliziert worden sind. Die Leumundszeugen stellten grundsätzlich Referenzen dar, d. h. sie traten als Vertreter gewisser humanistischer Disziplinen oder intellektueller Interessen auf, mit denen beide Gelehrte ihre eigenen Schriften assoziierten und die sie zur Autorisierung ihrer Beiträge aufgerufen, gleichsam als Gewährspersonen genannt haben. Ebenso wurden sie mitunter als Verbündete aufgelistet, die ihre Unschuld im Konflikt beteuern oder die eigene intellektuelle Position bestärken sollten. Des Weiteren verwiesen sie auf mutmaßliche Testimonia von Personen, mit denen beide Humanisten zuvor in Auseinandersetzungen verwickelt waren, um die etwaige irrationale und auf Dissens ausgerichtete Aggression des Opponenten von nicht-involvierten Akteuren bestätigen lassen zu können. In der klassisch-juristischen Rhetorik wird diese Argumentation der unkünstlichen, d. h. der rhetorisch unabhängigen, aber dennoch rhetorisch aufzuarbeitenden Beweisführung (genus inartificiale probationum) zugeordnet, die sich aus dem praeiudicium bzw. iudicatum zusammensetzt. Mit diesen Begriffen sind Präzedenzfälle gemeint, die mit dem aktuell behandelten Sachverhalt im Zusammen-
Zum überblick über den Streit zwischen Bracciolini und Perotti siehe grundsätzlich Cessi 1912a, S. 312–346; Schaller 2002 mit philologischer Schwerpunktsetzung auf die Verbalinjurien; Prete 1986; D’Alessandro 2007 und jüngst Sasso 2021 mit Augenmerk auf die Invektive als soziales Phänomen.
4.1 Frontenbildung und der Aufruf von Leumundszeugen
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hang stehen oder mit diesem vergleichbar sind und daher als Beweismittel eingeführt werden können4. Parallel evoziert der Rückgriff auf Zeugen (testes) bzw. vorherige Konflikte das virtuelle Gerichtsverfahren und die forensische Diskurskonfiguration. Auch die Kriegsmetaphorik und die dazugehörige sprachliche Inszenierung eines innergemeinschaftlichen Bürgerkriegs – in deutlicher Anlehnung an die politische Situation der späten Römischen Republik – fanden Einzug in die Begleitschreiben, wie die Benennung von Anhängerschaften, Parteiungen und Verschwörungen (partes, factio und coniuratio) zeigen. Der pejorativ ausgerichtete Rekurs auf die vermeintlichen Meinungen Dritter war zwangsläufig von Verzerrungen, intentionalen Verkürzungen und einer allgemeinen Skepsis geprägt; Freunde und Kollegen wurden vereinnahmt und als potentielle Zeugen für das eigene Verhalten aktiviert. Explizit wurde der soziale Status einschließlich des gemeinschaftlichen Standes über gezielt gestreute Gerüchte in Frage gestellt. Diese konnten den eigenen Rückhalt bis hin zu bislang als sicher wahrgenommenen Freundschaften oder Allianzen in Frage stellen und zu Verunsicherungen führen. Diese Diffamierungsversuche werden auch in den Veröffentlichungsstrategien sichtbar: Absichtlich hielten beide Autoren sich die Streitschriften des jeweils anderen vor, was sich bereits als eine feste Praktik in der Facio-Valla-Kontroverse etablierte. Die hieraus resultierenden Reaktionsverzögerungen sollten bewusst den dialogischen Verlauf der Streiter stören. Die Inszenierung einer offenen Forendebatte erforderte letztlich keinen gleichberechtigen und fairen Austausch und wurde als solcher auch nicht vom Publikum erwartet5. Bei der Analyse des den Streit begleitenden Briefverkehrs kristallisiert sich darüber hinaus ein implizites Regelsystem heraus, das die Bündnisschlüsse und den allgemeinen Urteilsprozess koordinierte. Alle Beteiligte, die Sesto Prete „Sekundärakteure“ (personaggi secondari) nennt, nahmen unterschiedliche Rollen im Konflikt wahr, wenngleich allen Akteuren gemein war, dass sie, wie Bracciolini und Valla mehrfach in ihren Streitschriften deutlich machten, als Zensoren wirken und ihre Meinung über den Streit öffentlich kundtun sollten. Parallel dienten sie im humanistischen Kommunikationsgefüge als soziale wie diskursive Multiplikatoren oder „Zwischenträger“ (Helmrath), welche die jeweiligen Invektiven weiterverbreiteten und in ihren Ge-
Siehe bes. Quint. inst. 5, 2, 1–2: Iam praeiudiciorum vis omnis tribus in generibus versatur: rebus, quae aliquando ex paribus causis sunt iudicatae, quae exempla rectius dicantur [...]; iudiciis ad ipsam causam pertinentibus [...]; aut cum de eadem causa promuntiatum est [...]; confirmantur praecipue duobus: auctoritate eorum qui pronuntiaverunt, et similitudine rerum de quibus quaeritur [...]. Vgl. auch Rhet. Her. 2, 13, 19: Iudicatum est id, de quo sententia lata est aut decretum interpositum. Ähnlich bei Cic. inv. 2, 22, 68: [...] iudicatum, de quo iam ante sententia alicuius aut aliquorum constitutum est. Siehe exemplarisch den Brief Bracciolinis an Pietro Tommasi, Bracciolini 1987, Lettere, 3, Ep. 4, 8, S. 138: Verum nunc per archiepiscopum [scil. Spalatensis] mitto duas orationes, quas scripsi contra dementiam Laurentii Valle in utraque iurgiis ab eo et conviciis provocatus, ut necesse fuerit respondere. Suam responsionem ad priorem meam non scribo, quia tribus libris perlongis in me invectus est inconcinne, inepte, absurde, ineleganter, ut non vacet tempus eas nugas exscribi faciendi.
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4 Die Aushandlungsphase: Intellektuelle Bündnisschlüsse
lehrtenkreisen thematisierten6. In humanistischen Disputen lassen sich ebenso neben potentiellen Parteigängern auch Vermittler und Mahner7 sowie Denunzianten (delatores) oder „Trittbrettfahrer“ finden. Während erstere als moralisierende Schlichter auf einmütige Friedensschlüsse drängten, befeuerten letztere den Streit durch Seitenwechsel, Gerüchteverbreitung oder durch eigenständige Invektiven aus Gründen der Selbstprofilierung – dem beschworenen antiken Forum gleichkommend fungierte der Streit entsprechend als innergemeinschaftliche Plattform und Kapitalienmarkt, bei dem jeder einzelne Teilnehmer mit einem gewissen Einsatz seine Stellung verbessern oder auch verschlechtern konnte8. Die Allianzen wurden, wie üblich in der humanistischen Freundschaftskultur, über formalisierte Lob- und Eintrachtsformeln ausgedrückt, die sich an spezifischen Gelehrsamkeits- und Sozialkategorien orientierten und einerseits distinktive Eigenschaften des Adressaten und andererseits reziproke, auf Gemeinsinn abzielende Attribute apostrophierten. Begrifflich wurden diese hauptsächlich durch die humanitas und benevolentia gefasst; die Ernennung zum amicus oder die Hervorhebung der gegenseitigen Zuneigung, in der Regel über die Verben amare und delectare oder das für die empfangenen Briefe verwendete Adjektiv iucundus ausgedrückt, besiegelten schließlich das Bündnis9. Durch derartige Zuweisungen wurden das freundschaftliche Einvernehmen und der mutmaßlich intellektuelle Konsens beschworen, die zunächst temporäre Affiliationen instituierten. Diese mussten über regelmäßigen Briefverkehr stets aktualisiert werden, wie topische Entschuldigungen für verspätete, unregelmäßige oder knappe Antworten aufzeigen. Die intellektuellen Bündnisschlüsse sollten die innergemeinschaftliche Stellung symbolisch bezeugen, wofür die sozialen Leitkategorien gloria, fama, nomen und laudes zur Verbalisierung herangezogen wurden10. Die faktisch realisierte Unterstützung entschied letztlich über den Erfolg der Streitschriften und der argumentativ zur Disposition gestellten Schriften, d. h. insbesondere der vallianischen Elegantiae und der poggianischen Facetiae. Als literarischer Einsatz fungierten beide
Ähnliche Konstellationen lassen sich auch in anderen humanistischen Konflikten feststellen, so mitunter im Streit zwischen dem Franziskaner und Rhetoriklehrer Antonio da Rho und Antonio Beccadelli am Ende der 1420er Jahre, an dem auch Valla, noch als humanistischer Neuling, partizipierte und nach anfänglichem Zögern den ersteren unterstützte. Vgl. Rutherford 1988, S. 14–18; zusammengefasst ders. 2007, bes. S. 28; Parker 2010, S. xiii–xvi. Siehe zum Schlichten als kulturelle Konstante Nothdurft 1986, S. 12: Beim Schlichten handelt es sich „um ein kulturell tradiertes, interaktiv ausgebautes und sozial konventionalisiertes Muster der rationalen Bearbeitung sozialer Konflikte“. Nothdurft bietet einen vielversprechenden Schematisierungsversuch, der jedoch aufgrund der Quellenlage nur bedingt für die Bracciolini-Valla-Kontroverse anwendbar ist. Bezüglich der Rollenverteilung vgl. Prete 1986, S. 335 und darauf aufbauend Helmrath 2010, S. 268 f. Vgl. zur humanistischen Freundschaft Rüegg 1979 und kritisch zu Rüeggs Unterscheidung zwischen humanistischer Freundschaft und christlicher Brüderlichkeit Treml 1989, S. 77–98, hier S. 93. Vgl. dazu u. a. Müller 2006, S. 61–66; Treml, S. 90; Enenkel 2015, S. 168–186. Zur Formalisierung des Freundschaftskultes und ihrer Bedeutung für soziale Relationen McLean 2007, S. 44–48.
4.1 Frontenbildung und der Aufruf von Leumundszeugen
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Beiträge als Distinktionsmerkmale ihrer literarischen Profile. Da, wie ausführlich gezeigt, die Nachahmungs- und Gelehrsamkeitsverständnisse die Sachgegenstände der Auseinandersetzung bildeten, verschickten Bracciolini und Valla ihre Invektiven in der Regel mit Abschriften ihrer übrigen Werke und baten um briefliche Wertungen und Weitergabe11. Die den Agonisten zuteil gewordene Aufmerksamkeit, die als knappes Gut ebenso eine Sonderform von Kapital darstellte, wurde unmittelbar für den Veröffentlichungsverlauf ausgenutzt, was den Marktcharakter des humanistischen Streites als virtuelles Forum herausstellt12. Beide Agonisten richteten ihre Schreiben an einzelne Gelehrte, die sie jedoch mit spezifischen Gelehrtenkreisen assoziierten und mit ihrer aktuellen Residenz verknüpften13. Die Benennung der jeweiligen Stadtstaaten bzw. Höfe evozierte nicht allein die dort wirkenden Humanisten, sondern ebenso ihre jeweiligen Förder, Dienstherren und die dort verorteten Herrschaftseliten, welche die Rezeptionsräume der Invektiven verkörperten14. Die direkt angeschriebenen Adressaten fertigten eigene Kopien an oder stellten ihre Fassungen oftmals nur beiläufig erwähnten oder namentlich nicht genannten Freunden und Kollegen zur Verfügung, was eine Rekonstruktion der unmittelbar beteiligten Gelehrten erheblich erschwert. Die primären Kommunikationsräume in den Jahren 1452 bis 1455 konzentrierten sich hauptsächlich auf Rom bzw., nach Bracciolinis Abberufung, auf Florenz, Venedig, Bologna und Ferrara, während der Gelehrtenkreis in Neapel zwar mehrfach genannt wurde, aber dem überlieferten Schriftverkehr nach zu urteilen keine aktive Rolle eingenommen hat15. Die Briefüberlieferung nach Venedig und Bologna ist in diesem Fall ausschlaggebend und ermöglicht einen Einblick in die jeweiligen Strategien der beiden Streitakteure. In diesem Zusammenhang lässt sich die Transformation des „self-fashioning“ in ein „community-fashioning“ ablesen, was für den Streit als soziales Phänomen von großem Belang ist: Die literarischen Markenzeichen der beiden Antagonisten wurden von ihren Anhängern aufgenommen und in ihre schriftlichen Parteinahmen affirmativ integriert. Grundsätzlich fand während des Strei-
Exemplarisch Bracciolini 1987, Lettere, 3, Ep. 4, 4, S. 131–133; Ep. 4, 8, S. 138–139 und Ep. 5, 5, S. 180–181. Zur Aufmerksamkeit Haller 2014b, bes. S. 59–61. Zu den Zusammenkünften in den jeweiligen Städten vgl. die Einführung von Summers/Pebworth, S. 1 f.: „Most often, the literary circle is defined as a coterie whose members are linked by shared social, political, philosophical, or aesthectic values or who vie for the interests and attention of a particular patron, or who are drawn together by bonds of friendship, familiy, religion or location.“ Diese Treffen wurden von den jeweiligen Akteuren auch als (nicht-institutionalisierte) „Akademien“ bezeichnet, vgl. Buck 1981b, bes. S. 216, Chambers 1995, S. 1 ff. Siehe ebenso exemplarisch zur neapolitanischen Accademia Pontaniana, die ebenfalls als (mehr oder weniger) fester Gelehrtenkreis instituiert wurde ausführlich Furstenberg-Levi 2016. Zur gemeinsamen „humanistischen“ Kultur und ihrer Diffusion in den italienischen Zentren siehe auch Celenza 2018, S. 231–240. Eine kartographische Darstellung der Bracciolini-Valla-Kontroverse einschließlich ihrer Begleitkonflikte findet sich bei De Blasi/De Vincentiis 2010, S. 362.
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tes ein Ausdifferenzierungsprozess statt, der eine bedingte Aufspaltung des Humanismus in unterschiedliche Gelehrtenstränge, d. h. „communities“ förderte, was jedoch langfristig, paradoxerweise, zu einer Stabilisierung der intellektuellen Bewegung in ihrer Gesamtheit führen und die Ausbildung einer genuinen Gruppenidentität fördern sollte. Stilistische Adaptionen von Wortführern auf der einen und die grundsätzliche Hinwendung zu einer klassischen Latinität auf der anderen Seite setzten auf der Binnenebene eine implizite Aushandlung in Gang, aus der sich sprachliche Formeln zur Inklusion und Exklusion ableiten ließen, während parallel beide Nachahmungsparadigmata ihre Verbreitung erfuhren16.
4.1.2 Die Kurie als Austragungsort 4.1.2.1 Der römisch-florentinische Gelehrtenkreis um 1450 Die Aufstellung der eigenen Verbündeten musste zwischen 1452 und 1453 zunächst zwangsläufig an der römischen Kurie erfolgen, da sie als direkter Austragungsort den unmittelbaren Resonanzraum darstellte. Als internationaler Knotenpunkt trug sie überdies zur Diffusion der Streitschriften entschieden bei. Explizit stellten beide Agonisten ihre berufliche Stellung durch die Fremdwahrnehmung ihrer kurialen Kollegen zur Disposition. Sie beriefen sich auf die apostolischen Mitarbeiter als Zeugen, die sie um einflussreiche Mitglieder aus der humanistischen Corona aus Florenz und Neapel erweiterten. In welchem Rahmen die Bracciolini-Valla-Kontroverse an der Kurie abseits des verschriftlichten Diskurses diskutiert wurde, kann allein über die verstreuten Randbemerkungen erahnt werden. Plausibel erscheint eine Fortführung auf der mündlichen Ebene, d. h. über intime Gespräche, Gerüchte und eine persönliche Weitergabe der Invektiven in den römischen Institutionen17. Nach Bracciolinis Wechsel nach Florenz im Mai 1453 und seiner Übernahme des Kanzleramtes konzentrierte er sich nach wie vor auf Rom, um dort seinen Einfluss wahren und gegen seinen Gegenspieler gezielte Stimmungsmache betreiben zu können. Die Kurie erfuhr unter Papst Nikolaus V. eine kulturelle Aufwertung und wurde in ein humanistisches Zentrum umgewandelt, was personelle wie thematische Änderungen nach sich zog – diese Umgestaltung sollte den übrigen politischen Entitäten wie Florenz Vgl. Treml 1989, S. 118; siehe auch Bernstein 2003, hier S. 383: „Proficiency in Neo-Latin, which they elevated to a linguistic norm, became their status symbol and qualification at the same time, and those who had not yet opened themselves up to the studia humanitatis, who still spoke and wrote the medieval Latin became the object of scorn and derision.“ Exemplarisch u. a. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 206 f.: Hos [scil. tres libros des ersten Antidotum] ille [scil. Valla] insanus cum scripsisset, digna uisa res erat inspicere hominem hallucinantem, fanaticum, erecta ceruice, turbido uultu, aspectu toruo, oculis stupidis, ita ut saepius pedem offenderet grandiori passu cum quodam hypocrita a discipulorum grege, qui suo praeclaro imperatori cathenulam facerent, incedere per urbem discurrentis insani more, quinterniones huius falsae orationis ferentem in manibus [...].
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oder Neapel Konkurrenz machen. Der Nachfolger Petri warb dezidiert anderen Höfen und Städten ihre Gelehrten ab und besiegelte die Aufspaltung des römisch-florentinischen Gelehrtenkreises, der sich bereits durch den Tod zahlreicher prominenter Figuren aus Florenz, wie Niccolò Niccoli (1437), Ambrogio Traversari (1439) oder Leonardo Bruni (1444) in Auflösung befand. Dieser Umstand bedeutete für die Stadt am Arno zunächst einen intellektuellen Bedeutungsverlust, dem erst in den späten 1450er Einhalt geboten werden konnte18. Die nachlassende Geltung erklärt, warum Poggio auch nach 1453 als Kanzler nur vereinzelt florentinische Gelehrte gegen Valla in Stellung zu bringen versuchte und sich stattdessen auf Rom und andere Lokalitäten wie Ferrara und Bologna konzentrierte, wo die Verflechtungen der einzelnen Humanisten und ihrer Einflusssphären noch stärker ausgeprägt waren. Er führte vor seiner Berufung gegen den von Valla in seine Invektive eingebetteten Manetti seinen unmittelbaren politischen Vorgänger an, den florentinischen Kanzler und angesehenen Humanisten Carlo Marsuppini, der als politischer Vertreter das Meinungsspektrum seiner Stadt repräsentieren sollte. Ebenso gehörte Marsuppini zu einem wirkmächtigen Exponenten seiner eigenen Gelehrtengeneration, weshalb er sich als idealer Zensor erwies. Als externes Zeugnis gab Poggio in seinem Beweisgang mutmaßliche Zeugenaussagen wieder, die Vallas prekäre Position in der Gelehrtengemeinschaft belegen sollten19. Exemplarisch führte er an, dass Carlo und andere Gelehrte Valla für seine fehlende Gelehrsamkeit, seinen pathologisierten Dissens und sein bestienartiges Verhalten verurteilt haben sollen. Die mutmaßlichen Aussagen orientieren sich an seinem eigenen Duktus, um eine scheinbar gemeinschaftlich übereinstimmende Meinung zu Valla zu simulieren, weshalb die Authentizität der vorgebrachten Stellungnahmen in Zweifel zu ziehen sind20. Valla konterte hingegen mit einem weiteren Rekurs auf Manetti, der als Florentiner
Zum römisch-florentinischen Gelehrtenkreis immer noch Holmes 1969; siehe auch D’Amico 1981 und 1983, S. 53 zu Bessarion, zu Tortelli S. 35, zu Perotti S. 13; Gordan 1984; Hankins 1993, Studt 2005 und überblickend im breiteren Kontext Esch 2016, bes. S. 177 ff. Zur intellektuellen Abwanderung aus Florenz nach Rom, die vor allem auch politisch bedingt war, vgl. Field 1988, S. 79. Florenz vermochte erst am Ende der 1450er Jahren erneut gegenüber den anderen Stadtstaaten aufzuholen und mit dem neuen humanistischen Gelehrtenstrang des Neuplatonismus verlorenes kulturelles Kapital zurückzuerlangen. Dazu grundsätzlich Field 1988 und Celenza 2018, S. 241–312. Zur Patronage in Rom vgl. Wohl 1984. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 230: Consule Iannotium tuum. Consule Ioannem Aretinum amantissimum (ut dicis) tui. Quamuis nos uerissime asseramus, nullum tibi amicum esse posse, nisi qui mores tuos imitetur, qui eadem qua tu amentia et proteruia teneatur. [...] Ego uero ut aliquid eorum sententiae super adiiciam, possum testari, nullum esse in Italia doctrina aut eloquentia excellentem uirum, quin sit infensissimus iactantiae ac stulticiae tuae. Quaere Pontificis secretarios. Quis est eorum tibi amicus? Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 230: Quis qui te non aspernetur et fugiat uelut detractorem insanum et turpissimum iactatorem? Noui ego illorum opinionem et quid de te sentiant cognosco. Derident omnes beluinam stulticiam tuam et fanaticum quendam iudicant semper insanum. Quanti te existimet uir praeclarissimus Carolus Aretinus et ipse scio et alii sunt testes permulti, te certe et indoctum iudicat et insanum. Dagegen betont Valla die positive Beurteilung seines Dialoges De vero bono, die
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und im dort ansässigen Gelehrtenkreis sozialisierter Humanist seine eigene vermeintlich positive Wahrnehmung bei simultaner Ablehnung Bracciolinis bestätigen würde. Hierfür legte er dem Gelehrten ein mutmaßliches Zitat in den Mund, ohne jedoch die Provenienz zu nennen, was ebenfalls dessen Authentizität in Frage stellt. Dass Poggio genügend Rückhalt in der politischen und intellektuellen Elite der Republik Florenz besaß, belegt seine Berufung zum Kanzler nach dem Tode Marsuppinis, weshalb Vallas Verweis auf Manetti ohne Resonanz bleiben musste21. Auch die mutmaßliche Meinung des bereits verstorbenen Brunis, ebenfalls ehemaliger Kanzler und das zeitweilige Haupt des florentinischen Gelehrtenzirkels, führte Poggio als Beweis an. Als einer der Wortführer, d. h. als eines der sogenannten lumina Italiens, wurde Bruni von beiden Antagonisten als Spielball vereinnahmt und gegen den jeweils anderen als Testimonium eingesetzt. Valla versicherte, dass seine Elegantiae wie auch sein Dialog De vero bono bei Bruni auf äußerst positive Rückmeldung gestoßen seien. Er verschwieg jedoch das angespannte Verhältnis zwischen den beiden, das sich nicht allein in der oben besprochenen Bewertung seiner moralphilosophischen Schrift De vero bono äußerte, sondern sich auch in seiner polemischen Kritik an Brunis berühmter Laudatio florentinae urbis ausdrückte22. Gleichwohl habe Bruni, so brachte Valla an anderer Stelle unspezifisch in seinem ersten Antidot ins Spiel, Poggio für seine literarischen Fähigkeiten gerügt, was wohl als Anspielung auf dessen Kritik an seinem Dialog De avaritia aus dem Jahr 1428/1429 zu verstehen ist23. Diese Randbemerkung traf Bracciolini, wie seine Antwort bestätigt: Er unterstrich die langjährige, „fast fünfzig Jahre“ währende Freundschaft mit dem florentinischen Humanisten und stritt eine Würdigung von Vallas Beitrag seitens Brunis ab: Dieser soll ihn vielmehr als „außerordentliche Bestie“ und „wuterfülltes Tier“ bezeichnet haben; des Weiteren zog er die Aussage seines Gegners aus zeitlichen Gründen in Zweifel, da die Elegantiae in ihrer finalen Version erst 1449 veröffentlicht wurden,
ihm Carlo Marsuppini ausgestellt habe, dazu oben, Kap. 2.3.1.2. Ferner nennt er ihn als Vorbild für sein Verständnis als humanistischer rhetor, vgl. Valla 1978, Antidotum primum 2, 106, S. 150. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 335 f.: Etiam de opere meo Florentia iudicasse dicenda est. Quandoquidem Iannotius Manettus uir eruditissimus, cum legatus Florentinorum hic esset, cui defensionem causae meae ostendi, exclamauit filio et, ut reor, genero, aliisque compluribus audientibus, «Nonne diuinaui? Nonne praedixi fore, ut Pogium poeniteret? Pogius semper erit Pogius, semper erit fatuus: Pogius patriae nostrae dedecori potius quam decori est». Seine einleitenden Worte genügen, um den Duktus seines Briefes aufzuzeigen: Valla 1984, Epistole, Ep. 7, S. 161–163, an Pier Candido Decembrio von 1435: Perlegi Laudationem Florentie Leonardi Arretini plenam levitatis ac supinitatis, ut optime hesterno vesperi dixisse videar: ita loquitur ac si neminem responsurum atque adeo neminem non assensurum suis ineptiis putaret. Valla 1978, Antidotum primum 1, 129, S. 156 als Rechtfertigung seiner Kritik an den spätantiken Grammatikern: Neque id ratione quam mox subiiciam constat, verum etiam multorum hominum testimonio, putas dicam Leonardi, Guarini, Aurispe aliorumque plurimorum qui de operis mei laude scripserunt, ego dico tuo tuorumque similium, qui cum refutare nequeatis hoc preceptum, profecto comprobatis. Zur angeblichen Rüge Brunis ebd. 3, 9, S. 184: [...] Leonardus Arretinus describere solebat, cum diceret Pogio ligonem aptiorem esse quam calamum. Vgl. auch die Anmerkung von Wesseling, ebd., S. 185, Anm. 9.
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Bruni jedoch bereits 1444 verstorben war24. Auch in dieser Hinsicht blieben die gegensätzlichen Aussagen stehen und wurden der Leserschaft zur selbstständigen Authentifizierung überlassen. Hauptsächlich stellten beide Akteure mit den mutmaßlichen Zeugenaussagen ihre Freundschaften zur Schau, um ihre innergemeinschaftliche Stellung anhand der ihnen zur Verfügung stehenden Kontakte zu belegen, weshalb auch bereits verstorbene Gelehrte wie Leonardo Bruni aufgezählt worden sind. 4.1.2.2 Die neapolitanische Front In allen Invektiven behauptet Bracciolini, dass Valla keinen Rückhalt bei den führenden Intellektuellen für sich reklamieren könne, was er mit seiner Autoritätskritik an verstorbenen wie lebendigen Gelehrten verbindet und hierdurch zugleich eine ungebrochene Kontinuität von antiken Bezugsinstanzen und kontemporären Humanisten herstellt. Der Rekurs auf die Auseinandersetzung am neapolitanischen Hof, aus dem Valla um 1448 als Verlierer ausscheiden musste, eignete sich in mehrfacher Hinsicht als ideales Argument gegen Bracciolinis Rivalen. Einerseits konnte er einen vielfach bezeugten Disput als externen Beweis vorlegen und andererseits eine bereits existierende Feindschaft in seine eigene Kampagne integrieren und die Konfliktpartei zumindest symbolisch rekrutieren. Bereits in seiner ersten Invektive brachte er die Gelehrten Bartholomeo Facio und Antonio „Panormita“ Beccadelli gegen seinen Kontrahenten in Stellung und verwies auf die philologische vituperatio Facios an Vallas Gesta Ferdinandi Regis, die Poggio zufolge das pervertierte Sprachverständnis ihres gemeinsamen Rivalen zur Genüge belegt habe. Er verwies mehrfach auf die 1446/1447 stattgefundene Auseinandersetzung am Hofe König Alfonsʼ, die mit dem mutmaßlich vom König forcierten Weggang Vallas informell zu Gunsten Facios und Beccadellis beendet wurde25. Er erweiterte die neapolitanische Front um den für Alfons V. tätigen
Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 211: Sed quando te oro, quomodo, quo tempore isti opus tuum insulsum et ridiculum laudarunt, qui aut nunquam illud uiderint, aut certe non legerint? Leonardus quippe Aretinus, quo cum mihi quinquaginta ferme annis singularis fuit amicitia, quique mecum sua omnia communicauit, nedum te non laudauit, sed semper ingentem bestiam (ut suis utar uerbis) et furibundum animal existimauit. Neque etiam alii quos nominas aliquid in te, praeter fanaticam insaniam laudarunt. Verum si quas tibi laudes habes, affer testimonium ipsorum. Nam tibi iactatori insano minime homines credunt. Ebd., S. 230: Leonardus quidem Aretinus dum uixit, scio quid de te senserit, semper praesumptuosam et fatuam bestiam appellabat. Gemäß seiner elegantia-Konzeption kritisiert Valla die redundante Bemerkung dum uixit in seiner Replik im zweiten Antidotum, Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 345: Sed cur addidisti: dum uixit? An antequam uiueret, aut nunc dum non uiuit, bene sentit et loquitur? Dagegen protestierte Valla und postulierte bildhaft seinen mutmaßlichen Sieg über die beiden Gelehrten. Siehe Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 204: Gloriatur insulsa belua, se Bartholmaeum Fatium et Antonium Panormitam uiros doctissimos suique dissimilimos, qui in eum scripserunt, respondendo compescuisse. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 209: Hic uiros doctissimos suique dissimillimos Antonium Panormitam et Bartholomaeum Fatium, a se superatos et prostratos tanquam a leone gloriatur, ut miretur hallucinator, me post illorum ruinam ausum scribere contra leonem, id est, contra beluarum
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römischen Dichter Porcelio de’Pandoni (1409–1485), der angeblich ein Schmähgedicht gegen Valla verfasst haben soll. Diese Aussage wollte Valla jedoch als Lüge enttarnt haben und betonte stattdessen ihre Freundschaft und innige Zusammenarbeit; bereits im Disput zwischen dem Autor der Elegantiae und seinen Rivalen Facio und Beccadelli fand er offene Unterstützung durch den Dichter Porcelio, der ihm erst die gegen ihn verfassten Invektiven Facios zur Einsicht besorgte26. Dennoch stellte Valla eine potentielle Vergeltung in Aussicht, sofern sich die Komposition einer gegen ihn gerichteten Schrift bewahrheiten sollte. Eine derartig formulierte Warnung offenbart seine Unsicherheit bezüglich des möglichen Abfalls eines Freundes, was auf der sozialkonstruktiven Ebene des Streits die Gefahr von illoyalem Verhalten von Verbündeten widerspiegelt und den mitunter rein symbolischen Rückhalt, sowohl psychologisch als auch pragmatisch in Form von (brieflicher) Unterstützung, deutlich hervorhebt27. Porcelio war simultan mit Poggio befreundet und fungierte oft als Briefträger, der seine Werke, darunter auch die Invektiven gegen Valla (!), an die jeweiligen Empfänger transportierte, was sicherlich seine Ungewissheit erklären kann28. Ähnliche Zwei-
regem [vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 7, S. 84]. Mira profecto uirtus et fortitudo, duos doctos ab indocto, sapientes a stulto, prudentes a fanatico, robustissimos ab imbecillo latrunculo superatos. Digna quoque res est quae Romanorum annalibus inseratur. Zum Streit und seinem Ausgang vgl. Abbamonte 2021, hier S. 34. Zur Sprache von Vallas historia vgl. Tunberg 1988. Siehe Valla 1981, Antidotum in Facium 1, 3, 22: Quis non putaret, post hec, istos ab editione suorum librorum temperaturos fuisse? At hi quartum adiderunt descriptumque in multa exemplaria opus per Italiam dimiserunt: ita ut propinqui mei, quod Neapoli habere nequieram, ad me Porcelii beneficio [Hervorhebung durch den Verfasser], Roma transmiserint ex eo exemplari transcriptum quod isti ad Pogium miserant. Porcelio war überdies am neapolitanischen Hof in einem offenen Konkurrenzkampf mit Beccadelli verwickelt. Vgl. dazu Regoliosi 1981, S. XX–XLVI; Parker 2010, S. xviiif. sowie die gegen Beccadellis Hermaphroditus gerichteten poetischen Invektiven im Anhang App. XVI–XVIII, S. 178–187 und Iacono 2017b, S. 52 f. Hier offenbart sich nicht allein die Überschneidung der verschiedenen innerhumanistischen Fronten, sondern auch die latente Weiterführung der verschiedenen Konflikte, die in diesem Kontext leider nicht näher betrachtet werden können und nach einer eigenen Untersuchung verlangen. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 209: Cur non et his addidisti uirum doctissimum Porcellum, qui tot uersus in tuam stulticiam et mores reprobos scripsit elegantissime. Credo te cum poesi certare noluisse, cum artem oratoriam profitearis. Sed quis est oro huius autor uictoriae? Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 337: Quo minus debuisti nomen mihi Porcelli opponere, quem amicum meum esse opinor et qui me in recenti aduentu accipere et a me accipi in conuiuium solitus est, cuius Epigramma ad me, tanquam ad operis sui iudicem, extat sane quam honorificum et meum uicissim ad eum eodem die rescriptum: qui si contra me, quod non puto, scripsisset, profecto ne si Erymanthius quidem foret aper, ab Hercule ferret impune. Vides quam uerear tuum iactantiae crimen? Das besagte Schmähgedicht konnte vom Verfasser nicht identifiziert werden, weshalb an dieser Stelle offen bleiben muss, ob eine derartige Schrift existierte oder nicht. Ein deutlich negativ ausgerichteter biographischer Abriss zu Porcelio de’Pandoni findet sich bei Voigt 1960, 1, S. 491–496; modern und deutlich ausgewogener bei Iacono 2017b, S. 46–57, die sich ausführlicher mit dem Dichter befasst. Siehe auch Iacono 2016 und 2017a. Vgl. Bracciolini 1987, Lettere, 3, Ep. 4, 8, Poggio an Pietro Tommasi. Siehe auch den Brief Filippo Tifernas an Poggio, abgedruckt in Walser 1914, Nr. 60, S. 490–493.
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fel vermag Bracciolini auch hinsichtlich des zum Zeitpunkt des Streits in Bologna befindlichen Theologen und einstigen vallianischen Schützlings Fernando da Cordoba (ca. 1426–1486) zu streuen, der sich letztlich gegen Valla gewandt und ihn für seine intellektuellen Irrtümer sowie seine als häretisch klassifizierten Schriften getadelt haben soll. Wenngleich Valla die mutmaßliche Kritik Fernandos als gezielte Finte seitens Poggios einstufte, zog er die Möglichkeit einer Intrige nichtsdestoweniger in Betracht29. Bracciolini musste über die diversen, meist allein über Andeutungen oder unspezifisch genannten Auseinandersetzungen am neapolitanischen Hof, zu denen prominent der offene Konflikt zwischen Facio und Valla gehörte, umfänglich informiert gewesen sein. Seine Zeugenliste beinhaltet Humanisten, die in den 1440er Jahren mit Valla in Kontakt standen oder sogar mit ihm befreundet waren. Offenbar, und dafür spricht die Reaktion seines Gegners, musste die Kommunikation mit Porcelio und Fernando seit seinem Weggang aus Neapel gelitten haben; auf eine offene Unterstützung ihrerseits konnte Valla nicht mehr zählen. Auch den humanistischen Förderer König Alfons V., der in den italienischen Gelehrtenkreisen hohes Ansehen genoss30, integrierte Bracciolini als Bezugsinstanz in den Streit: Er positionierte ihn gleichsam als königliches Haupt der neapolitanischen Allianz gegen seinen Widersacher und zeichnete ihn, wie oben gezeigt, als Opfer der vallianischen Täuschungsmanöver31. Auf die königliche Wahrnehmung der beiden Agonisten hatte der Streit jedoch keine Auswirkung: Beide verblieben mit Alfons in Kontakt; Valla reiste 1455 sogar noch einmal zum königlichen Hof, um die ursprünglich für den mittlerweile verstorbenen Papst Nikolaus V. adressierte, jedoch noch unfertige Übersetzung Herodots an Alfons umzuwidmen32. Über aktive Teilnahmen neapolitanischer Gelehrter an der Auseinandersetzung können keine eindeutigen Aussagen getroffen werden. Ein Brief Vallas an den neapolitanischen Adligen und Diplomaten Marino Tomacello bestätigt, dass sein Antidotum am Hofe König Alfonsʼ gelangte und rezipiert worden ist, während Bartholomeo Facio zumindest seit der
Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 230: Quid loquar de doctissimo ac excellentissimo in artibus liberalibus ac Theologia uiro Fernando Cordubensis, qui praesens est in Bononiensis curia, qui te non solum stultum, indoctum, insanum, sed etiam haereticum iudicat, qui cum tuas iactantias legisset, infinitos in illis errores deprehendit. Tua opuscula [scil. mitunter die Collatio Novi Testamenti] adeo laudat, ut nullum ex eis esse dicat in quo non aliqua haeresis labes admisceatur. Die dazugehörige Replik von Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 342: Quare tibi nec de Ferdinando Cordubensi respondeo, qui si tecum de me, quem ait sibi amicum, et de se bene meritum, male loquitur, ingratus est, nec officio probi uiri fungitur. Sin uerum amicum agit, tu potius ementitus es [Hervorhebung durch den Vefasser]. Zu Fernando da Córdoba siehe die Biographie von Monfasani 1992b, zur potentiellen Intrige gegen Valla und den zeitlichen Unstimmigkeiten mit den Vorfällen am neapolitanischen Hof bes. S. 9 ff. Zum neapolitanischen Gelehrtenkreis vgl. den Überblick von Rao 1976. Zu Alfons und der Schaffung eines „humanistischen Königs“ vgl. delle Donne 2015 zur Dynastie Caridi 2021. Siehe das beinah hochtrabend wirkende Empfehlungsschreiben Vallas für Fernando an König Alfons V. aus dem Jahr 1444 Valla 1984, Epistole, Ep. 27, S. 258–263. Vgl. Vahlen 1869, S. 366–368.
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Berufung Poggios zum florentinischen Kanzler bis März 1455 keine Briefe mehr von ihm erhalten hat33. 4.1.2.3 Das Meinungsspektrum in Rom Als Retaliation auf Bracciolinis Behauptung, dass Valla mit nahezu allen zeitgenössischen Gelehrten Italiens aneinandergeraten sei, listete dieser über die bereits oben diskutierte sermocinatio Manettis eine Reihe von Konflikten auf, in denen sein Opponent insbesondere im kurialen Umfeld verwickelt gewesen war. Ohne detaillierte Beschreibungen nennt er Poggios satirische Kritik an einer Totenrede des apostolischen Schreibers Francesco Vellatas aus dem Jahr 142834, einen brieflichen Angriff auf den Griechischlehrer Vallas, Giovanni Aurispa (1376–1459), aus dem Jahr 142835, den aufgrund eines Fälschungsvorwurfes gegen Bracciolini geführten Disput mit dem Bischof von Feltre, Jacopo Zeno von 1448/145036, die briefliche Schelte gegen den Söldner und Gelehrten Tommaso Morroni da Rieti, der auf eine Anstellung an der Kurie hoffte und die ihm seitens Poggios und seiner Kollegen verunmöglicht wurde37, sowie die langjährige Auseinandersetzung mit Francesco Filelfo, die Bracciolini 1434 mit seiner ersten Invektive begann und die erst 1448 unter Vermittlung des venezianischen Arztes und Humanisten Pietro Tommasis (†1458) zumindest formell beigelegt werden konnte38. Der apostolische Sekretär versuchte alle gegen ihn
Valla 1984, Epistole, Ep. 54, S. 386: [...] cui [scil. Antonello Petrucci] quietiore animo erit dicas ut proemium meum super Collationem Novi Testamenti ad me mittat, magnopere enim illud desidero, et item Antidotum in Pogium. Zu Tomacello und Petrucci, einem Schüler Vallas, vgl. Besomi/Regoliosi 1984, S. 371. Zum Briefverkehr zwischen Bracciolini und Facio siehe Bracciolini 1987, Lettere, 3, Ep. 7, 7, S. 328: Non scripsi ad te posteaquam relicta romana curia in patriam redii propterea quod et id temporum conditio prohibebat et nihil interim acciderat in rebus meis, quod postularet officium litterarum. Dazu Walser 1914, S. 94–95; Wesseling 1978, Appendice I, S. 245. Den besagten Brief richtet Bracciolini an seinen Freund Niccolò Niccoli, siehe Bracciolini 1984, Lettere, 1, Appendice III, S. 225–228. Der für ihn typisch invektive Duktus spiegelt sich mitunter in der Deskription Aurispas wider: Fuit tibi summa familiaritas cum Io. Aurispa, homine ut aiunt flagitioso, turpis vite et moribus obscenis. Vgl. zum Anlass Walser 1914, S. 294 f. und bes. Wesseling 1978, Appendice I, S. 247–249. Der Bischof warf Poggio vor, im Namen des Papstes ein gegen Zeno gerichtetes Schreiben verfasst zu haben. Vgl. Dazu Walser 1914, S. 267 f.; Wesseling 1978, Appendice I, S. 251, 1448; die Invektive findet sich in Bracciolini 1987, Lettere, 3, Ep. 3, 15, S. 108–111. Bestechlichkeit und Dokumentenfälschung erscheinen hier weniger als Topoi oder Angriffe gegen die philologischen Studien der Humanisten, wie in Kapitel 3.3. primär argumentiert wird, sondern als konkrete Tatbestände. Die humanistischen Dispute des 15. Jahrhunderts müssten in einer gesonderten Studie nach den Einzelanklagen und grundsätzlich verwendeten Topoi verglichen werden, um sie kulturgeschichtlich einordnen zu können. Vgl. der im Namen Pier Candido Decembrios verfasste Brief von Poggio, den er an sich selbst richtete Bracciolini 1984, Lettere, 2, Ep. 8, 1, S. 303–307. Vgl. Walser 1914, S. 192–194; Wesseling 1978, Appendice I, S. 249. Auch dieser Konflikt Poggios ist bislang unerforscht. Vgl. dazu Walser 1914, S. 176–180; Wesseling 1978, Appendice I, S. 245–247; zu den komplexen Hintergründen im Kontext der florentinischen Politik um die Medici auch Field 1988, S. 83–85; ausführlich zum Disput Rao 2007, S. 58–70. Zu Tommasi u. a. Cook 2013, Appendix II, S. 334.
