Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen Römischen Reiches nach 1648 [1 ed.] 9783428412105, 9783428012107


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German Pages 324 [325] Year 1967

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Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen Römischen Reiches nach 1648 [1 ed.]
 9783428412105, 9783428012107

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ALBRECHT RANDELZHOFER

Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen Römischen Reiches nach 1648

Schriften zum Völkerrec ht Bandl

Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen Römischen Reiches nach 1648 Von Albrecht Randelzhofer Professor für Staats- und Verwaltungsrecht. Völkerrecht und Verfassungsgeschichte an der Freien Universität Berlin

Duncker & Humblot · Berlin

Alle Rechte vorbehalten © 1967 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-01210-0

Meiner Mutter

Vorwort zum unveränderten Nachdruck 1988 Mit diesem Buch hat der Verlag Duncker und Humblot im Jahre 1967 eine neue Reihe, die Schriften zum Völkerrecht, gestartet. Ein Wagnis, wie manche meinten, und doch sind in dieser Reihe bis heute schon 85 Bände erschienen, welche die wissenschaftliche Diskussion in vielen Bereichen des Völkerrechts angeregt und fortgeführt haben. Ungeachtet der Tatsache, daß bei wissenschaftlichen Publikationen, jedenfalls soweit es sich um Monographien handelt, die Auflagenhöhe vergleichsweise bescheiden ist, passiert es nicht sehr häufig, daß ein solcher Titel vergriffen ist. Daß dies bei dem Band 1 der Schriften zum Völkerrecht seit kurzem der Fall ist, freut mich und gerne bin ich auf den Vorschlag des Verlages eingegangen, einen unveränderten Nachdruck vorzulegen. Daß dies erforderlich wurde, liegt in erster Linie am Stoff der Arbeit. Die Frage nach der Rechtslage des Heiligen Römischen Reiches ist seit langem ein klassisches Thema, welches mit dem Untergang dieses Reiches seine Bedeutung nicht verlor, und, wie nicht zuletzt die Reaktionen auf das Erscheinen dieser Arbeit beweisen, es wird seine Bedeutung auch in Zukunft behalten. Das Thema interessierte und interessiert nicht nur Juristen, sondern zumindest auch Historiker und Politikwissenschaftler. Was die genannten Reaktionen anlangt, so darf festgestellt werden, daß sie zahlreich, oft engagiert und kontrovers waren, sowohl was die Rezensionen wie auch die Auseinandersetzungen mit dem Buch in einschlägigen Publikationen anlangt. Dabei beschränkte sich das Echo keineswegs auf den deutschen Sprachraum (hier insbesondere die Bundesrepublik Deutschland, Österreich und die Schweiz). Rezension, z.T. ausführliche, erschienen in wissenschaftlichen Zeitschriften u.a. Italiens, Frankreichs, Englands, der USA und Kanadas. Bemerkenswert ist vor allem, daß nicht selten das Interesse an der Arbeit keineswegs nur durch ihren geschichtlichen, besonders verfassungs- und völkerrechtsgeschichtlichen Gehalt geweckt wurde, sondern durch ihre Relevanz für aktuelle Probleme (siehe Luisa Bussi, Rivista di Diritto Internazionale, Val L II [1969], S. 4 70), wie die Lösung des "wichtigsten Völkerrechtsproblems unserer Zeit, der Sicherung des Friedens durch internationale Organisationen" (Fritz Dickmann, Historische Zeitschrift, Bd. 208, [1969], S.143 f.); wie die heutige Föderalismus-Diskussion in Kanada (Edward Mc Whinney, The Canadian Year-

Vorwort zum unveränderten Nachdruck 1988

7

book of International Law, Vol. 6 [1969], S. 330); wie heutige Rechtsprobleme Internationaler Organisationen (Erich Hula, American Journal of International Law, Vol. 65 [1971], S. 436 und Daniel O'Connell, British Yearbook of International Law 1970, S. 287 ff. sowie die namentlich nicht gekennzeichnet e Besprechung im Annuaire Fran~ais de Droit International, 1968, S. 1001). Dieses nicht nur rückwärtsgewa ndte, sondern nach vorne blickende Interesse wird der Arbeit erhalten bleiben und weitere Leser anziehen und rechtfertigt einen Nachdruck. Daß es ein Nachdruck und keine Neubearbeitung ist, hat mehrere und sehr unterschiedlich e Gründe. Der trivialste ist der, daß ich in der nächsten Zukunft die für eine Neubearbeitung erforderliche Zeit nicht haben würde. Zum anderen aber würde eine Überarbeitung die Geschlossenhei t der Arbeit (darin liegen sowohl Schwächen wie Stärken) auflösen. Es ist unvermeidlich, daß ich, mehr als zwanzig Jahre später, heute einiges anders sehe und schreiben würde, nicht zuletzt unter dem Eindruck mancher bei aller Schärfe förderlichen Kritik. Die zentrale These der Arbeit halte ichjedoch nach wie vor für zutreffend. Es ist nicht zu übersehen, daß sich die Kritik nahezu ausschließlich gegen die Methode wandte, moderne Begriffe auf historische Sachverhalte anzuwenden, eine Methode, die ich freilich nicht blind gegenüber den damit verbundenen Gefahren angewendet habe. Im übrigen haben in einigen Fällen Kritiker dieser Methode die sachlichen Ergebnisse der Arbeit in eigenen Werken durchaus anerkannt. Schließlich hat gerade ein Historiker darauf hingewiesen, daß die zentrale These von der völkerrechtlich en Grundlage des Heiligen Römischen Reiches nach 1648, die anderen Historikern als allzu kühn erscheint, so grundstürzend nicht ist, sondern bereits in Schriften seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts anzutreffen ist. Meine Arbeit hat insofern nie eine Art Erstgeburtsrecht in Anspruch genommen. Thr Ziel ist erreicht, wenn zugestanden wird, daß "das Reich heute in einer wesentlich anderen Sicht [erscheint], die uns bisher noch nie so deutlich vermittelt worden ist wie in dieser Arbeit" (so Fritz Dickmann, aaO.). So möge dann dieser Nachdruck die wissenschaftlic he Diskussion weiter auslösen und anregen, auch in Gestalt der daran geübten Kritik. Berlin, Juni 1988

A. Randelzhofer

Vorwort Die Frage, als was das Heilige Römische Reich nach dem Westfälische n Frieden anzusehen sei, hat die staatsrechtlic he und staatstheoret ische Literatur im 17. und 18. Jahrhundert in einem Maße beschäftigt, wie kaum eine andere. Von Reinkingk über Pufendorf, Leibniz, Moser, Pütter bis zu Hegel haben sich nahezu alle großen Staatsrechtie r und Staatstheoretiker mit diesem Problem befaßt. Auch in der folgenden Zeit bis in unsere Tage, taucht die Frage in der Literatur immer wieder auf. Wenn in der vorliegenden Arbeit der Versuch unternomme n wird, von einem völkerrechtli chen Standpunkt aus eine Lösung des Problems zu bieten, so geschieht dies nicht so sehr aus dem Wunsch heraus, eine verfassungsg eschichtliche Streitfrage zu klären, sondern vielmehr deshalb, weil das Heilige Römische Reich in der Gestalt, in der es nach 1648 existierte, dem Völkerrechtl er unserer Tage ein überaus reiches Anschauungsm aterial zur Auftindung vonLösungsm öglichkeiten für scheinbar erst in neuester Zeit aufgetretene Probleme, wie internationa le Streiterledig ung, Kriegsverhü tung oder internationa le Integration, bietet. Es sind diese Möglichkeite n, aus einem historischen Beispiel interessante Perspektiven für die Lösung moderner Probleme zu eröffnen, die es dem Verfasser wert erscheinen ließen, diese Arbeit zu schreiben, und die sie über den nur verfassungs- und völkerrechtsg eschichtliche n Wert hinausheben sollen. Die Anregung zu dieser Arbeit, die von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Max imilians-Uni versität zu München als Dissertation angenommen wurde, gab mir mein hochverehrt er Lehrer, Herr Professor Dr. F. J. Berber, dessen ständiger, verständnisv oller Betreuung die Arbeit sehr viel verdankt. Ich darf ihm an dieser Stelle für dies alles danken. Danken darf ich auch Herrn Professor Dr. P. Lerche, der die Arbeit als Korreferent gelesen hat. Herrn Ministerialr at a. D. Dr. J. Broermann bin ich für die Aufnahme der Arbeit in sein Verlagsprog ramm zu großem Dank verpflichtet. München, Sommer 1966.

Albrecht Randelzhofe r

Inhaltsverzeichnis Einleitung

19 19

A. Ziel der Arbeit

B. Eingrenzung des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 C. Methode der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Gefahren dieser Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3. Rechtfertigun g dieser Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Erster Teil

Kurzer gescllichtlicher 'Uberblick bis zum Jahre 1648 A. Notwendigke it einer solchen Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. Die Begrenztheit dieser Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 25

I. Kapitel : Das frühe fränkische Reich als zentraler und personaler

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Das Frankenreich als Ausgangspun kt für das Heilige Römische Reich: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Problem des Übergangs vom Frankenreich zum deutschen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Entstehung des fränkischen Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3. Das neue Königtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4. Das Heerwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 5. Verwaltung und Finanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 6. Gerichtsbarke it . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 7. Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Herrschaftsve rband

II. Kapitel : Entstehen des Lehnstaates. Die Funktion des Lehnswesens

32 32 . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entstehung des Lehnswesens . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das persönliche Element des Lehnswesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 aa) Die Kommenda tion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 bb) Die Gefolgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Benefizium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Verbindung von Vasallität und Benefizium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

ats Grundlage der Verfassung des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

Inhaltsverzeichn is 2. Einbau des Lehnswesens in die Reichsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umgestaltung der Verfassungsinsti tutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Hofämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Heerwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Lehnswesen als äußerer Rahmen der Verfassung. Unterschiedliche Ausgestaltung dieses Rahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Reich unter einzelnen Kaisern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Karl der Große . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Otto der Große . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Heinrich IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Friedrich I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Kapitel : Die Wandlung des Reiches zur reinen Wahlmonarchie 1. Der Vorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ursprünglich Geblütsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Faktische Erbmonarchie unter den Karolingern und den Sachsenkaisern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ursprünglich Wahl durch das Volk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) übergang des Wahlrechtes auf bestimmte Fürsten . . . . . . . . . . . aa) Die drei Stadien der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hervortreten einzelner hervorragender Persönlichkeiten . . cc) Die "deliberatio super tribus electis" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Regelung des Sachsenspiegels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Der Kurverein zu Rhense . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Die Goldene Bulle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung für die Verfassungsentw icklung des Reiches . . . . . . . . . . IV. Kapitel: Der Zerfall des Lehnstaates und die Grundlagen der Entwicklung der Territorien des Reiches zu Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die zentrifugalen Tendenzen des Lehnswesens . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. 3. 4. 5. 6. 7.

a) VerdingHebung des Lehnswesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufkommen des Lehnzwanges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mediatisierung der Untertanen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) E r blichwerden der Lehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkung auf das Grafenamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwicklung der Immunitätsgeric htsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Stammesherzogt um . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Reichsgesetze von 1220 und 1232 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Goldene Bulle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V. Kapitel: Der Versuch, die Einheit des Reiches zu bewahren: Die Reichsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reformliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33 33 34 34 35 35 36 36 37 37 37 38 39 39 39 39 39 40 40 40 41 41 42 42 42 43 43 43 43 44 44 45 45 45 46 46 47 48 49 50 50 50 51

Inhaltsverzeichnis

11

Zweiter Teil

Das Reich von 1648 bis zu seinem Ende 1806

53

A. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

I. Kapitel: Der Westfälische Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wichtigste Einzelbestimmungen des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zentrale Bedeutung des Art. VIII §§ 1, 2 !PO . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbeziehung alten Rechtes in den Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54 54 56 56 58 60 61

II. Kapitel: Die Zeit vom Westfälischen Frieden bis zum Ende des

Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Zeitraum von 1648 bis 1806 als Einheit hinsichtlich der recht-

lichen Gestaltung des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 63 63 65 65

Dritter Teil

Urteile der Rechts- und Geschichtswissenschaf t über das Reich seit dem 17. Jahrhundert

67

......................................................

67

I. Kapitel: Beurteilungen im 17. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68 68

A. Allgemeines

1. Berücksichtigung der vor 1648 erschienenen Literatur . . . . . . . . . . 2. Bedeutung der Frage nach der Rechtslage des Heiligen Römischen Reiches im 17. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beurteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Reich als Monarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Lehre von Reinkingk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lehre von Arumaeus ......... .. .................... b) Das Reich als Aristokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Lehre von Chemnitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Lehre vom ,Status mixtus' des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Johann Limnaeus (1592-1663) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Lehre vom Reich als einer ,Civitas composita' . . . . . . . . . . . . aa) Die Lehre Besolds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lehre Hugos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Lehre von Leibniz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die Lehre Pufendorfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Kapitel : Beurteilungen im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wandel in der Bedeutung der Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beurteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Lehre von Maser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68 70 70 70 72 73 73 76 76 77 77 78 80 81 85 85 86 86

12

Inhaltsverzeichnis b) Die Lehre Pütters vom zusammengesetzten Staat . . . . . . . . . . . . c) Die Lehre Häberlins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Lehre Hegels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Kapitel: Beurteilungen seit dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches bis zur Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Charakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beurteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Reich als Bundesstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) H. B. Oppenheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Brie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) G. Jellineks Lehre vom Reich als Staatenstaat . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unselbständige und juristisch unscharfe Beurteilungen . . . . . . aa) G. Meyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kormann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schulte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bornhak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) E. R . Huber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) v. Srbik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Feine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Molitor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Hartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . kk) Forsthoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beurteilungen des Reiches auf völkerrechtlicher Grundlage . . aa) K. S. Zachariä . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aegidi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bryce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Berber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kapitel: Kritische Würdigung der dargestellten Meinungen . . .. . .. . 1. Zum Teil handelt es sich um politische Kampfschriften . . . . . . . . . 2. Zum Tei'l sind sie bedingt durch die staatstheoretischen Doktrinen und Theorien ihrer Zeit ... . ................... .. .. .. ..... . . . ... 3. Die historische Einmaligkeit des Reiches wird überbetont . . . . . . . 4. Das Problem wird fast ausschließlich von einem staatsrechtlichen Standpunkt aus betrachtet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis .............. . ................. .. . . ................. ..

87 89 90 92 92 92 92 92 93 93 94 94 95 95 96 96 97 97 98 98 99 99 99 100 101 102 103 103 103 104 105 107

Vierter Teil Die Rechtslage des Heiligen Römischen Reiches nach 1648 aus völkerrechtlieber Sicht A. Der Begriff des Völkerrechtes ............... ... .......... . ....... 109

I. Kapitel: Wesen und Begriff des Staates ..... .. . .. .. . ....... . .. ..... 117 1. Die Erfordernisse des Staates nach der Allgemeinen Staatslehre und der Völkerrechtslehre ... .. .... . ... .... ..... . ....... .. ...... 117 a) Die Drei-Elementen-Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Inhaltsverzeichnis b} c} d} e} f}

Angriffe gegen die Drei-Elementen-Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtfertigung der Drei-Elementen-Lehre . .................. Staatsvolk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 119 119

120 121 121

II. Kapitel: Die Staatlichkeit der Territorien des Heiligen Römischen Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Staatsgebiet und Staatsvolk . . .. .. ....... . ..... . .......... . ... .. 127 2. Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a} Entstehung und Entwicklung der Landeshoheit . . . . . . . . . . . . . . 128 b} Landeshoheit und Staatsgewalt ...... .. ....... . ..... . ....... . 130 c} Prüfung der Landeshoheit an der Definition der Staatsgewalt 131 aa} Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb} Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . 132 cc} Organisation der Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 dd} Umfang der Landeshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 ee} Landeshoheit als ursprüngliche Gewalt ........ . .. .... .. . 141 ff} Landeshoheit als Gebiets- und Personalhoheit . . . . . . . . . . 142 d} Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

III. Kapitel : Der Staat als Völkerrechtssubjekt . . .. . ........... .. ...... 1. Die Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a} Ursprung des Begriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b} Wandel des Begriffes .... .. ...... .. . ...... ..... .. .. ... ..... . . 2. Theorien zur Beseitigung des traditionellen Souveränitätsbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a} Weltstaatstheorien ....... . ......... ..... ........... ... . .. .. . . b} Universalrechtstheorien ........... . . . .... . .......... ..... . . .. aa} Pluralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb} Rechtssouveränität . .... . . . . . ... . .... .. . ... . . .. .......... c} Das Fehlen der Souveränität als Merkmal des Staates im Sinne des Völkerrechtes bei einem Teil der nordamerikanischen Völkerrechtslehre . ..................... .. ......... . .. .. .. . .. ... . 3. Kritik an den Theorien zur Beseitigung des Souveränitätsbegriffes 4. Unvereinbarkeit des traditionellen Souveränitätsbegriffes mit der heutigen Theorie des Völkerrechts und der internationalen Wirklich·k ei t . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Berbers Begriff der Unabhängigkeit an Stelle des traditionellen Souveränitätsbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kapitel: Die Territorien des Reiches als Völkerrechtssubjekte . . . ... 1. Das Vertragsschließungsrecht nach Art. VIII § 2 IPO ........... . a} Bedeutung dieser Vertragsschließungskompetenz nach der Montevideo-Akte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung der Vertragsschließungskompetenz nach der hier vertretenen Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144 144 145 147 150 150 151 151 151 152 153

153 155 159 159 159 160

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Inhaltsverzeichnis aa) Das Vertragsschließungsrecht bewirkt die Völkerrechtssubjektivität der Territorien, soweit diese mit auswärtigen Staaten Verträge schließen . ........ ............ . . . bb) Das Vertragsschließungsrecht bewirkt aber nicht notwendig die generelle Völkerrechtssubjektivität der Territorien cc) Das Vertragsschließungsrecht ist ein starkes Indiz für die generelle Völkerrechtssubjektivität, da es ein ursprüngliches und grundsätzlich unbeschränktes Recht ist . . . . . . . . 2. Die Unabhängigkeit der Gliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungen ........... . ... . .. . ............ . .................. b) Auslegung des Art. VIII §§ 1, 2 IPO aus Wortlaut und Ent,s tehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Prüfung der rechtlichen und tatsächlichen Einschränkung der Landeshoheit mit Hilfe von Berbers Unabhängigkeitsbegriff . . aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einschränkungen und Unterordnung der Landeshoheit . . (1) Einschränkungen der Landeshoheit durch den Kaiser . . (a) Der Kaiser ist nominelles Oberhaupt des Reiches . . (b) Der Kaiser ist Lehnsherr der Landesherrn . . . . . . . . (c) Der Kaiser kann aber in den Gliedstaaten nur mehr seine Reservatrechte ausüben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Eingriffe des Kaisers in die Staatsgewalt der Gliedstaaten verbieten die Reichsgesetze . . . . . . . . . . . . . . (e) Der Kaiser kann allein nicht mehr die Acht erklären (f) Tatsächliche Eingriffe des Kaisers in die Landeshoheit ... . . .. ... .. .. . ......... . ....... .. .... .. .. . . (a:) Der Fall Nassau-Siegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ({J) Der Fall Mecklenburg-Schwerin . . . . . . . . . . . . . . (y) Bewertung dieser Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Eingriffe gegenüber den Reichsstädten . . . . . . . . (E) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einschränkung der Landeshoheit durch Gemeinschaftsorgane der Gliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Einschränkung der Landeshoheit durch, den Reichstag .. . .. . . ... .......... ... . .. . ........ ... ... ..... (a:) Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ({J) Achtserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (y) Ergebnis .... .. ...... ... ................ . .. . .. (b) Einschränkung der Landeshoheit durch die Reichsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a:) Das Reichskammergericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ({J) Der Reichshofrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sonstige Einschränkungen der Landeshoheit . . . . . . . . . . (4) Ergebnis . .. ..... . ............. . ....... . ....... . . ... ..

187 187 191 192 193

V. Kapitel: Die Staattichkeit des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Als Bundesstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Als Rumpfstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Problem der freien Reichsritterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

194 194 194 195 196

160 161 161 164 164 165 167 167 168 168 169 169 170 171 172 173 173 174 175 177 179 179 180 180 181 185 187

Inhaltsverzeichn is

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Fünfter Teil

Das Heilige Römische Reich als eine hoch entwickelte partikulare Völkerrechtsordn ung, als ein Beispiel internationaler Integration I. Kapitel: Die Völkerrechtsque llen im Heiligen Römischen Reich .... 1. Das allgemeine Völkergewohnhe itsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das ehemals innerstaatliche Recht ................ .............. 3. Das seit 1648 zwischen den Gliedstaaten entstehende Rec..'J.t ...... 4. Die Funktion des Römischen Rechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199 199 199 200 200 201 202

II. Kapitel: Die diplomatischen Beziehungen der deutschen Gliedstaaten

untereinander und mit außerdeutschen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Die Bedeutung des diplomatischen Verkehrs ................. ... 203

a) Heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Im 17. und 18. Jahrhundert ................ ................ .. 2. Das Gesandtschaftsre cht der Gliedstaaten des Reiches . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auswahl und Ernennung des Gesandten ................ bb) Die Instruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Creditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Annahme von Gesandten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die diplomatischen Vorrechte und Befreiungen .......... ff) Das Ende der diplomatischen Mission ................. ... c) Der Umfang der diplomatischen Beziehungen der Gliedstaaten des Reiches in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Kapitel: Das Kriegsverhütung srecht im Heiligen Römischen Reich .. A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die friedliche Erledigung von Streitfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Streitigkeiten zwischen den Gliedstaaten des Reiches ......... b) Diplomatische Streiterledigungs mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verhandlungen ................ ................ .......... bb) Vermittlung und Gute Dienste ................ ......... . . c) Internationale Schiedsgerichtsb arkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriff und Wesen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Internationale Schiedsgerichtsb arkeit im Heiligen Römischen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schiedsgerichtsb arkeit auf Grund von sog. .,Compromissen" ................ ................ .............. (2) Die Austräge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Entwicklung der Austräge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Regelung der Austräge in der RKGO . . . . . . . . (c) Wandel in der Bedeutung der Austräge . . . . . . . . . . (d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Subsidiarität der Legalausträge gegenüber den Conventionalausträg en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Beachtung der Austräge in der Praxis . . . . . . . . . . . .

203 204 206 206 209 209 210 210 211 211 215 215 219 219 221 221 223 223 224 225 225 227 227 231 231 232 234 238 239 240

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Inhaltsverzeichnis d) Internationale Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriff und Wesen . . .. ... ............. .. ...... . ......... bb) Internationale Gerichtsbarkeit im HeiligenRömischen Reich (1) Das Reichskammergericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verfassung . . .. . .. . . ... ... .. . ... . .... . ..... . . ..... (c) Zuständigkeit ................................ .... (d) Entscheidungsnormen ............................ (e) Das Verfahren ... ... ............ . ...... .. .. . ... . . (f) Rechtsmittel . .................... . ........... . .... (2) Der Reichshofrat .... .. ..... .. ..... . .................. (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Gewaltverbot im Heiligen Römischen Reicll . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwicklung ......... . ..... .. ............ . .- ...... .. .. . ....... aa) Das Faustrecht . ... .. ·. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Ewige Landfrieden 0• ••••••••••• 0• 00•• 0•• • •••••• 0• • • cc) Bestätigungen des Ewigen Landfriedens . . .... 0••• • ••••• 0• dd) Erneuerung des Ewigen Landfriedens . . . 0.• • • • 0•• 0••• 0• 0• ee) Die Exekutionsordnung . 0•••••• 0••••• • •••••••• 0•••••• • 0• • b) Das Gewaltverbot nach dem Westfälischen Frieden 0•••• •• •••• aa) Das grundsätzliche Kriegsführungsrecht der Gliedstaaten des Reiches .... .. ...... 0•••••• 0•••••••••••• 0•• 0••••• 0• • • bb) Fortgeltung des Gewaltverbotes des Ewigen Landfriedens cc) Die Problematik des Gewaltverbotes zwischen den Gliedstaaten des Reiches im Hinblick auf das freie Bündnisrecht mit außerdeutschen Staaten . . . c) Die Wirkung des Gewaltverbotes in der Praxis .. 0• • 0• • • • 0••• 0



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0

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241 241 242 242 242 243 248 249 250 251 252

253

254 254 254 254 255 255 256 257 257 257 258 259

IV. Kapitel: Die Durchsetzung des Völkerrechtes im Heiligen Römischen

Reich .. 0• • 00. 0• • 00. 000. 0.• 00. 0. 0•. 0• •• 0• .•• 00• • 0•• 0•• 0• • 0•••. 0. • •• 260

A. Allgemeines 0•• 0• • 0••.•••••••• • 00••••• 0•• 00••• 0• 0•• 0• • 0••••• 0• • • 1. Individuelle Durchsetzungsmittel .. 0••• • • • • • 00• •• • 00. 0• • 0•• ••• • a) Die Retorsion . .... 0•• 0•• 00• 00••• 00• 0•• 0••• 0•• 0••• • 0•• 0•• 00. • • b) Die Repressalie 0•.•• 00• •• 0•• 0••• 0•• 0•• 0••••••••• • •.•••• 0. 0. c) Der Krieg . . 000• •.••. • 0•• • 0• ••• • •• • •• • • •• •• •• ••• •• 0• 0•••• 0•• 0 o

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260 261 261 262 265

20 Kollektive, institutionelle Durchsetzungsmittel . ... 0•• 0• • 0• 0• 0• • . 265

a) Durchsetzung der Urteile der Reichsgerichte und Durchsetzung des Landfriedens . . 0••.. 0. 0• 0. 0• • 0• • 0• 0•• •• •• • 0• • 0•• 0• • 0• • 0• • 265 b) Die Regelung in Art. XVII § 6 IPO .... 0•••• 0• • 0 270 o.

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V. Kapitel : Der Reichstag als Beispiel eines Organs einer internationalen

Gemeinschaft. Vergleich mit den Vereinten Nationen . 0••.••• 000••• 271

A. Sinn und Aufgabe dieses Vergleiches .. . . ... . .. . . . .. . . 1. Enstehung .. 0• •• 0•••• • . • 00•• 00•• • 0•• • ••••••.• 00•• 0• 00•• 0•• • 0• 00 a) Die Vereinten Nationen 0••• • . 0•• 0. 0.••••••• 0••• 0. 0• •• 0•• • 0. 00 b) Der Reichstag 0•• 0•. • • 00• 00• • 000• 00• 0• • 0••• 0•• 0•• 0

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271 272 272 272

2. Zusammensetzung 0•.. 0• ••••••••••••••••••••• 0••.•• 0•• • •• 0•• 0••• 274 a) Die Mitgliedschaft 00•• 0•• 00• • 0• • • 0••• ••.••• 0• •••• • • • • •• 0••• • 0 274

Inhaltsverzeichnis

17

aa) Rechtsgrund und Subjekt ........... .. ............ . . . .... 274 (1) Die Vereinten Nationen ... . . . ................. ... .... 274 (2) Der Reichstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 bb) Inhalt der Mitgliedschaftsrechte .. ... .. .... .......... .. .. 280 (1) Die Vereinten Nationen ...... . ................... .. . . 280 (2) Der Reichstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 cc) Mitgliedschaftspflichten aus der Reichsstandschaft .... ... . 283 b) Die Bevollmächtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 aa) Die Vereinten Nationen ............ .. .. ............. . .... 285 bb) Der Reichstag ....................... .. ........... . ...... 285 c) Beobachter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 aa) Die Vereinten Nationen ..... . ...................... . . .... 285 bb) Der Reichstag .. ... ................... . ............ .... .. 285 d) Der Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 3. Organisation .......... ... . . ............... . .................. . . 286 a) Berufung, Eröffnung, Tagung, Schließung . ........... . ..... . . 286 aa) Die Vereinten Nationen ............. .. ................... 286 bb) Der Reichstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Die Form der Geschäftserledigung .... . . ... .... . ..... . ...... 287 aa) Im Plenum . . ... .. . . . ...... . .. .. . . . ................ . .. ... 287 (1) Die Vereinten Nationen .......... .. .......... . . .. .... 287 (2) Der Reichstag . .. .. . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . 288 bb) In den Ausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (1) Die Vereinten Nationen ...... .. ........ . .......... ... 291 (2) Der Reichstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 4. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Die Vereinten Nationen ...... . ......... .. . . ..... ... .......... 292 b) Der Reichstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 aa) Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 bb) Verwaltung ... ... .......................... . ... .. . .... .. 294 cc) Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 5. Ergebnis des Vergleiches .......................... . ....... .. . . .. 295 VI. Kapitel: Das Heilige Römi sche Reich als Staatenbund .. .... .. .... . . 297 1. Wesen und Begriff des Staatenbundes ... .. ....... . . . . .. . . . .. ... 297 2. Das Heilige Römische Reich als atypischer Staatenbund 299

Schlußwort

301

Literaturverzeichnis

305

Personenregister

316

Sachregister

320

Abkürzungsverzeichnis AJIL BayGO BYIL cap. GG HDV HZ IGH IPM IPO IYIA

JIR

JöRG JRA lib. OVN p. RA RGBl. RHRO RKGO Sav.Z RG UN UNTS Vol. WK ZaöRV ZCP Z f. dt. R

ZfP Z ges. St.W

American Journal of International Law Bayerische Gemeindeord nung British Yearbook of International Law capitulum Grundgesetz der Bundesrepub lik Deutschland Handbuch des Völkerrechts Historische Zeitschrift International er Gerichtshof Instrumentur n Pacis Monasteriens is Instrumentur n Pacis Osnabrugensi s Indian Yearbook of International A:ffairs Jahrbuch für Internationale s Recht Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Jüngster Reichsabschie d liber Organisation der Vereinten Nationen page Reichsabschie d Reichsgesetzb latt Reichshofrats ordnung Reichskamme rgerichtsordn ung Savigny-Zeits chrift für Rechtsgeschic hte United Nations United Nations Treaty Series Volume Wahlkapitula tion Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Civilistische Praxis Zeitschrift für deutsches Recht Zeitschrift für Politik Zeitschrift für die gesamte Staatsrechtsw issenschaft

Einleitung A. Ziel der Arbeit Im 3. Band seines Lehrbuches des Völkerrechtes hat Berber ein bemerkenswertes Urteil über das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen gefällt. Er nennt es "die wichtigste völkerrechtliche Entwicklung des Abendlandes bis zum Durchbruch des modernen Völkerrechtes" 1 • Nach seiner Meinung waren seit dem Westfälischen Frieden (1648) die Beziehungen der Glieder des Reiches untereinander nicht mehr staatsrechtlicher, sondern völkerrechtlicher Art. Dabei erscheine das Reich als ein frühes Beispiel weitgehender internationaler Integration. Es habe ständige Organe gegeben, "ein ausgearbeitetes und nicht ganz wirkungsloses System der kollektiven Sicherheit und der Streitentscheidung", sowie diplomatischer Organisationen und internationaler Zusammenarbeit2. Dieses Urteil unterscheidet sich durch seinen grundsätzlich positiven Charakter von der fast einhellig negativen Apostrophierung, welche die Rechts- und Geschichtswissenschaft seit jeher dem Heiligen Römischen Reiche nach 1648 zuteilwerden ließ 3 • Weiter aber ist es besonders deshalb interessant, weil das Reich hier von einem völkerrechtlichen Standpunkt aus betrachtet wird, während die bisherigen Urteile beinahe ausschließlich von einem staatsrechtlichen Standpunkt aus gefällt wurden, ohne daß es deshalb, trotzlebhafter Beschäftigung mit dem Problem, gelungen wäre, die seit drei Jahrhunderten diskutierte Streitfrage nach der Rechtslage des Reiches nach 1648 befriedigend zu lösen. Die vorliegende Arbeit hat sich zur Aufgabe gestellt, diese Hinweise Berbers aufzunehmen und zu prüfen, ob das Problem der Rechtslage des Heiligen Römischen Reiches seit 1648 vom Boden einer völkerrechtlichen Betrachtung aus einer Lösung zugeführt werden kann. Mit anderen Worten, es soll untersucht werden, ob und wieweit das Reich, zumindest seit 1648, ein völkerrechtlicher Verband ist, ob und wieweit die Glieder des Reiches untereinander und mit dritten Staaten nach Völkerrecht verkehren, welche Organe und Institutionen vorhanden sind, die sich als völkerrechtlich erweisen. 1 2 3

2*

Berber ,Lehrbuch des Völkerrechtes', Bd. III, 19ti4, S. 185. Berber ,Völkerrecht', III, S. 190/91. siehe dazu Teil 3 der Arbeit.

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Einleitung

Diese Arbeit mag in einer Zeit, in der die Völkerrechtswissenschaft mehr und mehr ihre Aufgabe in der Bewältigung moderner und modernster Probleme sieht4, als eine wissenschaftliche Spielerei erscheinen. Doch zu Unrecht, denn sie will einen Beitrag liefern zu einem Gebiet, das weitgehend vernachlässigt wird, nämlich der Völkerrechtsgeschichte, obgleich oft nur ein Zurückbesinnen auf die Geschichte des Völkerrechts die rechte Erkenntnis moderner völkerrechtlicher Probleme ermöglicht5 • Gerade für eines dieser Themen, die Integration, wird die Untersuchung des Heiligen Römischen Reiches interessante Perspektiven eröffnen6 •

B. Eingrenzung des Themas Wie sich aus der Beschränkung der Untersuchung des Reiches auf völkerrechtliche Aspekte hin auf die Zeit nach 1648 ergibt, ist nicht das Heilige Römische Reich, das weite Teile Europas umfaßte, der Gegenstand der Untersuchung. Daß das Reich in der Gestalt, in der es durch das Lehnsband Teile Frankreichs, Dänemarks, Polens, Ungarns, die Niederlande und die Schweiz umfaßte, völkerrechtliche Momente aufweist, ist schon wiederholt hervorgehoben worden. Seit 1648 beschränkt sich das Reich unbestreitbar, von geringen Ausnahmen abgesehen7 , auf deutsches Gebiet, nachdem im Westfälischen Frieden der Schweiz8 und den Niederlanden9, die sich zuvor schon faktisch vom Reich gelöst hatten, die rechtliche Unabhängigkeit vom Reich zuerkannt wird. Nur dieses deutsch gewordene Reich soll nach völkerrechtlichen Aspekten untersucht werden. Dabei ist es selbstverständlich, daß nicht alle tatsächlichen Erscheinungsformen des Reiches nach 1648, die völkerrechtlich zu ver4 z. B. den Problemen, die mit der weltweiten Integration zusammenhängen, oder den Problemen des Weltraumrechtes. 5 s. Alexandrowicz ,Some Problems of the History of the Law of Nations in Asia', in The Indian Yearbook of International Affairs, Vol. XII (1963). S. 3: "One of this reasons of this deplorable state of affairs is the divorce of international law from its vital historical sources and the general desinterest in the study of its history." e Ganz allgemein hat schon Wehberg ,Die Schieds- und Garantieklausel der Friedensverträge von Münster und Osnabrück', in Friedenswarte, Bd. 48 (1948), S. 282, darauf hingewiesen, daß gerade der Westfälische Friede ein interessantes Untersuchungsobjekt für den Völkerrechtler ist. 1 s. hinsichtlich dieser Ausnahmen Moser ,Von Teutschland und dessen Staatsverfassung überhaupt', Stuttgart, 1766, S. 71 ff. 8 Art. VI IPO = § 61 IPM; vgl. dazu Pütter ,Historische· Entwicklung der heutigen Staatsverfassung des deutschen Reichs', Bd. II, Göttingen 1786, S. 49-53; ferner Pütter ,Geist des Westfälischen Friedens', Göttingen, 1795, s. 25 u. 30, 261, 262. 9 Die Unabhängigkeit der Niederlande beruht allerdings nicht direkt auf dem Westfälischen Frieden, sondern auf dem am 30. 1. 1648 ebenfalls in Münster zwischen Spanien und den Niederlanden abgeschlossenen Separatfrieden.

