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German Pages 164 [165] Year 2019
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1413
Verweisungen in formellgesetzlichen Rechtsnormen auf andere formellgesetzliche Rechtsnormen Materiell-rechtliche Auslegungs- und Anwendungs- sowie Zuständigkeits- und sonstige Verfahrensfragen
Von Daniel Dürrschmidt
Duncker & Humblot · Berlin
DANIEL DÜRRSCHMIDT
Verweisungen in formellgesetzlichen Rechtsnormen auf andere formellgesetzliche Rechtsnormen
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1413
Verweisungen in formellgesetzlichen Rechtsnormen auf andere formellgesetzliche Rechtsnormen Materiell-rechtliche Auslegungs- und Anwendungs- sowie Zuständigkeits- und sonstige Verfahrensfragen
Von Daniel Dürrschmidt
Duncker & Humblot · Berlin
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Inhaltsverzeichnis I.
Einleitung und Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen auf die Auslegung und Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Grundlagen der Gesetzesauslegung bei Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Feststellung der Existenz von Verweisungen durch Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 23 a) Grundlagen der Feststellung der Existenz von Verweisungen durch Auslegung 23 b) Normgenaue Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 c) Inhaltsbezogene oder stillschweigende Verweisungen über materielles Recht
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d) Inhaltsbezogene oder stillschweigende Verweisungen über Verfahrensrecht . . . 31 3. Insbesondere Bedeutung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm . . . 34 a) Grundlagen der Bedeutung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm 34 b) „Gleichlauf“ von Regelungszielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 c) Gründe für die Berücksichtigung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 d) Maßgeblichkeit des Regelungsziels der Ausgangsnorm im Rahmen ihrer Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4. Insbesondere Verweisungen unter Beteiligung von Rechtsnormen aus übergeordnetem Recht bzw. anderen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Völkerrecht, insbesondere Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 III. Zuständigkeits- und sonstige Verfahrensfragen bei Anwendung von Ausgangsund Bezugsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Grundlagen der Zuständigkeits- und sonstigen Verfahrensfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Formen behördlichen Handelns mit Relevanz für die Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
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Inhaltsverzeichnis b) Abstrakt-generelle Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 aa) Rechtsnatur von Verwaltungsvorschriften und maßgebliches Rechtsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 bb) Reichweite der Bindung an Verwaltungsvorschriften nach innen . . . . . . . . 71 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (2) Mögliche Gründe für Bindung an Verwaltungsvorschriften anderer Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (3) „Rechtsträgerzuständigkeit“ im einfachen Recht als Grenze . . . . . . . . . 75 (4) „Ressortzuständigkeit“ im einfachen Recht als weitere Grenze . . . . . . 76 (5) „Rechtsträgerzuständigkeit“ im Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (6) „Ressortzuständigkeit“ im Verfassungsrecht und Verhältnis zur „Rechtsträgerzuständigkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (7) Grenzen der Zuständigkeitsbegrenzung durch das verfassungsrechtlich verankerte „Ressortprinzip“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (8) Vollzug von Unions- und Völker(vertrags)recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (9) Folgerungen aus der Zuständigkeitsbegrenzung für Bindung an Verwaltungsvorschriften bei Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 cc) Reichweite der Bindung an Verwaltungsvorschriften nach außen . . . . . . . . 91 c) Konkret-individuelle Einzelfallentscheidungen, insbesondere Verwaltungsakte 95 aa) Rechtsnatur von Einzelfallentscheidungen und maßgebliches Rechtsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Bindung an Regelung und Gründe von Einzelfallentscheidungen, insbesondere Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (2) Mögliche Gründe für Bindung an Einzelfallentscheidungen von Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (3) Voraussetzungen der Bindung an Einzelfallentscheidungen . . . . . . . . . 102 (4) Grenzen der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (5) Vollzug von Unions- und Völker(vertrags)recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 cc) Bindung an Rechtsauffassung der für Einzelfallentscheidung zuständigen Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Gerichte
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a) Rechtsnatur von Einzelfallentscheidungen und maßgebliches Rechtsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Bindung an Entscheidung und Gründe von Gerichtsentscheidungen . . . . . . . . . 120 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Mögliche Gründe für Bindung an Einzelfallentscheidungen von Gerichten 120 cc) Voraussetzungen der Bindung an Einzelfallentscheidungen . . . . . . . . . . . . 122 dd) Grenzen der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 ee) Vollzug von Unions- und Völker(vertrags)recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
Inhaltsverzeichnis
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c) Bindung an Rechtsauffassung des für Einzelfallentscheidungen zuständigen Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Gründe für Bindung an Rechtsauffassung des für Einzelfallentscheidungen zuständigen Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 cc) Bindung der Verfahrensbeteiligten als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . 129 dd) Fachgerichtliche Mechanismen zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung 130 ee) Insbesondere Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 ff) Vereinheitlichung der Rechtsprechung über Gerichte mit Zuständigkeit für Überprüfung der Einhaltung übergeordneten Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 IV. Folgerungen für Fälle fehlerhafter („verunglückter“) Verweisungen . . . . . . . . . 138 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
I. Einleitung und Fragestellungen Mit „Verweisungen“ kann der Gesetzgeber für die Beschreibung von „Tatbestände[n] und Rechtsfolgen […] auf vorhandene Texte zurückgreifen“, insbesondere „andere Vorschriften oder Teile davon“1. Die in Bezug genommenen Texte werden als „Bezugsnorm“ (oder „Verweisungsobjekt“2) „Bestandteil der verweisenden Regelung“ als der „Ausgangsnorm“ (oder „Verweisungsnorm“3)4. Sie erhalten dadurch neben ihrem eigenen einen „weiteren Anwendungsbereich“5, „zusätzliche[n] Wirkbereich“6 bzw. „zweite[n] Wirkungsbereich“7. Eine Ermächtigung des Ge-
1 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 218. 2 Vgl. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 35; Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 19, 38. 3 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 03. 05. 2018, 2 BvR 463/17, NJW 2018, 3091 (3092), Rn. 24, zu § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG; Burgi, Gutachten zur Frage der Geltungsdauer des bayerischen Abgeordnetengesetzes betreffend Verträge mit Angehörigen, in: Bayerischer Landtag, Beiträge zum Parlamentarismus, Band 18, 2014, S. 20; Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 35; Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 19. 4 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 218; ferner BVerfG, Beschl. v. 03. 05. 2018, 2 BvR 463/17, NJW 2018, 3091 (3092), Rn. 24 („[D]er in Bezug genommene Normtext wird in die Verweisungsnorm inkorporiert.“), zu § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG; Clemens, AöR 111 (1986), 63 (65, 123); Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, § 12, Rn. 378. Dies kann bei unvollständigen Rechtsnormen als Ausgangsnorm erforderlich sein, insbesondere bei „konstitutiven“ Verweisungen. Vgl. Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (2 ff.); Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 37, 41. Für einen allgemeinen Überblick über Synonyme für die nicht rechtstechnischen Begriffe „Ausgangsnorm“, „Verweisungsnorm“, „Bezugsnorm“ und „Verweisungsobjekt“ s. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 35 f.; Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 19. Zum Begriff des „Blankettgesetzes“ s. Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 80 ff., 86 ff., dort insbesondere auch zum „Blankettstrafgesetz“. Zur Verantwortlichkeit für den aufgrund dieses Zusammenhangs geschaffenen „Regelungsinhalts“ s. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 221. Im Folgenden soll die häufig auch als „Verweisung“ verstandene materielle bzw. formelle sowie offene bzw. versteckte Bezugnahme auf „ethische Rechtsgrundsätze“ oder unbestimmte Rechtsbegriffe wie „gute Sitten“, „Treu und Glauben“, etc. (vgl. Heller, Staatslehre, 1934, S. 256 f.) bzw. das „öffentliche Interesse“ (vgl. Häberle, Öffentliches Interesse als Rechtsproblem, 2. Aufl. 2006, S. 226 ff.) nicht weiter berücksichtigt werden, da solche „Bezugsobjekte“ erst in erheblichem Maße konkretisiert werden müssen und damit (zusätzlich) andere Fragestellungen aufwerfen. 5 Vgl. Guckelberger, ZG 2004, 62 (64). 6 Vgl. Clemens, AöR 111 (1986), 63 (66). 7 Vgl. Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (4).
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I. Einleitung und Fragestellungen
setzgebers der Bezugsnorm zur Rechtssetzung im Kompetenzbereich des Gesetzgebers der Ausgangsnorm ist damit jedoch nicht verbunden8. Hinsichtlich der Verwendung des Begriffs des „Gesetzes“ (hier nur im formellen Sinne9 gemeint) als Gegenstand von Ausgangs- und Bezugsnormen ist zu differenzieren. Weit verstanden fallen darunter „unter einer Überschrift zusammengefasste Rechtsregeln, die von den in der Verfassung vorgesehenen Gesetzgebungsorganen und in dem in der Verfassung vorgeschriebenen Verfahren erlassen werden“10 (Gesetz im weiten Sinne oder Kodifikation). Wie die zwar rechtsbereichsspezifischen, gleichwohl aber einen allgemeinen Rechtsgedanken beinhaltenden Legaldefinitionen in § 4 AO, Art. 2 EGBG, Art. 12 EGZPO und Art. 7 EGStPO, wonach Gesetz „jede Rechtsnorm“11 ist, zeigen, kann der Begriff des „Gesetzes“ daneben eine „Einzelfallregelung“ im Sinne „einzelne[r] Paragraphen oder Artikel“ meinen, für den zur Unterscheidung von dem weiten Verständnis auch Begriffe wie „Vorschrift“ oder (Rechts-)„Norm“ verwendet werden könnten12 (Gesetz im engen Sinne). Gegenstand von Ausgangs- und Bezugsnormen sind häufig, aber nicht zwingend Gesetze im engen Sinne13. Die terminologische Unterscheidung von Gesetzen im engen und weiten Sinne ist Ausgangspunkt für die Differenzierung14 nach „Binnenverweisung“ und „Außenverweisung“, die daran anknüpft, ob die Bezugsnorm zu demselben oder einem anderen Gesetz im weiten Sinne wie die Ausgangsnorm gehört. Während diese Abgrenzung für die später15 behandelte Frage nach der Bedeutung der Regelungsziele für die Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm relevant sein kann, wenn diese bei Außenverweisungen in verschiedenen Gesetzen im weiten Sinne mit unterschiedlichen (abstrakten bzw. übergeordneten) Regelungszielen enthalten sind, sind im Folgenden weitere Systematisierungen16 von Verweisungen (konstitutiv oder deklaratorisch, statisch oder dyna8
Vgl. Bullinger, Die Unterermächtigung zur Rechtssetzung, 1955, S. 19 ff. Zu untergesetzlichen Regelungen als Ausgangs- bzw. Bezugsnorm s. unten im Text. 10 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 19, 321, dort auch zu Anforderungen an die Zusammenfassung von Regelungen in einem eigenen Gesetz im weiten Sinne (sog. „Stammgesetze“). 11 Zum Begriff der „Rechtsnorm“ im Sinne des § 4 AO und zur (schwierigen) Abgrenzung zum Begriff des „Rechtssatzes“ s. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 1 f. (Lfg. 127; Stand: 10/2011). 12 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 19; ferner Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, § 2, Rn. 14. 13 Ausgangsnormen dürften aber nur selten Gesetze im weiten Sinne sein. Denkbar ist dies im Falle einer „Umkehrung“ der Verweisungsrichtung, wenn die Rechtsnorm, die eine andere ergänzt, formal die Verweisung anordnet, etwa durch eine Fiktion. Dazu s. unten am Ende des Absatzes. 14 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 219, 233 ff.; Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 57. 15 S. II. 3. 16 Dazu s. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 219, 230 ff.; Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 39 ff. 9
I. Einleitung und Fragestellungen
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misch17, freiwillig oder verpflichtend18, tatbestands- oder rechtsfolgenbezogen19, Richtung von Ausgangs- zur Bezugsnorm und umgekehrt20) nicht gleichermaßen wichtig. Für die Bestimmung der Bedeutung der Regelungsziele von Ausgangs- und Bezugsnorm kann es auch auf die Gründe21 für die Verwendung von Verweisungen ankommen. Ein solcher kann zunächst in der mit ihnen „in aller Regel verbundene[n] gesetzestechnische[n] Vereinfachung“22 („Gesetzesökonomie“23) gesehen werden, da sie „ein bloßer Verzicht [sind], den Text der in Bezug genommenen Vorschriften in
17 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 219, 239 ff., 243 ff. Während statische Verweisungen eher als unproblematisch erscheinen, ist fraglich, ob die Änderung der Bezugsnorm vom Willen des Gesetzgebers der Ausgangsnorm umfasst ist, wenn die beteiligten Rechtsnormen von verschiedenen Rechtsträgern (Bund, Länder, Gemeinden, etc.) und ggf. supranationalen Organisationen wie der Europäischen Union (EU) stammen. Dazu s. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 246, 248. 18 Etwa zur Umsetzung von Vorgaben aus übergeordnetem Recht wie Richtlinien der EU. Dazu s. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 248. 19 Bei rechtsfolgenbezogenen Verweisungen wären Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweise zu unterscheiden. Dazu s. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 52 f. 20 Dazu s. Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 2. Aufl. 1968, S. 169 f. Ausgangsnormen verweisen häufig hinsichtlich bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen auf Bezugsnormen. Daneben können bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm in einer anderen Norm geregelt werden, wobei Letztere die Verknüpfung herstellt, diese aber gleichwohl nur formal Ausgangs-, inhaltlich aber Bezugsnorm ist (insbesondere bei Fiktionen wie in § 22 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 UmwStG als formale Ausgangsnorm, nach der eine „Veräußerung“ im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG „als rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung“ als formale Bezugsnorm „gilt“; allgemein zu „verdeckten Verweisungen“ in Gestalt von „Fiktionen“ s. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 83 ff.). 21 Ausführlich dazu s. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 98 ff.; Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 11 ff.; Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 2. Aufl. 1968, S. 58 f.; Schenke, NJW 1980, 743 (743); Schenke, in: Oberndorfer/Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift zum 60. Geburtstag von Ludwig Fröhler, 1980, S. 87 (89 f.). 22 Vgl. BVerfG, Urt. v. 21. 09. 2016, 2 BvL 1/15, BVerfGE 143, 38 (56, 62), zu § 10 I, III Rindfleischetikettierungsgesetz; Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 225; Burgi, Gutachten zur Frage der Geltungsdauer des bayerischen Abgeordnetengesetzes betreffend Verträge mit Angehörigen, in: Bayerischer Landtag, Beiträge zum Parlamentarismus, Band 18, 2014, S. 20; Guckelberger, ZG 2004, 62 (66); W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, Neudruck 1968, S. 89 („leichter machen“); Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, § 12, Rn. 384, 399. 23 Vgl. Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (3); Karpen, in: Rödig/Altmann/Baden/Kindermann/Motsch/Thieler-Mevissen (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, 1976, S. 221 (224); ferner Clemens, AöR 111 (1986), 63 (66) („gesetzesökonomischer Effekt“).
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I. Einleitung und Fragestellungen
vollem Wortlaut in die Verweisungsnorm aufzunehmen“24. Sie sind deshalb „als vielfach übliche und notwendige gesetzestechnische Methode anerkannt“25. Über Vereinfachungszwecke hinausgehend können sie auch Ausdruck einer „Systembildung“26, eines „inneren Systems“27 oder eines „inneren Zusammenhangs“28 von Ausgangs- und Bezugsnorm sein. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn diese wie bei Binnenverweisungen aus demselben Gesetz im weiten Sinne29 stammen oder bei Außenverweisungen die beteiligten Gesetze im weiten Sinne zumindest demselben Rechtsbereich30 zuzuordnen sind31. Bei Ausgangs- und Bezugsnormen aus ver24
Vgl. BVerfG, Beschl. v. 03. 05. 2018, 2 BvR 463/17, NJW 2018, 3091 (3092), Rn. 24, m.w.N., zu § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG; ferner Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 82 („um umständliche Wiederholungen zu vermeiden“); T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 4, Rn. 104. 25 Vgl. BVerfG, Urt. v. 21. 09. 2016, 2 BvL 1/15, BVerfGE 143, 38 (55, 62), zu § 10 I, III Rindfleischetikettierungsgesetz; ferner Burgi, Gutachten zur Frage der Geltungsdauer des bayerischen Abgeordnetengesetzes betreffend Verträge mit Angehörigen, in: Bayerischer Landtag, Beiträge zum Parlamentarismus, Band 18, 2014, S. 20; T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 4, Rn. 104. 26 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 225; Bödecker, in: Bödecker/Ernst/Hartmann (Hrsg.), BeckOK InvStG 2018, 2. Edition (Stand: 15.03.2019), § 1, Rn. 26; Burgi, Gutachten zur Frage der Geltungsdauer des bayerischen Abgeordnetengesetzes betreffend Verträge mit Angehörigen, in: Bayerischer Landtag, Beiträge zum Parlamentarismus, Band 18, 2014, S. 20; Guckelberger, ZG 2004, 62 (66); Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, § 12, Rn. 399. 27 Vgl. Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (3); Karpen, in: Rödig/Altmann/Baden/Kindermann/Motsch/Thieler-Mevissen (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, 1976, S. 221 (225). 28 Vgl. Heckmann, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen (Hrsg.), Öffentliches Recht in Bayern, 7. Aufl. 2017, 3. Teil, Rn. 371, zu Art. 21 PAG (Bayern) („Nichtsdestoweniger zeigt die Vorschrift [in Art. 21 PAG als Rechtsgrundlage für die Durchsuchung von Personen mit zahlreichen Verweisungen auf Rechtsgrundlagen für andere polizeiliche Standardbefugnisse] den „inneren Zusammenhang“ der einzelnen Standardmaßnahmen.“); T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 4, Rn. 104. 29 Z. B. Verweisung in § 9 Abs. 5 S. 1 EStG auf § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 bis 4, 6b bis 8a, 10, 12 und Abs. 6 EStG für bestimmte steuerrechtliche Abzugsverbote, die – aus gleichheitsrechtlichen Gründen geboten – gleichermaßen für Gewinn- und Überschusseinkuftsarten gelten, oder in § 18 Abs. 4 S. 2 EStG auf § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG für die Regelung der Voraussetzungen der Besteuerung von Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 EStG, die als Gewinnanteile von Gesellschaftern einer Personengesellschaft erzielt werden und die die Leistungsfähigkeit der Gesellschafter ebenso erhöhen wie Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 1 EStG, die als Gewinnanteile von den Gesellschaftern einer gewerblichen Personengesellschaft erzielt werden; ferner Verweisungen in Art. 21 PAG (s. vorige Fußnote). 30 Z. B. Verweisung in § 8 Abs. 1 S. 1 KStG auf die Vorschriften des Einkommensteuergesetezs (EStG) für die Bestimmung des Einkommens und seiner Ermittlung bei Körperschaftsteuersubjekten, weil für diese wie für natürliche Personen als Einkommensteuersubjekt das Prinzip der Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, insbesondere in seiner einfachrechtlichen Ausprägung des objektives Nettoprinzips, maßgeblich sein soll. Vgl. Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, § 12, Rn. 384. 31 Der Beitrag von Verweisungen zur „Einheit der Rechtsordnung“ sollte freilich nicht überschätzt werden. Dazu s. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1987, S. 26, Fn. 3.
I. Einleitung und Fragestellungen
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schiedenen Rechtsbereichen und damit typischerweise verschiedenen Gesetzen im weiten Sinne werden mit Verweisungen dagegen häufig nur Vereinfachungszwecke verfolgt32. Neben diesen Gründen können Verweisungen auch (zwingend) erforderlich sein, wenn Ausgangsnormen wie solche aus dem Steuerrecht an Umstände anknüpfen, die in Rechtsnormen anderer Gesetze im weiten Sinne als Bezugsnorm geregelt und damit durch diese auch ausgestaltet sind, und der Regelungsanspruch der Ausgangsnorm umfassend ist bzw. sein muss, etwa aus gleichheitsrechtlichen Gründen wie bei der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG, § 85 S. 1 AO)33. Gerade solche Rechtsbereiche sind – wie im Folgenden deutlich werden wird – ein großer Fundus für Beispiele zur Veranschaulichung allgemeiner theoretischer Erkenntnisse über Verweisungen. Den Vorteilen, auf denen die genannten Gründe für Verweisungen beruhen, stehen auch nahezu offenkundige Nachteile34 gegenüber. Ein solcher ist jedenfalls die mögliche Unübersichtlichkeit35, insbesondere bei einer Häufung von Verweisungen36, bei „Weiterverweisungen“37, „Verweisungsketten“38 bzw. „Kettenverweisun-
Angesichts der sogleich im Text benannten Nachteile ist diese vorsichtige Einschätzung gerechtfertigt. 32 Z. B. Verweisung in § 8b Abs. 7 S. 2 KStG auf das Kreditwesensgesetz (KWG), in § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 und 4 KStG n.F. auf das Handelsgesetzbuch (HGB) bzw. Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) oder in § 1 Abs. 2 S. 1 und S. 2 Nr. 1 und 3 InvStG auf das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). 33 Zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung s. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 3, Rn. 97 ff., m.w.N. 34 Ausführlich dazu s. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 102 ff.; Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 2. Aufl. 1968, S. 58 ff. 35 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 227; Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (7); Burgi, Gutachten zur Frage der Geltungsdauer des bayerischen Abgeordnetengesetzes betreffend Verträge mit Angehörigen, in: Bayerischer Landtag, Beiträge zum Parlamentarismus, Band 18, 2014, S. 20; Guckelberger, ZG 2004, 62 (66); T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 4, Rn. 104 („Verständlichkeit“). 36 Z. B. Verweisung in § 7a Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2, S. 2, Abs. 3 GewStG auf Rechtsnormen des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) oder in § 7a Abs. 2 S. 1, Abs. 3 GewStG auf Rechtsnormen des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), oder in Art 21 PAG (Bayern) auf andere Rechtsgrundlagen für polizeiliche Standardbefugnisse im (bayerischen) Polizeiaufgabengesetz (PAG (Bayern)). Zur Unübersichtlichkeit bei Art. 21 PAG (Bayern) s. Heckmann, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen (Hrsg.), Öffentliches Recht in Bayern, 7. Aufl. 2017, 3. Teil, Rn. 371 („Art. 21 PAG ist aufgrund der vielen Verweisungen auf andere Vorschriften (insbesondere Art. 13 und 25 PAG) recht unübersichtlich und damit nicht leicht zu handhaben.“). 37 Vgl. Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 2. Aufl. 1968, S. 175. 38 Z. B. Verweisung in Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 PAG (Bayern) auf den seinerseits Verweisungen enthaltenden Art. 21 PAG (Bayern). Zum Begriff der „Verweisungskette“ s. BVerfG, Beschl. v. 03. 03. 2004, 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33 (63 f.); T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 4, Rn. 104 f.; Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, § 12, Rn. 384.
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gen“39, bei Verweisungen mit Ausnahmen hinsichtlich des Verweisungsumfangs40 oder bei Verweisungen mit gegenüber der Bezugsnorm vorrangigen Spezialregelungen aus dem Rechtsbereich der Ausgangsnorm41. Daneben ist auch die Fehleranfälligkeit bei Anwendung von Ausgangs- oder Bezugsnorm und – trotz gebotener „Verweisungskontrolle“42 – bei deren Änderung zu nennen43. Die Nachteile können nicht nur, aber insbesondere juristisch nicht vorgebildete Gesetzesadressaten vor größere Herausforderungen stellen und sogar zu einem Verstoß gegen das rechtstaatliche Bestimmtheitsgebot führen44. Eine solche Folgerung ist freilich erst möglich, wenn die Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm, der später45 besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, scheitert oder nur schwer möglich ist. Die Problematik von Verweisungen ist von Kollisionsregeln46 wie „lex speciales derogat legi generali“, „lex posterior derogat legi priori“47 oder „lex superior derogat legi inferiori“ abzugrenzen, die eine Kollision nebeneinanderstehender Regelungen durch Bestimmung der vorrangig anzuwendenden Regelung auflösen sollen. Anders als bei Verweisungen, bei denen im Rahmen der Anwendung der Ausgangsnorm auch die Bezugsnorm maßgeblich ist, ist als Folge der Anwendung von Kollisi-
39 Zum Begriff der „Kettenverweisung“ s. BVerwG, Urt. v. 26. 03. 2015, 5 C 9/14, BVerwGE 151, 386 (390); Urt. v. 26. 03. 2015, 5 C 8/14, USK 2015 – 100; Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 51. 40 Z. B. Verweisung in § 10b Abs. 1 S. 1 und 8 EStG auf §§ 52 bis 54 AO für den Abzug von Spenden für gemeinnützige Zwecke, wobei in § 10b Abs. 1 S. 8 EStG einzelne Zwecke ausgenommen sind. 41 Z. B. Verweisung in § 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 EStG auf die im HGB geregelten handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) für den Ansatz des Betriebsvermögens im Rahmen der steuerrechtlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 EStG, wobei die Regelungen im HGB bei Sonderregelungen im EStG wie in § 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 EStG bei steuerrechtlichen Wahlrechten oder in § 5 Abs. 2 EStG bei immateriellen Wirtschaftsgütern verdrängt werden. 42 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 224; ferner Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 2. Aufl. 1968, S. 59, 167, 174, 206 ff.; Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, § 12, Rn. 386 f., der von einer Pflicht des Gesetzgebers ausgeht, im Falle einer Änderung der Bezugsnorm „seine alten Verweisungen anzupassen (Verweisungsverjüngung)“. 43 Z. B. Entstehung von „Leerverweisen“. Zu solchen und anderen fehlerhaften („verunglückten“) Verweisungen s. IV. 44 Dazu s. BVerfG, Beschl. v. 03. 03. 2004, 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33 (57 ff.); zu Vorkehrungen zur Vermeidung einer solchen Folge s. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 222 f. 45 S. II. 46 Zu diesen Kollisionsregeln s. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 585; ferner Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 270 f. (Lfg. 127; Stand: 10/ 2011). 47 Speziell zu dieser Kollisionsregel s. Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, § 15, Rn. 553; ferner Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 270 f. (Lfg. 127; Stand: 10/2011).
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onsregeln von vornherein nur eine Regelung relevant48, so dass sich die – insbesondere auch hier behandelten – verweisungsspezifischen Fragen nicht stellen. Dasselbe gilt für die Bezugnahme von Gerichten auf Präjudizien anderer Gerichte, wenn die anzuwendenden Prüfungsmaßstäbe nicht aufeinander verweisen, sondern allenfalls parallele bzw. funktional oder inhaltlich ähnliche Regelungen enthalten. Dies betrifft etwa die Frage nach der (vermeintlichen) Bindung von Landesverfassungsgerichten für Entscheidungen zu Grundrechten der Landesverfassungen an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Grundrechten des Grundgesetzes49 und umgekehrt oder des BVerfG bzw. von Landesverfassungsgerichten für Entscheidungen zu grundgesetzlichen bzw. landesverfassungsrechtlichen Grundrechten an Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Unionsgrundrechten bzw. des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Grundrechten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)50. Keine Verweisung ist auch die an Musterregelungen oder Empfehlungen orientierte inhaltliche Ausgestaltung von gesetzlichen Rechtsnormen oder anderen Regelungskomplexen zu ihrer staaten-, länder- bzw. gemeindeübergreifenden Harmonisierung51. Zu solchen Vorlagen gehören etwa Dokumente der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development; OECD) wie das „Musterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen“ („Model Tax Convention on Income and on Capital“; OECD-MA)52 zur Angleichung zwischenstaatlicher
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Die lex posterior-Regel greift deshalb auch nicht, wenn im Falle einer statischen Verweisung die Bezugsnorm aufgehoben und eine Regelung zu demselben Gegenstand an anderer Stelle geschaffen wird, so dass weiterhin die ursprüngliche (Fassung der) Bezugsnorm maßgeblich ist. Vgl. Burgi, Gutachten zur Frage der Geltungsdauer des bayerischen Abgeordnetengesetzes betreffend Verträge mit Angehörigen, in: Bayerischer Landtag, Beiträge zum Parlamentarismus, Band 18, 2014, S. 19, zum Verweis in § 2 S. 1 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes v. 08. 12. 2000 (GVBl. 2000, 792) auf Art. 7 Abs. 7 S. 2 BayAbgG, der später durch § 1 Nr. 4 Buchst. d) des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes v. 24. 06. 2004 (GVBl. 2004, 226) aufgehoben wurde, während in Art. 8 BayAbgG eine neue Regelung für die Erstattung von Aufwendungen aus Arbeits-, Dienst- und Werkverträgen eingefügt wurde. 49 Dazu s. Lindner, JZ 2018, 369 (369 ff.). 50 Zur Berücksichtigung von Entscheidungen des EGMR durch das BVerfG s. BVerfG, Urt. v. 12. 06. 2018, 2 BvR 1738/12, BVerfGE 148, 296 (350 ff.). 51 Jedoch können unbestimmte Begriffe in Rechtsnormen durch Heranziehung solcher Dokumente konkretisiert werden. Dazu s. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 546 f.; speziell zu Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) s. Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Grundlagen, Rn. 4a, 124 ff.; speziell zu Leitlinien des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision; BCBS) wie die Eigenkapitalvereinbarungen („Basel I“, „Basel II“ und „Basel III“) s. Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 889. 52 S. OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital 2017 (Full Version), 2019.
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Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)53 oder der Abschlussbericht „Verrechnungspreisdokumentation und länderbezogene Berichterstattung“ („Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting“; kurz für Letzteres: CbCR)54 zur Koordinierung des innerstaatlichen Steuerrechts der teilnehmenden Staaten für den Austausch bestimmter steuerrelevanter Informationen über internationale Konzerne55, aber auch des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision; BCBS) wie die Eigenkapitalvereinbarungen („Basel I“, „Basel II“ und „Basel III“)56. Anderes gilt aber, wenn eine formellgesetzliche Rechtsnorm ausdrücklich auf solche Vorlagen verweist. Dies ist neuerdings in § 4j Abs. 1 S. 4 EStG, ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 1 KStG, für bestimmte Einzelheiten (nämlich zum sog. „Nexus-Ansatz“) zur Ausgestaltung der sog. Lizenzschranke der Fall, die nach § 4j Abs. 1 S. 1 EStG die Abziehbarkeit von Aufwendungen für Rechteüberlassung für steuerrechtliche Zwecke beschränkt. Die Regelung verweist auf „Kapitel 4“ des auf einer Internetseite der OECD57 veröffentlichten „Abschlussbericht[s] 2015 zu Aktionspunkt 5, OECD (2016) „Wirksame Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz“, OECD/G20 Projekt Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung“ (englischer Titel des Projekts mit zahlreichen weiteren Maßnahmen: Base Erosion and Profit Shifting; BEPS). Auch wenn hier mit dem Einkommensteuergesetz (EStG) ein Gesetz im formellen Sinne an einen anderen Text anknüpft, ist es gleichwohl keine Verweisung auf eine andere „Rechtsnorm“. Die damit zusammenhängenden Zweifelsfragen können hier nur beispielhaft genannt werden. So ist zunächst fraglich, ob die Publikation auf der Internetseite einer Internationalen Organisation wie der OECD genügt58, nachdem die verfassungsrechtlich erforderliche Verkündung von Gesetzen (z. B. nach Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 76 Abs. 1 BV, Art. 45 Abs. 1 S. 1 NV) üblicherweise in Gesetzblättern von Bund oder Ländern erfolgt59. Unter dem 53 S. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 2 AO, Rn. 27 (Lfg. 145; Stand: 07/ 2016); Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Grundlagen, Rn. 4a, 124 ff. 54 S. OECD, OECD/G20 Projekt Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung, Verrechnungspreisdokumentation und länderbezogene Berichterstattung, Aktionspunkt 13 – Abschlussbericht 2015, 2016. 55 Zur Umsetzung in Deutschland s. § 90 Abs. 3 S. 3 und 4, § 138a, § 379 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c) AO. 56 Zu deren Wirkung s. Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 888 f. 57 Der Link (http://dx.doi.org/10.1787/9789264258037-de) zum in Bezug genommenen Abschlussbericht ist in einer Fußnote zu § 4j Abs. 1 S. 4 EStG als „Amtlicher Hinweis“ enthalten. 58 Wohl ähnlich Gosch, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG, 18. Aufl. 2019, § 4j, Rn. 13. 59 Vgl. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, 3. Aufl. 2015, Art. 82, Rn. 16; ferner Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 82, Rn. 29 ff.; Nierhaus/ Mann, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 82, Rn. 21 ff., 24, zu Art. 82 Abs. 1 GG, jeweils auch zu spezifischen Anforderungen bei Verweisungen; weiter Brechmann, in: Meder/ Brechmann (Hrsg.), die Verfassung des Freistaats Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 76, Rn. 8; Möstl, in: Lindner/Möstl/Wolff (Hrsg.), Verfassung des Freistaats Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 76, Rn. 6, zu Art. 76 Abs. 1 BV, die trotz seines Wortlauts („im Bayerischen Gesetz- und Ver-
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Gesichtspunkt rechtstaatlicher Bestimmtheit60 und mit Blick auf den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung61 erscheint es problematisch, dass der in Bezug genommene Text keine „Rechtsnorm“ mit den dafür charakteristischen Merkmalen62 von Tatbestand und Rechtsfolge ist63, sondern insbesondere das maßgebliche Kapitel 4 des Abschlussberichts nach seinem Selbstverständnis lediglich „Leitlinien“ („guidance“)64 enthält, was begrifflich auf verschiedene Möglichkeiten der Ausgestaltung von Einzelheiten gesetzlicher Regelungen durch den Steuergesetzgeber als Adressaten des Abschlussberichts hindeutet65. Keine Bedenken sollten dagegen hinsichtlich der in Bezug genommenen Fassung des Abschlussberichts bestehen, da wohl im Sinne einer „statischen“ Verweisung66 nur der genannte Abschlussbericht maßgeblich sein soll, nicht aber im Sinne einer „dynamischen“ etwaige künftige Änderungen oder Folgeberichte. Darüber hinaus gibt es auch im innerstaatlichen Bereich Harmonisierungsvorlagen. Im Bundesstaat des Grundgesetzes findet sich eine solche im Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes (Musterpolizeigesetz; MEPolG)67 zur (freiwilligen) Vereinheitlichung des Polizeirechts der Länder. Im Bereich des Kommunalrechts gibt es häufig
ordnungsblatt bekanntgemacht“) zwar eine elektronische Veröffentlichung nicht kategorisch ausschließen, aber wohl nur eine solche für ausreichend erachten, die vom Freistaat Bayern bewirkt wird. 60 Ähnlich Gosch, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG, 18. Aufl. 2019, § 4j, Rn. 13; Jochimsen/ Zinowsky/Schraud, IStR 2017, 593 (600); Kußmaul/Ditzler, StB 2018, 126 (127); insoweit eher unkritisch Heil/Pupeter, BB 2017, 1947 (1949); Link, DB 2017, 2372 (2377). Allgemein zum rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz s. Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 20, Rn. 29 ff., auch zu spezifischen Anforderungen bei Verweisungen. 61 Vgl. Loschelder, in: Schmidt, EStG, 38. Aufl. 2019, § 4j, Rn. 18 f. 62 Allgemein zum Aufbau eines Rechtssatzes s. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 71 ff.; T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 2, Rn. 7. 63 Ähnlich Loschelder, in: Schmidt, EStG, 38. Aufl. 2019, § 4j, Rn. 19 („Der Text selbst „beschreibt“ mehr, als dass er definiert, und enthält „Leitlinien“ anstatt Tatbestandsmerkmale.“). 64 S. OECD, OECD/G20 Projekt Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung, Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz, Aktionspunkt 5 – Abschlussbericht 2015, 2016, Tz. 23. Darauf weist beispielsweise auch Loschelder, in: Schmidt, EStG, 38. Aufl. 2019, § 4j, Rn. 19 hin. 65 So wohl auch Gosch, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG, 18. Aufl. 2019, § 4j, Rn. 13 („Handlungs- und Ausgestaltungsempfehlung“). 66 Vgl. Loschelder, in: Schmidt, EStG, 38. Aufl. 2019, § 4j, Rn. 19. Zur Abgrenzung von statischen und dynamischen Verweisungen s. oben im Text. 67 S. Innenministerkonferenz (IMK), Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes (ME PolG), 1977; abgedruckt bei Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. 2007, Rn. 549. Nach dem Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode soll ein neues Musterpolizeigesetz erarbeitet werden. S. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 19. Legislaturperiode, S. 17, 126; abrufbar unter: www.bundesregierung.de (15.06.2019).
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Mustersatzungen der Kommunalaufsichtsbehörden68, die den Gemeinden und anderen kommunalen Hoheitsträgern die Ausgestaltung ihrer – freilich untergesetzlichen und deshalb hier69 ohnehin nicht besonders interessierenden – Satzungen erleichtern sollen. Die Heranziehung solcher Vorlagen durch den Normgeber kann trotz fehlender Eigenschaft als Verweisung bedeuten, dass sie zumindest Auslegungshilfe70 hinsichtlich der auf ihnen beruhenden Rechtsnormen sind71, insbesondere für das Verständnis des Regelungsziels. Die aus ihrer Häufigkeit folgende praktische Relevanz von Verweisungen formellgesetzlicher Rechtsnormen auf andere formellgesetzliche Rechtsnormen hat zur Folge, dass sich Rechtsprechung, Verwaltung und Literatur immer wieder mit ihrer Rechtmäßigkeit und verweisungsspezifischen Besonderheiten beim Vollzug beschäftigen müssen. Die Heterogenität der dabei zu beantwortenden Rechtsfragen erschwert eine umfassende theoretische Aufarbeitung der Problematik. Dementsprechend müssen sich selbst monografische72, erst recht aber kürzere73 Untersu-
68 Vgl. Mehde, VVDStRL 71 (2011), 418 (437); Schoch, NVwZ 1990, 801 (804), jeweils mit dem Hinweis auf die weitreichende „faktische Determinierung“; ferner W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, Neudruck 1968, S. 90 („Musterentwürfe für örtliche Steuerordnungen“). 69 S. unten im Text. 70 Dazu s. Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Grundlagen, Rn. 123 ff., zur Relevanz des OECD-MA für die Auslegung von DBA. Darüber hinaus können auch andere Rechtsakte an solchen OECD-Dokumenten orientiert sein, etwa EU-Richtlinien, die dann auch unter Heranziehung der OECD-Dokumente ausgelegt werden können. So zumindest EuGH, Urt. v. 26. 02. 2019, C-116/16, N Luxembourg 1, C-118/16, X Denmark, C 119/16, C Denmark I, C 299/16, Z Denmark, ECLI:EU:C:2019:134, Rn. 90, zur Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. L 157 v. 26. 06. 2003, S. 49 (Zins- und Lizengebührenrichtlinie); offen gelassen in EuGH, Urt. 26. 02. 2019, C-116/16, T Danmark, C-117/16, Y Denmark, ECLI:EU:C:2019:135, Rn. 93 f., zur Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30. November 2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter-und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Neufassung), ABl. L 345 v. 29. 12. 2011, S. 8 (Mutter-Tochter-Richtlinie). Zu „Musterentwürfe[n] für örtliche Steuerordnungen“ s. W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, Neudruck 1968, S. 90. 71 Etwas Anderes könnte nur gelten, wenn durch Regelungen, deren konkrete Ausgestaltung die Vorlage erleichtern soll, zwingende Vorgaben aus übergeordnetem Recht erfüllt werden sollen bzw. müssen. Dann aber sind es in erster Linie diese Vorgaben, die verbindlich sind, nicht aber die Vorlage. So für Mustersatzungen im Kommunalrecht, die eine „faktische Determinierung“ bewirken, Schoch, NVwZ 1990, 801 (804). 72 S. Debus, Verweisungen in Rechtsnormen, 2008; Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970. 73 S. Brugger, VerwArch 78 (1987), 1; Clemens, AöR 111 (1986), 63 (63 ff.); Karpen, in: Rödig/Altmann/Baden/Kindermann/Motsch/Thieler-Mevissen (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, 1976, S. 221 (221 ff.); Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 (401 ff.); Schenke, NJW 1980, 743 (743 ff.); Schenke, in: Oberndorfer/Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift zum 60. Geburtstag von Ludwig
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chungen auf ausgewählte Schwerpunkte beschränken, die zumeist eine Systematisierung von Verweisungen, die Herausarbeitung der Anforderungen an ihre Rechtsmäßigkeit, insbesondere gemessen an verfassungsrechtlichen Vorgaben wie dem Rechtsstaats-, Demokratie- und Bundesstaatsprinzip, und Überlegungen zu Folgen fehlerhafter Verweisungen beinhalten. Spezifisch verweisungsbedingte Auslegungs- und Anwendungsfragen sowie Zuständigkeits- und sonstige Verfahrensfragen werden dagegen regelmäßig nicht systematisch behandelt, sondern sind allenfalls Gegenstand einzelfallbezogener Gerichts- oder Verwaltungsentscheidungen bzw. Literaturbeiträge74. Zu diesen Fragestellungen gehören zunächst die materiell-rechtlichen Auswirkungen von Verweisungen auf die Auslegung und Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm (II.), insbesondere hinsichtlich der Feststellung der Existenz einer Verweisung und der Bedeutung des Regelungsziels der Bezugsnorm bei Auslegung der Ausgangsnorm. Diesbezüglich gewonnene Erkenntnisse können dann von Zuständigkeits- und sonstigen Verfahrensregelungen überlagert werden, wenn Verwaltungsbehörden und Gerichte mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm bzw. deren Überprüfung hinsichtlich der Auslegung der Bezugsnorm an Verwaltungsvorschriften, Verwaltungsakte (VA) und Gerichtsentscheidungen bzw. die Rechtsauffassung der Verwaltungsbehörden und Gerichte mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm bzw. deren Überprüfung gebunden sind (III.). Auch insoweit kann die Problematik fehlerhafter Verweisungen aufgegriffen werden (IV.). Die Untersuchung dieser Fragestellungen würde nicht zwingend eine Beschränkung auf Verweisungen mit Ausgangs- und Bezugsnormen aus dem einfachen öffentlichen Recht erfordern, denn die materiell-rechtlichen Fragestellungen können sich gleichermaßen bei Verweisungen unter Beteiligung von zivil- und strafrechtlichen Rechtsnormen stellen und auch Gerichtsentscheidungen zum Zivil- oder Strafrecht könnten für Verwaltungsbehörden und andere Gerichte ebenso bindend sein wie umgekehrt Entscheidungen von Verwaltungsbehörden und Gerichten zum öffentlichen Recht für Gerichte mit Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich des Zivil- oder Strafrechts. Jedoch erleichtert eine Begrenzung auf Verweisungen mit öffentlich-rechtlichen Ausgangs- und Bezugsnormen die Herausarbeitung entsprechender Überlegungen. Damit bleiben im Folgenden Verweisungen im öffentlichen Recht auf Zivilrecht75 (z. B. in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf § 1922, §§ 2147 ff., §§ 2303 ff. BGB, in § 226 Abs. 1 AO auf die für die Aufrechnung gelFröhler, 1980, S. 87 (87 ff.); Staats, in: Rödig/Altmann/Baden/Kindermann/Motsch/ThielerMevissen (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, 1976, S. 244 (244 ff.). 74 Dies stellt auch Schenke, in: Oberndorfer/Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift zum 60. Geburtstag von Ludwig Fröhler, 1980, S. 87 (90 f.) fest. 75 Nach Auffassung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann für Zwecke des (öffentlich-rechtlichen) Steuerrechts auch ausländisches (zivilrechtliches) Sachrecht maßgeblich sein, wenn das deutsche Internationale Privatrecht (IPR) auf dieses verweist. Vgl. BFH, Urt. v. 07. 12. 2017, IV R 37/16, BFH/NV 2018, 440, Rn. 32.
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tenden „Vorschriften des bürgerlichen Rechts“ oder in § 251 Abs. 2 AO auf die Insolvenzordnung (InsO)) und umgekehrt ebenso unberücksichtigt wie Verweisungen im öffentlichen Recht auf Strafrecht (z. B. in § 169 Abs. 2 S. 2 AO auf § 370 Abs. 1 AO76) und umgekehrt (z. B. in „Blankettstrafgesetzen“77 wie § 370 Abs. 1 AO78 auf das „materielle Steuerrecht“79). Dasselbe gilt für Verweisungen ohne Beteiligung von öffentlich-rechtlichen Rechtsnormen. Wegen der Fokussierung auf Auslegungs- und Anwendungsfragen käme es hier auch nur bedingt auf besondere, zunächst vor allem für die Ausgestaltung der Strafgesetze80 maßgebliche verfassungsrechtliche Anforderungen an das Strafrecht an, insbesondere das für Verweisungen besonders relevante strafrechtsspezifische Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG81. Verweisungen auf das Ordnungswidrigkeitenrecht können hier dagegen als Beispiel dienen, weil es im Unterschied zum Strafrecht, das ein mit „staatlicher Autorität versehenes sozial-ethisches Unwerturteil“ enthält82, insoweit „neutral“83 ist und „Geldbußen“ und andere Sanktionen nach § 35 Abs. 1 und 2 OWiG zunächst „von der Verwaltung verhängt“ werden84 („Verwaltungssanktion“85). Hinsichtlich 76 Hierher gehört auch die lediglich „inhaltsbezogene“ bzw. „stillschweigende“ Verweisung über materielles Recht und Verfahrensrecht in § 12 Nr. 4 EStG, § 10 Nr. 3 KStG auf das Strafrecht durch Verwendung von Merkmalen wie „in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen“. Zur Feststellung von „inhaltsbezogenen“ bzw. „stillschweigenden“ Verweisungen über materielles Recht und Verfahrensrecht s. II. 2. c) und II. 2. d). 77 Dazu s. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 77 f.; Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 86 ff. 78 Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 16. 06. 2011, 2 BvR 542/09, NJW 2011, 3778 (3779), Rn. 58; BGH, Beschl. v. 20. 11. 2008, 1 StR 354/08, BGHSt 53, 45 (53); Seer, in: Tipke/ Kruse, AO/FGO, Einf. AO, Rn. 12 (Lfg. 141; Stand: 5/2015); insoweit zwischen der Begehungsvariante in § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und den Unterlassungsvarianten in § 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO differenzierend Schmitz/Wulf, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar StGB, Band 7, 2. Aufl. 2015, § 370 AO, Rn. 13 ff. 79 Vgl. Krumm, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 370 AO, Rn. 79, 106 (Lfg. 146; Stand: 10/ 2016); ferner BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 16. 06. 2011, 2 BvR 542/09, NJW 2011, 3778 (3779), Rn. 58 („Einzelsteuergesetze“); BGH, Beschl. v. 20. 11. 2008, 1 StR 354/08, BGHSt 53, 45 (53) (Verweis auf § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG als maßgeblicher materiell-rechtlicher Regelung im Entscheidungsfall). 80 Vgl. BVerfG, Urt. v. 20. 03. 2002, 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135 (152 f.), mit dem Hinweis, dass Strafrichter ein unbestimmtes Gesetz auch nicht ergänzen dürfen. 81 S. BVerfG, Urt. v. 21. 09. 2016, 2 BvL 1/15, BVerfGE 143, 38 (55 ff.), zu § 10 I, III Rindfleischetikettierungsgesetz. 82 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 16. 07. 1969, 2 BvL 2/69, BVerfGE 27, 18 (29, 33). 83 Vgl. Mitsch, in: Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 17, Rn. 7; ferner BVerfG, Beschl. v. 16. 07. 1969, 2 BvL 2/69, BVerfGE 27, 18 (33); Bohnert/ Krenberger/Krumm, in: Krenberger/Krumm (Hrsg.), OWiG, 5. Aufl. 2018, § 1, Rn. 5 f.; Rogall, in: Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, Vorbemerkungen, Rn. 1. 84 Vgl. Bohnert/Krenberger/Krumm, in: Krenberger/Krumm (Hrsg.), OWiG, 5. Aufl. 2018, § 1, Rn. 1, 3; Mitsch, in: Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, Einleitung, Rn. 1; ferner BVerfG, Beschl. v. 16. 07. 1969, 2 BvL 2/69, BVerfGE 27, 18 (33). 85 Vgl. Mitsch, in: Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 17, Rn. 7.
I. Einleitung und Fragestellungen
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des Zivilrechts wären bei Auslegungsfragen grundsätzlich86 seine Eigenheiten zu beachten, die aus dem Interessenausgleich zwischen „privaten“ Rechtsträgern als Regelungsanliegen des Zivilrechts87 resultieren. Es unterscheidet sich damit erheblich vom öffentlichen Recht als Grundlage des durch Über-/Unterordnung geprägten Staat-Bürger-Verhältnisses88. Auch die besonderen Fragen von Verweisungen von Rechtsnormen verschiedener Ebenen in der Normenhierarchie, also insbesondere Verweisungen unter Beteiligung untergesetzlicher Rechtsnormen wie (Rechts)Verordnungen und Satzungen, aber auch Verwaltungsvorschriften89, werden hier aus Vereinfachungsgründen weitgehend ausgespart, weil sie für die hier im Zentrum stehenden Fragen keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn brächten. Dagegen werden Verweisungen unter Beteiligung von Rechtsnormen des übergeordneten Rechts oder aus anderen Rechtsordnungen punktuell90 berücksichtigt. Bei verfassungsrechtlich problematischen91 Verweisungen auf „Normen“ privater Rechtsträger wie in § 10 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a) StromStG auf die „DIN EN ISO 50001“, die das als zivilrechtlicher Verein verfasste „Deutsche Institut für Normung e.V.“92 (DIN) erarbeitet hat, stellen sich die hier interessierenden Fragen nicht oder anders, denn solche „Bezugsnormen“ können im hoheitlichen Bereich ohnehin nur aufgrund der Verweisung verbindlich sein93, sofern sie nicht unabhängig von der Verweisung anderweitig rechtlich anerkannt sind94. 86
Nach Auffassung der Rechtsprechung des BFH ist Zivilrecht nach zivilrechtlichen Grundsätzen auszulegen, auch wenn es für die Anwendung von öffentlichem Recht maßgeblich ist. Vgl. BFH, Urt. v. 04. 12. 2018, IX R 14/18, BFH/NV 2019, 262 (263), Rn. 19. Zur Erreichung der Regelungsziele des öffentlichen Rechts kann wie im Steuerrecht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vorzunehmen sein. Dazu s. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 322 ff., m.w.N. (Lfg. 127; Stand: 10/2011). 87 Zu dieser Funktion des Zivilrechts s. Burgi in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Methoden, (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2. Aufl. 2012, § 18, Rn. 13; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 3, Rn. 8. 88 Allgemein zur Charakterisierung des Verhältnisses von „Staat“ und „Bürger“ durch Über-/Unterordnung s. Burgi, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2. Aufl. 2012, § 18, Rn. 7 („Konstitutierung und Begrenzung der staatlichen Machtbefugnisse“). 89 Zur Abgrenzung von „Verwaltungsvorschriften“ als „Bezugsnorm“ und als Mittel zur Anwendung von Rechtsnormen s. III. 2. b) aa). 90 S. II. 4., für die materiell-rechtlichen Auswirkungen von Verweisungen auf die Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm unter Beteiligung von Rechtsnormen aus dem Verfassungsrecht (a)), dem Unionsrecht (b)) und dem Völkerrecht (c)), sowie III. 2. b) bb) (8), III. 2. c) bb) (5) und III. 3. b) ee), für die Zuständigkeits- und sonstigen Verfahrensfragen. 91 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 247. 92 S. AG Berlin-Charlottenburg, Vereinsregister VR 288 B. 93 Dazu s. Schenke, in: Oberndorfer/Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift zum 60. Geburtstag von Ludwig Fröhler, 1980, S. 87 (87 f., 108 ff.); Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, § 12, Rn. 400 ff.; ferner Baden, NJW 1979, 623 (623); Karpen, ZRP 1978, 151; Staats, ZRP 1978, 59 (59 ff.). 94 Zu Beispielen dafür s. III. 2. b) aa).
II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen auf die Auslegung und Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm 1. Grundlagen der Gesetzesauslegung bei Verweisungen Die Auslegung gesetzlicher Regelungen als Voraussetzung ihrer Anwendung auf einen konkreten Sachverhalt ist Gegenstand der juristischen Methodenlehre1. Bei Verweisungen können sich im Hinblick auf die Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm besondere Auslegungsfragen stellen, etwa die Frage nach ihrer Existenz (2.), nach der Bedeutung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm (3.) und nach Besonderheiten von Verweisungen unter Beteiligung von Regelungen des übergeordneten Rechts (4.). Daneben ist die Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm auch für die Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtsmäßigkeit von Verweisungen relevant, wenn etwa die „große Zahl von Verweisungen“ und ihre Ausgestaltung dem Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit widersprechen und deshalb die maßgebliche Rechtslage trotz sorgfältiger Auslegungsbemühungen nicht oder nicht eindeutig ermittelt werden kann2. Im Folgenden werden jedoch nicht derartige „Extremfälle“, sondern nur verweisungsspezifische Auslegungsfragen unterhalb der Schwelle zur Verfassungswidrigkeit betrachtet. Auch die offenkundige Auslegungsfrage, wie eine „entsprechende“ oder „sinngemäße“ Anwendung3 zu erfolgen hat, wird hier nicht behandelt, denn insoweit kommt es auf den Einzelfall an, ob bestimmte Teile einer Bezugsnorm modifiziert werden müssen, damit die Vorschrift überhaupt angewendet werden kann.
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Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 8, 133 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 35 ff.; Zippelius, Das Wesen des Rechts, 6. Aufl. 2012, S. 78 ff. 2 S. I. 3 Dazu s. Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 1, 78 f.
2. Feststellung der Existenz von Verweisungen durch Auslegung
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2. Feststellung der Existenz von Verweisungen durch Auslegung a) Grundlagen der Feststellung der Existenz von Verweisungen durch Auslegung Von der Existenz einer Verweisung hängt es ab, ob für die Auslegung und Anwendung einer Rechtsnorm (Ausgangsnorm) überhaupt eine andere Rechtsnorm (Bezugsnorm) maßgeblich ist. Im Rahmen ihres Anwendungsbereichs sind die Regelungen nach allgemein anerkannten juristischen Methoden auszulegen, jedoch ist im Falle einer Verweisung bei Anwendung der Ausgangsnorm der verweisungsbedingte „Zusammenhang“ zur Bezugsnorm4 zu berücksichtigten. Darüber hinaus ist aber bereits die Feststellung der Existenz von Verweisungen eine Auslegungsfrage, wenn diese nicht einfach erkennbar oder nicht eindeutig sind5.
b) Normgenaue Verweisungen Vergleichsweise unproblematisch scheint die Feststellung der Existenz von Verweisungen zu sein, wenn in einer Rechtsnorm als Ausgangsnorm ausdrücklich bestimmte Rechtsnormen, für bestimmte Umstände geltende Rechtsnormen oder zumindest allgemein andere Gesetze im weiten Sinne als Bezugsnorm bezeichnet werden („normgenaue Verweisung“6). So wird etwa in § 1 Abs. 2 S. 1 und S. 2 Nr. 1 und 3, Abs. 3 Nr. 1 und 2 InvStG n.F. auf das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB; ausdrücklich bestimmte Rechtsnormen)7 verwiesen, in § 4 Nr. 8 Buchst. h) UStG auf das KAGB (ausdrücklich bestimmte Rechtsnormen) bzw. das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG; für den Begriff der „Versorgungseinrichtungen“), in § 8b Abs. 7 S. 2 KStG auf das Kreditwesensgesetz (KWG; für den Begriff der „Finanzunternehmen“), in § 2 Abs. 1 InvStG n.F. auf das KAGB (allgemein für Begriffsbestimmungen)8 oder in § 140 AO auf „andere Gesetze“ mit Buchführungs- und 4 Zu diesem Zusammenhang s. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 221. 5 Vgl. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 39; W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, Neudruck 1968, S. 170 f. Um die Feststellung von Verweisungen und ihrer Eigenschaften zu erleichtern, sollen zumindest innerhalb eines Gesetzes im weiten Sinne „dieselben Standardformulierungen verwendet werden“. Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 220; Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 2. Aufl. 1968, S. 178 f. 6 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 219, 237. 7 Vgl. Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2711). 8 Eine solche Verweisung war auch in § 1 Abs. 2 S. 1 InvStG a.F. enthalten. Eine allgemeine Verweisung ist jedoch nur maßgeblich, wenn es keine spezielle Verweisung wie in § 1 Abs. 2
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
Aufzeichnungspflichten. Solche Verweisungen sind aber häufig nur „scheinbar eindeutig“9, denn selbst wenn ihre Existenz feststeht, können sie hinsichtlich ihres Inhalts „auslegungsfähig“10 bzw. sogar „auslegungsbedürftig“11 sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn mangels Bezugnahme auf ausdrücklich bestimmte Rechtsnormen durch Auslegung ermittelt werden muss, welche konkrete Rechtsnorm (Gesetz im engen Sinne) aus einem in Bezug genommenen Normenkomplex12 (insbesondere einem Gesetz im weiten Sinne) maßgeblich ist. Dies kann wie in einigen der genannten Beispiele erforderlich sein, wenn nur bestimmte Begriffe wie „Finanzunternehmen“ oder „Versorgungseinrichtungen“ genannt sind, für die es im konkret bezeichneten Normenkomplex (in den Beispielen ein Gesetz im weiten Sinne) vom Rechtsanwender erst aufzufindende Regelungen gibt. Bisweilen kann aber auch erst der maßgebliche Normenkomplex (insbesondere ein Gesetz im weiten Sinn) zu bestimmen sein, wenn eine Ausgangsnorm nur auf „andere Gesetze“ als Bezugsnorm verweist, wie § 140 AO für Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach außersteuerrechtlichen Gesetzen, die auch für die Besteuerung von Bedeutung sind, etwa solche nach § 238 Abs. 1 S. 1 HGB13. Zudem kann auch die anzuwendende Fassung einer geänderten Rechtsnorm14 als Bezugsnorm durch Auslegung der Ausgangsnorm mit dem Ziel der Einordnung der Verweisung als statisch oder dynamisch zu ermitteln sein.
S. 1 und S. 2 Nr. 1 und 3, Abs. 3 Nr. 1 und 2 InvStG n.F. gibt. Vgl. Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2711, Fn. 7). 9 Allgemein zur „Mehrdeutigkeit“ bzw. „scheinbaren Eindeutigkeit“ des Gesetzestexts s. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 38, 82 f.; ferner Drüen, in: Tipke/ Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 223, m.w.N. (Lfg. 127; Stand: 10/2011). 10 Allgemein zur Auslegungsfähigkeit „aller“ Gesetzestexte s. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 222, m.w.N. (Lfg. 127; Stand: 10/2011). 11 Allgemein zur Auslegungsbedürftigkeit „aller“ Gesetzestexte s. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 10. Aufl. 2018, Rn. 731 ff.; ferner Karpen, in: Rödig/Altmann/Baden/Kindermann/Motsch/Thieler-Mevissen (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, 1976, S. 221 (223), der auf das Erfordernis einer Abgrenzung von „Verweisungen“ zu „auslegungsbedürftigen“ Tatbestandsmerkmalen hinweist, die durch Auslegung erfolgt. 12 Vgl. Clemens, AöR 111 (1986), 63 (83 ff.), auch zu den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes. 13 Vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 140 AO, Rn. 11, m.w.N. (Lfg. 131; Stand: 10/2012); ferner BFH, Urt. v. 14. 11. 2018, I R 81/16, NJW 2019, 1479 (1480), Rn. 16 ff., wonach bei einer „entsprechenden Anwendung des kollisionsrechtlichen ordre public“ (s. Art. 6 EGBGB) auch ausländische Buchführungspflichten maßgeblich sein können. 14 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 14. 06. 1983, 2 BvR 488/80, BVerfGE 64, 285 (310 ff.); Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 63 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 29.
2. Feststellung der Existenz von Verweisungen durch Auslegung
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c) Inhaltsbezogene oder stillschweigende Verweisungen über materielles Recht Deutlicher sichtbar ist das Auslegungserfordernis, wenn eine Rechtsnorm als Ausgangsnorm nicht ausdrücklich bestimmte andere Normenkomplexe (insbesondere ein Gesetz im weiten Sinne) oder bestimmte Rechtsnormen (Gesetz im engen Sinne) als Bezugsnorm nennt, sondern stattdessen nur in der Rechtsordnung bekannte Begriffe verwendet oder auf im Gesetz geregelte Umstände referenziert („inhaltsbezogene“15 oder „stillschweigende“16 Verweisung über materielles Recht)17. Hier ist durch Auslegung der vermeintlichen Ausgangsnorm mithilfe der anerkannten juristischen Auslegungsmethoden zu ermitteln, ob tatsächlich eine Verweisung gegeben ist, wobei der Wille des Gesetzgebers, die Gesetzessystematik (einschließlich der Anforderungen aus übergeordnetem Recht18) und der Sinn und Zweck (also die Regelungsziele) der beteiligten Rechtsnormen weiterführen können19. Ohne Verweisung wären die Rechsnormen „autonom“, also ohne Einbeziehung der jeweils anderen Rechtsnorm, auszulegen und anzuwenden. Eine inhaltsbezogene Verweisung kann bereits über materielles Recht erfolgen, wenn hinsichtlich der Bezugsnorm kein Verwaltungshandeln erforderlich ist. Andernfalls handelt es sich um eine später20 behandelte inhaltsbezogene Verweisung über das Verfahrensrecht. In der Folge werden die Begriffe „Kreditinstitute“ und „Finanzdienstleistungsinstitute“ in § 8b Abs. 7 S. 1 KStG bzw. „Lebensversicherungs- und Krankenversicherungsunternehmen“ sowie „Pensionsfonds“ in § 8b Abs. 8 S. 1, 3 und 5 KStG entsprechend dem gesetzgeberischen Willen wie im Kreditwesensgesetz (KWG)21
15 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 219, 238. 16 Vgl. Schenke, in: Oberndorfer/Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift zum 60. Geburtstag von Ludwig Fröhler, 1980, S. 87 (89). 17 Vgl. Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 34 ff.; Lippold, Recht und Ordnung, 2000, S. 338. 18 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 01. 03. 1978, 1 BvR 786/70, BVerfGE 47, 285 (311 ff.); Beschl. v. 14. 06. 1983, 2 BvR 488/80, BVerfGE 64, 208 (214 ff.), zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die die Auslegung einer Verweisung als „statisch“ anstatt als „dynamisch“ erfordern kann. 19 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 23. 03. 1982, 2 BvL 13/79, BVerfGE 60, 135 (155 f.); Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 29, die die Bedeutung von „Sinnzusammenhang“, „Entstehungsgeschichte“ und „Regelungsziele“ betonen, insbesondere im Hinblick auf die Unterscheidung von statischen und dynamischen Verweisungen. 20 S. II. 2. d). 21 Vgl. BT-Drs. 14/4626, S. 7, wo auf die aufsichtsrechtliche Verpflichtung zur Führung eines „Handelsbuchs“ Bezug genommen wird; ferner s. Gosch, in: Gosch (Hrsg.), KStG, 3. Aufl. 2015, § 8b, Rn. 561, 564; Watermeyer, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Loseblatt, § 8b KStG, Anm. 225 (Lfg. 264; Stand: 06/2014).