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aufgezählten Kontroversen entweder als tendenziöse Verzerrungen oder als bereits beigelegte Sachverhalte zu relativieren, wobei er in Bezug auf den Bischof von Feltre von einer rein defensiven Gegenreaktion spricht. Tommasi partizipierte als Vermittler auch in der Bracciolini-Valla-Kontroverse und sollte sich am Ende der vallianischen Partei anschließen, wie noch zu zeigen sein wird39. Des Weiteren lieferte Valla eine Beschreibung von Bracciolinis handgreiflicher Konfrontation mit dem apostolischen Sekretär und an der römischen Universität angestellten Professor Georg von Trapezunt (1395–1486) vor dem apostolischen Kanzleivorsitzenden, um seinem Feind eine irrationale, rein affektgeladene Reaktion mithilfe eines öffentlichen und bezeugten Vorfalls nachweisen zu können40. Poggio relativierte den Vorfall ironisch und sprach von einer tendenziösen Ausschmückung der Geschehnisse. Im Gegenzug behauptete er erneut, dass Valla weder Freunde noch Verbündete unter ihren Kollegen habe, während er seinen langjährigen Dienst und seine vielfachen Beziehungen zu diversen Amtsträgern als Zeugnis seines Rufes anführte. Diesen Aspekt wiederholte er mehrfach in seiner Briefkampagne wie auch in der Invektive gegen den Valla-Unterstützer Perotti. Dabei vermochte er durchaus die vorherrschende Meinung über seinen Opponenten im päpstlichen Umfeld vor dessen Anstellung unter Papst Nikolaus V. wiederzugeben und bediente sich der von ihm selbst mitgeprägten Ressentiments: Vallas Rede gegen die Konstantinische Schenkung und seine Konfrontation mit der neapolitanischen Inquisition führten in den 1440er Jahren zu Verwerfungen mit einflussreichen Vertretern der römischen Kirche. Die Skepsis ihm gegenüber fand ihren Niederschlag mitunter in der erneuten Verwehrung einer Sekretariatsstelle unter Papst Eugen IV., die seine Rückkehr
Exemplarisch Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 216 f.: De Philelpho nil tibi impudico asino respondendum, qui ignem iam extinctum coneris excitare. Amici enim tuendi gratia, in cuius causa honestius est laborem sumere, quam in nostra nonnulla scripsisse me et illum contra rescripsisse, postea nos redisse in gratiam, ut praeteritorum obliuisci aequius sit et bono uiro dignius quam meminisse. De Thoma mentitum te esse, accusabit me priori loco dixisse: Ipse enim si roges fatebitur, primum me suis lacessisse maledictis, me posteriorem in respondendo fuisse. Afferet te primum omnium qui uiuant falsa crimina fingere. Vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 187, S. 126: Tu vero quo pacto et facias et patiaris iniuriam vel hodiernus dies, qui est ante IIII nonas Maii, testis est; nam cum tuo et college et equali Georgio Trapezuntio in frequenti cancellaria, quasi in secundo senatu, coram ipso preside cancellario dixisses: «Mentiris per gulam!» Quod invectivam in eum scripsisses – ut certe scripseras Venetiamque miseras – ille tibi unum atque alterum colaphum duxit. [...]. Dazu Poggios Reaktion Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 222: Exprobras mihi concertationem quandam inter me et Trapezuntium, cum adessent caeteri secretarii exortam. At tu orator eximius cuius est rem paruulam uerbis magnam reddere, tanquam in Lapitharum centaureorum bello me colaphis percussum [vgl. Ov. Met. 12, 536; Mart. 10, 11, 3 f.] fingis. In quo vehementer erras. Non enim colaphis tantum, sed calcibus, fustibus, ferro res acta est. Itaque demiror te Thrasonem ignauissimum, militem gloriosum non accurrisse ad id certamen cum panniculo, tanquam manipulus furum quo abstergeres uulnera.
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bis zu dessen Tod verhindern sollte41. Die kuriale Wahrnehmung Vallas sollte sich jedoch nach seiner Anstellung als Schreiber deutlich verändern, was insbesondere durch die personellen Neuzugänge und der Einsetzung von Gelehrten einer neuen intellektuellen Generation zu erklären ist. Zur Bestätigung seiner Stellung rief Valla mitunter die aktuellen Sekretäre Giovanni Aurispa und Rinuccio Aretino42 sowie den mailändischen Gelehrten Pier Candido Decembrio als Zeugen auf. Decembrio, mit dem er bereits zuvor in freundschaftlichem Kontakt stand, gehörte ebenso zu den neuen Mitarbeitern 43. Als Bezugspunkt für den kurialen Gelehrtenkreis fungierte der im Hintergrund wirkende und für die päpstliche Bibliothek abgeordnete Kämmerer Giovanni Tortelli, der mit allen Bediensteten in engem Kontakt stand und die päpstliche Kulturpolitik koordinierte44. In dieser Hinsicht vermochte Valla dank Tortelli einen karrieristischen Neustart an der Kurie hinzulegen. Die unter Nikolaus V. vollzogene Schwerpunktsetzung auf Übersetzungen und Erschließungen der griechischen Literatur ließ den nur rudimentär der griechischen Sprache mächtigen Bracciolini, der sich nichtsdestoweniger an eigene Übertragungen
Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 230: Hoc tantum addam, quinquaginta fere annos ita me uersatum in Curia, ut absque alterius offensione charus, octo Pontificibus continuo in honore et dignitate fuerim, quadriginta ferme secretarium. Siehe u. a. den Brief von Nikolaus von Kues an Valla, Valla 2013, Correspondence, Ep. 47B, S. 240, der ihn nach Eigenaussage für eine Beförderung bei Papst Nikolaus V. empfahl: ʻLaurentius noster clariorem fecisset.ʼ Unde ego continue adieci: ʻEx quo Laurentius cunctis preferendus, cur sanctitas sua eum inter primos non haberet secretarios?ʼ Qui respondit [scil. Nicolaus]: ʻSunt qui non favent, sed erit.ʼ [Hervorhebung durch den Verfasser]. Ähnlich Francesco Filelfo zum Wechsel Vallas von Neapel nach Rom, ebd., Ep. 49A, S. 256: Non enim ociosum te esse patiantur, qui viros bonos eruditosque insequi, vel absentis, consuerunt. Siehe auch die Briefe an den Arzt und Vertrauten Papst Eugens IV., Lodovico Trevisano, Valla 1984, Epistole, Ep. 22, S. 246–249, und an Kardinal Landriani, ebd., Ep. 25, S. 254–257.; zu Vallas Stand an der Kurie in den 1440er Jahren vgl. Setz 1975, S. 85 ff. Zur Biographie und den Griechischübersetzungen Rinuccios vgl. Hankins 1991, 1, S. 85–89, zu Aurispa einführend Cook 2013, S. 327 f. und jüngst Gualdo Rosa 2020 sowie Micciché 2021. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 335: Et tu me secretariis inuisum dicere audes? Quorum duo Aurispa atque Rinutius me, ut suo in Graecis literis discipulo, gloriantur, ut ego inuicem ipsis praeceptoribus. Et Candidus de laudibus operis mei De Vero Bono, cum esset Mediolani, epistolam accuratissimam scripsit: comparans me omni antiquitati, quorum denique nemo est non mecum summa amicitia ac familitate coniunctus [...]. Bei dem besagten Brief könnte es sich um das Schreiben Decembrios an Antonio Cremona handeln, der bei Barozzi/Sabbadini 1891, Nr. 20, S. 64 abgedruckt ist; ferner richtete Valla seine Invektive gegen die juristische Fakultät von Pavia an Decembrio, was für ein freundschaftliches Verhältnis spricht. Auch der mailändische Poet Antonio Cremona (†1465) unterstützte Valla während seines Aufenthalts in der Lombardei, vgl. Valla 2013, Correspondence, Ep. 0A, S. 2–5. In diese Zeit (1433) fällt die Fertigstellung der zweiten Version seines Dialoges De vero bono. Zu Decembrios Tätigkeiten in Rom siehe Pyle 1984. Vgl. Stinger 1985, S. 213; zum Renommee Tortellis vgl. auch D’Amico 1983, S. 35. Siehe zu Tortelli und seinen Tätigkeiten als Bibliothekar den von Manfredi/Marsico/Regoliosi 2016 herausgegebenen Sammelband. Zu Perrotis Rolle in diesem Projekt siehe bes. Onorato 2016.
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wagte, als deplaziert erscheinen, wie er selbst in seinen Briefen mehrfach beklagte45. Er stellte sich entsprechend nicht allein gegen Vallas genuines Programm, sondern ebenso gegen die neu eingeschlagene intellektuelle Richtung unter Papst Nikolaus, die er insbesondere in seinem Gegenspieler, aber auch in dessen Freund und Verbündeten Perotti verkörpert sah. Perotti lehrte zunächst zwei Jahre lang Rhetorik und Poesie an der bolognesischen Universität (1451–1453) und diente dem dort residierenden päpstlichen Legaten, Kardinal Johannes Bessarion, der selbst als humanistisch orientierter Gelehrter und Förderer wirkte46. Mit Vallas engem Freund Tortelli stand Perotti ebenfalls in freundschaftlichem Austausch, was Poggios Vorgehen in Rom deutlich erschwerte. Eine Unterstützungszusicherung bzw. eine positive Beurteilung (kirchen-)politisch einflussreicher Amtsträger galt als äußerst wertvolle Auszeichnung der eigenen Person und bedeutete innerhalb der auf Bezugsinstanzen fußenden humanistischen Gemeinschaft einen Zugewinn von Sympathisanten. Auch vom deutschen Kardinal und prominenten Gelehrten Nikolaus von Kues (1401–1464) erfuhr Valla direkte Unterstützung, was von einem soliden Rückhalt im Kardinalskollegium zeugt47. Bessarion und Nikolaus standen ihm bei seinen Übersetzungsprojekten und seiner bibelphilologischen Collatio Novi Testamenti zur Seite. An dieser grundsätzlichen Horizonterweiterung der studia humanitatis unter dem neuen Papst hatten nicht allein der Autor der Elegantiae, sondern auch Georg von Trapezunt, der in den Folgejahren nach Rom übersiedelnde Giannozzo Manetti und auch der Gelehrte Theodoro Gaza (ca. 1398–1475) maßgeblichen Anteil48. Die Kardinäle unterstützten Valla sowohl ideell als auch konkret durch Fürsprache beim Heiligen Stuhl: Nikolaus lobte explizit die Collatio Novi Testamenti, da sie utilis est pro
Vgl. Walser 1914, S. 238; Monfasani 1976, S. 70 f. Zu Nicolaus V. vgl. einführend Boyle 2000 und Manfredi 2000. Siehe auch Stinger 1985, S. 282–291. Vgl. Pade 2008, S. 80–81; DʼAmico 1983, S. 12–14. Zu Bessarion nach wie vor die dreibändige Monographie von Mohler 1913, zu Bessarions Tätigkeiten in Bologna siehe bes. Mohler 1923–1942, 1, S. 258–267, zu seiner Rolle als Humanist S. 325–335; jüngst Coluccia 2009, zum Wirken in Rom und Bologna in den 1450ern bes. S. 151–184. Zu Nikolausʼ Wirken in Italien siehe jüngst Peroli 2019. Zum Verhältnis zwischen Valla und Nikolaus auch Blum 2020. Die Literatur zu Nikolaus von Kues ist mittlerweile kaum noch zu überblicken. Für sein Wirken in Rom siehe den rezenten Sammelband von Euler 2020. Ansonsten sind die mittlerweile dreizehn Bände der Acta Cusana heranzuziehen. Vgl. zu den intellektuellen Rahmenbedingungen an der Kurie unter Papst Nikolaus V. Monfasani 1976, S. 69–113; Miglio 2006, bes. S. 106 ff.; den Haan 2016, bes. S. 29 ff. Zu Manettis Wirken und Bibelphilologie bes. den Haan 2016 und Marsh 2019a, S. 117–140. Siehe auch zu den kurialen Konflikten bezüglich philologischer Arbeiten an der Bibel und zu Übersetzungen griechischer patristischer Texte Monfasani 2008 mit weiterführender Literatur und einer kritischen Auseinandersetzung mit der Forschung zu diesen Themen. Siehe für weiterführende Literatur oben, Kap. 2.3.3. Mit Augenmerk auf die platonischen Übersetzungen siehe Hankins 1991, 1, S. 163–263; auch DʼAmico 1983, S. 53. Zur Biographie Gazas vgl. Geanakoplos 1984.
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intellectu sacre scripture; ferner setzte er sich für eine Beförderung ihres Verfassers beim Papst ein und hob dessen Latein- und Griechischkenntnisse hervor; konkrete Äußerungen zum Streit sind vom deutschen Kardinal hingegen nicht überliefert49. Auch Papst Nikolaus V. wurde in den Streit hineingezogen. Er selbst beteiligte sich schriftlich nicht, duldete den Konflikt aber offenbar. Valla versuchte bereits im ersten Antidotum seine fama durch die vom Nachfolger Petri verliehenen Ehren und Ämtern (honores und muneres) bestätigen zu lassen50. Bracciolini indes akzentuierte seine eigene gute Beziehung zu Nikolaus und asserierte, dass dieser zunächst von Vallas vermeintlichen Errungenschaften geblendet und aus Barmherzigkeit ihn aufgenommen, mittlerweile jedoch eine schlechte Meinung vom dem apostolischen Schreiber habe. Er charakterisierte seinen Rivalen als Betrüger, der seine päpstlichen wie königlichen Dienstherren und Förderer geschickt auszunutzen wisse51. Zur Beglaubigung seiner eigenen Aussagen ging Valla indes einen Schritt weiter und widmete ihrem gemeinsamen Dienstherrn im zweiten Antidotum die gesamte Invektivserie gegen Bracciolini, was die Schärfe der Anschuldigungen reflektiert. Des Weiteren brachte er noch seine ihm vom Papst aufgetragenen Übersetzungsprojekte der Historiae des Thukydides und des Herodot ins Spiel, um die Bedeutung seines Wirkens für die päpstliche Kulturpolitik zu unterstreichen52.
Vgl. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 340; Valla 2013, Correspondence, Ep. 47A u. 47B, S. 240. Nikolaus von Kues kritisierte die Übersetzung der aristotelischen „Politik“, bei der es sich womöglich um die Übersetzung Brunis handelte, gegen die Valla in einem früheren Brief (Valla 1984, Epistole, Ep. 34, S. 288–289) bereits polemisierte. In seiner Replik auf die poggianische Häresieanklage fungierte der Brief als Beglaubigung seiner Frömmigkeit und Beleg, dass die Collatio dogmatisch als konform einzustufen sei. Valla 1978, Antidotum primum 1, 5, S. 82 f.: [...] et tanquam non iam pridem famam meam optrectare inceperit cum absentis, tum vero presentis, non solum apud alios, sed apud summum pontificem non minus sapientia quam dignitate prestantem, quod de me bene et sentit et loquitur ac honoribus me muneribusque prosequitur [...]. Siehe auch die ostentative Abwertung von Vallas Lehrtätigkeiten, Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 212 f.: Nam quod sanctissimum uirum Pontificem nostrum bene de te et sentire et loqui iactanter scribis: Tua istaec, non illius est praedicatio, longe ab hac sententia alienus est animus suus. Ego enim qui cum eo saepius aliquanto quam tu loquor, melius quam tu noui quid ipse de te loquatur et sentiat. [...] Nam quod ab ipso te legendi exercitio nummis officio donatum ostentas et in multis aliis Princeps noster beneficus et liberalis fuit, sed in te solo oleum et operam perdidit. Similia doctis pariter et indoctis contulit. [...] Cum dedit officium, sed Vallae nondum noto, non tua amentia cognita, non perspecta scurrilitate, humilis enim egens, pulsus, eiectus a rege inclyto Romam ueneras, ita submissus ut stipem petere uidereris. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 326: Quare me tibi excuso summe pontifex, quod opus quod mihi e Graeco transferendum delegasti, intermitto, dum me ab atrocissima protego insectatione. Namque ipsum opus, quod tuum est, cum tuis auspiciis transferatur, perdit suam dignitatem, autoritatem, gloriam, dum eius reprehenditur interpres. Podio potius succensere habebis, et mihi ueniam dare, qui prouocor, uulneror, occidor, ne solum dare ueniam, sed etiam pati, ut hoc meum certamen nomini tuo dicem. Detegam enim iam tuto post latam sententiam, mei rationem facti. Primus liber meae responsionis ab litera N., secundus a Q., tertius a P. Vnde nomen, cognomen, agnomen tuum incipit. Nicolaus
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4.1.2.4 Bracciolinis Strategien als florentinischer Kanzler Bracciolini war sich der geänderten Rahmenbedingungen im päpstlichen Umfeld durchaus bewusst. Daher beschränkte er sich nach seiner Berufung zum florentinischen Kanzler im Mai 1453 auf subversive Interventionsversuche durch briefliche Intrigen und Aufwiegelungsversuche, was sich zu Beginn der 1430er Jahre noch als effektive Strategie erwies, jedoch durch die geographische Distanz und die geänderte Personenkonstellation erfolglos bleiben musste. Aufgrund der für ihn ungünstigen Gegebenheiten setzte er nach seinem Fortgang aus Rom auf eine neue Strategie. Wenngleich er seine Energie nach wie vor auf seinen Rivalen richtete, stilisierte er diesen nun mehr als Katalysator der an der Kurie erfolgten intellektuellen Umbrüche53. Er sprach in seinen Briefen von einer gegen ihn in Stellung gebrachten vallianischen Partei; Manetti und Tortelli warf er aufgrund ihrer Beziehungen zu seinem Kontrahenten eine Kontaktschuld vor und diffamierte sie als Sympathisanten der vallianischen „Sitten“ (mores). Beide Parteigänger versuchte er abfällig als canes Laurentiani oder, in Analogie zur Bürgerkriegsmetaphorik, als ihm feindlich gesinnte coniuratio zu diffamieren54. In einem Schreiben an den apostolischen Sekretär Pietro da Noceto, im Herbst 1453 versendet, stellte Poggio die grundsätzliche Personalpolitik des Paptes in Frage und bat den Adressaten um direkte Einflussnahme, um die Würde des Amtes und des Heiligen Stuhls wiederherstellen zu können. Diese Verwerfungen führte er auf die neuen Sekretäre zurück55. Neben Valla nannte er noch seinen einstigen Gegner Francesco Filelfo und Giovanni Tortelli, die er als Fehlbesetzungen für das Sekretariatsamt erachtete. Kritisch äußerte er sich zu der mutmaßlichen Herabsetzungspraktik Vallas und Filelfos, die er ferner, im Hinblick auf die Satyrae des letzteren, um Geldgier und Ehrgeiz ergänzte. Hier spielte er auf die stattliche Entlohnung von 500
Quintus Papa. Sicut et hic quartus a T, quae prima tui proprii sive priuati nominis litera est. Ita quatuor libri erunt, atque adeo sex, si duos illos libellos addamus, quibus per dialogum totidem opera Podii, ut barbara, ut absurda, ut omnibus uitiis plena, reprehendi, ut ea uitia iuuenes studiosi deuitare possent. Zu Valls Übersetzungsverständnis Pade 1984. Dazu auch Folts, Jr. 1976, S. 217 f.; S. 227 f. und S. 284. Vgl. exemplarisch Bracciolini 1987, Lettere, 3, Ep. 5, 23, S. 213–216, an Giovanni Tortelli, hier S. 214; Lettere, 3, Ep. 5, 35, S. 236, an Alberto Parisi. Bracciolini 1987, Lettere, 3, Ep. 5, 10, S. 187–189, hier S. 188: Sed quid, te oro, pontificem movet ad dandum adeo omnibus ne dicam spargendum officium nostrum? Nunquid hoc secretariorum inopia? [...] Scio dominum nostrum virum esse sapientem, sed nimis cedere aliquando petentium molestie et importunitati. Insta igitur opportune et importune hortare; obsecra pontificem, ut rationem habeat primum honoris sui, tum officii personarum curie, tum eorum, qui illud postulant facultatis, utque integram communem hanc nostram dignitatem conservet. Zum Adressaten Pietro da Noceto, der bereits unter Papst Eugen IV. zum Sekretär aufgestiegen ist und eine einflussreiche Position im Beratungszirkel innehatte, Voigt 1960, 2, S. 73f. Siehe auch seinen Mahnbrief an den apostolischen Sekretär Rinuccio da Castiglione von Januar 1454, Bracciolini 1987, Lettere, 3, Ep. 5, 20, S. 207–208, exemplarisch S. 207: Non sequimini vestigia eorum qui vos precesserunt, neque mirum est vos non haberi ut secretarios, qui nullam dignitatem neque auctoritatem officii conservetis.
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Dukaten an Filelfo an, die ihm Papst Nikolaus V. für sein Werk auszahlte56. Äußerst despektierlich sprach er überdies über Tortellis Lebenswandel, was nicht ohne Folgen blieb und für Unmut zwischen den beiden Gelehrten führte. Im Kontext der Auseinandersetzung mit Perotti, für die er ebenso Verbündete zu gewinnen suchte, bat er Tortelli in einem ausführlichen Schreiben um Entschuldigung und rechtfertigte sich für sein Vorgehen gegen seine beiden Rivalen57. Der intellektuelle Einfluss Tortellis, der sich im Hintergrund hielt und auf öffentlichkeitswirksame Inszenierungen ostentativ verzichtete, darf nicht unterschätzt werden, wofür insbesondere Bracciolinis Briefe sprechen. Die Gunst des päpstlichen Kämmerers schien ihm essentiell, um weiterhin einen direkten Draht zum römischen Gelehrtenkreis unterhalten zu können. Er vermochte sein Wohlwollen zurückzuerlangen und sogar einen Freundschaftsbund mit ihm zu schließen, wie sein Dankesschreiben bezeugt. Die Meinungsverschiedenheiten über Valla und Perotti blieben jedoch nach wie vor bestehen und hatten keinen Einfluss auf ihre Eintrachtsbekundungen. Auch Tortelli schien sich von einer guten Beziehung zum florentinischen Kanzler Vorteile für seine Studien zu versprechen – diese konnten karrieristischer oder rein intellektueller Art sein. Für die Verbreitung der eigenen Beiträge und für die grundsätzliche Reputation, die über Erfolg oder Misserfolg im humanistischen Feld entschied, brauchte es verzweigte und stabile soziale Verflechtungen, die durch Feindschaften mit einflussreichen humanistischen Exponenten zwangsweise eingeschränkt werden mussten. Während Poggio die Verbindung zu den römischen Gelehrten aufrechterhalten wollte, benötigte der Florentiner Tortelli einen Zugang zu den florentinischen Humanisten, der von guten Beziehungen zum dortigen Kanzler umfassend profitieren konnte. Dieser zunächst irritierend wirkender Freundschaftsschluss – schließlich standen sich Bracciolini und Tortelli hinsichtlich ihrer Parteinahmen diametral gegenüber – veranschaulicht die Eigenlogik des humanistischen Streites als öffentliches Phänomen, das insbesondere zum Erwerb sozialen Kapitals in Form von Kontaktknüpfungen und Allianzen genutzt wurde. Der Handlungsrahmen der Beteiligten wurde zwar von den Streitkonstellationen und den einhergehenden Stellungnahmen beeinflusst, aber letztlich nicht vollständig bestimmt. Derartige Freundschaftsschlüsse können als Zweckbündnisse eingestuft werden, die jenseits von intellektuellen Positionen aufrechterhalten worden sind. Darüber hinaus profitierte auch Valla von der Versöh Bracciolini 1987, Lettere, 3, Ep. 5, 10, S. 189: Nam postquam video Vallam, qui semper in obloquendo et detrahendo tum mortuis doctissimis ac sanctissimis viris, tum etiam vivis etatem, animum, vitam consumpsit, ex maledictis pecuniam et dignitatem consecutum, Philelphum quoque propter nescio quod Satyrarum volumen in maledicendo consumptum quingentis aureis a pontifice donatum, et ego quoque illorum instar experiar, si quid in eo scribendi genere possim, ea spe, ut mihi etiam ex maledictis aliquod premium detur. Vgl. dazu Voigt 1960, 2, S. 100. Zu Filelfos zehnbändigen Satyrae siehe die von Silvia Fiaschi besorgte Edition der ersten fünf Bücher Filelfo 2005; dazu auch ihre wichtigen Beiträge Fiaschi 2000, 2002 und 2005. Vgl. zu Filelfo auch den umfangreichen Aufsatz von Blanchard 2007. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 23, S. 213–216, siehe insbesondere die einleitenden Worte, S. 213: Ago tibi gratias, mi Iohannes, quod tuis humanissimis litteris me maximo angore animi liberasti. Eram certe paulum tibi, et immerenti, ut video, subiratus.
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nung: Ihm wurde über Tortelli als Mittelsmann eine Möglichkeit gegeben, einen gewissen Zugang zum florentinischen Resonanzraum beibehalten zu können. Welche Möglichkeiten der Streit für einzelne Humanisten bot, zeigt insbesondere die Partizipation Francesco Filelfos. Poggio teilte auch nach ihrer vermeintlichen Versöhnung nicht nur aufgrund der gegen ihn in den Satyrae festgehaltenen Schelten, sondern auch aus kompetitiven Gründen gegen den Gelehrten aus: Obwohl es sich, anders als bei den prosaischen Facetiae, bei Filelfos Satyrae um eine Verssatire in Anlehnung an die Sermones des Horaz und Juvenals Saturae handelt, lassen sich nichtsdestoweniger stoffliche Überschneidungen finden, was die primär politisch bedingte Feindschaft der beiden, die sich aus den unterschiedlichen Parteiungen innerhalb der florentinischen Innenpolitik ergab, um eine sozio-literarische Komponente erweiterte58. Dies mag auch einen der Gründe für Filelfos Eintritt in den Streit darstellen, der sich brieflich von Mailand aus im März 1453 an beide Agonisten wandte. Er nahm die Rolle des moralisierenden Mahners an, was gemessen an seinen eigenen zahlreichen Schmähschriften zunächst paradox anmutet59: Er appellierte als gemeinsamer „Freund“ an ihre ratio und verurteilte affekt-gesteuerte Aktionen, die zu einem unüberlegten und einfältigen Kampf (certamen) führen würden. Als Konsequenz erklärte er beide zum Gespött aller Menschen60. Zu den Sachgegenständen des Streits selbst schwieg er demonstrativ und verzichtete auf eine eindeutige Positionierung, wenngleich er einräumte, dass beide Agonisten sicherlich gute Gründe für ihre Haltung darlegen könnten61. Wenngleich sich der Brief vordergründig an Bracciolini und Valla richtete, muss als eigentlicher Empfänger Papst Nikolaus V. angesehen werden, den er in höchsten Tönen für seine mirabilis virtus und sapientia lobte. Er gab sich in dem Schreiben diplomatisch und versuchte sich ostentativ als Vermittler zu profilieren, was mit seinen Ambitionen zusammenhing, im päpstlichen Umfeld eine Stelle oder andere Finanzierungsmöglichkeiten zu erhalten62. Er forderte die
In seinen Satyrae, bei denen es sich um einhundert Gedichte handelt, die in jeweils zehn Dekaden unterteilt sind, verwertete Filelfo seine eigenen politischen und intellektuellen Erfahrungen und integrierte auch auf Herabsetzung ausgelegte Portraits renomierter Gelehrter und Politiker. Vgl. zu den Satyrae als spezifischer Ausdruck von Invektiven Davies 1984a, S. 300–307; Marsh 2019b, S. 180 f. Rao 2007, bes. S. 63–70; Blanchard 2007, S. 1118 und Fiaschi 2005, S. xix. Vgl. Walser 1914, S. 277, der Filelfo als „wahrlich seltsamen Friedensengel“ bezeichnet. Zum Brief Filelfos siehe auch Camporeale 1972, S. 374 f. Valla 2013, Correspondence, Ep. 51A S. 277–273, hier S. 266: Solemus enim non nunquam, rationem deserentes, sponte sequi animi perturbationes; idemque facimus sepenumero decepti suasionibus aliorum, qui vel nos clam exosi vel se ulcisci cupientes, insanie stimulos iniecerunt, quibus vehementissime concitati divina omnia humanaque iura confundimus, non tam dignitati nostre consulentes, quam aliene per contumeliam ac nequitiam omnem insidiantes. Ebd., S. 268: Equidem preter singularem quandam et inauditam ineptitudinem, nihil video reliquum quod addatis quo ridiculo sitis cunctis hominibus. Valla 2013, Correspondence, Ep. 51A, S. 266: Nec sane dubitem utrumque vestrum probabilis aliquas rationes adducturum, quibus iure a bovis fieri videatur, quod iniuria facitis. Vgl. Robin 1991, S. 82 f., zur problematischen Situation von Filelfo Field 1988, S. 84–85; siehe auch Field 2017, S. 190 und zu der politischen Konstellation und seinem Verhältnis zu Poggio ders., S. 221–229.
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beiden Streitakteure dazu auf, die Dignität der Kurie zu wahren, ihre Kampfhandlungen unverzüglich einzustellen und zu ihrer früheren benevolentia zurückzukehren. Dazu berief er sich auf den spartanischen König Agesilaus, der seinem Biographen Xenophon zufolge festgestellt habe, dass die epideiktische Rede stets charakterliche Auskünfte über den Redner selbst liefere63. Ausgehend von dieser Sentenz demonstrierte Filelfo seine Kenntnisse über die Invektive (genus maledicendi) als oratorische Gattung, deren Topoi er in seinem Brief knapp skizziert. In diesem Kontext verwirft er die vituperatio als Praktik und kritisiert Sallust, Cicero, Demosthenes und Hieronymus für ihre vielfachen Schmähungen, die sich im Falle des Kirchenvaters sogar gegen einen gelehrten und heiligen Manne wie Rufinus gerichtet habe, was Filelfo zufolge die Problematik derartiger Schriften aufzeige64. Im Anschluss entschuldigt er sich für seine eigenen Schmähschriften bei simultaner Hervorhebung seiner Unschuld, ohne jedoch explizit auf die Auseinandersetzung mit Bracciolini einzugehen. Ob er die Streitschriften der Antagonisten gelesen hat – er selbst spricht vom Hörensagen (audio) – ist unklar65. Er verwertete die invektiven Topoi der BraccioliniValla-Kontroverse, namentlich die Pathologisierung des gegnerischen Verhaltens, die Lüge als Kontrast zur Wahrheitsfindung, die vallianische Anspielung auf das hohe Alter sowie das poggianische Verlachen, die er gegen beide ohne jegliche Verbalinjurien als Tadel einsetzte; ferner warnte er sie vor einem postumen Ansehensverlust (fama, decorum), was sich ebenfalls als implizite Anspielung auf die sermocinatio Manettis erweist66.
Valla 2013, Correspondence, Ep. 51A, S. 270: Itaque non absurde Agesilaum tradunt, cum quenquam intueretur qui alium vituperaret laudaretve, dicere solitum se non minus ex ipsa oratione iudicium facere de eo qui diceret, quam de quo diceretur. Vgl. Xen. Ages. 11, 4: ὁπότε δὲ ψεγόντων ἢ ἐπαινούντων τινὰς ἀκούοι, οὐχ ἧττον ᾤετο καταμανθάνειν τοὺς τῶν λεγόντων τρόπους ἢ περὶ ὧν λέγοιεν. Vgl. mit seiner Übersetzung von 1430 Filelfo 2012, Xenophontis oratio de laudibus Agesilai regis Lacedaemoniorum, XI, 4, S. 39: Cum eos qui aliquos vituperarent laudarentve audiret, arbitrabatur non minus eorum qui dicerent quam de quibus dicerent mores perdiscere. Valla 2013, Correspondence, Ep. 51A, S. 270 ff.: Non enim que in aliis iure etiam carpimus nota sunt omnibus. At oratio nostra occulta esse non potest. Non modo me Sallustius iis non delectat, que scripsit in M. Tullium Ciceronem, nec item omnino que Cicero in Antonium, aut in Timachum Philippumque Demostehenes; sed etiam vir sanctissimus ac disertissimus, Hieronymus, non sine molestia a me legitur, cum invehitur in Rufinum; quem virum doctum extitisse, ex eius scriptis facile ipsi cognoscimus, sanctum vero bonumque fuisse Aurelii Augustini locupletissimum testimonium docet. Valla 2013, Correspondence, Ep. 51A, S. 266: [...] ut quod ratio ipsa non valet, satietas saltem prestet. Quantum audio, nullum est maledicendi genus quod dum invicem per omnem vituperationis contumeliam digladiamini, intactum, reliqueritis; nullum animi flagitium, nullum corporis vitium, nullum fortune, quam vocant, incommodum omisistis. Quod aliud denique genus detis, quo in vestrum dedecus sit utendum? Vgl. Rhet. Her. 3, 10–15, hier bes. 13. Valla 2013, Correspondence, Ep. 51A, S. 268: ʻAt sum iniuria lacessitus.ʼ Et quenam iniuria tanta est ut delirare vos cogat? Satis enim delirat qui mentitur. Ea est certe perturbati animi natura, ea vis, is impetus ac furor, ut sibi moderari nullo pacto queat, quippe in re etiam vera, si minus mentitur, omnino aut vanus sit tamen aut mendacium dicat, cum vel gratia voluptatis vel rei ipsius nimietate mendacem se prestet. Ebd., S. 272: Memineritis, bone fame, memineritis decori, memineritis etatis vestre, quorum alter iam senium, alter senectutem agit.
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Oberflächlich übernahm Filelfo, zur Abfassungszeit noch Angehöriger des mailändischen Hofes, die Rolle des mahnenden Dritten an, der die Streiter miteinander zu versöhnen beabsichtigte; de facto versuchte er aus dem Disput Profit in Form von Ansehen und einem Zeugnis seines diplomatischen Geschicks zu ziehen, was sich in das eigene „selffashioning“ als symbolische Errungenschaft integrieren ließ. Zugleich warb er für seine eigenen humanistischen Fähigkeiten, die sich aus literarischen und ethischen Kenntnissen zusammensetzen: Er stellte nicht allein sein Wissen über die Invektive und seine anthropologische Einordnung der affektiven Begleitumstände zur Schau, sondern warb ostentativ mit seinen Griechischkenntnissen. Die oben genannte Sentenz aus der Biographie des Agesilaus, die er bereits 1430 übersetzte und an Kardinal Niccolò Albergati (1373–1343) widmete, stellt den Ausgangspunkt seiner Mahnung dar und strukturiert die Argumentation seines Briefes. Filelfo nahm die Gelegenheit wahr, als Außenseiter den Streit als Plattform für seine eigenen karrieristischen Absichten auszunutzen. Wem seine Gunst galt, kann nur erahnt werden. Für eine Rückendeckung Vallas spricht ein früherer Brief an diesen von Februar 1451, in dem Filelfo ihn vor möglichen Schwierigkeiten im kurialen Umfeld warnte und offensichtlich auf Poggio anspielte. Seine satirische Auseinandersetzung mit Vallas Person und Werk kommt zwar nicht ohne ironische Seitenhiebe aus, ist jedoch durchaus respektvoll gehalten67. Seine Bemühungen erwiesen sich jedenfalls als erfolgreich: Filelfo vermochte in den Folgejahren eine finanzielle Förderung des Papstes zu erwirken, die Poggio, wie oben gezeigt, als Ausdruck eines das Papsttum befallenen Ehrgeizes dezidiert ablehnte. Auch nach Bracciolinis Weggang stellte Rom nach wie vor das Zentrum des Streites dar. Die Kurie wurde in ein Forum umgewandelt, das über die verzweigten Netzwerke und diversen Verbindungen zu anderen Gelehrtenkreise virtualisiert wurde. Die Teilnahme der Leserschaft aktivierte schließlich den gemeinschaftlichen Aushandlungsprozess.
4.2 Vom „self-fashioning“ zum „community-fashioning“ Im Folgenden sollen die einzelnen Vorgehensweisen der beiden Agonisten in drei intellektuellen Zentren beleuchtet werden. Die Überlieferungslage lässt eine relativ gründliche Erschließung der Rezeptionsräume von Bologna und Venedig zu, die Rückschlüsse auf die humanistische Debattenkultur einerseits und das Aushandlungsgeschehen andererseits ermöglicht68. Dabei muss bedacht werden, dass erstens allein ein geringer Teil des Briefverkehrs überliefert wurde, wie zahlreiche Verweise auf zuvor erhaltene Schreiben belegen, und zweitens, dass die Streitrezeption simultan in mündlichen De-
Valla 2013, Correspondence, Ep. 49A, S. 246: Non enim ociosum te esse patiantur, qui viros bonos eruditosque insequi, vel absentis, consuerunt. Zu diesem Brief und zum Verhältnis zwischen den beiden Humanisten Blanchard 2007, bes. S. 1138. Zum Kommunikationsverlauf siehe auch Camporeale 1972, S. 328–337, 374–390 und 397–399.
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batten vor Ort mit Angehörigen unterschiedlicher sozialer Milieus erfolgte, die oftmals, sofern sie nicht selbst mit eigenen Beiträgen auftraten, nur in Ausnahmefällen namentlich genannt worden sind. Brian Maxson unterscheidet entsprechend zwischen literarischen und sozialen Humanisten: Erstere bildeten die humanistische Corona, die sich durch eine umfassende literarische Tätigkeit auszeichnete und maßgeblich die schriftlich festgehaltenen Diskurse prägte. Bei Letzteren handelte es sich um Träger und Rezipienten der humanistischen Gelehrtenkultur, die sich allein sporadisch oder gar nicht mit eigenen Schriften zu Wort meldeten, jedoch an den Diskussionen teilnahmen und die humanistische Ideen in ihren jeweiligen sozialen Räumen und Berufen in praxi umsetzten und weiterverbreiteten. Wenngleich eine sichtliche Rangordnung zwischen den Wortführern und den Anhängern vorherrschte, darf die Partizipation der „sozialen Humanisten“ nicht über ihre essentielle Funktion als Publikum hinwegtäuschen, wie insbesondere am Beispiel von Bologna gezeigt werden kann69. Bei den hier behandelten Schriftstücken handelt es sich um Zirkularbriefe, die für die öffentliche Verlautbarung (Harth) gedacht waren und daher in mehreren Kopien versendet worden sind. Der den Streit begleitende Briefverkehr erwies sich als integraler Bestandteil des Aushandlungsprozesses. Die jeweiligen Argumentationen legen konventionalisierte Strategien zutage, die komplementär zur Rollenverteilung der Adressaten waren und den kalkulierten, d. h. regelbasierten Ablauf des Streites als innergemeinschaftliches Ereignis aufzeigen. Inhaltliche Äußerungen zu den einzelnen Streitpunkten erweisen sich dagegen in den überlieferten Reaktionen der Leserschaft als äußerst rar; stattdessen zeichnen sich die Wertungen der einzelnen Humanisten als zunächst oberflächlich anmutende Beurteilungen aus, die nur vereinzelt einen tieferen Einblick in ihre Ansichten gewähren. Dagegen fallen die exponierten und streng formalisierten Bekenntnisse zur Freundschaft und Loyalität sowie die Zuschreibung von Ruhm (gloria) und Ehrerweisungen (laudes) ins Auge70. Die formelhaften und oftmals redundant eingesetzten Würdigungen wiesen die Unterstützungsschreiben parallel als Gutachten aus, mit denen die Leser den Agonisten ihre Leistungen bestätigten, ihre Beiträge zudem als orthodoxiekonform einstuften und durch diesen Vorgang, abstrakt formuliert, als Kapitalien symbolisch
Siehe u. a. Valla 2013, Correspondence, Ep. 50A BIS, in dem Lorenzo Zane von quidam alii magni atque eloquentes viri spricht; Ep. 50C, S. 262 von Francesco Diana an Valla, der die studiosissimi Pogii, d. h. die Anhänger Bracciolinis nennt; Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 19, S. 205, wo Poggio von laudatores redet; in dem Brief an Poggio, Walser 1914, Nr. 60, S. 492, erwähnt Filippo Tifernas die eruditi. Die topischen Formulierungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gelehrtenkreise insbesondere von „sekundären“ Humanisten getragen worden sind, die leider aufgrund der Überlieferungslage und ihren limitierten Beiträgen nur schwer zu fassen sind. Zu den Gelehrten aus der zweiten Reihe bes. Maxson 2014, S. 40–62; 138–152, der anhand von Florenz darlegt, auf welche Resonanz der Humanismus in unterschiedlichen Milieus stieß. Vgl. dazu McLean 2007, S. 39 und S. 152 ff. Siehe auch Celenza 2004, S. 115–133, bes. im Hinblick auf die Bracciolini-Valla-Kontroverse auch S. 129 ff.