Einleitung

21

stehen sind, hier dargestellt werden können. Eine solche Aufgabe würde den Rahmen einer Dissertation sprengen. Die Arbeit verfolgt nur den Zweck, die wesentlichsten Momente der rechtlichen Gestaltung des Reiches, die sich als völkerrechtlich erweisen, sowie die Rechtsinstitute des Reiches, bei denen der völkerrechtliche Charakter am stärksten hervortritt, darzustellen. Dabei wird grundsätzlich darauf verzichtet werden, neues Quellenmaterial zu bringen. Die bereits bekannten Tatsachen sollen einer völkerrechtlichen Betrachtungsweise unterworfen werden. Obgleich der Verfasser sich dessen bewußt ist, daß es keinen einem Rechtsbegriff absolut entsprechenden tatsächlichen Lebenssachverhalt gibt, und gerade in dem mit zahlreichen Relikten seiner früheren, durch die Jahrhunderte gewandelten Gestaltung behafteten Reichskörper kein nur völkerrechtliches Verhältnis, keine nur und absolut völkerrechtliche Institution erwartet werden kann, wird zur deutlichen Herausstellung der völkerrechtlichen Aspekte, und um ein Gegengewicht gegen die bisher einseitig staatsrechtliche Betrachtung zu schaffen, der völkerrechtliche Aspekt des Sachverhaltes zunächst etwas überzeichnet - allerdings nie verzeichnet - dargestellt werden. Staatsrechtliche Relikte sollen nicht übersehen werden, sondern sollen das vom völkerrechtlichen Standpunkt aus gewonnene Bild nuancieren.

C. Die Methode der Arbeit 1. Allgemein

Bei der folgenden Untersuchung des Reiches nach 1648 werden an die Erscheinungsformen der historischen Wirklichkeit moderne Begriffe der Staatslehre und des Völkerrechts, wie z. B. Staat, Staatsgewalt, Souveränität, Unabhängigkeit, internationale Integration, kollektive Durchsetzungsmittel usw. mit ihren heutigen Begriffsinhalten als Erkenntnismaßstäbe angelegt.

2. Gefahren dieser Methode Diese Methode ist schon wiederholt als unzulässig oder doch zumindest als unzureichend bezeichnet worden. Und in der Tat enthält sie nicht geringe Gefahren. Besonders Otto Brunner 10 hat aufgezeigt, welche Gefahren sich bei der Anwendung des modernen Staatsbegriffes auf ein historisches Gebilde ergeben. Die ganze weite Sphäre des Verfassungslebens kann dabei in ein schiefes Licht gerückt werden. Nun richten sich Brunners Angriffe direkt nur gegen die Anwendung moderner Begriffe 10

Vgl. Otto Brunner ,Land und Herrschaft', 4. Aufl., Wien-Wiesbaden 1959·,

s. 111-115,

130.

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Einleitung

auf das Mittelalter. Ihre Berechtigung in dieser Hinsicht braucht hier nicht untersucht zu werden11 , da der Staat nach 1648, dem unsere Aufmerksamkeit gilt, von dem des Mittelalters bereits deutlich unterschieden ist. Die Zeit nach 1648 kennt schon die staatstheoretischen Schriften eines Machiavelli und eines Bodin, der Gedanke des Staates als Korporation ist bereits erkannt12• Man wird die Gefahren, die Brunner speziell im Hinblick auf den mittelalterlichen Staat hervorhebt, aber ganz allgemein bei der Anwendung moderner Begriffe auf eine historische Wirklichkeit anerkennen müssen; denn die Begriffe sind nicht starr und zeitlos, sondern wandeln sich.

3. Rechtfertigung dieser Methode Trotz der gezeigten Gefahr sprechen überwiegende Gründe aber für die hier angewendete Methode. Speziell gegen die Ausführungen Brunners hat Mitteis13 zu Recht betont, daß es die Aufgabe des Rechtshistorikers ist, sich und anderen den geschichtlichen Stoff zu "vergegenwärtigen", d. h. ihn unter Denkformen zu bringen, die der Gegenwart verständlich sind. Freilich gilt dabei die Einschränkung, daß solche Begriffe, die an die geistigen Voraussetzungen ihrer Entstehungszeit derart gebunden sind, daß sie nur in dieser berechtigt und verständlich erscheinen, nicht zur Vergegenwärtigung herangezogen werden dürfen. Einen weiteren wesentlichen Gesichtspunkt hat Gierke14 aufgezeigt, indem er hervorhebt, daß die heutigen Begriffe ja selbst nur das Produkt einer fortschreitenden Differenzierung der ehemals ungesonderten Elemente einfacherer Vorstellungen sind. Wohl sind die Begriffe in ihrer selbständigen Ausprägung dem alten Rechte fremd, aber ihrer "keimenhaften" Anlage nach sind sie sämtliche schon in früherer Zeit vorhanden. 11 Sie könnnen sicher auch insoweit keine absolute Richtigkeit beanspruchen: siehe z. B. die Ausführungen Karl Lehmanns, zitiert bei Hans Herold ,Verwaltungsrecht im Mittelalter', in Festgabe für Fritz Fleiner, Zürich 1937: "Jeder, der den Versuch macht, das Recht des Mittelalters der Gegenwart vor Augen zu halten, weiß, daß er ohne Heranziehung der Begriffe der Gegenwart bei dem Leser nur unklare und dunkle Vorstellungen erweckt. Gewiß kann man mittelalterliche Institute auch rein aus dem Geiste und der Denkweise ihrer Zeit darstellen; soll aber das Ziel erreicht werden, dem Leser klar zu machen, ob und wieweit eine Rechtserscheinung der Gegenwart bereits der Vergangenheit angehört, so kommt man ohne den Gegenwartsbegriff nicht aus." Für die Anwendung moderner juristischer Begriffe auf das Mittelalter auch Alfons Dopsch ,Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters', Wien 1928, s. 103. 12 Vgl. E. R. Huber ,Bau und Gefüge des Reiches', in ,Idee und Ordnung des Reiches', Harnburg 1941, S. 6. 13 Heinrich Mitteis ,Land und Herrschaft' (Bemerkungen zu dem gleichnamigen Buch 0. Brunners), in HZ 163 (1941), S. 2.55 ff. (274). 14 Otto v. Gierke ,Besprechung von Paul Sanders ,Feudalstaat und Bürgerliche Verfassung', Berlin 1906, in Sav.Z.RG, Bd. 28 (1907), S. 612 ff. (614).

Einleitung

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Und in der Tat, wollte man darauf verzichten, das Reich nach 1648 mit den heutigen Begriffen der Staatslehre, des Staats- und Völkerrechtes zu erfassen, und sich darauf beschränken, mit den damaligen Begriffen wie Landeshoheit, Herrschaft, Territorium usw. zu arbeiten, so würde man auf Grund dieser mehr historisierenden als juristischen Betrachtung über eine bloße Beschreibung der tatsächlichen Wirklichkeit des Reiches nicht hinauskommen. Auf diesem Gebiet aber hat J. J. Moser bereits alle Arbeit geleistet. In der ungeheuren Materialfülle seiner 50 Bände des "Teutschen Staatsrechtes" hat er die ganze Wirklichkeit des Reiches vor uns ausgebreitet. Daß man aber, trotz dieses überreich dargebotenen Stoffes, gerade durch Mosers Arbeiten wenig für das Verständnis der rechtlichen Lage des Reiches gewinnt, beweist deutlich, daß diese Masse an Stoff der Durchdringung mit Hilfe moderner, abstrakter Begriffe bedarf. Wie Gierke es formuliert: "Ohne die Leuchte der modernen juristischen Begriffe ... würde das uns die älteren Zustände verhüllende Halbdunkel ... niemals erhellt worden sein."

Es ist eine Selbstverständlichke it, daß dabei der moderne juristische Begriff, unter den historische Tatsachen und Vorgänge subsumiert werden, bisweilen nicht in seiner ganzen abstrakten Schärfe bestehen bleiben kann, sondern der Abschwächung und spezielleren Ausformung bedarf, um seinen Aussagewert auch noch für das historische Gebilde zu behalten. Zur Gewinnung klarer Erkenntnisse, zur begrifflichen Klärung, ist seine Anwendung aber unerläßlich15 •

15 Das erkennt auch Feine ,Zur Verfassungsentwicklu ng des Heiligen Römischen Reiches seit dem Westfälischen Frieden', in Sav.Z.RG. Bd. 52 (1932), S. 72 an, ist aber sonst der Meinung, daß eine Subsumierung der historischen Formen unter moderne Begriffe mit Einschränkung mehr theoretischen Wert habe, als daß sie uns das rechtliche Wesen des Reiches wirklich verdeutlichen könnte.

Erster Teil

Kurzer geschichtlicher lTherblick bis zum Jahre 1648 A. Notwendigkeit einer solchen Darstellung Dieser geschichtliche Überblick wird nicht deshalb gebracht, weil es in der deutschen Wissenschaft schon beinahe zur festen Gewohnheit geworden ist, der wissenschaftlichen Behandlung eines Gegenstandes einen geschichtlichen Vorspann vorauszuschicken. Hier erfüllt diese Darstellung eine notwendige Funktion. Das Heilige Römische Reich hat nämlich keine Verfassung im formellen Sinn, d. h. kein Gesetz, das zum Zeitpunkt der Entstehung des Reiches in Kraft getreten wäre und abschließend alle Verfassungsfragen regeW. Die Verfassung des Reiches beruht zu einem großen Teil auf Gewohnheitsrecht, dem sogenannten Reichsherkommen. Daneben finden sich verfassungsrechtliche Regelungen in einer Vielzahl von Einzelgesetzen, Verträgen und kaiserlichen Privilegien. Besonders das Reichsherkommen, aber auch die genannten Einzelregelungen sind eng verknüpft mit dem geschichtlichen Entwicklungsprozeß und damit einem beständigen Werden und Vergehen und einer dauernden Veränderung unterworfen. Es ist daher nicht möglich, die Verfassung des Reiches für einen bestimmten Zeitpunkt verständlich darzustellen, ohne auf das geschichtliche Werden der Verfassungsinstitutionen zurückzugreifen. Deshalb erscheint es notwendig, gleich die Entwicklung der Verfassung, ihre rechtlichen Regelungen und Institutionen, bis zum Jahre 1648 hin kurz darzustellen. Nur so kann die Verfassung des Reiches im Jahre 1648 und die durch die Regelungen des Westfälischen Friedens erfolgte Umgestaltung deutlich genug aufgezeigt werden.

B. Die Begrenztheit dieser Darstellung Es ist nun nicht beabsichtigt, und wäre auch verfehlt, in diesem geschichtlichen Überblick eine möglichst vollständige VerfassungsI s. Moser ,Grundriß der Staatsverfassungen des Teutschen Reiches', 7. verb. Auflage, Tübingen 1754, Vorrede: "Das Teutsche Reich hat kein einiges, geschriebenes Gesetz, welches ganz allein und durchaus von lauter die heutige Staats-Verfassung des Teutschen Re:iches betreffenden Sachen handelt".

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1. Teil: Kurzer geschichtlicher überblick bis zum Jahre 1648

geschichte des Reiches zu schreiben. Die Darstellung unterliegt daher Beschränkungen, die sich aus dem Ziel der Arbeit ergeben. Nachdem, wie schon hervorgehoben worden ist2 , das Reich nach 1648, auf das sich die Untersuchung konzentriert, nur noch ein deutsches Reich ist, hat sich die Darstellung der historischen Entwicklung einmal auf die Vorgänge und Momente zu beschränken, die für dieses deutsche Reich nach 1648 von Bedeutung sind. Außer Betrachtung bleiben die Entwicklungslinien, die das Reich in seiner Gestalt als umfassendstes Ordnungssystem des gesamten christlichen Abendlandes betreffen. Diese Entwicklungslinien werden nur dann und insoweit beachtet, als sie die Entwicklung des deutschen Reiches unmittelbar beeinftußt haben. Im konkreten Fall bedeutet das, daß z. B. die Institution des Kaisers nur insoweit betrachtet wird, als sie das deutsche Königtum in sich enthält. Die Aspekte, die den Kaiser als den Herrn der gesamten Christenheit betreffen, werden nur insoweit berücksichtigt, als sie zugleich den deutschen König in ihm betreffen. Zum anderen werden auch die für das deutsche Reich nach 1648 bedeutsamen Entwicklungslinien nicht umfassend dargestellt werden. Folgende Überlegung ist für die Art und den Umfang ihrer Darstellung maßgebend: Es ist das Ziel dieser Arbeit, das Reich nach dem Westfälischen Frieden nach völkerrechtlichen Aspekten zu untersuchen. Um überhaupt auf den Gedanken zu kommen, das Reich unter diesem Blickwinkel zu sehen, ist Voraussetzung, daß man das Reich nach 1648, im Gegensatz zu dem einheitlichen Gebilde, das es einmal gewesen war, als eine Vielheit betrachtet. Man geht also hinsichtlich seiner geschichtlichen Entwicklung von einem Prozeß des Auseinandertriftens aus. Diesen Prozeß des Auseinanderbrechens einer Einheit in die Vielheit soll der geschichtliche Überblick aufzeigen. Es sollen also in erster Linie die Ursachen und deren Wirkungsweise hervorgehoben werden, welche die einmal vorhandene Einheit des Reiches in eine Vielheit aufgespalten haben und damit Vorbedingungen dafür sind, daß man überhaupt den Gedanken an eine völkerrechtliche Betrachtung des Reiches nach 1648 fassen kann.

2

s. oben S. 20.

Erstes Kapitel

Das frühe fränkische Reich als ein zentraler und personaler Herrschaftsverband 1. Das Frankenreich als Ausgangspunkt für das Heilige Römische Reich a) Allgemein

Das fränkische Reich ist selbst kein Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches. Aus ihm heraus aber hat sich das deutsche Reich bzw. das Heilige Römische Reich, entwickelt. Das letztere hat "nicht eine schlechthin neue Tradition begründet, es setzt vielmehr die fränkische fort 1 ". Es handelt sich bei der fränkischen Geschichte nicht um deutsche Geschichte, aber doch um deutsche Vorgeschichte, die bei der Betrachtung der deutschen Geschichte nicht außer acht gelassen werden darf. Zu viele Wirkungskräfte , die im weiteren Verlauf die Geschichte des Reiches mitbestimmen, sind in ihren Ansätzen bereits im fränkischen Reich vorhanden. b) Problem des tJbergangs vom Frankenreich zum deutschen Reich

Die Wissenschaft hat immer versucht, den Zeitpunkt zu finden, an dem dieses fränkische Reich in das deutsche Reich übergegangen sein soll. Waitz 2 ist der Meinung, daß mit dem Teilungsvertrag von Verdun 843 das deutsche Reich entstanden ist, ebenso wohl Fehr3 • Eichhorn4 und Pütter5 sehen in der Wahl Arnulfs von Kärnten den Zeitpunkt der Entstehung des Reiches, während wieder andere die Wahl Konrads I. oder Heinrichs I. nennen. Überzeugend hat Eichler6 nachgewiesen, daß nicht ein fester Zeitpunkt als Übergang vom fränkischen zum deutschen Reich angenommen werden kann. Vielmehr ist in einer sich über einen etwa Tellenbach ,Die Entstehung des Deutschen Reiches', München 1940, S. 12. z Waitz ,Deutsche Verfassungsgeschichte', Bd. IV. 3. Aufl., Darmstadt 1955, s. 701. a Fehr ,Deutsche Rechtsgeschichte', 6. Aufl., Berlin 1962, S. 67. ' Eichhorn ,Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte', Bd. I, Göttingen 1834, s. 597 ff. 1

5 Pütter ,Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reiches', Bd. I, Göttingen 1786, S. 100. 8 Eiehier ,Die Gründung des Ersten Reiches', Berlin 1942.

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1. Teil: Kurzer geschichtlicher Überblick bis zum Jahre 1648

siebenjährigen Zeitraum erstreckenden Entwicklung aus dem fränkischen Reich das deutsche Reich geworden, wobei man die Wahl Heinrichs I. als Anfang und das Jahr 925 etwa als Abschluß dieser Entwicklung ansehen kann7 • Das Unterscheidungskriterium ist dabei in dem Prinzip der Unteilbarkeit des Reiches zu sehen, als Ausfluß der mehr unpersönlichen Gestaltung des Staates, der allmählich über die ihn hauptsächlich tragenden Personen hinauswächst, im Gegensatz zu dem personalen Charakter des fränkischen Reiches 8• Eingehender braucht dieses Problem der Periodenbildung bei der Abgrenzung des deutschen Reiches vom fränkischen her nicht erörtert zu werden. Aufgabe dieses kurzen historischen Überblickes ist nur, die Hauptzüge der Verfassungsentwicklung bis zum Jahre 1648 aufzuzeigen. Was von den einzelnen Bestimmungsfaktoren noch fränkisch oder schon deutsch ist, erscheint von untergeordneter Bedeutung. 2. Entstehung des fränkischen Reiches In der Regierungszeit Clodwigs (481-511) begründet sich das fränkische Reich. Durch die Einigung der fränkischen Stämme, den Sieg über den römischen Usurpator Syagrius, der das Gebiet zwischen Loire und Somme beherrschte, und die nachfolgenden Unterwerfungen der Alemannen, Burgunder und Westgoten wird die räumliche Voraussetzung für die Entwicklung eines Reiches geschaffen. 3. Das neue Königtum Der Mittelpunkt des fränkischen Reiches, von dem die Impulse für sein Werden und die Gestaltung seiner Verfassung ausgehen , ist das Königtum. Das germanische Königtum ist ursprünglich schwach. Die Könige sind vom Volkswillen abhängig und haben nur beschränkte Befugnisse. Nur in Kriegszeiten ist ihre Stellung stärker. Im Frankenreich gelingt es dem Königtum, diese stärkere Position des germanischen Heerkönigtums, das sich durch die Verbindung der königlichen mit der dauernd gewordenen herzoglichen Gewalt gebildet hat9, auch in Friedenszeiten aufrechtzuerhalten und damit die Stellung des Königtums allgemein zu stärken10• 7 Eiehier a.a.O., S. 51; einen gestreckten Entwicklungsverlauf für die Entstehung des deutschen Reichs nimmt auch Mitteis ,Der Staat des Hohen Mittelalters', Weimar 1940, S. 115ff. an. 8 Eiehier a .a.O., S. 51 ; Teilenbach a.a.O., S. 124; s. a. Teilenbach in HZ Bd. 163 (1940), Heft 1, S. 20 ff. 9 So Mitteis ,St aat', S . 5. 10 s. dazu T eilenbach a.a.O. S . 24 ff.

1. Kap.: Das frühe fränkische Reich

29

Eine weitere Stärkung erfährt das Königtum der Franken dadurch, daß es zu den vorhandenen germanischen Elementen noch römische und kirchliche in sich aufnimmt11 • Die ehemals römischen Untertanen, welche die Franken in den von ihnen eroberten Gebieten vorfinden, bewirken, daß sich das fränkische Königtum mit Vorstellungen des römischen Kaisertums auffüllt und diese auch dem fränkischen Volksteil gegenüber zur Geltung bringt. Schließlich überträgt noch die Kirche auf den fränkischen König, der auch ihr Herr und Gebieter ist, die Vorstellungen der Heiligen Schrift von der Obrigkeit. Die Folge ist, daß auch die Könige selbst ihre Herrschaft als von Gott gegeben bezeichnen und aus diesem Grund Ehre und Gehorsam fordern. Die Hauptquelle der Staatstätigkeit bildet der königliche Hof mit den Ämtern des Seneschalls, Marschalls, Schatzmeisters, Mundschenks, des Pfalzgrafen (ständiger Beisitzer beim Hofgericht), des Referendarius (Kanzleichef) und des Majordomus. Daneben hat sich der König noch eine Art Rat geschaffen. Dieser hat aber nur beratende Funktion. Von seiner Zustimmung ist der König nicht abhängig. Überall befindet sich das Königtum im Vormarsch gegen die Institutionen des Volksrechtes. 4. Das Heerwesen

Das Heer, das gleichbedeutend ist mit dem freien Volk in Waffen, wurde ursprünglich vom Thing aufgeboten. Nun ist das Recht dazu, der sogenannte Heerbann, auf den König übergegangen. Vom Heerbann ausgehend, ergreift das Königtum alle Zweige des öffentlichen Lebens12• Er ist die stärkste Befugnis in der Hand des Königs, die Basis seiner Regierungsgewalt13• 5. Verwaltung und Finanzen

Über den königlichen Hof mit seinen Ämtern hinaus hat sich im Frankenreich auch schon eine, das Reichsgebiet umspannende, Verwaltungstätigkeit entwickelt. u s. dazu Waitz a.a.O., Bd. II, 1. Teil, S. 202, 204; ferner MUteis ,Staat', S. 5 ff., bes. 11, 13. 12 Mitteis-Lieberich ,Deutsche Rechtsgeschichte', 7. Aufl., München-Berlin 1961, s. 45. 13 s. E. R. Huber ,Heer und Staat in der deutschen Geschichte', Harnburg 1938, S. 21: " ... durch den Erwerb der Entscheidung über Krieg und Frieden (hat) das neue germanische Königtum sich konstituiert ... ".

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1. Teil: Kurzer geschichtlicher Überblick bis zum Jahre 1648

Unterstes Verwaltungsorgan ist der Tribunus oder Schultheißu. Als Dorfvorsteher ist er zugleich königlicher Beamter, der die dem König zustehenden Abgaben einfordert. Die wichtigste Funktion erfüllt das Grafenamt. Der Graf ist Vorsteher des Gaues und regelmäßiger, persönlicher Vertreter des Königs. Sein Amt umfaßt alle Bereiche des Lebens. Neben der Verwaltung besonders noch die Gerichtsbarkeit. Die gleiche Stellung wie der Graf hat der Patricius, nur daß er seine Befugnisse in einem größeren Bezirk als dem Gau ausübt15 • Schließlich ist noch der Domesticus, der Verwalter der königlichen Güter, zu nennen. Von den ehemals römischen Bürgern übernehmen die fränkischen Könige das Steuerwesen, das ihnen bis dahin fremd ist16• Das fränkische Reich kennt eine Grundsteuer, eine Kopfsteuer - der Versuch, diese Kopfsteuer auf den fränkischen Bevölkerungsteil auszudehnen, ist allerdings mißlungen -, es kennt Zölle und Münzen. Dem Königtum fließen aus Steuern und Zöllen ständige Einnahmen zu, zu denen als weitere Einkünfte noch Buß- und Sühnegelder, Tributzahlungen fremder Völker und Anteile aus der Kriegsbeute kommen.

6. Gerichtsbarkeit

Die Gerichtsbarkeit steht zunächst außerhalb dieses ganz vom Königtum getragenen Systems. Länger als andere Institutionen bleibt sie volksrechtlich17• Noch die lex salica spricht von autonomen Hundertschaftsgerichten unter dem Vorsitz des Thunginus. Nach und nach gewinnt der "königliche" Graf aber auch hier an Einfluß. Zunächst in der Form, daß die Vollstreckung der Urteile dieser Hundertschaftsgerichte ihm übertragen wird. Später verdrängt der Graf den Thunginus völlig. Er vollstreckt nicht nur, er spricht auch selbst Recht im Hundertschaftsgericht18. Neben dem Hundertschaftsgericht entwickelt sich das Königsgericht als Instanzengericht und Sondergericht für bestimmte Personen und Rechtsfälle19• s. dazu Waitz a.a.O., Bd. II 2. Teil, S. 8-12. s. dazu Waitz a.a.O., Bd. II 2. Teil, S. 50. 16 s. Waitz a.a.aO., Bd. II, 2. Teil, S. 258; auch Teilenbach a.a.O., S. 28. 1 7 Mitteis ,Staat', S. 48. ts Waitz a .a.O., Bd. II, 2. Teil, S. 158, glaubt, daß aber das versammelte Volk durch die sog. Rachinbürgen am Urteilsspruch noch mit wirkt. 19 s. d azu Mitteis-Lieberich a.a.O., S. 5·1 ff. 14

15

1. Kap.: Das frühe fränkische Reich

31

7. Wertung Es fehlt also, wie zu sehen ist, im fränkischen Reich keineswegs an einer einheitlichen Gewalt. Diese ist auch nicht schwach oder beschränkt. Alles aber hat einen zu personalen, auf die Person des Königs ausgerichteten Charakter. Der König allein ist das Haupt des Volkes, durch das es überhaupt zu einer staatlichen Gemeinschaft verbunden wird. Keine weiteren, von der Person des Königs zu trennenden Institutionen sind geschaffen, "in denen das Volk seine staatliche Einheit erkennen hätte können". "Der volle Begriff des Staates, namentlich ein Verhältnis der Angehörigen des Reiches zum Staat als solchem, war nicht vorhanden20." Überall treten die privatrechtliehen Beziehungen zum König in den Vordergrund. Wenn davon gesprochen wird, daß der König mit Hilfe von Beamten und der Hofverwaltung regiert, so darf man sich kein Beamtenturn oder keine Behörde im modernen Sinn vorstellen, denn das hieße "die falsche Vorstellung eines festen Apparates genau abgegrenzter Behörden erwecken" 21 • Gerade der Graf, die wichtigste Figur in der Verwaltung des Reiches, erscheint weniger als Beamter des Staates denn als persönlicher Stellvertreter des Königs. Das fränkische Reich ist demnach kein Staat im modernen Sinne, da sich keine eigentliche Staatsgewalt entwickelt hat22 • Stärkster Ausdruck für den personalen, privatrechtliehen Charakter des Reiches sind die nach erbrechtliehen Grundsätzen erfolgten Reichsteilungen. Wesentlicher aber als die Feststellung, ob das fränkische Reich ein Staat im modernen Sinne ist oder nicht, ist für die vorliegende Arbeit die Erkenntnis, daß es sich bei ihm um ein unter einer einheitlichen, zentralen Gewalt geeintes Gebilde handelt. Das Reich, aus dem sich das Deutsche Reich, d. h. das Heilige Römische Reich, entwickelt, erscheint als eine geschlossene Einheit.

zo Waitz a.a.O., Bd. II, 2. Teil S. 129.

Mitteis ,Staat', S. 43. Anderer Ansicht Eichhorn ,Deutsche Staats- u. Rechtsgeschichte', Göttingen 1808, Bd. I, S. 324, der davon spricht, daß die Macht des Königs zu einer echten Staatsgewalt geworden ist. 21

22

Zweites Kapitel

Entstehen des Lehnstaates. Die Funktion des Lehnswesens als Grundlage der Verfassung des Reiches 1. Die Entstehung des Lehnswesens1 Das Lehnswesen hat sich aus zwei Elementen entwickelt: Aus einem persönlichen, der Vasallität, und einem dinglichen, dem Benefizium. a) Das persönliche Element des Lehnswesens

Das persönliche Element entstammt seinerseits wieder zwei Wurzeln. aa) Die Kommendation

Die eine liegt in der gallorömischen Kommendation. Das durch sie begründete Verhältnis ist die Vasallität älteren Stils. Sie wird begründet, indem der Vasall die gefalteten Hände in die Hand des Herrn legt. Er tritt damit unter die Gewalt und den Schutz des Herrn (dominus, senior). Eine Minderung seiner Freiheit oder seiner politischen Rechte tritt nicht ein, doch ist er dem Herrn zu lebenslangem Dienst und Gehorsam (servitutem et obsequium) verpflichtet. Die unbedingte Gehorsamspflicht ist der Kern der Kommendation2 • bb) Die Gefolgschaft

Die andere Wurzel liegt in der germanischen Gefolgschaft. Durch den aus ihr fließenden Gedanken der Treue wird die Vasallität alten Stils veredelt. Aus dem Knechtsdienst wird ein Ehrendienst3 • Der Treueid begründet jetzt das persönliche Band. Die Treue fordert nicht nur einzelne Dienste des Vasallen, sondern ein Gesamtverhalten: Alles tun, was dem Herrn nützt. Aber die Treue ist gegenseitig, sie verpflichtet auch den Herrn. Die Treuwidrigkeit des Herrn berechtigt den Vasall zur Treuaufsage und zum Widerstand. Erst diese veredelte Vasallität wird staatspolitisch bedeutsam. 1 2 3

s. dazu Mitteis-Lieberich a .a.O., S. 54 ff.; ferner Mitteis ,Staat', S. 16 u. 58 ff. Mitteis ,Staat', S. 59. Mitteis-Lieberich a.a.O., S. 55.

2. Kap.: Das Lehnswesen als Grundlage der Verfassung

33

b) Benefizium

Das Benefizium ist die zur Treupflicht des Herrn hinzutretende sachliche Gegenleistung. Es besteht in der Verleihung dinglicher Bodenrechte oder öffentlicher Ämter. Es hat seine Vorläufer in den Landschenkungen der Merowinger an ihre Gefolgsleute. c) Verbindung von Vasallität und Benefizium

Der entscheidende Vorgang liegt nun in der Verbindung von Vasallität und Benefizium. Vasallität und Benefizium bedingen einander, wobei es ursprünglich so ist, daß die Vasallität als Rechtsgrund des Benefiziums erscheint (Vasallitisches Benefizium). Durch diese Verbindung von Vasallität und Benefizium, die sich im fränkischen Reich vollzieht\ ist das Lehnswesen entstanden.

2. Einbau des Lehnswesens in die Reichsverfassung Das Lehnswesen ist ursprünglich keine staatliche Schöpfung. Es ist unterhalb des Staates als Ausdruck adeligen Machtstrebens entstanden. Unter den Karolingern vollzieht sich der Einbau des Lehnswesens in die Reichsverfassung5• Die Vasallität neuen Stils bewirkt eine Verstärkung des persönlichen Bandes zum König, der jetzt vor allem oberster Lehnsherr im Reich ist. In ihm gipfelt die Lehnspyramide. a) Umgestaltung der Verfassungsinstitution en

Durch diesen Einbau des Lehnswesens in die Reichsverfassung gestalten sich die einzelnen Verfassungsinstitutio nen um. aa) Hofämter

Von besonderer Bedeutung ist, daß die Hofämter nunmehr als Lehen vergeben werden. Durch die besondere Lehenstreue, die der Inhaber dem König schuldet, wird eine straffere Staatsverwaltung ermöglicht. Andererseits kann das Amt seinem Inhaber nur noch bei einem Verstoß gegen seine Pflichten als Vasall entzogen werden6 . Im übrigen behält der Königliche Hof im Zeitalter des Lehnstaates im ganzen gesehen die gleiche Struktur und die gleichen Ämter wie im frühen fränkischen Reich. Als bedeutsame Neuerung ist nur zu vermer4 Die Normen des Lehnsrechtes haben sich in fränkischer Zeit erst langsam gebildet. Sie beruhen noch mehr auf Verträgen als auf Gesetzen. Etwa seit Karl dem Großen ist gerade für das vasallitische Benefizium ein ganzes System von Rechtssätzen entstanden (Mitteis-Lieberich a.a.O., S. 57). 5 Mitteis ,Staat', S. 68. 8 Mitteis-Lieberich a.a.O., S . 58.