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
bzw. Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)22 zu verstehen sein. Dasselbe dürfte für die Verwendung dieser Begriffe in § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG gelten23. Zwar nimmt die Gesetzesbegründung insoweit nicht ausdrücklich Bezug auf das KWG bzw. VAG24, jedoch dürfte dies daran liegen, dass die betroffenen Unternehmen von „ausländischen Gesellschaften“ im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG, also bestimmte (Rechts)Gebilde ohne Geschäftsleitung oder Sitz im Inland, betrieben werden müssen, für die das KWG bzw. VAG grundsätzlich nicht gelten können, wenn sie keine Aktivitäten im Inland entfalten. Gleichwohl können die materiellen Kriterien des KWG bzw. des VAG herangezogen werden25. Auch die Formulierung „zur Gewerbesteuer veranlagt“ in § 2 Abs. 1 IHK-G als Voraussetzung für die Mitgliedschaft in einer Industrieund Handelskammer (IHK) enthält eine Verweisung, nämlich auf das im Gewerbesteuergesetz (GewStG) geregelte Gewerbesteuerrecht26, was durch die Gesetzessystematik27 mit der Erwähnung des GewStG an anderen Stellen, etwa in § 3 Abs. 3 S. 3 IHK-G, bestätigt wird. Dies gilt umso mehr, als nicht nur die „Gewerbesteuer“ als in erster Linie materiell-rechtlich besetzter Begriff genannt wird, sondern zumindest nach dem Gesetzeswortlaut auch eine „Veranlagung“ erforderlich ist. Diese setzt an sich die Anwendung der materiell-rechtlichen Regelungen des GewStG durch die für ihren Vollzug nach § 22 Abs. 1 S. 1 AO zunächst zuständigen Finanzbehörden28 durch Erlass eines Gewerbesteuermessbescheids nach § 14 S. 1
22 Vgl. BT-Drs. 15/1684, S. 9, wo auf „Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen (RfB) der Lebensversicherungen (hierzu gehören auch Pensions- und Sterbekassen), der Krankenversicherungen sowie der Pensionsfonds“ Bezug genommen wird, die in § 341e HGB geregelt sind, wobei § 341e Abs. 1 S. 2 HGB auf aufsichtsrechtliche Regelungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) verweist; ferner s. Gosch, in: Gosch (Hrsg.), KStG, 3. Aufl. 2015, § 8b, Rn. 612; Watermeyer, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Loseblatt, § 8b KStG, Anm. 237 (Lfg. 264; Stand: 06/2014). 23 So auch BMF, Schreiben v. 14. 05. 2004 – IV B 4 – S 1340 – 11/04 BStBl. 2004 I, Sondernummer 1/2004, S. 3, Tz. 8.1.3.1 (Geschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG) und Tz. 8.1.3.2 (Versicherungsgeschäfte im Sinne des § 1 VAG). 24 Vgl. BT-Drs. VI/2883, S. 27. 25 In diese Richtung FG Baden-Württemberg, Urt. v. 27. 07. 1995, 6 K 216/88, EFG 1996, 350 (351 ff.); Rödel, in: Kraft (Hrsg.), AStG, 2. Aufl. 2019, § 8 Abs. 3, Rn. 122 ff., freilich mit Modifizierungen. 26 Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 06. 11. 2009, 2 L 252/08, juris, Rn. 6 ff.; ferner s. Deiseroth/Eggert, GewArch 2016, 449 (450); Forkel, GewArch 2017, 11 (11). 27 Wegen der Gesetzessystematik, nämlich der Verweisung auf das Gewerbesteuergesetz (GewStG; s. oben im Text) in der ersten Voraussetzung, ist auch die weitere Voraussetzung einer „Betriebsstätte“ im Sinne der allgemeinen steuerrechtlichen Begriffsbestimmung in § 12 AO zu verstehen. Vgl. BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1998, 1 C 19.97, NVwZ-RR 1999, 243 (243); Jahn, GewArch 2017, 15 (16). 28 Vgl. BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1998, 1 C 19.97, NVwZ-RR 1999, 243 (243), zur „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ als Voraussetzung der IHK-Mitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHKGesetz.
2. Feststellung der Existenz von Verweisungen durch Auslegung
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GewStG29 voraus30, in dem nach § 184 Abs. 1 S. 2 AO auch über die hier maßgebliche31 persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden wird. Der Umstand, dass für die IHK-Mitgliedschaft trotz der Formulierung des Gesetzes eine „Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach“32 genügt und deshalb die tatsächliche Durchführung einer Veranlagung nicht erforderlich ist, ändert jedoch nichts an der Existenz der Verweisung. Die Entbehrlichkeit einer Veranlagung folgt schon aus § 3 Abs. 3 S. 3 IHK-G, der „beweist, dass die Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrages nur Bedeutung für die Höhe des Beitrags, nicht aber für die Frage der Kammerzugehörigkeit hat“33. Die in einem solchen Fall von der Kammer vorzunehmende Prüfung34 der Voraussetzungen der „Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach“ erfolgt als Folge der Verweisung über materielles Rechts auf der Grundlage des GewStG. Eine tatsächlich durchgeführte „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ durch die Finanzbehörden kann dagegen verfahrensrechtlich bindend sein35. Auch die Bezugnahme auf „Bezüge aus öffentlichen Mitteln“ wie in der Regelung in § 3 Nr. 11 S. 1 EStG über die Steuerbefreiung bei Förderung der Erziehung, Ausbildung und anderer Zwecke enthält eine Verweisung, denn öffentliche Mittel können nur aufgrund öffentlichrechtlicher, zumindest haushaltsrechtlicher36 Vorschriften verwendet werden. Dasselbe gilt für die Bestimmung kindergeldfähiger „Pflegekinder“ nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG, die nicht zu Erwerbszwecken aufgenommen werden dürfen, was nicht der Fall ist, wenn bestimmte Leistungen nach dem SGB VIII, das insoweit Bezugsnormen enthält, bezogen werden37. Aus systematischen Gründen scheidet die Annahme einer Verweisung auf eine gesetzliche Begriffsbestimmung trotz Wortlautidentität aus, wenn es für die maßgebliche Regelung eine eigenständige und damit vorrangige spezialgesetzliche Definition gibt. Dies gilt beispielsweise für den Begriff der „Berufsausbildung“ im 29 Vgl. BVerwG, Urt. v. 25. 10. 1977, I C 35.73, BVerwGE 55, 1 (7 f.); VGH BadenWürttemberg, Beschl. v. 17. 07. 1995, 14 S 1872/94, juris, Rn. 11; Jahn, in: Frentzel/Jäkel/ Junge (Hrsg.), IHKG, 7. Aufl. 2009, § 2, Rn. 4. 30 S. II. 2. d), allgemein zur Annahme einer Verweisung auf eine materiell-rechtliche Rechtsnorm im Fall der Verwendung eines verfahrensrechtlichen Begriffs. 31 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 11. 07. 2011, 8 C 23/10, NVwZ 2011, 1390 (1391). 32 Vgl. BVerwG, Urt. v. 19. 01. 2005, 6 C 10/04, BVerwGE 122, 344 (346); Beschl. v. 11. 07. 2011, 8 C 23/10, NVwZ 2011, 1390 (1391); VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17. 06. 1998, 14 S 38/98, GewArch 1999, 66 (66); VGH Hessen, Beschl. v. 14. 08. 1997, GewArch. 1998, 73 (74); Deiseroth/Eggert, GewArch 2016, 449 (450); Jahn, GewArch. 1995, 457 (461); ferner, wenn auch nicht so deutlich, BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1998, 1 C 19.97, NVwZ-RR 1999, 243 (243). 33 Vgl. BVerwG, Urt. v. 19. 01. 2005, 6 C 10/04, BVerwGE 122, 344 (346). 34 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 11. 07. 2011, 8 C 23/10, NVwZ 2011, 1390 (1391). 35 S. III. 2. c) aa) und III. 2. c) bb) (4), zur Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten, insbesondere von Gewerbsteuermessbescheiden. 36 Vgl. BFH, Urt. v. 05. 11. 2014, VIII R 29/11, BFHE 249, 1 (4), BStBl. II 2017, 432 (433). 37 Vgl. BFH, Urt. v. 02. 04. 2009, III R 92/06, BFHE 224, 542 (544 f.), BStBl. II 2010, 345 (346).
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
Hinblick auf den steuerrechtlichen Abzug von Werbungskosten nach § 9 Abs. 6 S. 1 EStG bzw. Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 9 S. 1 EStG, die durch eine solche veranlasst sind. Auch wenn er nach dem Willen des Gesetzgebers inhaltlich am arbeitsrechtlichen Verständnis des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) orientert sein soll38, so ist er dennoch rechtsbereichsspezifisch39. Dies zeigt sich in den Anforderungen, die die Legaldefinition in § 9 Abs. 6 S. 2 ff., ggf. i.V.m. § 4 Abs. 9 S. 2, EStG für den Begriff der „Berufsausbildung als Erstausbildung“ enthält, deren Abschluss Voraussetzung für den Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug ist. Diese betreffen zwar nicht die Zielsetzung einer „Berufsausbildung“ wie etwa die Vermittlung „beruflicher Handlungsfähigkeit“ (§ 1 Abs. 3 S. 1 BBiG), jedoch zumindest auch die Anforderungen an eine „Berufsausbildung“ im Sinne der jeweiligen Regelung. So gibt es etwa Unterschiede hinsichtlich der Dauer, die arbeitsrechtlich grundsätzlich nicht weniger als zwei Jahre betragen soll (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 BBiG), während steuerrechtlich eine Mindestdauer von 12 Monaten genügt (§ 9 Abs. 6 S. 2, ggf. i.V.m. § 4 Abs. 9 S. 2, EStG). Damit regelt die Legaldefinition des Begriffs der „Berufsausbildung als Erstausbildung“ eben nicht nur Einschränkungen durch das Merkmal „Erstausbildung“, sondern sie hat auch Rückwirkungen auf das Verständnis des Begriffs der „Berufsausbildung“. Dementsprechend kann der arbeitsrechtliche Begriff nicht ohne Weiteres für steuerrechtliche Zwecke herangezogen werden. Sprechen weder gesetzeshistorische noch gesetzessystematische Anhaltspunkte gegen ein einheitliches Begriffsverständnis als Grund für die Annahme einer Verweisung von einer auf eine andere Regelung, kann es gleichwohl unter telelogischen Gesichtspunkten geboten sein, bei Verwendung identischer oder auch nur ähnlicher Begriffe in verschiedenen Gesetzeszusammenhängen von einer unterschiedlichen Bedeutung auszugehen, die die Annahme einer Verweisung ausschließt40. Dies zeigt sich besonders deutlich beim Begriff der „Einnahmen“, der in zahlreichen Rechtsnormen (z. B. in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, § 250 Abs. 2 HGB, § 24 Abs. 1 S. 1 PartG) verwendet wird und dabei nicht nur wegen vereinzelter rechtsbereichsspezifischer Legaldefinitionen41 wie in § 8 Abs. 1 EStG oder § 26 Abs. 1 PartG42, 38 Vgl. BT-Drs. 18/3017, 43, unter Hinweis aus § 5 BBiG; kritisch zu dieser Bezugnahme Krüger, in: Schmidt, EStG, 38. Aufl. 2019, § 9, Rn. 342. 39 Vgl. Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Loseblatt, § 9 EStG, Anm. 619 (Lfg. 287; Stand: 08/2018), mit einer eigenen Defintion. 40 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 142 f., freilich zum Begriff der „Genehmigung“ in zivilrechtlichen Rechtsnormen. 41 Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07. 03. 2018, OVG 3 B 26.17, juris, Rn. 20 (Revision zugelassen). 42 So für das Parteiengesetz Jochum, in: Ipsen (Hrsg.), Parteiengesetz, 2. Aufl. 2018, § 24, Rn. 16, 19, § 26, Rn. 1, 2; Kersten, in: Kersten/Rixen (Hrsg.), Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 26, Rn. 1, 5; Lenski, Parteiengesetz, 2011, § 24 PartG, Rn. 10, 12 („parteienrechtsspezifisch auszulegen“; „Anpassung […] an die Besonderheiten des Parteienrechts“, jeweils ohne Hervorhebung im Original), § 26, Rn. 4; Rixen, in: Kersten/Rixen (Hrsg.), Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 24, Rn. 12, 16 ff., 21 ff.
2. Feststellung der Existenz von Verweisungen durch Auslegung
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sondern auch aus telelogischen Gründen unterschiedlich verstanden werden muss, gerade auch, wenn es für einzelne Regelungen wie für § 250 Abs. 2 HGB43 keine spezialgesetzliche Definition gibt. Im Fall des Begriffs der „Einnahmen“ unterscheiden sich die Regelungsziele der relevanten Rechtsbereiche, nämlich des Steuerrechts (Gewinnermittlung zur Bemessung der steuerrechtlichen Leistungsfähigkeit44), des Handelsrechts (Dokumentation45, Information46, Gläubigerschutz47 und Ausschüttungsbemessung48)49 und des Parteienrechts (Transparenz der Parteienfinanzierung im Sinne des Transparenzgebots aus Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG50) so51, dass ein einheitliches Begriffsverständnis nur schwer zu begründen wäre. Dies gilt unabhängig davon, dass für Zwecke des Parteienrechts nach § 24 Abs. 1 S. 2 PartG die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nur zu „beachten“ und nach § 24 Abs. 2 S. 1 PartG die für alle Kaufleute geltenden handelsrechtlichen Vorschriften über die Rechnungslegung nur „entsprechend“52 anzuwenden sind53. 43
Rn. 2. 44
Vgl. Morck/Drüen, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen (Hrsg.), HGB, 9. Aufl. 2019, § 250,
Zur Bedeutung der „Leistungsfähigkeit“ für die Rechtfertigung der Einkommensteuer s. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 7, Rn. 30. Zur wichtigen Funktion des Leistungsfähigkeitsprinzips als Belastungsverteilungsmaßstab s. II. 3. d). 45 Vgl. Drüen, in: Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen (Hrsg.), Rechnungslegungsrecht, 2018, § 238, Rn. 20; Kleindiek, in: Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg.), Münchener Kommentar Bilanzrecht, 2013, § 242 HGB, Rn. 4 f. 46 Vgl. Drüen, in: Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen (Hrsg.), Rechnungslegungsrecht, 2018, § 238, Rn. 22; Kleindiek, in: Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg.), Münchener Kommentar Bilanzrecht, 2013, § 242 HGB, Rn. 4 ff. 47 Vgl. Drüen, in: Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen (Hrsg.), Rechnungslegungsrecht, 2018, § 238, Rn. 21; Winkeljohann/Lewe, in: Grottel/Schmidt/Schubert/Winkeljohann (Hrsg.), Beck’scher Bilanz-Kommentar, 11. Auflage 2018, § 238 HGB, Rn. 1. 48 Vgl. Ballwieser, in: K. Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar HGB, 3. Aufl. 2013, HGB, § 238, Rn. 1; Kleindiek, in: Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg.), Münchener Kommentar Bilanzrecht, 2013, § 242 HGB, Rn. 4 ff.; Regierer, in: Häublein/Hoffmann-Theinert (Hrsg.), BeckOK HGB, 24. Edition (Stand: 15.04.2019), § 238, Rn. 1; ferner BVerwG, Urt. v. 12. 12. 2012, 6 C 32/11, BVerwGE 145, 194 – 230, Rn. 39. 49 Zu weiteren Funktionen s. Ballwieser, in: K. Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar HGB, 3. Aufl. 2013, HGB, § 238, Rn. 1; Drüen, in: Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen (Hrsg.), Rechnungslegungsrecht, 2018, § 238, Rn. 2, 20 ff. 50 Vgl. BVerwG, Urt. v. 12. 12. 2012, 6 C 32/11, BVerwGE 145, 194 (208 ff.), Rn. 39; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07. 03. 2018, OVG 3 B 26.17, juris, Rn. 22, m.w.N. (Revision zugelassen); Jochum, in: Ipsen (Hrsg.), Parteiengesetz, 2. Aufl. 2018, § 24, Rn. 13, 17; § 26, Rn. 2; Kersten, in: Kersten/Rixen (Hrsg.), Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 26, Rn. 1; Lenski, Parteiengesetz, 2011, § 24 PartG, Rn. 10; § 26 PartG, Rn. 4; Rixen, in: Kersten/Rixen (Hrsg.), Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 24, Rn. 12, 17 f. 51 Zu den Unterschieden s. Jochum, in: Ipsen (Hrsg.), Parteiengesetz, 2. Aufl. 2018, § 26, Rn. 1. 52 Die Formulierung „entsprechend“ erfordert jedoch nachträglich die Berücksichtigung bereichsspezifischer Besonderheiten. Vgl. BVerwG, Urt. v. 12. 12. 2012, 6 C 32/11, BVerwGE 145, 194 (205, 208 f., 213), Rn. 35, 39, 44; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07. 03. 2018, OVG
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
Wortlautidentische oder ähnliche Begriffe in verschiedenen Gesetzen im weiten Sinne dürfen vor diesem Hintergrund nicht zur vorschnellen Annahme einer Verweisung verleiten, die für die Auslegung eines Begriffs in einem Gesetz im weiten Sinne einen Rückgriff auf das Verständnis des Begriffs in anderen Gesetzen im weiten Sinne ermöglichen würde. Insbesondere sind solche Begriffe bei Gesetzen im weiten Sinne aus verschiedenen Rechtsbereichen häufig rechtsbereichsspezifisch mit unterschiedlicher Bedeutung zu verstehen54. Zwingend erforderlich ist dies freilich nicht, etwa bei den Anknüpfungspunkten „Wohnsitz“ und „gewöhnlicher Aufenthalt“ für die zwischenstaatliche Abgrenzung der Zuständigkeit im Internationalen Steuerrecht (§ 8, § 9 S. 1 AO) und im Internationalen Sozialrecht (§ 30 Abs. 3 S. 1 und 2 SGB I)55, für die es in den zitierten Regelungen identische, aber ihrerseits auslegungsbedürftige Begriffsbestimmungen gibt, die grundsätzlich gleich ausgelegt werden können. Eine ebenfalls erst durch Auslegung festzustellende besondere Form „stillschweigender“ Verweisung ist bei Existenz eines „Allgemeinen Teils“ mit „vor die Klammer“ gezogenen Vorschriften gegeben, auf die Rechtsnormen eines „Besonderen Teils“ als oft notwendige Ergänzung auch ohne ausdrückliche Anordnung „verweisen“, wenn diese andernfalls nicht vollständig und deshalb nicht anwendbar wären56. Die Teile können zunächst in demselben Gesetz im weiten Sinn enthalten sein, wie etwa in den „Musterbeispielen“ Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit dem „Buch 1 Allgemeiner Teil“ oder Strafgesetzbuch (StGB) mit dem „Allgemeine[n] Teil“ in den §§ 1 bis 79b StGB57, die wegen ihrer Zugehörigkeit zum Zivil- bzw. Strafrecht hier freilich nicht im Vordergrund stehen58, oder in Art. 19 Abs. 1 bis 3 GG mit dem allerdings nicht ausdrücklich so bezeichneten und zudem nur bruchstückhaften „Allgemeinen Teil der Grundrechte“59. Sie können aber auch auf verschiedene 3 B 26.17, juris, Rn. 21 (Revision zugelassen); Jochum, in: Ipsen (Hrsg.), Parteingesetz, 2. Aufl. 2018, § 24, Rn. 19; Lenski, Parteiengesetz, 2011, § 24 PartG, Rn. 12; Rixen, in: Kersten/Rixen (Hrsg.), Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 24, Rn. 16 ff. 53 Zum Sinn der Verweisung s. Jochum, in: Ipsen (Hrsg.), Parteiengesetz, 2. Aufl. 2018, § 24, Rn. 15 ff.; Lenski, Parteiengesetz, 2011, § 24 PartG, Rn. 7 ff. („Parallelführung der parteienrechtlichen Buchführung zu den Vorschriften des Handelsrechts“; ohne Hervorhebung im Original); ferner Rixen, in: Kersten/Rixen (Hrsg.), Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 24, Rn. 10 ff. 54 Vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 264, m.w.N. (Lfg. 127; Stand: 10/2011); P. Kirchhof, in: Präsident des Bundesfinanzhofs (Hrsg.), Festschrift 75 Jahre Reichsfinanzhof-Bundesfinanzhof, 1993, S. 285 (296 f.); ferner Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 142 f. 55 Vgl. Vogel, in: Ruland/von Maydell/Papier (Hrsg.), Verfassung, Theorie und Praxis des Sozialstaats. Festschrift für Hans F. Zacher zum 70. Geburtstag, 1998, S. 1173 (1177). 56 Vgl. Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 16. 57 Die Rechtsnormen des Allgemeinen Teils des StGB können auch Bezugsnorm einer ausdrücklichen „normgenauen“ Verweisung in einer Rechtsnorm eines anderen Gesetzes im weiten Sinne als Ausgangsnorm sein, wie etwa in § 369 Abs. 2 AO für Steuerstraftaten. 58 S. I. 59 Vgl. Nierhaus/Engel, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 19, Rn. 7.
2. Feststellung der Existenz von Verweisungen durch Auslegung
31
Gesetze im weiten Sinn verteilt sein, wie im Steuerrecht mit der Abgabenordnung (AO) als dem wiederum nicht ausdrücklich so bezeichneten „Allgemeine[n] Teil der Steuergesetze“60 oder im Sozialrecht mit dem „Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) – Allgemeiner Teil“ für das gesamte Sozialrecht bzw. dem „Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung“ für den Bereich des Sozialversicherungsrechts.
d) Inhaltsbezogene oder stillschweigende Verweisungen über Verfahrensrecht Die Einbeziehung des Gesetzesvollzugs wie im schon61 erwähnten § 2 Abs. 1 IHK-G durch das Merkmal „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ ist grundsätzlich ein besonders starkes, ggf. nur weiteres Indiz für die Existenz einer Verweisung von einer Rechtsnorm auf eine andere. Bezugsnorm können dabei nicht nur ausdrücklich oder „stillschweigend“ in Bezug genommene verfahrensrechtliche, sondern (mittelbar) auch materiell-rechtliche Rechtsnormen sein (insoweit „inhaltsbezogene“ oder „stillschweigende“ Verweisung über Verfahrensrecht). Behörden handeln – mit Ausnahme der Bereiche gesetzesfreier (Leistungs-)Verwaltung – wegen des grundrechtlichen und des aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden rechtstaatlichen Vorbehalts des Gesetzes auf der Grundlage von Gesetzen im formellen Sinne mit materiellem Recht als Regelungsgegenstand. Aufgrund dieses Zusammenhangs von Verfahrens- und materiellem Recht können materiell-rechtliche Rechtsnormen (mittelbar) zur Bezugsnorm werden, wenn andere Rechtsnormen als Ausgangsnorm an verfahrensrechtliche Rechtsnormen oder durch solche geregelte Umstände anknüpfen, die im Zusammenhang mit dem Vollzug erstgenannter Rechtsnormen stehen. Dies gilt gerade auch dann, wenn – anders als in § 2 Abs. 1 IHK-G mit der Bezugnahme auf die materiell-rechtlich geregelte „Gewerbesteuer“ – materiellrechtliche Regelungen oder materiell-rechtlich geregelte Umstände daneben nicht ausdrücklich bezeichnet werden. So meint beispielsweise der auf den „Grad der Behinderung“ bezogene Begriff „festgestellt“ in § 33b Abs. 2 Nr. 1 und 2 EStG die verfahrensrechtliche „Feststellung der Behinderung“ nach dem so überschriebenen § 152 Abs. 1 S. 1 SGB IX62, die auf der Grundlage der maßgeblichen materiellrechtlichen Regelungen des Sozialrechts in § 2 Abs. 1 und 2 SGB IX63 auch mit 60 Vgl. Drüen, Allgemeines Steuerrecht, 18. Aufl. 2019, Rn. 7 („„Allgemeiner Teil“ der Steuergesetze“ bzw. „Mantelgesetz“); Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Einf. AO, Rn. 1 f. (Lfg. 141; Stand: 5/2015); Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 1, Rn. 52 ff. („Mantelgesetz“). 61 S. II. 2. c). 62 So auch Loschelder, in: Schmidt, EStG, 38. Aufl. 2019, § 33b, Rn. 13; Mellinghoff, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG, 18. Aufl. 2019, § 33b, Rn. 5; Schüler-Täsch, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, Loseblatt, § 33b EStG, Anm. 38 (Lfg. 286; Stand: 06/2018). 63 Zur Feststellung für sozialrechtliche Zwecke s. Jabben, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/ Udsching (Hrsg.), BeckOK SozR, 52. Edition (Stand: 01.03.2019), § 152 SGB IX, Rn. 3.
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
Wirkung für das Steuerrecht64 zu erfolgen hat. Dementsprechend ist die auf die Verordnungsermächtigung in § 33b Abs. 7 EStG gestützte Regelung über den Nachweis der Behinderung in § 65 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a) EStDV ausgestaltet, der durch einen Ausweis nach Sozialgesetzbuch (SGB) IX oder einen Bescheid bzw. eine Bescheinigung der nach § 152 Abs. 1 SGB IX zuständigen Behörde zu erbringen ist65. Weitere Beispiele bilden ein Verwaltungshandeln erfordernde Begriffe wie „Bescheinigungen“ in § 7i Abs. 2 EStG66, „bescheinigt“ in § 4 Nr. 20 Buchst. a) S. 2 und 3, Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG oder „genehmigt“ in § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) UStG, wenn dieses einer materiell-rechtlichen Rechtsgrundlage bedarf. Besonders weit gehen „inhaltsbezogene“ oder „stillschweigende“ Verweisungen über Verfahrensrecht, wenn wie in § 59 S. 2 SGB I für die Vermeidung des Erlöschens sozialrechtlicher „Ansprüche auf Geldleistungen“ im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten nicht ein abgeschlossenes Verwaltungshandeln, etwa ein Verwaltungsakt („festgestellt“)67, erforderlich ist, sondern es genügt, wenn lediglich „ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist“68. Dass hier das im jeweiligen Verfahren zu vollziehende materielle Sozialrecht maßgeblich sein muss, ist freilich auch deshalb zwingend, weil die Bezugsnorm als allgemeine Regelung im „Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) – Allgemeiner Teil“ enthalten ist und sie deshalb ohnehin nur ergänzend für Rechtsnormen aus den besonderen Bereichen des Sozialrechts gilt69. An dem verweisungsbegründenden Zusammenhang zwischen Verfahrens- und materiellem Recht ändert es nichts, wenn wie im Beispiel des § 2 Abs. 1 IHK-G als Ausgangsnorm in einem konkreten Fall die vorgesehene Verfahrenshandlung („Veranlagung zur Gewerbesteuer“) zur Anwendung des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) als Bezugsnorm aus gesetzessystematischen Gründen (s. § 3 Abs. 3 S. 3 IHK-G) nicht vorgenommen werden muss und eine „Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach“ genügt70. Gleichwohl kann die Entbehrlichkeit von Verfahrenshandlungen nicht pauschal auch in anderen Fällen angenommen werden, wenn dafür
64 So auch Mellinghoff, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG, 18. Aufl. 2019, § 33b, Rn. 5; SchülerTäsch, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Loseblatt, § 33b EStG, Anm. 35 (Lfg. 286; Stand: 06/2018), jeweils mit Hinweis auf die Begriffsbestimmungen in § 2 SGB IX. 65 So wohl auch Schüler-Täsch, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Loseblatt, § 33b EStG, Anm. 38 (Lfg. 286; Stand: 06/2018). 66 Für eine Übersicht über die Veröffentlichung der länderspezifischen Bescheinigungsrichtlinien s. BMF, Schreiben v. 21. 02. 2019, IV C 1 – S 2198 – a/18/10001, BStBl. I 2019, 211. 67 Vgl. Hänlein, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Hänlein (Hrsg.), Kommentar zum Sozialrecht, 5. Aufl. 2017, § 59 SGB I, Rn. 7. 68 Dazu s. Hänlein, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Hänlein (Hrsg.), Kommentar zum Sozialrecht, 5. Aufl. 2017, § 59 SGB I, Rn. 7. 69 Allgemein zu „inhaltsbezogenen oder stillschweigenden Verweisungen über materielles Recht“ s. II. 2. c). 70 S. II. 2. c).
2. Feststellung der Existenz von Verweisungen durch Auslegung
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sprechende Anhaltspunkte wie die Gesetzessystematik nicht durch Auslegung der Ausgangsnorm oder anderweitig ermittelt werden können71. Eine Verweisung auf materielles Recht kann auch bestehen, wenn eine gesetzliche Rechtsnorm nicht nur an ein bestimmtes Verwaltungshandeln, sondern ausdrücklich an Entscheidungen von Behörden und Gerichten anknüpft, die auf einer materiellrechtlichen Rechtsgrundlage ergehen müssen. So verweist die Formulierung „von einem Gericht oder einer Behörde im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder von Organen der Europäischen Union festgesetzte Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder“ in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 1 EStG, ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG, zumindest mittelbar auf das materielle Ordnungswidrigkeitenrecht als Rechtsgrundlage72. Ob die Bezugnahme auf verfahrensrechtliche Aktivitäten anderer Behörden oder Gerichte tatsächlich eine Verweisung darstellt, hängt jedoch maßgeblich vom Prüfungsmaßstab ab, den diese anzulegen haben. Würde etwa der Gesetzeszweck der vermeintlichen Ausgangsnorm durch die Annahme einer Verweisung vereitelt, hat die für die Anwendung der vermeintlichen Bezugsnorm zuständige Behörde, an deren Handeln die vermeintliche Ausgangsnorm anknüpft, nur diese und nicht (auch) die vermeintliche Bezugsnorm anzuwenden73. Die entsprechende Regelung ist damit keine Verweisung, sondern eine spezielle Zuständigkeitsbegründung. Die Mitwirkung anderer Behörden kann in solchen Fällen vor allem der Erleichterung bei der Prüfung bestimmter Rechtsfragen dienen74, etwa aufgrund größerer „Sachnähe“. Ein instruktives Beispiel hierfür findet sich außerhalb des „klassischen“ öffentlichen Rechts in § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 und § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG, die für den Prüfungsmaßstab für die Ausstellung der WEG-rechtlichen Abgeschlossenheitsbescheinigung auf § 3 Abs. 2 bzw. § 32 Abs. 1 WEG verweisen. Damit hat die insoweit „zuständige“ „Baubehörde“ nach Auffassung der Rechtsprechung nur nur die genannten Regelungen, nicht aber das Bauordnungsrecht zu prüfen75, für dessen Vollzug sie in erster Linie zuständig ist. Die Mitwirkung anderer 71
S. III. 2. c) bb) (3). Für den nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 4 EStG, ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG, als Betriebsausgabe abziehbaren Gewinnabschöpfungsteil wird jedoch nicht ausdrücklich auf die erlassende Behörde Bezug genommen mit der Folge, dass es zwar hinsichtlich des Umstands einer Geldbuße auf das Ordnungswidrigkeitenrecht und das Handeln der zuständigen Behörde bzw. Gerichte ankommt, nicht aber hinsichtlich der möglichen Aufteilung einer (einheitlichen) Geldbuße in Ahnungs- und Abschöpfungsanteile. Dazu s. Drüen, Ubg 2016, 505 (507); a.A. Krüger, DStR 2016, 895 (900). 73 Vgl. GmS-OGB, Beschl. v. 30. 06. 1992, GmS-OGB 1/9, BGHZ 119, 42 (44), BVerwGE 90, 382 (387), zur Frage der Maßgeblichkeit des Bauordnungsrechts bei der Prüfung von § 3 Abs. 2 S. 1 WEG durch die Bauordnungsbehörde im Hinblick auf die nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 WEG auszustellende Abgeschlossenheitsbescheinigung. 74 Vgl. GmS-OGB, Beschl. v. 30. 06. 1992, GmS-OGB 1/9, BGHZ 119, 42 (44), BVerwGE 90, 382 (387); zum Hintergrund s. sogleich. 75 Vgl. GmS-OGB, Beschl. v. 30. 06. 1992, GmS-OGB 1/9, BGHZ 119, 42 (44), BVerwGE 90, 382 (387); dazu die auf Art. 84 Abs. 2 GG gestützte und für „Baubehörden“ geltende Verwaltungsvorschrift des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen gemäß § 7 Abs. 4 72
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
Behörden ist in einem solchen Fall aber nicht immer zielführend, vor allem dann, wenn die Folgen – wie die der Abgeschlossenheitsbescheinigung im Sinne des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 und § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG mangels Verwaltungsaktqualität für das Grundbuchamt – nicht verbindlich sein sollen76. Ohne den Einzelheiten der erst später77 herausgearbeiteten Erkenntnisse zu Zuständigkeits- und sonstigen Verfahrensfragen vorzugreifen, ist freilich schon hier darauf hinzuweisen, dass im Falle der Anknüpfung in der Ausgangsnorm an den Vollzug der Bezugsnorm die materiell-rechtlichen Auswirkungen von Verweisungen, insbesondere die Bedeutung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm78, von den Wirkungen behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen überlagert werden können79.
3. Insbesondere Bedeutung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm a) Grundlagen der Bedeutung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm Unabhängig von solchen Überlagerungen durch Zuständigkeits- und sonstige Verfahrensregelungen80 ist bei der Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm vor allem fraglich, ob im Rahmen der telelogischen Auslegung81 das Regelungsziel bzw. der Gesetzeszweck der jeweils anderen Norm berücksichtigt werden muss. Die Problematik wird noch komplexer, wenn die Bezugsnorm geändert oder aufgehoben wird oder nicht mehr existiert. Dann kann sich bei Maßgeblichkeit der „alten“ Fassung (im Sinne einer „statischen“ Verweisung) gleichwohl die Frage stellen, ob die Bezugsnorm nach heutigem oder nach ursprünglichem Verständnis auszulegen
Nr. 2 und § 32 Abs. 2 Nr. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes vom 19. März 1974, BAnz. Nr. 58 vom 23. März 1974. 76 Vgl. BVerwG, Urt. v. 11. 12. 1987, 8 C 55/85, DNotZ 1988, 702 (702 ff.), Buchholz 454.11 WEG Nr 1, freilich noch mit dem Bauordnungsrecht als anzulegendem Prüfungsmaßstab; ebenso GmS-OGB, Beschl. v. 30. 06. 1992, GmS-OGB 1/9, BGHZ 119, 42 (44), BVerwGE 90, 382 (387), obgleich als Folge der Ablehnung einer Verweisung auf das Bauordnungsrecht und der Annahme der Maßgeblichkeit von § 3 Abs. 2 S. 1 WEG als Prüfungsmaßstab. 77 S. III. 78 S. II. 3. 79 S. III. 1. 80 S. II. 2. d) und III. 1. 81 Zur telelogischen Auslegung und zur Bedeutung des Gesetzeszwecks s. Drüen, in: Tipke/ Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 275, m.w.N. (Lfg. 127; Stand: 10/2011); Larenz/ Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 153 ff.
3. Insbesondere Bedeutung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm
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ist. Dies gilt etwa für die in Art. 140 GG in Bezug genommenen Regelungen der Weimarer Reichsverfassung82. Jedenfalls sind die Regelungsziele und Gesetzeszwecke im gewaltengeteilten Staat zur Beachtung der Regelungskompetenz des Gesetzgebers und seiner Ziel- und Zweckmäßigkeitsentscheidungen von besonderer Bedeutung bei der Auslegung und behördlichen Anwendung von Rechtsnormen sowie deren gerichtlicher Überprüfung83. Die Bestimmung der relevanten Regelungsziele scheint bei Verweisungen besondere Schwierigkeiten zu bereiten, denn neben dem konkreten Regelungsziel von Ausgangs- und Bezugsnorm kommt auch ein abstraktes bzw. übergeordnetes Regelungsziel des Gesetzes im weiten Sinne oder des Rechtsbereichs in Betracht, in dem diese enthalten sind. Ein solches ist etwa die Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflichtigen zur Erzielung von Steuereinnahmen durch den Staat als Regelungsziel des Einkommensteuergesetzes (EStG) bzw. des Körperschaftsteuergesetzes (KStG)84. Abstraktes und konkretes Regelungsziel sind bei der Auslegung einer bestimmten Rechtsnorm außerhalb von Verweisungen häufig im Einklang, weil sie häufig nur unterschiedlich abstrakt formuliert sind. Dies trifft etwa auf die Missbrauchsverhinderung in bestimmten Konstellationen durch Regelungen wie im Bereich des Steuerrechts in § 42 AO und weiteren speziellen Missbrauchsverhinderungsregelungen zu, die entsprechend der abstrakten Zielsetzung des Einkommenund Körperschaftsteuerrechts bei in solchen Regelungen umschriebenem missbräuchlichem Verhalten die Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ermöglichen und Steuermindereinnahmen verhindern sollen. Dagegen können im Falle von Verweisungen die Regelungsziele von Ausgangs- und Bezugsnorm voneinander abweichen. Für konkrete Regelungsziele der beteiligten Rechtsnormen liegt dies ohnehin nahe. Aber auch bei abstrakten Regelungszielen ist dies möglich, wenn Ausgangs- und Bezugsnorm wie bei Außenverweisungen85 verschiedenen Gesetzen im weiten Sinne zugeordnet sind, und sogar wahrscheinlich, wenn diese aus verschiedenen Rechtsbereichen stammen. Bei Binnenverweisungen86 werden allenfalls die konkreten Regelungsziele voneinander abweichen, während das abstrakte Regelungsziel des Gesetzes im weiten Sinne einheitlich ist.
82
Vgl. Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 2. Aufl. 1968, S. 174; ferner Krüger, DÖV 1961, 721 (727), zum Verständnis der in Art. 140 GG in Bezug genommenen Regelungen der Weimarer Reichsverfassung. 83 Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 10. Aufl. 2018, Rn. 717 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 40 f. 84 Zur Bedeutung der „Leistungsfähigkeit“ für die Rechtfertigung der Einkommensteuer und zur wichtigen Funktion des Leistungsfähigkeitsprinzips als Belastungsverteilungsmaßstab s. II. 2. c) und II. 3. d). 85 S. I. 86 S. I.
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
b) „Gleichlauf“ von Regelungszielen Die Problematik der Auswahl des maßgeblichen abstrakten und konkreten Regelungsziels bei Verweisungen wird nicht relativiert, wenn Ausgangs- und Bezugsnorm zwar an dieselben tatsächlichen Umstände anknüpfen und diese regeln, dabei aber tatsächlich andere Regelungsziele verfolgen, so dass allenfalls ein zumindest „scheinbarer“ oder bis zu einem bestimmten Grad „faktischer“ „Gleichlauf“ der Regelungsziele besteht. Dies wird beispielsweise deutlich bei der vor allem aus Praktikabilitätsgründen87 vorgesehenen Verweisung in § 140 AO, § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1 S. 1 EStG, ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG, auf die trotz Verortung im Handelsgesetzbuch (HGB) wohl öffentlich-rechtliche88 Regelung in § 238 Abs. 1 S. 1 HGB89. Nach dieser ist der Kaufmann verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) ersichtlich zu machen. Aufgrund der Verweisung gelten für die Ermittlung des steuerrechtlich relevanten Gewinns als Indikator für den Zuwachs an die eine Besteuerung rechtfertigende Leistungsfähigkeit90 im Wesentlichen dieselben handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften (sog. Grundsatz der materiellen Maßgeblichkeit91) wie für die Ermittlung des handelsrechtlich relevanten Ergebnisses, die in ihrem eigenen Anwendungsbereich neben der Informations- und Gläubigerschutz- insbesondere auch eine Ausschüttungsbemessungsfunktion haben92. Die unterschiedlichen Zielsetzungen erfordern jedoch eine Anpassung der Vorschriften für die steuerrechtliche Gewinnermittlung im Bereich der Bilanzierung93 (z. B. durch die Regelungen in § 4 Abs. 1 S. 8, § 5 Abs. 1a, 2, 2a, 3, 4, 4a, 4b, 5, 6 EStG94). Auch bei nicht betrieblich, sondern durch das 87
Vgl. BVerfG, Urt. v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (123 f.); ferner BFH, Urt. v. 14. 11. 2018, I R 81/16, NJW 2019, 1479 (1480), Rn. 17. 88 Vgl. Böcking/Gros, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), HGB, 3. Aufl. 2014, § 238, Rn. 1; Drüen, in: Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen (Hrsg.), Rechnungslegungsrecht, 2018, § 238, Rn. 2; a.A. Merkt, in: Baumbach/Hopt (Hrsg.), HGB, 38. Aufl. 2018, § 238, Rn. 4. 89 S. II. 2. b). 90 Zur Bedeutung der „Leistungsfähigkeit“ für die Rechtfertigung der Einkommensteuer und zur wichtigen Funktion des Leistungsfähigkeitsprinzips als Belastungsverteilungsmaßstab s. II. 2. c) und II. 3. d). 91 Vgl. Anzinger, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Loseblatt, § 5 EStG, Anm. 1 (Lfg. 285; Stand: 04/2018); Crezelius, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG, 18. Aufl. 2019, § 5, Rn. 1; Morck/Drüen, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen (Hrsg.), HGB, 9. Aufl. 2019, Einleitung vor § 238, Rn. 5. 92 Zu den Funktionen der Rechnungslegung s. II. 2. c). 93 Vgl. BVerfG, Urt. v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (123 f.); Anzinger, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Loseblatt, § 5 EStG, Anm. 35 (Lfg. 285; Stand: 04/ 2018), der in der „dynamischen Verweisung“ auf die handelsrechtlichen GoB gleichwohl einen Vorteil sieht, wonach diese „prinzipienorientiert und offen für vom Gesetzgeber nicht vorhergesehene Entwicklungen in der Lebenswirklichkeit“ ist. 94 Zur Eigenschaft dieser Vorschriften als abweichende Regelung vom Grundsatz der materiellen Maßgeblichkeit s. Anzinger, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Loseblatt,
3. Insbesondere Bedeutung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm
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Gesellschaftsverhältnis veranlassten verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA; § 8 Abs. 3 S. 2 KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG)95 wird ein Anpassungsbedarf erkennbar. Diese reduzieren zwar den ausschüttbaren Gewinn, jedoch nicht die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Folge der steuerbaren Tätigkeit, so dass sie für steuerrechtliche Zwecke dem Gewinn außerbilanziell zugerechnet werden müssen96. Dagegen verlangen neben der Ausschüttungsbemessungsfunktion auch die Informations- und Gläubigerschutzfunktion der handelsrechtlichen Rechnungslegung, dass es für handelsrechtliche Zwecke bei der Vermögensminderung bleibt, denn durch sie wird insbesondere auch die Haftungsmasse für Gläubiger gemindert. Rechtsbereichsspezifische Besonderheiten hinsichtlich des Regelungsziels (insbesondere das parteienrechtliche Transparenzgebot)97 müssen auch im Rahmen der Erstellung des Rechenschaftsberichts politischer Parteien berücksichtigt werden, wenn dabei aufgrund der Verweisungen in § 24 Abs. 1 S. 2 PartG die „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung“ und in § 24 Abs. 2 S. 1 PartG „die für alle Kaufleute geltenden handelsrechtlichen Vorschriften über die Rechnungslegung“ angewendet werden. Deshalb steht die Verweisung in § 24 Abs. 2 S. 1 PartG auch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt spezieller Regelungen des Parteiengesetzes (z. B. in § 24 Abs. 4 bis 9 PartG). Ungeachtet spezieller Regelungen wie in den Beispielen diejenigen für die Ermittlung des steuerrechtlich relevanten Gewinns bzw. für die Erstellung des parteienrechtlichen Rechenschaftsberichts sind die jeweiligen Regelungsziele – freilich innerhalb der Grenzen der Auslegung in bestimmten Bereichen98 – auch im Rahmen der telelogischen Auslegung der „normalen“ Regelungen maßgeblich. Dass ein Gleichlauf von Regelungszielen nur „scheinbar“ oder „faktisch“ sein kann, zeigt sich eindrucksvoll, wenn der Gesetzgeber unter Beibehaltung des abstrakten Regelungsziels die an einer Verweisung beteiligten Rechtsnormen später so verändert, dass ein „Gleichlauf“ der Regelungsziele eindeutig erkennbar nicht besteht und ursprünglich eben nur „scheinbar“ oder „faktisch“ bestand. Dies lässt sich anhand der rechtlichen Behandlung von Investmentfonds im Aufsichts- und im zwischenzeitlich weitreichend geänderten Steuerrecht veranschaulichen. Die Einschaltung von Kapitalanlagegesellschaften für eine risikodiversifizierte Kapitalanlage in Investmentfonds unter Nutzung von Skaleneffekten99 erfordert den Schutz der § 5 EStG, Anm. 1 (Lfg. 285; Stand: 04/2018); Crezelius, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG, 18. Aufl. 2019, § 5, Rn. 1. 95 Zu den Voraussetzungen einer vGA im Einzelnen s. R 8.5 Abs. 1 S. 1 KStR. 96 Vgl. Neumann, in: Rödder/Herlinghaus/Neumann (Hrsg.), KStG, 2015, § 8, Rn. 131; Roser, in: Gosch (Hrsg.), KStG, 3. Aufl. 2015, § 8, Rn. 28. 97 Zu den Funktionen der Rechnungslegung s. II. 2. c). 98 Z. B. zur Grenze des „Wortlauts“ bzw. „Wortsinns“ insbesondere bei der Auslegung des Steuerrechts s. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 340 ff. (Lfg. 127; Stand: 10/2011). 99 Vgl. Dürrschmidt, in: Haslehner (Hrsg.), Investment Fund Taxation, 2018, S. 197 (198); Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl.
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
Anleger, weil diese rechtlich nicht selbst in die Anlagen investieren und deshalb häufig weder Einfluss auf Investitionsentscheidungen noch detaillierte Informationen über die Anlageobjekte haben100. Dieser soll durch das aufsichtsrechtliche Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) sichergestellt werden101. Im altem Investmentsteuergesetz (InvStG), dessen persönlicher Anwendungsbereich durch Verweisungen in § 1 InvStG a.F. auf das aufsichtsrechtliche Investmentgesetz (InvG) bzw. KAGB abgegrenzt wurde, wurden Anleger aufgrund des durch eine Vielzahl konkreter Regelungen punktuell verwirklichten „Transparenzprinzips“102 bzw. „Neutralitätsprinzips“103 mit Blick auf die Steuerbelastung ertragsteuerrechtlich weitgehend wie Direktanleger behandelt104, indem der Investmentfonds als Sondervermögen nach § 11 Abs. 1 S. 2 InvStG a.F. von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit war und die Erträge des Investmentfonds – ggf. auch im Falle einer Thesaurierung als ausschüttungsgleiche Erträge im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 3 InvStG a.F. – den Anlegern zugerechnet wurden (§ 2 Abs. 1 S. 1 InvStG a.F.), bei denen sie nach Maßgabe des Leistungsfähigkeitsprinzips der Besteuerung unterlagen. Am Leistungsfähigkeitsprinzip als Vorgabe für die Ausgestaltung der Besteuerung auf Ebene der Anleger105 hat sich durch das reformierte InvStG, dessen persönlicher Anwendungsbereich weiterhin durch Verweisungen auf das aufsichtsrechtliche KAGB bestimmt wird (§ 1 Abs. 2 S. 1 und S. 2 Nr. 1 und Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1 und 2 InvStG n.F.), grundsätzlich nichts geändert106, auch wenn Investmentfonds und ihre Anleger nicht mehr transparent107, sondern bestimmte inländische, in § 6 Abs. 2 S. 1 2017, § 113, Rn. 1 f., 5 f.; Riasetto, in: Haslehner (Hrsg.), Investment Fund Taxation, 2018, S. 9 (11); ferner OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital (Full Version), 2019, Commentary on Article 1, Rn. 22, 37. 100 Vgl. Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 113, Rn. 1, 3 f.; Riasetto, in: Haslehner (Hrsg.), Investment Fund Taxation, 2018, S. 9 (11); Zetzsche, in: Haslehner (Hrsg.), Investment Fund Taxation, 2018, S. 181 (185, 189); ferner OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital (Full Version), 2019, Commentary on Article 1, Rn. 37; Dürrschmidt, in: Haslehner (Hrsg.), Investment Fund Taxation, 2018, S. 197 (214). 101 Vgl. Assmann, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 1, Rn. 3; Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 113, Rn. 31; Mann, in: Weitnauer/Boxberger/Anders (Hrsg.), KAGB, 2. Aufl. 2017, § 1 InvStG, Rn. 4; Weitnauer/Boxberger/Anders, in: Weitnauer/ Boxberger/Anders (Hrsg.), KAGB, 2. Aufl. 2017, Einleitung, Rn. 1. 102 Dazu s. Englisch, in: Berger/Steck/Lübbehüsen (Hrsg.), InvG/InvStG, 2010, § 11, Rn. 20; Haase, Intertax 2011, S. 337 (338). 103 Dazu s. OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital (Full Version), 2019, Commentary on Article 1, Rn. 22, 25. 104 Vgl. Dürrschmidt, in: Haslehner (Hrsg.), Investment Fund Taxation, 2018, S. 197 (208). 105 Zur Maßgeblichkeit des Prinzips der Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit für die Besteuerung der Anleger s. BFH, Urt. v. 18. 11. 2008, VIII R 2/ 06, BFH/NV 2009, 731 (735), noch zum InvStG a.F. 106 Ferner dazu s. II. 3. d). 107 Vgl. Anzinger, in: Haslehner (Hrsg.), Investment Fund Taxation, 2018, S. 83 (96).
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InvStG n.F. abschließend108 spezifizierte Einkünfte bereits auf Fondsebene besteuert werden109. Die erfolgte Abkehr von der Gleichbehandlung von Fonds- und Direktanleger als einem Regelungsziel des alten Investmentsteuerrechts begegnet mit Blick auf die auch ansonsten im deutschen Steuerrecht verwirklichte intransparente Besteuerung von Körperschaftsteuersubjekten nach dem Trennungsprinzip110 keinen grundsätzlichen Bedenken. Das „Transparenzprinzip“ bzw. „Neutralitätsprinzip“ im alten Investmentsteuerrecht war Ausdruck der Maßgeblichkeit des einzelnen Anlegers für steuerrechtliche Zwecke und möglicherweise Ansatzpunkt für die Annahme gleichlaufender Zielsetzungen von Steuerrecht und Aufsichtsrecht, denn dieses soll die Anleger gerade vor den Besonderheiten der kollektiven Kapitalanlage gegenüber einer Direktanlage schützen111. Mit Wegfall des „Transparenzprinzips“ bzw. „Neutralitätsprinzips“ im neuen Investmentsteuerrecht ist der Gleichlauf nicht mehr derart offensichtlich, denn Anleger haben neben Ausschüttungen (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG n.F.) zunächst eine „Vorabpauschale“ im Sinne des § 18 Abs. 1 InvStG n.F. als Investmentertrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 InvStG n.F.) zu versteuern, die den Zuwachs an Leistungsfähigkeit des Anlegers hinsichtlich laufender Erträge wohl nicht gleichermaßen genau misst wie es nach altem Recht möglich war. In der Folge steht jetzt die Gleichstellung mit Direktanlegern nicht mehr so im Fokus der Regelungsziele des Investmentsteuerrechts wie es früher der Fall war. Ein ähnlicher, ebenfalls nur „scheinbarer“ bzw. „faktischer“ Gleichlauf dürfte bei den Verweisungen in § 4 Nr. 8 Buchst. h) UStG auf das KAGB gegeben sein, wonach die Verwaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren im Sinne des § 1 Abs. 2 KAGB und die Verwaltung von mit diesen vergleichbaren alternativen Investmentfonds im Sinne des § 1 Abs. 3 KAGB umsatzsteuerfrei sind, denn im Falle einer Direktanlage würde keine Umsatzsteuer aufgrund von Verwaltungsaktivitäten „zwischengeschalteter“ Investmentvehikel entstehen112. Abgesehen von unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 135 Abs. 1 Buchst. d) MwStSystRL wäre eine solche 108 Vgl. BMF, Schreiben v. 21. 05. 2019, IV C 1 – S 1980 – 1/16/10010:001, BStBl. I 2019, 527, Rn. 6.4; Anzinger, in: Haslehner (Hrsg.), Investment Fund Taxation, 2018, S. 83 (97); Haug, Ubg 2017, 303 (303). 109 Die Regelungen über die intransparte Besteuerung von Investmentfonds und ihren Anlegern gelten grundsätzlich auch für sog. Spezial-Investmentfonds im Sinne des § 26 InvStG n.F. (§ 29 Abs. 1 InvStG n.F.). Jedoch können diese unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Besteuerung nach dem „Transparenzprinzip“ optieren (sog. Transparenzoption; § 30 Abs. 1 S. 1 InvStG n.F.). Vgl. Anzinger, in: Haslehner (Hrsg.), Investment Fund Taxation, 2018, S. 83 (105 f.). Zu geplanten Änderungen von § 6 Abs. 1 und 2 InvStG n.F. s. BMF, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften [untechnisch: „Jahressteuergesetz 2019“], Referentenentwurf v. 08.05.2019, S. 37 f., 176, die hinsichtlich der hier interessierenden Fragestellungen jedoch keine Änderungen bringen soll(t)en. 110 Dazu s. § 1 Abs. 1, § 2 KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG; ferner Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 11, Rn. 1. 111 S. oben im Text. 112 Vgl. Heidner, in: Bunjes, UStG, 17. Aufl. 2018, § 4, Rn. 58, m.w.N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH).
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
Handhabung nach seiner Konzeption für den Bereich des Umsatzsteuerrechts allerdings nicht zwingend. Anders als im Bereich des Ertragsteuerrechts besteht der „Gleichlauf“ im Umsatzsteuerrecht aber als „scheinbarer“ oder „faktischer“ fort. Für andere Bereiche des Aufsichtsrechts wird häufig selbst ein solcher „Gleichlauf“ mit – vor allem übergeordneten – Zielsetzungen des Steuerrechts wie der Einnahmenerzielung unter Beachtung des Leistungsfähigkeitsprinzips113 nicht gegeben sein, wenn etwa das Bankenaufsichtsrecht, insbesondere das Kreditwesensgesetz (KWG), „die Funktionsfähigkeit des Bankensystems im Interesse der Gesamtwirtschaft […] gewährleisten“114 soll und seine Rechtsnormen Bezugsnormen steuerrechtlicher Ausgangsnormen, beispielseweise § 8 Abs. 7 S. 1 und 2 KStG, sind.
c) Gründe für die Berücksichtigung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm Für die Berücksichtigung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm bei Auslegung der jeweils anderen Regelung scheinen gute Gründe zu sprechen. Zuvörderst könnte hier möglicherweise das (verfassungsrechtliche) Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung genannt werden115. Nach umstrittener116 Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)117 verpflichte das Rechtsstaatsprinzip alle rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, die von ihnen geschaffenen Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen118. Das so verstandene 113
S. oben im Text und II. 3. a). Vgl. Kaufhold, in: Augsberg (Hrsg.), Extrajuridisches Wissen im Verwaltungsrecht. Analysen und Perspektiven, 2013, S. 151 (156 ff.), mit dem Hinweis, dass der Schutz von „Bankkunden, Versicherten und Anlegern“ […] letztlich im Dienst der Systemstabiltät“ steht und diese deshalb keine Ansprüche auf „Aufsichtsversagen“ stützen können. 115 Bereits im Gesetzgebungsverfahren soll geprüft werden, ob sich „Regelungen widerspruchslos in die bestehende Rechtsordnung einfügen“ (ohne Hervorhebung im Original). Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 9. 116 Kritisch insbesondere Bothe, NJW 1998, 2333 (2333 ff.); Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429 (429 ff.); Jarass, AöR 126 (2001), 588 (588 ff.); Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1 (1 ff.); Rodi, StuW 1999, 105 (105 ff.); Sendler, NJW 1998, 2875 (2875 ff.); zustimmend Weidemann, DVBl. 1999, 73 (73 ff.). 117 Vgl. BVerfG, Urt. v. 07. 05. 1998, 2 BvR 1991/95, 2 BvR 2004/95, BVerfGE 98, 106 (118 ff.); Urt. v. 07. 05. 1998, 2 BvR 1876/91, 2 BvR 1083/92, 2 BvR 2188/92, 2 BvR 2200/92, 2 BvR 2624/94, BVerfGE 98, 83 (97 f.); Urt. v. 27. 10. 1998, 1 BvR 2306, 2314/96, 1108, 1109, 1110/97, BVerfGE 98, 265 (301 f.). 118 Die Anforderungen an einen Verstoß gegen dieses Gebot sind hoch. So dürfte beispielsweise eine „Bettensteuer“, die für Übernachtungen in Hotels und vergleichbaren Beherbergungsbetrieben als kommunale örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a S. 1 GG erhoben wird, mangels sich konfligierender Sach- und Lenkungszwecke, sondern allenfalls unterschiedlicher politischer Motive nicht im Widerspruch zum nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 1 UStG anwendbaren ermäßigten Umsatzsteuersatz für kurzfristige 114
3. Insbesondere Bedeutung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm
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verfassungsrechtliche Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung betrifft jedoch nicht durch eine Verweisung verbundene Regelungen. Auch wenn Verweisungen an dieselben tatsächlichen Umstände anknüpfen, gelten Ausgangs- und Bezugsnorm unter wertender Einbeziehung der Regelungsziele regelmäßig, also im Rahmen ihres eigenen Anwendungsbereichs, für andere Sachverhalte, so dass sich die den Normadressaten erreichenden Rechtsfolgen nicht widersprechen können, insbesondere, wenn sie bei Außenverweisungen aus verschiedenen Gesetzen im weiten Sinne oder sogar unterschiedlichen Rechtsbereichen stammen. Damit ist auch die Verfassungswidrigkeit als an sich maßgeblicher Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung nicht passend. Widersprüchlich oder zumindest unterschiedlich kann vor allem das Verständnis von Tatbestandsmerkmalen sein, wenn diejenigen der Bezugsnorm im Rahmen der Anwendung der Ausgangsnorm anders ausgelegt werden als im Rahmen der Anwendung der Bezugsnorm in ihrem eigenen Anwendungsbereich. Zwar würde im Falle einer Verweisung dasselbe Verständnis in beiden Konstellationen die Rechtsanwendung erleichtern, jedoch ist dies unter dem Gesichtspunkt der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung nicht zwingend geboten, denn aufgrund der Verweisung bekommt die Bezugsnorm lediglich einen „weiteren Anwendungsbereich“119. Dies entspricht der Auffassung des BVerfG, wonach „der in Bezug genommene Normtext […] in die Verweisungsnorm inkorporiert [wird], so dass letztere autonom und unabhängig von der Bezugsnorm die Rechtsfolge bestimmt“120. Im Wesentlichen ähnliche Überlegungen gelten für die Idee der Einheit der Rechtsordnung, die abgeleitet aus der Vorstellung „des gedanklichen Zusammenhang[s]“ aller Rechtnormen121 letztlich Grundlage für die systematische Auslegung von Rechtsnormen ist122. Mit den an einer Verweisung beteiligten Rechtsnormen können grundsätzlich unterschiedliche Regelungsziele verfolgt werden, so dass eine Berücksichtigung des Regelungsziels der jeweils anderen Rechtsnorm bei Auslegung und Anwendung nicht zwingend erforderlich ist. Etwas Anderes kann im Beherbergungsleistungen stehen. Vgl. BVerwG, Urt. v. 11. 07. 2012, 9 CN 1/11, BVerwGE 143, 301 (312); Dürrschmidt, KStZ 2013, 1 (1 ff.). Zu Bettensteuern allgemein und zu speziellen Aspekten s. Heine, KStZ 2012, 125 (129); Meier, ZKF 2010, 265 (265 ff.); Mikisch, ZKF 2010, 169 (169 ff.); Patt, SächsVBl. 2012, 25 (25 ff.); Rosenzweig, NST-N 2010, 72 (72 ff.); Rutemöller, DStZ 2011, 246 (246 ff.); Tolkmitt/Berlit, LKV 2010, 385 (385 ff.); Wegner, BayVBl. 2011, 261 (261 ff.). 119 S. I., auch zu weiteren Umschreibungen dieses Umstands. 120 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 03. 05. 2018, 2 BvR 463/17, NJW 2018, 3091 (3092), Rn. 24, zu § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG. 121 Vgl. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 10. Aufl. 2005, S. 92 ff.; Rüthers/ Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 10. Aufl. 2018, Rn. 145 ff., 276 ff., 774 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 36; speziell zur „Einheit der Verfassung“ s. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 71. 122 Vgl. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1987, S. 26 ff., 67 ff.; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 10. Aufl. 2018, Rn. 744 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 36, 40, 42 ff.