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aufluden. Die Briefe dienten folglich als formeller Ausweis ihrer feldinternen Stellung71. Die Unterstützungszusagen müssen als nötige Stabilisierungspraktik für den innergemeinschaftlichen, auf Dissonanzreduktion ausgerichteten Zusammenhalt verstanden werden. Zum einen instituierten sie einzelne okkasionelle Gruppen oder „communities“, die sich aufgrund ihrer gemeinsamen intellektuellen oder karrieristischen Interessen zusammenschlossen, um ihre jeweiligen kulturellen oder sozialen Kapitalien gemeinsam zur Positionsverbesserung einzusetzen. Wie das übergeordnete humanistische Feld waren auch diese Zusammenschlüsse informell strukturiert und entstanden im Zuge des ausgelösten Ausdifferenzierungsprozesses72. Zum anderen überbrückten derartige Gruppen geographische wie zeitliche Distanzen. Auf diese Weise konnten die Mitglieder Informationskanäle errichten und die jeweiligen Gelehrtenkreise virtuell zusammenrücken lassen. Über ihre Anhänger vermochten die Agonisten virtuelle Zugänge zu den jeweiligen Resonanzräumen aufrecht zu erhalten, um vor Ort vertreten werden zu können, während die Leserschaft den Streit ebenso für ihre eigene Statusverbesserung auszunutzen wusste. Diese sozialen Interaktionen wurden letztlich über eine Transformation des individuellen „self-fashioning“ zu einem gruppenspezifischen „community-fashioning“ besiegelt, das sowohl inkludierend als auch exkludierend wirkte: Die im Verlauf des Streites geschlossenen Allianzen konstituierten sich über die Abgrenzung zum gemeinsamen Gegner und zwangen aufgrund der binären Ausgangslage eine Positionierung der Zuschauer, die sich nur in Ausnahmefällen, wie bereits bei Francesco Filelfo gezeigt, einer eindeutigen Entscheidung entziehen konnten73. Die Umwandlung des „self-fashioning“ in ein „community-fashioning“ förderte spezifische Merkmale zutage, die als Distinktionsmerkmale zur Bekräftigung ihrer Bündnisschlüsse eingesetzt worden sind. Um die Dynamik des konventionalisierten Aushandlungsprozesses adäquat herausarbeiten zu können, soll ein chronologischer Zugang zur unmittelbaren Streitrezeption gewählt werden. Vgl. auch Revest 2013, S. 492. Siehe beispielsweise Valla 2013, Correspondence, Ep. 51 F, Ognibene Bonisoli da Lonigo an Valla, S. 280–285, hier S. 282: Equidem te omni non modo laude, sed etiam admiratione prosequor, atque utinam tantum ego de te predicando, quantum tu de nobis bene merendo consequi possem! Siehe auch den Brief Filippo Tifernas an Bracciolini, abgedruckt in Walser 1914, Nr. 60, S. 490–493, hier S. 492: Itaque iure optimo Poggianus ero semper, hoc est glorie, laudis, nominis Poggii amator, predicator, defensor cuius divine virtutes quamquam toto orbe clarissime, utinam dignis a me et suis explicari laudibus possent. Zum Gruppenbegriff: Oexle 1998, bes. S. 17 für die einzelnen Kriterien, der die feste Gruppe von der okkasionellen Gruppe abgrenzt. Siehe auch Müller 2006, S. 61–66. Zur Gruppenstruktur siehe außerdem Treml 1989, S. 14. In gewisser Weise bildeten sie die Vorläufer der humanistischen Sodalitäten nördlich der Alpen, ebd., S. 46–81. Siehe auch den aus dem Jahr 1962 stammenden Beitrag von Alred von Martin 2019, hier S. 82: „Eine Gruppe, gar eine innerlich verbundene Gemeinschaft, können Intellektuelle im Normalfall nur bilden, soweit sie von gleichem Denken und Wollen bewegt werden. [...] so kann es den „Bund“ etwa einer philosophischen Schule geben wie der pythagoräischen; so auch einen exklusiven „Kreis“ litterarischer Schöngeister, die gleichfalls um einen „Meister“ sich scharen, nicht frei von esoterischer Manieriertheit (wie der George-kreis) und bewußt der eigenen Ausstrahlung aristokratische Grenzen setzend.“ Zur notwendigen Abgrenzung einer Gruppe vgl. Neidhardt 1983, S. 19–22.
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4.2.1 Vallas Bündnisstrategien am Beispiel Venedigs Venedig erwies sich für beide Humanisten als wichtiger Resonanzraum, der bereits früh in ihren Veröffentlichungsstrategien bedacht wurde. Bracciolini beabsichtigte, über den im Vergleich zu den anderen Stadtstaaten bislang noch unbedeutenden Gelehrtenkreis der Markusrepublik eine weitere Front gegen Valla zu bilden74. Er unterhielt sehr gute Kontakte zum Gelehrten und einflussreichen Politiker Francesco Barbaro (1390–1454), dem Wortführer des humanistischen Zirkels der Stadt75, ebenso zu dem mit diversen Humanisten vernetzten Arzt Pietro Tommasi und dem mit der Schule Guarinos in Kontakt stehenden Mattia Triviani76. Seinen Freund Barbaro versuchte Poggio schon in den 1430er Jahren gegen Valla aufzuhetzen, was diesem auch durchaus bekannt war. In einem nicht datierten Gespräch soll der Venezianer Poggio zufolge trotz seiner bekannten Höflichkeit mit Lachen auf den Autor der Elegantiae reagiert haben, was zugleich die Affiliation mit Poggio als Mitglied seiner Lachgemeinschaft markieren sollte, worauf im Folgekapitel noch ausführlicher einzugehen sein wird77. Die venezianische Meinung über Valla schien in den 1440er Jahren negativ gewesen zu sein, woran die Agitation Bracciolinis sicherlich ihren Anteil hatte. Vor allem sorgte der venezianische Lehrer Lauro Quirini für eine ablehnende Haltung gegenüber Valla. Der Venezianer war selbst in einem brieflichen Schlagabtausch mit diesem im Jahr 1445 verwickelt. Quirini schickte ihm, wie bereits oben diskutiert, einen Mahnbrief und kritisierte seine Autoritätskritik, die er mit seinen drei Hauptwerken (De vero bono, die Repastinatio und die Frühfassung der Elegantiae) in Zusammenhang brachte. Seine Einwände gegen das vallianische Œuvre basierten allein auf einem Brief Vallas an Giovanni Tortelli, in dem der Humanist sich für seine Beiträge rühmte und sein auf Widerspruch ausgelegtes Originalitätsprinzip vorstellte. Quirini sei von dem besagten Schriftstück aufgrund des seiner Ansicht nach inakzeptablen Zum venezinanischen Humanismus nach wie vor King 1986; zusammengefasst King 1988. Siehe auch Robin 1999, S. 357–359. In der Forschung wird stets die konservative Richtung der venezianischen Gelehrtenzirkel betont, die sich insbesondere in der scholastischen Tradition an der Universität von Padua manifestierte. Der Humanismus habe erst am Ende des Quattrocentos eingeschränkte Verbreitung erfahren. Nichtsdestoweniger lassen sich in der Markusrepublik einflussreiche Humanisten wie Barbaro oder auch Quirini verorten, weshalb die vorherrschende Forschungsmeinung überprüft werden sollte. Auch Vallas positive Resonanz in Venedig spricht für einen deutlich offeneren venezianischen Humanismus, der nicht ausschließlich auf das scholastische Latein bestand. Zu Francesco Barbaro nach wie vor Gothein 1932; überblickend Kohl 1978. Bracciolini 1987, Lettere, 3, Ep. 4, 18, S. 157: Exscribi eas [scil. oratiunculas meas] facias velim et cum quibus tibi videbitur communices [...]. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 230: Fracisci Barbari uiri doctissimi, mihique amantissimi sententiam noui, qui cum pro sua humanitate omnes laudet, tamen risu cum in sermonem incidit quae sit sua de te opinio demonstrat. Siehe die Schlussbemerkung von dem bereits besprochenen Brief Bracciolinis an Guarino, Bracciolini 1984, Lettere 2, Ep. 4, 14, S. 180: Communices has cum Francisco nostro Barbaro, ut ipse quoque rideat hunc vestrum quatuorviratum. Vgl. zur Lachgemeinschaft einführend Röcke/Velten 2005, ausführlicher unten, Kap. 4.2.2.
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Umganges mit antiken auctores alarmiert worden. Er forderte seinen Kontrahenten dazu auf, ihm seine einzelnen Werke zuzusenden, damit er diese selbst auf Richtigkeit und orthodoxen Inhalt prüfen könne78. Aus einem Brief des bolognesischen Lehrers und vallianischen Verbündeten Niccolò Volpes an Giovanni Tortelli aus dem Jahr 1448 geht ferner hervor, dass Quirini auch in den Folgejahren gegen Valla vorging und Stimmung gegen die Elegantiae und ihren Autor machte. Das Werk habe er Volpe zufolge pejorativ als negligentia linguae latinae bei der jüngeren Leserschaft in Verruf zu bringen versucht79. Bracciolini war sich der vorherrschenden Stimmung in Venedig offensichtlich bewusst und brachte daher Qurini im Streit gegen seinen Rivalen in Stellung. Er rekurrierte auf den bereits oben besprochenen Brief an Valla aus dem Jahr 1445 und behauptete, dass er aus Angst vor einer direkten Konfrontation keine Replik an den venezianischen Lehrer verfasst habe, worauf dieser seinem zweiten Antidotum sein Schreiben als Inserat beifügte, um die ihm vorgeworfene Reluktanz zu widerlegen80. Vallas Antwort reiht sich in seine für ihn typische Polemik ein. Er setzte insbesondere auf militärische Wortfelder, um seinen Standpunkt zur Autoritätskritik zu verteidigen. Vergleichsweise handelt es sich jedoch um eine gemäßigte Replik auf den sachlich schwachen, rhetorisch jedoch durchaus ernstzunehmenden Angriff des Venezianers, der das vorherrschende Bild eines autoritätskritischen Aufrührers geschickt aufgreifen konnte81. Es scheint jedoch keine direkte Fortsetzung des Disputs gegeben zu haben, wenngleich Quirini mit seiner lateinischen Übertragung der griechischen Fassung des Constitutum Constantini für Papst Nikolaus im Jahr 1447 Valla
Valla 2013, Correspondence, Ep. 29A, Lauro Quirini an Lorenzo Valla, S. 178–184, hier S. 180: Sed interim deprehendam nonnulla in hac tua epistola, ut dignoscere possis nos paratos esse tuis omnibus respondere. Ebd., S. 184: Hec breviter notavimus, ut intelligeres nos nolle in te latrare, sed iuste recteque reprehendere velle. Igitur, ut initio diximus, mitte nobis opera tua, ut in campo philosophie latius concurrere possimus; alioquin ut fugitivum persequemur et ut nota dignum notabimus. Bei dem von Quirini erwähnten Brief handelt es sich um Valla 1984, Epistole, Ep. 17, S. 214–217, in dem Valla von einem Umsturz der sapientia veterum spricht, die er in seinen Schriften anstrebe. Dazu oben, Kap. 2.3.1.1. Der Brief ist abgedruckt in Onorato 2003, Nr. 24, S. 58–60, hier S. 59: Et cum quidam grammaticus, qui in Venetia legit (nomen taceo et viri et civitatis), scripsisset ad quendam iuvenem bononiensem quaerentem eum librum maxima cura, ut ab inquisitione operis illius omnino desisteret, quod non esset dicendum De elegantia linguae latinae sed De negligentia linguae latinae, editumque esset a viro indocto et quidem temerario [...]. Zu Lauro Quirini einführend der Abriss bei Cook 2013, Appendix II, S. 333; ausführlicher Rabil, Jr. 1991, S. 143–147. In Bezug auf den Disput zwischen beiden Setz 1975, S. 111–113. Valla 1984, Epistole, Ep. 30, S. 282–284, hier S. 283: Prudentia quidem et gravitate tanta es ut, antequam causam cognoscas, sententiam feras et ex epistola mea, velut indice meorum operum, me condemnes, quid ipse in libris scripserim nesciens et per impudentiam quandam singularem divinans. [...] Quod autem ais ut istuc mittam exemplaria omnium librorum meorum, scite admodum facis, ne dicam inscite, qui ab eo de quo male mereris donari tot codicibus velis. Ebd., S. 284: Et tamen non est causa cur tecum copiis omnibus pugnem sed una, ut spero, te cohorte debellabo. Als Inserat findet sich der Brief in Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 345.
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offensichtlich noch einmal im kurialen Umfeld implizit herauszufordern gedachte82. Mit Quirini geriet Poggio interessanterweise zuvor selbst aneinander: Er kritisierte dessen Dialog De vera nobilitate im Jahr 1449 aufgrund von negativen Bemerkungen über den venezianischen Adel; ferner schrieb er gegen den apostolischen Sekretär zwei Invektiven, über die Valla jedoch keine Kenntnis zu haben schien. Poggio hoffte offensichtlich auf eine temporäre Allianz gegen einen gemeinsamen Gegner – ob die beiden in Kontakt standen lässt sich aus dem überlieferten Briefverkehr jedoch nicht ableiten83. Bracciolinis Verbindung zum venezianischen Gelehrtenkreis bewog Valla dazu, mit diesem selbst in Kontakt zu treten, um die Deutungshoheit in der Markusrepublik zu seinen Gunsten verschieben zu können84. Über seinen einstigen Schüler, den im Juni 1452 zum Erzbischof von Spalato erhobenen Lorenzo Zane (1429–1485), versuchte er um Unterstützung zu werben; des Weiteren beabsichtigte er einen neuen Freundeskreis zu erschließen; womöglich betrachtete er Venedig auch als potentiellen Zufluchtsort, falls er in Rom beruflich in Bedrängnis geraten sollte. Er schloss Allianzen mit dem Gelehrten Gian Pietro da Lucca (ca. 1404–1457)85, mit dem Poeten Leonardo Montagna (1425/1426–1484), mit dem Kopisten und Gelehrten Andrea Contrario86, und sogar mit Poggios Freund Pietro Tommasi, der sich anfangs noch bedeckt hielt, letztlich jedoch Valla unterstützen sollte87. Zu Beginn des Jahres 1453 sendete Valla, angeregt durch Lorenzo Zane88, ein Schreiben an Barbaro, den er um eine Beurteilung (iudicium) bat und zum Richter (iudex) über den ihm vorgelegten Streit ernannte. Er fügte die ersten Antidota gegen Bartholo Vgl. Setz 1975, S. 110–123; Lo Monaco 2009, S. 43–45; Onorato 2003, S. 58–60 und Donati 2006. Zur Edition der beiden Schriftstücke, bei dem es sich einmal um einen Brief an Pietro Tommasi und einmal um einen Brief an Poggio selbst handelt vgl. Qurini 1977, S. 67–73 und S. 74–98. Dass Poggios pejorative Bemerkungen über den venezianischen Adel für Verstimmung sorgte, belegt auch seine Rechtfertigung in einem Brief an Pietro Tommasi, Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 26, S. 291 f.: Quod me de Venetis male sentire dici a nonnullis scribis, id ego quoque aliqua ex parte fateor me scilicet non de republica vestra, que est omni laude dignissima, sed de quibusdam civibus, huius belli auctoribus ac suasoribus, qui reliquos ad incendium Italie excitarunt, male sensisse et sentire, cum fuerint causa multarum calamitatum. Er fügte einen Brief Gian Pietros (Ep. 50B), einen Brief an Zane, drei Briefe Dianas (Ep. 50C, 51C, 51D), einen Brief Barbaros (Ep. 51B) und Ausschnitte von zwei Briefen Tommasis (Ep. 51E, der andere Ausschnitt liegt nicht ediert vor, da er sich an Lorenzo Zane richtet) ein. Die Briefe sind abgedruckt in Valla 2013, Correspondence, ed. Cook. Zu Gian Pietro da Lucca und seinem intellektuellen Kreis Cortesi 1981. Diesen empfahl er an Kardinal Bessarion weiter, vgl. Valla 1984, Epistole, Ep. 53, S. 385. Zu Contrario King 1986, S. 69–70. Bei diesem handelte es sich um ein weiteres Mitglied des Zirkels um Barbaro. Zu Montagna vgl. Fatini 1919. Vgl. auch Besomi/Regoliosi 1984, S. 375 f. Lorenzo Zane, der auch mit Poggio in engem Austausch stand und daher eine undurchsichtige Rolle in dem Konflikt einnahm, sprach sich auch entweder persönlich oder brieflich bei Barbaro für Valla aus, wie aus dem Schreiben Barbaros hervorgeht, Valla 2013, Correspondence, Ep. 51B, S. 274–277, hier S. 274: Magnas itaque gratias habeo cl[aro] v[iro] Laurentio nostro archiepiscopo Aspalatensi, qui tibi persuasit ut ad me aliquid scriberes, ut amicitie fundamenta, que inter nos etiam tacendo iacta sunt, confirmarentur.
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meo Facio und Poggio zur Begutachtung bei und kündigte bereits das zweite Antidotum gegen letzteren an, um die persönlichen Anschuldigungen zu entkräften89. Er flankiert seine Bitte mit einer expliziten Freundschaftsanfrage, die sich in der Bitte um Barbaros benevolentia manifestiert90. Der Venezianer wurde nicht zufällig als Adressat gewählt: Als Angehöriger der poggianischen Gelehrtengeneration und gut vernetzter Humanist verfügte er über großen intellektuellen Einfluss bis in den florentinischen Gelehrtenkreis hinein; ferner nahm er ein politisch wichtiges Amt in der Markusrepublik ein, was Valla einen direkten Draht zur venezianischen Herrschaftselite sichern und folglich karrieristische Möglichkeiten in der Zukunft offenhalten konnte. Er nennt ihn zudem princeps eloquentie und princeps litteratorum und unterstreicht topisch seine doctrina und singularis eloquentia, was in dieser Kombination, vor allem hinsichtlich der Bezeichnung als „Anführer“, auf seine hohe Stellung innerhalb der humanistischen Gemeinschaft hindeutet. Als Schüler von Guarino da Verona machte sich Barbaro einen Namen mit seiner stark rezipierten Schrift De re uxoria von 1414 und vor allem als Übersetzer von Plutarchs Biographien von Aristides und Cato zwischen 1415 und 141691. Barbaros Antwort von März 1453 inserierte Valla in sein zweites Antidotum und bezeugte so den Freundschaftsschluss zwischen den beiden. Wenngleich der Venezianer auf ein Urteil verzichtete und auch verdeutlichte, dass er sich nicht gegen seinen Freund Poggio wenden werde, sicherte er Valla nichtsdestoweniger Unterstützung in Form seines Zuspruches zu. Barbaro lobte Valla für seine Griechisch- und Lateinkenntnisse, für seine eloquentia sowie für sein ingenium, was seinen sicheren Stand innerhalb der humanistischen Gemeinschaft bekräftigte92. Zugleich bot er sich als Vermittler an: Er verwies auf seine Erfolge in
Valla 1984, Epistole, Ep. 51, S. 379–381, hier S. 380: Nempe exhortatio cum aliorum quorundam, tum vero prestantissimi viri necessarii tui Laurentii, presulis Aspalatensis, per litteras a me contendentis ut, se auctore, ad te eloquentie principem aliquid scriberem, cum propter alia, tum vero quod iudex quodammodo es cause litisque que mihi cum Pogio est. Iudex, inquam, es quem nemo improbare audebit quod tu, litteratorum princeps, statueris. Ebd., S. 381: Qua in re, ut magis de Laurentio iudicare possis, mitto istuc alteram responsionem adversus alterum accusatorem, ideoque utrunque meum opus Antidotum appellavi. De quibus libris meis si non male senties, aggrediar tertium Antidotum adversus alteram Pogii invectivam, multo, quam prior fuit, impudentiorem eoque confutatu faciliorem. Valla 1984, Epistole, Ep. 51, S. 379: Hortabatur quidem me ad tibi scribendum incredibilis tua doctrina ac singularis eloquentia, ut tanti viri et benivolentiam mihi conciliarem et de me iudicium experirer [...]. Sein von Plutarch beeinflusstes Werk De re uxoria widmete er überdies Lorenzo De’ Medici, was Barbaro eine politisch-intellektuelle Verbindung in die florentinische Herrschaftselite sicherte. Vgl. Pade 2007, 1, S. 114–123. Valla 2013, Correspondence, Ep. 51B, S. 274: Quantum me delectarint littere tue, que plene sunt humanitatis et benivolentie, facilius intelligi quam explicari potest. Quia cum ingenio et eloquentia excellas, et in omni genere doctrine tam Grece quam Latine tantum profeceris et ita suaviter, ita honorifice me ad diligendum provoces, bene profecto barbarus essem, si tibi in amore non responderem. Ebd., S. 274 ff.: Perge igitur sicut coepisti et nos non solum dilige sed etiam ama et non minus de me tibi sponde quam de te mihi.
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den von ihm beigelegten Konflikten zwischen Niccolò Niccoli und Leonardo Bruni zwischen 1419 und 1426 und zwischen Bracciolini und Guarino da Verona im Zuge der Scipio-Caesar-Kontroverse93. Der Streit eröffnete auch einem fest etablierten Gelehrten wie Barbaro Möglichkeiten, sein Profil weiter zu schärfen und weitere Kontakte zu knüpfen, die sich auch politisch bezahlt machen konnten. Ebenso zeigt sich an diesem Beispiel der permanente Aktualisierungsbedarf von Freundschaften und innergemeinschaftlichen Interaktionen. Parallel zu Vallas Bemühungen um Unterstützung agitierte Bracciolini gegen ihn in mehreren Schreiben. Bereits am 20 November 1452 sendete er über Lorenzo Zane, der scheinbar mit beiden Parteien sympathisierte, seine ersten beiden Invektiven zu venezianischen Adressaten94. Offenbar vermochte Poggio noch im Jahr 1452 die Deutungshoheit in Venedig zu sichern, worauf die Briefe von Francesco Diana (ca. Mitte des 15. Jh.) und Gian Pietro da Lucca (ca. 1404–1457) hindeuten. Francesco Diana war ein ehemaliger Schüler Vallas, der in Venedig verkehrte und ebenso als Lehrer tätig war; Gian Pietro da Lucca studierte bei Francesco Filelfo und Guarino da Verona und unterrichtete selbst an der Scuola di San Marco seit 1451. Beide nahmen die Rollen des öffentlichen Verteidigers (defensor) wahr und warben vor Ort für Vallas Position95. Nach ihren Briefen zu urteilen, scheint erst Vallas Apologus eine deutliche Urteilsverschiebung in der Markusrepublik hervorgerufen haben, was Diana zufolge die poggianischen Anhänger (studiosissimi Poggii und Pogiani) selbst eingestehen mussten96. Francesco Diana bestätigte Barbaros Zuspruch und behauptete ferner, dass der Politiker Valla nach der Lektüre des ersten Aktes des Apologus mit „höchster Bewunderung“ als einen Gott, gleichsam als
Valla 2013, Correspondence, Ep. 51B, S. 276: Postremo a te peto et postulo ut in hac Pogiana accusatione non expectes nunc quid ego aut de doctrina aut de calumnia cuiuspiam sentiam, quia nec omnia novi que in utramque partem scripta sunt, nec de ingeniis et moribus doctissimorum et amiccisimorum hominum temere iudicandum puto. Quin potius sicut alias gravissimas et acerbissimas inimicitias inter eloquentissimum Leonardum Arretinum et Nicolaum Florentinum sustuli, et Pogium postea Guarino et Guarinum Pogio reconciliavi, ita nunc optarem, si fieri posset, pro laude et dignitate litterarum, ut Pogius tecum in gratiam rediret, ut omissis istis simultatibus, que minime digne sunt viro sapiente, sicut Soloni placuit, omnis e medio tollatur memoria iniuriarum. Zum Konflikt zwischen Bruni und Niccoli ausführlich Davies 1984a, S. 280–298. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 4, 8, S. 138–139, hier S. 138: Verum nunc per archiepiscopum [scil. Spalatensis] mitto duas orationes, quas scripsi contra dementiam Laurentii Valle in utraque iurgiis ab eo et conviciis provocatus, ut necesse fuerit respondere. Zu Diana vgl. Leicht 1919, zu Gian Pietro da Lucca, seinem Wirken und seinen Kontakten siehe Cortesi 1981. Siehe u. a. die Äußerung Gian Pietros da Lucca, Valla 2013, Correspondence, Ep. 50A, S. 250: Me non solum laudatorem sed propugnatorem nominis tui ac defensorem [...]. Siehe hierzu die Briefe von Francesco Diana an Valla, Valla 2013, Correspondence, Ep. 50C, S. 262: [...] quod multis Pogii studiosissimis, qui me ridebant, accepta illius in te Invectiva, quod omnium scriptis tua preferebam, os compressisti. Triumpho ego inter illos et par pari, ut aiunt, refero; quod eos vehementissime mordet. Ep. 51C, S. 276–278, hier S. 278: Pogiani vero omnes te extollunt partim benivolentia ducti, partim veritate rei confusi. Ebd., Ep. 51D, S. 278: Etiam studiosissimi Pogii admirantur doctrinam et eloquentiam tuam iique me rogarunt bona fide ut huc mitteres ad nos si quid preterea edidisses [...].
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einem deus alterus eloquentie in terris bezeichnet hätte, eine Wertung, die in Venedig von vielen Gelehrten geteilt werde97. Auch Lorenzo Zane bestätigte im Dezember 1452, dass die venezianischen Humanisten (magni atque eloquentes viri) sich der vallianischen Partei angeschlossen haben. Explizit nennt er Barbaro und Gian Pietro als höchste intellektuelle Vertreter ihrer Stadt, die gleichsam den Umschwung repräsentieren würden98. Tommasi, der zunächst auf ein öffentliches Urteil verzichtete, nahm stattdessen, wie zuvor im Streit zwischen Poggio und Filelfo, die neutrale Vermittlerrolle an und drängte beide Agonisten zu einer reconciliatio. Nichtsdestoweniger zeigte er sich Anfang 1453 zu einem Freundschaftsschluss mit Valla bereit, wie aus dem inserierten Brief in das zweite Antidotum hervorgeht. Explizit bekannte er sich jedoch auch zu seiner amicitia mit Bracciolini, was ihre Beziehung sichtlich störte99. Nach einem ausführlichen Brief Bracciolinis zu urteilen, den er dem Venezianer im Sommer 1454 zusandte, schien sich Tommasi jedoch Vallas Partei angeschlossen zu haben. Aus der Reaktion Poggios ist zu vernehmen, dass der venezianische Arzt Kritik an dem Duktus seiner Invektiven äußerte100. In dem besagten Schreiben gibt Bracciolini gestrafft die Kern-
Valla 2013, Correspondence, Ep. 51C, S. 276–278, hier S. 276: Apologum tuum accepi libenter et legi libentissime. Omnes tum facilitatem ingenii tui in inveniendo, tum eloquentiam in exprimendo, tum gravitatem in refellendo plurimum admirati fuimus. Ebd., S. 278: [...] immo deum alterum eloquentie in terris et sentiunt esse et predicant. Franciscus vero Barbarus vir doctissimus et elegantissimus, cui Apologus tuus fuit valde gratus, non hominem te sed cum admiratione summa divinum appellavit. Die Inserate finden sich in Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 331–333. Valla 2013, Correspondence, Ep. 50A BIS, S. 254: Quid Franciscus Barbarus, quid Ioannes Petrus, quid quidam alii magni atque eloquentes viri de te sentiant, sine aliqua assentationis suspicione dici posse non arbitror. Causam tuam honestissimam hostemque a te superatum dicunt et ostendunt. Eloquentiam tuam, cum illam dversarii derideant et flocci faciant, extollunt et obstupescunt. Das Inserat findet sich in Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 331. Siehe auch die Anfrage Gian Pietros da Lucca im Herbst 1452, der die Repastinatio und das erste Antidotum zu lesen wünscht und Valla auf die positive Resonanz in Venedig aufmerksam macht, Valla 2013, Correspondence, Ep. 50A, S. 250–253, hier S. 250: Nam tuum Antidotum ut videremus adhuc nobis non contigit, quod profecto tibi indignissimum videri debet: neminem Venetiis esse vel qui tibi obtrectent vel qui ignorantissimi atque ineptissimi ipsi sint (hanc enim habes adversariam ubique turbam constitutam), neminem inquam Venetiis esse qui Antidotum tuum non legerit. Valla 2013, Correspondence, Ep. 51E, S. 280: Non etiam ad id aspexissem, quod amicissimus sim Pogii et nulla tecum familiaritas precessisset; quoniam non soleo veteres deponere amicitias propter novas nec aspernari novas propter veteres, cum honeste utreque sint unumque honestum alteri non repugnet. Amo itaque te et libere et expedite, Laurenti, non solum quod me diligis verum etiam quia mihi visus es perdignus amari. Das Inserat findet sich in Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 335. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 26, S. 291–296, hier S. 292: Alterum vero caput epistole tue, quo de Valla agis, infestissime legi ac molestissime. Si cognosceres recte Valleam stultitiam, sique eius mores, sensa, doctrinam excuteres diligenter, non susciperes hunc inanem laborem nostre reconciliationis. Siehe den zweiten Auszug aus einem Brief Tommasis in Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 335: Prius enim non solum peritum dicendi, sed peritissimum sciebam hominem. Nunc simul eum non solum bonum, sed optimum uirum esse audio et cetera [...]. Dazu die Bemerkung Poggios am Ende seines Brie-
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punkte seiner fünf orationes wieder und liefert eine despektierliche Charakterisierung seines Kontrahenten, ohne jedoch neue Sachgegenstände zu benennen. Von Interesse ist jedoch seine Versicherung, er habe einzig die Unterweltsepisoden erdichtet und hinsichtlich der übrigen Anklagepunkte die Wahrheit gesagt. Die Rechtfertigung deutet darauf hin, dass Vallas zweites Antidotum Zweifel an Poggios Darstellung aufkommen ließ, was mit Sicherheit zum Stimmungswechsel beigetragen hat101. Im Grunde handelt es sich bei dem Brief an Tommasi um eine komprimierte Invektive, die sich, wie der Wechsel in die zweite Person Plural zeigt, parallel an den venezianischen Gelehrtenkreis richtete, den er zurückzugewinnen bzw. ihnen gesichtswahrend seine Position noch einmal zu verdeutlichen versuchte102. Dass er die dort ansässigen vallianischen Parteimitglieder (Vallenses) mit Verbindung zur venezianischen Elite nicht mehr überzeugen konnte, zeigt unter anderem ein späteres Angebot von Lorenzo Zane an Valla, eine Geschichte Venedigs zu verfassen, was dieser jedoch aus nicht näher genannten Gründen ablehnte103. Bracciolini forderte Tommasi darüber hinaus vorwurfsvoll auf, seine Rolle als Vermittler aufzugeben und noch einmal sorgfältig die von ihm aufgezählten Kritikpunkte an Person und Werk Vallas zu überprüfen104. Trotz des schroffen Duktus blieben die beiden Gelehrten in Kontakt, wenngleich Poggio ihn in einem späteren Brief noch noch einmal darum bat, seine orationes gegen Valla zu lesen105. Wenn von den topischen Formulierungen und Wendungen abgesehen wird, die Valla seine Zugehörigkeit zur humanistischen Gemeinschaft attestierten und ihm ebenso einen bedeutenden Rang zuwiesen, lassen sich zwei Aspekte herauskristallisieren, die für seine positive Wahrnehmung verantwortlich waren und zudem als Distinktionsmerkmale für das vallianische „community-fashioning“ appliziert wurden. Zunächst unterstreichen die Parteigänger die philologischen Untersuchungen seiner Invektiven. Lorenzo Zane lobte ihn beispielsweise für seine Sorgfältigkeit (diligentia), die in unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Gelehrsamkeit (doctrina) und seinem Verstand (ingenium) stehe;
fes an Tommasi: Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 26, S. 295: Miror autem de tua prudentia qui, cum sis doctissimus atque eloquentissimus, non advertis quam ineptus, quam infans, quam levis sit in scribendo. [...] Laurentium Vallam dilige et magniface quantum libet pro arbitrio tuo. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 26, S. 295: Ego que de illo quinque orationibus scripsi, nulla in re sum mentitus, iocatus sum in ultima oratione illum ad inferos decendisse; hoc solum a me confictum est, reliqua ex veritate deprompta. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 26, S. 294: Et certe nescio quam propter rem fanaticus ille adeo sua iactantia vos infatuet, ut illius scripta aliquid extimetis. Nulla in suis dictis aut opusculis eloquentia, nulla venustas, nulla elegantia, nulla gravitas, nulla doctrina. Siehe auch Celenza 2004, S. 130. Vgl. Valla 1984, Epistole, Ep. 56, Valla an Lorenzo Zane, S. 388–389. Siehe auch Zippel 1956. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 26, S. 295: Ceterum reconciliationis curam omitte. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 7, 4 (Herbst 1454), S. 316–317, hier S. 317: Nescio an legeris orationes meas in Vallam [...].
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diese beziehen sich auf die linguistische Lehre (artificium, vis dicendi, eloquentia)106. Ähnlich äußerte sich auch Gian Pietro da Lucca, der die duale Ausrichtung auf Cicero und Quintilian als magistri und duces unterstrich und den pluralistischen Zugang zur imitatio offenkundig begrüßte107. Die diligentia ergänzte er außerdem um religiöse Kategorien, die sich aus der Lektüre der Elegantiae ergeben würden: Er apostrophierte die religio, sinceritas animi, iustitia, fides und pietas, die er im Œuvre Vallas vorfinde. Implizit richtete er sich mit diesem Urteil gegen Bracciolinis Kritik an dem von der elegantiaKonzeption abgedeckten Fächerspektrum. Des Weiteren affirmierte er die vallianische Philologiserung der Theologie, die aus seiner Sicht zu einem besseren Verständnis der christlichen Schriften und zur daraus resultierenden Frömmigkeit beitragen würde108. Das im ersten Vorwort der Elegantiae gezeichnete Sprachimperium, mit dem Valla sein kulturelles Restaurationsprojekt zum Ausdruck brachte, wurde in mehrere Unterstützungszusagen eingewoben und in ein „community-fashioning“ umgewandelt. Mit einem Bekenntnis zum Römischen Reich und der lingua Romana versuchte sich die vallianische Partei in Venedig von den Anhängern Poggios abzugrenzen und ihre Verbundenheit zu äußern. Sie griff das „proto-nationalistische“ Motiv auf und stilisierte die linguistische Neuausrichtung im Sinne Vallas als eine Rückeroberung ihres „Vaterlandes“ (patria), das in den hier behandelten Briefen jedoch hauptsächlich noch mit der Literatur und Sprache verknüpft, d. h. kulturell gefasst wird. Francesco Diana behauptet, die Venezianer würden den Autor der Elegantiae als pater Latinitatis betrachten, eine Allusion an den Ehrentitel des pater patriae, der mitunter Vallas Vorbild Camillus und auch Cicero zuteilwurde109. Gian Pietro dankt Valla dafür, dass er ihn zurück in seine patria gerufen und ihm seinen sermo patrius wiederhergestellt habe. Die Erneuerung bezieht sich auf die Korrektur und Bereinigung der lateinischen Literatur, die, so stellt er in Aussicht, auch einen politischen Wiederaufbau des Römischen Reiches ermöglichen könne110. Die kulturellen Restaurationsbestrebungen Valla 2013, Correspondence, Ep. 50A BIS, S. 254: Sunt qui diligentiam tuam approbant, qui doctrinam laudant, qui artificium admirantur, qui dicendi vim, qui ingenium, qui denique eloquentiam tuam extollunt et predicant. Valla 2013, Correspondence, Ep. 50B, S. 256–261, hier S. 256: Quo magis laudanda est incredibilis diligentia tua, qui tanto litterarum interitu, qui tanta lingue Latine facta diminutione, duobus magistris ac ducibus eo perveneris atque alios quantum in te fuit deduxeris, ut non minus tibi, quam Varroni, quam Cesari, quam ceteris qui de arte grammatica conscripserunt, omnes Latine loquendi studiosi debere videantur. Ebd., S. 258: Atque utinam ut tu in diligendo quos imitareris non errasti, sic alii in te laudando gratiores reperirentur: Quid enim Cicerone elegantius aut copiosius, quid Quintiliano subtilius aut certius dici aut exogitari potest? Interessant ist die Charakterisierung der beiden Schriftsteller: Ciceros Werk beschreibt er als elegant und wort- bzw. gedankenreich, Quintilian fasst er hingegen als scharfsinnigen und stilistisch präzisen Schriftsteller. Valla 2013, Correspondence, Ep. 50B, S. 256–261. Valla 2013, Correspondence, Ep. 51C, S. 276: Teque omnes, quibus opera tua et hec et superiora cognita perspecta iudicataque sunt, sine exceptione patrem Latinitatis nostre, que iam interierat [...]. Valla 2013, Correspondence, Ep. 50B, S. 256: Tu enim longo intervallo me in patriam revocasti, tu mihi sermonem patrium restituisti, tu denique omnes liberales artes corruptas ac penitus eversas ad
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und die einhergehenden Affiliationsbekundungen machte sich auch der Grammatiklehrer und unter anderem für die Erziehung Galeazzo Maria Sforzas (1444–1476) und Federico I. Gonzagas (1441–1481) zuständige Ognibene Bonisoli da Lonigo (um 1412–ca. 1474) zu eigen, der sich zeitweilig 1453 in Venedig aufhielt und über Francesco Diana Zugang zu den Elegantiae erhielt111. Auch er nennt die industria und das ingenium Vallas als maßgebliche Qualitätsmerkmale, die eine dringend benötigte Korrektur der unzureichend gepflegten lateinischen Sprache ermöglichen würden. Vallas Werk wecke, abgewandelt auf einen Ausspruch Ciceros aus seinen Philippicae anspielend, „Hoffnung auf die Wiedererlangung der Latinität“, mit der eine Rückkehr von doctrina und humanitas in das literarische wie reale italienische Vaterland (patria) einhergehe. Ferner habe die Restauration die langjährige „barbarische“ Belagerung und intellektuelle Indoktrination beendet112. Bonisoli greift die primären Motive des ersten Vorwortes der Elegantiae auf und verbindet diese mit seiner Freundschaftsbekundung, die er mit Bewunderung und Hochachtung für Vallas Leistungen vorträgt: Er habe sich als patronus humanitatis mit seinem Werk um die Literatur (litterae), um „unsere Sprache“ (nostra lingua), um die „römische Dignität“ (Romana dignitas) und grundsätzlich um sein Vaterland (patria) verdient gemacht113. Die patria setzt sich aus den Latini zusammen, zu denen insbesondere die Studenten der Beredsamkeit gehören. Ihnen habe Valla letztlich ihr eigenes Sprachvermögen zurückgegeben, auf diese Weise das Barbarische romanisiert und aus den Schriften getilgt114. Mit ihren ausführlichen Zusprüchen bekundeten Gian Pietro und Bonisoli ihre Zugehörigkeit zu Vallas symbolischem Sprachimperium; sie stilisier-
pristinam sinceritatem ac veritatem revocasti atque recreasti. Ebd., S. 260: Omen videlicet atque augurium, ut ita dicam, restituendi imperii, ut cum sermo patrius ac lingua Latina per eum nobis reddita ac restituta fuerit, tum demum imperium ac summa rerum in Italia redeat? Valla 2013, Correspondence, Ep. 51 F, S. 280–285. Zu Ognibene Bonisoli vgl. Grendler 1989, S. 133 f. und zu seinen Schriften auch S. 172 f. Valla 2013, Correspondence, Ep. 51 F, S. 282: Videbam enim Latinitas recuperande, que iam pridem obsolevisset, spem aboriri prope certam, cum talia nunc opere virorum extra proveniant, que tum negligenter amissa restituere possint, tum vero temere admissa corrigere non dubitent. [...] cuius ingenio et industria iamiam redeat in patriam doctrina et humanitas, omni explosa barbarie, que tot annos Italie terram antiquam indigne nimis, ne dicam impudenter, occupaverat. Vgl. dazu Cic. Phil. 3, 13, 32: videtisne refertum forum, populumque Romanum ad spem recuperandae libertatis erectum? Valla 2013, Correspondence, Ep. 51 F, S. 282: Te vero incredibile est quantum diligere ceperim, nec mirum tamen. Quis enim virum non amet, non admiretur, omni laude dignissimum, qui tam bene de litteris, de lingua nostra, de Romana dignitate promeruit? Est vero inhumanus, sui quis humanitatis patrono debitas laudes invideat. Valla 2013, Correspondence, Ep. 51 F, S. 282 ff.: [...] qui non patrie finibus, non ipsius Urbis magnitudine contentus, Latium omne sui nominis fama complevit, eodem vigore duraturus, quo iam pridem magis magisque amplificari cepit. Itaque glorie sibi nec metas nec tempora posuit. Eo evenit ut plus patria sibi quam ipse patrie debeat. Quid patriam dixi? Urbem ipsam, olim terre marisque principem, sibi obnoxiam reddidit, vel potius Latinos omnes, et in primis eloquentie studiis deditos, maiorem in modum obligavit, qui orationem nostram docuit, qua ratione pro vitiosa puram, pro corrupta integram, pro barbara denique Romanam efficere possemus.