3 Randelzhofer

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1. Teil: Kurzer geschichtlicher Überblick bis zum Jahre 1648

ken, daß der Erzbischof von Mainz seit 965 Erzkanzler des Reiches ist. Da er aber nicht ständig bei Hofe ist, wächst die Bedeutung seines ersten Untergebenen, des ständig am Hofe weilenden Kanzlers (Reichskanzlerf.

bb) Heerwesen Auch im Heerwesen vollziehen sich bedeutsame Wandlungen. Spätestens im 9. Jahrhundert wird das bäuerliche Volksheer vom ritterlichen Vasallenheer abgelöst. Grundlage des Kriegsdienstes ist nun nicht mehr die allgemeine Wehrpflicht, sondern die Vasallität, d. h. die besondere Treupflicht der Großen des Reiches gegenüber dem König und die der Gefolgsmänner gegenüber dem Grundherren8 • Jeder Lehnsmann ist seinem Lehnsherrn - in letzter Konsequenz also dem König als oberstem Lehnsherrn - gegenüber verpflichtet, ein Kontingent von Truppen zur Bildung des Reichsheeres zu stellen. Das bringt aber zunächst noch keine volle Feudalisierung des Heerwesens mit sich9 , denn bis zum 12. Jahrhundert hat der König (bzw. Kaiser) das unumschränkte Aufgebotsrecht und bestimmt die Stärke der Kontingente, die neben der Reiterei auch noch Fußvolk umfassen10• "Das Heer steht trotz der Stufung der Lehnsordnung dem König als eine Einheit zu Gebot11." Je mehr sich allerdings die Stufen der Lehnspyramide verfestigen, um so mehr verliert der König die Möglichkeit, die Untervasallen militärisch direkt zu erfassen, und um so abhängiger wird er von den Zwischenherren. Seit Heinrich V. hat er das Aufgebotsrecht nur noch unter Mitwirkung der Großen des Reiches, mit deren Zustimmung die Stärke des Heeres, die Verteilung der Kontingente, Ort und Zeit des Zusammentrittes bestimmt werden12 •

cc) Verwaltung Die Struktur der Verwaltung ändert sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht gegenüber der im fränkischen Reich. Die Grafschaft ist nach wie vor der Verwaltungsbereich des Gaues. Unter den Grafen erscheinen nun auch Vizegrafen als Stellvertreter des Grafen und die sogenannten Waltpoten, deren Stellung nicht ganz klar ist. Sie werden 7 s. Schulte ,Der deutsche Staat, Verfassung, Macht und Grenzen 1919-1914', Stuttgart-Berlin 1933, S. 52. s Huber ,Heer und Staat', S. 38. 8 Mitteis ,Staat', S. 72. 10 Weigel ,Die Kriegsverfassung des alten Deutschen Reiches von der Wormser Matrikel bis zur Auflösung', Bamberg 1912, S. 2. 11 Huber ,Heer und Staat', S. 43. 12 Weigel a .a.O., S. 2. Das gilt allerdings nur hinsichtlich des Aufgebotes zu Römerzügen oder anderen Heerfahrten. Die "Landfolge" (Pflicht zur Landwehr bei feindlichen Einfällen) bleibt eine unmittelbare Pflicht aller gegenüber dem König, die sich nicht kraft Lehnsrecht, sondern kraft Landrecht ergibt.

2. Kap.: Das Lehnswesen als Grundlage der Verfassung

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bald neben, bald unter den Grafen genannt13 • Auch das Grafenamt wird nun als Lehen vergeben. Der Graf ist damit nicht mehr nur Beamter des Königs, er ist Vasall und hat damit dem König gegenüber eine engere, stärkere Stellung als zuvor. Auf dem Gebiet des Finanzwesens 14 läßt sich kein direkter Einfluß des Lehnswesens feststellen. Allgemein aber ist gegenüber dem frühen fränkischen Reich in der späteren Zeit des Lehnstaates eine gewisse Rückwärtsentwicklung nicht zu verkennen. Nach wie vor fließen zwar dem König aus den verschiedensten Quellen Einnahmen zu, neu hinzukommen in immer stärkerem Maße Einkünfte aus der Vergabe von Bannrechten und Privilegien, doch hat keine dieser Einkünfte den Charakter einer öffentlichen Steuer. Was in frühfränkischer und noch in der karolingischen Zeit in dieser Art vorhanden war, tritt ganz in den Hintergrund.

dd) Gerichtsbarkeit Das Grafengericht ist auch im Lehnstaat die wichtigste Institution der Gerichtsbarkeit. Es teilt damit das Schicksal der Grafschaft überhaupt und wird zum Lehen. Da aber die zentrifugalen Tendenzen des Lehnswesens erst später wirksam werden, wandelt sich die tatsächliche Übung der Gerichtsbarkeit zunächst nicht. Allein dadurch aber, daß das Grafengericht Lehen wird, sind die Grundlagen zum späteren Wandel gelegt. Ein grundsätzlicher Wandel vollzieht sich dann um die Wende des 12. Jahrhunderts durch den allmählichen Wegfall der Pflicht des Grafen zur persönlichen Wahrnehmung der Gerichtsbarkeit 15 • Damit ist ein entscheidender Schritt getan, durch den die richterliche Tätigkeit des Grafen weitgehend ihren Charakter als Amt verliert. Immer noch ist aber der König die Quelle aller Gerichtsbarkeit. Wo er sich aufhält, wird ihm alle Gerichtsbarkeit ledig. Das Königsgericht, dessen Vorsitzender allein der König ist, hat eine unbeschränkte Zuständigkeit. Es ist nicht nur lnstanzengericht, sondern kann jeden Rechtsstreit, solange er nicht beendet ist, von jedem anderen Gericht an sich ziehen. Damit ist - wenigstens theoretisch- die Einheitlichkeit der Gerichtsbarkeit gewahrt.

3. Das Lehnswesen als äußerer Rahmen der Verfassung Unterschiedliche Ausgestaltung dieses Rahmens

Bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts ist das Lehnswesen- um einen bildhaften Ausdruck zu gebrauchen- der Rahmen der Verfassung des Reiches. Es ist aber auch nicht mehr als der Rahmen. Keineswegs ist es 1a s. Waitz a.a.O., Bd. VII, S. 34 fi. 14

15

s•

s. dazu Waitz a.a.O., Bd. VIII, S. 218 fi. Mitteis-Lieberich a.a.O., S. 125.

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1. Teil: Kurzer geschichtlicher Überblick bis zum Jahre 1648

das allein die Verfassung beherrschende System18 • Innerhalb dieses Rahmens gestaltet sich die Verfassung des Reiches unter den jeweiligen einzelnen Königen (bzw. Kaisern) z. T. sehr verschieden. Es darf daher nicht von der Vorstellung ausgegangen werden, daß das Reich vom 9. Jahrhundert bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, in dem Zeitraum, in dem wir es als einen Lehnstaat17 bezeichnen, ein gleichbleibendes Gebilde ist. a) Das Reich unter einzelnen Kaisern

Es ist hier nicht der Ort, die verschiedenen verfassungsmäßigen Gestaltungen, die das Reich in diesem Zeitraum erfahren hat, genau wiederzugeben. Nur die wichtigsten davon, die das Reich unter einzelnen Kaisern erhalten hat, können kurz skizziert werden.

aa) Karl der Große Unter Karl d. Großen ist die Gau- oder Grafenverfassung im Reich am stärksten ausgeprägt. Das ganze Reich gliedert sich in die Verwaltungs- und Gerichtsbezirke der Grafschaften. Das Stammesherzogtum, das bisher für die Grafschaft eine Einschränkung und ständige Bedrohung dargestellt hat, wird beseitigt19 , die Bedeutung des Grafenamtes, dessen Amtscharakter klar hervortritt, wird gefestigt. Die wesentliche Institution aber, durch die eine straffe und einheitliche Regierung des Reiches gewährleistet wird, sind die königlichen Sendboten, die Missi20 , die, mit weitgehenden Befugnissen versehen, die ihnen zugewiesenen Provinzen bereisen und die Tätigkeit der Grafen kontrollieren oder z. T. an deren Stelle tätig werden. Im ganzen ist im Reich Karls 18

So richtig Stowasser ,Das Land und der Herzog', Berlin 19·25, S. 11. Dopsch ,Verfassungs- u. Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters', Wien 1928, S. 126, hält es für unrichtig, das mittelalterliche Reich als einen Lehnstaat zu bezeichnen. Dopsch ist aber nur für den Fall zuzustimmen, daß mit der Bezeichnung als Lehnstaat die Vorstellung eines im ganzen Zeitraum gleichermaßen und völlig vom Lehnswesen getragenen Gebildes hervorgerufen werden soll. Dagegen erscheint es durchaus zulässig und zweckmäßig, das Reich als Lehnstaat zu bezeichnen, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß in diesem Zeitraum das Lehnswesen der gleichbleibende äußere Rahmen der Verfassung ist. In diesem Sinne auch v. Below ,Der deutsche Staat des Mittelalters', 1. Bd., Leipzig 1914, der aber im Endergebnis die Bezeichnung Lehnstaat auch ablehnt und Feudalstaat vorschlägt (S. 319). 18 Das Reich Karls d. Großen steht ganz am Anfang, fast noch vor der Zeit des Lehnstaates. Will man für diese Zeit keinen eigenen Abschnitt bilden, dann erscheint es aber eher gerechtfertigt, sein Reich der Zeit des Lehnstaates zuzuordnen, als dem Abschnitt über das frühe fränkische Reich. 19 So schafft Karl z. B. auf dem 1. Reichstag zu Regensburg 788 die herzogliche Würde in Bayern ab und teilt das Land in mehrere Grafschaften auf (s. Trapp ,Die Regensburger Reichs.tage', Regensburg 19·21, S. 7.) 20 Eichhorn a.a.O., Bd. I, S. 278. 16

17

2. Kap.: Das Lehnswesen als Grundlage der Verfassung

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d. Großen, obgleich es immer noch einen weitgehend personalen Charakter aufweist 21 , ein stärkeres Hervortreten öffentlich-rechtlicher Momente zu beobachten.

bb) Otto der Große Die einheitliche Regierung des Reiches geht unter den Nachfolgern Karls verloren. Die Gau- oder Grafenverfassung löst sich z. T. auf, das Stammesherzogtum ersteht neu und das Reich verliert mehr und mehr seinen Charakter als einheitliches, monarchisches Gebilde. Erst unter Otto I., unter dessen Herrschaft das Deutsche Reich zum Heiligen Römischen Reich wird, wird die Einheit des Reiches wieder gefestigt. Der Amtscharakter des Herzogtums wird wieder hergestellt 22 , die wichtigsten Ämter im Reiche werden mit geistlichen Fürsten besetzt. Damit gewinnt Otto I. für das Reich eine für die damalige Zeit hoch gebildete Beamtenschaft, bei der die Gefahr, daß die ihr übertragenen Lehen nur im Sinne des persönlichen, dynastischen Interesses des Inhabers verwaltet werden, nicht gegeben ist. Bis zum Wormser Konkordat können sich die Kaiser in ihrem Bemühen, das Reich als einen monarchischen Einheitsstaat zu regieren, auf die Unterstützung und Hilfe der geistlichen Fürsten, der Bischöfe und Äbte, stützen23 •

cc) Heinrich IV. Heinrich IV. 24 unternimmt den Versuch, die monarchische Gewalt auf eine breite Grundlage zu stellen, und will die direkte Verbindung des Kaisertums (Königtums) zu den niederen Volksschichten und besonders zu den aufblühenden Städten herstellen. In verstärktem Maße zieht er den niederen Adel zum Reichsdienst heran. Seine Bemühungen aber scheitern. Das Stufensystem des Lehnswesens und die daraus folgende Abschnürung des Herrschers vom Volk ist schon zu stark.

dd) Friedrich I. Friedrich I. regiert das Reich noch einmal ganz im Stile eines starken Monarchen. Er steigert durch die Anknüpfungen an das römische Recht die kaiserlichen bzw. königlichen Herrschaftsrechte, schafft die Reichss. dazu Waitz a.a.O., Bd. IV, S. 643. Huber ,Heer und Staat', S. 48. 23 Darin liegt die für das Reich schwerwiegende Folge des Wormser Konkordates, daß es die enge Beziehung zwischen dem Kaiser und den geistlichen Fürsten löst und damit dem Reich jene Kräfte entzieht, die bis dahin eine Art Beamtenschaft des Reiches darstellen und entscheidend dazu beigetragen haben, daß das Reich eine Einheit geblieben iSJt. Die Bischöfe werden von Trägern der Reichsverwaltung zu geis.tlichen ReichsfürSJten (Mitteis-Liebereich a.a.O., S. 87). !' s. dazu Waitz a.a.O., Bd. VIII, S. 427 ff. 21

22

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1. Teil: Kurzer geschichtlicher Überblick bis zum Jahre 1648

verwaltung, vermehrt die Einnahmequellen des Kaisers, erläßt 1152 den Landfrieden als Grundlage einer Reichsgesetzgebung und unternimmt den bedeutsamen Versuch, in Schwaben und Franken ein "Königsland" zu schaffen, wie es in Frankreich die lle de France ist. Gerade er aber leitet durch die Schaffung der Markgrafschaft Österreich, in der zum ersten Male der Typus der Gebietsherrschaft im Gegensatz zu dem der Stammesherrschaft erscheint, eine Entwicklung ein, die die Auflösung des Reiches als Einheitsstaat bewirken wird 25 • Diese Entwicklung wird schon mit dem Ausgang des Zeitalters des Lehnstaates unter Friedrich 11. deutlich werden26 • 4. Wertung

Auch im Zeitalter des Lehnstaates erscheint das Reich grundsätzlich als ein einheitliches Gebilde. Das Lehnswesen, als Rahmen der Verfassung, bewirkt als solches keinesfalls, daß das Reich keine Einheit mehr darstellen könnte 27• Im Gegenteil, solange es gelingt, das persönliche Element des Lehnswesens, die Treue gegenüber dem Lehnsherrn (dem König), besonders zu betonen, ist das Lehnswesen sogar ein ideales Instrument zur Schaffung und Erhaltung der Einheit des Reiches 28 • Unter Herrschern, denen das gelingt, wie Otto I., Heinrich III., Friedrich I. u. a., ist das Reich auch tatsächlich ein monarchischer Einheitsstaat29 •

Mitteis-Lieberich a.a.O., S. 89 ff.; ferner Mitteis ,Staat', S. 288 ff. s. darüber unten S. 47 ff. 27 Unzutreffend Spangenberg ,Die Entstehung des Reichskammergerichtes und die Anfänge der Reichsverwaltung', in Sav.Z.RG Bd. 46 (1926), S. 238, der meint, daß wegen der Natur des Lehnswesens eine einheitlich gegliederte staatliche Verwaltung nicht möglich gewesen sei. 28 Durchaus zutreffend sagt Häberlin ,Handbuch des Teutschen Staatsrechts', Bd. I, Frankfurt und Leipzig 1794, S. 209': " ... das Lehnsystem, das in Zeiten, in denen man von Unterthanenpfl.ichten nur wenig wußte, der königlichen Gewalt sehr vorteilhaft war, indem es sie noch mehr befestigte." 29 Über die Frage, ob dem Reich des Mittelalters wahre Staatlichkeit zukommt, vgl. Brunner a.a.O., S. 133 ff. und die dort genannten Autoren; ferner Dopscll a.a.O., S. 106 ff. und Mitteis ,Staat', S. 3. Dem Reich des Mittelalters fehlt es weder an Gebiet noch Volk, noch - wenigstens unter den starken Herrschern - an einer einheitlichen Staatsgewalt. Es trägt auch nicht mehr den personalen Charakter des frühen fränkischen Reiches. Der Gedanke des abstrakten, von der Person des Herrschers gelösten Staates war dieser Zeit nicht mehr fremd. Deutlich erkennen wir dies in den Worten Konrads II. an die Bürger von Pavia: "Wenn der König gestorben ist, so ist doch das Reich geblieben, wie das Schiff bleibt, wenn der Steuermann fällt" (zitiert bei Tellenbach a.a.O., S. 137). Es spricht daher alles dafür, dem mittelalterlichen Reiche echte Staatlichkeit zuzusprechen. 25

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Drittes Kapitel

Die Wandlung des Reiches zur reinen Wahlmonarchie1 1. Der Vorgang a) Ursprünglich Geblütsrecht

Ursprünglich richtet sich im frühen fränkischen Reich, wie in allen Reichsgründungen der Germanen in dieser Zeit, die Thronfolge nach dem sogenannten Geblütsrecht, einer Mischung des Erb- und Wahlprinzips. Das Königtum ist verbunden mit einem bestimmten Geschlecht, das in der Vorstellung des Volkes göttlichen Ursprungs ist. Wer aus diesem Geschlecht König wird, das wird durch die Wahl bestimmt. b) Faktische Erbmonarchie unter den Karolingern und den Sachsenkaisem

Das Geblütsrecht bleibt zumindest bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts die Grundlage der Thronfolge, wenngleich mit der Wahl Heinrichs I. ein frühes Beispiel für die Durchbrechung des Geblütsrechts gegeben ist. Unter den Karolingern und Sachsenkaisern erfährt die Thronfolge nach Geblütsrecht aber eine Ausgestaltung, die das Reich als eine wenigstens faktische Erbmonarchie erscheinen läßt. Die Könige bzw. Kaiser bestimmen schon zu ihren Lebzeiten ihre Söhne zu ihren Nachfolgern, und es gelingt ihnen, diese Designation durch eine Wahl, die damit nur noch den Charakter einer Zustimmung trägt, bestätigen zu lassen2 • Immerhin bleibt diese, wenn auch nur bestätigende Wahl auch in dieser Zeit erforderlich. Nur in tatsächlicher Hinsicht kommt das Reich einer Erbmonarchie nahe3 • c) Ursprünglich Wahl durclt das Volk

Anfänglich erfolgt die Wahl des Königs durch das ganze Volk, d. h. die Gesamtheit der freien Männer. Bis in das 12. Jahrhundert kann von s. dazu besonders Bryce ,The Holy Roman Empire', London 1956, S. 230 ff. So regelt z. B. Otto I. auf dem 15. Regensburger Reichstage 9·61 seine Nachfolge, indem er seinen erst siebenjährigen Sohn zum römischen König wählen läßt. a s. Mitteis-Lieberich a.a.O., S. 75; dagegen bezeichnet Eichhorn a.a.O., Bd. I, S. 201, das fränkische Reich zu Unrecht ohne Einschränkung als eine Erbmonarchie. 1

2

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1. Teil: Kurzer geschichtlicher Überblick bis zum Jahre 1648

einer Volkswahl gesprochen werden, allerdings in dem Sinn, daß der Stammesadel wählt und das versammelte Volk durch das Aneinanderschlagen der Waffen (die Vollbart) seine Zustimmung erteilt. Es ist aber noch echte Volkswahl, da die Vollbart des Volkes noch die wirkliche Ausübung des ihm zustehenden Wahlrechtes darstellt 4 • d) Vbergang des Wahlrechts auf bestimmte Fürsten

Das Wahlrecht des Volkes tritt jedoch mit der Zeit immer mehr zurück und geht schließlich ganz und ausschließlich auf einige bestimmte Fürsten über, wobei gleichzeitig das Wahlrecht völlig frei wird von der Beschränkung des Geblütsrechts, d. h. nicht nur Angehörige eines bestimmten Geschlechtes können zum König (bzw.Kaiser) gewählt werden.

aa) Die drei Stadien der Wahl Um die Stufen dieser Entwicklung zu zeigen, ist zunächst die kurze Darstellung der drei Stadien erforderlich, die bei der Wahl eines deutschen Königs unterschieden werden können. Am Anfang stehen die Beratungen und Verhandlungen der Großen des Reichs, die damit enden, daß aus einer Zahl von möglichen Kandidaten einer vorgeschlagen wird. Diese Beratungen sind an keine Form gebunden, es gibt keine Abstimmungsordnung. Nicht so sehr die Mehrheit der Stimmen, als vielmehr das Ansehen und der Einfluß des einzelnen, entscheiden. Darauf folgt als zweites die feierliche Erklärung der Fürsten, daß sie eine bestimmte Person zum König wählen wollen. Darin liegt die formale electio5 • Schließlich kommt dazu noch die Zustimmung der Grafen, des niederen Adels und die des Volkes.

bb) Hervortreten einzelner hervorragender Persönlichkeiten In der zweiten Phase der feierlichen Erklärung der Fürsten ist schon frühzeitig das Hervortreten einzelner hervorragender Personen zu beobachten. So hat, um nur einige Beispiele zu nennen, Hatto von Mainz den bedeutendsten Anteil an der Erhebung Konrads !. 8 • Eberhard, der Bruder Konrads I., ruft zu Fritzlar vor allem Volke Heinrich I. zum 4 Pütter ,His,torische Entwicklung', Bd. I, S. 133, berichtet, daß die Wahl Konrads II. "von der ganzen Volksmenge" geschah. 5 Die Formel ist: "Ich kiese zu einem Herrn und König, zum Richter und Verteidiger des Reiches" (Waitz a.a.O., Bd. VI, S. 201). 6 Waitz a.a.O., Bd. VI, S. 193.

3. Kap.: Die Wandlung des Reiches zur reinen Wahlmonarchie

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König aus7 • Hildebert von Mainz stellt zu Aachen Otto I. dem Volke als König vor und Adelbert von Mainz ist es, der Lothar I. die Krone verschafft. Die dritte Phase, die Zustimmung des niederen Adels und des Volkes, verliert in demselben Maße, wie die zweite Phase gewinnt, an Bedeutung. Noch aber ist dieses Hervortreten hervorragender Personen, die die Wahl entscheidend beeinflussen, mehr eine Tatsache denn die Folge eines diesen Personen zustehenden Rechtes. Der Kreis dieser Personen ist nirgends fixiert.

cc) Die "deliberatio super tribus electis" Der Weg, wie sich daraus ein fest umgrenztes Kollegium bildet, ist nicht in allen Einzelheiten erkennbar. Eine der wichtigsten Stationen auf diesem Weg ist zweifelsohne die deliberatio super tribus electis von Innozenz III.8 , in der die Teilnahme der drei rheinischen Erzbischöfe und des Pfalzgrafen bei Rhein als für die Königswahl unentbehrlich bezeichnet wird. "Diese Entscheidung hat die Geschichte des Königswahlrechtes tief beeinflußt. Jetzt wird die Königswahl ein an feste Regeln gebundenes Rechtsgeschäft. Zugleich wird sie notwendig reine Fürstenwahl, die Teilnahme des Volkes fällt weg9 ."

dd) Die Regelung des Sachsenspiegels Den ersten Niederschlag findet diese Entscheidung im Sachsenspiegel, der die drei rheinischen Erzbischöfe, den Pfalzgrafen bei Rhein und dazu noch den Herzog von Sachsen und den Markgraf von Brandenburg als die Ersten bei der Kur nennt, dem König von Böhmen, den andere noch dazurechnen wollen, aber dieses Recht bestreitet, weil er kein Deutscher seP0 • Es ist aber zu beachten, daß der Sachsenspiegel, der nur noch die Fürstenwahl und nicht mehr die Volkswahl kennt, noch nicht das alleinige Wahlrecht der Kurfürsten statuiert. Sie sollen nur die Ersten bei der Kur sein, nach ihnen kiesen die übrigen Fürsten. Durch die hervorragende Stellung der Kurfürsten aber gerät das Wahlrecht der übrigen Fürsten in Wegfall und es entwickelt sich das alleinige Wahlrecht der Kurfürsten11 • Tellenbach, a.a.O., S . 108. s. darüber Mitteis-Lieberich a.a.O., S. 98. 9 Mittels-Lieberich a.a.O., S. 98. to Vgl. § 147 Sachsenspiegel, wiedergegeben unter Nr. 57 bei Zeumer ,Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit', 2. vermehrte Aufl., Tübingen 1!H3. u s. Mitteis-Lieberich a.a.O., S. 99. 7

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1. Teil: Kurzer geschichtlicher Überblick bis zum Jahre 1648

ee) Der Kurverein zu Rhense Eine Bestärkung erfährt dieses alleinige Wahlrecht der Kurfürsten durch ihre auf dem Kurverein zu Rhense 1338 erfolgte Erklärung, daß der von den Kurfürsten einstimmig oder mit Mehrheit Gewählte allein durch diese Wahl rechtmäßiger römischer König sei, ohne der Bestätigung durch den Papst oder anderer Personen zu bedürfen. Das Königtum, in seinem Kampf mit dem Papsttum froh über diese Unterstützung, akzeptiert diese Erklärung und stärkt damit die Stellung der Kurfürsten. ff) Die Goldene Bulle

Die endgültige Regelung der Königswahl erfolgt 1356 durch die Goldene Bulle. Das alleinige Wahlrecht der im Sachsenspiegel genannten Fürsten, und dazu des Königs von Böhmen, wird gesetzlich niedergelegt. Frankfurt wird Wahlort. Der Erzbischof von Mainz beruft die Kurfürsten zur Königswahl und leitet die Wahl. Er fragt die Stimmen ab in der Reihenfolge: Trier - Köln - Böhmen - Pfalz - Sachsen Brandenburg- Mainz12•

2. Bedeutung für die Verfassungsentwicklung des Reiches Dadurch, daß es sich zur reinen Wahlmonarchie gewandelt hat, wird im Reich die Macht des Herrschers nicht nur beschränkt, sondern letztlich verhindert, daß sich das Reich als ein Einheitsstaat mit ausreichender einheitlicher Staatsgewalt behaupten kann13• Immer stärker benützen die Kurfürsten ihre Stellung dazu, sich die Wahl durch Zugeständnisse an sich und die übrigen Fürsten abkaufen zu lassen. Dem Reich werden dadurch ständig Rechte und Befugnisse entzogen. Wie sehr die Fürsten das Wahlsystem als einen Grundpfeiler ihrer Libertät gegenüber dem Reich erkennen, geht daraus hervor, daß sie die angebotenen weitgehenden Zugeständnisse Heinrichs VI. - u. a. volle Erblichkeit der Lehen auch in der Seitenlinie- nicht zur Annahme des von diesem vorgelegten Erbreichsplanes bewegen konnten14•

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Goldene Bulle, Cap. II und IV, unter Nr. 148 bei Zeumer ,Quellen'.

1s Bryce a.a.O., S. 242: "The elective system is moderating the power of the

crown ... in Germany, however, this moderating power destroyed at last the Empire. 14 s. darüber Mitteis-Lieberich a.a.O., S. 93.

Viertes Kapitel

Der Zerfall des Lehnstaates und die Grundlagen der Entwicklung der Territorien des Reiches zu Staaten Bis zum 13. Jahrhundert ist das Reich auf der Grundlage des Lehnswesens ein einheitlicher Staat. Seit den Anfängen des Reiches sind aber schon Kräfte vorhanden, die dieser Einheit entgegenwirken. Im 13. Jahrhundert brechen diese Kräfte durch. Das Lehnswesen verliert seine Rolle als einheitsfördernde, verfassungsrechtliche Grundlage des Reiches und verkehrt sich in das Gegenteil. Die Grundlagen der Territorialstaatsbildung treten deutlich hervor.

1. Die zentrifugalen Tendenzen des Lehnswesens a) Verdinglichung des Lehnswesens

Das persönliche Element, die Treue zwischen Lehnsherr und Vasall, spielt ursprünglich die führende Rolle gegenüber dem dinglichen Element. Nun aber tritt eine Verdinglichung des Lehnswesens ein. Nicht mehr der Dienst und die Treue des Vasallen sind der Rechtsgrund des Benefiziums, sondern Treue und Dienst werden dem Lehnsherrn nur mehr deshalb geschuldet, weil man von ihm Land oder ein Amt zu Lehen erhalten hat1 • Die Beziehung des Vasallen zu dem ihm verliehenen Land oder Amt treten stark in den Vordergrund. Der Gedanke, daß es sich bei dem Lehen nur um "geliehenes" Land, bzw. nur um ein Amt handelt, tritt zurück. Mehr und mehr wird das "geliehene" Land wie Eigentum (Allod) des Vasallen betrachtet. Das Amt verliert seinen Amtscharakter und erscheint als eigene öffentlich-rechtliche Gewalt des Inhabers. b) Aufkommen des Lehnzwanges

Diese Entwicklung wird durch das Aufkommen des Lehnzwanges noch verstärkt. Der König ist früher frei in seiner Entscheidung, ob er ein 1 In Deutschland tritt diese Entwicklung gegen Ende der Stauferzeit klar zutage. Frankreich hat diese Umkehrung des Lehnswesens nie erlebt. Dort gelingt es dem Königtum, durch die dauernde, starke Betonung des persönlichen Elementes, einen Einheitsstaat zu schaffen.

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1. Teil: Kurzer geschichtlicher überblick bis zum Jahre 1648

eingezogenes oder heimgefallenes Lehen für sich behalten oder wieder als Lehen ausgeben will. Bald aber bildet sich das Recht aus, daß der König ein durch den Tod des Vasallen (Mannfall) an ihn heimfallendes Lehen wieder als Lehen ausgeben muß. Im ausgehenden 12. Jahrhundert gilt dann schon der Satz, daß der König nicht nur heimgefallene, sondern auch wegen Treubruchs des Vasallen eingezogene Lehen nicht länger als über "Jahr und Tag" behalten darf und dann wieder als Lehen ausgeben muß2 • c) Mediatisierung der Untertanen

Durch den Lehnzwang wird zugleich verhindert, daß die Lehnspyramide verkürzt wird. Der Reichsfürstenstand, d. h. der Stand der Kronvasallen, ist nicht mehr zu durchbrechen. Er umgibt den König wie eine Isolierschicht und führt zur Mediatisierung der Untertanen. Dem König wird es unmöglich gemacht, direkt auf den niederen Adel und das Volk einzuwirken. Auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens macht sich diese Mediatisierung zum Nachteil der königlichen Gewalt bemerkbar3. Die Substanz eines Staates, das Volk, ist vom König abgeschnitten. d) Erblichwerden der Lehen

Die letzte Verschärfung seiner zentrifugalen Tendenzen erhielt das Lehnswesen durch das Erblichwerden der Lehen. Ansätze dazu machen sich schon sehr früh bemerkbar. So in dem Kapitular von Kiersy 877, in dem den Söhnen der westfränkischen Vasallen Karls des Kahlen, die auf dem bevorstehenden Italienzug fallen würden, die Länder und Ämter ihrer Väter versprochen werden4 • Im 13. Jahrhundert ist es dann allgemein bekannt, daß das Lehen beim Tod des Vasallen zwar an den Lehnsherrn zurückfällt, der Sohn des Vasallen aber einen persönlichen Anspruch gegen den Lehnsherrn darauf hat, mit dem Lehen investiert zu werden. 1 Das augenfälligste Beispiel für die Wirksamkeit dieses Satzes ist der Prozeß gegen Heinrich d. Löwen. Dem Kaiser war es zwar gelungen, seinen stärksten Vasallen zu stürzen, doch konnte er daraus für das Reich keinen Nutzen mehr ziehen. Er war gezwungen, die eingezogenen Lehen wieder auszugeben. "Die Fürsten verteilten das Fell des Löwen" (Mitteis-Lieberich a.a.O., S. 92). 3 Ganz besonders gilt das für das Heerwesen. Der König büßt seine Stellung als Inhaber des allgemeinen Heerbannes ein. Er hat keine Möglichkeit mehr, das Volk als solches aufzubieten. Nur die Kronvasallen kann er noch aufbieten. Diese üben über ihre Kontingente die selbständige Kommandogewalt. In der Funktion der Reichsfürsten als Führer der militärischen Kontingente des Reichsheeres liegt ein wichtiges Element in dem Prozeß ihrer Entwicklung zu Landesherren (s. Huber ,Heer und Staat•, S. 43). 4 s. Mitteis ,Staat•, S. 110.

4. Kap.: Grundlagen der Territorialstaatsbildung

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2. Auswirkung auf das Grafenamt

Für das Reich ist diese Entwicklung des Lehnswesens insoweit von größter Bedeutung, als sie das Grafenamt betrifft. Dieses wichtigste Institut der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit des Reiches verliert, vor allem unter dem Einfluß der Erblichkeit der Lehen5 , seinen Charakter als Amt und wird zu einem Gebiet, das der Graf kraft eigenen Rechtes beherrscht. Damit wird es zu einer Keimzelle der Landeshoheit und der Terri torialstaa tlichkei t. 3. Die Immunität

Die "Entartung" des Grafenamtes ist aber keineswegs die einzige, ja nicht einmal die stärkste Wurzel der Territorialstaatlichkeit. Diese Bedeutungkommt eher der Immunität zu8 • a)

Allgemein

Der ursprüngliche Inhalt der Immunität besteht darin, daß es dem königlichen Beamten (Graf, Missus usw.) verboten ist, das Immunitätsgebiet zu betreten und dort hoheitliche Befugnisse auszuüben7 • Schon in fränkischer Zeit wird die Immunität als Privileg meist geistlichen Fürsten oder Klöstern verliehen8 • Diese fränkische Immunität stellt aber noch keine Gefahr für die Einheit des Staates dar. Sie gewährt durch direkte Unterstellung unter den König, für den das Verbot des Betretens der Immunität nicht gilt, z. T. sogar Schutz gegen die Übergriffe mächtiger Fürsten9 • Das Verbot des Introitus des königlichen Beamten ist aber nur der negative Inhalt der Immunität. Diese füllt sich mit der Zeit auch mit 5 Das Erblichwerden der Grafenämter geht dabei nicht allein auf das Lehns'wesen bzw. dessen Wandel zurück. Die letzten großen Fortschritte in der Entwicldung zur Selbständigkeit, etwa seit dem 13. Jahrhundert, macht das Grafenamt kaum mehr durch die Vermittlung des Lehnswesens, sondern eher durch die Lockerung des Lehensbandes. 6 Die Immunität als den bedeutsamsten Faktor in dem Prozeß des Auseinanderfallens des Reiches und der Bildung der Territorialstaaten betrachten besonders v. Gierke ,Das Deutsche GenossensclJ.aftsrecht', Band I, Graz 1954, S. 130 ff. und Mitteis-Lieberich a.a.O., S. 59 und 150. 1 So Below ,Staat', S. 25>3; Dopsch a.a.O., S, 117; Mitteis-Lieberich a.a.O., S. 59; a. M. Waitz a.a.O., Bd. II, 2. Teil, S. 336, der das Recht des Immunitätsherrn aus einem bestimmten Gebiet Gelder und Abgaben zu ziehen, als den ursprünglichen Inhalt der Immunität ansieht. In Bd. IV S. 447 nennt er das Verbot des Introitus nach bzw. neben dem Recht der Abgabenerhebung als ursprünglichen Inhalt der Immunität. s Später wird die Immunität in zunehmendem Maße auch an weltliche Fürsten und auch an Städte verliehen, so z. B. 1285 an Worms, Speyer und Mainz (s. Spangenberg ,Reichskammergericht', S. 277). 9 So Dopsch a.a.O., S. 118.