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
Hinblick auf die Idee der Einheit der Rechtsordnung nur bei Wertungswidersprüchen gelten, wenn dadurch das Regelungsziel einer Rechtsnorm konterkariert wird123. In einem solchen Fall wäre eine wechselseitige Berücksichtigung der Regelungsziele geboten.
d) Maßgeblichkeit des Regelungsziels der Ausgangsnorm im Rahmen ihrer Anwendung Vor dem Hintergrund der begrenzten Bedeutung des Gebots der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und der Idee der Einheit der Rechtsordnung124 kann und muss bei Verweisungen für die Auslegung der Ausgangsnorm das Regelungsziel der Bezugsnorm grundsätzlich unerheblich125 sein126. Die Erreichung des vom Gesetzgeber mit der Ausgangsnorm verfolgten Regelungsziels darf nicht einer erleichterten Rechtsanwendung durch Verzicht auf Anpassung der Auslegung der Bezugsnorm im Rahmen der Anwendung der Ausgangsnorm „geopfert“ werden. Das Ergebnis der telelogischen Auslegung einer Rechtsnorm kann somit von der Existenz einer Verweisung abhängen. Ist diese Bezugsnorm, muss ihr Regelungsziel im Rahmen der Auslegung der Ausgangsnorm grundsätzlich zurücktreten und stattdessen allein das Regelungsziel der Ausgangsnorm maßgeblich sein. Die grundsätzliche Maßgeblichkeit des Regelungsziels der Ausgangsnorm ist insbesondere in Fällen zwingend, in denen die Verweisung auf die Bezugsnorm lediglich der gesetzestechnischen Vereinfachung durch Verzicht auf Wiederholung des Texts der Bezugsnorm dient127, etwa zur Regelung des persönlichen und/oder sachlichen Anwendungsbereichs der Ausgangsnorm. Hier kommt es dem Gesetzgeber für die Auslegung und Anwendung der Ausgangsnorm regelmäßig nicht auf das Regelungsziel der Bezugsnorm an. Ein „scheinbarer“ bzw. „faktischer“ „Gleichlauf“128 von Regelungszielen ändert nichts an der Maßgeblichkeit des Regelungsziels der Ausgangsnorm im Rahmen ihrer Anwendung. Für die aus Vereinfachungsgründen129 vorgesehene Verweisung des Steuerrechts in § 140 AO, § 4 Abs. 1 S 1, § 5 Abs. 1 S. 1 EStG und des Parteienrechts in § 24 123
Dazu s. II. 3. d). S. II. 3. c). 125 Möglicherweise a.A. W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, Neudruck 1968, S. 171 („nicht […] auslegen nach dem Geist des verweisenden Gesetzes“; ohne Hervorhebung im Original). 126 Dementsprechend soll bei Verweisungen zur Vermeidung „unsachgemäße[r] Gleichsetzungen“ auch ohne ausdrückliche Anordnung in der Ausgangsnorm im Rahmen ihrer Anwendung immer nur eine „entsprechende“ Anwendung der Bezugsnorm möglich sein. Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 82. 127 S. I. 128 S. II. 3. b). 129 S. II. 3. b). 124
3. Insbesondere Bedeutung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm
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Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 PartG auf die handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften (§ 238 Abs. 1 S. 1 HGB)130 bedeutet dies, dass trotz Maßgeblichkeit handelsrechtlicher Rechnungslegungsvorschriften die steuerrechtlichen bzw. parteienrechtlichen Regelungsziele entscheidend sind. Dementsprechend sind auch investmentsteuerrechtliche Regelungen trotz der Verweisung in § 1 Abs. 2 S. 1 und S. 2 Nr. 1 und Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1 und 2 InvStG n.F. auf das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des Investmentsteuergesetzes (InvStG) so auszulegen, dass sie nicht mit steuerrechtlichen Grundsätzen in Konflikt geraten131, insbesondere der Einnahmeerzielung durch den Staat132 unter Beachtung des auch im Investmentsteuerrecht grundsätzlich maßgeblichen133 Prinzips der Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit134. Solange dies nicht zu besorgen ist, ist freilich die zu beobachtende Praxis135 nicht zu beanstanden, wonach das Bundesfinanzministerium (BMF) die für die Auslegung des Steuerrechts relevanten aufsichtsrechtlichen Regelungen so wie die für die Anwendung des Aufsichtsrechts zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) versteht, die aufsichtsrechtliche Begriffe im Hinblick auf den von ihr vorzunehmenden Vollzug des Aufsichtsrechts nach aufsichtsrechtlichen Grundsätzen auslegt, auch wenn dieses Bezugsnormen des Steuerrechts enthält136. 130
S. II. 2. b) und II. 3. b). Vgl. Mann, in: Weitnauer/Boxberger/Anders (Hrsg.), KAGB, 2. Aufl. 2017, § 1 InvStG, Rn. 4 („unter Zielrichtung des Steuerrechts“); gegen eine rein aufsichtsrechtliche Auslegung auch Hagen/Groseta/Schilling/Jenett, in: Baur/Tappen (Hrsg.), Investmentgesetze, 3. Aufl. 2015, § 1 Abs. 1 – 2a InvStG, Rn. 16, 177; Patzner/Döser, in: Patzner/Kempf (Hrsg.), NomosKommentar, InvStG, 3. Aufl. 2015, InvStG § 1, Rn. 30, zu § 1 InvStG a.F.; a.A. Bindl/ Mager, BB 2016, 2711 (2711, Fn. 8), die sich für eine „Auslegung, die […] allein nach aufsichtsrechtlichen Maßstäben zu erfolgen hat“, aussprechen und „eine eigenständige investmentsteuerrechtliche Auslegung des Begriffs des Investmentvermögens nach § 1 Abs. 1 KAGB für Zwecke des InvStG n. F. [für] nicht zulässig“ halten, so dass sie „eine eigenständige Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Begriffs des Investmentvermögens unter Zugrundelegung eines steuerrechtlichen Telos in Abweichung vom aufsichtsrechtlichen Telos (insb. Anlegerschutz)“ (ohne Hervorhebung im Original) ablehnen; ähnlich Haug, Ubg 2017, 303 (304), zu Spezial-Investmentfonds; Wenzel, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, Loseblatt, § 1 InvStG, Rn. 12 (EL 136; Stand: 04/2017), der eine Abweichung bei missbräuchlichen Gestaltungen für möglich hält; ferner Bödecker, in: Bödecker/Ernst/Hartmann (Hrsg.), BeckOK InvStG 2018, 2. Edition (Stand: 15.03.2019), § 1, Rn. 26, der sogar die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsverhinderungsvorschrift aus § 42 AO generell ausschließen will. 132 Vgl. Mann, in: Weitnauer/Boxberger/Anders (Hrsg.), KAGB, 2. Aufl. 2017, § 1 InvStG, Rn. 4. 133 S. II. 3. b). 134 Wohl a.A. Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2711, Fn. 8). 135 S. BMF, Schreiben v. 21. 05. 2019, IV C 1 – S 1980 – 1/16/10010:001, BStBl. I 2019, 527, Rn. 1.2 S. 3, Rn. 2.29 S. 2; ferner BMF, Schreiben v. 18. 08. 2009, IV C1 – S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2005, 728, Rn. 5 S. 2, Rn. 6 S. 1 und 2, Rn. 7 S. 1 und 2, Rn. 8 S. 1, 2 und 3, Rn. 296 S. 1 und Rn. 297, zum InvStG a.F. 136 So auch Bödecker, in: Bödecker/Ernst/Hartmann (Hrsg.), BeckOK InvStG 2018, 2. Edition (Stand: 15.03.2019), § 1, Rn. 27, wenn auch ohne Einschränkung auf Fälle, in denen steuerrechtliche Regelungsziele nicht erreicht werden. 131
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
Eine solche Vorgehensweise ist pragmatisch und ermöglicht insbesondere, dass die vom Gesetzgeber mit bestimmten Verweisungen beabsichtige Vereinfachungswirkung auch im Gesetzesvollzug wirksam werden kann. Umgekehrt bleibt für den eigenen Anwendungsbereich der Bezugsnorm ihr Regelungsziel maßgeblich. So sind beispielsweise trotz der Verweisung vom Steuerrecht (als insoweit „Fremdrecht“137) in § 140 AO, § 4 Abs. 1 S 1, § 5 Abs. 1 S. 1 EStG auf die handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften diese in ihrem eigenen Anwendungsbereich allein nach handelsrechtlichen Grundsätzen auszulegen. Das Regelungsziel der steuerrechtlichen Ausgangsnorm wirkt sich hierbei nicht aus. Dasselbe gilt entsprechend bei Verweisungen im Parteienrecht wie in § 24 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 PartG auf das Handelsrecht. Hinsichtlich der Maßgeblichkeit des Regelungsziels der Ausgangsnorm könnte etwas Anderes gelten, wenn eine Verweisung Folge einer „Systembildung“138 ist, wie häufig bei Binnenverweisungen oder bei Außenverweisungen mit Ausgangs- und Bezugsnormen aus verschiedenen Gesetzen im weiten Sinne, die aber demselben Rechtsbereich zuzuordnen sind. In diesem Fall scheint bei Auslegung der Ausgangsnorm ausnahmsweise die Beachtung des Regelungsziels der Bezugsnorm zwingend zu sein, um das „System“ zu wahren. Allerdings dürfte die Annahme einer solchen Ausnahme nicht erforderlich sein, weil zumindest die abstrakten bzw. übergeordneten Regelungsziele identisch sein und nicht lediglich „scheinbar“ oder „faktisch“ gleichlaufen werden. Nur in diesem Fall kann nämlich von einem „System“ gesprochen werden. Unterschiede bei den konkreten Regelungszielen der beteiligten Rechtsnormen sind insoweit regelmäßig unproblematisch. Die grundsätzliche Vorrangigkeit des Regelungsziels der Ausgangsnorm bedeutet allerdings nicht, dass das Regelungsziel der Bezugsnorm bei Auslegung der Ausgangsnorm völlig unbeachtlich ist oder nur aus Praktikabilitätsgründen einbezogen werden kann. Führt die Auslegung der Ausgangsnorm ohne Berücksichtigung des Regelungsziels der Bezugsnorm zu Wertungswidersprüchen, indem dadurch die für ihren eigenen Anwendungsbereich intendierten Rechtsfolgen der Bezugsnorm konterkariert werden139, wird dies regelmäßig nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, jedenfalls, wenn es sich bei Ausgangs- und Bezugsnorm um Rechtsnormen desselben Rechtsträgers handelt. Die durch eine Verweisung verknüpften Regelungen sind deshalb so auszulegen, dass Wertungswidersprüche vermieden werden. Abgesehen davon, dass es sich dabei womöglich um eine eher theoretische Problematik handelt, wenn die Rechtsnormen aus verschiedenen Gesetzen im weiten Sinne stammen und diese verschiedenen Rechtsbereichen zuzuordnen sind, ist sie häufig kein Fall des verfassungsrechtlichen Gebots der Widerspruchsfreiheit der
137 S. Drüen, in: Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen (Hrsg.), Rechnungslegungsrecht, 2018, § 238, Rn. 2. 138 S. I. 139 S. II. 3. c).
3. Insbesondere Bedeutung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm
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Rechtsordnung140, wenn den Normadressaten keine gegenläufigen Regelungen erreichen, sondern lediglich das Regelungsziel der Bezugsnorm nicht erreicht wird. In Betracht käme insoweit aber ein Rückgriff auf die Idee der Einheit der Rechtsordnung141. Praxisrelevanter dürfte der Fall sein, dass das Regelungsziel einer beteiligten Rechtsnorm ein über den (rechtspolitischen) Willen des Gesetzgebers hinausgehendes besonderes Gewicht hat. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es insoweit Vorgaben aus übergeordnetem Recht bzw. anderen Rechtsordnungen gibt, die die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers einschränken. Auch dies kann durch die Verweisung des InvStG auf das KAGB veranschaulicht werden, denn das steuerrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip ist weitgehend verfassungsrechtlich verwurzelt142. Ohne Einzelheiten ausbreiten und seine einzelnen Elemente gesondert auf ihre verfassungsrechtliche Verortung prüfen zu müssen, ist es als Maßstab zur gleichmäßigen Verteilung der Steuerbelastungen143 – ggf. nur im Rahmen des Folgerichtigkeitsgebots – unter anderem im allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG fundiert144. Allein deshalb muss es möglich sein, die Auslegung in Bezug genommener aufsichtsrechtlicher Rechtsnormen an steuerrechtlichen Regelungszielen mit verfassungsrechtlicher Verwurzelung145 zu orientieren, insbesondere dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Ähnlich nüchtern ist im Übrigen auch die Frage zu beantworten, wie sich besondere, möglicherweise auslegungsrelevante Eigenschaften von Ausgangs- und Bezugsnorm auswirken. Eine solche wäre etwa die verbreitete146, jedoch nicht unbestrittene147 Annahme, dass Ausnahmevorschriften „eng“ auszulegen seien148.
140
S. II. 3. c). S. II. 3. c). 142 Ausführlich dazu s. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1982, S. 105 ff. 143 S. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 3, Rn. 40 ff., § 9, Rn. 1; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht. Bausteine zu einem Verfassungsrecht des sozialen Steuerstaats, 1993, S. 10; Waldhoff, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3, 3. Aufl. 2013, § 67, Rn. 46. 144 Zum gleichheitsrechtlichen Folgerichtigkeitsgebot s. BVerfG, Beschl. v. 29. 03. 2017, 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106 (144), Rn. 104; ferner Beschl. v. 06. 06. 2018, 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, NJW 2018, 2542 (2547), Rn. 70, wenn auch in einem arbeitsrechtlichen Kontext. 145 Auf diesen Aspekt gehen Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2711, Fn. 8) und andere Befürworter einer aufsichtsrechtlichen Auslegung nicht ein. 146 Z. B. BVerfG, Urt. v. 12. 06. 2018, 2 BvR 1738/12, BVerfGE 148, 296 (387); Beschl. v. 12. 03. 2019, 2 BvR 675/14, NJW 2019, 1428 (1429), Rn. 55; EuGH, Urt. v. 25. 07. 2018, C-5/ 17, DPAS, ECLI:EU:C:2018:592, Rn. 27; Urt. v. 10. 07. 2018, C-25/17, Tietosuojavaltuutettu/ Jehovan todistajat – uskonnollinen yhdyskunta, ECLI:EU:C:2018:551, Rn. 37. 147 S. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 224 (Lfg. 127; Stand: 10/ 2011); Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band I, 11. Aufl. 2013, Rn. 373 („pseudonormative Regel“). 141
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
Unabhängig von der Richtigkeit solcher Auslegungsmaximen muss auch hier zunächst das Regelungsziel der Ausgangsnorm maßgeblich sein. Diese ist deshalb ebenso wie die Bezugsnorm im Rahmen der Anwendung der Ausgangsnorm grundsätzlich so auszulegen, dass das Regelungsziel der Ausgangsnorm erreicht wird. Im Falle einer Ausnahmevorschrift als Ausgangsnorm bedeutet dies, dass eine Bezugsnorm für Zwecke der Auslegung der Ausgangsnorm so verstanden werden muss, dass die vom Gesetzgeber intendierte Ausnahme von der eigentlichen Grundregel erreicht wird, auch wenn die Bezugsnorm selbst nicht diese Eigenschaft aufweist. Ist umgekehrt die Bezugsnorm eine Ausnahmevorschrift, ist auch insoweit das Regelungsziel der Ausgangsnorm maßgeblich, unabhängig davon, ob diese selbst Grundregel oder Ausnahmevorschrift ist.
4. Insbesondere Verweisungen unter Beteiligung von Rechtsnormen aus übergeordnetem Recht bzw. anderen Rechtsordnungen a) Verfassungsrecht Die Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm kann Besonderheiten aufweisen, wenn zu diesen auch Rechtsnormen des Verfassungsrechts gehören, die normenhierarchisch dem einfachen Recht vorgehen149. Davon zu unterscheiden ist die Verfassungsmäßigkeit von Verweisungen innerhalb des einfachen Rechts, die insbesondere am Maßstab des Rechtstaats-, Demokratie- und Bundesstaatsprinzips geprüft werden muss150. Auch die „verfassungskonforme“151 Auslegung als allgemeine Anforderung an die Auslegung des einfachen Rechts ist hiervon grundsätzlich abzugrenzen, denn sie gilt für die Auslegung sämtlicher Rechtsnormen des einfachen Rechts und damit nicht nur, wenn im Falle einer Verweisung Ausgangs- oder Bezugsnorm dem Verfassungsrecht zuzuordnen sind. Ausgangsnorm kann zunächst eine Rechtsnorm des einfachen Rechts mit einer Verweisung auf eine Bezugsnorm aus dem Grundgesetz oder einer Landesverfassung sein. So verweisen etwa § 226 Abs. 1 und Abs. 4 AO für die Feststellung von Gläubiger und Schuldner im Hinblick auf die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche, für die 148 Ferner dazu Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 174 ff. 149 Vgl. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 305 ff. 150 S. I. 151 Dazu s. BVerfG, Beschl. v. 07. 05. 1953, 1 BvL 104/52, BVerfGE 2, 266 (282); Bydlinski, Grundzüge der juristischen Methodenlehre, 3. Aufl. 2018, S. 55 ff.; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 238 ff. (Lfg. 127; Stand: 10/2011); Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 159 ff.
4. Insbesondere Verweisungen unter Beteiligung von Rechtsnormen
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nach der ausdrücklichen Verweisung in § 226 Abs. 1 AO grundsätzlich die Vorschriften des bürgerlichen Rechts sinngemäß gelten, stillschweigend auch auf Regelungen aus der Finanzverfassung, nämlich Art. 106 GG für die an sich maßgebliche Ertragshoheit152 und auf Art. 108 GG für die wegen der Fiktion in § 226 Abs. 4 AO insoweit ebenfalls relevante Verwaltungshoheit153. Spezifisch verweisungsbedingte Auslegungsfragen, etwa hinsichtlich des maßgeblichen Regelungsziels der beteiligten Rechtsnormen, stellen sich hier aber nicht, denn bei der Verweisung handelt es sich eher um eine „technische“ Anknüpfung an Kompetenzverteilungsregeln. Dies kann bei Verweisungen auf rein materielle Regelungen des Verfassungsrechts anders sein, etwa die Verweisung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 G 10 (Artikel 10Gesetz) auf die „freiheitliche demokratische Grundordnung“, die „Telekommunikation“ (insbesondere im Sinne des Fernmeldegeheimnisses154) oder das „Brief- oder Postgeheimnis“, die auch ohne ausdrückliche Nennung grundgesetzlicher Rechtsnormen wie die entsprechenden Begriffe in Art. 10 Abs. 2 S. 2, Art. 18 S. 1, Art. 21 Abs. 2 S. 1 GG (freiheitliche demokratische Grundordnung)155 bzw. Art. 10 Abs. 1 GG (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis)156 verstanden werden müssen. Die Auslegung von Ausgangsnormen unter Einbeziehung verfassungsrechtlicher Bezugsnormen stellt Gesetzesinterpreten angesichts der Verfassungsnormen eigentümlichen Begriffsoffenheit und -weite157 vor besondere Herausforderungen. Diesbezüglich kann sogar die Schwelle zur verfassungswidrigen Unbestimmtheit überschritten sein, etwa wenn – anders als im Beispiel des G10-Gesetzes – nicht nur die Eröffnung des Schutzbereichs, sondern sogar ein Eingriff in Grundrechte als Bezugsnorm Voraussetzung der Ausgangsnorm ist, dessen Feststellung „komplexe Abschätzungen und Bewertungen“ erfordern kann158. An der aus den Besonderheiten der Verfassungsinterpretation folgenden Problematik ändert es nichts, dass es zu vielen Verfassungsbestimmungen mittlerweile umfangreiche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gibt, denn diese führt bei Übertragung auf andere Einzelfälle nicht immer zu – insbesondere für juristische Laien – einfach vorhersehbaren Ergebnissen. Neben diesen Auslegungsschwierigkeiten ist hier hinsichtlich der an sich bestehenden Maßgeblichkeit des Regelungsziels der Aus152 Vgl. Fritsch, in: Koenig (Hrsg.), AO, 3. Aufl. 2014, § 226, Rn. 21; Loose, in: Tipke/ Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 226 AO, Rn. 26 (Lfg. 142; Stand: 10/2015). 153 Vgl. Fritsch, in: Koenig (Hrsg.), AO, 3. Aufl. 2014, § 226, Rn. 22; Loose, in: Tipke/ Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 226 AO, Rn. 24 (Lfg. 142; Stand: 10/2015). 154 Vgl. B. Huber, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblatt, G10-Gesetz § 1 Rn. 4 ff. (Lfg. 2010; Stand: 09/2016). 155 Vgl. Günther, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), Münchener Kommentar StPO, 2018, § 1 G10-Gesetz, § 1, Rn. 11. 156 Vgl. Günther, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), Münchener Kommentar StPO, 2018, § 1 G10-Gesetz, § 1, Rn. 3 ff. 157 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 50. 158 Vgl. BVerfG, Urt. v. 27. 02. 2008, 1 BvR 370/07, BVerfGE 120, 274 (317 f.), zu § 5 Abs. 2 Nr. 11 VSG a.F. (Nordrhein-Westfalen).
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
gangsnorm159 zu berücksichtigen, dass die Bezugsnorm mit Vorrangwirkung ausgestattet ist und deshalb bei der Auslegung der Ausgangsnorm nur eingeschränkt an deren Regelungsziel angepasst werden kann. Dies gilt zumal – wie das Beispiel des G10-Gesetzes zeigt – die einfachrechtlichen Regelungen häufig gerade der Ausgestaltung der in Bezug genommenen verfassungsrechtlichen Regelungen dienen160. Die Beachtung einer Verfassungsnorm als Bezugsnorm im Hinblick auf die Auslegung der Ausgangsnorm ist in einem solchen Fall deshalb nicht nur verfassungskonforme Auslegung einfachrechtlicher Rechtsnormen als Ausgangsnorm, sondern wohl auch Verfassungsauslegung, wenn die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers von vornherein durch die Vorgaben aus der Verfassung stark eingeschränkt ist. Ohne die Funktion der Ausgestaltung des Inhalts der Grundrechte oder anderer Verfassungsvorgaben könnte es sich wegen des Rangverhältnisses von einfachem und Verfassungsrecht dagegen auch nur um einen Fall der verfassungskonformen Auslegung der einfachrechtlichen Ausgangsnorm unter Beachtung der Vorgaben, insbesondere des Regelungsziels, der verfassungsrechtlichen Bezugsnorm handeln, weil die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers insoweit größer ist. Umgekehrt verweisen Verfassungsnormen häufig auf Rechtsnormen des einfachen Rechts, indem sie ohne ausdrückliche Nennung solche voraussetzen. Dies zeigt sich besonders anschaulich bei „normgeprägten“161 Grundrechten wie dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung für Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG (insbesondere hinsichtlich des Begriffs der „Ehe“162) oder der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (hinsichtlich des Begriffs des „Eigentums“). Diese können unabhängig von ggf. aus diesen folgenden Institutsgarantien163 – wie im Übrigen auch, freilich in geringerem Ausmaß, viele andere Grundrechte164 – nur angewendet werden, wenn der Gesetzgeber für ihren Normbereich einfachrechtliche Regelungen schafft. Wegen der Überordnung des Verfassungsrechts besteht hier eine spezielle Form der Wechselwirkung von Ausgangs- und Bezugsnorm, für die sich die hier interessierenden Fragen überhaupt nicht oder anders stellen, denn Rechtsnormen des einfachen Rechts dürfen nicht im Widerspruch zu Rechtsnormen des Verfassungsrechts stehen, sondern sind insbesondere verfassungskonform auszulegen165. Vor 159
S. II. 3. d). Allgemein dazu s. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, 3. Aufl. 1983, S. 180 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 303 ff. 161 Allgemein dazu s. Bethge: in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IX, 3. Aufl. 2011, § 203, Rn. 83; Kingreen/Poscher, Grundrechte, 34. Aufl. 2018, Rn. 147 ff., 266 ff. 162 Vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 6, Rn. 3 (Lfg. 86; Stand: 01/2019). 163 Zum Begriff s. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 279. 164 S. oben im Text, dort im Zusammenhang mit dem G10-Gesetz. 165 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 85. 160
4. Insbesondere Verweisungen unter Beteiligung von Rechtsnormen
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diesem Hintergrund wäre es schwierig, entgegen dem ohnehin bestehenden Grundsatz der Maßgeblichkeit des Regelungsziels der Ausgangsnorm166, das Regelungsziel der Bezugsnorm in den Vordergrund zu rücken. Die Problematik des Vorrangs des Verfassungsrechts vor einfachem Recht wirkt sich allerdings auch hier nicht aus, wenn die von der Verfassung in Bezug genommenen Rechtsnormen des einfachen Rechts eher „technischer“ Natur sind, für die die Verfassung keine inhaltlichen Vorgaben macht. Dies gilt insbesondere für die „inhaltsbezogene“ bzw. „stillschweigende“167 Verweisung in Art. 116 Abs. 1 GG auf das Staatsangehörigkeitsgesetz168 zur Bestimmung des Begriffs des „Deutsche[n] im Sinne des Grundgesetzes“, das einfachrechtlich die im Grundgesetz benannte „deutsche Staatsangehörigkeit“ begründet und ausgestaltet169. Die so bestimmte Eigenschaft als „Deutscher im Sinne des Grundgesetzes“ kann etwa für die Grundrechtsberechtigung bei sog. Deutschen- oder Bürgergrundrechten170 maßgeblich sein. Hinsichtlich der inhaltlichen Einzelheiten zur Begründung und Ausgestaltung der Staatsangehörigkeit gibt es keine Wechselwirkung mit den Grundrechten oder anderen Verfassungsormen, da das Grundgesetz ihre Festlegung „ohne weitere Vorgaben ganz dem nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 2 GG ausschließlich zuständigen Bundesgesetzgeber“ überlässt171. Dies gilt zumal Nicht-Deutsche auch im Normbereich der Deutschenoder Bürgergrundrechte nicht schutzlos sind, denn für diese gilt dann zumindest die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG172, die freilich einfacher eingeschränkt werden kann173. Bezugnahmen in Verfassungen auf andere Verfassungen wie im „Homogenitätsgebot“ des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG auf die „verfassungsmäßige Ordnung in den 166
S. II. 3. d). Allgemein dazu s. II. 2. c) und II. 2. d). 168 Vgl. Giegerich, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 116, Rn. 34 (Lfg. 61; Stand: 01/ 2011); ferner BVerfG, Urt. v. 31. 10. 1990, 2 BvF 2/89, BVerfGE 83, 37 (51 f.); Urt. v. 17. 01. 2017, 2 BvB 1/13, BVerfGE 144, 20 (264), wonach sich die Staatsagehörigkeit nach dem „Staatsangehörigkeitsrecht“ richten soll. 169 Der Begriff „Deutscher im Sinne des Grundgesetzes“ ist weiter als der Begriff „deutscher Staatsangehöriger“, weil darunter auch fällt, wer „als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat“. 170 Zum Begriff s. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 283 f.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 2, Rn. 28 (Lfg. 39; Stand: 07/2001). 171 Vgl. Giegerich, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 116, Rn. 34, 35 (Lfg. 61; Stand: 01/2011), wonach insbesondere keine bestimmte „Staatsangehörigkeitskonzeption“ vorgegeben ist; Masing, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 116 GG, Rn. 30; ferner BVerfG, Urt. v. 31. 10. 1990, 2 BvF 2/89, BVerfGE 83, 37 (51 f.); Urt. v. 17. 01. 2017, 2 BvB 1/ 13, BVerfGE 144, 20 (264). 172 Vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 2, Rn. 10, 28 ff. (Lfg. 39; Stand: 07/ 2001). 173 Vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 2, Rn. 33 (Lfg. 39; Stand: 07/ 2001). 167
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
Ländern“ werden hier nicht weiter vertieft, denn bei den genannten landesverfassungsrechtlichen Regelungen handelt es sich um den Gegenstand, auf den sich die grundgesetzlichen Vorgaben beziehen, so dass auch keine Verweisung im hier verstandenen Sinne174 gegeben ist. Zudem hat hier die Überordnung der grundgesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung der Landesverfassungen ihren Grund in der bundesstaatlichen Kompetenzordnung des Grundgesetzes und wirft deshalb andere Fragestellungen auf als die in der Normenhierarchie begründete Vorrangwirkung der Verfassung gegenüber einfachem Recht.
b) Unionsrecht Die Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm weist auch Besonderheiten auf, wenn zu diesen auch Rechtsnormen des Unionsrechts gehören. Wegen ihrer weitreichenden Bedeutung sollen solche Fälle hier kurz behandelt werden, auch wenn es sich beim Unionsrecht nicht um formellgesetzliche Regelungen im ganz „klassischen“ Sinne, sondern um eine eigene Rechtsordnung175 handelt. Die relevanten Auslegungsfragen sind von der (womöglich eher theoretischen) Frage der Unionsrechtskonformität von Verweisungen innerhalb des einfachen Rechts ebenso abzugrenzen wie grundsätzlich auch von dem allgemeinen Erfordernis „unionsrechtskonformer“176 bzw. „richtlinienkonformer“177 Auslegung des nationalen Rechts und „autonomer“178 Auslegung des Unionsrechts, das unabhängig von der Existenz von Verweisungen gelten kann. Verweisungen in einfachrechtlichen Rechtsnormen als Ausgangsnorm auf Rechtsnormen des Unionsrechts als Bezugsnorm kommen häufig vor, etwa in § 20 Abs. 8, § 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 UmwStG auf die Richtlinie 2009/133/EG179 ((steu174
Dazu s. I. Vgl. T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 2 Rn. 53. 176 Dazu s. EuGH, Urt. v. 17. 04. 2018, C-414/16, Vera Egenberger / Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung eV, ECLI:EU:C:2018:257, Rn. 72; Bydlinski, Grundzüge der juristischen Methodenlehre, 3. Aufl. 2018, S. 55 ff.; W. Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/ AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 288 AEUV, Rn. 110 ff.; ferner Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 240 ff. (Lfg. 127; Stand: 10/2011). 177 Dazu s. EuGH, Urt. v. 07. 08. 2018, C-122/17, David Smith/Patrick Meade, Philip Meade, FBD Insurance plc, Irland, Attorney General, ECLI:EU:C:2018:631, Rn. 36, 49; W. Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 288 AEUV, Rn. 110 ff.; ferner Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 240 ff. (Lfg. 127; Stand: 10/2011). 178 Dazu s. EuGH, Urt. v. 07. 08. 2018, C-485/17, Verbraucherzentrale Berlin e.V./Unimatic Vertriebs GmbH, ECLI:EU:C:2018:642, Rn. 27. 179 Richtlinie 2009/133/EG des Rates vom 19. 10. 2009 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat, ABl. L 310 v. 25. 11. 2009, S. 34. 175
4. Insbesondere Verweisungen unter Beteiligung von Rechtsnormen
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errechtliche) Fusionsrichtlinie) oder in § 31 BNatSchG auf die Richtlinie 92/43/ EWG180 (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) und die Richtlinie 2009/147/EG181 (Vogelschutzrichtlinie). Sie sind verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden182. Gleichwohl sind solche Verweisungen nicht völlig unproblematisch183, insbesondere mit Blick auf die verfassungsrechtliche Bestimmtheit184 und die unionsrechtlichen Anforderungen an die Umsetzung von Unionsrecht, insbesondere Richtlinien185. Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts186 scheinen sich die verweisungsbedingten Fragestellungen zu vereinfachen, weil danach dessen Regelungsziele – in Abweichung vom Grundsatz der Maßgeblichkeit des Regelungsziels der Ausgangsnorm im Rahmen ihrer Auslegung187 – generell vorrangig sind, nicht nur bei Verweisungen als Mittel der Umsetzung von Richtlinien, für die die Verbindlichkeit ihres Regelungsziels in Art. 288 Abs. 3 AEUV ausdrücklich angeordnet ist (zumindest „hinsichtlich des zu erreichenden Ziels“). Neben dem Regelungsziel eines in innerstaatliches Recht umzusetzenden Unionsrechtsakts ist die Errichtung des Binnenmarkts als ein wichtiges Ziel der Europäischen Union (EU; Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 EUV) regelmäßig ohne zusätzliche Bedeutung, zumal Errichtung und Funktionieren des Binnenmarkts oft genug Voraussetzung für den Erlass solcher Rechtsakte sind (z. B. nach Art. 113, Art. 114 Abs. 1 S. 2, Art. 115 AEUV). Wegen des Rangverhältnisses ist die Frage nach dem maßgeblichen Regelungsziel letztlich ein Fall der unionsrechtskonformen Auslegung. Anders als im Verfassungsrecht188 kann das (innerstaatliche) einfache Recht nicht in demselben Maße die eigenständige Funktion der Ausgestaltung unionsrechtlicher Vorgaben 180 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. L 206 v. 22. 06. 1992, S. 7. 181 Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl. L 20 v. 26. 01. 2010, S. 7. 182 Vgl. BVerfG, Urt. v. 21. 09. 2016, 2 BvL 1/15, BVerfGE 143, 38 (61 f.), zu § 10 I, III Rindfleischetikettierungsgesetz, wonach eine Verweisung auf Unionsrecht sogar in strafrechtlichen Regelungen verfassungsrechtlich möglich ist; ferner Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 248; allgemein zu dieser Problematik s. Schützendübel, Die Bezugnahme auf EU-Verordnungen in Blankettstrafgesetzen, 2012. 183 Vgl. Burgi, Gutachten zur Frage der Geltungsdauer des bayerischen Abgeordnetengesetzes betreffend Verträge mit Angehörigen, in: Bayerischer Landtag, Beiträge zum Parlamentarismus, Band 18, 2014, S. 27. 184 Für ein Beispiel s. BVerfG, Urt. v. 21. 09. 2016, 2 BvL 1/15, BVerfGE 143, 38 (56), zu § 10 I, III Rindfleischetikettierungsgesetz. 185 Zu den Anforderungen s. EuGH, Urt. v. 20. 03. 1997, C-96/95, Kommission/Deutschland, Slg. 1997, I-1653, Rn. 35 ff.; ferner Guckelberger, ZG 2004, 62 (86); Ruffert, in: Calliess/ Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV, Rn. 26 ff.; W. Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 288 AEUV, Rn. 72 ff. 186 Vgl. EuGH, Urt. v. 05. 12. 2017, C-42/17, M.A.S. und M.B., ECLI:EU:C:2017:936, Rn. 47; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschl. v. 16. 08. 2018, 2 BvR 237/18, juris, Rn. 21; Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 4 EUV, Rn. 35 ff. 187 S. II. 3. d). 188 S. II. 4. a).
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
haben, so dass es hier auch nicht in erster Linie um die Auslegung von Unionsrecht geht, sondern um unionsrechtskonforme Auslegung. Umgekehrt finden sich auch im Unionsrecht Verweisungen auf das einfache Recht der Mitgliedstaaten. So enthält zunächst das Primärrecht Vorbehalte zu Gunsten mitgliedstaatlicher Souveränität. Dies gilt beispielsweise für die Kapitalverkehrsfreiheit im Bereich des Steuerrechts nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a), Abs. 3 AEUV („einschlägige Vorschriften ihres [Anmerkung: der Mitgliedstaaten] Steuerrechts“) und in mehreren beispielhaft genannten Rechtsbereichen nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. b), Abs. 3 AEUV („innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften“). Innerstaatliches Recht ist mit wohl ähnlichem Hintergrund auch für die Niederlassungsfreiheit relevant, nämlich hinsichtlich der „Ausübung öffentlicher Gewalt“ in Art. 51 Abs. 1 AEUV, die nur auf Grundlage von – allerdings nicht ausdrücklich genannten – Regelungen des nationalen Rechts möglich ist, aber auch für die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die nach Art. 45 Abs. 3 Buchst. c) AEUV die Ausübung einer Beschäftigung nach den „Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ im jeweiligen Mitgliedstaat schützt. In solchen Konstellationen können Vorschriften des nationalen Rechts als Bezugsnorm die Rechtslage mitausgestalten, freilich ohne dabei diskriminieren oder beschränken zu dürfen (so ausdrücklich angeordnet in Art. 65 Abs. 3 AEUV für die Kapitalverkehrsfreiheit). Anders ist dies etwa im Bereich der Niederlassungsfreiheit, wenn wie in Art. 50 Abs. 2 Buchst. c) AEUV „innerstaatliche Rechtsvorschriften“ oder in Art. 50 Abs. 2 Buchst. g) AEUV „Schutzbestimmungen“ lediglich Gegenstände bzw. Rechtsbereiche abgrenzen, für die unionsrechtliche Pflichten zur Beseitigung von Diskriminierungen oder Beschränkungen bestehen189. Hier wäre die Bezeichnung von Regelungen des innerstaatlichen Rechts an sich entbehrlich, denn auch in anderen Zusammenhängen werden für entsprechende Zielsetzungen nur (notwendigerweise regulierte) Lebensbereiche und zu beseitigende Wirkungen von Regelungen des innerstaatlichen Rechts benannt (z. B. „Beschränkungen des Kapitalverkehrs“ in Art. 63 Abs. 1 AEUV). Die Möglichkeiten zur Gestaltung der Rechtslage, einschließlich der Bestimmung eigener Regelungsziele, durch das nationale Recht der Mitgliedstaaten sind in diesen Fällen begrenzt. Für alle Konstellationen gibt es wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts auch Rückwirkungen auf die Frage nach der Bedeutung von Regelungszielen im Rahmen der Auslegung, die jedoch mit der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des Regelungsziels der Ausgangsnorm190 übereinstimmen. Das (innerstaatliche) einfache Recht hat hier nicht die Funktion der Ausgestaltung unionsrechtlicher Vorgaben, so dass es insoweit auch nicht um eine Frage der Auslegung von Unionsrecht geht, sondern nur um einen Fall unionsrechtskonformer Auslegung des innerstaatlichen Rechts.
189 Dies entspricht der Problematik bei Bezugnahmen von Verfassungen auf andere Verfassungen. Dazu s. II. 4. a). 190 S. II. 3. d).
4. Insbesondere Verweisungen unter Beteiligung von Rechtsnormen
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Die bloße Abgrenzung von Gegenständen und Rechtsbereichen unionsrechtlicher Harmonisierung ist häufig auch Grund für die Bezugnahme im Sekundärrecht als Ausgangsnorm auf innerstaatliches Recht als Bezugsnorm. So verweisen z. B. Richtlinien wie Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2011/96/EU191 (Mutter-Tochter-Richtlinie) auf der Grundlage von Art. 113, Art. 114 Abs. 1 S. 2, Art. 115 AEUV hinsichtlich ihrer Umsetzung auf „Rechts- und Verwaltungsvorschriften“192, die ihrerseits Tatbestandsmerkmal der genannten Ermächtigungsgrundlagen sind. Die Rechtslage kann auch hier nur insoweit durch innerstaatliches Recht ausgestaltet werden, als Unionsrecht keine verbindlichen Vorgaben macht. Eine inhaltliche Gestaltungsfreiheit für den Gesetzgeber der Mitgliedstaaten kann es bei Richtlinien geben, die nach Art. 288 Abs. 3 AEUV nur hinsichtlich des „zu erreichenden Ziels verbindlich“ sind, nicht aber hinsichtlich der „Wahl von Form und Mittel“ zur Umsetzung. Bisweilen dienen Verweisungen auf innerstaatliches Recht wie schon im Primärrecht auch hier dem Schutz staatlicher Souveränität, etwa der Steuersouveränität durch Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen wie in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2011/96/EU193 (Mutter-Tochter-Richtlinie), wonach die Richtlinie „einzelstaatliche[n] oder vertragliche[n] Bestimmungen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen“ nicht entgegensteht. Auch solche Verweisungen ermöglichen freilich nicht eine unbegrenzte Ausgestaltung der Rechtslage durch die Mitgliedstaaten, denn für die Prüfung, ob solche Vorschriften die im sekundären Unionsrecht bezeichneten Voraussetzungen erfüllen, sind die dafür verwendeten Begriffe – im Falle der beispielhaft genannten Regelung aus der Mutter-TochterRichtlinie die Begriffe „Steuerhinterziehung“ und „Missbräuche“ – „autonom“194 auszulegen mit der Folge, dass nicht automatisch bestehende innerstaatliche Vorschriften mit entsprechender Zwecksetzung – wie § 370 AO oder § 42 AO195 – als unionsrechts-/richtlinienkonforme Umsetzung angesehen werden können. Dasselbe gilt im Übrigen für Verweisungen ohne ausdrückliche Bezugnahme auf Rechtsnormen des innerstaatlichen Rechts durch Nennung entsprechender Begriffe wie 191 Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30. November 2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter-und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Neufassung), ABl. L 345 v. 29. 12. 2011, S. 8. 192 Daneben gibt es zahlreiche weitere Begriffe zur Abgrenzung von Gegenständen unionsrechtlicher Harmonisierung. 193 Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30. November 2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter-und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Neufassung), ABl. L 345 v. 29. 12. 2011, S. 8. 194 Vgl. Kofler, Mutter-Tochter-Richtlinie, 2011, Art. 1, Rn. 73, für den Begriff des „Missbrauchs“. 195 Im Falle einer als vorsätzliche Vortäuschung falscher Tatsachen oder als pflichtwidriges Verschweigen eines steuerrechtlich relevanten Sachverhalts verstandenen „Steuerhinterziehung“ würden ohnehin die Voraussetzungen für eine Entlastung nicht gegeben sein. Vgl. Kofler, Mutter-Tochter-Richtlinie, 2011, Art. 1, Rn. 66. Ungeachtet dessen bedürfte der mit Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2011/96/EU verfolgte Zweck keiner Anknüpfung an innerstaatliche Strafvorschriften wie § 370 AO. Es würden auch andere Mechanismen genügen, etwa rein steuerschuldrechtliche wie die Versagung der Entlastung oder ordnungswidrigkeitenrechtliche.
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
„Steuerhinterziehung“ in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a) der Richtlinie 2009/133/EG196 ((steuerrechtliche) Fusionsrichtlinie) oder Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2003/49/EG197 (Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie) oder „Missbrauch“ in Art. 5 Abs. 1 und 2 derselben Richtlinie. Für die Auslegung des innerstaatlichen Rechts als Bezugsnorm bedeutet dies dasselbe wie für Verweisungen auf innerstaatliches Recht der Mitgliedstaaten im Primärrecht, d. h., sie ist unionsrechts-, insbesondere richtlinienkonform vorzunehmen.
c) Völkerrecht, insbesondere Völkervertragsrecht Die Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm weist auch Besonderheiten auf, wenn zu diesen auch Rechtsnormen des Völkerrechts gehören, insbesondere des Völkervertragsrechts. Wegen ihrer weitreichenden Bedeutung sollen solche Fälle hier kurz behandelt werden, auch wenn Völkerrecht wegen des in Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG enthaltenen Erfordernisses eines Zustimmungsgesetzes vor allem als Völkervertragsrecht zum Bereich „formellgesetzlicher“ Rechtsnormen gerechnet werden kann. Die relevanten Auslegungsfragen sind von der (wohl eher theoretischen) Frage der Völkerrechtskonformität von Verweisungen innerhalb des einfachen Rechts ebenso abzugrenzen wie grundsätzlich auch von dem allgemeinen Erfordernis „völkerrechtsfreundlicher“198 Auslegung des nationalen Rechts und „autonomer“ Auslegung des Völkerrechts (bei völkerrechtlichen Verträgen ergänzt durch das die Einbeziehung der Auslegung durch Gerichte und Behörden des anderen Vertragsstaats fordernde Gebot der „Entscheidungsharmonie“199), das unabhängig von der Existenz von Verweisungen gelten kann. Das einfache Recht, insbesondere im Bereich des Steuerrechts, enthält zahlreiche Rechtsnormen, die als Tatbestandsmerkmal Rechtsnormen des Völkervertragsrechts oder ganze völkerrechtliche Verträge benennen200. Ausdrücklich geschieht dies 196 Richtlinie 2009/133/EG des Rates vom 19. 10. 2009 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat, ABl. L 310 v. 25. 11. 2009, S. 34. 197 Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. L 157 v. 26. 06. 2003, S. 49. 198 Dazu s. BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 2015, 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 (29 f.), m.w.N. 199 Dazu s. BFH Urt. v. 25. 11. 2015, I R 50/14, BFHE 253, 52 (60), BStBl. II 2017, 247 (250), Rn. 35; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 2 AO, Rn. 42 (Lfg. 145; Stand: 07/2016); Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Grundlagen, Rn. 114 ff, m.w.N. 200 Vgl. W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, Neudruck 1968, S. 93 f.
4. Insbesondere Verweisungen unter Beteiligung von Rechtsnormen
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beispielsweise in § 2 Abs. 1 AO, wonach „Verträge mit anderen Staaten im Sinne des Artikels 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes über die Besteuerung […], soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Steuergesetzen“ vorgehen mit der Folge, dass sie die vom innerstaatlichen Recht begründeten Rechtsfolgen modifizieren können201. Im umgekehrten Fall abkommensüberschreibender Regelungen (sog. Treaty Override)202 wie § 50d Abs. 9 S. 1 EStG begründen diese einen punktuellen Vorrang des innerstaatlichen Rechts vor dem ausdrücklich so bezeichneten Abkommensrecht („ungeachtet des Abkommens“), nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)203 ohne dabei von vornherein verfassungswidrig zu sein. Das für die Wirksamkeit solcher Verträge in Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG enthaltene Erfordernis eines Zustimmungsgesetzes zeigt, dass Völkervertragsrecht nicht automatisch vorrangig ist204, sondern vielmehr der Umsetzung bedarf und dann wohl205 den Rang formeller Gesetze hat206. Eine einfachrechtliche Anordnung des Vorrangs von Völkervertragsrecht wie in § 2 Abs. 1 AO für Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) kann an dieser verfassungsrechtlichen Verhältnisbestimmung grundsätzlich nichts ändern207. Dementsprechend handelt es sich nicht nur bei Modifizierungen des innerstaatlichen Rechts durch DBA, sondern auch bei einseitigen Abkommensüberschreibungen (Treaty Override) um Kollisionen von innerstaatlichem Recht zur Umsetzung von Völkervertragsrecht mit sonstigem innerstaatlichen Recht, die vorrangig nach den allgemeinen Kollisionsregeln, insbesondere der „lex posterior derogat legi priori“-Regel, zu lösen sind208. Nachdem die angeordnete Rechtsfolge abkommensüberschreibender Regelungen (Treaty Override) wegen der Maßgeblichkeit des innerstaatlichen Rechts „unabhängig“ vom Abkommensrecht gilt, sind entsprechende Regelungen keine Ver201
Vgl. Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Grundlagen, Rn. 4a, 4c, 45 ff.; Schönfeld/Häck, in: Schönfeld/Ditz (Hrsg.), DBA, 2013, Systematik, Rn. 22. 202 Zum Begriff s. Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Grundlagen, Rn. 194. 203 S. BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 2015, 2 BvL 1/12, BVerfGE 146, 1 (15 ff.), zu § 50d Abs. 8 S. 1 EStG. 204 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 2015, 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 (15 ff.), m.w.N.; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 2 AO, Rn. 2, 5 (Lfg. 148; Stand: 04/2017). 205 Allgemein zur Rangfrage vor dem Hintergrund unterschiedlicher Theorien zum Verhältnis von Völkervertragsrecht und innerstaatlichem Recht s. Kunig, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, Zweiter Abschnitt, Rn. 115 ff. 206 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 2015, 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 (15, 19 f.), m.w.N.; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 2 AO, Rn. 5 (Lfg. 148; Stand: 04/2017); ferner s. Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Grundlagen, Rn. 4c. 207 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 2015, 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 (18, 20) m.w.N.; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 2 AO, Rn. 1a (Lfg. 148; Stand: 04/2017). 208 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 2015, 2 BvL 1/12, BVerfGE 146, 1 (20 ff.); Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Grundlagen, Rn. 200; kritisch hinsichtlich der Heranziehung von Kollisionsregeln Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 2 AO, Rn. 6a ff., 8, 38, 38a (Lfg. 148; Stand: 04/2017) („§ 2 Abs. 1 als (durchbrechbarer) Anwendungsvorrang“).
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
weisung im hier zu Grunde gelegten Sinne209. Wegen ihres Vorrangs wären umgekehrt auch Akommensregelungen zur Modifzierung des innerstaatlichen Rechts keine Verweisung. Im Ergebnis könnte Anderes gelten für Regelungen des innerstaatlichen Rechts, die ohne ausdrückliche Nennung nur an von DBA erzeugte Wirkungen anknüpfen. Dies ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers210 bei den sog. Entstrickungsregelungen in § 4 Abs. 1 S. 3, § 16 Abs. 3a Hs. 1 EStG als Rechtsgrundlage für die Besteuerung stiller Reserven bei physischer Überführung von Wirtschaftsgütern vom Inland in das Ausland der Fall, weil sie „[den] Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland“211 voraussetzen, die wiederum Folge der Abkommensanwendung sein können. Aufgrund einer geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)212 zu den abkommensrechtlichen Folgen solcher Vorgänge stellt sich die praktische Handhabung jedoch anders als vom Gesetzgeber – zumindest vor seiner Reaktion auf diese Rechtsprechungsänderung – intendiert dar213, ohne dass dies hier ausgebreitet werden müsste. Weitere Beispiele für solche Regelungen finden sich im Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) für die grenzüberschreitende Übertragung von Wirtschaftsgütern auf andere Rechtsträger ohne physische Überführung von einem Staat in einen anderen, etwa in § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 UmwStG für die Sacheinlage im Sinne des § 20 Abs. 1 UmwStG (Einbringung von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft) oder in § 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UmwStG für den Anteilstausch (§ 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG). In den Beispielen sind die abkommensrechtlichen Wirkungen zwar nur ein möglicher Grund für die Auslösung der Rechtsfolgen, jedoch steht dies der Annahme einer Verweisung nicht entgegen. Eine Verweisung beinhaltet jedenfalls die – verfassungsrechtlich nicht unproblematische214 – Regelung in § 2 Abs. 2 S. 1 und 2 AO, die die Umsetzung von Verwaltungsabkommen in Gestalt von Konsultationsvereinbarungen (wohl im Sinne des Art. 25 Abs. 3 S. 1 OECD-MA215) durch Rechtsverordnung ermöglichen soll, die der Beseitigung von „Schwierigkeiten oder Zweifel[n], die bei der Auslegung und 209
S. I. S. BT-Drs. 16/2710, S. 28. 211 Vgl. Dürrschmidt, StuW 2010, 137 (140 ff.); Heinicke, in: Schmidt, EStG, 38. Aufl. 2019, § 4, Rn. 329; Reiß, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG, 18. Aufl. 2019, § 16, Rn. 207. 212 Z. B. s. BFH, Urt. v. 17. 07. 2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, zur Aufgabe der sog. finalen Entnahmetheorie. 213 Vgl. Dürrschmidt, StuW 2010, 137 (142); Reiß, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG, 18. Aufl. 2019, § 16, Rn. 207. Zur Reaktion des Gesetzgebers auf die geänderte Rechtsprechung im Hinblick auf die im Text genannten Beispiele s. § 4 Abs. 1 S. 4, § 16 Abs. 3a Hs. 2 EStG. 214 Dazu s. Drüen, IWB 2011, 360 (363 ff.); Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 2 AO, Rn. 43a ff. (Lfg. 148; Stand: 04/2017); Lehner, IStR 2011, 733 (737 ff.); Eilers, in: Drüen/Kaeser/Schwenke/Wassermeyer (Hrsg.), Wassermeyer, DBA, Loseblatt, Art. 25, Rn. 66 (Lfg. 115; Stand: 10/2011); Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Grundlagen, Rn. 136, 137, Art. 25, Rn. 154a. 215 Vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 2 AO, Rn. 43a, 43c (Lfg. 148; Stand: 04/2017); Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Grundlagen, Rn. 136, 137, Art. 25, Rn. 154a. 210
4. Insbesondere Verweisungen unter Beteiligung von Rechtsnormen
57
Anwendung des Abkommens entstehen, durch Verständigung“ dienen. Sie knüpft ausdrücklich an Regelungen in DBA an, so dass sie nur greift, wenn die abkommensrechtlichen Vorgaben als Voraussetzung erfüllt sind. Auch bei Beteiligung von Regelungen des Völkerrechts als Bezugsnorm könnte grundsätzlich das Regelungsziel des innerstaatlichen Rechts als Ausgangsnorm maßgeblich sein. Jedoch handelt es sich insbesondere in Fällen der Kollision von innerstaatlichem und Abkommensrecht unter Einschluss von Abkommensüberschreibungen (Treaty Override) nicht um Verweisungen im hier zugrunde gelegten Sinne216, sondern um Konstellationen, in denen mithilfe von allgemeinen Kollisionsregeln die anwendbare Rechtsnorm zu bestimmen ist217. Damit ergeben sich die Rechtsfolgen aus nur einer Rechtsnorm, so dass sich auch nicht die Frage stellen kann, welches Regelungsziel maßgeblich ist. Ungeachtet dessen ist damit nicht gesagt, dass das Regelungsziel des Völkervertragsrechts nicht erreicht wird, selbst wenn wie bei Abkommensüberschreibungen (Treaty Override) das vom Abkommensrecht abweichende innerstaatliche Recht vorrangig ist, da eine solche Annahme von der Zieldefinition abhängt. Im Falle von – vor allem neuerer – DBA besteht neben der Vermeidung oder Beseitigung der Doppelbesteuerung häufig die zusätzliche Zielsetzung einer Vermeidung von Doppelnicht- oder Niedrigbesteuerung218, die durch Abkommensüberschreibungen (Treaty Override) typischerweise verhindert werden sollen, auch wenn sie als lediglich abstrakte Zielsetzung ohne ausdrückliche Regelung nicht durch ein DBA selbst erreicht werden könnte219. Während die Regelungsziele „kollidierender“ Rechtsnormen von innerstaatlichem und Völkervertragsrecht in solchen Fällen häufig kongruent sein werden, ist dies bei Anknüpfung von innerstaatlichem Recht an Völkervertragsrecht speziell zur Verwirklichung des Regelungsziels des Völkervertragsrechts ohnehin regelmäßig der Fall, etwa bei der Umsetzung von Verständigungsvereinbarungen durch Rechtsverordnung auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 S. 1 AO, der sogar eine Verweisung enthält220. Freilich gilt auch hier, dass die Vermeidung der Doppel- bzw. Doppel216
S. I. S. oben im Text. 218 Z. B. s. Titel („OECD-Musterabkommen 2017 zur Beseitigung der Doppelbesteuerung sowie der Steuerverkürzung und -umgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen“; Hervorhebung nur hier) und Präambel („[…] ohne Gelegenheiten zur Nichtbesteuerung oder Minderbesteuerung durch Steuerflucht und -hinterziehung zu schaffen […]“) des OECD-MA 2017; Art. 6 Abs. 1 des Mehrseitigen Übereinkommens zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Multilateral Convention to Implement Tax Treaty Related Measures to Prevent Base Erosion and Profit Shifting; MLI); Präambel („[…] Nichtbesteuerung vermieden werden […]“) der Deutsche[n] Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen v. 22. 08. 2013 (DE-VG). 219 Vgl. Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Grundlagen, Rn. 73, m.w.N.; grundlegend M. Lang, Doppelte Nichtbesteuerung, IFA-Generalbericht, CDFI 89a (2004), S. 21 (26 ff.); Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 25, Rn. 75. 220 S. oben im Text. 217
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II. Materiell-rechtliche Auswirkungen von Verweisungen
nichtbesteuerung als Ziel von DBA und nach § 2 Abs. 2 S. 1 AO als Voraussetzung für den Erlass von Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Verständigungsvereinbarungen in den von der Verfassung gezogenen Grenzen erfolgen muss. Mit Blick auf das in Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG enthaltene Erfordernis eines Zustimmungsgesetzes kann der Inhalt eines Abkommens nicht außerhalb des Zustimmungsgesetzes durch zwischenstaatliche und durch Rechtsverordnung umgesetzte Verwaltungsabkommen geändert werden221, auch wenn dies der abstrakten Zielsetzung des Abkommensrechts entsprechen sollte. Umgekehrt verweisen bisweilen auch Regelungen des Völkervertragsrechts als Ausgangsnorm auf Rechtsnormen des einfachen innerstaatlichen Rechts als Bezugsnorm. Dies kann nicht verwundern, wenn das innerstaatliche Recht Anknüpfungspunkt222 für das Völkervertragsrecht ist und wie im Falle des innerstaatlichen Steuerrechts durch Abkommensrecht modifiziert wird. Dies gilt unabhängig davon, dass dieses Zusammenwirken keine ausdrückliche Nennung des Völkervertragsrechts in den Regelungen des innerstaatlichen Rechts erfordert und keine Folge einer Verweisung, sondern lediglich „kollidierender“ Rechtsnormen mit Vorrang des Regelungsziels der anwendbaren Regelung ist223. Eine Verweisung ist aber gegeben, wenn innerstaatliches Recht für das Verständnis völkervertragsrechtlicher Begriffe maßgeblich sein soll, etwa nach Art. 3 Abs. 2 OECD-MA (allgemeine Begriffsbestimmungen) oder Art. 6 Abs. 2 S. 1 OECD-MA (Begriff des „unbeweglichen Vermögens“) vergleichbaren Regelungen in DBA. Solche Bezugnahmen auf das innerstaatliche Recht sind eine von den Vertragsstaaten gewollte Ausnahme von der auch im Abkommensrecht maßgeblichen „autonomen“224 Auslegung des Völkervertragsrechts. Dies kann theoretisch dazu führen, dass das (abstrakte und konkrete) Regelungsziel des Völkervertragsrechts nicht erreicht wird. Ursache ist jedoch nicht, dass das Regelungsziel des Völkervertragsrechts als Ausgangsnorm ausnahmsweise225 hinter das Regelungsziel des innerstaatlichen Rechts als Bezugsnorm zurücktritt, sondern die vom Völkervertragsrecht ausdrücklich angeordnete Verweisung auf das innerstaatliche Recht. Die Annahme eines Vorrangs des Regelungsziels der Ausgangsnorm wäre demgegenüber auch nicht sachgerecht, wenn ausdrücklich 221 Vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 2 AO, Rn. 43 h (Lfg. 148; Stand: 04/2017); Flüchter, in: Schönfeld/Ditz (Hrsg.), DBA, 2013, Art. 25, Rn. 220. 222 Vgl. Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl., Grundlagen, Rn. 4c. 223 S. oben im Text. 224 Dazu s. Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl., Grundlagen, Rn. 113a ff.; Schönfeld/Häck, in: Schönfeld/Ditz (Hrsg.), DBA, 2013, Systematik, Rn. 78 ff. Die Bedeutung der „autonomen“ Auslegung wird bisweilen für so wichtig gehalten, dass sogar das RegelAusnahme-Verhältnis von Art. 3 Abs. 2 OECD-MA umgedreht wird, obwohl die Regelung nach ihrem Wortlaut unter der Voraussetzung, dass der „Zusammenhang nicht anderes erfordert“, für im Abkommen nicht definierte Begriffe das Verständnis im innerstaatlichem Recht für maßgeblich hält. Zur Problematik s. Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl., Grundlagen, Rn. 113 f, mit einer Präferenz zu Gunsten der autonomen Auslegung; insoweit eher kritisch Dürrschmidt, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl., Art. 3, Rn. 118. 225 Zur Maßgeblichkeit des Regelungsziels der Ausgangsnorm s. II. 3. d).
4. Insbesondere Verweisungen unter Beteiligung von Rechtsnormen
59
etwas Anderes geregelt ist. Daran ändert es auch nichts, dass innerstaatliches und Völkervertragsrecht zwar „selbständige Rechtskreise“226, wegen der modifizierenden Wirkung des Völkervertragsrechts227 gleichwohl aber aufeinander bezogen sind. Die konzeptionelle Vorrangigkeit des Regelungsziels einer an einer Verweisung beteiligten Rechtsnorm entgegen der ausdrücklichen Regelung wäre auch damit nur schwer vereinbar.
226
Vgl. Gosch, ISR 2013, 87 (87); ferner Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl., Grundlagen, Rn. 66; allgemein dazu Kunig, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, Zweiter Abschnitt, Rn. 6. 227 S. oben im Text.