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ten sich als (literarische) „Römer“, die dem Sprachideal der Elegantiae folgen und sich auf diese Weise an der Erneuerung des literarischen Roms beteiligen. Als Qualifikationsmerkmal brachte Valla die Einstufung als „Römer“ selbst zur Anwendung. Dem neapolitanischen Adligen Marione Tomacello attestierte er im Oktober 1453, dass er aufgrund seiner lateinischen Ausdrucksweise (stilus), die er als elegant (elegans), rein (tersus) und sorgfältig (accuratus) beschreibt, sich von einem Neapolitaner zu einem Römer (romanus) verwandelt habe und nun mehr wie die litterati und nicht wie der vulgus sprechen könne. Er führt weiter aus, dass erst das soziokulturelle Sakrament der Romanitas seiner neapolitanischen nobilitas den nötigen (literarischen) Ruhm (gloria litterarum) verleihen könne115. Vallas Elegantiae erfreuten sich insbesondere bei Lateinlehrern großer Beliebtheit, was in der Hervorhebung seiner industria und diligentia reflektiert wird. Seinen Invektiven gegen Poggio wiesen sie Überzeugungskraft zu und sahen weder in seiner Autoritätskritik noch in seiner Nachahmungsauffassung, den Hauptgegenständen der Auseinandersetzung, einen Widerspruch zur humanistischen Orthodoxie. Interessanterweise wird Vallas Umgang mit den auctores in keinem Schreiben behandelt. Allein Gian Pietro bittet ihn in einem Brief aus dem Jahr 1452 um eine Kopie der Repastinatio, in welcher ihr Autor, wie er gehört haben will, Aristoteles „nicht unüberlegt“ (temere) kritisiert (reprehendere) habe116. Werden die Reaktionen im Rahmen der Bracciolini-VallaKontroverse mit den Beurteilungen von Vallas moralphilosophischen Dialog De vero bono in den 1430er Jahren verglichen, in denen die Bedeutung und Gültigkeit von auctoritas außerordentlich apostrophiert wurden, scheint dieser Aspekt in den 1450er Jahren zu keinen grundsätzlichen Unstimmigkeiten mehr geführt zu haben. Als heterodoxe Praxis fand Vallas polemisch ausgeschmückte Methodik Einzug in die orthodoxe Wahrnehmung des humanistischen Feldes. Große Aufmerksamkeit wurde insbesondere der ersten praefatio der Elegantiae zuteil. Sie bot eine ausformulierte Sprachideologie, die grundsätzlich an alle vorherrschenden Spielarten des Humanismus anknüpfungsfähig war. Die in Venedig verorteten Gelehrten nutzten das von Valla eingeführte Motiv einer kulturellen Rückeroberung, um sich in die vallianische Gemeinschaft einzuschreiben und ihm seine Unterstützung zuzusichern. Die Identifikation als „literarische Römer“ negierte nicht ihre politische Zugehörigkeit zu Venedig; sie war problemlos mit ihren jeweiligen Diensten und Tätigkeiten kompatibel. Vallas Verbündete schrieben sich als „Römer“ in das binäre Weltbild ein, das er sowohl in den Elegantiae als auch in seinen Invektiven zeichnete. Im Zuge ihrer Stellungnahme und ihres Bekenntnisses
Valla 1984, Epistole, Ep. 52, S. 383–385, hier S. 384: [...] ita nunc induisti tibi stilum quendam elegantem, tersum et accuratum, ut ex neapolitano romanus mihi factus esse videaris: romanus, inquam, ut litterati, non ut vulgus loquitur. Quare perge et te quotidie excultiorem redde, et nobilitatem familie tue vel imple vel accumula gloria litterarum. Nihil enim est quo nobilitas neapolitana fieri possit illustrior quam romanitate unde omnis gloria emanat. Valla 2013, Correspondence, Ep. 50A, S. 250–253, hier S. 250.
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zum vallianisch geprägten Sprachimperium richteten sie sich folglich gegen die als „Barbaren“ eingestuften Unterstützer Poggios. Dennoch hielten sie sich mit offenen Attacken auf Vallas Gegner zurück, wenngleich ihm seine dicacitas vorgehalten und ihm aufgrund seines mutmaßlichen Neides, ein wichtiges Motiv aus dem ersten Antidotum, seine humanitas abgesprochen wurde117. Dies zeigt, dass sich alle Beteiligten potentielle Freundschaftsschlüsse mit Bracciolini in Zukunft offenhalten wollten und daher auf Verbalinjurien oder despektierliche Bemerkungen verzichteten. Diese behutsame Vorgehensweise lässt sich auch bei anderen Akteuren beobachten, wie in den nachfolgenden Kapiteln gezeigt wird. Valla vermochte Venedig auf seine Seite zu ziehen und eine treue Gefolgschaft zu rekrutieren, was sich mitunter noch postum bemerkbar machte: Der für Venedig tätige Historiker Marcantonio Sabellico (1436–1506) verarbeitete in seinem 1491 erschienenen und stark rezipiertem Dialog De latinae linguae reparatione eindrücklich das erste Vorwort der Elegantiae. Er bediente sich Vallas kulturpolitischer Verortung des Humanismus als eine Bewegung, die sich innerhalb eines intellektuellen Kampfes zwischen Trägern der mit der Romanitas assoziierten Latinität und den als Invasoren gezeichneten barbarischen Gelehrtenkulturen befand118.
4.2.2 Bracciolinis Lachgemeinschaft in Ferrara Besonderes Augenmerk legte Bracciolini nach seiner Berufung zum florentinischen Kanzler auf die Gelehrtenkreise von Bologna und Ferrara, die sich als essentiell für seine Kampagne erwiesen. Bologna beherbergte eine der führenden italienischen Universitäten, die sich früh den studia humanitatis öffnete. Ebenso befand sich Niccolò Perotti vor Ort, der das Meinungsbild zugunsten seines Freundes und Mentors Valla zu verschieben drohte und gegen Ende des Jahrs 1453 einen Stellvertreterkonflikt mit Poggio initiierte. Ferrara stellte unter den Herzögen von d’Este ein wichtiges Kulturzentrum dar, wo überdies die einflussreiche Schule Guarinos verortet war119. Bracciolini war sich, wie bereits gezeigt, des Potentials der Elegantiae als Schullektüre bewusst. Daher beabsichtigte er, in beiden für den Humanismus wichtigen Bildungszentren seinen Gegner diskursiv wie sozial auszuschalten und eine Diffusion der linguistischen Schrift zu verhindern. Die guarinische Schule als humanistischer Dreh- und Angelpunkt bot ihm überdies die Gelegenheit, mit gezielter Stimmungsmache der vallianischen Partei Rekrutierungs- und Verbreitungsmöglichkeiten zu unterbinden und darüber hinaus
Valla 2013, Correspondence, Ep. 51D, Francesco Diana an Valla, S. 278: Dicacitas Pogii nunc silet et in dies virtus tua et laus crescit cumulaturque. Ebd., Ep. 51 F, Ognibene Bonisoli an Valla, S. 282: Est vero inhumanus, si quis humanitatis patrono debitas laudes invideat. Sabellico 1999, De latinae linguae reparatione, zu Valla S. 120 ff. Vgl. zum Dialog De latinae linguae reparatione bes. Baker 2015, S. 184–225. Zu Sabellico auch weiterführend Chavesse 2003, bes. S. 36 f. Siehe einführend den von Pade/Waage Petersen/Quarta 1990 herausgegebenen Sammelband zu Ferrara.
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den gemeinhin als Wortführer anerkannten Guarino für die eigene Sache zu gewinnen. Der veronesische Pädagoge wurde als humanistisches lumen wie Leonardo Bruni grundsätzlich als Spielball von allen Beteiligten vereinnahmt und sowohl als Unterstützer als auch als Zeuge aufgerufen. Gegen Valla führt Bracciolini an, dass sich Guarino in einem nicht überlieferten Brief abfällig über ihn geäußert habe. In seinem Schreiben an den Pädagogen im Oktober 1433 äußerte Poggio sich bereits höchst despektierlich über den damals noch im Anfangsstadium seiner Karriere befindlichen Rivalen. Er warnte Guarino, der Valla im selben Jahr mit seinem moralphilosophischen Dialog De vero bono empfing, ausdrücklich vor dessen autoritätskritischen Lehren und Umtrieben; ferner bat er um Rückmeldung und einen genauen Bericht über das Treffen120. Ob und wie sich Guarino letztlich positioniert hat, ist nicht überliefert. In den 1440er Jahren griff er auf eine frühe Version der Elegantiae in seinem Unterricht zurück, was zumindest in linguistischer Hinsicht auf Zustimmung hindeutet. Giorgio Valagussa (1428–1464) zufolge, der von Guarino unterrichtet wurde und später als Lehrer in Mailand tätig war, wollen er und seine Kommilitonen oft über Valla gesprochen und sich stets positiv über ihn geäußert haben121. Guarinos Haltung gegenüber Valla dürfte folglich zumindest neutral, wenn nicht sogar positiv gewesen sein. Dies wird durch Poggios Aufwiegelungsversuch in den 1430er Jahren untermauert122. Nichtsdestoweniger scheint sich Guarino trotz mehreren Versuchen der Agonisten, ihn als richterliche Instanz aufzurufen, aus dem Konflikt herausgehalten zu haben. Geflissentlich vermochte der Autor der Elegantiae jedoch ihre gemeinsame Bezugsgröße für seine Zwecke argumentativ einzuspannen: An mehreren Stellen in seinen Invektiven brachte er explizit wie implizit die Scipio-Caesar-Kontroverse zwischen ihm und Bracciolini vor. Die Evokation ihrer Meinungsverschiedenheit, die oben bereits in einem anderen Zusammenhang besprochen wurde, sollte offensichtlich ihren einstigen Zwist neu entfachen123. Ebenso muss die Erhebung Guarinos zum mutmaßlich parteilosen Zensor über die Schriften Braccioli-
Bracciolini 1984, Lettere 2, Ep. 4, 14, S. S. 178: Non est mirandum eum, qui Ciceronem arguit in arte dicendi et oratoria facultate, Aristotelem quoque ac reliquos philosophie antistites velle reprehendere. Ebd., S. 179: Itaque te rogo maiorem in modum, ut ad me perscribas hunc suum, quem tecum habuit, primum ingressum et collocutionem, tum vero quid de homine sentias et eius doctrina moribusque. Den besagten Brief korrigiert Valla in seinem ersten Antidot, vgl. Valla 1978, Antidotum primum 1, 167 f., S. 120 ff. und 3, 172, S. 210. Zum Gebrauch der Elegantiae vgl. Grafton/Jardine 1982, S. 64 f. Giorgio Valagussa nahm erst im November 1456 Kontakt zu Valla auf und berichtete von seiner Zeit in Guarinos Schule, Valla 2013, Correspondence, Ep. 56A, S. 316–319, hier S. 316: Memini, dum adhuc in academia Guariniana militarem, sepenumero de te verba una cum condiscipulis fecisse, quem omnes uno ore adeo laudibus immortalibus efferebant ut non sine, ut sic dixerim, veneratione tuum nomen in medium afferrent! Zur Unklarheit des Verhältnisses zwischen Valla und Guarino bereits Preté 1986, S. 344. Der explizite Rekurs auf ihre Meinungsverschiedenheit bleibt äußerst vage und ähnelt der Aussage seines Gegenspielers. Valla 1978, Antidotum primum 1, 25, S. 88: Quid in Guarinum, modestie exemplum? Zur Kontroverse ausführlich oben, Kap. 3.2.2.; zum Streit als solchen bes. Wesseling 1978, Appendice I, S. 249–251, Prete 1986, S. 336 ff. und Rao 2007, S. 70–72.
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nis im Apologus in diesem Zusammenhang vergegenwärtigt werden. Poggio sollte von einem Mitglied seiner eigenen Generation hinsichtlich seiner Ausdrucksweise in die Schranken gewiesen werden. Den mutmaßlichen Disput mit Guarino wertet Poggio jedoch als eine „höchst ehrenhafte“ intellektuelle Debatte unter Freunden und wirft Valla eine weitere Erdichtung von Verbrechen vor. Dass kein Groll zwischen beiden Gelehrten nach ihrer Auseinandersetzung herrschte, bezeugt indes ihr steter Briefverkehr und ihr wiederholter Freundschaftsschluss während des Disputs zwischen Bracciolini und Niccolò Perotti, der weiter unten noch analysiert wird124. Zur Rekrutierung in Ferrara wandte sich Bracciolini mitunter an seinen langjährigen Freund, den Kanoniker und für seine Rolle als literarischer Zensor bekannten und vielfach vernetzten Francesco Marescalco, sowie an den Lehrer Filippo Tifernas. Beide wurden von Guarino unterrichtet und lassen sich seinem unmittelbaren Kreis zuschreiben125. Poggios Mahnungen, Abschriften herzustellen und ihm so schnell wie möglich den Archetypus seiner Reden zurückzusenden, offenbaren seine kampagnenartige Vorgehensweise, die einen koordinierten Schlag gegen Valla und Perotti vorsah, um beiden den Zugang zu den intellektuellen und sozialen Ressourcen zu unterbinden. Nach dem überlieferten Briefverkehr zu urteilen, erwies sich seine Taktik als wesentlich durchdachter als diejenige Vallas, der, anders als sein politisch geschulter Rivale, nicht über eine derartig hohe Anzahl an sozialen Verflechtungen verfügte und entsprechend eine geringere Reichweite erzielen konnte126. Der Duktus der poggianischen Bittschriften, in denen er um Unterstützung und Weiterverbreitung bat, ähnelt dem seiner Invektiven: Er wiederholt in verkürzter Form die primären Anklagepunkte seiner Reden und unterstreicht die Wichtigkeit, die humanistische Gemeinschaft vor dem Wirken seiner Gegner zu warnen. Im Mittelpunkt stehen die vallianische Autoritätskritik und der damit zusammenhängende Wahnsinn, d. h. der pathologisierte Dissens, der das anomische Verhalten seines Gegners erklären und ihn als sozialen Fremdkörper erscheinen lassen sollte. Darüber hinaus kolportierte er Gerüchte über Vallas mutmaßlichen Ausschluss aus dem Hofe des neapolitanischen Königs oder seine häretischen Umtriebe. Perotti zeichnete er als Schüler und Imitator Vallas, der letztlich dieselben Charakterzüge aufweise und ebenso als Aussätziger zu behandeln sei127.
Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 216: [...] cum Guarino et Francisco Valate studiorum et doctrinae disceptationem fuisse honestissimam, ut saluo iure amicitiae, suam quisque sententiam tueretur. [...] Afferet [scil. Manetti als persona in einer Gegenrede] te primum omnium qui uiuant falsa crimina fingere. Vgl. Grafton 2002, S. 293; 300 ff. Siehe auch Marsh 2007, S. 37f. zu den sozialen Verschränkungen. Exemplarisch Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 26, an Bartolomeo Ghiselardi, S. 220–221, hier S. 220: Recepi tuas litteras [...] et una orationes meas in Vallam, quas tamen abest ut mihi displiceat tardiuscule a te remissas, ut etiam te culpem quod eas remiseris tam cito. Cupio enim has vulgari, ut nota fiat insania illius asini petulantis, communis doctorum omnium detractoris. Siehe zum Beispiel Poggios Brief an Francesco Marescalco, Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 16, S. 198–199, hier S. 198 f.: Laurentius Valla ob eius stultam proterviam et insanos mores ab rege Aragonum olim repudiatus, reiectus, repulsus, confugit tandem ad pabula romane curie, in quibus multa por-
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Als Erkennungszeichen seiner Partei reklamierte er Witz und Spott und bewarb seine Invektiven mit ausdrücklichen Verweisen auf ihren geistreichen Humor, den er in direkte Verbindung zu seinen Facetiae setzte. In seinen Schmähschriften zeichnet er Valla als durchweg lächerliche Person, dessen fehlende gravitas, temperantia und moderatio, d. h. die grundsätzlichen Eigenschaften einer moralisch integeren Amtsperson, sich sowohl in seinem Verhalten als auch seinen Schriften offenbaren. Neben dem Wahnsinn erweist sich in Bracciolinis Portrait die zur Schau gestellte Lächerlichkeit als distinktives Attribut Vallas128. Seine orationes seien, wie er beispielsweise an Mattia Triviani schreibt, „angefüllt mit vielen Witzen und geistreichen Scherzen“ (multis salibus et facetiis sunt referte), die den Leser zum Lachen bringen sollten129. Die Adressaten sollten sich über seine Darstellungen amüsieren, jedoch auch von Vallas Dissens in Kenntnis gesetzt und vor seinen Beiträgen gewarnt werden. Die Betonung des Witzgehaltes erfüllte zwei Funktionen: Zum einen stellte er sein Alleinstellungsmerkmal heraus, das sich durch seine Schriften zieht und die Empfänger auf sein literarisches Profil aufmerksam machen sollte. Zum anderen muss die Einbettung der Karikatur Vallas in
tenta sepe non solum nutriuntur sed saginantur. Siehe auch Lettere 3, Ep. 6, 23, an Alberto Parisi, S. 285–287, hier S. 286: [...] sed ut alias scripsi, non solum Titum Livium sed omnes priscos doctissimos viros illa maledica lingua et sacrilega manu redarguit, persequitur, culpat et velut ignaros damnat. Inter ceteros vero Aristotelem multis in locis in Dialecticis et Phisicis reprehendit, componens libellos nescio quos reprobos insanie et stultitie sue testes; qui cum ab omnibus rideantur, ipse tamen cervicoso capite perstat in sententia. Zu Perotti exemplarisch der Brief an Alberto Parisi, Lettere 3, Ep. 5, 19, S. 204–206, hier S. 205: Attamen nonnullos stultos et dementes sui similes laudatores invenit et inprimis poetam nostrum novellum absque ulla poesi, non laureatum sed larvatum, Nicolaum Perottum, pessimum cathamitam. Zur pejorativen Charakterisierung Perottis bes. Schaller 2002; jüngst auch einschließlich einer Analyse des Konfliktes zwischen Bracciolini und Perotti Sasso 2021. Exemplarisch Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 194: Legi nuper ridendi causa, illius uacuas omni elegantia libros, quam absurdae sententiae, quam inania uerba, quam ridiculae opiniones, quam insulsae fabulae in eis libris reperiuntur, quam late illius portenti euagatur insania. Ebd., S. 199: [...] totum enim opus his ridiculis sententiis refertum est [...]. Siehe auch unter anderem die mutmaßliche Bemerkung Francesco Barbaros zu Valla: Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 230: Fracisci Barbari uiri doctissimi, mihique amantissimi sententiam noui, qui cum pro sua humanitate omnes laudet, tamen risu cum in sermonem incidit quae sit sua de te opinio demonstrat. Ebenso Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, S. 286: [...] componens libellos nescio quos reprobos insanie et stultitie sue testes; qui cum ab omnibus rideantur, ipse [scil. Valla] tamen cervicoso capite perstat in sententia. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 4, 9, an Filipo Tifernas, S. 140–141, hier S. 140: Misi [...] ad te [...] orationem, quam edidi in dementiam Valle, de qua solum in tuis litteris meministi. Edidi item secundam, uberiorem priore et facetiis refertam quam ad te mitterem [...]. Ebd., Ep. 4, 17, S. 18, an Mattia Triviani: [...] mitto ad te quinque oratiunculas meas, quas edidi in spurcissimum monstrum Laurentium Vallam. Scio, si eas legeris non continebis risum, quoniam multis salibus et facetiis sunt referte. Siehe auch ebd., Ep. 5, 27, an Francesco Marescalco, S. 222–223, hier S. 222: Intelligo probari tibi orationem, qua petulantie insulsissimi ganeonis Nicolai Perotti, qui in me acerrime invexerat, respondi, laudoque quod eam aliis tradideris legendam [...]. Siehe auch mitunter die Aufforderung am Schluss des Briefes an Bartolomeo Ghiselardi, über den „Wahnsinn“ Perottis zu lachen, Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 17, S. 200–201, hier S. 201: Tu fac ut me ames, ut coepisti, et insaniam Perotti ride.
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seine burleske Witzesammlung als sozioliterarische Praktik verstanden werden. Wie bereits oben gezeigt erläutert er im Nachwort seiner Facetiae die Genese des Werkes, das durch gemeinsames Lachen und Erzählen von absurden, witzigen oder verstörenden Geschichten in einem Literaturzirkel an der Kurie entstanden sei. Diese lokal in Rom verortete Gemeinschaft wird über seine Briefe um eine virtuelle Plattform erweitert und zur Freundschaftsstiftung eingesetzt, die mit Valla als feindlich gesinnte Witzfigur gleichsam einen Gründungsmoment erfährt. Werner Röcke und Hans Rudolf Velten definieren Lachgemeinschaften als „offene, labile und performative soziale Gebilde, die aus gemeinsamem Gelächter entstehen“. Diese Zusammenschlüsse „können über soziale Exklusion oder Inklusion, Reputation oder Verachtung entscheiden. Sie vermögen Machtpositionen durchzusetzen, ermöglichen aber auch Transgressionen der gewohnten Dispositionen des Verhaltens oder aber bestätigen den moralischen oder rechtlichen Konsens einer Gesellschaft, der in der Lachgemeinschaft mit ihrer Hilfe vollzogen und durchgesetzt wird.“130 Inklusion und Exklusion stehen bei Poggios „community“ im Vordergrund; wie die symbolische Aufnahme in seine Lachgemeinschaft von statten ging, bezeugt das Urteil Filippo Tifernates131. Im November oder Dezember 1452 teilte er Bracciolini seine Ansichten über die erste oratio gegen Valla mit, die ihm Porcelio zugetragen hat und in Ferrara für eine große Nachfrage gesorgt haben soll: Er lobt explizit den ironischen Triumphzug, der bei „allen“ Gelehrten (eruditi omnes) lobenden Beifall und Gelächter ausgelöst habe. Die Leserschaft soll, neben Poggios ingenium und seine copia dicendi, insbesondere die Idee des Triumphzuges (propositum) gewürdigt haben. Er wiederholt affirmierend die von Bracciolini vorgebrachten Anklagepunkte, d. h. die Autoritätskritik und die vallianische vesana amentia, gegen die Poggio jedoch als vir eruditissimus et probatissimus erfolgreich vorgegangen sei132. Wichtig ist die von Fillipo vorgenommene Positionierung: Er bekennt sich zu einem Anhänger Poggios (Poggianus ero semper), zu einem liebenden Freund (amator), Lobredner (predicator) und Verteidiger (defensor) seines Ruhmes, Verdienstes und Rufes (gloria, laus, nomen). Die zahlreich applizierten Gelehrsamkeits- und Geltungskategorien, vor allem seine im Superlativ ausgedrückten Attribute, sollten Poggio als humanistischen Wortführer ausweisen, der erfolgreich seinen Ruf gefestigt und zugleich seinen Gegner erniedrigt habe – wie oben gezeigt bedingten beide Praktiken einander und wurden von der Leserschaft als Voraussetzung der diskursiven Behauptung erwartet. Mit der redundant anmutenden Apo-
Röcke/Velten 2005, S. XV. Zu Poggios bugiale auch Wolf 2005, S. 145–150. Der Brief ist abgedruckt in Walser 1914, Nr. 60, S. 490–493. Walser 1914, Nr. 60, S. 492 f.: De triumpho autem Valle cuius a Porcellio Romano exemplum accepi, quid tibi dicam, non equidem scio, tantos enim plausus, clamores, risus omnibus concitavit, ut nihil unquam fuerit maiore voluptate susceptum quamquam in hoc eruditi omnes non tam ingenium tuum laudant et dicendi copiam admirantur, quam propositum laudant. Nihil potuit rectius fieri, quam ut a te, viro et eruditissimo et probatissimo, vesana illius amentia, que doctos omnes carpit aliquando tandem ita comprimeretur, ut et ille perpetuo futurus esset infamis et veteres omnes illi doctissimi viri auctoritatem suam tuo patrocinio retinerent.
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strophierung des Lachens, Beifalls und der Freude adressierte der Ferrareser das poggianische Markenzeichen, mit dem er sich als Vertreter der namentlich nicht genannten Gelehrten zur intellektuellen Haltung seiner Bezugsgröße in der Rolle des predicator und defensor bekannte. Mit der Unterstreichung der Publikumsreaktion (plausus, clamores, risus) bekundeten er und seine Mitstreiter ihren Eintritt in die poggianische Lachgemeinschaft, die sich über die Kultivierung geistreichen Humors identifizierte und dem Dissens des gemeinsamen Gegners Vallas mit symbolischem Gelächter entgegentrat. Dass sein Brief zur Zirkulation freigegeben wurde und als Multiplikator diente, kann als gesichert angenommen werden. Eine ähnliche Reaktion finden wir auch in einem Brief Alberto Parisis, des Kanzlers der bolognesischen Sedici Riformatori, d. h. der Verwaltungsinstitution der Universität. Er berichtet Bracciolini von Niccolò Perottis prekärem physischem wie sozialem Zustand nach ihrem invektiven Schlagabtausch im Sommer 1454. Poggios Kampagne soll ihm bemerkbar zugesetzt und ihn im Gelehrtenkreis der Stadt isoliert haben, was er über ein exkludierendes Verlachen seitens der übrigen Gelehrten zum Ausdruck bringt. Ebenso orientierte er sich imitativ am poggianischen Duktus, was sich an den applizierten Verbalinjurien und Begriffsübernahmen zeigt133. Parisi kennzeichnet beispielsweise den Dissens Perottis als insania, wodurch er einerseits die von Bracciolini vorgegebene diskursive Richtung reproduzierte, andererseits durch seine Nachahmung die beanspruchte Wortführerschaft des florentinischen Kanzlers als nachahmungswürdiges Vorbild bestärkte134. Im direkten Vergleich zu Bracciolinis Briefen hielt sich Valla hinsichtlich der thematischen Differenzen bedeckt und gab weder seine Gegenklagen noch die Herabwürdigungsversuche gegen seinen Gegner wieder. Sein Duktus ist diplomatisch und eindeutig defensiv ausgerichtet, was seine Unsicherheit gegenüber dem ihm unbekannten Gelehrtenkreis in Venedig offenbart. Poggio dagegen ging in seinen Begleitschreiben offensiv vor: Er beabsichtigte seine beanspruchte Diskurshoheit durch seinen konfrontativen Stil aufrechtzuerhalten und sowohl Valla als auch seine Unterstützer, an welche die öffentlichen Schriftstücke ebenso gerichtet waren, einzuschüchtern.
Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 25, 289–290: Nicolaus Perottus tuus posteaquam orationem tuam contra se editam legit et vulgari sensit, mirabiles ac ridendos nobis edidit ludos. Tanquam cicutam Socraticam bibisset, coepit totus animo frigescere et paulum remittere de illa solita elatione et fastu, quo preter modum inflatus et tumens incedebat. [...] Cum palatium egreditur, quod fit perraro, circumspicit an magis solito in se ora hominum vertantur; qui enim solum conscientia eorum, que occulta videbantur, torqueretur multo nunc magis exestuat, reseratam cernens prioris vite turpitudinem. Itaque pallidulo vultu, oculis subtristibus, incessu vario, verbis ambiguis testatur egritudinem cordis. [...] ex hac tua scriptione universa civitas letata est, que fastidium atque insolentiam huius putiduli animalis diutius quam equum erat perpessa est [Hervorhebungen durch den Verfasser]. Dazu auch Helmrath 2010, S. 274: „Hier finden sich ausnahmsweise auch Züge von Scham, die sich typischerweise zu verbergen sucht.“ Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 25, S. 289: Vulpis autem auxilium deposcit, qui nescio an illius insaniam sit imitaturus. Auch die Formulierung qui nescio erinnert stark an den poggianischen Stil.
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4.2.3 Die bolognesischen Stellvertreterkonflikte 4.2.3.1 Niccolò Perotti gegen Poggio Bracciolini Das Beispiel Bologna vermag anschaulich zu demonstrieren, wie in einem intellektuellen Soziotop um die diskursive Vorherrschaft gekämpft wurde und welche Rolle dabei dem Publikum zukam, das in die jeweilige Gruppeninszenierungen einbezogen wurde. Zugleich stellte die Stadt den Austragungsort von drei Stellvertreterkonflikten dar, in denen sich jeweils Valla und Bracciolini verwickeln ließen. Die Signoria Bologna, die seit 1442 von Sante Bentivoglio (1424–1463) regiert und von den Medici finanziell unterstützt wurde, erwies sich für beide Agonisten als umkämpfte Einflusssphäre, in welcher Uneinigkeit bezüglich der Positionierung gegenüber den beiden Humanisten herrschte135. Poggio nutzte sein neues politisches Amt als Kanzler aus und setzte sowohl die politische Abhängigkeit der Signoria von Florenz als auch sein durch einen einstigen Aufenthalt erworbene soziale Kapital für seine Bündnisschlüsse ein; dezidiert richtete er sich an Adressaten, die sich, wie er selbst, zwischen dem politischen und humanistischen Feld bewegten: Er vermochte neben Alberto Parisi noch den Notar Bartolomeo Ghiselardi (1436–1505) auf seine Seite zu ziehen136 und sie sowohl gegen Valla als auch insbesondere gegen seinen dort tätigen Parteigänger Niccolò Perotti zu richten, der im Dienste des ebenfalls in Bologna residierenden päpstlichen Legaten Bessarion stand. Kardinal Bessarion verkörperte nicht allein die kirchenpolitische Verbindung zwischen Bologna und Rom, sondern erwies sich darüber hinaus als einflussreicher Gelehrter, dessen Urteil und Zuspruch Gewicht seitens der Streitakteure beigemessen wurde. Zusammen mit Giovanni Tortelli, der selbst lange Zeit in Bologna wirkte und dort sein lexikographisches Werk, die Orthographia, verfasste, prägten sie den intellektuellen Austausch zwischen den beiden Städten137. Den Schauplatz der drei Stellvertreterkonflikte bildeten zwei Orte: Zum einen die Universität, die ein intellektuell pulsierendes Zentrum darstellte, wo die zwei bolognesischen Unterstützer Vallas als Rhetorik- bzw. Grammatiklehrer wirkten. Zum anderen konnte Bracciolini aus der Universitäts- und Stadtverwaltung wichtige Anhänger für seine Kampagne rekrutieren. Die institutionelle Verteilung der jeweiligen Sympathisanten in Bologna spiegelt sowohl das Selbstverständnis der beiden Antagonisten als auch ihre politisch-intellektuellen Einflussmöglichkeiten wider. Wie am Beispiel Venedigs gezeigt, vermochte Valla, selbst als Professor am römischen studium tätig, mit seinen auf den Lateinunterricht zugeschnittenen Schriften bei Lehrern (rhetores) auf große Resonanz zu stoßen. Poggio dagegen war zeitlebens politisch als Sekretär oder Kanzler aktiv und bediente den Erwartungshorizont von administrativen Amtsträgern, die ihrerseits auf den
Vgl. Grendler 2002, S. 10 f.; S. 209 f. Zum Austragungsort Bologna auch Severi 2009, bes. S. 100 ff. und Severi 2014, S. 1176 ff. Bologna als intellektuelle Anlaufstelle ist in der Humanismusforschung noch nicht ausreichend gewürdigt worden. Zu Kunst und Humanismus in Bologna im ausgehenden Quattrocento vgl. den Sammelband von Benati/Calogero (Hg.) 2019. Für biographische Informationen zu beiden Gelehrten siehe Frati 1931. Zu Tortellis Wirken in Bologna vgl. Chines 2018, hier S. 188 f. und Tomè 2018.
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Erwerb von sozialem Kapital hinarbeiteten. Der Fall Bologna zeigt eindrücklich, wie eine humanistische Klientelpolitik betrieben wurde, d. h. mit welchen rhetorischen Strategien Mitstreiter mit ähnlichen sozialen Stellungen, den dazugehörigen (intellektuellen) Haltungen und konvergierenden (politischen) Interessen angesprochen und umworben werden konnten. Perotti übernahm die Rolle des „Trittbrettfahrers“ und unterstützte zusammen mit dem oben bereits erwähnten Lehrer Niccolò Volpe Vallas eigene Kampagne. Wenngleich der junge Perotti – im Jahr 1453 war er erst vierundzwanzig Jahre alt – noch am Anfang seiner Karriere stand, konnte er bereits mehrere formale Errungenschaften nachweisen: Seine universitären Lehrtätigkeiten und sein Dienst für Kardinal Bessarion eröffneten ihm Zugänge zum intellektuellen wie politischen Feld; die von Kaiser Friedrich III. (1415–1493, seit 1452 Kaiser) vorgenommene Krönung zum poeta laureatus gab ihm indes einen wertvollen Distinktionsprofit, den er als offizielle Auszeichnung seiner literarisch-poetischen Kompetenzen zur Verbesserung seines innergemeinschaftlichen Status einzusetzen vermochte138. Daher wurde Bracciolini, und dies erklärt die Vehemenz seines Vorgehens, mit einem weiteren ernstzunehmenden Gegner konfrontiert, der darüber hinaus auch einflussreiche Verbindungen zur Kurie, mitunter zu Papst Nikolaus V., unterhielt und ebenso an den römischen Übersetzungsprojekten beteiligt war. Darüber hinaus gerieten beide auch 1452 in Rom physisch aneinander, als der ältere Humanist dem jüngeren einen Priscian-Kodex gewaltsam zu entwenden versucht hat139. Eine Feindschaft bestand folglich schon zuvor, die sicherlich auf Perottis öffentliches Zusammentreffen mit Valla im selben Jahr zurückzuführen ist140. Perotti präsentierte sich in Bologna als öffentlicher Verteidiger und Lobredner (defensor und laudator) seines Freundes, während er von Valla ideell aus Rom unter-
Vgl. Walser 1914, S. 278; Schaller 2002, S. 173; Lo Monaco 2009, S. 51 ff.; Sasso 2021, S. 54 ff. zur Lehrtätigkeit an der Universität von Bologna vgl. Grendler 2002, S. 217. Perotti unterstützte Valla bereits in seiner Auseinandersetzung am neapolitanischen Hof 1447/1448, vgl. Valla 2013, Correspondence, Ep. 43A, S. 218–223, Niccolò Perotti an Lorenzo Valla aus dem Frühjahr 1448, hier S. 220: Antidotum [scil. in Facium] tuum fac, amabo te, ut quam primum habeamus; [...]. Aveo id mirum in modum, partim quod utilitatem ex eius lectione videor percepturus, partim quod mirificam te et pene incredibilem laudem ex editione eius libri adepturum intelligo. Cessi 1912b, Nr. 10, In Nicolaum oratio, S. 92: [...] et illud addidisti me Rome in regia Pontificis Maximi spectantibus clarissimis viris atque adeo omni curia presente in te impetum fecisse atque a te Priscianum extorquere voluisse et id primum dessute vel potius scisse nostre amicitie signum fuisse. Ebd., S. 93: Rogavit me per epistolam Johannes ut te hortaretur [corr. hortarer] ut sibi restitueres Priscianum quem amplius quadriennium per iniuriam tenebas; id tibi si persuaderem, mea se opera illum recuperaturum professus est. Dazu auch Schaller 2002, S. 172. Der Vorfall erinnert stark an die Auseinandersetzung zwischen Poggio und Georg von Trapezunt. Siehe die Bemerkung in Poggios Brief an Giovanni Tortelli, in der er retrospektiv auf ihre Zusammenkunft an der Kurie eingeht, Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 23, S. 213: [...] qui [scil. Perottus] fuit Valle discipulus ita illius imitator, ut nihil ab eo neque insania neque arrogantia neque impudentia neque scurrilitate differat, sed alter Valla amentia et nequitia esse videatur [...].
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stützt und feierlich zum Nachlassverwalter seiner Werke ernannt wurde141. Seine eigene Kampagne setzte sich aus einer Invektive (oratio) und mehreren, gegen Poggio gerichteten Briefen zusammen, die er innerhalb und außerhalb von Bologna verbreiten ließ. Seine Rolle ähnelte entsprechend der des Ferraresers Filippo Tifernas, der sich ebenso um eine flächendeckende Publikation der jeweiligen Schriften Poggios bemühte142. Im September 1453 versendete Perotti ein Schreiben an den Juristen Battista de Brennis (1405–1482), den späteren Sekretär des in humanistischen Kreisen als Förderer aktiven Kardinal Prospero Colonna (ca. 1410–1463)143, in dem er sich ausdrücklich für Valla aussprach und ihn zum Sieger der Auseinandersetzung mit Poggio erklärte144. Sekundiert wurde er von Niccolò Volpe, der sich ebenfalls sowohl brieflich als auch mündlich innerhalb Bolognas zu dem Streit äußerte und sich der vallianischen Partei anschloss. Perotti greift in seinem Brief prägnante Motive aus Vallas ersten Antidotum auf, um einerseits seine Parteinahme aufzuzeigen und um Bracciolini andererseits selbst mit bereits bekannten Anschuldigungen herauszufordern, d. h. zu einer öffentlichen Reaktion zu zwingen. Er wiederholte mitunter den Neidvorwurf und tadelte ihn, sich im Brief direkt an ihn wendend, für sein hohes Alter, das seinen Geisteszustand erkläre; ferner übernahm er Inhalte aus der sermocinatio Manettis und riet Poggio retrospektiv, dass er sich auf die Freundschaft und die einhergehende gute Sprechweise und nicht auf die Feindschaft und dem daraus resultierenden maliziösen Ausdruck hätte konzentrieren sollen. Dadurch integrierte er sich selbst virtuell in das fiktive, aber durchaus mögliche Szenario, in welchem er Bracciolini hätte beraten können145. Nach den Worten Perottis zu urteilen, sollte die Invektive seines Lehrers die bolognesischen Gelehrten in Aufruhr versetzt und die Stadt in eine vallianische Hochburg verwandelt haben. Die dortigen Intellek-
Siehe Valla 2013, Correspondence, Ep. 52 BIS, S. 292–297, hier S. 294: Privasses enim me, opinor, magnificentissimo triunpho quo me contra Pogium affecisti. Quid enim in vita vidi iocundius quam tuas ad Baptistam Brennum litteras, quas homine invito circunfero et, siqua mihi fides est, vix magis mea causa quam tua? Adeo enim sunt ille ornate, graves, copiose ut te ipsum in dicendo superasse videaris. Ebd., S. 296: Cum propter alia inter nos officia (et tua in me maiora), tum vero quod te meorum operum defensorem cum vita functus fuero aut solum aut primum destino, qui et possis et velis hoc mihi prestare. Siehe auch zum Verhältnis von Valla und Perotti Prete 1990, Pade 2000, bes. S. 72 und jüngst Sasso 2021, S. 52 ff. Die Invektive Perottis findet sich in der von Tommaso Bettinelli herausgegebenen Textsammlung von 1744, Perotti 1744, In Poggium Oratio, S. 197–227. Zu den Biographien von Battista de Brennis und Prospero Colonna vgl. Miglio 1972 und Petrucci 1982. Der Brief ist abgedruckt in Cessi 1912b, Nr. 8, S. 81–84. Cessi 1912b, Nr. 8, S. 82: Desit modo invidia, que interdum mentes hominum excecat; nemo erit qui hec legens ex illa pristina facundia detractum aliquid aut commutatum existimet. Miseret me conditionis tue, Poggii, pudet senectutis tue, qui cum aliquam anteacta etate benedicendi laudem consecutus esses eam omnem in senectute amisisti. [...] Quam praestaret amicum esse te eius hominis, quo nemo est modestior, probior, integrior, quam male loquendo, irritando, conviciando fecisse inimicum! Zu dieser Stelle auch Sasso 2021, S. 62.