46

1. Teil: Kurzer geschichtlicher überblick bis zum Jahre 1648

positiven Wirkungen auf: Der Immunist darf im Immunitätsgebiet Abgaben erheben, er übt Zwang und Bann gegen die Hintersassen. b) Entwicklung der Immunitätsgerichtsbarkeit

Die Entwicklung der Immunitätsgerichtsbarkeit ist von ganz besonderer Bedeutung. Sie ist ursprünglich mit der Immunität nicht verbunden. Mit der Aufnahme der leib- und grundherrliehen Justiz wächst sie dem Immunisten zu. Sie erstreckt sich anfangs nur auf causae minores10 • Bald erwirbt der Immunist aber auch die Hochgerichtsbarkeit, und zwar unter Fortfall der königlichen Bannleihe11 • Er erlangt das Recht aus eigener Gewalt zu strafen. Er übt damit in seinem Gebiet aus eigener Kraft öffentliche Gewalt aus. Indem nun noch hinzukommt, daß die Immunität sich über die Grundherrschaft des Immunisten hinaus ausdehnt und immer weitere, von der Grafschaft eximierte, Gebiete umfaßt12 , entwickelt sie sich zu einem ausgedehnten Bezirk unter eigener, von der des Königs unabhängiger, öffentlicher Gewalt. Sie wird damit zum "Sprengkörper der Staatseinheit und strebt in Konkurrenz mit den Grafschaften zur Landeshoheit" 13 •

4. Das Stammesherzogtum Die dritte Wurzel, aus der die Landeshoheit und damit die Territorialstaatlichkeit erwächst, ist das Stammesherzogtum14 • Von Anfang an birgt es in sich die Tendenz zur Staatsbildung und stellt damit eine Gefahr für die Einheit des Reiches dar. Früh hat das Königtum auch diese Gefahr erkannt und versucht die Beseitigung des Stammesherzogtumes. Karl d. Große ist in diesem Bemühen erfolgreich15 • Aber schon kurz nach ihm erscheint das Stammesherzogtum wieder als ein wesentlicher Faktor in der Verfassungswirklichkeit des Reiches. Die Versuche Otto I., das Stammesherzogtum zu einem Amt zu machen und damit seine Kräfte für die Reichseinheit nutzbar zu machen, scheitern. Es zu Mitteis-Lieberich a.a. 0., S. 59. Below ,Staat', S. 248. 12 s. Below ,Staat', S. 2.54; Gierke ,Genossenschaftsrecht', I, S. 134. 1a Mitteis-Lieberich a.a.O., S. 59. 14 Zu weitgehend Tellenbach a.a.O., S. 109, der die Entwicklung der deutschen Stammesherzogtümer als den "eigentlichen Urg·r und" dafür ansieht, daß sich in Deutschland anders als in England oder Frankreich, kein zentraler Staat entwickelt. Richtig gesehen ist dabei aber, daß das Vorhandensein von Stammesherzogtümern in Deutschland ein entscheidender Unterschied gegenüber den Verhältnissen in England oder Frankreich ist (vgl. Mitteis ,Staat', 10

11 S·.

s. 113). 15

s. Waitz a.a.O., Bd. III, S. 365; Eichhorn a.a.O., Bd. I, S. 278.

4. Kap.: Grundlagen der Territorialsta atsbildung

47

beseitigen, fehlt dem Königtum schon die Macht. Otto I. geht daher den Weg, die Reichsregier ung ganz auf die geistlichen Fürsten zu stützen und das Stammesher zogtum aus der Reichspolitik auszuschalte n. Dadurch wird die Eigenständig keit des letzteren aber nur gestärkt. Je weniger es vom Reich in Anspruch genommen wird, desto kräftiger entwickelt es sich nach innen. Im 10. Jahrhundert beginnen die Herzöge, ihreHerzogt ümerwie einen Staat zu organisieren18• Bayern17, Schwaben, Franken, Sachsen und Thüringen sind die hauptsächlic hen Exponenten des Stammesher zogtums. Seine starke Stellung verdankt der Herzog seinem Heerführertu rn im bezug auf das Kontingent, das der Stamm zum Reichsheer stellt, und dem Erblichwerd en des Stammesher zogtums. In zunehmende m Maße übt er in seinem Gebiet öffentliche Befugnisse, hebt Abgaben ein, hält Gericht und beruft Landesversa mmlungen ein18• Seine Gewalt erscheint als eine der königlichen ähnliche, aber von ihr unabhängige Gewalt. Seit dem 13. Jahrhundert unterliegen die Grafschaften zum Teil der herzoglichen Gewalt und gehen im Herzogtum auf. Durch den Zuwachs dieser Gerichts- und Verwaltungs bezirke erfährt das Stammesher zogtum eine weitere Stärkung. Indem es zugleich die einheitliche Gewalt des Reiches zersetzt, tut es einen weiteren Schritt hin auf den Territorialst aat. 5. Die Reichsgesetze von 1220 und 1232

Die Entwicklung selbständige r, öffentlicher Gewalten innerhalb des Reiches erhält ihre gesetzliche Anerkennun g in der Confoederat io cum principibus ecclesiasticis (1220) und dem Statutum in favorem principum (1232). Das Reich verzichtet auf das Recht, im Gebiet der geistlichen und weltlichen Fürsten Burgen anzulegen19, es verzichtet weiter auf die Ausübung der Zoll- und Münzrechte im Gebiet des Fürsten20 • Den Reichsstädte n wird untersagt, Hörige des Fürsten in ihren Mauern aufzunehme n21 • Schließlich werden die Fürsten als unumschrän kte Herren über die Gerichtsbark eit in ihren Gebieten anerkannt22 • Damit ist unwiderrufli ch anerkannt, daß die geistlichen und auch die weltlichen Fürstentüme r in sich geschlossene Großimmun itäten sind. Die Reichsbeamten werden aus ihnen völlig zurückgezog en23 • Diese Gesetze FriedTellenbach a.a.O., S. 10~. Vgl. darüber Stowasser a.a.O. 1s s. Waitz a.a.O., Bd. VII, S. 121 ff. 19 Art. 9 Confoederatio und § 1 Statutum (Nr. 39, 40 bei Zeumer ,Quellen'). 20 Art. 2 Confoederatio und § 17 S:tatutum. 21 Art. 3 Confoederatio und §§ 12, 15, 22, 23 Statutum. 22 §§ 6-9 Statutum. 2s So Mitteis ,Staat', S. 39"1.

16

11

48

1. Teil: Kurzer geschichtlicher Überblick bis zum Jahre 1648

richs li. legen die Entwicklung des Reiches im Sinne der Territorialstaatsbildung fest. Das Reich hat von diesem Zeitpunkt an keine Chance mehr, ein Einheitsstaat zu werden24 • Klingelhöfer-25 hat sich dagegen ausgesprochen, den Reichsgesetzen von 1220 und 1232, im Prozeß des Zerfalls des Reiches und der Territorialstaatsbildung, eine zu große Bedeutung beizulegen. Er betont, daß den Fürsten darin keine neuen Rechte zuerkannt, sondern nur gewohnheitsrechtlich gewordene Rechte anerkannt werden. Letzteres ist zweifellos richtig. Dennoch kommt den Gesetzen entscheidende Bedeutung zu. Zum ersten Male taucht in ihnen die Bezeichnung "domini terrae" (Landesherren) auf, die Rechte der Fürsten werden erst durch diese reichsgesetzliche Fixierung unstreitig, und schließlich werden durch sie die Rechte, die bisher nur an die Fürsten einzeln durch Privilegien verliehen worden sind, allen Fürsten zuerkannt.

6. Die Goldene Bulle Sie regelt nicht nur die Königswahl, sondern verleiht den Kurfürsten Rechte, die sie praktisch zu Herren unabhängiger Territorien im Reich machen26• Eine untergeordnete Rolle spielt dabei, daß ihnen das Berg- und Salzregal verliehen wird. Von größter Bedeutung ist, daß ihnen das Privilegium de non evocando und das unbeschränkte Privilegium de non appellando zugestanden wird27 • Trotz der bestehenden Immunitäten konnte man bisher, durch das Recht des Königs, jeden Rechtsstreit von irgendeinem Gericht an sich. zu ziehen, und durch die Möglichkeit der 24 So Pütter ,Hist. Entwicklung', Bd. I, S. 209: "Auf solche Art kam nun Teutschland zu der besonderen Verfassung, die es noch jetzt von allen anderen Europäischen Reichen unterscheidet. Es blieb zwar, im Ganzen genommen, ein Reich, aber nunmehr als ein zusammengesetzter Staatskörper, dessen einzelne Glieder wieder eigene Staaten ausmachten". Feine ,Tausend Jahre Deutsches Reich', Köln 1942, S. 26: "Einen gewissen Höhepunkt erreichte die Territorialbildung schon unter Kaiser Friedrich II." Huber ,Heer und Staat', S. 48: "Die politische Ordnung des Reiches erhielt in den Konstitutionen Friedrichs II. die Grundlage der späteren territorialstaatlichen und föderalis.tischen Entwicklung." Schulte ,Der deutsche Staat', S. 67: " ... den Herren dieser Gebiete (Fürstentümer) hatte er (Friedrich II.) die Territorialhoheit freigebig gesichert und damit die Rückkehr zum Einheitsstaate unmöglich gemacht." Bryce a.a.O., S. 209: "Frederick II. had by two Pragmatic sanctions 1220, 1232 formally granted rights, - - , which were wide enought to give the bishops and nobles practical sovereignty in their own towns and territories --". 25 Klingelhöfer ,Die Reichsgesetze von 1220, 1231/32 und 1235', Weimar 1955 (bes. S. 210). 26 Bryce a.a.O., S. 230: "It (The Golden Bull) confessed and legalized the independence oft the electors and the powerlessness of the crown." 27 Goldene Bulle Cap. XI. (bei Zeumer ,Quellen', Nr. 148).

4. Kap.: Grundlagen der Territorialstaatsbildun g

49

Appellation an das königliche Gericht, noch von einer gewissen Einheit der Gerichtsbarkeit im Reiche sprechen. Nun ist diese Einheit endgültig im Hinblick auf die kurfürstlichen Territorien durchbrochen. Zur inneren Festigung der kurfürstlichen Territorien trägt die Regelung bei, daß die Kurstimme am Land haftet und dieses unteilbar wird28 • Die kurfürstlichen Territorien sind nun festgefügte, abgeschlossene Gebilde mit eigener Gewalt. Die Kurfürsten werden zu den Hauptträgern der Landeshoheit. Aber nicht nur die Stellung der Kurfürsten hebt die übrigen Landesherren zur Folge29 , denn diese erstreben und erlangen Goldene Bulle, sie hat auch eine Hebung der politischen Stellung der mit der Zeit die gleichen Rechte110 • 7. Wertung

In der Zeit des ausgehenden Mittelalters, in der sich Frankreich und England zu zentralen Staaten entwickeln, vollzieht sich im Reich der Prozeß der Auflösung der Reichseinheit. Die dem Reich entzogenen Rechte und Befugnisse verbinden sich in den Territorien mit den dort vorhandenen natürlichen Entwicklungskräften und legen die Grundlage zur Bildung der Territorialstaaten. Die grundsätzlichen Entscheidungen in dieser Richtung sind im 13. und 14. Jahrhundert gefallen. In der Zeit bis zum Westfälischen Frieden vollzieht sich diese Entwicklung weiter. Wir sehen das Reich in einer hoffnungslosen Auseinandersetzung mit den Teilgewalten begriffen.

Goldene Bulle Cap. XV. Kürschner ,Die Landeshoheit der deutschen Länder seit dem Westfälischen Frieden unter dem Ges,ichtspunkt der Souveränität', Diss. Schwetzingen 1938, s. 12. so Im Anschluß an die in der Goldenen Bulle festgelegte Unteilbarkeit der kurfürstlichen Territorien werden in zahlreichen Fürstenhäusern sog. Hausverträge über die Primogenitur und Unteilbarkeit der Fürstentümer geschlossen. Man hat die Bedeutung dieses Schrittes für die Entwicklung des Territoriums zum Staat erkannt (s. Ficker ,Vom Reichsfürstenstande', Innsbruck 1861, s. 2c5). 2s

:u

4 Randelzhofer

Fünftes Kapitel

Der Versuch, die Einheit des Reiches zu bewahren: Die Reichsreform Bevor die Entwicklung der Auflösung des Reiches seinen Abschluß findet, wird noch einmal der Versuch unternommen, durch eine Reform des Reiches dieses zu erhalten. 1. Reformliteratur

Im 15. Jahrhundert wird erkannt, daß das Reich seiner Auflösung entgegengeht. Männer, die von der Notwendigkeit des Fortbesteheus des Reiches überzeugt sind, treten daher mit Reformvorschlägen zur Bewahrung und Stärkung des Reiches hervor. Die bedeutendste Schrift stammt von Kardinal Nikolaus von Kues. Er schreibt: "Providendum esset diligenter et cito, quia mortalis morbus imperium germanicum invasit; cui nisi subito salutari antidoto subveniatur, mors indubie sequetur" 1 • Seine Vorschläge zur Rettung des Reiches sind u. a.: Ein ewiger Landfriede soll errichtet werden. Die Einteilung des Reiches in 12 Kreise. In diesen soll je ein, mit fest besoldeten Richtern besetztes, kaiserliches Gericht für Rechtspflege und Frieden sorgen. Sie sollen das geltende Recht niederschreiben und eine Kodifikation vorbereiten. Oberstes Organ der Gesetzgebung und der Willensbildung der Nation sollte eine jährlich in Frankfurt zusammentretende Reichsversammlung sein. Diese solle aus den Kurfürsten, den Kreisrichtern und den Vertretern der größten Städte gebildet werden. Ein stehendes Reichsheer solle durch Zolleinkünfte erhalten werden. 2. Die Reform

Unter der Regierung Maximilians I. wird die Reform dann tatsächlich begonnen und unter seinen Nachfolgern weitergeführt. Auf dem Reichstag zu Worms 1495 wird der Ewige Landfriede errichtet2 ; jegliche Eigen1

Nik. v. Kues ,Concordant.ia Catholica' Lib. III., cap. 32 (Zeumer ,Quellen',

2

s. Nr. 173 bei Zeumer ,Quellen'.

Nr. 162).

5. Kap.: Die Reichsreform

51

macht, auch der Stände untereinander, wird verboten. Das Reich wird in sechs, später in zehn Kreise eingeteilt, denen durch die Exekutionsordnung von 15553 die Wahrung und Handhabung des Landfriedens übertragen wird. Das Reichskammergerich t als erstes Gericht mit ständigen besoldeten Richtern wird errichtet. Schließlich wird dem Kaiser ein ständiges Reichsregiment, bestehend aus 20 Mitgliedern, die von den Kurfürsten, den übrigen Adligen, den Städten und den Kreisen delegiert werden, zur Ausübung der Reichsregierung zur Seite gegeben 4 • Aber nicht vom König gehen diese Reformen aus, mit dem Ziel, das Reich als monarchischen Einheitsstaat wiederherzustellen. Die Fürsten, unter Führung des Erzbischofs von Mainz, Berthold von Henneberg, gehen bei der Reform dem König voran5 • Daraus ergibt sich zwangsläufig die ständische Natur der Reform6 • Sie sichert in erster Linie den Einfluß der Fürsten auf das Reich. Die Fürsten (d. h. die Reichsstände) stellen die meisten Richter beim Reichskammergericht, sie üben, auf dem Umweg über die Kreise, die Wahrung des Landfriedens. Durch die Errichtung des Reichsregiments soll der König politisch entmündigt werden. Die Forderung nach einem stehenden Reichsheer wird nicht erfüllt, weil damit ein Machtinstrument in der Hand eines starken Königs entstehen könnte, und weil sich die Frage der Finanzierung nicht lösen läßt7 • 3. Ergebnis

Von Anfang an nicht dazu angelegt, das Reich als einen monarchischen Einheitsstaat zu erhalten, gelingt es durch die Reform aber auch nicht, s s. Augsburger Reichstagsabschled von 1555·, §§ 31-103, Zeumer ,Quellen' Nr. 189. 4 Das erste Reichsregiment dauert nur von 1500-1502; auch das zweite behauptete sich nur zwischen 15m-1530. 5 Feine ,Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit', 2. Aufl. Tübingen 1940, s . 18; Feine ,Deutsches Reich', S. 27. 6 Eichler a.a.O., S. 58, sprich!t nicht ganz zu Unrecht davon, daß die Reform das Reich einem Bundesstaat nähergebracht hat. Vedehlt ist die Ansicht Smends, daß die Reform an dem formal staatsrechtlichen Charakter des Reiches nichts ändern wollte und daß sie im Gegenteil höchst konservativ gewesen sei. Zu Unrech!t behauptet er, daß das Reichskammergericht seit 1495 durchaus identisch sei mit dem älteren königlichen Kammergericht (so Smend ,Zur Geschichte der Formel "Kaiser und Reich" in den letzten Jahrhunderten des Alten Reiches' in Historische Aufsätze, Karl Zeumer zum 60. Geburtstag, Weimar 1910, S. 440 ff.; siehe auch Smend ,Das Reichskammergericht' , Erster Teil: Geschichte und Verfassung, in ,Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit', hrsg. von Karl Zeumer, Bd. IV, Heft 3, Weimar 1911, S. 42ff.). Richtiger sieht Gierke ,Genossenschaftsrecht', I, 511 ff., die Reichsreform als einen, Versuch an, das Reich als eine Einung der Stände zu errichten. Es sei aber nicht gelungen, das Reich zu einem wahren Bundesstaat zu gestalten. 7 s. Huber ,Heer und Staat', S. 68.

52

1. Teil: Kurzer geschichtlicher überblick bis zum Jahre 1648

das Reich als einen gegliederten Staat (z. B. Bundesstaat) zu erhalten. Die Auflösung des Reiches ist nicht mehr aufzuhalten. Die Regelungen der Reform, besonders die Reichskammergerich tsordnung, der Ewige Landfriede und die Exekutionsordnung, sind aber dennoch- gerade für die Zeit nach 1648 -von höchster Wichtigkeit. Sie werden in den folgenden Teilen der Arbeit noch genauer zu würdigen sein8 •

8 Vgl. unt. Teil 4 und 5; dort werden auch genauere Einzeldarstellungen der einzelnen Gesetze, d. h. ihrer wesentlichsten Bestimmungen gegeben werden.

Zweiter Teil

Das Reich von 1648 bis zu seinem Ende 1806 Grundsätzliches Ehe mit der Darstellung dieses Teiles begonnen wird, ist es notwendig, einige grundsätzliche Bemerkungen über ihren Umfang und Zweck zu machen. Es ist nicht beabsichtigt, hier eine genaue und umfassende Darstellung der Verfassungsinstitutionen1 des Reiches im Zeitraum von 1648 bis 1806 zu geben. Dies soll zweckmäßigerweise erst im vierten und besonders im fünften Teil der Arbeit geschehen, bei der Untersuchung dieser Verfassungsinstitutionen auf ihre völkerrechtlichen Inhalte hin. Um überhaupt Wiederholungen zu vermeiden, sollen in diesem Teil nur die grundlegendsten Momente aufgezeigt werden und im übrigen wird auf die späteren Einzeldarstellungen verwiesen. Wenn demnach nicht gänzlich auf diesen Teil verzichtet wird, bzw. dieser nicht einfach in den vorausgegangenen mit hereingenommen wird, so hat dies seine Berechtigung darin, daß mit dem Westfälischen Frieden ein entscheidender Einschnitt in der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches stattfindet, dieser Frieden die Gestaltung des Reiches bis zu seinem Ende abschließend prägt, und es daher angemessen ist, den Zeitraum von 1648 bis 1806 deutlich von der davorliegenden Zeit abzuheben. Dabei wird es im wesentlichen der Sinn dieses Teiles sein, die grundlegende Bedeutung des Westfälischen Friedens aufzuzeigen, seine wesentlichsten Bestimmungen kurz wiederzugeben und den Nachweis zu führen, daß der Zeitraum von 1648 bis 1806 im Hinblick auf die Verfassung des Reiches als eine Einheit angesehen werden kann. Nochmals sei es betont, genauereEinzeldarstellungen der verfassungsmäßigen Gestaltung des Reiches bleiben den Teilen 4 und 5 vorbehalten. 1 Wenn im folgenden von der Verfassung des Reliches nach 1648' oder von den Verfassungsinstitutionen des Reiches nach 1648 gesprochen wird, dann darf mit dem Worte Verfassung nicht die Vorstellung von einer innerstaatlichen Grundnorm verbunden werden, in dem S-inn, wie man von der Verfassung eines Staates spricht. Verfassung bedeutet hier nur die grundlegende rechtliche Gestaltung des Reiches, d. h. die rechtlichen Beziehungen der Glieder des Reiches untereinander und mi.t dem Kaiser.

Erstes Kapitel

Der Westfälische Frieden 1. Grundsätzliche Bedeutung

Der Westfälische Frieden von 1648 setzt nicht nur dem 30 Jahre währenden Religionskrieg ein Ende, sondern gestaltet darüber hinaus die Verfassung des Reiches entscheidend um. Berber1 spricht davon, daß der Westfälische Frieden den Verfassungscharakte r des Reiches "radikal" geändert habe. Diese Formulierung ist irreführend, da sie zu der unzutreffenden Vermutung führen kann, der Westfälische Frieden habe die Entwicklung, die die Verfassung des Reiches bis 1648 genommen hatte, abrupt unterbrochen und in entgegengesetzteBah nen gelenkt2 • Das ist aber nicht der Fall, denn ihrem Inhalt nach führen die Regelungen des Friedens nur die Tendenzen zu einem Abschluß, die, wie im vergangeneu Teil gezeigt wurde, schon Jahrhunderte vorher aufgetaucht sind, im 13. und 14. Jahrhundert eine bedeutende Verdichtung erfahren und seither kontinuierlich zur Auflösung des monarchischen Einheitsstaates führen3 • Man wird aber der Rolle des Westfälischen Friedens nicht gerecht, wenn man seine Bedeutung nur darin sieht, daß er die bis dahin zum Teil umstrittene Verfassungswirklich keit legalisiert und damit einen festen Rechtszustand schafft, obgleich dem Frieden schon durch diese Funktion eine wesentliche Bedeutung zukommt. Der Westfälische Frieden verändert darüber hinaus den rechtlichen Charakter des Reiches wesensmäßig. Schon Moser hat an sich zutreffend bemerkt: Berber ,Lehrbuch', Bd. III, S. 190. Berber selbst ist keineswegs dieser Meinung. Wie sich. aus einer anderen Veröffentlichung (Berber ,International Aspects of the Holy Roman Empire after the Treaty of Westphalia', in IYIA 1964, S. 174 ff.) ergibt, erkennt er durchaus an, daß die Regelung des Westfälischen Friedens dem Inhalt nach zum großen Teil nur den Endpunkt einer langbegonnenen, kontinuierlichen Entwicklungslinie darstellt. 3 s. Pütter ,Erörterungen und Beyspiele des Teutschen Staatsund Fürs·tenrechts', Bd. I, Göttingen 1778, S. 6,; derselbe ,Historische Entwicklung', Bd. II, 8.156 ff." bes. 159·; derselbe ,Geist des Westfälischen Friedens', Göttingen 1795, S. 371 ff.; Bryce a.a.O., S. 385; Bornhak ,Deutsche Verfassungsgesch!ichte vom Westfälischen Frieden an', Stuttgart 1934, S. 183; verfehlt ist es aber, daraus den Schluß zu ziehen, wie dies Häberlin ,Handbuch des Teutschen Staatsrechtes', Bd. I, Frankfurt und Leipzig 1794, S.190 tut, der Westfälische Frieden habe die "bisherige" Verfassung aufrechterhalten. 1

2

1. Kap.: Der Westfälische Frieden

55

"Die teutsche Staatsverfassung ist durch diesen Friedensschluß in sehr vielen wichtigen Stücken in geist- und weltlichen, theils auf einen vesteren, theils auf einen anderen Fuß gesetzt worden"\ und auch Pütter, obgleich er hervorhebt, daß die Regelungen des Friedens inhaltlich keine grundlegend neuen Momente enthalten, spricht davon, daß durch den Frieden eine "sehr veränderte Verfassung des Teutschen Reiches im Ganzen merck.lich ward" 5 • Das Entscheidende ist folgendes: Der Westfälische Friedensvertrag ist ein völkerrechtlicher Vertrag. Dieser Vertrag wird aber nicht zwischen dem Reich als einheitlichem Gebilde und den Kronen Frankreichs und Schwedens geschlossen, vielmehr erscheinen neben dem Kaiser auf der einen Seite und Schweden bzw. Frankreich auf der anderen, jeweils die Kurfürsten, Fürsten und Stände des Reiches als vertragsschließende Parteien. Art. I IPO lautet: "Pax sit Christiana, universalis, perpetua veraque et sincera amicitia inter sacram Caesaream maiestatem, domum Austriacam omnesque eius foederatos et adhaerentes et singulorum haeredes et successores, imprimis regem catholicum, electores, principes ac status imperii ex una, et sacram regiam maiestatem regnumque Sueciae omnesque eius foederatos et adhaerentes et singulorum haeredes ac successores, imprimis regem Christianissimum ac respective electores, principes statusque imperii ex alteraparte . . .'' 6 • In logischer Folge haben daher eine ganze Reihe von Vertretern der Reichsständenamens aller Reichsstände den Frieden mit unterschrieben'. Schon die Tatsache, daß die Stände des Reiches neben europäischen Mächten als Vertragspartner in einem völkerrechtlichen Vertrag auftreten8, läßt ihre Rechtsstellung als der der übrigen europäischen Mächte gleich erscheinen9, ohne daß man noch besonders auf den Inhalt der Bestimmungen zurückgreifen muß, die die Rechte der Stände festlegen. Für die rechtliche Gestaltung des Reiches, d. h. die Beziehungen der Glieder untereinander, ist von entscheidender Bedeutung, daß die Reichsstände auf beiden Seiten als Vertragspartner genannt werden und dadurch der Frieden u . a. auch als ein Vertrag- und zwar nach 4 J. J . Moser ,Von Teurtschland und dessen Staatsve·r fassung überhaupt', S:tuttgart 1766, S. 409. 5 Pütter ,Historische Entwicklung', Bd. Il, S. 156. e IPO, Zeumer ,Quellen', Nr.197; siehe den gleichlautenden§ 1 IPM, Zeumer ,Quellen", Nr. 198. 7 s. Art. XVII § 12 IPO. 8 Schon Pütter ,Frieden', S. 33, S. 68 ff. weist besonders darauf hin, daß die Reichsstände ebenso wie die europäischen Mächte vertragsschließende Parteien sind; ebenso betont dies Moser ,Staatsverfassung', S. 405 ff. 9 So Wicquefort ,Ambassadeur', Franckfurt am Mayn 1682.

56

2. Teil: Das Reich von 1648 bis zu seinem Ende 1806

wie vor völkerrechtlicher10 - zwischen den Reichsständen untereinander anzusehen ist. Ganz zutreffend heißt es daher im Jüngsten Reichsabschied von 1654 vom Westfälischen Frieden11 .• • "wie der mit so großer Mühe, Arbeit und Kosten erhobene Fried, 1. zwischen Haupt und Gliedern und 2. diesen unter sich selbsten, wie auch 3. denen ausländischen Cronen ... "und in gleicher Weise spricht der Entwurf einer beständigen Wahlkapitulation von 1711 12 vom Westfälischen Frieden nicht nur als von einem "immerwährenden Band zwischen Haupt und Gliedern", sondern auch als einem Band unter den Gliedern selbst. Gerade für die Bestimmungen des Westfälischen Friedens, die die Verfassung des Reiches betreffen, ist dieser Gesichtspunkt, daß es sich auch um einen Vertrag der Reichsstände untereinander und der Reichsstände mit dem Kaiser handelt, von größter Wichtigkeit. Indem der Westfälische Frieden, wie es vorgesehen war111, als Ganzes in den Jüngsten Reichsabschied eingefügt wird, als "immerwährende Satzung und ein Grundgesetz des Reiches", wird ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen Kaiser und Reichsständen und diesen untereinander zur Grundlage der Verfassung des Reiches. Darin liegt die grundlegende Bedeutung und wahrhaft umgestaltende Wirkung des Westfälischen Friedens.

2. Wichtigste Einzelbestimmungen des Vertrages Es ist ohne weiteres verständlich, daß für die vorliegende Untersuchung die wichtigsten Bestimmungen die sind, die sich mit der Verfassung des Reiches, dem Verhältnis der Reichsstände untereinander und zum Kaiser beschäftigen. a) Zentrale Bedeutung des Art. VIII §§ 1, 2 IPO

Zentrale Bedeutung kommt dabei Art. VIII § 1 und § 2 !PO zu. Diese lauten: to Der eigentliche Beweis für diese Behauptung kann allerdings erst im 4. Teil geführt werden, wenn nachgewiesen wird, daß die Territorien des Reiches Staaten im Sinne des Völkerrechtes sind. Herrschend wird immer noch behauptet, der Westfälische Frieden sei zwar einerseits sicher ein Völkerrechtlicher Vertrag, aber insofern, als er die Beziehungen der Reichsstände untereinander und dieser mit dem Kaiser betreffe, sei er ein Grundgesetz im innerstaatlichen Sinne, also eine staatsrechtliche Norm. 11 s. § 4 JRA, Zeumer ,Quellen', Nr. 200. u s. Art. II, Entwurf einer beständigen Wahlkapitulation 1711, Zeumer ,Quellen', Nr. 205. ta s. Art. XVII § 2 IPO.

1. Kap.: Der Westfälische Frieden

57

Art. VIII § 11': "Ut autem provisum sit, ne posthac in statu politico controversiae suboriantur, omnes et singuli electores, principes et status imperii Romani in antiquis suis iuribus, praerogativis, libertate, privilegiis, libero iuris territorialis tarn in ecclesiasticis quam politicis exercitio, ditionibus, regalibus horumque omnium possessione vigore huius transactionis ita stabiliti firmatique sunto, ut a nullo unquam sub quocunque praetextu de facto turbari possint vel debeant." Art. VIII§ 216 : "Gaudeant sine contradictione iure suffragii in omnibus deliberationibus super negotiis imperii, prasertim ubi Ieges ferendae vel interpretandae, bellum decernendum, tributa indicenda, delectus aut hospitationes militum instituendae, nova munimenta intra statuum ditiones extruenda nomine publico veterave firmanda praesidiis, nec non ubi pax aut foedera facienda aliave eiusmodi negotia peragenda fuerint; nihil horum aut quicquam simile posthac unquam fiat vel admittatur nisi de comitiali liberoque omnium imperii statuum suffragio et consensu. Comprimis vero ius faciendi inter se et cum exteris foedera pro sua cuiusque conservatione ac securitate singulis statibus perpetuo liberum esto, ita tarnen ne eiusmodi foedera sint contra imperatorem et imperium pacemque eius publicam vel hanc imprimis transactionem fiantque salvo per omnia iuramento quo quisque imperatori et imperio obstrictus est." Zumeist wird dem § 2 die größere Bedeutung zugesprochen, wegen der dort konkret festgelegten Rechte der Reichsstände, speziell des Bündnisrechtes. Entscheidender ist aber die Regelung des § 116• Er spricht den Reichsständen die freie Ausübung des "ius territoriale", der Landeshoheit zu, und zwar nicht als ein Bündel einzelner Berechtigungen - es ist nicht die Rede von iura territorialia, sondern vom ius territorialiumvielmehr als ein einheitliches, umfassendes Herrschaftsrecht17• Es wird sich zeigen18, daß diese Landeshoheit gleichbedeutend ist mit Staatsgewalt, und die Zusicherung ihrer freien Ausübung bedeutet, daß die Reichsstände als Gebietskörperschaften mit unabhängiger Staatsgewalt anerkannt werden, und das Prinzip der Selbständigkeit und UnabhänGleichlautend ist § 62 IPM. Gleichlautend ist § 63 IPM. 1e So auch Schulte ,Staat', S. 184. n s. Pütter ,Frieden', S. 457 ; ferner Pütter ,Beyträge zum Teutschen Staatsund Fürstenrechte', Göttingen 1777, Beytrag XI, S.192/19-3; ferner Kürschner ,Die Landeshoheit der deutschen Länder seit dem Westfälischen Frieden unter dem Gesichtspunkt der Souveränität', Diss. Schwetzingen 19~8, S. 15. 1s s. unten S. 130 ff. 14

15

2. Teil: Das Reich von 1648 bis zu seinem Ende 1806

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gigkeit der einzelnen Territorien damit endgültig den Sieg über den zentralen, monarchischen Einheitsstaat erringt19• Nicht daß mit dem Westfälischen Frieden die Landeshoheit der Reichsstände mit einem Male erst geschaffen worden wäre. Schon seit vier Jahrhunderten ist sie im Entstehen und Werden begriffen und hat ihre eigentliche Gestalt und ihren umfassenden Inhalt schon von 1648 erlangt. Mit dem Westfälischen Frieden aber wird sie in der rechtlichen Grundnorm des Reiches endgültig und unbestreitbar bestätigt20 • Als eine nähere Ausgestaltung dieses grundlegenden § 1 erscheint der § 2, in dem den Reichsständen einzelne besondere Rechte ausdrücklich zuerkannt werden, die sich eigentlich schon aus der Landeshoheit ergeben würden, die ihrer Bedeutung wegen aber noch gesondert hervorgehoben werden. So das Recht bei allen Beratungen über Reichsangelegenheiten, wie Erlaß von Gesetzen, Beschluß über einen Reichskrieg, Steuerausschreibung, Werbung und Einquartierung von Soldaten, Errichtung von Befestigungen namens des Reiches, auf dem Reichstag das freie Stimmrecht zu führen. Besonders aber das Recht, unter sich und mit auswärtigen Staaten Bündnisse zu ihrer Erhaltung und Sicherheit abzuschließen, unter der Bedingung allerdings, daß diese Bündnisse sich nicht gegen Kaiser und Reich richten. Diesem letzteren Recht kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil insofern, als die Stände Bündnisse mit außerdeutschen Mächten abschließen können, ihre Völkerrechtssubjektivität wenigstens in diesem Umfange expressis verbis festgestellt ist. Im übrigen gilt von § 2 das gleiche, was bei § 1 betont wurde: Die darin aufgezählten Rechte der Reichsstände sind nicht erst durch diese Bestimmung des Westfälischen Friedens geschaffen worden. Sie werden vielmehr nur bestätigt und durch ihre vertragliche Fixierung unstreitig. b) Weitere Bestimmungen

Neben diesen beiden grundlegenden Bestimmungen enthält der Westfälische Frieden noch eine Reihe weiterer Einzelbestimmungen, die die n s. H. J. Morgenthau ,Politicas amoung Nations', znd ed, New York 1956, S. 287; Mattern ,Concepts of State, Sovereignty and International Law', Baltimore 1928, S. 6; Koellreutter ,Staatslehre im Umriß', Göttingen 1955, S. 22. 20 Völlig zutreffend Pütter ,Historische Entwicklung', Bd. II, S. 159: "Nicht daß derselbe (der Westfälische Friede) die Landeshoheit, und was davon abhängt, erst begründet hätte; - nein, s:ie war schon seit Jahrhunderten im Anwachsen und schon vor dem dreysigjährigen Kriege so gut wie in ihrer völligen Reife; -aber gleichsam das Siegel hat erst der Westfälische Friede darauf gedrückt, - fürs vergangene damit alle Zweifel gehoben - für die Zukunft der Sache ihre rechte Consistenz gegeben"; ebenso Moser ,Von der Landeshoheit derer Teutschen Reichsstände überhaupt', Frankfurt und Leipzig 1773,

s. 39.