III. Zuständigkeits- und sonstige Verfahrensfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm 1. Grundlagen der Zuständigkeits- und sonstigen Verfahrensfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm Von den materiell-rechtlichen Auswirkungen von Verweisungen auf die Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm1 sind Zuständigkeits- und sonstige Verfahrensfragen bei ihrer Anwendung zu unterscheiden. Deren gesonderte Behandlung nach Überlegungen zu materiell-rechtlichen Auswirkungen von Verweisungen mag zunächst erstaunen, ist doch das Verfahrensrecht „dienendes“2 Recht, das lediglich den Vollzug des materiellen Rechts ermöglichen soll, ohne dabei seinen Inhalt zu beeinflussen. Eine solche Einschätzung könnte auf der Annahme beruhen, dass Rechtsnormen und ihre Tatbestandsmerkmale „eindeutig“3 sind oder nur auf eine Weise verstanden werden können. Jedoch fehlt es häufig an einer solchen Eindeutigkeit4, so dass sich der Rechtsanwender „für eine von mehreren Bedeutungen entscheidet“5. Dies entspricht auch der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das der Auslegung des (Verfassungs-)Rechts „den Charakter eines Diskurses“ zumisst, „in dem auch bei methodisch einwandfreier Arbeit nicht absolut richtige, unter Fachkundigen nicht bezweifelbare Aussagen dargeboten werden, sondern Gründe geltend gemacht, andere Gründe dagegengestellt werden und schließlich die besseren Gründe den Ausschlag geben sollen“6. Dementsprechend wird auch „die Begründung, mit welcher der Interpret eine bestimmte Auslegung wählt, […] andere Auslegungsmöglichkeiten oft nicht [ausschließen]“7. Dies erklärt, warum verschiedene Gesetzesinterpreten aus Wissenschaft und Praxis zu unter1
S. II. Zu dieser Funktion s. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 511 f.; ferner Dürrschmidt/Friedrich-Vache, DStR 2005, 1515 (1515, 1517). 3 Für ein Beispiel einer solchen Annahme s. BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1978, 1 BvR 84/74, BVerfGE 49, 304 (318). 4 S. II. 2. b), im Zusammenhang mit der Feststellung der Existenz einer Verweisung durch Auslegung der Ausgangsnorm, auch mit Nachweisen. 5 Vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 Rn. 215 (Lfg. 127; Stand: 10/2011); ferner Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 133 ff. 6 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 05. 04. 1990, 2 BvR 413/88, BVerfGE 82, 30 (38 f.). 7 Vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 40. 2
1. Grundlagen der Zuständigkeits- und sonstigen Verfahrensfragen
61
schiedlichen, trotzdem aber zumindest „vertretbaren Interpretationen“8 für dieselbe Rechtsnorm mit ihren Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen kommen und dabei gleichwohl einen Anspruch auf Richtigkeit haben können9. Verfassungswidrig ist es nur, wenn sich die Anwendung freiheitsbeschränkender Gesetze nicht mehr in den „Grenzen vertretbarer Auslegung […] bewegt“10. Auch wenn diese Überlegungen natürliche Personen („Fachkundige“, „Interpret“, etc.) im Blick zu haben scheinen, gelten sie gleichermaßen für die Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen durch Behörden und ihre Überprüfung durch Gerichte, denn diese können nur durch dafür bestimmte natürliche Personen (z. B. Beamte, Richter, etc.) handeln11. In der Folge kann trotz des „dienenden“ Charakters des Verfahrensrechts die rechtspraktisch maßgebliche Auslegung insbesondere durch Zuständigkeitsregeln inhaltlich beeinflusst werden12, weil für die Gesetzesanwendung in Betracht kommende Behörden durch die für sie handelnden natürlichen Personen eine unterschiedliche Auslegung vornehmen können. Insbesondere können durch Einzelfallentscheidungen auch verwaltungsinterne Verwaltungsvorschriften13 übergeordneter Behörden inhaltlich überlagert werden, sofern ihnen nicht ausnahmsweise (mittelbare) Außenwirkung zukommt. Selbst dann aber kann eine behördliche Einzelfallentscheidung trotz vermeintlicher Rechtswidrigkeit bis zu einer anderslautenden gerichtlichen Entscheidung wirksam sein, etwa im Falle von Verwaltungsakten (VA)14. Die für die Rechtspraxis schon aus Gründen der Rechtssicherheit zwingend erforderliche Festlegung auf eine bestimmte Gesetzesauslegung muss durch Zuständigkeits- und sonstige Verfahrensregelungen ermöglicht werden. Diese sind die erste Antwort auf die alte und allgemeine Frage nach der Entscheidungskompetenz („Quis iudicabit?“; „Wer wird entscheiden?“), die eng mit der Frage nach der Interpretationskompetenz („Quis interpretabitur?“; „Wer wird auslegen?“) zusammenhängt15. 8
Dazu s. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 51 f., 81 ff. Vgl. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 3. Aufl. 1996, S. 34, 264 ff., 351 ff., 410, 414, 428 f.; T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 1, Rn. 24; ferner Fekonja, BaFin-Verlautbarungen, 2014, S. 98, speziell zum Finanzdienstleistungsaufsichtsrecht. 10 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 25. 01. 2011, 1 BvR 918/10, BVerfGE 128, 193 (209); Beschl. v. 31. 10. 2016, 1 BvR 871/13, 1 BvR 1833/13, NVwZ 2017, 617 (617), HFR 2017, 172 (172), Rn. 17. 11 Vgl. G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905, Nachdruck 1963, S. 136. 12 Dieser Einfluss ist nicht nur Folge des „fachlich vorgebildete[n] und sachkundige[n] Personal[s] und [der] erforderliche[n] Ausstattung“ der zuständigen Behörde. Dazu s. Maurer/ Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 21, Rn. 46. Er beruht auch darauf, dass jeder Amtswalter ein Gesetz unterschiedlich interpretieren kann. 13 Dazu s. III. 2. c) aa). 14 Dazu s. III. 2. c) aa). 15 Allgemein dazu s. C. Schmitt, Der Staat 4 (1965), 51 (64 f.), unter Auseinandersetzung mit den insbesondere von Hobbes im „Leviathan“ aufgeworfenen und behandelten Fragen; 9
62
III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
Dementsprechend muss die im gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren erfolgte und aus ihrer Sicht „richtig[e]“16 Auslegung von Rechtsnormen durch die zuständigen Behörden und Gerichte17 im gesetzlich geregelten Rahmen für die jeweilige Einzelfallentscheidung verbindlich sein. Zuständigkeitsregelungen bilden deshalb auch „Grund und Grenze“ des Verwaltungshandelns18 und ermöglichen nebenbei demokratische Legitimation19. In der Folge ist mit ihnen auch die Erwartung verbunden, dass gerade das zuständige Organ bzw. die zuständige Behörde von den ihnen „zugewiesenen Befugnissen Gebrauch machen darf und soll“20, nicht aber andere, unzuständige Behörden21. Bei Verweisungen ist die Problematik deutlich komplexer, wenn mehrere Rechtsnormen zusammenwirken und für den Vollzug verschiedene Behörden (2.) bzw. für dessen Überprüfung verschiedene Gerichte (3.) zuständig sind. Für die Rechtspraxis könnte dies als unproblematisch angesehen werden, wenn entsprechend der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des Regelungsziels der Ausgangsnorm22 auch hinsichtlich der Bezugsnorm die Auslegung der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm bzw. der Gerichte mit Zuständigkeit für deren Überprüfung maßgeblich wäre. Dies kann jedoch nur solange richtig sein, als nicht Entscheidungen der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm bzw. der Gerichte mit Zuständigkeit für deren Überprüfung vorhanden sind, die eine Verbindlichkeit auch für die Anwendung der Ausgangsnorm durch die dafür zuständige Behörde bzw. für deren Überprüfung durch die dafür zuständigen Gerichte beanspruchen. Damit kann die Antwort auf die Frage nach „Ob“ und „Wie“ verweisungsbedingter Besonderheiten der Auslegung von Rechtsnormen, etwa die Existenz von Verweisungen23 oder die Bedeutung des Regelungsziels von Ausgangsund Bezugsnorm bei der Auslegung der jeweils anderen Rechtsnorm24, rechtsferner Müller-Franken, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt (Hrsg.), Staat im Wort, Festschrift für Josef Isensee, 2007, S. 229 (231); sowie Isensee, JZ 1996, 1085 (1085 f.). 16 Vgl. Fekonja, BaFin-Verlautbarungen, 2014, S. 98, speziell zum Finanzdienstleistungsaufsichtsrecht. 17 Zum Verhältnis von behördlichen und gerichtlichen Einzelfallentscheidungen s. III. 3. a). 18 Vgl. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 21, Rn. 52; ferner Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 8, Rn. 37; Drüen, Ubg 2016, 505 (507 f.). 19 Vgl. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht, Band 2, 7. Aufl. 2010, § 80, Rn. 142 ff.; § 83, Rn. 2, 150 ff.; § 84, Rn. 1; ferner Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7, Rn. 28. 20 Vgl. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht, Band 2, 7. Aufl. 2010, § 83, Rn. 1, 3 f. 21 Vgl. Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl. 2012, § 14, Rn. 47; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 21, Rn. 52. 22 Dazu s. II. 3. d). 23 Dazu s. II. 2. 24 Dazu s. II. 3. d).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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praktisch von Zuständigkeits- und sonstigen Verfahrensregelungen überlagert sein, insbesondere, wenn für ihren Vollzug und dessen Überprüfung verschiedene Behörden und Gerichte zuständig sind25. Dies gilt zumal bei Auslegungs- und Anwendungskonflikten zwischen den zuständigen Behörden bzw. Gerichten, für deren Lösung das Verfahrensrecht keine speziellen Mechanismen26 vorsieht. Die sich stellenden Fragen scheinen aus dem Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht bekannt zu sein. Im Hinblick auf Verweisungen haben sie jedoch eine besondere Relevanz. Zudem kann sich erweisen, dass sie gerade Folge von Verweisungen im materiellen Recht sind.
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden a) Formen behördlichen Handelns mit Relevanz für die Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm Im horizontal gewaltengeteilten Staat ist der Vollzug abstrakt-genereller Gesetze wichtige Aufgabe der exekutiven Staatsgewalt (s. Regelungen zur vertikalen Abgrenzung der Vollzugszuständigkeit im Bundesstaat in Art. 83 ff., Art. 86 GG27; ferner s. z. B. Art. 55 Nr. 2 S. 1 BV, Art. 56 Abs. 1 NV, zur Länderebene)28. Er erfolgt im Einzelfall unter Einbeziehung der diesbezüglich bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten. Mit Blick auf das aus dem allgemeinen Gleichheitssatz
25
Die Formel des „Verfahrensrechts als dienendes Recht“ gilt unabhängig von allgemeinen Auslegungsschwierigkeiten ohnehin nicht bei Beurteilungs- und Ermessensspielräumen mit der Folge, dass insoweit die Bestimmung der zuständigen Behörde das behördliche Handeln im Einzelfall besonders weitreichend beeinflussen kann. Vgl. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 511 f. 26 Dagegen gibt es im zwischenstaatlichen Bereich nach Art. 25 OECD-MA entsprechenden Regelungen Verständigungs- und Schiedsverfahren zwischen den Finanzbehörden zur Vermeidung oder Beseitigung von Auslegungs- und Anwendungskonflikten. Dazu s. OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital (Full Version), 2019, Commentary on Article 25, Rn. 1 ff.; Eilers, in: Drüen/Kaeser/Schwenke/Wassermeyer (Hrsg.), Wassermeyer, DBA, Loseblatt, Art. 25, Rn. 1 (Lfg. 104; Stand: 05/2008); Lehner, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl., Grundlagen, Rn. 2. Der wesentliche Unterschied zu Auslegungs- und Anwendungskonflikten im Falle von Verweisungen von Rechtsnormen auf andere Rechtsnormen ist, dass hier dieselben Regelungen von den beteiligten Behörden anzuwenden sind, während es bei Verweisungen hinsichtlich der Rechtsfolgen um unterschiedliche Regelungen geht und lediglich auf Tatbestandsebene verweisungsbedingte Überschneidungen existieren. 27 Vgl. Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7, Rn. 22. 28 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 530; ferner Lindner, in: Lindner/Möstl/Wolff (Hrsg.), Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 55, Rn. 24 ff., speziell zu Art. 55 Nr. 2 S. 1 BV.
64
III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Erfordernis der Rechtsanwendungsgleichheit29 kann es angezeigt sein, die Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen in verwaltungsinternen abstrakt-generellen Verwaltungsvorschriften zu „regeln“ (b)), die dann auch Grundlage für behördliche Einzelfallentscheidungen (c)) sein können, aber nicht müssen.
b) Abstrakt-generelle Verwaltungsvorschriften aa) Rechtsnatur von Verwaltungsvorschriften und maßgebliches Rechtsverständnis Abstrakt-generelle30 Verwaltungsvorschriften31 sind auf der Grundlage der Organisations- und Weisungskompetenz der übergeordneten Verwaltungsbehörde32
29 Dazu s. Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, speziell aus steuerrechtlicher Perspektive. 30 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 02. 03. 1999, 2 BvF 1/94, BVerfGE 100, 249 (258), zu Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG („verbindliche Aussagen“ für die „abstrakte Vielheit von Sachverhalten“); Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2, Rn. 68; Erichsen/Klüsche, Jura 2000, 540 (540); Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 34, Rn. 37; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 1; Mehde, VVDStRL 71 (2011), 418 (429); Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, 314 (314); ferner Gurlit, ZHR 177 (2013), 862 (895), speziell zu „Rundschreiben“ der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). 31 Zu weiteren Bezeichnungen s. Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2, Rn. 68; Erichsen/Klüsche, Jura 2000, 540 (540); Hill/ Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 34, Rn. 37; Mehde, VVDStRL 71 (2011), 418 (432, 434); T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 3, Rn. 54; Möstl, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 20, Rn. 16; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 550 ff.; Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, 314 (314); ferner Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 Rn. 80 (Lfg. 127; Stand: 10/2011), insbesondere für steuerrechtliche Verwaltungsvorschriften. 32 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 07. 1969, 2 BvF 1/64, BVerfGE 26, 338 (396); Beschl. v. 31. 05. 1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (227); Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2, Rn. 69; Erichsen/Klüsche, Jura 2000, 540 (540); Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 34, Rn. 37; Jarass, JuS 1999, 105 (106); Klein, in: Doehring (Hrsg.), Festgabe für Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, 1967, S. 163 (166, 174); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 1; Voßkuhle/ Kaufhold, JuS 2016, 314 (314); ferner Michael, VersR 2010, 141 (142), speziell zu Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Rundschreiben 10/2012 (BA) v. 14. 12. 2012 (Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an das Risikomanagement; MaRisk); dieses Rundschreiben wurde mittelerweile ersetzt durch BaFin, Rundschreiben 09/2017 (BA) v. 27. 10. 2017 (Mindestanforderungen an das Risikomanagement; MaRisk).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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oder des Behördenleiters33 und der der „Exekutive inhärent[en]“ Befugnis zu ihrem Erlass auch ohne „besondere gesetzliche Ermächtigung“34 ein wichtiges Instrument zur Steuerung von Verwaltungshandeln35 und zur Sicherstellung der gleichmäßigen und einheitlichen Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen36 durch eine Behörde oder ihr nachgeordnete Behörden37, wenn sie „verhaltenslenkend“38, „norminterpretierend“39 oder „ermessenslenkend“40 sind. Sie sind in vielen Rechtsbereichen wie im Steuer-41 und Sozialrecht42 wegen der Komplexität der ansonsten häufig 33 Vgl. Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 34, Rn. 37; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 1. 34 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 07. 1969, 2 BvF 1/64, BVerfGE 26, 338 (396); Beschl. v. 02. 03. 1999, 2 BvF 1/94, BVerfGE 100, 249 (261); Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 34, Rn. 37; Klein, in: Doehring (Hrsg.), Festgabe für Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, 1967, S. 163 (174); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 1, 50; Möstl, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 19, Rn, 8; § 20, Rn. 18; Schenke, in: Oberndorfer/Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift zum 60. Geburtstag von Ludwig Fröhler, 1980, S. 87 (108); ferner Seer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK, GG, Loseblatt, Art. 108, Rn. 177 (Viertbearbeitung; Stand: 04/2011), speziell zu Verwaltungsvorschriften auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 7 GG. 35 Vgl. Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2, Rn. 68; Mehde, VVDStRL 71 (2011), 418 (428); Stelkens, VVDStRL 71 (2011), 369 (405); Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, 314 (314). 36 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (227); Beschl. v. 31. 05. 2011, 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1 (21); Bachof, in: Bachof/Draht/Gönnenwein/Walz (Hrsg.), Forschungen und Berichte aus dem o¨ ffentlichen Recht. Geda¨ chtnisschrift fu¨ r Walter Jellinek, 12. Juli 1885 – 9. Juni 1955, S. 287 (295); Klein, in: Doehring (Hrsg.), Festgabe für Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, 1967, S. 163 (166); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 1, 11 („Einheitlichkeit“); ferner Michael, VersR 2010, 141 (142), speziell zu Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Rundschreiben 10/2012 (BA) v. 14. 12. 2012 (Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an das Risikomanagement; MaRisk). 37 Vgl. Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2, Rn. 68; Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 34, Rn. 37; Klein, in: Doehring (Hrsg.), Festgabe für Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, 1967, S. 163 (166, 172, 174); Maurer/ Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 1. 38 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (227); Maurer/ Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 8. 39 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (227); Klein, in: Doehring (Hrsg.), Festgabe für Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, 1967, S. 163 (166); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 11. 40 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (227); Maurer/ Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 13. 41 Zur Komplexität des Steuerrechts s. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 1, Rn. 28. 42 Zur Komplexität des Sozialrechts s. Becker/Kingreen/Rixen, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3, 3. Aufl. 2013, § 75, Rn. 1.
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
nicht vollziehbaren gesetzlichen Regelungen unentbehrlich43, aber auch in anderen Rechtsbereichen wie dem Finanzdienstleistungsaufsichtsrecht44 zu finden. Ihre grundsätzlich verwaltungsinterne Wirkung45 ermöglicht nur ausnahmsweise eine (mittelbare) Außenwirkung (gegenüber „Bürgern“), nämlich im Falle einer gesetzlichen Anordnung46 oder im Rahmen der aus dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Selbstbindung der Verwaltung47. Als verwaltungsinterne Regelungen sind Verwaltungsvorschriften weder Parlamentsgesetz noch darauf gestützte Rechtsverordnung48. Sie können deshalb wegen des grundrechtbzw. rechtsstaatlichen Vorbehalts des Gesetzes keine Rechtsgrundlage für Grundrechtseingriffe49 sein und wegen der aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Gesetzmäßigkeit der Verwaltung keine von gesetzlichen Regelungen abweichende Verwaltungspraxis schaffen50. Diese wohlbekannten Eigenschaften von Verwaltungsvor43
Vgl. Mehde, VVDStRL 71 (2011), 418 (432 ff.); Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 550 ff.; ferner Fekonja, BaFin-Verlautbarungen, 2014, S. 24. 44 Vgl. Fekonja, BaFin-Verlautbarungen, 2014, S. 24; T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 3, Rn. 54. 45 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (227); Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2, Rn. 70; Klein, in: Doehring (Hrsg.), Festgabe für Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, 1967, S. 163 (166, 175); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 4, Rn. 43; § 24, Rn. 1, 3; ferner Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 Rn. 80 (Lfg. 127; Stand: 10/2011), für Verwaltungsvorschriften der Finanzbehörden; Gurlit, ZHR 177 (2013), 862 (895), speziell zu „Rundschreiben“ der BaFin. 46 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 2011, 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1 (21). Dies kann insbesondere bei „normkonkretisierenden“ Verwaltungsvorschriften der Fall sein. Zu diesen, insbesondere zu Beispielen, s. unten im Text und Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 12. 47 S. III. 2. b) cc). 48 Zur Abgrenzung s. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 2 f. 49 Vgl. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 14; Möstl, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 20, Rn. 19; Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, 314 (315). Im Bereich der Leistungsverwaltung können „gesetzesvertretende“ Verwaltungsvorschriften dagegen grundsätzlich Rechtsgrundlage sein. Dazu s. Erichsen/Klüsche, Jura 2000, 540 (541 f.); Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 34, Rn. 43; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 14. 50 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 28. 10. 1975, 2 BvR 883/73, BVerfGE 40, 237 (247); Voßkuhle/ Kaufhold, JuS 2016, 314 (315); ebenso Jarass, JuS 1999, 105 (106); Mehde, VVDStRL 71 (2011), 418 (429); Möstl, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 20, Rn. 17; ferner Fekonja, BaFin-Verlautbarungen, 2014, S. 192, speziell zu BaFinVerlautbarungen. In jüngerer Zeit hat dies der Große Senat des BFH in seiner Entscheidung zum sog. Sanierungserlass (s. BMF, Schreiben v. 27. 03. 2003, IV A 6-S 2140 – 8/03, BStBl, I 2003, 240; ergänzt durch BMF, Schreiben v. 22. 12. 2009, IV C 6-S 2140/07/10001 – 01, BStBl. I 2010, 18) bestätigt, der gestützt auf die gesetzlichen Regelungen über Billigkeitsmaßnahmen in §§ 163, 227 AO allgemeine Regelungen zur ertrag- und gewerbesteuerrechtlichen Behandlung von Gewinnen aus dem Erlass von Schulden durch Dritte aufstellte. S. BFH, Beschl. v. 28. 11. 2016, GrS 1/15, BFHE 255, 482 (497), BStBl. II 2017, 393 (400), Rn. 89 ff. Auch die Über-
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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schriften haben auch Bedeutung für Verweisungen, denn Verwaltungsvorschriften für die Auslegung und Anwendung der Bezugsnorm können weder die Bedingungen für Grundrechtseingriffe durch die oder auf Grundlage der um die Bezugsnorm ergänzte(n) Ausgangsnorm modifizieren noch eine von dieser abweichende Verwaltungspraxis schaffen. Dasselbe gilt für Verwaltungsvorschriften zur Auslegung und Anwendung der Ausgangsnorm, die auch Regelungen zur Auslegung der Bezugsnorm enthalten können, vor allem dann, wenn diese für die Anwendung der Ausgangsnorm zwingend notwendig sind. Auch die Bezugsnorm kann nicht entsprechend durch Verwaltungsvorschriften zur Auslegung und Anwendung der Ausgangsnorm modifiziert werden. Innerhalb dieser verfassungsrechtlichen Grenzen stellt sich freilich die Frage, ob die für die Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm jeweils zuständigen Behörden an Verwaltungsvorschriften zur Auslegung der jeweils anderen Rechtsnorm gebunden sind. Insoweit ist zwischen der Wirkung nach innen (bb)) und außen (cc)) zu unterscheiden. Von „norminterpretierenden“ Verwaltungsvorschriften ist die veröffentlichte Rechtsauffassung privatrechtlich verfasster Rechtsträger zur Auslegung von Rechtsnormen abzugrenzen51, die für Behörden oder Gerichte mangels hoheitlicher Regelungsbefugnisse der Privatrechtsträger von vornherein nicht bindend sein kann52. Dies gilt insbesondere für Verlautbarungen des „Institut der Wirtschaftsprüfer e.V.“ (IDW) als eingetragenem Verein53, etwa zu den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)54, die für die steuerrechtliche Gewinnermittlung (§ 140 AO, § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1 S. 1 EStG)55 und die Anforderungen an den Rechenschaftsbericht politischer Parteien (§ 24 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 PartG)56 relevant sein können. Damit stellt sich insoweit auch nicht die Frage nach einer behördenübergreifenden Bindungswirkung verwaltungsinterner Verwaltungsvorschriften. Ungeachtet ihrer Unverbindlichkeit kann die veröffentlichte Rechtsauffassung von privatrechtlich verfassten Rechtsträgern aber Rechts-
gangsregelung (BMF, Schreiben v. 27. 04. 2017, IV C 6-S 2140/13/10003, BStBl. I 2017, 741; Schreiben v. 29. 03. 2018, IV C 6-S 2140/13/10003, BStBl. I 2018, 588) war nicht rechtmäßig. S. BFH, Beschl. v. 08. 05. 2018, VIII B 124/17, BFH/NV 2018, 822 (822), Rn. 7, 14. Mittlerweile gibt es in § 3a EStG, ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 1 KStG, und in § 7b GewStG eine gesetzliche Regelung. 51 Zu „normkonkretisierenden“ Verwaltungsvorschriften s. unten im Text. 52 Ferner zu „Normen“ privater Rechtsträger s. I. 53 S. AG Düsseldorf, Vereinsregister VR 3850. 54 Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07. 03. 2018, OVG 3 B 26.17, juris, Rn. 22, m.w.N. (Revision zugelassen); Rixen, in: Kersten/Rixen (Hrsg.), Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 24, Rn. 19 ff., jeweils zu IDW-Verlautbarungen im Hinblick auf die Veweisung auf handelsrechtliche Rechnungslegungsvorschriften in § 24 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 PartG. 55 S. II. 2. b) und II. 2. c). 56 S. II. 2. c).
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
erkenntnisquelle sein, wie etwa IDW-Verlautbarungen für Behörden57 und Gerichte58 insbesondere hinsichtlich der Bestimmung der GoB59. Eine Bindung an die Rechtsauffassung solcher Rechtsträger60 könnte aber bestehen, wenn wie für die Grundsätze der Konzernrechnungslegung in Gestalt der „Deutsche[n] Rechnungslegungsstandards“ (DRS) des eingetragenen Vereins61 „Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V.“ (DRSC) ein vom Gesetz (im Beispiel in § 342 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB) vorgesehener Vertrag des privatrechtlich organisierten Rechtsträgers mit dem Staat existiert62, in dem Ersterer anerkannt wird und in dem ihm Aufgaben übertragen werden, die mit der möglicherweise relevanten Rechtsauffassung im Zusammenhang stehen. Für die hier interessierende Thematik von Verweisungen von Rechtsnormen auf andere Rechtsnormen ist dies jedoch unerheblich, wenn insoweit keine Rechtsnormen betroffen sind, die Ausgangs- oder Bezugsnorm sind. So betreffen etwa die beispielhaft genannten DRS des DRSC mangels Steuersubjekteigenschaft eines „Konzerns“63 zumindest keine handelsrechtliche Bezugsnorm einer steuerrechtlichen Ausgangsnorm. Deshalb kann hier auch offenbleiben, ob die DRS über die bloße „Norminterpretation“ hinausgehen und möglicherweise sogar selbst Rechtsnorm bzw. zumindest Bezugsnorm sein könnten64. Davon zu unterscheiden ist die ausdrückliche Bezugnahme in § 4 h Abs. 2 S. 1 Buchst. c) S. 8 EStG auf die vom „International Accounting Standards Board“ (IASB) entwickelten und verabschiedeten „International Financial Reporting
57 Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Vfg. v. 12. 05. 2016, S 2742 – 2016/0009-St 131, DStR 2016, 1816, mittlerweile aufgehoben durch OFD Nordrhein-Westfalen, Vfg. v. 19. 07. 2018, S 2742 – 2016/0009 St 131. 58 Allgemein dazu s. BFH, Urt. v. 02. 12. 2015, I R 83/13, BFHE 253, 104 (111), BStBl. II 2016, 831 (834), Rn. 24, 29, zu sog. Bewertungseinheiten; BGH, Beschl. v. 29. 09. 2015, II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 (125, 132 f.), zur Unternehmensbewertung im Rahmen eines Spruchverfahrens; Urt. v. 08. 11. 2017, XII ZR 108/16, NJW 2018, 61 (62 f.), zur Unternehmensbewertung für Zwecke des Zugewinnausgleichs. 59 Speziell dazu s. BFH, Urt. v. 02. 07. 2014, I R 46/12, BFHE 246, 339 (339 ff.), BStBl. II 2014, 979 (979 ff.), zu sog. Ansammlungsrückstellungen; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07. 03. 2018, OVG 3 B 26.17, juris, Rn. 22, m.w.N., zu § 24 Abs. 1 S. 2 PartG (Revision zugelassen); Rixen, in: Kersten/Rixen (Hrsg.), Parteiengesetz und Europäisches Parteienrecht, 2009, § 24, Rn. 20. 60 Vgl. T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 3, Rn. 62 („abgemilderte Form der Bindungswirkung“). 61 S. AG Berlin-Charlottenburg, Vereinsregister VR 18526 Nz. 62 Zu diesem s. Morck/Bach, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen (Hrsg.), HGB, 9. Aufl. 2019, § 342, Rn. 2. 63 Vgl. Kessler, in: Kessler/Kröner/Köhler (Hrsg.), Konzernsteuerrecht, 3. Aufl. 2018, § 1, Rn. 1; Prinz, in: Prinz/Witt (Hrsg.), Steuerliche Organschaft, 2. Aufl. 2019, Rn. 1.1. Die Regelungen über die steuerrechtliche Organschaft ändern daran nichts. Vgl. Prinz, in: Prinz/Witt (Hrsg.), Steuerliche Organschaft, 2. Aufl. 2019, Rn. 1.2, zum materiellen Recht; ferner Drüen, in: Prinz/Witt (Hrsg.), Steuerliche Organschaft, 2. Aufl. 2019, Rn. 4.11 ff., insbesondere zum Verfahrensrecht. 64 Allgemein zur Problematik von Verweisungen von „Normen“ privater Rechtsträger s. I.
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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Standards“ (IFRS)65 für die Durchführung des Eigenkapitalvergleichs im Rahmen der Ausnahme zur sog. Zinsschranke aus § 4 h Abs. 1 S. 1 EStG (steuerrechtliche Abzugsbeschränkung für Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben). Insoweit handelt es sich wohl um eine Verweisung von einer Ausgangsnorm auf eine Bezugsnorm, die trotz privatrechtlicher Organisation des IASB66 unter dem Gesichtspunkt privatrechtlich verfasster Rechtsträger als „Normsetzer“ unproblematisch sein dürfte, wenn die IFRS aufgrund einer nach Art. 288 Abs. 2 S. 2 AEUV verbindlichen und unmittelbar geltenden Verordnung67 der Europäischen Union (EU) unabhängig von der Verweisung Rechtsnormcharakter haben68. Für den Inhalt von Verwaltungsvorschriften ist das Rechtsverständnis der erlassenden Behörde maßgeblich. In Verwaltungsvorschriften zur Anwendung der Bezugsnorm finden sich regelmäßig keine „Regelungen“ zur Auslegung der Ausgangsnorm, wenn die erlassende Behörde nicht auch für ihre Anwendung zuständig ist und es – wie häufig – auch ansonsten keine Veranlassung zu „Regelungen“ zur Auslegung der Ausgangnorm gibt69. Umgekehrt sind in Verwaltungsvorschriften zur Auslegung der Ausgangsnorm auch „Regelungen“ zur Auslegung der Bezugsnorm denkbar und ggf. erforderlich70. Diese können freilich auch in einer Verweisung auf Verwaltungsvorschriften zur Auslegung der Bezugsnorm bestehen, womit sich die Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm die Rechtsauf65 66
Rn. 1. 67
Zu dieser Aufgabe s. www.ifrs.org (15.06.2019). Vgl. Morck/Bach, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen (Hrsg.), HGB, 9. Aufl. 2019, § 342,
Dazu s. Verordnung Nr. 1126/2008 der Kommission vom 03. 11. 2008 zur Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/ 2002 des Europäischen Parlaments und des Rates, Abl. L 320 v. 29. 11. 2008, S. 1, die regelmäßig geändert wird. 68 So wohl auch Seiler, in: P. Kirchhof (Hrsg.), EStG, 18. Aufl. 2019, § 4 h, Rn. 49. Nicht ganz so unproblematisch könnte es sein, wenn nach § 4 h Abs. 2 S. 1 Buchst. c) S. 9 EStG die „Abschlüsse nach dem Handelsrecht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verwendet werden“ (Halbs. 1) oder die „Generally Accepted Accounting Principles der Vereinigten Staaten von Amerika (US-GAAP)“ (Halbs. 2). Ob die in § 4 h Abs. 2 S. 1 Buchst. c) S. 10 EStG enthaltene Anforderung, wonach „der Konzernabschluss […] den Anforderungen an die handelsrechtliche Konzernrechnungslegung genügen oder die Voraussetzungen erfüllen [muss], unter denen ein Abschluss nach den §§ 291 und 292 des Handelsgesetzbuchs befreiende Wirkung hätte“, an den Bedenken etwas ändert, muss hier offengelassen werden. 69 Anderes vermuten Patzner/Döser, in: Patzner/Kempf (Hrsg.), NomosKommentar, InvStG, 3. Aufl. 2015, InvStG § 1, Rn. 30, für die Verweisung in § 1 InvStG a.F. auf das aufsichtsrechtliche Investmentgesetz (InvG) bzw. Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), für dessen Auslegung sich die BaFin „nicht ohne gute Gründe mit einer etwaigen Auslegung der Tatbestandsmerkmale durch ein Finanzgericht oder durch das BMF in Widerspruch setzen wird“. Zu dieser womöglich tatsächlich zu beobachtenden Praxis s. Berger, in: Berger/Steck/Lübbehusen (Hrsg.), InvG/InvStG, 2010, § 1 InvStG, Rn. 26, zu § 1 InvStG a.F. 70 Dies gilt beispielsweise für die sozialrechtlichen Regelungen des SGB VIII, die wegen der inhaltsbezogenen Verweisung in § 3 Nr. 11 S. 1 EStG (s. II. 2. c)) auch von Finanzbehörden auszulegen und anzuwenden sind. Vgl. BMF, Schreiben v. 22. 10. 2018, IV C 3-S 2342/07/ 0001:138, BStBl. I 2018, 1109.
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
fassung der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm zu eigen macht. Dementsprechend ist die Praxis71 im sog. Investmentsteuererlass des Bundesfinanzministeriums (BMF) zur Anwendung des Investmentsteuergesetzes mit Verweisungen auf Verwaltungsvorschriften der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)72 zur Anwendung des Aufsichtsrechts als pragmatische Vorgehensweise unbedenklich, solange dadurch die Erreichung der Regelungsziele der Ausgangsnorm nicht beeinträchtigt wird. Die hier behandelte Problematik der Bindung an Verwaltungsvorschriften zur Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm ist von gesetzlichen Verweisungen auf, insbesondere „normkonkretisierende“73, Verwaltungsschriften74 zu unterscheiden. Lehrbuchbeispiel75 ist die Verweisung in § 6 Abs. 3 BImSchG auf die „Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft)“, die eine zusätzliche gesetzliche Grundlage in § 48 BImSchG hat76. Weitere Beispiele finden sich in § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG mit einer Verweisung auf die „Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297)“ über einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst und die „Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778)“ über einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst, aber auch außerhalb des „klassischen“ öffentlichen Rechts in § 7 Abs. 4 S. 4 bzw. § 32 Abs. 2 S. 4 WEG mit der Verweisung auf die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen gemäß § 7 Abs. 4 71 Ferner zu dieser Praxis s. II. 3. d), im Zusammenhang mit der Frage nach der Bedeutung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm. 72 Zur – nicht unumstrittenen – Einordnung von „Rundschreiben“ der BaFin als Verwaltungsvorschriften in Abgrenzung zu Verwaltungsakten (VA) in Gestalt von Allgemeinverfügungen im Sinne des § 35 S. 1 und 2 VwVfG s. Gurlit, ZHR 177 (2013), 862 (882 ff); Michael, VersR 2010, 141 (141 ff.), speziell zu Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Rundschreiben 10/2012 (BA) v. 14. 12. 2012 (Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an das Risikomanagement; MaRisk); ferner Ipsen, BB 1976, 281 (281 ff); Scholz, ZVersWiss 1984, 1 (9 f., 30 f.), jeweils zu „Rundschreiben“ des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen (BAA bzw. BAV) als einem Vorgänger der BaFin (s. § 1 Abs. 1 S. 1 FinDAG). 73 Zum Begriff s. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 12, 31; Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, 314 (316). 74 Dazu s. Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (37 ff.); Clemens, AöR 111 (1986), 63 (77 f.); sehr kritisch zur Verfassungsmäßigkeit Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 (404, 406 ff.). 75 Vgl. Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2, Rn. 68; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 12; ferner Erichsen/Klüsche, Jura 2000, 540 (547 f.); Jarass, JuS 1999, 105 (105, 108 ff.); T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 3, Rn. 56; Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, 314 (316). 76 Vgl. Baden, NJW 1979, 623 (626); Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2, Rn. 71; Schenke, NJW 1980, 743 (746); Schenke, in: Oberndorfer/Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift zum 60. Geburtstag von Ludwig Fröhler, 1980, S. 87 (87, 107).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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Nr. 2 und § 32 Abs. 2 Nr. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes vom 19. März 1974 (BAnz. Nr. 58 vom 23. März 1974)“77. Die Verweisung kann auch weniger spezifiziert sein, wenn beispielsweise § 44 Abs. 1 S. 3 EStG anordnet, dass bestimmte Steuerabzugsverpflichtete den (Kapitalertrag)Steuerabzug „unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung“ vornehmen müssen78. Auch Begriffe wie beispielsweise „Empfehlungen“ (z. B. in § 124 Abs. 4 S. 1, § 126 Abs. 1 S. 3, § 127 Abs. 1a, § 217 f Abs. 3 S. 2 SGB V) oder „Richtlinien“ (z. B. in § 31 Abs. 2 S. 2, § 41 Abs. 4 SGB VII) sind unspezifiziert, wenn sie noch zu erlassen sind, was an der wohl häufig vorzunehmenden Einordnung als „Verwaltungsvorschriften“ nichts ändert79. In den Beispielen ist die Verwaltungsvorschrift selbst „Bezugsnorm“, die im Falle einer gesetzlichen Grundlage nicht nur verwaltungsintern verbindlich ist80. Die im Folgenden81 behandelte Frage der Reichweite der Bindung stellt sich dagegen nur, wenn Verwaltungsvorschriften ohne eine solche gesetzliche Anordnung lediglich der Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm dienen. bb) Reichweite der Bindung an Verwaltungsvorschriften nach innen (1) Allgemeines Die als „verwaltungsintern“ beschriebene82 Wirkung bezieht sich zunächst nur auf das Verhältnis des „Bürgers“ zum Staat, für das Verwaltungsvorschriften grundsätzlich nur im Rahmen einer mittelbaren Außenwirkung83 verbindlich sein können. Ihre Zuordnung zum „staatlichen ,Innenraum‘“84 und das Merkmal „verwaltungsintern“ bedeuten jedoch nicht, dass automatisch sämtliche Behörden an erlassene Verwaltungsvorschriften gebunden sind, denn hinsichtlich ihrer Wirkung 77 S. II. 2. d), zur Frage des anwendbaren Rechts als Folge der Verwendung verfahrensrechtlicher Begriffe in § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 und § 32 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 WEG. 78 Kritisch zur Bindungswirkung für den Steuerabzugsverpflichteten Tappe, in: Schön/ Sternberg (Hrsg.), Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 77 (91 ff.). 79 So zu den im Text genannten Beispielen s. Mehde, VVDStRL 71 (2011), 418 (433), m.w.N., auch wenn diese teilweise nicht von der Behördenleitung erlassen werden, sondern von mit „Sachverständige[n] und Interessenvertreter[n]“ besetzten „Gremien“ (wie in den Beispielen der „Spitzenverband Bund der Krankenkassen“ bzw. die „Verbände der Unfallversicherungsträger“). 80 Zur Problematik s. Schenke, in: Oberndorfer/Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift zum 60. Geburtstag von Ludwig Fröhler, 1980, S. 87 (103 ff.). 81 S. III. 2. b) bb) und III. 2. b) cc). 82 S. III. 2. b) aa). 83 Dazu s. III. 2. b) cc). 84 Vgl. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 3; ferner Jarass, JuS 1999, 105 (105) („Innenbereich“); Klein, in: Doehring (Hrsg.), Festgabe für Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, 1967, S. 163 (172 f.) („Verbindlichkeit nur für Organe der Verwaltung“ und „Innenbereich“).
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
können „intrabehördliche“ (behördeninterne), „interbehördliche“ (behördenübergreifende) und „intersubjektive“ (rechtsträgerübergreifende) Verwaltungsvorschriften unterschieden werden85. Gerichte sind nach Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG ohnehin nur an das Gesetz gebunden, so dass Verwaltungsvorschriften grundsätzlich „Gegenstand, nicht jedoch Maßstab gerichtlicher Kontrolle“ sind86, wodurch Gerichte freilich nicht an der Übernahme der Rechtsauffassung der Verwaltung gehindert sind87. Die Frage der Bindung an „norminterpretierende“ Verwaltungsvorschriften ist an sich eine allgemeine Frage, die sich aber nicht nur stellt, wenn mehrere Behörden dieselbe durch Verwaltungsvorschriften interpretierte Rechtsnorm im Rahmen ihres eigenen Anwendungsbereichs anzuwenden haben, sondern vor allem auch, wenn diese als Bezugsnorm auch im Rahmen der Anwendung der Ausgangsnorm maßgeblich ist. (2) Mögliche Gründe für Bindung an Verwaltungsvorschriften anderer Behörden Für eine behörden- oder gar rechtsträgerübergreifende Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften scheinen gerade bei Verweisungen gute Gründe zu sprechen, insbesondere bei unterschiedlicher behördlicher Zuständigkeit für die Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm. Bei Außenverweisungen könnte zunächst die Sachnähe der für die Anwendung der Bezugsnorm zuständigen Behörde88 eine Bindung der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm an Verwaltungsvorschriften der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm nahelegen, wenn die Rechtsnormen verschiedenen Rechtsbereichen zuzuordnen sind. Die Sachnähe kommt beispielsweise hinsichtlich der „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ als Voraussetzung der Mitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer (IHK) nach § 2 Abs. 1 IHK-G in Betracht89. Dies kommt freilich nicht zum Tragen, wenn eine IHK mangels 85 Vgl. Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2, Rn. 69; Erichsen/Klüsche, Jura 2000, 540 (542 f.); Jarass, JuS 1999, 105 (105 ff.); Maurer/ Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 9, m.w.N. 86 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (227, 229); Beschl. v. 31. 05. 2011, 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1 (21); ferner Jarass, JuS 1999, 105 (107); sowie Gurlit, ZHR 177 (2013), 862 (895, 897), speziell zu „Rundschreiben“ der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin); Michael, VersR 2010, 141 (143), speziell zu Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Rundschreiben 10/2012 (BA) v. 14. 12. 2012 (Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an das Risikomanagement; MaRisk). 87 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (230). 88 Zu dieser in Bezug auf die Auslegung des aufsichtsrechtlichen Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) durch die BaFin für Zwecke der Anwendung der neuen Fassung des Investmentsteuergesetzes (InvStG n.F.) durch die Finanzbehörden s. Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2711), die insoweit freilich keine Bindungswirkung annehmen. 89 Vgl. BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1998, 1 C 19.97, NVwZ-RR 1999, 243 (243); Urt. v. 19. 01. 2005, 6 C 10/04, BVerwGE 122, 344 (347).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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tatsächlich durchgeführter „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ durch Finanzbehörden die Voraussetzungen der „Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach“ selbst zu prüfen hat90. Davon abzugrenzen sind Konstellationen geteilter Zuständigkeiten, die auch innerhalb eines Rechtsbereichs bei „mehrstufigen“ Verfahren beobachtet werden können. So werden im Gewerbesteuerrecht Gewerbesteuerbescheide grundsätzlich von den nach Art. 106 Abs. 6 S. 1 Hs. 1, S. 2, Art. 28 Abs. 2 S. 3 Hs. 2 GG91, § 16 Abs. 1 GewStG hebesatz- und aufkommensberechtigten Gemeinden erlassen (§ 1, § 16 Abs. 1 GewStG), jedoch „auf Grund“ des von den nach § 22 Abs. 1 S. 1 AO zuständigen Finanzbehörden der Länder festgesetzten Gewerbesteuermessbetrags im Sinne des § 14 S. 1 GewStG. Die Problematik der behördenübergreifenden Bindung an Verwaltungsvorschriften besteht hier nur bedingt, denn der Gewerbesteuermessbescheid ist nach § 184 Abs. 1 S. 1 und 4, § 182 Abs. 1 S. 1, § 171 Abs. 10 S. 1 AO verbindlicher Grundlagenbescheid92 für den Gewerbesteuerbescheid. In der Folge stellt sich die Frage nicht mehr, ob die Gemeinden an Verwaltungsvorschriften zu Rechtsnormen für die nicht in ihre Zuständigkeit fallende Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags gebunden sind, die insbesondere als Gewerbesteuerrichtlinien von der Bundesregierung auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 7 GG93 oder als gleichlautender94 oder koordinierter95 Erlass von den Finanzbehörden der Länder erlassen werden. Grund für die Zuständigkeitsregelung kann insoweit die Sachnähe der Finanzbehörden sein, die für einkommen- und körperschaftsteuerrechtliche Zwecke den nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) maßgeblichen Gewinn ermitteln, der aufgrund der Verweisung in § 7 S. 1 GewStG auch Ausgangspunkt für die Bestimmung des Gewerbeertrags als Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer (§ 6 GewStG) ist. Die Sachnähe kann auch bei Außenverweisungen zwischen Rechtsnormen ein und 90
S. II. 2. c). Zu den Anforderungen an die Ausgestaltung der „Steuerquelle“ s. Nierhaus/Engel, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 28, Rn. 87a. Die Gewerbesteuer erfüllt diese, jedoch sind durchaus Modifikationen oder eine Ersetzung durch eine andere Steuer mit diesen Merkmalen denkbar. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 27. 01. 2010, 2 BvR 2185/04, BVerfGE 125 141 (161). 92 Zur steuerrechtlichen Besonderheit von Grundlagenbescheiden im Verhältnis zum allgemeinen Verwaltungsrecht s. Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 35, Rn. 105. 93 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 5, Rn. 29; Seer, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 21, Rn. 451. 94 Für Beispiele s. Gleichlautender Erlass v. 02. 07. 2012 betr. Anwendungsfragen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nr. 1 GewStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl. I S. 1912, BStBl. I S. 630), BStBl. I 2012, 654; ferner Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 13. 03. 2019, Steuerliche Behandlung der Überlassung von (Elektro-)Fahrrädern, BStBl. I 2019, 216. 95 Für ein Beispiel außerhalb des Gewerbesteuerrechts s. Koordinierter Ländererlass v. 22. 06. 2017 zur Anwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes, BStBl. I 2017, 902, der von den zuständigen Behörden aller Länder mit Ausnahme des Freistaats Bayern erlassen wurde. 91
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
desselben, jedoch „zersplitterten“ und „zerfaserten“ Rechtsbereichs bedeutsam sein, etwa dem trotz gleicher abstrakter Zielsetzung wie der Verwirklichung „sozialer Gerechtigkeit“ und „sozialer Sicherheit“ (§ 1 Abs. 1 S. 1 SGB I) „stark gegliederten und zudem auch innerhalb einzelner Leistungsbereiche zumeist durch eine Mehrzahl an Trägern verwalteten Sozialrecht“96. Diese Eigenschaft des Sozialrechts zeigt insbesondere die allgemeine Regelung zum Anwendungsbereich des einheitlichen Sozialverfahrensrechts im ersten Kapitel des SGB X, das für alle Behörden gilt, die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) ausüben (§ 1 Abs. 1 S. 1 SGB X). Zu diesen gehören neben Behörden des Bundes und juristischen Personen des öffentlichen Rechts unter Aufsicht des Bundes auch „Behörden der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände [und] sonstige der Aufsicht des Landes unterstehende juristische Personen des öffentlichen Rechts“ (s. § 1 Abs. 1 S. 2 SGB X mit einer Aufzählung im Hinblick auf eine Regelung zu besonderen Teilen des Sozialgesetzbuchs). Auch wenn es sich anders als im Gewerbesteuerrecht im Sozialrecht häufig nicht um konzeptionell mehrstufige Verfahren handelt, können Einzelfallentscheidungen bindend sein und die Frage nach der Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften überlagern97. Die Ortsnähe ist als Grund für die behörden- oder rechtsträgerübergreifende Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften eher weniger relevant, solange örtliche, für Entscheidungen im Einzelfall maßgebliche Besonderheiten nicht in die Auslegung des materiellen Rechts und damit auch nicht in die inhaltliche Ausgestaltung der abstrakt-generellen98 Regelungen einer Verwaltungsvorschrift einbezogen werden müssen. Die Widerspruchsfreiheit und Einheit der Rechtsordnung99 könnten nur Grund für die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften sein, wenn die widersprüchliche Auslegung bestimmter Regelungen durch verschiedene Behörden zumindest denselben Sachverhalt betrifft. Ausgangs- und Bezugsnorm sind jedoch im Rahmen ihres Anwendungsanwendungsbereichs verschieden hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen. Daran ändert es auch nichts, wenn die Ausgangsnorm auf Tatbestandsebene die Bezugsnorm einbezieht, denn dann ist die Bezugsnorm Bestandteil der Ausgangsnorm100 und mit Blick auf das Regelungsziel der Ausgangsnorm auszulegen101. Dieser Umstand wird auch bei der Frage nach der aus dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten „Selbstbindung der Verwaltung“ relevant
96 Vgl. Becker, in: Ruhland/Becker/Axer (Hrsg.), Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 1, Rn. 55. 97 Zur dieser Überlagerung s. III. 2. c) aa). 98 S. III. 2. b) aa). 99 Allgemein dazu s. II. 3. c). 100 S. I. 101 S. II. 3. d).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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werden102, die deshalb auch als Grund für die behörden- oder rechtsträgerübergreifende Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften ausscheidet. Damit verbleibt allenfalls die Sachnähe als Grund für eine behörden- oder rechtsträgerübergreifende Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften. Ihre Bedeutung darf jedoch nicht überschätzt werden, denn hier geht es „nur“ um die Auslegung rechtlicher Regelungen. Diese müsste – ohne dadurch die ihnen zugeschriebene Komplexität einzelner Rechtsgebiete103 zu unterschätzen – grundsätzlich jedem juristisch ausgebildeten Rechtsanwender und damit auch einem „Verwaltungsjuristen“ als „Verfasser“ von Verwaltungsvorschriften möglich sein104. Ungeachtet dieser (eingeschränkten) Relevanz kann die Sachnähe verfassungs- und einfachrechtliche Vorgaben über behördliche Zuständigkeiten für den Vollzug gesetzlicher Regelungen nicht überwinden105. Vielmehr begrenzen diese die grundsätzlich verwaltungsinterne, also zunächst nicht gegenüber „Bürgern“ wirkende Bindung von Verwaltungsvorschriften auch nach innen. Aufgrund dieser Begrenzung nach innen sind grundsätzlich nur erlassende und nachgeordnete Behörden gebunden, nicht aber andere („ressortfremde“) Behörden (s. unten (4), (6) und (7)) oder Behörden anderer Rechtsträger (s. unten (3) und (5)), wenn nicht besondere verfassungs- oder einfachrechtliche Regelungen etwas Anderes ermöglichen. Die Begrenzung der Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften ist von besonderer Relevanz bei Verweisungen zwischen Rechtsnormen als Ausgangs- und Bezugsnorm, für deren Vollzug verschiedene Behörden zuständig sind. (3) „Rechtsträgerzuständigkeit“ im einfachen Recht als Grenze Für die Limitierung der Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften haben Zuständigkeitsbegrenzungen zunächst ein besonderes Gewicht, wenn für den Vollzug von Ausgangs- und Bezugsnorm Behörden verschiedener Ebenen im Staatsaufbau oder selbständige Rechtsträger in Gestalt juristischer Personen des öffentlichen Rechts als Verwaltungsträger106 zuständig sind, denn selbständige Rechtsträger können sich grundsätzlich gegenseitig keine verbindlichen Vorgaben machen. Dies gilt sogar innerhalb bestimmter Rechtsbereiche. Muster- bzw. Extrembeispiel ist hier vermutlich das Sozialrecht, für das die schon107 erwähnte Regelung über den Anwendungsbereich des einheitlichen Sozialverfahrensrechts im ersten Kapitel des 102
S. III. 2. b) cc). S. III. 2. b) aa). 104 Zu den Anforderungen an die auch für andere Juristenberufe relevante Ausbildung von Richtern s. III. 3. b) bb). 105 Vgl. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 10 („besondere gesetzliche oder verfassungsrechtliche Ermächtigung“); ferner s. III. 1., allgemein zur Bedeutung von Zuständigkeitsregelungen. 106 Zu den Verwaltungsträgern s. Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 8, Rn. 6 ff. 107 S. III. 2. b) bb) (2). 103
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
SGB X in § 1 Abs. 1 S. 1 SGB X zeigt, dass für den Gesetzesvollzug neben Behörden des Bundes auch solche anderer Rechtsträger und selbständige juristische Personen des öffentlichen Rechts zuständig sein können (s. insbesondere § 1 Abs. 1 S. 2 SGB X). Aber auch andere Rechtsbereiche sind durch Verwaltungszuständigkeiten verschiedener Rechtsträger gekennzeichnet, wie etwa das Steuerrecht mit Zuständigkeiten von Bund und Ländern (Art. 108 Abs. 1 und 2 GG; §§ 1, 2 FVG)108 oder das Bankaufsichtsrecht mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Deutschen Bundesbank (§ 7 Abs. 1 S. 1 KWG), die als „bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts“ (Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG109; § 1 Abs. 1 S. 1 FinDAG) bzw. „bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts“ (Art. 88 S. 1 GG; § 2 S. 1 BBankG; wohl ebenfalls in Gestalt einer Anstalt des öffentlichen Rechts110) wie Bund und Länder jeweils eigenständige Rechtsträger sind. Die Zuständigkeit verschiedener, voneinander grundsätzlich unabhängiger Rechtsträger schließt eine Bindung von Behörden eines Rechtsträgers an Verwaltungsvorschriften von Behörden eines anderen Rechtsträgers grundsätzlich aus. Diese Zuständigkeitsabgrenzung wirkt unabhängig von „Ressortzuständigkeiten“, somit – wie die genannten Rechtsgebiete zeigen – auch innerhalb eines Rechtsbereichs, sofern nicht – insbesondere im Verfassungsrecht111 – etwas Anderes angeordnet ist112. Eine im materiellen Recht vorhandene Verweisung kann an der Zuständigkeitsbegrenzung nichts ändern, zumal für die Anwendung der Ausgangsnorm ohnehin nur ihr eigenes Regelungsziel maßgeblich ist, nicht dagegen das der Bezugsnorm113. (4) „Ressortzuständigkeit“ im einfachen Recht als weitere Grenze Bei Zuständigkeit von Behörden desselben Rechtsträgers ist dagegen eine Abgrenzung von „Ressortzuständigkeiten“ als Folge einer „Dekonzentration“ von
108 Die Gemeinden haben „keine originären Steuerverwaltungskomeptenzen“, sondern können für Steuern, die ihnen allein zufließen, solche nur von den Ländern delegiert bekommen. Vgl. Seer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK, GG, Loseblatt, Art. 108, Rn. 38, 144 ff. (Viertbearbeitung; Stand: 04/2011). 109 Zu dieser verfassungsrechtlichen Grundlage s. Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 9, Rn. 4; Burgi, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 87 GG, Rn. 101; Fekonja, BaFin-Verlautbarungen, 2014, S. 37; ferner Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht, Band 2, 7. Aufl. 2010, § 84, Rn. 15. 110 Vgl. Blanke/Pilz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 88 GG, Rn. 17; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 88, Rn. 54 (Lfg. 60; Stand: 10/2010). 111 S. III. 2. b) bb) (5). 112 Vgl. Stelkens, VVDStRL 71 (2011), 369 (406). 113 S. II. 3. d).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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Verwaltungsbefugnissen auf verschiedene Verwaltungsstellen114 erforderlich, die auf gesetzlichen Regelungen beruhen kann, aber auch auf innerdienstlichen Organisationsentscheidungen115, denn die der „Exekutive inhärent[e]“ Befugnis zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften steht der obersten Verwaltungsbehörde nur „für ihren Zuständigkeitsbereich“ zu116. Die Zuständigkeitsabgrenzung ist nicht nur für die sachliche Zuständigkeit als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung von Verwaltungshandeln nach außen relevant117, sondern auch nach innen für etwaige Bindungen von Behörden an Verwaltungsvorschriften anderer Behörden. Dies gilt insbesondere für Bundesministerien, die allgemeine Verwaltungsvorschriften „nur für ihren eigenen Verwaltungsbereich“, also „für die ihnen nachgeordneten Behörden erlassen“ dürfen118. Die limitierende Wirkung von „Ressortzuständigkeiten“ lässt sich mit § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 FVG veranschaulichen, wonach das Bundesfinanzministerium (BMF) die Bundesfinanzverwaltung und die für die Finanzverwaltung zuständige oberste Landesbehörde (insbesondere ein Landesfinanzministerium) die Landesfinanzverwaltung leiten. Dass mit einer solchen Anordnung die Vorstellung von „Ressortzuständigkeiten“ verbunden ist, wird zunächst durch den Begriff der „Finanzverwaltung“ zur sachlichen Umschreibung eines bestimmten Verwaltungsbereichs auf Bundes- oder Länderebene deutlich. Zudem wird in diesem konkreten Fall auch ausdrücklich geregelt, dass für die Erledigung von Aufgaben aus dem Geschäftsbereich eines anderen Bundesministeriums bzw. einer anderen obersten Landesbehörde durch die Bundes- oder Landesfinanzbehörden das „ressortfremde“ Bundesministerium bzw. die „ressortfremden“ obersten Landesbehörden – wohl im Sinne einer Ausnahme – „fachliche Weisungen erteilen“ (§ 3 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 FVG) und diese im Falle „wesentliche[r] organisatorische[r] Auswirkungen […] im Benehmen“ des BMF oder der obersten Landesbehörde „ergehen“ (§ 3 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3 FVG). Daneben zeigen beispielsweise auch die Regelungen über die Auswahl der ersuchten Behörde aus mehreren für Amtshilfe in Betracht kommenden Behörden in § 6 VwVfG, § 113 AO, § 5 SGB X, dass das einfache Recht von nach Sachgesichtspunkten abgegrenzten Zuständigkeiten ausgeht. Danach „soll nach Möglichkeit eine Behörde der untersten Verwaltungsstufe des Verwaltungszweiges ersucht werden, dem die ersuchende Behörde angehört“. Für die Abgrenzung des Begriffs des „Verwaltungszweigs“ soll mit Blick auf das (insoweit wohl verfassungsrechtlich verstandene119) „Ressortprinzip“120 die „hier114
Vgl. Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 8, Rn. 26; ferner Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl. 2012, § 14, Rn. 40. 115 Vgl. Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 8, Rn. 2. 116 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 07. 1969, 2 BvF 1/64, BVerfGE 26, 338 (396). 117 Vgl. Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 8, Rn. 37 f.; Möstl, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 20, Rn. 84 ff. 118 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 07. 1969, 2 BvF 1/64, BVerfGE 26, 338 (397). 119 Dazu s. III. 2. b) bb) (6).
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
archisch gegliederte Fachverwaltung“121 maßgeblich sein. Ob damit in einem Rechtsbereich wie dem des „zersplitterten“ und „zerfaserten“ Sozialrechts122 „Ressortzuständigkeiten“ auch unterhalb von Bundesministerien und obersten Landesbehörden anzunehmen sind, muss hier nicht im Einzelnen erörtert werden. Zwingend erscheint es freilich gerade in einem solchen Fall nicht, dass sämtliche Behörden im Zuständigkeitsbereich eines Bundesministeriums oder einer obersten Landesbehörde demselben „Verwaltungszweig“ zuzuordnen sind. Dass der Unterscheidung von „Verwaltungszweigen“ auch Zuständigkeitsabgrenzungen zu Grunde liegen müssen, zeigt der Umstand, dass Amtshilfe nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist (§ 5 VwVfG, § 112 AO, § 4 SGB X) und es hinsichtlich der Durchführung (Zulässigkeit der Maßnahme und Verantwortlichkeit für Rechtmäßigkeit) auf die ersuchte Behörde und das für sie geltende Recht ankommt (§ 7 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VwVfG, § 114 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 AO, § 6 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB X). Damit spricht bereits die einfachrechtliche Begründung von „Ressortzuständigkeiten“ dafür, dass insbesondere Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm grundsätzlich nicht an Verwaltungsvorschriften einer „ressortfremden“ Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm gebunden sein können, sofern es nicht besondere Regelungen gibt. (5) „Rechtsträgerzuständigkeit“ im Verfassungsrecht Die an die Rechtsträgereigenschaft anknüpfende Zuständigkeitsabgrenzung mit Auswirkungen auf die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften kann sich nicht nur aus dem einfachen Recht123, sondern auch aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die bundesstaatliche Kompetenzverteilung für den grundsätzlich eigenverantwortlichen Gesetzesvollzug durch Bund oder Länder124 ergeben („Kompetenzschutz“125)126. Für den Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder ist die 120 Vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 6, Rn. 5, zu § 6 VwVfG; Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Loseblatt, § 113, Rn. 11 (Lfg. 240; Stand: 11/2016), zu § 113 AO. 121 Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 6, Rn. 3, zu § 6 VwVfG; Roller, in: v. Wulffen/Schütze (Hrsg.), SGB X, 8. Aufl. 2014, § 5, Rn. 3, zu § 5 SGB X. 122 S. III. 2. b) bb) (2). 123 Dazu s. III. 2. b) bb) (3). 124 Zum eigenverantwortlichen Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder s. Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band III, 3. Aufl. 2018, Art. 83, Rn. 18; ferner Trute, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 83, Rn. 73 f. 125 Vgl. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht, Band 2, 7. Aufl. 2010, § 83, Rn. 58; ferner Drüen, Ubg 2016, 505 (507). 126 Hinsichtlich des Gesetzesvollzugs ist nicht die im Bundesstaat des Grundgesetzes nach Art. 30, Art. 70 Abs. 1 GG verteilte Gesetzgebungskompetenz betroffen. Diese kann aber im Falle „rechtsträgerübergreifender“ Verweisungen, z. B. zwischen Rechtsnormen von Bund und Ländern, im Sinne einer „versteckten Verlagerung von Rechtsetzungsbefugnissen“ tangiert sein. Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 246.