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tuellen haben sich ihm zufolge von Bracciolini distanziert, ihn wortwörtlich „angeklagt, verdammt, verflucht, getadelt, beklagt und bedauert“. Bei diesen Verben handelt es sich augenscheinlich um Begriffe, die mit der Invektive in Verbindung gesetzt wurden, was für Poggio als deutliche Warnung wahrgenommen werden musste. Perotti spielte ebenso auf die diskursive Figuration des poggianischen Triumphzuges aus seiner ersten oratio an, die bei seinen Anhängern großen Anklang fand und offensichtlich auch für eine eindeutige Parteinahme seitens der bolognesischen docti im vorherigen Jahr geführt hat146. Der Valla-Unterstützer drehte die symbolische „Siegesfeier“ um und ließ den als kraftund schuppenlosen Fisch gezeichneten Poggio als bedeutungslosen Gelehrten zurück, der sich einzig noch über Empörung Gehör hätte verschaffen können147. Dass Perotti sichtlich übertreibt, ist aufgrund der redundanten Formulierungen ersichtlich. Nichtsdestoweniger scheint es zu einem relevanten Stimmungswandel in Bologna gekommen zu sein, was sich aus dem energischen Vorgehen des florentinischen Kanzlers erschließen lässt. Den besagten Brief Perottis fing der in Bologna tätige Notar und sich zeitweilig auch in Florenz aufhaltende Bartolomeo Ghiselardi nach ausdrücklicher Anfrage im Februar 1454 für Bracciolini ab148. Sowohl mit Ghiselardi als auch mit Alberto Parisi schloss Poggio als Reaktion auf das geänderte Stimmungsbild im Frühjahr desselben Jahres Freundschaftsbündnisse, aus denen auch Vorteile für die beiden bolognesischen Amtsträger erwuchsen: Der florentinische Kanzler stellte ihnen ein positives Zeugnis für ihre nicht überlieferten Briefe aus, die sich durch doctrina und eloquentia ausgezeichnet, sich ferner als scripte admodum eleganter verbisque ornatis et sententiis gravibus referte erwiesen haben. Des Weiteren erhebt er sie zu eloquentissimi viri – Poggio bestätigte ihnen die zur Teilnahme an den humanistischen Diskursen notwendige Latinität, was sie simultan in die poggianische Gemeinschaft eintreten ließ149. Dieser Umstand
Siehe die Bemerkung Perottis, er habe aufgrund anderer Projekte keine Zeit gehabt, sich ein Jahr zuvor (um September 1452) der Verteidigung Vallas zu widmen, Cessi 1912b, Nr. 8, S. 82: Tu mihi locupletissimus testis es, cum nobis oblati fuissent superiori anno libri poggiani, quanto desiderio exarserim suscipiendi Laurentii partes et si mihi ocium fuisset, certe fecissem [...]. Zu dieser Zeit erhielt Kardinal Bessarion eine Abschrift der ersten Rede, die er sicherlich auch an die bolognesischen Gelehrten weitergab, vgl. Walser 1914, Nr. 60, S. 493. Cessi 1912b, Nr. 8, S. 83: In summa Laurentius in ore omnium est; hunc omnes laudant, extollunt, decantant, Poggius veluti triumphatus relinquitur, ut exossis et enervis jacet, ut disquammatus et exdorsatus piscis vix palpitat amplius. Dazu auch Sasso 2021, S. 56 f. Siehe die beiden Briefe an Bartolomeo Ghiselardi Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 17, S. 200–201, hier S. 200: Letor te Florentiam accessise, cum duplex lucrum ex tuo adventu sim consecutus. Nam et tuam et eloquentissimi viri Alberti Parisii, quod maximi facio, amicitiam adeptus sum, quam rem existimo tanti, ut id rebus omnibus que possunt a fortuna tribui anteponam. Lettere 3, Ep. 5, 18, S. 203: Rogo te maiorem in modum ut memineris tue pollicitationis, que fuit mittendi ad me nescio quam epistolam, in qua vesanus cathamita Nicolaus Perottus me nominabat parum decore, ut asserebas; hanc ego pluribus ex ausis cupio videre, propterea illam ad me mittas oro. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 17, S. 200: Recepi suavissimas litteras tuas, que mihi summam iocunditatem attulerunt, tum quia scripte sunt elegantissime, tum quia significant tuam in me benivolen-
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verdeutlicht darüber hinaus, dass Bracciolinis Ruf durch Vallas Invektiven offensichtlich nicht gelitten hat und dass seinem als symbolisches Kapital einsetzbaren Zuspruch nach wie vor Autorität zugewiesen wurde. Parisi wie Ghiselardi hatten folglich ein Interesse daran, ihren Fürsprecher gegen Angriffe der gegnerischen Partei zu verteidigen, um einer potentiellen Entwertung ihrer Gelehrsamkeitsbeglaubigung entgegenwirken zu können. Die Rekrutierung der beiden Bologneser zeigt jedoch auch, dass Perotti nichtsdestoweniger einen gewissen Erfolg mit seinem Brief für sich und seinen Mentor verbuchen konnte. Allerdings scheint sich Battista de Brennis letztlich nicht der vallianischen Partei angeschlossen zu haben, wie ein Schreiben Vallas an seinen Unterstützer zeigt: Der ursprüngliche Adressat habe Perottis Brief nicht weiterverbreiten wollen, was im Kontext der streitbedingten Bündnisschlüsse als Absage an ein gemeinsames Vorgehen interpretiert werden kann150. Zur Zementierung seiner beanspruchten Diskurshoheit legte Perotti daher mit einer oratio gegen Bracciolini nach, die als Antwort auf zwei Mahnbriefe Poggios Anfang 1454 folgte. In diesen Schreiben drohte der Kanzler Perotti, der invektiven Topik entsprechend, physische Gewalt an, sofern er nicht von seinen Attacken ablassen würde151. Perottis Invektive orientiert sich eindeutig an dem vallianischen Duktus, wodurch er sich als Imitator seines Mentors zu inszenieren versuchte. Ausgangslage bildet das poggianische Mahnschreiben, das er sowohl einer inhaltlichen als auch philologischen vituperatio unterzieht, um gleichsam in die Fußstapfen seines Lehrers zu treten152. Er verteidigt sein Freundschaftsbündnis mit Valla bei simultanem Angriff auf die
tiam singularem. Siehe auch den Brief an Alberto Parisi, Lettere 3, Ep. 5, 19, S. 204–206, hier S. 204: Gaudeo, mi Alberte, et summe letor cum video adhuc superesse, qui linguam latinam sua sint doctrina et eloquentia ornaturi. Cessi 1912b, Nr. 8, S. 82: [...] in hac urbe florentissima in tanta doctissimorum virorum copia omnes Laurentium admirantur, hunc unum laudant, hunc extollunt, hunc admiratione ac predicatione dignum existimant, contra Poggium accusant, damnant, detestantur, improbant, queruntur, dolent: ab illo nihil salsius, nihil amenius, nihil copiosius dici potest, huius libris nihil f[o]edius, nihil ineptius, nihil perturbatius esse dicunt. Siehe die durch das homine als abschätzig einzustufende Bemerkung Vallas 2013, Correspondence, Ep. 52 BIS, S. S. 294: [...] quas homine invito circunfero [...]. Vgl. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 14, S. 195 und Ep. 5, 15, S. 196–197. Exemplarisch Perotti 1744, In Poggium Oratio, S. 209: ʻDelectari in laudibusʼ cum praepositione, cum paulo post: ʻInani jactantia delectariʼ, nulla addita praepositione, scripseris? [...] Taceo quod ʻproutiʼ adverbio usus es, quod non minorem barbariem facit, quam Poggius stultitiam. Legisti ne unquam hoc vocabulum apud doctos et eruditos viros? Es findet sich ebenso eine invektiv ausgerichtete rhetorische Metakritik an den orationes gegen Valla, deren Gliederung er als unstrukturiert bezeichnet, ebd., S. 216: Quasi igitur pro tribunali sedens affirmo, pronuncio, judicio orationes tuas eo ingenio, acumine, artificio compositas esse, ut (quod ab iis, qui artem dicendi tradunt, in primis praecipi solet) non solum nullum in iis artificium, sed ne umbra quidem aliqua artificii esse videatur. Exordium, narratio, divisio, confirmatio, refutatio, epilogus ita inter se mixta sunt, atque confusa, ut nemo quamlibet perfectus orator discernere eas partes, atque extricare possit. Siehe auch zur Kritik Perottis Severi 2009, S. 103 f.; Sasso 2021, S. 61, spricht von einem „literarischen Ferndialog“ zwischen Perotti und Valla.
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Ausdrucksweise Bracciolinis, die er als „barbarisch“ und als für einen Gelehrten unwürdigen Makel zurückweist. Die ad hominem-Argumentation Perottis verbleibt hingegen im oben herausgearbeiteten topischen Spektrum der Invektive. Als Retaliation auf Perottis Invektive veröffentlichte Bracciolini sodann eine oratio gegen seinen Herausforderer. Sie entspricht strukturell wie stilistisch seinen übrigen Schmähschriften und zeichnet sich durch eine hohe Anzahl an Verbalinjurien und moralisierenden Mahnungen aus153. Prinzipiell wiederholte er seine Anklagepunkte gegen Valla, der ebenso als sekundärer Adressat angesprochen wurde, und übertrug seine von ihm angeprangerten negativen mores auf Perotti. Des Weiteren charakterisierte er ihn als unerfahrenen und überheblichen Jüngling. Entsprechend drehte er das gegen ihn eingesetzte Bild eines senilen Mannes um154. Darüber hinaus warf er ihm vor, seine als ungerechtfertigt gezeichnete Dichterkrönung zur Herabsetzung anderer zu missbrauchen. Dabei handelt es sich um ein Motiv, das er in seinen Begleitbriefen mehrfach aufgriff und implizit mit der vallianischen Ruhmsucht in Verbindung setzt155. Akkurat vermochte er überdies die Absichten hinter der Kampagne des vallianischen Anhängers herauszukristallisieren. Er thematisierte den Profilierungsversuch Perottis, der sich in seiner imitatio seines „Lehrers“ (preceptor) offenbart habe; ferner sah er seine Befürchtung bestätigt, dass die Lehren Vallas negativen Einfluss auf die Jugend ausüben würden. Auch die Hypersexualität und den pädagogischen Missbrauch adressierte er in seinen Briefen. Er wies den beiden topisch eine sexuelle Beziehung zwischen ihm als „Lustknaben“ (cathamita) und seinem Mentor zu, wodurch er geschickt auf die Vorwürfe seiner zweiten Rede gegen Valla rekurrierte156. Argumentativ lassen sich seine
Poggios Invektive gegen Niccolò Perotti ist abgedruckt bei Cessi 1912b, Nr. 10, S. 85–101. Beispielsweise das prooemium, das einen guten Eindruck von der stilistischen Ausrichtung der Invektive gewährt, Cessi 1912b, Nr. 10, In Nicolaum oratio, S. 85: Non est mirandum: nescio quem infamem pusionem adulescentemque impurum, questura corporis improbissima fidentem, suis maledictis mordacibus invasisse, cum stultitie, dedecoris, improbitatis, flagitiorum denique omnium magistrum habuerit profanissimum, hereticum, turpissimum hominem, vesanam beluam, Laurentium Vallam, qui tanquam novus Maxentius, deorum hominumque contemptor, virtutis spretor, etatem suam in derogando detrahendoque hominibus etiam sanctissimis ac doctissimis viris maledica lingue consumpsit. Die Autoritätskritik, der pathologisierte Wahnsinn und Vallas intellektuelle Usurpation erweisen sich als für Poggio etablierte Topoi, die er auch in seinen Briefen immer wieder einsetzte. Siehe zu Poggios Invektive gegen Perotti jüngst Sasso 2021, S. 69 ff. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 17, S. 200–201, an Bartolomeo Ghiselardi, hier S. 201: Lauream credit Perottus umbram suis flagitiis largituram, sed arescent, mihi crede, folia illa pampinea, que eum adeo in me debachantem reddiderunt. Nova a me donabitur corona, que sit futura magis accomodata suo volabili cerebello. Cessi 1912b, Nr. 10, In Nicolaum oratio, S. 99: At inquies: Laurea sum potitus. Non doctrine, que in te ulla erat, sed impudentie, que fuit in te maxima, personata illa insignia data sunt. Nunquid parva tua hec dementia censenda est, qui id cogitaris, appetieris, quesieris, omni fastidio et importunitate efflagitaris, quod dementie potius signa innueret, quam doctrine? Sed que est, queso, poesis tua? ubi inventa? ubi parta? quo studio? quo usu? quo exercitio? quibus versibus quesita? Cessi 1912b, Nr. 10, In Nicolaum oratio, S. 95: Longam ac mendaciosam verborum turpium seriem contra me commentus es, ut non frustra Laurentii discipulus fuisse videaris, ut posteaquam bonis igno-
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Einwände gegen Perottis Wirken in die Anklageliste gegen seinen eigentlichen Kontrahenten einordnen, was das imitative Verhältnis der beiden als Lehrer und Schüler verdeutlichen sollte. Perotti zeichnete er als einen „zweiten“ Valla, der den ihm beigebrachten Herabsetzungsdrang und die Ruhmsucht auszuleben versucht habe. Perotti orientierte sich dagegen an den Wesensmerkmalen der Antidota, um seine Unterstützung über ein dezidiertes „community-fashioning“ zur Schau zu stellen157. Die Reproduktion distinktiver Motive der Bracciolini-Valla-Kontroverse perpetuierte den Streitdiskurs und verlagerte die Aufmerksamkeit nun auf Bracciolini und Perotti; thematisch erschöpfte sich ihr Disput in bereits ausdiskutierten Gegenständen, weshalb beide Akteure augenscheinlich auf die Komposition weiterer Invektiven verzichteten. Die Sachebene des Primärkonfliktes, d. h. die Methodik der Elegantiae und die Auslegung der imitatio, fanden hingegen in ihrer Auseinandersetzung keinen Widerhall; die Nachahmung wurde allein auf der impliziten Ebene verhandelt. Der Versuch, mithilfe von Leumundszeugen den innergemeinschaftlichen Stand zu belegen, erfüllte, wie im Streit zwischen Bracciolini und Perotti anschaulich gezeigt werden kann, nicht allein argumentativ-rhetorische Funktionen. Der reale Rückhalt musste in einem zur Dissonanzreduktion tendierenden Feld hinsichtlich der Haltung zu spezifischen Themen und Ereignissen zwangsläufig sozialen Druck erzeugen. Bedingt durch die gruppenspezifischen Affiliationen, die aufgrund der öffentlichen Ausrichtung des Briefverkehrs allen teilnehmenden Gelehrten theoretisch bekannt sein konnten, mussten die einzelnen Akteure ihre Freundschaftsallianzen gegenüber anderen Feldteilnehmern rechtfertigen und je nach Konstellation für Konformität bei ihren Freunden sorgen. Perotti versuchte Vallas innergemeinschaftliche Stellung – und hier muss seine eigene, von seinem Mentor abhängig gemachte Position mitgedacht werden – über einen expliziten Rekurs auf die bereits von Valla genannte Liste an positiven Beurteilungen zu verbessern158. In seinem Brief an Battista rief er zudem seinen Dienst-
tus es, te scelestum rabulam, scurram pervicacem, mordacem pediculum, fetentem cimicem omnibus ostentares: et tu, nefarie pusio, tibi fame curam esse dicis? Risi profecto cum Laurentii tui laudes complecteris longo insulsoque sermone in prima illa tua vomica mercennaria, ut illi, cui corpus infame per summum dedecus subdidisti, etiam mentem atque animum turpissimo obsequio adiicias. [...] Non fuisti solum Laurentii defensor et amicus, sed mei accusator et detractor, oppugnator, hostis acerrimus, neque ego in te sum invectus. Besonders eindringlich in dem Entschuldigungsbrief an Giovanni Tortelli, Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 23, S. 213: Sed tamen commotionis in te mee initium omne profectum est a spurcissimo cathamita Nicolao Perotto, qui fuit Valle discipulus ita illius imitator, ut nihil ab eo neque insania neque arrogantia neque impudentia neque scurrilitate differat, sed alter Valla amentia et nequitia esse videatur [...]. Ähnlich in Bezug auf Perotti Sasso 2021, S. 53 f. Perotti 1744, In Poggium Oratio, S. 207 f.: Legeram Leonardi Aretini, Guarini Veronensis, Victorini Feltrensis praeceptoris mei, Francisci Philelphi, Johannis Aurispae, et ejus, quem doleo nuper immatura more nobis indignissime raptum, Francisci Barbari graves, et luculentas epistolas, quibus omnes una sententia Laurentio in studiis humanitatis, et praesertim elegantiis linguae latinae palam tribuebant. Audieram Georgium Trapezuntium, virum omnium praeterquam tuo judicio eruditum, quamquam erat huic cum Laurentio aemulatio, dicentem saepius, quantum ad Latinam linguam attineret, neminem ae-
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herrn, Kardinal Bessarion (Princeps noster), als Leumundszeugen auf. Dieser soll sich wie die anderen bolognesischen viri docti ebenso lautstark für Valla ausgesprochen haben. Zwischen November und Dezember 1452 erhielt der Kardinal eine Abschrift der ersten Invektive Poggios, die er scheinbar nach den Worten Filippo Tifernas sehr genossen habe159. Perottis Behauptung, Bessarion, wortwörtlich Princeps noster, habe sich der vallianischen Partei angeschlossen, irritierte Poggio, der sich bei Giovanni Tortelli rückversicherte, dass es sich um den Kardinal und nicht um Papst Nikolaus V. handelte. Nichtsdestoweniger stellte er, mit Verweis auf die Bemerkung des Crassus aus Ciceros De oratore, Bessarion eine Gegnerschaft in Aussicht, sofern sich Perottis Aussage als wahr herausstellen würde. Auch in seiner Invektive griff er das mutmaßliche Testimonium des Kardinals auf und verlangte von seinem jüngeren Rivalen schriftliche Beweise160. Dieselbe Vergeltungsaussicht findet sich, wie gezeigt, auch bei Valla und spiegelt seine Unsicherheit bezüglich seines aktuellen Standes wider. Spätestens im Oktober 1453 positionierte sich Bessarion jedoch eindeutig auf der Seite Vallas, wie er ihm in einem Brief bestätigte: Er schätzte die vallianischen Antidota insbesondere für ihre Materialdichte und ihren einzigartigen Nutzen (copia rerum und fructus singularis), während er Vallas Diktion ausdrücklich lobte; ferner bat er ihn um Hilfe bei der Emendation einer Quintilianabschrift, was ebenso für einen neuen Umgang mit dem römischen rhetor in humanistischen Kreisen spricht161. Nichtsdestoweniger brach er den
tate nostra Laurentio comparandum fuisse. Itaque ego, Poggi, ingenue fateor, me amicum esse Laurentii, atque ejus amicitia non solum gaudere, sed etiam gloriari; delectari praeterea laudibus ejus, non his, quibus tu illum dehonestare credens, te ipsum inficis, atque dedecoras, sed iis, quibus Pontifex Maximus, quibux Rex Alphonsus, quibus ceteri Principes, ac summi viri eum exornarunt, et quotidie magis exornant, quas ideo praereo, quia notae sunt omnibus. Filippo leitete Poggios erste Invektive an den Bischof von Ferrara, Francesco de Lignamine (1400–1462) weiter; über den Bischof geriet das Exemplar schließlich auch zu Bessarion in Bologna, Walser 1914, Nr. 60, S. 493: Dominus episcopus Ferrariensis Bononiam iturus ad legatum illius a me exemplum accepit. Reversus narrat nihil unquam visum iucundius cardinali [...] ut iterum meum concederem quo transcribi faceret quod libenter feci. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 24, S. 217: Quod autem certum te esse dicis «principem suum», ut scribit, non posse pontificem intelligi, scio id verum esse, sed de cardinale locutus est, cui minus est quam deceat familiaris; ita tamen rem tracto, ut neque detraham principi et Nicolaum accusem et mihi defendendi necessariam causam fuisse dicam. Constat enim mihi nunquam pontificem de me nisi honorifice et sentire et loqui. Si cardinalis non putabit me senatorem, neque ego eum consulem ut M. Crassus ait [vgl. Cic. de orat. 3, 4]. Cessi 1912b, Nr. 10, In Nicolaum oratio, S. 90: At tu, vesana bestia, neminem nominas preter principem tuum, sub cuius scuto nequaquam potes latere. [...] Quod autem principem tuum nominas et citas ut tui iudicii testem, si cardinalem intelligis, facis nequiter et perverse, qui nimis domestice de eo loquaris, qui virum omni laude prestantem nomines in tam spuria epistola, cui tam fallax iudicium ascribas. Quid enim opus fuit, ignave pecus, tui principis testimonio uti? An verebaris ne crederetur verbis tanti poete, nisi illius adiiceres auctoritatem? Num dubitabas ne tue insane dicacitati fides haberetur, nisi tuam nequitiam et mendacem sententiam summi illius viri auctoritate confirmares? Siehe zu diesem Brief auch Labowsky 1976.
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Kontakt zu Poggio nicht ab, wie seine spätere Intervention in den Streit zwischen ihm und Perotti belegt162. 4.2.3.2 Die Teilnahmen Niccolò Volpes und Benedetto Morandis In den Konflikt traten im Spätsommer 1454 noch zwei weitere bolognesische Gelehrte als laudatores und defensores ein: Valla und Perotti erhielten Unterstützung von Niccolò Volpe, einem gut vernetzten bologensischen Grammatiklehrer163; Bracciolini dagegen erhielt Rückendeckung vom bislang noch nicht in Erscheinung getretenen Notar Benedetto Morandi (†1478). Im Frühsommer wurde Poggio von Bartolomeo Ghiselardi unterrichtet, dass der ihm noch unbekannte Volpe sich gegen ihn gestellt und Perotti mit „Übermut“ und „Gelehrsamkeit“ (animi et doctrina) unterstütze, was für eine rege und unentschiedene Diskussion in Bologna spricht. Seine gemäßigte Bitte an Bartolomeo, Volpe zu einer benivolentia anstelle einer malivolentia gegenüber dem florentinischen Kanzler zu bewegen, belegt, dass auch Poggio nach wie vor auf weitere Verbündete oder zumindest auf neutrale Akteure gegen die vallianischen Partei in Bologna angewiesen war164. Volpe selbst muss sich in einem verloren gegangenen Brief an Poggio selbst gewandt und für Valla und Perotti ausgesprochen haben. Er scheint sie für ihre philologischen Schriften gelobt und als lumina latine lingue bezeichnet zu haben, ein Ausdruck, der in humanistischen Kreisen bislang Leonardo
Vgl. Valla 2013, Correspondence, Ep. 52A, S. 290; Ep. 53A, S. 304. Zur Quintilianrezeption an der Kurie überblickend Cox 2021, S. 362 f. Einzig mit Georg geriet Valla öffentlich aneinander: Der selbst in vielfache Fehden mit humanistischen Kollegen verwickelte griechische Humanist konkurrierte 1450 mit Valla in einem offenen Wettstreit um die Rhetoriklehrstelle an der römischen Universität, aus dem der apostolische Schreiber letztlich siegreich hervorgehen sollte, vgl. Valla 1978, Antidotum primum 2, 106, S. 150; siehe insbesondere die Eigenaussage Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 335: [...] Georgium Trapezuntium, cum quo dimidium annum in legenda Rhetorica contendi, quod Quintilianum non desisteret incessere, in cuius gratiam redii, quod in sequenti anno maluit non amplius legere, quam contendere. Ebd., S. 348: Ego reddidi superius causam, cur ad concurrendum cum Trapezuntio omnium Rhetorum, ut ferebatur, hac tempestate doctissimo adductus sim, etsi Rhetoricae lectio, ut nunc quoque, non habebat concurrentem, idque feci clam summo pontifice, quem scirem non libenter auditurum, aut me alteri rei, quam interpretationi uacare, aut Trapezuntio, suo praesertim Secretario, negotium exhiberi. Sed Quintiliani iniuriam tolerare non potui, tametsi plurimi uiri oratorae artis studiosi me ad legendum hortarentur, qui etiam cum aliquot Cardinalibus egerunt, ut ego pari cum Trapezuntio salario ad legendum conduceret. Haec itaque causa est, cur non, ut ais, ludum aperirem, sed ut quilibet maximorum Rhetorum, etiam te et omnes tui similes docere artem oratoriam possem; tam alienus ab isto flagitio, ut si aduersus illud censores creandi forent, ego inter primos in ueste candida eum magistratum petere ausim, etiam hac lege proposita, ut si qua de candidato unquam fuisset uel minima suspicio, petere non liceret. Zur genauen Datierung Vahlen 1869, S. 25–27; ausführlich Monfasani 1976, S. 109–113. Siehe auch Vallas Brief an Giovanni Tortelli von Oktober 1451, Valla 1984, Epistole, Ep. 50, S. 354–355. Zur Schule Volpes vgl. Quaquarelli 1999. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 26, S. 220–221, hier S. 221: Audio nescio quem Vulpem, non enim novi, suppeditare sibi contra me animos et doctrinam polliceri. Dicas ei, quisquis is sit, ne sumat aciem sibi minime necessariam, plurisque faciat benivolentiam meam quam malivolentiam.
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Bruni und Guarino da Verona vorbehalten war und daher als sichtliche Provokation aufgefasst werden musste. Sofern Poggios Widergabe von Volpes Brief nicht pejorativ verzerrt ist, muss dieser die beiden Humanisten gemäß ihrer eigenen Selbstinszenierung, d. h. ihres Anspruches, über eine alle Disziplinen umspannende Gelehrsamkeit zu verfügen, hervorgehoben haben165. Bracciolinis Replik ist sichtlich ironisch und abwertend gegenüber seinen Rivalen, Volpe gegenüber jedoch aufgeschlossen gehalten: Er appellierte an seine Pflichten als preceptor morum bonorum et doctrine und warnte ihn vor einem unschicklichen Verhalten. Mit dieser Bemerkung erzeugt er einen Kontrasteffekt zu den als gefährlich gezeichneten Schriften Vallas, der seine moralische Vorbildhaftigkeit als Lehrer verspielt habe. Er bot Volpe einen Friedensschluss an, der ebenso in einer amicitia münden könne166. Der florentinische Kanzler war folglich an keinen weiteren Fronten interessiert und suchte nach Möglichkeiten, seinen Stand in Bologna durch weitere Allianzen oder Neutralitätsabkommen zu verbessern. Aber auch Volpe scheint keine direkte Konfrontation mit dem florentinischen Kanzler gesucht zu haben. Nach einem Schreiben von Alberto Parisi zu urteilen, bemühte sich der Grammatiklehrer ausdrücklich um einen Freundschaftsschluss mit Poggio; auch der in Bologna tätige apostolische Schatzmeister und Kanoniker Francesco Coppini (†1464), der qua Amt einen wichtigen Draht zur Kurie verkörperte und sich folglich durch kirchenpolitischen Einfluss auszeichnete, bestätigte das Anliegen Volpes. Er legte Fürsprache für ihn ein und unterstrich topisch seine humanistischen und sittlichen Qualitäten (doctrina und mores), was de facto als eine von einem unbeteiligten Dritten koordinierte Beilegung betrachtet werden kann: Coppini nahm folglich die Rolle des Vermittlers ein, der den Konflikt gesichtswahrend für die jeweiligen Beteiligten zu beenden suchte167. Benedetto Morandi, der in freundschaftlichem Kontakt mit Niccolò Perotti stand168, veröffentlichte insgesamt drei orationes in denen er dessen 1444 an König Alfons V. gerichtete Epistola de duobus Tarquiniis kritisierte169. In seinem Brief will Valla nachge-
Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 1, S. 247–249, hier S. 247 f: Primum scribis cur tibi debeam succensere si Laurentium Vallam quem latinorum et acutissimum et eruditissimum appellas ac eius discipulum Nicolaum Perottum laudibus efferas. [...] ut duo latine lingue lumina voces, predices, ut omnibus tum vivis, tum mortuis et eloquentia et omnium doctrinarum genere anteponas. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 1, S. 240: Ego, si volueris, tibi amicus ero neque ullo modo egre feram si Valle et Perotto, duobus portentis immanissimis, amicum te profitearis neque etiam si eos tuo arbitrio colueris ut deos. Satis mihi erit si me intactum reliqueris, cetera agito instituto tuo. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. VI, 25, S. 289, Alberto Parisi an Poggio: [...] neque ullo modo adduci possum, ut opiner Vulpem tecum in ullam concertationem venturum, cum dicat appetere se tuam amicitiam. Ebd., Lettere 3, Ep. 6, 2, S. 250, Poggio an Francesco Coppini: Gratissime mihi fuerunt tue littere, quibus me invitas ad amicitiam Nicolai Vulpis, viri docti et moribus, ut ais, ornatis. Siehe Perottis Brief an Giovanni Tortelli, abgedruckt in Cessi 1912, Nr. 9, S. 84, in dem er Morandi als virus doctus et perhumanus bezeichnet. Siehe grundsätzlich die Übersicht zu dem Brief und dem Konflikt von Lo Monaco 2009. Siehe auch zu Morandis Invektiven, wenngleich veraltet, Frati 1920.
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wiesen haben, dass Livius ein genealogischer Fehler unterlaufen sei: Tarquinius Superbus sei nicht der Sohn des Tarquinius Priscus, sondern dessen Enkel gewesen, was er anhand inhaltlicher Unstimmigkeiten belegen konnte170. Prinzipiell knüpfte Morandi an die Invektiven Bracciolinis an und konzentrierte sich, selbst als Historiker und in der Tradition Liviusʼ inszenierend, auf ein spezifisches Werk, das sich prominent an den neapolitanischen König richtete und gleichsam die Valla vielfach vorgeworfene Autoritätskritik bestätigte171. Der Notar erhielt zunächst aktive Unterstützung von Bracciolini, der ihn brieflich für seine erste Invektive grundsätzlich lobte, den Duktus jedoch als zu gemäßigt einstufte. Er fügte seinem Schreiben eine nicht überlieferte additio bei, aus welcher Morandi inhaltlich wie lexikalisch für eine zweite Invektive schöpfen sollte172. Dass es sich bei seinen Ergänzungen und Vorschlägen um für ihn typische Witze (sal) handelte, äußerte er in einem Brief an Alberto Parisi, den er von Morandis Veröffentlichung in Kenntnis setzte und für dessen oratio warb173. Valla reagierte zwischen 1455 und 1457 mit zwei confutationes auf die Angriffe Morandis174, die sich jeweils auf die bislang unbekannte oratio und die nachfolgende reluctatio bezogen. Gegen Ende des Jahres 1454 berichtete er Giovanni Tortelli, dass der Notar über einen gewissen Kardinal Kontakt zu Papst Nikolaus V. aufgenommen habe, um diesem seine erste Rede zu präsentieren175. Vallas confutationes sind spöttisch gehalten und enthalten die
Zu der besagten Stelle Liv. 1, 40–46; siehe außerdem die Interpretation der Epistola von Dreischmeier 2017, S. 298–300. Valla kann zudem Dionysius von Halikarnassus, Florus und Flavius Vopiscus anführen, die seine Korrektur bestätigen – allerdings behauptet er, dass er erst nach der Komposition des Briefes Zugang zu diesen Schriftstellern erhalten habe. Vgl. Valla 2009, Confutatio in Benedictum Morandum, 1, 3, 3–6, dazu auch Dreischmeier 2017, S. 299, Anmerkung 88. Siehe dazu die Bemerkung Vallas, Valla 2009, Confutatio in Benedictum Morandum, 1, 4, S. 156: Nam Livius, si huic credimus, notarius est Romane historie, ut merito quemadmodum Cicero consul Murenam consulem defendit, sic Benedictus notarius Titum Livium notarium defendere debeat. Zur Auseinandersetzung auch Severi 2009, S. 108–114. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 17, S. 275–276, hier S. 275: Omnia a te eloquenter et vere dicta sunt, sed parum vehementer. Itaque mitto ad te quandam additionem, quam vellem a te poni priusquam cum eo inciperes congredi, non tamen ea forma qua est, sed capias aliquas ex iis sententias et verba, de quibus videbitur tibi. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 23, S. 285–287, hier S. 286: Doctissimum virum meique amantissimum Benedictum Morandum sumere laborem comprimendi insaniam Laurentii Valle, quam effudit in redarguendo Tito Livio summe placet mihi [...]. Ebd., S. 287: Iocundissimum erit mihi videre que scribat Morandus noster, ut aliquid salis ad epulas suas addam. Zu den Hintergründen, Inhalten und der genauen Datierung der Invektiven Vallas und Morandis vgl. Lo Monaco 2009, S. 59–74. Valla 1984, Epistole, Ep. 55, S. 386–387, hier S. 387: Mi Ioannes, audio quendam Benedictum optulisse Domino Nostro per quendam cardinalem opus adversum me compositum, quod [Liviu]m impugnarim, qui mavult Tarquinium Superbum filium [Pr]risci fuisse quam nepotem. Siehe auch die pejorative Beschreibung des Inhaltes der oratio: Id ego opus quamvis ineruditum, tamen tr[anscur]ri ac vix intellexi: ita occecat atque involvit que a me in opere meo dicuntur. Huic homini, nisi ad summum pontificem scripsisset, non putassem per memetipsum esse resp[o]ndendum, adeo est sermone barbaro et ingenio perv[e]rso.
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für ihn typischen invektiven Topoi: Er sprach von einer Kriegserklärung seitens Morandis und applizierte die entsprechenden militärischen Wortfelder; ferner finden sich herabsetzende Tiervergleiche und Namensspiele176. Nichtsdestoweniger sind die Schmähschriften tendenziell sachlich gehalten. Wie in seinem ersten Antidotum zitierte er seine Epistola de duobus Tarquiniis und kommentierte sowohl die Einwände Morandis als auch seine eigenen Argumente. Aus den wiedergegebenen Kritikpunkten geht hervor, dass der Notar die grundsätzlichen Beanstandungen Bracciolinis reproduzierte und Valla einen ungerechtfertigten Umgang mit antiken auctores vorwarf. Dabei stützt er sich ebenso wie sein Vorbild auf ein argumentum ad verecundiam sowie auf die zeitlose, intellektuelle opinio communis: Er apostrophierte einerseits die Autorität Liviusʼ als wichtigsten römischen Historiker und andererseits das Urteil aller maßgeblichen Gelehrten der Vergangenheit, welche seine Geltung widerspruchslos affirmieren würden. Stilistisch und inhaltlich orientiert er sich, zumindest in den jeweilig zitierten Zeilen, tendenziell an den Anklagen Bracciolinis, wodurch auch Morandi seine Affiliation zur poggianischen Partei zur Schau stellte177. Die Adressierung an das Kardinalskollegium belegt zudem, dass der Notar die Bracciolini-Valla-Kontroverse vor allem für seine eigene Profilierung auszunutzen und sich als Historiker an der Kurie zu bewerben versuchte. Der Auseinandersetzung wurde jedoch, gemessen am überlieferten Briefverkehr, nur wenig Beachtung geschenkt – auch der Umstand, dass Morandis Invektiven offenbar nicht kopiert worden sind, legt nahe, dass sich das Interesse des römischen und bolognesischen Publikums in Grenzen hielt178. Interessanterweise finden sich in den confutationes Vallas keine Hinweise auf Poggios Intervention; Bracciolini hielt sich überdies nach seiner anfänglichen Unterstützung bedeckt und schien dem Notar nach 1455 keine Unterstützung mehr gewährt zu haben. Auch von Perotti ist keine Aussage oder Positionierung überliefert. Der letzte Stellvertreterkonflikt konnte die humanistische Gemeinschaft nicht noch einmal zu einer umfassenden Teilnahme mobilisieren, was sicherlich mitunter durch eine thematische Erschöpfung erklärt werden kann. Obwohl Morandi einen bis dahin noch nicht zur Disposition gestelltes Werk Vallas angriff, behandelte er erneut den bereits ausdiskutierten Vorwurf der Autoritätskritik, der zu Beginn der Bracciolini-
Beispielsweise Valla 2009, Confutatio in Benedictum Morandum, 1, 6, S. 156: Utinam, Benedicte, potius ʻBenediceresʼ quam ʻBenedictusʼ vocareris, et pro ʻMorandoʼ ʻMoratusʼ homo esses. [...]. Valla 2009, Confutatio in Benedictum Morandum, 1, 6, S. 156: «Ut condemnes pena falsi delatoris quod Livium iam defunctum, notarium rerum Romanarum, quem omnes superiores doctissimi viri laudarunt atque admirati sunt, mendacem et falsarium scribat, accuset, predicet eiusque famam et honorem supra mille et quingentos annos hactenus illibate celebratam minuat, mordeat, ledat, labefactet, obscuret et propterea ad retractationem publicam cogas et compellas, me paratum offerens talionis penam subire.» Siehe beispielsweise die Nutzung eines Asýndetons zur Beschreibung von Vallas Autoritätskritk. Vgl. dazu u. a. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 189: [...] omnes priscos illos doctissimos uiros [...] fera quaedam immani proteruitate contemnit, reprehendit, culpat, aspernatur [...] [Hervorhebungen durch den Verfasser]. Allerdings wurde ein Brief Morandis überliefert, den er nach dem Tode Vallas (1. August 1457) verfasste. Siehe Lo Monaco 2009, S. 68–74.
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Valla-Kontroverse noch als skandalträchtig wahrgenommen wurde, nach mehreren Jahren intensivem Schriftverkehr jedoch keine neuen Argumentationen oder Sichtweisen hervorbringen konnte. Zudem scheint die vallianische reprehensio nicht mehr per se als Konventionsbruch eingestuft worden zu sein, wie bereits aus dem Konflikt zwischen Poggio und Perotti ersichtlich wurde: Wenngleich ersterer seine Anklagepunkte in seinen Briefen und Invektiven stets wiederholte, lag der Schwerpunkt ihrer Auseinandersetzung letztlich auf ihren jeweiligen Positionierungen und Bündnisschlüssen und weniger auf der Thematisierung der Autoritätskritik. Die Aufmerksamkeit des humanistischen Publikums schien als endliche Ressource aufgebracht worden zu sein179. Morandi geriet noch Ende der 1460er Jahre mit dem Valla-Schüler Giovanni Garzoni (1419–1505) aneinander, die über ihre unterschiedlichen Auffassungen bezüglich der menschlichen Natur stritten, ein Themenkomplex, der seit Bartholomeo Facio und insbesondere Giannozzo Manetti große Popularität in den humanistischen Diskursen genoss180. Dass er im humanistischen Feld nach wie vor aktiv bleiben konnte spricht jedoch dafür, dass er nichtsdestoweniger trotz oder wegen seiner Invektiven gegen Valla genügend Aufmerksamkeit auf sich ziehen und sich einen gewissen innergemeinschaftlichen Stand sichern konnte.
4.2.4 Das Ende der Bracciolini-Valla-Kontroverse Der humanistische Streit, der über die Invektiven und Begleitschreiben instituiert wurde, offenbart ein internalisiertes Regelwerk, das letztlich eine von seinen Teilnehmern ausgehandelte Beilegung (reconciliatio) vorsah. Idealiter sollten die Agonisten sich brieflich entschuldigen, ihre Anschuldigungen zurückziehen und ein Freundschaftsbündnis (amicitia) schließen, was einerseits den Konflikt einschließlich der einhergehenden Rekrutierungs- und Verbreitungsaktionen formell beenden und andererseits eine gesichtswahrende Lösung für beide Akteure ermöglichen sollte. Den erfolgreichen Vermittlern wurde auf diese Weise ein symbolischer Sieg zugewiesen, den sie, wie die Briefe Barbaros und Tommasis bezeugen, als Errungenschaft vorweisen konnten. Einen Friedensschluss oder eine Beilegung der Auseinandersetzung konnte zwischen Bracciolini und Valla vom Publikum jedoch nicht erwirkt werden. Allerdings vermochten mehrere Vermittler den Streit zwischen Pog-
Zum Verlust von Aufmerksamkeit in intellektuellen Konflikten vgl. Collins 1998, S. 38: „The attention space is limited; once a few arguments have partitioned the crowds, attention is withdrawn from those who would start yet another knot of argument. Much of the pathos of intellectual life is in the timing of when one advances one’s own argument.“ Vgl. Trinkaus 1970, 1, S. 271–293, der ebenso auf gewisse Argumente aus Vallas De vero bono hinweist, die im Disput zwischen Garzoni und Morandi aufgegriffen wurden. Eine erneute Betrachtung, auch in Hinblick auf den humanistischen Streit, wäre mit Sicherheit lohnenswert. Zu Facio Trinkaus 1970, 1, S. 200–229, zu Manetti S. 230–258 und jüngst Marsh 2019a, S. 86–99.