1. Kap.:

Der Westfälische Frieden

59

Verfassung des Reiches betreffen. Die wesentlichsten davon sollen kurz angeführt werden21 • Der 1552 in Passau beschlossene und 1555 in Augsburg verkündete Religionsfrieden wird in seiner Gültigkeit bestätigt und darüber hinaus bestimmt, daß in allen Dingen zwischen katholischen und evangelischen Reichsständen "genaue und gegenseitige Gleichheit" herrschen solle und Gewalt zwischen ihnen verboten sein soll22 • Hinsichtlich des Reichstages und der Reichsdeputationen wird festgesetzt, daß auf allgemeinen Reichstagen und ordentlichen Deputationskonventen die Zahl der Deputierten von Ständen beider Religionen gleich sein solle; auch bei außerordentlichen Reichsdeputationen soll die Religionsgleichheit beachtet werden23 • Daß den Reichsstädten bei den Beratungen auf dem Reichstag das votum decisivum zusteht, wie den übrigen Reichsständen, wird ausdrücklich festgelegt24 • Bedeutsam ist die Bestimmung, daß auf dem Reichstag in Religionssachen und allen anderen Geschäften, wo die Stände nicht als einheitliche Körperschaft betrachtet werden können, sowie auch, wenn die katholischen Stände und die Stände Augsburgischer Konfession zu getrennten Verhandlungen auseinandergehen, die Stimmenmehrheit nicht gelten soll, sondern die Sache nur durch gütlichen Vergleich erledigt werden kann25 • Über daSI Reichskammergericht werden nur einige Bestimmungen getroffen, während eine umfassende Regelung auf dem nächsten Reichstag erfolgen soll. Die Zahl der Assessoren am Kammergericht wird auf 50 erhöht- neben einem Kammerrichter und vier Präsidenten -, von denen 26 von den katholischen Reichsständen und 24 von den evangelischen Reichsständen präsentiert werden sollen26 • In Rechtssachen, an denen Stände verschiedener Religion beteiligt sind, muß unter den Richtern beim Reichskammergericht und beim Reichshofrat die Religionsgleichheit beachtet werden27 • Die Reichskammergerichtsordnung (RKGO) soll auch vom Reichshofrat befolgt werden28 , die Visitation des Reichshofrates durch Kurmainz erfolgen. Schließlich wird betont, daß die Rechte der ersten Instanz, der Austrägalgerichte und die privilegia de non appellando von den beiden Reichsgerichten sorgfältig beachtet werden müssen29 • 21

Eine genauere Befassung erfolgt im

u Art. V § 1 IPO. 2a 24

25

2e 27

2s 29

Art. V § 51 IPO. Art. VIII § 4 IPO; § 65 IPM. Art. V § 52 IPO. Art. V § 53 IPO. Art. V § 54 IPO.

Art. V § 55· IPO. Art. V § 56 IPO.

4.

u.

5. Teil

der Arbeit.

60

2. Teil: Das Reich von 1648 bis zu seinem Ende 1806

Zur Sicherung des Friedens wird bestimmt, daß ein Verstoß dagegen als Friedensbruch bestraft werden soll30 • Der Geschädigte muß zunächst den Täter "vom Weg der Tätlichkeit abmahnen", die Sache selbst soll durch gütlichen Vergleich oder rechtliche Entscheidung erledigt werden31. Nur in dem Falle, daß der Streit durch diese Mittel innerhalb einer Frist von drei Jahren nicht beendigt ist, ist es erlaubt, die Lösung durch Krieg herbeizuführen. Alle am Vertrag beteiligten Mächte sind dann verpflichtet, dem Geschädigten mit Rat und Tat, auch mit Waffengewalt gegen den Verletzer zum Recht zu verhelfen32 • Ansonsten bestimmt Art. XVII IPO (ebenso § 117 IPM) nachdrücklich, daß es keinem Reichsstand erlaubt ist, sein Recht mit Waffengewalt zu suchen. Er wird vielmehr auf den Rechtsweg verwiesen. Was durch Richterspruch entschieden ist, soll ohne Unterschied der Stände vollzogen werden, wie es in den Reichsgesetzen bestimmt ist. Eine ganze Reihe von Fragen, die die Verfassung des Reiches betreffen, regelt der Westfälische Frieden nicht, sondern greift sie nur auf und verweist sie auf den nächsten Reichstag83 • So unter anderem die Wahl des Römischen Königs, die Abfassung einer beständigen Wahlkapitulation, das Verfahren bei Achtserklärungen, die Neuordnung des Polizeiund Justizwesens 34, ferner die Frage, ob auf dem Reichstag in Steuersachen die Stimmenmehrheit gilt oder nicht36 • c) Einbeziehung alten Rechtes in den Vertrag

Einer Bestimmung des Friedensvertrages kommt noch eine ganz besondere Bedeutung zu, dem Art. VIII § 4 letzter Absatz36 • Dort heißt es: "de caetero omnes laudabiles consuetudines et sacri Romani imperii constitutiones et Ieges fundamentales imposterum religiose serventur ... " Die früheren Fundamentalnormen des Reiches wie insbesondere die Gesetze der Reichsreform - der Ewige Landfrieden, die Reichskammergerichtsordnung und die! Exekutionsordnung - sowie die löblichen Gewohnheiten, d. h. das Reichsherkommen, sollen künftig gewissenhaft beachtet werden. Diese Vorschrift hat zunächst die Bedeutung, daß die Art. XVII § 4 IPO; § 114 IPM. Art. XVII § 5 IPO; § 115 IPM. 32 Art. XVII § 6 IPO; § 116 IPM. n s. Pütter ,Historische Entwicklung', II, S. 118 ff. 34 s. Art. VIII § 3 IPO. 35 s. Art. V § 52 IPO. 36 Zu Recht betont Pütter ,Frieden', S. 455, die Bedeutung dieser Bestimmung. 30

31

1. Kap.: Der Westfälische Frieden

61

bisherigen Fundamentalgesetze und das Gewohnheitsrecht besser beachtet werden sollen als bisher. Implizite ist damit aber der Fortgeltung dieses Rechtes, dadurch, daß sie im Westfälischen Frieden expressis verbis niedergelegt ist, eine vertragliche Geltungsgrundlage gegeben. Indem die Stände als Vertragspartner des Westfälischen Friedens diesen Art. VIII § 4 formulieren, bringen sie in einem Vertrag zum Ausdruck, daß sie mit der Geltung dieser Fundamentalgesetze und dem Gewohnheitsrecht einverstanden sind37• Das bedeutet nichts anderes, als daß diese älteren "Grundgesetze" mit in den völkerrechtlichen Vertrag, der nunmehr die Grundlage der Verfassung des Reiches bildet, einbezogen werden. Ihre Regelungen erscheinen dadurch nunmehr als Vertrag zwischen den Reichsständen mit dem Kaiser und unter sich selbst. d) Zusammenfassung

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Bestimmungen des Westfälischen Friedens inhaltlich keine wesentliche Änderung der Verfassung des Reiches darstellen. Sie bewegen sich grundsätzlich im Rahmen der bisherigen Verfassung, bestätigen die Verfassungswirklichkeit oder führen eine bereits in Bewegung begriffene Verfassungsentwicklung, das Auseinanderbrechen der Einheit des Reiches in eine Vielzahl staatlicher Gebilde, zu Ende. Die Regelungen früherer Grundgesetze des Reiches werden in den Frieden aufgenommen. Trotz dieses "konservativen" Inhaltes der Friedensbestimmungen sind ihre Auswirkungen ganz andere als früher. Sie beziehen sich nicht mehr wie früher auf Privatpersonen oder irgendwie organisierte territoriale Gewalten, sondern auf Rechtssubjekte, die durch die Teilnahme an diesem Vertragsschluß selbst und durch dessen grundlegende Normen38 als Gebietskörperschaften mit unabhängiger Staatsgewalt, 37 Indem dem späteren Ergebnis vorgegriffen wird, ist hier zu sagen, daß dieser Art. VIII § 4 tatsächlich eine neue Geltungsgrundlage darstellt und nicht nur deklaTatorisch einen schon bestehenden Rechtszustand feststellt. Da im Wege der Staatensukzession an Stelle des Einheitsstaaes "Reich" spätestens 1648 eine Vielzahl von unabhängigen Staaten treten, könnten zwischen diesen, die früheren innerstaatlichen Fundamentalgesetze und das innerstaatliche Gewohnheitsrecht nicht ohne diese neue vertragl. Geltungsgrundlage ohne Unterbreclj.ung weitergeHen. Die Fortgeltung als Völkergewohnheitsrecht könnte erst nach einiger Zeit der tatsächlichen, in Rechtsüberzeugung erfolgten Anwendung dieses ehedem innerstaatlichen Rechtes eintreten. Es würde dabei ein Bruch in der Geltung dieses Rechtes anzunehmen sein, der aber in Wirklichkeit nicht stattfindet. Das ehedem innerstaatliche Recht gilt sogleich nach 1648 zwischen den deutschen Territorien weiter, eben wegen der Vorschrift des Art. VIII§ 4 !PO. as Art. VIII§§ 1 und 2 IPO; §§ 62 und 63 IPM.

62

2. Teil: Das Reich von 1648 bis zu seinem Ende 1806

also als Völkerrechtssubjekte39, anerkannt werden. Die Bedeutung und der rechtliche Charakter der Bestimmungen, auch der früheren Gesetze, die in den Frieden mit einbezogen werden, erfahren damit einen entscheidenden Wandel 40 • Was innerstaatliches Verfassungsrecht war, wird nun die Beziehungen von Staaten regelndes Völkerrecht.

s. darüber unten S. 159 :Ii. Der hier entwickelte Gedanke findet sich schon bei Forsthoff ,Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit', 2. Aufl., Berlin-Stuttgart 1961, S. 32, angedeutet. 39

40

Zweites Kapitel

Die Zeit vom Westfälischen Frieden bis zum Ende des Reiches 1. Der Zeitraum von 1648 bis 1806 als Einheit hinsichtlich der rechtlichen Gestaltung des Reiches Es wird allgemein behauptet, der Westfälische Frieden stelle die letzte Fundamentalnorm des Reiches dar und habe die rechtliche Gestaltung des Reiches abschließend festgelegt1• Wenn das richtig ist, dann ist die verfassungsmäßige Ordnung des Reiches vom Westfälischen Frieden an bis zum Ende des Reiches als eine gleichbleibende Einheit anzusehen, und völkerrechtliche Aspekte in der verfassungsmäßigen Gestaltung des Reiches können für diesen Zeitraum einheitlich festgestellt werden. Um die Richtigkeit dieser Behauptung zu erweisen, ist es notwendig zu beweisen, daß in der Zeit nach dem Westfälischen Frieden keine direkte Änderung und auch kein erheblicher Wandel in der rechtlichen Gestaltung des Reiches erfolgt. a) Verfassungsänderung Eine direkte Verfassungsänderung könnte nur durch ein vom Reichstagund vom Kaiser getroffenes Verfassungsgesetz des Reiches bewirkt worden sein, das den Grundsätzen des Westfälischen Friedensvertrages nicht entsprochen hätte. Eine Untersuchung der verfassungsrechtlich bedeutsamen Reichsgesetze und der verschiedenen kaiserlichen Wahlkapitulationen lehrt aber eindeutig, daß sie, von graduellen Unterschieden abgesehen, den Verfassungsstand, den der Westfälische Frieden geschaffen hat, aufrechterhal ten2 • Der Jüngste Reichsabschied des Regensburger Reichstages von 1654 enthält in sich die gesamten Bestimmungen des Westfälischen Friedens11 • 1 Statt vieler Kürschner a.a.O., S.l5; Dickmann ,Der Westfälische Frieden', Münster 1959, S. 7. t s. dazu K. Kormann ,Die Landeshoheit in ihrem Verhältnis zur Reichsgewalt im alten Deutschen Reich seit dem Westfälischen Frieden', in Zeitschrift für Politik Bd. 7, Berlin 1914, S. 139 ff., S. 144 ff. 3 s. § 5 JRA.

64

2. Teil: Das Reich von 1648 bis zu seinem Ende 1806

Darüber hinaus bringt er eine gewisse Stärkung des Reichskammergerichtes, indem eine höhere Besoldung der Richter und höhere Beiträge der Stände zum Unterhalt des Gerichtes festgesetzt werden•, sowie die Vollstreckung der Urteile verbessert wird5 ., zugleich aber eine Einschränkung der Zuständigkeit des Reichskammergerichts als Appellationsinstanz im Verfahren gegen Untertanen der Landesherren, durch Erhöhung der Appellationssumme von 300 Gulden auf 400 Reichstaler8 und eine weitere Einschränkung seiner Zuständigkeit dadurch, daß dem Gericht zur Pflicht gemacht wurde, Klagen von Untertanen gegen ihre Obrigkeit "nicht leichtlich" anzunehmen7 • Die Reichshofratsordnung (RHRO) von 1654 erfüllt die Auflage des Westfälischen Friedens und bringt - allerdings mit Ausnahmen - für das Verfahren vor dem Reichshofrat, der Reichskammergerichtsordnung analoge Regeln. Der Reichsschluß von 1681 über die Verbesserung der KriegsverfassungS hält an dem bestehenden System fest, wonach es keine eigene, gesonderte Reichsarmee gibt, sondern im Kriegsfall die einzelnen Reichsstände nach einem bestimmten Schlüssel9 Kontingente zum Reichsheer abstellen. Auch in den Wahlkapitulationen seit 1648 sucht man vergebens nach einer Verfassungänderung10• Ihr Inhalt ist meist der gleiche und entspricht dem Entwurf der beständigen Wahlkapitulation von 171111, da dieser auf den bis 1711 abgeschlossenen Wahlkapitulationen fußt12 und den späteren WK zugrunde gelegt wird. Der Entwurf selbst wird nicht Gesetz, da er nur von den beiden höheren Reichstagskollegien (Kurfürsten und Fürstenrat) ohne Zustimmung der Städte beschlossen ist. Alle Wahlkapitulationen enthalten nur die Bestätigung des ohnehin geltenden Rechtszustandes 111 • Abschließend ist also festzustellen, daß die verfassungsrechtlich bedeutsamenNormen nach 1648 ganz den grundsätzlichen Regelungen des s. §§ 11, 14 JRA. s. §§ 159/160 JRA. s s. § 112 JRA. 1 s. § 105 JRA. 8 s. dazu Pütter ,Historische Entwicklung•, Bd. li, S. 292 ff. 9 Dieser ist bis 1681 immer noch die Wormser Matrikel von 1521, nun ist es ein Reichsgutachten von 1681; s. Weigel a.a.O., S. 53. to Wahlkapitulationen zwischen 1648 und dem Ende des Reiches: 1653 Ferdinand IV., 1658 Leopold I., 1690 Joseph 1., 1711 Karl VI., 1742 Karl VII., 1745 Franz 1., 1764 Joseph II., 1790 Leopold II., 1792 Franz II. u s. Zeumer ,Quellen', Nr. 205. tt So Hartung ,Die Wahlkapitulationen der deutschen Kaiser und Könige•, in HZ, Bd. 107 (1911), S. 306 ff., S. 339. 13 s. Art. XVI des Entwurfes der beständigen WK, der zur Befolgung der alten Reichsgesetze, besonders der RKGO, RHRO des Westfälischen Friedens und der Exekutionsordnung verpflichtet. 4

5

2. Kap.: Die Zeit vom Westfälischen Frieden bis zum Ende des Reiches 65 Westfälischen Friedens entsprechen. Das Prinzip der Unabhängigkeit der Reichsstände bleibt bestehen, wird eher graduell verstärkt. Die Verfassungsinstitutionell des Reiches werden nicht wesentlich geändert. Von einer Verfassungsänderung kann demnach keine Rede sein. b) Verfassungswandel

Wird die rechtliche Gestaltung, die der Westfälische Frieden dem Reich gegeben hat, auch nicht durch spätere Gesetze verändert, so wäre es doch noch möglich, daß durch die politische Entwicklung nach 1648 diese rechtliche Gestaltung gewandelt worden wäre. Als Grundprinzip dieser rechtlichen Gestaltung erscheint, wie schon öfter betont, daß an die Stelle eines zentralen Einheitsstaates endgültig die Vereinigung einer Vielheit von Einzelstaaten getreten ist. In der politischen Entwicklung nach 1648 findet sich kein Ansatzpunkt einer erneuten Hinwendung zum Einheitsstaat und damit eines Wandels dieser Gestaltung. Auch sie steht ganz im Zeichen des Zusammenwirkens einer Vielheit von Einzelgewalten und damit im Einklang mit der Verfassung. Höchstens, daß die Bedeutung der Einzelgewalten gegenüber der Einheit noch stärker hervortritt. Das zeigt sich besonders in einer unverkennbaren Mediatisierungstendenz, d. h. nur auf dem Umweg über die einzelnen Territorien sind Dinge, die das Reich als Ganzes betreffen, noch durchführbar in der zunehmenden Übernahme von Funktionen des Reiches durch die Einzelterritorien und in der Tatsache, daß die Einzelterritorien ihre Rechte alljährlich ohne jegliche kaiserliche Konkurrenz ausüben14 • Als Ergebnis ist festzustellen, daß die rechtliche Gestaltung, die der Westfälische Frieden dem Reich gegeben hat, weder durch eine Verfassungsänderung noch durch einen Verfassungswandel verändert worden ist. Der Zeitraum von 1648 bis 1806 ist daher ein verfassungsrechtlich, einheitlicher. Völkerrechtliche Aspekte des Reiches nach 1648 können für den ganzen Zeitraum bis zum Ende des Reiches einheitlich festgestellt werden.

14

s. Kormann a.a.O., S. 148 ff.

5 Randelzhofer

Dritter Teil

Urteile der Rechts- und Geschichtswissenschaft üher das Reich seit dem 17. Jahrhundert A. Allgemeines Als was nun das Heilige Römische Reich seit dem 17. Jahrhundert, vor allem in der Gestalt, in die es der Westfälische Frieden gebracht hat, anzusehen sei, ob es ein Staat sei oder nicht, welche Staatsform es aufweise, ob es eine Staatenverbindung- wenn ja, welcher Art- sei usw., diese Fragen haben Geschichts- und Rechtswissenschaft in einem Maße beschäftigt, wie es nur bei wenigen anderen Problemen der Fall ist. Die Frage nach der Rechtslage des Heiligen Römischen Reiches wird nicht erst von der heutigen Wissenschaft der Staatslehre und des Staatsrechtes gestellt, aus dem Wunsche heraus, etwas bereits Vergangenes erklären zu können, sondern ist eine Frage, um deren Beantwortung innerhalb und außerhalb Deutschlands bereits seit Jahrhunderten gerungen wird, ohne daß es deshalb gelungen wäre, das Problem eindeutig zu lösen. Von unserer Zeit aus scheint die Streitfrage nur noch von historischer Bedeutung zu sein, doch während des Bestehens des Heiligen Römischen Reiches hat sie einen höchst realen Hintergrund. Die deutsche Geschichte, etwa vom 11. Jahrhundert bis zur Auflösung des Reiches 1806, die, wie gesehen, die Geschichte des Kampfes der Territorialgewalten gegen den Kaiser ist, die Geschichte des Auseinandertrifteng der verschiedenen Teile eines ehedem einheitlichen Gefüges, ist entscheidend durch diese Streitfrage bestimmt. Zwar tritt das im Verlaufe der acht Jahrhunderte nicht immer mit der gleichen Deutlichkeit hervor, doch zeigt sich immer wieder, daß die Auseinandersetzung über die Frage der Verfassung, das zentrale Problem des Reiches ist. Sie greift über die scheinbar größte Gegensätzlichkeit im Reich, Katholizismus -Protestantismus, hinaus, und die Fronten, die sich an ihr bilden, gehen mitten durch die beiden konfessionellen Lager. Aber auch für unsere Zeit ist die Untersuchung der Rechtslage des Reiches nicht nur von rein theoretischem Wert. Die weitere Untersuchung wird zeigen, daß sich aus der "Verfassung" des Reiches, zumindest nach 1648, Erkenntnisse ergeben, die durchaus für unsere Zeit von praktischem Nutzen sein können.

Erstes Kapitel

Beurteilungen im 17. Jahrhundert 1. Berücksichtigung der vor 1648 erschienenen Literatur Wie schon oben dargelegt\ ist es angebracht, ja sogar notwendig, mit dem Jahre1648, wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Westfälischen Friedens, einen neuen Entwicklungsabschnitt für das Heilige Römische Reich anzunehmen. Andererseits wurde betont, daß die verfassungsrechtlichen Regelungen des Westfälischen Friedens zum Teil nur den Verfassungsstand legalisieren, der sich schon in der Zeit vor 1648 als - wenn auch oft umstrittene - Verfassungswirklichkeit durchgesetzt hat. Es ist daher gerechtfertigt, in der folgenden Darstellung der Urteile aus dem 17. Jahrhundert über das Reich auch Urteile zu berücksichtigen, die schon aus den Jahrzehnten vor 1648 stammen. Das um so mehr, als man aus diesen Urteilen zum Teil ersehen kann, daß die Schriftsteller in ihrer Vorstellung schon ganz oder annähernd von der Verfassungslage ausgehen, wie sie erst durch den Westfälischen Frieden geschaffen bzw. bestätigt wird. 2. Bedeutung der Frage nach der Rechtslage des Heiligen Römischen Reiches im 17. Jahrhundert2 Sucht man im 17. Jahrhundert nach Stellungnahmen zur Rechtslage des Reiches, so fällt einmal die grundlegende Verschiedenartigkeit der Meinungen auf, aber noch mehr die überraschende Vielzahl von Schriften, die sich mit dem Problem befassen. Das findet seine Erklärung darin, daß in dieser Zeit der Streit um die Verfassung des Reiches nicht nur eine theoretische Auseinandersetzung ist, an der nur Rechtswissenschaftler teilnehmen, sondern in weitestem Maße für die Praxis von Bedeutung ist. s. Teil 2 der Arbeit. s. dazu Erik Wolf ,Idee u. Wirklichkeit des Reiches im Rechtsdenken des 16. u. 17. Jahrhunderts', in ,Reich und Recht in der deutschen Philosophie', hrsg. v. Karl Larenz, Stuttgart-Berlin 1943 ; ferner Bruno Gebhardt ,Handbuch der deutschen Geschichte', Bd. 2, Stuttgart 1955, § 91. 1

2

1. Kap.: Beurteilungen im 17. Jahrhundert

69

Seit dem Ende des 16. und Beginn des 17. Jahrhunderts hatte sich nämlich neben der theoretischen Lehre vom Staat eine andere Betrachtungsweise der politischen Verhältnisse ausgebildet, die man als angewandte Staatslehre oder Theorie der Staatskunst bezeichnen könnte. Den Weg zu dieser neuen Betrachtung hatte Nicolo Machiavelli in seinen "discorsi" über die erste Dekade des Livius und in seinem Buche "vom Fürsten" gewiesen3 • Es ist die Lehre von der Ragione di Stato, vom Interesse des Staates. Giovanni Botero, ein Landsmann Machiavellis, der dessen Gedanken, wenn auch in gemäßigterer Form, weiterentwickelte, und dessen Schriften sehr viel gelesen wurden, definiert die Lehre von der Ragione di Stato als die Lehre von der Kenntnis der Mittel, durch die ein Staat begründet, erhalten und vergrößert wird4 • Diese neuen Gedanken finden bald auch in Deutschland Eingang, obgleich sie von den Rechtsdenkern aus dem Lager der strenggläubigen Katholiken und Protestanten scharf bekämpft werden. Vor allem der kaiserliche und königlich spanische Rat Wilhelm Ferdinand von Efferen brandmarkt in seinem Handbuch der wahren Staatsraison diese Lehre als Abgott der Fürsten und gottloses Erzeugnis sündhafter Atheisten und preist ihr gegenüber die wahre Staatsraison des Augustinischen Gottesstaates. Und als Vertreter der gläubigen Lutheraner klagt Dietrich Reingkingk darüber, daß die Fürsten nach damaliger Sitte kein Wort häufiger in den Mund nähmen als das der Staatsraison. In seinem Buch "Biblische Policey" nennt er die Ratio Status die ungetreue Stiefschwester der Justitia, die sich, seitdem die Gerechtigkeit ihr Valet gesagt habe, der Herrschaft über die Welt bemächtigt habe. "Demnach Justitia der Welt valedicirt- Hat Status Ratio die Herrschaft occupirt. - Der Potentaten Herz hält sie vor einen Gott - Sie achtet nicht das Recht oder Gottes Gebott. Begierd zu frembdem Gut I Betrug I Arglistigkeit -Behält bey ihr den Platz I an statt der Redlichkeit. -Krieg I Elend kompt darauß I zerfällt all Policey I - Und herrschet über Recht I Gewalt und Tyranney5 ." Das Gesetzbuch Gottes und dessen Observanz, meint Reinkingk, sei die beste Ratio Status "oder Versicherung deß Staates" 6 • s s. Nicolo Machiavelli ,Der Fürst', übersetzt u. hrsgb. von Rudolf Zorn, Stuttgart 1955; derselbe ,Discorsi', Buch 1 Kap. 2, 25, 35, 53 wiedergegeben in ,Der Staat', zusammengestellt von Walter Schätzer, Berlin-Dannstadt-Wien 1963, s. 116 :ff. 4 Giovanni Botero ,Della Ragione di Stato', libri dieci, Venetia 1589, lib. prima, S. 1: "Ragione di Stato sie notitia de'mezi, atti a fondare, conservare e ampliare un dominio." 6 Dietrich Reinkingk ,Biblische Policey', Frankfurt a. Main, 1663, S. 232; Die Tochter der Status Ratio ist für Reinkingk die Ratio Belli (a.a.O., S. 252). 8 Reinkingk a.a.O., S. 274.

70

3. Teil: Urteile der Rechts- und Geschichtswissenschaft

Und doch ist es gerade ein Deutscher, der Altdorfer Professor Arnold Clapmarius, der den Begriff der Ratio Status systematisch ausbaut. Er lehrt insbesondere, daß jeder Staatsform eine spezifische Staatsräson zuzuschreiben sei und entwickelt diese jeweils für Monarchie, Aristokratie und Demokratie7 • War nun die Auffassung, daß es soviel verschiedene Formen der Ratio Status gäbe wie Staatsformen, zur Anerkennung gelangt, so erhält damit die Frage nach der Verfassung des Reiches für die politischen Schriftsteller eine höhere Bedeutung und wird aus dem Gebiet der theoretischen Staatslehre in das der praktischen Politik verlegt. Dieser Umstand erklärt die große Zahl von Abhandlungen über die Rechtslage des Reiches im 17. Jahrhundert.

3. Beurteilungen Im folgenden wird nun ein Überblick gegeben über die verschiedenen Urteile der Wissenschaft des 17. Jahrhunderts, wobei aus der großen Fülle von Schriftstellern, die sich zu dieser Frage geäußert haben, nur die bedeutendsten zu Wort kommen können, und diejenigen, deren Urteil für eine bestimmte Gruppe von Urteilen als Beispiel dienen kann. a) Das Reicll ist eine Monarchie

aa) Die Lehre von Reinkingk Dietrich Reinkingk (1590-1664) wurde streng lutherisch erzogen, studierte die ersten Semester im katholischen Köln, hörte in Marburg den Juristen Vultejus und promovierte schließlich als Schüler des Antonius in Gießen. Er bekleidete das Amt des Kanzlers nacheinander in HessenMarbung, Mecklenburg, Bremen und Dänemark8 • Er ist der führende Vertreter jenes Kreises von Juristen, die in ihrer Betrachtung des Reiches noch zutiefst in den traditionellen Vorstellungen verwurzelt sind. Das Reich ist für ihn noch immer das alte, aus dem Römischen Reich erwachsene Imperium Mundi. Es ist das vierte Weltreich, von dem der Prophet Daniel geweissagt hat, daß es bis zum jüngsten Tage dauern wird9 • Schon aus diesem Grunde besteht für Rein7 Arnold Clapmarius ,De Areanis Rerumpublicarum, libri sex.', Bremae 1605; lib II cap I (S. 49): "Pro hac Rerump. varietate, & circa hanc prudentia, variant etiam Rerumpubl. arcana, sive sophismata"; s. ferner lib. II cap. XI fi. 8 Über sein Leben siehe Stintz.ing ,Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft', in Geschichte der Wissenschaften in Deutschland, Neuere Zeit, 18. Band, 2.. Abteilung, München-Leipzig 1884, S. 40 ff. und 189 fi. 9 Dietrich Reinkingk ,Tratatus de regimine saeculare et ecclesiastico', Giessae 1619, class. II cap. I. Die 5. Auflage dieses Werkes stammt von 1651.

1. Kap.: Beurteilungen im 17. Jahrhundert

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kingk kein Zweifel daran, daß das Reich eine Monarchie ist, da in der Weissagung des Propheten die vier Weltreiche vier Monarchien sind. Mit Schärfe geht er daher gegen Bodin vor, der das Reich als Aristokratie bezeichnet hatte10, und erklärt, daß das Reich immer noch eine Monarchie sei, indem er zeigt, daß die einzelnen, von Bodin aufgestellten Attribute der majestas dem Kaiser zustehen11 • Gerade der Kaiser habe die summa et legibus soluta potestas. Sie sei ihm vom Volk durch die lex regia, welche niemals aufgehoben worden sei und noch jetzt gelte, übertragen12• Der Kaiser befehle allen und jedem einzelnen und habe keinen über sich; er sei daher summus. Die Reichsstände seien ihm durch das "homagium" zu Untertätigkeit und Gehorsam, lehnsrechtlich aber zu Treue und Heerpflicht verpfl.ichtet13 • Der Kaiser habe die Gesetzgebungsmacht, denn er berufe den Reichstag, stelle die Propositionen und gebe durch die Publikation den Gesetzen die bindende Kraft14 • Er habe die höchste Jurisdiktionsgewalt, denn in seinem Namen spreche das Reichskammergericht Recht. Daß der Kaiser durch die Beschwörung der Wahlkapitulationen gebunden sei, beeinträchtige seine Stellung nicht, denn wäre er auch von leges fundamentales imperii frei, dann hätte er keine potestas regia mehr, sondern eine "bestialis potestas" 15 • Dagegen sei es unzutreffend, daß die Kurfürsten den Kaiser absetzen üdrften. Nach der Wahl sei ihre Funktion beendet, und sie wären dem Kaiser zum Gehorsam verpfl.ichtet16 • Schließlich werde die majestas des Kaisers auch nicht dadurch geschmälert, daß er vor dem Pfalzgrafen verklagt werden kann. Denn auch der französische König, der doch nach Bodin zweifellos souverän sei, könne vor dem Pariser Parlament verklagt werden17• Das Recht der Landesherren in In dieser vertritt Reinkingk die gleichen Ansichten wie in der ersten Auflage z. T. ausdrücklich gegen entgegenstehende Bestimmungen des Westfälischen Friedens (s. Kormann a.a.O., S . 151). 10 Jean Bodin ,Les six Livres de la Republique', Faksimiledruck der Ausgabe Paris 1583, Aalen 1961, Lib II chap. VI (S. 320 ff.); Das Reich sei keine Monarchie, wie viele glauben, sondern eine Aristokratie. Zur Zeit Karls d. Großen bis Heinrich I. war es zwar eine Erbmonarchie, von da ab eine Wahlmonarchie ..., aber Bodin fährt fort: "jusque a ce que les sept Electeurs ont peu a peu retranche la souverainete, ne laissant rien a l'Empereur que les marques en apparence, en effect la souverainete aux etats des sept Electeurs, de trois cents Princes ou environ et des Ambassadeurs deputes des villes Imperiales . . . S'il est auss~, comme il est tout certain, qui peut nier que l'estat d'Allemagne ne soit une vraye Aristocratie?" 11 Reinkingk ,Tractatus', lib I class II cap. II. 12 Reinkingk a.a.O., Randnummer 54, 55. u Reinkingk a.a.O., Randnummer 96----101. 14 Reinkingk a.a.O., Randnummer 109~128. 15 Reinkingk a.a.O., Randnummer 179~181. 18 Reinkingk a.a.O., Randnummer 181-184. 17 Reinkingk a.a.O., Randnummer 214-217.