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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Eigenverantwortlichkeit in Art. 30, Art. 83, Art. 108 Abs. 2 S. 1127 GG ausdrücklich angeordnet, deren Verwaltung der Bundesverwaltung deshalb nicht nachgeordnet ist128. Jedoch zeigt gerade diese Konstellation, dass „rechtsträgerübergreifende“ Einwirkungen beim Gesetzesvollzug möglich129 sind, unter anderem durch „allgemeine Verwaltungsvorschriften“, die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats erlassen werden können (Art. 84 Abs. 2, Art. 85 Abs. 2 S. 1, Art. 108 Abs. 7 GG), oder speziell im Falle der Auftragsverwaltung durch Weisungen (Art. 85 Abs. 3 S. 1, ggf. i.V.m. Art. 108 Abs. 3 S. 2, GG). Die Voraussetzungen der relevanten Regelungen für eine (ausnahmsweise) „rechtsträgerübergreifende“ Bindung an „allgemeine Verwaltungsvorschriften“ sind zwingend, denn andernfalls würde eine „Erstreckung“ der „Befugnis zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften zugunsten des Bundes über seinen Bereich hinaus auf die Länderverwaltung“130 die konzeptionelle Verteilung der Verwaltungszuständigkeiten aushebeln. Trotz ausnahmsweise bestehender „Außenwirkung“ gegenüber anderen Rechtsträgern verbleibt es jedoch im Verhältnis zum „Bürger“ bei der verwaltungsinternen Wirkung131. Dagegen können Verwaltungsvorschriften von Behörden der Länder nicht für Behörden anderer Länder verbindlich sein, wenn sie nicht in gleichlautenden oder koordinierten Erlassen der zuständigen Behörden aller oder mehrerer Länder enthalten sind, wobei es auch insoweit eigene, wenn auch länderübergreifend abgestimmte Verwaltungsvorschriften der beteiligten Länder sind. Für die Länder gibt es auch keine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf den Vollzug von Bundesgesetzen im Rahmen der bundeseigenen Verwaltung (Art. 86 GG)132, für die nur der Bund „allgemeine Verwaltungsvorschriften“ erlassen darf (Art. 86 S. 1 Hs. 2 GG). Für den Vollzug von Landesgesetzen sind ohnehin die Länder zuständig (Art. 30 GG)133. 127 Das in Art. 108 Abs. 4 und 4a GG vorgesehene Zusammenwirken bzw. die Einflussnahmemöglichkeit ändern daran nichts. 128 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 07. 1969, 2 BvF 1/64, BVerfGE 26, 338 (397); Jarass, JuS 1999, 105 (106 f.) (keine „Gehorsamspflicht“); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 25. 129 Nach Mehde, VVDStRL 71 (2011), 418 (428 f.) können sie sogar erforderlich sein („Durch eine Zersplitterung der Vollzugskompetenz zwischen verschiedenen Verwaltungsträgern entsteht ein Bedürfnis zur administrativen Nachsteuerung bei Normen, die weite Auslegungsspielräume eröffnen.“). 130 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 02. 03. 1999, 2 BvF 1/94, BVerfGE 100, 249 (259 ff.), zu Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG. 131 Vgl. Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2, Rn. 70; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 24. 132 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11. 04. 1967, 2 BvG 1/62, BVerfGE 21, 312 (325); Broß/Mayer, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2012, Art. 86, Rn. 1; Burgi, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 86, Rn. 31. 133 Vgl. Broß/Mayer, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2012, Art. 83, Rn. 6; Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7, Rn. 22; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 22, Rn. 9; Trute, in:
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
Selbständige juristische Personen des öffentlichen Rechts sind grundsätzlich nicht an Verwaltungsvorschriften von Bund und Ländern gebunden. Dementsprechend sind Industrie- und Handelskammern (IHK), die als eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 3 Abs. 1 IHK-Gesetz) für den Vollzug des für die Begründung der Mitgliedschaft in einer IHK in § 2 Abs. 1 auf das Gewerbesteuergesetz (GewStG)134 verweisende IHK-Gesetz zuständig sind, nicht an die auf Art. 108 Abs. 7 GG gestützten Gewerbesteuerrichtlinien (GewStR) als allgemeine Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung gebunden, die schon nach der Ermächtigungsgrundlage in Art. 108 Abs. 7 GG nur an Länder und Gemeinden gerichtet sein können. Auch gleichlautende oder koordinierte Erlasse der obersten Landesbehörden135 sind für die Kammern nicht bindend. Dies gilt unabhängig davon, dass sich den Kammern wegen der Voraussetzung der „Veranlagung zur Gewerbesteuer“136, die im Sinne dieser Voraussetzung von den Finanzbehörden der Länder durch den Erlass eines Gewerbesteuermessbescheids vorgenommen wird137, in vielen Fällen ohnehin keine in Verwaltungsvorschriften beantwortete materiell-rechtliche Fragen stellen138. Anders könnte dies nur sein, wenn aus welchen Gründen auch immer keine „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ erfolgt und die Kammern die Voraussetzungen der dann ausreichenden „Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach“ selbst prüfen müssen139. An der grundsätzlichen Unverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften von Bund und Ländern für andere juristische Personen des öffentlichen Rechts ändert sich nichts durch die staatliche Aufsicht, etwa nach § 11 Abs. 1 S. 1 IHK-G der Länder über die Industrie- und Handelskammern (IHK), wenn diese lediglich die Rechtmäßigkeit ihres Handelns im Sinne einer Rechtsaufsicht140 betrifft. Im Übrigen wäre dann noch eine „Ressortzuständigkeit“ zu berücksichtigen141. Die besonderen Fragen, die sich hinsichtlich der Bindung an Verwaltungsvorschriften von Bund und Ländern beim Gesetzesvollzug durch die Gemeinden mit Blick auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 11 Abs. 2 S. 1, Art. 83 Abs. 1 S. 1 BV, Art. 57 Abs. 1 NV, etc. ergeben, können, bleiben hier außer Betracht142. von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 83, Rn. 26; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2017, 316 (316). 134 S. II. 2. c). 135 S. III. 2. b) bb) (2), für Beispiele, auch zu anderen Rechtsbereichen. 136 S. III. 2. b) bb) (2) und III. 2. c) bb) (2). 137 S. II. 2. c) und II. 2. d). 138 S. II. 2. d), III. 2. b) bb) (2) und III. 2. c) bb) (2). 139 S. II. 2. c). 140 Zur Rechtsaufsicht nach § 11 IHK-Gesetz der Länder über Industrie- und Handelskammern s. Möllering, in: Frentzel/Jäkel/Junge (Hrsg.), IHKG, 7. Aufl. 2009, Einführung, Rn. 10. 141 Dazu s. III. 3. b) bb) (6). 142 Zu insoweit erforderlichen Differenzierungen s. Jarass, JuS 1999, 105 (106 f.).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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(6) „Ressortzuständigkeit“ im Verfassungsrecht und Verhältnis zur „Rechtsträgerzuständigkeit“ Mit der erwähnten143 Möglichkeit zum Erlass „allgemeiner Verwaltungsvorschriften“ in Art. 84 Abs. 2, Art. 85 Abs. 2 S. 1, Art. 108 Abs. 7144 GG ist nur die Möglichkeit einer rechtsträgerübergreifenden Bindung an Verwaltungsvorschriften eröffnet, nicht aber eine „ressortübergreifende“. Dies gilt insbesondere auch bei Verweisungen für eine Bindung von Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm an Verwaltungsvorschriften der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm. Dies ergibt sich neben der einfachrechtlichen145 Begründung von „Ressortzuständigkeiten“ auch aus dem Grundgesetz, das ggf. zusätzlich auch „rechtsträgerübergreifend“ zuständigkeitsbegrenzend wirkt. Ausgangspunkt ist das „Ressortprinzip“146, wonach „jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung leitet“ (Art. 65 S. 2 GG), freilich innerhalb der Richtlinien des Bundeskanzlers aufgrund seiner aus Art. 65 S. 1 GG folgenden „Richtlinienkompetenz“147. Entsprechendes gilt für die Minister einer Landesregierung und die Ministerpräsidenten148 (z. B. nach Art. 49 Abs. 1 S. 1 und 4 LV (BW), Art. 47 Abs. 2, Art. 51 Abs. 1 BV, Art. 37 Abs. 1 S. 2 NV, Art. 55 Abs. 1 und 2 LV (NRW)). Das „Ressortprinzip“ bewirkt eine horizontale Zuständigkeitsabgrenzung auf Ebene des Bundes bzw. der Länder für den den Erlass von Verwaltungsvorschriften einschließenden149 Bereich der Ausübung exekutiver Staatsgewalt zwischen Behörden aus den Geschäftsbereichen der Bundes- bzw.
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S. III. 2. b) bb) (5). Vgl. Seer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK, GG, Loseblatt, Art. 108, Rn. 179 (Viertbearbeitung; Stand: 04/2011). 145 S. III. 2. b) bb) (4). 146 Zum Begriff s. Detterbeck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Aufl. 2005, § 66, Rn. 6, 19, 25; Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl. 2012, § 13, Rn. 82; Guilleaume, DÖV 1960, 328 (328 ff.), mit dem Hinweis auf die mit der „Ressorteilung“ verbundenen „Rationalisierungseffekte“; Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 65, Rn. 20; Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, 15. Aufl. 2018, Art. 65, Rn. 1; Schröder, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 65, Rn. 27; Wißmann, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl. 2012, § 15, Rn. 34. 147 Zum Begriff s. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 65, Rn. 2 (Lfg. 53; Stand: 10/2008); Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 65, Rn. 14. 148 Vgl. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl. 2012, § 13, Rn. 82; Wißmann, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl. 2012, § 15, Rn. 34. 149 S. III. 2. b) aa); ferner Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 25; Mehde, VVDStRL 71 (2011), 418 (429); Möstl, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 20, Rn. 23. 144
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
Landesministerien, da im Ausgangspunkt „Rücksichtnahmepflichten“150 der „Ressorts“ untereinander bestehen, wenn nicht die Richtlinienkompetenz oder das Kollegial- und Kabinettsprinzip151 greifen. Auch wenn Letzteres – anders als im Bereich der Gubernative – im Bereich der Administrative152, zu der eben auch der Erlass von Verwaltungsvorschriften gehört, eine eher geringe Bedeutung hat153, darf es hier insbesondere wegen der Zuständigkeit der Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 2, Art. 85 Abs. 2 S. 1, Art. 108 Abs. 7 GG im Zusammenhang mit rechtsträgerübergreifenden „allgemeinen Verwaltungsvorschriften“ nicht völlig ausgeblendet, aber auch nicht überschätzt werden (dazu sogleich). Ungeachtet solcher Ausnahmen folgt aus der selbständigen und eigenverantwortlichen Leitung der Geschäftsbereiche durch Bundes- oder Landesminister, dass Verwaltungsvorschriften nur für Behörden innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs bindend sein können. Eine darüber hinaus gehende Bindung von Behörden aus den Geschäftsbereichen anderer Bundes- oder Landesministerien würde die im „Ressortprinzip“ zum Ausdruck kommende Rückkoppelung an die Verantwortlichkeit der zuständigen Bundes- oder Landesminister154 mit ihrer Letztentscheidungsbefugnis in Sachfragen155 durchbrechen und ist deshalb nur unter besonderen Voraussetzungen möglich156. Die limitierende Wirkung der „Ressortzuständigkeit“ muss auch auf die die Länder bindenden „allgemeinen Verwaltungsvorschriften“ auf der Grundlage von Art. 84 Abs. 2, Art. 85 Abs. 2 S. 1, Art. 108 Abs. 7 GG157 „durchschlagen“, obwohl diese nach dem Wortlaut der grundgesetzlichen Rechtsgrundlagen von der „Bundesregierung“ erlassen werden (müssen). Zwar ist der Begriff der „Bundesregierung“ nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Blick auf Art. 62 GG als „das aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern bestehende
150 Vgl. Koch, Das Ressortprinzip. Eine Untersuchung zu Herkunft, Inhalt und Zweck, 2006, S. 23. 151 Zum Umfang des Kollegialprinzips s. Koch, Das Ressortprinzip. Eine Untersuchung zu Herkunft, Inhalt und Zweck, 2006, S. 261 f. 152 Zur Doppelfunktion von Ministerien und Ministern als Teil der Gubernative und Administrative s. Koch, Das Ressortprinzip. Eine Untersuchung zu Herkunft, Inhalt und Zweck, 2006, S. 23 ff., 77 ff., 306 ff. 153 Vgl. Koch, Das Ressortprinzip. Eine Untersuchung zu Herkunft, Inhalt und Zweck, 2006, S. 28 f. 154 Vgl. Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7, Rn. 28; Koch, Das Ressortprinzip. Eine Untersuchung zu Herkunft, Inhalt und Zweck, 2006, S. 294, jeweils mit Hinweis auf die dadurch mögliche Rückbindung staatlicher Gewalt an die durch das Parlament vermittelte demokratische Legitimation und den diesem verantwortlichen Minister. 155 Vgl. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl. 2012, § 13, Rn. 82. 156 Dazu s. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 2, 24 f. 157 S. III. 2. b) bb) (5).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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Kollegium“ zu verstehen158. An der zwischenzeitlich für möglich gehaltenen einfachgesetzlichen Übertragung der Kompetenz zum Erlass „allgemeiner Verwaltungsvorschriften“ auf einzelne Bundesminister159 hält das Gericht ausdrücklich nicht fest, weil die Regelung wegen der „Erstreckung“ der „Befugnis zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften zugunsten des Bundes über seinen Bereich hinaus auf die Länderverwaltung“ im Hinblick auf die Grundsätze aus Art. 30 und Art. 83 GG „strikt auszulegen“ sei160. Mit der den Schutz der Länderkompetenzen betonenden Begründung für das enge Begriffsverständnis sagt das Gericht jedoch nichts über die interne Willensbildung der Bundesregierung aus. Diese wird vom „Ressortprinzip“ geprägt und zwar über das eigenverantwortlich zu führende „Tagesgeschäft“ hinaus zumindest faktisch auch bei Kollegialentscheidungen der Bundesregierung, die häufig Vorschläge der „Fachressorts“161 übernehmen. Auch wenn hier eine interministerielle Abstimmung erfolgt, wird im Falle von Verweisungen das für die Anwendung der Ausgangsnorm zuständige Ministerium mit Blick auf die Eigenständigkeit der beteiligten Rechtsnormen, insbesondere der jeweiligen Regelungsziele162, häufig nur wenig Einfluss auf den Inhalt von Verwaltungsvorschriften des Ministeriums mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm nehmen, um dadurch die Auslegung der Ausgangsnorm zu beeinflussen163. Damit wird Verwaltungsvorschriften regelmäßig ein Regelungsanspruch für die Anwendung anderer, insbesondere „ressortfremder“, Gesetze fehlen, der für die Annahme einer Bindung erforderlich wäre. Dementsprechend wären unabhängig von der Frage nach der „Rechtsträgerzuständigkeit“164 Industrie- und Handelskammern (IHK) nicht an die auf Art. 108 Abs. 7 GG gestützten Gewerbesteuerrichtlinien (GewStR) 158
Vgl. BVerfG, Beschl. v. 02. 03. 1999, 2 BvF 1/94, BVerfGE 100, 249 (259, 261), zu Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG; ferner Beschl. v. 15. 07. 1969, 2 BvF 1/64, BVerfGE 26, 338 (395 ff.), zu Art. 84 Abs. 2, Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG. Anderes könnte für die in Art. 86 S. 1 Hs. 2 GG enthaltene Kompetenz zum Erlass „allgemeiner Verwaltungsvorschriften“ durch die Bundesregierung für den Vollzug von Bundesgesetzen durch den Bund gelten, wonach aus der „Ressortzuständigkeit“ die Kompetenz zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften durch einzelne Bundesministerien folgen könnte, wenn die Interessen der Länder nicht betroffen sind (zum Hintergrund dieser Begründung s. oben im Text). Vgl. Möstl, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 20, Rn. 23. 159 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 07. 1969, 2 BvF 1/64, BVerfGE 26, 338 (395 ff.), zu Art. 84 Abs. 2, Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG. 160 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 02. 03. 1999, 2 BvF 1/94, BVerfGE 100, 249 (259 ff.), zu Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG; ebenso Voßkuhle/Kaiser, JuS 2017, 316 (317). 161 Vgl. Detterbeck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Aufl. 2005, § 66, Rn. 27; Koch, Das Ressortprinzip. Eine Untersuchung zu Herkunft, Inhalt und Zweck, 2006, S. 258. 162 Dazu s. II. 3. d). 163 Wegen des Erlasses von „allgemeinen Verwaltungsvorschriften“ durch die Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 2, Art. 85 Abs. 2 S. 1, Art. 108 Abs. 7 GG käme es auf Entscheidungen der Bundesregierung nach Art. 65 S. 3 GG zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedern der Bundesregierung nicht an. 164 Dazu s. III. 3. b) bb) (5).
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
als allgemeine Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung und gleichlautende oder koordinierte Erlasse der obersten Landesbehörden165 gebunden. Daran ändert die in § 11 Abs. 1 S. 1 IHK-Gesetz vorgesehene Rechtsaufsicht166 nichts, die lediglich auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Aktivitäten der Kammern gerichtet und für die regelmäßig ein Ministerium oder eine Behörde aus dem „Wirtschaftsressort“ als Aufsichtsbehörde zuständig ist (z. B. im Freistaat Bayern nach Art. 1 Abs. 1 AGIHKG (Bayern) das „Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie“). Die „rechtsträgerübergreifende“ Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften außerhalb „allgemeiner Verwaltungsvorschriften“ im Sinne der Art. 84 Abs. 2, Art. 85 Abs. 2 S. 1, Art. 108 Abs. 7 GG auf der Grundlage einer Weisung im Sinne des Art. 85 Abs. 3 S. 1, ggf. i.V.m. Art. 108 Abs. 3 S. 2167, GG168, ändert nichts an „Ressortzuständigkeiten“, weil solche Weisungen zumindest von der „zuständigen obersten Bundesbehörde“ zu erteilen sind169. Dies muss sich auch auf die gebundenen Behörden auf Ebene der Länder auswirken. Für bestimmte Bereiche kann sich die verfassungsrechtliche Verwurzelung des „Ressortprinzips“ auch aus der vertikalen Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bund und Ländern ergeben. Dies zeigt sich etwa bei den finanzverfassungsrechtlichen Sonderregelungen in Art. 108 GG für die Finanzverwaltung als besonderem Bereich170 exekutiver Staatsgewalt. Trotz vordergründiger Stoßrichtung auf die vertikale Zuständigkeitsabgrenzung folgt aus der sachlichen Beschränkung ihrer Reichweite, dass hier im Hinblick auf die „Qualität“ der „Verwaltung“ von Steuern171 auch die horizontale Zuständigkeitsabgrenzung im Sinne einer „Ressortabgrenzung“ bedeutsam ist, nämlich als Anknüpfungspunkt an einen bestimmten Bereich der Verwaltung als Voraussetzung der vertikalen Zuständigkeitsabgrenzung. Es ist dabei unerheblich, ob für die Verwaltung bestimmter Steuern der Bund (Art. 108 Abs. 1 GG) oder die Länder (Art. 108 Abs. 2 S. 1 GG) zuständig sind. Selbst im Falle einer Länderzuständigkeit wirkt sich die „Ressortabgrenzung“ aus, denn soweit die Länder nach Art. 108 Abs. 2 S. 1 GG Steuern eigenverantwortlich oder nach Art. 108 Abs. 3 S. 1 GG im Auftrag des Bundes verwalten, können nach Art. 108 Abs. 2 S. 2 GG „Aufbau“ der Behörden und „einheitliche Ausbildung der Beamten“ durch Bun-
165
S. III. 2. b) bb) (2), für Beispiele, auch zu anderen Rechtsbereichen. Dazu s. III. 3. b) bb) (5). 167 Insoweit ist fraglich, ob sog. BMF-Schreiben an die obersten Landesfinanzbehörden Weisungen im Sinne des Art. 85 Abs. 3 i.V.m. Art. 108 Abs. 3 S. 2 GG oder föderale Kooperation auf Grundlage der Bund-Länder-Vereinbarung v. 15. 01. 1970 sind. Dazu s. unten im Text. 168 S. III. 2. b) bb) (5). 169 Vgl. Koch, Das Ressortprinzip. Eine Untersuchung zu Herkunft, Inhalt und Zweck, 2006, S. 338. 170 Vgl. Drüen, Ubg 2016, 505 (507). 171 Vgl. Seer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK, GG, Loseblatt, Art. 108, Rn. 1, 35 (Viertbearbeitung; Stand: 04/2011). 166
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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desgesetz geregelt werden172. Ferner wird nach Art. 108 Abs. 5 S. 1 GG das Besteuerungsverfahren durch Bundesgesetz geregelt. Zudem können nach Art. 108 Abs. 7 GG von der Bundesregierung „allgemeine Verwaltungsvorschriften“ erlassen werden. Diese sachlich begrenzten Einflussnahmemöglichkeiten des Bundes auf die Verwaltungstätigkeit der Länder würden ohne sorgfältige Abgrenzung der „Ressortzuständigkeit“ für die Verwaltung von Steuern nicht funktionieren. Unabhängig von der Bedeutung des „Ressortprinzips“ für die Reichweite der Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften bei Zuständigkeit „ressortverschiedener“ Behörden oder gar verschiedener „Rechtsträger“ für die Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm erfordert die aus ihm folgende Verantwortungszurechnung zu Bundes- oder Landesministern als Voraussetzung seiner zuständigkeitsbegrenzenden Wirkung nicht, dass Verwaltungsvorschriften von einem Ministerium erlassen werden. Vielmehr können auch nachgeordnete Behörden handeln, deren Verwaltungsvorschriften aber ebenfalls nur für die erlassenden oder nachgeordneten Behörden verbindlich sein können. Dies bedeutet beispielsweise für die Bestimmung des nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 1 und 4 EStG, ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG, als Betriebsausgaben abziehbaren Gewinnabschöpfungsanteils von Geldbußen, dass die Finanzbehörden im Falle von Kartellrechtsverstößen nicht an Verwaltungsvorschriften der Kartellbehörden gebunden sind. Finanzbehörden gehören zum Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums (BMF; § 1 FVG) bzw. der für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Behörden der Länder (§ 2 Abs. 1 FVG; zumeist Landesfinanzministerien), wobei das BMF beim Vollzug von Steuergesetzen durch die Länder zwar nicht anstelle der Bundesregierung auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 7 GG für die Länderfinanzbehörden verbindliche „allgemeine Verwaltungsvorschriften“ erlassen, jedoch im Rahmen der Auftragsverwaltung bei Gemeinschaftssteuern im Sinne des Art. 108 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG (Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer) nach Art. 108 Abs. 3 S. 2 i.V.m. Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG diesen Weisungen erteilen darf. Nach umstrittener Auffassung schließt das Weisungsrecht die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsvorschriften wie sog. BMF-Schreiben ein173. Demgegenüber gehört das Bundeskar-
172 Nach Art. 108 Abs. 2 S. 3 GG werden die Leiter von eingerichteten Mittelbehörden im Einvernehmen mit der Bundesregierung bestellt. Wegen ihrer Eigenschaft als „Landesverwaltung“ gelten für die „Auftragsverwaltung“ die in Art. 108 Abs. 2 S. 2 und 3 GG verankerten Rechte des Bundes […] erst recht, wenn [die Landesverwaltung] im Auftrag des Bundes tätig wird“. Vgl. Seer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK, GG, Loseblatt, Art. 108, Rn. 104 (Viertbearbeitung; Stand: 04/2011). 173 Insoweit ist fraglich, ob sog. BMF-Schreiben an die obersten Landesfinanzbehörden tatsächlich Weisungen im Sinne des Art. 85 Abs. 3 i.V.m. Art. 108 Abs. 3 S. 2 GG oder föderale Kooperation auf Grundlage der Bund-Länder-Vereinbarung v. 15. 01. 1970 sind. Dazu s. BFH, Vorlagebeschl. v. 07. 12. 2010, IX R 70/07, BFHE 232, 121, BStBl. II 2011, 346, Rn. 45, für Weisung; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO, Rn. 80 (Lfg. 127; Stand: 10/ 2011), mit Fundstelle der Vereinbarung; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 21, Rn. 36, 451, jeweils für föderale Kooperation.
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
tellamt (BKartA) als selbständige Bundesoberbehörde (Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG174, § 51 Abs. 1 S. 1 GWB) zum Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi; § 51 Abs. 1 S. 2 GWB), das – wie § 52 GWB zeigt – allgemeine Weisungen für den Erlass oder die Unterlassung von Verfügungen erteilen darf, während die Landeskartellbehörden regelmäßig dem Geschäftsbereich des Landeswirtschaftsministeriums zuzuordnen sind (z. B. § 7 Nr. 1 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) Verordnung über die Geschäftsverteilung der Bayerischen Staatsregierung; StRGVV). Ungeachtet der später175 zu behandelnden Frage, ob und inwieweit Einzelfallentscheidungen der Kartellbehörden die Finanzbehörden binden, müssen die Finanzbehörden den als Betriebsausgaben abziehbaren Teil von Geldbußen mit Blick auf das „Ressortprinzip“ jedenfalls nicht unter Heranziehung von Verwaltungsvorschriften der Kartellbehörden bestimmen. Die „Leitlinien für die Bußgeldzumessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren“ in ihrer aktuellen Fassung wären mangels konkreter Aussagen dafür ohnehin wenig hilfreich176. (7) Grenzen der Zuständigkeitsbegrenzung durch das verfassungsrechtlich verankerte „Ressortprinzip“ Das verfassungsrechtlich verankerte „Ressortprinzip“177 kann freilich nicht begründen, ob Behörden an Verwaltungsvorschriften anderer Behörden desselben „Ressorts“ gebunden sind. Dies muss im einfachen Recht oder durch „ressortinterne“ Organisationsentscheidungen bestimmt werden178. Jedenfalls folgt aus der „Ressortzuständigkeit“ derselben Bundes- oder Landesministerien nicht automatisch die Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften für andere Behörden, wenn gesetzliche Regelungen ausdrücklich Zuständigkeiten verschiedener Behörden vorsehen. Dasselbe kann für „ressortinterne“ Organisationsentscheidungen von Bundes- oder Landesministern im Rahmen ihrer Leitungsbefugnis gelten. 174 Zu dieser verfassungsrechtlichen Grundlage s. Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 9, Rn. 4; Burgi, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 87 GG, Rn. 100; Klaue, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, Band 2, 5. Aufl. 2014, § 51 GWB, Rn. 1; Quellmalz, in: Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann (Hrsg.), Kartellrecht, 3. Aufl. 2016, § 51, Rn. 1; ferner Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht, Band 2, 7. Aufl. 2010, § 84, Rn. 15. 175 S. III. 2. c) bb) (2) und III. 2. c) bb) (4). 176 In den Leitlinien findet sich nur der Vorbehalt des Bundeskartellamts, „im Rahmen des Bußgeldverfahrens oder eines gesonderten Verfahrens (§ 32 GWB, § 34 GWB) Vorteile zu entziehen“ (Ziff. 17). Diesbezüglich wird darauf hingewiesen, dass „das in § 17 Abs. 4 OWiG vorgesehene Zumessungskriterium der Abschöpfung […] im Kartellordungswidrigkeitenrecht [sic!] in Abweichung zum allgemeinen Ordnungswidrigkeitenrecht in das Ermessen der Kartellbehörde gestellt (§ 81 Abs. 5 GWB)“ wird (Anm. 1 zu Ziff. 17). 177 S. III. 2. b) bb) (6). 178 Vgl. Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 9, Rn. 3, mit Hinweis auf Art. 64, 65 GG; allgemein zur Organisationshoheit s. III. 2. b) bb) (4).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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Auch die „ressortinterne“ Zuständigkeitsbegrenzung lässt sich mit Verweisungen steuerrechtlicher Regelungen wie in § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 3, Abs. 3 Nr. 1 und 2 InvStG als Ausgangsnorm auf das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) als Bezugsnorm veranschaulichen. Neben der Finanzverwaltung des Bundes, die durch das Bundesfinanzministerium (BMF) zwar nicht anstelle der Bundesregierung nach Art. 108 Abs. 7 GG für die Länderfinanzbehörden verbindliche „allgemeine Verwaltungsvorschriften“ erlassen, jedoch im Falle der Auftragsverwaltung nach Art. 108 Abs. 3 S. 2 i.V.m. Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG diesen Weisungen erteilen darf, die nach umstrittener Auffassung auch Verwaltungsvorschriften wie sog. BMF-Schreiben einschließen können179, gehört auch die für den Vollzug des KAGB zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts (Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG180, § 1 Abs. 1 S. 1 FinDAG) in den Geschäftsbereich des BMF (§ 1 Abs. 1 S. 1 FinDAG). Diese steht unter der Rechtsund Fachaufsicht des BMF (§ 2 FinDAG), die mit umfassenden Weisungsrechten und einer Zweckmäßigkeitskontrolle verbunden ist181. Damit ist die BaFin nur „formal“ eine eigenständige Behörde im Verhältnis zum BMF. Ungeachtet dessen wird zutreffend angenommen, dass die Finanzbehörden von Bund und Ländern (formal) nicht an BaFin-Rundschreiben gebunden sind182, denn es handelt sich um verschiedene „Verwaltungsstränge“, die lediglich auf Ebene des BMF als zuständigem „Ressort“183 „zusammenlaufen“. Dem steht freilich nicht die schon184 erwähnte Praxis entgegen, dass sich Behörden wie das BMF hinsichtlich des Verständnisses aufsichtsrechtlicher Bezugsnormen in steuerrechtlichen Ausgangsnormen die in Verwaltungsvorschriften anderer Behörden wie der BaFin185 zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung durch entsprechende Verweisung zu eigen machen. Im Beispiel könnte die Zuständigkeitsbegrenzung zudem durch entsprechende Weisungen des BMF an die BaFin ausgehebelt werden.
179
S. III. 2. b) bb) (6). S. III. 2. b) bb) (3). 181 Vgl. Fekonja, BaFin-Verlautbarungen, 2014, S. 37 ff.; zur praktischen Handhabung der Rechts- und Fachaufsicht s. Grundsätze für die Ausübung der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums (BMF) über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin); abrufbar unter: www.bafin.de (15.06.2019). 182 Dazu s. BMF, Schreiben v. 18. 08. 2009, IV C1 – S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2005, 728, Rn. 5 S. 3; Berger, in: Berger/Steck/Lübbehusen (Hrsg.), InvG/InvStG, 2010, § 1 InvStG, Rn. 26; Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2711); Bödecker/Hartmann, in: Bödecker/Ernst/Hartmann (Hrsg.), BeckOK InvStG 2004, 15. Edition (Stand: 15.05.2019), § 1, Rn. 27, 27.1; Mann, in: Weitnauer/Boxberger/Anders (Hrsg.), KAGB, 2. Aufl. 2017, § 1 InvStG, Rn. 4; Wenzel, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, Loseblatt, § 1 InvStG, Rn. 12 (EL 136; Stand: 04/2017). 183 Auf die Bedeutung des „ressortverantwortlichen Minister[s]“ bzw. „Ressortverantwortlichen“ weist Fekonja, BaFin-Verlautbarungen, 2014, S. 38 f. hin. 184 S. II. 3. d) und III. 2. b) aa). 185 Zu den Formen von „Verlautbarungen“ der BaFin und ihrer Rechtsnatur s. Fekonja, BaFin-Verlautbarungen, 2014, S. 65 ff., 71 ff. 180
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
Das verfassungsrechtlich verankerte „Ressortprinzip“ ist auch nicht in jedem Fall geeignet, die vertikale Zuständigkeitsabgrenzung zwischen vorgesetzten und nachgeordneten Behörden desselben Rechtsträgers zu begründen. Lediglich für Verwaltungsvorschriften von Bundes- oder Landesministerien folgt aus der in der Verfassung angeordneten selbständigen und eigenverantwortlichen Leitung des Geschäftsbereichs durch Bundes- oder Landesminister auch eine verfassungsrechtliche Verbindlichkeit des Über-/Unterordnungsverhältnisses zwischen Ministerien und diesen nachgeordneten Behörden186. Im Übrigen, also für Verwaltungsvorschriften nachgeordneter Behörden, kann ein solches Verhältnis nur aus einfachgesetzlichen Regelungen oder „ressortinternen“ Organisationsentscheidungen folgen. Ersteres ist etwa der Fall, wenn einfachgesetzliche Regelungen die Einrichtung von Behörden verschiedener Hierarchieebenen anordnen, wie § 1 FVG für die Bundesfinanzbehörden und § 2 Abs. 1 FVG für die Länderfinanzbehörden. Die Zuständigkeitsbegrenzung aufgrund von „Ressortzuständigkeiten“187 als grundsätzliches Hindernis für eine „ressortübergreifende“ Bindung an Verwaltungsvorschriften setzt die Abgrenzung der „Ressorts“188 unabhängig davon voraus, ob die einfachrechtliche Verwirklichung189 oder verfassungsrechtliche Verwurzelung190 als Begründung herangezogen wird. Diesbezüglich gibt es keine abschließenden Vorgaben im übergeordneten Recht. Das Verfassungsrecht spricht lediglich von „Geschäftsbereichen“ (Art. 65 S. 2 GG, Art. 49 S. 1 BV), ohne diese jedoch selbst abzugrenzen. Ihr Zuschnitt ist vom Bundeskanzler191 oder Ministerpräsidenten (z. B. Art. 49 S. 1, Art. 50 S. 1, Art. 51 Abs. 1 BV) im Rahmen seiner Organisationsgewalt bzw. von der Landesregierung (z. B. Art. 45 LV (BW), Art. 37 Abs. 2 Nr. 3 NV) im Rahmen ihrer Aufgaben zu bestimmen192. Selbst soweit bestimmte Ministerien wie das BMF in Art. 108 Abs. 3 S. 2, Art. 112, Art. 114 Abs. 1 GG, das 186
Vgl. Detterbeck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Aufl. 2005, § 66, Rn. 27; Epping, Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 40. Edition (Stand: 15.02.2019), Art. 65, Rn. 7; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 65, Rn. 59 (Lfg. 53; Stand: 10/2008). 187 Dazu s. III. 2. b) bb) (6). 188 Dazu s. Koch, Das Ressortprinzip. Eine Untersuchung zu Herkunft, Inhalt und Zweck, 2006, S. 338. Zu „Rationalisierungseffekten“ als ursprünglichem Sinn und Zweck des „Ressortprinzips“ und als Leitlinie für die „Ressortabgrenzung“ s. Guilleaume, DÖV 1960, 328 (330). 189 Dazu s. III. 2. b) bb) (4). 190 Dazu s. III. 2. b) bb) (6). 191 Vgl. Detterbeck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Aufl. 2005, § 66, Rn. 14, 25; Epping, Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 40. Edition (Stand: 15.02.2019), Art. 64, Rn. 3; Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, 3. Aufl. 2015, Art. 65, Rn. 28; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 64, Rn. 3 ff. (Lfg. 52; Stand: 05/ 2008); Koch, Das Ressortprinzip. Eine Untersuchung zu Herkunft, Inhalt und Zweck, 2006, S. 210 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, 15. Aufl. 2018, Art. 64, Rn. 2; Schröder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Aufl. 2005, § 65, Rn. 27 f. 192 Zur Rolle des Parlaments s. Koch, Das Ressortprinzip. Eine Untersuchung zu Herkunft, Inhalt und Zweck, 2006, S. 218 ff.
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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Bundesjustizministerium (BMJ) in Art. 96 Abs. 2 S. 4 GG, die Landesjustizministerien in Art. 98 Abs. 4 GG oder das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) in Art. 65a GG vom Grundgesetz vorausgesetzt werden, kann damit allenfalls die Zuständigkeit für einen „Kernbereich“ festgelegt sein, nicht jedoch der gesamte Geschäftsbereich193. (8) Vollzug von Unions- und Völker(vertrags)recht Für die Frage der Bindung von Behörden an Verwaltungsvorschriften bei Verweisungen in Rechtsnormen des innerstaatlichen Rechts als Ausgangsnorm auf Rechtsnormen des Unionsrechts als Bezugsnorm und umgekehrt wird wegen des grundsätzlich (dezentralen) Vollzugs von Unionsrecht durch die Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EUV, Art. 291 AEUV)194 grundsätzlich dasselbe gelten wie für Verweisungen unter Beteiligung von Rechtsnormen des Rechts der Mitgliedstaaten, wenn es wie häufig nur Verwaltungsvorschriften von den Behörden der Mitgliedstaaten gibt. Abstrakt-generelle „Verwaltungsvorschriften“ von EU-Behörden für den Vollzug von Unionsrecht, insbesondere in Gestalt von „Mitteilungen“ der Kommission195, können vor allem Anhaltspunkt für Behörden der Mitgliedstaaten sein, ob und wie Behörden der EU196 als „Aufsichtsbehörden“ ggf. handeln werden, wenn sie die Unionsrechtskonformität des Gesetzesvollzugs und die Anwendung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten prüfen197. Über eine „faktische“ Bindung der Mitgliedstaaten werden solche „Verwaltungsvorschriften“ jedoch nicht hinausgehen198, auch wenn sie zumindest die „Funktion von intersubjektiven Verwaltungsvorschriften“199 übernehmen. Wird das Unionsrecht ausnahmsweise durch Behörden der EU vollzogen, wird schon aus dem Anwendungsvorrang des materiellen Unionsrechts und der Zuständigkeitsverteilung eine Bindung von Behörden der Mitgliedstaaten an erforderliche Vollzugsakte der EU-Behörden im 193 Ähnlich Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 64, Rn. 5 (Lfg. 52; Stand: 05/ 2008), der auf die Erforderlichkeit einer „Feinjustierung“ hinweist; ferner Koch, Das Ressortprinzip. Eine Untersuchung zu Herkunft, Inhalt und Zweck, 2006, S. 230 ff., m.w.N. 194 Vgl. Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 4 EUV, Rn. 32, 50 ff.; ferner Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7, Rn. 31; Dörr, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl., 2018, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 178. 195 Vgl. Mehde, VVDStRL 71 (2011), 418 (438 ff.), insbesondere zum Wettbewerbsrecht (Beihilferecht und sonstiges Wettbewerbsrecht wie Fusionskontrollrecht und Kartellrecht); Stelkens, VVDStRL 71 (2011), 369 (401, 406 ff.). 196 Nach Mehde, VVDStRL 71 (2011), 418 (438 ff.) können diese aber die Behörden der EU selbst binden. 197 Dazu s. Stelkens, VVDStRL 71 (2011), 369 (407). 198 So auch BMF, Schreiben v. 17. 12. 2014, IV D 1 – S 7058/14/10004, BStBl. I 2015, 43, zum Umgang mit Veröffentlichungen der Europäischen Kommission zur praktischen Anwendung des EU-Rechts auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer („keine rechtliche Bindungswirkung“). 199 Vgl. Stelkens, VVDStRL 71 (2011), 369 (407 f.).
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
Einzelfall folgen. Die Frage der Bindung von Behörden der Mitgliedstaaten an Verwaltungsvorschriften von Behörden der EU stellt sich dann nicht. Ohne Vollzugsakte der EU-Behörden müsste sich die dann erforderliche Auslegung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten als verweisungsbedingte Voraussetzung der Anwendung des innerstaatlichen Rechts zumindest an Verwaltungsvorschriften der EU-Behörden orientieren, zumal Verweisungen häufig der Umsetzung von Unionsrecht in innerstaatliches Recht dienen200. Im Völkervertragsrecht besteht keine Bindung an Verwaltungsvorschriften des anderen Vertragsstaats. Soweit es um Verwaltungsvorschriften für die Auslegung und Anwendung von innerstaatlichem und Völkervertragsrecht als Ausgangs- und Bezugsnorm und umgekehrt geht, werden regelmäßig diesselben Behörden eines Vertragsstaats zuständig sein. In einem solchen Fall stellt sich die Frage nach einer behördenübergreifenden Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften nicht. (9) Folgerungen aus der Zuständigkeitsbegrenzung für Bindung an Verwaltungsvorschriften bei Verweisungen Die allgemeine, auch verfassungsrechtlich begründbare Erkenntnis einer verwaltungsinternen Wirkung von Verwaltungsvorschriften nicht nur gegenüber dem Bürger, sondern auch innerhalb der exekutiven Staatsgewalt als Folge einer Zuständigkeitsabgrenzung gilt für alle Fälle von Verweisungen von Rechtsnomen auf andere Rechtsnormen. Sie ist jedoch vor allem bei Außenverweisungen relevant, wenn Ausgangs- und Bezugsnorm verschiedenen Rechtsbereichen zuzuordnen sind (z. B. bei Verweisungen vom Steuerrecht auf das Aufsichtsrecht), da dann unterschiedliche Zuständigkeiten für den Gesetzesvollzug durch die Exekutive in vertikaler und horizontaler Richtung gegeben sein können. Bei Binnenverweisungen wird es häufig keine verschiedenen Zuständigkeiten geben, ebenso bei Außenverweisungen innerhalb eines Rechtsbereichs. Anderes ist jedoch im Sozialrecht vorstellbar. Dort bestehen trotz gleicher abstrakter Zielsetzung in Gestalt der Verwirklichung „sozialer Gerechtigkeit“ und „sozialer Sicherheit“ (§ 1 Abs. 1 S. 1 SGB I) zahlreiche unterschiedliche Zuständigkeiten in vertikaler und horizontaler Richtung mit Behörden von Bund und Ländern sowie rechtlich selbständigen Rechtsträgern aus dem Bereich der bundes-/landesmittelbaren Verwaltung201. Zudem können bestimmte Regelungen zusätzlich auch anderen Rechtsbereichen mit möglichen Auswirkungen auf die Vollzugszuständigkeiten zugeordnet sein, etwa dem Wehrrecht, in dem beispielsweise für Wehrdienstbeschädigungen im Soldatenversorgungsgesetz (SVG) auf das Bundesversorgungsgesetz (BVG) als Sozialrecht (§ 68 Abs. 1 SGB I) verwiesen wird (§ 80 S. 1 SVG).
200 201
S. II. 4. b). S. III. 2. b) bb) (2).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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cc) Reichweite der Bindung an Verwaltungsvorschriften nach außen Die auf den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gestützte „Ausnahme“ von der grundsätzlich verwaltungsinternen Wirkung von Verwaltungsvorschriften202 in Gestalt der „Selbstbindung der Verwaltung“203 wurde bereits204 erwähnt. Durch die Selbstbindung der Verwaltung wirken die Verwaltungsvorschriften freilich nur „mittelbar“205 nach außen gebenüber dem Bürger, denn die Anforderungen des Gleichheitssatzes beziehen sich auf die Verwaltungspraxis206, die wiederum auf der (wiederkehrenden207) Anwendung von Verwaltungsvorschriften beruhen kann208. 202
S. III. 2. b) aa) und III. 2. b) bb) (1). Dazu s. BVerfG, Beschl. v. 13. 06. 2006, 1 BvR 1160/03, BVerfGE 116, 135 (151, 153 f.); Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2, Rn. 70; Erichsen/Klüsche, Jura 2000, 540 (545); Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 34, Rn. 42; Huber/Unger, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Kapitel 4, Rn. 44; Jarass, JuS 1999, 105 (107 f.); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 27; T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 3, Rn. 55; Möstl, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 20, Rn. 20, 21; Stelkens, VVDStRL 71 (2011), 369 (402, 405) („„Umschaltnorm“ des Gleichheitssatzes“); offenlassend BVerfG, Beschl. v. 28. 10. 1975, 2 BvR 883/73, BVerfGE 40, 237 (254); ferner Michael, VersR 2010, 141 (142 f.), speziell zu Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Rundschreiben 10/2012 (BA) v. 14. 12. 2012 (Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an das Risikomanagement; MaRisk); kritisch Klein, in: Doehring (Hrsg.), Festgabe für Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, 1967, S. 163 (177 ff.). 204 S. III. 2. b) aa). 205 Vgl. Bachof, in: Bachof/Draht/Gönnenwein/Walz (Hrsg.), Forschungen und Berichte aus dem o¨ ffentlichen Recht. Geda¨ chtnisschrift fu¨ r Walter Jellinek, 12. Juli 1885 – 9. Juni 1955, S. 287 (295); Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2, Rn. 70; Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 34, Rn. 42; Huber/Unger, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Kapitel 4, Rn. 44; Jarass, JuS 1999, 105 (107 f.); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 28; Möstl, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 20, Rn. 17, 19; ferner Dörr, DÖV 2001, 1014 (1017), zu Verdingungsordnungen im Vergaberecht; Michael, VersR 2010, 141 (142 f.), speziell zu Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Rundschreiben 10/2012 (BA) v. 14. 12. 2012 (Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an das Risikomanagement; MaRisk). 206 Vgl. Bachof, in: Bachof/Draht/Gönnenwein/Walz (Hrsg.), Forschungen und Berichte aus dem o¨ ffentlichen Recht. Geda¨ chtnisschrift fu¨ r Walter Jellinek, 12. Juli 1885 – 9. Juni 1955, S. 287 (295); Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2, Rn. 70; Erichsen/Klüsche, Jura 2000, 540 (545); Jarass, JuS 1999, 105 (108). Die Verwaltungspraxis kann geändert werden. Vgl. Erichsen/Klüsche, Jura 2000, 540 (545 f.). 207 Dabei gilt die Selbstbindung schon für den „ersten Fall“. Vgl. Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, 314 (315 f); wohl auch Stelkens, VVDStRL 71 (2011), 369 (403); a.A. Erichsen/Klüsche, Jura 2000, 540 (546). 208 Vgl. Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (39); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 27. 203
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
Die grundsätzlich auch bei Verweisungen bedeutsame „mittelbare“ Außenwirkung, insbesondere bei der Auslegung der Ausgangsnorm unter Einbeziehung „norminterpretierender“ Verwaltungsvorschriften zur Auslegung der Bezugsnorm, wird jedoch häufig gering sein. Dies liegt nicht an der „Mittelbarkeit“, sondern an der begrenzten Reichweite des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar sind nach dem sehr weit formulierten allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG „alle Menschen […] vor dem Gesetz gleich“. Jedoch steht ein „Anspruch auf Gleichbehandlung […] dem Einzelnen nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt“ zu209. Dies gilt auch unabhängig von der Existenz von Verweisungen für hoheitliches Handeln verschiedener Staatsgewalten210, von Bund und Ländern211, von Ländern untereinander beim Vollzug von Bundesgesetzen212 oder von Gemeinden untereinander, etwa hinsichtlich der Festsetzung der Gewerbe- und Grundsteuerhebesätze213. Während entsprechende Konstellationen bei verschiedenen Staatsgewalten und im Verhältnis von Bund und Ländern wegen der horizontalen und vertikalen Kompetenzabgrenzungen ohnehin eher selten sein dürften und im Falle von Gemeinden mit Blick auf verfassungsrechtliche Garantien wie dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und dem Hebesatzrecht in Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG die Eigenständigkeit nahezu selbstverständlich erscheint, ist dies auch im Verhältnis der Länder untereinander in Bezug auf den Vollzug von Bundesgesetzen der Fall, denn „ein Land ist in seiner Verwaltungshoheit grundsätzlich auf sein eigenes Gebiet beschränkt“214, so dass eine länderübergreifende Gleichbehandlung beim Vollzug von Bundesgesetzen grundsätzlich nicht erforderlich ist215. Bei Verweisungen von Rechtsnormen auf andere Rechtsnormen könnten mangels für diese Fälle maßgeblicher Kompetenzabgrenzungsregelungen und verfassungsrechtlicher Garantien jedoch alle Konstellationen brisant werden, wenn Regelungen 209 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. 05. 1987, 2 BvR 1226/83, BVerfGE 76, 1 (73); ferner Beschl. v. 21. 12. 1966, 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54 (68 f.), m.w.N. 210 Vgl. P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 3, Rn. 158 (Lfg. 75; Stand: 09/ 2015). 211 Vgl. Cremer, VVDStRL 78 (2018), 117 (136 f.); P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 3, Rn. 158 (Lfg. 75; Stand: 09/2015); Nußberger, in: Sachs (Hrsg.), GG. 8. Aufl. 2018, Art. 3, Rn. 81. 212 Vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 02. 11. 1994, 1 BvR 1048/90, HFR 1995, 223 (224); ferner P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 3, Rn. 158 f. (Lfg. 75; Stand: 09/ 2015). Dasselbe müsste für die gerichtliche Überprüfung solcher Entscheidungen gelten. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 03. 11. 1992, 1 BvR 1243/88, BVerfGE 87, 273 (278 ff.); Nußberger, in: Sachs (Hrsg.), GG. 8. Aufl. 2018, Art. 3, Rn. 81; mit Blick auf die „Rechtsvereinheitlichung“ insoweit skeptisch P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 3, Rn. 162 (Lfg. 75; Stand: 09/2015). Für die Ausgestaltung von Landesrecht gilt dies ohnehin. Vgl. BVerfG, Urt. v. 26. 10. 2005, 1 BvR 396/98, BVerfGE 114, 357 (383). 213 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 21. 12. 1966, 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54 (68 f.), zur Gewerbesteuer; ferner Nußberger, in: Sachs (Hrsg.), GG. 8. Aufl. 2018, Art. 3, Rn. 81. 214 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 03. 1960, 2 BvG 1/57, BVerfGE 11, 6 (19). 215 Vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 02. 11. 1994, 1 BvR 1048/90, HFR 1995, 223 (224).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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mit möglicherweise unterschiedlichen Vollzugszuständigkeiten verknüpft sind. Dies ändert jedoch nichts an begrenzten Zuständigkeiten und der damit verbundenen Einschränkung der Reichweite des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG auch im Rahmen der Selbstbindung der Verwaltung durch Verwaltungsvorschriften. Dies gilt zunächst für die verschiedenen Staatsgewalten auf Ebene eines Rechtsträgers im Staatsaufbau, denn verwaltungsinterne Verwaltungsvorschriften können auch dann nicht andere Staatsgewalten, insbesondere Gerichte, binden, wenn sie zu Bezugsnormen ergangen sind, die im Rahmen der Anwendung der Ausgangsnorm auszulegen sind. Auch die Behörden von Rechtsträgern anderer Ebenen im Staatsaufbau mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm werden nicht durch solche Verwaltungsvorschriften gebunden. Schwieriger zu begründen wäre die Beschränkung der Reichweite der Selbstbindung der Verwaltung bei einfachrechtlich geregelter Zuständigkeit von Behörden eines Rechtsträgers, denn dieser hätte die Möglichkeit, aufgrund der Verantwortung der Bundes- oder Landesregierung für das gesamte Verwaltungshandeln auf sämtliche nachgeordnete Behörden einzuwirken. Daran ändert es auch nichts, wenn durch einfachgesetzliche Regelungen sogar „Ressortzuständigkeiten“ begründet sind, solange die Rechtsträger der Behörden bzw. die zuständigen Aufsichtsbehörden die Möglichkeit effektiver Einflussnahme haben. Unabhängig davon, ob ihre Reichweite auch bei Zuständigkeit verschiedener Behörden desselben Rechtsträgers eingeschränkt ist, wird bei Verweisungen die aus dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitete Selbstbindung der Verwaltung häufig aus einem inhaltlichen Grund keine behördenübergreifende „mittelbare“ Bindungswirkung erzeugen. Gleichbehandlung bedeutet insbesondere, dass „wesentlich Gleiches gleich“ behandelt werden muss216. Das „Gleiche“ ist bezogen auf Sachverhalte, die bei „wesentlicher Gleichheit“ die gleichen Rechtsfolgen nach sich ziehen müssen. Ausgangs- und Bezugsnorm gelten jedoch im Rahmen ihres eigenen Anwendungsbereichs217 typischerweise für verschiedene Sachverhalte. Der Begriff des „Sachverhalts“ bedarf hier einer wertenden Betrachtung und deshalb insbesondere der Einbeziehung des Regelungsziels von Ausgangs- und Bezugsnorm218. Auch dies wird sichtbar bei Verweisungen im Investmentsteuerrecht auf das Aufsichtsrecht, für deren Vollzug sämtlich Behörden aus dem Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums (BMF) zuständig sind219. Zwar gelten das aufsichtsrechtliche Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und – verweisungsbedingt – das Investmentsteuergesetz (InvStG) insbesondere für im KAGB definierte Investmentvehikel (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 und 2 InvStG), jedoch werden mit Blick auf die jeweiligen Regelungsziele gleichwohl verschiedene Sachverhalte erfasst. Während das InvStG an die Erzielung von Einkünften durch die in seinen 216 217 218 219
Vgl. BVerfG, Urt. v. 18. 07. 2018, 1 BvR 1675/16, NJW 2018, 3223 (3226), Rn. 64. Zu den Anwendungsbereichen s. I. Dazu s. II. 3. d). S. III. 2. b) bb) (7).
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
Anwendungsbereich fallenden Investmentvehikel und ihre Anleger anknüpft und deren steuerrechtliche Behandlung regelt, schützt das KAGB die Anleger vor den mit einer Kapitalanlage in einem solchen verbundenen Risiken220. Die Anknüpfung an unterschiedliche Aspekte einer Kapitalanlage wird durch die Abgrenzung des Anwendungsbereichs aufgrund derselben Regelungen im KAGB nicht zu einem „gleichen“ Sachverhalt, der ein identisches Verständnis von Ausgangs- und Bezugsnorm erfordert. Soweit eine Außenwirkung von (veröffentlichten) Verwaltungsvorschriften gegenüber dem Bürger auf rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Vertrauensschutz221 in Verwaltungshandeln222 gestützt wird223, kann für die Bindungswirkung bei Verweisungen im Ergebnis nichts Anderes gelten als für die gleichheitsrechtlich fundierte Selbstbindung der Verwaltung. Unabhängig von der Kritik, die insbesondere auf die häufig erkennbar gewollte und die Begründung eines Vertrauenstatbestands ausschließende Innenwirkung hinweist224, wird eine Verwaltungsvorschrift zur Auslegung der Bezugsnorm selten den Anschein erwecken, auch für die Auslegung einer Ausgangsnorm maßgeblich zu sein. Dasselbe gilt auch umgekehrt für Verwaltungsvorschriften zur Auslegung der Ausgangsnorm, soweit es um die Anwendung der Bezugsnorm außerhalb der Anwendung der Ausgangsnorm geht. Selbst wenn eine Verwaltungsvorschrift eine solche gesetzesübergreifende Wirkung beanspruchen sollte, kann dies nicht bedeuten, dass auch die für die Anwendung der jeweils anderen Regelung zuständige Behörde an diese Verwaltungsvorschrift gebunden ist, denn diese hat keinen Vertrauenstatbestand gesetzt. Etwas Anderes kann nur gelten, wenn der Vertrauensschutz an eine auf Verwaltungsvorschriften basierende Verwaltungspraxis zur Auslegung und Anwendung der Ausgangsnorm anknüpft, die später geänderte Verwaltungsvorschriften zur Auslegung der Bezugsnorm oder eine dafür bestehende und später geänderte Verwaltungspraxis einbeziehen. Hierbei geht es nicht um Vertrauensschutz als selbständigem Grund der Außenwirkung verwaltungsinterner Verwaltungsvorschriften, sondern um Vertrauensschutz des Adressaten der Ausgangsnorm bei Änderung der Verwaltungspraxis, die auch auf der Änderung von Verwaltungsvorschriften oder einer Verwaltungspraxis zur Auslegung und Anwendung der Bezugsnorm beruhen 220
S. II. 3. b). Allgemein zu den rechtsstaatlichen Grundlagen des Vertrauensschutzes s. Grzeszick, Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 20, Rn. 69 (Lfg. 48; Stand: 11/2006). 222 Allgemein zum Vertrauensschutz in Verwaltungshandeln s. Grzeszick, Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 20, Rn. 95 ff. (Lfg. 48; Stand: 11/2006). 223 S. Klein, in: Doehring (Hrsg.), Festgabe für Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, 1967, S. 163 (179 ff.); T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 3, Rn. 58; ferner Michael, VersR 2010, 141 (142 f.), speziell zu Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Rundschreiben 10/2012 (BA) v. 14. 12. 2012 (Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an das Risikomanagement; MaRisk). 224 S. Erichsen/Klüsche, Jura 2000, 540 (546); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 24, Rn. 30. 221
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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kann, wenn sich diese auf die Auslegung und Anwendung der Ausgangsnorm durch die dafür zuständige Behörde auswirkt. Relevant ist dies insbesondere bei Dauersachverhalten, die durch von Verwaltungsvorschriften interpretierte oder eine bestehende Verwaltungspraxis vollzogene Rechtsnormen geregelt werden, und die Normadressaten auf den Fortbestand der auf den Verwaltungsvorschriften basierenden Verwaltungspraxis vertrauen. Dementsprechend wurde im Erlass zur alten Fassung des InvStG, der nicht zuletzt wegen der in § 1 Abs. 2 S. 1 InvStG a.F. ausdrücklich angeordneten Maßgeblichkeit der Begriffsbestimmungen des KAGB in großem Umfang auf Verwaltungsvorschriften der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) verwies225, eine Übergangsregelung226 angeordnet, wonach „ausländische Investmentvermögen“ mit Blick auf die „bis dahin praktizierte Vorgehensweise“ unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin als solche behandelt werden konnten, obwohl sie nach einem zwischenzeitlich erlassenen BaFin-Rundschreiben227 nicht mehr als solche einzuordnen gewesen wären. Ein solcher Vertrauensschutz ist freilich nur mit gewisser Zurückhaltung anzunehmen, etwa aus Gründen des Dispositionsschutzes228, wenn normalerweise ein Sachverhalt für bestimmte Zeitabschnitte gesondert zu würdigen ist, wie etwa im Falle einer Abschnittsbesteuerung ein Sachverhalt für jeden Besteuerungszeitraum229.
c) Konkret-individuelle Einzelfallentscheidungen, insbesondere Verwaltungsakte aa) Rechtsnatur von Einzelfallentscheidungen und maßgebliches Rechtsverständnis Wegen ihres abstrakt-generellen Charakters und ihrer lediglich verwaltungsinternen Wirkung bedeuten Verwaltungsvorschriften noch keinen Gesetzesvollzug im Einzelfall230. Dieser muss vielmehr auf der Grundlage konkret-individueller Ein225 Z. B. BMF, Schreiben v. 18. 08. 2009, IV C1 – S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2005, 728, Rn. 5 S. 2, Rn. 6 S. 1, Rn. 7 S. 1 Hs. 1, Rn. 8 S. 1. 226 S. BMF, Schreiben v. 18. 08. 2009, IV C1 – S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2005, 728, Rn. 297; ferner BMF, Schreiben v. 21. 05. 2019, IV C 1 – S 1980 – 1/16/10010:001, BStBl. I 2019, 527, Rn. 56.29, zur Anwendung der Veräußerungsfiktion in § 56 Abs. 2 S. 1 InvStG n.F. auf von der Übergangsregelung erfasste Anteile an ausländischen Investmentvermögen. 227 S. BaFin, Rundschreiben 14/2008 (WA) v. 22. 12. 2008 (Anwendungsbereich des Investmentgesetzes nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG). 228 Vgl. Möstl, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 20, Rn. 21. 229 Vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 28. 06. 1993, 1 BvR 1346/89, HFR 1993, 544 (544); BFH, Urt. v. 14. 10. 2009, X R 37/07, BFH/NV 2010, 406 (408); Urt. v. 21. 08. 2012, VIII R 11/ 11, BFHE 239, 195 (202), BStBl. II 2013, 117 (120). 230 Vgl. Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, 314 (314) („Verwaltungsvorschriften weisen damit den Weg vom Gesetz zur Einzelfallentscheidung“).
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
zelfallentscheidungen erfolgen. Musterbeispiel für solche Entscheidungen sind Verwaltungsakte (VA) im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG, Art. 35 S. 1 BayVwVfG, § 118 S. 1 AO und § 31 S. 1 SGB X, deren Regelungswirkung als wesentliches Merkmal231 auf Begründung oder Beseitigung von Rechtsfolgen232 gerichtet sind. Einzelfallentscheidungen können zwar auch bloße Realakte233 sein, jedoch können diese auf Verwaltungsakten beruhen234. Jedenfalls kann sich bei Realakten ohne eine solche Grundlage nicht die Frage nach einer rechtlichen Bindung für andere Behörden oder Gerichte stellen. Eine Bindung anderer Behörden oder Gerichte folgt bei Verwaltungsakten nicht automatisch aus ihrer Außenwirkung als weiterem wesentlichem Merkmal235, denn diese besagt nur, dass es sich beim Verwaltungshandeln nicht um ein Verwaltungsinternum handelt. Es bestimmt dagegen nicht, wer Adressat einer Bindungswirkung ist. Dies gilt insbesondere bei Verweisungen im Hinblick auf die Bindung der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm und der Gerichte mit Zuständigkeit für deren Überprüfung an Einzelfallentscheidungen der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm. In umgekehrter Richtung stellt sich die Frage nach einer Bindungswirkung wohl allenfalls selten. Mit Blick auf die materielle Bestandskraft236 als Eigenschaft zur Anknüpfung wichtiger Wirkungen von Verwaltungsakten sind zunächst die Adressaten und die erlassende Behörde an den Inhalt gebunden237. Entscheidend ist dabei die im Tenor
231
Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 35, Rn. 89, m.w.N., zu § 35 S. 1 VwVfG; ferner von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, 43. Edition (Stand: 01.04.2019), § 35 VwVfG, Rn. 139, jeweils zu § 35 S. 1 VwVfG. 232 Vgl. BVerwG, Urt. v. 15. 02. 1989, 6 A 2/87, BVerwGE 81, 258 (259 f.); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 35, Rn. 89, m.w.N., zu § 35 S. 1 VwVfG; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 118 AO, Rn. 11, zu § 118 S. 1 AO (Lfg. 142; Stand: 10/2015). 233 Zum Begriff s. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 15, Rn. 1. 234 Vgl. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 15, Rn. 7; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35, Rn. 99, jeweils zu § 35 S. 1 VwVfG. 235 Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 35, Rn. 124, m.w.N.; ferner von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, 43. Edition (Stand: 01.04.2019), § 35 VwVfG, Rn. 221, jeweils zu § 35 S. 1 VwVfG. 236 Zum Begriff s. Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 35, Rn. 48 ff.; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 10, Rn. 17 ff.; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 43, Rn. 31, m.w.N., jeweils zu § 35 S. 1 VwVfG. 237 Vgl. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 10, Rn. 18; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 43, Rn. 31, m.w.N., jeweils zu § 35 S. 1 VwVfG.