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gio und Perotti zu lösen und eine Freundschaft zwischen ihnen zu stiften, mit der parallel, wie im Folgenden darzustellen sein wird, die Bracciolini-Valla-Kontroverse indirekt beendet werden konnte. Ebenso eignet sich der Nebenkonflikt dazu, einen erfolgreichen Vollzug der sozialen wie diskursiven Exklusion und eine durch eine reconciliatio ermöglichte Inklusion in den Blick nehmen zu können. Der Konflikt zwischen Perotti und Poggio schien im Sommer 1454 zu eskalieren, was allein aus den überlieferten Briefen des älteren Humanisten rekonstruiert werden kann. Perotti verfasste offenbar weitere Briefe gegen den Florentiner, in denen er für die vallianische Partei warb und seine beanspruchte Überlegenheit verkündete. Mitunter konzentrierte sich Perotti auf die poggianischen Facetiae und übernahm die vallianische Kritik aus dem zweiten Antidotum, um gegen das für Bracciolini essentielle Werk gezielt Stimmung zu machen181. In einem Schreiben an Parisi, so unterrichtet Poggio Guarino da Verona, soll der junge Humanist eine Liste von Anhängern genannt haben, die seine Unterstützung belegen sollte. Bracciolini konnte Perottis Behauptung jedoch als Täuschungsversuch enttarnen. Unter den aufgezählten Gelehrten sollen sich neben Guarino und seinen Söhnen auch Girolamo Castello, Pietro Balbo und ein Atanasio befunden haben182. In Hinblick auf Girolamo und der guarinischen Familie handelte es sich offenkundig um einen Bluff seitens Perottis183. Dennoch erneuert Poggio in demselben Brief den Freundschaftsschluss mit Guarino und seinen Söhnen, was die Brisanz des möglichen Abfalls des Veronesen unterstreicht – auch Bracciolini war als florentinischer Kanzler und profilierter Autor nach wie vor von den Allianzen mit einflussreichen Gelehrten abhängig. Die formalisierte Affirmation der humanistischen Qualitäten, d. h. die eloquentia, doctrina und die einhergehenden moralischen Komponenten, verdeutlichen den konventionalisierten und zur sozialen Stabilisierung nötigen Umgang
Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 9, S. 262–264, hier S. 263: Nam de confabulationibus meis, quod scripsit, sumpsit a magistro suo Laurentio Valla, qui eas ut rem profanam se dicit abhorrere [...]. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 37, S. 239–241, hier S. 239: Ut autem intelligas quam mendax, quam impudens sit furunculus ille, vide quid de te scribat in quadam epistola ad virum doctissimum Albertum Parisium Bononiensem. Cum multa contra me latrasset caniculus furens, «inter cetera vidisti, inquit, tu litteras, quas prestantissimi viri ad me scripserunt. Intellexisti quid Guarinus, cuius nomen immortalitati debetur, quid filiis eius doctissimi viri, quid Hieronymus Castellus, homo inter philosophos acutissimus, inter oratores facundissimus, quid Petrus Balbus et Athanasius, duo achademie nostre lumina, quid alii complures clarissimi viri in hac causa sentirent?» Siehe auch Poggios Brief an Parisi, Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 9, S. 262–264, hier S. 262 f.: Versatur multis verbis sane pueriliter in mee orationis, ut obscene, reprehensionem, suamque sententiam doctissimorum mihique amicissimorum virorum testimonio nititur confirmare. Nominat in primis prestantissimum virum Guarinum Veronensem, quocum mihi sane pervetus amicitia est, eiusque filios tamquam eos, qui a me scripta redarguant. Ad quas litteras Guarinus verbis meis de ea re commonefactus in suam excusationem [que] scribat, videbis per earum exemplar, quod ad te mitto. Nam filios non dubito modestiam patris imitatos, etiam si qua in re errasse me perspicerent, consulturos potius extimationi mee quam Perottee dicacitati. Hieronymum Castellum dicit idem sentire. Addit alios insuper mihi amicissimos, in quibus scio Perottum plane mendacem esse, quorum responsa similia Guarini litteris expecto [...].
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miteinander, der permanente Erneuerung und Vergewisserung benötigte, selbst unter langjährigen Freunden184. In Bezug auf die Familie Guarinos sollte Poggio tatsächlich Recht behalten und Perotti der Lüge überführen können. Der Veroneser bestätigte, dass es sich um eine Finte gehandelt hat und erwiderte Poggio seine Freundschaftsbekundung185. Der fehlende Rückhalt Perottis – Volpe distanzierte sich offensichtlich von ihm – und die Entlarvung seines Schwindels hatten für ihn unmittelbare Konsequenzen: Nach einem Brief Alberto Parisis zu urteilen, wurde der junge Gelehrte zunehmend isoliert, was dieser mit einer Beschreibung seines physisch schlechten Zustandes zum Ausdruck brachte: Perotti könne allein noch lächerliche Scherze erwidern und daher als Gelehrter nicht mehr ernst genommen werden186. Wenngleich es sich um eine pejorative und sicherlich humorige Darstellung handelt, kann aus den Äußerungen Parisis geschlossen werden, dass der Valla-Unterstützer Anhänger vor Ort verloren hat und zunehmend unter Druck geriet. Bracciolini kolportierte sodann gegenüber Alberto Parisi das Gerücht, dass Perotti ein Attentat auf sein Leben plane: Perotti habe „Meuchelmörder“ (sicarii) und „Mörder“ (percussores) dazu angestiftet, ihn umzubringen187. Die beiden gebrauchten Begriffe sicarii und percussores entnahm Poggio den orationes Ciceros, die der römische Redner prominent für seine politischen Gegner Marcus Antonius, Catilina und Clodius verwendete188. Der florentinische Kanzler setzte simultan alle ihm zur Verfügung stehenden politischen Hebel in Bewegung: Er schaltete die Signoria von Florenz ein und bat den Dienstherrn Perottis, Bessarion, um eine direkte Intervention. Diese strategische Eskalation, die sich an den ad hominem-Vorwürfen der Bracciolini-Valla-Kontroverse orientierte und tätliche Verbrechen ins Spiel brachte, veranschaulicht ihre soziale Wirkkraft und erklärt die Entschlossenheit aller Agonisten, die augenscheinlich ausgeschmückten Anklagen zu entkräften. Ob Perotti tatsächlich einen Anschlag plante, ist dabei von geringer Bedeutung. Die Leserschaft, zu der florentinische, bolognesische und auch kirchliche
Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 5, 37, S. 240: Ego te, mi Guarine, amavi semper unice summeque colui, tum propter singularem tuam eloquentiam et doctrinam, quibus plurimos instituisti, tum vero propter egregiam virtutem et gravissimos mores tuos, qui cum plus quam ulla doctrina sint laudandi, audientes ac videntes discipulos impellunt ad officia recte vivendi, ut cuperem, si fieri posset, pro bono publico te esse immortalem. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 7, S. 257–258, hier S. 258: Antequam ad balnea proficiscerer, respondi tuis litteris, quibus te purgabas ab iis, que nebulo ille laureatus in te coniecerat, scribens et te et filios tuos nescio quid contra me et loqui et sentire. [...] Non est nostra amicitia aut ita levis, aut ita nova, ut mendacissime lingue flabello ulla ex parte inquinari possit. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 25, S. 289: Nicolaus Perottus tuus posteaquam orationem tuam contra se editam legit et vulgari sensit, mirabiles ac ridendos nobis edidit ludos. Tanquam cicutam Socraticam bibisset, coepit totus animo frigescere et paulum remittere de illa solita elatione et fastu, quo preter modum inflatus et tumens incedebat. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 11, S. 266–267, hier S. 266: Non contentus priori arte, que eum asinum reddidit, coepit inter sicarios versari et percussores subornavit ad me interficiendum. Die Bezeichnung percussor findet sich u. a. in Cic. Phil. 4, 6, 15; sicarius wird noch häufiger verwendet, so u. a. gegen Clodius und seine Anhänger in Cic. Sest. 36, 81. Zu beiden Begriffen und ihren Kontexten umfassend Opelt 1965, S. 133 und 135.
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Amtsträger gehörten, konnte das Argument zumindest für plausibel halten oder, was wahrscheinlicher ist, mit der schriftlich erfolgten invektiven Aggression assoziieren. Perotti besaß in Bologna keinen ausreichenden Rückhalt mehr und konnte auf keine Unterstützer mehr zählen, die ihm als Charakterzeugen hätten zur Seite stehen können. Sein Beispiel stellt eine erfolgreiche diskursive wie soziale Exklusion dar, auf die alle Beteiligten mit ihren Invektiven abzielten. Der junge Gelehrte wurde sowohl von seinem Dienstherrn als auch von Bischof Coppini, der erneut als Vermittler auftreten konnte, zu einer Entschuldigung gegenüber dem älteren Gelehrten genötigt, die Bracciolini allerdings mit einem Freundschaftsschluss erwiderte189. Perotti konnte auch als offensichtlicher Verlierer gesichtswahrend zurück in die humanistische Gemeinschaft reintegriert werden, wie Poggios Briefe bezeugen. Zugleich sorgte die Versöhnung für eine gefestigte Allianz zwischen dem florentinischen Kanzler und Bessarion, die sich ihre gegenseitige benevolentia zusicherten190. Auswirkungen auf die Karriere Perrotis hatte seine Niederlage hingegen keine, ganz im Gegenteil: Er konnte sich nun der ideellen Unterstützung Bracciolinis sicher sein, sofern er sich, und dies scheint die Bedingung gewesen zu sein, mit Äußerungen zum Hauptkonflikt zwischen ihm und Valla zurückhalte. Ebenso sind Rehabilitierungsschreiben überliefert, in denen Bracciolini wichtige Zwischenträger, darunter die beiden bolognesischen Amtsträger Alberto Parisi und Bartholomeo Ghiselardi, Francesco Marescalco als ferraresischen Vertreter und auch Giovanni Tortelli, von ihrem Friedensschluss informierte. Er versicherte allen Adressaten, dass Perottis Anschlagspläne sich als unwahr erwiesen haben; ferner setzte er sie explizit von ihrem Freundschaftsschluss und der Innigkeit ihrer Beziehung in Kenntnis, die Poggio sogar als eine Vater-Sohn-Beziehung stilisierte191. Eine Stellung-
Siehe den Dankesbrief Poggios an Kardinal Bessarion, Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 12, S. 268–269, hier S. 269: Ipse [scil. Nicolaus] ad me humanissime scribit se purgans ab iis, que obiciebantur ac ultro offerens amicitiam suam; cui respondeo, prout videre poteris, per litteras meas. Siehe auch die Freundschaftsbekundungen gegenüber Bessarion, ebd., S. 268 f.: Excusationes tuas libenter accipio, et que scribis, fuisse vera et fore confido. Novi excellentiam virtutis tue, novi probitatem, fidem et religionem, novi humanitatem ac benivolentiam, quam adversus me ostendisti, qui fui semper deditissimus tibi. Scio me a te diligi et tibi percaram esse salutem meam. Die humanistischen Qualitäten werden bei dem kirchlichen Amtsträger Bessarion um fides und religio erweitert. Siehe auch den Brief an Francesco Coppini, Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 14, S. 272: Gratissime sunt mihi littere, quas scribis in excusationem Nicolai Perotti [...]. Nach einer knappen Rekapitulation über Perottis Verhalten sagt Poggio sodann: Ego deinceps Nicolaum diligam ex animo. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 6, 13, S. 270–271, hier S. 271: Littere tue admodum mihi placuerunt humaniter et summa cum modestia scripte. Des modo operam, ut que scribis animo sentire videaris, quod si egeris, ut olim ex Thidei et Polinicis certamine summa amicitia consecuta est, ita fore inter nos spero, ut hec nostra verborum concertatio firmioris amicitie causa sit futura. Bracciolini 1987, Lettere 3, Ep. 7, 1, an Giovanni Tortelli, S. 311–312, hier S. 311 f.: Postea plane compertum est eam suspitionem mihi falso fuisse obiectam, ipsumque Nicolaum huius criminis insontem, quod mihi et litteris reverendissimi domini mei, domini legati [scil. Bessarion] et duabus ipsius Nicolai multorumque preterea, qui mihi sunt summa coniuncti benivolentia, epistolis est persuasum. Sed epis-
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nahme zu ihrer Versöhnung ist von Seiten Vallas nicht überliefert; der letzte überlieferte Brief Perottis an seinen Lehrer stammt aus der ersten Hälfte des Jahres 1454, folglich aus einem Zeitraum, in dem der Konflikt noch im vollen Gange war192. Allerdings lässt sich aus der mehrfach von Poggio wiederholten Aussage, dass er auf ausdrückliche Bitte Perottis ihm wie ein Vater sein wolle, auf eine Distanzierung Perottis zu seinem Mentor schließen. Sowohl Valla als auch Perotti verglichen ihre Freundschaft in zwei zwischen November und Dezember 1453 versendeten Briefen mit einer Beziehung zwischen Vater und Sohn und inszenierten ihre Freundschaft mit einer nur bruchstückhaft überlieferten Briefreihe, in der sie ihre Vertrautheit zur Schau stellten193. In den für die humanistische Öffentlichkeit zugänglichen Schreiben beabsichtigten sie ihre Einigkeit und ihren Zusammenschluss gegenüber der gegnerischen Partei pathetisch zu demonstrieren und die unentschiedenen Leser mithilfe ihrer performativen Verbundenheit von ihrer Position zu überzeugen194. Die ostentative Abkehr von Valla als geistigem Vater muss nicht unbedingt als Seitenwechsel interpretiert werden. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Perotti diesen Schritt mit seinem Mentor sorgfältig abgesprochen hat und einen strategischen Kompromiss eingegangen ist, um seine öffentliche Wahrnehmung als vallianischer imitator abzulegen und seine Position in Bologna wahren zu können. Gleichsam fungierte Vallas Schüler jedoch auch als Spielfigur, die für eine indirekte Beilegung des Hauptkonfliktes symbolisch geopfert wurde. Aus dem Stellvertreterkonflikt zwischen Bracciolini und Perotti lassen sich indes wesentliche Interaktionspraktiken zwischen den primären Agonisten und dem in verschiedenen Rollen aktiven Publikum herleiten. Coppini inszenierte sich zweimal als Vermittler und vermochte seine diplomatischen Fähigkeiten zur Schau zu stellen; der
tola Nicolai posterior se purgantis et amicitiam pollicentis, cum mihi humanissime scriberet velle me sibi esse parentis loco, multaque preterea que ad nostram reconciliationem spectarent, effecit, ut non solum suspitionem deponerem iam conceptam, sed omnis preteriti temporis iniuriarum oblitus pollicerer me sibi et parentis et amici officia, deposita preteritorum memoria, prestaturum. Ep. 7, 2, an Alberto Parisi und parallel an Ghiselardi adressiert, S. 313: Itaque cara est mihi amicitia et benivolentia Nicolai, qua utar si opus erit. Ego dabo operam, ut intelligat me sibi esse amicissimum. Ep. 7, 3, an Francesco Marescalco, S. 314–315, hier S. 314: Hoc ad te scribo quia scio id tibi iocundum fore, tum ut intelligas mei officii esse habere Nicolaum filii loco. Valla 2013, Correspondence, Ep. 53B, S. 306–309. Siehe dazu bes. Davies 1984b, S. 136–139. Der Inhalt ihrer Briefreihe ist schwierig zu rekonstruieren. Beide streiten scherzhaft über die Bedeutung von Reichtum, den sie mit dem Büchererwerb in Verbindung setzen. Es müssen noch wesentlich mehr Briefe versendet worden sein, die allerdings nicht überliefert bzw. noch nicht wiederentdeckt worden sind. Valla 2013, Correspondence, Ep. 52 BIS, S. 293–297, hier S. 294: Ego, mi Nicole, tua verba ideo maximi facio, qui te filii amantissimi semper caritate complexus sum et cuius vel minima indignatione ita afficior ac si filii salute periclitarer: amor enim in me tuus instar salutis filii apud me est. Zu Perottis Antwort siehe Valla 2013, Correspondence, Ep. 52 BIS A, S. 296–303, hier S. 300: Ego te, mi Laurenti, ut habui semper, ita parentis habeo loco [...]. [...] Equidem tibi ita velim persuadeas mihi non minus cure futurum continue honorem tuum quam parentis.
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Grammatiklehrer Volpe versuchte sich selbst als Trittbrettfahrer und griff zur Unterstützung Vallas und Perottis Bracciolini an, rückte jedoch rechtzeitig von diesen ab, um sich mit Poggio einen einflussreichen amicus in Florenz zu sichern. Bessarion wiederum konnte mit seiner Intervention belegen, dass er seinen secretarius Perotti unter Kontrolle hatte und als Kardinal und humanistischer Wortführer in Bologna über genügend Kapitalien verfügte, um einem Disput ein Ende setzen zu können. Parallel vermochte er sich zugleich freundschaftlich dem florentinischen Kanzler zuzuwenden, was ihm einen nützlichen Zugang zum Gelehrtenkreis der Stadt am Arno gewährte – für Politiker wie Bessarion und Coppini ließen sich die erworbenen symbolischen Ressourcen folglich auch in politisches Kapital umwandeln, das in informellen Kanälen gewinnbringend investiert werden konnte. Niccolò Perotti vermochte aufgrund von mehreren Unterstützungszusagen temporär die Oberhand zu gewinnen und Bracciolini unter Druck zu setzen. Erst als Poggio seine politischen wie intellektuellen Einflussmöglichkeiten vollständig ausschöpfte, konnte er den Rückhalt seines Gegners in Bologna ausreichend schwächen. Der Streit zwischen Bracciolini und Valla wurde zu Lebzeiten beider Gelehrter nicht mehr aufgegriffen und schien auch keine karrieristischen Konsequenzen nach sich gezogen haben. Bracciolini verblieb bis zu seinem Lebensende als Kanzler in Florenz, während Valla unter Papst Kalixt III. 1455 zum apostolischen Sekretär ernannt wurde. Beide Humanisten beschränkten sich auf ihre Wirkungsräume und gerieten, zumindest auf publizistischer Ebene, nicht mehr aneinander195. Auch spätere Äußerungen über den jeweils anderen sind nicht überliefert. Beide Agonisten scheiterten letztlich an der Mobilisierung einer eindeutigen Mehrheit für ihre eigene Partei. Valla vermochte Rom und Venedig auf seine Seite zu ziehen, während Bracciolini die Deutungshoheit in Bologna und Ferrara wahren und einen Stimmungswechsel in Florenz verhindern konnte. Weder konnten sie von namhaften Vertretern ihrer Gemeinschaft zu einer Einigung überredet werden, noch ist es ihnen gelungen, den jeweils anderen sozial oder diskursiv auszuschalten. Grundsätzlich fanden sie sich in einer Pattsituation wieder, die auf direkter Ebene nicht gelöst werden konnte. Auf welche Weise wurde nun der Autorisierungs- und Evaluationsprozess beendet und welches Ergebnis konnte durch die streitbedingte Aushandlung erzielt werden? Zunächst lässt sich zeigen, dass alle Teilnehmer sich einer Selbstregulation unterworfen haben. Bei den Invektiven handelte es sich um durchdachte, d. h. um nicht impulsiv entstandene Kompositionen, deren Veröffentlichungen einer gewissen Strategie folgten. Beide Streiter kündigten in ihren ersten Invektiven ihre nächsten Schmähschriften an, wobei sie nichtsdestoweniger auf zwischenzeitlich herausgebrachte Beiträge flexibel re-
Siehe auch das Fazit von Rao 2007, S. 96: „Whether heedful of these protests [scil. der Vermittler] or weary of the quarrel, Valla and Poggio did not have any subsequent exchanges.“
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agieren konnten, wie Vallas zweites Antidotum und Poggios fünfte oratio bestätigen196. Dabei kristallisieren sich zwei miteinander verschränkte Faktoren heraus, die für sie von immenser Bedeutung waren: Zum einen die ihnen begrenzt zur Verfügung stehende Aufmerksamkeit der Leserschaft und zum anderen die von ihren Lesern abhängige Verbreitung ihrer Texte. Erst eine erfolgreiche Diffusion ihrer Invektiven, die mit dem Versenden weiterer Beiträge einherging, ermöglichte es ihnen, genügend Unterstützung zu mobilisieren und dem Gegner Verbündete zu entziehen. Realiter, wie am Beispiel Tortellis oder Bessarions gezeigt werden konnte, bedeutete ein Freundschaftsschluss zwischen zwei Streitteilnehmern jedoch nicht unbedingt die Exklusion des jeweils dritten Akteurs. Es konnten ohne weiteres überschneidende Allianzen gebildet werden, was die Stabilisierungstendenzen des humanistischen Streits deutlich herausstellt. Alle beteiligten Gelehrten waren auf ein funktionierendes Netzwerk angewiesen, um ihre Kommunikation aufrechterhalten zu können197. Das für die Aufführung des Streits essentielle Publikum verlor nach der Einigung zwischen Bracciolini und Perotti schnell sein Interesse an weiteren Konfrontationen der beteiligten Akteure, wie die begrenzte Aufmerksamkeit gegenüber der Auseinandersetzung zwischen Valla und Morandi belegt. Die Standpunkte wurden ausgetauscht, Allianzen gebildet und in Folge dieses Prozesses wurden beide Humanisten als vollwertige Mitglieder ihrer Gemeinschaft bestätigt. An Vallas Status konnte Morandis Einspruch entsprechend nichts mehr ändern. Die Sachebene spielte auf der Sozialebene eine untergeordnete Rolle und wurde nur oberflächlich behandelt. Stattdessen konzentrierten sich die beteiligten Gelehrten auf ihre jeweilig wahrgenommene Rolle und ihre literarische Inszenierung, um sich selbst profilieren, d. h. ihre doctrina, elegantia und humanitas, die zentralen humanistischen Gelehrsamkeitskategorien, zur Schau stellen und Kapitalien erwerben zu können. Dieser Aspekt unterstreicht die forensische Konfiguration des Streits, in dem die Leserschaft öffentlich mehr Wert auf den gegenseitigen Austausch als auf die jeweiligen Streitpunkte legte198. Wenngleich Bracciolini und Valla sich nicht mehr formell einigen konnten, waren ihre Aktivitäten nicht dauerhaft auf Dissens ausgerichtet. Ihnen wurde die Aufmerksamkeit der humanistischen Gelehrtenzirkel zuteil, um öffentlich,
Vgl. Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 205: Quod si haec illi parum et minus bene a me compacta uidebuntur, efferam alia in alio dicendi genere, ut longiori forsan oratione alium decernemus triumphum, ut ampliorem illi reprehendendi nos materiam praebeamus. Die Formulierung in alio dicendi genere deutet darauf hin, dass die Invektiven drei und vier, die sich nicht mehr am klassischen Aufbau einer oratio orientieren, bereits geplant waren. Valla 1978, Antidotum primum 186, S. 172: An fuerit diversa olim lingua eruditorum et ineruditorum, quam tu questionem inscientissime tractavisti in libello convivali, alias disputabimus. Hier spricht Valla vom zweiten, unveröffentlicht gebliebenen Akt seines Apologus, in dem er Poggios These zu den lateinischen Sprachvarianten in der Antike behandelt. Der Verfasser schließt sich Müller 2010, S. 143, Anmerkung 80 an und versteht unter Netzwerk hier allein die „polyzentrische Verbindung der Humanisten untereinander.“ Mit Blick auf das Analysemodell von Laureys/Simons/Becker 2013, S. 18–20, hier S. 19 unter der Rubrik „Functions of conflict“, berührte der Streit alle drei Aspekte: Verbreitung der eigenen Schriften, „self- und community-fashioning“ sowie die daraus resultierende Gruppenbildung.
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d. h. im gemeinschaftlichen Rahmen, über ihre jeweiligen Gelehrsamkeitsverständnisse, die sich in ihren imitationes ausdrückten, zu diskutieren. Bei den jeweilig gegründeten „communites“ handelte es sich um temporäre Zusammenschlüsse, aus denen wiederum neue Verbindungen erwuchsen. Ebenso muss konstatiert werden, dass es zu keiner dauerhaften Exklusion oder Ablehnung von Befürwortern anderer Nachahmungsverständnisse gekommen ist. Die jeweilig zur Disposition gestellten Paradigmata konnten parallel nebeneinander stehen, wenngleich Vallas Elegantiae in den Folgejahren eine äußerst breite Rezeption sowohl in Italien als auch im restlichen Europa erfuhren; ebenso trug seine positive Wahrnehmung in Venedig dazu bei, dass sein Werk in der Markusrepublik bereits 1471 gedruckt wurde199. Folglich ließen sich heterodoxe Elemente – in diesem Fall die Methodik der Elegantiae – in die Orthodoxie einfügen, sofern genügend Feldakteure den zur Begutachtung freigegebenen Beitrag als wertvoll einstuften, d. h. als Kapital symbolisch aufluden. In dieser Hinsicht lässt sich festhalten, dass Bracciolinis Versuch, Vallas Werk als humanistischen Beitrag zu entwerten, völlig fehlgeschlagen ist und er, langfristig gesehen, den Streit verloren hat. Dies lag nicht unbedingt an seinen partiell weniger überzeugenden philologischen Sachkenntnissen, wie im zweiten Kapitel dargelegt wurde, sondern vielmehr an dem Umstand, dass er die Wahrnehmung Vallas innerhalb der humanistischen Gemeinschaft falsch eingeschätzt hat und sich allein früherer Meinungen und Kritikpunkte in seinem Diffamierungsversuch bedient hat. War Valla in den 1430er und 1440er Jahren noch ein Außenseiter, der aufgrund seiner heterodoxen Autoritätskritik mehrheitlich als kompetenter Störenfried betrachtet wurde, wie die florentinischen Meinungen zu seinem moralphilosophischen Dialog oder seine Auseinandersetzung mit der neapolitanischen Inquisition und seinen Kollegen am Hofe König Alfonsʼ bezeugen, konnte er an der Kurie unter Papst Nikolaus V. letztlich erfolgreich in die neue humanistische Kulturpolitik integriert werden. Dort beteiligte er sich mit seinen Werken sowohl an den griechischen Übersetzungsprojekten als auch an der Bibelphilologie. Des Weiteren fand er in seinen Mitstreitern wie Giannozzo Manetti und Theodore Gaza Gleichgesinnte. Er genoß, wie gezeigt, die Unterstützung der einflussreichen Kardinäle Nikolaus von Kues und Bessarion und wurde als vollwertiges Mitglied der päpstlichen Behörde erachtet. Seine Elegantiae erwiesen sich aus Sicht seiner Gutachter als nützlicher Beitrag zur Erschließung der lateinischen Sprache; darüber hinaus markierten sie eine neue Stoßrichtung des Humanismus, die von weiteren, enzyklopädisch ausgerichteten Werken wie Giovanni Tortellis an Papst Nikolaus V. gewidmete Orthographia oder Niccolò Perottis Langzeitprojekt, das letztlich unvollständig gebliebene Lexikon Cornu Copiae, flankiert
Zu der Handschriftenverbreitung der Elegantiae siehe Regoliosi 1993; vgl. auch Moreda 1999, S. 41–43; zur starken Rezeption ab 1471 bes. Moss 2003, S. 43 ff.; Abbamonte 2019, S. 36 f. Zur Überlieferungstradition der Elegantiae mit Vallas Invektiven jüngst Abbamonte 2021, S. 44–47.
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worden sind200. Diese Schriften förderten die Hinwendung zu einer positivistischen Erfassung des Altertums, zu der auch die überaus erfolgreiche Italia Illustrata des an der Kurie tätigen Gelehrten Flavio Biondos gezählt werden kann, mit der er einen historischgeographischen Erschließungsversuch vorlegte201. Bracciolini verkannte hier die intellektuelle Konjunktur, an der Valla erheblichen Anteil hatte. Der ältere Humanist geriet an der Kurie eindeutig ins Abseits, verlor aber nicht seinen literarischen Einfluss, wie seine europaweit überaus erfolgreichen Facetiae unter anderem belegen. Seine den Streit begleitende Korrespondenz zeigt, dass seine Witzgeschichten auf große Resonanz stießen und ihr Bekanntheitsgrad mithilfe der ihm zuteil gewordenen Aufmerksamkeit weiter gesteigert werden konnte202. An der Kurie wurde das bereits im lombardischen Soziotop in den 1430er Jahren eingeleitete Systematisierungsvorhaben, das sich in den Elegantiae paradigmatisch manifestiert, umfassend gefördert, was eine neue Phase der Antikerezeption im Humanismus einleitete203. Der gesteigerte Bedarf an Lehrbüchern und Kompendien war durch den immensen Zuwachs an Wissen bedingt, dessen Aufarbeitung und Organisation nach pragmatischen Lösungen verlangte. Dieser Trend ging zwangsläufig mit gewissen Standardisierungsverfahren einher, die der bislang erfolgten laissez faire-Haltung des römisch-florentinischen Humanismus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zuwiderliefen. Während Bracciolini mit seinen moralisch ausgerichteten Schriften insbesondere Interesse bei institutionellen Amtsträgern wie Alberto Parisi, Bartholomeo Ghiselardi und Francesco Marescalco in Bologna und Ferrara zu wecken vermochte, erfreuten sich ab der zweiten Hälfte des Quattrocentos im universitären Umfeld von Bologna und Rom insbesondere lexikographische Studien großer Beliebtheit, ein Umstand, der definitiv auf den Erfolg von Vallas Elegantiae, aber auch auf Giovanni Tortellis intellektuelle Koordination und Netzwerke zwischen Bologna und
Zu Tortelli bes. Tomè 2018 und Abbamonte 2012, S. 63–72, zur Orthographia Donati 2006 und zur methodischen und sprachideologischen Überschneidung zwischen Tortelli und Valla Donati 2007; zu Perottis unvollendet gebliebenem Cornu Copiae ders., S. 76–93; Furno 1995, Stok 2002 und Wels 2000, S. 61–64 mit Blick auf die weitere Entwicklung lexikographischer Studien im Humanismus. Zum gesteigerten Interesse an enzyklopädischen Werken siehe einführend Blanchard/Severi 2018 und den von beiden herausgegebenen Sammelband. Vgl. Raffarin 2018, bes. S. 169–178 und zur biographischen Katalogisierung von Gelehrten Clavuot 2002, grundsätzlich zur Italia illustrata Clavuot 1990 und auch mit Bezug auf seine antiquarischen Schriften Mazzocco 2014/2015, bes. S. 129–144. Vgl. zu den geänderten Rahmenbedingungen an der Kurie Miglio 2006, S. 103–111; Greenblatt 2013, S. 154–159 und Studt 2017, S. 213. Vgl. zum Erfolg und zur handschriftlichen Überlieferung mit besonderem Blick auf das Reich nördlich der Alpen, neben seiner Eigenaussage in Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 219, ausführlich Kipf 2010, hier S. 99–154. Die Facetiae wurden in der Inkunabelzeit mindestens zweiunddreißigmal gedruckt. Vgl. auch Revest 2013, S. 438: „Lastly, the same crucial period saw the emergence of a diverse effort of theorization and normalization of all these practices. It was then that the first steps of a reflection on the criteria of scientificity and acceptability in the arts of imitation, of translation, of writing in Latin, or of teaching were taken.“ Dazu auch überblickend Charlet 2004.
4.2 Vom „self-fashioning“ zum „community-fashioning“
349
Rom zurückzuführen ist204. Die Begeisterung von Lehrern wie Niccolò Perotti, Niccolò Volpe, Ognibene Bonisoli da Lonigo und Gian Pietro da Lucca zeigt überdies, dass die Elegantiae im pädagogischen Bereich bereits zu Lebzeiten als Handbuch gefeiert wurden und in den nächsten Jahrzehnten erfolgreich im Lateinunterricht sowohl in Italien als auch im restlichen Europa etabliert werden konnten205. Bracciolini lehnte derartige Projekte nicht per se ab, sondern stellte allein Vallas Führungsanspruch und seine Nachahmungslehre in Abrede. Normierungs- und Vereinheitlichungsversuche sind sowohl als Komplexitätsreduktionen und Verwissenschaftlichung in Form von Regelaufstellungen, aber auch als unmittelbare Äußerung von Geltungsansprüchen zu betrachten. Systembildungen jeglicher Art müssen stets bestehende Praktiken und Denkmuster, kurzum Konventionen, zusammenführen, modifizieren oder aussortieren, was zwangsläufig zu Konflikten mit ihren jeweiligen Exponenten führt, die um ihren Status und um einen Werteverlust ihrer Leistungen fürchten. Daher darf der Streit nicht als Störung, sondern vielmehr als integraler Aushandlungs- und Autorisierungsprozess verstanden werden. Kreative Energie in Form von Gestaltungsabsichten wird kanalisiert und findet ihren Ausdruck in einem Kapitalienhandel, der latente Rivalitäten aktiviert und eine Begutachtung der zur Disposition gestellten Beiträge einleitet. Wenngleich sich ein intellektueller Wandel, wie Randall Collins an zahlreichen Beispielen aus der Philosophiegeschichte aufgezeigt hat206, erst in den nachfolgenden Generationen vollständig entfalten kann, trug die Bildung der Allianzen und die daraus resultierende Dif-
Vgl. Chines 2018, bes. S. 188 ff.; auch überblickend zu dem breiten Netzwerk um Tortelli Onorato 2003. Eine intensive Rezeption und Weiterentwicklung lexikographischer Studien erfolgte zeitlich verzögert erst ab den 1460er Jahren, was mit der Verbreitung der jeweiligen Schriften und der notwendigen Einarbeitungszeit erklärt werden kann. Siehe TOMÈ 2018, S. 130 ff. Vgl. überblickend Bierbach 1997, bes. 70–146 und Moss 2003, S. 15–34; mit Blick auf das 16. Jahrhundert Robert 2007b; allgemein auch Burke 2012, S. 81–115; Blanchard/Severi 2018, S. 44–53. Die Systematisierung von (linguistischem) Wissen wurde selbstredend durch die Einführung der Drucktechnik immens gefördert. Zur frühen Verwendung der Elegantiae in den italienischen Grammatikschulen siehe Black 2001, S. 166–167. Die Elegantiae wurden zwischen 1471 und 1504 allein sechsundzwanzigmal gedruckt. Vgl. Abbamonte 2019, S. 36. Bereits in den 1440er Jahren waren Raubkopien der Elegantiae im Umlauf, was den Bedarf an derartigen Schriften untermauert. Dazu auch Stevens, Jr. 1973, S. 11 ff. Siehe Collins 1998, S. 379 f.: „Intellectual creativity is concentrated in chains of personal contacts, passing emotional energy and cultural capital from generation to generation. [...] The emotional energy of creativity is concentrated at the center of networks, in circles of persons encountering one another face to face. The hot periods of intellectual life [...] occur when several rival circles intersect at a few metropoles of intellectual attention and debate.“ Ebd., S. 380: „The law of small numbers sets upper and lower limits to these oppositions. The number of contemporaneous creative schools successfully propagating their ideas across the generations is between three and six, a recurrent pattern for focal nodes in intellectual attention space.“
350
4 Die Aushandlungsphase: Intellektuelle Bündnisschlüsse
fusion der Elegantiae entschieden zu ihrem Erfolg in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bei207. Den Akteuren aus der zweiten Reihe, die entweder selbst noch nicht öffentlich in Erscheinung getreten sind oder die noch nicht genügend Aufmerksamkeit auf ihr Schaffen ziehen konnten, kam bei der Verbreitung der Schriften, aber auch bei der Internalisierung humanistischer Praktiken eine gewichtige Rolle zu, wie Brian Maxson umfänglich am Beispiel Florenz darlegen konnte. Sie scharrten sich explizit um die aus ihrer Sicht literarisch wie politisch einflussreichen Humanisten und bildeten ihre jeweiligen „communities“, die gleichsam als kommunikative Knotenpunkte fungierten. Während Mitglieder der humanistischen Führungsriege sich hinsichtlich der Bracciolini-Valla-Kontroverse tendenziell zurückhielten – Ausnahmen bildeten Francesco Filelfo, Francesco Barbaro und Kardinal Bessarion – nutzten jüngere und am Anfang ihrer Karriere befindliche Gelehrte die Gelegenheit, sich zu profilieren. Letztlich legten sie als unmittelbares Publikum und in der Rolle als richterliche Instanz die gemeinschaftliche Wahrnehmung der Agonisten fest. Valla wurde schließlich, allen Einsprüchen Poggios zum Trotz, endgültig in die informelle humanistische Corona aufgenommen. Die Entscheidung über die imitativen Paradigmata wurden allerdings nicht mehr von der aktuellen Gelehrtengeneration gefällt. Entsprechend lässt sich ein synchroner und diachroner Streitdiskurs identifizieren. Die synchrone Debatte, die mit einem dogmatischen Führungsanspruch der Agonisten einherging, leitete eine zeitgenössische Diskussion über ihre imitationes ein, die sie begrenzt mithilfe ihrer Invektiven und Briefen steuern konnten. Die diachrone Debatte, die erst postum von ihren unmittelbaren Nachfolgern aufgegriffen wurde, entzog sich logischerweise ihrer direkten Einflussnahme und gab den jeweiligen Rezipienten Anknüpfungspunkte für ihre eigenen Lehren und Nachahmungsverständnisse, wie beispielsweise die in Paris stattgefundene Auseinandersetzung zwischen den Gelehrten Guillaume Tardif (um 1436/1440 – nach 1492) und Girolamo Balbi (um 1450–1535) in den 1480er Jahren oder die briefliche Rechtfertigung Erasmus von Rotterdam gegenüber Cornelius Ghepard im Jahr 1489 be-
Zur komplexen Rezeption der Elegantiae, deren Erschließung nach wie vor aussteht, siehe Abbamonte 2019, S. 36: „[...] Valla’s theory had to be introduced into the school system, if it was to renew and rejuvenate the medieval approach to grammar effectively. This, however, could only take place under two conditions: New School grammars and new lexicographical words had to be published, to take into account Valla’s results and correct the late-antique grammatical words of authors like Priscian, Donatus, and Servius, as well as the works of medieval lexicographers [...] which relied on [ana]logical reasoning rather than on actual Latin usage. Teachers and scholars had to familiarize themselves with the largest possible number of Latin authors, instead of limiting their Latin learning to the few authors who had been generally studied in the Middle Ages. Unfortunately, the Elegantie was not a text meant to accomplish these two goals, for it is not a didactic handbook, nor are its refined discussions addressed to students, but rather to fellow humanists and colleagues. Therefore, if Valla’s theories were to have an impact on Latin learning, they had to be adapted to certain teaching requirements. This led to numerous revisions of the Elegantie by other authors in the last thirty years of the fifteenth century, and these revisions were very popular during the sixteenth century as well [...].“ Erste Versuche einer Rezeptionsgeschichte finden sich in dem von Regoliosi und Marsico herausgegebenen Sammelband, Regoliosi/Marsico 2013.
4.3 Zusammenfassung: Der Streit als virtuelles Forum
351
legen. Die jeweiligen Gelehrten schlossen sich auch über dreißig Jahre später einer Konfliktpartei an und griffen ostentativ auf die Invektiven ihrer Bezugsinstanzen zurück, um sich für ihre Nachahmungs- und Gelehrsamkeitsverständnisse zu rechtfertigen. Tardif und Erasmus erwiesen sich dabei als Anhänger Vallas, die für ihre eigenen Studien die Elegantiae verwerteten, während Balbi und Ghepard Bracciolinis imitative Standpunkte einnahmen. Die Bracciolini-Valla-Kontroverse wurde zwar in den 1450er Jahren beigelegt, ihre ungeklärten Streitpunkte hinsichtlich ihrer imitationes verblieben aber nach wie ungelöst. Ferner bestätigen beide nachfolgenden Auseinandersetzungen, dass die im Verlauf des Streits herauskristallisierten Nachahmungsparadigmata parallel fortbestanden und es zu keiner unmittelbaren Verdrängung gekommen ist208. Für den hier behandelten Zeitraum lässt sich festhalten, dass der Streit für die Agonisten primär der Verbreitung ihrer Schriften und ihrer Vernetzung diente, was zudem ihr literarisches Vermächtnis im für sie noch existierenden Handschriftenzeitalter sichern sollte209. Beide Autoren nutzten die ihnen zuteil gewordene Aufmerksamkeit aus, um ihre Nachahmungsauslegung und ihr damit transportiertes Verständnis von humanistischer Gelehrsamkeit an ein möglichst großes Publikum zu kommunizieren.
4.3 Zusammenfassung: Der Streit als virtuelles Forum Der Streit wurde als virtuelles Forum, d. h. als umfassende Kommunikationsplattform sowohl zur gemeinschaftlichen Begutachtung spezifischer Beiträge als auch zur Vernetzung und Schriftenverbreitung genutzt, was das humanistische Feld als solches langfristig stabilisieren und sein Fortbestehen absichern sollte. Entsprechend handelte es sich bei der diskursiven Figuration des Gelehrtengerichts nicht allein um ein stilistisches,
Zum Konflikt zwischen Guillaume Tardif und Girolamo Balbi vgl. Laureys 2015; zu Tardif einführend Beltran 1986; zu Erasmus von Rotterdam vgl. Camporeale 2001, bes. S. 27–29. Zur Bedeutung der Elegantiae für Erasmus vgl. auch Chomarat 1979. Beide bezeichnen in den 1450ern ihre Werke bereits als ihre jeweiligen literarischen Vermächtnisse; sie äußern ebenso den Wunsch, ihre Schriften für die Nachwelt sichern zu können. Siehe dazu u. a. Valla 2013, Correspondence, Ep. 52 BIS, S. 296, an Perotti gerichtet: [...] tum vero quod te meorum operum defensorem cum vita functus fuero aut solum aut primum destino, qui et possis et velis hoc mihi prestare. Bracciolini 2019, Historia disceptativa, Proem., I,2, S. 70: Ego sane, quo me ex eorum vulgo eximerem de quorum otio parum constat, non nulla hactenus conscripsi, quae, iam inter multos diffusa, longiorem mihi paulo post obitum vitam allatura videantur. Siehe auch resümierend Furstenberg-Levi 2016, S. 171: „Not only did the Quattrocento Latin poets [...] try to create a continuum between the ancient authors and themselves, but they also worked hard to develop a system, especially through education, which would guarantee continuity between themselves and subsequent generations.“ Zum Erfolg von Vallas und Bracciolinis Invektiven siehe auch Abbamonte 2021, S. 44 ff., die, anders als beispielsweise die Invektiven Bartholomeo Facios, eine „starke“ Überlieferung aufweisen. Es mangelt nach wie vor an Studien zur Bestandsaufnahme und Rezeptionsgeschichte der Invektiven.