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3. Teil: Urteile der Rechts- und Geschichtswissenschaft

ihren Territorien hält Reinkingk zwar dem Recht des Kaisers im Reich ähnlich, aber nicht gleich18• Die summa et legibus soluta potestas des Kaisers behauptet aber auch Reinkingk nur noch für das deutsche Reichsgebiet. Auch er kann sich dem Sachverhalt nicht ganz verschließen, daß das Reich zu seiner Zeit nur noch ein deutsches ist. Es bedarf kaum des Hinweises, daß Reinkingks Meinung einer objektiven, juristischen Untersuchung nicht standhalten kann. Sie ist nicht das Ergebnis einer nüchternen Prüfung der rechtlichen Tatsachen, sondern "geboren aus dem Glauben an die metaphysische Notwendigkeit von Kaiser und Reich" 19•

bb) Die Lehre von Arumaeus20 Ist es für Reinkingk, auf Grund seiner Idee vom Reich, von Anfang an nie zweifelhaft, daß das Reich nur eine Monarchie sein kann, so ergibt sich für Arumaeus schon die ernsthafte Frage "Num Status Imperii hodierni sit Monarchicus, vel Aristocraticus, aut mixtus?" 21 • Indem er gegen die von Bodin vertretene Meinung ankämpft, verneint er, daß das Reich eine Aristokratie sei. Obgleich er den Kaiser nicht als legibus solutus im scharfen Sinn des Begriffes anerkennt22 und ihn an das göttliche Recht, das Naturrecht und Völkerrecht gebunden hält23, spricht er ihm doch die plenitudo potestatis zu, für deren Beweis er u. a. vor allem aufführt, daß König Ferdinand auf dem Augsburger Reichstag von 1555 es gegen den Widerstand der Stände durchsetzen konnte, daß die Klausel des geistlichen Vorbehaltes in den Religionsfrieden aufgenommen wurde24 • Den Ständen des Reiches stünde nicht das gleiche Recht zu wie dem Kaiser und sie übten die Macht auch nicht zusammen mit dem Kaiser aus25 , denn dieser allein habe im Reiche das Recht, Reinkingk ,Tractatus', lib. I, class. V, cap. VI. Erik Wolf a.a.O., S. 97. 20 Über seine Person siehe Stintzing a.a.O., S. 40. ! 1 Dominicus Arumaeus ,Discursus academici de jure publico', Vol. I, Discursus I, 7 (Jenae 1620). 22 Was allerdings, entg.e gen einem weitverbreiteten Irrtum, auch Bodin nie für den souveränen Herrscher gefordert hat; s. Bodin a.a.O., lib. I, chap. VIII, S. 129: "Ceste puissance est absolue et souveraine: car elle n'a autre condition que la loy de Dieu et de nature" und weiter S. 152: "... le Prince souverain est tenu aux contracts par luy faicts ... car puis qu'il est garant aux subiects des conventions et obligations mutuelles qu'ils on les uns envers les autres, a plus forte raison est il debteur de iustice en son faict." 23 Arumaeus a.a.O., Vol. I, Discursus VII, 32. 114 Arumaeus a.a.O., Vol. I, Discursus VII, 32. 25 Arumaeus a.a.O., Vol. I, Discursus I, 7: " . . . si enim Principibus & Statibus cum Imperatore nostro non sit aequata potentia." ... "Principes vero & Imperii Ordines aequalem cum Imperatore non habere potentiam notius est . . ." 18

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1. Kap.:

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Standeserhöhun gen vorzunehmen, Privilegia universalia zu verleihen, Universitäten zu gründen usw. Er erkennt an, daß der Kaiser in gewissen Dingen an die Zustimmung der Stände gebunden ist, doch erscheint ihm die Annahme eines status mixtus unzulässig, da die majestas unteilbar sei. Im übrigen bringe diese Bindung des Kaisers an die Zustimmung der Stände, und die Beschränkung seiner Macht durch die Beschwörung der Wahlkapitulatio nen keine Beeinträchtigun g seiner Stellung als Monarch mit sich, denn die gleichen Beschränkunge n könne man auch beim spanischen, französischen und englischen König feststellen. Nach Abwägung aller Umstände kommt Arumaeus zu dem Schluß: "Status itaque Imperii praesentis monarchicus est, qui etsi in nonnullis Aristocraticis rationibus temperetur, non tarnen propterea vel Aristocra ticus, vel mixtus dici poterit 26 ." b) Das Reich ist eine Aristokratie

Das hatte schon im 16. Jahrhundert, wie gesehen27 , Jean Bodin vertreten. Auch im 17. Jahrhundert findet man diese Meinung weit verbreitet. Es soll jedoch nur die Schrift erörtert werden, der die heraus,;. ragende Bedeutung für diese Meinung zukommt. aa) Die Lehre von Chemnitz Bogislav Philipp v. Chemnitz (1605-1678) wurde 1605 in Stettin geboren und stammt aus einer angesehenen norddeutschen Gelehrtenfamilie. Er hatte in Jena studiert und war 1627 ins niederländische Heer eingetreten. Seit 1640 lebte er in Schweden. Unter dem Pseudonym Hippolithus a Lapide veröffentlichte er eine Schrift mit dem Titel "Dissertatio de Ratione Status in Imperio nostro Romano-germa nico", die neben dem Monzambano Pufendorfs 28 die meist beachtetste Abhandlung über das Problem der deutschen Verfassung im 17. Jahrhundert darstellt. Daß Chemnitz der Verfasser ist, wird heute von niemandem mehr bestritten. Schon Conring, der v. Chemnitz gelegentlich einer Reise nach Schweden kennengelernt hatte, berichtete uns, daß dieser sich ihm gegenüber als Autor des Hippolithus bekannt hat29 • Streit herrscht allerdings immer noch über das Erscheinungsjahr der Schrift. Dieser Auseinanderset zung kommt insofern eine Bedeutung zu, als für den Fall, daß Chemnitz sein Buch wirklich schon 1640 veröffentlicht hat, wie die erste Auflage dies ausweist, das Argument, es handle sich nur um eine im schwedischen Dienst verfertigte 28

27 28 28

Arumaeus a.a.O., Vol. I, Discursus I, 11. s. oben Seite 71 Fußnote 10. s. dazu unten S. 81 ff. s. dazu Stintzing a.a.O., S. 46, Fußnote 1.

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3. Teil: Urteile der Rechts- und Geschichtswissenschaft

Tendenzschrift, nicht mehr angeführt werden kann, da Chemnitz erst 1640 im November nach Schweden ging. Conring erklärt mit Bestimmtheit, daß die Schrift in Schweden verfaßt und das Datum der Veröffentlichung bewußt gefälscht sei. Das war auch bis vor kurzem die überwiegende Auffassung3°, doch hat sich in jüngster Zeit Dickmann31 dagegen gewandt und erklärt, daß sich diese alte Ansicht auf Grund neuerer Forschungen nicht mehr aufrechterhalten lasse. Im ersten Teil seiner drei Teile umfassenden Schrift untersucht Chemnitz die Staatsform des Reiches, den Status Imperii. Diese sei unter den Karolingern unzweifelhaft monarchisch gewesen, was man aber nun nicht mehr behaupten könne. Er definiert die Majestas unter Hinweis auf Bodin als "summa & absoluta, seu legibus soluta potestas"32 • Eine Majestas in diesem Sinne stehe dem Kaiser aber nicht zu. Er sei weder legibus solutus, da er doch an die Wahlkapitulationen und an die Reichsgesetze gebunden und selbst der Jurisdiktion des Pfalzgrafen bei Rhein unterworfen sei113 • Das Reich dagegen, wie es sich in der Gesamtheit der im Reichstag versammelten Stände darstelle, stehe über den Gesetzen. Der Reichstag könne auch die Fundamentalgesetze aufheben, ja sogar den Status Imperii ändern34 • Dem Kaiser stehen auch nicht die Rechte zu, die als notwendige Attribute der summa potestas zu betrachten sind. Er kann allein keinen Krieg führen, einen Friedensvertrag oder ein Bündnis abschließen, wohingegen die Reichsstände das Recht haben, Bündnisse nicht nur untereinander, sondern auch mit auswärtigen Mächten abzuschließen, ohne daß dazu die Zustimmung des Kaisers erforderlich wäress. Der Kaiser sei auch nicht Inhaber der höchsten Gerichtsbarkeit, vielmehr übe diese das Reich durch das Reichskammergericht aus. Nicht dem Kaiser, sondern dem Reich, d. h. den im Reichstag versammelten Reichsständen, komme die majestas zu. Die dem Kaiser allein verbliebenen Rechte seien gering. Er sei in der Hauptsache nur des Reichstages "legitimus director", der verantwortliche Executor der Beschlüssedes Reichstages, des Heiligen Reiches Minister8 • Danach kommt 3o So Harry Breßlau in ,Severius de Monzambano'De Statu Imperii Germanici', übersetzt und mit Einleitung versehen von Dr. Harry Breßlau, S. 19, Fußnote 1, in ,Klassiker der Politik', Band 3, Berlin 1922; ebenso Stintzing a .a.O., S. 46, Fußn. 1, der sich auf S. 52 dagegen ausspricht, in der Schrift nur eine bezahlte Tendenzschrift zu sehen. st Fritz Dickmann a.a.O., S. 137 und 537. 82 Hippolithus a Lapide ,Dissertatio de Ratione Status in Imperio nostro Romano-germanico', Freistadii 1647, pars. I, cap. III. 88 Hippolithus a Lapide a.a.O., pars. I, cap. V, sec. II-III. 84 Hippolithus a Lapide a.a.O., pars. I, cap. VI, sec. III. 85 Hippolithus a Lapide a.a.O., pars. I, cap. IX, sec. I. Im übrigen zeigt sich hierbei klar, wie v. Chemnitz schon vor 1648 von der Verfassungslage ausgeht, die durch die Verträge von Münster und Osnabrück bestätigt wird. se Hippolithus a Lapide a.a.O., Pars. I, cap. IV, sec. I.

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Chemnitz zu dem Schluß: ... "Statum in Imperio nostro Romano-germanico aristocraticum esse, ex diversiis Aristocratiis mixtum: Administrationern vero aristocratico-monarchicam; in qua tarnen ipsa quoque administratione, Monarchiae vestigia valde exigua sint, quaeque, cum Aristocratia collata, attendi vix debeant. Quaedam enim, & pauca, illaque non jura, sed simulacra Majestatis, Imperatori relicta sunt: Quaedam Electoribus solis, aut Electoribus ac Imperatori simul, campetunt: Plurima autem, & potissima Majestatis jura, omnium Ordinum interventu ac autoritate, expediuntur37." Im zweiten Teil seiner Schrift entwickelt v. Chemnitz dann nach theoretischen Grundsätzen die für das Reich adäquate Staatsräson, deren Heil in der avita libertas patriae liege und stellt zugleich fest, daß die Prinzipien einer solchen Staatsräson im Reich vernachlässigt oder gar in ihr Gegenteil verkehrt worden seien. Im dritten Teil dann stellt er sechs Maximen zur praktischen Zurückführung des Reiches auf die richtige Staatsräson auf: Einmal sollen alle Streitigkeiten zwischen den Reichsständen beendet werden und eine allgemeine Amnestie gelten. Zum anderen, und darauf kommt es ihm besonders an, solle das Haus Österreich der Kaiserkrone und seiner Erblande im Reichsgebiet für verlustig erklärt werden38• Nur so sei das Reich vor der Herrschsucht dieses Hauses sicher und könne sich seine aristokratische Verfassung bewahren. Drittens solle ein neuer Kaiser gewählt werden, dem durch die Wahlkapitulationen genaue und enge Grenzen zu ziehen sind. Viertens solle das wahre Vertrauen zwischen den Ständen wieder aufgerichtet werden. Fünftens solle ein aus dem Reichstag hervorgehendes Fürstengremium geschaffen werden, dem die unmittelbare Verwaltung der Reichsgüter und die Führung der laufenden Reichsgeschäfte anvertraut werden solle, und sechstens solle ein ständiges Reichsheer geschaffen werden. Auch wenn man davon ausgeht, daß von Chemnitz den Hippolithus nicht im Dienste schwedischer Auftraggeber geschrieben hat, so ist seine Schrift als sachliche, juristische Untersuchung über die Rechtslage des Reiches von zweifelhaftem Wert. Zu deutlich geht aus ihr hervor, daß es dem Verfasser in erster Linie um den zweiten und dritten Teil geht, um die Staatsräson. Und diese Staatsräson steht für v. Chemnitz von Anfang an fest. Sie ist der Ausgangspunkt seiner Schrift, obgleich er in dieser den umgekehrten Weg geht und sie als logische Folge der Staatsform des Reiches erscheinen läßt. a7 Hippolithus a Lapide a.a.O., Conclusio Primae Partis. aa Hippolithus a Lapide a.a.O., Pars. III, cap. II: "exstirpatio Domus Austriacae." Ein Vorschlag der Pufendorf (Monzambano cap. VIII § 3) mehr

als Henkersdienst, denn als Mittel des Arztes erscheint, und den Pütter als abscheulich bezeichnet. Moser ,Staatsverfassung', cap. 27 § 25 (S. 557) spricht davon, daß damit das Kind mit dem Bade ausgeschüttet würde.

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3. Teil: Urteile der Rechts- und Geschichtsw issenschaft c) Die Lehre vom "Status mixtus" des Reiches aa) Johann Limnaeus (1592-166 3)

Johann Limnaeus ist in Jena geboren und aufgewach sen, hat in Altdorf studiert, große Reisen unternomm en und ist in markgräfli ch ansbachiseben Diensten zu hohen Würden gekommen39 • Er ist der gewichtigs te Vertreter jener juristische n Publizisten , die, ausgehend von religiöser Toleranz und juristische m Positivism us, mit ihrer Ansicht über die Verfassun g des Reiches zwischen den beiden extrem gegensätzl ichen Gruppen der "reinen Monarchis ten" und der "reinen Aristokrat en" stehen. Auch er stellt fest, daß der Kaiser nicht legibus solutus und nicht dominus mundi sei40• Das Reich sei keine Fortsetzung im Rechtssinn e des alten Römischen Reiches, weshalb es unzulässig sei, die Regeln, die das jus civile über den Princeps enthält, auf den Kaiser anzuwend en41 ; der Kaiser sei der Administr ator IImperii. Nach den Gesetzen des Reiches hat er nicht die suprema et libera potestas. Er könne die iura majestatis nicht allein, sondern nur mit Zustimmung der Stände ausüben. Dennoch sei das Reich keine Aristokrat ie, da einige Rechte dem Kaiser ausschließl ich und selbständi g zustünden42 • Die majestas realis, wie die majestas personalis , stehe dem Kaiser und den Reichsstän den gemeinsam zu. So kommt Limnaeus zu dem Ergebnis: " ... Imperium mixturn ex Monarchia et Aristocrat ia arbitramu r: ita tarnen ut Aristocrat iae lumen clarius apparere statuamus . . ." Mit dieser Formel liefert Limnaeus aber keine exakte Lösung des Problems. Im Grunde bleibt er bei einer bloßen Beschreibu ng stehen411 • Gerade vielleicht wegen ihrer relativen Unverbind lichkeit wird diese Theorie im 17. Jahrhunde rt zur herrschend en Meinung. So zählt auch der wohl am meisten bewunder te Rechtslehr er seiner Zeit, Hermann Conring44 (1606-168 1), zu ihren Anhängern . Dieser befaßt sich zwar mit dem Problem der Verfassun g nicht direkt, doch wirkt er mittelbar auf die Entscheidu ng der Streitfrage erheblich ein, indem er die Unhaltbarkeit der Lehre nachweist, wonach durch die Translatio Imperii das alte Römische Reich im Heiligen Römischen Reich aufgegang en sei, und s. weiter über sein Leben Stintzing a.a.O., S. 211 ff. Johann Limnaeus a.a.O., lib. Il, cap. IX, Randnumm er 1. 41 Johann Limnaeus a.a.O., lib. I, cap. X, Randnumm er 36. 42 Johann Limnaeus a.a.O., lib. I, cap. X, Randnumm er 39. 43 Erdmannsd örffer a.a.O., S. 52 spricht von der bequemen Doktrin des status mixtus. Als positiv an Limnaeus' Theorie darf aber gewertet werden, daß sich darin bereits eine gewisse Abkehr von dem durch Bodin aufgestellte n und herrschend gewordenen Dogma der Unteilbarke it der iura majestatis wenigstens in Ansätzen erkennen läßt. u s. über ihn Stintzing a.a.O., S. 165. 38

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dabei das Corpus Iuris übernommen, oder unter Lothar I. ins Reich eingeführt worden sei45 • Damit ist der Nimbus des Römischen Rechtes zerstört und die Ansprüche des Kaisers, als einem absoluten Monarchen, lassen sich nicht mehr mit Erfolg darauf stützen. d) Die Lehre vom Reich als einer .,Civitas composita"

Die von Bodin aufgestellten und zur allgemeinen Anerkennung gelangten Grundsätze, wonach die Souveränität unteilbar und wesentliches Element des Staates sei, hatten zur Folge, daß man bei Staatenverbindungen jede Möglichkeit eines Staates über Staaten ausschloß. Sah man sich daher in der realen Wirklichkeit einem föderativen Gebilde gegenüber, glaubte man nur die Möglichkeit zu haben, darin einen Bund vollsouveräner Staaten oder einen gegliederten Einheitsstaat zu sehen. Dabei ergab sich im zweiten Fall dann da& Problem, ob innerhalb des Einheitsstaates und seiner ausschließlichen Souveränität ein eigenes und selbständiges Gemeinleben von Gliedverbänden möglich sei. Johannes Althusius46 hat diese Möglichkeit anerkannt. In der Familie, den Berufsgenossenschaften, den Gemeinden und Provinzen sieht er notwendige, organische Gliederungen zwischen Individuum und Staat, wobei sich der weitere Verband immer aus den korporativen Einheiten der engeren Verbände zusammensetzt. Jeder dieser engeren Verbände ist ein wahres und originäres Gemeinwesen, das nur so viel an das höhere abgibt, als dieses zur Erreichung seines spezifischen Zweckes braucht. Der Staat unterscheide sich nur durch seine ausschließliche Souveränität von seinen Gliedverbänden. Diese höchste irdische Rechtsmacht finde aber im Recht der Verbände eine unüberwindliche Schranke. Auf breitester Basis finden wir hier eine konsequente Durchführung des Gedankens des Föderalismus. Es muß aber betont werden, daß Althusius sein System innerhalb des Rahmens des strengen Souveränitätsbegriffes aufrichtet. aa) Die Lehre Besolds Christoph Besold war kurfürstlich bayerischer Rat und Professor in Ingolstadt. Er entwickelt aus der Doktrin des Althusius die Theorie der civitas composita, beschränkt den Begriff aber auf den Fall, in welchem 45 s. Hermann Conring ,De Origine iuris germanici', Helmstadii 1643, bes. Cap. XXI-XXIV. 46 Johannes Althusius ,Politica', Faksimiledruck der 3. Aufl. Herborn 1614, Aalen 1961, cap. 2-8; s. ferner 0 . v. Gierke ,Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtliehen Staatstheorien', 5. Aufl., Aalen 1958,

s. 236 ff. (244).

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3. Teil: Urteile der Rechts- und Geschichtswissenschaft

mehrere "gentes" mit verschiedenen "leges" gleichwohl zu "unum corpus politicum" mit "unum imperium" verbunden sind47 • Das Imperium sei dabei als Oberstaat anzusehen, dem allein die "majestas" zu stehe und der mehrere republicae subalternae umfasse, die zwar nicht souverän und daher nicht eigentlich Staaten, aber ansonsten dem Oberstaat analog seien48 • Als Beispiel eines solchen Oberstaates über Unterstaaten, einer civitas composita, sieht Besold das Heilige Römische Reich an49 • Die deutschen Landesherren hätten in ihren Territorien die freie königliche Gewalt; sie seien ihren Untertanen gegenüber absolut und hätten überhaupt in ihren Territorien dieselbe Stellung und dieselben Rechte, wie der Kaiser im Reich. Sie seien aber dem Kaiser und dem Reich unterworfen. Nur dem Reich komme die majestas zu5°. Es wäre verfehlt, aus der Lehre Besolds zu schließen, er habe das Reich als einen Bundesstaat im heutigen Sinne verstanden. Wie Althusius, auf dessen Gedanken er aufbaut, hängt Besold dem strengen Souveränitätsdogma an, d. h . auch für ihn ist ein Gebilde ohne wahre Souveränität (majestas) kein Staat. Auf dem Boden dieser Anschauung aber kann er nicht zum Bundesstaatsbegriff kommen. Seine republicae subalternae sind keine Staaten, sondern nur Analoga von Staaten.

bb) Die Lehre Hu.gos Ludolf Hugo (1630-1704), ein Schüler Conrings, war Hannoverscher Geheimer Rat und Vizekanzler1• Er übernimmt von Besold den Begriff der Civitas composita für das Heilige Römische Reich, entwickelt ihn aber auch selbständig weiter und führt ihn näher an den modernen Bundesstaatsbegriff heran52 , indem er den Gedanken einer prinzipiellen Teilung der Staatsgewalt zwischen dem souveränen Oberstaat und den abhängigen Gliedstaaten entwickelt. Zu Beginn seiner Untersuchung über den Status des Reiches stellt Hugo fest: "Duplici regimine Imperium nostrum administrari animads. v. Gierke ,Althusius', S. 245. s. Christoph Besold ,Discursus politici', Argentorati 1623, Discursus IV ,De Reipublicae & Statu subalterne', cap. I-II. 40 Christoph Besold a.a.O., cap. III (591): "Ejusmodi Subalternorum itidem imperiorum, illustria nobis praebere possunt exempla, Principatus Ducatus, Marchicatus, Comitatus et liberae in Germania Respublicae." 50 Christoph Besold a.a.O., cap. III. 51 s. Brie ,Der Bundesstaat', Leipzig 1874, S. 17, Fußnote 2. 52 Insofern hat Brie ,Bundesstaat', S. 17 recht, wenn er gegen v. Gierke (Althusius, S. 246) behauptet, daß Hugo und nicht Besold als erster den Gedanken eines Staates über Staaten in die Wissenschaft einführt und damit zum Begründer der Lehre vom Bundesstaat wird. Wohl führt Besold vor Hugo den Begriff der civitas composita ein, aber bei Besold sind die republicae subalternae ganz eindeutig keine Staaten, während sie bei Hugo, wenn auch mit Einschränkungen, zu Staaten werden. 47

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vertimus. Nam & communi aliqua rep. imp. universum regitur; & singulae regiones ex quibus componitur, proprio quosdam principes, vel magistratus, judicia & ' consilia, atqua adeo peculiaram quandam superiori illi subjunctam Rempubl. habent53 ." Die deutschen Territorien seien "selbständige", wenn auch dem Gesamtstaate untergeordnete Staaten5\ die vor allem von bloßen Provinzen zu unterscheiden seien. Die Unterordnung unter das Reich scheine nun der Staatlichkeit der Territorien zu widersprechen, denn "ubi igitur est summa potestas, ibi nec Resp." 55 • Aber das Erfordernis der höchsten Gewalt gelte nicht unbedingt im Verhältnis der Staaten zueinander. Oberherrschaft und Unterordnung ließen sehr verschiedene Grade zu. Die Gewalt der Reichsstände über ihre Territorien sei der Souveränität so nahe verwandt, daß man die Territorien wenigstens als eine Art Staaten ("modo Rempublicani") 56 bezeichnen könne. Zwischen dem Reich und den Gliedstaaten finde eine Teilung der Majestätsrechte statt, wobei dem Reich die Sorge für die gemeine Wohlfahrt, den Gliedstaaten die Sorge für die spezielle Wohlfahrt ihrer Gebiete zukomme57 • Dabei sei aber die Abgrenzung keine starre, unabänderliche. Werde das Reich auf einem Gebiet, das ihm eigentlich obliege, aus irgendwelchen Gründen nicht tätig, dann sei ein selbständiges Tätigwerden der Einzelstaaten nicht nur möglich, sondern notwendig58• In ihrer Gesetzgebung seien die Territorien nur dann durch Reichsgesetze gehindert, wenn es sich um grundlegende Vorschriften des Reiches handelt. Die allgemeinen Gesetze des Reiches aber hindern die Territorien nicht, über die gleiche Materie ebenfalls Gesetze zu erlassen5 9 • Mit Einschränkungen wird man sagen dürfen, daß Hugo das Reich als einen Bundesstaat angesehen hat. Mit Einschränkungen deshalb, weil auch er auf die Souveränität als Wesensmerkmal des Staates noch nicht verzichtet. Zumindest ein Analogum zur Souveränität spricht er den Territorien zu, das auch durch die Unterordnung unter das Reich nicht verloren gehe, um ihre Staatlichkeit beweisen zu können. Indem er eine Teilung der Souveränitätsrechte zwischen Oberstaat und Gliedstaaten anerkennt, nähert er sich dem modernen Bundesstaatsbegriff aber schon weiter als Besold. 5a Ludolph Explicatio. 54 Ludolph s5 Ludolph 56 Ludolph 57 Ludolph 53 Ludolph 59 Ludolph

Hugo ,De statu regionum Germaniae', Gissae 1689, Propositi Hugo Hugo Hugo Hugo Hugo Hugo

a.a.O., a.a.O., a.a.O., a.a.O., a.a.O., a.a.O.,

Cap. li, Cap. II, Cap. II, Cap. II, Cap. II, Cap. II,

§ § § § § §

IV. V. IX. VIII. XV, XVI, cap. III, §§ XVI, XVII. XVII.

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e) Die Lehre von Leibolz

Auch Leibniz beschäftigt sich mit dem Problem der Rechtslage des Reiches eingehend. Seine Ausführungen darüber sind nicht einheitlich. Scharf muß man bei ihm unterscheiden zwischen dem, was er als Rechtswirklichkeit betrachtet, und dem, was er seiner Idee vom Reiche nach fordert 60. Seine Auffassung von der Rechtswirklichkeit findet man in dem unter dem Pseudonym Caesarinus-Fuerstenerius geschriebenen Traktat "de jure suprematus, ac legationum principum Germaniae". Diese Schrift hat Leibniz im Dienste des Hauses Hannover verfaßt um nachzuweisen, daß den deutschen Landesherren das Recht zustehe, zum Friedenskongreß nach Nymwegen (1679) Gesandte des 1. Ranges zu senden. Die Arbeit geht aber hinsichtlich ihrer Methode und der Ernsthaftigkeit ihres Anliegens weit über eine bezahlte Tendenzschrift hinaus61. Leibniz geht von der unverkennbaren Tatsache aus, daß die reale Macht im Reiche im weitesten Umfange bei den Landesherren liegt. Durch konstante Übung sei die Macht zum Recht geworden, was man nicht mehr bestreiten könne. Es wird gezeigt, wie die potestas territorialis geschichtlich erwachsen sei. Dabei ist Leibniz der Ansicht, daß der Schwerpunkt nicht auf das Erblichwerden der Reichsämter zu legen sei, sondern auf die Kontinuität einer ursprünglich vorhandenen, durch das Reich nie ganz gebrochenen Fürstengewalt gewisser Familien62. Die potestas territorialis sei gleichbedeutend mit der Souveränität. Sie äußere sich in einer Summe von Hoheitsrechten über die Untertanen und in der Unverletzlichkeit der Person des Fürsten sowie besonders in seiner Stellung als Kriegsherr, seiner anerkannten Befugnis zu selbständiger Kriegsführung auch außerhalb der Grenzen, seinem Bündnisund Gesandtschaftsrecht. TrotzdieserSouveränität derTerritoriensei das Reich aber mehr als ein Staatenbund. Die Souveränität der Territorien stehe nämlich nicht im Widerspruch zur Anerkennung ihrer rechtlichen Gebundenheit durch Kaiser und Reich. Sie sei vielmehr vollkommen verträglich mit der Einheit des zusammengesetzten Staates, der neben den Gliedern eine eigene Rechtspersönlichkeit bilde63• Damit gibt Leibniz dem Begriff des zusammengesetzten Staates, wie er ihn auf das Reich anwendet, eine Prägung, die dem modernen Bundesstaatsbegriff sehr nahe kommt64. Man kann demnach sagen, daß Leibniz auf Grund seiner 60 Auf die Wichtigkeit dieser Unterscheidung weist Hartmann ,Leibniz als Jurist und Rechtsphilosoph' in Festgabe für Jhering, Tübingen 1892, S . 53, zu Recht hin. 61 So Hartmann a.a.O., S. 59. 82 Caesarini-Fuerstenerii ,Tractus de jure suprematus ac legationum principum Germaniae', Amsterdam 1677, cap. 14. 63 Caesarini-Fuerstenerii a.a.O., cap. 11: " ... nova quaedam persona civilis constituitur." 84 Das Bemerkenswerte an Leibniz' Lehre ist, wie relativ er, im Gegensatz zur damals herrschenden Meinung, den Souveränitätsbegriff faßt. Er läßt nicht

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juristischen Untersuchung das Reich als Bundesstaat bezeichnet hätte, hätte es den Begriff zu seiner Zeit schon gegeben. Das Wichtigste, um das es ihm dabei geht, ist der Beweis, daß das Reich immer noch ein Staat sei. Staat ist für ihn ein Verband VOJ;l Menschen dann, wenn er die Fähigkeit zur unabhängigen, einheitlichen Willensbildung besitzt. Da dem Reich auch in der durch den Westfälischen Frieden gegebenen Gestalt eine solche Fähigkeit zur einheitlichen Willensbildung geblieben sei, sei es immer noch ein Staat: "Qui est dominus directus in eum cadit ius et obligatio. In quem cadit ius et obligatio, ei competit una voluntas. Cui competit una voluntas, est una persona civilis. Ergo Imperium habens dominum directum territoriale est una persona civilis habens majestatem seu summam potestatem. Una persona civilis habens summam potestatem in partes suas est civitas. Ergo Imperium est civitas65." Dieses Ergebnis, daß das Reich immer noch ein Staat sei, ermöglicht es dann Leibniz, seine neue Reichsidee zu entwickeln, wonach das Reich, da die Idee des Imperium Mundi nicht mehr aufrechtzuerhalten sei, durch die Institution des Kaisers ein politisches Schiedsrichteramt (arbitrium rerum) unter allen Mächten Europas ausüben solle66 • Denn, "den besonderen Auftrag, die Einheit in der Unterschiedenheit zu gestalten, hat die deutsche Nation". Leibniz sieht also in seiner Idee eine völkerrechtliche Funktion des Reiches als Ganzem gegenüber den außerdeutschen Mächten. Die deutschen Territorien selbst sieht er in keinem völkerrechtlichen, sondern in einem staatsrechtlichen Verbande. f) Die Lehre Pufendorfs

Die Schrift, die in der Auseinandersetzung um die Rechtslage des Reiches vielleicht den ersten Rang einnimmt, ist Pufendorfs Abhandlung "De Statu Imperii Germanici", die er unter der Maske des durchDeutsehland reisenden Italieners Severinus de Monzambano im Jahre 1667 veröffentlichte. nur verfassungsmäßige Beschränkungen der höchsten Gewalt zu, sondern hält sogar mehrfache Souveränitäten in einem Staate für möglich. Besonders gegen Hobbes und Pufendorf wendet er sich. Nach ihnen wäre jeder bestehende Siaat eine Anarchie, und eine Souveränität existiere nur "in ea Republica, cujus Rex Deus est". 85 Leibniz ,In Severinum de Monzambano', zitiert bei E. R. Huber ,Reich, Volk und Staat in der Rechtswissenschaft des 17. und 18. Jhrs.', in Z. ges. St. W., Bd. 102 (1942), S. 607. 86 Leibniz ,Denkschrift über die Festigung des Reiches', Zweiter Teil, Nr. 21, S. 72 ff., in G. W. Leibniz ,Deutsche Schriften', 2. Band, hrsg. von Dr. Walther Schmied-Kowarzik, Leipzig 1916. 6 Randelzhofer

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Samuel vonPufendorf (1632-1694) stammte aus einerPastorenfamilie. Schon in jungen Jahren war er Professor für Völkerrecht und Philosophie an der Universität Heidelberg. Kurz nach dem Erscheinen seines Monzambano folgte er einem Ruf an die neugegründete Universität zu Lund in Schweden. In seinen späteren Jahren war er Historiograph Kurbrandenburgs. In den ersten fünf Kapiteln seines Buches gibt Pufendorf einen Überblick über die historische Entwicklung des Reiches und seiner Staatsform67, wobei er im rein geschichtlichen Teil besonders auf den Forschungen Conrings aufbaut. Nach seiner Auffassung war das Reich, zur Zeit der Karolinger ein monarchischer Einheitsstaat. Seither aber strebe dieser Einheitsstaat auseinander und habe seinen monarchischen Charakter verloren. Verschiedene Faktoren haben diese Entwicklung bestimmt: Die Erblichkeit der Lehen, die allzu große Freigebigkeit des Kaisers gegenüber weltlichen und geistlichen Fürsten, das Wormser Konkordat. Im wichtigen 6. Kapitel untersucht Pufendorf dann die Rechtslage des Reiches, wie sie sich nach dem Westfälischen Frieden darstellt. Gleich eingangs greift er seinem Ergebnis schon zum Teil vor, indem er klarstellt, daß sich schon aus dem in den vorangegangenen Kapiteln Gesagten ergebe, daß das Reich zweifellos keine der sogenannten einfachen Staatsformen aufweise68 • Aus diesem Grunde hält er es für geboten, die folgende Analyse mit besonderer Sorgfalt anzustellen. Nachdem er festgestellt hat, daß die Verfassungen der Territorien durchweg monarchisch, z. T. absolut, z. T. beschränkt, und die der Reichsstädte teils aristokratisch, teils demokratisch sei69 , setzt er sich mit den zu seiner Zeit kursierenden Lehrmeinungen über die Verfassung des Reiches auseinander. Das Reich sei keine Demokratie70 . Das hatte aber, wie Pufendorf selbst sieht, noch niemand direkt behauptet. Er will nur schon den Ansatz zu einer solchen Betrachtung bekämpfen, den er vielleicht bei Conring (De civibus imperii) zu erkennen glaubte, der versucht hatte, den Begriff des Bürgers, wie ihn Aristoteles71 gebraucht, auf die deutschen Verhältnisse zu übertragen. 87 s. Severinus de Monzambano ,De Statu Imperü Germanici', cap. I-V, in Klassiker der Politik, Band 3, übersetzt und mit einer Einleitung versehen von Dr. Harry Breßlau, Berlin 1922. 88 Severinus de Monzambano a.a.O., cap. VI, § 1. 69 Severinus de Monzambano a.a.O., cap. VI, § 2. 70 Severinus de Monzambano a.a.O., cap. VI, § 3. 71 Aristoteles ,Politik', übersetzt von Eugen Rolfes, in Philosophische Bibliothek, Bd. 7, unveränderter Abdruck der 3. Auf!., Harnburg 1958, 3. Buch, 1. Kapitel (S. 79): "Wem es nämlich zusteht, an der beratenden oder richter-