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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zum Ausdruck kommende Regelung238 des Verwaltungsakts, nicht aber seine Gründe. Darüber hinaus können Verwaltungsakte nur im Rahmen ihrer sog. Tatbestands- und Feststellungswirkung verbindlich sein. Nur diese können bei Verweisungen eine behörden-, gerichts- bzw. rechtsträgerübergreifende Bindung von Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangnorm und Gerichten mit Zuständigkeit für die Überprüfung entsprechender Einzelfallentscheidungen an Einzelfallentscheidungen von Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm erzeugen239. Tatbestandswirkung bedeutet, dass andere Behörden und Gerichte an die Regelung (Tenor) eines Verwaltungsakts gebunden sind240, auch – im Sinne des Rechtsfriedens – wenn der (bestandskräftige) Verwaltungsakt rechtswidrig ist, ohne dabei nichtig zu sein241. So ist beispielsweise die durch Verwaltungsakt herbeigeführte „Einbürgerung“ nach § 3 Abs. 1 Nr. 5, § 16 S. 1 StAG als gegebener Tatbestand von allen Behörden hinzunehmen, wenn es beim Vollzug von Gesetzen auf die Staatsangehörigkeit ankommt242, etwa beim Vollzug bestimmter Regelungen des Einkommensteuerrechts (s. § 1 Abs. 2 S. 1 EStG, § 2 Abs. 1 S. 1 AStG) oder des Erbschaftsteuerrechts (s. § 2 Abs. 1 Nr. Buchst. b) und c) ErbStG, § 4 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 AStG) durch Finanzbehörden. Auch Entscheidungen von Sozialbehörden können Tatbestandswirkung haben, etwa Entscheidungen nach SGB VIII zur Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII im Hinblick auf die Gewährung von Kindergeld nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG für Pflegekinder243, die dafür nicht zu Erwerbszwecken aufgenommen und für die deshalb auch nicht bestimmte Leistungen nach SGB VIII gewährt werden dürfen244. Gibt es keine Verwaltungsentscheidungen, kann es auch keine Tatbestandswirkung geben245. Im Vergleich zur Tatbestandswirkung geht die sog. Feststellungswirkung noch weiter, denn über die Bindung an die Regelung (Tenor) hinaus sind andere Behörden 238 Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 43, Rn. 14, 15, m.w.N.; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 22, Rn. 19, jeweils zu § 35 S. 1 VwVfG. 239 Dazu s. BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1998, 1 C 19.97, NVwZ-RR 1999, 243 (243), zur Tatbestandswirkung der von den Finanzbehörden vorzunehmenden „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ für die IHK-Mitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHK-Gesetz. 240 Vgl. Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 35, Rn. 213; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 10, Rn. 20; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 43, Rn. 19, 26, m.w.N.; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 22, Rn. 17, 19. 241 Zur Wirksamkeit rechtswidriger Verwaltungsakte s. unten im Text. 242 Vgl. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 10, Rn. 20. 243 S. II. 2. c). 244 Vgl. BFH, Urt. v. 02. 04. 2009, III R 92/06, BFHE 224, 542 (545), BStBl. II 2010, 345 (346). 245 Vgl. BFH, Urt. v. 05. 11. 2014, VIII R 29/11, BFHE 249, 1 (10), BStBl. II 2017, 432 (436), zu § 3 Nr. 11 S. 1 EStG und Entscheidungen auf der Grundlage von SGB VIII.
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
und Gerichte auch an die diese tragenden tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen in den Gründen des Verwaltungsakts gebunden246, auch wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, ohne dabei nichtig zu sein247. So wird etwa der „Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung“ nach § 15 Abs. 1 S. 1 BVFG durch das Bundesverwaltungsamt an „Spätaussiedler zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft“ Feststellungswirkung zuerkannt, weil sie nach § 15 Abs. 1 S. 4 BVFG „für Staatsangehörigkeitsbehörden und alle Behörden und Stellen verbindlich [ist], die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind“248. In der Folge werden diese nach § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 7 StAG aufgrund der Bescheinigung kraft Gesetzes249 deutsche Staatsangehörige, mit weiteren Rechtsfolgen in an die Staatsangehörigkeit anknüpfenden Rechtsbereichen, etwa im bereits250 beispielhaft genannten Steuerrecht. Aufgrund der Bindungswirkung ist inhaltlich das Rechtsverständnis der den Verwaltungsakt erlassenden Behörde maßgeblich. Ungeachtet der gewählten Auslegung ist der Verwaltungsakt erst einmal wirksam, selbst wenn er später von einem Gericht auf Grundlage seiner Rechtsauffassung als rechtswidrig aufgehoben wird (Umkehrschluss aus § 43 Abs. 3 VwVfG, Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG, § 124 Abs. 3 AO und § 39 Abs. 3 SGB X)251, sofern er nicht an einem so schwerwiegenden Fehler leidet, dass er nichtig und damit von Anfang an unwirksam ist (§ 44 Abs. 1 und 2 VwVfG, Art. 44 Abs. 1 und 2 BayVwVfG, § 125 Abs. 1 und 2 AO und § 40 Abs. 1 und 2 SGB X). Bei Verweisungen ist für Verwaltungsakte zur Anwendung der Bezugsnorm die Auslegung der Ausgangsnorm unerheblich, so dass entsprechende Überlegungen regelmäßig nicht veranlasst sind, selbst wenn die Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm auch für den Vollzug der Ausgangsnorm zuständig ist. Umgekehrt wäre für Verwaltungsakte zur Anwendung der 246 Vgl. Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 35, Rn. 219; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 10, Rn. 20; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 43, Rn. 26, m.w.N.; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 22, Rn. 23, jeweils zu § 35 S. 1 VwVfG. 247 Zur Wirksamkeit rechtswidriger Verwaltungsakte s. unten im Text. 248 Vgl. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 10, Rn. 20; ferner: Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 35, Rn. 218; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 22, Rn. 23. 249 Vgl. Hailbronner, in: Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau (Hrsg.), Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Aufl. 2017, § 7 StAG, Rn. 21 f.; Koch, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 7 StAG, Rn. 9. 250 S. oben im Text. 251 Vgl. Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 35, Rn. 153; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 43, Rn. 1, 3a; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 22, Rn. 1 f.; ferner Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 10, Rn. 6 f., 13.
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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Ausgangsnorm als Folge der Verweisung auch die Bezugsnorm auszulegen252, wenn nicht die materielle Bestandskraft, die Tatbestands- oder die Feststellungswirkung anderer Verwaltungsakte die Auslegung der Bezugsnorm entbehrlich macht. Eine solche Bindung überlagert im konkreten Einzelfall auch verwaltungsinterne Verwaltungsvorschriften für die Auslegung der Bezugsnorm. Damit kommt es hier von vornherein nicht darauf an, dass Verwaltungsvorschriften grundsätzlich nicht behörden- oder rechtsträgerübergreifend verbindlich sind253. bb) Bindung an Regelung und Gründe von Einzelfallentscheidungen, insbesondere Verwaltungsakten (1) Allgemeines Die Bindung von Behörden und Gerichten an Einzelfallentscheidungen anderer Behörden bedarf vor diesem Hintergrund einer genauen Prüfung, denn Tatbestandsund Feststellungswirkung254 gelten nicht unbegrenzt. Die Frage ist an sich eine allgemeine, die sich aber besonders häufig stellt, wenn eine Rechtsnorm als Bezugsnorm auch im Rahmen der Anwendung der Ausgangsnorm maßgeblich und für die Anwendung der Bezugsnorm auch eine Einzelfallentscheidung ergangen ist. (2) Mögliche Gründe für Bindung an Einzelfallentscheidungen von Behörden Für die behörden-, gerichts- und rechtsträgerübergreifende Bindungswirkung von Einzelfallentscheidungen bei Verweisungen scheinen wie für die entsprechende Bindung an Verwaltungsvorschriften255 gerade bei Verweisungen gute Gründe zu sprechen. Dies gilt insbesondere für die Bindung von Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm und Gerichten mit Zuständigkeit für deren Überprüfung an Einzelfallentscheidungen der Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm. Auch hier ist es zunächst die Sachnähe256 der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm, wenn für die Anwendung der Ausgangsnorm eine andere Behörde zuständig ist, insbesondere wenn Ausgangs- und Bezugsnorm verschiedenen Rechtsbereichen zuzurechnen sind. Anders als bei der Frage nach der 252 Vgl. BMF, Schreiben v. 21. 05. 2019, IV C 1 – S 1980 – 1/16/10010:001, BStBl. I 2019, 527, Rn. 23.12 S. 2, zur Verschmelzung offener inländischer Spezial-AIF, für die nach § 281 Abs. 1 S. 2 KAGB aufsichtsrechtlich keine Genehmigung erforderlich ist; ferner Drüen, Ubg 2016, 505 (508, 511); Frotscher, in: Schwarz/Pahlke (Hrsg.), AO/FGO, Loseblatt, Vor § 179, Rn. 88 (Lfg. 166; Stand: 09/2015). 253 S. III. 2. b) bb) und III. 2. b) cc). 254 S. III. 2. c) aa). 255 S. III. 2. b) bb) (2). 256 S. III. 2. b) bb) (2).
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
Bindung an Verwaltungsvorschriften anderer Behörden oder Rechtsträger257 geht es hier neben der Auslegung von Recht um seine Anwendung im Einzelfall. Dafür sind neben der Gesetzesinterpretation die Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts erforderlich, die neben der Auslegung von Gesetzen weitere Fähigkeiten voraussetzen können, die nicht in einer allgemeinen juristischen Ausbildung258 erworben werden können. Spezialisierungen können vor diesem Hintergrund bessere Entscheidungen aufgrund insoweit größerer „Sachnähe“ nach sich ziehen. Dabei ist jedoch von der vorschnellen Annahme besonderer „Sachkunde“ bestimmter Behörden zu warnen, denn eine solche müssen bestimmte Behörden nicht zwingend exklusiv haben259. Ungeachtet dessen sind auch hier Konstellationen geteilter Zuständigkeit wie im „mehrstufig“ vollzogenen Gewerbesteuerrecht abzugrenzen, wo für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags die ohnehin mit der Einkünfteermittlung für einkommens- und körperschaftsteuerrechtliche Zwecke befassten Finanzbehörden und für die Festsetzung der Gewerbesteuer die Gemeinden zuständig sind260. Diese von vornherein begrenzten, auch mit der Sachnähe der jeweiligen Behörden begründbaren Zuständigkeiten werden in den verfahrensrechtlichen Regelungen nachvollzogen, die eine entsprechende Bindung der Gemeinden an die Einzelfallentscheidung der Finanzbehörden vorsehen (§ 184 Abs. 1 S. 1 und 4, § 182 Abs. 1 S. 1, § 171 Abs. 10 S. 1 AO). Die Sachnähe spielt auch innerhalb eines Rechtsbereichs, der wie das Sozialrecht besonders stark „zersplittert“ und „zerfasert“261 ist, eine prominente Rolle, wobei es hier regelmäßig nicht um konzeptionell mehrstufige Verfahren geht, so dass die Frage der Bindung an Einzelfallentscheidungen im Einzelfall gesondert zu prüfen ist. Wie die Sachnähe ist auch die mögliche Ortsnähe der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm für (konkret-individuelle) Einzelfallentscheidungen wichtiger als für (abstrakt-generelle) Verwaltungsvorschriften262, wenn die Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm räumlich weiter entfernt sein sollte als die Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm, denn Ortsnähe ist von vornherein spezifischer auf konkrete Sachverhalte bezogen. Die Ortsnähe ist zwar häufig inhaltlicher Grund für die konkrete Ausgestaltung gesetzlicher Regelungen, wie außerhalb der Verweisungsproblematik bei der gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 179 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b) AO in Fällen unterschiedlicher örtlicher 257
S. III. 2. b) bb) und III. 2 b) cc). Zu den Anforderungen an die auch für andere Juristenberufe relevante Ausbildung von Richtern s. III. 3. b) bb). 259 Dementsprechend betont Drüen, Ubg 2016, 505 (508) die eigene „Sachkunde“ von Finanzbehörden zur Bestimmung des nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 4 EStG, ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG, als Betriebsausgaben abziehbaren Gewinnabschöpfungsanteils von durch Kartellbehörden festgesetzten Geldbußen bei Kartellrechtsverstößen. 260 S. III. 2. b) bb) (2), auch zum Folgenden. 261 S. III. 2. b) bb) (2). 262 S. III. 2. b) bb) (2). 258
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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Zuständigkeit von Finanzbehörden für die Besteuerung eines Steuerpflichtigen, wobei materiell-rechtlich von der nach § 18 Abs. 1 AO für die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zuständigen Behörde (insbesondere Lage- und Betriebsfinanzamt) dieselben materiell-rechtlichen Regelungen, etwa des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), anzuwenden sind wie von der ansonsten nach §§ 19, 20 AO für die Steuerfestsetzung zuständigen Behörde (insbesondere Wohnsitzfinanzamt) und damit keine Verweisung im materiellen Recht besteht. Sie ist jedoch auch im Falle von Verweisungen keineswegs in jedem Fall zwingender Grund für eine besondere Ausgestaltung von Zuständigkeiten oder ihre Modifizierung, wenn die begrenzte Komplexität des konkreten Einzelfalls nicht die Entscheidung einer ortsnahen Behörde anzeigt263. Zudem kann die Ortsnähe als inhaltlicher Grund für die Annahme einer Bindung von Behörden an Einzelfallentscheidungen anderer Behörden ausscheiden, wenn sich die räumlichen Bereiche örtlicher Zuständigkeit der für die Anwendung der Ausgangs- und der Bezugsnorm zuständigen Behörden überschneiden oder decken. Auch die Widerspruchsfreiheit und Einheit der Rechtsordnung264 zur Vermeidung (wertungs-)widersprüchlicher Entscheidungen könnte als inhaltliche Begründung für die Verbindlichkeit von Einzelfallentscheidungen herangezogen werden. Dies würde jedoch voraussetzen, dass verschiedene Regelungen auf denselben Sachverhalt angewendet werden. Ausgangs- und Bezugsnorm gelten wegen ihrer eigenständigen Regelungsziele im Rahmen ihres jeweils eigenen Anwendungsbereichs jedoch für unterschiedliche Sachverhalte, woran sich durch die verweisungsbedingte Relevanz der Bezugsnorm bei Auslegung und Anwendung der Ausgangsnorm nichts ändert, denn durch die Verweisung erhält sie lediglich einen weiteren Anwendungsbereich265. Wegen dieser Überlegung wird hier auch der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht greifen. Ungeachtet dessen gibt es zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen Zuständigkeits- und sonstige Verfahrensregelungen wie für die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 179 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 und 2, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO in Fällen mehrerer Beteiligter an Einkünften, wobei materiell-rechtlich von der nach § 18 Abs. 1 AO für die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zuständigen Behörde dieselben materiell-rechtlichen Regelungen, etwa des EStG oder KStG, anzuwenden sind wie von der ansonsten nach §§ 19, 20 AO für die Steuerfestsetzung zuständigen Behörde, so dass überhaupt keine Verweisung im materiellen Recht gegeben ist. Soweit die möglichen inhaltlichen Gründe überhaupt gegeben sind, sind sie allein freilich nicht geeignet, eine behörden-, gerichts- oder rechtsträgerübergreifende 263 Dementsprechend relativierend für das Zusammenwirken von Kartell- und Finanzbehörden mit Blick auf die Bestimmung des nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 4 EStG, ggf. § 8 Abs. 1 S. 1 KStG, als Betriebsausgaben abziehbaren Gewinnabschöpfungsanteils von durch Kartellbehörden festgesetzten Geldbußen bei Kartellrechtsverstößen Drüen, Ubg 2016, 505 (507 ff.). 264 S. III. 2. b) bb) (2), im Zusammenhang mit Verwaltungsvorschriften. 265 S. I.
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
Bindung herbeizuführen266, zumal wenn dadurch gesetzliche Zuständigkeitsregelungen überwunden würden. Dementsprechend können sie vor allem als inhaltliche Begründung für gesetzliche Regelungen, die eine entsprechende Bindung vorsehen, oder für Wesensmerkmale wie die Tatbestands- oder Feststellungswirkung von Verwaltungsakten herangezogen werden. Die verweisungsbedingte Verknüpfung von Ausgangs- und Bezugsnorm auf Ebene des materiellen Rechts ändert daran nichts. (3) Voraussetzungen der Bindung an Einzelfallentscheidungen Besonders einfach ist die Feststellung einer Bindung von Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm und Gerichten mit Zuständigkeit für deren Überprüfung an Einzelfallentscheidungen von Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm neben Fällen rechtsgestaltender Einzelfallentscheidungen267, wenn sie ausdrücklich gesetzlich angeordnet wird. Sie besteht allerdings nur im Rahmen der geregelten Reichweite, die ggf. durch Auslegung ermittelt werden muss. Vom Wortlaut ist etwa § 4 S. 1 und 2 KWG, § 4 S. 1 und 2 VAG oder § 5 Abs. 3 S. 1 und 2 KAGB eindeutig. Danach entscheidet in Zweifelsfällen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für „Verwaltungsbehörden“ verbindlich, ob ein „Unternehmen“ den Vorschriften des Kreditwesensgesetzes (KWG) oder der Aufsicht nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) unterliegt bzw. ob ein inländisches Unternehmen den Vorschriften des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) unterliegt oder ein Investmentvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 KAGB vorliegt. Die unspezifische Nennung von „Verwaltungsbehörden“ als Adressat der Bindungswirkung deutet darauf hin, dass sämtliche Behörden der vollziehenden Staatsgewalt268 gemeint sind, also beispielsweise auch Finanzbehörden269 im Hinblick auf die Voraussetzungen spezieller Regelungen für Kreditinstitute und Finanzdienstleis-
266 Vgl. Banniza, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Loseblatt, § 171 AO, Rn. 207 (Lfg. 247; Stand: 04/2018); Drüen, Ubg 2016, 505 (508); Rüsken, in: Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 171, Rn. 104. 267 Vgl. Banniza, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Loseblatt, § 171 AO, Rn. 207 (Lfg. 247; Stand: 04/2018); Drüen, Ubg 2016, 505 (508), insbesondere zur Bindung von Finanzbehörden an Verwaltungsakte „ressortfremder“ Behörden. 268 Wegen der Verwendung des Begriffs „Verwaltungsbehörden“ sind „Gerichte“ grundsätzlich nicht gebunden. Vgl. Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KW, 5. Aufl. 2016, § 4 KWG, Rn. 7, zu § 4 KWG. 269 Allgemein dazu s. Bußalb, in: Moritz/Klebeck/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht, Band 1, 2016, § 5 KAGB, Rn. 52, zu § 5 Abs. 3 KAGB; Häberle, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblatt, § 4 KWG, Rn. 2 (Lfg. 221; Stand: 08/ 2018); Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KW, 5. Aufl. 2016, § 4 KWG, Rn. 14, zu § 4 KWG; Wache/Lutz, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblatt, § 4 VAG, Rn. 4 (Lfg. 220; Stand: 07/2018), zu § 4 VAG.
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
103
tungsinstitute wie in § 8b Abs. 7 S. 1 KStG270 oder Versicherungsunternehmen wie in § 8b Abs. 8 S. 1 KStG oder die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Investmentsteuergesetzes (InvStG) nach § 1 Abs. 2 S. 1 und S. 2 Nr. 1 und 3, Abs. 3 Nr. 1 und 2 InvStG n.F.271. Der Bindungswirkung steht es nicht kategorisch entgegen, wenn diese wie in den Beispielen nicht in der Ausgangsnorm (Steuerrecht), sondern in der Bezugsnorm bzw. in einer Rechtsnorm aus demselben Gesetz im weiten Sinne wie die Bezugsnorm (Aufsichtsrecht) angeordnet ist272. Dies gilt jedenfalls für Ausgangs- und Bezugnormen desselben Rechtsträgers, denn für den sorgfältig arbeitenden Gesetzgeber wird man annehmen müssen, dass er eine entsprechende Bindung unabhängig von der Verweisungsrichtung will. Problematisch könnte die Verweisungsrichtung jedoch mit Blick auf Verwaltungszuständigkeiten sein, wenn die Bindung von Behörden verschiedener Rechtsträger angeordnet wird, ohne dass – wie in den vorigen Beispielen, wo die BaFin zum Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums (BMF) gehört, das im Bereich der Auftragsverwaltung nach Art. 108 Abs. 3 S. 2 i.V.m. Art. 85 Abs. 3 S. 2 GG wiederum auch gegenüber den Länderfinanzbehörden weisungsbefugt ist273 – wechselseitige Einflussnahmemöglichkeiten hinsichtlich des Gesetzesvollzugs bestehen. Die Verwaltungskompetenz im Bundesstaat des Grundgesetzes unterliegt anderen Regelungen (Art. 30, 83 ff., 108 GG) als die Gesetzgebungskompetenz (Art. 30, Art. 70 ff., 105 GG) mit der Folge, dass die Anordnung einer rechtsträgerübergreifenden Bindungswirkung von Einzelfallentscheidungen nicht automatisch eine Frage der Gesetzgebungskompetenz ist. Mit der gesetzlichen Anordnung einer Bindungswirkung könnte der Gesetzgeber das Normverständnis beeinflussen, wenn trotz mehrerer Auslegungsmöglichkeiten die Gesetzesinterpretation einer bestimmten Behörde274 maßgeblich sein soll. Dadurch könnte ein Kernelement der Verwaltungstätigkeit beschnitten werden, wenn der Gesetzgeber auf diese Art und Weise auf die Auslegung und Anwendung einer bestimmten Rechtsnorm nachhaltig einwirkt. Weitgehend unbedenklich dürfte insoweit noch eine gesetzliche Anordnung in der Ausgangsnorm mit einer rechtsträgerübergreifenden Bindung der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm an Einzelfallentscheidungen der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm sein, auch wenn keine verfassungsrechtliche Ein270
A.A. Gosch, in: Gosch (Hrsg.), KStG, 3. Aufl. 2015, § 8b, Rn. 564. So auch Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2711); Bußalb, in: Moritz/Klebeck/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht, Band 1, 2016, § 5 KAGB, Rn. 52; a.A. BMF, Schreiben v. 21. 05. 2019, IV C 1 – S 1980 – 1/16/10010:001, BStBl. I 2019, 527, Rn. 1.2 S. 4; Bödecker, in: Bödecker/Ernst/Hartmann (Hrsg.), BeckOK InvStG 2018, 2. Edition (Stand: 15.03.2019), § 1, Rn. 28; Mann, in: Weitnauer/Boxberger/Anders (Hrsg.), KAGB, 2. Aufl. 2017, § 1 InvStG, Rn. 4, jeweils im Hinblick auf die Verweisung im InvStG n.F. auf das KAGB. 272 Wohl a.A. Gosch, in: Gosch (Hrsg.), KStG, 3. Aufl. 2015, § 8b, Rn. 564, zu § 4 S. 1 und 2 KWG; Mann, in: Weitnauer/Boxberger/Anders (Hrsg.), KAGB, 2. Aufl. 2017, § 1 InvStG, Rn. 4, zu § 5 Abs. 3 S. 1 und 2 KAGB. 273 S. III. 2. b) bb) (7). 274 S. III. 2. b) aa). 271
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
flussnahmemöglichkeit der Verwaltung des Rechtsträgers mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm auf die Verwaltung des Rechtsträgers mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm besteht. Der Gesetzgeber der Ausgangsnorm bezieht in diesem Fall nicht nur die gesetzliche Regelung der Bezugsnorm in seine eigene Regelung ein, sondern erklärt für Zwecke der Anwendung der Ausgangsnorm auch das Verständnis der Bezugsnorm einer bestimmten Behörde für maßgeblich. Dies dürfte von der Kompetenz des Gesetzgebers der Ausgangsnorm umfasst sein und nicht gegen verfassungsrechtlich garantierte Verwaltungskompetenzen des Rechtsträgers mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm verstoßen. Soweit es für die Anwendung der Ausgangsnorm durch die dafür zuständige Behörde auf bestimmte Merkmale der Bezugsnom ankommt, macht es prinzipiell keinen Unterschied, ob diese so detailliert formuliert sind, dass es nur wenige oder in seltenen Extremfällen275 ausnahmsweise sogar keine Auslegungsmöglichkeiten gibt, oder bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten die Auslegung durch eine bestimmte Behörde maßgeblich ist. Umgekehrt erscheint es aber zweifelhaft, ob eine in der Bezugsnorm angeordnete Bindungswirkung für die Behörden eines anderen Rechtsträgers mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm gelten kann, wenn der Gesetzgeber der Bezugsnorm dadurch in die in Art. 30, 83 ff., 108 GG garantierten Verwaltungskompetenzen des Rechtsträgers mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm oder unzulässigerweise276 in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers der Ausgangsnorm eingreifen würde. Dies erscheint möglich, wenn ein Verständnis der Ausgangsnorm für maßgeblich erklärt wird, das von dem der Behörden des Rechtsträgers abweicht, der nach Art. 30, 83 ff., 108 GG insoweit für den Gesetzesvollzug zuständig wäre. Die eine Bindung anordnende Regelung müsste in diesem Fall entsprechend eng ausgelegt werden und dürfte nur Verweisungen auf andere gesetzliche Regelungen mit Verwaltungszuständigkeit desselben Rechtsträgers erfassen277. Etwas Anderes könnte allenfalls gelten, wenn beim Vollzug von Ausgangs- und Bezugsnorm zwischen den Behörden mehrerer zuständiger Rechtsträger wechselseitige Einflussnahmemöglichkeiten bestehen. Davon zu unterscheiden sind von vornherein unproblematische Fälle, in denen die Bindung an Verwaltungsakte angeordnet wird, ohne dass unterschiedliche materiellrechtliche Regelungen anzuwenden sind. Dies betrifft einige Formen von Grundlagenbescheiden im Sinne des § 171 Abs. 10 AO wie Feststellungsbescheide nach § 182 Abs. 1 S. 1 AO oder Steuermessbescheide nach § 184 Abs. 1 S. 4 i.V.m. § 182
275
Zur Auslegungsbedürftigkeit s. II. 2. b). S. I. 277 Dementsprechend wird für die Gesetzgebungsebene eine einschränkende Auslegung dynamischer Verweisungen von Landesrecht auf Bundesrecht gefordert. Vgl. Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 (405, 408). Wegen des eindeutigen Wortlauts kann dies jedoch bisweilen nicht möglich sein. Vgl. Gamber, VBlBW 1983, 197 (198 f.). 276
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
105
Abs. 1 S. 1 AO278. Diese sehen häufig aus Gründen der Sach- oder Ortsnähe oder der Widerspruchfreiheit und Einheit der Rechtsordnung die Anwendung bestimmter Regelungen durch mehrere Behörden desselben oder verschiedener Rechtsträger vor. Soweit wie bei Gewerbesteuermessbescheiden andere Rechtsträger wie Gemeinden für den Erlass des Folgebescheids wie dem Gewerbesteuerbescheid zuständig sind, ist dies unproblematisch, wenn die Kompetenzen des anderen Rechtsträgers von vornherein beschränkt sind wie im Beispiel auf das Hebesatzrecht279. Die bei mehreren Einzelfallentscheidungen bestehende Gefahr von Konflikten in Rechtsbehelfsverfahren gegen sämtliche Einzelfallentscheidungen wird durch Regelungen wie in § 351 Abs. 2 AO, § 74 FGO begegnet, wonach der Prüfungsumfang im Rahmen der Rechtsbehelfsverfahren jeweils beschränkt ist. Eine Bindung besteht auch ohne ausdrückliche Anordnung bei Verwendung verfahrensrechtlicher Begriffe als Tatbestandsvoraussetzung der Ausgangsnorm280. Dies gilt etwa für Begriffe wie „festgestellt“ in § 33b Abs. 2 Nr. 1 und 2 EStG, „Bescheinigung“ in § 7i Abs. 2 EStG, „bescheinigt“ in § 4 Nr. 20 Buchst. a) S. 2 und 3, Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG281, „genehmigt“ in § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) UStG oder „zur Gewerbesteuer veranlagt“ in § 2 Abs. 1 IHK-G282. Die typische Handlungsform der von der jeweils zuständigen Behörde vorzunehmenden „Feststellung“, Erteilung einer „Bescheinigung“ bzw. „Genehmigung“ oder Durchführung einer „Veranlagung“ ist ein Verwaltungsakt, dem eine Regelung im Sinne einer Setzung oder Beseitigung von Rechtsfolgen als wesentlichem Merkmal und eine Tatbestandswirkung eigentümlich ist283. Dasselbe gilt erst recht, wenn der 278 Die Regelung über die Bindungswirkung in § 182 Abs. 1 S. 1 AO erfasst nach seinem Wortlaut nur steuerrechtlich relevante Verwaltungsakte. 279 S. III. 2. b) bb) (2). 280 S. II. 2. d), zur Annahme einer Verweisung durch Verwendung entsprechender verfahrensrechtlicher Begriffe. 281 Zu Grenzen der Bindungswirkung s. BFH, Urt. v. 20. 04. 2016, XI R 6/14, BFHE 253, 499 (503), BStBl. II 2016, 828 (830), Rn. 22 ff., m.w.N. 282 Speziell zu § 2 Abs. 1 IHK-G s. BVerwG, Beschl. v. 06. 05. 1983, 5 B 51/81, NVwZ 1983, 546 (546); Urt. v. 27. 10. 1998, 1 C 19.97, NVwZ-RR 1999, 243 (243); Beschl. v. 11. 07. 2011, 8 C 23/10, NVwZ 2011, 1390 (1391); VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17. 06. 1998, 14 S 38/98, GewArch 1999, 66 (67 f.); VGH Hessen, Beschl. v. 14. 08. 1997, GewArch. 1998, 73 (74); OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 06. 11. 2009, 2 L 252/08, juris, Rn. 9, 10, 23; Jahn, GewArch. 1995, 457 (461), zumindest für den Fall, dass die Gewerbesteuerveranlagung auf § 2 Abs. 1 GewStG beruht. Eine Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags auf „Null“ genügt mangels Entscheidung über die persönliche und sachliche Gewerbesteuerpflicht demgegenüber nicht, so dass die Kammer selbst die Gewerbesteuerpflicht prüfen muss. Vgl. BVerwG, Beschl. v. 11. 07. 2011, 8 C 23/10, NVwZ 2011, 1390 (1390), Rn. 5 ff.; Deiseroth/Eggert, GewArch 2016, 449 (450). Auch ohne jegliche Aktivitäten der Finanzbehörden muss die Kammer die für die Kammermitgliedschaft ausreichende „Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach“ selbst prüfen. S. II. 2. c) und II. 2. d). 283 S. III. 2. c) bb) (3); ferner s. BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1998, 1 C 19.97, NVwZ-RR 1999, 243 (243); Beschl. v. 11. 07. 2011, 8 C 23/10, NVwZ 2011, 1390 (1391); Deiseroth/Eggert, GewArch 2016, 449 (450), jeweils zur „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ als Voraussetzung der IHK-Mitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHK-Gesetz.
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
Gesetzgeber nicht nur bestimmte verfahrensrechtliche Begriffe benennt, sondern zumindest abstrakt auch Behörden und Gerichte284, etwa in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 1 und 4 EStG, ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG, hinsichtlich der „von einem Gericht oder einer Behörde im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder von Organen der Europäischen Union festgesetzte[n] Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder“. Unabhängig von einer im Allgemeinen bestehenden Tatbestandswirkung, deren Bindungswirkung über die aus der materiellen Bestandskraft folgenden Bindung der erlassenden Behörde und des Adressaten hinausgeht, wird der Gesetzgeber im Falle einer „Anknüpfung“ an Entscheidungen anderer Behörden oder Gerichte285 häufig eine behörden- oder gerichteübergreifende Bindung gewollt haben, insbesondere eine Bindung der Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm und der Gerichte mit Zuständigkeit für deren Überprüfung an Einzelfallentscheidungen der Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm. Andernfalls würde er auf das materielle Recht verweisen, ohne auf die konkrete verfahrensrechtliche Umsetzung durch die dafür zuständige Behörde Bezug zu nehmen. Vor diesem Hintergrund könnte es sogar unerheblich sein, wenn sich die inhaltliche Entscheidung nicht aus dem Tenor des Verwaltungsakts, sondern „nur“ aus seinen Gründen ergibt286. Insoweit sind jedoch die später287 zu behandelnden Grenzen zu beachten. Nicht gleichermaßen eindeutig und zwingend ist die Bindungswirkung, wenn die Ausgangsnorm lediglich Begriffe verwendet, die in der Rechtsordnung eindeutig besetzt sind, wie beispielsweise die Begriffe „Kreditinstitute“ und „Finanzdienstleistungsunternehmen“ in § 8b Abs. 7 S. 1 KStG und „Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen“ in § 8b Abs. 8 S. 1 und 3 KStG. Ergibt die Auslegung, dass solche Begriffe materiellrechtlich im Sinne bestimmter anderer Regelungen wie in den Beispielen des KWG oder des VAG als Bezugsnorm zu verstehen sind288, könnten auch Einzelfallentscheidungen der für deren Vollzug zuständigen Behörden für andere Behörden verbindlich sein. Dies gilt vor allem dann, wenn die mit den Begriffen umschriebenen Umstände innerhalb des Regelungsbereichs der Bezugsnorm nur bei Erfüllung verfahrensrechtlicher Voraussetzungen maßgeblich bzw. rechtmäßig sind, zumal die Verweisung auch diese einbeziehen könnte. So bedürfen in den Beispielen „Kreditinstitute“ und „Finanzdienstleistungsunternehmen“ im Sinne des KWG sowie „Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen“ im Sinne 284
S. II. 2. d), zur Annahme einer Verweisung durch Nennung bestimmter Behörden und Gerichte. 285 Vgl. Drüen, Ubg 2016, 505 (507 f.); Rüsken, in: Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 171, Rn. 104, 106, jeweils mit Hinweis auf praktische Schwierigkeiten der Bindungswirkung. 286 Str.; zur Problematik s. Drüen, Ubg 2016, 505 (507, Fn. 39) („Entscheidung […] in Entscheidungstenor […] erscheint nicht zwingend“); anders aber Schönfeld/Haus/Bergmann, DStR 2014, 2323 (2326), jeweils zu nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG erforderlichen „Bescheinigungen“. 287 S. III. 2. c) bb) (4). 288 S. II. 2. c).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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des VAG nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG bzw. § 8 Abs. 1 VAG für entsprechende Aktivitäten einer von der BaFin zu erteilenden „Erlaubnis“ in Gestalt eines Verwaltungsakts289. Im Falle einer Bindung müssten auch Finanzbehörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der steuerrechtlichen Ausgangsnorm die aufsichtsrechtliche Einordnung in Entscheidungen der BaFin mit Zuständigkeit für die Anwendung der aufsichtsrechtlichen Bezugsnorm beachten. Dies wäre dann wohl auch Folge der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts, aber auch der Verweisung im materiellen Recht auf Umstände, die regelmäßig, ggf. sogar zwingend ein Verwaltungshandeln erfordern. Dasselbe würde im Hinblick auf die Verweisung in § 1 Abs. 2 S. 1 und S. 2 Nr. 1 und 3, Abs. 3 Nr. 1 und 3 InvStG n.F. auf das KAGB zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Investmentsteuerrechts für aufsichtsrechtliche Verwaltungsakte wie Erlaubnisse oder Genehmigungen nach §§ 20 bis 22, § 113 Abs. 1, § 163 Abs. 1, § 171 Abs. 1, § 182 Abs. 1, § 267 Abs. 1 KAGB gelten, die den Geschäftsbetrieb von Kapitalanlagegesellschaften und die Kapitalanlage durch Investmentfonds und -vermögen betreffen. Allerdings ist in solchen Fällen zu prüfen, ob die Reichweite der Tatbestandswirkung nicht eingeschränkt ist, denn die aufsichtsrechtlichen Erlaubnisse und Genehmigungen stellen die für die Anwendung der Ausgangsnormen relevanten Umstände nicht immer ausdrücklich fest290, so dass diese auch nicht Gegenstand der Regelung des Verwaltungsakts sind. Vielmehr sind diese lediglich Anknüpfungspunkt in Gestalt einer „Inzidententscheidung“291. Ungeachtet dessen werden solche Entscheidungen regelmäßig eine Indizwirkung für andere Behörden haben292. Etwas Anderes könnte aber erwogen werden, wenn die materiellen Kriterien alleinige Voraussetzung für den aufsichtsrechtlichen Verwaltungsakt sind, wie im Falle der Erlaubnis für Kreditinsitute nach § 32 Abs. 1 KWG und der Definition des Kreditinstituts in § 1 Abs. 1 S. 1 KWG. Ob eine solche Differenzierung gewollt ist, ist indes fraglich, zumal die bereits293 genannten Regelungen in § 4 S. 1 und 2 KWG, § 4 S. 1 und 2 VAG und § 5 Abs. 3 S. 1 und 2 KAGB zur Bindung anderer „Verwaltungsbehörden“ an Entscheidungen der BaFin über die Einordnung bestimmter (Rechts)Gebilde für aufsichtsrechtliche Zwecke aus ge289 Vgl. Fischer/Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KW, 5. Aufl. 2016, § 32 KWG, Rn. 35, zu § 32 KWG; Wache/Lutz, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblatt, § 8 VAG, Rn. 13 (Lfg. 207; Stand: 03/2016), zu § 8 VAG. 290 Dies aber wäre erforderlich. Vgl. Häberle, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblatt, § 4 KWG, Rn. 2 (Lfg. 221; Stand: 08/2018), zu § 4 KWG. 291 Allgemein zu „Inzidententscheidungen“ s. Häberle, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblatt, § 4 KWG, Rn. 1 (Lfg. 221; 08/2018); Schäfer, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, 5. Aufl. 2016, § 4 KWG, Rn. 8, zu § 4 KWG. 292 So geht das Bundesfinanzministerium (BMF) unter anderem in Bezug auf die nach § 182 Abs. 1 KAGB für die Verschmelzung von Sondervermögen erforderliche Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) davon aus, dass „die Finanzbehörden die aufsichtsrechtlichen Voraussetzungen für eine Verschmelzung als gegeben ansehen“ können, wenn „diese Genehmigung vor[liegt] und […] auch eventuelle Nebenbestimmungen der Genehmigung erfüllt [sind]“. Vgl. BMF, Schreiben v. 21. 05. 2019, IV C 1 – S 1980 – 1/16/ 10010:001, BStBl. I 2019, 527, Rn. 23.11 S. 3. 293 Zu diesen s. oben im Text.
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
setzessystematischen Gründen als vorrangige Spezialregelung betrachtet werden könnten. Fraglich könnte gleichwohl auch im Hinblick auf diese Regelungen sein, ob sie eine entsprechende Bindung erzeugen, denn sie ermöglichen an sich lediglich die Feststellung der Anwendbarkeit des Aufsichtsrechts, ohne dabei eine genaue Einordnung bestimmter (Rechts)Gebilde (z. B. als Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut) für Zwecke des Aufsichtsrechts vorzunehmen294. Mit Blick auf die Beseitigung von Zweifeln über die aufsichtsrechtliche Einordnung von (Rechts)Gebilden als Sinn und Zweck der genannten Regelungen erscheint es hier aber nicht völlig ausgeschlossen zu sein, dass diese in die Entscheidung (Regelung bzw. Tenor) neben der Feststellung über die Anwendbarkeit des Aufsichtsrechts einbezogen ist295. Wegen der Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten ist jedenfalls die Nichtbeachtung aufsichtsrechtlicher Vorgaben, die an sich Voraussetzung für deren Rechtmäßigkeit sind, für die Anwendung anderer Rechtsnormen wie in den Beispielen aus dem Körperschaft- oder dem Investmentsteuerrecht als Ausgangsnorm aufsichtsrechtlicher Bezugsnormen unerheblich, sofern diese für steuerrechtliche Zwecke überhaupt maßgeblich sind296. Einfacher ist die Frage nach der Bindungswirkung, wenn die Bezugsnorm keine verfahrensrechtlichen Anforderungen enthält, wie etwa das KWG hinsichtlich der in § 8b Abs. 7 S. 2 KStG genannten „Finanzunternehmen“, für deren Aktivitäten das KWG kein ausdrückliches „Erlaubniserfordernis“ vorsieht297. Dies könnte auch der Grund sein, warum hier anders als für die Begriffe „Kreditinstitute“ und „Finanzdienstleistungsinstitute“ in § 8b Abs. 7 S. 1 KStG ausdrücklich auf das KWG verwiesen wird. Die Verweisung auf rein materiell-rechtliche Regelungen bedeutet jedoch, dass die Rechtsauffassung der für den Vollzug des KWG zuständigen BaFin nicht mehr in gleicher Weise verbindlich sein kann, die nicht nur in Verwaltungsvorschriften, sondern auch in Einzelfallentscheidungen mit aufsichtsrechtlichen Maßnahmen zum Ausdruck kommen kann. Hier ist zunächst die Auffassung der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm maßgeblich, die sich freilich die Rechtsauffassung der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm zu eigen machen kann298. Dasselbe gilt, wenn wie in § 2 Abs. 1 IHKG die Systematik ergibt, dass trotz Bezugnahme auf eine Verfahrenshandlung (im 294 Vgl. Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KW, 5. Aufl. 2016, § 4 KWG, Rn. 7, zu § 4 KWG. 295 So wohl auch Häberle, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblatt, § 4 KWG, Rn. 2 (Lfg. 221; Stand: 08/2018), zu § 4 KWG. 296 So wohl auch BT-Drs. 18/8045, S. 66, zum InvStG n.F. mit dem Hinweis, dass aufgrund des Verzichts auf entsprechende Vorgaben im reformierten InvStG „die in der Praxis aufwendige Prüfung und Überwachung der Anlagebestimmungen durch die Finanzbehörden und Kapitalverwaltungsgesellschaften entfällt“; ferner Bödecker, in: Bödecker/Ernst/Hartmann (Hrsg.), BeckOK InvStG 2018, 2. Edition (Stand: 15.03.2019), § 1, Rn. 25; Mann, in: Weitnauer/Boxberger/Anders (Hrsg.), KAGB, 2. Aufl. 2017, § 1 InvStG, Rn. 2. 297 Vgl. Fischer/Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KW, 5. Aufl. 2016, § 32 KWG, Rn. 25. 298 S. II. 3. d), III. 2. b) aa) und III. 2. b) bb) (7).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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Beispiel des § 2 Abs. 1 IHK-G: „Veranlagung zur Gewerbesteuer“) diese nicht tatsächlich durchgeführt werden muss299. Auch wenn eine Verfahrenshandlung deutscher Behörden nicht möglich ist, weil diese im Verhältnis zu anderen Staaten nicht zuständig sind, kann eine solche von vornherein nicht maßgeblich sein. So kann die Eigenschaft als „Kreditinstitut“ oder „Versicherungsungernehmen“ in § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG von „ausländischen Gesellschaften“ im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG nicht von der BaFin festgestellt werden. Ob eine Verfahrenshandlung einer ausländischen Behörde erforderlich ist, wird im Einzelfall zu entscheiden sein. Im Falle des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG soll die sog. Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG gegen „ungerechtfertigte Steuervorteile […] durch Einsatz sogenannter „Basisgesellschaften““ (in der Terminologie von § 7 Abs. 1 AStG: „ausländische Gesellschaft“ bzw. „Zwischengesellschaft“) gerichtet sein300. Die Erreichung dieses Ziels darf schon wegen der verfassungs- und einfachrechtlichen Vorgaben der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG, § 85 S. 1 AO) und damit aus gesetzessystematischen Gründen nicht von Verfahrenshandlungen ausländischer Behörden abhängen301. Die Beispiele, in denen kein tatsächliches Verwaltungshandeln erforderlich ist, zeigen, dass dies wohl nur eine Ausnahme ist, wenn auf Umstände Bezug genommen wird, die normalerweise ein Verwaltungshandeln bedingen. Ohne gesetzessystematische oder andere Gründe wird in solchen Fällen die Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm die Bezugsnorm regelmäßig allenfalls dann selbst auslegen dürfen, wenn noch keine bindende Entscheidung der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm besteht. (4) Grenzen der Bindungswirkung Im Rahmen der bisherigen Überlegungen wurde bereits302 die Problematik der begrenzten Reichweite der Bindung an Einzelfallentscheidungen angesprochen, die eine „Vermischung verschiedener Verwaltungsverfahren“ zu vermeiden hilft303. Eine solche Begrenzung folgt wegen ihrer auch andere Behörden und Gerichte bindenden Tatbestands- und Feststellungswirkung nicht allein aus der materiellen Bestandskraft von Verwaltungsakten, die eine Bindung von erlassender Behörde und Adressaten bewirkt304. Aber auch die Tatbestands- und Feststellungswirkung unterliegt Beschränkungen, die sich aus der gesetzlichen Konzeption des Inhalts von Verwaltungsakten ergeben. Nach der Legaldefinition des Verwaltungsakts in § 35 S. 1 VwVfG, Art. 35 S. 1 BayVwVfG, § 118 S. 1 AO und § 31 S. 1 SGB X ist die den 299
Dazu s. II. 2. c). Vgl. BT-Drs. VI/2883, S. 26 f. 301 Vgl. FG Baden-Württemberg, Urt. v. 27. 07. 1995, 6 K 216/88, EFG 1996, 350 (352 f.). 302 S. III. 2. b) bb) (3). 303 Vgl. Frotscher, in: Schwarz/Pahlke (Hrsg.), AO/FGO, Loseblatt, Vor § 179, Rn. 85 (Lfg. 166; Stand: 09/2015); ferner Drüen, Ubg 2016, 505 (507). 304 S. III. 2. b) aa). 300
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
Tenor bildende Regelung305 konstitutives und wesentliches Merkmal eines Verwaltungsakts, das Rechtsfolgen mit verbindlichem Charakter setzen oder beseitigen kann. Demgegenüber sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe nur in der Begründung eines Verwaltungsakts mitzuteilen (§ 39 Abs. 1 S. 1 und 2 VwVfG, Art. 39 Abs. 1 S. 1 und 2 BayVwVfG, § 121 Abs. 1 AO und § 35 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB X). Diese konzeptionelle Ausgestaltung bedeutet, dass die auf die Regelung bezogene Tatbestandswirkung zwar ohne Weiteres, jedoch inhaltlich auch nur hinsichtlich der im Tenor zum Ausdruck kommenden Regelung für andere Behörden und Gerichte verbindlich ist306. Umgekehrt können Verwaltungsakte nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung Feststellungswirkung hinsichtlich der ihnen zu Grunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Gründe haben307, denn erst durch diese wird das im Tenor enthaltene Merkmal der rechtsetzenden und -beseitigenden Regelung um ein zusätzliches verbindliches Element erweitert. Auch aus der materiell-rechtlichen Rechtsgrundlage der Bezugsnorm kann sich eine Einschränkung der Reichweite der Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten ergeben, wenn aus dieser abgeleitet werden kann, was Gegenstand der Regelung im Rahmen des verfahrensmäßigen Vollzugs sein soll308. Außerhalb davon kann nichts an der Regelungs- und Tatbestandswirkung309 teilhaben, auch wenn es – dann freilich zu Unrecht – im Tenor eines Verwaltungsakts enthalten ist. Es ist unerheblich, wenn im Einzelfall schwierig zu ermitteln sein sollte, ob eine Rechtsgrundlage bestimmte Regelungen in Verwaltungsakten ermöglicht. Solche Abgrenzungsschwierigkeiten sind im Rahmen der Rechtsanwendung häufig anzutreffen und insbesondere durch Auslegung zu bewältigen. Die aus der materiell-rechtlichen Rechtsgrundlage abgeleiteten Grenzen widersprechen nicht der Wirksamkeit rechtswidriger (bestandskräftiger) Verwaltungsakte, die nicht an einem „besonders schwerwiegenden Fehler“ leiden, so dass sie ausnahmsweise nichtig sind310. Ob diese Voraussetzung der Nichtigkeit bei Regelungen in Verwaltungsakten über in der materiell-rechtlichen Grundlage nicht vorgesehene Umstände erfüllt ist, ist angesichts der Unbestimmtheit der maßgeblichen Begriffe keineswegs selbstverständlich311, kann im Hinblick auf die hier interessierenden Verweisungen jedoch offenbleiben, wenn 305
Dazu s. III. 2. b) aa). Dazu s. III. 2. b) aa). 307 Dazu s. III. 2. b) aa). 308 Vgl. Banniza, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Loseblatt, § 171 AO, Rn. 207a (Lfg. 247; Stand: 04/2018); ähnlich Drüen, Ubg 2016, 505 (508), jeweils zur Bindung von Finanzbehörden an Verwaltungsakte „ressortfremder“ Behörden. 309 Vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 88 AO, Rn. 48 ff. (Lfg. 147; Stand: 01/2017), insbesondere mit Nachweisen zur Rechtsprechung zu § 7i Abs. 2 EStG in Rn. 50. 310 S. III. 2. c) aa). 311 Dazu s. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 44, Rn. 30 f., m.w.N., zu § 35 S. 1 VwVfG (Nichtigkeit bei „absolute[r] Gesetzlosigkeit“); Seer, in: Tipke/ Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 125 AO, Rn. 9 (Lfg. 142; Stand: 10/2015) (Nichtigkeit, „wenn unter keinen vertretbaren Umständen eine gesetzliche Grundlage oder Begründung gefunden werden kann“). 306
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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andernfalls in gesetzlich angeordnete Zuständigkeitsabgrenzungen, insbesondere zu Gunsten der Behörde mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm, eingegriffen wird. Dies zeigt sich anschaulich bei Bußgeldbescheiden zur Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im Sinne des § 65 OWiG, die zwar schon wegen der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG und Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG geregelten Nichtanwendbarkeit der Verwaltungsverfahrensgesetze (VwVfG) von Bund und den wohl meisten Ländern zumindest kein „klassischer“ Verwaltungsakt im Sinne der § 35 S. 1 VwVfG, Art. 35 S. 1 BayVwVfG, § 118 S. 1 AO und § 31 S. 1 SGB X sind, jedoch für die Problematik der begrenzten Reichweite der im Tenor eines Verwaltungsakts zum Ausdruck kommenden Regelung zumindest vergleichbar sind312. Hinsichtlich des Inhalts sehen die gesetzlichen Regelungen über Bußgeldbescheide in § 66 Abs. 1 Nr. 5 OWiG nur die Verhängung von Geldbußen und Nebenfolgen (wie die Einziehung von Gegenständen nach §§ 22 ff. OWiG) vor, nicht aber die Entziehung des wirtschaftlichen Vorteils, den der Täter aus einer Ordnungswidrigkeit gezogen hat. Dieser ist nur Zumessungskriterium für die Bemessung der Höhe der Geldbuße, die nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG den Vorteil übersteigen und damit abschöpfen soll. § 29a Abs. 1 und 2 OWiG bestätigt diesen Charakter der Vorteilsabschöpfung, der die Anordnung einer (selbständigen) Einziehung nur ermöglicht, wenn gegen den Täter „eine Geldbuße nicht festgesetzt“ wird oder unter bestimmten Voraussetzungen von einem Nichttäter ein bestimmter Geldbetrag eingezogen werden soll. Zudem steht die Gewinnabschöpfung speziell im Kartellverfahren nach § 81 Abs. 5 S. 1 GWB im Ermessen der Behörde313. Damit kann eine gleichwohl aufgenommene Regelung über die (Nicht-)Gewinnabschöpfung in den Tenor des Bußgeldbescheids für andere Behörden nicht verbindlich sein, etwa für Finanzbehörden hinsichtlich der Bestimmung des nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 1 und 4 EStG, ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG, als Betriebsausgaben abziehbaren Teils von Geldbußen, die deshalb eigenständig prüfen können und müssen, ob und in welcher Höhe durch einen Bußgeldbescheid ein Gewinn abgeschöpft wird314. Auch die von 312 Vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 06. 07. 1970, 2 Ss 89/70 OW, NJW 1970, 1616 (1616) („seiner Natur nach ein Verwaltungsakt“); Bohnert/Krenberger/Krumm, in: Krenberger/ Krumm (Hrsg.), OWiG, 5. Aufl. 2018, § 65, Rn. 4 („wie ein Verwaltungsakt“); Kurz, in: Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 65, Rn. 8, m.w.N. („Rechtsnatur eines Verwaltungsakts“). 313 Dazu auch s. „Leitlinien für die Bußgeldzumessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren“. Darin findet sich nur der Vorbehalt des Bundeskartellamts (BKartA), „im Rahmen des Bußgeldverfahrens oder eines gesonderten Verfahrens (§ 32 GWB, § 34 GWB) Vorteile zu entziehen“ (Ziff. 17). Diesbezüglich wird darauf hingewiesen, dass „das in § 17 Abs. 4 OWiG vorgesehene Zumessungskriterium der Abschöpfung […] im Kartellordungswidrigkeitenrecht [sic!] in Abweichung zum allgemeinen Ordnungswidrigkeitenrecht in das Ermessen der Kartellbehörde gestellt (§ 81 Abs. 5 GWB)“ wird (Anm. 1 zu Ziff. 17). Zur Praxis des Bundeskartellamts und zur Tenorierung s. Drüen, Ubg 2016, 505 (506). 314 S. Drüen, Ubg 2016, 505 (507 ff.); Drüen, in: Drüen/Kersting, Steuerrechtliche Abzugsfähigkeit von Kartellgeldbußen des Bundeskartellamtes, 2016, S. 65 ff., Rn. 59 ff., S. 160, Rn. 236 f.; Drüen, in: Lüdicke/Mellinghoff/Rödder (Hrsg.), Nationale und Internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung. Festschrift für Dietmar Gosch zum Aus-
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
den Finanzbehörden vorzunehmende315 „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ als Voraussetzung für die IHK-Mitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHK-Gesetz ist genau darauf begrenzt. Der Umstand, dass die Existenz einer inländischen Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO316 nach § 2 Abs. 1 S. 1 und 3 GewStG Voraussetzung der Gewerbesteuerpflicht ist, bedeutet nicht, dass die Kammer die weitere in § 2 Abs. 1 IHKGesetz aufgestellte, kumulativ zu erfüllende317 Voraussetzung einer Betriebsstätte im Sinne des Art. 12 AO im Kammerbezirk wegen einer möglichen Tatbestandswirkung nicht prüfen darf318, da dieses Erfordernis ausdrücklich neben der „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ besteht. Von der ausnahmsweisen Feststellungswirkung von Verwaltungsakten319 sind Fälle zu unterscheiden, in denen Umstände, die normalerweise zu den in den Gründen eines Verwaltungsakts enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen gehören320, selbst Gegenstand der Regelung und deshalb schon nach allgemeinen Grundsätzen verbindlich sein können. Musterbeispiel ist die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 179 Abs. 1 AO, da insoweit Umstände Gegenstand der Regelung eines eigenständigen Verwaltungsakts (Feststellungsbescheid) sind, die ansonsten in den Gründen eines Steuerbescheids enthalten und nach § 157 Abs. 2 AO nicht selbständig anfechtbar sind, freilich ohne dass eine Verweisung im materiellen Recht besteht321. In diesen Fällen ist eine Bindung bestimmter anderer Behörden ausdrücklich angeordnet (§ 182 Abs. 1 S. 1 AO). Das Fehlen einer gesetzlichen Anordnung einer Feststellungswirkung bedeutet freilich nicht, dass die Gründe von Verwaltungsakten für andere Behörden völlig irrelevant sind, denn die dann nicht bestehende „formell-rechtliche“ Bindung schließt eine „materiell-rechtliche“ Bindung nicht aus. Ein Beispiel dafür findet sich in § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG für Sacheinlagen im Sinne des § 20 Abs. 1 UmwStG (Einbringungen von Unternehmensteilen in Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften) mit der Wertverknüpfung von Wertansatz des eingebrachten Betriebsvermögens auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft nach § 20 Abs. 2 S. 1 und 2 UmwStG und Veräußerungspreis des eingebrachten Betriebsvermögens nach § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG auf Ebene des Einbringenden322. Dieser Zusammenhang beruht auf einer (Binnen)Verweisung in Gestalt einer Fiktion in § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG scheiden aus dem Richteramt, S. 57 (64 ff.), zu Bußgeldbescheiden zur Sanktionierung von Kartellrechtsverstößen. 315 S. III. 2. b) bb) (2). 316 Zur Maßgeblichkeit von § 12 AO s. II. 2. c). 317 Vgl. Jahn, GewArch 2017, 15 (16). 318 Vgl. BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1998, 1 C 19.97, NVwZ-RR 1999, 243 (243); Jahn, GewArch 2017, 15 (16). 319 S. III. 2. b) aa). 320 S. oben im Text. 321 S. III. 2. c) bb) (2). 322 Vgl. Dürrschmidt, in: Dürrschmidt/Mückl/Weggenmann (Hrsg.), BeckOK UmwStG, 12. Edition (Stand: 15.05.2019), § 20, Rn. 1497.5, 1611, m.w.N.
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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(„gilt“) auf § 20 Abs. 2 S. 1 und 2 UmwStG, da für die Höhe des Veräußerungspreises die Regelung über den Wertansatz des eingebrachten Betriebsvermögens auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft maßgeblich ist. Der Wertansatz des eingebrachten Betriebsvermögens auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft ist keine Regelung im Sinne des § 118 S. 1 AO in ihrem Steuerbescheid323 mit der Folge, dass die für den Einbringenden zuständige Finanzbehörde nicht an den Wertansatz gebunden sein kann. Die „materiell-rechtliche“ Bindung bewirkt aber, dass die für die Besteuerung des Einbringenden zuständige Finanzbehörde an den von der übernehmenden Gesellschaft gewählten Wertansatz (Buch-, Zwischen- oder gemeiner Wert) gebunden ist, der dem an diesen Rechtsträger von der für ihre Besteuerung zuständigen Finanzbehörde gerichteten Steuerbescheid zu Grunde liegt324. Problematisch kann es jedoch werden, wenn für die beteiligten Rechtsträger verschiedene Finanzbehörden örtlich zuständig sind und diese die Regelungen mit der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen anwenden. Die „materiell-rechtliche“ Bindung kann diese jedoch nicht beseitigen, denn die für die Besteuerung des Einbringenden zuständige Finanzbehörde ist nur an den von der übernehmenden Gesellschaft gewählten Wertansatz des eingebrachten Betriebsvermögens gebunden, der der Steuerfestsetzung für die übernehmende Gesellschaft zu Grunde liegt. Sie darf deshalb eigenständig prüfen, ob die Voraussetzungen für den gewählten Wertansatz erfüllt sind und gegebenenfalls einen anderen Ansatz zu Grunde legen325. Damit bleibt die Wirkung auch hinter der „Feststellungswirkung“ von Verwaltungsakten zurück. Weiter zeigt sich der Zusammenhang darin, dass die übernehmende Gesellschaft den an sie gerichteten Steuerbescheid nicht selbst anfechten kann, weil sie unabhängig vom Wertansatz durch die Sacheinlage im Sinne des § 20 Abs. 1 UmwStG (Einbringung von Unternehmensteilen in Kapitalgesellschaften und Genossenschaften) keine zusätzliche Steuerbelastung hat und deshalb nicht selbst beschwert im Sinne des § 350 AO bzw. § 40 Abs. 2 FGO ist326. Jedoch kann der Einbringende den an die 323 Vgl. BFH, Urt. v. 16. 12. 2009, I R 97/08, BStBl. II 2010, 808; Urt. v. 08. 06. 2011, I R 79/ 10, BStBl. II 2012, 421, zu einer Sacheinlage im Sinne des § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG 1995; ferner, wenn auch nicht so deutlich, BFH, Urt. v. 20. 04. 2011, I R 97/10, BStBl. II 2011, 815 (Verfassungsbeschwerde im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 5a GG nach §§ 93a, 93 b BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen; s. BVerfG, Beschl. v. 20. 08. 2013, 2 BvR 2690/11); noch weniger deutlich BFH, Urt. v. 19. 12. 2007, I R 111/05, BStBl. II 2008, 536, jeweils zu einem Anteilstausch im Sinne des § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG 1995; Urt. v. 19. 12. 2012, I R 5/12, BFH/ NV 2013, 743; Urt. v. 06. 06. 2013, I R 36/12, BFH/NV 2014, 74, jeweils zu einem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft im Sinne des § 14 S. 1 UmwStG 1995 bzw. § 9 S. 1 UmwStG 2006; Dürrschmidt, in: Dürrschmidt/Mückl/Weggenmann (Hrsg.), BeckOK UmwStG, 12. Edition (Stand: 15.05.2019), § 20, Rn. 1497.6, 1611, m.w.N.; a.A. Brühl, FR 2015, 871 (873 ff.); Brühl, GmbHR 2016, 746 (750 ff.). 324 Vgl. Dürrschmidt, in: Dürrschmidt/Mückl/Weggenmann (Hrsg.), BeckOK UmwStG, 12. Edition) (Stand: 15.05.2019), § 20, Rn. 1608, m.w.N. 325 Vgl. Dürrschmidt, in: Dürrschmidt/Mückl/Weggenmann (Hrsg.), BeckOK UmwStG, 12. Edition (Stand: 15.05.2019), § 20, Rn. 1497.5, 1611, m.w.N. 326 Vgl. Dürrschmidt, in: Dürrschmidt/Mückl/Weggenmann (Hrsg.), BeckOK UmwStG, 12. Edition (Stand: 15.05.2019), § 20, Rn. 1497.6, 1611, m.w.N.