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4 Die Aushandlungsphase: Intellektuelle Bündnisschlüsse
sondern um ein ganz pragmatisches Mittel zur performativen Institution der forensischen Aufführung. Aufgrund der Konstellationen und den hieraus resultierenden Möglichkeiten für alle Beteiligten hielt der Disput kulturelles, soziales und symbolisches Kapital bereit, das durch geschickte Allianzbildungen erworben werden konnte: Die veröffentlichten Briefe und Invektiven wurden zu Profilierungszwecken eingesetzt und generierten als Beiträge kulturelles Kapital, mit dem die beteiligten Gelehrte als Ausdruck ihrer humanitas, eloquentia und doctrina diskursiv operieren konnten. Zugleich ermöglichte der erzeugte Schriftverkehr neue Kontaktknüpfungen oder Aktualisierungen von alten Bündnisschlüssen, was wiederum den Akteuren soziales Kapital zur Verfügung stellte. Alle Kapitalsorten konnten letztlich mithilfe von erfolgreichen Interventionen und Handlungsweisen symbolisch aufgeladen und zur Konstitution des eigenen Rufes (fama, nomen) appliziert werden. Die Leser standen sowohl mit den Agonisten als auch untereinander im Dialog und wurden sowohl als Leumundszeugen als auch als Richter unmittelbar in den Streit integriert, zu Beurteilungen aufgefordert und letztlich in der gleichzeitig laufenden Briefkampagne um Unterstützung gebeten. Die Wahrnehmungskontrolle stand dabei im Vordergrund: Das Publikum sollte von der eigenen Position und beanspruchten Überlegenheit überzeugt und als Anhänger rekrutiert werden. Die Autorisierung der eigenen Haltung wurde simultan über die De-Autorisierung des Gegners eingeleitet, um die Leserschaft gezielt aufzuwiegeln. Aus der Untersuchung des Streitgeschehens wird ersichtlich, dass die jeweiligen Argumentationsgänge unmittelbar mit der Invektivenverbreitung und den Reaktionen der Leserschaft verschränkt waren. Die Streitakteure benötigten die Unterstützungszusagen befreundeter Humanisten als externe Argumente und forderten darüber hinaus fremdreferentielle Beurteilungen ihrer Leistungen ein, um Ruhm und brieflich beglaubigten Zuspruch (gloria und laudes) als symbolisches Kapital zu akquirieren. Die beabsichtigte Mobilisierung einer Anhängerschaft, die öffentlich Partei ergreifen und zugleich gegen Mitstreiter der feindlichen Fraktion Stellung beziehen oder diese gar abwerben sollte, verdeutlicht die Eigenlogik des Streits, in welchem der Aushandlungsprozess eine Ausdifferenzierung in Gang setzte, die über die Gründung von informellen Zusammenschlüssen („communities“) erfolgte. Dieser Prozess war ausdrücklich nicht auf eine inhaltliche Konsensfindung hinsichtlich der zur Disposition gestellten Streitgegenstände ausgelegt. Stattdessen wurde zunächst der offene Bruch angestrebt, der zu unterschiedlichen Allianzen führte, um Druck auf den jeweiligen Gegner ausüben zu können. Die öffentlichen Parteinahmen wurden über die Imitation von Distinktionsmerkmalen zum Ausdruck gebracht: Die vallianische Gruppe inkorporierte das Sprachimperium in ihre Unterstützungszusagen, worunter auch die von Perotti paradigmatisch eingesetzte philologische vituperatio an Bracciolinis Ausdrucksweise fällt. Die Poggianer wiederum setzten auf die in den Facetiae bereits eingeführte, nun virtuell über Italien ausgebreitete Lachgemeinschaft, die sich Valla und Perotti als Zielscheiben für ihre herabsetzenden Witze aussuchte und sich über ein gemeinsam zu verlachendes Feindbild konstituierte. Auch Übernahmen der jeweils applizierten und mit den jeweiligen Gegnern assoziierten Begrifflichkeiten sollten die Affiliation demonstrieren. Simultan wurden auf diese Weise neue hu-
4.3 Zusammenfassung: Der Streit als virtuelles Forum
353
manistische Bezugsinstanzen etabliert, die Ansatzpunkte für die eigene Selbstinszenierung boten. Der transformative Vorgang des individuellen, als Erkennungsschlüssel applizierten „self-fashioning“ zum gruppeninstituierenden „communityfashioning“, das sowohl inkludierend als auch exkludierend wirkte, stabilisierte die humanistische Gemeinschaft als ein durch divergente Paradigmata und Interessen geprägtes soziales Feld. Obwohl die sachlichen Streitpunkte ostentativ in den Hintergrund rückten, blieben die stilistisch-imitativen Fragen dennoch präsent: Diese wurden in einem pragmatisch ausgerichteten Wettbewerb zur Rezeption freigegeben, wie anhand der Begutachtungen gezeigt werden konnte. Die Briefe und Schmähschriften erwiesen sich als essentielle Ausdrucksformen ihrer Selbstinszenierungen, die streitbedingt zu kollektiv ausgerichteten Gruppeninszenierungen umgewandelt worden sind. Diese hielten das humanistische Feld als Gefüge aus ihren jeweiligen sozialen Relationen trotz agonalen Verhältnissen letztlich zusammen. Ausreichender Rückhalt ermöglichte, wie im Fall Perotti exemplarisch gezeigt werden konnte, die diskursive wie soziale Exklusion des Gegners, was dem Gewinner die Möglichkeit gab, die Bedingungen für eine Einigung vorzuschreiben und sich als Sieger bestätigen zu lassen. Formell konnte der Disput zwischen Bracciolini und Valla trotz mehrerer Vermittlungsversuche von Francesco Barbaro und Pietro Tommasi nicht beigelegt werden; stattdessen ermöglichte die Lösung des Nebenkonflikts zwischen Poggio und Perotti die Einstellung der gegenseitigen Kampfhandlungen. Soziale oder unmittelbar intellektuelle Konsequenzen ergaben sich hingegen nicht, die Skandalisierung der Elegantiae leitete jedoch eine erfolgreiche Autorisierung des Werkes ein und trug letztlich zu seiner umfassenden Diffusion bei. Daher kann letztlich Bracciolini aus der Retrospektive als Verlierer betrachtet werden, da er mit seinem DeAutorisierungsvorhaben scheiterte. Der Streit erweist sich als integraler Bestandteil des humanistischen Feldes, dessen soziales Gebilde sich aus einem Dualismus von amicitia und inimicitia zusammensetzte, grundsätzlich jedoch auf sozialen Konsens ausgerichtet war, wie die Selbstregulation des Konfliktes belegt. Daher kann nicht prinzipiell von einer „Dissensgemeinschaft“ gesprochen werden, wie Ludovica Sasso den Streit als Ausdruck einer „spiegelbildliche[n] Dissensgemeinschaft“ zur Konsensgemeinschaft im Sinne Harald Müllers vorschlägt210. Die formelle Beilegung durch Angehörige der Leserschaft gehörte zum internalisierten Ablauf derartiger Auseinandersetzungen. Des Weiteren, und dies verdeutlicht der späte Streiteintritt Benedetto Morandis, war die Aufmerksamkeit nach einer gewissen Zeit aufgebraucht und konnte nicht mehr neu generiert werden. Die humanistische Gemeinschaft beschränkte dementsprechend selbst die Austragung ihrer Rivalitäten und ermöglichte auch das Nebeneinander von divergenten Gelehrsamkeitsauffassungen und
Sasso 2021, S. 67; zu Redaktionsschluss konnte die Dissertation von Sasso 2023 leider nicht mehr berücksichtigt werden. Zum Humanismus als Konsensgemeinschaft vgl. Müller 2006, S. 61–66 und auch Treml 1989, S. 90.
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4 Die Aushandlungsphase: Intellektuelle Bündnisschlüsse
Nachahmungsverständnissen, wie die Bracciolini-Valla-Kontroverse eindrucksvoll bezeugt. Die einzelnen „communities“, die sich im Laufe des Streits herausbildeten, garantierten den Austausch zwischen Gleichgesinnten und förderten ihre jeweiligen Interessensschwerpunkte. Auf diese Weise bewahrte die humanistische Bewegung ihre heterogene Aufstellung, die nichtsdestoweniger in der imitatio der antiken Literatur eine gemeinsame Basis fand. Auch die widersprüchlichen Nachahmungsverständnisse der beiden Agonisten änderten nichts an diesem Zustand, im Gegenteil: Beide Gelehrte verblieben als Wortführer und Mitglieder der humanistischen Corona und vermochten mithilfe ihres Konfliktes ihren Bekanntheitsgrad weiter zu steigern. Entsprechend bot der Streit zeitlich begrenzte Möglichkeiten, Aufmerksamkeit zu erzeugen und umfassende Transaktionen in Form von intellektuellem Austausch, Schriftenverbreitung und Freundschaftsbündnissen zu ermöglichen.
5 Schlussbetrachtung Was ist Humanismus? Mit dieser Frage, die mehr oder weniger implizit allen Studien zum Humanismus zugrunde gelegt wird, leitete der Verfasser die Arbeit ein, um auf die Schwierigkeiten hinzuweisen, eine höchst dynamische, informell organisierte und durch wechselnde Schwerpunktsetzungen und Interessen geprägte Gelehrtengemeinschaft zu bestimmen. Wenngleich eine pauschale, für alle Zeiten zufriedenstellende Antwort selbstredend nicht formuliert werden konnte und auch nie formuliert werden kann, lässt sich nichtsdestoweniger konstatieren, dass die imitatio sich als konstitutives Element für den Humanismus als intellektuelle Bewegung wie auch als Fundament ihrer Programmatik herausstellte. Sie diente den Humanisten als literarisches Leitprinzip und kompositorisches Verfahren, als mehrschichtige Denkfigur, welche die Verbalisierung der eigenen Selbstinszenierung, der beanspruchten Gestaltungsmöglichkeiten und des sprachlich ausgedrückten Lebensmodells justierte; ebenso fungierte sie als sozialer Rekognitionsschlüssel, der die Zugehörigkeit zum Humanismus signalisierte und den Sprecher dazu lizenzierte, sich an den innerhumanistischen Diskursen beteiligen zu dürfen. In der Arbeit lag das Augenmerk auf der Erschließung der humanistischen imitatio am Beispiel der Bracciolini-Valla-Kontroverse, die mithilfe des Konventionalitätskonzeptes auf Basis des Bourdieuschen Feld- und Kapitalienmodell analysiert wurde. Die Nachahmung wurde als literarische Konvention definiert, die aufgrund fehlender Normierung auslegungsbedürftig bleiben musste und daher permanenten Aushandlungs- und Begutachtungsprozessen unterworfen wurde. Diesen konventionalisierten Ablauf adressierte Lorenzo Valla mit seinen nomothetisch ausgerichteten Elegantiae linguae latinae und schlug erstmalig innerhalb des Humanismus ein einheitliches Nachahmungsverfahren vor, das induktiv-empirisch auf den prosaischen Sprachgebrauch (usus loquendi) ausgewählter lateinischer Autoren ausgerichtet war. Seine Methodik ging mit einer Neukanonisierung einher, in der poetische Autoren noch zur Bedeutungsbestimmung berücksichtigt, spätantike und christliche Autoren jedoch allein punktuell als Korrektiv herangezogen worden sind. Die pluralistische Ableitung, die sich aus einer Summe von verschiedenen Redeweisen zusammensetzt, wurde zeitgenössisch zunächst als Dekonstruktion der für die imitatio zentralen Kategorie der auctoritas erachtet, was allen voran Poggio Bracciolini als eine mit humanistischen Grundsätzen unvereinbare Autoritätskritik anprangerte. Als Konsequenz forderte er den diskursiven wie sozialen Ausschluss Vallas, was den Streit zwischen beiden Gelehrten initiierte. Die Grundlage der Untersuchung bildeten die von den Agonisten verfassten Invektiven, die sich als komplexe, mehrschichtige Kompositionen erwiesen und den Streit als solchen literarisch in Gang gesetzt haben. Als hybride Textgattung, die sich rudimentär an der ciceronianischen oratio orientierte, setzt sie sich aus dem genus iudiciale und dem genus demonstrativum zusammen, was die Invektive in eine Sach- und Affektebene unterteilt. In Bezug auf die ad rem-Argumentation konnten in der Bracciolini-Valla-Kontroverse zwei divergente Nachahmungsparadigmata herauskristallisiert werden, die sich in ihren sprachphilosophischen Prämissen und in ihrer konkreten Anwendung unterscheiden. https://doi.org/10.1515/9783111324555-005
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5 Schlussbetrachtung
Bracciolini wurde im römisch-florentinischen Gelehrtenkreis sozialisiert und internalisierte den ersten, von Francesco Petrarca ausformulierten Ciceronianismus, bei dem es sich um eine permissive imitatio handelte. Als Mustervorlage diente die ciceronianische oratio, die letztlich jedoch um andere Textgattungen und klassische Ausdrucksweisen nach eigenem Ermessen erweitert werden konnte. Dieses Nachahmungsverständnis zielte auf einen stilistischen Synkretismus ab, der nichtsdestoweniger auf den rhetorischen Lehren Ciceros beruhte. Letztlich ermöglichte das Paradigma, die Schriften sämtlicher antiker auctores fakultativ zu verwerten. Ausschlaggebend waren zum einen das individuelle iudicium und zum anderen die Rezeption des Publikums, das die Kompositionen begutachten und als orthodoxiekonforme Beiträge lizenzieren musste. Poggios permissives Sprachverständnis sah überdies eine Trennung zwischen sprachlicher Form (erba) und Inhalt (res) vor. Die Verbalisierung der jeweiligen Sachgegenstände musste sich am Verständnishorizont der Leserschaft orientieren und konnte folglich auch nach-klassische, d. h. mittellateinische oder gar volkssprachliche Elemente umfassen. Entsprechend visierte Poggios Sprachauffassung eine horizontale Verständigung zwischen Autor und Leser an. Vallas Nachahmungsparadigma war dagegen restriktiv ausgelegt. Er plädierte für eine Restauration der klassischen Ausdruckweise und legte dafür mit seinen Elegantiae einen auf dem klassischen usus loquendi basierenden Regelkatalog vor. Nach-klassischen Wendungen erteilte er eine Absage; allein für neuartige Gegenstände erlaubte er die Schöpfung von Neologismen. Sein Ziel war es, eine eindeutige, präzise, mit dem Begriff elegantia bezeichnete Ausdrucksform aus dem Sprachgebrauch antiker Schriftsteller abzuleiten, um polysemen Formulierungen vorzubeugen und potentielle dogmatische Missverständnisse in der Philosophie, Jurisprudenz und Theologie zu verhindern. Die Bedeutungserschließung der Welt war aus seiner Sicht mit dem antiken Autorenkatalog abgeschlossen, weshalb er einzig einen vertikalen Dialog zwischen Autor und den klassischen Schriftstellern erlaubte. Sprachliche Form und Inhalt fielen aus seiner Sicht zusammen, weshalb sein Prosastil sich tendenziell allein aus kongruenten Modellen zusammensetzen durfte, während Bracciolini ohne weiteres auch poetische Ausdrucksformen und Bedeutungen in seine Diktion integrierte. Auffällig ist im Hinblick auf die Versachlichung der imitatio der Umstand, dass beiden Agonisten eine gemeinsame Fachterminologie fehlte, mit der sie ihre sprachphilosophischen Überlegungen und Implikationen einheitlich und verständlich hätten ausformulieren können. Sowohl Bracciolini als auch Valla antizipierten jedoch bereits entscheidende Themenkomplexe der späteren Nachahmungsdebatten, verblieben jedoch letztlich an der Oberfläche der jeweiligen Gegenstände und konzentrieren sich stattdessen auf die Auslegung der Leitkategorie auctoritas, die den Diskurs als solchen insgesamt konfigurierte. Hinsichtlich der ad hominem-Argumentation konnte dargestellt werden, wie die beiden Agonisten sich nicht allein auf die Herabsetzung des Gegners beschränkten, sondern simultan ihre divergenten Nachahmungsparadigmata in praxi zur Schau stellten. Die auf diskursive wie soziale Ausschaltung kalibrierte Invektive spiegelte nicht allein den agonalen Charakter des Streits wider, sondern gab beiden Akteuren
5 Schlussbetrachtung
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die Möglichkeit, ihre unterschiedlichen, über ihre imitationes ausgedrückten Gelehrsamkeitsvorstellungen ex negativo zu präsentieren. Die vituperatio initiierte eine Eskalationsspirale, in der Bracciolini und Valla geschickt Ereignisse aus dem Leben des jeweils anderen aufgriffen, mit hauptsächlich ciceronianischen Topoi der Herabsetzung verknüpften und in ihre jeweiligen Sprachauffassungen einbetteten. Das Ziel bestand darin, die kommunikative Herrschaft zu erlangen und die Wahrnehmung des Publikums zu kontrollieren. Bracciolini applizierte sein auf Cicero basierendes Humorverständnis (sal): Er erhob Valla zum Protagonisten seiner Witzgeschichten (facetiae), um ihn der Lächerlichkeit preiszugeben und sowohl als Lehrer als auch als apostolischen Schreiber zu diskreditieren. Ferner thematisierte er vor dem Hintergrund des lukianischen Welttheaters die Laster und Verwerfungen seiner Gegenwart, die er in Valla beispielhaft verkörpert sah. Sein Kontrahent dagegen versuchte seine linguistische Überlegenheit zu demonstrieren und setzte auf eine philologische vituperatio: Valla kritisierte die unklassische, als „barbarisch“ diffamierte Ausdrucksweise Bracciolinis, die aus seiner Sicht seinen Aussagen jegliche Bedeutung entziehen würde, und dekonstruierte die Fazetien als Kompositionen unter dem rhetorischen Index der Wahrscheinlichkeit. Auf diese Weise beabsichtigte er den literarisch präsentierten sozialen Körper seines Gegners auszuschalten. Beide Argumentationsebenen offenbaren ferner die sozialkonstruktive Dimension der Invektive, die nicht allein eine literarische imitatio, sondern ebenso eine soziale imitatio der forensisch konfigurierten Politik der (späten) Römischen Republik darstellte, welche die Agonisten auf ihre Gemeinschaft in Form einer respublica literaria übertrugen. Die inszenierte Gelehrtenrepublik fand ihren Ausdruck in martialischen und gerichtlichen Begrifflichkeiten, mit denen sie ihre Meinungsverschiedenheit als intellektuellen Krieg und als Gelehrtengericht stilisierten. Mit diesen diskursiven Figurationen instituierten sie ein virtuelles Forum und setzten den Autorisierungs- und Evaluationsprozess in Gang. Diese gemeinschaftlich organisierte Aushandlung legte die grundsätzliche Funktionalität des Humanismus als intellektuelle Bewegung offen: Bracciolini rief das Pulbikum dazu auf, Vallas Elegantiae unter Berücksichtigung seiner Kritikpunkte zu begutachten und über ihren kulturellen Wert als humanistischen Beitrag zu entscheiden. Letztlich wurden im Laufe des Disputs auch weitere Schriften überprüft und zur Disposition gestellt. Dabei nahmen die Zuschauer eine aktive Rolle im Streitgeschehen ein und fungierten als Richter, Unterstützer, Zwischenträger, Vermittler und Denunzianten, um eine umfassende Kapitalientransaktion durchzuführen. Ihre Urteile verkündeten sie in Form von formalisierten Belobigungen, die mit Unterstützungszusagen einhergingen und wiederum von den Agonisten als externe Gutachten und Argumente eingesetzt worden sind. Einige Zuschauer, wie Vallas Schüler Niccolò Perotti oder der bologenische Notar Benedetto Morandi, nutzten den Streit zur eigenen Profilierung und gaben ihre Positionierung polemisch durch einen Angriff auf einen der beiden Agonisten bekannt. Die eigentlichen Streitgegenstände gerieten im Verlauf der Streitaufführung zunächst in den Hintergrund; stattdessen konzentrierten sich alle Beteiligten auf die Herstellung von Freundschaften, d. h. von intellektuellen Allianzen, um eine breite Front gegen den Kontrahenten bilden
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5 Schlussbetrachtung
und ihm simultan Verbündete entziehen zu können. Die Bündnisschlüsse dienten zum einen dazu, den Gegner innerhalb des humanistischen Feldes zu isolieren und zur Aufgabe zu zwingen. Zum anderen wurden Interessensgemeinschaften („communities“) gegründet, die sich über die von den Agonisten präsentierten Nachahmungsverfahren identifizierten und für die Weitergabe der Invektiven sowie ihrer übrigen Beiträge sorgten. Auf diese Weise wurde ein Ausdifferenzierungsprozess eingeleitet, der die Gemeinschaft allerdings nicht spaltete, sondern vielmehr langfristig stabilisieren sollte. Wenngleich sich Mitglieder der einzelnen „communities“ mitunter feindselig diskursiv aufstellten, führte der Konflikt zwischen Bracciolini und Valla nicht zu langfristigen Verwerfungen zwischen den einzelnen Zuschauern. Bei diesen Allianzen handelte es sich letztlich um temporäre und flexible Zusammenschlüsse, die nicht auf eine langfristige Exklusion der gegnerischen Partei setzten. Dieser Umstand bestätigt die grundsätzlich konsensuale Ausrichtung des Humanismus, der sich zwar, wie die beiden divergenten Haltungen Bracciolinis und Vallas bezeugen, als heterogene Gemeinschaft erwies, nichtsdestoweniger seine gemeinsame intellektuelle Basis in der literarischen imitatio verortete. Des Weiteren förderten die jeweiligen „communities“ die Diffusion der humanistischen Schriften, was zu einer Aktualisierung der gemeinschaftlichen Orthodoxie beitrug, wie anhand der erfolgreichen Verbreitung der Elegantiae und ihrer positiven Rezeption in Rom und Venedig aufgezeigt werden konnte. Wenngleich Poggios Ausschlussversuch scheiterte, profitierte er nichtsdestoweniger selbst von dem Konflikt, wie sein umfangreicher Schriftverkehr belegt: Er vermochte neue Freundschaften zu schließen und seine eigenen Werke, wie beispielsweise seine überaus beliebten Facetiae, zu bewerben und neuen Lesern zur Verfügung zu stellen. Für eine informelle Bewegung, deren Mitglieder tendenziell räumlich voneinander getrennt waren, ermöglichte der Streit eine gewisse Überbrückung der geographischen Distanzen und ließ die Gelehrten, trotz ihrer gegensätzlichen Parteinahmen, näher zusammenrücken und an einem gemeinschaftlichen Ereignis partizipieren. Demzufolge müssen derartige Konflikte als stabilisierende und identitätsstiftende Vorgänge gefasst werden, die, wie anhand der Rollenverteilung und der Bündnisschlüsse dargelegt werden konnte, einem konventionalisierten, d. h. internalisierten Ablauf folgten. Entsprechend kann von einer Konventionalität der humanistischen imitatio gesprochen werden. Im Falle der Bracciolini-Valla-Kontroverse gerieten zwei Gelehrte aneinander, die mit ihren Schriften in unterschiedlichen literarischen Bereichen Deutungshoheit für sich beanspruchten, nichtsdestoweniger aber ihre postulierte Wortführerschaft durch Ausschluss des jeweils anderen zu bestätigen versuchten. An der römischen Kurie gerieten der experimentierfreudige Literat Bracciolini und der dogmatische Philologe Valla aneinander, zwei Gelehrte, die nicht allein zwei intellektuelle Generationen repräsentierten, sondern auch unterschiedliche Zugänge zur Erschließung und Verwertung des Altertums wählten. Beide Humanisten verstarben noch im selben Jahrzehnt und gaben ihre Werke einer postumen Rezeption frei. Ihre divergenten Nachahmungsparadigmata wurden von ihren Nachfolgern auf unterschiedliche Weisen angenommen und verarbeitet. Ein Blick auf die vermutlich um 1485 stattgefundene Debatte zwischen dem in der Einlei-
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tung erwähnten Sekretär Paolo Cortesi und dem Lehrer Angelo Poliziano genügt, um den konventionellen Charakter der imitatio als dynamische Konstante zu erkennen. Unter veränderten Vorzeichen stritten beide Gelehrte, die zufälligerweise über dreißig Jahre später den römischen respektive florentinischen Gelehrtenkreis repräsentierten, um die korrekte Auslegung der imitatio. Cortesis Position ähnelte der Poggios, wenngleich sich sein Ciceronianismus als deutlich restriktiver erwies und er sich hauptsächlich auf den usus loquendi seines singulären Vorbildes beschränkte. Poliziano dagegen vertrat scheinbar Vallas Position und setzte auf einen pluralistischen Zugang, dessen Autorenkanon jedoch nicht nur Poeten, sondern auch Schriftsteller der nach-klassischen Zeit umfasste und auch die sogenannte silberne Latinität berücksichtigte1. Erneut lassen sich zwei unterschiedliche Nachahmungsverständnisse herauskristallisieren, die sich als Verwertungen der poggianischen und vallianischen Paradigmata erwiesen und beiden Gelehrten als aushandlungsbedürftig erschienen. Als literarische Konvention musste die imitatio stets kollektiv zur Disposition gestellt und mit der vorherrschenden Orthodoxie abgeglichen werden. Allerdings bezeugen alle Sprachdebatten, dass die humanistische Orthodoxie ohne weiteres heterodoxe Elemente aufnehmen und auch alternative Nachahmungsverständnisse tolerieren konnte, sofern sie genügend Anhänger fanden. Die imitatio stellte ein integrierendes Moment für die humanistische Gemeinschaft dar, die ihnen eine Ausdrucksmöglichkeit für ihre unterschiedlichen Lebensund Gemeinschaftsentwürfe, aber auch für ihre wissenschaftlichen und literarischen Tätigkeiten zur Verfügung stellte. Ihre widersprüchlichen Auslegungen belegen ferner das arbiträre Gepräge der Nachahmung als literarische Technik, die maßgeblich von den Imitatoren und ihren individuellen Gestaltungsansprüchen einerseits und ihren sozio-kulturellen Umgebungen andererseits abhängig war. Lorenzo Valla und Poggio Bracciolini versachlichten die Nachahmung erstmalig auf gemeinschaftlicher Ebene und lösten einen Präzedenzfall aus, der bereits im 15. Jahrhundert mehrfach aufgegriffen wurde und sodann im 16. Jahrhundert die humanistisch-literarischen Diskurse entschieden mitprägen sollte.
Vgl. Godman 1998, S. 46–51 und Celenza 2009, S. 241 ff. Zum Ausblick auf Entwicklungen im 16. Jahrhundert mit Augenmerk auf den florentinischen Humanismus Galand-Hallyn 2007.
6 Appendix: Antidotum secundum, Autograph, ms. Par. Lat. 8691, fol. 105r–107r 6.1 Bemerkungen zur Transkription Lorenzo Valla schloss sein zweites Antidotum mit einer hauptsächlich moralisch ausgerichteten Kritik an zehn Witzen aus Bracciolinis Facetiae ab. Wie Stefano Pittaluga gezeigt hat, zitierte Valla die einzelnen Fazetien womöglich aus einer Vorabversion, die Bracciolini zwischen den Jahren 1452 und 1453 fertigstellte. Sie weisen an einigen Stellen textuelle Abweichungen von den späteren Redaktionen auf, die jedoch keinen relevanten Einfluss auf die Inhalte der Witzgeschichten selbst haben1. Vallas Auseinandersetzung folgt unmittelbar auf seine Rechtfertigung hinsichtlich des mit der inquisitorischen Befragung assoziierten Häresievorwurfes und seiner mutmaßlichen Hypersexualität, was sich motivisch, wie oben gezeigt, in seiner Beschäftigung mit den Witzgeschichten ausdrückt. Gemäß der rhetorischen Strategie der mutua accusatio beabsichtigte Valla, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe durch eine Gegenklage von sich zu weisen und Poggio selbst der (religiösen) Heterodoxie sowie des sexuellen Missbrauches zu überführen. Entsprechend suchte sich Valla obszöne und recht gewagte Fazetien aus, in denen explizite Darstellungen von Geschlechtsverkehr zu den Pointen der einzelnen Geschichten gehören. Wie oben dargelegt, deutete Valla die einzelnen Witze als autobiographische Verlautbarungen Poggios. Um dem Leser eine schnellere Orientierung zu ermöglichen, fügte er den einzelnen Witzgeschichten eigene, pejorative Überschriften in Form von Marginalien hinzu. Diesen Tadel ergänzte er punktuell um eine philologische vituperatio an der rhetorischen und stilistischen Gestaltung. Die besagte Kritik an den Facetiae ist fester Bestandteil des zweiten Antidotum – diese fand jedoch in dieser Form nur Einzug in die ersten Drucke2. Die Antidota einschließlich der beiden Akte des Apologus wurden erstmals 1490 in Siena von Heinrich von Harlem gedruckt. Daraufhin folgten fünf weitere Drucke (1504 Venedig, Paris 1520, Köln 1527, Paris 1529, Lyon 1532); die Opera omnia-Ausgabe erschien sodann 1540 in Basel. Ari Wesseling, der die kritische Edition des ersten Antidotum gegen Poggio herausgegeben hat, wies bereits auf den Umstand hin, dass die Kritik an den Facetiae in späteren Ausgaben des 16. Jahrhunderts, d. h. in den Ausgaben nach 1527, ostentativ
Pittaluga 2010, hier S. 198 f. Zu den textuellen Unterschieden ebd., S. 199–207. Zu den Redaktionen der Facetiae siehe auch Pittaluga 2004. Denkbar sind jedoch auch durch Exzerptanfertigung bedingte Abweichungen. Wesseling 1986, S. 134–137; Patané 2021, S. 101. Zu den Drucken siehe die Beschreibungen von Wesseling in Valla 1978, Antidotum primum, S. 71–74. https://doi.org/10.1515/9783111324555-006
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6 Appendix: Antidotum secundum, Autograph, ms. Par. Lat. 8691, fol. 105r–107r
fehlte. Stattdessen findet sich ein alternativer Kommentar, der die poggianischen Witze im Allgemeinen behandelt und für ihre Amoralität rügt3: At uero causa mea melior, credo, futura est, meliusque audiam apud eos praecipue quibus caste instituendae iuuentutis cura mandata est, in quorum manus haec nostra fortasse uenient, si impudentis, si flagitiosi hominis, si denique bonorum morum corruptoris obscoenitatem taciturnitate uelauero. Obscoenitatem dico in fabellis illius quam debeant optimi cuiusque aures repudiare. Itaque malim honoris mei iacturam facere, aut etiam calumniator, si necesse est, appellari, quam per me tot lectorum polluantur animi, tanta, tamque ex[s]ecranda nequissimi hominis impuritate. Satis mihi impraesentiarum fuerit, quod plurimos, eosque optimos viros huius rei testes habuerim. Ad quos, pro dolor, iam Podiana opera peruenerunt. Quare finem scribendi faciam, si pauca admodum adiecero, quae a Podianarum obscoenitatum lectione deterreant.4
In dieser Version habe Valla auf eine Wiedergabe und ausführliche Auseinandersetzung mit den Facetiae verzichtet, um einerseits auf die Reproduktion anstößiger Inhalte zu verzichten und um andererseits den pädagogischen Wert seiner Invektive beibehalten zu können. Alessio Patané konnte darlegen, dass diese Zensur einschließlich der hier zitierten Erklärung vom französischen Herausgeber Robert Estienne vorgenommenen und als solche auch in der Baseler Opera omnia-Ausgabe eingesetzt wurde. Dieser Eingriff bietet wertvolle Auskünfte über das veränderte intellektuelle Klima des 16. Jahrhunderts, das unter dem Vorzeichen der Reformation respektive Gegenreformation stand, sowie über die Rezeption der Bracciolini-Valla-Kontroverse selbst – letzterer Aspekt kann an dieser Stelle leider nicht weiter erörtert werden5. Wichtig ist die Tatsache, dass Estienne seinen textuellen Eingriff nicht markierte und stattdessen im Namen Vallas, dessen Duktus er recht getreu imitierte, eine Rechtfertigung für das Fehlen des Kommentars eingefügt hat. Der Herausgeber war darauf bedacht, die vermeintliche Authentizität der Ausgabe unter allen Umständen zu wahren und den Lesern die Vollständigkeit der Invektive zu suggerieren. Im Folgenden soll der originale Ausschnitt aus dem vallianischen Autograph ms. Par. Lat. 86916, fol. 105r–107r, in einem Lesetext wiedergegeben werden. Die einzeln komponierten Texte der Handschrift sind mit großer Wahrscheinlichkeit in den Jahren 1452 und 1453 entstanden und stellen nach aktuellem Stand den ältesten Textzeugen der vallianischen Invektiven dar. Der Lesetext zielt entsprechend darauf ab, den abschließenden und für die Argumentation des zweiten Antidotum wesentlichen Abschnitt erst Siehe Wesseling 1986, S. 136 f. und Patané 2020, S: 14 f. Valla 1962a, Antidotum secundum, S. 365. Vgl. Patané 2020, S. 14–19. Ein anderer französischer Verleger, Jodocus Badius, verzichtete beispielsweise darauf, die Antidota gegen Bracciolini zu drucken und begründete dies mit ihren vermeintlich fragwürdigen Inhalten. Dazu Patané 2021, S. 99 f. Die Dissertation von Patané, in der er eine Edition des zweiten Antidotum vorgelegt hat, ist während der finalen Redaktion der Studie (September 2023) noch nicht veröffentlicht worden. Zum Autograph und seinem Inhalt siehe ausführlich die Ausführung von Wesseling in seiner Edition, Wesseling 1978, S. 55–59. Das Digitalisat der Handschrift findet sich unter folgendem Link: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b100323709.
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mals in einer zugänglichen und intertextuell erschlossenen Form abzubilden7. Um die Leserlichkeit der Transkription zu erleichtern sind, wie zuvor in den angeführten Belegstellen aus den jeweilig verwendeten Opera Omnia-Ausgaben, Anführungszeichen, konkret doppelte Anführungszeichen für die Markierung von direkter Rede und halbe Anführungszeichen für die Hervorhebung von Einzelworten, die Valla philologisch überprüft, hinzugefügt worden; antike Zitate sind kursiv gesetzt. Die Interpunktion wurde bei der Transkription beibehalten. Die zitierten Fazetien selbst sind im Autograph, wie alle Auszüge aus Poggios Invektiven und Schriften, zur Abhebung seiner eigenen Kommentare unterstrichen worden, worauf jedoch in der Wiedergabe verzichtet wird; stattdessen werden diese eingerückt wiedergegeben8.
6.2 Lesetext Autograph, ms. Par. Lat. 8691, fol. 105r–107r /105r/ Quare satius est ut aliquas ad faciendam crimini fidem in iudicium afferam. Quas siquis non fuisse proferendas putet, is non legat, nec enim uolo a me illi has esse recitatas. Necesse est enim ut uulnera ac carcinomata que sunt sananda detegantur. Sed quam cui anteferam? Certe a brevissimis quibusque incipiendum est, et iis precipue quibus magnum patrie sue honorem Podius9 habuit. 5 10 De Florentino patre familias Florentinus quidam habebat domi iuvenem, qui filios litteras doceret. Is diutina consuetudine, primo ancillam, tum nutricem, deinde patronam, postremo etiam discipulos cognovit. Hoc cum rescisset pater, erat enim homo perfacetus, vocare in secretius cubiculum iuvenem, „Postquam“ inquit „omnes meos subegisti, quod tibi 10 uertat bene, nequis excipiatur hac sorte“, inquit, „et me quoque subagites uolo“.11 En probitas senis, en oratoria sanctitas. Ex tua ista loquendi impudentia dignus es, Podi, ut te12 sentiamus illum ipsum13, quem memoras Florentinum fuisse, qui et homo perfacetus in tali genere es, et preceptorem filiorum domi iuuenem14 et ancillam et nutricem et ut tuo utar uerbo patronam habes. Ergo quantum uideo apud gallos, his- 15
Das zweite Antidotum wurde vermutlich, aufgrund der Lagenzahl (25 + 14), zu einem späteren Zeitpunkt dem Kodex hinzugefügt. Während in derselben Handschrift Eingriffe von Dritten im ersten Antidotum festzustellen sind, blieb das zweite Antidot frei von Überarbeitungen. Vgl. Wesseling 1978, S. 57; zur Rekonstruktion der Geschichte des Kodex ebd., S. 58 f. Die Facetiae werden nach der Ausgabe von Marcello Ciccuto nummeriert (Bracciolini 1983). interlinear Podius. marg. De Florentino patre familias. Vgl. Bracciolini 1983, Facezie 191: Facetia cuiusdam qui subagitabat omnes de domo. interlinear Podi ut te. interlinear ipsum. interlinear iuuenem, MÓPHTON.
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panos, germanos, britannos et reliquas lingue latine nationes15, de tuo tam16 faceto actu, facetissime gloriaris. De Florentina adolescentula17 Adolescentula paulo simplicior Florentie laborabat ex partu, magno in dolore constituta, cum diutius summo cruciatu distraheretur, et aliquando obstetrix, sumpto lumine secretiora illius inspiceret, an dum infans egrederetur, posticum etiam, an eo prodiret infans inspicere iussit. Nam et secum ea quoque parte quandoque uirum coisse ait.18 Optime de urbe florentia qua hic eternus rusticus ac subulcus donatus est, meretur, ut eius ciuitatis preclara facinora per uniuersum terrarum orbem lectitentur. Habemus facete dicta, ut taceam facta, virorum florentinorum ac mulierum. Audiamus dicta puerorum memoratu digna. De puero Florentino19 Erant complures florentie colloquentes, et sibi diversa bona optantes, ut fit cum alter se pontificem maximum, alter regem, alter quippiam aliud /105v/ se uelle esse asseueraret, tum puer loquaculus qui aderat, „ego“ inquit „pepo esse uellem“: Rogatus quam ob causam, „Quoniam omnes mihi culum olfacerent“ respondit. Est enim mos frequens ut melones empturi posteriorem olfaciant partem.20 Non tam ille quam tu puer, nec tam ille loquaculus, quam tu delirus et flagris dignus. Nec paucis exemplis Florentiam suam deridere contentus est. De tutore Florentino21 Tacconus de Ardingellis, ciuis Florentinus, relictus tutor cuidam pupillo, cum bona illius diutius administrasset omniaque gule causa absumpsisset, tandem cum posceretur ratio gestorum iussus a magistratu producere libros introitus ut aiunt et exitus, os et nates ostendit dicens, nullos sibi nisi illos, alterum introitus, alterum exitus libros esse.22 En in cuius tutelam mores liberorum tuorum23, qui sunt cariores facultatibus committas, et quem rhetorem adolescentibus asciscas. De sene marito Florentino24
Eine deutliche Anspielung auf Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 219: At ab reliquis aliquanto quam tu doctioribus probantur, leguntur et in ore et manibus habentur, ut uelis nolis, rumpantur licet tibi Codro [Iuv. 3, 303] ilia, diffusa sint per universam Italiam et ad Gallos usque Hispanos, Germanos, Britannos, caeterasque nationes transmigrarint qui sciant loqui latine. interlinear tam. marg. De Florentina adolescentula. Vgl. Bracciolini 1983, Facezie 181: De adolescentula laborante ex partu facetum. marg. De puero Florentino. Vgl. Bracciolini 1983, Facezie 183: De pluribus qui diversa bona sibi optabant. marg. De tutore Florentino. Vgl. Bracciolini 1983, Facezie 194: Cuiusdam tutoris factum; Ardigellis. interlinear tuorum. marg. De sene marito Florentino.
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Florentinus senex uxorem duxit adolescentulam que a matronis est docta ut primo insultu noctis obsisteret uiro, neque primo proelio arcem traderet, renuit congressum. Vir ad navigandum plenis ad id impensa opera uelis paratus, ubi illam renitentem cognouit, quesiuit cur sibi non obsequeretur, cum uirgo dolorem captitis causasset, uir demissa uirga in aliud latus reuolutus usque ad diluculum dormiuit. Puella sentiens se non amplius peti, dolensque consilium datum, et se postulatis non consensisse excitato uiro se dixit non amplius dolere caput, „et ego nunc doleo caudam“ respondit, uxore uirgine, ut erat relicta. Sanum igitur consilium est accipere rem proficuam cum datur.25 O elegantem philosophum, o alterum Esopum qui ad extremum fabule sententiam subijcit. Idem facit alio in loco ubi de uere patrie sue laudibus loquitur. De muliere Podii conterranea26 Mulier ex meo municipio cum uideretur phanatica ducebatur a uiro et genere proximis ad fatidicam quandam cuius ope curaretur. Cum arnum fluvinum transituri, mulierem supra dorsum hominis ualidioris imposuissent, cepit illa e uestigio nates mouere similis coeunti, ac magna uoce clamitans, „ego“ inquit sepius uerba iterans, „uellem futire“, quibus uocibus causam expressit morbi. Qui feminam ferebat adeo est in risum effusus, ut una cum ea in aquam caderet. Tunc ridentes omnes, cum medelam insane cognouissent, non esse opus incantationibus asserunt sed coitu ad sanitatem restituendam, et in uirum uersi „tu“ inquiunt „optimus uxoris curator eris“. Redeuntibus igitur illis, cum uir uxorem cognouisset, mens pristina rediit. Hec optima ad mulierum insaniam medela.27 Morale preceptum, et aureis litteris scribi dignum. Et si me homines audient, has tam morales fabellas cum illis æsopianis eodem in codice copulabunt dum tamen uerba in quibus Podius cecus aut cecutiens deprehenditur prius emendent28 quale est ʻcausassetʼ, pro ʻcausata fuissetʼ, et phanaticus, quo nomine Podius29 nimis sepe utitur et perinde sepe abutitur, pro eo qui agitatur a demone, cum is sit qui caput iactet ac rotet, quales sunt galli Cybeles, ut Lucanus in primo Crinemque rotantes Sanguineum populis cecinerunt tristia galli30, et Quintilianus in XI°. Adeo iactare caput et comas excutientem rotare phanaticum est31. Et Vlpianus de edilicio edicto. Apud Viuianum queritur si seruus inter phanaticos non semper caput iactaret32. Ceteros barbarismos
Vgl. Bracciolini 1983, Facezie 231: De adolescentula per senem maritum delusa. marg. De muliere Podii conterranea. Vgl. Bracciolini 1983, Facezie 24: De muliere frenetica. interlinear prius emendent. interlinear nomine Podius. Lucan 1, 566 f. Quint, inst. 11, 3, 71. Dig. 21, 1, 1, 9.