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Den Anhängern der Meinung, daß das Reich eine Aristokratie sei, gibt er zu, daß manche Gründe dafür sprächen, doch müsse man aus zwei Gründen diese Meinung ablehnen: a) Es fehle in Deutschland an einem permanenten Rat, der die oberste Gewalt besitzt und über die Staatsangelegenheiten berät und beschließt; b) die einzelnen Mitglieder dieser Versammlung müßten den Beschlüssen dieses Rates ebenso gehorchen, wie jeder andere Bürger. Die Libertät der deutschen Stände aber lasse die Annahme eines solchen Verhältnisses nicht zu72• Daß das Reich keine absolute Monarchie sei, erscheint Pufendorf als so sicher, daß er erst keine weiteren Beweise dagegen anführt. Aber auch die Annahme einer beschränkten Monarchie scheitert für ihn daran, daß die Stände in ihrer Libertät bezüglich ihrer Territorien der kaiserlichen Gewalt gleichgestellt seien, was auch in einer beschränkten Monarchie unmöglich sei. Dem Kaiser sei auch nicht die letzte Leitung und Verwendung aller Kräfte des ganzen Reiches vorbehalten. "Wer das in Deutschland sehen könnte, der müßte Luchsaugen haben. Hier empfängt der Kaiser keine Einkünfte vom Reich, sondern muß von seinem eigenen Vermögen leben, hier gibt es keinen Reichsschatz, kein Reichsheer. Hier verwendet jeder Reichsstand seiner Untertanen Leib und Gut nach eigenem Belieben und bringt dem Reich nur verschwindend geringe Opfer und auch diese nur nach langem Handeln und Quälen73." Nachdem er gezeigt hat, daß er die bisherigen Ansichten als nicht zutreffend empfindet, verkündet er seine eigene Meinung: "Es bleibt also nichts übrig, als Deutschland, wenn man es nach den Regeln der Politik klassifizieren will, ein unregelmäßiges und fast monströses Staatsgebilde zu nennen (irregulare aliquod monstro simile), das im Laufe der Zeit .. . aus einer einstigen Monarchie entstanden ist. Jetzt ist Deutschland daher weder eine Monarchie, auch nicht einmal eine beschränkte, wenn auch gewisse Formen darauf hindeuten, noch auch, genau genommen, ein Föderativstaat74, sondern ein Mittelding zwischen beiden76. " liehen Gewalt teilzunehmen, den nennen wir daraufhin einen Bürger seines Staates." 12 Severinus de Monzambano a.a.O., Cap. VI, §§ 4 und 5. 78 Severinus de Monzambano a.a.O., Cap. VI, § 8. 74 Die Übersetzung von "systemata civitatum" mit "Föderativstaat" ist irreführend, da daraus der Eindruck entstehen kann, als habe Pufendorf an einen Bundessaat gedacht. Das ist aber sicher nicht der Fall. Als Anhänger des strengen Souveränitätsbegriffes lehnt er eine Teilung der Souveränität ab und schließt die Möglichkeit eines Staates über Staaten aus (s. dazu Pufendorf De Jure Naturae et Gentium', Tomus secundus, Francofurti et Lipsiae 1764, hb. VII, cap. IV et VI; ferner Brie ,Bundesstaat', S. 22 ff.). Es ist daher ganz klar, daß Pufendorf unter "systemata civitatum" einen Staatenbund, also eine Konföderation verst eht. 75 Severinus de Monzambano a.a.O., cap. VI, § 9. 6*

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3. Teil: Urteile der Rechts- und Geschichtswissenschaft

Da sich die Verfassung nicht mehr auf ihre Urform zurückführen lasse, sondern in unaufhaltsamer Entwicklung auf das andere Extrem zusteuere, werde Deutschland ohne die erschütterndsten Bewegungen und eine gänzliche Verwirrung aller Verhältnisse sich nicht wieder in die Form einer wahren Monarchie zwängen lassen, vielmehr nähere es sich mehr und mehr der Verfassung eines "föderativen" Staatensystems. Ja wenn man von der gegenseitigen Eifersucht zwischen Kaiser und Ständen absehe, so sei das Reich schon jetzt eine "Föderation"78 von Bundesgenossen ungleichen Rechtes, insofern als die Stände die Majestät des Kaisers anzuerkennen und gebührend zu ehren verpflichtet seien. Man werde demnach kaum irren, wenn man sage, Deutschlands Verfassung nähere sich einer "Föderation", in welcher ein mit monarchischem Schein ausgestatteter Fürst als Bundesoberhaupt eine hervorragende Stellung einnimmt. Wenn es auch Pufendorf nicht gelungen ist, das Problem vollständig zu lösen, so darf man doch sagen, daß er der wirklichen Rechtslage des Reiches nähergekommen ist als seine Zeitgenossen. Gegen die Kritik, die er an den verschiedenen Meinungen übt, kann auch vom heutigen Standpunkt aus kaum etwas vorgebracht werden. Mit großer Sicherheit des Urteils hat er die Schwächen der einzelnen Theorien erkannt und diese Lösungsversuche zurückgewiesen. Der Vorwurf, daß er mit seiner eigenen Lösung nur negativ zum Problem Stellung nehme77 und sich im übrigen auf eine Beschreibung der Monstrosität der Reichsverfassung beschränke und auf eine juristische Deutung verzichte78, ist nicht gerechtfertigt79. Eher gerechtfertigt ist der Vorwurf, daß Pufendorf sich selbst in seiner Erkenntnismöglichkeit beschränkt, indem er das enge aristotelische System80 auf das Reich anwendet81 • Gerade aber innerhalb dieses Systems, das zu Pufendorfs Zeiten noch allgemein anerkannt ist, will Pufendorf die Verfassung des Reiches fixieren. Nur weil sie keinem in diesem System enthaltenen Typus entspricht, nennt er die Reichsverfassung monströs82• 78 Nach dem oben Gesagten müßte es hier Konföderation heißen. Nachdem aber nach der Übersetzung Breßlaus zitiert wurde, sollen die dort verwendeten Ausdrücke stehen bleiben. 77 So Hartung ,Deutsche Verfassungsgeschichte vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart', 6. Aufl., Stuttgart 1954, S. 158. 78 So Schrödea- ,Lehrbuch der Deutschen Rechtsgeschichte', 4. Aufl., Leipzig

1902,

s. 850.

Zu Recht weist Feine ,Verfassungsgeschichte', Sav.Z.RG, Bd. 52 (1932), S. 72, darauf hin, daß Pufendorf nicht bei der bloßen Charakterisierung des Reiches als monströs stehen geblieben ist. 8° s. Aristoteles a.a.O., 3. Buch, 7. Kapitel. 81 So Jastrow ,Pufendorfs Lehre von Monstrosität der Reichsverfassung', in Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde, 19. Jahrgang, Berlin 79

1882, 82

s. 337.

So auch Jastrow a.a.O., S. 338.

Zweites Kapitel

Beurteilungen im 18. Jahrhundert 1. Wandel in der Bedeutung der Frage

Hat im 17. Jahrhundert die Frage nach der Rechtslage des Reiches infolge ihrer praktischen Aktualität zu zahllosen z. T. leidenschaftlichen Auseinandersetzungen darüber in der juristischen Literatur geführt, so stellt man für das 18. Jahrhundert ein spürbares Nachlassen des Auseinandersetzung fest. Die Frage hat ihre politische Brisanz verloren, der Gedanke der ratiostatussteht nicht mehr im Vordergrund. Es zeigt sich, daß die Publizisten z. T. des Streites müde sind und ihn weitgehend für bedeutungslos halten. So deutet v. Kreittmayr1 zwar an, daß er das Reich für eine Verbindung von Staaten, die "zwar des gemeinsamen Zweckes halber für ein corpuszusammengeachtet werde" halte, wobei die Verbindung, im Gegensatz zu einer solchen auf gleichem Recht, auf ungleichem Recht beruhe. Gleich darauf beweist er aber deutlich, daß ihm die Frage nach der Staatsform des Reiches nicht als wesentlich erscheint, wenn er bemerkt, "woraus in dem ganzen iure publico germanico lediglich gar nichts decidiert wird" 2 • Und Johann Jacob Moser verkündet zum Schlusse seiner Untersuchungen über das Problem: " ... am Ende gehet es also, ... daß es mehrenteils auf ein ohnnützes Schulgezänk hinauslaufe, wenn man die Regierungsform des Teutschen Reiches unter eine schulmäßige Rubric bringen wollte... Teutschland wird auf teutsch regiert und zwar so, daß sich kein Schulwort oder wenige Worte oder die Regierungsart anderer Staaten darzu schicken, unsere Regierungsart begreiflich zu machen3 ." Trotz ihres, im Gegensatz zu den juristischen Publizisten des 17. Jahrhunderts, distanzierteren Verhältnisses zu der Streitfrage unterlassen es aber auch die großen juristischen Publizisten des 18. Jahrhunderts nicht, zur Rechtslage des Reiches Stellung zu nehmen. Namentlich hat sich auch 1 v. Kreittmayr ,Grundriß des allgemeinen Deutschen und Bayerischen Staatsrechtes', München und Leipzig 1769, § 4. 1 v. Kreittmayr a.a.O., § 4. 1 Moser ,Neues Teutsches Staatsrecht', I, Stuttgart 1766, Cap. I, § 21 (S.17); ebenso Moser ,Staatsverfassung', S. 547 u. S. 5-50.

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3. Teil: Urteile der Rechts- und Geschichtswissenschaft

Moser, trotz seiner grundsätzlich ablehnenden Haltung, weitläufig damit befaßt. 2. Beurteilungen a) Die Lehre Mosers

Es ist schwer, wenn nicht gar unmöglich, trotz der umfassenden Darstellung, die Moser über die Verfassung des Reiches gibt, seine Meinung juristisch klar zu definieren. Zu sehr beschränkt er sich darauf, eine subtile Beschreibung der tatsächlichen Zustände zu geben. Schon Häberlin4 äußert über Moser: "Seine Werke enthalten freilich mehr Materialien als durchdachte Sätze. Seine Gedanken verlieren sich unter der ungeheuren Menge von Material und man muß sie suchen." Und Moser selbst bekennt, daß er sich hinsichtlich der Streitfrage nach der Verfassung des Reiches nur selten herbeigelassen habe zu sagen, mit welcher Meinung er es haltell. In der Tat ist seine Stellungnahme nie direkt und auch nicht einheitlich; nur aus Andeutungen und seinem Urteil über die Meinungen anderer Publizisten läßt sie sich erahnen. Sicher ist, daß Moser das Reich immer noch als einen Staat betrachtet. Obgleich er anerkennt, daß die Stände ihre Landeshoheit nicht im Namen des Kaisers, sondern aus eigener Gewalt üben8 , ja sie sogar als halbsouveräne Staaten bezeichnet7 , betont er doch auf das Entschiedenste ihre Unterordnung unter Kaiser und Reich: "Es mögen also einige neuere Staatsrechts-Lehrer das Vorgeben, als seye das Teutsche Reich ein Systema foederatarum civitatum vel Rerumpublicarum, ein aus vielen kleinen, freien Staaten bestehender großer Staat, so hoch treiben als sie wollen, so kann doch keiner mit Grund sagen, daß ein einzelner Reichsstand einen solchen unabhängigen und souveränen Staat ausmache, dergleichen die einzelne vereinigte Niederländische Provinzien und die einzelne Cantons der Schweyzerischen Eidgenossenschaften seynd. Diese haben kein wahres und würkliches Oberhaupt: aber die teutschen Reichsstände. Jene seynd dem gesammten Staat Bundesmäßige Pflichten, die teutschen Reichsstände hingegen dem Kayser und Reich Gehorsam schuldig'!. Moser sieht also bestimmt keinen Staaten' Häberlin ,Handbuch des Teutschen Staatsrechtes'; ähnlich v. Römer ,Das Völkerrecht der Teutschen', Halle 1789, S. 32. 5 Moser ,Grundriß der Staatsverfassung des Teutschen Reiches', 7. verb. Auflage, Tübingen 1754, in der Vorrede. ' J. J. Moser ,Von der Landeshoheit derer teutschen Reichsstände überhaupt', Frankfurt und Leipzig 1773, S. 13. 7 Moser ,Grund-Sätze des jetzt üblichen Europäischen Völcker-Rechts in Friedenszeiten', Frankfurt 1763, S. 527, § 3. 8 Moser ,Landeshoheit', S. 26.

2. Kap.: Beurteilungen im 18. Jahrhundert

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bund im Reich. Aber auch die Annahme eines bundesstaatliehen Verhältnisses, wie man sie bei ihm vermuten sollte, nachdem er die Territorien halbsouveräne Staaten nennt, hält er für das Reich, das in der Person des Kaisers ein Oberhaupt habe, nicht für unbedingt zutreffend, wenngleich zu erkennen ist, daß er der Meinung zuneigt, die im Reich ein System von vereinigten Staaten, die zusammen wieder einen größeren, gemeinschaftlichen Staat ausmachen, in dem aber die Einzelstaaten bestimmte Befugnisse behalten, sieht9 • Als eine Aristokratie könne man das Reich nicht sehen10, auch eine reine Monarchie anzunehmen komme "aber allemal abgeschmackt und gezwungen heraus" 11 • Dagegen sprechen einige Stellen bei Moser dafür, daß er das Reich als beschränkte Monarchie angesehen hat. So wenn er schreibt: "Welche aber dem Kayser um dieser Ursachenwillen (Wahlkapitulationen) die Majestät absprechen wollen, die vermengen die Majestät und die Souverainete mit einander12• Der Kayser ist des Reiches Oberhaupt und daß wegen ohne ihn kein Corpus Germanicum erkennet" 13 • Hierbei geht Moser allerdings noch davon aus, daß alle Gewalt vom Kaiser ausgehe und er sie nur an die Stände delegiert habe, eine Ansicht, die er später offenbar aufgibt. Im ganzen läßt sich sagen, daß Mosers Meinung uneinheitlich und nicht frei von Widersprüchen ist. Er sieht sich nicht in der Lage, zu einer Klassifizierung des Reiches durch Begriffe der Staatslehre zu kommen. Daher erklärt er das Problem für unwichtig und beschränkt sich auf eine bloße Beschreibung der Verfassung. b) Die Lehre Pütters vom zusammengesetzten Staat

Ganz im Gegensatz zu Moser hält Pütter die Frage nach der Verfassung des Reiches für wesentlich. Obgleich er anerkennt, daß die Beantwortung der Frage, wegen der Besonderheit und Einzigartigkeit der Verfassung des Reiches, schwierig sei, meint er doch: "Es bleibt aber doch immer zur Theorie eines jeden Staatsrechtes unumgänglich nöthig, die Frage gleich anfangs nicht unbeantwortet zu lassen: was ein Staat für eine Regierungsform habe" 14• Dabei dürfe man nicht, wie das bisher 8 s. Moser ,Staatsverfassung', S. 551, 552; klar dafür spricht er sich aber nichlt aus. 10 Moser ,Staatsverfas-sung', S. 554. 11 Moser ,Staatsverfassung', S. 553; s. weiter ,Grundriß', lib. 3, cap. 5, § 1. 12 Moser ,Grundriß', lib. 3, cap. 5-; § 1. ta Moser ,Grundriß', lib. 3, cap. 4; § 1. u Pütter ,Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte', Göttingen 1777, Beytrag, Nr. II, S. 17.

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3. Teil: Urteile der Rechts- und Geschichtswissenschaft

fast alle Publizisten getan hätten, den unvollständigen Maßstab des Aristotelischen Schemas anlegen, man müsse vielmehr auch noch die Kategorie der zusammengesetzten Staaten im Gegensatz zum einfachen Staat heranziehen15• Das Deutsche Reich eben sei ein solcher zusammengesetzter Staat, entstanden aus dem Zerfall eines vorangegangenen einfachen Staates16• Deutschland enthalte soviel "besondere Staaten" als es Kurfürsten-, Fürsten-, Grafschaften, Reichsstädte, Reichsprälaten- und ReichsritterGebiete habe17• Ein jeder dieser Staaten habe seine eigene, mit allen Hoheitsrechten begabte Regierung, jeder seine eigene Verfassung, ein jeder auch die Rechte gegenüber auswärtigen Mächten, die sonst nur unabhängige Mächte hätten. Auch untereinander würden sich die einzelnen besonderen Staaten Deutschlands, deren Verfassungen höchst verschieden seien, so verhalten, wie es bei den verschiedenen Staaten von Europa der Fall seP8 . Dennoch seien sie aber nicht wirklich völlig unabhängig, da sie in ihrer Landeshoheit durch die Unterworfenheit unter die Reichsgerichte beschränkt seien19• Trotz der weitgehenden Selbständigkeit, die Pütter den einzelnen Territorien zuerkennt, betont er dennoch ihre Zugehörigkeit bzw. Unterordnung unter ein gemeinsames Ganzes: "Und doch ist nichts gewisser, als das Mecklenburg und Baiern, Würtenberg und Pommern, Passau und Münster, Ortenburg und Bentheim, Harnburg und Nürnberg, kurz geistliche und weltliche Länder, Chur- und Fürstentümer, Grafschaften und Reichsstädte, wenn ihre innerliche Verfassung auch noch so sehr von einander abgehet, dennoch alle ohne Ausnahme noch Als Theile eines einigen Ganzen in gleichmäßiger Verbindung unter dem Teutschen Reiche stehen; ... und zwar nicht etwa nur in einer solchen Verbindung wie die 7 niederländischen Provinzen oder die 13 schweizer Cantons, . . . sondern unter einem gemeinsamen Oberhaupte, dem die persönliche Majestät und Unabhängigkeit so wenig als einem Könige in Frankreich oder irgend einem anderen Monarchen bestritten werden kann" 20 • Aber nicht nur durch die Person des Kaisers werden die einzelnen Staaten verbunden. Eine "Realverbindung" halte alle besonderen deutschen Staaten in dem Band eines einigen Reiches zusammen. Nicht nur der Kaiser als Person sei für Deutschland einheitPütter ,Beyträge', Nr. II, S. 20 ff. Pütter ,Beyträge', Nr. li, S. 29/30. 17 Pütter ,Beyträge', Nr. li, S. 31. 18 Pütter ,Historische Entwicklung', Ill, S. 215. 1e Pütter ,Historische Entwicklung', III, S. 234 ff. 20 Pütter ,Beyträge', Nr. li, S. 35/36; auch Pütter ,Erörterungen und Beyspiele des Teutschen Staats- und Fürstenrechts', Bd. I, Göttingen 1798, S. 2; ferner Pütter ,Institutiones iuris publici germanici', 3. Editio, Göttingen 1782, 5.31. 15 1'

2. Kap.: Beurteilungen im 18. Jahrhundert

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lieh, sondern auch die ihm zustehende Gewalt: " ... sie gilt an einem Ende von Teutschland, wie am anderen" 21 • Bei Pütter taucht also wieder die Bundesstaatsidee auf, wie schon zuvor bei Besold und Hugo. Das Reich wird von ihm nach wie vor als ein Staat angesehen, nur daß sich innerhalb des Gesamtstaates viele Einzelstaaten befinden, denen zwar der Staatscharakter zugesprochen wird, die aber doch, wegen ihrer Unterordnung unter den Gesamtstaat, keine voll unabhängigen Staaten sein sollen. So sehr das nun auf einen Bundesstaat hinausläuft, so muß dennoch mit Schlie22 bezweifelt werden, ob Pütter unter seiner Definition des "aus Staaten zusammengesetzten Staates" das Gleiche versteht, was man heute unter dem modernen Bundesstaatsbegriff versteht. Deutlich sieht man nämlich, daß Pütter die Reichsgewalt nicht als gesamtstaatliche Bundesgewalt versteht, vielmehr setzt er sie gleich mit der kaiserlichen Gewalt. Sie ist somit "nicht von korporativer, sondern von monistischer Struktur.zs" Es ist die Institution des Kaisers, der Pütter die Kraft des einigenden Bandes für die einzelnen Staaten zuspricht. Danach aber kann von einem modernen Bundesstaatsbegriff im Hinblick auf das Reich bei Pütter nicht gesprochen werden. c) Die Lehre Häberlins

Im Anschluß an Pütterund unter dessen Einfluß befaßt sich der Helmstedter Professor Carl Friedrich Häberlin ausführlich mit dem Problem. Auch er stellt zunächst heraus, daß es neben den einfachen auch zusammengesetzte Staaten gebe24, genau genommen aber könne man solche zusamengesetzten Gebilde nicht mit dem Namen des Staates belegen, da zum Wesen eines Staates die Anerkennung einer gemeinsamen höchsten Gewalt gehöre. Diese aber fehle in solchen zusammengesetzten Gebilden wie dem amerikanischen Freistaate und den Vereinigten Niederlanden, weshalb diese nicht Staaten, sondern nur verbundene Staatskörper (systema foederatarum civitatum) seien. Hätten sie ein gemeinsames Oberhaupt, dem sie eine gemeinsame höchste Gewalt über sich anvertrauen würden, dann würden die Niederlande aufhören ein bloß verbundener Staatskörper zu sein und würden zum Staate25 • Die einzelnen Provinzen würden dann nicht völlig frei und Pütter ,Beyträge', Nr. II, S . 37. u Schlie ,Johann Stephan Pütters Reichsbegriff', in Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien, Band 38, Göttingen 1961, S. 54!55. n Schli.e a.a.O. !4 Häberlin ,Handbuch des Teutschen Staatsrechts', Bd. I, Frankfurt und Leipzig 1794, S. 129. 2s Häberlin a.a.O., I., S. 123; hier zeigt sich deutlich, daß Häberlin, wie Pütter, sich einen aus Staaten zusammengesetzten Staat nur vorstellen kann, wenn die gemeinsame höchste Gewalt eine monistische ist, und nicht den Gedanken der korporativen gemeinsamen Gewalt, an der die Einzelstaaten teilllt

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3. Teil: Urteile der Rechts- und Geschichtswissenschaft

unabhängig sein, wären aber dennoch weiterhin eigene Staaten28 • Deutschland könne jedoch nicht ohne weiteres als ein zusammengesetzter Staat betrachtet werden, da dem die Geschichte widerspreche. Teile man die europäischen Staaten in Reiche und Republiken ein, so sei Deutschland ein Reich, dessen Oberhaupt wirklicher Monarch sei. Zugleich aber sei es ein durch Stände eingeschränktes Wahlreich, das obendrein in mehrere einzelne Staaten geteilt sei. "Teutschland hat also eine monarchische Verfassung, und diese hat es seitdem es ein Staat geworden ist gehabt27." Dieser äußere Rahmen der monarchischen Verfassung bewirkt für Häberlein, daß die Vielzahl voneinander unabhängiger Staaten des Reiches nicht nur - wie die Schweiz - einen Staatenbund darstellen, sondern nach wie vor einen Staat, ein Reich ausmachen28 • Daher sei die Verbindung keine bloß persönliche, vielmehr sei sie eine "wahre dingliche oder Realverbindung". Als Resultat seiner Untersuchung stellt Häberlin heraus: "Teutschland ist ein in mehrere ganz verschiedene Staaten getheiltes Reich, welche aber doch nach Art eines zusammengesetzten Staats unter einem gemeinschaftlichen, höchsten, zwar monarchischen, jedoch eingeschränkten, erwählten Oberhaupte vereinigt sind" 29• Zu Häberlins Lehre kann das gleiche gesagt werden wie zur Lehre Pütters. Seine Definition kann ebenfalls nur mit Einschränkung für den modernen Bundesstaatsbegriff in Anspruch genommen werden, weil auch er die Unterordnung der Einzelstaaten nicht unter eine korporative Bundesgewalt annimmt, sondern unter die monistische Gewalt des Kaisers. d) Die Lehre Begeis

Die akademische Diskussion über das Problem der Rechtslage des Reiches bringt Hegel zu einem vehementen Finale. Mit seinen wuchtig vorgetragenen Argumenten will er den Streit darüber beenden: "Deutschland ist kein Staat mehr. Es ist kein Streit mehr darüber, unter welchen Begriff die deutsche Verfassung falle. Was nicht mehr begriffen werden kann, ist nicht mehr" 30 . In streitbarem Ton fährt er fort: "Sollte Deutschland ein Staat sein, so könnte man diesen Zustand der Auflösung des Staates nicht anders als mit einem auswärtigen Staatsrechtsgelehrten31 Anarchie nennen, wenn nicht die Teile sich wieder zu Staaten haben, bzw. die eben durch das Zusammenwirken der Einzelstaaten geschaffen wird, vertritt. 28 Häberlin a.a.O., I, S. 124. n Häberlin a.a.O., I, S. 125. 2s Häberlin a.a.O., I, S. 147. 29 Häberlin a.a.O., I, S. 148. 30 Hegel ,Die Verfassung des Deutschen Reiches', neu heraus·g egeben von G. Mollat, Stuttgart 1935, Einleitung S. 1. a1 Gemeint ist Voltaire.

2. Kap.: Beurteilungen im 18. Jahrhundert

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konstituiert hätten, denen weniger ein noch bestehendes als vielmehr die Erinnerung eines ehemaligen Bandes noch einen Schein von Vereinigung läßt32••• Durch das Recht sei den einzelnen Ständen die gänzliche Unabhängigkeit zugesichert. Wenn es Seiten der Unabhängigkeit gäbe, die nicht ausdrücklich und feierlich in Wahlkapitulationen usw. bestimmt seien, so seien sie durch die Praxis sanktioniert. "Das deutsche Staats~ gebäude ist nichts anderes als die Summe der Rechte, welche die einzelnen Teile dem Ganzen entzogen haben und diese Gerechtigkeit, die sorgsam darüber wacht, daß dem Staat keine Gewalt übrigbleibt, ist das Wesen der Verfassung"". Es gäbe daher für dies Rechtsgebäude des deutschen Staates vielleicht keine bessere Überschrift als "Fiat justititia, pereat Germania" 34 • Nach allem dem müsse man Deutschland nicht mehr als ein vereinigtes Staatsganzes, sondern als eine Menge unabhängiger und dem Wesen nach souveräner Staaten ansehen. Während in der Einleitung die Polemik überwiegt, geht Hegel im weiteren Teil seiner Schrift daran, durch die Ergebnisse einer objektiven Untersuchung seine Ansicht zu untermauern. Er sagt was er für den Staat als wesentlich ansieht und prüft dann, ob diese Merkmale im Deutschen Reich noch vorhanden sind. Der Staat sei unabhängig von der Verfassungsform. Wesentlich für seinen Bestand sei die Quantität der Staatsgewalt35• Die Staatsgewalt teilt Hegel auf in ihre "zufälligen" und ihre "notwendigen" Teilel'6 • Zu den zufälligen zählt er zum Beispiel gleiche Sprache, gleiche Sitten und gleiches Privatrecht innerhalb eines Staatsgebietes. Diese zufälligen Teile der Staatsgewalt seien nicht notwendig, um das betreffende Gebilde als Staat zu qualifizieren. Notwendige Teile der Staatsgewalt sind ihm: Reichsgebiet, Reichsjustiz, Reichsschatz und stehendes Heer. Zumindest die Ietzen beiden Erfordernisse aber ließen sich in Deutschland nicht finden 37 • Daher bestehe keine Staatsgewalt, also auch kein Staat mehr. So richtig Hegel sieht, daß die deutschen Einzelstaaten unabhängige Staaten sind, so sehr fällt andererseits sein Unverständnis für die Verbindung auf, die nach wie vor auch unter den unabhängigen Staaten des Reiches besteht, die eben nur nicht mehr staatsrechtlicher, sondern völkerrechtlicher Art ist. Darüber findet sich aber bei Hegel kein Wort mehr. Nachdem das Reich für ihn kein Staat mehr ist, ist sein Interesse an ihm erschöpft. n Hege! a.a.O., S. 2. aa Hege! a.a.O., S. 9. u Hegel a.a.O., S. 10. 36 Hegel a.a.O., S. 15. ae Vgl. Hege! a.a.O., S. 15·ff. 37 Vgl. Hegel a.a.O., S. 27 ff. und 32 ff.

Drittes Kapitel

Beurteilun gen seit dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches bis zur Gegenwart 1. Allgemeine Charakterisierung

Mit der Auflösung des Reiches verliert notwendiger weise auch die Frage nach seiner Verfassung ihre Aktualität. Die Folge davon ist, daß um ihre Beantwortun g nicht mehr mit der Intensität gerungen wird, wie das im 17. Jahrhundert und, zu einem allerdings geringeren Maße, auch noch im 18. Jahrhundert der Fall ist. Nur noch dem Wunsche der Juristen und der Historiker, etwas Vergangenes verständlich zu machen, entspringt die Befassung mit der Materie. Oft wird das Reich dabei als praktisches Beispiel für einen in der Theorie der betreffenden Zeit gerade besonders hervorgehob enen Begriff der Staatslehre dargestellt - so z. B. beim Bundesstaat -, häufiger aber noch begnügt man sich mit der mehr oder weniger abgewandelt en Wiedergabe der Meinungen früherer Publizisten oder mit juristisch unscharfen, bloß beschreibend en, zum Teil widersprüch lichen Definitionen .

2. Beurteilunge n a) Das Reich als Bundesstaat

aa) H. B. Oppenheim Pütter und Häherlein und vor ihnen Hugo rücken mit ihren Definitionen in die Nähe des Bundesstaats begriffes, ohne ihn aber zu erreichen oder gar wörtlich zu verwenden. Erst Heinrich Bernhard Oppenheim nennt das Reich direkt einen Bundesstaat 1• Er ist der Meinung, daß die Landeshohei t, welche der Westfälische Frieden den deutschen Reichsständen eingeräumt habe, noch keine Staatshoheit (Souveränitä t) begründet habe, da sie im Inneren des Reiches nur neben den Reservatrechten des Kaisers und vorbehaltlich der Gerichtsbark eit des Reiches 1

H. B. Oppenheim ,System des Völkerrechts', Stuttgart und Leipzig 1866,

s. 88.

3. Kap.: Beurteilungen seit dem Untergang des Reiches

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bestünde. Daraus folge auch eine Beschränkung des äußeren Staatshoheitsrechtes, wie die Vorbehaltsklausel2 zugunsten des Kaisers und des Reiches beim Bündnisrecht der Stände zeige. Die Zuerkennung der Landeshoheit bedeute aber die Auflösung des einheitlichen Reiches zum losen Bundesstaat. Noch nicht zum Staatenbund, da jeder deutsche Untertan immer noch Reichsbürger sei und als solcher gewisse Rechte besitze.

bb) Brie Auch Brie wird man, wenn auch mit Einschränkungen, zu den Juristen rechnen können, die das Reich als einen Bundesstaat betrachten. Zunächst stellt er heraus, daß der Westfälische Frieden die Landeshoheit der Reichsstände grundsätzlich sanktioniert, damit aber den einzelnen Ständen nicht die Souveränität beigelegt habe11• Die Territorien seien zu Staaten geworden, die aber einer höheren Staatsgewalt untergeordnet seien4• Er hält insofern die Bezeichnung des Reiches durch die frühere Wissenschaft, als eines aus Staaten zusammengesetzten Staates, für durchaus zutreffend5 • Dabei sei dieser zusammengesetzte Staat nach bundesstaatliehen Merkmalen organisiert. Die Reichsstandschaft, die nunmehr am Territorium hafte, erscheine als ein den einzelnen Gliedern des Reiches zustehendes Mitbestimmungsrech t an den staatlichen Gesamtangelegenheiten . Dagegen entspreche es einem Bundesstaat nicht, daß die Untertanen der gemeinsamen höheren Staatsgewalt nur mittelbar, durch Vermittlung der Einzelstaatsgewalt unterworfen seien, wie dies im Reiche der Fall sei6 • Abschließend ist er der Meinung, daß das Reich zwar kein "korrekter" Bundesstaat sei, einem solchen auf seiner letzten Entwicklungsstufe aber sehr nahe stehe7 • b) G. Jellineks Lehre v-om Reich als Staatenstaat

Für J ellinek ist das Reich bis zu seinem Ende ein Staat, und zwar ein Staatenstaat. Darunter versteht er eine staatsrechtliche Form der Staatenverbindung. Ein souveräner Staat übt seine Herrschaft über ihm unterworfene Staaten aus. Diese unterworfenen Staaten können sich innerhalb der vom oberherrliehen Staatswesen gezogenen Rechtsschranken frei organisieren8• Sie haben nach innen weitgehende Selbständigkeit, 2 s. Art. VIII, § 2 JPO . . . "ita tarnen ne eiusmodi foedera sint contra imperatorem et imperium ..." 3 Brie ,Der Bundesstaat', Leipzig 1874, S. 16. 4 Brie ,Bundesstaat', S. 17. s Brie ,Zur Theorie der Staatenverbindungen', in Grünhuts Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, Bd. XI, Wien 1883, S. 145. s Brie, bei Grünhut, S. 146. 7 Brie, bei Grünhut, S. 148. 8 G. Jellinek ,Allgemeine Staatslehre', 2. Aufl. Berlin 1905, S. 730.

94

3. Teil: Urteile der Rechts- und Geschichtswissenschaft

unterliegen nach außen aber kraft ihrer Abhängigkeit großen Einschränkungen. Sie sind dem Oberstaat zur Heerfolge oder zu wirtschaftlichen Leistungen verpflichtet. In der Regel besteht keine Institution, in der eine Gemeinsamkeit zwischen Ober- und Unterstaat zum Ausdruck kommt9 • Das Heilige Römische Reich habe seit dem Westfälischen Frieden, obgleich es sowohl staatenbündische als auch bundesstaatliche Institutionen aufweise, viele Züge einer solchen Staatenverbindung getragen. Der Meinung Jellineks kann man nicht beitreten. Es genügt allein schon der Hinweis auf das freie Bündnisrecht der Stände untereinander und mit außerdeutschen Staaten. Von einer großen Einschränkung ihrer Befugnisse nach außen kann nicht gesprochen werden. Lediglich die Vorbehaltsklausel, die das Bündnisrecht limitiert, reicht dazu nicht aus. c) Unselbstindige und juristisch unscharfe Beurteilungen

Haben die bisher angeführten Gelehrten noch versucht, die Rechtslage des Reiches mit exakten juristischen Begriffen zu erklären, so wird in der Folge darauf und überhaupt auf eine eigenständige und genaue Untersuchung des Problems immer mehr verzichtet. aa) G. Meyer

Georg Meyer schildert nur mehr den Streit der Wissenschaft um das Problem, ob das Reich eine Monarchie oder Aristokratie, ein Bundesstaat oder Staatenbund sei. Er selbst legt sich aber auf keinen dieser Begriffe fest. Er stellt fest, daß vom rein juristischen Standpunkt aus das Reich auch noch in den letzten Zeiten seines Bestehens ein Staat sei, und zwar handele es sich um einen in der Auflösung begriffenen Lehnstaat, "ein eigentümliches Gebilde, für das auch die nicht besonders glückliche Bezeichnung Staatenstaat gebraucht wird" 11 • Es handle sich nicht um einen Bund, namentlich auch um keinen Bundesstaat. Das ist Meyers Ergebnis, insoweit er das Reich vom juristischen Standpunkt aus betrachtet. Danach aber fährt er fort: "Vom praktisch politischen Gesichtspunkte aus ist das Reich nur noch eine lose Föderation der deutschen Territorien" 12 • Bis 1648 rechtlich unzweifelhaft eine Monarchie, habe es danach wegen des Mitregierungsrechtes des Reichstages eine gemischte aristokratisch-monarchische Verfassungsform. 10

v G. Jellinek ,Staatslehre', S. 731. 10 G. Meyer ,Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes', 5-. Auflage, Leipzig 1899, S.59. u G. Meyer a.a.O., S . 59·. 1! G. Meyer a.a.O., S. 60.