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
übernehmende Gesellschaft adressierten Steuerbescheid im Rahmen einer sog. „Drittanfechtung“ anfechten, denn aufgrund der „materiell-rechtlichen“ Bindung kann sich die für ihn zuständige Finanzbehörde „faktisch“ an den Wertansatz des eingebrachten Betriebsvermögens auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft gebunden fühlen, was die erforderliche Beschwer begründen kann327. Die vor diesem Hintergrund nur eingeschränkte Bindung von Behörden und Gerichten an Verwaltungsakte anderer Behörden wird nicht weiter relativiert, wenn die beteiligten Behörden zu verschiedenen Rechtsträgern wie Bund und Ländern gehören. Zwar sind Bund und Länder als Staaten ebenso wie sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts eigenständige Rechtsträger, denen im Bundesstaat des Grundgesetzes insbesondere für den Bereich der Verwaltung mit dem Gesetzesvollzug328 eigenständige Kompetenzen zugewiesen sind (insbesondere dazu s. Art. 30, 83 ff., 86, 108 GG). Aus der Zuständigkeitsabgrenzung folgt jedoch nicht, dass Verwaltungsakte von Behörden für Behörden und Gerichte anderer Rechtsträger von vornherein nicht bindend sein können. Umgekehrt kann es gerade dem Sinn und Zweck der Zuständigkeitsabgrenzung entsprechen, dass Behörden unabhängig vom Rechtsträger an Einzelfallentscheidungen anderer Behörden gebunden sind, wenn diese im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs handeln und eine solche Bindung auch gesetzlich vorgesehen oder zumindest nicht ausgeschlossen ist. Damit kann die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts über den territorialen Zuständigkeitsbereich einer Behörde hinausgehen, insbesondere im Sinne einer länderübergreifenden Bindung an Verwaltungsakte329. Hinsichtlich der Bindung von Gerichten an behördliche Einzelfallentscheidungen ist die richterliche Unabhängigkeit aus Art. 97 Abs. 1 GG, § 1 Abs. 1 BVerfGG, § 1 VwGO, § 1 FGO, § 1 SGG und § 1 GVG grundsätzlich keine eigenständige Grenze330. Wegen der zu einem wesentlichen Teil gesetzlich determinierten Voraussetzungen und Grenzen einer Bindung an behördliche Einzelfallentscheidungen müssen grundsätzlich auch Gerichte diese beachten. Diese Bindung folgt nicht erst aus dem
327
Vgl. BFH , Urt. v. 08. 06. 2011, I R 79/10, BStBl. II 2012, 421, zu einer Sacheinlage im Sinne des § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG 1995; Urt. v. 25. 04. 2012, I R 2/11, BFH/NV 2012, 1649, zu einem Anteilstausch im Sinne des § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG 1995; Urt. v. 06. 02. 2014, I B 168/ 13, BFH/NV 2014, 921, zu einer Sacheinlage im Sinne des § 20 Abs. 1 UmwStG 2002; Urt. v. 21. 10. 2014, I R 1/13, BFH/NV 2015, 690, zu § 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG 1995; Urt. v. 15. 06. 2016, I R 69/15, BFH/NV 2016, 1866 zu einem (qualifizierten) Anteilstausch im Sinne des § 21 Abs. 1 S. 1, 2 UmwStG 2006; Dürrschmidt, in: Dürrschmidt/Mückl/Weggenmann (Hrsg.), BeckOK UmwStG, 12. Edition (Stand: 15.05.2019), § 20, Rn. 1497.6, 1611, m.w.N. 328 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 03. 1960, 2 BvG 1/57, BVerfGE 11, 6 (15). 329 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 03. 1960, 2 BvG 1/57, BVerfGE 11, 6 (19); Ruffert, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 22, Rn. 19. 330 Zutreffend Fekonja, BaFin-Verlautbarungen, 2014, S. 201 f., mit Nachweisen zur Gegenauffassung, insbesondere im Kontext aufsichtsrechtlicher Maßnahmen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
2. Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Behörden
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Respekt hinsichtlich der Rechtsakte anderer Akteure331, der außerhalb des Auftrags der Gerichte zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns geboten ist, sondern bereits aus der Bindung der Gerichte an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG)332. Die richterliche Unabhängigkeit ist allerdings dann Grenze für die Bindung an Verwaltungshandeln, wenn die Einzelfallentscheidung Gegenstand eines Gerichtsverfahrens wird, etwa ein Verwaltungsakt im Rahmen einer Anfechtungsklage im Sinne der § 42 Abs. 1 VwGO, § 40 Abs. 1 AO, § 54 Abs. 1 S. 1 SGG. (5) Vollzug von Unions- und Völker(vertrags)recht Für die Frage der Bindung von Behörden und Gerichten an Einzelfallentscheidungen bei Verweisungen in Rechtsnormen des innerstaatlichen Rechts als Ausgangsnorm auf Rechtsnormen des Unionsrechts als Bezugsnorm und umgekehrt wird wegen des grundsätzlich (dezentralen) Vollzugs von Unionsrecht durch die Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EUV, Art. 291 AEUV)333 grundsätzlich dasselbe gelten wie für Verweisungen unter Beteiligung von Rechtsnormen des Rechts der Mitgliedstaaten, wenn sowohl Ausgangs- als auch Bezugsnorm von Behörden der Mitgliedstaaten vollzogen werden. Mit Blick auf den Grund der Verweisung auf Rechtsnormen des Unionsrechts, nämlich seine effektive Umsetzung, sind, sofern überhaupt verschiedene Behörden für den Vollzug von innerstaatlicher und Unionsrechtsnorm zuständig sind, jeweils die Anforderungen an den Vollzug von Unionsrecht, insbesondere das Effektivitäts- und das Äquivalenzgebot, einzuhalten334. Wird das Unionsrecht ausnahmsweise durch EU-Behörden vollzogen, wird aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts und der Zuständigkeitsverteilung eine Bindung von Behörden und Gerichten der Mitgliedstaaten an Vollzugsakte von EU-Behörden folgen. Im Völkervertragsrecht sind Behörden und Gerichte eines Vertragsstaats außerhalb eher schwacher Bindungen wie der Entscheidungsharmonie335 grundsätzlich durch das Verhalten der Behörden anderer Vertragsstaaten336 nur gebunden, wenn 331 Dazu s. Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 97, Rn. 77 (Lfg. 52; Stand: 05/ 2008); Ruffert, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 22, Rn. 22; ferner Fekonja, BaFin-Verlautbarungen, 2014, S. 201 f., insbesondere im Kontext aufsichtsrechtlicher Maßnahmen der BaFin. 332 Dazu s. Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 97, Rn. 77 (Lfg. 52; Stand: 05/ 2008). 333 S. III. 2. b) bb) (8). 334 Vgl. Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 4 EUV, Rn. 32, 50 ff.; ferner Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7, Rn. 33; Dörr, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl., 2018, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 178. 335 S. II. 4. c). 336 Bei bi- und multilateralen Verträgen kommt regelmäßig nur ein Vollzug durch die Behörden der Vertragsstaaten in Betracht, so dass eine Bindung nur Entscheidungen der Behörden des anderen Vertragsstaats umfassen kann. Etwas Anderes könnte dann gelten, wenn
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
dies zwischen den Behörden durch Verwaltungsabkommen vereinbart ist, etwa im Bereich von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) im Rahmen von Verständigungsverfahren (Art. 25 Abs. 1 bis 3 OECD-MA), oder bei entsprechenden Schiedssprüchen, die in DBA (Art. 25 Abs. 5 OECD-MA), aber auch in anderen Abkommen wie Investitionsschutzabkommen vorgesehen sein können337. Im Bereich von DBA sind Gerichte dadurch jedoch nur im Rahmen von Rechtsverordnungen zur Umsetzung solcher Verständigungsverfahren auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 S. 1 und 2 AO gebunden, die freilich nicht ein DBA inhaltlich ändern können338. Soweit es um die Anwendung von innerstaatlichem und Völkervertragsrecht durch die Behörden eines Vertragsstaats geht, werden beide häufig in derselben Entscheidung anzuwenden sein, insbesondere wenn wie im Steuerrecht das innerstaatliche Recht durch Völkervertragsrecht modifiziert wird. Damit stellt sich die Frage einer behördenübergreifenden Bindung nicht. cc) Bindung an Rechtsauffassung der für Einzelfallentscheidung zuständigen Behörde Neben der Bindung von Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm und Gerichten mit Zuständigkeit für deren Überprüfung an Einzelfallentscheidungen von Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm kann sich auch die Frage stellen, ob Erstere allgemein an die in solchen Entscheidungen zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung zur Auslegung der zu Grunde liegenden Regelungen durch Letztere gebunden sind. Dies kann relevant werden, wenn für die Anwendung der Ausgangsnorm in einem konkreten Fall tatsächlich keine Einzelfallentscheidung zum Vollzug der Bezugsnorm von der dafür zuständigen Behörde vorliegt. Für die inhaltlichen Gründe einer solchen Bindung gilt im Wesentlichen dasselbe wie für die Bindung an Verwaltungsvorschriften339, denn die Rechtsauffassung ist hier wie dort ein abstrakter, vom konkreten Fall losgelöster Umstand. Für Verweisungen bedeutet dies, dass allenfalls im eingeschränkten Maße die Sachnähe für eine solche Bindung sprechen kann. Ungeachtet dessen würde eine solche Bindung auf rechtspraktische Schwierigkeiten stoßen, denn in Abwesenheit von veröffentlichten Verwaltungsvorschriften müsste die möglicherweise maßgebliche Rechtsauffassung durch eine Auswertung durch völkerrechtliche Verträge „Instanzen“, insbesondere auch Internationale Organisationen, geschaffen werden, die in ihren Vollzug involviert sind. Einzelheiten können hier jedoch nicht behandelt werden. 337 Vgl. EuGH, Urt. v. 06. 03. 2018, C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, insbesondere zur unionsrechtlichen Problematik von Schiedsklauseln in unionsinternen Investitionsschutzabkommen. 338 S. II. 4. c). 339 S. III. 2. b) bb) (2).
3. Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Gerichte 117
von Einzelfallentscheidungen bestimmt werden. Deren Inhalt wird regelmäßig aber nur der erlassenden Behörde und dem Adressaten bekannt sein, nicht aber anderen Rechtsträgern oder Behörden. Ungeachtet dessen widerspräche es dem Wesen von Verwaltungsakten als Einzelfallentscheidung zur Regelung eines konkreten, nur einen individuellen Adressaten betreffenden Sachverhalts durch die erlassende Behörde, wenn daraus Folgerungen für unbeteiligte Behörden und Adressaten entnommen würden, die über die aus dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitete Selbstbindung der Verwaltung hinausgehen. Insbesondere ist die Reichweite der Selbstbindung der Verwaltung hinsichtlich der Rechtsträger und Sachverhalte begrenzt340. Selbst die Tatbestands- und Feststellungswirkung von Verwaltungsakten betrifft nur denselben Adressaten, obwohl sie andere Behörden binden kann.
3. Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Gerichte a) Rechtsnatur von Einzelfallentscheidungen und maßgebliches Rechtsverständnis Die Frage nach der Bindung von Behörden und Gerichten mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm bzw. deren Überprüfung stellt sich nicht nur hinsichtlich behördlicher Einzelfallentscheidungen zur Anwendung der Bezugsnorm, sondern auch von Entscheidungen zu deren Überprüfung durch unabhängige Gerichte im horizontal gewaltengeteilten Staat341. Ohne solche Gerichtsentscheidungen zur Überprüfung der Anwendung der Bezugsnorm haben Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm und Gerichte mit Zuständigkeit für deren Überprüfung grundsätzlich auch die Auslegung der Bezugsnorm vorzunehmen342. Dies gilt für Gerichtsentscheidungen wegen der in § 17 Abs. 2 S. 1 GVG angeordneten umfassenden Entscheidungskompetenz des zuständigen Gerichts, die über Verweisungen in § 173 S. 1 VwGO343, § 155 S. 1 Hs. 1 FGO344 und
340
S. III. 2. b) cc). Zum Verhältnis unterschiedlicher Rechtsauffassungen von Verwaltungsbehörde und Gericht s. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 82 f., unter Hinweis auf die grundgesetzlichen Vorgaben. 342 Vgl. Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (5); Clemens, AöR 111 (1986), 63 (65 f.); Guckelberger, ZG 2004, 62 (64). 343 Vgl. Ruthig, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), VwGO, 24. Aufl. 2018, § 40, Rn. 2; W.-R. Schenke/Ruthig, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), VwGO, 24. Aufl. 2018, Anh. § 41, Rn. 4. 344 Vgl. BFH, Beschl. v. 09. 04. 2002, VII B 73/01, BFHE 198, 55 (58), BStBl. II 2002, 509 (511); Herbert, in: Gräber, FGO, 8. Aufl. 2015, § 33, Rn. 5. 341
118
III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
§ 202 S. 1 SGG345 oder als „unumstritten“ angenommene „Vorfragenkompetenz“346 für Gerichte aller Gerichtszweige besteht, grundsätzlich347 auch für „rechtswegfremde“ Bezugsnormen. Gerichtliche Einzelfallentscheidungen unterscheiden sich je nach Verfahren. Sie können beispielsweise als Urteil oder Beschluss ein streitiges oder sonstiges Verfahren beenden oder mit diesem in Zusammenhang stehen oder als Entscheidung (ggf. in der Form eines Beschlusses) Grundlage für eine Registereintragung sein (z. B. nach § 25 Abs. 1 S. 1 HRV i.V.m. § 387 Abs. 2, § 382 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 FamFG, für Eintragungen in das Handelsregister). Mit Blick auf die materielle Rechtskraft bestimmter gerichtlicher Einzelfallentscheidungen sind zunächst die Beteiligten und bestimmte weitere Rechtsträger (§ 121 Nr. 1 und 2 VwGO, § 110 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 und 3, S. 2 FGO und § 141 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG)348 gerichtszweigübergreifend349 im Rahmen ihrer Reichweite gebunden, aber auch die Gerichte, die die Entscheidung getroffen haben hinsichtlich künftiger Entscheidungen350. Entscheidend ist hier die in der Urteilsformel bzw. im Tenor351 zum Ausdruck kommende eigentliche Gerichtsentscheidung, nicht aber ihre Gründe. Auch Gerichtsentscheidungen können Tatbestandswirkung haben, also über die Verfahrensbeteiligten hinaus auch für andere Behörden und Gerichte verbindlich sein352. Demgegenüber sind tatsächliche oder rechtliche
345
Vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt (Hrsg.), SGG, 12. Aufl. 2017, § 51 SGG, Rn. 40. 346 Vgl. Schlewing, in: Germelmann/Matthes/Prütting (Hrsg.), ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 2 ArbGG, Rn. 141, für das Arbeitsprozessrecht. Dabei wird bisweilen weder auf die Regelung in § 17 Abs. 2 S. 1 GVG noch auf die wohl nur andere Fragen betreffende Regelung in § 48 Abs. 1 ArbGG Bezug genommen. 347 Zur Aufrechnung mit „rechtswegfremden“ Forderungen als einer Ausnahme s. III. 3. b) cc). 348 Vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), VwGO, 24. Aufl. 2018, § 121, Rn. 9, zu § 121 VwGO; ferner Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 10, Rn. 14. 349 Vgl. Kilian/Hissnauer, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl., 2018, § 121, Rn. 66 (wegen „Gleichwertigkeit der Gerichtszweige“, freilich mit der Einschränkung, dass es sich „nie um einen identischen Streitgegenstand handeln kann“ und deshalb die „Urteile präjudiziell auf die Entscheidung von Vorfragen“ wirken); W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), VwGO, 24. Aufl. 2018, § 121, Rn. 12. 350 Vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), VwGO, 24. Aufl. 2018, § 121, Rn. 9, zu § 121 VwGO; ferner Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 10, Rn. 14. 351 Vgl. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Loseblatt, § 121, Rn. 45 (EL 23; Stand: 01/2012); Kilian/Hissnauer, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl., 2018, § 121, Rn. 7, 60; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), VwGO, 24. Aufl. 2018, § 117, Rn. 9. 352 Vgl. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Loseblatt, § 121, Rn. 38 (EL 23; Stand: 01/2012); Kilian/Hissnauer, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl., 2018, § 121, Rn. 8; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), VwGO, 24. Aufl. 2018, § 121, Rn. 5.
3. Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Gerichte 119
Gründe in der Begründung von Urteilen noch weniger im Sinne einer Feststellungswirkung verbindlich als in der Begründung von Verwaltungsakten353. Aufgrund der Bindungswirkung ist inhaltlich das Rechtsverständnis des zuständigen Gerichts maßgeblich, das im Falle unterschiedlicher Auslegungsmöglichkeiten354 freilich nicht zwingend sein muss. Gleichwohl sind rechtskräftige Gerichtsentscheidungen wie auch bestandskräftige Verwaltungsakte355 „im Sinne des Rechtsfriedens“356 wirksam, selbst wenn sie rechtswidrig sind357. Im Verhältnis zu Behörden folgt dies auch aus der Funktion der judikativen Staatsgewalt, die im horizontal gewaltengeteilten Staat die exekutive Staatsgewalt kontrollieren soll. Bei Verweisungen ist für Gerichtsentscheidungen zur Überprüfung behördlicher Entscheidungen zur Anwendung der Bezugsnorm die Auslegung der Ausgangsnorm unerheblich358. Es besteht deshalb regelmäßig keine Veranlassung zu Überlegungen zur Auslegung der Ausgangnorm, selbst wenn das Gericht mit Zuständigkeit für die Überprüfung von Entscheidungen zur Anwendung der Bezugsnorm auch für die Überprüfung von Entscheidungen zur Anwendung der Ausgangsnorm zuständig ist. Umgekehrt wäre für Gerichtsentscheidungen zur Überprüfung der Anwendung der Ausgangsnorm wegen der Verweisung auch die Bezugsnorm auszulegen, wenn nicht die Tatbestands- oder Feststellungswirkung behördlicher Verwaltungsakte oder anderer Gerichtsentscheidungen die Auslegung der Bezugsnorm im Rahmen der Überprüfung der Anwendung der Ausgangnorm entbehrlich macht. Insbesondere überlagert im konkreten Einzelfall eine solche Bindung auch verwaltungsinterne Verwaltungsvorschriften für die Auslegung der Bezugsnorm. Damit kommt es auch hier von vornherein nicht darauf an, dass verwaltungsinterne Verwaltungsvorschriften grundsätzlich nicht rechtsträger-, staatsgewalten- oder behördenübergreifend verbindlich sein können359.
353 Vgl. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Loseblatt, § 121, Rn. 39 (EL 23; Stand: 01/2012); Kilian/Hissnauer, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl., 2018, § 121, Rn. 7; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), VwGO, 24. Aufl. 2018, § 121, Rn. 6, 18. 354 S. III. 1. 355 Dazu s. III. 2. c) aa). 356 Vgl. Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 95, Rn. 18 f. (Lfg. 63; Stand: 10/2011), die darauf hinweist, dass sich die Rechtskraft deshalb auf die nach Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Rechtsanwendungsgleichheit auswirken kann; Kilian/Hissnauer, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl., 2018, § 121, Rn. 5, m.w.N. 357 Vgl. Kilian/Hissnauer, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl., 2018, § 121, Rn. 5; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), VwGO, 24. Aufl. 2018, § 121, Rn. 2. 358 Allgemein zum Rechtsschutz s. Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (5). 359 S. III. 2. b) bb) und III. 2. b) cc).
120
III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
b) Bindung an Entscheidung und Gründe von Gerichtsentscheidungen aa) Allgemeines Die Bindung von Behörden und Gerichten an Entscheidungen anderer Gerichte zur Überprüfung der Anwendung behördlicher Einzelfallentscheidungen bedarf vor diesem Hintergrund einer genauen Prüfung, denn insbesondere die Tatbestandswirkung gilt nicht unbegrenzt360. Die Frage ist an sich eine allgemeine, die sich aber besonders häufig stellt, wenn eine Rechtsnorm als Bezugsnorm auch im Rahmen der Anwendung der Ausgangsnorm maßgeblich und eine Gerichtsentscheidung zur Überprüfung der behördlichen Einzelfallentscheidung zur Anwendung der Bezugsnorm ergangen ist. bb) Mögliche Gründe für Bindung an Einzelfallentscheidungen von Gerichten Für die inhaltlichen Gründe einer Bindung von Behörden und Gerichten mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm bzw. deren Überprüfung an Gerichtsentscheidungen zur Überprüfung behördlicher Einzelfallentscheidungen zur Anwendung der Bezugsnorm gilt im Wesentlichen dasselbe wie für die Bindung von Behörden und Gerichten mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm bzw. deren Überprüfung an Einzelfallentscheidungen anderer Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Bezugsnorm361. Vereinzelt ist die Überzeugungskraft der für eine Bindung sprechenden Gründe hier noch weniger stark ausgeprägt als dort. So wird der Grund der Sachnähe362 eines Gerichts dadurch relativiert, dass vom Gericht nach den vom Prozessrecht vorausgesetzten Grundsätzen „iura novit curia“363 („Das Gericht kennt das Recht“) bzw. „da mihi factum, dabo tibi ius“364 („Gib mir die Tatsachen, ich werde Dir das (daraus folgende) Recht geben“) und wegen der von den Ländern nach § 5a Abs. 2 S. 2, § 5b Abs. 2 DRiG hinsichtlich des Inhalts umfassend auszugestaltenden Juristenausbildung als Grundlage für die Befähigung zum Richteramt (§ 5 Abs. 1 Hs. 1 DRiG) die Fähigkeit zur Anwendung zumindest deutschen Rechts erwartet werden kann. Damit soll allerdings nicht die 360
Zur eingeschränkten Bedeutung der Feststellungswirkung s. III. 3. a). S. III. 2. c) bb) (2). 362 S. III. 2. c) bb) (2), zur vergleichbaren Problematik hinsichtlich behördlicher Einzelfallentscheidungen. 363 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 08. 07. 1998, 4 BN 22/98, juris; Dawin, in: Schoch/Schneider/ Bier (Hrsg.), VwGO, Loseblatt, § 86, Rn. 29 (EL 33; Stand: 06/2017); ferner BSG, Beschl. v. 20. 10. 2010, B 13 R 63/10 B, SozR 4 – 1500 § 153 Nr. 11, speziell für das Sozialprozessrecht. 364 Vgl. BSG, Beschl. v. 20. 10. 2010, B 13 R 63/10 B, SozR 4 – 1500 § 153 Nr. 11, speziell für das Sozialprozessrecht. 361
3. Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Gerichte 121
Existenzberechtigung spezialisierter Gerichtszweige für als besonders komplex erachtete Rechtsgebiete wie das Steuer- und Sozialrecht (s. § 1 FGO und § 1 SGG)365 mit eigenen obersten Gerichtshöfen des Bundes (Art. 95 Abs. 1 GG)366 in Frage gestellt werden, mit denen gute Erfahrungen gemacht wurden367. Die Ortsnähe ist für gerichtliche Einzelfallentscheidungen von Tatsacheninstanzen nicht irrelevant, jedoch nicht gleichermaßen wichtig wie für behördliche Einzelfallentscheidungen368, denn die Überprüfung der Rechtsanwendung erfordert nicht in gleichem Maße Kenntnisse um die tatsächlichen Umstände im Einzelfall369. Dies gilt zumal für Ermessensentscheidungen, die gerichtlich nur im Hinblick auf Ermessensfehler überprüft werden können (§ 114 S. 1 VwGO, § 102 S. 2 FGO und § 54 Abs. 2 S. 2 SGG). Die Widerspruchsfreiheit und Einheit der Rechtsordnung zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen ist bei Verweisungen auch hier370 von eher untergeordneter Bedeutung, wenn eine Rechtsnorm in zwei verschiedenen Kontexten relevant ist. Mit Blick auf die Regelungsziele wird sie nämlich auf einen wertungsmäßig anderen Sachverhalt angewendet, wenn sie neben ihrem eigenen Anwendungsbereich verweisungsbedingt auch im Rahmen der Anwendung der Ausgangsnorm von Bedeutung ist. Daran ändert auch die besondere Bedeutung der Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen nichts. Wegen dieser Überlegung wird hier auch der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht greifen. Soweit die möglichen inhaltlichen Gründe überhaupt gegeben sind, sind sie allein freilich nicht geeignet, eine behörden-, gerichts- oder rechtsträgerübergreifende 365 S. III. 2. b) aa). Auch im Bereich des Zivilrechts gibt es mit der Arbeitsgerichtsbarkeit einen spezialisierten Gerichtszweig (§ 1 ArbGG) mit einem obersten Gerichtshof des Bundes (Art. 95 Abs. 1 GG). 366 Zur (verfassungs-)rechtlichen Bedeutung von Fachgerichtsbarkeiten s. BFH, Beschl. v. 09. 04. 2002, VII B 73/01, BFHE 198, 55 (60), BStBl. II 2002, 509 (511 f.), insbesondere zur Bedeutung des Umstands, dass bestimmte Fachgerichte „besonders qualifiziert“ sind für die Auslegung von Regelungen über die Rechtswegzuständigkeit; Beschl. v. 14. 03. 2019, V B 34/ 17, NJW 2019, 1326 (1327), BFH/NV 2019, 472 (473), Rn. 16, zur Bedeutung „einer Fachgerichtsbarkeit wie der in rechtsprechungsfunktionaler Eigenständigkeit durch Art. 95 Abs. 1 GG abgesicherten Finanzgerichtsbarkeit“ für das „Vertrauen in die Sachlichkeit der Gerichte“; Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 95, Rn. 74 (Lfg. 63; Stand: 10/2011). 367 Vgl. Drüen, StuW 2018, 300 (300 f.); ferner Drüen, StuW 2013, 72 (74 f.); Dürrschmidt/ Kopp, in: International Fiscal Association (IFA) (Hrsg.), Vol. 100B, The practical protection of taxpayers‘ rights, Germany, S. 403 (403 f., 415). 368 S. III. 2. c) bb) (2), zur vergleichbaren Problematik hinsichtlich behördlicher Einzelfallentscheidungen. 369 Dazu s. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 83, der nach hier zugrundeliegendem Verständnis wohl die „Ortsnähe“ meint, wenn er von „Sachnähe“ spricht; ferner Krüger, Rechtsstaat – Sozialstaat – Staat. Rechtsstaat + Sozialstaat ergeben noch keinen Staat, 1975, S. 13, insbesondere für das Bundesverfassungsgericht in Abgrenzung zu Regierung und Parlament. 370 S. III. 2. c) bb) (2), zur vergleichbaren Problematik hinsichtlich behördlicher Einzelfallentscheidungen.
122
III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
Bindung herbeizuführen, zumal wenn dadurch gesetzliche Zuständigkeitsregelungen überwunden werden sollen. Dementsprechend können sie vor allem als inhaltliche Begründung für gesetzliche Regelungen, die eine entsprechende Bindung vorsehen, oder für Wesensmerkmale wie die Tatbestandswirkung von Gerichtsentscheidungen herangezogen werden. Die verweisungsbedingte Verknüpfung von Ausgangs- und Bezugsnorm auf Ebene des materiellen Rechts ändert daran nichts. cc) Voraussetzungen der Bindung an Einzelfallentscheidungen Im Vergleich zu behördlichen Einzelfallentscheidungen371 kommt es noch seltener vor, dass eine gesetzliche Regelung die Bindung an eine Gerichtsentscheidung anordnet. Ein Beispiel372 liefert § 118 SGB X, nach dem ein Gericht, das „über einen nach § 116 SBG X auf einen sozialrechtlichen Leistungsträger übergegangenen Anspruch“ gegen einen Schädiger zu entscheiden hat, „an eine unanfechtbare [Gerichts- oder Verwaltungs373]Entscheidung gebunden [ist], dass und in welchem Umfang der Leistungsträger zur Leistung verpflichtet ist“374. Anders als dort ist hier die Problematik der Beteiligung von Gerichten verschiedener Rechtsträger weit weniger problematisch, denn die Instanzenzüge sind in allen Gerichtszweigen meist eine Mischung aus Bundes- und Ländergerichten (Art. 92, Art. 95 Abs. 1 GG)375. Damit würde eine Bindung nicht ohne Weiteres die garantierten Rechte der Rechtsträger verschiedener Ebenen im Bundesstaat des Grundgesetzes verletzen. Etwas Anderes könnte allenfalls dann erwogen werden, wenn der Instanzenzug für bestimmte Rechtstreitigkeiten auf Ebene der Ländergerichte endet und eine Bindung an Entscheidungen von Bundesgerichten bestehen sollte. Eine Bindung an Gerichtsentscheidungen besteht sicherlich, wenn Verweisungen in materiell-rechtlichen Rechtsnormen an das Verfahrensrecht anknüpfen, wie etwa § 2 Abs. 1 IHK-Gesetz für die Mitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer (IHK) an die im Gewerbesteuergesetz (GewStG)376 geregelte „Veranlagung zur Gewerbesteuer“. Die aus der Verweisung und verfahrensrechtlichen Merkmalen folgende Bindung an behördliche Einzelfallentscheidungen zur Anwendung der
371
S. III. 2. c) bb) (3). Ferner s. III. 3. c), für weitere Beispiele, insbesondere hinsichtlich der Bindung eines Gerichts an die Rechtsauffassung eines anderen Gerichts. 373 Vgl. BGH, Urt. v. 05. 05. 2009, VI ZR 208/08, NJW-RR 2009, 1534 (1535); Waltermann, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann (Hrsg.), Kommentar zum Sozialrecht, 5. Aufl. 2017, § 118 SGB X, Rn. 3. 374 Für Einzelheiten zum Umfang und zur Maßgeblichkeit von Tenor und Gründen der gerichtlichen bzw. behördlichen Entscheidung sowie zum Sinn und Zweck der Regelung s. BGH, Urt. v. 05. 05. 2009, VI ZR 208/08, NJW-RR 2009, 1534 (1535 f.). 375 Vgl. Cremer, VVDStRL 78 (2018), 117 (141); Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 92, Rn. 80 (Lfg. 51; Stand: 12/2007) („Regelfall“). 376 S. II. 2. c). 372
3. Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Gerichte 123
Bezugsnorm377 setzt sich bei der gerichtlichen Überprüfung fort, denn wenn bereits die behördliche Entscheidung für Behörden und Gerichte bindend ist, dann muss die gerichtliche Entscheidung zu ihrer Überprüfung erst recht für Behörden und andere Gerichte verbindlich sein. Dementsprechend überprüfen die Gerichte der Verwaltungsgerichtsgerichtsbarkeit regelmäßig nicht, ob die „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ durch Gewerbesteuermessbescheid rechtmäßig ist378, was zu prüfen Aufgabe der Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit wäre. Die Akzeptanz der behördlichen Einzelfallentscheidung dürfte in einem solchen Fall durch eine die Rechtmäßigkeit bestätigende Gerichtsentscheidung zur Anwendung der Bezugsnorm womöglich sogar noch höher sein, so dass sich Behörden erst recht daran gebunden fühlen und Gerichte insoweit keine eigene Prüfungskompetenz beanspruchen werden. Müssen die Kammern mangels „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ selbst die „Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach“ prüfen379, schließt der Prüfungsumfang der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Anwendung des GewStG im Hinblick auf die IHK-Mitgliedschaft ein. Ähnliches dürfte gelten, wenn eine Rechtsnorm wie in § 8b Abs. 7 S. 1 KStG an Umstände anknüpft, die in anderen Gesetzen im weiten Sinne wie dem Kreditwesensgesetz (KWG) geregelt sind, und insoweit aufsichtsrechtliche Maßnahmen auch für das Steuerrecht relevant sein können380. So wären ggf. Entscheidungen der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die für die Überprüfung von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wie der Erteilung einer Erlaubnis für Kreditinstitute zuständig sind381, auch für Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit verbindlich, wenn sie Entscheidungen von Finanzbehörden auf der Grundlage steuerrechtlicher und damit nichtaufsichtsrechtlicher Rechtsnormen überprüfen, die wie § 8b Abs.7 S. 1 KStG an das Aufsichtsrecht anknüpfen382. Auch wenn in bestimmten Konstellationen eine Zuständigkeit von Gerichten nach Maßgabe der dafür geltenden Regelungen ausgeschlossen sein soll, kann eine Bindung an Entscheidungen dieser Gerichte bestehen. So entscheidet nach § 17 Abs. 2 S. 1 GVG das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit zwar unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten383. Damit scheint au377
S. III. 2. c) bb) (3). Vgl. BVerwG, Beschl. v. 06. 05. 1983, 5 B 51/81, NVwZ 1983, 546 (546); ähnlich VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17. 06. 1998, 14 S 38/98, GewArch 1999, 66 (66); VGH Hessen, Beschl. v. 14. 08. 1997, 8 UZ 1970/97, GewArch. 1998, 73 (74); OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 06. 11. 2009, 2 L 252/08, juris, Rn. 9, 10, 23, zumindest für den Fall, dass die Gewerbesteuerveranlagung auf § 2 Abs. 1 GewStG beruht; Jahn, GewArch. 1995, 457 (461). 379 S. II. 2. c). 380 S. III. 2. c) bb) (3). 381 Vgl. Fekonja, BaFin-Verlautbarungen, 2014, S. 132. 382 A.A. Mann, in: Weitnauer/Boxberger/Anders (Hrsg.), KAGB, 2. Aufl. 2017, § 1 InvStG, Rn. 4, zu § 1 InvStG im Hinblick auf die Verweisungen auf das KAGB, dessen Anwendung durch die BaFin ebenfalls von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarakeit überprüft wird. 383 Dazu s. III. 3. a). 378
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III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
ßerhalb der Tatbestandswirkung eine Bindung des Gerichts des zulässigen Rechtswegs an Entscheidungen „rechtswegfremder“ Gerichte hinsichtlich an sich von diesen zu entscheidenden Umständen nicht zu bestehen, wenn es den Rechtstreit eben unter allen Gesichtspunkten selbst entscheidet. Dies bedeutet aber umgekehrt, dass eine Bindung möglich ist, wenn in einem konkreten Fall § 17 Abs. 2 S. 1 GVG nicht anwendbar und deshalb im Umkehrschluss die Befugnis zur Entscheidung unter allen rechtlichen Gesichtspunkten nicht gegeben ist. Dies wurde beispielsweise für die Aufrechnung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 226 Abs. 1 AO im Finanzgerichtsprozess mit „rechtswegfremden“ Forderungen angenommen, weil dort die über § 155 S. 1 FGO384 grundsätzlich anwendbare Regelung in § 17 Abs. 2 S. 1 GVG unter anderem wegen der Fachkompetenz der „rechtswegefremden“ Gerichte nicht anwendbar sein soll385. Dasselbe gilt im Hinblick auf § 173 S. 1 VwGO386 für die Aufrechnung mit „rechtswegfremden“ Forderungen im Verwaltungsgerichtsprozess387. Hierbei kann es sich um eine Verweisungsproblematik handeln, wenn hinsichtlich des Bestands der „rechtswegfremden“ Forderungen das für diese geltende Recht in Bezug genommen wird. dd) Grenzen der Bindungswirkung Im Rahmen der bisherigen Überlegungen wurde bereits388 die Problematik der begrenzten Reichweite der Bindung an Gerichtsentscheidungen angesprochen. Eine solche folgt wegen ihrer auch andere Behörden und Gerichte bindenden Tatbestandswirkung nicht allein aus der materiellen Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen389, die eine Bindung von erlassendem Gericht und Beteiligten bewirkt390. Aber auch die Tatbestandswirkung unterliegt Beschränkungen, die sich aus der gesetzlichen Konzeption des Inhalts von Gerichtsentscheidungen ergeben. Die gesetzlichen Regelungen zum Inhalt eines Urteils unterscheiden zwischen „Urteilsformel“ als eigentlicher „Entscheidung“ bzw. „Tenor“391 (§ 117 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 105 Abs. 2 Nr. 3 FGO und § 136 Abs. 1 Nr. 4 SGG) und „Entscheidungsgründen“ (§ 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO und § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG). Dies ist nicht nur eine Formalie, denn der Umfang der materiellen Rechtskraft im 384
S. III. 3. a). Vgl. BFH, Beschl. v. 09. 04. 2002, VII B 73/01, BFHE 198, 55 (58 ff.), BStBl. II 2002, 509 (511 f.); Beschl. v. 19. 02. 2007, VII B 253/06, BFH/NV 2007, 968 (968 f.); Urt. v. 01. 08. 2017, VII R 12/16, BFHE 259, 207 (210); Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 226, Rn. 63 (Lfg. 142; Stand: 10/2015). 386 Dazu s. III. 3. a). 387 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 07. 10. 1998, 3 B 68/97, NJW 1999, 160 (161). 388 S. III. 3. b) cc). 389 Zu den „rechtskraftfähigen“ Gerichtsentscheidungen s. W.-R. Schenke, in: Kopp/ Schenke (Hrsg.), VwGO, 24. Aufl. 2018, § 121, Rn. 4. 390 Dazu s. III. 3. a). 391 Dazu s. III. 3. a). 385
3. Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Gerichte 125
Sinne der § 121 Nr. 1 und 2 VwGO, § 110 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 und 3, S. 2 FGO und § 141 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG betrifft die Entscheidung über den Streitgegenstand nach der „Urteilsformel“392. Diese konzeptionelle Ausgestaltung bedeutet aber auch, dass die Tatbestandswirkung zwar ohne Weiteres, jedoch inhaltlich nur hinsichtlich der im Tenor zum Ausdruck kommenden Entscheidung für andere Behörden und Gerichte verbindlich ist393. Vor diesem Hintergrund kann das Gericht mit Zuständigkeit für die Überprüfung behördlicher Einzelfallentscheidungen zur Anwendung der Ausgangsnorm Rechtsfragen, die die Auslegung der Bezugsnorm betreffen, eigenverantwortlich prüfen, ohne an die Entscheidung des Gerichts mit Zuständigkeit für die Überprüfung der Anwendung der Bezugsnorm gebunden zu sein, soweit diese nicht Gegenstand des Tenors ist. Die später394 zu behandelnden Mechanismen zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung gehören nicht hierher, denn sie sind vorrangig eine Frage der Bindung von Gerichten an die Rechtsauffassung anderer Gerichte und keine der Bindung an Einzelfallentscheidungen. Anders als für die Bindung an behördliche Entscheidungen395 gibt es hier von vornherein keine aus systematischen Gründen vorrangige Regelungen, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Bindung an gerichtliche Entscheidungen begründen könnte. Dasselbe gilt für materiell-rechtliche Rechtsgrundlagen, aus denen keine spezifischen Grenzen der Bindungswirkung von Gerichtsentscheidungen hergleitet werden können. Eine nur „materiell-rechtliche“ Bindung macht Entscheidungen von Gerichten nicht verbindlich, so wie sie Einzelfallentscheidungen von Behörden nicht verbindlich machen kann396. Dies gilt beispielsweise für die Prüfung der Voraussetzungen in § 20 Abs. 2 S. 1 UmwStG des nach § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG auch für den Einbringenden maßgeblichen Wertansatzes des eingebrachten Betriebsvermögens im Falle einer Sacheinlage im Sinne des § 20 Abs. 1 UmwStG (Einbringung von Unternehmensteilen in Kapitalgesellschaften und Genossenschaften) auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft, die von den für den Einbringenden und die übernehmende Gesellschaft zuständigen Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit eigenständig zu prüfen sind, weil lediglich die Entscheidung über die Ausübung des Wahlrechts des eingebrachten Betriebsvermögens durch die übernehmende Gesellschaft verbindlich ist. Die Bindung an Entscheidungen über Registereintragungen scheint wegen der fehlenden Rechtskraftwirkung schwächer ausgeprägt zu sein als die Bindung an 392 Vgl. Kilian/Hissnauer, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl., 2018, § 121, Rn. 60; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), VwGO, 24. Aufl. 2018, § 121, Rn. 18. 393 Dazu s. III. 3. a). 394 S. III. 3. c). 395 S. III. 2. c) bb) (4). 396 S. III. 2. c) bb) (4).
126
III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
Urteile und Beschlüsse zur Beendigung eines streitigen Verfahrens. Genauer besehen ist jedoch nicht die Entscheidung über die Eintragung für andere Behörden und Gerichte von weitreichender Bedeutung, sondern – unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Eintragung und der ihr zu Grunde liegenden Entscheidung397 – die Wirkung der vollzogenen Eintragung398. Dies gilt zunächst für konstitutive, rechtbegründende399 bzw. rechtserzeugende Eintragungen bestimmter Umstände, etwa die Eigenschaft als Kaufmann nach § 2 S. 1 HGB (sog. Kannkaufmann) oder nach § 5 HGB (sog. Kaufmann kraft Eintragung oder Fiktivkaufmann). Sind an Kaufleute anknüpfende handelsrechtsrechtliche Rechtsnormen Bezugsnorm, etwa die Regelungen über die handels-, gleichwohl öffentlich-rechtliche400 Buchführungspflicht aus § 238 Abs. 1 S. 1 HGB, kann in Folge von Verweisungen, etwa in § 140 AO, § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1 S. 1 EStG, die Eintragung auch für andere Rechtsnormen als Ausgangsnorm, insbesondere aus dem Steuerrecht, bedeutsam sein. Auch bei fehlender Gestaltungswirkung im Falle deklaratorischer, rechtsbekundender401 bzw. rechtsbezeugender Eintragungen von Umständen, wie etwa der Eintragung als Kaufmann im Sinne des § 1 Abs. 1 HGB (sog. Ist-Kaufmann), sind die Wirkungen grundsätzlich unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Eintragung und der Entscheidung darüber, auch wenn die Wirkungen in diesen Fällen unabhängig von der Eintragung eintreten können. ee) Vollzug von Unions- und Völker(vertrags)recht Die Überlegungen zur Bindung an behördliche Entscheidungen beim (dezentralen) Vollzug des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten einschließlich seines Anwendungsvorrangs402 treffen grundsätzlich auch auf die ebenfalls (dezentrale) gerichtliche Überprüfung solcher Entscheidungen durch Gerichte der Mitgliedstaaten403 zu. Hier ist von diesen insbesondere der Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu beachten. Dementsprechend ist hinsichtlich des Verständnisses unionsrechtlicher Rechtsnormen die Rechtsauffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) maßgeblich, die nationale Gerichte im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 1 AEUV herausfinden können.
397 Vgl. Müther, in: Häublein/Hoffmann-Theinert (Hrsg.), BeckOK HGB, 24. Edition (Stand: 15.04.2019), § 8, Rn. 17, zur Eintragung in das Handelsregister. 398 Allgemein zu den Wirkungen einer Handelsregistereintragung s. Hopt, in: Baumbach/ Hopt (Hrsg.), HGB, 38. Aufl. 2018, § 8, Rn. 11; Roth, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen (Hrsg.), HGB, 9. Aufl. 2019, § 8, Rn. 11 ff. 399 S. Hopt, in: Baumbach/Hopt (Hrsg.), HGB, 38. Aufl. 2018, § 8, Rn. 11. 400 S. II. 3. b). 401 S. Hopt, in: Baumbach/Hopt (Hrsg.), HGB, 38. Aufl. 2018, § 8, Rn. 11. 402 S. III. 2. b) bb) (8) und III. 2. c) bb) (5). 403 Dazu s. Dörr, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl., 2018, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 179.
3. Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Gerichte 127
Anders als beim Unionsrecht gibt es für das Völkerrecht grundsätzlich kein übergeordnetes Gericht wie etwa einen „Internationalen Steuergerichtshof“404. Internationale Gerichte wie der Internationale Gerichtshof (IGH) sind regelmäßig nicht mit Rechtsfragen befasst, bei denen Verweisungen im hier zu Grunde gelegten Sinne relevant sind. Im Falle von Schiedsklauseln in Doppelbesteuerungsabkommen (DBA; s. Art. 25 Abs. 5 OECD-MA) oder Investitionsschutzabkommen kann immerhin ein Schiedsgericht tätig werden. Auf der Grundlage von Art. 273 AEUV kann dies bei entsprechender Vereinbarung wie in Art. 25 Abs. 5 des DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepublik Österreich auch der EuGH sein. Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) müssen nach der Streitbeilegungsrichtlinie405 in bestimmten Bereichen des Steuerrechts zwingend Schiedsverfahren vorsehen. Außerhalb der Entscheidungsharmonie406 besteht im Übrigen auch keine Bindung an Entscheidungen der Gerichte anderer Vertragsstaaten. In der Folge ist eine unterschiedliche Auslegung und Anwendung von völker(vertrags)rechtlichen Normen nicht nur abstrakt möglich, sondern auch im konkreten Fall mit einer Gefahr für die Nichterreichung des Regelungsziels. Bei Verweisungen in völker(vertrags)rechtlichen Regelungen als Ausgangsnorm auf Rechtnormen des innerstaatlichen Rechts als Bezugsnorm betreffen Gerichtsentscheidungen nicht nur die Anwendung einer einzelnen Rechtsnorm, sondern immer die Anwendung des durch Völkervertragsrecht als Ausgangsnorm modifizierten innerstaatlichen Rechts als Bezugsnorm. Damit sind für die Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm diesselben Gerichte zuständig. Die Frage der Bindung an Entscheidungen anderer Gerichte stellt sich allenfalls insoweit, als auch der andere Staat das Völkervertragsrecht anwenden muss. Dasselbe dürfte im umgekehrten Fall mit innerstaatlichem Recht als Ausgangsnorm und Völker(vertrags)recht als Bezugsnorm gelten, wobei insoweit schon fraglich ist, ob überhaupt eine Verweisung407 gegeben ist. Für die Frage der Bindung an Entscheidungen anderer Gerichte gilt jedoch nichts Anderes.
404
Dazu s. Strotkemper, Das Spannungsverhältnis zwischen Schiedsverfahren in Steuersachen und einem Internationalen Steuergerichtshof, 2017. 405 Richtlinie (EU) 2017/1852 des Rates vom 10. 10/ 2017 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union, ABl. L 265 vom 14. 10. 2017, S. 1. 406 S. II. 4. c). 407 S. II. 4. c).
128
III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
c) Bindung an Rechtsauffassung des für Einzelfallentscheidungen zuständigen Gerichts aa) Allgemeines Auch hinsichtlich von Gerichtsentscheidungen408 kann sich die Frage stellen, ob Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm und Gerichte mit Zuständigkeit für deren Überprüfung nicht nur an Einzelfallentscheidungen von Gerichten mit Zuständigkeit für die Überprüfung der Anwendung der Bezugsnorm gebunden sind, sondern auch an deren Rechtsauffassung, die ggf. in anderen Entscheidungen zum Ausdruck kommen kann. Von einer Bindung ist eine bloß „faktische“ Dominanz der Gerichte mit Zuständigkeit für die Überprüfung der Anwendung einer an einer Verweisung beteiligten Rechtsnorm im Hinblick auf die Auslegung der anderen beteiligten Rechtsnorm zu unterscheiden, für die sie an sich „unzuständig“ sind. Eine solche ist hinsichtlich des handelsrechtlichen Rechnungslegungsrechts (s. § 238 Abs. 1 HGB) zu beobachten, das wegen seiner Maßgeblichkeit als Bezugsnorm für das Steuerrecht als Ausgangsnorm (s. § 140 AO, § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1 S. 1 EStG)409 insbesondere auch von Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ausgelegt wird410, auch wenn diese an sich nur für die Überprüfung der Anwendung der steuerrechtlichen Ausgangsnorm „zuständig“ sind und insoweit „rechtswegfremdes“ Recht auslegen. Die enorme Bedeutung der Rechtsprechung der Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit für das Handelsrecht ist hier überwiegend Folge des Umstands, dass es nur wenige Entscheidungen der (ordentlichen) Gerichte mit Zuständigkeit für die Überprüfung der Anwendung des Handelsrechts gibt, und weniger inhaltlicher Gründe, die für eine Beachtung der Rechtsauffassung anderer Gerichte sprechen könnten. bb) Gründe für Bindung an Rechtsauffassung des für Einzelfallentscheidungen zuständigen Gerichts Inhaltlich spricht für eine Bindung der Behörden mit Zuständigkeit für die Anwendung der Ausgangsnorm und der Gerichte mit Zuständigkeit für deren Überprüfung an die Rechtsauffassung der Gerichte mit Zuständigkeit für die Überprüfung behörderlicher Entscheidungen zur Anwendung der Bezugsnorm insbesondere die Widerspruchsfreiheit und Einheit der Rechtsordnung und mit Relativierungen auch die „Sachnähe“411. Zudem könnte die vom allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG geforderte Rechtsanwendungsgleichheit eine Bindung an Präjudizien 408
S. III. 2. c) cc), zur vergleichbaren Fragestellung bei behördlichen Einzelfallentscheidungen. 409 Dazu s. II. 3. b). 410 Vgl. Morck/Drüen, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen (Hrsg.), HGB, 9. Aufl. 2019, Einleitung vor § 238, Rn. 5. 411 S. III. 3. b) bb).
3. Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Gerichte 129
anderer Gerichte bewirken, für die jedoch neben der begrenzten Reichweite des allgemeinen Gleichheitssatzes412 das Spannungsverhältnis zur Gesetzesbindung aus Art. 20 Abs. 3 GG sowie zur richtlicherlichen Unabhängigkeit aus Art. 97 Abs. 1 GG413 zu beachten ist und die ggf. durch spezielle Mechanismen zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung wie den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) überlagert wird414. Die Überzeugungskraft dieser zugegebenermaßen nur schwach ausgeprägten Gründe scheint mit Blick auf die in § 17 Abs. 2 S. 1 GVG geregelte umfassende Entscheidungskompetenz415 des zuständigen Gerichts zumindest aus Sicht des Gesetzgebers nicht besonders groß zu sein. cc) Bindung der Verfahrensbeteiligten als Ausgangspunkt Ausgangspunkt der Überlegungen muss sein, dass Gerichtsentscheidungen grundsätzlich nur zwischen den Verfahrensbeteiligten („inter partes“) wirken416 und außerhalb der im Tenor zum Ausdruck kommenden Entscheidung grundsätzlich keine Bindungen erzeugen mit der Folge, dass Behörden und andere Gerichte nicht an die Rechtsauffassung des entscheidenden Gerichts gebunden sind. Gesetzliche Ausnahmen gelten beispielsweise für Bescheidungsurteile bei Verpflichtungsklagen, für die § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO, § 101 S. 2 FGO und § 131 Abs. 3 SGG der zum Erlass des Verwaltungsakts verpflichteten Behörde die Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts aufgeben, oder für Zurückverweisungsentscheidungen von Revisionsgerichten, deren rechtliche Beurteilung nach § 144 Abs. 6 VwGO, § 126 Abs. 5 FGO und § 170 Abs. 5 SGG für die unterinstanzlichen und nach der Zurückverweisung (wieder) zuständigen Gerichte maßgeblich ist417. Dasselbe gilt für oberste Gerichtshöfe des Bundes im Hinblick auf Entscheidungen des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB; § 16 RsprEinhG). Diese Beispiele betreffen jedoch nur die Rechtsauffassung eines Gerichts zu einer bestimmten Rechtsnorm, nicht aber Entscheidungen mehrerer Gerichte zu verschiedenen Rechtsnormen, die durch eine Verweisung verknüpft sind. Daran ändert es nichts, wenn verweisungsspezifische Fragestellungen (etwa die Existenz einer Verweisung oder die Bedeutung der Regelungsziele) entschieden werden, die sich hinsichtlich der relevanten Rechtsnorm ergeben. 412
S. III. 2. b) cc). Speziell dazu s. BVerfG, Beschl. v. 03. 11. 1992, 1 BvR 1243/88, BVerfGE 87, 273 (278 ff.); Nußberger, in: Sachs (Hrsg.), GG. 8. Aufl. 2018, Art. 3, Rn. 81; Stelkens, VVDStRL 71 (2011), 369 (404); mit Blick auf die „Rechtsvereinheitlichung“ insoweit skeptisch P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 3, Rn. 162 (Lfg. 75; Stand: 09/2015). 414 Zum Ganzen s. Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 95, Rn. 17 ff. (Lfg. 63; Stand: 10/2011). 415 Dazu s. III. 3. a) und III. 3. b) cc), auch zur Anwendung in allen Gerichtszweigen. 416 Vgl. Kilian/Hissnauer, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl., 2018, § 121, Rn. 95. 417 Zu letzterem Aspekt s. Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 95, Rn. 20 (Lfg. 63; Stand: 10/2011). 413
130
III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
dd) Fachgerichtliche Mechanismen zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung Ungeachtet dessen gibt es anders als im Bereich der Verwaltung, wo die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung – auch unter Beachtung der aus dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleiteten Selbstbindung der Verwaltung418 – vor allem innerhalb bestimmter Zuständigkeitsbereiche sichergestellt werden kann419, mehrere Mechanismen zur Sicherstellung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, die möglicherweise auch zuständigkeitsbereichsübergreifend wirken. Die „Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung“ ist ein „hohes Gut“ von Verfassungsrang420, was der Verfassungsauftrag zur Bildung eines gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes in Art. 95 Abs. 3 S. 1 GG zur Erreichung dieses Zwecks belegt. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung soll zunächst durch oberste Gerichtshöfe des Bundes sichergestellt werden421. Dies kann freilich bei Instanzenzügen wie im Zivil- oder Strafrecht problematisch422 sein, wenn an deren Spitze in bestimmten Fällen nicht ein oberster Gerichtshof des Bundes, sondern ein oberes oder oberstes Gericht eines Landes steht423. Im Bereich des öffentlichen Rechts ist dies typischerweise nicht der Fall, weil es ohnehin nur zwei (FG und BFH) oder drei (VG, OVG/VGH und BVerwG bzw. SG, LSG und BSG) Hierarchieebenen gibt, während es im Zivil- und Strafrecht sogar vier bzw. fünf (AG, LG, OLG/KG und BGH sowie evtl. oberstes Landesgericht) sind. Der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung steht nicht entgegen, dass der Zugang zu höheren Instanzen von der Zulassung des Rechtsmittels abhängen kann, denn diese ist ein Zulassungsgrund für 418
Vgl. Stelkens, VVDStRL 71 (2011), 369 (403 f.). S. III. 2. b) cc) und III. 2. c) cc). 420 Vgl. Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 95, Rn. 17 (Lfg. 63; Stand: 10/2011), mit Hinweis auf die Bedeutung der Rechtssicherheit. 421 Vgl. Cremer, VVDStRL 78 (2018), 117 (141); Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 95, Rn. 17 (Lfg. 63; Stand: 10/2011); Meyer, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2012, Art. 95, Rn. 1; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2018, Art. 95, Rn. 18; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, 1980, S. 373 ff.; Voßkuhle, in: von Mangold/Klein/Starck, 7. Aufl. 2018, Art. 95, Rn. 12. 422 Verfassungsrechtlich ist es insbesondere durch Art. 95 Abs. 1 GG nicht ausgeschlossen, dass der Instanzenzug vor einem Ländergericht endet. Vgl. Jachmann-Michel, in: Maunz/ Dürig, GG, Loseblatt, Art. 95, Rn. 102 (Lfg. 63; Stand: 10/2011); ferner Hillgruber, in: Maunz/ Dürig, GG, Loseblatt, Art. 92, Rn. 80 (Lfg. 51; Stand: 12/2007). 423 So sind etwa die Oberlandesgerichte (OLG) in bestimmten Strafsachen nach § 121 Abs. 1 Nr. 1 GVG (letztinstanzlich) für Revisionen zuständig. Einfachrechtlich sieht in diesen Fällen § 121 Abs. 2 GVG jedoch vor, dass ein OLG die Sache dem Bundesgerichtshof (BGH) vorzulegen hat, wenn es unter bestimmten Voraussetzungen von der Entscheidung eines anderen OLG oder des BGH abweichen will. In Zivilsachen ist die „Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung“ nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO Revisionsgrund, der den Zugang zum BGH als Revisionsgericht eröffnet (§ 133 GVG). Als der BGH noch nicht einheitliche Revisionsinstanz war, war mit dem sog. „Rechtsentscheid“ nach § 541 ZPO a.F. zumindest für den Bereich der Wohnraummiete eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung möglich. 419
3. Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Gerichte 131
die Berufung im Verwaltungsrechtsweg (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) und im Sozialrechtsweg (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG)424 und die Revision im Verwaltungsrechtsweg (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), im Finanzrechtsweg (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) und im Sozialrechtsweg (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG)425. Innerhalb der obersten Gerichtshöfe des Bundes wird die Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch die Bildung Großer Senate gewährleistet (§ 11 Abs. 1 VwGO, § 11 Abs. 1 FGO und § 41 Abs. 1 SGG). Die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung betrifft auch hier vor allem die Anwendung bestimmter Rechtsnormen durch verschiedene Gerichte bzw. ihre Senate. Sie ist bei Verweisungen wegen der Beteiligung mehrerer Rechtsnormen komplexer sicherzustellen. Ob die verschiedenen Regelungen von Ausgangs- und Bezugsnorm überhaupt eine Problematik der Einheitlichkeit der Rechtsprechung sein können, hängt insbesondere davon ab, ob die Auslegung der Bezugsnorm in der Rechtsprechung zur Überprüfung behördlicher Einzelfallentscheidungen zu ihrer Anwendung mit der Auslegung der Bezugsnorm in der Rechtsprechung zur Überprüfung behördlicher Einzelfallentscheidungen zur Anwendung der Ausgangsnorm übereinstimmen muss oder zumindest sollte. Dies ist fraglich, wenn die beteiligten Rechtsnormen wertungsmäßig426 unterschiedliche Sachverhalte betreffen, sie in ihrem eigenen Anwendungsbereich eigene Regelungsziele haben und die Bezugsnorm lediglich Voraussetzungen der Ausgangsnorm festlegt427. Die Frage, ob ein Zulassungsgrund für ein Rechtsmittel oder ein Anlass für eine Vorlage an den Großen Senat eines obersten Gerichtshofs des Bundes im Falle von Verweisungen gegeben ist, wird im Rahmen einer wertenden Betrachtung unter Einbeziehung der Regelungsziele428 vorzunehmen sein. Je mehr sich die Regelungsziele von Ausgangs- und Bezugsnorm unterscheiden, desto mehr wird eine unterschiedliche kontextuale Auslegung der Bezugsnorm möglich sein, ohne die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu gefährden. Bei Binnen- und Außenverweisungen mit Ausgangs- und Bezugsnorm aus demselben Rechtsbereich mit demselben (abstrakten oder konkreten) Regelungsziel kann deshalb eine einheitliche Auslegung häufiger geboten sein. Entstammen Ausgangs- und Bezugsnorm verschiedenen Rechtsbereichen, können die jeweiligen Regelungsziele so voneinander abweichen, dass eine für die Anwendung der Ausgangsnorm spezifische Auslegung der Bezugsnorm erfolgen kann. Ungeachtet dessen wäre die Sicherung der Ein424
Im zweistufigen Instanzenzug des Finanzrechtswegs mit den Finanzgerichten (FG) als oberen Landesgerichten und dem Bundesfinanzhof (BFH) (§ 2 FGO) ist eine Berufung nicht vorgesehen, weil nur die FG Tatsacheninstanz sind (§ 35 FGO). Vgl. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 22, Rn. 60. 425 Dazu s. Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 95, Rn. 20 (Lfg. 63; Stand: 10/2011). 426 S. III. 2. c) bb) (2) und III. 3. b) bb), zur vergleichbaren Problematik hinsichtlich behördlicher und gerichtlicher Einzelfallentscheidungen. 427 S. I. 428 Zur Bedeutung der Regelungsziele s. II. 3. d).
132
III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
heitlichkeit der Rechtsprechung als Zulassungsgrund für Rechtsmittel oder als Anlass für die Vorlage an einem Großen Senat eines obersten Gerichtshofs des Bundes zur Erreichung dieses Ziels gerade in diesem Falle nur geeignet, wenn die maßgeblichen Regelungen auch eine gerichtszweigübergreifende „Einheitlichkeit der Rechtsprechung“ meinen. Selbst wenn dem so wäre, wäre allein durch diese Mechanismen eine solche aber nicht gewährleistet, denn es blieben weiterhin Gerichte dieses Gerichtszweigs zuständig, selbst bei Befassung der obersten Gerichtshöfe des Bundes429. Dies gilt insbesondere für die Auslegung der Bezugsnorm im Falle der Überprüfung behördlicher Einzelfallentscheidungen zur Anwendung der Ausgangsnorm, wenn für die Überprüfung behördlicher Einzelfallentscheidungen zur Anwendung der Bezugsnorm ein anderer Rechtsweg eröffnet wäre. Für die vor allem für Ausgangs- und Bezugsnormen aus verschiedenen Rechtsbereichen bestehende Problematik gibt es mit den Vereinigten Großen Senaten beim Bundesgerichtshof (BGH) nach § 132 Abs. 1 S. 2 GVG eine Ausnahme, die freilich die hier430 weniger interessierende einheitliche Auslegung bestimmter Regelungen in zivil- und strafrechtlichen Rechtsstreitigkeiten betrifft431. Die Möglichkeit der Herstellung einheitlicher Rechtsprechung trotz verschiedener betroffener Rechtsbereiche ist in diesem Fall aber Folge der Zuständigkeit des BGH für entsprechende Rechtsstreitigkeiten und nicht eine gerichtszweigübergreifende. ee) Insbesondere Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) Vom speziellen Fall der Vereinigten Großen Senate beim Bundesgerichtshof (BGH)432 abgesehen kann eine gerichtszweig- und damit häufig auch rechtbereichsübergreifende Vereinheitlichung der Rechtsprechung nur über den von der Verfassung vorgesehenen Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) erreicht werden (Art. 95 Abs. 3 S. 1 GG)433. Die Reichweite dieses Mechanismus ist freilich beschränkt, denn unterinstanzliche Gerichte sind anders als die obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG nicht vorlageberechtigt. Die an sich sachlich gerechtfertigte Einschränkung kann gleichwohl die Effektivität der Sicherstellung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung beeinträchtigen, wenn entsprechende Fallgestaltungen aus rechtlichen oder tatsächlichen 429
Vgl. Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 95, Rn. 102 (Lfg. 63; Stand: 10/2011), freilich allgemein und nicht auf den hier interessierenden Fall von Verweisungen beschränkt. 430 S. I. 431 Für Rechtsfragen aus demselben Rechtsbereich sind nach § 132 Abs. 1 S. 1 GVG die Großen Senate für Zivil- bzw. Strafsachen zuständig. 432 S. III. 3. c) dd). 433 Vgl. Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Art. 95, Rn. 17, 21 (Lfg. 63; Stand: 10/2011), die in Art. 95 Abs. 3 S. 1 GG eine „lex speciales“ gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf das daraus folgende Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit sieht.
3. Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Gerichte 133
Gründen die obersten Gerichtshöfe des Bundes nicht erreichen. Zudem wird der GmS-OGB nur selten434 befasst. Dies liegt wohl nicht nur daran, dass sich in der Rechtspraxis nur selten gerichtszweigübergreifende, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung betreffende Rechtsfragen stellen, sondern vielmehr auch daran, dass die obersten Gerichtshöfe des Bundes bei Vorlagen eher zurückhaltend sind435. Neben sachlichen Gründen wie der Nichtanwendbarkeit des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RsprEinhG) bei vor dessen Inkrafttreten ergangenen Gerichtsentscheidungen436 halten oberste Gerichtshöfe des Bundes eine Vorlage für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung wohl oft auch aus inhaltlichen Gründen für nicht erforderlich. Dies ist möglich, weil es nicht eindeutig ist, wann tatsächlich eine vorlegbare „Rechtsfrage“ gegeben ist. Die Existenz und Feststellung einer solchen ist aber wichtig, weil der GmS-OGB nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG (nur) „entscheidet, wenn ein oberster Gerichtshof des Bundes in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweichen will“. Der Begriff der „Rechtsfrage“ ist ein auslegungsbedürftiger und einer Wertung zugänglicher Begriff zur Bestimmung des Verfahrensgegenstands. Dies zeigt sich schon daran, dass nach Ansicht des GmSOGB eine „Rechtsfrage“ in diesem Sinne nicht nur hinsichtlich der Auslegung derselben, aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten aber von verschiedenen Gerichten – häufig verweisungsbedingt – in anderen Zusammenhängen anzuwendenden Rechtsnorm gegeben sein kann437, sondern insbesondere auch, wenn eine Rechtsnorm in „verschiedenen Gesetzen“ enthalten ist438. Auch wenn ein „im wesentlichen übereinstimmende[r] Wortlaut“ verschiedener gesetzlicher Regelungen für die Einordnung als dieselbe „Rechtsfrage“ im Sinne des § 2 Abs. 1 RsprEinhG spricht439, werden in der Rechtspraxis (nahezu) wortlautidentische „Parallelrege-
434 Bislang hat der GmS-OGB etwas über 20 Sachentscheidungen getroffen (Stand: 15.06.2019). 435 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band III, 3. Aufl. 2018, Art. 95, Rn. 35; Voßkuhle, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 95, Rn. 46. 436 Vgl. BVerwG, Urt. v. 08. 02. 1983, 9 CB 698/82, BVerwGE 66, 359 (360); BFH, Beschl. v. 29. 01. 1992, VIII K 4/91, BFHE 165, 569 (576), BStBl. II 1992, 252 (256); Vorlagebeschl. v. 17. 09. 2002, IX R 68/98, BFHE 199, 493 (507), BStBl. II 2003, 2 (9). 437 Vgl. GmS-OGB, Beschl. v. 19. 10. 1971, GmS-OGB 3/70, BFHE 105,101 (107), BStBl. II 1972, 603 (606), BGHZ 58, 399 (400), BVerwGE 39, 355 (356), zu § 131 Abs. 1 S. 1 RAO, der typischweise von den Finanzgerichten, im Bereich der Gewerbesteuer jedoch auch von den Verwaltungsgerichten anzuwenden ist. Zu „stillschweigenden“ Verweisungen im Falle eines „Allgemeinen Teils“ wie der Abgabenordnung (AO) oder im Beispielfall der Reichsabgabenordnung (RAO) s. II. 2. c). 438 Vgl. GmS-OGB, Beschl. v. 06. 02. 1973, GmS-OGB 1/72, BFHE 109, 206 (208), BGHZ 60, 392 (394), BVerwGE 41, 363 (365 f.), BSGE 35, 293 (294). 439 Vgl. GmS-OGB, Beschl. v. 06. 02. 1973, GmS-OGB 1/72, BFHE 109, 206 (207), BGHZ 60, 392 (394), BVerwGE 41, 363 (365 f.), BSGE 35, 293 (294); ferner GmS-OGB, Beschl. v. 30. 04. 1979, GmS-OGB 1/78, BGHZ 75, 340 (342 f.), BVerwGE 58, 359 (360); Beschl. v.
134
III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
lungen“ gleichwohl häufig unterschiedlich verstanden und angewendet. Musterbeispiel ist die Drei-Tages-Fiktion in § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG, § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO und § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X, wenn der „fiktive“ Tag der Bekanntgabe eines mit der Post übermittelten Verwaltungsakts auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag als „Fristende“ fällt. Während im Steuerverfahrensrecht440 die Fristregelung in § 108 Abs. 3 AO angewendet wird, wonach bei „Fristende“ an einem solchen Tag der nächstfolgende Werktag maßgeblich ist, bleiben im Verwaltungs-441 und im Sozialverfahrensrecht442 die wortlautidentischen Regelungen in § 32 Abs. 3 S. 1 VwVfG und § 26 Abs. 3 S. 1 SGB X unangewendet. Dies überrascht, weil es sich um Parallelregelungen verschiedener Verfahrensgesetze handelt, die an sich auch in einem allgemeinen, einheitlichen und für alle Bereiche des Verwaltungsrechts geltenden „Verwaltungsverfahrensgesetz“ geregelt sein könnten. Die Schaffung besonderer Verfahrensrechtsordnungen für die Bereiche Steuer- und Sozialrecht sollte sich grundsätzlich nicht auf ihren Inhalt auswirken, denn diese sollen lediglich den besonderen Anforderungen dieser Rechtsgebiete auf dem Gebiet des Verfahrensrechts Rechnung tragen443, für die der Zeitpunkt der Bekanntgabe von Verwaltungsakten an sich unerheblich sein müsste. Die vom Bundessozialgericht (BSG) angeführten vermeintlichen praktischen Besonderheiten des Steuerverwaltungsverfahrens gegenüber dem Sozialverwaltungsverfahren444 sind zwar wertende Gesichtspunkte, die im konkreten Einzelfall jedoch nicht die Ablehnung der Annahme einer „Rechtsfrage“ im Sinne des § 2 Abs. 1 RsprEinhG erzwingen. Eine andere „Rechtsfrage“ dürfte aber die Drei-Tages-Fiktion in § 4 Abs. 1 Hs. 1 VwZG a.F. (jetzt: § 4 Abs. 2 S. 2 VwZG) sein, weil es im Verwaltungszustellungsrecht trotz Wortlautidentität mit den anderen Regelungen über die Drei-Tages-Fiktion keine vergleichbare Ablaufhemmung gibt, wenn das „Fristende“ auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertrag fällt445. 24. 10. 1983, GmS-OGB 1/83, BGHZ 88, 353 (355 f.), BVerwGE 68, 379 (380); Beschl. v. 05. 04. 2000, GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160 (163). 440 Vgl. BFH, Urt. v. 14. 10. 2003, IX R 68/98, BFHE 203, 26 (27 ff.), BStBl. II 2003, 898 (899); Beschl. v. 05. 05. 2014, III B 85/13, BFH/NV 2014, 1186 (1187), m.w.N. 441 Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 26. 10. 2006 – 7 PA 184/06, NVwZ-RR 2007, 78 (78). Soweit ersichtlich, gibt es noch keine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG). Zur herrschenden Meinung s. Fröhlich, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, 2014, § 41, Rn. 62, m.w.N. 442 Vgl. BSG, Urt. v. 06. 05. 2010, B 14 AS 12/09 R, NJW 2011, 1099 (1100 f.). 443 Vgl. Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. 2012, § 35, Rn. 105, insbesondere zum Steuerrecht. 444 Vgl. BSG, Urt. v. 06. 05. 2010, B 14 AS 12/09 R, NJW 2011, 1099 (1101). 445 Deshalb hat der BFH zu Recht den GmS-OGB nicht eingeschaltet. Vgl. BFH, Vorlagebeschl. v. 17. 09. 2002, IX R 68/98, BFHE 199, 493 (496, 507), BStBl. II 2003, 2 (4, 9). Dementsprechend kann von der Vorlage auch abgesehen werden, wenn ein oberster Gerichtshof des Bundes wie hinsichtlich der im Text genannten Rechtsnorm das Bundessozialgericht (BSG, Urt. v. 19. 03. 1957, 10 RV 609/56, BSGE 5, 53 (56)) anders entschieden hat. Nicht erforderlich ist es deshalb, dass ein anderer oberster Gerichtshof des Bundes wie hinsichtlich der im Text
3. Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Gerichte 135
Die Bestimmung einer „Rechtsfrage“ im Sinne des § 2 Abs. 1 RsprEinhG durch Wertung kann im Falle von Verweisungen auch für die Auslegung von Ausgangsund Bezugsnorm durch oberste Gerichtshöfe des Bundes schwierig sein. Grundsätzlich ist die Annahme derselben „Rechtsfrage“ möglich, wenn eine Rechtsnorm nicht nur eine eigenständige Bedeutung hat, sondern als Bezugsnorm auch Voraussetzung für die Anwendung einer Ausgangsnorm ist446. Gleichwohl ist die Schlussfolgerung nicht zwingend, wonach die Rechtsnorm in beiden Kontexten identisch verstanden werden müsste, auch wenn nach Auffassung der Rechtsprechung des GmS-OGB schon im Wesentlichen wortlautidentische Rechtsnormen aus verschiedenen Gesetzen dieselbe „Rechtsfrage“ sein können, die als „Parallelregelungen“ ohne wechselseitige Bezugnahme auskommen. „Parallelregelungen“ haben aber typischerweise dasselbe Regelungsziel und sind nur aus regelungstechnischen Gründen (insbesondere Möglichkeit zur Berücksichtigung der Besonderheiten bestimmter Rechtsbereiche) mehrfach in verschiedenen Gesetzen enthalten. Bei Verweisungen können Ausgangs- und Bezugsnorm jedoch unterschiedliche Regelungsziele haben, insbesondere, wenn sie aus unterschiedlichen Rechtsbereichen stammen. Wertungsmäßig wäre dann die Auslegung einer Norm für Zwecke ihrer eigenständigen Anwendung und als Bezugsnorm für Zwecke der Anwendung einer Ausgangsnorm nicht zwingend dieselbe „Rechtsfrage“ im Sinne des § 2 Abs. 1 RsprEinhG. Letztlich kommt es also auf den kontextualen Bedeutungsgehalt der Regelungen an447, für den der Grund der Verweisung („Vereinfachung“ oder „Systembildung“)448 von herausgehobener Bedeutung sein kann. Dies gilt neben Rechtsnormen aus einem „Allgemeinen Teil“, auf den „stillschweigend“ verwiesen wird449, auch für Fälle, in denen verschiedene Ausgangsnormen auf dieselbe Bezugsnorm verweisen und das unterschiedliche Verständnis der für die Überprüfung von Einzelfallentscheidungen zur Anwendung der Ausgangnormen zuständigen obersten Gerichtshöfe des Bundes hinsichtlich der Bezugsnorm ggf. eine „Rechtsfrage“ im Sinne des § 2 Abs. 1 RsprEinhG sein kann450, unabhängig davon, ob ein beteiligtes oder ein drittes Gericht für die Überprüfung von Entscheidungen zur Anwendung der Bezugsnorm zuständig ist.
genannten Rechtsnorm das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 27. 05. 1983, 7 C 79/ 81, NJW 1983, 2344 (2345)) die Frage offengelassen hat. 446 Allgemein zu diesem Zusammenhang s. I. 447 Dazu s. III. 3. c) dd), zur vergleichbaren Problematik bei anderen fachgerichtlichen Mechanismen zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung. 448 S. I. 449 S. II. 2. c). 450 Vgl. GmS-OGB, Beschl. v. 25. 11. 1982, GmS-OGB 1/82, BVerwGE 66, 377 (378).
136
III. Zuständigkeitsfragen bei Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm
ff) Vereinheitlichung der Rechtsprechung über Gerichte mit Zuständigkeit für Überprüfung der Einhaltung übergeordneten Rechts Neben den „fachgerichtlichen“451 Mechanismen zur Sicherstellung der Vereinheitlichung der Rechtsprechung, zu denen trotz des Verfassungsauftrags in Art. 95 Abs. 3 S. 1 GG auch der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) gehört452, könnte dafür auch ein „Umweg“ über Gerichte zur Überprüfung der Einhaltung von Vorgaben aus übergeordnetem Recht genommen werden, insbesondere das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). Solche Gerichte können wegen ihrer örtlichen Zuständigkeit für den gesamten Geltungsbereich des Grundgesetzes bzw. des Unionsrechts das Problem von Instanzenzügen zu vermeiden helfen, bei denen kein oberster Gerichtshof des Bundes mit einem Rechtsstreit befasst werden kann, weil ein Ländergericht mit begrenztem räumlichem Anwendungsbereich letzte Instanz ist. In diesem Sinne wird mit Blick auf die dem EuGH in Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 EUV zugewiesene Aufgabe der Sicherung der „Wahrung des Rechts bei Auslegung und Anwendung der Verträge“ auch die Sicherstellung der „einheitliche[n] Auslegung“453 und „einheitliche[n] Anwendung“454 des Unionsrechts durch diesen betont455. Diesen Gerichten kann jedoch nicht allgemein die Aufgabe der Sicherstellung der Vereinheitlichung der Rechtsprechung hinsichtlich des einfachen Rechts übertragen sein, denn der von ihnen anzulegende Prüfungsmaßstab ist das dem einheitlich anzuwendenden einfachen Recht übergeordnete Verfassungs- oder Unionsrecht, nicht aber das einfache Recht (Stichwort: BVerfG „keine Superrevisionsinstanz“456). Außerhalb der Reichweite von in diesen enthaltenen Gleichheitssätzen und Diskriminierungsverboten, die gerade bei Verweisungen aus for451 Kritisch zur Bezeichnung „Fachgerichte“, wenn dadurch eine Abgrenzung zu „Verfassungsgerichten“ hergestellt werden soll, z. B. s. Häberle, VVDStRL 61 (2002), 185 (185 f.); kritisch auch Korioth, in: Schlaich/Korioth (Hrsg.), Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 22. Gleichwohl hat sich der Begriff durchgesetzt. Vgl. BVerfG, Urt. v. 24. 07. 2018, 2 BvR 309/15, NJW 2018, 2619 (2627), Rn. 113; Kammerbeschl. v. 01. 08. 2018, 2 BvR 1258/18, juris, Rn. 27. 452 Vgl. Mayer, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2012, Art. 95, Rn. 1, 13; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band III, 3. Aufl. 2018, Art. 95, Rn. 15, 33. 453 Vgl. EuGH, Urt. v. 12. 02. 2008, Rs. 2/06, Kempter KG/Hauptzollamt Hamburg-Jonas, Slg. 2008, I-411, ECLI:EU:C:2008:78, Rn. 41. 454 Vgl. EuGH, Urt. v. 06. 12. 2005, C-461/03, Gaston Schul Douane-expediteur BV/Minister van Landbouw, Natuur en Voedselkwaliteit, Slg. 2005, I-10513, ECLI:EU:C:2005:742, Rn. 21. 455 Ferner s. EuGH, Urt. v. 16. 01. 1974, Rs 166/73, Rheinmühlen-Düsseldorf, Slg. 1974, 33, ECLI:EU:C:1974:3, Rn. 2 („gleiche Wirkung“); Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 267 AEUV, Rn. 6 („einheitliche Auslegung und Anwendung“); Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 267 AEUV, Rn. 1 („einheitliche Interpretation des Unionsrechts“ und „Wahrung der Rechtseinheit“). 456 Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschl. v. 19. 09. 2006, 2 BvR 2115/01, NJW 2006, 499 (504); Nichtannahmebeschl. v. 13. 06. 2013, 1 BvR 1942/12, juris, Rn. 9.
3. Überprüfung der Anwendung von Ausgangs- und Bezugsnorm durch Gerichte 137
mellen und/oder materiellen Gründen erheblich begrenzt ist457, und Vorgaben zur verfassungs-458 und unionsrechtskonformen Auslegung bietet übergeordnetes Recht keine allgemeinen Ansatzpunkte für die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zum einfachen Recht. Ungeachtet dessen ist auch der Weg zu Gerichten mit Zuständigkeit für die Anwendung von übergeordnetem Recht beschwerlich, wenn Zulässigkeitsvoraussetzungen wie bei der Verfassungsbeschwerde das Erfordernis der Verletzung „spezifischen Verfassungsrechts“ im Rahmen der Beschwerdebefugnis, das eine gewisse Schwere der Grundrechtsverletzung voraussetzt459, oder die „Subsidiarität“460 nicht für jede mögliche Verletzung übergeordneten Rechts eine Überprüfung ermöglichen, zumal bei strenger Handhabung durch die Gerichte.
457
S. III. 3. c) ee). Vgl. Mayer, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2012, Art. 95, Rn. 13. 459 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. 09. 1952, 1 BvR 612/52, BVerfGE 1, 418 (420); Beschl. v. 10. 06. 1964, 1 BvR 37/63, BVerfGE 18, 85 (92 f.); Beschl. v. 22. 03. 2018, 2 BvR 780/16, BVerfGE 148, 96 (132 f.). 460 Vgl. BVerfG, Urt. v. 01. 08. 1953, 1 BvR 281/53, BVerfGE 3, 19 (22 f.); Beschl. v. 25. 05. 1956, 1 BvR 53/54, BVerfGE 5, 9 (10); Beschl. v. 27. 07. 1971, 2 BvR 443/70, BVerfGE 31, 364 (368); Beschl. v. 09. 11. 2004, 1 BvR 684/98, BVerfGE 112, 50 (60); Nichtannahmebeschl. v. 27. 06. 2018, 1 BvR 1494/17, juris, Rn. 1. 458
IV. Folgerungen für Fälle fehlerhafter („verunglückter“) Verweisungen Während Verweisungen unter bestimmten Voraussetzungen, etwa bei Einhaltung der Anforderungen an die rechtstaatliche Bestimmtheit1, nicht generell problematisch sind, können sie große Herausforderungen bereithalten, wenn sie tatsächlich oder scheinbar fehlerhaft („verunglückt“) sind. Sind solche Verweisungen gleichwohl wirksam2, muss der Rechtsanwender Ausgangs- und Bezugsnorm so auslegen, dass sie mit sachgerechten Ergebnissen angewendet werden können. Im Folgenden kann allerdings nicht für alle Konstellationen geklärt werden, ob aus den im Vorstehenden gewonnenen Erkenntnissen Anhaltspunkte für den Umgang mit solchen Verweisungen hergeleitet werden können. Ein häufig auftretender Mangel sind redaktionell ungenaue Verweisungen3 („Redaktionsversehen“4), die entweder von Anfang an oder – trotz gebotener Verweisungskontrolle5 – später in Folge einer Änderung (wie z. B. die ursprünglich richtige Verweisung in Art. 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 PAG auf „Art. 25 Nr. 1 PAG“, dessen Regelung seit einer Änderung von Art. 25 PAG in „Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 PAG“ enthalten ist) auftreten. Kann mit den Mitteln der Gesetzesauslegung, insbesondere der historischen zur Ermittlung des Willens des Gesetzgebers, festgestellt werden, dass die Verweisung in der Ausgangsnorm eine bestimmte Bezugsnorm meint, ist der Mangel häufig als „Redaktionsversehen“ unbeachtlich6 und insbesondere verfassungsrechtlich unproblematisch. Für die Auslegung und Anwendung der Ausgangsnorm unter Einbeziehung der Bezugsnorm gelten dann die hier herausgear1
S. I. In Gesamtdarstellungen wird die Wirksamkeit solcher Verweisungen teilweise ausführlich problematisiert. S. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 290 ff. 3 Vgl. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 151 f. 4 Vgl. BVerwG, Urt. v. 24. 02. 2005, 3 C 5/04, BVerwGE 123, 82 (88), Rn. 20 ff.; Beschl. v. 22. 06. 2005, 6 P 7/04, Buchholz 251.2 § 88 BlnPersVG Nr 2, Rn. 13; Burgi, Gutachten zur Frage der Geltungsdauer des bayerischen Abgeordnetengesetzes betreffend Verträge mit Angehörigen, in: Bayerischer Landtag, Beiträge zum Parlamentarismus, Band 18, 2014, S. 24; Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 151 f.; allgemein zu „Redaktionsversehen“: Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 393; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 615. 5 S. I. 6 Vgl. Burgi, Gutachten zur Frage der Geltungsdauer des bayerischen Abgeordnetengesetzes betreffend Verträge mit Angehörigen, in: Bayerischer Landtag, Beiträge zum Parlamentarismus, Band 18, 2014, S. 24; ähnlich BVerwG, Urt. v. 24. 02. 2005, 3 C 5/04, BVerwGE 123, 82 (88 ff.), Rn. 20 ff.; Beschl. v. 22. 06. 2005, 6 P 7/04, Buchholz 251.2 § 88 BlnPersVG Nr 2, Rn. 13. 2
IV. Folgerungen für Fälle fehlerhafter („verunglückter“) Verweisungen
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beiteten Grundsätze. Diese sind für die Frage, ob eine Verweisung gewollt ist, dagegen häufig wenig hilfreich, denn sie sind auf den Inhalt bezogen. Etwas schwieriger ist die Rechtslage bei „leerlaufenden“ Verweisungen7, wenn die Bezugsnorm überhaupt nicht existiert, nichtig oder noch nicht bzw. nicht mehr anwendbar ist. Eine überhaupt nicht existierende Bezugsnorm kann von vornherein keine Wirkung für die Anwendung der Ausgangsnorm entfalten8, so dass im Rahmen der Auslegung geprüft werden muss, ob Letztere angesichts fehlender Voraussetzungen der nicht existenten Bezugsnorm überhaupt in sachgerechter Weise angewendet werden kann. Darüber hinaus gehende verweisungsspezifische Fragen der Auslegung und Bindung an behördliche Verwaltungsvorschriften oder behördliche oder gerichtliche Einzelfallentscheidungen stellen sich hier nicht. Dies kann anders sein bei Verweisungen auf nichtige bzw. noch nicht oder nicht mehr anwendbare Bezugsnormen. In diesen Fällen kann eine als Bezugsnorm grundsätzlich geeignete Regelung vorhanden sein9, die lediglich nicht, noch nicht oder nicht mehr eigenständig anwendbar ist und die deshalb die dafür denkbare Terminologie „Leerverweis“ fraglich erscheinen lässt. Geht man mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) davon aus, dass für die Anwendung von Ausgangsnormen noch nicht anwendbare Bezugsnormen unter bestimmten von der Verfassung geforderten Voraussetzungen maßgeblich sein können10, wenn der gesetzgeberische Wille bei Schaffung der Ausgangsnorm auch die noch nicht geltende Bezugsnorm einschließt, gelten für verweisungsspezifische Fragen der Auslegung und Bindung dieselben Grundsätze wie bei fehlerfreien („geglückten“) Verweisungen. Dies gilt freilich vor allem für die materiell-rechtlichen Folgen, weil hier regelmäßig keine Verwaltungsvorschriften oder Einzelfallentscheidungen zur Anwendung vorhanden sein dürften. Auch bei Verweisungen auf ausdrücklich „altes“ Recht kann von einer wirksamen Verweisung11 ausgegangen werden mit den herausgearbeiteten Folgen für Auslegung und Bindungswirkung von behördlichen und gerichtlichen Einzelfallentscheidungen zur Anwendung bzw. deren Überprüfung. Dies gilt für Verweisungen im einfachen Recht wie in § 20 Abs. 3 S. 4 UmwStG mit einer Übergangsbestimmung zur sachgerechten Abwicklung in der Vergangenheit begründeter Sachverhalte wie „einbringungsgeborener Anteile“ im Sinne des § 21 UmwStG a.F.
7
Vgl. Burgi, Gutachten zur Frage der Geltungsdauer des bayerischen Abgeordnetengesetzes betreffend Verträge mit Angehörigen, in: Bayerischer Landtag, Beiträge zum Parlamentarismus, Band 18, 2014, S. 19, 21 („ins Leere“, unter Wiedergabe eines Berichts des Bayerischen Obersten Rechnungshofs); ferner s. I. 8 Vgl. Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 2. Aufl. 1968, S. 172. 9 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 249 ff. 10 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 03. 05. 2018, 2 BvR 463/17, NJW 2018, 3091 (3092), Rn. 24, m.w.N. 11 Vgl. Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 2. Aufl. 1968, S. 173.
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IV. Folgerungen für Fälle fehlerhafter („verunglückter“) Verweisungen
schon deshalb, weil das „Paradebeispiel“12 in dieser Hinsicht mit der Verweisung in Art. 140 GG auf bestimmte Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung sogar im Grundgesetz zu finden ist. Auch wenn die Bezugsnorm nachträglich wegfällt13, ohne dass es wie bei der Altfallregelung zu Angehörigen-Verträgen im bayerischen Abgeordnetengesetz Anhaltspunkte für Auswirkungen auf die Ausgangsnorm gibt, kann das nicht mehr geltende Recht als Bezugsnorm maßgeblich sein14. Komplizierter scheint es bei einer Kombination von Verweisungen auf noch nicht und nicht mehr geltendes Recht zu sein, wie in § 30 Abs. 1 SGB XII i. d. F. v. 24. 03. 2011, der bis 31. 12. 2019 gilt, auf § 69 Abs. 4 und 5 SGB IX, der nur bis 31. 12. 2017 galt, bzw. in § 30 Abs. 1 SGB XII i. d. F. v. 23. 12. 2016, der ab 01. 01. 2020 gilt, auf § 152 Abs. 4 und 5 SGB IX, der schon seit 01. 01. 2018 gilt. Kann durch Auslegung wie im Beispiel eindeutig ermittelt werden, ob die Bezugsnorm überhaupt und bejahendenfalls welche Fassung maßgeblich ist, gelten auch hier die herausgearbeiteten Grundsätze. Ähnliches gilt für die Lösung der Problematik von „Rückverweisungen“, „Verweisungskreisen“ oder „Überkreuzverweisen“15. In solchen Konstellationen sind Bezugsnormen zugleich Ausgangsnorm, indem sie auf die ursprüngliche Ausgangsnorm oder weitere Rechtsnormen verweisen, die ihrerseits wieder auf die ursprüngliche Ausgangsnorm verweisen. Werden „Rückverweisungen“16 nicht angenommen bzw. „Verweisungskreise“17 nicht durchbrochen, können für bestimmte Sachverhalte vorgesehene Regelungen nicht angewendet werden. Hierbei handelt es sich häufig aber nicht um Verweisungen im hier zu Grunde liegenden Sinne18, sondern um Regelungen zur Bestimmung der anwendbaren Rechtsnorm. Bei ihrer Auslegung und Anwendung stellen sich dann häufig keine verweisungsspezifischen Fragestellungen, denn die vermeintliche „Verweisung“ bezieht sich auf die auf einen bestimmten Sachverhalt anwendbare Rechtsnorm, nicht aber auf die Tatbestandsmerkmale der Bezugsnorm als Voraussetzung der Ausgangsnorm. Für die Kollisionsnormen19 des deutschen Internationalen Privatrechts (IPR)20 wird die dort be12 Vgl. Burgi, Gutachten zur Frage der Geltungsdauer des bayerischen Abgeordnetengesetzes betreffend Verträge mit Angehörigen, in: Bayerischer Landtag, Beiträge zum Parlamentarismus, Band 18, 2014, S. 22; ferner Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, § 12, Rn. 390. 13 Ausführlich dazu s. Brunn, NVwZ-Extra 18/2012, 1 (1 ff.). 14 Vgl. Burgi, Gutachten zur Frage der Geltungsdauer des bayerischen Abgeordnetengesetzes betreffend Verträge mit Angehörigen, in: Bayerischer Landtag, Beiträge zum Parlamentarismus, Band 18, 2014, S. 23. 15 Zum Begriff s. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 51. 16 Vgl. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 271. 17 Vgl. Dürrschmidt, in: Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., Art. 19, Rz. 76 (im Erscheinen). 18 S. I. 19 Zur erforderlichen Abgrenzung von Kollisionsnormen und Verweisungen s. Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (6); Clemens, AöR 111 (1986), 63 (72 ff.); Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, § 12, Rn. 381.
IV. Folgerungen für Fälle fehlerhafter („verunglückter“) Verweisungen
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kannte Problematik von „Rückverweisungen“21 dadurch gelöst, dass eine solche nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB angenommen wird. Zwingend sind solche Regelungen gerade außerhalb des IPR jedoch nicht, denn die mögliche Notwendigkeit einer solchen Regelung ist nicht in jedem Fall ohne Weiteres vorhersehbar. Die letztlich anwendbare Regelung muss dann anderweitig, insbesondere durch Auslegung der beteiligten Regelungen unter Einbeziehung der Regelungsziele im Rahmen einer telelogischen Auslegung22 bestimmt werden. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Internationalen Zivilprozessrecht für die Anerkennung von Schiedssprüchen im Fall der Verweisung in § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO und der Rückverweisung in Art. VII Abs. 1 UNÜ auf den im New Yorker Übereinkommen über die Anwendung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) angelegten und durch Auslegung zu ermittelnden Grundsatz der Meistbegünstigung abgehoben und die Regelung des innerstaatlichen Rechts für maßgeblich erachtet, denn diese sei in ihrer konkreten Ausgestaltung „anerkennungsfreundlicher“23 und damit besser geeignet, das (im Wesentlichen gleiche) abstrakte Regelungsziel der beteiligten Regelungen in Gestalt der Anerkennung von Schiedssprüchen zu erreichen. Für „Rückverweisungen“ und „Verweisungskreise“ unter Beteiligung von Normen des öffentlichen Rechts gilt im Wesentlichen dasselbe. Dies lässt sich am Beispiel von „Verweisungskreisen“ in Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) demonstrieren. So wird für Unternehmensgewinne, die nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 1 S. 1 OECD-MA entsprechenden Regelungen grundsätzlich vom Ansässigkeitsstaat des Betreibers des Unternehmens besteuert werden dürfen, in Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008 auf andere Verteilungsnormen verwiesen, wenn die entsprechenden Einkünfte von diesen erfasst werden, wobei in Art. 10 Abs. 4 S. 2, Art. 11 Abs. 3 S. 2 und Art. 12 Abs. 3 S. 2 OECD-MA auf Art. 7 OECD-MA zurückverwiesen wird, wenn die Einkünfte einer Betriebsstätte zuzuordnen sind (sog. Betriebsstättenvorbehalt) und diese nach Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA vom Betriebsstättenstaat besteuert werden dürfen. Zur Umsetzung des in Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA geregelten Betriebsstättenprinzips wird der „Verweisungskreis“ durchbrochen und nicht erneut Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008 angewendet24. Dieses Prinzip ist eine grundlegende Entscheidung für die zwischenstaatliche Verteilung der Besteuerungszuständigkeit für Unternehmensgewinne, denn die Rückverweisung auf Art. 7 20
Vgl. Junker, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2018, § 1, Rn. 2 ff., § 6, Rn. 1, zur Einordnung der Regelungen des deutschen IPR. 21 Vgl. Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 41. 22 Vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 44. 23 S. BGH, Beschl. v. 16. 12. 2010, III ZB 100/09, BGHZ 188, 1 (5, 7), NJW 2011, 1290 (1292), Rn. 21; dazu etwas kritisch Steger, Präklusion der Versagungsgründe, 2015, S. 144 f., der insoweit auch von „Verweisungskreis“ spricht. 24 Vgl. BFH, Urt. v. 27. 02. 1991, I R 15/89, BFHE 164, 38 (42), BStBl. II 1991, 444 (446), zu DBA USA 1954/65; Urt. v. 30. 08. 1995, I R 112/94, BFHE 179, 48 (52 f.), BStBl. II 1996, 563 (565), zu DBA Schweiz 1971; Urt. v. 17. 12. 1997, I R 34/97, BFHE 185, 216 (219), BStBl. II 1998, 296 (298), zu DBA USA 1954/65; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7, Rn. 167, 245.
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IV. Folgerungen für Fälle fehlerhafter („verunglückter“) Verweisungen
OECD-MA ist auf einer Betriebsstätte zuzurechnende, an sich unter andere Verteilungsnormen fallende Einkünfte beschränkt25. Ähnlich ist vorzugehen, wenn ein solcherart eindeutiger Vorrang nicht erkennbar ist, etwa für die abkommensrechtliche Behandlung bestimmter im öffentlichen Dienst verdienter Alterseinkünfte im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn mit der Verweisung in Art. 18 Abs. 2 auf Art. 17 Abs. 2, der auf Art. 17 Abs. 1 und der wiederum auf Art. 18 Abs. 2 DBA Ungarn 2011 verweist26. Diese Beispiele zeigen, dass das abstrakte Regelungsziel nicht in jedem Fall weiterhilft, wenn es allen Regelungen wie in den Beispielen die Vermeidung von Doppelbesteuerung und Doppelnichtbesteuerung gemein ist und bei jeder Lösung der Problematik verwirklicht werden kann. In diesen Fällen sind dann die konkreten Regelungsziele maßgeblich, die häufig eine Entscheidung zulassen, wenn die Regelungen aus demselben Rechtsbereich oder gar demselben Gesetz stammen und anzunehmen ist, dass der Normsetzer in sich konsistente Regelungen schaffen wollte, im Beispiel etwa eine ganz bestimmte Aufteilung des Steuersubstrats. Sind Verweisungen wie die beispielhaft angeführten im Recht der DBA auf die Bestimmung der maßgeblichen Rechtsnorm bezogen, kann es zu unsachgerechten Ergebnissen kommen, wenn die jeweils zuständigen Behörden die Problematik unterschiedlich lösen. Anders als bei Verweisungen auf Tatbestandsebene, bei denen die Regelungen trotz verweisungsbedingter Verknüpfung unterschiedliche Rechtsfolgen für verschiedene Sachverhalte vorsehen, können hier sich widersprechende Rechtsfolgen für denselben Sachverhalt eintreten. Verwaltungsinterne Verwaltungsvorschriften können das Problem regelmäßig nicht beseitigen, wenn die handelnden Behörden nicht allesamt in den Zuständigkeitsbereich der erlassenden Behörde fallen. Dasselbe gilt für die Bindung an behördliche oder gerichtliche Einzelfallentscheidungen, wenn nicht im Einzelfall aus der Rechtsnatur der Entscheidung (z. B. die Tatbestands- oder Feststellungswirkung von Verwaltungsakten) oder einer gesetzlichen Anordnung etwas Anderes folgt. Auch dies wird deutlich bei den gewählten Beispielen aus dem Bereich der DBA, wenn das Verwaltungshandeln der Behörden der Vertragsstaaten keine wechselseitigen Bindungen erzeugen und aus diesem Doppelbesteuerungen oder Doppelnichtbesteuerungen folgen können.
25 Vgl. BFH, Urt. v. 17. 12. 1997, I R 34/97, BFHE 185, 216 (218 ff.), BStBl. II 1998, 296 (297), zu DBA USA 1954/65; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7, Rn. 167, 245. 26 Dazu s. BFH, Urt. v. 24. 01. 2018, I R 49/16, BFHE 261, 14 (19); ferner Dürrschmidt, in: Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., Art. 19, Rn. 76 (im Erscheinen).
V. Fazit Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass Verweisungen in formellgesetzlichen Rechtsnormen auf andere formellgesetzliche Rechtsnormen zahlreiche verweisungsspezifische Fragestellungen aufwerfen, nämlich im Bereich des materiellen Rechts, aber auch Zuständigkeits- und sonstige Verfahrensfragen. Diese können überwiegend sachgerechten Lösungen zugeführt werden, die sich zumeist aus allgemeinen Grundsätzen ableiten lassen (z. B. teleologische Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm in Bezug auf die Bedeutung des Regelungsziels der beteiligten Rechtsnormen, grundsätzlich verwaltungsinterne Wirkung von Verwaltungsvorsschriften nicht nur nach außen, sondern auch nach innen, und begrenzte Bindungswirkung behörderlicher und gerichtlicher Einzelfallentscheidungen). Dabei erweist sich, dass diese ihre besondere Bedeutung häufig gerade bei Verweisungen haben.
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Sachregister Aufsichtsrecht – BaFin-Rundschreiben 43 f., 66, 87, 95 – Bankaufsichtsrecht 13, 23 f., 25 f., 102 f. 106 ff., 123 – Bindungswirkung von Entscheidungen über Anwendbarkeit von Aufsichtsrecht 102 f., 107 ff. – Bindungswirkung von Entscheidungen über Anwendung des Aufsichtsrechts (Erlaubnisse, Genehmigungen, etc.) 106 ff., 123 – Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) 76, 87, 103 – Bundesbank 76 – Bundesfinanzministerium (BMF) 43, 87, 93, 103 – Eigenkapitalvereinbarungen („Basel I“, „Basel II“ und „Basel III“) 16 – Kapitalanlageaufsichtsrecht/Investmentrecht 13, 23, 37 ff., 42 ff., 45, 87, 93 f., 95, 102 f., 107 f. – Regelungsziel des Bankaufsichtsrechts 40 – Regelungsziel des Kapitalanlagerechts/ Investmentrechts 37 ff., 93 f. – Versicherungsaufsichtsrecht 13, 23 f., 25 f., 102 f., 106 ff. – Zuständigkeiten im Bankaufsichtsrecht 76 Auslegung – Auslegung von Ausgangs- und Bezugsnorm 19, 23, 24, 44 – Auslegungsbedürftigkeit 23, 24, 30, 60, 104, 110, 119 – Auslegungsfähigkeit 23, 24, 104 – Auslegungsfragen hinsichtlich des materiellen Rechts 19, 22 ff. – Auslegungsmethoden 23, 25 – Ausnahmevorschriften 45 f. – Auswirkungen von Verfahrens- und Zuständigkeitsregelungen 19, 27, 34, 61 ff., 99, 103 f.
– Bedeutung der Auslegung bei Verweisungen 14 – Bedeutung von übergeordnetem Recht 45 – Begriff 60 ff. – Behörden und Gerichte 61 – Besonderheiten der Auslegung aufgrund verweisungsbedingten Zusammenhangs 23, 25 – Beteiligung von Rechtsnormen des Verfassungs-, Unions- und Völker(vertrags)rechts: s. Begriffe „Verfassungsrecht“, „Unionsrecht“ und „Völker(vertrags)recht“ – Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) 58; ferner s. Begriff „Steuerrecht“ – Feststellung der Existenz einer Verweisung 23 ff. – Grenzen 61 – Regelungsziele der beteiligten Rechtsnormen 10, 25, 34 ff., 37, 42 ff. – Richtigkeit 61 f. – Vertretbarkeit 60 f. – Voraussetzung der Anwendung von Rechtsnormen 22, 60 ff. Baurecht – Baubehörde 33 – Bauordnungsrecht 33 Denkmalschutzrecht – Bescheinigung 33, 105 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 15 – Menschenrechte 15 Gerichtsentscheidungen – Begriff 118 – Bindung an Entscheidung 120 ff.
Sachregister – Bindung an Rechtsauffassung 125, 128 ff. – Bindung aufgrund gesetzlicher Regelung 122 – Bindung der Beteiligten („inter partes“) 129 – Entscheidungskompetenz von Gerichten 117 f., 123 f., 129 – Feststellungswirkung 118 f., 119 – Gesetzesbindung 129 – Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG 121, 128 f. – Grenzen der Bindung 124 ff. – Gründe für Bindungswirkung 120 ff., 128 f.; ferner s. Begriff „Verfahrens- und Prozessrecht“ – Inhalt 118 f., 124 f. – Präjudizien 15 – Prüfungsmaßstab für Gerichte 33 – Rechtskraft 118, 121, 124 – Rechtsverständnis 119 – Rechtswidrigkeit 119, 126 – Registereintragungen 118, 125 f. – richterliche Unabhängigkeit: s. Begriff „Verfahrens- und Prozessrecht“ – Tatbestandswirkung 118, 119, 120, 124 – Voraussetzungen der Bindung 122 ff. Gesetz – Begriff 10 Haushaltsrecht – öffentliche Mittel 27, 69 – öffentliches Recht 27, 69 Juristenausbildung – Inhalt 75, 100, 120 f. juristische Methodenlehre – Auslegung 22, 23 f.; ferner s. Begriff „Auslegung“ – Einheit der Rechtsordnung 12 f.; ferner s. Begriff „Verfassungsrecht“ Kammerrecht, insbesondere Industrie- und Handelskammerrecht – Aufsicht 80, 84 – Betriebsstätte 26, 112 – Industrie- und Handelskammern (IHK) 26, 80, 122 – Mitgliedschaft in IHK 26 f., 80, 122
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– Veranlagung zur Gewerbesteuer 26 f., 31, 32, 72 f., 80, 83 f., 105, 108 f., 111 f., 122 f. Kommunalrecht – kommunale Selbstverwaltung: s. Begriff „Verfassungsrecht“ – Mustersatzungen 17 f. Kulturrecht – Bescheinigung 32, 105 Öffentliches Recht – Beteiligung öffentlich-rechtlicher Rechtsnormen an Verweisungen 19 ff. – Merkmale 21 Ordnungswidrigkeitenrecht – Abgrenzung zum Strafrecht 20 – Abgrenzung zum Verwaltungsrecht 20, 111 – Beteiligung ordnungswidrigkeitenrechtlicher Rechtsnormen an Verweisungen 19 ff. – Bußgeldbescheide 33, 85 f., 100 f., 105 f., 111 – Geldbußen 20, 33, 85 f., 100 f., 105 f., 111 – Kartellordnungswidrigkeiten: s. Begriff „Wettbewerbsrecht‘ Parteienrecht – Einnahmen 28 f. – Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) 29, 37, 42 ff., 67 f. – Regelungsziel, insbesondere Transparenzgebot 29, 37 Polizei- und Sicherheitsrecht – Befugnisnormen, insbesondere „inneres System“ 12 f., 138 – G 10-Gesetz 47 f. – Musterpolizeigesetz 17 Rechnungslegungsrecht (Handelsrecht) – Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten 23 f., 25 f., 36 f., 126, 128 – Deutsche Rechnungslegungsstandards (DRS) 68 – Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) 68 – Einnahmen 28 f. – Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) 14, 24, 29, 36, 42 ff., 67 – Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) 67 f.
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Sachregister
– International Financial Reporting Standards (IFRS) 68 f. – rechtliche Einordnung der Regelungen des Rechnungslegungsrechts (öffentliches oder Zivilrecht) 36, 126 – Regelungsziel 29, 36 f., 44 – US Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) 69 Rechtsnorm – Ausgangsnorm: s. Begriff „Verweisungen“ – Begriff 17 – Bezgusnorm: s. Begriff „Verweisungen“ – Gesetz: s. Begriff „Gesetz“ – Normenhierarchie 21, 46, 50, 136 – Rechtsnormen „privater“ Rechtsträger: s. Begriff „Zivilrecht“ – Satzungen 17 f., 21 – übergeordnetes Recht 21; ferner s. Begriffe „Unionsrecht“, „Verfassungsrecht“ und „Völker(vertrags)recht“ – Verordnung 21 Ressortprinzip und Richtlinienkompetenz – einfaches Recht 76 ff. – Grenzen 86 ff. – Rechtsträgerzuständigkeit 81 – Ressortabgrenzung 76 f., 88 f. – Ressortzuständigkeit 76 ff. – Richtlinienkompetenz 81 f. – Verfassungsrecht 81 ff. Schulrecht – Bescheinigung 32, 105 Sozialrecht – Abgrenzung zum Wehrrecht: s. Begriff „Wehrrecht“ – Allgemeiner Teil 31, 32, 74 – Anspruchsübergang bei Ansprüchen gegen Schadensersatzpflichtige (SGB X) 122 – Feststellung der Behinderung 31 f., 105 – gewöhnlicher Auftenthalt 30 – Internationales Sozialrecht 30 – Kinder- und Jugendschutz (SGB VIII) 27, 69, 97 – Komplexität 65 f., 73 f., 75, 100, 121, 134 – Rechtsnachfolge 32 – Regelungsziel 73 f., 90
– Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (SGB IX) 31 f., 105, 140 – Sozialgerichtsbarkeit 120 f. – Sozialversicherungsrecht 31 – Verwaltungsvorschriften 71 – Wohnsitz 30 – Zuständigkeiten 73 f., 75 f., 78, 90, 100 Staat-Bürger-Verhältnis – Begriff 21 Staatsangehörigkeitsrecht – Bundesvertriebenengesetz 98 – „Deutscher“: s. Begriff „Verfassungsrecht“ – Gesetzgebungskompetenz 49 – Staatsangehörigkeitsgesetz 49, 97, 98 – Verwaltungsakt 97 Steuerrecht – Abgabenordnung 23 f., 30 f., 36 f., 42 ff., 126, 128, 134 – Allgemeiner Teil 30 f. – Alterseinkünfte 142 – Aufrechnung 19 f., 46 f., 123 f. – Außensteuerrecht, insbesondere Hinzurechnungsbesteuerung 16, 97, 98, 109 – außergewöhnliche Belastungen 31 f., 105 – Berufsausbildung 27 f. – Betriebsstätte 26, 112, 141 f. – Betriebsstättenprinzip 141 f. – Betriebsstättenvorbehalt 141 – Bilanzsteuerrecht 14, 36 f., 42 f. – BMF-Schreiben 43, 85, 87 – Buchführungs- und Aufzeichungspflichten 23 f., 36 f., 126, 128 – Bundesfinanzministerium (BMF) 43, 77, 85, 93, 103 – Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), einschließlich OECD-Musterabkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung 15 f., 54 ff., 141 f. – Einkommensteuerrecht 12, 14, 16, 27 f., 33, 35, 36 f., 42 ff., 97, 105 f., 111, 126 – Einnahmen 28 f. – Entstrickung 56 – Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht 19, 97 – EU-Grundfreiheiten 52 – EU-Richtlinien 50, 52, 53, 127
Sachregister – Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 100 f. 104 f., 112 – Finanzgerichtsbarkeit 120 f., 124, 127, 130 – Finanzverwaltung 76, 77, 84 ff., 88 – Gemeinnützigkeitsrecht 14 – Gewerbesteuerrecht 13, 26 f., 31, 32, 38, 72 f., 80, 92, 100, 105, 108 f., 111 f., 122 f. – gewöhnlicher Aufenthalt 30 – Gleichmäßigkeit der Besteuerung 13, 35, 45, 109 – Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) 24, 36, 67 f., 126 – Grundsteuerrecht 92 – Insolvenzsteuerrecht 20 – Internationales Steuerrecht 15 f., 30 – Investementsteuererlass 43 f., 69 f., 87, 95 – Investmentsteuerrecht 23, 37 ff., 43 f., 45, 69 f., 87, 93 f., 95, 102 f., 107 – Kapitelertragsteuer 71 – Kinderfreibetrag 70 – Kindergeld 27, 97 – Komplexität 65 f., 75, 121, 134 – Konzernsteuerrecht 68 – Körperschaftsteuerrecht 12, 23, 25 f., 35, 36 f., 38 f., 40, 102 f., 106 ff., 111, 123 – Ländererlasse (gleichlautend oder koordiniert) 73, 79, 80, 84 – Leistungsfähigkeitsprinzip 35, 36 f., 38 f., 40, 42 ff., 45 – Lizenzschranke 16 f. – Maßgeblichkeitsgrundsatz 36, 42, 128 – Missbrauchsvermeidung 35, 53 f., 109 – Parteispenden 14 – Regelungsziel, insbesondere Einnahmenerzielung und Leistungsfähigkeitsprinzip 29, 35, 36 f., 38 f., 40, 45, 93 f. – Richtlinien 73, 80, 84 – rückwirkendes Ereignis 11 – Schiedsverfahren 116, 127 – Steuermessbescheid, insbesondere Gewerbesteuermessbescheid 26 f., 73, 80, 100, 104 f., 123 – Steuerstrafrecht: s. Begriff „Strafrecht“ – Stromsteuer 21 – Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung 17 – Umsatzsteuerrecht 23, 32, 39 f., 105
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– Umwandlungssteuerrecht, insbesondere Sacheinlage und Anteilstausch 20, 50, 53 f., 56, 112 ff., 125, 139 f. – Unternehmensgewinne 141 f. – verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) 36 f. – Verfahrensrecht 20 – Verrechnungspreisberichtigung, insbesodnere länderbezogener Bericht multinationaler Unternehmensgruppen (Country-byCountry Report; CbC Report) 16 – Verständigungsverfahren 56 ff., 63, 115 f., 127 – Verteilungsnormen 141 f. – Wohnsitz 30 – Zinsschranke 68 f. – Zuständigkeiten 76, 84 ff. Strafrecht – Abgrenzung zum Ordnungswidrigkeitenrecht 20 – Allgemeiner Teil 30 – Beteiligung strafrechtlicher Rechtsnormen an Verweisungen 19 f., 132 – Steuerstrafrecht 20, 30, 53 f. Umweltrecht – EU-Richtlinien 50 f. – Immissionsschutzrecht 70 Unionsrecht – Anwendungsvorrang 51, 52, 89 f., 115, 126, 136 – Ausgestaltung durch einfaches Recht 50 f., 52, 53 – autonome Auslegung 50, 53 – Besonderheiten der Auslegung 50 ff. – Beteiligung unionsrechtlicher Rechtsnormen an Verweisungen 50 ff. – Binnenmarkt 51 – Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) 15, 126, 127, 136 f. – Grundfreiheiten 52, 136 f. – Rechtsordnung 50 – Regelungsziel des Unionsrechts 51 – Richtlinien 51, 53 – richtlinienkonforme Auslegung 50 – Souveräntität der Mitgliedstaaten 52, 53 – Umsetzung von Unionsrecht, insbesondere von Richtlinien 51
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Sachregister
– unionsrechtskonforme Auslegung 50, 51 f., 137 – Verordnung 69 – Vollzug von Unionsrecht 89 f., 115, 126 – Vorabentscheidungsersuchen 126 Verfahrens- und Prozessrecht – Amtshilfe 77 f. – Anfechtungsklage 114, 115 – Aufrechnung im Verwaltungsgerichtsprozess 124; ferner s. Begriffe „Steuerrecht“ und „Zivilrecht“ – Auswirkungen auf Auslegung und Anwendung: s. Begriff „Auslegung“ – demokratische Legitmation 62 – Drei-Tages-Fiktion 134 – Eigenschaft als „dienendes“ Recht 60 f. – Einheit der Rechtsordnung: s. Begriff „Verfassungsrecht“ – Ermessensentscheidungen 121 – Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) 129, 130, 132 ff., 136 – Gerichtszweige 120 f., 124, 130 ff. – Große Senate und Vereinigte Große Senate 131 f. – Instanzenzug 122, 130 f., 132 f., 136 – Ortsnähe 74, 100 f., 105, 121 – Prozessrechtsgrundsätze „iura novit curia“ und „da mihi factum, dabo tibi ius“ 120 – Prüfungsmaßstab für Behörden und Gerichte 33 f. – Rechtsbehelfe und Rechtsmittel, insbesondere Berufung und Revision 129, 130 ff. – richterliche Unabhängigkeit 114 f., 117, 129 – Sachnähe 32 f., 72 ff., 99 f., 105, 116, 120 f., 128 – Vereinheitlichung der Rechtsprechung 130 ff., 132 ff., 136 f. – Verfassungsbeschwerde: s. Begriff „Verfassungsrecht“ – Verpflichtungsklage 129 – Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung: s. Begriff „Verfassungsrecht“ – Zusammenhang materielles und Verfahrensrecht 31 ff., 60
– Zuständigkeitsregelungen als „Grund und Grenze“ von Verwaltungshandeln 62 Verfassungsrecht – Anknüpfung an „materiellrechtliche“ Verfassungsnormen 47 – Anknüpfung an „rechtstechnische“ Verfassungsnormen 47, 49 – Ausgestaltung durch einfaches Recht 49 – besonderer Schutz der staatlichen Ordnung für Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) 48 – Besonderheiten der Auslegung 46 ff. – Bestimmtheit 14, 16 f., 20, 22, 47, 51, 138 – Beteiligung verfassungsrechtlicher Rechtsnormen an Verweisungen 46 ff. – Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) 47 – Bundesverfassungsgericht 15, 136 f. – Deutschen-/Bürgergrundrechte 49 – „Deutscher“ 49 – Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) 48 – Einheit der Rechtsordnung 12 f., 41 f., 42, 45, 74 f., 101, 105, 121, 128 – Finanzverfassungsrecht 46 f., 85 – Folgerichtigkeitsgebot 45 – freiheitliche demokratische Grundordnung 47 – Gemeinden 17 f., 80 – Gesetzgebungskompetenz 9 f., 35, 103 f. – Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 66 f. – Gewaltenteilung 35, 63, 114 f., 117, 118 – Grundrechte 15, 30, 47 ff., 136 f. – Homogenitätsgebot 49 f. – Institutsgarantie 48 – kommunale Selbstverwaltung 73, 80, 92, 105 – Landesverfassungsgerichte 15 – Landesverfassungsrecht 15, 49 f. – Normprägung von Grundrechten 48 – Offenheit und Weite von Verfassungsnormen 47 – Publizität 16 – Rechtsprechungskompetenz 122 – Rechtsträger im Bundesstaat 75 f., 78 ff. – richterliche Unabhängigkeit: s. Begriff „Verfahrens- und Prozessrecht“ – Staatskirchen-/Religionsverfassungsrecht 35, 140 – Verfassungsbeschwerde 137
Sachregister – verfassungskonforme Auslegung 46, 48, 137 – Verwaltungskompetenz im Bundesstaat, einschließlich Weisungsrecht 63, 78 ff., 81, 84 ff., 103 f., 114; ferner s. Begriff „Verwaltungsvorschriften“ – Vorbehalt des Gesetzes 31, 66 f. – Vorrangwirkung 46 ff. – Weimarer Reichsverfassung 35, 140 – Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 40 f., 42, 44 f., 74 f., 101, 105, 121, 128 Verwaltungsakte – Begriff 95 f., 105, 109 f., 111 – Bestandskraft 96 f., 106, 109 – Bindung an Entscheidung 99 ff. – Bindung an Rechtsauffassung 116 f. – Feststellungswirkung 97 f., 109 f., 112, 117, 119, 142 – Gesetzesvollzug im Einzelfall 95 – Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG 117, 130 – Grenzen der Bindungswirkung 109 ff. – Gründe für Bindungswirkung 99 ff., 116; ferner s. Begriff „Verfahrens- und Prozessrecht“ – Inhalt 98 f. – Nichtigkeit 97, 98, 109 f. – Realakte 96 – rechtsträgerübergreifende Bindung 114 – Rechtsverständnis 98 f. – Rechtswidrigkeit 97, 98, 109 f. – Selbstbindung der Verwaltung 117, 130 – Tatbestandswirkung 27, 97, 105 f., 106, 108, 109 f., 117, 119, 142 – Verwaltungsvorschriften 61, 63 ff. – Voraussetzungen der Bindung 102 ff. – Wirksamkeit 97, 98 Verwaltungsvorschriften – allgemeine Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung 73, 79, 80, 81 ff., 85 f., 87 – Außenwirkung 61, 66, 71 – Begriff 64 ff., 71 – Bezugsnorm 21, 70 f. – Einzelfallentscheidungen 61, 65, 74, 95 f. – Gerichte 72, 93, 119 – Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG 63 ff., 91 ff.
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– Gründe für Bindungswirkung 72 ff.; ferner s. Begriff „Verfahrens- und Prozessrecht“ – Grundlage für Gesetzesanwendung 63 ff., 95 – Inhalt 69 f. – Rechtsanwendungsgleichheit 63 ff. – Rechtsauffassung „privater“ Rechtsträger 21, 67 ff. – Rechtsverständnis 69 – Selbstbindung der Verwaltung 66, 91 ff. – Übergangsregelungen 94 f. – Vertrauensschutz 94 f. – verwaltungsinterne Wirkung nach außen 66, 71, 79, 90, 91 ff. – verwaltungsinterne Wirkung nach innen 71 ff., 99 Verweisungen – „Allgemeiner“ und „Besonderer“ Teil von Regelungskomplexen als Anwendungsfall von Verweisungen 30 f., 32, 135 – Anwendungsbereich von Ausgangs- und Bezugsnorm 9, 23, 36, 41, 44, 74 f., 76, 83, 92 ff., 101, 106, 121, 129, 131, 135, 136 f., 142 – Anwendungsfall des allgemeinen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts 63, 66 f., 72, 75, 99, 120, 143 – Ausgangsnorm 9 – Auslegung: s. Begriff „Auslegung“ – Außenverweisung 10 – Begriff 9 – Bezugsnorm 9 – Binnenverweisung 10 – „entsprechende“ Anwendung 22, 29 – fehlerhafte („verunglückte“) 138 ff. – Feststellung der Existenz 23 ff. – Fiktion 11, 46 f., 112 f. – Gründe 11 ff., 33 f., 135 – inhaltsbezogene oder stillschweigende über materielles Recht 25 ff., 106 ff. – inhaltsbezogene oder stillschweigende über Verfahrensrecht 25, 31 ff., 105 ff. – Kollisionsregeln 14 f., 55, 57 f. – Kontrolle 14, 138 – Leerverweis 14, 139 f. – Musterregelungen als Vorlage 15 f. – Nachteile 13 f. – normgenaue 23 f.
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Sachregister
– Redaktionsversehen 138 f. – Regelungsziele der beteiligten Rechtsnormen: s. Begriff „Auslegung“ – Rückverweisung 140 ff. – „sinngemäße“ Anwendung 22 – Systematisierung 10 f., 19 – Systembildung 12 f., 44, 135 – Überkreuzverweisung 140 ff. – unionsrechtliche Anforderungen 50 – Vereinfachung („Gesetzesökonomie“) 11 ff., 42 ff., 135 – Verfahrensfragen 60 ff. – verfassungsrechtliche Anforderungen 14, 16 f., 19, 22, 46, 51 – Verweisungsketten, etc. 13 f. – Verweisungskreis 140 ff. – Verweisungsnorm 9 – Verweisungsobjekt 9 – völker(vertrags)rechtliche Anforderungen 54 – Vorteile 11 ff. – Wertungswiderspruch 42, 44 f. – Wortlautidentität 27 ff., 133 f. – Zusammenhang von Ausgangs- und Bezugsnorm 23 – Zuständigkeitsfragen 60 ff. Völker(vertrags)recht – Abkommensüberschreibung (Treaty Override) 55 ff. – autonome Auslegung 54, 58 f. – Besonderheiten der Auslegung 54 ff. – Beteiligung völker(vertrags)rechtlicher Rechtsnormen an Verweisungen 54 ff. – Doppelbesteuerungsakommen (DBA): s. Begriff „Steuerrecht“ – Entscheidungsharmonie 54, 115, 127 – Gerichte 127 – Rang von Völkervertragssrecht 54 f. – Rechtskreis 59 – Regelungsziel des Völker(vertrags)rechts 57 – völkerrechtsfreundliche Auslegung 54 – Vollzug von Völker(vertrags)recht 90, 115 f., 127, 142 – Zustimmungsgesetz (Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG) 54 f., 58
Wehrrecht – Abgrenzung zum Sozialrecht 90 – Wehrdienstbeschädigung 90 Wettbewerbsrecht – Bundeskartellamt (BKartA) 85 f. – Bundeswirtschaftsministerium 85 f. – Bußgeldbescheide 33, 85 f., 100 f., 111 – Geldbuße 33, 85 f., 100 f., 111 – Kartellordnungswidrigkeiten 33, 85 f., 100 f., 111 – Verwaltungsvorschriften des Bundeskartellamts 85 f. – Vorteilsabschöpfung 33, 85 f., 100, 111 Wirtschaftsverwaltungsrecht – Aufsichtsrecht: s. Begriff „Aufsichtsrecht“ – Investitionsschutzabkommen 115 f., 127 – Kammerrecht, insbesondere Industrie- und Handelskammerrecht: s. Begriff „Kammerrecht, insbesondere Industrie- und Handelskammerrecht“ – Wettbewerbsrecht: s. Begriff „Wettbewerbsrecht“ Zivilrecht – „Allgemeiner“ Teil 30 – Arbeitsrecht, insbesondere Berufsbildungsrecht 27 f. – Aufrechnung 19 f., 46 f., 123 f. – Auslegungshilfen „privater“ Rechtsträger 21, 67 ff. – Beteiligung zivilrechtlicher Rechtsnormen an Verweisungen 19 ff., 132 – Erbrecht 19 – Grundbuchrecht 34 – Handelsrecht, insbesondere Kaufleute 126 – Handelsregister 118, 126 – Insolvenzrecht 20 – Internationales Privatrecht 19, 140 f. – Internationales Zivilprozessrecht 141 – Merkmale 20 f. – Rechnungslegungsrecht (Handelsrecht): s. Begriff „Rechungslegungsrecht (Handelsrecht)“ – Rechtsnormen „privater“ Rechtsträger 21, 68 f. – Wohnungseigentumsrecht 33 f., 70