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lectori notandos relinquimus, qualis est quod sepius dixit ʻalterʼ pro ʻaliusʼ.33 /106r/ Nondum discedamus a patria podiana uel natiua uel ascita. De viro Podii conterraneo34 Homo e nostris rusticanus et haud multum prudens, certe in coitu mulierum rudis sumpta uxore, cum illa aliquando in lecto renes uersus uirum uoluens nates in eius gremio posuisset, errecto telo uxorem casu cognovit. admiratusque postmodum ac rogans mulierem an duos cunnos haberet cum illa annuisset, „ohe“ inquit, „unus mihi satis est, alter uero superfluus“. Tum callida uxor que a sacerdote parochiano diligebatur, „possumus“ inquit „ex hoc altero eleemosynam facere. Demus eum ecclesie et sacerdoti nostro. Cui res hec erit gratissima et, tibi nihil oberit, cum unus sufficiat tibi.“ Assentitur uir uxori, et in gratiam sacerdotis et ut se onere superfluo leuaret. Igitur eo uocato ad cenam causaque exposita cum sumpto cibo lectum unum tres ingrederentur, ita ut mulier media esset, uir anteriori parte, posteriori alter ex dono uteretur, sacerdos famellicus concupitique cibi auidus prior aggreditur aciem sibi commissam, qua in re uxor quoque submurmurata strepitum quendam edebat. Tunc uir timens ne partes suas aggrederetur, „serua“, inquit „amice inter nos conuenta, et tua portione utere, meam intactam relinquens“. Huic sacerdos „det mihi gratiam deus, ut bonis ecclesie35 tantum uti possim, nam tua parui facio“. His uerbis acquiescens stultus ille, quod ecclesie concesserat libere uti iussit.36 Hoc est opus ex quo sibi promittit immortalitatem Podius, non modo apud homines atque nationes, gallos, hispanos, germanos, britannos, ceterosque, sed etiam apud angelos dei. Quod enim melius de genere humano meretur opus, quam hoc podianum? De altero conterraneo37 Erat in oppido nostro Terre Nove uir nomine Guilelmus faber lignarius priapea supellectili satis copiosa. diuulgauerat hoc uxor inter vicinas. Ea mortua duxit aliam uxorem iuuenculam simplicem Antoniam nomine, que desponsata presenserat ex uicinis ingens uiri telum. Qua ergo nocte primum cum uiro concubuit tremebunda nolebat herere uiro neque coitum pati. Sensit uir tandem quid timeret adolescentula consolatusque illam, uerum esse quod audierat ait, sed duas se mentulas habere, paruam ac maiorem quandam, „ne te ergo offendam“ ait „utar hac nocte parua, que tibi minime nocebit, postmodum maiore si tibi uidebitur.“ Consentiens puella obsecuta est uiro absque clamore aut nocumento aliquo. Post mensem uero facta liberior atque audentior, cum noctu uiro suo blandiretur „mi uir“ inquit
Zu der Verwendung der Pronomina vgl. Valla 1999, De linguae latinae elegantia 3, 59, S. 378; Valla 1978, Antidotum primum 1, 119–129, S. 108, was die Antwort auf Poggios Einspruch in Bracciolini 1964b, Invectiva prima, S. 191 f. und S. 198 darstellt. marg. De viro Podii conterraneo. interlinear ecclesie. Vgl. Bracciolini 1983, Facezie 5: De homine insulso qui existimavit duos cunnos in uxore. marg. De altero conterraneo.
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„si libet maiore iam illo socio utaris licet“. Risit uir cum semiasellus in ea re uideretur bonum uxoris appetitum, hoc postea narrantem audiui in aliorum cetu.38 /106v/ Cum has confabulationes podianas lego, dialogum Gregorii ubi multa miracula narrantur uideor legere. De Florentino qui rem habuit cum nouerca39 Florentie Iuuenis quidam cum nouercam sibi subigeret ac superueniens pater filium in stupro40 uxoris deprehendisset, rei nouitate indignitateque permotus clamando obiurgare acriter filium cepit. Ille tergiuersando peccatum excusabat. Cum diutius clamosioribus uerbis ambo concertarent, clamore excitus superuenit uicinus quidam ad iurgia componenda ignarus rei. Cum peteret contentionis causam, illis ob domesticam turpitudinem silentibus, instabat uicinus, uehementius ut causam nosceret, tandem cum pater in filium culpam reijceret, tum filius prior, „hic pater meus admodum indiscretus“ inquit, „milies matrem meam futuit, me etiam tacente. nunc quia semel uxorem suam cognovi, ut rudis atque inconsultus celum clamoribus ueluti insanus replet“. Risit ille facetum filii responsum et patrem quoad potuit solatus discessit.41 Ita cupit patriam suam eximiis preconiis decorare Podius, ut que aut alibi facta aut ficta sunt, ambitiose attribuat uel Florentie vel terrenoue. Nisi pre stultitia putat illic omnia hec fuisse gesta. Verum ne ego diutius in dedecore Florentie uerser, alio transitum faciam, et uno ero contentus exemplo, ne his obscenitatibus, quod absit, delectari uidear. De picente monacho42 In Piceno est oppidum Esis nomine. In eo monachus quidam qui Lupus vocabatur amabat uirginem adolescentiorem. Cui cum multis uerbis coitum suasisset, cessit illa tandem precibus. Sed cum uerita esset ne nimio dolore transfoderetur paulumque hesitaret, monachus tabulam ligneam, per cuius foramen telum emitteret intermediam se positurum dixit. Dehinc tabula abiegna, que pertenuis erat, quesita ac paulum perforata ad puellam clanculum abiit missoque per foramen priapo qui adhuc dormiebat, cum puellam deosculari suauiter cepisset sublatis uestibus cibum concubitus querebat. Virga uero suauitate oris et inferioris partis tactu expergefacta cepit admodum et preter mensuram foraminis tumescere, adeo ut ualde constricta teneretur, res ita in arcto erat, ut neque ingredi, neque regredi absque magno dolore posset. Versa in dolorem uoluptate clamare et gemere monachus cepit nimio uexatus cruciatu. Exterrita puella cum osculo solari hominem uellet et rem optatam perficere in doloris leuamen tormentum augebat. Nam cum ea ex re uirga tumentior fieret, eo acrius torquebatur. Cruciabatur
Vgl. Bracciolini 1983, Facezie 62: De Guilhelmo qui habebat priapeam supellectilem formosam. marg. De Florentino qui rem habuit cum nouerca. corr. strupo. Vgl. Bracciolini 1983, Facezie 143: De Florentino iuvene qui novercam suam subegit. marg. De picente monacho.
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6 Appendix: Antidotum secundum, Autograph, ms. Par. Lat. 8691, fol. 105r–107r
miser petens aquam frigidam qua abluto telo tumor ille resideret. Virgo que domesticos timeret, aquam petere non audebat. Tandem hominis clamore doloreque percita aquam aduexit, ea perfuso inguine et ea parte que tabule inserta erat paulum tumor abiit. Monachus cum iam strepitum quendam domi fieri /107r/ persentiret, abeundi cupidus e tabula membrum deduxit maiori ex parte decoriatum. Medicum cum morbo quesisset fabula palam facta est.43 O tempora, o mores quid est ludi floraria si hoc non est. Solebant olim in honorem dee Flore, que fuerat nobilissima meretrix, ea uidelicet44, que populum romanum scripsit heredem45 nudate meretrices ante ora populi impudicis gestibus ludere. Quo cum aliquando uenisset Cato, intermissi sunt pre pudore ludi, et presentiam Catonis iuuentus erubuit, ac tacita ut ille abscederet, precabatur. Quam obscenitatem Cato cum emendare non posset, abscessu suo improbauit46. Nunc quis non intelligit Podium ueluti Floralem aliquam meretricem, non modo in conspectu romane iuuentutis sed tot latine loquentium nationum nudatam impudicissimis ludere gestibus? Omnes enim qui ista legunt, sibi ipsi rem pingunt, et Podiana Floralia cernere uidentur. Non hoc facit meretrix, non mulier, non iuuenis aliquis, aut uir plebeius, sed Podius octoginta amplius natus annos, homo literatus, et si ei credimus, eloquentie princeps, apostolicus secretarius, cui ueluti Catoni oculos aut aures tante obscenitati prebere deforme esset. Hos ludos nobis agendos prebuit, hec festa Floralia nationes docuit, hanc morum institutionem tanquam optimam partem hereditatis filiis relinquit, hoc opus multorum instar librorum ad trecentas fabellas siue facetias, in grecam linguam quosdam ut transferant hortatur, quosdam ut in gallicam, quosdam ut in hispanam, quosdam ut in germanam, quosdam ut47 in britannicam, et item in ceteras linguas48. Quod si fiat, quid aliud sperandum est quam ut siue secta qualis fuit epicurea, stoica, peripatetica, siue nequitia qualis illa gnatonica, siue institutio qualis predicatorum, minorum, monachorum, podiana dicatur? O te fortunatum, felicem, beatum, atque immortalem Podi, qui tot uel discipulos uel sectatores uel imitatores habiturus es. Vt in celo cum dea Flora tanquam coniuge colloceris, et una cum illa te clerus omnis elata uoce comprecetur: Sancte Podi et sancta Flora orate pro nobis.
Vgl. Bracciolini 1983, Facezie 170: De monacho qui misit per foramen tabulae priapum. interlinear uidelicet. Lact. inst. 1, 20. Vgl. zu Catos öffentlichem Auftritt und dem Fest Mart. praef. 1; Val. Max. 2, 10, 8; Gell. 10, 13; Sen. epist. 97,8 und Ov. fast. 5, 331 f., aus denen Valla lexikalisch wie inhaltlich schöpft. interlinear ut. Vgl. Bracciolini 1964c, Invectiva secunda, S. 219.
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Register Der Index setzt sich aus einem Personen-, Orts- und Sachregister zusammen. Accursius 163, 165 aemulatio 25–26, 28, 53, 109, 157, 161, 287, 334 Alain de Lille 65 Albert von Sachsen 65 Albertino Mussato 33, 233 Alberto Parisi 37, 305, 310, 325, 327–328, 331–332, 337–338, 342–344, 348 Albertus Magnus 65, 74, 114, 149, 179 Alexander Villa Dei 234 – Doctrinale 234 Alfons V. von Aragón 14–15, 72, 97, 111–112, 223–224, 230, 246–248, 255, 276, 297, 299, 337 Alonso Garcia da Cartagena 45 Ambrogio Traversari 14, 37, 93–94, 152, 295 amentia 55, 193, 203, 295, 304, 326, 329, 334 amicitia 23, 45, 264, 289, 297, 302, 317, 335, 337, 340–344, 353 Andrea Fiocchi 87 Angelo Poliziano 4, 10, 25, 86, 121, 162, 270, 359 Antonio Becadelli 11–12, 98 Antonio Beccadelli 11–12, 14–15, 37, 46, 58, 76, 97–98, 152, 184, 198, 221, 223, 251, 257, 273–274, 292, 297–298 Antonio da Bitonto 226–229, 273 Antonio da Rho 46, 58, 69, 160, 292 Antonio Glera 151 Antonio Loschi 12, 38, 50, 58, 87, 143, 242, 249 – Inquisitio super XI orationes Ciceronis 13 aptum 39, 68, 124, 197, 249, 275–276, 281 Argumentation – ad hominem 47, 111, 185–187, 191, 229, 236–237, 239, 264, 286–287, 333, 342, 356 – ad populum 120, 282 – ad rem 111, 191 – ad verecundiam 83, 118, 155, 183, 222, 339 – Strohmann 78–79, 88, 104, 109, 151, 154, 225 Aristophanes 232 Aristoteles 45, 47, 59, 72, 120, 146–147, 149, 152, 156, 158, 161, 205, 234, 321 – Organon 14, 59, 135, 147–148 Asconius 113 auctores 33, 37, 45, 62–63, 67–68, 74–75, 82, 96, 99–103, 105–110, 113, 115, 117, 147, 313, 321, 339, 356
https://doi.org/10.1515/9783111324555-008
auctoritas 10, 12, 26, 31, 36, 40, 42–43, 45, 56, 61, 63–64, 69, 73–75, 80, 82, 89, 92, 98–104, 106, 109, 111–117, 131–132, 146–147, 151–152, 155–156, 158, 160, 165–166, 170–171, 176, 180, 182–183, 202–203, 226–227, 229–230, 235, 247, 266, 277, 279, 321, 332, 339, 355–356 – Autoritätskritik 15, 64, 71–74, 82, 98, 104, 111, 115–116, 150–151, 153, 156, 160–161, 163, 173, 176, 183, 194, 202, 206–207, 209–210, 223, 227, 246–247, 253, 273, 297, 312–313, 321, 324, 326, 333, 338–340, 347, 355 audacia 193, 217, 235 Augustinus 73, 114, 151, 174, 180, 227 Aulus Gellius 59, 64, 114 Azzo da Bologna 65 Baldo degli Ubaldi 65 Baldus de Ubaldis 163 Bartholomeo de Montepoliciani 249 Bartholomeo Facio 7, 15, 63–64, 68–69, 72, 97–99, 112, 131, 163, 171–173, 184, 191, 198, 223, 238, 258, 291, 297–300, 315, 340 – Invective in Laurentium Vallam 97–98, 173, 198 Bartolo de Sassoferrato 50, 58, 65, 128, 163–164, 168, 270 – De insigniis et armis 50, 270 Bartolomeo Ghiselardi 95, 310, 324–325, 328, 331–333, 336, 343–344, 348 Battista de Brennis 58, 122, 124, 159, 330, 332, 334 Battista Guarino 122 Benedetto Morandi 111, 290, 336–340, 346, 357 – orationes in Laurentium Vallam 337 benevolentia 292, 308, 315, 343 Benvenutus 65 bestia 77, 140, 234, 335 Boethius 15, 32, 64, 67, 72, 82–83, 99, 114, 141, 151, 156, 173, 175, 177–180, 225 – Consolatio philosophiae 151 Bologna 215, 293, 295, 299, 303, 309, 322, 328–329, 331, 335–336, 343–345, 348 Bonaventura da Bagnoregio 227 Bugiale 242
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Register
Carlo Marsuppini 11, 20, 153, 155, 169, 242, 282, 295–296 Carlo Razello deʼ Auri 242 castigare 129, 202–203, 266, 281 Catull 190, 261 Cencio Rustici 87 Cicero 2–3, 4, 11–13, 17–18, 23, 25, 27–28, 32–34, 39–40, 46–47, 58–62, 64, 67–68, 72, 74–75, 78–79, 83, 86, 91–97, 105, 107–109, 111–115, 123–124, 126–127, 130, 134, 141–142, 147, 156, 159, 165, 168, 171, 187, 189, 193–194, 202–204, 213, 215–216, 220, 231, 234, 237, 239–240, 243–245, 248, 253, 257, 259, 273, 277, 284–286, 308, 319–320, 335, 338, 342, 356–357 – Brutus 60–61, 92, 101, 124, 207, 227, 285 – Cato maior 107, 109 – De inventione 27, 47, 188, 246, 265, 291 – De oratore 28, 39, 47, 61, 69, 75, 94, 119, 122–123, 126, 130, 142, 145, 156, 189, 200, 207, 240, 335 – In Catilinam 194 – In Pisonem 193–194, 204, 248, 251, 257, 259 – In Verrem 194, 210 – Orator 123, 126, 142, 187, 277 – Philippicae 78, 257, 320 – Pro Caelio 195 – Pro Milone 187, 237, 244, 250 Ciceronianismus 3, 13, 38–39, 58, 71, 86, 94, 97, 102, 199, 356, 359 Cino da Pistoia 65 Claudian 232 – In Rufinum 232 Coluccio Salutati 13, 16, 50, 143, 157, 199 community-fashioning 40, 293, 309, 311, 346, 353 confutatio 56, 88, 104, 106 consuetudo 60–62, 86, 89, 92, 130, 132, 204, 256, 275, 284 contumelia 96, 109, 174, 201, 203, 254 copia 3, 38, 42, 63, 74, 82, 94, 97, 100, 161, 164, 190, 212, 326, 332, 335 Cornelius Ghepard 350 Corona, humanistische 44, 168, 183, 289, 294, 310, 350, 354 Corpus iuris civilis 163–164 Cosimo de‘ Medici 50 Cosma Raimondi 153 Dante Alighieri 87 dementia 193, 219, 333 Demosthenes 47, 142, 308
detrahere 49, 104, 219 Dialog 2, 4, 12, 14, 17–18, 24, 35, 37, 46, 48, 53, 56, 58, 60, 87, 93–94, 100–101, 107, 120, 122–124, 126, 139, 151, 153–154, 158, 160, 166, 168, 197–198, 203, 225, 230, 235, 249, 252, 259–261, 263, 265–266, 269, 273, 278, 280–285, 296, 314, 321–323, 347, 352, 356 dignitas 39, 48, 60, 94, 123, 135, 141, 165–166, 187, 208, 269, 320 diligentia 3, 6, 22, 93, 117, 318–319, 321 Diogenes Laertios 153 Dionigi da Borgo San Sepolcro 65 Dissens 83, 193, 223, 227, 239, 244, 253, 290, 295, 324–325, 346 doctissimus 73, 83, 155, 180, 260–261, 279, 317–318 doctrina 23, 46, 71, 74, 101, 114, 121–122, 124, 138, 145, 156, 160, 166, 198, 203, 232, 276, 282, 295, 315–316, 318, 320, 323, 331–332, 336, 341–342, 346, 352 Domenico Sabino 97 Donatus 32, 63–64, 72, 77, 82, 105, 112, 114, 137, 350 – Ars minor 63 egregius 2, 73 elegantia 15, 39, 58–62, 66–67, 69–71, 73–74, 76, 79, 81, 84, 86, 90, 92, 98, 102–103, 106–109, 113–114, 118, 133, 136, 139, 141, 146, 150, 155, 162, 169, 177, 179, 182–184, 187, 201, 213, 215, 217, 264–265, 274, 297, 313, 318–319, 325, 346, 356 elocutio 56, 60, 84, 122, 264 eloquentia 2–3, 23, 31, 33–34, 38, 58, 61, 73, 92, 94, 108, 119, 121, 123–124, 126, 134, 145, 157, 168–171, 198, 217, 228, 276, 283, 295, 315, 318–319, 331–332, 337, 341, 352 Enea Silvio Piccolomini 43, 99, 181, 199 – De viris illustribus 39, 199 Erasmus von Rotterdam 50, 56, 68, 86, 103, 232, 241, 350–351 Eugen IV. 13–14, 18, 57, 66, 160, 181, 225, 229, 250, 301, 305 Everard de Béthune 65 evidentia 194, 240, 247–248, 254 exemplum, exempla 18, 25, 70, 76, 83, 124, 132, 141, 173, 179–180, 197, 291 facetiae 123–125, 160, 235, 240, 242–243, 286, 357 fama 37, 55–56, 187, 194, 200–202, 209, 233, 236, 286, 292, 304, 308, 320, 352 Federico I. Gonzaga 320
Register
Fehltritt 12, 36, 98 Ferdinand I. von Antequera 15 Fernando da Cordoba 223, 299 Ferrara 198–199, 293, 295, 322, 324, 326, 335, 345, 348 Filippo Maria Visconti 58 Filippo Tifernas 298, 310–311, 324, 330, 335 Florenz 4–5, 13–14, 16, 20, 37, 43, 50, 57, 87, 139, 143, 153, 190, 206, 214, 219, 252, 271–272, 282, 293–295, 310, 328, 331, 342, 345, 350 Francesco Barbaro 197, 228, 263, 272, 312, 314–317, 325, 340, 350, 353 – De re uxoria 263, 315 Francesco Coppini 337, 343–345 Francesco da Buti 65 Francesco Diana 310, 316, 319–320, 322 Francesco d’Accorso 65 Francesco Filelfo 4, 46, 50, 88, 150–151, 160, 168, 207, 240, 255, 261, 300, 302, 305–309, 311, 316–317, 350 – Satyrae 5, 151, 305–307 Francesco Marescalco 324–325, 343–344, 348 Francesco Petrarca 9, 13, 22, 25–26, 32–35, 44, 49–50, 59, 86, 99, 134, 147, 157–160, 165, 193, 200, 233–234, 252, 356 – De sui ipsius et multorum ignorantia 50, 147 Francesco Piccolpassi von Pavia 247 Francesco Rosio 55, 75, 77, 210–211 Francesco Vellata 300 Francesco Zabarella 283 Friedrich. III. 206, 329 Gaius 60, 92, 163, 215, 240 Galeazzo Maria Sforza 320 Gasparino Barzizza 38, 58, 168 Gelehrtengericht 196, 222, 351 Gelehrtenrepublik 5, 23, 198, 200, 214, 216, 221, 357 genus demonstrativum 47, 188, 211, 287, 355 genus iudiciale 47, 188, 210, 355 Georg von Trapezunt 4, 38–39, 48, 168, 189, 245, 248, 301, 303 – Rhetoricorum libri 12, 39 Gerichtsprozess 5, 195, 197 Gian Pietro da Lucca 314, 316–317, 319–321, 349 Giannozzo Manetti 206–209, 295–296, 300, 303, 305, 308, 324, 330, 340, 347 Giorgio Valagussa 323 Giovanni Aurispa 57, 118, 207, 241, 300 Giovanni Boccaccio 158
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Giovanni da Soncino 65 Giovanni García 226 Giovanni Garzoni 340 Giovanni Tortelli 57, 66, 71, 73, 142, 150, 295, 302–303, 305–307, 312–313, 328–329, 334–338, 343, 346–349 – Orthographia 66, 347–348 Giovanni Vitelleschi 250 Girolamo Balbi 350–351 gloria 3, 34, 37, 42, 47, 136, 143, 169, 198, 202, 205, 215, 222, 236, 250, 273, 286, 292, 310, 321, 326, 352 grammatice loqui 85–88, 91–92, 101, 280–281 grammaticus 84, 98, 114, 131, 156, 199, 268–269, 313 Gregorio Tifernate 251 Gregor der Große 272 Guarino da Verona 12, 37–39, 48, 50, 63, 87–88, 93, 118, 122, 154, 168, 189, 197–199, 207, 216, 220, 228, 241, 257, 265–267, 277, 279–280, 283, 312, 315–316, 323–324, 337, 341–342 – Regulae grammaticales 63, 87 Guillaume Tardif 350–351 Heiricus von Auxerre 65 Herodot 299 Heterodoxie 29, 35, 37, 41, 188–189, 361 Hieronymus 46, 64, 73, 82, 87, 91, 107, 141, 173–176, 180, 202–203, 225, 227, 308, 341 Hieronymus Castellus 341 Homer 113 Horaz 28, 113, 141, 307 humanitas 23, 45, 178, 197, 292, 320, 322, 346, 352 imitatio 6, 8–9, 13, 17, 21, 24–29, 31–36, 38–42, 50, 53, 55–56, 58, 62, 68, 71, 74, 82, 86, 90, 92, 94–95, 97, 99, 106–107, 111, 113, 117–118, 121–122, 133, 146, 150, 157, 159, 161–162, 165, 169, 181–183, 186, 189, 217, 231, 235, 261, 270, 286–287, 319, 333–334, 354–357, 359 imperitia 118, 193 impudentia 125, 193, 208–209, 217, 329, 334, 363 iniuria 129, 167, 201–202, 276, 307–308 Inquisition, neapolitanische 229 insania 115, 193, 324–325, 327, 329, 334 Invektive 7, 14, 17–18, 20–21, 34, 42, 45–46, 48–53, 58, 75–76, 79, 81, 84–85, 97–98, 104–106, 111–112, 114–116, 119, 128, 132–133, 143–144, 147, 149, 156, 160, 163–165, 168, 171, 173, 187, 189–193, 195–196, 198, 200–201, 204–207,
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210–211, 217, 219, 221, 223, 231–234, 236–238, 241–244, 246–247, 250, 253, 255, 258, 261, 264, 266, 270, 276, 278, 287–295, 297–298, 300, 302, 307–309, 314, 316–318, 321, 323–325, 330, 332–335, 337–340, 343, 345–347, 350–352, 355–358, 362–363 Invektive 186 invidia 201, 330 Isidor von Sevilla 65, 86 – Etymologiae 65 iudicium 27, 38, 42, 47, 62, 86, 97, 99–103, 109, 197, 209, 216, 229, 238, 308, 314–315, 335, 356, 363 Jacopo Zeno, Bischof von Feltre 207, 300 Johannes Alesanus 229 Johannes Balbus 64–65 – Catholicon 64–66, 137 Johannes Bessarion 251, 295, 303, 314, 328–329, 331, 335, 342–343, 345–347, 350 Johannes Campesius 249 Johannes XXIII. 16 Joseph Brippius 249 Julius Paulus 163 Jurisprudenz 6, 16, 18, 50, 126, 146, 156, 163–165, 167–170, 172, 181, 183, 226, 356 Kalixt III. 15, 224, 345 – Alfonso de Borgia 222, 224 klassische Latinität 4, 64, 84, 89, 124, 127–128, 134, 137, 156, 162, 264, 285, 294 Konstanzer Konzil 13, 16, 283 Konventionalität 9–10, 21, 29–30, 37, 41, 183, 188, 358 lacerare 49, 258 Lachgemeinschaft 312, 322, 326, 352 Laktanz 64, 67, 71–72, 82, 113–114, 160 Lampugnano Birago 260 latine loqui 86, 90–92, 267, 285 Latinitas 9, 39, 60–61, 86, 90, 95, 98, 113, 121, 132, 134, 136, 138–139, 148, 264, 268, 286, 320 Lauro Quirini 98, 150, 184, 312–313 laus, laudes 37, 48, 55–56, 92, 101, 201–202, 209, 217, 322, 326 Leon Battista Alberti 263 – Della famiglia 124, 263 Leonardo Bruni 1, 14, 16, 32, 38–40, 57, 59, 87–89, 94, 99–100, 118, 121, 127–128, 137, 143,
152–155, 158–159, 162, 164–165, 196, 198–199, 259, 295–297, 316, 323, 337 – Isagogicon moralis disciplinae 153 – Laudatio Florentinae Urbis 143 – Historiae Florentini populi 19 libido detrahendi 72, 83, 104, 256 lingua franca 93, 140, 148 lingua grammatica 86, 91 lingua latina 32, 56, 86, 90–91, 101, 112, 124, 130, 135, 140, 148, 268, 279 Livius 72, 218, 233, 338–339 Lombardei 93, 198, 302 Lorenzo Valla 2–17, 19–21, 24, 32, 37, 42, 45–46, 49–51, 55–92, 94–121, 123, 125–160, 162–184, 187, 189–194, 196–236, 238–239, 242–287, 289–359, 361–363, 366, 368 – Antidotum in Facium 11, 15, 37, 64, 69, 75, 85, 97, 99, 163, 171, 198, 214, 219, 221, 228, 274, 298, 314, 334–335, 361–362 – Antidotum primum 20, 65, 71, 76–77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 85, 96, 104–105, 107–109, 112–115, 117–118, 129–130, 140–142, 156–157, 168–171, 174–175, 177, 179–180, 190, 192–194, 198, 201, 204–208, 211, 213–215, 217, 220, 238, 242, 248, 257–260, 264–265, 271, 296, 298, 301, 304, 323, 336, 346, 361, 366 – Antidotum secundum 11, 14–15, 17, 20, 37, 60, 63–65, 69, 71, 75–83, 85, 87, 92, 96–97, 99, 104–105, 107–109, 112–115, 117–118, 125, 129–130, 140–142, 151–152, 155–157, 163, 168–171, 174–175, 177, 179–180, 190–194, 196–198, 201, 204–209, 211, 213–218, 220–221, 223–231, 236, 238, 242–244, 248–252, 256–262, 264–265, 270–274, 289, 294, 296–302, 304, 313, 315, 317–318, 322–323, 329–330, 336, 339, 341, 346, 361–363, 366 – Apologia ad Eugenium IIII 66 – Apologus 7, 20, 85, 87–90, 98, 104, 119–121, 130–131, 141, 167, 197, 217, 257, 260, 264–270, 275, 277–285, 287, 316–317, 324, 346, 361 – Ars grammatica 234 – Collatio Novi Testamenti 174–175, 222, 299, 303 – Comparatio Ciceronis Quintilianique 11–12, 14, 72, 95, 97, 153, 249 – De falso credita et ementita Constantini donatione 15, 180–181, 301 – De libero arbitrio 15, 151, 222, 225 – De professione religiosorum 15, 225, 226
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– De vero bono 12, 14, 37, 58, 94, 150–153, 198, 225, 249, 252, 259, 264, 273, 280, 283, 295–296, 302, 312, 321, 323, 340 – Elegantiae linguae latinae 4–9, 15, 19, 25, 55–59, 61, 63–66, 69–71, 75, 77–80, 82–86, 89, 91, 93, 96, 98–101, 103–117, 119, 121, 130–131, 134–135, 138–139, 141–143, 147, 149–150, 155, 165–166, 168–169, 171–173, 175, 180, 182–184, 204–205, 208, 212, 214, 217–219, 222, 228–229, 233, 243, 258, 260, 265, 267–268, 276, 285, 292, 296, 303, 312–313, 319–323, 334, 347–351, 353, 355–358 – Encomion Sancti Thome Aquinatis 15 – Epistola de duobus Tarquiniis 337, 339 – epistula apologetica 65, 115, 273 – Epistula contra Bartolum 50 – Gesta Ferdinandi regis 15, 68, 99, 168, 297 – Le postille all’Institutio oratoria di Quintiliano 61 – Repastinatio dialecticae et philosophiae 14–15, 59, 80, 108, 131, 135, 147–149, 151, 155, 178, 180, 183, 225, 228, 230, 244, 312, 317, 321 Lorenzo Zane 310, 314, 316, 318 Lovato dei Lovati 33 Lucian 286, 357 Lukian 17, 232, 241 Lukian von Samosata 232 Lukrez – De rerum natura 16–17 Macrobius 64, 107, 141 Maffeo Vegio 58, 150–153, 164, 249, 273 maledicere 49 Manuel Chrysoloras 199 Marcello Capodiferro 280 Marcello Virgilio 162 Marino Tomacello 299 Martin V. 13, 17, 58, 256, 261 Martin von Dacia 65 Mattia Triviani 312, 325 Melchiorre Scrivani 11, 13 Nachahmungsdebatten 21 Siehe imitatio Nachahmung 8, 10 Siehe imitatio Neapel 14, 66, 215, 222, 224–225, 227–228, 238, 243, 247–249, 253, 255, 257, 293–295, 299, 302 Niccolò Albergati 309 Niccolò deʼ Conti 17
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Niccolò Fulginas 282 Niccolò Niccoli 50, 55, 93–94, 137, 153, 160, 180, 196, 264, 295, 300, 316 Niccolò Perotti 45, 66, 79, 190–192, 234, 238, 246, 290, 295, 301, 303, 306, 322, 324–325, 327–337, 339–349, 351–353, 357 – In Poggium Florentinum oratio 332 – Rudimenta Grammatices 66, 79 Niccolò Volpe 313, 329–330, 336–337, 342, 345, 349 Nicholas Trevet 65 Nikolaus V. 13, 15, 57, 142, 171, 177, 181, 206, 217–218, 223, 231, 255, 259, 294, 299, 301–304, 306–307, 313, 329, 335, 338, 347 Nikolaus von Kues 177, 181, 302–304, 347 nomen 37, 76, 85, 141, 143, 145, 154, 200, 202, 209, 216, 222, 238, 240, 260, 286, 292, 298, 304, 313, 323, 326, 341, 352 Nonius Marcellus 72 offendere 49 Ognibene Bonisoli da Lonigo 311, 320, 349 opinio communis 72, 98, 183, 339 ornatus 39–40, 94, 97, 121, 124, 127–128 Orthodoxie 13, 29, 35, 37, 41–42, 52, 54, 56, 74, 87, 94, 98, 107, 113, 116, 154, 177, 183–184, 186, 189, 193, 195–196, 200, 221, 273, 287, 289, 321, 347, 358–359 Paolo Cortesi 2–5, 10, 181, 359 – De hominibus doctis 2 Paul III. 2 Paul von Venedig 65 Pavia 14, 57–58, 168, 172, 228, 243, 247–248, 256, 302 perspicuitas 39 Petrus Balbus 341 Pico della Mirandola 121, 133 Pier Candido Decembrio 58, 249, 296, 302 Pietro Bembo 133 Pietro da Noceto 305 Pietro Tommasi 194, 291, 298, 300–301, 312, 314, 317–318, 353 Plautus 190, 248, 268 – Asinaria 266 – Aulularia 266, 268 – Bacchides 266 – Poenulus 248
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Register
Plinius der Ältere 26, 28, 103, 105, 107, 110, 112–114 – Naturalis historia 103 Plinius der Jüngere 28, 77, 264 – Epistulae 28, 264 Plutarch 216, 282, 315 Poggio Bracciolini 3–10, 12–14, 16–21, 23–24, 37–39, 42, 45–46, 48–51, 55–56, 60, 68–85, 87–115, 117–133, 140–146, 149–169, 171–184, 187, 189–194, 196–227, 230–236, 238–250, 252–287, 289–319, 321–346, 348–351, 353–359, 361–368 – An seni sit uxor ducenda 18, 262 – Contra Hypocritas 18 – De avaritia 17, 37, 153, 260, 296 – De infelicitate principum 17 – De miseria humanae conditionis 19 – De varietate fortunae 17, 241 – De vera nobilitate 16–17, 123, 160–161, 314 – Facetiae, Liber facetiarum 18–19, 20, 123–126, 130, 159–160, 190, 199, 205, 215, 220, 231, 236, 239, 242, 248, 260, 264, 270–274, 292, 307, 325–326, 341, 348, 352, 358, 361–363 – Historia disceptativa tripartita convivalis 18–19, 88, 89, 91, 101, 119–122, 126–127, 141, 166, 168, 184, 205, 280–282, 284–285, 351 – Orationes in Laurentium Vallam 6, 20, 39, 46, 48, 50, 55–56, 72–74, 80, 82, 94–96, 98, 101, 107–108, 112, 115, 122, 128, 149, 160, 164, 166, 181, 197, 200–201, 204, 207–209, 214, 220–221, 231, 233–234, 238, 241, 259–260, 268, 275, 278, 287, 291, 308, 316, 318, 324–326, 329–333, 335, 338, 342, 346, 355–356 Polemik 6–7, 46, 50–51, 66, 84, 117–118, 151, 165, 203, 213, 256, 278, 288, 313 Pompeius Festus 72 Porcelio de’Pandoni 298–299, 326 Priscianus 32, 63–65, 67, 69, 72, 82, 114, 117, 137, 329 – Institutiones grammatices 63 querelle des Anciens et de Modernes 158 Quintilian 11–12, 16, 25, 28, 39, 41, 47, 60–62, 64, 68, 72, 83, 86–87, 91–92, 95–96, 100, 107–109, 112–113, 115, 127, 130, 132, 141, 200, 231, 240, 243–245, 268, 273, 279, 281, 319 – Institutio oratoria 12, 16, 39, 47, 60–62, 81, 87–89, 90–92, 96, 100, 107, 109, 113, 123, 127, 130, 142, 200, 206–207, 227, 240–241, 244–245, 265, 267, 281, 291
Ralph Strode 65 ratio 2–3, 41, 46, 60, 62–63, 88, 92–93, 100–102, 106, 109, 112–113, 119, 146, 151, 156, 160, 179, 182, 187, 203, 232, 244, 266, 307–308, 364 refutatio 48, 77, 243, 332 reprehendere 14, 67, 81, 104, 115, 203, 249, 313, 321, 323 reprehensio 71, 83, 91, 104, 106, 114, 117, 149, 160, 176, 264, 340 respublica literaria 190, 197, 289, 357 rhetor 72, 84, 91, 156, 169, 171–172, 199, 287, 296, 335 Rhetorica ad Herennium 39, 47, 60, 95, 107, 188, 206, 240, 243, 246, 278, 291, 308 Rhetorica ad Herennium 47, 60 Rinuccio Aretino 168, 302 Roberto Caracciolo da Lecce 273 Rom 2, 12–13, 14, 16, 57, 75, 92, 135, 139–140, 142, 161, 206, 214, 218, 250, 252, 255, 258–259, 276, 293–295, 300, 302–303, 305, 309, 314, 326, 328–329, 345, 348, 358 – Kurie 1, 3–4, 5, 13–14, 16–17, 19–20, 175, 180–181, 183, 224, 247, 249, 294, 300, 302–303, 305, 308–309, 326, 329, 336–337, 339, 347–348, 358 Romanitas 217, 321–322 sal 122, 124, 187, 215, 235, 240–241, 266, 271, 286, 325, 338, 357 Sallust 39, 72, 75, 83, 105, 107, 110, 112, 115, 262, 308 – de coniuratione Catillinae 76, 168, 262 sapientia 34, 114, 119, 121, 134, 145, 147, 150, 157, 208–209, 304, 307, 313 Scholastik 24, 45, 135, 147, 158, 164, 178, 229, 231, 270 Scipio-Caesar-Kontroverse 50, 216, 316, 323 scriptores 38, 63, 66–67, 69, 76, 82, 100, 106, 114, 163, 179, 204, 216 self-fashioning 5, 16, 40, 42, 51–52, 111, 144, 186–187, 189, 200–201, 213, 227, 237, 240, 245, 263, 272, 275, 281, 286, 293, 309, 311, 353 Semantik 58, 65, 72, 79, 102, 120, 128, 130, 157, 163, 173, 182, 220, 244 Seneca 232 – Apokolokyntosis 232 sermo litteratus 89 sermo vulgaris 89, 126, 264 sermocinatio 206, 209–210, 300, 308, 330 Servius 32, 63–64, 72, 75, 77, 82, 114, 129, 137, 142, 350 – Commentarii in Vergilii 63
Register
Sextus Pomponius 163 Sigismund 162 Silius Italicus – Punica 16 similitudo 77, 187, 243, 276, 281 Skandal 21, 53 Sprachimperium 134, 139, 144, 167, 171, 179, 213–214, 219, 269, 319, 322, 352 Strohmann 78, 90, 104, 154, 260 studia humanitatis 6, 31–32, 134, 143, 145, 159, 166, 183, 194, 230–231, 288, 294, 303, 322 studium detrahendi 72 Terenz 68, 105, 107, 112, 190 – Adelphoe 266 – Andria 68 – Eunuchus 68, 78, 105, 112, 218, 266 – Heautontimorumenos 106, 266 – Hecyra 266 Terranova 16 Theodoro Gaza 303 Thukydides 304 Tommaso Morroni 207, 300 Tribunal 236 Siehe Gerichtsverhandlung Uguccione da Pisa 65–66 – Magnae Derivationes 65 Ulpianus 76, 163 usus loquendi 6, 41, 57, 58, 61–64, 67–68, 71, 76, 86, 88, 90–91, 93, 100–103, 106, 116, 120, 127,
419
130–132, 139, 147–148, 155–156, 165, 170, 179–180, 182, 184, 217, 256, 267, 269, 283, 332, 355–356, 359, 366 Vaggia Buondelmonti 18, 261 Varro 72, 107, 114, 231 Venedig 19, 87, 161, 278, 293, 309, 312, 314–317, 319, 321, 327, 345, 347, 358, 361 Ventura da Bergamo 65 Verbalinjurien 49, 190–191, 195, 290, 308, 322, 327, 333 verba-res-Dichotomie 100, 131, 182, 242 Vergil 34, 74, 76–77, 129, 141, 192, 204, 207, 232, 254, 282 – Aeneis 34, 75–77, 85, 129, 192, 207, 254, 282 – eclogae (bucolica) 76 vesania 193 veteres 31, 64, 96, 101, 106, 114, 153, 174, 317, 326 vetustas 62, 92, 94 virtus, virtutes 38–39, 90, 161, 311 vis verborum 57, 100 vituperatio 21, 46–47, 79, 84, 167, 185–186, 188–190, 220–221, 223, 225, 236, 238, 241–242, 245, 275, 286, 289, 297, 308, 332, 352, 357, 361 volgare 32, 87–88, 125–126, 138, 140, 236 William von Ockham 65 Witz 49, 123, 215, 241, 247, 275, 325