3. Kap.: Beurteilungen seit dem Untergang des Reiches

95

bb) Kormann

Kar! Kormann13 kommt bei seiner Untersuchung der Rechtslage zunächst zu durchaus zutreffenden Ergebnissen. Er spricht davon, daß seit dem Westfälischen Frieden den deutschen Territorien wahrer Staatscharakter zukomme, ja, daß sie sogar von diesem Zeitpunkt an als Subjekte des Völkerrechts mit Bündnis- und Kriegsrecht anerkannt seien. Der Reichstag habe sich von einer Versammlung der Großen des Reiches zu einem Kongreß von Staatenvertretern gewandelt14• Keineswegs aber folgert er daraus, was nur logisch wäre, daß das Reich selbst nur mehr ein völkerrechtlicher Verband sei. Im Widerspruch zu seinen anfänglichen Ausführungen behauptet er, daß das Reich kein Staatenbund sei, vielmehr sei davon auszugehen, daß das Reich, trotz der StaatIichkeit der Territorien, selbst bis zu seinem Ende ein Staat sei. Als Begründung dafür genügt ihm der Hinweis, daß die bedeutendsten Staatsrechtslehrer des 18. Jahrhunderts, Moser und Pütter, das Reich bis zuletzt als einen Staat betrachten15 • Entgegen seiner eigenen besseren Erkenntnis übernimmt er, leicht abgewandelt, Pütters Definition, wenn er abschließend sein Ergebnis verkündet: "Das Reich ist ein aus Staaten zusammengesetzter Staat, innerhalb dessen die Staatsgewalt der Gliedstaaten so weit reicht, als ihr nicht die auf besondere Rechtstitel gestützte Reichsstaatsgewalt entgegensteht" 16• cc) Schulte

Auch Aloys Schulte 17 gibt nur die Meinung früherer Juristen wieder. Zu Recht habe Pufendorf die Staatsform des Reiches, die zu ersinnen keinem Staatsmann und keinem Philosophen eingefallen wäre, als unregelmäßig und monströs bezeichnet. Allerdings sei damit nur etwas Negatives zum Ausdruck gebracht. Vom Standpunkt einer positiven Analyse aus könne die Lehre Hugos vom Reich als einem zusammengesetzten Staat als zutreffend betrachtet werden. Danach setzt Schulte noch die Beurteilung hinzu: "Das Reich war kein handlungsfähiger Körper mehr. Es war ein seines Inhaltes entleertes Gehäuse. . .. Ein Staat ohne Grenzsteine, ohne Hauptstadt, ohne ein System von Zentralbehörden, ohne Beamte, ohne örtliche Gerichte" 18• 13 Kormann ,Die Landeshoheit in ihrem Verhältnis zur Reichsgewalt im alten Deutschen Reich seit dem Westfälischen Frieden', in Z.f.P., Bd. 7, Berlin

1914, 14

15 1•

17 18

s. 139 ff.

bes. 167, 168.

Kormann a.a.O., S. 160. Kormann a.a.O., S. 166, 167. Kormann a.a.O., S. 168. Sclrulte ,Staat', S. 271. Schulte a.a.O., S. 271.

96

3. Teil: Urteile der Rechts- und Geschichtswissenschaft

dd) Bornhak

Bei Carl Bornhak finden wir zunächst, vereinzelt und nur andeutungsweise, Hinweise auf das völkerrechtliche Moment im Heiligen Römischen Reich. So wenn er bemerkt, daß die Landeshoheit der Territorien sich seit dem Westfälischen Frieden zu einer tatsächlichen, souveränen Staatsgewalt entwickelt habe19 , und die Reichsstände untereinander die selbe Stellung einnähmen wie unabhängige Staaten20 • Aus diesen Feststellungen zieht er aber keine Schlüsse. Er scheint sich nicht einmal über die Bedeutung gerade der letzteren Aussage Gedanken gemacht zu haben, denn er unternimmt in keiner Weise den Versuch, das Reich wirklich als völkerrechtlichen Bund zu begreifen. Es erscheint ihm als ein vergebliches Bemühen, das Reich unter einen der überkommenen politischen oder staatsrechtlichen Begriffe bringen zu wollen. Das Reich sei eine geschichtliche Staatenbildung ganz eigener Art, die in der damaligen Staatenwelt ihresgleichen nicht gehabt habe. Pufendorf habe "den Nagel auf den Kopf getroffen", indem er das Reich monstro cuidam simile, für eine monströse Staatsbildung erklärte2 1 • Dabei macht Bornhak, wie das häufig geschieht, den Fehler und übernimmt von Pufendorf nur das Schlagwort des "rr:.onstro cuidam simile" und erweckt damit die irrige Vorstellung, als lasse es Pufendorf mit dieser bloß negativen Feststellung bewenden. ee) E. R. Huber

Ernst Rudolf Huber bringt dem Reich nach 1648 nur noch geringes Interesse entgegen. Mit dem Westfälischen Frieden verliert das Reich nach seiner Ansicht die Reste von Staatlichkeit, die ihm bis dahin noch anhaften, an die Libertät der Territorien22 • Aber erst seit dem 18. Jahrhundert seien die Territorien voll souveräne Staaten, da sie erst zu diesem Zeitpunkt alle Attribute der Staatlichkeit - u. a. stehende Heere- erlangten23 • Als was nun von diesem Zeitpunkt an das Reich zu betrachten sei, ob und eventuell in welcher Form die Einzelstaaten als ein Bund betrachtet werden können, das untersucht Huber nicht mehr. Sein Interesse gilt dem Reich als einheitlichem Staat, der Gedanke des Imperiums bewegt ihn. Die Vorstellung des Reiches als eines staatsrechtlichen oder gar u Bornhak ,Deutsche Verfassungsgescllichte vom Westfälischen Frieden an', Stuttgart 1934, S. 136. 20 Bornhak a.a.O., S. 140. u Bornhak a.a.O., S. 201. ! 2 E. R. Huber ,Heer und Staat', S. 77; s. auch E. R. Huber ,Bau und Gefüge des Reiches', in ,Idee und Ordnung des Reiches', Harnburg 1941, S. 5. u E. R. Huber ,Bau und Gefüge', S. 7.

3. Kap.: Beurteilungen seit dem Untergang des Reiches

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völkerrechtlichen Bundes ist ihm fremd und könnte wohl kaum sein Interesse ervveCken. ff) v. Srbik

Heinrich von Srbik ist der Ansicht, daß der Westfälische Frieden eine Umwandlung des Reiches in eine Oligarchie der Stände gebracht habe-24 • Er will damit zum AusdruCk bringen, daß er die Staatsform des Reiches für entartet und krankhaft hält. In seiner weiteren Analyse folgen die beschreibenden Beurteilungen des Historikers. Das Reich habe nach 1648 seine lebendige Kraft als Rahmen für die einzelnen Territorien verloren. Es sei ein "machtfremdes", im wesentlichen auf einer Idee beruhendes Gebilde geworden, das auf die Wahrung des Friedens und der Gerechtigkeit beschränkt sei25 • gg) Feine

Hans Erich Feine betont zwar, daß die deutschen Territorien, denen im Westfälischen Frieden die Landeshoheit ausdrüCklich zugesprochen werde, zu international anerkannten Staaten mit Bündnisrecht geworden seien26• Aber auch er schließt daraus nicht auf die Möglichkeit, daß das Reich als Ganzes auf völkerrechtlicher Grundlage betrachtet werden kann. AusdrüCklich verneint er, daß das Reich ein Bund von Staaten gewesen sein soll. "Das Reich im letzten Jahrhundert seines tausendjährigen Bestandes kann nicht als ein Bund von Staaten, etwa als ein Bundesstaat27 angesehen werden, wenn es auch äußerlich so scheinen mochte, weil im Ganzen bündischer Wille und föderative Zusammenarbeit in den Reichsorganen kaum mehr vorhanden war" 28• Seit dem Westfälischen Frieden sei das Reich ein in langsamer Zersetzung und Auflösung sich befindliches Staatsgebilde, in dem monarchische, lehnrechtliche, ständestaatliche und bundesstaatliche Elemente nur noch ein "verkümmertes staatsrechtliches Dasein" fristeten 29 • Die Zeitgenossen hätten den Zustand der Zersetzung gefühlt. Von Pufendorf stamme das oft zitierte Wort von der Unregelmäßigkeit und v. Srbik ,Deutsche Einheit', 3. Aufl. München 1940, S. 55. v. Srbik ,Einheit', S. 55; s. auch v. Srbik ,Der Westfälische Friede und die Deutsche Volkseinheit', in Kriegsschriften der Reichsstudentenführung, Heft 4, München 1940, S. 18. ~ 6 Feine ,Ta·u send J ahre Deutsches Reich', Köln 1942, S. 25. 27 Die Annahme eines Staatenbundes scheint Feine so fern zu liegen, daß er sie gar nicht direkt erwähnt. Das ist zumindest erstaunlich, wenn man bedenkt, daß er doch an anderer Stelle ausführt, daß die deutschen Territorien seit 1648 international anerkannte Staaten - das kann nur bedeuten Völkerrechtssubjekte - gewesen sein sollen. 28 Feine ,Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit', 2. ergänzte Auflage, Tübingen 1940. 29 Feine ,Reich', S. 39. 24

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3. Teil: Urteile der Rechts- und Geschichtswissenschaft

Monstrosität der Staatsform des Reiches. Damit flüchtet sich auch Feine, nachdem er eine mehr beschreibend e denn erklärende Definition der Reichsverfas sung gegeben hat, letztlich hinter das schlagworta rtig und damit irreführend wiedergegeb ene Urteil Pufendorfs. hh) Molitor

Direkt unrichtig wird Pufendorfs Meinung von Molitor30 dargestellt. Zuächst stellt Molitor fest, daß den deutschen Landesherrn durch den Westfälische n Frieden die Souveränitä t zugesproche n werde. Daher, so folgert er, könne der Kaiser nicht mehr die rechtliche Vollgewalt im Reiche besitzen, wie dies Reinkingk behauptete. Aber auch eine bloße Fürstenarist okratie -so v. Chemnitz - sei das Reich nicht gewesen. Das Richtige habe wohl im wesentlichen Pufendorf getroffen, indem er ausgeführt habe, daß das Reich unter keine der aristotelisch en Verfassungen passe, sondern eher bundesstaatl iehen Charakter habe31 • Das aber hat Pufendorf gerade nicht getan, wie oben32 gezeigt wurde. Der Begriff des Bundesstaat es im modernen Sinn ist für Pufendorf noch undenkbar. Er behauptet, daß das Reich einem Staatenbund nahe stehe, ohne allerdings einer zu sein. Davon abgesehen ist es widersinnig, wenn Molitor dem Reich einen bundesstaatl iehen Charakter zuspricht, obgleich er zuvor behauptet, daß die Territorien seit 1648 souverän seien. ii) Hartung

Hartung vermeidet es gar ganz, bei der Behandlung de.s Problems juristische, staatstheoret ische Begriffe zu verwenden. Nachdem er die Meinungen Bodins, v. Chemnitz's, Reinkingks und Pufendorfs 33 dargestellt hat, stellt er fest, daß das Reich bis zuletzt unzweifelha ft staatlichen Charakter gehabt habe. Das Wort Staat trage aber zur Erkenntnis des Wesens des Reiches im 17. und 18. Jahrhundert nichts bei, denn 30

Molitor ,Grundzüge der Neueren Verfassungsgeschichte', Karlsruhe 1948,

s. 23.

Molitor a.a.O., S. 23. s. oben, S. 83, Fußnote 74. 33 Zu Unrecht wirft er Pufendorf vor, daß er nur etwas Negatives über das Reich ausgesagt habe, denn Pufendorf hat sich mit der Feststellung des "irregulare aliquod monstro simile" nicht zufrieden gegeben. Des weiteren ist zu befürchten, daß Hartung Pufendorfs Lehre falsch versteht, wenn er meint, daß bei Pufendorf der Gedanke des foederativen Charakters des Reiches, den vor ihm schon Besold und Hugo ausgesprochen hätten, nur angedeutet werde. Nur bei Besold und Hugo finden wir Anklänge an den foederativen, d. h. bundesstaatliehen Charakter, während Pufendorf im Gegensatz dazu den staatenbündischen Charakter anklingen läßt. 31

32

3. Kap.: Beurteilungen seit dem Untergang des Reiches

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das Reich sei kein mit anderen gleichzeitigen Staaten vergleichbares Gebilde, sondern ein in den Formen früherer Zeiten erstarrter Staat34 • kk) Forsthoff

Gleichermaßen unverbindlich äußert sich auch Forsthoff. Die Reichsverfassung habe mit dem Westfälischen Frieden aufgehört, eine wirksame, bindende, politische Form der deutschen Territorien zu sein. Der Streit, ob das Reich ein Staat sei, ob man ihm Souveränität zuerkennen dürfe und welches Reichsorgan als Träger der Souveränität angesprochen werden könne, erscheint ihm überflüssig. In den Situationen, in denen es darauf angekommen wäre, habe das Reich stets seine Ohnmacht geoffenbart35. d) Beurteilungen des Reiches auf völkerrechtlicher Grundlage aa) K. S. Zachariä

K. S. Zachariä sagte sich von 2). 68 Die Bezeichung findet sich bei Pütter ,Historische Entwicklung', I , S. 322.

3. Kap.: Das Kriegsverhütungsrecht im Heiligen Römischen Reich

239

den Einzelfall von den Parteien erwählten Richtern69 , sind bei den Legalausträgen gegeben. Wohl ist das Verfahren, nach dem die Richter ausgewählt werden, durch die Bestimmungen der RKGO in einem bestimmten Rahmen festgelegt, man kann aber immer noch von einer echten Wahlmöglichkeit der Parteien sprechen. Man hat damit die ungewöhnliche aber keinesfalls unmögliche Situation, daß internationale Schiedsgerichtsbarkeit zur ersten Instanz einer internationalen Gerichtsbarkeit ausgestaltet ist70• (e) Subsidiarität der Legalausträge gegenüber den Conventionalausträgen Die Legalausträge kommen nur zur Anwendung, wenn nicht zwischen den in Streit befangenen Staaten sog. Conventionalausträge oder "willkührliche Austräge" bestehen71 • Das sind Verträge, in denen sich die vertragschließenden Parteien verpflichten, in Zukunft entweder alle oder nur eine bestimmte Art von Streitigkeiten, die zwischen ihnen entstehen, einem Austrägalgericht, welches aus von ihnen jeweils zur Entscheidung eines konkreten Falles erwählten Richtern besteht, zu unterwerfen. Auf welche Weise die Parteien die Austragsrichter wählen wollen, steht ihnen dabei völlig offen. Sie können dies entweder bereits in dem ursprünglichen Vertrag, in welchem sie vereinbaren, ihre zukünftigen Streitigkeiten einem Austrägalgericht zu unterwerfen, bestimmen oder jeweils erst beim Auftreten eines konkreten Streitfalles. Des weiteren können sie auch festlegen, wie das Verfahren vor dem Austrägalgericht ablaufen soll, dagegen können sie nicht festsetzen, daß das dabei anzuwendende Recht ein anderes als das üblicherweise zwischen ihnen geltende sein kann. Welche einzelnen und verschiedenartigen Regelungen solch ein Conventionalaustrag enthält, kann hier nicht im einzelnen wiedergegeben werden. Dazu wäre ein genaues Studium einer Vielzahl solcher Verträge, wie sie in der Praxis abgeschlossen s. oben S. 225/226. Es ist höchst interessant, bei Stone a.a.O., S. 103 ff., für die heutige Zeit nicht nur grundsätzlich die Forderung nach einer Appellationsinstanz über den internationalen Schiedsgerichten zu finden, sondern unter den praktischen Vorschlägen für eine solche Regelung auch den, der IGH solle ermächtigt werden, Schiedssprüche zunächst zu überprüfen, später solle er direkt Appellationsinstanz über den Schiedsgerichten werden. Eben diese Situation, wie sie für die heutige Zeit gefordert wird, findet man im Heiligen Römischen Reich bereits verwirklicht. 71 Diese Subsidiarität der Legalausträge gegenüber den Legalausträgen ist in der RKGO expressis verbis nur bei den Legalausträgen der Fürsten untereinander erwähnt (RKGO 15-55 2. Teil, Tit. II), gilt aber unbestritten für alle Legalausträge; s. dazu Maser ,Justizverfassung', S. 94. OB 70

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5. Teil: Das Reich als eine partikulare Völkerrechtsordnung

worden sind, nötig, eine Aufgabe, die Moser72 als verdienstvoll bezeichnet, trotz seines unermüdlichen Forscherfleißes aber nicht selbst in Angriff nimmt. Es ist wohl einzusehen, daß im Rahmen dieser Arbeit diese Aufgabe nicht gelöst werden kann. Das ist aber auch nicht unbedingt nötig. Es genügt das Aufzeigen der grundsätzlichen Linien. Das Recht, solche Conventionalausträge (es handelt sich um Fälle institutioneller Schiedsverträge) abzuschließen, haben alle Gliedstaaten des Reiches. Anders als bei den Legalausträgen, wird es von der Theorie auch den Reichsstädten zugestanden73• Sie können für alle Streitigkeiten abgeschlossen werden mit der gleichen Ausnahme, wie sie für die Legalausträge gilt, nämlich nicht für solche Streitigkeiten, die sich aus Landoder Religionsfriedensbrüchen ergeben. Auch von den Schiedsgerichten, die auf Grund von Conventionalausträgen Recht sprechen, ist die Appellation an das Reichskammergericht oder den Reichshofrat zulässig74 • In der Praxis sind diese Conventionalausträge zwischen den Gliedstaaten des Reiches weit verbreitet75 • Besonders hervorzuheben sind die Conventionalausträge, die unter den Staaten der Kurfürsten bestehen76 • Auch zwischen den Staaten der Reichsgrafen spielen sie eine bedeutende Rolle, und nicht zuletzt besteht zwischen den Reichsstädten ein weites System solcher Verträge, das sich gerade zwischen ihnen als Mittel der Streiterledigung trefflich bewährt77 • (f) Beachtung der Austräge in der Praxis Mit der Beachtung der Austräge steht es nicht immer zum besten. Vor allem die Reichsgerichte betrachten sie als eine Beschneidung ihrer Kompetenz und versuchen nicht selten, Streitigkeiten zwischen Gliedstaaten sogleich an sich zu ziehen. Dem treten die Gliedstaaten des Reiches immer wieder entgegen. Wohl keine Vorschrift taucht so regelmäßig in allen wichtigen Rechtsvorschriften auf wie die Verpflichtung zur genauen Beachtung der Austräge78 • s. Moser ,Justizverfassung', S. 98/99. s. Moser ,Justizverfassung', S. 112/113. •s s. Pütter ,Historische Entwicklung', I, S. 320. 76 s. Moser ,Justizverfassung', S. 75. ff. 77 Allerdings berichtet Moser, daß die Conventionalausträge zwischen den Städten, obgleich sie sich gerade dort besonders bewährt haben, immer weniger beachtet werden und an ihre Stelle mehr und mehr der Prozeß beim Reichskammergericht tritt. 1s Es seien hier nur zitiert Art. V § 56 !PO; §§ 105, 168 JRA; Art. XVIII des Entwurfes der beständigen Wahlkapitulation; Tit. II § 2 RHRO. 72 Moser ,Justizverfassung", S. 97. 73

74

3. Kap.: Das Kriegsverhütungsrech t im Heiligen Römischen Reich

241

d) Internationale Gerichtsbarkeit aa) Begriff und Wesen79

Die Wesensmerkmale der internationalen Gerichtsbarkeit sind bereits bei der Darstellung der internationalen Schiedsgerichtsbarke it im wesentlichen aufgezeigt worden. Sie sollen hier nur noch einmal kurz herausgestellt werden. Internationale Gerichtsbarkeit ist die Erledigung internationaler Streitigkeiten durch ein auf Dauer errichtetes, ständiges Gericht, dessen Richter nicht von den jeweiligen Streitteilen ad hoc erwählt werden, sondern auf längere Dauer, "auf andere, eine größere Unabhängigkeit garantierende Weise" 80 bestellt sind. Das Gericht spricht Recht gemäß den Regeln des Völkerrechts, und zwar nach einem ein für allemal geregelten, festen Prozeßverfahren. Ebenso wie bei der internationalen Schiedsgerichtsbarke it unterliegen Staaten auch der internationalen Gerichtsbarkeit nur, wenn sie dazu ihre vertragliche Zustimmung gegeben haben. In aller Regel wird diese Zustimmung abstrakt und generell für unbestimmt viele zukünftige Fälle erteilt. Nach erteilter Zustimmung ist für den betreffenden Staat ein Obligatorium entstanden. Gegenüber der internationalen Schiedsgerichtsbarke it stellt die Institution eines ständigen Gerichtes eine höhere Rechtsstufe dar81 , da durch die Ständigkeit des Gerichts eine höhere Kontinuität der Rechtsprechung erreicht wird und doch auch in gewissen Grenzen eine sinnvolle Fortbildung des Völkerrechts stattfinden kann82• "Mit der Unterwerfung unter dieGerichtsbarkeit ständigerGerichtebr ingen die Staaten ein größeres und in seiner Tragweite weniger übersehbares Opfer ihrer SouveränitätB'3." Daher kommt es auch, daß internationale Gerichte bisher nur in integrierten Staatengemeinschaft en vorkommen84 • Die Tatsache, daß auch im Heiligen Römischen Reich internationale Gerichtsbarkeit anzutreffen ist, entspricht diesem Sachverhalt.

s. dazu Berber ,Lehrbuch', III, S. 40/41, 54; Stone a.a.O., S. 107/108. Berber ,Lehrbuch', III, S. 40. 81 Dem widersprucht in keiner Weise die oben aufgestellte Behauptung, die Schiedsgerichtsbarkeit sei in besonderem Maße zur friedlichen Erledigung internationaler Streitigkeiten geeignet. Dort ist die Rede von den realen Möglichkeiten nach der heutigen Situation im Völkerrecht, hier von dem rein ethischen Wert eines noch zu erreichenden Zieles. 82 s. Stone a.a.O., S. 107. 8s Dahm ,Völkerrecht', II, S. 470. 84 s. Berber ,Lehrbuch', III, S. 40. 79

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5. Teil: Das Reich als eine partikulare Völkerrechtsordnung

bb) Internationale Gerichtsbarkeit im Heiligen Römischen Reich (1) Das Reichskammergericht (a) Entstehung Am 7. August 1495 wird auf dem Reichstag zu Worms die Errichtung

des Reichskammergerichts beschlossen und die erste Reichskammergerichtsordnung85 verkündet. Am 31. Oktober 1495 wird das Gericht von Kaiser Maximilian I. in Frankfurt am Main feierlich eröffnet. Es ist das erste ständige, mit auf Dauer ernannten Richtern besetzte Gericht im Reich. In den ersten drei Jahrzehnten seines Bestehens allerdings kann man das Gericht wohl kaum als ein ständiges bezeichnen. In kurzen Zeitabständen stellt es aus verschiedenen Gründen, zumeist wegen finanziellen Schwierigkeiten, seine Tätigkeit immer wieder ein und wird kurze Zeit darauf immer wieder, und zwar an den verschiedensten Orten, eröffnet. So befindet sich das Reichskammergericht 1497 bereits in Worms, 1500 in Nürnberg, 1503 in Regensburg, 1509 wieder in Worms, 1513 in Speyer, 1521 wieder in Nürnberg, 1524 in Eßlingen, bis es dann endlich 1526 in Speyer seinen festen Sitz nimmt und tatsächlich zu einem ständigen Gericht wird86 • In Speyer bleibt es, bis 1689 die Stadt von den Franzosen zerstört wird. 1691 wird das Gericht in Wetzlar wieder eröffnet und verbleibt dort bis zum Ende des Reiches87• Inwieweit das 1495 geschaffene Reichskammergericht seine Entwicklung aus dem alten Reichshofgericht und noch weiter zurück aus dem königlichen Rat herleitet88, ist hier nicht zu verfolgen, da hier nur das Reichskammergericht als das ständige Gericht, als das es 1594 bzw. 1526 entsteht, von Interesse ist. Wesentlich ist dagegen, daß das Reichskammergericht schon bei seiner Schaffung nicht, wie Smend89meint, nur eine 8s Diese RKGO von 1495 wird 1521 und 1548 neu gefaßt. Vor allem die Änderung von 1548 ist erheblich, so daß diese geänderte Fassung 1555- als neue RKGO publiziert wird. In den wesentlichen Zügen gilt die RKGO bis zum Ende des Reiches. Wenn im weiteren von der RKGO die Rede ist, so ist, wenn nichts anderes bemerkt wird, die RKGO von 1555 gemeint. Kleinere Änderungen dieser RKGO bringen noch die Reichsabschiede von 1566, 1570, 1603, der Westfälische Frieden 1648 und der Jüngste Reichsabschied 1654. (s. dazu Pütter ,Historische Entwicklung', I, S. 448/449 ; Sehröder ,Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte', 4. Aufl., Leipzig 1902, S. 836.) 86 s. Endemann ,Von dem alten Reichskammergericht', in ZCP Bd. 18 (1893), S. 189 ff.; Kern a.a.O., S. 28. 87 s. Meyer a.a.O., S. 69; Pütter ,Historische Entwicklung', II, S. 411. 88 s. darüber Spangenberg ,Reichskammergericht', S. 231 ff. 89 s. Smend ,Das Reichskammergericht', Erster Teil, Geschichte und Verfassung, in ,Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit', hrsg. von Karl Zeumer, Bd. IV, Heft 3, Weimar 1911, S. 67; derselbe ,Kaiser und Reich', S. 441. Smend stützt sich in seiner Argumentation zu sehr auf philologische Argumente, wie z. B., daß das Gericht sich selbst von allem Anfang, als "Kaiser-

3. Kap.: Das Kriegsverhütungsrecht im Heiligen Römisc..'len Reich

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Modernisierung und "Neubelebung der obersten Gerichtsbarkeit des Reiches in seinem alten Sinn als herrschaftlicher, nicht als genossenschaftlicher Verband" gewesen ist, sondern in erster Linie ein Organ, das sich die Stände des Reiches als gemeinsames Organ durch ihre Einigung schaffen90, wenn auch der kaiserliche Einfluß erhalten bleibt. Die Stände sind es und nicht der Kaiser, welche auf die Schaffung des Gerichtes drängen9t, und diese haben auch gleich zu Anfang einen entscheidenden Anteil an der Besetzung des Gerichtes. (b) Verfassung Bei seiner Errichtung 1495 wird das Reichskammergericht mit einem Kammerrichter, der ein weltlicher oder geistlicher Fürst, ein Graf oder Freiherr sein muß, und 16 Beisitzern, sog. "Urtailern", von denen die Hälfte Rechtsgelehrte, die anderen aus dem Ritterstand sein müssen, besetzt92• Die Ernennung erfolgt auf dem Reichstag zu Wonns selbst durch den Kaiser und die dort versammelten Reichsstände911 • Bereits auf dem Reichstag zu Konstanz 1507 wird für die Besetzung des Reichskammergerichtes ein eigenes Präsentationssystem beschlossen. Danach ernennt der Kaiser den Kammerrichter und hat als Herr seiner Erblande und als Kaiser das Präsentationsrecht für je zwei Beisitzer. Jeder der sechs Kurfürsten94 und jeder der sechs Reichskreise95 hat das Fräsenliebes Kammergericht" oder allenfalls als "Kaiserliches Reichskammergericht" bezeichnet. Die Bezeichnung Reichskammergericht tauche zum erstenmal erst 1643 auf. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß auch das Reichsregiment, das ganz eindeutig ein Organ der Stände zur Bevormundung des Kaisers ist, als "Kaiserliches Reichsregiment" bezeichnet wird. Auch Smencf räumt ein, daß das Reichskammergericht bereits seit 1500 sich in ein Organ der Stände wandle. 90 s. v. Gierke ,Genossenschaftsrecht', I, S. 511. 91 s. Pütter ,Historische Entwicklung', I, S. 309. 02 § 1 der RKGO von 1495. 93 Pütter ,Historische Entwicklung', I, S. 311, berichtet, daß es dabei große Schwierigkeiten bereitet habe eine genügende Anzahl geeigneter Männer zu finden, so daß auf dem Reichstag selbst nur zehn Beisitzer bestimmt werden konnten. 94 Die Kur Böhmens ist zu dieser Zeit praktisch nicht wirksam. 95 Die sechs Reichskreise sind 1500 in der Regimentsordnung geschaffen worden (Regimentsordnung §§ 6 bis 11) als regionale Zusammenfassung jeweils einer bestimmten Anzahl aneinandergrenzender Territorien, die jeweils einen Vertreter in das 1500 geschaffene Reichsregiment präsentieren konnten. Nachdem das Reichsregiment aber schon kurze Zeit nach seiner Errichtung wieder verschwand, behielt man doch die Kreiseinteilung des Reiches bei und machte die Kreise zu den Corpora, die neben dem Kaiser und den Kurfürsten Beisitzer zum Reichskammergericht präsentieren können. Man sah einen besonderen Vorteil darin, auf diese Weise Beisitzer aus allen Teilen des Reiches am Reichskammergericht zu haben. (s. Pütter ,Historische Entwicklung', I, S. 311). 16•

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5. Teil: Das Reich als eine partikulare Völkerrechtsordnung

tationsrecht für einen Beisitzer. Für jede Stelle könnne zwei oder drei Personen präsentiert werden96 • Die Auswahl des endgültigen Beisitzers erfolgt anfangs durch die zur Visitation des Reichskammergerichtes bestimmte Deputation des Reichstages97 , seit 1530 durch das Gericht selbst in einem besonderen Prüfungsverfahren98 • Ursprünglich bilden der Kammerrichter und alle 16 Beisitzer den Spruchkörper. Schon sehr bald (1508) teilt man die 16 Beisitzer in zwei Senate zu je acht auf, um die wachsende Flut der Fälle schneller bearbeiten zu können. Die Be-zahlungder Richter, die zunächst auf sechs Jahre, bald aber auf Lebenszeit berufen werden, erfolgt anfangs durch den Bezug von sog. Sporteln99 • Über die Verteilung unter die Richter bestimmt die RKGO nichts. Die Einnahmen sind dabei so gering, daß das Gericht in den ersten Jahren immer wieder in Stillstand verfällt, da nicht genügend Richter besoldet werden können. Zwar werden die aus den Sporteln nicht zu deckenden Kosten bereits 1500 zum ersten Mal durch anteilmäßige Beiträge der Reichsstände gedeckt, doch verpflichten sich die Stände, wie auch in den folgenden Jahren, immer nur für kurze Zeit zur Deckung der anfallenden Kosten100 • Erst 1548 übernehmen die Stände die gesamten Kosten des Reichskammergerichtes. Eine dauernde Matrikel wird erstellt, in der die jeweils von den einzelnen Ständen zu leistenden Zahlungen für das Gericht (die Kammerzieler) festgesetzt werden101 • Dieser "Matrikel-Fuß" muß im Laufe der Jahre immer wieder angehoben werden, um die wachsenden Kosten zu decken102 • Zur Einziehung und Verwaltung dieser Kammerzieler besteht am Reichskammergericht eine eigene Kasse unter der Leitung eines Pfennigmeisters. Trotz dieser Bereitschaft der Stände, die Kosten des Reichskammergerichtes zu tragen, ist in all den Jahren des Bestehens des Reichskammergerichtes wegen der zumeist säumig oder gar nicht eingehenden Zahlungen der Stände das ordnungsgemäße Funktionieren des Gerichtes immer wieder in Frage gestellt. An der leidigen Finanzfrage scheitert in der Praxis auch zumeist die Durchführbarkeit der Vorschriften, die eine Vergrößerung des Reichskammergerichtes, eine reichlichere Besetzung mit Richtern vorsehen.



o~ Die RKGO fordert, daß es "geschickte, gelehrte, tapfere und im Gericht lange geübte Personen" sind. 97 s. darüber unten S. 292. 98 s. dazu Endemann a.a.O., S.1711172. 99 Sporteln nennt man die Gelder, die der Kläger bei Einreichung seiner Klagschrift zu bezahlen hat und deren Höhe sich nach dem Streitwert richtet. 100 s. Endemann a.a.O., S. 193. 101 s. § 30 des RA von Augsburg 1548; Teil. I, Tit. LII RKGO 1555. 102 s. z. B. die Erhöhung der Beiträge um ein Drittel im § 77 des RA 1566 zu Augsburg, ferner die Erhöhung der Beiträge in § 14 JRA, ferner die erhebliche Erhöhung im Reichsgutachten von 1719.

3. Kap.: Das Kriegsverhütungsrecht im Heiligen Römischen Reich

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Im Jahre 1521 wird die Zahl der Beisitzer auf 18 erhöht, wobei die hinzukommenden zwei vom Kaiser als dem Herrn seiner Erblande ernannt werden sollen1/1932. AnzHotti, Lehrbuch des Völkerrechts (deutsche Übers. der 3. italienischen Aufl.), Berlin-Leipzig 1929. Arechaga, Derecho Constitucional de las Naciones Unidas, Madrid 19'58. Aristotetes, Politik, unveränderter Abdruck der 3. Aufl., Harnburg 1958, übers. von E. Rolfes, in Philosophische Bibliothek Bd. 7. Arumaeus, Discursus academici de jure publico, Vol. I, Jenae 1620. Asbeck-Verzijt, United Nations Textbook, Leiden 1958. BaHadore-PaHieri, Diritto Internazianale Publico, Milano 1948. Barandon, Die Vereinten Nationen und der Völkerbund, in Abhandlungen

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